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German Pages 386 Year 2015
Karin Mihatsch Der Ausstellungskatalog 2.0
Edition Museum | Band 12
Karin Mihatsch (Dr. phil.) arbeitete für die documenta 12 und ist Projektmanagerin für Interventionen der zeitgenössischen bildenden und performativen Kunst. Sie arbeitet zum Verhältnis zwischen Institution, Werk und Rezipient in Graz, Wien und Paris.
Karin Mihatsch
Der Ausstellungskatalog 2.0 Vom Printmedium zur Online-Repräsentation von Kunstwerken
»Der Ausstellungskatalog 2.0. Vom Printmedium zur Online-Repräsentation von Kunstwerken« wurde unter dem Titel »Über Repräsentationsformen von Kunstwerken und deren Kontext im Web 2.0. Analyse der Entwicklung von der physisch-realen Ausstellung mit beständigem Printkatalog zur virtuellen OnlineAusstellung mit prozessualem ›Web-catalogue-document‹« als Dissertation an der Universität für angewandte Kunst Wien bei ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Patrick Werkner im Studienjahr 2013/2014 eingereicht und mit »Sehr gut« benotet. Die Dissertation wurde 2014 mit dem vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ausgeschriebenen Award of Excellence ausgezeichnet. Die hier vorliegende Version wurde für die Veröffentlichung überarbeitet.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld
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Inhalt
Vorwort | 9
1. DER S AMMLUNGS- UND AUSSTELLUNGSKATALOG K LÄRUNG DER BEGRIFFLICHKEIT UND HISTORISCHE E NTWICKLUNG AUSGEHEND VOM 15. JAHRHUNDERT 1.1
Einführung | 15
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5
Definitionen des Katalogs | 16 Funktionen des Katalogs | 24 Text und Aufbau im Katalog | 29 Verhältnis zwischen Katalog und Museum | 32 Verhältnis zwischen Katalog und Ausstellung | 34
Der Katalog im 15. Jahrhundert | 39 1.2.1 Einführung | 39 1.2.2 Entwicklung des Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 40
1.2
Der Katalog im 16. Jahrhundert | 43 1.3.1 Einführung | 43 1.3.2 Entwicklung des Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 46 1.3.2.1 Heiltumsbücher, Reliquienverzeichnisse und numismatische Kataloge | 47 1.3.2.2 Sammlungsverzeichnisse und Inventare | 53
1.3
1.4
Der Katalog im 17. Jahrhundert | 59
1.4.1 Einführung | 59 1.4.1.1 Verlagswesen | 59 1.4.1.2 Systematik und Druckgrafik | 61 1.4.1.3 Galerien- und Konversationsstücke im 17. Jahrhundert | 63 1.4.2 Entwicklung des Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 65 1.4.2.1 Kunstkammern | 65 1.4.2.2 Akademie und Pariser Salon | 66 1.4.2.3 Sammlungskataloge im 17. Jahrhundert | 68
1.4.2.4 Funktionen des Katalogs | 68 1.4.2.5 Ein Beispiel: „Theatrum Pictorium Davidis Teniers Antverpiensis“ | 69 1.5 Der Katalog im 18. Jahrhundert | 73
1.5.1 Einführung | 73 1.5.2 Entwicklung des Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 74 1.5.2.1 Ausstellungswesen in Paris | 74 1.5.2.2 Kunstakademien in Deutschland | 76 1.5.2.3 Ein Beispiel: „Recueil Crozat“ | 78 1.5.2.4 Der Weg zum ersten bebilderten Sammlungskatalog im deutschen Sprachraum: „Prodromus Theatrum Artis Pictoriae“ | 83 1.5.2.5 Ein Beispiel: „La Galerie électorale de Dusseldorff raisonné et figuré de ses Tableaux“ | 86 1.5.2.6 Galerienstücke und Konversationsstücke im 18. Jahrhundert – ein bildhaftes Sammlungsinventar? | 87 1.5.2.7 Entwicklung des Katalogaufbaus am Beispiel des Katalogs der Pariser Akademieausstellungen | 90 Der Katalog im 19. Jahrhundert | 93 1.6.1 Einführung | 93 1.6.1.1 Fotografie im 19. Jahrhundert | 94 1.6.2 Entwicklung des Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 96 1.6.2.1 Ausstellungswesen und Akademien | 98 1.6.2.2 Rezeptionsformen des Katalogs | 103
1.6
Der Katalog im 20. Jahrhundert | 105 1.7.1 Einführung | 105 1.7.2 Entwicklung des Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 109 1.7.2.1 Entwicklung des Ausstellungs- und Museumswesens | 109 1.7.2.2 Rolle des Katalogs | 115 1.7.2.3 Funktionen des Katalogs | 116 1.7.2.4 Aufbau des Katalogs | 117 1.7.2.5 Verhältnis zwischen Ausstellung und Katalog | 120 1.7.3 Der Katalog in den Jahren 1900 bis 1999 | 122
1.7
Der Katalog im 21. Jahrhundert | 169 1.8.1 Einführung | 169 1.8.2 Entwicklung des Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 170 1.8.2.1 Entwicklung des Ausstellungs- und Museumswesens | 170 1.8.2.2 Entwicklung des Katalogs | 172
1.8
1.9
Zusammenfassung | 187
2. DER O NLINE -KATALOG ÜBERBLICK UND DEFINITION 2.1
Einführung | 191
2.1.1 Das Internet | 202 2.1.1.1 Das Internet: geschichtliche Entwicklung | 202 2.1.1.2 Das Internet: technische Entwicklung | 204 2.1.1.3 Das Internet: seine Rolle in der Gesellschaft | 206 2.1.2 Von der analogen zur digitalen Fotografie und ihre Präsenz im Internet | 208 2.2
Quellen und Vorläufer des Online-Katalogs im Offline-Bereich | 213
2.3
Quellen und Vorläufer des Online-Katalogs im Online-Bereich | 245
2.4
Bestandsaufnahme erster Online-Kataloge | 271
2.5
Analyse und Systematisierung der aufgelisteten Beispiele | 283
2.6
Abgrenzung und Definition des Online-Katalogs | 291
2.7 Der Online-Katalog | 297 2.7.1 Entwurf eines Online-Katalogs | 297 2.7.1.1 Entwicklung des Online-Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen | 298 2.7.1.2 Funktionen des Online-Katalogs | 298 2.7.1.3 Rolle der Haupt- und Paratexte | 299 2.7.1.4 Rolle der Bilder | 301
2.7.1.5 Aufbau | 302 2.7.1.6 Rezeptionsformen des Online-Katalogs | 305 2.7.2 Zusammenfassung | 308
3. THESE UND ÜBERPRÜFUNG DER THESE 3.1 Der Ausgangspunkt | 313 3.2 Warum etabliert sich der Online-Katalog? | 315 3.3 Das „Web-catalogue-document“ als eigenständiges Medium? | 317 3.4 Zusammenfassung | 319
4. KONKLUSION 4.1 Konklusion und Ausblick | 323
5. ANHANG Appendix | 329 Literatur | 363 Abbildungen | 381
Vorwort
„Der Ausstellungskatalog 2.0. Vom Printmedium zur Online-Repräsentation von Kunstwerken“ erörtert die Entwicklung des „Web-catalogue-document“, einer speziellen Form des Online-Katalogs. Es handelt sich hierbei um eine im Web 2.0 eigenständige veröffentlichte Website, die die Funktionen und Inhalte eines gedruckten Katalogs teilweise aufnimmt und durch die Möglichkeiten des neuen Mediums sowohl inhaltlich als auch strukturell weiterführt. Den Ausgangspunkt für die vorliegende Abhandlung bilden unter anderem die Fragen: „Warum etabliert sich das ,Web-catalogue-document‘?“ und: „Ist dieses als Weiterentwicklung des gedruckten Katalogs zu sehen oder handelt es sich um eine eigenständige Gattung?“ Aus multidisziplinärer Sicht wird diese Entwicklung anhand von nach bestimmten Kriterien ausgewählten Beispielen nachgezeichnet, analysiert und in Bezug zum Kontext gesetzt. Es handelt sich nicht um eine medientheoretische Abhandlung, sondern soll einen breiten Überblick über die Entwicklung des Sammlungs- und Ausstellungskatalogs von verschiedenen Blickpunkten aus geben. Diese Übersicht wird methodisch anhand von vorhandener Literatur, Expertengesprächen und der Analyse von konkreten Beispielen erstellt. Die ausgewählten Beispiele umfassen sowohl Museums- als auch Ausstellungskataloge und konzentrieren sich in erster Linie auf Gruppenausstellungen, um den Einfluss der Institution (und nicht des einzelnen Künstlers) auf die Kataloggestaltung besser analysieren zu können. Um auch die Übersetzung der realen Präsentation in den Katalog deutlich nachvollziehbar zu machen, wird das Genre des catalogue raisonné in der vorliegenden Publikation weitestgehend ausgeklammert. „Der Ausstellungskatalog 2.0“ skizziert ausgehend vom 15. Jahrhundert die historische Entwicklung bis hin zum heutigen Ausstellungs- und Sammlungskatalog. Dies geschieht hinsichtlich der sozialen und politischen Situation der jeweiligen Epoche sowie vor dem Hintergrund der technischen Neuerungen im Bereich der Bildreproduktion. Ebenso wird der Bezug zur Entwicklung des
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Museums- und Ausstellungswesens hergestellt und es werden die in diesem Spannungsfeld auftretenden Wechselwirkungen beleuchtet. Der analysierte Bogen spannt sich von ersten Malereien und Holzschnitten über Kupferstiche bis hin zu analogen fotografischen und schließlich digitalen Reproduktionstechniken und zeigt deren eigentümliche Verbreitungsformen auf. Publikationen, die diese spezifische Form von Reproduktionen aufweisen, wie zum Beispiel Reiseliteratur, numismatische Kataloge, Heiltumsbücher und Reliquienverzeichnisse, erste Sammlungskataloge, livrets de salon u. Ä., finden Erwähnung und werden anhand von ausgewählten Beispielen erläutert, um den Hintergrund für die Entwicklung des Sammlungs- und Ausstellungskatalogs zu verdeutlichen. Auch das in diesem Zusammenhang wichtige Genre der Galerien- und Konversationsstücke wird unter bestimmten Gesichtspunkten, wie z. B. dessen Bezug zur originalen Sammlung, diskutiert. „Der Ausstellungskatalog 2.0. Vom Printmedium zur Online-Repräsentation von Kunstwerken“ setzt sich aus zwei Hauptkapiteln zusammen: der historischen Basis und der darauf aufbauenden Skizzierung des Online-Katalogs. Bei der einführenden Untersuchung der historischen Entwicklung des Museumsbzw. Ausstellungskatalogs stütze ich mich auf die bereits vorhandene Literatur. Studium und kritische Hinterfragung dieser Quellen werden durch die Analyse originaler Dokumente ergänzt. So wird ein durchgängiger skizzenhafter Überblick über die historische Entwicklung des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs gezeichnet. Es existiert Literatur über die einzelnen Epochen und Publikationsbeispiele, jedoch genau der Mangel an einem einen durchgehenden Überblick gebenden Hauptwerk veranlasst mich, meinen wissenschaftlichen Beitrag in ebendiesem Feld fußen zu lassen. Aufbauend auf diesem breiten Fundament folgt im zweiten Teil die Analyse der aktuellen Entwicklungen eines möglichen Online-Katalogs unter Berücksichtigung mehrerer Aspekte: Einführend wird ein Überblick über die Vorläufer im digitalen Bereich gegeben, gefolgt von einer Bestandsaufnahme und Analyse dieser möglichen Modelle des Online-Katalogs. Die Ergebnisse stammen aus Online-Recherchen und Gesprächen mit Personen, die in diesem Bereich auf unterschiedliche Arten tätig sind. Abgrenzungen und Überschneidungen zu herkömmlichen Websites und Online-Archiven sowie Online-Ausstellungen werden herausgearbeitet, führen zu einer Definition des Online-Katalogs und zeigen die Notwendigkeit auf, einen spezifischen Begriff für dieses Genre einzuführen: das „Web-catalogue-document“. Im Anschluss wird die Rolle des Textes sowie des Bildes im „Webcatalogue-document“ untersucht. Auch wird dem Bezug zur realen Präsentation sowie zum gedruckten Katalog nachgegangen und die dem „Web-cataloguedocument“ eigenen Rezeptionsformen werden analysiert und in Bezug zu den bisherigen Formen gestellt. Daraus resultierend ergibt sich eine Zusammenfas-
V ORWORT | 11
sung des Aufbaus sowie der Funktionen des „Web-catalogue-document“, die somit die Skizzierung dieses neuen Online-Publikation-Genres komplettiert. Der Umstand, dass heute noch verschiedene Nutzergenerationen des „Webcatalogue-document“ koexistieren, bereichert die Diskussion rund um dieses Thema und steuert zum besseren Verständnis dieser aktuellen Entwicklung bei. Diese besondere Konstellation von unterschiedlichen Nutzern erlaubt einen facettenreichen Blick auf diese sich sehr schnell entwickelnde Online-Publikationsform. Gerade diese Schnelllebigkeit und damit die verbundene Aktualisierungsmöglichkeit sind Charakteristika des „Web-catalogue-document“, jedoch bergen sie auch Schwierigkeiten in der theoretischen Betrachtung, zeigen einen bezeichnenden Unterscheid zwischen gedruckter und Online-Veröffentlichung auf und spiegeln sich auch in der vorliegenden Publikation wider: Einige der hier zitierten Websites sind (in der beschriebenen Form) nicht mehr online. Dies ist in den Fußnoten dementsprechend vermerkt. „Der Ausstellungskatalog 2.0. Vom Printmedium zur Online-Repräsentation von Kunstwerken“ wurde unter dem Titel „Über Repräsentationsformen von Kunstwerken und deren Kontext im Web 2.0. Analyse der Entwicklung von der physischrealen Ausstellung mit beständigem Printkatalog zur virtuellen Online-Ausstellung mit prozessualem ,Web-catalogue-document‘“ als Dissertation an der Universität für angewandte Kunst Wien bei ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Patrick Werkner eingereicht und mit Sehr gut benotet. Die Dissertation wurde für den vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ausgeschriebenen Award of Excellence für die besten Absolventen von Doktoratsstudien des Studienjahres 2013/14 nominiert und erhielt Ende 2014 diese Auszeichnung. Die hier vorliegende Version wurde leicht überarbeitet, um den Anforderungen einer Buchpublikation gerecht zu werden.
„Es gibt keine Ausstellung mehr – dafür gibt es das Bild der Ausstellung […].“1
1
01 Brüderlin, Markus: Das Bild der Ausstellung, Hochschule für Angewandte Kunst Wien, Wien, 1993, S. 93
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Herzlichen Dank für ihre selbstlose und engagierte Unterstützung auf unterschiedlichen Ebenen möchte ich an meine Eltern Doris und Norbert Mihatsch, meine Schwestern Irene und Renate Mihatsch und an meine Großeltern Maria Helene und Wilhelm Gaar sowie an Omid Amouzadeh, Claudia Bokmeier, Martin Fritz, Johanna Gampe, Julia Guillon, Katharina Holas, Michael Höllerer, LAUNCH/CO (Marlene Schufferth und Norman Rosner), Philippe Même, Olivier Onic, Laura Rembart, Ruth Rembart, Lucia Schreyer, Dr. Anna Spohn, ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Erich Strouhal, Annette Südbeck und Vier5 aussprechen. Ganz besonderer Dank gilt Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Patrick Werkner. Personenbezeichnungen umfassen die männliche und die weibliche Form gleichermaßen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf die ausdrückliche Nennung beider Formen verzichtet.
1. Der Sammlungs- und Ausstellungskatalog Klärung der Begrifflichkeit und historische Entwicklung ausgehend vom 15. Jahrhundert
1.1 Einführung
Um sich dem Genre des Online-Katalogs zu nähern, soll eingangs die Geschichte des Sammlungs- bzw. Ausstellungskatalogs umrissen werden, indem die historische Entwicklung vom 15. Jahrhundert bis hin zum heutigen Ausstellungs- und Sammlungskatalog skizziert wird. Selbstverständlich ist festzuhalten, dass eine Einteilung in Epochen niemals die Realität wiedergibt, sondern eine starke Vereinfachung darstellt. Um sich trotz der Komplexität des Genres zu orientieren, ist eine solche jedoch hilfreich. Die Analyse geschieht hinsichtlich der sozialen und politischen Situation der jeweiligen Epoche sowie vor dem Hintergrund der technischen Neuerungen im Bereich der Bildreproduktion. Ebenso wird der Bezug zur (Weiter-) Entwicklung des Museums- und Ausstellungswesens hergestellt und die in diesem Spannungsfeld auftretenden Wechselwirkungen werden beleuchtet. Der diskutierte Bogen spannt sich von ersten Malereien und Holzschnitten über technisch sehr anspruchsvolle Kupferstiche bis hin zu analogen fotografischen und schließlich digitalen Reproduktionstechniken und deren eigentümlichen Verbreitungen sowohl im Offline- als auch im Online-Bereich. Reiseliteratur, numismatische Kataloge, Heiltumsbücher und Reliquienverzeichnisse, erste Sammlungskataloge, livrets de salon u. Ä. finden Erwähnung und werden anhand von ausgewählten Beispielen erläutert (u. a. „Recueil Crozat“ oder „Prodromus Theatrum Artis Pictoriae“). Auch das in diesem Zusammenhang wichtige Genre der Galerien- und Konversationsstücke (z. B. „Theatrum Pictorium Davidis Teniers Antverpiensis“ oder „Tribuna der Uffizien“ von Johann Zoffany) wird unter bestimmten Gesichtspunkten diskutiert. Die Wechselwirkungen zwischen der Katalogentwicklung, der Veränderung der realen Präsentationsformen sowie der Weiterentwicklung der Reproduktion und die damit einhergehenden unterschiedlichen Rezeptionsformen (z. B. Veränderungen durch das Internet) werden im oben umrissenen Rahmen erörtert. Den Ausgangspunkt, um zu einer Definition des Online-Katalogs, des sogenannten „Web-catalogue-document“ zu gelangen, bildet ein Forschungsfragenpool mit den folgenden zentralen Fragen: Warum etabliert sich das „Web-catalogue-
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document“? Ist dieses als Weiterentwicklung des gedruckten Katalogs zu sehen oder handelt es sich um eine eigenständige Gattung? Der Fokus auf den französisch- und deutschsprachigen Raum bei den Untersuchungen resultiert aus der zentralen Stellung dieser beiden Kulturen hinsichtlich der historischen Entwicklung des Ausstellungs- und Museumswesens und der damit verbundenen Etablierung des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs. Jedoch sollen ausgewählte Modelle beispielsweise aus den Vereinigten Staaten, die diesen Themenbereich von einer anderen Seite beleuchten und somit die Entwicklungen in Europa spiegeln bzw. sich diesen entgegensetzen, in manchen Kapiteln Erwähnung finden. Des Weiteren lege ich ein besonderes Augenmerk auf Kataloge, die anlässlich von Gruppenausstellungen erschienen sind, um den Einfluss der Institution auf die Publikation in den Vordergrund zu stellen, und nicht die des einzelnen Künstlers. Die im zweiten Abschnitt analysierten Online-Beispiele entsprechen der zum jeweils ausgewiesenen Zeitpunkt aktuellen Version. Infolge der Schnelllebigkeit in diesem Bereich sind die zitierten Websites nicht mehr in allen Fällen aktuell bzw. zum Teil gar nicht mehr online. Dieser Umstand spiegelt somit ein dem Web eigentümliches Merkmal wider.
1.1.1 D EFINITIONEN
DES
K ATALOGS
Um einen Zugang zum Genre des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs zu finden, ist es unerlässlich, die ursprüngliche Wortbedeutung und die damit einhergehenden Definitionsvorschläge zu betrachten. Der Begriff „Katalog“ findet – nicht zwingend mit dem Museums- und Ausstellungswesen verbunden – eine breite Anwendung und soll den Weg für die nachfolgenden Reflexionen ebnen. Das Wort „Katalog“ stammt vom griechischen κατάλογος („katálogos“) und bedeutet „Aufzählung“, „Verzeichnis“. καταλέγειν („katalégein“) wird mit „hersagen“, „aufzählen“ übersetzt.1 Ein Katalog im allgemeinen Sinn kann laut laufend aktualisiertem Duden online folgende Bereiche umfassen:
1
Vgl. Der Brockhaus – In 30 Bänden, 21., völlig neu bearbeitete Auflage. Band 14. F. A. Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 2006a, S. 597
1.1 E INFÜHRUNG | 17
„nach einem bestimmten System geordnetes Verzeichnis von Gegenständen, Namen o. Ä. Beispiele: der Katalog einer Bibliothek, eines Versandhauses, einer Ausstellung [...], lange Reihe, große Anzahl, zusammenfassende Aufzählung. Beispiel: ein Katalog wirtschaftspolitischer Maßnahmen“2.
Unter demselben Online-Duden-Eintrag findet man folgende Synonyme: „Aufstellung, Index, Kartei, Liste, Register, Tabelle, Übersicht, Verzeichnis, Zusammenstellung, Anhäufung, Fülle, große [An]zahl, Masse, Menge, Reihe, Vielzahl; (emotional verstärkend) Unmenge, Unzahl“3. Bei Abgleichung mit dem Brockhaus fällt die Überschneidung des Begriffs „Verzeichnis nach bestimmten Ordnungsprinzipien“ auf.4 Eine erste, allgemeine Definition des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs ist z. B. sein: Ein Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalog ist „eine Art Liste oder Kartei, in der (in systematischer Ordnung) alle Gegenstände genannt (u. gekennzeichnet) sind, die sich in einem bestimmten Museum, Lager, einer Bibliothek oder bei einer Ausstellung befinden“5. Da es sich bei dieser Publikationsform um eine schwer einzugrenzende Gattung handelt, gibt es auch unzählige sich unterscheidende Definitionsversuche. An dieser Stelle möchte ich nur einige nennen – meine Auswahl fokussiert sich in erster Linie auf französische Positionen, da Frankreich bei der historischen Entwicklung des Ausstellungs- und Museumswesens sowie in weiterer Folge des Katalogwesens eine zentrale Stellung einnimmt. Der französische Kunsthistoriker André Chastel (1912–1990) bezieht sich in seinem Text „Qu’est-ce qu’un catalogue? Définition, réaction, fonction“6 auf die von Jean-Jacques Marquet de Vasselot (1871–1946, conservateur [Kustos] im Musée du Louvre) in „Répertoire des catalogues du musée du Louvre (1793–1926)“ gegebene Definition:
2
Duden Online, „Katalog“: [Online]. Verfügbar unter: http://www.duden.de/rechtschrei bung/Katalog (Stand 11.6.2014)
3
Ebd.
4
Vgl. Der Brockhaus in 3 Bänden, 4., aktualisierte Auflage, Band 2: GO-PAH, F. A.
5
The free dictionary by Farlex, „Katalog“: [Online]. Verfügbar unter: http://de.the
Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 2006b, S. 342 freedictionary.com/Ausstellungskatalog (Stand 11.6.2014) 6
[Was ist ein Katalog? Definition, Reaktion, Funktion]
18 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0 „Un catalogue est une publication généralement officielle et rédigée par l’un des conservateurs, dans laquelle les objets d’une ou plusieurs séries sont décrits sous forme de liste méthodique. Il peut être sommaire ou détaillé, illustré ou non.“7
Der Listencharakter, gemäß dem bisher vorherrschenden Katalogtypus, sowie die Personalunion von Ausstellungskurator und Katalogautor sind bei de Vasselots und in der Folge bei Chastels Definition hervorgehoben. Des Weiteren wird das Vorhandensein, aber ebenso die Abwesenheit von illustrierenden Bildern erwähnt. D. h., ein Katalog – so wie wir ihn heute kennen mit einem großen Prozentanteil an Bildmaterial (in Farbe) – stellt nicht von Anbeginn zwingend eine Kombination von Bild und Text dar, sondern konnte durchaus ausschließlich in schriftlicher Form vorliegen. Ende der 1980er-Jahre werden gemäß dem Entwicklungsstand der Reproduktionstechniken auf dem selbstverständlichen Vorhandensein von Bildmaterial fußende Definitionen veröffentlicht: In seinem Vortrag, der in dem Buch „The Painful Birth of the Art Book“ aus dem Jahr 1987 erstmals publiziert wird, stellt der englische Kunsthistoriker Francis Haskell (1928–2000) gleich eingangs fest, dass es sich beim „Art Book“ (potenzieller Verwandter des Katalogs) um ein illustriertes Buch handelt. Das Bildmaterial hat somit seinen festen Stellenwert bei Ausstellungs- und Sammlungskatalogen bzw. bei Kunstbüchern nun auch in der Definition errungen und setzt sich so deutlich von früheren Publikationen ab. Jedoch macht Haskell klar, dass nicht jedes illustrierte Buch zwingend ein Kunstbuch sein muss, und unterstreicht, dass die Eingrenzung generell schwierig und niemals eindeutig ist.8 Annähernd zeitgleich gründet der belgische Herausgeber und Kunsthistoriker Ernst Goldschmidt (1906–1992) in Weiterentwicklung der bisher verbreiteten Bibliografien der Ausstellungskataloge den „Catalogus“. Im Vorwort von „Catalogus“, der in Begleitung der „Cahiers du Musée d’Art Moderne“ erschien, wird folgende Definition des Katalogs angeboten:
7
Chastel, André: L’Histoire de l’Art. Fins et Moyens, Flammarion, Paris, 1980, S. 62 [Ein Katalog ist im Allgemeinen eine offizielle Publikation, die von einem der „Conservateurs“ [Kustos] verfasst wird und in der die Objekte von einer oder mehreren Serien in der Form von methodischen Listen beschrieben sind. Er kann zusammenfassend oder detailliert sein, illustriert oder nicht.] Übersetzung der Autorin. An dieser und an anderen Stellen habe ich Übersetzungen der für die Argumentationslinie relevanten Zitate ins Deutsche vorgenommen (durch eckige Klammern gekennzeichnet). Andere nicht zentrale Zitate werden ausschließlich in der Originalsprache angeführt.
8
Vgl. Haskell, Francis: Die schwere Geburt des Kunstbuchs, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 1993, S. 7
1.1 E INFÜHRUNG | 19
„Un catalogue d’exposition se définissait jadis, jusque vers 1960, comme publication offrant essentiellement une liste descriptive plus ou moins détaillée, illustrée ou non, des œuvres composant une exposition et éditée à l’intention du visiteur. Le catalogue n’entrait alors pas dans le circuit de la librairie et échappait à tout répertoire bibliographique. Depuis, les choses on évoluées: au point qu’il devient, aujourd’hui, difficile de faire différence entre un catalogue d’exposition et un livre d’art. […] Or, Catalogus a pris le parti de retenir tout ouvrage publié, à l’occasion‘ d’une exposition en collaboration avec les organisateurs de celle-ci, et qui n’aurait pas pu réalisé sans elle.“9
Auffällig ist hier die verhältnismäßig präzise Definition für Ausstellungskataloge bis zum Jahr 1960. In den 1960er-Jahren werden die bisherigen Konventionen bezüglich des Ausstellungskatalogs gebrochen, wodurch nun eine exakte Definition erschwert wird. Die darauf folgenden Entwicklungen des Katalogs bis zum Ende der 1980er-Jahre werden als schwer abgrenzbar beschrieben und die Kataloge werden in unmittelbarer Nähe von Kunstbüchern situiert. Aus dieser Schwierigkeit heraus wird nun der Katalog in dem sehr pragmatischen Satz in Bezug auf die Ausstellung zusammengefasst: Das einen Ausstellungskatalog kennzeichnende Merkmal ist der Umstand, dass dieser ohne Ausstellung nicht erscheinen würde. So tritt die kausale Beziehung zum temporären Ereignis in den Vordergrund. Goldschmidt bietet hier meiner Meinung nach eine etwas unpräzise, aber sehr pragmatische und benutzerfreundliche Definition. Zur beinahe gleichen Zeit definiert der damalige Kurator und spätere Direktor des Musée du Louvre Pierre Rosenberg (*1936) den Katalog wie folgt:
9
Pomey, Evelyne: Catalogus. Bulletin bibliographique trimestriel illustré de récents catalogues d’exposition d’art contemporain / Institut des hautes études en arts plastiques, Institut des hautes études en arts plastiques: Centre Georges Pompidou, Supplément au N° 25 de la revue „Les Cahiers du Musée national d’art moderne“, Automne, Paris, 1988, ohne Seitenangabe [Ein Ausstellungskatalog definierte sich bisher, bis zum Jahr 1960, als Publikation, die hauptsächlich eine mehr oder weniger detaillierte, illustrierte oder unbebilderte beschreibende Liste der eine Ausstellung ausmachenden Werke anbietet und die für die Besucher herausgegeben wird. Daher reihte sich der Katalog nicht in das Buchhandelssystem ein und entging allen Arten von Bibliografien. Seither hat sich die Situation derart weiterentwickelt, dass es heute schwierig ist, einen Unterschied zwischen einem Ausstellungskatalog und einem Kunstbuch zu machen. […] Nun hat sich aber „Catalogus“ zum Ziel gesetzt, alle Werke, die „anlässlich“ einer Ausstellung in Zusammenarbeit mit den Organisatoren der selbigen erscheinen und die ohne diese nicht realisiert worden wären, zu berücksichtigen.]
20 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0 „Le catalogue est un genre à part entière dans le champs de l’érudition et de l’édition d’art, parce qu’il doit paraître avant l’ouverture de l’exposition. C’est un genre récent: le plus ancien selon la définition date de 1934.“10
Interessant ist hier, dass die zeitliche Verknüpfung zwischen Ausstellung und Katalog in der Definition erwähnt wird. Dass der Katalog vor Eröffnung der Ausstellung erscheinen soll, um als solcher zu gelten, unterstreicht die zu dieser Zeit im Vordergrund stehende Führungsfunktion der Publikation. Sie soll in der Ausstellung den Besucher durch ebendiese leiten sowie Orientierung geben und nicht ausschließlich als Dokumentationsdokument dienen. Ein Jahr später veröffentlicht Rosenberg in „Les Cahiers du Musée national d’art moderne“ eine etwas ausführlichere Definition des Katalogs, die sich insbesondere auf dessen Aufbau und Verhältnis zur Ausstellung bezieht: „Le catalogue doit reproduire toutes les œuvres exposées; chacune de ces œuvres est accompagnée de notices précises et développées. C’est la réunion de ces œuvres, une réunion calculée, réfléchie, savamment articulée, qui caracterise l’exposition.“11
Nun wird nicht mehr der Stellenwert der Reproduktion, die mittlerweile beinahe selbstverständlich wurde, in der Definition festgehalten, sondern der Bezug der Reproduktion zum ausgestellten Objekt gerät ins Zentrum des Interesses. Auch der Anspruch auf Vollständigkeit des Katalogs, der in gewisser Weise auch sein Verhältnis zur Ausstellung impliziert, gewinnt an Wichtigkeit: Jedes in der Ausstellung gezeigte Werk soll idealerweise auch im Katalog gewissenhaft wiedergegeben werden. Der Katalog umfasst somit die Gesamtheit der ausgestellten Objekte, weniger jedoch die Struktur der Ausstellung an sich.
10 Histoire de l’Art, N° 2, 1988, zitiert aus: Morineau, Camille: Le catalogue d’exposition du MNAM de 1947 à 1977, DEA. Paris X, Histoire de l’art, session 09–90 / Camille Morineau; M. Vaisse, dir., Université Paris X – Nanterre, 1990, S. 1 (Avant propos) [Der Katalog ist eine eigenständige Gattung im Bereich der Kunstlehre und des Kunstverlagswesens, weil er vor der Eröffnung der Ausstellung erscheinen soll/muss. Es handelt sich um eine neue Gattung: Der älteste, der dieser Definition entspricht, datiert aus dem Jahre 1934.] 11 Rosenberg, Pierre: L’Apport des expositions et de leurs catalogues à l’histoire de l’art, in: Les Cahiers du Musée national d’art moderne, Paris, N° 9, Automn 1989 [Der Katalog soll alle ausgestellten Werke reproduzieren; jedes dieser Werke ist von präzisen und ausgereiften Beschreibungen begleitet. Er ist die Versammlung dieser Werke, eine kalkulierte, überdachte und bewusst formulierte Versammlung, die die Ausstellung charakterisiert.]
1.1 E INFÜHRUNG | 21
Dieser Katalogtypus wird z. B. in der Publikation „Chefs-d’Œuvres?“, dem Katalog, der zur Eröffnungsausstellung des Centre Pompidou in Metz im Jahr 2010 erschienen ist, repräsentiert. Der über 560 Seiten umfassende Katalog beinhaltet neben ein- und weiterführenden Paratexten (vgl. Gérard Genette12) und Referenzabbildungen einen sehr reichhaltigen Abschnitt, der den einzelnen ausgestellten Arbeiten bzw. deren Reproduktionen gewidmet ist, die das Musée National d’Art Moderne als Leihgabe für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt hat. Seite 44 bis inklusive Seite 355 weisen mit einigen Ausnahmen meist eine Reproduktion pro Seite auf, begleitet von der Erwähnung des Künstlers, Titel, Maßen, Material, Jahresangabe, Provinienzangabe und Inventarnummer sowie erläuterndem Text zum Werk. Deutlich abgehoben davon wird über den Aufbau der Präsentation in Bild und Text gesprochen und im Anschluss werden die Leihgaben aus internationalen Institutionen nach ähnlichem Prinzip dem Leser präsentiert (Seite 368–440), gefolgt von weiteren – in diesem Zusammenhang zu vernachlässigenden – Kapiteln. Festzuhalten ist jedoch der Fakt, dass bei dem über 560 Seiten umfassenden Katalog ungefähr 68 Prozent der Seiten der Präsentation der ausgestellten Werke gewidmet sind. Dem Anspruch auf Vollständigkeit wird somit vorbildlich Genüge getan. Die daraus resultierende Dokumentationsfunktion des Katalogs ist – im Gegensatz zur Führungsfunktion – zentral, nicht nur aufgrund des Informationsumfangs, sondern auch infolge der Größe, Dicke und des Gewichts des Katalogs. Dieser ist nicht mehr praktisch in der Ausstellung zu benutzen, sondern erfordert eine ruhige Lesesituation (vgl. „catalogue-document“ von Louis Marin). Die französische Kuratorin Camille Morineau (u. a. elles@centrepompidou, 2009/ 2010) beschreibt in ihrer Dissertation aus dem Jahre 1990 den Ursprung des Ausstellungskatalogs in der Ausstellung an sich. Dies ist jedoch nur der Ausgangspunkt und ändert sich bis in die 1990er-Jahre merklich: Der Katalog setzt sich immer deutlicher vom temporären Ereignis Ausstellung ab, ist nicht mehr ausschließlich geschriebener Führer durch ebendiese, sondern wird selbstständig und reiht sich beinahe in die Gattung Buch ein13 (vgl. in diesem Zusammenhang auch Francis Haskell). Dies hat vielfältige Gründe, u. a. auch finanzielle. Da Kataloge immer umfassender werden und über den in der Ausstellung thematisierten Rahmen hinausgehen – sowohl in der Breite als auch in der Tiefe –, muss ein gesondertes, nicht unbedeutendes Budget für ebendiesen aufgestellt werden. Das ursprüngliche Bestreben, den Katalog vor Eröffnung der Ausstellung herauszugeben, wird heutzutage oft nicht immer verfolgt bzw. kann aus gegebenen Gründen nicht eingehalten werden. In vielen Fällen hängt die Zusage von Geldern für den Katalog vom „Er-
12 Siehe dazu Appendix 1 13 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 4 (Avant propos)
22 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
folg“ der Ausstellung sowohl beim Publikum als auch in den Medien ab. Daraus ergibt sich die nachträgliche Veröffentlichung des Ausstellungskatalogs. Dieser ist somit weit autonomer als früher, hat nicht mehr die Führungsrolle durch die Ausstellung, sondern konzentriert sich in erster Linie auf die Dokumentation („caalogue-document“). Als Beispiel seien die Ausstellung „The Death of the Audience“ (2009, Secession Wien, Kurator: Pierre Bal-Blanc) und der damit einhergehende Katalog „The Death of the Audience. Ver Sacrum“14 genannt. Da diese Ausstellung an sich das gesamte Budget beansprucht hat, wurde ursprünglich der Katalog gestrichen. Dank des positiven Echos in den Medien und des (Fach-) Publikums auf „The Death of the Audience“ erhielt die Secession Zusagen von Sponsoren, die einen Katalog im Anschluss an die Ausstellung ermöglichten. Im Rahmen der Vorbereitungsarbeit für diese Publikation rückte der Wunsch nach einer möglichst vollständigen Dokumentation 1.) der Ausstellung in Form von Insitu-Aufnahmen, 2.) der Werke in Form von Reproduktionen sowie Detailansichten der Ausstellungsinszenierung und 3.) der teilnehmenden Künstler in Form von Künstlerbiografien und Texten ins Zentrum. Der ursprünglich geplante Umfang wurde somit überstiegen und es mussten erneut Gelder in Form von Subskriptionen für dieses Projekt aufgestellt werden. Schlussendlich erschien der Katalog 2011 – weit über ein Jahr nach Schließung der Ausstellung. Das temporäre Ereignis kann als Auslöser und roter Faden für diese Publikation gesehen werden, diese geht jedoch über den traditionellen Ausstellungskatalog hinaus und kann beinahe als autonome Publikation betrachtet werden. Nicht zuletzt, weil die beauftragten Grafiker VIER5 die von ihnen gestalteten Publikationen üblicherweise als Kunstprojekt anlegen und somit noch Elemente des Künstlerbuchs hinzufügen. Erwähnung soll in diesem Zusammenhang der Umstand finden, dass die Grafik sich nicht ausschließlich auf die Seiten, die in unmittelbarer Verbindung mit der Ausstellung stehen, beschränkt, sondern ebenso (teilweise) die Werbeeinschaltungen der unterschiedlichen Sponsoren umfasst und somit ein einheitliches Erscheinungsbild hergestellt und die ganzheitliche Gestaltung der Publikation betont wird. Auch wird dadurch ein formaler Bezug zum Magazin „Ver Sacrum“ (dem Organ der Vereinigung bildender KünstlerInnen Österreichs, erste Ausgabe aus dem Jahr 1898) etabliert, der eine Auseinandersetzung auf gestalterischer Ebene nicht nur mit dem Medium „Ausstellungskatalog“, sondern auch mit der Gattung „Magazin“ darstellt. Durch die weitreichenden und über die Ausstellung hinausgehenden Referenzen, die im Katalog bildlich sowie in schriftlicher Form dargelegt werden, wird dieser Katalog zu einem „livre de référence“ (vgl. Camille Morineau). Er wird zum Informationsinstrument sowie zu einem Hilfsmittel für weitreichendere Recherchen.
14 Vgl. Bal-Blanc, Pierre (Hrsg.): The Death of the Audience. Ver Sacrum, Niggli, Zürich, 2011
1.1 E INFÜHRUNG | 23
Naheliegend ist die Konsultation von ICOM (International Council of Museums, gegründet im Jahr 1946) bezüglich des mit dem Museum in Verbindung stehenden Sammlungskatalogs. Wie auch noch an anderer Stelle festgehalten, bietet ICOM jedoch keine klare Definition des Sammlungskatalogs an. Hier wird der Sammlungskatalog in einem Atemzug mit dem Themenbereich „Forschen und Dokumentieren“ genannt. „Zur Forschung gehört die Veröffentlichung der Resultate. Sie erfolgt in der Regel in Zeitschriften, Büchern oder elektronischen Medien. Der wissenschaftliche Bestandskatalog ist ebenso eine Publikationsmöglichkeit wie darauf aufbauende weiterführende Monografien oder wissenschaftliche Aufsätze. Auch Ausstellungen vermitteln neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sie werden zumeist von einem zugehörigen Katalog begleitet. Darüber hinaus kann die Publikation neuer Ergebnisse auch auf oder nach Fachtagungen erfolgen (Forschungsdokumentation).“15
Nicht die Definition, die ja im eigentlichen Sinne nicht erfolgt, sondern die Benachbarung mit dem Thema Dokumentation ist hier interessant. Durch die Nennung des Sammlungskatalogs in dem oben zitierten Zusammenhang wird die Dokumentationsfunktion hervorgehoben, ohne dass eine konkrete Definition gegeben wird. Auch wenn ICOM keine klare Definition des Katalogs liefert, findet man in vielen der vom Internationalen Museumsrat herausgegebenen Publikationen Hinweise auf ebendiesen. An dieser Stelle seien nur zwei markante Beispiele herausgegriffen: „Museum publications. Information on the collections or a temporary exhibition can also be conveyed through the classic medium of a book, booklet or catalogue. The text and illustrations can consolidate knowledge and reactivate experience of the exhibition. It is important that the museum keeps in mind the intended readers and users: publications, guides and catalogues for children and teenagers need to be designed accordingly. The texts must be comprehensible and entertaining and can include comics and pictures. In contrast the more advanced reader will appreciate fuller information and interpretation and also the results of the more advanced research carried out by the curators or outside specialists.“16
15 Deutscher Museumsbund e. V. gemeinsam mit ICOM-Deutschland (Hrsg.): Standards für Museen, Kassel, Berlin, Februar 2006, S. 19 16 ICOM – International Council of Museums (Hrsg.): Running a Museum: A Practical Handbook, Paris, 2004, S. 129
24 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Bemerkenswert ist hier, dass ein spezielles Augenmerk auf die Zielgruppe und die damit einhergehende Adaptation des Katalogs sowie der anderen Publikationen des Museums gelegt wird. Eher in den Bereich der (ungewünschten) Funktionen des Katalogs fällt die im Bericht über ein internationales Symposium vom 22., 23. und 24. Juni 2006 in Schaffhausen, veranstaltet von den ICOM-Nationalkomitees der Schweiz, Österreichs und Deutschlands (herausgegeben von Josef Brülisauer), veröffentlichte Stellungnahme von Regina Hannemann (Direktorin der Museen der Stadt Bamberg): „Ich möchte anmerken, dass auch die grossen Häuser nicht immer mit jeder grossen Ausstellung mit neuen Erkenntnissen beitragen. Der Forschungsbegriff wird dort recht schnell verwendet und soll dann Forschung und Wissenschaft bedeuten. Bedeutet es jedoch neue Erkenntnisse oder bedeutet es nur ordentliche Fussnoten und ordentliche Literatur? […] Das macht aber die wissenschaftliche Forschung doch eher zweifelhaft, weil es viele andere Dinge gibt, die auch noch da sind. Und dann ebenfalls die Praxis, dass diese dicken bebilderten Kataloge regelrecht als Bestellungskataloge für die Forscher, die für kurze Zeit für grosse Ausstellungsprojekte angestellt sind, dienen. Die blättern alles Erreichbare durch und bestellen dann sozusagen nach Katalog.“17
André Chastel18 greift schon in den 1980er-Jahren den soeben dargelegten Umstand auf, dass ICOM keine Standardisierung des Katalogs etabliert: Er stellt sich die Frage, ob es nicht Aufgabe von UNESCO oder ICOM wäre, sich für eine Standardisierung des Katalogs einzusetzen, und nicht die des Museums.19
1.1.2 F UNKTIONEN
DES
K ATALOGS
Wie bereits erwähnt, sind Sammlungs- bzw. Ausstellungskataloge ursprünglich keine eigenständigen Publikationen, sondern von ephemeren Ereignissen, den Ausstellungen, abhängig und werden durch ebendiese bedingt. Ich möchte hier nicht
17 Brülisauer, Josef (Hrsg.): Das Museum als Ort des Wissens. Bodenseesymposium, ICOM Schweiz ICOM Österreich ICOM Deutschland. Bericht über ein internationales Symposium vom 22., 23. und 24. Juni 2006 in Schaffhausen, veranstaltet von den ICOMNationalkomitees der Schweiz, Österreichs und Deutschlands, 2008, S. 33 18 Chastel macht seine Leser auch auf nationale Unterschiede aufmerksam. Er stellt fest, dass der Sammlungskatalog in Italien weitverbreitet ist und in England z. B. der Provenienz besondere Beachtung geschenkt wird. 19 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 69
1.1 E INFÜHRUNG | 25
detailliert auf das grundlegende Verhältnis zwischen der Ausstellung und ihrem Katalog eingehen, da dieses an anderer Stelle noch genauer beleuchtet wird. Auf dieser anfänglich unzertrennlichen Verbindung zwischen Ausstellung und Publikation gründen die ursprünglichen Basisfunktionen des Katalogs. Iris Cramer beschreibt diese beiden Funktionen in der Publikation „Kunstvermittlung in Ausstellungskatalogen“ als „Information“ und „Dokumentation“.20 Information einerseits bezieht sich darauf, dass der Katalog die Ausstellungsbesucher bei ihrem Rundgang über die gezeigten Werke in Form von beschreibenden Listen21 informieren soll; und umfasst somit die Funktion des Katalogs während des temporären Ereignisses. Dokumentation andererseits bezieht sich auf die Verschriftlichung sowie bildhafte Festsetzung der ephemeren Zusammenstellung der in der Ausstellung gezeigten Werke. Somit wird sowohl die Ausstellung an sich als auch die einzelnen Werke dokumentiert. Die Dokumentation geht über die Ausstellungsdauer hinaus und verleiht dem ephemeren Ereignis einen bleibenden Aspekt. Mitte der 1970er-Jahre setzt sich der französische Philosoph, Historiker, Semiotiker und Kunsthistoriker Louis Marin (1931–1992) mit der Funktion des Ausstellungskatalogs auseinander und bezieht sich schon damals auf dessen doppelte Funktion. Marin unterscheidet zwischen dem „catalogue-en-acte“ und dem „cataloguedocument“. Die Bezeichnung „catalogue-en-acte“ verweist auf die Gebrauchsfunktion des Katalogs in der Ausstellung selbst: Er soll den Rundgang der Besucher leiten, indem er eine gewisse Reihenfolge der Werkbetrachtung vorschlägt. Darüber hinaus bietet er dem Betrachter eine Hilfestellung bei der Identifizierung der einzelnen Werke (z. B. durch Nennung des Titels und des Künstlers) und liefert ergänzend Informationen zu den Exponaten und ggf. zum vorgeschlagenen Rundgang sowie der Ausstellung selbst.22 Der Katalog beinhaltet aber nicht ausschließlich museologische Angaben der Exponate sowie eine Bibliografie und eine Liste der wichtigsten Ausstellungen, sondern auch Texte anderer Art. Diese sollen das Konzept der Ausstellung darlegen, sie legitimieren (z. B. durch die Bibliografie, die den jeweiligen Text und somit den Katalog in ein bestimmtes Referenznetz stellt23) und
20 Vgl. Cramer, Iris: Kunstvermittlung in Ausstellungskatalogen. Eine typologische Rekonstruktion, Lang, Frankfurt am Main, Wien, 1998, S. 43 21 Siehe in diesem Zusammenhang: Köhler, Andrea: Poesie und Pflichtenheft. Eine Ausstellung in der New Yorker Morgan Library erkundet „Die Liste“, in: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, Montag, 27. Juni 2011, Nr. 147, S. 17 22 Vgl. Marin, Louis: La célébration des œuvres d’art. Notes de travail sur un catalogue d’exposition, in: Actes de la Recherche en sciences sociales, 1975, N° 5–6: La critique du discours lettré, S. 52 23 Vgl. ebd., S. 54
26 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
darüber hinaus dem Besucher ein Hilfsmittel in die Hand geben, um ebendiese zu entschlüsseln.24 Hier sehe ich die verschwommene Grenze zwischen den beiden von Marin differenzierten Funktionen. Durch die Nahelegung eines Ansatzes der Interpretation der Ausstellung und der gezeigten Werke wird sowohl die Rezeption vor Ort beeinflusst als auch die über den Ausstellungsbesuch währende Dokumentation. Hingegen nimmt der Term „catalogue-document“ Bezug auf die dokumentarische Funktion des Ausstellungskatalogs: Als dauerhaftes Objekt, als Buch, bleibt der Katalog lange über die temporäre Ausstellung zugänglich. Er dient, wie schon die Inventare der Reliquiensammlung im 15. und 16. Jahrhundert, als Gedächtnisstütze für ein punktuelles Ereignis.25 Jedoch beschränkt sich die dokumentarische Funktion nicht auf die reine Nennung der einzelnen ausgestellten Werke, sondern fügt dadurch ebendiesen einen „Wert“ hinzu. Ein Wert, der von Marin doppeldeutig gesehen wird, der sich einerseits auf die ästhetischen Aspekte des Werks bezieht und andererseits auf die für den Markt relevanten Gesichtspunkte.26 Marin lässt hier das Verhältnis zwischen Katalog und ausgestelltem Werk bzw. zwischen Original und Abbildung durchklingen, ohne es direkt zu nennen. Ein letzter Punkt, den ich in diesem Zusammenhang zu Louis Marin erwähnen möchte, verweist auf das Verhältnis zwischen Künstler und Betrachter und die Rolle des Katalogs in diesem Beziehungsgeflecht. Marin schreibt: „Le catalogue d’exposition est l’instrument privilégié de la mise en adéquation des codes de l’émetteur (l’artiste) et du récepteur (le public).“27 Der Katalog wird somit als Medium zwischen Sender und Empfänger gesehen, unabhängig von der Ausstellung, und ausschließlich Bezug nehmend auf das Verhältnis zwischen Künstler und Rezipient. Hier kündigt sich erstmals die Emanzipation des Katalogs von der Ausstellung an. Aber nicht nur das Verhältnis zwischen Sender und Empfänger wird durch das Medium beeinflusst, sondern auch das Raum-Zeit-Gefüge, wie es Herbert Marshall McLuhan (1911–1980) beschreibt, indem er sich auf die Elektrizität als Medium bezieht. Diese Feststellung lässt sich aber auch in Folge auf die Auswirkungen des Mediums Internet ausweiten, worauf ich später zu sprechen kommen werde.28
24 Vgl. ebd., S. 56f. 25 Vgl. ebd., S. 54 26 Vgl. ebd., S. 56 27 Ebd., S. 50 [Der Ausstellungskatalog ist das privilegierte Werkzeug, um Codes des Senders (des Künstlers) mit Codes des Empfängers (des Publikums) zur Übereinstimmung zu bringen.] 28 Vgl. Warnke, Martin: Theorie des Internet zur Einführung, Junius Verlag, Hamburg, 2011, S. 121
1.1 E INFÜHRUNG | 27
Diese Loslösung spiegelt sich auch in der von Camille Morineau gestellten Frage nach der Funktion des Katalogs vor bzw. nach der Ausstellung wider.29 Allein durch diese Fragestellung wird eine selbstständige Existenzberechtigung des Katalogs – unabhängig vom temporären Ereignis – mitgedacht. Morineau sieht vier Hauptaufgaben des Katalogs, die sich auf die Zeit vor, während und nach der Ausstellung beziehen. Erstens dient der Katalog vor dem Ausstellungsbesuch als Einführung und Vorbereitung.30 Hier stellt sich für mich die Frage, inwiefern der Zugang zum Katalog vor dem Ausstellungsbesuch an sich möglich und üblich ist. Meist wird er erst beim bzw. nach dem Rundgang gekauft. Falls dies aber schon im Vorfeld geschehen sollte und der Katalog schon vor dem Rundgang konsultiert wird, stimme ich Morineau zu. Dies setzt aber voraus, dass der Katalog leicht zugänglich auch im Buchhandel (oder online) käuflich zu erwerben und nicht in einem rein mit der Eintrittskarte zugänglichen Museums- bzw. Ausstellungsshop verfügbar ist. Aufgrund der finanziellen Lage vieler Kunstinstitutionen, der steigenden Anzahl an unabhängigen Ausstellungsprojekten und des stetig anwachsenden Umfangs einiger Kataloge verschiebt sich die Veröffentlichung zeitlich hinter die Ausstellungseröffnung. Somit tritt seine Vorbereitungsfunktion in den letzten Jahren ein wenig in den Hintergrund. Zweitens betrachtet Morineau wie auch schon Marin die Führungsfunktion während der Ausstellungslaufzeit als zentral. Was die dritte Funktion und somit die Aufgabe des Katalogs nach Schließung der Ausstellung betrifft, sieht Morineau den Hauptwirkungsbereich in der Dokumentation und als Erinnerungsstütze zur Ausstellung: Dies präsentiert sich in einem Geflecht aus folgenden Bezügen: Er enthält meist Texte bezüglich der Ausstellungsorganisation und unterstreicht somit den weiterhin bestehenden Bezug zum ephemeren Ereignis. Des Weiteren schließt er meist eine Reihe an Abbildungen der gezeigten Werke ein und hält somit den Bezug zum Originalwerk aufrecht, wenn auch in Form seiner Abbildung, in Form der Reproduktion. Generell gesprochen kann man sagen, dass der Katalog die Ausstellung in den Kanon der Kunstgeschichte einreiht, die einzelnen Werke in das offizielle Gedächtnis der Öffentlichkeit einschreibt und schließlich den Künstler mit Ruhm versehen soll.31 Das
29 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 88 (Deuxième Partie) 30 Vgl. ebd., S. 89 (Deuxième Partie) 31 Vergleiche dazu, was Roland Recht und Claire Barbillon zur Funktion des Katalogs im Jahr 2006 geschrieben haben: „Je l’ai dit : le musée est la fin idéale de toute œuvre. L’exposition monographique a établit une image définitive de Manet ou de Poussin, que le catalogue vient non seulement consacrer mais parachever, puisque toutes les œuvres qui composent le corpus officiel d’un artiste ne peuvent figurer dans une exposition mais
28 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Genre Katalog ist dank seiner Verbindung zur Institution Museum, Kunsthalle etc. und dank der Referenz des Kurators zum öffentlichen Wissen und nicht zuletzt durch die Schirmherrschaft von politischen Instanzen genau dazu in der Lage.32 Als vierte und somit letzte Funktion nennt Morineau die Bestimmung als „livre de référence“ und beruft sich damit auf die lehrende und informierende Aufgabe. Durch die Inkludierung von tiefer gehenden und bisher unveröffentlichten Paratexten, detaillierten Werklisten und Reproduktionen wird der Informationscharakter ins Zentrum gerückt. Durch den großen Umfang dieser Angaben werden diese meist nicht direkt in der Ausstellung rezipiert, sondern erst nach dem Besuch. Sie dienen somit der weiterführenden Information.33 Hier schließt sich in gewisser Weise der Kreis zwischen den Funktionen vor und nach der Ausstellung: Bei Erwerb des Katalogs vor dem Besuch ist die weiterführende Information als vorbereitende Lektüre zu sehen, bei Rezeption nach dem Ausstellungsbesuch ist diese in den Bereich der Lehre und Recherchetools einzureihen. Somit verschwimmen die Grenzen zwischen den Funktionen des Ausstellungskatalogs vor und nach dem ephemeren Ereignis. Zusammenfassend könnte man aus den oben genannten Erläuterungen folgernd die Funktionen des Ausstellungskatalogs in zwei Bereiche einteilen: einerseits Aufgaben während des Besuchs, die in engem Zusammenhang mit den Werken und ihrer Präsentation stehen, und andererseits Wirkungsbereiche außerhalb der Ausstellung, die sich sowohl auf die Periode vor dem temporären Ereignis als auch auf die Zeit danach beziehen und Ausstellung und deren Objekte in einen größeren Zusammenhang stellen. Mit dieser Zweiteilung gehen auch zwei unterschiedliche Rezeptionsfelder einher: Die Rezeption während des Besuchs spielt sich im (semi-)öffentlichen Raum ab, wohingegen die Lektüre des Katalogs vor bzw. nach dem Besuch meist im privaten Umfeld stattfindet. Diese unterschiedlichen Rezeptionskontexte beeinflussen die Wahrnehmung der Inhalte.
trouvent place dans le catalogue. Le catalogue monographique devient donc une sorte de fiction, un musée idéal pour une figure héroïque d’artiste. Pour l’artiste contemporain, le musée est également l’objectif qu’il vise, et le catalogue, sur lequel il exerce un contrôle absolu, forme le corollaire obligé de cette consécration. Ce rôle du musée ne peut pas se comprendre en dehors des écanismes du marché de l’art, dont il légitime, expose et conserve la valeur étalon.“ [Recht, Roland; Barbillon, Claire: A quoi sert l’histoire de l’art?, Textuel, 2006, S. 22f.] 32 Vgl. ebd., S. 116ff. (Deuxième Partie) 33 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 127ff. (Deuxième Partie)
1.1 E INFÜHRUNG | 29
1.1.3 T EXT
UND
AUFBAU
IM
K ATALOG
Nicht nur die Reproduktionen machen einen Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalog aus. Es sind auch die in ihm inkludierten Paratexte, die ein Charakteristikum darstellen. Der Stellenwert und die Funktion des geschriebenen Wortes im Katalog haben sich im Laufe der Zeit stark verändert und entwickelt. Anfang des 18. Jahrhunderts war es der französische Stecher, Sammler und Kunstkritiker Pierre-Jean Mariette (1694–1774), der einen neuen Weg der Gemäldebeschreibungen in Katalogen einschlug.34 Für den Katalog „Recueil d’Estampes d’après les plus beaux tableaux et d’après les plus neaux desseins qui sont en France dans le Cabinet du Roy et dans celuy de Monseigneur Duc d’Orléans, & dans d’autres Cabinets“ (Erstausgabe im Jahr 1729), kurz: „Recueil Crozat“, hat sich Mariette in erster Linie auf die formalen Aspekte seiner Texte konzentriert. Zu jedem Künstler findet der Leser einen Kurztext, der auf das Leben ebendieses eingeht. Danach folgen, nach Sammlungen, in denen sich die Originale befinden, sortiert, die Bildbeschreibungen. Diese können eine Länge von einem Satz bis hin zu beinahe einer halben Seite umfassen. An dieser Stelle sei ein Beispiel zu einer Arbeit von Joseph Passari angeführt: „CXXXI. ASSOMPTION DE LA SAINTE VIERGE. Dessin que Joseph Passari a fait à la plume, lavé & rehaussé de blanc sur un papier bistré, tel qu’on l’a imité par l’estampe.“35 Nicht nur aufgrund des neuartigen Stellenwerts des Texts stellt dieser Katalog eine Neuerung dar. Generell ist an dieser Stelle zu bemerken, dass der „Recueil“ sich deutlich von Drucksammlungen, die zu dieser Zeit sehr verbreitet waren, absetzt. Nicht nur dadurch, dass die Drucke ursprünglich nicht für den Einzelerwerb vorgesehen waren, sondern auch durch das Vorhandensein von Text unterscheidet er sich von den losen Sammlungen von Einzelbildblättern. Das geschriebene Wort distanziert den „Recueil“ von den – wenn auch in manchen Fällen eingeklebten – Drucksammlungen und stellt ihn in die Nähe des Genres Buch.36 Ich mache an dieser Stelle einen großen zeitlichen Sprung und beziehe mich nahtlos auf das 20. Jahrhundert: Morineau stellt eine generelle Veränderung der Kataloge des MNAM (Musée national d’art moderne) fest: In den 1950er-Jahren herrscht
34 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 63 35 Crozat, Pierre: Recueil d’estampes d’après les plus beaux tableaux et d’après les plus beaux desseins qui sont en France dans le Cabinet du Roy, dans celuy de Monseigneur le Dux d’Orleans, & dans d’autres Cabinets. Divisé suivant les différentes écoles avec un abbregé de la Vie des Peintres, & une Description Historique de chaque Tableau, TOMBE SECONDE, Paris, 1729, (2 Bände), S. 53 36 Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 52
30 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
das Motto „Laisser la parole à l’œuvre“ – die Werke sollen für sich sprechen. Die Texte richten sich in erster Linie an eine einheitliche (möglicherweise anonyme) Öffentlichkeit, an das Volk. Dies ändert sich in den 1960er-Jahren: Die Autoren richten sich in ihren Textbeiträgen an Einzelpersonen und nicht mehr an ein Massenpublikum. Im darauf folgenden Jahrzehnt wird nicht nur im Katalogaufbau, sondern auch in den Texten an sich der chronologische Aufbau ebendieses infrage gestellt und somit die Selbstreflexion miteinbezogen. Aber nicht nur die kritische Betrachtung des Katalogs, sondern auch jene der Ausstellung findet von nun an auch im Katalog statt. 37 „Le catalogue, lieu de sa propore critique, est aussi celui de la critique de l’exposition.“38
Mit dem Aufkommen von Text ändert sich auch der generelle Aufbau des Katalogs. Wie der Name „Katalog“ schon sagt, ist das ursprüngliche Herzstück die Liste. Der Begriff „Katalog“ wird im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen „catalogus“ entlehnt und bedeutet „Verzeichnis“, „Aufzählung“.39 Diese Werkliste umfasst den Namen des Besitzers, die Signatur des Werkes, die Bibliografie des Werkes, die Liste jener Ausstellungen, in denen die Arbeit bisher gezeigt wurde, die Geschichte des Werkes und seine Ikonografie. Selbstverständlich gibt es je nach Epoche und Katalogtypus Abweichungen.40 An dieser Stelle stellt sich die Frage, was nun eigentlich genannt werden soll/muss: Soll neben der Inventarnummer auch eine kurze Künstlerbiografie angeführt werden?41 Die genauen Maßangaben? Inwieweit handelt es sich hierbei noch um die sogenannte Liste und ab wann haben wir es mit einem (beschreibenden) Text zu tun? Die Grenzen sind fließend. Des Weiteren umfasst der Katalog Langtexte, die zu den textlichen Paratexten und noch genauer zu den Peritexten zählen (auch wenn diese z. B. Epitexte umfassen), wie z. B. Einleitung, wissenschaftliche Texte, Künstlerschriften, literarische Textbeiträge, Meinungen von Experten, Presseartikel ...42 Wie auch immer der Aufbau im speziellen Fall aussehen mag, ein wesentlicher Punkt scheint mir von André Chastel angeführt worden zu sein:
37 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 89ff. (Deuxième Partie) 38 Ebd., S. 89ff. (Deuxième Partie) 39 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 43 40 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 161ff. (Deuxième Partie) 41 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 62f. 42 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 161ff. (Deuxième Partie)
1.1 E INFÜHRUNG | 31
„Die an der Redaktion des jeweiligen Katalogs arbeitenden Personen müssen die in Frage kommenden Werke unvoreingenommen betrachten und schon vorhandene Informationen nicht ungeprüft übernehmen, sondern diese selbst verifizieren.“43
Neben der werkbezogenen Liste und den Texten zu den Ausstellungsobjekten und zum Aufbau nehmen die legitimierenden Texte einen nicht zu verachtenden Stellenwert ein. Meist in der Einleitung wird die Ausstellung an sich gerechtfertigt und in ein Referenznetz gestellt. In manchen Fällen geschieht dies auch mit dem Katalog an sich.44 Diese Legitimierungsfunktion kommt bis heute immer wieder zum Einsatz. Ein Beispiel dafür stellt der einleitende Text von Oberbürgermeister Bertram Hilgen im Katalog zur documenta 12 in Kassel dar: „[...] Dank Arnold Bode ist 1955 ein künstlerisches Kraftfeld in Kassel entstanden, das bis heute die Menschen weltweit elektrisiert und zu ästhetischer wie auch gesellschaftlicher Auseinandersetzung reizt. Mindestens so faszinierend wie die Ausstellungen selbst sind die Geschichte und die Kommunikationsprozesse ihrer Entstehung. Der weltweite Dialog, der das Werden der documenta begleitet und sie inhaltlich schärft, schafft erst jenen Resonanzboden, der auch die documenta 12 vom 16. Juni bis 23. September so einzigartig machen wird.“45
Diesem Text folgt ein Vorwort von Roger M. Buergel und Ruth Noack, der sich nicht nur in Stil und Inhalt von dem des Oberbürgermeisters absetzt, sondern u. a. auch Bezug zum vorliegenden Katalog nimmt: „[...] Im Katalog sind Werke und Werkkomplexe einzelner Künstlerinnen oder Künstler entlang einer Zeitachse gereiht. Er strebt keine Vollständigkeit an, sondern setzt Schwerpunkte, wobei im Anhang zusätzlich die komplette Werkliste zu finden ist. [...]“46
Das Vorhandensein der vollständigen Werkliste wird den unvollständigen Notices, den weiterführenden Werkbeschreibungen, entgegengesetzt. Die Schwerpunktsetzung bezieht sich auf die Beschreibung der einzelnen Arbeiten und Werkgruppen: Die je nach Autor unterschiedlich ausgearbeiteten beschreibenden und teilweise interpretierenden Texte setzen unterschiedliche Akzente. Interessant bei diesem Katalog ist die chronologische Abfolge der beschriebenen Werke. Nicht die seit dem 18. Jahrhundert übliche alphabetische Reihenfolge kommt zur Anwendung, sondern die Reproduktionen und Texte der einzelnen Arbeiten werden im Katalog
43 Chastel, André, 1980, S. 63 44 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 176ff. (Deuxième Partie) 45 Marte, Isabella (Hrsg.): documenta 12, Kassel, Taschen Verlag, Köln, 2007, S. 9 46 Ebd., S. 12
32 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
in ein chronologisches Beziehungsgeflecht zueinander gesetzt. So spiegelt sich nicht die Struktur der Ausstellung wider, sondern es wird eine zusätzliche Ebene eingeführt, die die reale Ausstellung erweitert und hinterfragt. Ab Kapitel 1.2 wird ein Überblick über die Entwicklung des Sammlungs- bzw. Ausstellungskatalogs in seinem jeweiligen Kontext gegeben. Die Systematisierung nach Jahrhunderten dient der Übersichtlichkeit, bildet aber nicht die realen Etappen ab.
1.1.4 V ERHÄLTNIS
ZWISCHEN
K ATALOG UND M USEUM
Auf die genaue Definition des Museums gehe ich an anderer Stelle ein. Ich möchte ins Gedächtnis rufen, dass ICOM zwar eine exakte Beschreibung der Institution Museum anbietet, ebenso u. a. den Leitfaden „Standards für Museen“, aber keine präzise Definition des Museumskatalogs liefert. Erwähnung findet er im Zusammenhang mit der Vermittlung zur Erschließung der Museumssammlungen sowie als Möglichkeit, wissenschaftliche Ergebnisse, die anlässlich einer Sammlungspräsentation gewonnen wurden, zu veröffentlichen, und schließlich als Bestandskatalog. Aber was genau der Museums- oder Sammlungskatalog ist, wie er charakterisiert wird und was seine Aufgaben sind, wird nicht beschrieben.47 Nochmals Bezug nehmend auf Morineau sind zwei mögliche Verhältnisse zwischen Museum und Katalog zu differenzieren: der Katalog einerseits als Produkt der Institution Museum, als Konsumobjekt sozusagen, und andererseits als Werkzeug, um ein gewisses Bild des Museums in der Öffentlichkeit zu generieren.48 Hier prallen wirtschaftliche Interessen auf Marketing. Meiner Meinung nach kein Widerspruch, sondern logische gegenseitige Ergänzung: Das Museum generiert einen gedruckten (eventuell sogar vollständigen) Sammlungskatalog. Die Entscheidung, welche Texte von welchen Autoren inkludiert werden, sowie das grafische Erscheinungsbild und Umfang, Format und Verkaufspreis beeinflussen die Verkaufszahlen des Katalogs, schaffen aber ebenso ein gewisses „Image“ des Museums und tragen z. B. neben anderen Derivaten wie Postkarten, Mugs, Postern ... zur CI der Institution bei. So gehen Wirtschaft und Marketing Hand in Hand. Mögen auch in manchen Fällen nicht von beiden Seiten dieselben Ansprüche an den Katalog gestellt werden, so versuchen die verschiedenen Parteien mit ein und demselben Produkt, dem Katalog, ihre Interessen zu vertreten.
47 Vgl. Deutscher Museumsbund e. V. gemeinsam mit ICOM-Deutschland (Hrsg.), Februar 2006 48 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 130ff. (Deuxième Partie)
1.1 E INFÜHRUNG | 33
Gedanken über den direkten Zusammenhang zwischen Sammlungspräsentation und Katalog macht sich André Chastel. Er kommt zu dem Schluss, dass der Umfang des Sammlungskatalogs entsprechend dem Ausmaß der Präsentation ausfallen sollte.49 Wenn beinahe die komplette Sammlung gezeigt wird, sollte auch im Katalog die (beinahe) vollständige Sammlung repräsentiert werden. Wenn nur ein Teil der Werke zugänglich ist, verspürt laut Chastel das Publikum nicht den zwingenden Wunsch nach einem vollständigen Sammlungskatalog. Hier wird das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Sammlungspräsentation und -katalog deutlich. Wie schon bei der Ausstellung und ihrem Katalog beeinflusst die Präsentation die Erscheinungsform bzw. den Umfang des Katalogs. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob es sich hier um ein reziprokes Verhältnis handelt. Bedingt eine gewisse Katalogform auch die Präsentation in der Ausstellung? Catrin Millmann und Elisabeth Bracun gehen in ihrer Masterarbeit „Das Museum als Bildproduzent. Ausstellungsfotografien des Universalmuseum Joanneum“ (betreut von Prof. Dr. Michael Fehr, FH Joanneum, Studiengang Ausstellungs- und Museumsdesign) u. a. auf diese Beziehung ein. Sie kommen zu folgendem Schluss: „Das Museum wird sozusagen zu einem Bildproduzent in doppelter Hinsicht. Die Anfänge des Ausstellens und die Absicht, das dort Gezeigte zu medialisieren, findet sich bereits in den frühen Schatz- und Wunderkammern.“50
Diese Feststellung kann man u. a. dahin gehend interpretieren, dass die Ausstellung bzw. die Präsentation der Sammlung hinsichtlich des dokumentarischen Fotos, das in der Folge u. a. in einem Katalog erscheint, gedacht wird. Ein Beispiel aus heutiger Zeit zur „szenografischen Fotografie“ im Jagdmuseum des Joanneums soll dies verdeutlichen: „In der Dauerausstellung des Jagdmuseums wird zur Vermittlung des Beuteverhaltens von Tieren eine ähnliche szenographische Gestaltungsform angewandt, um das Beutegreifen eines Greifvogels und eines Fuchs darzustellen. In beiden Fällen wird der Flug- bzw. der Sprungverlauf durch mehrere in einem Bogen hintereinander hängende ausgestopfte Tiere simuliert. Es wird nicht eine Situation nachgestellt, sondern die dabei durchgeführte Bewegung in Sequenzen aufgeteilt, welche nun räumlich, wie eine ins Dreidimensionale umgesetzte Serienaufnahme erscheint. Die Ausstellungspräsentation greift das Mittel der Fotografie auf und liefert ein Bild. Die technische Fähigkeit der Fotografie, einen Bewegungsablauf in einzelnen
49 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 67 50 Millmann, Catrin; Bracun, Elisabeth: Das Museum als Bildproduzent. Ausstellungsfotografien des Universalmuseum Joanneum (betreut von Prof. Dr. Michael Fehr, FH Joanneum, Studiengang Ausstellungs- und Museumsdesign), 2010, S. 26
34 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0 Momenten festzuhalten und durch Aneinanderreihung der Einzelbilder darzustellen, wird in der Ausstellung aufgegriffen, wobei die Einzelbilder durch Objekte ersetzt werden. […] Auch in der Reproduktion dieser Ausstellungssituation wird das Mittel der Szenographie aufgegriffen. So wird in beiden Fotografien der Ausschnitt so gewählt, dass der Flug- bzw. Sprungverlauf eingefangen wird. […] Die dafür eingenommene Kameraposition kann der Besucher aufgrund der Absperrungen in der Ausstellung nicht einnehmen. Ausgangspunkt für die Fotografie ist daher nicht der Blickwinkel oder auch die Position des Besuchers, sondern die Intention bzw. Aussage der szenographischen Gestaltung. Die Fotografie entspricht somit dem durch die Ausstellung vermittelten Bild.“51
Zusammenfassend kann man bemerken, dass in dem von Millmann und Bracun untersuchten Universalmuseum Joanneum die Tendenz, das Display auch hinsichtlich der bildhaften Dokumentation zu denken, seit Anbeginn der Ausstellungsdarstellung eine Rolle gespielt hat.
1.1.5 V ERHÄLTNIS
ZWISCHEN
K ATALOG UND AUSSTELLUNG
„Ein Katalog, den man nachträglich erwirbt, bleibt unvollständig.“52
Wie schon im Abschnitt über mögliche Definitionen und Funktionen des Sammlungs- bzw. Ausstellungskatalogs angedeutet, spielt das Verhältnis zwischen ebendiesem und der Ausstellung an sich eine wesentliche Rolle. Ich erinnere an das Vorwort des Verzeichnisses „Catalogus“, das in seiner Präsentation alle „anlässlich“ einer Ausstellung erschienenen Publikationen in seinen Index der Ausstellungskataloge einbezieht. Morineau stellt in diesem Zusammenhang drei Fragen: • • •
Ist der Katalog von Natur aus von der Ausstellung abhängig? In welchem Ausmaß entspricht der Ausstellungstyp dem Typ seines Katalogs? Welches Verhältnis besteht zwischen der Geschichte des Katalogs und jener der Ausstellung?53
Wenn man den oben genannten Definitionen folgend über Ausstellungskataloge spricht, muss man die erste Frage mit einem klaren Ja beantworten. Auch hinsichtlich der angeführten Funktionen des Katalogs (Information während des Ausstel-
51 Ebd., S. 106ff. 52 Nikkels, Walter: Der Raum des Buches, Tropen Verlag, Köln, 1998, S. 41 53 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 83 (Deuxième Partie)
1.1 E INFÜHRUNG | 35
lungsbesuchs und Dokumentation bzw. Vorbereitung vor und nach der Ausstellung) ist der Bezug zum temporären Ereignis klar erkennbar. Der Anlass für die Publikation eines Ausstellungskatalogs ist per definitionem die Ausstellung und ohne diese würde der Katalog nicht als solcher veröffentlicht werden. In den letzten Jahren wird diese Verbindung in manchen Fällen lockerer. Lockerer in dem Sinn, dass der Katalog nicht zwingend vor dem Ausstellungsbeginn erscheint und somit nicht die vorbereitende Funktion erfüllt. Lockerer aber auch in dem Sinn, dass die Grenzen zwischen klassischem Ausstellungskatalog und z. B. Kurzführer aufgehoben werden (vgl. der Katalog documenta 12 [Kassel, 2007], der gleichermaßen Kurzführer ist und durch eine dreiteilige – separat erhältliche – Magazinreihe ergänzt wird). Die zweite Frage nimmt Bezug auf das formale Verhältnis zwischen Ausstellung und Katalog. Morineau54 untersuchte im Speziellen die Situation von 1947 bis 1977 am Musée national d’art moderne (heute Centre Georges Pompidou) und kommt zu dem Schluss, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Ausstellungsdauer und Umfang des Katalogs gibt. Je länger die Laufzeit, desto ausführlicher und umfangreicher der Katalog (z. B. eine detaillierte Liste der ausgestellten Werke, zahlreiche wissenschaftliche, vertiefende Texte ...).55 „Le catalogue tend à se ressembler à son exposition.“56
Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist auch das Verhältnis zwischen dem Seitenumfang und dem Typus der Ausstellung (Einzel- oder Gruppenpräsentation): Bei der Untersuchung der Ausstellungskataloge des Kunsthauses Graz seit seiner Eröffnung im Jahr 2003 (bis Ende 2010) ergibt sich folgendes Bild: Von den zehn seitenstärksten bisher erschienenen Katalogen wurden acht anlässlich unterschiedlicher Gruppenausstellungen veröffentlicht. Außerdem wurde der bisher umfangreichste Katalog von 432 Seiten (anlässlich der Ausstellung „Living in Motion. Design und Architektur für flexibles Wohnen“) ebenso im Zusammenhang mit einer Gruppenausstellung herausgebracht. Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass von den bis zum heutigen Zeitpunkt erschienenen 32 Ausstellungskatalogen des Kunsthauses Graz nur ca. ein Drittel Einzelausstellungen gewidmet ist.
54 Morineau beschäftigt sich auch mit dem Unterschied zwischen Katalogen, die anlässlich einer Einzel- bzw. Gruppenausstellung erscheinen. Auch hier wieder Bezug nehmend auf die Lage am MNAM stellt sie fest, dass monografische Kataloge mehr Reproduktionen umfassen als Kataloge, die im Rahmen einer Gruppenausstellung erscheinen (Morineau, Camille, 1990, S. 86 [Deuxième Partie]). 55 Vgl. ebd., S. 85 (Deuxième Partie) 56 Ebd., S. 87 (Deuxième Partie) [Der Katalog tendiert dazu, seiner Ausstellung zu ähneln.]
36 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Dennoch könnte man aus dieser Analyse folgende vorsichtige Hypothese aufstellen: Kataloge, die anlässlich einer Gruppenausstellung erscheinen, weisen zumeist eine größere Seitenanzahl auf als jene, die anlässlich einer Einzelausstellung erscheinen. Die dritte Frage geht auf die historische Entwicklung von Katalog und Ausstellung ein. Gibt es hier Parallelen? Diese Frage möchte ich mit dem Hinweis bejahen, dass sich diese Entwicklungen gegenseitig bedingen – jedoch mit der Einschränkung, dass es auch externe Einflüsse wie z. B. den aktuellen Stand der technischen Möglichkeiten der Druckgrafik oder den Status quo des Grafikdesigns gibt, die die Entwicklung des Katalogs beeinflussen. Der Bezug zwischen der Weiterentwicklung im Ausstellungswesen und im Katalogwesen ist unübersehbar: So ändert sich z. B. die Funktion des Katalogs je nachdem, welches Publikum zu den Museen bzw. Ausstellungen „zugelassen“ ist. Stehen zur Zeit der Reliquienbücher der Kultwert des reproduzierten Objekts und die damit verbundene mnemotechnische Funktion des Katalogs im Vordergrund, so wird durch die Öffnung beispielsweise des Salon du Louvre für ein breites Publikum die (be-)lehrende Aufgabe des Katalogs während des Ausstellungsbesuchs ins Zentrum gestellt. Dadurch verändern sich Aufbau, Text-Bild-Verhältnis, Format, Auflage ... der jeweiligen Publikation abhängig davon, anlässlich welchen Ereignisses sie erscheint. „Le catalogue reflète l’exposition par ses reproductions exhaustives [...]“.57
Louis Marin schenkt seine Aufmerksamkeit bei seiner Betrachtung des Verhältnisses zwischen Katalog und Ausstellung der Funktion der Reproduktionen der ausgestellten Werke sowie der Texte.58 Die im Katalog abgebildete Reproduktion des ausgestellten Werks dient während des Ausstellungsbesuchs der eindeutigen Identifizierung des Originals und ist somit unerlässlich für die klare Zuschreibung der museografischen Angaben. Bis in die Mitte der 1970er-Jahre waren diese Reproduktionen vorwiegend in Schwarz-Weiß und standen somit im Kontrast zu den farbigen Originalen. Hier hat die Reproduktion einen stützenden, Hilfestellung gebenden Wert, beeinflusst aber nichtsdestotrotz die Wahrnehmung des Originals, da dank ihr weiterführende Informationen zweifelsfrei zugeordnet werden können und somit zugänglich gemacht werden. Kurz: Der Katalog als „catalogue-en-acte“ und seine Reproduktionen beeinflussen die Rezeption in der Ausstellung.
57 Ebd., S. 87 (Deuxième Partie) [„Der Katalog spiegelt die Ausstellung durch seine vollständigen Reproduktionen wider (...)“] 58 Vgl. Marin, Louis, 1975, S. 54
1.1 E INFÜHRUNG | 37
Außerhalb des Ausstellungsbesuchs verändert die im Katalog veröffentlichte Reproduktion ihre Funktion. Sie dient nicht länger ausschließlich der gewissenhaften Identifizierung des Originals, sondern wird zur Repräsentation des realen Werks, zu seinem (unvollkommenen) Ersatz. Dieser Ersatz ist aber im Vergleich zum Original dauerhaft und ortsungebunden zugänglich – unabhängig vom zeitlich begrenzten Ereignis Ausstellung – und kann somit Forschungen, Analysen und Recherchen dienen. Auch wenn hier die Loslösung des Katalogs und seiner Reproduktionen von der Ausstellung angedeutet wird, darf man nicht vernachlässigen, dass der Katalog ohne reale Ausstellung nicht veröffentlicht worden wäre. Ähnlich verhält es sich mit den Texten: Sei es, dass sie im Vorfeld zur Vorbereitung gelesen werden und somit die darauf folgende Rezeption beeinflussen, sei es, dass sie erst nach dem Besuch der Ausstellung gelesen werden und somit die Erinnerungen neu strukturieren. Diese weiterführenden Paratexte, wie z. B. die Einleitung, das Vorwort oder Editorial, fügen der realen Ausstellung Erklärungen, Vertiefungen und Kommentare hinzu. So entsteht eine andere, abstrakte Ausstellung. Dadurch, dass in den Texten über in der Ausstellung nicht realisierte Elemente von utopischen Ideen und möglichen Versionen gesprochen wird, entsteht ein Modell einer neuen Ausstellung. Nicht nur die originalen Werke werden durch Reproduktionen im Ausstellungskatalog ersetzt, auch die Ausstellung an sich und ihr realisiertes Konzept werden z. B. durch die Texte substituiert. So kann eine imaginäre Ausstellung mit imaginären Werken entstehen. Diese Überlegung Marins lässt an André Malraux’ „Musée Imaginaire“ denken, das 1965 erstmals erschien.59 Auch wenn sich Malraux in seiner These in erster Linie auf die Reproduktion von Bildern konzentriert, ist die Grundidee hier dieselbe: Ein Werk – oder eben eine Ausstellung oder ein Ausstellungskonzept – wird in ein zweidimensionales Medium übersetzt und somit werden anfänglich unterschiedliche Formate in ein Medium transferiert, angeglichen bzw. vergleichbar und durch die Reduzierung auf ein handliches Format und den Vertrieb allerorts und jederzeit zugänglich gemacht.
59 Siehe: Malraux, André: Le Musée Imaginaire, Folio/Essais, Editions Gallimard, 1996
1.2 Der Katalog im 15. Jahrhundert
Das 15. Jahrhundert ist sowohl von gesellschaftlichen und technischen als auch von wirtschaftlichen sowie politischen Umbrüchen gekennzeichnet, die sich indirekt auch auf die Publikationsproduktion auswirken.
1.2.1 E INFÜHRUNG Der Buchdruck hat im 15. Jahrhundert seinen Ausgangspunkt. Eng daran gekoppelt gewinnen Bildreproduktionstechniken wie der Holzschnitt oder der Kupferstich an Bedeutung. Die unterschiedlichen Darstellungsformen sind in den Vorläufern der Kataloge an die technischen Möglichkeiten der jeweiligen Zeit gebunden. Beim Holzschnitt handelt es sich um ein Hochdruckverfahren. Korrekturen sind durch Einsetzen neuer Elemente in den Holzstock möglich. Die Auflage ist beinahe unbegrenzt und ermöglicht somit eine weite Verbreitung bei gleichbleibender Druckqualität. Interessant für die Untersuchung des Katalogs ist auch der Umstand, dass sich der Holzdruck in den Typensatz der Buchdruckpresse einfügen lässt. So wird eine Text-Bild-Kombination ermöglicht und der Holzschnitt wird in der Folge im 16. Jahrhundert ein beliebtes und verbreitetes Illustrationsmittel.1 Im Gegensatz zum Holzschnitt handelt es sich beim Kupferstich um ein Tiefdruckverfahren. Ein Charakteristikum des Kupferstichs ist, dass die weißen Stellen des Drucks sehr sauber sind und das Bild dadurch kontrastreicher erscheint als beispielsweise bei der Radierung, bei der man mit einem Ätzgrund arbeitet.2 Der Kupferstich spielt eine wesentliche Rolle für die Reproduktionsgrafik und die massenhafte Vervielfältigung.
1
Vgl. Koschatzky, Walter: Die graphischen Verfahren vom 15. bis 20. Jahrhundert. Tech-
2
Vgl. ebd., S. 34
nik und Merkmale, Graphische Sammlung Albertina, Wien, 1963, S. 32
40 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Eine Weiterentwicklung im Vergleich zum Holzschnitt ist die Möglichkeit, auch Grauschattierungen durch die Strichanordnung bzw. -dichte zu erzielen. Dies bietet einen entscheidenden Vorteil in den Bereichen der Reproduktion von Kunstwerken sowie der Buchillustration. Diese neuen Möglichkeiten im Bereich der Drucktechniken etablieren sich in der Folge und bieten den Grundstock für das veränderte Verhältnis zwischen Original und Reproduktion. Zwar zielen ursprünglich die im 15. Jahrhundert verbreiteten Drucke der Heiltumsbücher nicht auf die detailgetreue Wiedergabe der Objekte ab, aber im Laufe der Zeit werden die Reproduktionen differenzierter und der Bezug zu den Originalen verändert sich, wird konkreter und eindeutiger.
1.2.2 E NTWICKLUNG DES K ATALOGS IN B EZUG AUF DAS M USEUMS - UND A USSTELLUNGSWESEN Den exakten Anfangspunkt des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs zu definieren, ist nicht möglich. Das liegt daran, dass die verschiedenen Autoren mit unterschiedlichen Definitionen an diese Fragestellung herangehen und daher auch unterschiedliche Publikationen als mögliche Vorläufer in Betracht ziehen. Der enge Bezug zur Entwicklung der Druckgrafiken im 15. Jahrhundert ist aber weitgehend anerkannt. In seinem Text „Prodromus. Vorläufer des illustrierten Sammlungskatalogs. Eine Skizze“ hält der Autor Johannes Zahlten drei wesentliche Entwicklungsphasen des Sammlungskatalogs fest: • • •
religiöse Anfänge im Spätmittelalter profane Systematisierung in Renaissance und Barock „Morgenröte“ des bebilderten Katalogs im 18. Jahrhundert
Zahlten siedelt den ersten im Zusammenhang mit dem Katalog erwähnenswerten Zeitpunkt in der Mitte des 15. Jahrhunderts an. Die Menschen unternehmen zu dieser Zeit Wallfahrten und Pilgerreisen. Das Ziel dieser Unternehmungen sind ausgewählte, mit hoher religiöser Bedeutung versehene Heiligtümer. Vor Ort können die Pilger nicht nur die originalen heilversprechenden Objekte bewundern, sondern auch Reproduktionen von ebendiesen erwerben. Meist handelt es sich hierbei um kolorierte Holzschnitte, die einerseits schemenhaft das besuchte Heiligtum zeigen
1.2 D ER K ATALOG
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und andererseits eine kurze Beschreibung desselben liefern.3 In diesem Zusammenhang möchte ich das Wiener Heiltumsbuch vom ersten Wiener Drucker Johannes Winterburger (1450–1519) als Beispiel nennen. Dieses Heiltumsbuch beschreibt mithilfe von seinen 269 Holzschnitten und begleitenden Texten mehr als 200 Reliquien und beinhaltet darüber hinaus eine der ältesten Darstellungen des Stephansdoms in Wien. Dieser Druck ist, u. a. auch dank der verfügbaren technischen Mittel, erstaunlich exakt und berücksichtigt viele Details des Doms.4 Ganz im Sinne des Kultwerts umfassen die Abbildungen der Heiltumsbücher keine Besucher bzw. Pilger, sondern konzentrieren sich ausschließlich auf die Wiedergabe der heiligen Objekte. Der Fokus liegt eindeutig auf der andächtigen, religiösen Kontemplation. Nicht der Ausstellungswert und die damit verbundene Position des Rezipienten zählen, sondern die Rolle des Betrachters liegt klar definiert außerhalb des Umfelds der Reliquien. Abb. 1: Wiener Heiltumsbuch, 1502
Die Objekte werden isoliert auf neutralem Hintergrund zentral ausgerichtet dargestellt. Keine extremen Blickwinkel lassen sich ausmachen. Anfänglich sind auch keine Details der Objekte auf den Drucken erkennbar. Dagmar Bosse präzisiert in ihrem Text „Souvenir, Dokument und Substitut. Die Abbildung im Ausstellungskatalog“, dass die Darstellung der Heiltumsbücher keinesfalls auf Authentizität mit dem Original abzielt, sondern dass sogar ein und dieselbe schematische Darstellung für unterschiedliche Heiligtümer eingesetzt wird. Nur die kurzen beschreiben-
3
Vgl. Zahlten, Johannes: Prodromus. Vorläufer des illustrierten Sammlungskatalogs. Eine Skizze, in: Bosse, Dagmar (Hrsg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie, Salon Verlag, Köln, 2004, S. 9
4
Vgl. The European Library: [Online]. Verfügbar unter: http://www.theeuropeanlibrary. org/tel4/record/1000093325526?query=wiener+heiltumsbuch (Stand 1.7.2014)
42 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
den Texte erlauben eine exakte Identifizierung. In diesem Zusammenhang definieren die Paratexte erst die Inhalte des Haupttexts und bilden somit ein enges Flechtwerk. Erst durch die Weiterentwicklung der Holzschnitttechnik, die als Vorteil die bereits erwähnte Kombinationsmöglichkeit zwischen Text und Bild bietet, werden auch die Darstellungen differenzierter.5 Aber nicht nur der Holzschnitt, auch die Entwicklung des von Anbeginn an mit der Bildreproduktion verknüpften Kupferstichs um 1430 sowie die Verfügbarkeit von erschwinglichem Papier haben einen deutlichen Einfluss auf die Weiterführung der Heiltumsbücher.6
5
Vgl. Bosse, Dagmar: Souvenir, Dokument und Substitut. Die Abbildung im Ausstellungskatalog, in: Bosse, Dagmar (Hrsg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie, Salon Verlag, Köln, 2004, S. 33
6
Vgl. ebd., S. 42
1.3 Der Katalog im 16. Jahrhundert
Entdeckungsreisen, die Heiratspolitik der Habsburger, der aufkommende Frühkapitalismus sowie die Reformationsbestrebungen sind nur einige Schlagworte, die mit dem 16. Jahrhundert verbunden sind und die u. a. auch auf die Publikationen und Vorläufer der Ausstellungs- und Sammlungskataloge Einfluss haben.
1.3.1 E INFÜHRUNG Der heute weithin geläufige Begriff „Katalog“ stammt wie eingangs schon erwähnt ursprünglich aus dem Griechischen und wird im 16. Jahrhundert konkret vom lateinischen Wort „catalogus“ („Verzeichnis“, „Aufzählung“) entlehnt.1 Durch diese Begrifflichkeit wird der ursprüngliche Stellenwert der Werkliste widergespiegelt und es wird auf seine anfängliche Funktion als Informationsquelle zu den ausgestellten Objekten und als Erinnerungsstütze der gesehenen Werke verwiesen. An dieser Stelle sollen Reiseführer sowie Pilgerführer des 16. Jahrhunderts Erwähnung finden. Der italienische Architekt, Hofmaler und Biograf Giorgio Vasari (1511–1574) gilt dank seiner zahlreichen Künstlerbiografien (u. a. über Leonardo da Vinci, Fra Angelico oder Giotto) als einer der ersten Kunsthistoriker in unserem Sinne. Aufgrund seiner Aufzeichnungen sind uns heute Leben und Werk zahlreicher Renaissance-Künstler aus der Sicht eines Zeitgenossen detailliert zugänglich. Seine Karriere startet Vasari als Hofmaler der Medici, die er aber infolge der Instabilität in der Familie zu dieser Zeit verlässt. Danach tritt er als Maler in die Dienste des Ordens der Olivetaner. In dieser Funktion bietet sich ihm die Möglichkeit, Italien zu bereisen und Informationen zu den an unterschiedlichen Orten zugänglichen Kunstwerken aus drei Jahrhunderten zusammenzutragen. Die Ergebnisse seiner
1
Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 43
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ausgedehnten Recherche veröffentlicht Vasari in dem Buch „Le Vite de’ più eccellenti pittori scultori ed architettori“, das 1550 erstmals erscheint.2 In seinen Texten beschreibt Vasari nicht nur die einzelnen Werke, sondern geht auch auf die jeweiligen Künstlerbiografien ein. „Le Vite de’ più eccellenti pittori scultori ed architettori“ gilt natürlich nicht als ein Ausstellungs- oder Sammlungskatalog im eigentlichen Sinn, greift aber in gewisser Hinsicht der Idee des „Musée Imaginaire“ von André Malraux vor. Die Werke sind in reproduzierter (Lithografie) und verschriftlichter Form ortsunabhängig für die Leser verfügbar. Die an unterschiedlichen Orten in Italien zugänglichen Kunstwerke werden in dieser Publikation aus ihrem ursprünglichen Kontext genommen, versammelt – sei es auch ausschließlich durch die Anordnung im Buch –, in Beziehung zueinander gesetzt, durch Anpassung der Reproduktionen an das Buchformat einander angeglichen und dadurch in gewisser Weise „vergleichbar“ gemacht. Italien als Museum, „Le Vite de’ più eccellenti pittori scultori ed architettori“ als sein Sammlungskatalog? Ob Vasaris Schrift als „catalogue-en-acte“ (Louis Marin) gedient hat, sei zweifelnd dahingestellt. Waren doch zu dieser Zeit die Reisemöglichkeiten für die breite Bevölkerung nicht zugänglich. Seine Funktion als „catalogue-document“ steht jedoch außer Zweifel. „Le Vite de’ più eccellenti pittori scultori ed architettori“ dient als Dokumentation der existierenden (Meister-) Werke und ebenso als Analyse- und Recherchebasis für viele nachkommende Kunsthistorikergenerationen. Vasaris Werk steht in gewisser Weise in der Tradition der Pilgerführer, die die Vorläufer der heutigen Reiseführer sind. Nur dass seine Beschreibungen nicht durch eine religiöse Motivierung entstehen, sondern aufgrund seines kunsthistorischen Interesses. Die Pilgerführer nehmen ihren Ausgangspunkt im 5. und erleben ihren Höhepunkt Ende des 15./Anfang des 16. Jahrhunderts. Wie der Name schon sagt, stehen diese Büchlein in Zusammenhang mit Pilgerfahrten in erster Linie nach Rom. Hier lässt sich eine Parallele zu Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogen ziehen: Pilgerbücher mit ihren beschreibenden Texten und Reproduktionen der zu besuchenden Plätze dienen als Vorbereitung, Führer und Erinnerungsstütze für ein ephemeres Ereignis, die Pilgerreise. Ein Beispiel noch aus dem späten 15. Jahrhundert stellt der Pilgerführer „Mirabilia Romae“ dar. Durch sein handliches Format, seine zahlreichen Neuauflagen sowie durch die Übersetzungen in viele Sprachen erfährt diese Publikation eine starke Nachfrage. Aufgabe von „Mirabilia Romae“ ist es, die Pilger durch Rom zu leiten, ihnen bei der Suche nach Kirchen und Reliquienstätten
2
Academic dictionaries and encyclopedias, Giorgio Vasari: [Online]. Verfügbar unter: http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/523395 (Stand 1.7.2014)
1.3 D ER K ATALOG
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sowie deren Heiltümern zu helfen und schriftliche Informationen dazu bereitzustellen. Die Holzdrucke geben die Reliquien und Orte schemenhaft wieder. Abb. 2: „Mirabilia Romae“, spätes 15. Jahrhundert
Zur Blütezeit der Pilgerfahrt um 1500 werden solche Büchlein in unterschiedlichen Sprachen wie z. B. Lateinisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch herausgegeben. Somit steht fest, dass sie sich an eine internationale Pilgerschaft/ein internationales Publikum richten und um eine Niedrigschwelligkeit bemüht sind, indem die Informationen auch für die breite Masse zugänglich sind. Denken wir nun an die heute organisierten Großausstellungen und ihre Kataloge: Die Katalogtexte sowie die Labels in der Ausstellung selbst sind meist nicht nur in der Landessprache des Ausstellungsortes, sondern oft auch in Englisch angebracht. Falls es sich um eine Wanderausstellung handelt, die in unterschiedlichsprachigen Ländern Station macht, kann es auch vorkommen, dass es der jeweiligen Landessprache angepasste Editionen des Katalogs gibt (z. B. der Katalog „Edvard Munch – L’oeil Moderne“, erschienen auf Französisch anlässlich der Ausstellung im Centre Georges Pompidou, und „Edvard Munch: The Modern Eye“, erschienen auf Englisch anlässlich der Präsentation in der Tate Modern, 2012). So bleibt die Information auch für das breite Publikum zugänglich und ist nicht einer bestimmten Zielgruppe vorbehalten. Aber zurück zum Pilgerführer. Mit der sich immer vehementer ausbreitenden Reformationsbewegung endet auch die mittelalterliche Pilgerfahrt und somit die Veröffentlichung der begleitenden Führer. Diese weichen und geben den Platz frei für eine neue Form der Reiseliteratur.3 Dennoch ist die Bedeutung der Pilgerführer für die künftigen Ausstellungs- und Sammlungskataloge nicht zu vernachlässigen.
3
Vgl. Wikipedia: Rompilgerführer: [Online]. Verfügbar unter: http://de.wikipedia.org/ wiki/Rompilgerf%C3%BChrer (Stand 1.7.2014)
46 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
1.3.2 E NTWICKLUNG DES K ATALOGS IN B EZUG AUF DAS M USEUMS - UND A USSTELLUNGSWESEN Die Pilgerführer oder Heiltumsbücher erscheinen anlässlich der Präsentation von Reliquien, eines temporären, öffentlich zugänglichen Ereignisses in seiner Struktur – jedoch nicht in seiner Funktion –, vergleichbar mit den heutigen Ausstellungen oder besser den Sammlungspräsentationen. Meist sind nicht alle Heiligtümer ausgestellt, sondern nur eine Auswahl, gleichsam einer Sammlungspräsentation in heutigen Museen – die nicht gezeigten Objekte bleiben im Depot. So kann man in diesem Zusammenhang eine Parallele zwischen Präsentation der Reliquien anlässlich von Heiltumsfeiern und Sammlungspräsentation sowie zwischen Heiltumsbuch und Katalog ziehen. Wie der Katalog hat das Heiltumsbuch die Aufgabe, die gezeigten Objekte zu erklären, weiterführende Informationen zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus das ephemere Ereignis zu dokumentieren.4 Die heute teilweise noch erhaltenen Heiltumsbücher sind im Vergleich zu den originalen Reliquien oder gar den zeitlich begrenzten Präsentationen weiterhin zugänglich und dokumentieren über Jahrhunderte das punktuelle Ereignis. Sie dienen Wissenschaftlern heute als Grundlage für ihre Untersuchungen und legen Zeugnis des damaligen Ausstellungswesens ab (vgl. „livre de référence“, Camille Morineau). Ohne Heiltumsfeier wären vielleicht Prachtexemplare der Reliquienbücher für den Sammler persönlich angefertigt worden, das Vorhandensein von weitverbreiteten, zu erschwinglichen Preisen erwerbbaren gedruckten Katalogen verdanken wir jedoch dem ephemeren Ereignis. Das Ereignis bedingt die Publikation. Nicht nur die ausgestellten Reliquien werden dokumentiert, sondern auch deren Präsentationsform findet ihren Niederschlag im Heiltumsbuch. Häufig werden die Reliquien in der präsentierten Reihenfolge reproduziert und geben somit Einblick in das bei der realen Präsentation existierende Beziehungsgeflecht der Objekte. Bosse schreibt, dass illustrierte Kataloge den Anspruch haben, „das Erscheinungsbild des ephemeren Ereignisses zu verewigen, um ein Gedächtnis in einer urkundlich festgelegten und rechtlich geschützten Form zu bewahren“5. Zwar kann der Kontext durch eine lineare Darstellung der Objekte nicht befriedigend abgebildet werden, aber zumindest wird eine gewisse Beziehung zwischen realem und reproduziertem Kontext geschaffen. Um dieses sich eher schwach abzeichnende Verhältnis deutlich zu machen, möchte ich in diesem Zusammenhang auf Online-Sammlungskataloge, im Speziellen auf jenen des Centre Georges Pompidou hinweisen. Hier kann man gemäß seinen persönlichen Suchkriterien einen Auszug des Bestandskatalogs des Centres online betrachten. Die ausgewählten Werke können in einer bestimmten
4
Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 35
5
Ebd., S. 36
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Reihenfolge linear durchgeklickt werden. Je nach Wunsch werden die Credits des Werks angezeigt – oder auch nicht. Jedoch bildet dieser Katalog nicht die Sammlungspräsentation ab – wie es bei den Heiltumsbüchern der Fall ist –, sondern wird je nach Suchkriterien des Rezipienten neu und individuell zusammengestellt und muss in keinem Verhältnis zur realen Präsentation stehen. Somit ist in diesem Fall das Verhältnis zwischen Sammlungskatalog und Sammlungspräsentation relativ gelöst. Jedoch unterstreicht dieses Beispiel den oben skizzierten Bezug zwischen Reliquienpräsentation und Heiltumsbuch und im übertragenen Sinne zwischen Ausstellung, den ausgestellten Objekten und ihrer Übersetzung in Reproduktionen. 1.3.2.1 Heiltumsbücher, Reliquienverzeichnisse und numismatische Kataloge Als eine – in gewissem Sinne – Weiterführung der Pilgerführer kann man die Reliquienverzeichnisse (oder Heiltumsbücher) verstehen. Dieses im 15. und v. a. 16. Jahrhundert aufkommende Genre rund um die Städte Würzburg, Bamberg und Nürnberg greift den Bereich der Orts- und Objektbeschreibungen der Pilgerbücher auf und vertieft diesen, vernachlässigt allerdings die eher der Reiseliteratur verschriebenen Aspekte. Der religiöse Charakter bleibt weiterhin erhalten und lässt sich in dem von diesen Druckwerken kommunizierten Kultwert (vgl. Walter Benjamin6) der beschriebenen und abgebildeten Objekte wiederfinden. Unter Heiltumsbüchern versteht man „[…] im 15. und 16. Jahrh. handschriftliche, später gedruckte und mit Abbildungen (Holzschnitten) versehene Inventarien von wundertätigen Reliquien, kostbaren Gefäßen, Monstranzen, Kruzifixen etc., die in Kirchen aufbewahrt wurden“7. Mithilfe dieser Definition lässt sich ein schon damals auftretender Aspekt künftiger Kataloge festmachen: das Inventar. Das sogenannte Bestandsverzeichnis (der besuchten Heiligtümer und später der ausgestellten Werke) bildet eines der Charakteristika des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs. Die Werkliste, der catalogus, wird sogar namensgebend. Aber nicht nur diese Überlegung rechtfertigt, Heiltumsbücher als frühe Vorläufer der heutigen Kataloge zu erwähnen. Ebenso ihre Funktion der Dokumentation und Erinnerungsstütze legitimiert die Annahme, diese als Wegbereiter anzusehen.
6
Siehe: Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1. Auflage, 1963
7
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9, Leipzig, 1907, S. 78: Heiligtumsbuch: [Online]. Verfügbar unter: http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Heiligtumsbuch (Stand 1.7.2014)
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Abb. 3: Holzschnittbüchlein des Arnt van Aich, 16. Jahrhundert
In diesem Zusammenhang möge das viel untersuchte „Hallische Heiligthumsbuch“ vom Jahre 1520 Erwähnung finden, das „Wittenberger Heiltumsbuch“ vom deutschen Maler und Grafiker Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553) soll hingegen genauere Erläuterung erfahren.8 Nachdem Lukas Cranach auf Bestellung von Friedrich III. (auch Friedrich der Weise genannt, 1463–1525) von Wien nach Wittenberg als Hofmaler kam, wird er umgehend mit der Aufgabe, eine präzise Beschreibung der Objekte der Heiligtumssammlung in der Wittenberger Schlosskirche anzufertigen, betraut. Wahrscheinlich ist Cranach das in Wien im Jahr 1502 gedruckte, sehr umfangreiche Heiltumsbuch bekannt, das Wiener Reliquien, Gefäße und andere Heiligtümer, die jährlich vom Heiltumsstuhl gegenüber St. Stephan ausgestellt werden, beschreibt.9 Die Sammlung an Holzschnitten bzw. Reproduktionen der Heiltumssammlung der Schlosskirche von Wittenberg wird erstmals 1509 herausgegeben. Abb. 4: Wittenberger Heiltumsbuch, 1509
8
Vgl. Cárdenas, Livia: Friedrich der Weise und das Wittenberger Heiltumsbuch: mediale Repräsentation zwischen Mittelalter und Neuzeit, Lukas Verlag, Berlin, 2002, S. 7ff.
9
Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 10
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Von dieser Auflage sind aber heute so gut wie keine Exemplare mehr erhalten. Hingegen sind von der zweiten Auflage, die im selben Jahr erscheint und etwas umfangreicher und anders strukturiert als die erste ist, auch heute noch Ausgaben zugänglich. Diese überraschende Neuauflage lässt wahrscheinlich auf eine Erweiterung der Sammlung an sich schließen, sodass das Heiligtumsbuch, der „begleitende Katalog“, der realen Sammlung angeglichen wurde. Aber nicht nur diese eher ungewöhnliche Neuauflage lässt auf ein enges Verhältnis zwischen der Sammlung und ihrem „Inventar“ schließen. Wie Dagmar Bosse festhält, sind die einzelnen Reproduktionen gemäß der Schau in acht „Gängen“ angeordnet und spiegeln somit die reale Präsentation wider. Diese Praxis ist zu dieser Zeit geläufig und stellt keine Neuerung des Wittenberger Heiltumsbuchs dar. Nicht nur die einzelnen Objekte werden detailgetreu und somit leicht identifizierbar reproduziert, sondern auch die Präsentation, die Ausstellung und somit das Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Objekten werden durch die Anordnung der Reproduktionen aufgegriffen. Um das Wittenberger Heiltumsbuch mit den Augen der damaligen Rezipienten bzw. Leser zu betrachten, muss man von dem heute sofort aufkommenden und die Rezeption beeinflussenden Ausstellungswert der einzelnen Objekte Abstand gewinnen und sich auf den damals verbreiteten Kultwert konzentrieren. Vor diesem Hintergrund bietet das Heiltumsbuch vielfältige Leserichtungen, wie z. B. als Inventarisierung der Sammlung, als Identifizierung der einzelnen Objekte oder als mnemotechnisches Hilfsmittel. Letztere Funktion dient auch als Nachweis des Besuchs der Präsentation der Reliquien. Da das Wittenberger Heiltumsbuch für damalige Verhältnisse in einer sehr hohen Auflage und in einem handlichen Format gedruckt wird, wird ein moderater Verkaufspreis ermöglicht und somit eine weite Streuung ebendieses erzielt. So können sich (beinahe) alle Besucher der Präsentation ihre „eigene Ausstellung“ in Form des Heiltumsbuchs bzw. Katalogs mit nach Hause nehmen. In der Folge finden die Reliquien als ihre Reproduktionen eine weite Verbreitung, die positive „Wirkung“ des Besuchs wurde von der temporären Ausstellung abgekoppelt und durch die Betrachtung der Reproduktionen verlängert.10 Bezüglich der Reproduktionen möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es sich bei der zweiten Auflage nicht ausschließlich um Holzschnitte, die Lukas Cranach in seiner Werkstatt realisierte, handelt, sondern dass das Titelblatt von einem Kupferstich, der die beiden regierenden Fürsten Friedrich den Weisen und Johann den Beständigen zeigt, geziert wird.11 Aber auch der Künstler selbst verewigt sich durch seine gut erkennbare Signatur, den Drachen, auf dem Deckblatt.
10 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 34–35 11 Vgl. Cárdenas, Livia, 2002, S. 8
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Nicht nur durch diese Abbildung, sondern auch durch den Einleitungstext, der die Sammlungsgeschichte skizziert, greift das Wittenberger Heiltumsbuch über die herkömmlichen religiösen Aufgaben hinaus und fügt die Herrschaftsrepräsentation seinen Funktionen hinzu. „[...] Frawen Kunigunden geborn Königin zu Polen verursacht Got dem almechtigen marie seiner hochgelobten gebererin zu sonderm lob / und yn die ehre aller lieben heiligen / als man geschribe nach christi geburt Tausent dreyhundert und dreyun funfzig Jahre / ein kirchen / yn sein gewondlich furstlich hoflager vn schloß Wittemberg mit notturftigen und erlichen widem und begabungen ewiger Rente und Jarguldt zu bawen und aufzerichten. Und volgent Herzog Rudolff von Sachssen seyn Son In dem jar unsers hails Tausent drey hundert unnd yn dem eyn und sechzigisten jar / [... ].“12
Auch die beschreibenden Texte legen ihren Schwerpunkt auf formale Aspekte und weniger auf deren religiöse Bedeutung und weisen den Weg Richtung Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalog. „Der Sybent gang. Zum ir. Ein guldekleynot mit [...] wurtzel und Stam Jesse Von der gulden pfortten ein partickel Ein partickel vom gotzacker gekaufft. Um [...] die rrr13 pfennig dorumb Christus verraten wardt Von dem heiligen Landt ein partickel Vom Stein do der Herre blutigen Schweyß geschwitzt hat drey partic. Von der erden do der Herre blutigen Schweyß geschwitzt hat. j14. Ptickel Vom Stein besprengt mit dem blut rpi.j15 ptic. Suma.viij16 ptickel“.17
Die beteiligten Personen werden als Kupferstich verewigt, die gezeigten Reliquien als Holzschnitte der Nachwelt hinterlassen.
12 Wittenberger Heiltumsbuch, 1509, ohne Seitenangabe 13 Die Buchstaben stehen für Zahlen in diesem Zitat. rrr = 30 (Anm. der Autorin) 14 j = 1 (Anm. der Autorin) 15 j = 1 (Anm. der Autorin) 16 viij = 8 (Anm. der Autorin) 17 Ebd. [Ein goldenes Kleinod mit der Wurzel vom Stamm Jesse. Von der goldenen Pforte ein Stück. Ein Stück von Gottesacker gekauft um die dreißig Silberlinge, worum Christus verraten wurde. Vom heiligen Land ein Teil. Vom Stein, auf den der Herr blutigen Schweiß geschwitzt hat, drei Teile. Von der Erde, auf die der Herr blutigen Schweiß geschwitzt hat, ein Teil. Vom Stein, besprengt mit dem Blut des Herrn, ein Teil. In Summe acht Teile.]
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Abb. 5: Wittenberger Heiltumsbuch, 1509
Diese Reproduktionen nehmen heute einen ganz besonderen Stellenwert ein, da es sich hierbei um Abbildungen ohne existierende Originale handelt. Diese wurden eingeschmolzen und sind nun (mit einer Ausnahme) nicht mehr verfügbar. Steigt dadurch der Stellenwert der Reproduktionen? Werden sie sogar zum Original? Wohl kaum. Dennoch gewinnen sie in diesem speziellen Fall für die nachkommende Generation an Kunsthistorikern als Quelle an Bedeutung (vgl. „livre de référence“, Camille Morineau). Wie schon eingangs erwähnt, ist das Wittenberger Heiltumsbuch selbstverständlich nicht das einzige seiner Art. Auch das „Andechser Heiltumsbuch“ bzw. die „Andechser Heiltumsbücher“ soll/sollen an dieser Stelle angeführt werden. Hierbei handelt es sich nicht um eine einzelne Publikation, sondern um eine Publikationsreihe, die seit dem Jahr 1595 in Form von Listen und begleitenden Illustrationen die Reliquien der Andechser Sammlung dokumentiert. Diese fortwährende Adaptierung des Heiltumsbuchs an die wachsende Reliquiensammlung kann als Parallele zu Neuausgaben heutiger Sammlungskataloge sowie zur Aktualisierung von bestehenden analogen oder digitalen Datenbanken (vgl. dazu z. B. die laufend aktualisierte, online zugängliche Datenbank des Kunstmuseums Lentos in Linz) betrachtet werden. Wenn man die Heiltumsbücher basierend auf den oben angeführten Parallelen zu künftigen Katalogen in Bezug setzt, kann sich dieser Vergleich auch logisch auf die Präsentation der Reliquien ausweiten. Ist die Reliquiensammlung nicht in gewisser Weise als Vorläufer der Kunstsammlung zu verstehen? Der sich im 16. Jahrhundert leise ankündigende Wandel vom Kult- zum Ausstellungswert der gezeigten Objekte rückt diese Annahme ins Mögliche. Die jeweilige temporäre Präsentation der Reliquien und ihrer Behältnisse wäre folgend als zeitlich begrenzte Ausstellung und das anlässlich dazu erscheinende Heiltumsbuch als deren Ausstellungskatalog zu sehen. Aber selbstverständlich ist die Ziehung dieser Parallele mit drastischen Vereinfachungen und Generalisierungen verbunden und kann daher nur als Gedankenspiel angesehen werden.
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Der vormalige Markgraf von Brandenburg, spätere Kardinal des Römischen Reiches und klare Gegner von Martin Luther, Albrecht von Brandenburg (1490–1545), lässt sich im Jahr 1526 sein persönliches Heiligtumsbuch gleichsam einem Privatkatalog oder einer einmaligen Künstleredition anfertigen. Diese für den persönlichen Gebrauch konzipierte Publikation nimmt eine Sonderstellung ein, da sie ein Unikat ist (Appendix 2). Die Anfänge des heutigen Ausstellungs- und Sammlungskatalogs finden sich aber nicht ausschließlich im religiösen, sondern ebenso im profanen Bereich. Die numismatischen Kataloge, die Münzverzeichnisse, stellen eine gleichermaßen einflussreiche Quelle dar. Ähnlich wie bei den Heiltumsbüchern spielt auch bei den Münzkatalogen die Entwicklung des Buchdrucks eine entscheidende Rolle für die Veröffentlichung von numismatischen Werken. Schon seit Anfang des 16. Jahrhunderts erscheinen erste Kataloge dieses Genres mit einem ikonografischen Schwerpunkt: Abbildungen von Münzen werden in Beziehung zu Anekdoten aus dem Leben berühmter Persönlichkeiten gesetzt und gemeinsam veröffentlicht. Eine Neuerung markiert das erstmals im Jahr 1517 vom italienischen Antiquar und Humanisten Andrea Fulvio (1470–1527) in Rom herausgegebene „Imagines illustrium virorum et mulierum ex antiquis numismatibus“, kurz „Illustrium imagines“18 genannt.19 Die knapp über 200 Holzschnitte stellen Münzen und Medaillen dar, die – ganz im Sinne der Renaissance – vom Porträt der römischen Kaiser geziert werden.20 Jede Münzdarstellung wird von einem Schmuckrand umfasst und trägt somit zur Wertsteigerung und Valorisierung jeder einzelnen Abbildung bzw. jeder einzelnen Münze und sogar des Dargestellten bei.21
18 Vgl. dazu z. B. Pelc, Milan. Illustrium imagines: das Porträtbuch der Renaissance, Brill Academic Pub, Leiden, 2002 19 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 11 20 Bemerkenswert ist, dass diese Holzschnittmedaillons die Darstellungsweise der Miniaturmalerei des späten Quattrocentos und frühen Cinquecentos aufgreifen: helle Figur auf dunklem Hintergrund. 21 Vgl. Pelc, Milan: Illustrium imagines: das Porträtbuch der Renaissance, Leiden, Boston, Köln, Brill, 2002, S. 69f.
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Abb. 6: „Imagines illustrium virorum et mulierum ex antiquis numismatibus“, 1517
Abbildung, abgebildeter Gegenstand und Abgebildeter fallen zusammen. Die Münzbilder werden von Biografien der abgebildeten Kaiser (gleichsam Paratexten) begleitet. Wichtig für die weitere Entwicklung des Katalogs sind auch die Inkludierung eines Registers der Dargestellten und die systematische Bearbeitung antiker Münzen. Ersteres findet seine Fortführung in den Werklisten der heutigen Ausstellungs- und Sammlungskataloge, die Systematisierung lässt sich in erster Linie in gewissenhaft umgesetzten Sammlungskatalogen wiederfinden. Die numismatischen Kataloge dienen als Verzeichnis der jeweiligen Münzsammlungen. Sie erfreuen sich in der Folge im 17. und 18. Jahrhundert auch beim Bürgertum großer Beliebtheit. 1.3.2.2 Sammlungsverzeichnisse und Inventare Wie zu Beginn bereits kurz angerissen, findet im 16. Jahrhundert die neuzeitliche Wissenschaft ihren Ausgangspunkt, die sich anschließend bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts etabliert. Wie ebenfalls eingangs schon erwähnt, kommen viele Neuerungen z. B. in Politik und Wissenschaft in ebendieser Periode zum Vorschein. Astronomie, Medizin, Physik und Pharmazie sind nur einige der Bereiche, die sich zu Beginn der Neuzeit gewaltigen Umwälzungen stellen müssen. Die mit diesen Neuerungen in Zusammenhang stehende Entwicklung von Sammlungen (Kunst- und Wunderkammern) und die daran gekoppelte Ausbildung von Sammlungsinventaren lassen sich einleuchtend am Beispiel der Rüstkammer auf Schloss Ambras in Tirol darlegen. Der Begriff „Inventar“ stammt vom lateinischen Wort „invenire“, „inventum“ („vorfinden“, „erwerben“) und ist in erster Linie in den Bereichen der Ökologie und des Rechts in Verwendung. Des Weiteren gibt es den Begriff „Inventarisation“, die allgemein als Bestandsaufnahme zu verstehen ist. Diese geht auf Denkmalinventare des 16. Jahrhunderts zurück und diente in erster Linie dem Denkmalschutz.22 Sie
22 Vgl. Der Brockhaus – In 30 Bänden, Band 13, 2006a, S. 443f.
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wurde ursprünglich im kaufmännischen Bereich angewendet und zur Erstellung von Bilanzen eingesetzt. Eine spezielle Form des Inventars ist das Museums- bzw. Sammlungsinventar. Diese Inventare umfassen alle zugänglichen Informationen zu den jeweiligen Objekten sowie die Nennung des Ortes der Aufbewahrung. Heutige Inventare dieser Art basieren meist auf digitalen Datenbanken (vgl. Datenbank der Oskar Kokoschka Sammlung, Wien) und werden von fotografischen Reproduktionen der inventarisierten Objekte begleitet.23 Beim Ambraser Inventar greifen Sammlungsgeschichte und Kataloggeschichte ineinander, die gegenseitige Bedingung wird erkennbar und nachvollziehbar. Das Schloss Ambras erlangt nach einer langen Periode der Bedeutungslosigkeit im 16. Jahrhundert dank Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595) und der Ausweitung des Einflusses der Habsburger an Relevanz. Ferdinand II. verfolgt eine in der Renaissance weitverbreitete Leidenschaft: das Sammeln. Er baut eine umfassende Kollektion an Rüstungen (ihm verdanken wir den Aufbau der zweitwichtigsten Sammlung nach dem Grazer Zeughaus) und Kunstschätzen auf Schloss Ambras auf, nicht zuletzt um sich selbst ein Denkmal anderer Art zu setzen. Interessant zu erwähnen ist auch, dass sich nicht nur er selbst um die Auswahl und den Erwerb der einzelnen Objekte bemüht, sondern dass er Agenten beschäftigt, die sich darum kümmern. Ein neuzeitlicher Vorläufer der Art Consultant. Ferdinands Interesse gilt aber nicht ausschließlich Rüstungen, die er erstmals nach ästhetischen Gesichtspunkten aussucht und zusammenstellt (die Idee, eine bewusst akquirierte Sammlung aufzubauen, war neu zu dieser Zeit), sondern er schafft auch den Grundstock einer vielfältigen Kunst- und Wunderkammer, die Bücher, Mineralien, Münzen und Gemälde, wie z. B. Werke von Lukas Cranach (1475–1553), Tizian (1477 oder 1488/1490–1576) oder Diego Velásquez (1599–1660), umfasst. Um einen angemessenen Raum für seine umfassende und vielfältige Sammlung zu haben, lässt der Erzherzog das Untergeschoss des Schlosses umbauen. Die Objekte der Kunst- und Wunderkammer werden nach nicht minder interessanten Gesichtspunkten ausgewählt und präsentiert. Ferdinand setzt eine außergewöhnliche Präsentation um: Die einzelnen Objekte werden gemäß einer Systematik, die der Materialität der Exponate folgt, in 18 deckenhohen Kästen präsentiert. Diese Präsentationsform ignoriert Herkunft, Entstehungszeitraum oder Funktion und richtet sich ausschließlich nach dem Material der Objekte. Die Innenwände der Präsentationskästen sind farbig ausgemalt, sodass ein stimmiger Gesamteindruck beim Betrachter entsteht. Man denke hier an die farbig tapezierten Wände in den Museen des 18. Jahrhunderts, die diese Präsentationsform aufgreifen.
23 Vgl. Necker, Christiane: Eingangsbuch und Inventar – Aufgelistet für Verwalter, Forscher und Erben: [Online]. Verfügbar unter: http://blog.sammlungsdinge.de/begriffs definition/eingangsbuch-und-inventar (Stand 1.7.2014)
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Aber die Präsentation beschränkt sich nicht auf den Innenraum der Kästen, Gemälde und diverse Kuriositäten finden auch zwischen den Schränken ihren Platz.24 Das von Ferdinand II. in Auftrag gegebene, aber erst nach seinem Tod abgeschlossene (komplette) Inventar der mannigfaltigen Rüstsammlung erscheint im Jahr 1601 als lateinische und zwei Jahre später als deutsche Auflage und dient unter anderem der Erstellung des Nachlasses.25 Das „Armamentarium heroicum“26 setzt sich aus knapp 130 Kupfertafeln zusammen, die der aus Antwerpen stammende Maler und Kupferstecher Dominicus Custos (1560–1612) nach Vorlagen des italienischen Künstlers Giovanni Battista Fontana (1524–1587) sticht, und zeigt die Porträts von Fürsten und Feldherren, deren Rüstzeug in Schloss Ambras in der Sammlung aufbewahrt wird.27 Abb. 7: „Armamentarium heroicum“, 1601
24 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Sammlung von Ferdinands Erben nicht in dem Ausmaß weitergeführt wird und durch Kriege und unsachgemäße Lagerung Einbußen erleiden musste. Heute ist das Kunsthistorische Museum Wien für die Betreuung der Sammlung zuständig, Schloss Ambras ist sozusagen als „Außenstelle“ des KHMs zu sehen. 25 Vgl. Staud, Gloria: Monumentale Geschichte, in: fiesta, N° 04, 2008, S. 26ff. 26 Siehe eine Videodokumentation: The Art Walters Museum: Armamentarium heroicum: [Online]. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=SPtY2vMr0CQ (Stand 1.7.2014) oder Visual Library Server Armamentarium Heroicum Ambrasianum A Ferdinando Archiduce Austriae Etc. Splendide Et Sumtuose Instructum: [Online]. Verfügbar unter: http://vd18.de/de-sub-vd18/content/titleinfo/16316670 (Stand 1.7.2014) 27 Vgl. Akademie der Wissenschaften zu Göttingen: Korsch, Evelyn: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe. Hrsg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel und Jörg Wettlaufer. Residenzenforschung 15 II, Teilbd. 1+2, Thorbecke Verlag, Ostfildern 2005: [Online]. Verfügbar unter: http://resikom.adwgoettingen.gwdg.de/abfragestichworte.php?UBID=20 (Stand 1.7.2014)
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Dieser „Bestandskatalog“ bezieht sich auf die dauerhaft zugängliche Präsentation und steht somit dem Sammlungskatalog näher als dem Ausstellungskatalog. Dagmar Bosse geht basierend auf folgender Textpassage in ihrer These sogar so weit, das Bildinventar nicht wie einen Ausstellungsführer, sondern als Ersatz für den Besuch der Sammlung zu sehen. „Ausdrücklich wird das illustrierte Inventar im Vorwort als ,ansehnliches Gedenckzeichen‘ gepriesen, dessen Stücke dem Betrachter, der die Sammlung ,personlich zubeschawen nit gelegenheit‘ hatte, die einzelnen Objekte ,fur Augen‘ stellen.“28 Und weiter: „Indem das Schaustück und seine Katalogabbildung dem selben Zweck dienen – in diesem Fall, das Gedächtnis der ruhmreichen Männer zu wahren – werden sie austauschbar; das Bild ,ersetzt‘ das Original.“29
D. h., die Funktion als „catalogue-en-acte“ findet hier keine Anwendung. Wie schon bei den Erläuterungen zum Privatcodex von Albrecht von Brandenburg erwähnt (siehe Appendix 2), haben die jeweiligen Reproduktionen dem Original entsprechende Funktionen: Im Fall vom Pergamentcodex sind sie einmalig und dienen nicht der Vervielfältigung, der Streuung oder Verbreitung der Originale, sondern stehen selbst als Unikate einmalig einem ausgewählten einzelnen Betrachter wie ein Original zur Verfügung. Hier löst sich die Reproduktion vom abgebildeten Objekt und wird ein autonomes Kunstwerk. Ein wenig anders verhält es sich beim Inventar der Ambraser Rüstkammer: Der Katalog vereint Kupferstiche, eine Technik, die eine Distribution mit weiter Streuung ermöglicht. Es handelt sich nicht um ein Einzelexemplar, sondern um eine Publikation, die sogar in beachtlicher Auflage erscheint und somit und auch dank der lateinischen und deutschen Ausgabe eine für diese Zeit verhältnismäßig breite Öffentlichkeit erreicht. Bosse bezieht sich nicht auf die Abbildungen an sich, wenn sie von einer Ersetzung des Originals durch das Abbild spricht, sondern auf den Zweck, die Funktionen von Bild und Abbild, die im Fall des „Armamentarium heroicum“ zusammenfallen: Sowohl Original als auch Reproduktion hat zur Aufgabe, die abgebildeten Männer zu ehren und deren Ruhm zu vermehren – unabhängig vom Medium oder dem Ort der Rezeption. Die Dokumentationsfunktion spielt hier
28 Schrenck von Notzing, Jacob: Vorrede an den guethertzigen Leser, in: „Die Heldenrüstkammer (Armamentarium Heroicum) Erzherzog Ferdinands II. auf Schloss Ambras bei Innsbruck“. Faksimiledruck der lateinischen und der deutschen Ausgabe des KupferstichBildinventars von 1601 bzw. 1603. Hrsg. von Bruno Thomas, Osnabrück 1981, zitiert aus: Bosse, Dagmar: Souvenir, Dokument und Substitut. Die Abbildung im Ausstellungskatalog, in: Bosse, Dagmar (Hrsg.), 2004, S. 44 29 Ebd., S. 44
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ebenso eine Rolle wie der Kultwert einerseits des Rüstzeugs und der Porträts und andererseits des Kupferstichs. Wird durch die Betrachtung des „Armamentarium heroicum“ die Rezeption der originalen Sammlung ersetzt? Wenn ja, ist das ein wirklicher Ersatz oder eine andere Form der Rezeption einer originären Idee? Durch die Zerstörung einzelner Originalobjekte erlangen die Kupferstiche heute eine besondere Autonomie und stehen unabhängig von einem nicht mehr existierenden „Original“ zur Verehrung der Feldherren. Interessant in diesem Zusammenhang ist es, die Aufmerksamkeit auf das jeweilige Rezeptionssetting (aus heutiger Sicht) zu richten: Beim Besuch einer Rüstkammer beeinflusst neben dem Kontext auch der Fakt der körperlichen Bewegung die Rezeption. Hingegen ist bei der Betrachtung eines Druckwerks das Verlassen des Hauses nicht vonnöten und somit entzieht sich der Betrachter auch dem kontextstiftenden Umfeld und dekontextualisiert seine Rezeption. Zwei völlig unterschiedliche Betrachtungsumfelder werden somit geschaffen. Unabhängig von der Frage, ob die Reproduktionen nach der Zerstörung der originalen Objekte selbst zu Originalen werden und somit einer anderen Rezeption unterworfen sind, muss man feststellen, dass durch die unterschiedlichen Kontexte die Wahrnehmung eine andere ist (vgl. Besuch einer realen Ausstellung und Besuch einer Online-Ausstellung).30 Die soeben beschriebene Form der Inventare, die neben der Funktion der Nachlassklärung auch die individuellen Vorlieben der jeweiligen Sammler widerspiegelt und somit als wichtige Quelle für wissenschaftliche Recherchen dient, bezeichnet der in Troppau in der Tschechischen Republik (vormals: Österreichisch-Schlesien) geborene Kunsthistoriker Heinrich Klapsia (1907–1945) als „Amateurinventare“. Er beleuchtet mit dieser Begrifflichkeit einerseits den beschreibenden Charakter dieser Katalogvorläufer, aber andererseits auch die subjektive Komponente des Sammlers, der die Sammlung nicht zwingend nach wissenschaftlichen Kriterien aufbaut, sondern die einzelnen Objekte häufig nach persönlichen Vorlieben zusammenträgt.31 An dieser Stelle soll auch der französische Kunsthistoriker und Schüler von André Chastel, Antoine Schnapper (1933–2004), Erwähnung finden, der sich mit der Entwicklung der Kataloge auseinandersetzt, sich mit dem Begriff des Katalogs
30 Vgl. dazu auch Hanakam, Markus; Mihatsch, Karin; Schüler, Roswitha: „Unfolding Flânerie in Web 2.0“. Paper anlässlich der FILE 2012, das als Video mit anschließender Skypediskussion eingereicht wurde, in die Auswahl kam, jedoch schlussendlich aus technischen Gründen nicht in diesem Rahmen vorgestellt wurde. 31 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 12
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beschäftigt und diesen auf beschreibende Verzeichnisse musealer Sammlungen, privater Kollektionen und Werkverzeichnisse bildender Künstler ausweitet.32 Zusammenfassend kann man bemerken, dass trotz Unterschieden in Funktion, Umsetzung, Aufbau und Verhältnis zum ephemeren Ereignis das Heiltumsbuch bzw. das Reliquienverzeichnis sowie numismatische Druckwerke als Vorläufer des späteren Sammlungs- und Ausstellungskatalogs gesehen werden können. Informationsund Dokumentationsfunktion sowie die mehr oder weniger an der Realität orientierten Abbildungen der realen Präsentation und des „Ausstellungsdisplays“ ebenso wie der Listencharakter lassen sich schon bei diesen frühen Publikationen erkennen und legitimieren somit den Bezug zum Katalog.
32 Vgl. ebd., S. 12
1.4 Der Katalog im 17. Jahrhundert
Konfessionalisierung sowie Staatenbildung und Monarchie, Dreißigjähriger Krieg, wirtschaftlicher Aufstieg der Niederlande und Aufklärung sind einige der wesentlichen Meilensteine des 17. Jahrhunderts, die sich auch auf das Katalogwesen auswirken.
1.4.1 E INFÜHRUNG Der mittlerweile – nicht nur als Folge der Reformation – verbreitete Buchdruck lässt die Anzahl der erscheinenden Publikationen erheblich ansteigen. Es handelt sich dabei in erster Linie um theologische Schriften, die im Zeitalter von religiösen Spannungen einen großen Absatz finden. Viele Werke sind in lateinischer und französischer Sprache verfasst und daher nicht ausschließlich auf den regionalen Markt beschränkt. Wichtig zu bemerken ist auch, dass die Zensur in Frankreich immer strenger wird und daher der französische Buchdruck für internationale Publikationen in die Niederlande verlagert wird, um ebendiese zu umgehen. Durch das verstärkte Interesse am gedruckten Wort finden die ersten Buchmessen ihren Ausgangspunkt zu dieser Zeit. Jena, Leipzig (man denke an die Leipziger Buchmesse) und Halle sind wichtige Verlagsstädte. Aber nicht nur das Genre Buch feiert einen ersten großen Aufschwung, sondern auch das Medium Zeitung erblickt das Licht der Welt. Als ursprünglich (theologisch-)politisches Kommunikations- und Mitteilungsmedium findet die aus dem Flugblatt hervorgehende Publikationsform eine rasche Verbreitung. 1.4.1.1 Verlagswesen In enger Verbindung mit der Etablierung der Reproduktionstechniken bilden sich Ende des 17. Jahrhunderts zwei Zentren für die Herstellung von Reproduktions-
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drucken heraus. Es handelt sich hierbei vorerst um Rom und später um Paris. Dass die Reproduktionstechniken ausgerechnet in Rom weite Verbreitung finden, steht im engen Zusammenhang mit den ausgeprägten Pilgerfahrten in die italienische Stadt und der damit verbundenen Nachfrage nach Reliquien- bzw. Pilgerbüchern. Nicht verwunderlich ist es daher, dass Stiche von römischer Architektur und Bildhauerei zu den frühesterhaltenen Reproduktionen zählen. Erst im Laufe der Zeit kann sich Paris als Zentrum der Reproduktionsdrucke behaupten.1 Ende des 17. Jahrhunderts dominiert ein römischer Betrieb das Reproduktionswesen: die Firma De’ Rossi, gegründet im Jahr 1633 von Giuseppe De’ Rossi (1570–1639), in ihrer Blütezeit von seinem Sohn Giovanni Giacomo (1627–1691) geleitet.2 Ihr Monopol erlangt sie dank des Ankaufs von unzähligen Druckplatten unterschiedlicher Epochen. Interessant zu erwähnen sind die ab dem Jahr 1677 in kurzen Abständen erscheinenden Kataloge, die einen guten Überblick über das Verlagswesen De’ Rossi geben. Einerseits bieten sie Einzelblätter zum Verkauf an, andererseits zu Büchern zusammengefasste Reproduktionen. Einmal in Buchform erschienen, wird das Einzelblatt nicht mehr als solches verkauft, sondern der Käufer muss das gesamte Buch erwerben. Die für den Kauf verfügbaren Reproduktionen sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet, damit die Suche nach einem bestimmten Blatt rasch vonstattengehen kann. Neben Landkarten und Atlanten – den Hauptinteressen von De’ Rossi – bestimmen die Themenbereiche Architektur, feierliche Anlässe, Werke von bestimmten Künstlern, religiöse Werke (Opere sacre), profane Themen von unterschiedlichen Künstlern (Opere profane di diversi autori) und schließlich Porträts von Päpsten und Kardinälen das Angebot. Die Zuordnung der Blätter zu den einzelnen Themenbereichen ist keineswegs fest und definitiv, sondern verändert sich im Laufe der Zeit. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Rubrik der Drucke von Künstlern kontinuierlich anwächst. Die Blätter – sortiert nach Namen der jeweiligen Künstler – erfreuen sich großer Beliebtheit.3 Durch diese Systematik wird der Bogen zu Künstlermonografien gespannt. Unabhängig vom Sujet, aber einen Überblick über das Werk eines Künstlers gebend, stehen sich die Anordnung der Blätter bei De’ Rossi und monografische Kataloge sehr nahe. Auch wenn es sich hier um unabhängig von einer Präsentation der Originale oder einer existierenden Sammlung realisierte Reproduktionen handelt (vgl. Definition des Ausstellungskatalogs von Ernst Goldschmidt), ist die Parallele dennoch auf der systematischen Ebene einleuchtend und richtungsweisend.
1
Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 10
2
Vgl. ebd., S. 12
3
Vgl. ebd., S. 12–14
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Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Stecher kein Mitspracherecht haben, sondern alle Rechte bei Giacomos Bruder Domenico De’ Rossi (1619–1653), der mittlerweile den Verlag übernommen hat, liegen. Den Autoren gegenüber sind die De’ Rossis hingegen etwas toleranter, um nicht zu sagen entgegenkommender, eingestellt: Sie sind einer der wenigen Verlage, bei denen die Autoren für die Drucklegung ihrer eigenen Schriften nichts bezahlen müssen.4 Die hier aufgeworfene Rechtefrage spielt bis heute bzw. besonders heute eine wichtige Rolle, ganz speziell im Zusammenhang mit Online-Publikationen. 1.4.1.2 Systematik und Druckgrafik Eine Weiterentwicklung im Bereich der Systematik lässt sich deutlich anhand der Publikation „Catalogue de livres d’estampe et de figures en taille douce“5 (Paris 1966) nachzeichnen. Im Jahr 1644 beginnt der Historiker und Geistliche Michel de Marolles (1600–1681), eine Grafiksammlung aufzubauen, die er 22 Jahre später an Jean-Baptiste Colbert, Minister von Ludwig XIV, verkaufen soll (diese Sammlung befindet sich heute im Besitz der Bibliothèque nationale de France). Marolles lässt den Katalog „Catalogue de livres d’estampe et de figures en taille douce“ anfertigen, der die über 123.000 Objekte umfassende Sammlung für den Fall dokumentieren soll, dass er sich eines Tages von ebendieser trennen müsse. Interessant ist, dass dieser (Verkaufs-)Katalog den Gesamtwert der Sammlung angibt.6 Bezüglich des Aufbaus ist erstmals die große Anzahl der Werke anzuführen, die es zu systematisieren gilt. Marolles entscheidet sich für einen zweigeteilten Aufbau: einerseits nach bekannten Künstlern geordnet, andererseits nach Bildthemen (inklusive Untergruppen) sortiert. Dieser Aufbau soll sich bis ins 18. Jahrhundert halten. Er gilt als Vorläufer des sogennanten „catalogue raisonné“, eines Katalogs, der einem von der Vernunft festgelegten Ordnungsprinzip folgt.7 Eine für die Aufklärung stimmige Bezeichnung.
4
Vgl. ebd., S. 12–14
5
Online abrufbar unter: M. De Marolles Abbé de Villeloin, „Catalogue de livres d’estampe et de figures en taille douce“ (Paris 1966): [Online]. Verfügbar unter: http://archive.org/ stream/cataloguedelivre00maro#page/n3/mode/2up (Stand 1.7.2014)
6
Vgl. Éditions en ligne de l’École des chartes: Catalogue de livres d’estampes et de figures en taille douce. Avec un dénombrement des pièces qui y sont contenuës. Fait à Paris en l’année 1666. Par M. de Marolles de Villeloin Informations sur le possesseur de la bibliothèque: [Online]. Verfügbar unter: http://elec.enc.sorbonne.fr/cataloguevente/notice89. php (Stand 1.7.2014)
7
Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 13
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Eine Sonderstellung nimmt das „Liber veritatis“ (ab 1635) des französischen Malers Claude Lorrain (1600–1682) ein. Es handelt sich hierbei um Reproduktionen seiner eigenen Werke.8 An dieser Stelle soll ausschließlich der Fakt Erwähnung finden, dass nicht alle Druckplatten9 nach Fertigstellung der Ausgabe vernichtet wurden. Oft bleiben diese erhalten, wie es z. B. bei der vom deutschen Zeichner, Radierer und Grafiker Joachim von Sandrart (1606–1688) umgesetzten „Galleria Giustiniana“ der Fall ist. 280 Druckplatten, die der Vervielfältigung dieses Werkes dienten, sind heute noch erhalten. Dieser Umstand fügt eine weitere Ebene dem Verhältnis zwischen Original und Reproduktion hinzu. Präsentiert in einer Ausstellung werden die Druckplatten an sich zum Kunstwerk. So findet sich das Original neben seiner Reproduktion sowie neben dem Medium, das als Mittler zwischen diesen beiden steht.10
8
Lorrain fertigt Federzeichnungen mit Weißhöhungen seiner Malereien an, die er in der Folge als Druckgrafik vervielfältigen lässt. Über die Beweggründe für die Realisierung dieser Kuriosität existieren unterschiedliche Theorien: Einerseits könnte es sein, dass es sich hierbei um ein „Notizbuch“ handelt, um Themenwiederholungen zu vermeiden. Andererseits wäre es möglich, dass Lorrain somit Klarheit über die Urheberschaft der reproduzierten Werke schaffen will. Auf alle Fälle vermerkt er auf der Rückseite der 195 Blätter äußerst präzise, für wen er das Original gemalt hat, den erhaltenen Geldbetrag sowie das Datum der Entstehung der Malerei. Der Aufbau ist chronologisch und steht somit am Anfang dieser klassischen Systematik, dank der sich die Entwicklung eines Künstlers anschaulich nachvollziehen lässt [vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 13f.]. Der „Originalkatalog“ besteht, wie schon bei manch anderem Beispiel erwähnt, als Unikat. Auch wenn wir es hier mit Reproduktionen von Malereien zu tun haben, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei einerseits durch die angewandte Technik der Federzeichnung (und nicht der vervielfältigenden Druckgrafik) und andererseits durch den Fakt, dass es nur ein einziges Exemplar gibt, wirklich um eine Ansammlung von Reproduktionen handelt. Ist es nicht viel eher ein Original an sich, das in der Folge als Vorlage für gedruckte Versionen dient?
9
Vgl. dazu Koschatzky, Walter: Die graphischen Verfahren vom 15. bis 20. Jahrhundert. Technik und Merkmale, Graphische Sammlung Albertina, Wien, 1963: Koschatzky meint im Zusammenhang mit dem Thema „Graphik und Photographie: Original und Reproduktion“, dass die Eigenständigkeit von der Idee bis zur Umsetzung wichtig für die Klärung der Frage nach der Originalität ist. Des Weiteren verweist er auf Theorien, die besagen, dass der Begriff „Original“ mit der Einmaligkeit – dem Einzelstück – verknüpft ist. In diesem Zusammenhang wurde der Druckstock bzw. die Druckplatte als mögliches Original angesehen.
10 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 15
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1.4.1.3 Galerien- und Konversationsstücke im 17. Jahrhundert Neben den ersten Ausstellungskatalogen, die anlässlich der Akademieausstellungen gedruckt werden, entwickelt sich eine andere, in diesem Zusammenhang aber nicht minder interessante Gattung im Bereich der Malerei, das Galerienstück oder Galeriebild. Es handelt sich hierbei nicht um einen direkten Vorläufer des heutigen Sammlungs- oder Ausstellungskatalogs, aber die bildhafte Zusammenstellung von Kunstwerken, die Loslösung von Zeit und Ort sowie die Darstellung von Rezipienten machen dieses Genre in diesem Rahmen interessant. Es soll daher folgend kurz skizziert werden. Die Malerbrüder Hieronymus Francken der Jüngere (1578–1623) und Frans Francken der Jüngere (1581–1642) gehören einer der wichtigsten Malerdynastien des 17. Jahrhunderts an und gelten allgemein als Erfinder der Gattung des Galeriebilds, die um 1610 in Antwerpen entsteht. So findet das Galeriebild seinen Ausgangspunkt in den Niederlanden und erfährt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Ursprünglich präsentiert es sich meist in einem handlichen Format, um im bürgerlichen Umfeld präsentiert werden zu können (man denke an das handliche Format des späteren Katalogs oder Ausstellungsführers). Der Bildaufbau zeigt in der Regel einen rechteckigen Raum in leicht erhöhter Frontalansicht. Die Wände des dargestellten Saals sind bis unter die Decke mit Gemälden behängt, Rahmen an Rahmen werden sie dargestellt und nehmen somit die übliche Präsentationsweise auf. Auch sind Kuriositäten, die gemäß dem damaligen Sammlungsverständnis Teil der Kollektion waren, auf den Galeriebildern zu finden (vgl. den Abschnitt zu Wunderkammern und Kuriositätenkabinetten). Nicht zu vergessen sind die Personen, die Connaisseurs, der Adel und die Künstler, die ebenso eine wichtige Stellung einnehmen und bei den unterschiedlichen Betrachtungen der Werke abgebildet werden. Der Durchblick z. B. durch eine Tür oder ein Fenster in einen anderen Raum rundet die Merkmale ab. Bemerkenswert ist die besondere Vereinigung von Realität und Fiktion, die das Galerienstück vom heutigen Standpunkt in der Nachbarschaft des „Musée Imaginaire“ von Malraux ansiedelt (vgl. dazu „Interior of a Collector’s Gallery of Paintings and Objets d’Art“ von Cornelis de Baellieur [1607–1671], das sogar ein fiktives Sammlungskabinett sowie nicht identifizierbare Personen darstellt). Der dargestellte Raum entspricht meist einem realen, jedoch sind die abgebildeten Gemälde nicht zwingend in dieser Weise arrangiert oder sogar nicht einmal aus dieser Sammlung. Sie werden ausschließlich für das Galerienstück gedanklich vereint und in einen speziellen Kontext gebracht. Auch die wiedergegebenen Personen müssen nicht zwingend in diesem Rahmen präsent sein. Es kann sogar vorkommen, dass sie nicht einmal zur gleichen Zeit in dem dargestellten Alter vor Ort
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waren, anachronische Darstellungen sind die Folge. So wird nicht ein wahres Abbild einer bestehenden Sammlung erzeugt, sondern durch die geschickte Kombination von Realität und Imagination ein idealer Zustand entworfen („[...] il semble être finalement un symbole: de ce qu’on aurait voulu que soit l’exposition.“11). An diesem Punkt kann man eine Parallele zur Dresden Gallery in Second Life ziehen, die von 2007 bis 2011 online war. Der virtuelle Raum entspricht den realen Gegebenheiten in der Galerie. Die Besucher jedoch, die sich in der Version auf Second Life der Betrachtung der ausgestellten Werke (den durch den binären Code simulierten Reproduktionen) widmen, sind keineswegs mit den realen Betrachtern gleichzusetzen, sondern dem Bereich der Imagination zuzuschreiben. Das Galeriebild ist eng mit der Entwicklung der Sammlungstätigkeiten in und um die Niederlande und im Speziellen in Antwerpen verbunden. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung bedingt, widmen sich zahlreiche Adelige und auch Bürger der Tätigkeit des Sammelns und bauen in der Folge ihrem persönlichen Geschmack und dem Geschmack der Zeit folgend reiche Kollektionen auf, die daraufhin als Quelle für die Galeriebilder dienen. Die dargestellten Sammlungen erfahren dank des Galeriebildes eine Aufwertung, die auch auf den Sammler selbst ausgeweitet wird. Eine Sonderform der gemalten Galerienstücke stellt das Atelierbild dar, das hiermit der Vollständigkeit halber erwähnt werden soll. Auch hier wird die reale Darstellung des Ateliers mit allegorischen Elementen vereint. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass das Galerienstück u. a. der Malerei zur Emanzipation von „techné“, als die sie damals angesehen wird, als selbstständige Kunstform neben Musik und Dichtung verhilft.12 Abschließend möchte ich festhalten, dass das Galerienstück keineswegs das Sammlungsinventar dieser Zeit ersetzt, sondern vielmehr ergänzt und in Kombination mit ebendiesem heute eine wichtige Forschungsquelle darstellt.
11 Morineau, Camille, 1990, S. 87 (Deuxième Partie) [„(...) er (der Katalog) scheint schlussendlich ein Symbol dafür zu sein, was man wollte, dass die Ausstellung ist.“] 12 Vgl. Nicholls, John Anthony: Das Galeriebild im 18. Jahrhundert und Johann Zoffanys Tribuna, Dissertation an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, Bonn, 2006 John Anthony Nicholls hat sich in seiner Dissertation mit dem Galeriebild im Kapitel „Das flämische Galeriebild von den Anfängen bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts“ detailliert beschäftigt.
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1.4.2 E NTWICKLUNG DES K ATALOGS IN B EZUG AUF DAS M USEUMS - UND A USSTELLUNGSWESEN Den Ursprung des Ausstellungswesens findet man in der Marktsituation. Das Zurschaustellen von gestalteten Objekten zu geschäftlichen Zwecken ist der Anfang der Präsentation.13 Diese ursprünglich merkantile Funktion wird im 16. Jahrhundert von Sammlern in der Idee der Wunder- und Kunstkammern umgedeutet. 1.4.2.1 Kunstkammern Als Vorläufer der Museen und der damit verbundenen Sammlungspräsentationen gelten die Kunst- und Wunderkammern, die ihren Ausgangspunkt im 16. Jahrhundert finden und ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert erfahren. Die Kunstkammer hat ihren Ursprung sowohl im kirchlichen als auch im weltlichen Umfeld: Kostbare Raritäten aus menschlicher Hand und auch aus der Natur werden von Fürsten, kirchlichen Würdenträgern und reichen Bürgern in sogenannten Raritäten- bzw. Kuriositätenkabinetten gesammelt. Aus diesen gehen in der Folge die Kunstkammern hervor. In enger Verbindung mit der Entwicklung der Wunderkammern stehen die „Entdeckung“ von Amerika und die Reisetätigkeit allgemein. So umfassen diese Kammern u. a. Gemälde, bildhauerische Werke, Bücher, Münzen, Skelette, Mineralien, Atlanten und vieles mehr. Generell kann man die sehr unterschiedlichen gesammelten Objekte in vier Gruppen einteilen: 1. „naturalia“ (Naturalien, Dinge aus der Natur), 2. „artificialia“ (Artefakte, von Menschenhand geschaffene Objekte), 3. „scientifica“ (wissenschaftliche Instrumente, z. B. Uhren) und 4. „exotica“ (Objekte aus fremden Ländern, z. B. Gegenstände mit exotischen Dekoren).14 Diese Sammlungen stellen noch keinen wissenschaftlichen Anspruch, die Faszination für das Seltene steht im Zentrum des Interesses. So wird anhand der gesammelten und im Anschluss gezeigten Objekte ein systematisiertes Abbild der Welt angestrebt.15 Im Zuge der Aufklärung geraten die Wunder- und Kunstkammern immer häufiger in die Kritik: Zwar wird ihre Wegbereiterfunktion für die Ausbildung der Wissenschaften anerkannt, aber der der neuen Weltanschauung verpflichteten Skepsis
13 Vgl. Brüderlin, Markus, 1993, S. 42 14 Vgl. Kunst- und Wunderkammern: Kunst- und Wunderkammern: [Online]. Verfügbar unter: http://www.kunstkammer.at/einfuehr.htm (Stand 1.7.2014) 15 Samuel Quiccheberg (1529–1567) gilt als Begründer der Museumslehre in Deutschland (Systematisierung). Siehe Quiccheberg, Samuel: „Traktat Inscriptiones vel Tituli Theatri Amplissimi“, 1565
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und vernunftbasierten Analyse können sie nicht standhalten, sondern weichen den in unterschiedliche Bereiche geteilten Museumsvorläufern. Um das Fortbestehen der Sammlungen zu gewährleisten, werden viele vererbt, in Stiftungen überführt oder dem Staatsschatz eingegliedert. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in den Reiseführern dieser Zeit die wichtigsten Sammlungen bzw. Wunderkammern der einzelnen Städte genannt und empfohlen werden.16 Durch die Öffnung der Kunstkammern wird auch ein wichtiger Schritt in der Katalogentwicklung getätigt.17 1.4.2.2 Akademie und Pariser Salon Im 17. Jahrhundert werden die ersten Kunstakademien z. B. in Paris gegründet und damit einhergehend wird die merkantile Funktion der Kunst um die Repräsentations- und kulturpolitische Aufgabe ergänzt.18 Mit dieser Entwicklung geht auch die Ablöse des Hofkünstlers durch den Ausstellungskünstler einher und somit die Suche nach potenziellen Auftraggebern und Käufern.19 Im Jahr 1667 findet der erste Salon de Paris auf Initiative von König Ludwig XIV. statt. Die Ausstellungen werden auch im folgenden Jahrhundert in erster Linie als Beitrag zur Reputation von Höfen veranstaltet und von höfischem Publikum besucht.20 Erst durch die Französische Revolution (1789–1799) wird der Zugang auch „externen“ Künstlern gewährt und das Publikum erweitert sich. Das Ziel der ersten Akademieausstellungen ist, eine Beispiel- und Vorbildfunktion für junge Künstler zu erfüllen. Ausstellungsberechtigt sind nur die Mitglieder der Académie Royale. Es geht nicht darum, dem Publikum neue bahnbrechende Kunst oder Kunstpräsentationsformen vorzustellen, sondern die Auswahl bleibt traditionellen Normen verbunden. Selbst in dem Fall, dass es einige Künstler schaffen, eine fortschrittliche Arbeit bei solch einer
16 Vgl. Wikipedia: Wunderkammer: [Online]. Verfügbar unter: http://de.wikipedia.org/wiki/ Wunderkammer (Stand 1.7.2014) 17 Vgl. Mackert, Gabriele: Katalog statt Ausstellung, in: Bosse, Dagmar (Hrsg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie, Salon Verlag, Köln, 2004, S. 100 18 Vgl. Brüderlin, Markus, 1993, S. 43 19 Vgl. Bätschmann, Oskar: Ausstellungskünstler: Kult und Karriere im modernen Kunstsystem, DuMont, Köln, 1997, S. 9 20 Vgl. Hegewisch, Katharina: Einleitung. In: Klüser, Bernd (Hrsg.): Die Kunst der Ausstellung – Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts, 1. Auflage, Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1991, S. 9
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Ausstellung zu zeigen, tritt das neue Werk in Konflikt mit der alten Präsentationsweise.21 Die Entwicklung des Salon de Paris steht in enger Verbindung mit der Etablierung der Akademien (im Jahr 1648 wird in Paris die Kunstakademie gegründet). Zuerst in den Räumlichkeiten der Grande Galerie und ab 1737 in der Galerie d’Apollon und im – namensgebenden – Salon Carré. Nach der Französischen Revolution wurde das Museum für jedermann zugänglich.22 Die Akademieausstellungen werden ab dem Jahr 1673 von gedruckten Verzeichnissen begleitet, die am Eingang zur Ausstellung verkauft werden und in gewisser Hinsicht als Eintrittskarte dienen, da der Zutritt ansonsten frei ist. Der Kauf dieses Katalogs ist nicht verpflichtend, es wird aber dazu geraten, da die Originale an sich nur durch Nummern gekennzeichnet sind und erst mithilfe des Verzeichnisses genau identifiziert werden können. Der Aufbau der Verzeichnisse folgt der Hängung in der Ausstellung und schlägt dem Besucher einen bestimmten Rundgang vor: Je ein „trumeau“23 – eine Wand – wird beschrieben und somit wird der Besucher durch die Ausstellung geleitet. Nicht zu vernachlässigen ist auch der wirtschaftliche Faktor dieser Ausstellungskataloge: Da sie in sehr hoher Auflage gedruckt und verkauft werden, spielt der Erlös eine Rolle für die Akademie. Die Gestaltung dieser Verzeichnisse ist im Laufe der Zeit ständigen Veränderungen unterworfen. Ende des 17. Jahrhunderts pendelt sich der Aufbau auf folgende Eckpfeiler ein: Nennung des Namens und des Rangs des Künstlers, Nennung des Werktitels, des Formats und der Technik. Auch gab es in wechselnder Rangordnung Vorworte, Einführungen, weiterführende Texte ... Meist in den Vorworten ergreift der Veranstalter das Wort, um dem Besucher grundlegende Überlegungen zum aktuellen Kunstverständnis und Absichten der Ausstellung zu vermitteln. Da eine solch öffentliche Veranstaltung neu ist, gibt es einen großen Legitimationsbedarf. Des Weiteren wird der Besucher aufgefordert, sich selbst eine Meinung zu bilden und sich seiner Rolle bewusst zu werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass zu dieser Zeit dieses Verzeichnis noch nicht als Katalog bezeichnet wird.24
21 Vgl. ebd., S. 10 22 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 44 23 Die Hängung auf den „trumeaux“ ist ein sehr interessanter Aspekt dieser Salons, die Besprechung dieser würde jedoch den vorliegenden Rahmen sprengen. 24 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 45f.
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1.4.2.3 Sammlungskataloge im 17. Jahrhundert Die im 17. Jahrhundert publizierten Sammlungskataloge sind gemäß den jeweiligen Sammlungen unterschiedlichen Ausformungen unterworfen. Die enzyklopädische Sammlungsform, die ihren Höhepunkt im 16. Jahrhundert erfährt, findet auch damals ihre Fortsetzung: Antike griechische und römische Statuen sowie Objekte aus der Pharaonenzeit prägen die Sammlungen. Johannes Zahlten hebt die 17 Alben des aus einer venezianischen Sammlerfamilie stammenden Andrea Vendramin (1556–1629) hervor. Es handelt sich hierbei um handschriftliche Beschreibungen der einzelnen Bereiche der Sammlung sowie um Zeichnungen einzelner Objekte der Sammlung. Durch den Umstand, dass es eine einmalige Ausgabe, ein Unikat, ist, stellt sich bei diesem Sammlungskatalog wiederholt die Frage nach dem Verhältnis zwischen Original, originaler Abbildung und Reproduktion. Des Weiteren erwähnt Zahlten in diesem Zusammenhang den römischen Kunstsammler Vincenzo Giustiniani (1564–1637) und seine knapp 2000 antike Objekte umfassende Sammlung. Diese wird in einem zweibändigen Katalog, der „Galleria Giustiniana“, dokumentiert. Die Kupferstiche des ersten Bandes zeigen antike Statuen, die Reproduktionen des zweiten Bücher, Reliefs, Porträts von Familienmitgliedern und Abbildungen von Familienresidenzen. Um die benötigten Reproduktionen zu realisieren, werden zahlreiche Stecher unter der Koordination des deutschen Kunsthistorikers, Kupferstechers und Übersetzers Joachim von Sandrart (1606–1688) zur Mitarbeit verpflichtet. Wie schon an anderer Stelle ausführlicher besprochen, bleiben diese Druckplatten zum Großteil erhalten.25 1.4.2.4 Funktionen des Katalogs Wie schon erwähnt, werden die Akademieausstellungen ab dem Jahr 1673 von gedruckten Verzeichnissen begleitet. Anfänglich ist die Aufgabe dieser „Kataloge“ auf Information und Dokumentation beschränkt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kommt noch eine weitere Aufgabe hinzu: die Vermittlung zwischen Werk und Betrachter. Diese Entwicklung manifestiert sich in erster Linie im Vorwort und in den Beschreibungen, in denen der jeweilige Autor die Werke nicht nur „objektiv“ betrachtet, sondern auch erklärt und zur „angemessenen“ Rezeption beitragen möchte.26 So schaffen diese Paratexte den gewünschten Kontext für die „Liste“, den Haupttext dieser Publikation. Der Betrachter wird in diesen Ausstellungsverzeichnissen mitgedacht und erhält dadurch einen gewissen Stellenwert.
25 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 14f. 26 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 44
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Eine weitere Funktion erwähnt Francis Haskell in seinem Buch „Die schwere Geburt des Kunstbuchs“, in dem er auf die Aufgabe der Verherrlichung hinweist. Einerseits spricht er von der Wertschätzung der dargestellten Sammlung und der einzelnen Werke, andererseits von der Verherrlichung des Besitzers bzw. des Sammlers durch eine Publikation. Eine weite Verbreitung der Reproduktionen gewährleistet nicht nur die breite Bekanntmachung der Kunstwerke, sondern erhöht den Bekanntheitsgrad des Sammlers und somit sein Ansehen.27 Zusammenfassend kann man festhalten, dass sich in dieser Zeit – eng mit dem Buchdruck verbunden – das Verlagswesen etabliert und damit auch die Rechtefrage an Relevanz gewinnt. Ebenso werden Systematiken für die inhaltliche Gliederung durchdacht, da die Anzahl der Publikationen ansteigt. Dies alles gipfelt im ersten illustrierten und gedruckten Sammlungskatalog. 1.4.2.5 Ein Beispiel: „Theatrum Pictorium Davidis Teniers Antverpiensis“ Im 17. Jahrhundert wird die Thematik „Bilder einer Ausstellung“ von Künstlern weiterverfolgt, wie beispielsweise vom belgischen Maler Teniers dem Jüngeren (1610–1690). Er arbeitet am Hof des kunstbegeisterten Erzherzogs Leopold Wilhelm (1614–1662), der eine große Sammlung überwiegend italienischer Malerei (von Raphael, Giorgione, Veronese und Titian, aber auch Holbein, Pieter Bruegel der Ältere, van Eyck28) zusammengestellt hat. Teniers ist nicht nur Galeriedirektor dieser mehr als 1300 Werke umfassenden Sammlung, sondern ihm dient diese häufig als Bildmotiv. Zum ersten Mal wird Leopold Wilhelms Sammlung um das Jahr 1651 von Teniers gemalt. Das Gemälde „Erzherzog Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel“ zeigt den Erzherzog gemeinsam mit dem Künstler und seiner Gefolgschaft bei der Betrachtung einzelner Arbeiten. Die dargestellte Präsentationsform entspricht nicht der realen Hängung, sondern gibt einen Überblick über die Meisterwerke der Sammlung. Diesem Bild folgen noch weitere sogenannte Galerienstücke. Aber Teniers strebt nach einer angemesseneren Repräsentation der Sammlung von Leopold Wilhelm: einem ausgewählte Werke der Sammlung umfassenden Katalog. Reproduktionen von 243 der vom Erzherzog am meisten geschätzten italienischen Gemälde soll dieser Katalog,
27 Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 8f. 28 Die Sammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm bildet heute das Herzstück des Kunsthistorischen Museums Wien.
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das „Theatrum Pictorium Davidis Teniers Antverpiensis“29, beinhalten und sich an ein breiteres Publikum, als dies die Galerienstücke taten, adressieren. Teniers selbst malt kleine Kopien der ausgewählten Gemälde, die in der Folge den zwölf Stechern als Vorlage dienen. Abb. 8: Kupferstich aus „Theatrum Pictorium“, 1660
All diese Reproduktionen präsentieren sich im ähnlichen Format, das sich über eine Seite erstreckt. (Es gibt wenige Ausnahmen, die über eine Doppelseite gedruckt sind. Auch gibt es Seiten, die zwei Reproduktionen zeigen.) Sie greifen somit dem „Musée Imaginaire“ von André Malraux vor. Bei genauer Betrachtung der Reproduktionen fällt auf, dass zahlreiche Stiche seitenverkehrt sind – eine Folge der angewandten Technik. In manchen Fällen reagiert Teniers auf diesen Umstand, indem er seine Vorlagen seitenverkehrt malt, aber meistens nimmt er diese „Verfälschung“ in Kauf. Die mehr als 240 reproduzierten Gemälde werden durch je eine Abbildung pro Seite repräsentiert (es gibt
29 Die Zusammenfassung des Aufbaus basiert auf der Analyse von: Teniers, David: El Teatro de pinturas de David Teniers, Brüssel, 1660 1.) A Los Curiosos en el Arte: Hier handelt es sich um ein Vorwort von David Tenier, das auf Spanisch verfasst ist. „Para daros pues es esse Theatro tantica informacion de algunas Pieças de Italia, que antes ya ajuntaron en los dichos Cabinetes de Viena, y que no Ilegaron a mi noticia sino por cartas de un particular amigo mio, aqui he anadido la lista dellas, con el numero senalado a cada qual, los appellidos de Maestros, los nombres de Estatuas, & Quedense con Dios nuestro Senor, y gozen desta obra aprouechandose della con el fauor que merecen mis trauajos.“ (Teniers, David: El Teatro de pinturas de David Teniers, Brüssel, 1660, ohne Seitenangabe) 2.) Trasunto de la Carta Sobrementada 3.) Lista de los Maestros Pintores: Die Namen der Künstler sind alphabetisch nach den Vornamen angeführt. 4.) Bildtafeln: Angaben zum Namen des Künstlers, den Maßen und Namen des Stechers. Die Reihenfolge orientiert sich aber nicht an der alphabetischen Ordnung der Namen.
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Ausnahmen) und durch die Angabe der Maße des Originals, des Namens des Künstlers sowie des Namens des Stechers ergänzt. Diese Angaben sind direkt auf der Druckplatte zu den einzelnen Reproduktionen angegeben, z. B.: „P. Veronese P., 4 Alta. 5 Lata, I. Troyen s.“. Weitere Informationen zu den einzelnen Werken werden dem Leser nicht geboten. Verwunderlich ist, dass die einzelnen Reproduktionen nicht einmal die Titel der Originale aufweisen. Der Katalog ist aufgrund seiner Abmessungen von 27 mal 41 Zentimetern nicht besonders handlich, auch infolge seines Gewichts ist er für die häusliche Lektüre bestimmt.30 Als das „Theatrum Pictorium“ im Jahr 1660 fertiggestellt wird, ist der Erzherzog mit seiner Sammlung nach Wien zurückgekehrt und Teniers veröffentlicht den Katalog auf eigene Kosten.31 Dieser Umstand beeinflusst auch die Funktion dieses Katalogs: Ursprünglich gedacht als prestigeträchtiges Geschenk des Erzherzogs an sein Umfeld, wird der Katalog von Teniers hinsichtlich kommerzieller Ziele schlussendlich auf den Markt gebracht.32 Heute gilt das Werk Teniers’ als erster illustrierter und gedruckter Katalog einer Gemäldesammlung. Das von Teniers selbst verfasste Vorwort wird hinsichtlich der angestrebten weitreichenden Verbreitung und aus politischen Gründen sowohl auf Französisch und Lateinisch als auch auf Spanisch und Niederländisch verfasst. Bis ins Jahr 1755 erscheinen fünf Auflagen dieses Meisterwerks, die teilweise ergänzt werden (vgl. nachträgliche Paratexte).33 Teniers’ „Theatrum Pictorium“ kann als Wegbereiter für nachkommende Publikationen dieses Genres gesehen werden. Diese haben nicht ausschließlich repräsentative, sondern u. a. auch didaktische Ansprüche, wie z. B. das von Anton Joseph von Prenner initialisierte „Theatrum Artis Pictoriae“ aus den Jahren 1728/1729. Es
30 Die Zusammenfassung des Aufbaus basiert auf der Analyse von: Teniers, David: El Teatro de pinturas de David Teniers, Brüssel, 1660 und: London Evening Standard: Sewell, Brian: Man who put everyone in the picture: [Online]. Verfügbar unter: http://www. standard.co.uk/arts/man-who-put-everyone-in-the-picture-7390344.html (Stand 1.7.2014) sowie: Bosse, Dagmar, 2004, S. 45 31 Vgl. „Theatrum Pictorium Davidis Teniers Antverpiensis“, 1660: [Online]. Verfügbar unter: http://www.courtauld.ac.uk/gallery/exhibitions/2006/teniers/index.shtml (Stand 1.7.2014) 32 Vgl. London Evening Standard: Sewell, Brian: Man who put everyone in the picture: [Online]. Verfügbar unter: http://www.standard.co.uk/arts/man-who-put-everyone-in-thepicture-7390344.html (Stand 1.7.2014) 33 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 16
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geht klar aus seinem Vorwort hervor, dass es einerseits Künstlern als Vorlage und Musterbuch dienen und Wissen erweitern bzw. den kritischen Blick schulen soll und andererseits die Entwicklung der Kunstgeschichte nachvollziehbar machen soll.34 „Coluit hac de cuasa Apelles ac mentores suos Graecia, non secus ac livios Roma, ut, quas Heroum virtules in monumentis signatas individiosa temporum corroderet edacitas, in lapideo, quod ait sapiens populo; et pictis majorum tabulis sera gauderet posteritas perenare.“35
Das „Theatrum Pictorium“ besteht aus zwei Bänden. Der erste Band umfasst ein Schreiben von Anton Joseph von Prenner an den Kaiser und ist als Vorwort den 40 Bildtafeln vorangestellt. Die einzelnen Bildtafeln sind durchgehend mit (spärlichen) Informationen versehen, meist jedoch ist der Name des Künstlers angegeben. Diese Angaben sind in die um die Reproduktion des Bildes angeordnete prunkvolle Rahmendarstellung integriert. So erfährt man z. B. bei der Betrachtung der Reproduktion des „Turmbaus zu Babel“ Folgendes: Bruegel. FE. MCCCCCLXIII. ALT 43. LAT 58. unc. Die Darstellungen der Rahmen sind für alle reinen Gemäldereproduktionen einheitlich. Eine Ausnahme stellen die ersten Reproduktionen im ersten Band dar, die sich nicht auf die Wiedergabe einzelner Bilder beschränken, sondern architektonische Ansichten darstellen. Der zweite Band ist eine reine Bildausgabe und umfasst 37 Bildtafeln, die in der gleichen Weise dargestellt werden wie im ersten Band. Bemerkenswert ist auch das Format: Mit ungefähr 32 mal 44 Zentimetern sind diese beiden Bände eindeutig für eine Lektüre im ruhigen Rahmen gedacht. So ist hier weniger die Funktion des „catalogue-en-acte“ ausschlaggebend, sondern vielmehr der Aspekt des „catalogue-document“. Interessant ist ebenso, dass die Reproduktionen alleine stehen und dass die sehr kurzen Paratexte direkt in das Bild integriert sind.
34 Vgl. ebd., S. 17–18 35 Prenner, Anton Joseph von: Theatrum artis pictoriae quo tabulae depictae quae in caesarea Vindobonensi Pinacotheca servantur leviore caelatura aeri insculptae exhibentur ab Antonio Josepho de Prenner, Wien, 1728–1729
1.5 Der Katalog im 18. Jahrhundert
Das 18. Jahrhundert ist u. a. von der Französischen Revolution, der Moderne, dem erstarkten Bürgertum sowie dem vermehrten Interesse an Staatstheorien gekennzeichnet. Dieser Wandel hat auch Auswirkungen auf die Konzeption der Kataloge dieser Zeit.
1.5.1 E INFÜHRUNG Im 18. Jahrhundert sind Reproduktionen von Kunstwerken weitverbreitet und beliebt, sodass in der Folge der Wunsch nach einer detailgetreuen Wiedergabe des Originals immer mehr an Wichtigkeit gewinnt. Nicht nur der Reproduktion des Objekts an sich wird nun Beachtung geschenkt, sondern auch der genauen Wiedergabe der Oberflächentextur, den unterschiedlichen stofflichen Beschaffenheiten sowie dem Spiel von Licht und Schatten. Die Kupferstecher versuchen, immer näher an das Original heranzukommen. Doch allein schon der Umstand, dass Kupferstiche das Original seitenverkehrt abbilden, erzeugt immer eine Kluft zwischen Original und Reproduktion. Trotz der Entwicklung des Gravurverfahrens wird bei jeder Reproduktion das Original in ein anderes Medium übersetzt, dadurch verändert und der jeweiligen Formensprache unterworfen. Veränderungen sind somit unabwendbar. Auch der Umstand, dass der Mensch diese Reproduktionen anfertigt, lässt den jeweiligen Zeitgeist in die Kopien einfließen. Diesen Einfluss will man zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Einsatz der Fotografie ausschalten – wie wir alle wissen, nur mit bedingtem Erfolg.1 Neben dem Kupferstich erlangt auch der Steindruck bei der Reproduktion von Kunstwerken immer mehr an Bedeutung. Wie schon eingangs kurz erwähnt, findet die Lithografie Ende des 18. Jahrhunderts ihren Ausgangspunkt. Dieses Flachdruckverfahren (das Prinzip der ab dem Jahr 1803 als Lithografie bezeichneten
1
Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 46
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Technik basiert auf der Anziehung bzw. Abstoßung von Wasser und Fett) wird vom deutsch-österreichischen Schauspieler und Theaterwissenschaftler Alois Senefeld (1771–1834) neben anderen Techniken des Flachdrucks in den Jahren 1796 bis 1798 entwickelt. Die so erzeugten Drucke zeichnen sich – im Gegensatz zu Hoch- und Tiefdrucken – durch ein Fehlen des Abdrucks des Plattenrandes aus. Die Oberfläche einer Lithografie ist glatt und ähnelt stark der Originalzeichnung.2 Nicht nur dieser Umstand macht die Lithografie interessant für die Katalog- und Künstlerbuchgestaltung. Auch die Möglichkeit, farbige Reproduktionen anzufertigen und sogar Halbtöne dank unterschiedlicher Verfahren zu drucken, macht diese Technik in der Folge sehr attraktiv für derartige Publikationen.
1.5.2 E NTWICKLUNG DES K ATALOGS IN B EZUG AUF DAS M USEUMS - UND A USSTELLUNGSWESEN Einer der ersten Autoren, die den Begriff „Ausstellung“ in Bezug auf die Präsentation einer musealen Sammlung im deutschen Sprachraum einsetzen, ist Friedrich Schlegel: Er nutzt kurz nach 1800 diesen Begriff bei der Beschreibung einer Präsentation im Louvre.3 1.5.2.1 Ausstellungswesen in Paris Anfang des 18. Jahrhunderts wird Paris zum neuen Mittelpunkt für den Kunstbuchdruck und löst somit Rom ab. Diese Entwicklung ist eng mit dem Umstand verbunden, dass der Herzog von Orléans eine bedeutende Sammlung italienischer Werke von der Familie Odescalchi erwirbt. In diese Transaktion ist auch der Geschäftsmann Pierre Crozat involviert, auf den an späterer Stelle genauer eingegangen wird. Der Herzog wollte seine in Paris eintreffende Sammlung anhand eines groß angelegten Reproduktionsprojekts bekannt machen („Recueil Crozat“).4 Bemerkenswert ist hier, dass das Publikationsprojekt zeitlich vor der eigentlichen Präsentation der Sammlung steht und somit im deutlichen Gegensatz zu den bisherigen Publikationen anzusiedeln ist. Die Sammlungspräsentation ist zwar Auslöser des Druckwer-
2
Vgl. Koschatzky, Walter, 1963, S. 35f.
3
Vgl. Richter, Dorothee: Kleine Skizze der Geschichte des Ausstellungsdisplays, in: Schade, Sigrid (Hrsg.): Ausstellungs-Displays, Dokumentationen zum Forschungsprojekt, Institute Cultural Studies in Art Media and Design, Zürich, 2007, S. 9
4
Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 17ff.
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kes, aber das Projekt wird noch vor der eigentlichen Präsentation in die Wege geleitet. Durch diese zeitliche Verschiebung (und auch durch die im Zuge der Umsetzung vorgenommene Erweiterung auf andere Sammlungen) gewinnt die Publikation bzw. die Reproduktion an Unabhängigkeit und somit an Stellenwert. Darüber hinaus wird Mitte des 18. Jahrhunderts die königliche Sammlung von Versailles nach Paris transferiert und an einigen Tagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. An dieser Veränderung kann man feststellen, dass sich die Idee des öffentlichen kulturellen Besitzes durchzusetzen versucht. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Italien und Deutschland verbreitet sich diese Strömung.5 Durch die Öffnung der Sammlungen tritt der Sammler als Person aus dem Zentrum und wird vom öffentlichen Publikum abgelöst. Mit dieser Entwicklung steht auch die Öffnung des Musée du Louvre als öffentliches Museum in Verbindung. Später im 19. Jahrhundert adressieren sich die Akademieausstellungen an ein breiteres, aber dennoch gebildetes Publikum. Durch die neuen Besuchergruppen wird die „Insider-Kunstbetrachtung“ von einer laienhaften bewundernden Rezeption abgelöst. Aus diesen Besuchern kristallisieren sich mit der Zeit Kunstkritiker heraus, die sich mit Kunst im Allgemeinen und den Ausstellungen im Speziellen intensiver beschäftigen. Diese neue Konstellation Werk – Künstler – Institution – Massenpublikum – Kritiker führt zu Spannungen und Streitigkeiten zwischen den einzelnen Vertretern der Gruppen. In diese Zeit fällt auch die Institutionalisierung der Salons6. Für die Ausstellung des Salons werden im Salon Carré und in der Grande Galerie des Louvre in Paris die Gemälde der alten Meister abgehängt, um den Arbeiten der Teilnehmer des Salons Platz zu machen. Die Präsentation erfolgt durch eine Hängung, bei der die Bilder Rahmen an Rahmen gezeigt werden. Diese Präsentationsweise entspricht zwar rein formal den Praktiken in privaten Sammlungen, jedoch kann man einen wesentlichen Unterschied feststellen: Die Ausstellungen des Salons sind nur temporär und dienen im Vergleich zu den privaten Sammlungen nicht als Depot. Weiters wird auch nicht mehr ein einzelnes Werk für die genauere Betrachtung abgenommen. Dies hängt natürlich auch mit der steigenden Anzahl und der immer stärkeren Durchmischung der Besucher zusammen. Durch diesen Umstand kann es leicht dazu kommen, dass viele Bilder nicht gut sichtbar außerhalb des Blickfeldes hängen.
5 6
Vgl. Bätschmann, Oskar, 1997, S. 16 Salon: Der Salon wurde ursprünglich von König Ludwig XIV. für die Mitglieder der königlichen Kunstakademie eingeführt [vgl. Der Brockhaus – In 30 Bänden, Band 23, 2006a, S. 722].
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Um die ungünstige Hängung und auch die schlechte Beleuchtung wieder wettzumachen, müssen die Besucher ihre Betrachtungsweise ändern.7 Eine weitere Neuerung ist die Etablierung des Berufs des Dekorateurs, zu dessen Aufgaben es zählt, die Gemälde zu platzieren und den Ausstellungsraum zu gestalten. Er erntet beinahe mehr Ruhm als die Künstler selbst. Die Ausstellung gewinnt an Stellenwert und wird in späterer Folge zum eigenständigen Kunstwerk.8 Zu Beginn ist das Ziel des Dekorateurs, eine einheitliche Bilderwand zu gestalten und so wenig Platz wie möglich zu „vergeuden“.9 In gewisser Weise werden diese Aufgabenbereiche von den Ausstellungsmachern, Kuratoren und künstlerischen Leitern in veränderter Form weitergeführt. 1.5.2.2 Kunstakademien in Deutschland Nicht nur in Frankreich entwickelt sich im 18. Jahrhundert das Ausstellungswesen, sondern diese Entwicklung erstreckt sich über ganz Europa, meist nach französischem Vorbild. Vereinfacht kann man sagen, dass durch den Ausbau der Kunstakademien der Boden für die Entstehung von Museen geebnet wird. Die adeligen Sammler öffnen anfänglich ihre Kollektionen nur einem ausgewählten Kreis zu Studienzwecken – dieser erweitert sich nicht zuletzt durch die Etablierung der Akademien bis hin zu einer (beinahe) vollkommenen Öffnung für das Publikum. Zu Beginn steht der Bildungsgedanke des Volks im Vordergrund. Parallel dazu entwickelt sich das Ausstellungswesen, im deutschsprachigen Raum in erster Linie in Dresden und Leipzig. Aufgrund von geringeren zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln fallen die ersten Ausstellungen im deutschsprachigen Raum nicht so umfangreich wie die des Vorbildes Frankreich aus.10 Auch finden Kunstmagazine zu dieser Zeit ihren vorläufigen Höhepunkt. Im 18. Jahrhundert entwickelt sich die Preußische Akademie der Künste neben Dresden und Wien zu einer der führenden Akademien im deutschsprachigen Raum. Die Akademie der bildenden Künste Wien ist die älteste Kunsthochschule Mitteleuropas. Ihren Ursprung hat sie in der privaten Kunstschule, die im Jahr 1688
7
Vgl. Kemp, Wolfgang: Verstehen von Kunst im Zeitalter ihrer Institutionalisierung, in: Brüderlin, Markus: Das Bild der Ausstellung, Hochschule für Angewandte Kunst Wien, Wien, 1993, S. 59
8
Vgl. „troisième œuvre“ in Curator Statement von Pierre Bal-Blanc im Katalog Bal-Blanc, Pierre (Hrsg.): The Death of the Audience. Ver Sacrum, Niggli, Zürich, 2011, S. 186
9
Vgl. Brüderlin, Markus, 1993, S. 43
10 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 50
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vom österreichischen Hof- und Kammermaler Kaiser Leopolds I., Peter Strudel (1660–1714), gegründet wurde. Nach einigen turbulenten Jahrzehnten (z. B. Neugründung nach dem Tod von Peter Strudel im Jahr 1726 als öffentliche kaiserliche Hofakademie) finden dort ab dem Jahr 1786 regelmäßig öffentliche Ausstellungen statt.11 Die Berliner Akademie wird einige Jahre später eröffnet (1696), jedoch findet die erste Ausstellung erst im Jahr 1786, also gleichzeitig mit jener in Wien, statt. Der anlässlich dieser Ausstellung erscheinende Katalog dient gemäß dem englischen Vorbild als Eintrittskarte – so ist dessen Erwerb obligatorisch, da ein kostenloser Besuch nicht gestattet ist. Durch den verpflichtenden Kauf rückt die Führungsfunktion des Katalogs ins Zentrum und lässt auch an die später aufkommenden Kurzführer denken. Interessant zu erwähnen ist, dass diese Kataloge vollständig als Reprint aufliegen. Es existiert sozusagen eine Reproduktion der „originalen Reproduktion“, die heute Wissenschaftlern als wichtige Quelle dient. Jedoch ist festzuhalten, dass zu diesem Zeitpunkt der Begriff „Katalog“ noch nicht in Verwendung ist, sondern Bezeichnungen wie „Verzeichnis“, „Übersicht“ und „Beschreibung“ in Gebrauch sind. Diese Terminologie wiederum spielt auf den Führungs- sowie Dokumentationscharakter der Publikation an. Bei der Betrachtung des Aufbaus des ersten, 46 Seiten umfassenden Berliner Katalogs aus dem Jahr 1786 lässt sich folgende Struktur erkennen: 1.) Vierseitiges unbetiteltes Vorwort, 2.) Katalogliste (332 Titel). Die Künstler sind gemäß der akademischen Hierarchie aufgelistet. Dieser zweiteilige Aufbau soll sich bis ins 19. Jahrhundert mit anwachsendem Umfang bewähren.12 Das Vorwort, das auch im Katalog der 100-jährigen Jubiläumsausstellung13 zitiert wird, erfüllt die zu Beginn einer Institutionsgründung notwendige Legitimationsaufgabe:
11 Vgl. Akademie der bildenden Künste Wien: Zeittafel der Geschichte der Akademie der bildenden Künste Wien: [Online]. Verfügbar unter: http://www.akbild.ac.at/Portal/ akademie/uber-uns/Geschichte (Stand 1.7.2014) 12 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 51f. 13 Der Aufbau dieses Jubiläumskatalogs aus dem Jahr 1886 präsentiert sich wie folgt: 1.) Vorwort, 2.) Chronik, 3.) Plan der Ausstellungsgelände und -flächen, 4.) Ölgemälde, 5.) Aquarelle und Zeichnungen, 6.) Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte sowie Zeichnungen für dieselben, 7.) Bildwerke, 8.) Architektur, 9.) Historische Abteilung, 10.) Verzeichnis der Inserenten (= Anzeigenteil) [vgl. Jubiläums-Ausstellung der kgl. Akademie der Künste im Landesausstellungsgebäude zu Berlin. Illustrirter Catalog, Verlag der „Deutschen Jllustrirten Zeitung“, Berlin, 1886]
78 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0 „[…] Auch hat man von Kunstliebhabern und einigen Zöglingen der Academie, die sich durch ihren Fleiss auszeichnen, verschiedenes ausgestellt, und da die Academie in der Folge sogar durch Preise ferner aufzumuntern, so kann man sich wohl mit der Hoffnung schmeicheln, dass die Berlinische Academie den Besten auswärtigen gleichkommen wird; und hierzu wird selbst der gerechte Tadel sowie der eben so gerechte Beyfall wahrer Kunstverständigen gewiss viel beytragen.“14
Außerdem wird in den Vorworten der Bildungsgedanke in den Vordergrund gerückt. Einerseits sollen der Geschmack des Volkes hinsichtlich der nationalen Kunstproduktion und der damit verbundene finanzielle Profit geschult werden, andererseits geht es auch um Bildung im humanistischen Sinn; um die Bedeutung der Kunstbetrachtung als solche. In diesem Zusammenhang emanzipiert sich die Kunstrezeption im 18. Jahrhundert und auch dem Laienbetrachter werden gewisse Kompetenzen zugesprochen. Eng damit verbunden finden Kunstzeitschriften – ausgehend von der Entwicklung der Zeitungen und Magazine – eine weite Verbreitung und tragen somit zur Emanzipierung des Kunstbetrachters bei. Neben dem Vorwort stellt die Katalogliste einen wichtigen Teil des Katalogs der Berliner Akademie dar. Gemäß dem französischen Vorbild werden einzelne Exponate herausgegriffen und detailliert beschrieben; jedoch handelt es sich hierbei nur um seltene Beschreibungen. Die generellen Beschreibungen verharren auf ikonografischer Ebene und dienen zur Entschlüsselung der einzelnen Werke. Qualitative Fragen hingegen spielen keine Rolle.15 1.5.2.3 Ein Beispiel: „Recueil Crozat“ Noch vor dem ersten kompletten deutschen Sammlungskatalog von Nicolas de Pigage aus dem Jahr 1778 erscheint im Jahr 1729 das damals neue Buchformat des „Recueil d’estampes d’après les plus beaux tableaux et d’après les plus beaux desseins qui sont en France dans le Cabinet du Roy, dans celuy de Monseigneur le Dux d’Orleans, & dans d’autres Cabinets. Divisé suivant les différentes écoles avec un abbregé de la Vie des Peintres, & une Description Historique de chaque Tableau“, kurz: „Recueil Crozat“. Hierbei handelt es sich um ein groß angelegtes Publikationsprojekt von dem französischen Finanzmann, Kunstsammler und Mäzen Pierre Crozat (166116–1740), dem französischen Kunsttheoretiker und Archäologen
14 Jubiläums-Ausstellung der kgl. Akademie der Künste im Landesausstellungsgebäude zu Berlin. Illustrirter Catalog, Verlag der „Deutschen Jllustrirten Zeitung“, Berlin, 1886, S. 6 15 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 55ff. 16 Das Geburtsjahr ist nicht bestätigt. In der Literatur werden unterschiedliche Jahresangaben genannt.
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Anne Claude Philippe Comte de Caylus (1692–1765) und dem französischen Stecher, Kunstsammler und -kritiker Pierre-Jean Mariette (1694–1774), das von Philippe II. von Orléans (1674–1723) im Jahr 1721 in Auftrag gegeben wird.17 Dieser erbittet sich eine Sammlung an Druckgrafiken, die die schönsten und bedeutendsten italienischen Gemälde, die sich in der königlichen französischen Sammlung zu dem Zeitpunkt befinden, zeigt. Crozat stellt sich der Herausforderung und legt besonderes Augenmerk auf die Präzision der Reproduktionen. Er lässt sogar in seiner Villa eigens Druckpressen aufstellen, sodass die Stecher unter seiner direkten Aufsicht arbeiten.18 Da Crozat selbst zahlreiche der reproduzierten Gemälde besitzt und die der königlichen Sammlung ausleihen kann, haben die Stecher so die Gelegenheit, nach den Originalen zu arbeiten. Eine weitere Besonderheit dieses Projekts ist, dass Crozat die Blätter nicht einzeln, wie es zu damaliger Zeit üblich ist, verkaufen möchte, sondern als Sammelband (wie „Recueil“ besagt) inklusive zahlreicher Paratexte (textliche Einführung in die Technik des Kupferstichs, Künstlerbiografien, Beschreibung eines jeden reproduzierten Gemäldes, Angaben zum Standort sowie genaue Abmessungen und Technik des Originals).19 Um das Bild der Geschichte der italienischen Kunst nicht durch eine Reduzierung auf die königliche Sammlung zu verfälschen, weiten Crozat und Mariette das Projekt z. B. auf italienische oder englische Sammlungen aus. So wird aus der anfänglich geplanten Bestandsaufnahme der Gemälde der französischen Sammlung eine europaweite Übersicht. Sie lassen Kopien kommen, damit die Stecher danach arbeiten können. So wird zwar der Vorsatz, ausschließlich nach Originalen zu arbeiten, nicht konsequent durchgehalten, dafür aber die Bandbreite der reproduzierten Werke ausgeweitet.20 Trotz der strengen Qualitätskontrollen vonseiten Crozats und Mariettes weist der „Recueil“ kleine Schwächen bei den Reproduktionen auf: Gemäß der Technik des Stichs sind einige der Reproduktionen seitenverkehrt.21 Dennoch wird ein außergewöhnliches Augenmerk auf die Qualität der Stiche gelegt: Jedes noch so kleine Detail wird von den Stechern übernommen, auch wenn dies eine Übernahme von Nachlässigkeiten des Originals in die Reproduktion bedeutet. Um diesen hohen Ansprüchen gerecht zu werden, findet eine neue Reproduktionstechnik Anwendung: Eine spezielle Kombination von Radierung und
17 Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 21 18 Vgl. ebd., S. 26 19 Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 26 20 Vgl. ebd., S. 28 21 Vgl. ebd., S. 29
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Holzdruck ermöglicht eine realistische Darstellung von Linien und flächenhaften Tuscheffekten.22 Abb. 9: „Respekt“, nach dem Gemälde von Paolo Veronese, Auszug aus dem „Recueil Crozat“
Abb. 10: „Respekt“, Paolo Veronese, 1557
„[...] Voilà ce qu’on ne peut pas se promettre des Copies faites au pinceau, qui seront toujours en un nombre bien plus petit que le nombre des Estampes, & plus exposées qu’elles à périr. D’ailleurs, s’il est vray qu’il y a des Copies excellentes, il est aussi véritable que la pluspart sont médiocres; elles ne sont que des copies de copies, où le dessein & le coloris de l’Original se trouvent tellement alterez, que son Autheur, s’il revenoit au monde, auroit peine à reconnoistre les propres penfées dans une imitation si peu fidelle. Au contraire les Estampes tirées
22 Vgl. ebd., S. 38
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avec la même Planche, sont toutes, pour ainsi dire, autant de Copies faites immediatement d’après l’Original.“23
Dieses sich über mehrere Jahre erstreckende Projekt soll, nachdem sich finanzielle Probleme abzeichneten, u. a. durch Subskriptionen finanziert werden (vgl. z. B. den Katalog „The Death of the Audience, Ver Sacrum“). Dieses Vorgehen ist beispielsweise in England zur damaligen Zeit schon bekannt und erprobt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sollen derartige Projekte für die Beteiligten sogar äußerst gewinnbringend sein.24 Das ursprüngliche Vorhaben, nach dem Druck der 800 Exemplare die Druckplatten zu vernichten, wird nicht umgesetzt.25 Die Platten werden sogar für die zweite Auflage nochmals herangezogen.
23 Crozat, Pierre, 1729, S. j 24 Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 44f. 25 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse der beiden Originalbände: Crozat, Pierre: Recueil d’estampes d’après les plus beaux tableaux et d’après les plus beaux desseins qui sont en France dans le Cabinet du Roy, dans celuy de Monseigneur le Dux d’Orleans, & dans d’autres Cabinets. Divisé suivant les différentes écoles avec un abbregé de la Vie des Peintres, & une Description Historique de chaque Tableau, Paris, 1729 Der Aufbau gestaltet sich wie folgt: TOMBE PREMIER contenant l’école Romaine 1.) Préface 2.) Abregé de la vie des peintres de l’école Romaine, et description de leurs tableaux et desseins contenus dans ce volume. Hier findet sich zu jedem Künstler eine Kurzbeschreibung der einzelnen reproduzierten Werke. Diese Beschreibungen sind nach den Sammlungen, in denen die Originale zu finden sind, systematisiert. 3.) Bildtafeln Diese sind durchgehend nummeriert und gehen entweder über eine Doppelseite oder über eine Einzelseite, in manchen Fällen findet man auch zwei Reproduktionen auf einer Seite; alle sind mit Untertiteln versehen: Titel des reproduzierten Werkes, Angabe des Künstlers und der Provenienz, Größenangabe und Nennung des Stechers. Z. B.: Saint Michel D’après le Tableau de Raphael qui est dans le Cabinet du Roy haut de 8. pieds, large de 4. pieds 10. pouces, gravé par Nicolas de Larmessin Der erste Band umfasst 90 Bildtafeln. Die Durchnummerierung beläuft sich auf 88, da es beim Bild Nummer drei zwei Unterordnungen gibt. Die Reihenfolge der Bildtafeln ent-
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Die besondere Bedeutung des „Recueil“ ist darauf zurückzuführen, dass er als erster Sammelband, als Buch, angelegt ist und nicht, wie es zur damaligen Zeit üblich ist, als bloße Zusammenstellung von Illustrationen, die einem gewissen Zusammenhang entspringen.26 Der bedeutende Unterschied hierbei ist das Vorhandensein von Text, der einen gewissen Kontext stiftet. Der besondere Stellenwert der verschiedenen Paratexte wird auch durch die Herangehensweise von Mariette, der für die Textredaktion verantwortlich ist, unterstrichen: Sein Augenmerk bei den beschreibenden Texten liegt weniger auf der Thematik des Bildes, sondern vielmehr auf der Analyse der Technik des Malers.27 Um dies zu veranschaulichen, möchte ich ein Beispiel aus der Rubrik „Tableaux de Raphael du Cabinet du Roy“ anführen: „VI. LA SAINTE VIERGE. Quoyque ce Tableau ait esté peint par Raphael avant ceux dont ont vient de parler, il n’est pas moins considerable par la pureté du Dessein & par la finesse des expressions. Ce Tableau estoit dans le Chateau de Fontainbleau, & connu sous le nom de la belle Jardiniere, à cause de la simplicité avec laquelle la S.te Vierge est habillée. Il est peint sur bois & il avoit esté gravé cy-devant par Gilles Rouffelet. Raphael suivant la coutume avoit fait d’après nature les Etudes des figures de ce Tableau, M. Crozat en conserve deux Desseins à la plume qu’il a eus des heritiers de Timothée Viti d’Urbin & de M. Le Chevalier de la Penna. Ces desseins sont cependant un peu differents du Tableau, en ce que l’un reprefente la teste de la S-te Vierge presque de face & l’enfant Jesus regardant S.t Jean, au lieu que dans le Tableau il est attentif à regarder la S.te Vierge.“28
spricht den im Textteil beschreibenden Passagen. Die Zuordnung fällt dank der übereinstimmenden Nummerierung sehr leicht. TOMBE SECOND contenant la suite de l’école Romaine, et l’école Venitienne 1.) Abregé de la vie des peintres de l’école Romaine. Seconde partie, qui contient en outre un abregé de la vie des principaux Peintres de l’école Venitienne, & de quelques excellens Peintres de la Lombardie; et la description de leurs Tableaux & Desseins contenus dans ce Volume. 2.) Abregé de la vie des peintres de l’école Venitienne, & la Description de leurs Tableaux & Desseins 3.) Bildtafeln Diese sind im zweiten Band nicht mehr durchgehend nummeriert. Des Weiteren ist auch die Angabe der Untertitel nicht so konsequent durchgehalten wie im ersten Teil. Im zweiten Band sind 91 Bildtafeln zusammengefasst. Die Reihenfolge der Bildtafeln entspricht wie im ersten Band den im Textteil beschreibenden Passagen. 26 Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 52 27 Vgl. ebd., S. 52 28 Crozat, Pierre, 1729, S. 7
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Gemäß der Haltung des Connaisseurs und entgegen der Auffassung des Antiquars beschränkt sich Mariette auf die Beschreibung der formalen Aspekte der wiedergegebenen Gemälde.29 Durch die Ausweitung der Darstellung von Gemälden z. B. aus englischen Sammlungen zieht Crozat sogar eine englische Übersetzung in Erwägung. Er will sich an eine „breite“ Öffentlichkeit wenden, d. h. an die regierenden Kreise der jeweiligen Länder, und nicht an Antiquare oder Gelehrte, und verzichtet aus diesem Grund auch auf die lateinische Übersetzung der Titel und Themen. Abschließend möchte ich noch auf das Format des „Recueil“ zu sprechen kommen. Aufgrund seiner sehr großen Abmessungen (ca. 55 mal 40 cm) erfordert die Lektüre dieser Publikation eine ruhige Atmosphäre. Dieser Umstand stellt die Dokumentationsfunktion des „Recueil“ in den Vordergrund.30 Wie schon erwähnt, werden die Platten nicht vernichtet, sondern dienen als Vorlage für eine zweite, identische Auflage, die jedoch ohne die Anwendung des Rovert’schen Verfahrens gedruckt wird.31 Der „Recueil“ ist nicht als Endpunkt dieser Entwicklung anzusehen, sondern wird vielmehr als Modellprojekt für eine noch umfassendere Publikation gesehen: „Recueil d’estampes de la Galérie Royale de Dresde“, der im Jahre 1757 veröffentlicht wird. 1.5.2.4 Der Weg zum ersten bebilderten Sammlungskatalog im deutschen Sprachraum: „Prodromus Theatrum Artis Pictoriae“ Das aufstrebende Bürgertum verändert nicht nur das soziale und wirtschaftliche Gefüge der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Auch im Kreise der Künste hinterlässt diese Veränderung ihre Spuren. Viele Künstler suchen nun aufgrund der zurückgehenden Aufträge vonseiten des Adels immer öfter in der erstarkten Bourgeoisie neue Kundschaft und beginnen somit, einen Kunstmarkt unabhängig von höfischen Interessen aufzubauen.32 Durch diese neue Entwicklung und Etablierung der Kunst wird auch der Wunsch nach eigenen, öffentlich zugänglichen Galeriegebäuden laut. So eröffnet
29 Vgl. Haskell, Francis, 1993, S. 58 30 Bei der Betrachtung der Publikationen „Theatrum Pictorium“ (Tenier), „Theatrum artis Pictoriae“ (Prenner) und „Recueil“ (Crozat) ist ein immer größer werdendes Format festzustellen. 31 Vgl. ebd., S. 64 32 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 45
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sich die Möglichkeit, einzelne Werke einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dieses ansteigende Interesse an Kunstpräsentation und der damit verbundenen Rezeption führt in der Folge zu einer verstärkten Beschäftigung mit Ausstellungskatalogen. In den Jahren 1793 bis 1803 veröffentlichen viele Museen der französischen Provinz ihre ersten Kataloge. Diese Anfänge finden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt.33 Kataloge werden somit Bestandteil des Ausstellungsgeschehens, und nicht nur das: Sie sind der Teil, der auch nach Schließung einer temporären Präsentation zugänglich bleibt. Auch wenn man nicht die Gelegenheit hat, die Ausstellung an sich zu besuchen, gibt es meist einen Weg, den entsprechenden Katalog zu erwerben. Somit steigt im Laufe der Jahrzehnte der Stellenwert des Katalogs als Informationsquelle und Nachschlagewerk.34 Ein besonderes Beispiel – auch wenn es sich dabei nicht um einen klassischen Ausstellungskatalog handelt – stellt der „Recueil Crozat“ dar. Im Jahr 1719 erscheint der erste deutsche Katalog einer Gemäldesammlung. Diese in geringer Auflage und im Privatdruck herausgegebene Publikation wird vom Schweizer Maler Rudolf Bys (166035–1738) realisiert. Der Katalog enthält jedoch keine Bilder, sondern beschränkt sich auf textliche Beschreibungen der Werke der von Kurfürst Lothar Franz von Schönborn (1655–1729) um 1705 begonnenen Gemäldesammlung der Grafen von Schönborn. Dennoch ist dieser heute äußerst rare Katalog ein wichtiges Dokument für die vollständige Rekonstruktion dieser Sammlung.36 Der Wunsch nach einer bebilderten Version der Sammlungsdarstellung in Katalogen ist zu dieser Zeit jedoch sehr stark. Nicht zuletzt in den Galerien- und Konversationsstücken wird man diesem Interesse gerecht. Eng an diese visuelle Bestandsaufnahme von Sammlungen gekoppelt, erscheint der „Prodromus Theatrum Artis Pictoriae“ im Jahr 1735, der richtungsweisend für die populären Kunstgeschichtsbücher des 19. Jahrhunderts werden soll.37 Der vom österreichischen Maler und Stecher Anton Joseph von Prenner (1683–176138) und dem Antwerpener Maler Frans van Stampart (1675–1750)
33 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 64 34 Vgl. Mackert, Gabriele, 2004, S. 101 35 Das Geburtsjahr ist nicht bestätigt. In der Literatur werden unterschiedliche Jahresangaben genannt. 36 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 18 37 Vgl. ebd., S. 18 38 Geburts- und Sterbejahr sind nicht bestätigt. In der Literatur werden unterschiedliche Jahresangaben genannt.
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realisierte „Prodromus“ stellt die kaiserliche Sammlung in Wien zu dieser Zeit dar. Die Radierungen entstehen anlässlich der Neuaufstellung der kaiserlichen Galerie in der Stallburg und stellen in stark verkleinerter Form die Gemälde und Skulpturen der Sammlung dar39 (vgl. „Le Musée Imaginaire“ von André Malraux). Die Reproduktionen sind nach Schulen und Meistern geordnet und präsentieren sich wie eine (fiktive) ideale Galeriewand. Solche Zusammenstellungen haben die Repräsentation des Sammlers sowie der gesammelten Objekte zur Aufgabe, sie dienen des Weiteren als Anschauungsmaterial und Gedächtnisstütze für die Personen, die die Originale gesehen haben, und als Ersatz für diejenigen, die nicht die Möglichkeit haben, die originalen Werke zu sehen. So werden die Objekte der kaiserlichen Sammlung beinahe allerorts verfügbar.40 Abb. 11: „Prodromus“, 1735
Die Texte der ersten Ausgabe erscheinen sowohl in deutscher als auch in lateinischer Sprache. Der „Prodromus“ kann als „Vorveröffentlichung“ zu der von Prenner und Stampart bearbeiteten, umfassenderen Sammlung an Kupferstichen, dem „Theatrum Artis Pictoriae“, der die berühmtesten Gemälde der Galerie vereinigt, gesehen werden, da Zweiterer einer Verzögerung in der Veröffentlichung unterworfen war.41
39 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 9 40 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 45 41 Vgl. Wünsch, Joseph: Blasius Höfel: Geschichte seines Lebens und seiner Kunst und Verzeichnis seiner Werke (1910), Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst, Wien, 1910, S. 10
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1.5.2.5 Ein Beispiel: „La Galerie électorale de Dusseldorff raisonné et figuré de ses Tableaux“ Nicht nur in Frankreich ist der verstärkte Bau an Galeriegebäuden bemerkbar, auch in Deutschland ist diese Entwicklung genauso wie eine vermehrte Umstrukturierung der Sammlungspräsentation zu verzeichnen. Z. B. werden die Galerie in Düsseldorf und die Gemäldegalerien in Mannheim und München vom deutschen Maler und Leiter der Galerie Lambert Krahe (1712–1790) neu eingerichtet. Krahe bemüht sich um eine Systematisierung nach Ländern und Schulen und will diese neue Präsentation auch in einem Repräsentationskatalog verewigen. Sein Vorhaben scheitert jedoch. Hingegen ist das ehrgeizige Projekt des Baumeisters aus Lothringen, Nicolas de Pigage (1723–1796), von Erfolg gekrönt. „La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux“ (1778) gilt heute als erster deutscher komplett illustrierter, verlässlicher Sammlungskatalog. Zuerst werden den Lesern ein Plan der Ausstellungsräume sowie eine Ansicht der Fassade der Galerie in Düsseldorf, gefolgt von den „Tableaux en Camayeu de l’escalier de la Galerie“, präsentiert.42 Abb. 12: „La Galerie électorale de Dusseldorff raisonné et figuré de ses Tableaux“, 1778
Die nachfolgenden 26 Blätter zeigen jeweils eine komplette Wand eines der Säle, auf der die gezeigten Gemälde zu erkennen sind.
42 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse von: Pigage, Nicolas: La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux, Brüssel, MDCCLXXVIII, 1778 [auch online abrufbar unter: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/pigage1778/0002?sid=544fe3a9a3dd6b7312561f77bb5e43e7 (Stand 1.7.2014)]
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Sogar die auf den Bilderrahmen verzeichneten Namen der Künstler sind meist auf den Reproduktionen lesbar. Der Katalog besteht aus einem Bild- und einem Textteil. Zweiterer beschreibt ausführlich jedes einzelne Gemälde und wird durch eine persönliche Kritik des Autors ergänzt.43 Einen kurzen Überblick über den Aufbau sowie eine Analyse des Titelblatts gebe ich im Appendix 3. 1.5.2.6 Galerienstücke und Konversationsstücke im 18. Jahrhundert – ein bildhaftes Sammlungsinventar? Nicht alle Bemühungen, eine Sammlung durch Reproduktionen zugänglich zu machen, gipfeln in der Herausgabe eines Sammlungskatalogs. Im 18. Jahrhundert werden Kupferstiche von Münzen und von antiken Skulpturen, Auktionskataloge, Reiseführer und Handbücher, die Untersuchungen verschiedener Aspekte einzelner Sammlungen zum Gegenstand haben, auf den Markt gebracht. Die Reproduktion gewinnt in der Folge immer mehr an Bedeutung.44 Insbesondere die Reproduktion von Gemälden wird immer wichtiger. Aber auch die Darstellung von arrangierten Präsentationswänden, wie im ersten illustrierten deutschen Sammlungskatalog ersichtlich, generiert steigendes Interesse und so kommen die sogenannten Galerienstücke oder Galeriebilder, die ihren Ausgangspunkt im 17. Jahrhundert haben, in Mode.45 Der in Deutschland geborene britische Maler Johann Zoffany (1733–1810), der in Italien studierte, schafft das bekannte Gemälde „Tribuna der Uffizien“ (1772–1777), das sich heute in der Royal Collection befindet. Anfang der 1770erJahre erhält Zoffany vom Königspaar von England, König George III. und seiner Gattin Charlotte, den Auftrag, im Rahmen eines Italienaufenthaltes die im 18. Jahrhundert als sehr bedeutend geltende Sammlung der „Galleria degli Uffizi“ malerisch festzuhalten. Diese gilt als Vorbild für eine qualitativ äußerst hochwertige Sammlung. Dies ist aber nicht der erste Versuch, die Sammlung der Medici für ein englisches Publikum zu „reproduzieren“. Schon im 17. und frühen 18. Jahrhundert gibt es zahlreiche Galeriebilder, v. a. in Zusammenhang mit Reiseberichten, die England von der Sammlung der „Galleria degli Uffizi“ erreichen. Nicht zuletzt dank der weitreichenden Unterstützung des Großherzogs der Toskana kann Zoffany seine Arbeit an „Tribuna der Uffizien“ im Jahr 1772 beginnen.
43 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 20 44 Vgl. Mackert, Gabriele, 2004, S. 100 45 Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 16
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Zu diesem Zeitpunkt existiert die Sammlung seit über 200 Jahren, im Laufe derer sie unzähligen Veränderungen unterworfen ist. Die Architektur der Tribuna, deren oktogonale Grundform auf dem Gemälde zu erahnen ist, wird vom manieristischen Architekten Bernardo Buontalenti (um 1523–1608) konzipiert und ist als zentraler Raum für ganz besonders wertvolle Objekte gedacht. Auch zur Zeit Zoffanys sind noch die originalen Goldverzierungen an den Wänden erhalten, die auch auf dem Gemälde erkennbar sind. Ursprünglich ist die Tribuna nur durch einen Zugang erreichbar und steigert somit auch die subjektive Einschätzung des Betrachters, einen besonderen Raum, der nur ausgewählten Personen zugänglich ist, zu betreten. So ist es auch zu Zeiten Zoffanys – heute jedoch ist die Tribuna durch zwei zusätzliche Eingänge betretbar. Auch aus diesem Grund stellt das Gemälde eine gewisse Quelle für die ursprüngliche Beschaffenheit des Raumes dar. Die drei erkennbaren Fenster sind mit schweren roten Vorhängen abgedunkelt und verwehren somit jeglichen Blick von/nach draußen. Bemerkenswert ist, dass Zoffany mit „Tribuna der Uffizien“ die Zusammenführung des beinahe 200 Jahre alten Genres des Galeriebildes mit dem von ihm selbst populär gemachten Konversationsstück bewerkstelligt.46 Das Konversationsstück zeigt, wie der Name schon sagt, Menschen – bei Zoffany häufig Kunstexperten – bei der regen Diskussion beispielsweise über die Werke. Die dargestellte Diskussion wird durch unterschiedliche Gesten sichtbar gemacht: den Griff zum Monokel, die vorsichtig vorgestreckte Hand, um eine Skulptur zu berühren, den angestrengten Gesichtsausdruck beim Zuhören seines Gesprächspartners, das Halten einer Leinwand usw. Viele unterschiedliche Formen der Rezeption, die weit über das herkömmliche Gespräch, die Kommunikation, hinausgehen, werden auf dem Werk von Zoffany dargestellt. Sowohl die direkte Auseinandersetzung Betrachter – Werk als auch der Diskurs ohne direkten Blick auf das Werk ist deutlich zu erkennen.47 Die zu Gruppen angeordneten Personen entsprechen den ebenso in Gruppen zusammengefassten Objekten und Gemälden und geben dem auf den ersten Blick chaotischen Aufbau eine Struktur. Auch wird dieses Motiv in einigen der abgebildeten Gemälde aufgenommen, wie z. B. in das Bild an der rechten Wand von Peter Paul Rubens. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine genaue Bildanalyse verzichten, da diese den Rahmen sprengen würde. Zur damaligen Zeit war die Tatsache, dass Zoffany zahlreiche Personen, neben Connaisseurs ausgesuchte noble
46 Vgl. Nicholls, John Anthony, 2006 John Anthony Nicholls hat sich in seiner Dissertation mit dem Gemälde „Tribuna der Uffizien“ im Kapitel „Johann Zoffany“ ausführlich beschäftigt. 47 Vgl. Mackert, Gabriele, 2004, S. 101
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englische Reisende, in dieses Gemälde integriert, sehr umstritten. Erwähnenswert ist des Weiteren, dass sich der Maler selbst in die Komposition einbaut und als einzige Figur den Betrachter direkt ansieht. Interessant ist, dass die gemalten Personen nicht unbedingt zur gleichen Zeit in Florenz anwesend sind, sondern im Laufe des Entstehungsprozesses von Zoffany etappenweise eingebaut werden. Die auf dem Gemälde gezeigten Bilder hängen nicht zwingend in der Tribuna der Uffizien. Zoffany nimmt sich die Freiheit heraus, auch Bilder aus anderen Sälen der Uffizien oder anderen Orten in sein Gemälde zu integrieren, um somit einen Überblick über die damals bekanntesten Werke zu geben. Werke – nicht immer klassisch an den Wänden montiert, sondern auch in den Händen von Connaisseurs, auf einer Staffelei stehend oder auf dem Boden liegend, manche teilweise oder komplett verdeckt, manche mit Rahmen, manche ungerahmt, andere wiederum gut erkennbar – werden akribisch genau wiedergegeben. Jedoch können bis heute nicht alle abgebildeten Gemälde und Plastiken identifiziert werden, u. a. auch deshalb, weil sie heute nicht mehr in den Uffizien sind oder weil die im Hintergrund platzierten Objekte nicht so detailliert wiedergegeben werden. Eindrucksvoll wird jedoch die damals verbreitete Hängung der Gemälde, dicht aneinandergereiht, sehr oft einer Symmetrie folgend, vergegenwärtigt. Ein besonderer Aspekt ist, dass Zoffany nicht immer an den originalen Größenverhältnissen festhält: Das aus dem Palazzo Pitti herangeschaffte Werk „Die Folgen des Krieges“ von Peter Paul Rubens ist in Wirklichkeit beinahe zwei Meter breiter als das Gemälde „Heiliger Johannes“ von Raffael. Dennoch erscheinen sie auf Zoffanys Werk beinahe gleich breit. Reine Darstellungen von Sammlungen, d. h. ohne Betrachter, sind bei den Galerienstücken meist nicht zu finden. Eine Ausnahme bilden die Darstellungen der flämischen Kabinette vom Anfang des 17. Jahrhunderts z. B. von Frans Francken dem Jüngeren, der als Erfinder der Gattung des Galeriebilds gilt.48 Wie wir hier sehen, können Sammlungen nicht nur textlich reproduziert werden, sondern auch (rein) bildlich. Diese Gemälde erreichen zwar nicht so ein breites Publikum wie z. B. gedruckte Kataloge durch ihre Auflage, aber sie geben dennoch Aufschluss über den Bestand einer Sammlung sowie über die einzelnen Werke. So werden beispielsweise durch die farbige Wiedergabe andere Qualitäten transportiert als durch den Druck. Interessant ist auch der Umstand, dass bei den Galerienstücken häufig auch die Betrachter inkludiert sind und diese somit an Stellenwert gewinnen. Dies wird für Katalogabbildungen oder auch in der künstlerischen Fotografie (vgl. Thomas
48 Vgl. Nicholls, John Anthony, 2006
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Struth) erst wieder im späten 20. Jahrhundert aufgegriffen. Bis dahin werden die Rezipienten aus der Reproduktion ausgeklammert und der Fokus ist auf das Werk an sich gerichtet. Gemälde wie „Tribuna der Uffizien“ können daher als bildliche Zusammenfassung einer Sammlung, ihrer Präsentation und ihrer Betrachter angesehen werden, auch wenn diese nicht immer der realen Situation entsprechen muss. Die Idee der Sammlung wird aufgenommen, verdichtet und in ein Gemälde übersetzt. So gesehen können Galerienstücke als ein Vorläuferstrang des heutigen Sammlungskatalogs und seiner Abbildungen gesehen werden: Auch diese geben nur gewisse Aspekte der realen Sammlung gemäß dem Reproduktionsmedium wieder und bilden nicht die Wirklichkeit als Ganzes ab. 1.5.2.7 Entwicklung des Katalogaufbaus am Beispiel des Katalogs der Pariser Akademieausstellungen Die Pariser-Salon-Ausstellungen können als erste Etappe des Ausstellungswesens jenseits des kultischen Bereichs angesehen werden.49 Sie ziehen große Massen an Menschen an. Aber nicht nur das Getümmel im Ausstellungsraum, sondern auch das an den Wänden des Louvre ist neu. Dieses Massenereignis inspiriert auch Künstler wie beispielsweise Gabriel de Saint-Aubin (1724–1780). Er stellt die weiterhin dicht behängten Wände des Louvre während der Salon-Ausstellungen dar. Auf diesen Bildern sind sowohl die Betrachter der Gemälde als auch die Bilder selbst dokumentiert. Dies dient heute als Zeugnis des damaligen Ausstellungsbetriebs. Die Etablierung des Pariser Salons wird gefolgt vom Aufstieg des „livret de Salon“, des den Salon begleitenden Katalogs.50 Dagmar Bosse unterstreicht, dass die Rolle der Reproduktion in den livrets nicht von Anbeginn gesichert war. Anfänglich umfassen sie eine Auflistung der Werke, Informationen über Titel, Künstler, weiterführende Infos sowie Vorgaben von Rezeptionsformen. Der Katalog ist ursprünglich für den Gebrauch in der Ausstellung konzipiert (vgl. „document-en-acte“) und daher waren Reproduktionen nicht zwingend notwendig.51 Erst im Laufe der Zeit kommen einfache Reproduktionen hinzu, die eine Rezeption losgelöst vom Ausstellungsbesuch erleichtern. Neben den Reproduktionen spielt der Text eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs. Bis ins 17. und 18. Jahrhun-
49 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 43 50 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 12 (Avant propos) 51 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 43
1.5 D ER K ATALOG
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dert variieren der Aufbau und insbesondere die textliche Strukturierung stark. Neben unregelmäßigem Erscheinen von Paratexten wie Adresslisten oder Nutzungsanweisungen nimmt das Vorwort eine zentrale Rolle ein. Hier können die Organisatoren nicht nur die von ihnen angestrebten Ziele der Ausstellung dem Publikum mitteilen, sondern auch generelle Aussagen über die Kunst im Spiegel der jeweiligen politischen und sozialen Situation treffen. Zu Beginn dient das Vorwort z. B. in den Katalogen zu den Ausstellungen der Pariser Akademie in erster Linie als Legitimationstext für diese neue Form der Präsentation, Ende des 18. Jahrhunderts wird dann die politische und moralische Dimension der Kunst hervorgehoben. Auch die Konkurrenz zwischen den Künstlern sowie die Rolle des Publikums werden zu dieser Zeit immer wieder in den Katalogtexten thematisiert. Neben der Suche nach den passenden Textsorten werden ebenso unterschiedliche Ordnungsprinzipien für die Auflistung der Exponate erprobt. Ziel ist es, ein übersichtliches Verzeichnis zu erstellen. Anfang des 18. Jahrhunderts ist eine Reihenfolge gemäß der Rangordnung der Künstler oder der Aufstellung der Exponate im Salon ausschlaggebend. Im Katalog zur Salonausstellung aus dem Jahr 1738 werden die ausgestellten Objekte und Gemälde zum ersten Mal gemäß ihrer Aufstellung durchnummeriert und unabhängig vom Status des jeweiligen Künstlers oder der Gattung in ebendieser Reihenfolge auch im Katalog präsentiert. Einige Jahre später kommt man dann wieder auf ein den Gattungen verschriebenes Ordnungsprinzip zurück. Nach all diesen Versuchen kommt zwischen den Jahren 1795 und 1800 ein völlig neuartiges Prinzip zum Tragen: Die Auflistung der Arbeiten in den Katalogen der Salonausstellungen orientiert sich nun an der alphabetischen Reihung der Künstlernamen. Die Autorin Iris Cramer vermutet, dass dies mit dem Gleichheitsgedanken der Französischen Revolution in Verbindung steht. Auf alle Fälle hat diese Systematisierung bis heute noch ihren Bestand. (Ausnahmen gibt es aber natürlich: siehe dazu z. B. den Katalog zur documenta 12 aus dem Jahr 2007. Die herkömmliche Systematisierung wird jedoch im Katalog zur documenta 13 im Jahr 2012 wieder aufgenommen.) Im Vergleich zu den französischen Katalogen, die sich zu dieser Zeit mit umfangreichen Texten zu ausgewählten Arbeiten, die dem jeweiligen Interessenthema der Organisatoren entsprechen, profilieren, sind die englischen Ausgaben bezüglich des Textumfangs eher knapp. Jedoch gibt es in England schon im Jahr 1760 die ersten nach alphabetischer Reihenfolge strukturierten Ausstellungskataloge.
92 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Inhaltlich kann man festhalten, dass die Texte aus den Katalogen des Pariser Salons dieser Zeit nicht nur den Bildinhalt, sondern auch dessen literarische Referenzen und Einflüsse sowie das Entstehungsumfeld des Werkes berücksichtigen.52 Eine weitere nicht zu verachtende Aufgabe kommt den Texten zu: Sie sollen anhand der unterschiedlichen Bildthemen dem Publikum (natur-)wissenschaftliches Wissen vermitteln. Diese Form der Wissensvermittlung in Ausstellungskatalogen hat aus zwei Gründen an Stellenwert gewonnen: Einerseits konzentrieren sich die Künstler nicht mehr ausschließlich auf die dem Publikum bekannten traditionellen Themen, sondern erschließen neue Bildthemen für sich, die den Betrachtern erst vertraut gemacht werden müssen. Andererseits ist durch die Öffnung der Ausstellungen für ein breites, hinsichtlich des Bildungs- und Wissensstands durchmischtes Publikum eine Vermittlungsfunktion des Katalogs wünschenswert bzw. sogar erforderlich. Diese Ausweitung hat zur Folge, dass sich die Ausstellungen zu Massenveranstaltungen umwandeln, aber auch, dass dem Betrachter und seiner Meinung mehr Beachtung geschenkt wird. Das Publikumsurteil wird somit aufgewertet. Die gesellige Rezeption verbreitet sich, das Gespräch über die Werke wird Bestandteil des öffentlichen Rezeptionsvorgangs.53
52 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 46f. 53 Vgl. ebd., S. 48ff.
1.6 Der Katalog im 19. Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert, geprägt u. a. von der Industrialisierung sowie vom andauernden Aufstreben des Bürgertums, weist eine für die Entwicklung des Katalogs wesentliche Neuerung auf: die Ausbildung des Sammlungswesens.
1.6.1 E INFÜHRUNG Die Abbildungen einer Ausstellung bzw. der in einer Ausstellung gezeigten Werke und ihrer Betrachter erfahren nicht nur im Genre des Galeriebildes ihren Niederschlag. Auch in der weniger ernsthaften, aber nicht minder wichtigen Darstellungsform der Karikatur werden das Medium der Ausstellung und die in diesem Kontext eingebettete Beziehung zwischen Werk und Betrachter diskutiert. Der französische Maler, Bildhauer und Karikaturist Honoré Daumier (1808–1879) widmet sich diesem Thema und beschäftigt sich oft auch auf humorvolle Weise mit dem Verhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft (in diesem Fall zwischen Kunst und französischem Bürgertum). Abb. 13: „Le Salon“, Honoré Daumier
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In diesem Jahrhundert ist es selbstverständlich, dass auch Besucher gleichwertig mit den Kunstwerken auf diesen Darstellungen abgebildet werden. Die somit festgehaltenen Rezeptionsformen, der Umgang mit dem Katalog in der Ausstellung sowie die unterschiedlichen Hängungen werden dem Betrachter vor Augen gehalten. Diese Dokumentationen der Ausstellung nehmen eine Sonderstellung ein: Sie zählen weder zu den Katalogreproduktionen noch zum Genre des Galeriebildes, bieten aber einen andersartigen Blick auf das oben genannte Beziehungsgeflecht und zeigen den Umgang mit dem Katalog – den Reproduktionen – angesichts der Originale. Ohne Anspruch auf die objektive Wiedergabe der Realität konservieren die Karikaturen Daumiers dennoch einen wichtigen Aspekt des damaligen Kunstbetriebs. 1.6.1.1 Fotografie im 19. Jahrhundert Die Fotografie findet im 19. Jahrhundert ihren Ausgangspunkt und beeinflusst in der Folge u. a. auch die Bildreproduktion nachhaltig. Ausgehend von ersten vorfotografischen Versuchen von Joseph Nicéphore Nièpce über die Daguerreotypie bis hin zum ersten Positiv-Negativ-Verfahren und der ersten Farbfotografie spannt sich der historische Bogen. All diese Neuentwicklungen sind für die Reproduktion wegweisend. Die Fotografie löst die Stiche (nicht nur) im Bereich der Illustration der Kunstbücher ab. Der Anspruch auf Authentizität und die damit angestrebte unverfälschte Abbildung der Wirklichkeit steigen durch diese neue Technik an. In der Folge sowie durch den Einsatz von Lichtbildprojektionen trägt die Fotografie zur Etablierung der Kunstgeschichte als akademische Disziplin bei. Ende des 19. Jahrhunderts wird die Fotografie systematisch in diesem Bereich sowohl für Archivierung als auch für Lehre genutzt. In Format, Oberflächenbeschaffenheit und Verfügbarkeit vereinheitlicht kann somit (fast) jederzeit und (fast) allerorts nicht nur über Kunstobjekte gesprochen werden, sondern auch „authentische“ Bilder können betrachtet und analysiert werden. Malraux meint dazu: „Or, l’histoire de l’art depuis cent ans, dès qu’elle échappe aux spécialistes, est l’histoire de ce qui est photographiable.“1 Diese technische Errungenschaft wird auch von Anfang an theoretisch diskutiert und kritisch hinterfragt. Der Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt (1818–1897) äußert sich als Verfechter der Fotografie, indem er dieser die Möglichkeit zuspricht, die von Zerstörung bedrohten Kunstwerke für die Nachwelt und vor dem Vergessen zu sichern. Burckhardt vertritt die Meinung, dass die Erinnerung an das Original durch die Rezeption von fotografischen Reproduktionen nicht beeinträchtigt wird.
1
Malraux, André, 1996, S. 123
1.6 D ER K ATALOG
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Hingegen sieht der französische Schriftsteller Charles Baudelaire (1821–1867), wie viele seiner Kollegen, die Kunst an sich von der Fotografie bedroht.2 Es wird befürchtet, dass die Fotografie immer weiter die Wirklichkeit zu ersetzen beginnt, und er fordert daher, dass die Fotografie zu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückkehren soll: der Kunst sowie der Wissenschaft zu dienen. In diesem Sinne positioniert sich der französische Kunsthistoriker und historische Maler Henri Delaborde (1811–1899), der eine „Nachäffung der Gemälde durch die Fotografie“ sieht und den Kupferstich als die alleinige Reproduktionstechnik betrachtet, da hier der Geist und der Geschmack des Stechers das Ergebnis formen und es sich nicht um eine „buchstäbliche“ Kopie handelt. Der Aspekt, dass der Stecher – der Mensch – maßgeblichen Einfluss auf die Reproduktion hat, wird nun, im Gegensatz zu vorhergehenden Epochen, als positives Argument vis-à-vis der Fotografie eingesetzt. Die Reproduktion ohne Einbezug eines technischen Apparates wird nun im Vergleich zu fotografischen Reproduktionen mit (beinahe) demselben Stellenwert beachtet wie die Originale selbst.3 Jedoch muss man die hier angekreidete „Seelenlosigkeit“, die scheinbare Objektivität der Fotografie nicht einfach so hinnehmen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass die Apparate weiterhin durch Menschenhand, durch den Menschen mitsamt seinem Geist und seinem Geschmack, bedient werden und somit ebenso eine Interpretation und in der Folge eine Abstraktion der Wirklichkeit als Ergebnis vorweisen. Jede Übersetzung eines Objekts in ein anderes Medium bedeutet eine gewisse Abstraktion, die ebenso für Fotografie gilt und somit nicht eine Objektivität mit sich zieht. Eine der Ausnahmen stellt der Schweizer Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin (1864–1945) dar, der seinem früheren Professor Jacob Burckhardt auf dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Basel folgt und sich mit der Interpretationsleistung der Fotografen der damaligen Zeit auseinandersetzt. Jede Entscheidung des Fotografen z. B. in Bezug auf Blickwinkel, Tiefenschärfe, Lichtverhältnisse usw. stellt eine Interpretation und eine Verfälschung der Wirklichkeit dar. Wölfflin erläutert dieses Phänomen anhand der Skulpturenfotografie in seinem Text „Wie man Skulpturen aufnehmen soll“ (erschienen in: Zeitschrift für bildende Kunst, Teil 1: Nr. 7, 1896, S. 224–228, Teil 2: Nr. 8, 1897, S. 294–297, Teil 3: Nr. 25, 1915, S. 237–244). Künstler werden sich dieses Umstands frühzeitig bewusst und reagieren auf die nicht immer gewünschte Interpretation durch den fotografischen Blick. Constantin Brancusi z. B. fotografiert seine Skulpturen selbst, um somit zumindest die Interpretation vonseiten des Publikums bis zu einem gewissen Grad beeinflussen zu können.4 Nicht diese Interpretationsleistung an sich ist jedoch
2
Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 47f.
3
Vgl. ebd., S. 49–50
4
Vgl. ebd., S. 51
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das eigentliche Problem, sondern dass die Rezipienten des Fotos sich gegenüber einer objektiven Wiedergabe der Realität glauben, die ihnen aber nicht geboten wird. Die Sensibilität für eine mögliche bzw. wahrscheinliche oder sogar garantierte Verfälschung der Wirklichkeit wird beim breiten Publikum erst viel später – im Zusammenhang mit der Verbreitung von leicht zugänglichen digitalen Bildbearbeitungsprogrammen – ausgebildet. Ohne diese technischen Voraussetzungen in der Reproduktion von Kunstwerken wäre die Etablierung des Katalogs, so wie wir ihn heute kennen, nicht möglich gewesen. Ab dem 20. Jahrhundert werden fotografische Reproduktionen – zuerst in Schwarz-Weiß, dann in Farbe – immer häufiger und sind heute nicht mehr aus diesem Genre wegzudenken. Kataloge eignen sich die neuen Möglichkeiten an und nutzen diese für ihre Zwecke. So werden – vereinfacht gesprochen – die symbolhaften Holzschnitte aus den Heiltumsbüchern, wo ein Bild für unterschiedliche Reliquien stehen kann, von dem Original zum Verwechseln ähnelnden Fotografien abgelöst, die ihrerseits auch die Rolle und Funktion des Katalogs beeinflussen, in dem sie gedruckt werden. Bei genauerer Betrachtung der Entwicklungen des nachfolgenden 20. Jahrhunderts wird sich diese Verknüpfung deutlich zeigen.
1.6.2 E NTWICKLUNG DES K ATALOGS IN B EZUG AUF DAS M USEUMS - UND AUSSTELLUNGSWESEN Die entscheidenden Meilensteine des 18. Jahrhunderts im Bereich des Katalogs (erster deutscher Sammlungskatalog [1778], „Recueil Crozat“ [1729] oder der „Prodromus“ [1735]) finden nun ihre Weiterentwicklung. Ein wichtiger Schritt in Richtung einheitlicher, internationaler Richtlinien wird in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts getätigt: Der klassische Aufbau gleicht sich nun immer weiter an und einigt sich auf die folgenden Punkte: Name des Künstlers, Lebensdaten des Künstlers, Kurzzusammenfassung seines Lebens, Maße des Werkes, detaillierte Beschreibung des Werkes sowie Nachweis der Signatur. Bis in die heutige Zeit werden die hier angeführten Informationen in einem traditionellen Ausstellungs- oder Sammlungskatalog angegeben – meist noch um die Angabe der Courtesy ergänzt.5 Selbst bei zahlreichen Online-Sammlungen, wie z. B. in der Online-Datenbank der Generali Foundation (http://foundation.generali.at), werden diese Angaben berücksichtigt. Nicht zuletzt durch den Beitrag der Fotografie kann sich der Sammlungs- und Ausstellungskatalog zu dieser Zeit als eine eigene literarische Gattung etablieren, die
5
Vgl. Chastel, André, 1980, S. 64
1.6 D ER K ATALOG
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bis heute in modifizierter Form Gültigkeit besitzt.6 Dieser Fortschritt ist auch durch den wachsenden Kunstbetrieb zu erklären. Ein heterogenes Publikum sieht sich nun mit den nummerierten, jedoch unbeschrifteten Werken konfrontiert. Die für die Orientierung und zur Identifizierung benötigten Informationen werden in Form der oben bereits erwähnten vereinheitlichten Listen im Katalog zugänglich gemacht. In Deutschland werden z. B. für die Akademieausstellung meist broschierte, mehrere Hundert Seiten starke Kataloge im handlichen Format angeboten (vgl. Kurzführer der documenta in Kassel oder der Biennale in Venedig). Die Autorin Iris Cramer führt in ihrem Buch „Kunstvermittlung in Ausstellungskatalogen. Eine typologische Rekonstruktion“ den Katalog der Internationalen Kunstausstellung in Berlin aus dem Jahre 1896 als Beispiel und zur Veranschaulichung an. Der in drei Abschnitte gegliederte Katalog umfasst: einen Übersichtsplan des Ausstellungsgebäudes und allgemeine einleitende Informationen (in diesem konkreten Fall beinhaltet dieser Teil keinen durchgehenden Text, sondern bemüßigt sich mit unterschiedlichen Aufzählungen, die Legitimationsarbeit zu leisten); die – immer wichtiger werdende – Katalogliste, die in nach Gattungen getrennte Auflistungen der Exponate (innerhalb der Gattungen wird die alphabetische Reihenfolge der Künstlernamen berücksichtigt) unterteilt ist, aber ebenso wie der einleitende Teil keinen Langtext umfasst; die Reproduktionen, die durch Titel und Nennung des Künstlers identifiziert werden.7 Hier handelt es sich um Elemente, die bis heute in der einen oder anderen (leicht abgewandelten) Form zum Einsatz kommen. Eine weitere Parallele zu heutigen Katalogen ist die Inkludierung von Werbeeinschaltungen. Oft werden in einem eigenen Anzeigenteil aus unterschiedlichen Branchen stammende Werbeseiten veröffentlicht (vgl. dazu den Katalog „Jubiläums-Ausstellung der kgl. Akademie der Künste im Landesausstellungsgebäude zu Berlin. Illustrirter Catalog“, Verlag der „Deutschen Jllustrirten Zeitung“, Berlin, 1886). Nicht nur diese Tatsache weist auf den kommerziellen Charakter dieser Ausstellungen hin. Auch der Umstand, dass oft freie Seiten für Notizen der potenziellen Käufer angeboten werden, deutet auf die wirtschaftliche Orientierung dieser Ausstellungen hin.8 Derartige „Blankoseiten“ finden sich auch heute noch in manchen Katalogen; diese dienen aber nun meist nicht mehr als Notizzettel für den potenziellen Käufer, sondern bieten vielmehr Platz für Bemerkungen des Besuchers bezüglich qualitativer, interpretatorischer u. ä. Themen (vgl. den Katalog „The second sentence of everything I read is you. Stephen Prina“, Staatliche Kunsthalle BadenBaden, 2009).
6
Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 50
7
Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 66ff.
8
Vgl. ebd., S. 68–69
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Ein weiteres Phänomen ist die Verkürzung der Abstände zwischen der Herausgabe einzelner Kataloge. Somit findet eine Anpassung des Katalogpublikationswesens an den Rhythmus des Ausstellungswesens statt. Die hier skizzierten Großausstellungen mit den begleitenden Katalogen entsprechen den Interessen des Massenpublikums und werden als „Event“ gemäß den damaligen Kriterien inszeniert. Dem gegenüber stehen die Aktivitäten der Secessionisten, die sich von den Massenausstellungen abheben wollen und den Qualitätsanspruch der gezeigten Arbeiten ins Zentrum des Interesses rücken. Dieses Bestreben wird nun auch in den Textteilen der Kataloge thematisiert (vgl. Vorwort des Katalogs zur ersten Ausstellung der Berliner Secession im Jahr 1899, das diese Fragestellung umschifft und dazu führt, dass die Arbeiten nicht mehr als Ware, sondern ausschließlich als Kunstwerke präsentiert und rezipiert werden).9 In Österreich wurde die Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession im Jahr 1897 gegründet. Im darauf folgenden Jahr findet ihre erste Ausstellung statt. Die Wiener Secession bringt bis zum Jahr 1903 monatlich bzw. halbmonatlich die Kunstzeitschrift „Ver Sacrum“ heraus. Diese präsentiert einzelne kunsttheoretische, literarische und künstlerische Beiträge, die für die damalige Zeit von großer Bedeutung sind. Auch wenn es sich hierbei nicht um einen Ausstellungskatalog handelt, gibt es dennoch eine Parallele: Sowohl „Ver Sacrum“ als auch die Kataloge der deutschen Akademieausstellungen beinhalten Reklamen, die im ersten Fall von den Secessionisten selbst gestaltet werden und sich somit in das Gesamterscheinungsbild formal integrieren. 1.6.2.1 Ausstellungswesen und Akademien Nicht nur die bereits erwähnten Akademieausstellungen bestreiten das Ausstellungswesen des 19. Jahrhunderts. In Deutschland (Berlin, Dresden, München, Düsseldorf, Leipzig, Darmstadt, Stuttgart, Köln) speziell errichtete Ausstellungshallen werden für nach französischem Vorbild konzipierte, temporäre Präsentationen errichtet.10 Auch hier ist die kommerzielle Ausrichtung nicht zu übersehen und die Orientierung am Geschmack der Massen ist entscheidend für die Auswahl der gezeigten Werke. Neben den Akademieausstellungen tragen auch die durch das aufstrebende Bürgertum gegründeten Kunstvereine zur Weiterentwicklung des Ausstellungswesens bei. Diese werden verstärkt von 1800 bis 1840 in verschiedenen deutschen
9
Vgl. ebd., S. 71f.
10 Ebd., S. 64
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Städten eröffnet. Der älteste ist die Albrecht-Dürer-Gesellschaft e. V. in Nürnberg (1792), gefolgt vom Badischen Kunstverein e. V., Karlsruhe (1818) und dem Kunstverein Hamburg e. V. (1822). Iris Cramer meint, dass diese zur Kommerzialisierung der Kunst beitragen. Dem kann ich nicht ohne Einschränkungen beipflichten. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV), der Dach- und Fachverband der in Deutschland ansässigen nichtkommerziellen Kunstvereine, schreibt Folgendes zur Geschichte der Kunstvereine: „Ihr Ziel war die Vermittlung zwischen Laien und der Gegenwartskunst – die Beschäftigung mit Kultur sollte nicht länger dem Adel überlassen bleiben. Angesichts dieser Geschichte gelten Kunstvereine als Vorläufer demokratischer Prozesse. Im Vereinsrecht verankert, verfügen sie über einen von den Mitgliedern gewählten Vorstand. Während sich Museen der Sammlung von Kunst widmen und Galerien mit Kunst handeln, haben sich die Kunstvereine als Non-Profit-Institutionen ausschließlich der Vermittlung von Gegenwartskunst verschrieben.“11
Hier werden der Bildungs- und Vermittlungsgedanke und nicht kommerzielle Absichten in den Vordergrund gestellt. Somit reihen sich die Kunstvereine vielmehr in die Tradition der Museen mit ihrem Bildungsauftrag ein als in den Bereich des Kunstmarkts. Auch in Österreich werden zu dieser Zeit die ersten Kunstvereine gegründet: Als erster wird der Salzburger Kunstverein im Jahr 1844 eröffnet. Im Jahr 1885 wird ein eigenes Ausstellungs- und Atelierhaus für ebendiesen errichtet. Im Gegensatz zu den deutschen Kunstvereinen sieht der Salzburger von Anfang an seine Aufgabe sowohl in der Vermittlung als auch im Verkauf zeitgenössischer bildender Kunst aus den Ländern der Monarchie und des benachbarten Auslandes.12 „Der Kunst-Verein ist eine allerhöchst genehmigte Gesellschaft, deren Zweck darin liegt, durch eine andauernde Ausstellung von Gemälden, Zeichnungen, Kupferstichen, Lithografien und plastischen Werken von anerkannt artistischem Werthe und durch Ankauf und alljährliche Verlosung einiger Gemälde die Kunstliebe zu erwecken und den Kunstsinn zu bilden.“13
11 Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine: Geschichte: [Online]. Verfügbar unter: http://www.kunstvereine.de/web/index.php?id=15 (Stand 1.7.2014) 12 Vgl. Svoboda, Christa: Zur Geschichte des Salzburger Kunstvereins, in: Salzburger Kunstverein (Hrsg.): 150 Jahre Salzburger Kunstverein. Kunst und Öffentlichkeit, Salzburg, 1994, S. 15f. 13 Salzburger Landesarchiv, Fasz. 296 und Universitätsbibliothek Salzburg, zitiert aus: Svoboda, Christa, 1994, S. 116
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Gefolgt wird der Salzburger Kunstverein vom Oberösterreichischen Kunstverein (gegründet 1851), dem Kärntner Kunstverein (gegründet 1907) und dem jüngsten, dem Grazer Kunstverein (1986). Bei den Massenausstellungen wird nicht immer, aber häufig – wie schon erwähnt – die Frage nach Qualität hintangestellt; die Verkaufs- sowie Besucherzahlen gelten als Maßstab für eine gelungene Ausstellung.14 Diese Kriterien sollen bis heute für gewisse Ausstellungen und Subventionsanfragen ihre Wichtigkeit behalten. Die Jagd nach stetig steigenden Besucherzahlen wird von den Medien nicht nur verfolgt, sondern forciert, auch wenn sich einige Ausstellungsmacher dagegen wehren: „Für den Leiter der im Sommer zum zwölften Mal stattfindenden Kasseler Documenta, Roger M. Buergel, ist die Besucherzahl eher nebensächlich. Er denke, dass sich die Kunstausstellung an ein recht spezifisches Publikum wende, sagte er der Zeitschrift ,U_mag‘. ,Ich glaube, dass diese Frage mit den Zuschauerquoten eher stupide ist‘, erklärte Buergel.“15
Des Weiteren fällt die erste Weltausstellung, die im Hyde Park in New York in dem speziell dafür erbauten Crystal Palace stattfindet, nicht durch Zufall in das Jahr 1851. Auch wenn in erster Linie (technische und nicht ausschließlich künstlerische) Weltneuheiten dem Publikum präsentiert werden, sind die Weltausstellungen eine wichtige Etappe bei der Entwicklung des aktuellen Ausstellungswesens (man denke an die Länderpavillons der Weltausstellung in Paris im Jahr 1867).16 Nach diesem Vorbild öffnet die Biennale von Venedig im Jahr 1895 zum ersten Mal für Besucher ihre Tore. Die ursprünglich als Präsentation italienischer Kunst konzipierte Ausstellung entwickelt sich rasch zu einer internationalen Großveranstaltung.17 Daniel Birnbaum schreibt im Vorwort zum Kurzführer der 53. Biennale von Venedig: „A work of art is more than an object, more than a commodity. It represents a vision of the world, and if taken seriously must be seen as a way of
14 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 65 15 RP Online: Roger M. Buergel. Für Documenta-Chef ist Besucherzahl Nebensache: [Online]. Verfügbar unter: http://www.rp-online.de/kultur/kunst/fuer-documenta-chef-istbesucherzahl-nebensache-aid-1.2033717 (Stand 1.7.2014) 16 Vgl. Der Brockhaus – In 30 Bänden, Band 29, 2006a, S. 656f. 17 Vgl. La Biennale di Venezia: The Venice Biennale. Since 1895, multi-disciplinary today: [Online]. Verfügbar unter: http://www.labiennale.org/en/biennale/index.html (Stand 1.7.2014)
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making a world.“18 Er schlägt somit die Brücke zum Ausgangspunkt der Weltausstellungen. Eng mit dem Ausbau des Ausstellungswesens ist auch die Etablierung der Akademie verbunden. Dies trifft nicht nur für Frankreich oder Deutschland zu, sondern ebenso für Österreich: Im Jahr 1863 wird das k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie (das heutige Museum für angewandte Kunst Wien) von Kaiser Franz Joseph gegründet. In der Folge kommt es zur Gründung der kaiserlich-königlichen Kunstgewerbeschule (Vorgängerin der Universität für angewandte Kunst Wien) im Jahr 1876. Nicht nur durch die zeitliche, sondern auch durch die inhaltliche Verknüpfung zeigt dieses Beispiel die enge Verbindung zwischen der Ausbildung von Künstlern und der Ausstellung ihrer Werke.19 Die in mehreren Bereichen parallel fortschreitende Entwicklung von unterschiedlichen Ausstellungsformen hat u. a. auch Auswirkungen auf das Publikum: Durch das anwachsende Angebot adressieren sich die Präsentationen nicht mehr ausschließlich an ein gebildetes bürgerliches oder adeliges Publikum, sondern richten sich ebenso an die einfacheren Bevölkerungsschichten. Die Organisatoren sind nun mit einem breit gestreuten Publikum konfrontiert. Dies hat in der Folge Einfluss auf die Gestaltung des begleitenden Katalogs: Er soll bei der Identifizierung der nicht beschilderten Werke helfen und somit dem potenziellen Käufer einen Überblick über die Verkaufskonditionen und Preise geben. Durch sein handliches Format ist der Katalog dieser Zeit in erster Linie für den Gebrauch in der Ausstellung gedacht (vgl. „catalogue-en-acte“).20 Um den Überblick über den stetig anwachsenden Ausstellungsbetrieb zu behalten, erscheinen Zeitschriften, die über laufende Ausstellungen informieren (z. B. das „Deutsche Kunstblatt – Zeitschrift für bildende Kunst und Baukunst. Organ der deutschen Kunstvereine“). Derartige Übersichten bzw. Ankündigungen haben bis heute an Bedeutung gewonnen. Im immer größer werdenden Angebot von Ausstellungen und Museumspräsentationen sowie durch die erleichterten Reisemöglichkeiten ist es für das Publikum von Interesse, über die Möglichkeiten auf dem Laufenden gehalten zu werden. Magazine wie z. B. „art Das Kunstmagazin“ geben einen Überblick über das internationale Ausstellungsgeschehen. Das monatliche Programm des Universalmuseums Joanneum ist sowohl in gedruckter als auch in digitaler (PDF zum Download) Form erhältlich und informiert seine Leser u. a. über die unterschiedlichen Aktivitäten (Ausstellungen, Konferenzen, Sonderveran-
18 Birnbaum, Daniel: Vorwort im Kurzführer der 53. Internationalen Kunst Biennale von Venedig, 2009, S. 7 19 Vgl. Werkner, Patrick (Hrsg.): Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute. Von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister, Springer Verlag, Wien, 2010, S. 8 20 Vgl. Cramer, Iris, 1998, S. 66
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staltungen ...) des Joanneums. Auch das französische Netzwerk „tram“ versorgt sein Publikum anfangs mit gedruckten Programmen, später mit einem Newsletter, die die Leser über Aktualitäten in ausgewählten Institutionen informieren. Des Weiteren werden im Online-Bereich derartige Übersichten vertrieben: Newsletter wie z. B. der von www.artmagazine.cc geben Aufschluss über das aktuelle Geschehen in Österreich, auf www.kunstaspekte.com erhält der interessierte Leser Informationen zu Ausstellungen und Institutionen u. a. in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ein Beispiel: Kunstakademie in Berlin und ihre Kataloge Die im vorherigen Jahrhundert gegründete Kunstakademie in Berlin etabliert sich fortlaufend und beeinflusst durch ihre Ausstellungstätigkeit auch die Entwicklung der Kataloge. Die schon erläuterte Teilung in Vorwort und Katalogliste wird weiterhin beibehalten, jedoch gibt es eine wichtige Änderung in der Systematisierung der Künstler: Diese werden ab dem Jahr 1830 nicht mehr nach ihrer akademischen Hierarchie, sondern streng dem Alphabet folgend aufgelistet. D. h., der (neutrale) Name gewinnt Oberhand über den (hierarchischen) Titel. Eine weitere Änderung stellt die Ordnung der Exponate nach Gattungen (z. B. Kupferstich, Architektur, Gemälde und Zeichnung ...) dar. Das Vorwort dient dazu, die Ziele der Akademie dem Leser näherzubringen und bietet Raum für allgemeine kunsttheoretische Erläuterungen. Ab dem Jahr 1826 wird dieses Vorwort durch eine Chronik, die die Geschichte der Akademie darlegt, ersetzt. Diese Änderung zeigt, dass der Legitimationsgedanke der Ausstellung an sich nicht mehr im Zentrum steht und sich diese Veranstaltung mittlerweile etabliert hat. Generell kann man sagen, dass das zentrale Anliegen der Berliner Kataloge die Anbindung der Kunst an das Staatswesen darstellt.21 Aber nicht nur die einleitenden Texte sind einer Weiterentwicklung unterworfen. Auch die Beschreibung der Exponate durchläuft einen stetigen Wandel. Die Kommentare zu den einzelnen Werken werden immer kürzer und beschränken sich auf Angabe des Namens des Künstlers, seinen akademischen Titel, Titel des Werkes, Katalognummer und eine äußerst knappe, möglichst neutrale Kurzbeschreibung des Motivs. Fragen nach Qualität oder Interpretationen werden vollständig ausgeklammert. Das kann dahin gehend gedeutet werden, dass eine ästhetische Wertung dem Publikum abgesprochen wird und ausschließlich den Experten überlassen werden soll.22
21 Vgl. ebd., S. 52 22 Vgl. ebd., S. 61
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In weiterer Folge verschwinden die Kommentare vollkommen. Iris Cramer erklärt dies folgendermaßen: „Für einen Katalogautor mit aufklärerischen Ambitionen wäre es im 19. Jahrhundert kaum noch möglich gewesen, in den knappen Beschreibungen den thematischen Sinn eines Werkes zusammenzufassen. Die ikonografische Entschlüsselung träfe nicht unbedingt den Kern der Bedeutung; die Quellen – biblische, antike oder neue Geschichte – können nun für den Sinngehalt dieser Werke nebensächlich sein. Stattdessen wird nun für die Bedeutungsrekonstruktion die jeweils spezifische ästhetische Gestaltung der Werke und die individuelle Symbolik des Künstlers ausschlaggebend. Diese Entwicklungen führten jedoch nicht zu einer intensiveren Auseinandersetzung der Katalogautoren mit dem einzelnen Werk, sondern umgekehrt zu einem Rückzug. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verschwinden die Kommentare aus den Ausstellungskatalogen.“23
1.6.2.2 Rezeptionsformen des Katalogs Vereinfacht gesprochen kann man feststellen, dass als Folge der Aufklärung eine „Demokratisierung“ der Kunst erreicht wird. Im Vergleich zu den vorhergehenden Epochen war nun der Zugang zu Ausstellungen und Museumspräsentationen einem breiten Publikum möglich, was zur Herausbildung eines Massenpublikums führte. Da sich dieses aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und daher auch aus Menschen mit verschiedenen Bildungshorizonten zusammensetzt, setzt sich eine allgemein zugängliche Ausstellungstätigkeit durch. Die Frage nach der künstlerischen Qualität tritt zugunsten einer populären Präsentation zurück.24 Im Spiegel dieser Entwicklungen werfen die bereits angesprochenen Aktivitäten der Secessionisten die Frage nach künstlerischer Qualität, dem Publikum und dessen Rezeption auf. Wie werden diese neuen, der Tradition widersprechenden Arbeiten aufgenommen? Im Jahre 1899 wird die erste Ausstellung der Berliner Secession eröffnet. Anlässlich dieser erscheint auch ein begleitender Katalog, der trotz der neuartigen Kunstauffassung der Secessionisten dem herkömmlichen Katalogtypus verschrieben ist: Er umfasst den Plan des Ausstellungsgebäudes, allgemeine Informationen (Leitung der Ausstellung, Eintritts- und Katalogpreise) und die Auflistung der Werke nach Gattung. Iris Cramer hält in ihrem Buch „Kunstvermittlung in Ausstellungskatalogen. Eine typologische Rekonstruktion“ fest, dass die Neuerung in diesem Katalog das Vorwort von Max Liebmann darstellt, in dem er die programmatischen Ziele der Secession Berlin vorstellt.25 Ich sehe darin weniger eine Neuerung
23 Ebd., S. 62 24 Vgl. ebd., S. 69 25 Vgl. ebd., S. 73f.
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als vielmehr eine Weiterentwicklung der schon im 17. Jahrhundert aufkommenden Vorworte, die den Lesern die Ziele der Ausstellung offenlegen und somit eine Legitimation ebendieser anstreben. Da es sich bei der Ausstellung der Secessionisten ebenso um eine junge und noch nicht etablierte Stilrichtung handelt, besteht Legitimationsbedarf, der durch die Vorbringung des Programms erfüllt werden soll. Ebenso findet die Abgrenzung der Secession von den vorherrschenden Normen Platz in Liebermanns Vorwort. Die sich von der traditionellen Kunstrichtung abwendenden Künstler vertreten die Vorstellung der Autonomie der Kunst und der ästhetischen Erfahrung als ideale Rezeptionsform. Diesen Anforderungen wird jedoch der bisherige Kunstbetrieb nicht gerecht und dies führt zu einer alternativen Bewegung, der Secession, die versucht, durch kleine, aber qualitativ hochwertige Ausstellungen diesen Ansprüchen nachzukommen:26 Weg von den großen, gefälligen Massenausstellungen und hin zur spezifischen, qualitätsvollen Kleinausstellung ist die Devise. Interessant ist auch der Fakt, dass dieser Katalog einen Plan des Ausstellungsgebäudes beinhaltet. Diese „Verortung“ der Reproduktionen der gezeigten Arbeiten in der Repräsentation des Ausstellungsraums in Form des Plans wird bis heute immer wieder aufgegriffen. Ein Beispiel dafür ist die Publikation „Chefs-d’Œuvres?“, der Katalog, der zur Eröffnungsausstellung des Centre Pompidou in Metz im Jahr 2010 erscheint und der ebenso Grundrisse des von Shigeru Ban und Jean de Gastines geplanten Ausstellungsgebäudes beinhaltet. Durch die Berücksichtigung der Ausstellungsarchitektur im Katalog wird bei einer späteren Lektüre der reale Ausstellungsrundgang in Erinnerung gerufen und erleichtert eine räumliche Vorstellung des Gesehenen. Dadurch wird die Gedächtnisfunktion des Katalogs unterstrichen.
26 Vgl. ebd., S. 71
1.7 Der Katalog im 20. Jahrhundert
Das 20. Jahrhundert durch wenige Schlagworte zu charakterisieren, ist nicht zuletzt aufgrund seiner Schnelligkeit und Vielfalt besonders schwierig. Der Zusammenbruch der Monarchie, Erster und Zweiter Weltkrieg sowie Nachkriegszeit und die Informationsgesellschaft sind daher nur eklektisch herausgenommene Spotlights, die in unterschiedlicher Weise Auswirkungen auf das Katalogwesen haben.
1.7.1 E INFÜHRUNG Die Entwicklung der analogen Fotografie bis hin zur Etablierung der digitalen Fotografie beeinflusst maßgeblich die Konzeption der Kataloge. Am Anfang des 20. Jahrhunderts, genauer gesagt vor dem Ersten Weltkrieg, beschränkt sich die Fotografie aufgrund der technischen Notwendigkeit eines Stativs auf unbewegte Motive. Dies ergibt sich aus der damals noch recht geringen Lichtempfindlichkeit der Platten bzw. Filme. Aber auch kleinere und daher leichtere Kameramodelle kommen immer häufiger auf. Kurz nach der Jahrhundertwende werden große Fortschritte bei der Herstellung von Objektiven erzielt, die zu einer Qualitätssteigerung führen.1
1
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung der Farbempfindlichkeit der Aufnahmematerialien. Im Jahr 1902 verbessern der deutsche Fotochemiker Adolf Miethe (1862–1927) und der deutsche Chemiker Arthur Traube (1878–1948) die Rot-OrangeSensibilisierung des Aufnahmematerials (panchromatische Sensibilisierung), die einen wichtigen Beitrag zur Farbfotografie darstellt [vgl. Baatz, Willfried: Geschichte der Fotografie, DuMont, Köln, 1997, S. 176]. Die erste Realisation eines Farbumkehrfilms datiert aber erst aus dem Jahr 1935 [vgl. Marchesi, Jost J.: Handbuch der Fotografie, Band 3, Verlag Photographie, Gilching, 1998, S. 9]. Der Wunsch nach Farbfotografien reicht bis zur Geburtsstunde dieses Mediums zurück: Man geht dieser Nachfrage zuerst mithilfe von handkolorierten Daguerreotypien nach (z. B. der Schweizer Maler Johann
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In den 1910er-Jahren ist die Annäherung der Fotografie an die Malerei ein zentrales Thema. Die gegenseitige Beeinflussung sowie Konkurrenz dieser beiden Medien sind Gegenstand vieler theoretischer Überlegungen.2 Vertreter unterschiedlicher Strömungen beschäftigen sich mit der künstlerischen Fotografie (Neue Sachlichkeit, Bauhaus). In der Zwischenkriegszeit erfährt die Fotografie einen Aufschwung, nicht zuletzt aufgrund der Verbreitung von Zeitschriften und Magazinen, die immer häufiger fotografische Reproduktionen in ihr Erscheinungsbild integrieren. Aber nicht nur zur Illustration, sondern auch um ihrer selbst willen hält die Fotografie Einzug in den Bereich der Publikationen. So beeinflusst der technische Fortschritt v. a. im Bereich der Aufnahmematerialien die Motivwahl: Da nun nicht mehr zwingend ein Stativ oder ein statisches Motiv gewählt werden müssen, weitet sich die Formensprache der Fotografie aus. Langsam verdrängen Filmkameras die unhandlichen Plattenkameras und tragen ebenso zur Verbreitung der Fotografie bei. Durch die nun immer häufiger verwendeten Blitzgeräte, die von Agfa für Nitratpapier im Jahr 1908 als Erstes eingeführt werden, weitet sich das mögliche Motivspektrum für die Fotografie bedeutend aus. Im Jahr 1936 erreichen Filme zum ersten Mal die heute noch gängige Lichtempfindlichkeit von 21 DIN.3 Nach dem Zweiten Weltkrieg4 stoßen, wie schon erwähnt, illustrierte Zeitschriften sowie Fotomagazine (z. B. „Modern Photography“, USA) auf großes Interesse und verändern die Rezeption der Fotografie. Ein interessantes damit in Zusammenhang stehendes Phänomen ist, dass nun fotografische künstlerische Arbeiten Einzug in die Sammlungen großer Museen halten. Als Vorreiter dafür kann das Museum of Modern Art in New York gesehen werden, das schon vor dem Zweiten Weltkrieg
Baptiste Isenring [1796–1860]). In der Folge experimentiert der englische Physiker James Clerk Maxwell (1831–1879) mit dem Prinzip des additiven Dreifarbenauszugs, das als Grundlage für die Farbfotografie gilt [vgl. Marchesi, Jost J., 1998, S. 10f.]. 2
Vgl. Tausk, Petr: Die Geschichte der Fotografie im 20. Jahrhundert, DuMont, Köln,
3
Vgl. ebd., S. 44ff.
1977, S. 12ff. 4
Neben unterschiedlichen Ausformungen der künstlerischen Fotografie nimmt auch die Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg eine nicht zu verachtende Rolle ein. Da nun die Aufnahme von bewegten Bildern kein großes Problem mehr darstellt, können auch fotografische Dokumente aus dem Kriegsgeschehen aufgenommen und verbreitet werden. Im Jahr 1936 kamen die ersten Farbdiafilme sowohl in Europa als auch in den USA auf den Markt. Veranlasst durch die immer weitere Verbreitung findende Fotografie setzen sich zahlreiche Theoretiker aus verschiedenen Bereichen mit diesem Phänomen auseinander [vgl. Benjamin, Walter, 1936], [vgl. Baatz, Willfried 1997, S. 177].
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seine Fotoabteilung eröffnet.5 Diese Entwicklungen tragen zur Etablierung der Fotografie als eigenständiges künstlerisches Medium bei. Eng damit verbunden ist auch die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für künstlerische Fotografie in Europa an der Königlichen Akademie der Grafischen Künste in Leipzig im Jahr 1912.6 Die Übernahme der Leitung der fotografischen Sammlung am MoMA in New York durch den in Luxemburg geborenen Fotografen Edward Steichen (1879–1973) im Jahr 1947 sowie die Gründung der Agentur „Magnum“ durch Henri Cartier Bresson (1908–2004) im Jahr 1947 stellen für die Fotografie Meilensteine dar.7 Im Jahr 1991 wird das erste hochauflösende „Kodak Digital Camera Systems DCS“ vorgestellt, das einen wichtigen Eckpunkt der Entwicklung der Fotografie in den digitalen Bereich markiert. Nur vier Jahre später kommt das erste digitale Gerät für Amateurfotografen auf den Markt.8 Digitale Kameras sind mit einem Speichermedium (z. B. einer Speicherkarte) ausgerüstet, auf dem die Bilder aufgezeichnet werden.9 Je nach Leistung der Sensoren können unterschiedlich hohe Auflösungen erzielt werden. Die vom Sensor aufgenommenen Informationen werden von einem Prozessor in binäre digitale Daten umgewandelt und speichern das Motiv auf einer Memory Card ab. Dieses gespeicherte Bild ist für das menschliche Auge nicht als Bild wahrnehmbar, sondern besteht aus einem binären Code. Diese Zahlenreihe kann mithilfe eines Computers in ein für uns erkennbares Bild umgewandelt werden. Nach Speicherung des Bildes auf der Memory Card kann dieses auf einen Computer übertragen werden und steht somit zur Bildbearbeitung (Manipulation der einzelnen Pixel) bereit.10
5
Das Museum of Modern Art (MoMA) hat seine Sammlungstätigkeit im Bereich der Fotografie im Jahr 1930 begonnen und zehn Jahre später diese Abteilung eröffnet. Derzeit umfasst die Sammlung mehr als 25.000 Arbeiten [vgl. The Museum of Modern Art (MoMA): Photography: [Online]. Verfügbar unter: http://www.moma.org/explore/ collection/photography (Stand 1.7.2014)].
6
Vgl. Baatz, Willfried,1997, S. 176
7
Interessant ist auch die Entwicklung der Sofortbildfotografie, die seit dem Jahr 1947 durch Dr. Edwin Herbert Land (1909–1991) als „Polaroid“ lanciert wird und über Schwarz-Weiß-Bilder zu Farbsofortbildern Anfang der 1960er führt.
8
Vgl. Baatz, Willfried, 1997, S. 177f.
9
Vgl. Marchesi, Jost J., 1998, S. 264
10 Einen wesentlichen Unterschied zur herkömmlichen analogen Fotografie stellt die Abwesenheit eines konventionellen Vergrößerungsgeräts bei der Ausbelichtung dar. An dessen Stelle tritt nun eine Reihe von unterschiedlichen Druckern (z. B. Farblaserdrucker, InkjetDrucker, Farbsublimationsdrucker ...), die entweder mit RGB-Daten oder CMYK-Daten arbeiten [vgl. Marchesi, Jost J., 1998, S. 276f].
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Im Gegensatz zur analogen Fotografie, die laut Andreas Schelske11 der Erinne-rung dient, ist die digitale Fotografie der Kommunikativität verschrieben und unterstützt den „visuell kommunikativen Dialog“ zwischen Einzelpersonen. D. h., das digitale Bild kommuniziert aktiv, während das analoge Bild weitgehend passiv erinnert (vgl. Push-und-Pull-Medien). Es wird eine interaktive Situation zwischen digitalen Daten und Betrachter geschaffen. Nicht nur durch Ausdrucke, die in gewisser Weise in der Tradition der herkömmlichen ausbelichteten Fotografien stehen, erfahren digitale Bilder ihre Verbreitung. Auch z. B. durch das Internet werden Bilder unabhängig von geografischen Grenzen publiziert und bekannt gemacht. Diese neue Verbreitungsform beeinflusst die Rezeption: Wurden bisher Bilder bzw. Reproduktionen in erster Linie in gedruckter Form, also auf Papier o. Ä., rezipiert, ändert sich nun das Medium und der Bildschirm des Computers als „Bildträger“ gewinnt an Stellenwert. Das Blättern im Buch, die haptische Erfahrung des Papiers und des Buchs als Objekt werden durch die Bedienung der Tastatur und der Maus ersetzt. Das Bild erscheint nicht mehr als analoges Abbild, sondern setzt sich aus einem binären Code zusammen, der erst am Bildschirm für das menschliche Auge zu einem Abbild wird. Mit der Entwicklung des Internets verändert sich im Laufe des 20. Jahrhunderts auch die Bildrezeption sowie -diffusion. Im Jahr 1993 wird der Browser Mosaic zugänglich gemacht und ermöglicht die Darstellung von Bildern, Texten u. Ä., die durch das Internet übermittelt werden. Erst im Jahr 1996 kommt der Browser Internet Explorer von Microsoft auf den Markt und trägt zur allgemeinen Verbreitung des Internets bei.12 Durch die Möglichkeiten der Bildverbreitung im Internet beschleunigt sich diese und weitet sich ohne Rücksicht auf geografische Restriktionen aus. Diese Entwicklungen beeinflussen in der Folge auch das Medium des Ausstellungs- und Sammlungskatalogs. Francis Haskell hält fest, dass viele Kunstwerke um die Jahrhundertwende (1900), wenn sie als Leihgaben versandt wurden, zum ersten Mal fotografisch festgehalten werden. Dieses Vorgehen wird bis in die 1950er-Jahre so populär, dass viele der großen Museen eine dafür zuständige Abteilung einführen.13
11 Anlässlich des zweiten Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Photographie und des Fachbereichs Gestaltung der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (2005) 12 Vgl. Hirner, René (Hrsg.): Vom Holzschnitt zum Internet. Die Kunst und die Geschichte der Bildmedien von 1450 bis heute, Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit, 1997, S. 186f. 13 Vgl. Haskell, Francis: The Ephemeral Museum. Old Master Paintings and the Rise of the Art Exhibition, Yale University Press, New Haven, 2000, S. 150
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All diese technischen Neuerungen haben einerseits Konsequenzen auf die Auswahl der ausgestellten und gesammelten Arbeiten und andererseits wirken sich diese auch auf die Gestaltung von Ausstellungs- und Sammlungskatalogen aus. Wie der technische Fortschritt sowohl in der Fotografie als auch in den Drucktechniken mit der Umsetzung der Kataloge im Einzelnen verknüpft ist, werde ich im Anschluss anhand von Beispielen erläutern.
1.7.2 E NTWICKLUNG DES K ATALOGS IN B EZUG AUF DAS M USEUMS - UND A USSTELLUNGSWESEN Die rasante Entwicklung im Ausstellungswesen hat Einfluss auf die Art der Ausstellungsabbildungen und in der Folge auf das Genre des Sammlungs- bzw. Ausstellungskatalogs. Dies ändert sich im 20. Jahrhundert. Der Betrachter wird auf den Abbildungen als Störfaktor gesehen. Wolfgang Kemp formuliert diese Entwicklung sehr treffend: „In dem Moment, da dem Betrachter gegeben wird, was er gefordert hatte14, verschwindet er aus der Ikonographie der Kunstbetrachtung.“15 Bei der Präsentation im White Cube soll der Betrachter „ganz Auge“, wie es Karlheinz Lüdeking formuliert, werden und seine physische Präsenz völlig vergessen. Er spielt so weder in der Präsentation noch in deren Abbildung eine körperliche Rolle. Des Weiteren fügen das „Bild einer Ausstellung“ und – in seiner Weiterführung – der Ausstellungskatalog einen zusätzlichen Aspekt zur ursprünglichen physischen Präsentation hinzu. Das Beziehungsgeflecht der realen Arbeiten wird durch ihre fotografische Repräsentation im Katalog neu geordnet und schafft somit einen andersartigen Aufbau der Präsentation. Durch die fotografische Reproduktion und ihren Druck wird eine weite Verbreitung der Inhalte ermöglicht und somit ein Bild der Ausstellung im Gedächtnis verfestigt, das in dieser Form nicht wirklich existiert hat. Die reale Ausstellung wandelt sich zu einer imaginären Ausstellung im universalen Gedächtnis (vgl. André Malraux). 1.7.2.1 Entwicklung des Ausstellungs- und Museumswesens Massenausstellungen finden ihren Ausgangspunkt schon im 19. Jahrhundert. Die Künstler sind verpflichtet, auf die nicht gerade vorteilhaften Bedingungen bei
14 Die Möglichkeit zur isolierten Betrachtung durch eine möglichst neutrale Präsentation; Anm. der Autorin 15 Kemp, Wolfgang, 1993, S. 66
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diesen Ausstellungen zu reagieren, möchten sie nicht in der Menge der gezeigten Werke untergehen. 1855 organisiert Gustave Courbet (1819–1877) die erste Einzelausstellung in einem Pavillon, den er extra zu diesem Zweck errichten lässt. Er ist sowohl für die Gestaltung der Räumlichkeiten als auch für die Hängung verantwortlich. In der Folge präsentieren sich die Impressionisten in selbst angemieteten Räumen als Gruppe der Öffentlichkeit. Sie haben zum Ziel, ihr Kunstverständnis bekannt zu machen, ohne sich auf die etablierten Institutionen zu verlassen, bei deren Ausstellungen sie aufgrund ihrer neuen, unbekannten Kunstrichtung nicht zugelassen sind. Bemerkenswert ist aber, dass trotz der Selbstbestimmung der Künstler bei der Ausstellungsgestaltung die damals verbreitete enge Hängung nicht infrage gestellt wird.16 Langsam formt sich jedoch die Forderung nach einer isolierten Präsentationsweise heraus. Als möglichen ersten White Cube bezeichnet Brüderlin die Ausstellungsgestaltung, die Josef Hoffmann für die Huldigung der Beethovenplastik von Max Klinger in der Secession 1902 errichtet.17 Das Haus der Wiener Secession18 wirklich als den ersten White Cube anzusehen, ist gewagt, da es sich bei dem Bau von Joseph Maria Olbrich (1867–1908) um alles andere als einen neutralen Raum handelt. Man muss aber festhalten, dass das Thema der Präsentation und Ausstellungsgestaltung (Gesamtkunstwerk, Verzicht auf Dekoration) im Zentrum der Überlegungen der Secessionisten stand. Die Verbreitung des White Cube hängt laut Brüderlin mit dem Autonomwerden der Kunst zusammen. Die Thematisierung des Ausstellungsraumes in künstlerischen Arbeiten geht mit dem Aufkommen des White Cube einher.19 Bei der Idee des neutralen weißen Raumes ist der Besucher genau genommen ein Störfaktor. Dennoch gibt es immer wieder Künstler wie z. B. Thomas Struth, die sich ebenfalls mit den Betrachtern in Kunstinstitutionen beschäftigen und diese in ein kritisches Licht rücken.
16 Vgl. Hegewisch, Katharina, 1991, S. 11 17 Vgl. Brüderlin, Markus, 1993, S. 44 18 Wiener Secession: 1898 nach Plänen von Joseph Maria Olbrich errichtet; beinhaltet das „Beethovenfries“ (1902) von Gustav Klimt [vgl. Braun, Heinz: Formen der Kunst – Eine Einführung in die Kunstgeschichte. Gesamtausgabe, Verlag Martin Lurz GmbH, München, 1974, S. 357] 19 Vgl. Brüderlin, Markus, 1993, S. 42
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Auch im Museumsbereich und nicht nur bei den Ausstellungen wird der Gedanke der schlichten, neutralen Raumgestaltung aufgegriffen. Anfang der 20er-Jahre wird die Tendenz spürbar, Architektur für Museen zu bauen, die sehr wandlungsfähig ist und (fast) keinen eigenen Charakter besitzt. So will man den Künstlern bzw. den Kunstwerken die Möglichkeit einer angemessenen Ausstellungsfläche bieten.20 Ich denke, dass eine Entwicklung in dieser Art und Weise nicht weiter andauert. Als Beispiele für die Gegenströmung möchte ich das Grazer Kunsthaus21 von Cook und Fournier oder das MAXXI – Museo nazionale delle arti del XXI secolo in Rom von Zaha Hadid anführen. Bei diesen Gebäuden ist die Architektur sehr dominant und bietet per se keine neutrale Plattform für die Exponate. Aber nicht nur die Architektur an sich hat sich geändert, auch die Ausstellungsgestaltung ist einem Wandel unterworfen. Ein Beispiel dafür stellt die in der Kunsthalle Wien22 häufig umgesetzte Präsentationsweise dar. Der grundsätzlich neutrale Raum bietet die Möglichkeit, sich durch unterschiedliche Ausstellungsarchitektur und -displays den jeweiligen Anforderungen anzupassen. So ist von White Cube bis hin zu aufwendig inszenierten Präsentationsweisen oder Installationen alles möglich (vgl. z. B. die raumgreifene Installation bei „Clifton Childree. Fuck that Chicken from Popeyes“, 2011, oder die eher klassische Präsentationsweise bei „Weltraum“, 2011). Es geht nicht nur um die Kunst um ihrer selbst willen. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden Kunstausstellungen u. a. auch dazu eingesetzt, politische Vorstellungen bekannt zu machen. Der politische Aspekt der Ausstellungen hat bis heute einen Stellenwert, der nicht zu übersehen ist.23 Als Beispiel kann man die Ausstellung „Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF-Ausstellung“ nennen, die im KW Institute for Contemporary Art in Berlin und in der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz 2005 zu sehen war. Bei dieser Präsentation wird die Rote Armee
20 Vgl. Hegewisch, Katharina, 1991, S. 12 21 Kunsthaus Graz: von Peter Cook (*1936 London) und Colin Fournier (*1944 London) in Graz erbaut; Kombination zwischen alter und neuer biomorpher Architektur; Eröffnung 2003 [vgl. Kunsthaus Graz. Universalmuseum Joanneum: Kunsthaus Graz: [Online]. Verfügbar unter: http://www.museum-joanneum.at/de/kunsthaus/das-gebaeude/einblick (Stand 1.7.2014)] 22 Kunsthalle Wien: Eröffnung 2001 im MuseumsQuartier Wien; Kombination zwischen barocker und moderner Architektur (Ortner & Ortner); zwei Ausstellungshallen; Werkstattcharakter 23 Vgl. Hegewisch, Katharina, 1991, S. 9
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Fraktion einerseits vonseiten der Medien und andererseits aus künstlerischer Sicht beleuchtet.24 Ende des 20. Jahrhunderts werden „kritische Ausstellungen“ immer häufiger realisiert. Das bedeutet, dass nicht mehr die Geschmacksbildung der Besucher im Vordergrund steht, sondern die Bewusstseinsbildung. Durch diese Entwicklung wird auch die Kunstrezeption verändert. Es ist nun nötig, dass der Besucher das Gesehene kritisch reflektiert und nicht mehr still darin versinkt. So werden Fragen der gesellschaftlichen Relevanz häufiger in diesem Zusammenhang gestellt als Fragen nach ästhetischen Aspekten.25 Weiters ist Ende des 20. Jahrhunderts ein Ausstellungsboom zu verzeichnen. Dies hängt in erster Linie mit der professionellen und immer stärker praktizierten Öffentlichkeitsarbeit der Ausstellungsmacher und Museumsbetreiber zusammen und nicht unbedingt mit der steigenden Qualität der Ausstellungen oder dem wachsenden Interesse des Publikums. Auch der merkantile Aspekt der Kunst kommt wieder stärker zum Tragen. Neue Rekorde bei Auktionen oder die steigenden Ankäufe von Firmen lassen darauf schließen.26 Den wirtschaftlichen Stellenwert erkennt man nicht nur aufgrund der Investitionen der Firmen, sondern auch durch das verstärkte Aufkommen von Kunstsponsoring. Dieser Trend kann einerseits zu mehr finanziellen Möglichkeiten der Kunstinstitutionen führen, andererseits darf man dabei nicht auf die Kehrseite vergessen. Durch die finanzielle Unterstützung hat der Geldgeber direkt oder auch indirekt Einfluss auf die Auswahl der gezeigten oder produzierten Arbeiten. Bei den heutzutage verbreiteten Blockbuster-Ausstellungen27 (z. B. die Ausstellung „Henri Cartier-Bresson“ im Grand Palais in Paris, 2014) wird der wirtschaftliche Faktor immer bedeutender. Es werden große Summen an Geld investiert und mit bekannten Namen werden Publikumsmassen angezogen. Organisation und Koordination werden zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Ausstellungen.
24 Vgl. KW Institute for Contemporary Art Berlin: „Zur Vorstellung des Terrors: Die RAFAusstellung“:
[Online].
Verfügbar
unter:
http://www.kw-berlin.de/de/exhibitions/
regarding_terror_the_raf_exhibition_113 (Stand 1.7.2014) 25 Vgl. Hegewisch, Katharina, 1991, S. 10 26 Vgl. Klüser, Bernd (Hrsg.): Die Kunst der Ausstellung – Eine Dokumentation dreißig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts, 1. Auflage, Insel-Verlag, Frankfurt am Main, 1991, S. 7 27 Francis Haskell nennt die Rembrandt-Ausstellung im Jahre 1898 in Amsterdam als erste Blockbuster-Ausstellung [vgl. Haskell, Francis, 2000, S. 102].
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Das Ansehen von Ausstellungsmachern wächst in dieser Periode beinahe über die Reputation der Künstler hinaus.28 Das Wie wird immer wichtiger und überschattet das Was immer stärker.29 Daniel Buren formuliert seine Beobachtung diesbezüglich wie folgt: „Immer mehr tendiert der Gegenstand einer Ausstellung dazu, nicht mehr die Ausstellung von Kunstwerken, sondern die Ausstellung der Ausstellung als Kunstwerk zu sein.“30 Die Vereinigung von Künstler, Kurator und Ausstellungsmacher in einer Person ist keine Seltenheit mehr (vgl. Harald Szeemann, der an anderer Stelle Erwähnung findet). Der künstlerische Leiter der 7. Berlin Biennale, die im Jahr 2012 stattfindet, ist der polnische Künstler Artur Zmijewski (*1966). Seine Herangehensweise an das Medium Ausstellung ist durch seine künstlerische Praxis geprägt. Diese Entwicklung der Verschmelzung der Rolle des Künstlers und Kurators wird schon Anfang der 1990er in einer Ausstellungsreihe des Museum of Fine Arts in Boston aufgegriffen und praktiziert. Die Künstler, u. a. Louise Lawler oder auch Richard Artschwanger, sind eingeladen, ihre eigenen Werke in Verbindung mit der Sammlung des Museums kombiniert zu arrangieren und auszustellen. Die einzelnen Künstler beschreiten bei der Ausführung unterschiedliche Wege. Louise Lawler z. B. präsentiert Fotografien von Arbeiten, die wiederum eine Künstlerkollegin für ihre Gestaltung gewählt hat. Weiters zeigt sie Aufnahmen von Museumspublikationen und wandte sich zwei unbekannten Teilen der Sammlung zu. Durch diese eher unkonventionelle Auseinandersetzung wird die Beziehung Künstler – Institution in ein neues Licht gerückt und eröffnet neue Perspektiven nicht nur für den Rezipienten.31
28 Man denke in diesem Zusammenhang an den Hype, der um die Ernennung des künstlerischen Leiters der documenta losgetreten wird. Jedoch wird spätestens ab der documenta X (2001) von den Leitern dieser Tendenz gegengesteuert, indem sie ein Team, das ihnen zur Seite steht, engagieren. Zwar wird die Position durch die Aufstellung einer „Entourage“ gestärkt, aber die Aufgaben (und somit die Ergebnisse) werden dadurch gestreut und variiert. 29 Diese Tendenz wird durch den im 21. Jahrhundert aufkommenden Trend, in einem kuratorischen Team zu arbeiten, verstärkt. In diesem Zusammenhang denke man z. B. an die documenta 11, anlässlich derer der nigerianische Kurator Okwui Enwezor ein sechsköpfiges Kuratorenteam aufstellt. Diese Tradition wird durch „Berater/Experten“ bei der documenta 12 aufgegriffen und ebenso von Carolyn Christov-Bakargiev, der künstlerischen Leiterin der documenta 13, fortgesetzt. 30 Bätschmann, Oskar, 1997, S. 222 31 Vgl. Deep Storage – Arsenale der Erinnerung – Sammeln, Speichern, Archivieren in der Kunst. Prestel Verlag, München, New York, 1997, S. 209ff.
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Ende des 20. Jahrhunderts werden die Neuerungen und Veränderungen auch theoretisch aufgearbeitet und in Schriften über die Entwicklung der Ausstellung und die Veränderung von Kunstpräsentation veröffentlicht. Klüser stellt hingegen einen Rückgang der soeben beschriebenen Entwicklungen seit Mitte der 1990er fest. Er führt dies auf eine Selbstregulation des Kunstmarktes zurück. Ein Beispiel für die theoretische Aufarbeitung in Hinblick auf medientheoretische Aspekte stellt die Schrift „Exhibition Rhetorics – Material Speech and Utter Sense“ von Bruce W. Ferguson dar. Ferguson beschäftigt sich mit Kunstpräsentation und meint, dass Ausstellungen u. a. auch eine Repräsentation der jeweiligen Institution darstellen. In diesem Zusammenhang versteht er Ausstellungen als Medium der zeitgenössischen Kunst, da sie als Kommunikationsform für selbige dienen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Ferguson Museen als institutionalisierte Sender sieht, die über Identität und Geschichte sprechen.32 Nicht nur im Bereich der Kunstgeschichte und angrenzender Disziplinen reagiert man auf den Ausstellungsboom und das gehäufte Aufkommen von neuen Museen. Auch der Internationale Museumsrat (International Council of Museums) lässt diese Tendenz nicht unbemerkt an sich vorbeiziehen. ICOM erneuert seine Statuten laufend und stützt sich derzeit auf eine Definition des Museums, die aus dem Jahre 2006 stammt: „Ein Museum ist eine gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zum Zwecke des Studiums, der Bildung und des Erlebens materielle und immaterielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt.“
33
In dieser Definition aus dem Jahr 2006 wird die Zugänglichkeit der Sammlungen für ein großes Publikum betont, die Funktionen eines Museums werden benannt. In erster Linie soll das Museum mit seiner ausgestellten Sammlung die Öffentlichkeit bilden und unterhalten. Bei solchen Definitionen sollte man sich immer bewusst machen, dass niemals alle Aspekte berücksichtigt werden können und die Beschreibung auch nicht auf alle Institutionen gleichermaßen zutrifft. Bei Nichtberücksichtigung dieser Relativierung einer Definition kann die oben zitierte Erklärung des
32 Vgl. Ferguson, Bruce W.: Exhibition Rhetorics – Material Speech and Utter Sense, in: Greenberg, Reesa; Ferguson, Bruce W.; Nairne, Sandy (Hrsg.): Thinking about Exhibitions, Routledge, London, 1996, S. 175ff. 33 ICOM: [Online]. Verfügbar unter: http://www.icom-deutschland.de/schwerpunktemuseumsdefinition.php (Stand 1.7.2014)
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Museums problematisch sein. Wie ich schon an früherer Stelle festgehalten habe, bietet ICOM keine präzise Definition des Museumskatalogs, auch wenn man in manchen Texten Erwähnungen findet. All diese Punkte, die sich auf die Entwicklung der Kunstinstitutionen beziehen, haben in direkter oder indirekter Weise Einfluss auf den Ausstellungs- und Sammlungskatalog. 1.7.2.2 Rolle des Katalogs Die Veränderung des Ausstellungswesens und die damit einhergehende Entwicklung der Bilder einer Ausstellung beeinflussen in der Folge die ausstellungsbegleitende Publikation, den Katalog. V. a. in den 1960er-Jahren, auf die ich an späterer Stelle genauer eingehen werde, sind markante Neuerungen festzustellen: Der Katalog wird zu einem eigenständigen (künstlerischen) Medium, die klare Abgrenzung zu Künstlerbüchern wird aufgehoben. Interessant zu vermerken ist auch, dass der Katalog seine Rolle so erweitert, dass dieser als „Ausstellungsort“ außerhalb der physischen Ausstellung gesehen werden kann.34 In diese Aufweichung der Grenzen kann sich aber auch eine diffuse Belanglosigkeit einschleichen. Sie ist somit kritisch zu betrachten. Aber nicht nur als Erweiterung der Ausstellungsfläche, sondern auch als Werkzeug zur Einflussnahme auf den Markt wird der Katalog nun verstärkt eingesetzt.35 Durch seine an anderer Stelle schon erwähnte Möglichkeit, die Ausstellung und somit auch die Exponate in den Kanon der Kunstgeschichte einzureihen, kann dieser auch zur Wertsteigerung (oder aber auch Wertschmälerung) einzelner Werke beitragen. In den 1990er-Jahren löst sich der Katalog immer mehr von der Ausstellung und wird zum unabhängigen Genre, das weder Buch noch Magazin ist und den Vorteil hat, einerseits ein „beau livre“ und andererseits ein „livre d’analyse“ zu sein, und somit zwei Rollen bekleidet: Visueller und theoretischer Zugang zur Ausstellung und deren Exponaten wird dadurch ermöglicht. Das von den Katalogen geschaffene und verbreitete Bild einer Ausstellung hat einen derartigen Stellenwert und Einfluss, dass in Frankreich z. B. die Veröffentlichung wichtiger und offizieller Kataloge in der Hand von öffentlichen Institutionen (Rmn, Caisse Nationale des Mouments Historiques, Directions des Affaires Culturelles de la ville de Paris) liegt.36
34 Vgl. Mackert, Gabriele, 2004, S. 106 35 Vgl. ebd., S. 110 36 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 3ff. (Première Partie) Camille Morineau geht auf die Rolle des Katalogs in den 1990er-Jahren sowohl im Vorwort als auch in der Première Partie ein.
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Man darf aber auch die Rolle des Katalogs in der Wissenschaft der Kunstgeschichte nicht außer Acht lassen: Ohne die Quelle des Ausstellungs- und v. a. des Sammlungskatalogs wäre die Arbeit der Kunsthistoriker um vieles erschwert und die Recherche, die zu den ephemeren Präsentationen führt und in den Katalogen in einer weiterführenden Version präsentiert und konserviert wird, wäre verloren.37 1.7.2.3 Funktionen des Katalogs Der wertschaffende Aspekt des Katalogs erfährt eine weitere Dimension durch den Umfang der Publikation. Dieser repräsentiert den Stellenwert der Ausstellung, des Künstlers und der Exponate. Je umfassender der Katalog ausfällt, desto einflussreicher sind die soeben genannten drei Faktoren, könnte man sagen. Ob dies in allen Fällen zutrifft, möchte ich im Raum stehen lassen. Sicher ist allerdings, dass ein dickes, sorgfältig verarbeitetes Katalogbuch beim Massenpublikum auf mehr Aufmerksamkeit stößt als ein bescheidenes, dünnes Katalogheftchen. Auch die Texte im Katalog spielen eine wichtige Rolle. Sie stellen Referenzen her und schreiben somit die Ausstellung, den Künstler und das Werk in den kunsthistorischen Diskurs ein. Kataloge werden von Künstlern, Galeristen ... als Referenz angegeben und dienen als Legitimationsmittel. Oft bieten Galeristen jungen Künstlern anlässlich ihrer ersten Ausstellung die Möglichkeit, einen kleinen Katalog zu veröffentlichen, um ihnen somit den Einstieg in das Referenznetz zu erleichtern.38 Je mehr Paratexte rund um ein Werk entstehen, desto einflussreicher kann dieses werden und desto mehr Aufmerksamkeit kann es erlangen. Durch das verstärkte Aufkommen von bebilderten Katalogen Ende des 20. Jahrhunderts und die damit verbundene mnemotechnische Funktion des Katalogs erkennt man den Bezug zu seinen Vorläufern (man denke an die Pilgerführer). Kunstwerke oder besser gesagt deren bildliche Reproduktionen werden beinahe überall zu jeder Zeit zugänglich und tragen somit zur Bekanntmachung dieser bei.39 Durch die Reproduktion werden sie in Größe und Oberflächenbeschaffenheit einander angeglichen und somit bis zu einem gewissen Grad vergleichbar gemacht. Die Abbildungsweise ist unterschiedlichen Moden unterworfen: Einerseits gibt es die Möglichkeit der Präsentation der Objekte vor neutralem Hintergrund (vgl. den Katalog, der anlässlich der Ausstellung „Ein Platz für Tiere“, 2008, im Muse-
37 Vgl. Rosenberg, Pierre: Préface. Des Catalogues d’exposition, in: Delaigle, Francine; Rosenberg, Pierre; Schmitt, Catherine; Viatte, Germain: Les catalogues d’exposition: Guide de catalogage, Centre Georges Pompidou: Documentation du Musée national d’art moderne, Paris, 1991, S. 9 38 Vgl. Mackert, Gabriele, 2004, S. 102 39 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 53
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um für Angewandte Kunst Frankfurt erschienen ist). Hierbei werden die Exponate aus dem Ausstellungskontext entnommen und in einer Art White Cube für das Foto in Szene gesetzt.40 Andererseits gibt es die Möglichkeit, Exponate detailliert im umgebenden Ausstellungszusammenhang darzustellen oder aber auch gesamte Raumansichten – „installation views“ – in die Kataloge zu inkludieren (vgl. den Katalog, der anlässlich der Ausstellung „The Death of the Audience. Ver Sacrum“, 2011, erschienen ist). Durch Anordnung der einzelnen Bildgattungen, Layout und Textbezug entsteht ein neues – bleibendes – Bild der Ausstellung im Katalog, das nicht mit der realen Präsentation deckungsgleich ist. 1.7.2.4 Aufbau des Katalogs Wie durch die bisherigen historischen Beispiele dargelegt, lässt sich zwar meist ein roter Faden im Aufbau des Katalogs der jeweiligen Epoche erkennen, jedoch ist es unmöglich, ein verbindliches Muster festzumachen. Diese Tendenz verschärft sich im Laufe des 20. Jahrhunderts. Eine Gemeinsamkeit bei Ausstellungskatalogen – die viel weniger bei Sammlungskatalogen ausgeprägt ist – kann man jedoch feststellen: die Inkludierung von Bildern. Zuerst gibt es verstreut vereinzelte SchwarzWeiß-Abbildungen und eine Sammlung von farbigen Tafeln am Ende oder vereinzelte Farbreproduktionen inmitten einer Fülle von Schwarz-Weiß-Bildern, die auch durch unterschiedliche Papierwahl voneinander abgetrennt sind.41 (Vgl. dazu den Katalog „Groteskes Barock“, der anlässlich der Niederösterreichischen Landesausstellung im Jahr 1975 erscheint. Seine klare Gliederung in Textteil, Bildteil [mit farbigen und Schwarz-Weiß-Bildern] sowie Katalog [nach Räumen geordnet] stellt ein Beispiel hierfür dar. Ebenso diesem Aufbau folgend präsentiert sich der Katalog „Bulgarien. 7000 Jahre Kunst und Kultur in Sofia“, der begleitend zur gleichnamigen Ausstellung auf Schloss Schallaburg im Jahr 1979 publiziert wird. Auch hier macht sich der strenge Aufbau bemerkbar. Die Abbildungen werden auf glänzendem Papier gedruckt und heben sich dadurch vom restlichen Katalog ab. Interessant ist auch, dass beide Kataloge mit einem Anzeigenteil abschließen.) Die technischen Entwicklungen ermöglichen jedoch bald, farbige, großformatige Bilder zahlreich in Publikationen mit nicht allzu hohem Kostenaufwand zu integrieren.42 Auf der anderen Seite steigt die Nachfrage nach ebendiesen; die Menschen sind nun gewöhnt, mit farbigen Illustrationen, Fotos und Bildern im Alltag konfrontiert zu sein, und wünschen sich dies nun auch in den Kunstkatalogen. So entsteht ein großer Facet-
40 Vgl. ebd., S. 54 41 Vgl. Rosenberg, Pierre, 1991, S. 9 42 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 39
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tenreichtum an unterschiedlichen Katalogen, die sich in Format, Umfang, Aufbau ... unterscheiden, aber allesamt der Bildnachfrage nachkommen. Auch ist ein wachsender Umfang zu vermerken. Durch die immer dicker werdenden Kataloge und auch unhandlichen Formate (vgl. dazu den Katalog zur Ausstellung „Bilderstreit. Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960“ [Museum Ludwig in den Rheinhallen, 1989, ca. 540 Seiten] und „Les Magiciens de la Terre“ [Centre Pompidou und Parc de la Villette, 1989, Maße des Katalogs: 36 mal 29 cm und ca. 270 Seiten]) wird ihr direkter Gebrauch in der Ausstellung immer mehr in den Hintergrund gedrängt, das „catalogue-document“ tritt in den Vordergrund. Pierre Rosenberg hält Anfang der 1990er fest, dass nun vermehrt ein Katalogautor auftritt, der nicht mit dem Kurator der Präsentation gleichzusetzen ist.43 Der Katalog wird also als gedrucktes Bild der Ausstellung und die Bilder werden als Reproduktionen der Exponate von einer anderen Person arrangiert als bei der physischen Präsentation. Auch wenn meist der Bezug zur realen Ausstellung in gewisser Weise gegeben ist, wird allein durch den Wechsel der zuständigen Person die Ausstellung nicht 1 : 1 in den Aufbau des Katalogs übernommen. Ein Blick von außen fügt eine Sichtweise von einem anderen Standpunkt als zusätzliche Komponente dem Beziehungsgeflecht hinzu. Hier kann man auch die sich abzeichnende Emanzipation des Katalogs von der Präsentation erkennen. Der Katalog gewinnt an Gewicht, sodass er von einer eigens dazu beauftragten Person umgesetzt werden muss, und nicht mehr wie bisher „nebenbei“ vom Ausstellungsmacher/Kurator betreut wird. Durch die neuen technischen Möglichkeiten nicht nur in der Fotografie und im Druck, sondern auch bei der Bindung und Verarbeitung gewinnen das Cover und der Umschlag44 an Bedeutung. An dieser Stelle sei auf Gérard Genette und sein Buch „Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buchs“ hingewiesen. Neben diesen paratextlichen Elementen darf man nicht auf den Haupttext vergessen: Der namensgebende Haupttext des Katalogs ist die Liste (= le catalogue), die aber stets von anderen Texten, wie z. B. einem Vorwort oder einer Einleitung, begleitet wird. Camille Morineau hält eine dreiteilige Gliederung des Aufbaus fest: 1.) Liste (catalogue), 2.) Texte (Einleitung, weitere Listen, Beschrei-
43 Vgl. Rosenberg, Pierre ,1991, S. 9 44 Der auf Papier oder Karton gedruckte Umschlag bei Büchern geht lt. Gérard Genette auf das frühe 19. Jahrhundert zurück. Er nennt als eines der frühesten Beispiele den Umschlag von „Œuvres Complètes“ von Voltaire, die im Jahre 1829 bei Baudion erschienen sind [vgl. Genette, Gérard: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buchs, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 1. Auflage, 2001 (Originaltext aus dem Jahre 1987), S. 29].
1.7 D ER K ATALOG
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bungen, Bibliografien ...) und 3.) Reproduktionen. Das Verhältnis und die Gewichtung dieser drei Elemente verändern sich im Laufe der Zeit.45 Neben Text und Bild spielt auch das Layout eine entscheidende Rolle. Dieses wird u. a. von den technischen Möglichkeiten, aber auch von den vorherrschenden Trends der jeweiligen Zeit, von nationalen Unterschieden und institutionellen Anforderungen usw. geprägt. Diesbezüglich unterscheidet Walter Nikkles 13 Schemata von Katalogprinzipien, die die Vielfalt der Möglichkeiten im 20. Jahrhundert widerspiegeln: • • • • • • • • • • • • •
der Katalog als Liste ohne Abbildungen – Katalog „pur“ der Katalog als geordnete Liste mit Abbildungen – auflistende Form der Katalog mit einer „eingerahmten“ Abbildung auf der rechten Seite platziert, die linke Seite für Bildlegende oder Beschreibung der Katalog mit einer Reihe von auf „Augenhöhe“ platzierten Abbildungen der Katalog mit „gekanteten“ Abbildungen, macht eine gleichgewichtige Übertragung der originalen Bildmaße in die Architektur des Buchs möglich der Katalog als Atlas der Katalog mit dynamischer Platzierung der Abbildungen und Bildlegenden (50er-Jahre) der Katalog als architektonische Reihung (Kolumne) der Katalog organisiert auf Basis eines Rastersystems der Katalog als Fokussierung der Katalog als räumlich-visuelle Dokumentation (90er-Jahre) der Katalog als „Bildschirm“ (90er-Jahre) der Katalog als Collage46
Man kann hier sehr gut die unterschiedliche Gewichtung von Text und Bild erkennen. Ebenso wird durch das Layout der Bezug zur realen Präsentation hervorgehoben, erweitert oder negiert. Daher beeinflusst nicht nur der Inhalt, sondern auch das Layout den Stellenwert des Sammlungs- bzw. Ausstellungskatalogs. Erstmals zusammenfassend für die sehr differenzierten Entwicklungen des Katalogs im 20. Jahrhundert kann man festhalten, dass seine Rolle im Laufe der Jahrzehnte immer wichtiger wird. Als Indikator dafür sind z. B. die in der Zeitschrift „Les Arts Plastiques“ im Jahr 1947 eingeführte Rubrik „Bibliographie internationale de catalogue d’expositions“, die eine Auflistung der aktuellen internationalen Kataloge bietet, oder die von „Quadrum“ im Jahr 1965 veröffentlichte Auswahl von illus-
45 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 45f. (Première Partie) 46 Diese Auflistung stammt aus: Nikkels, Walter, 1998, S. 51
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trierten Katalogen zu sehen. Seit dem Jahr 1981 wird in regelmäßigen Abständen der „The worldwide Art catalogue Bulletin“ von The Worldwide Books veröffentlicht.47 Man kann hier das Bestreben nach einer Überblick verschaffenden Instanz erkennen, um sich in der Fülle der erscheinenden Kataloge zurechtzufinden. Darüber hinaus werden Konferenzen, die sich mit dem Thema Ausstellungsbzw. Sammlungskatalog auseinandersetzen, organisiert (vgl. The first international conference on automatic processing of art history data and documents, die im Jahr 1978 in Pisa abgehalten wird48). Neben Magazinen und Konferenzen wird auch der Prix Minda de Gunzburg49 ins Leben gerufen, der Kataloge zu Ausstellungen der westlichen Kunst, des Mittelalters, des 20. Jahrhunderts (Ausnahme stellen Kataloge dar, die zu Arbeiten von noch lebenden Künstlern erscheinen) prämiert und durch einen Geldpreis auszeichnet.50 1.7.2.5 Verhältnis zwischen Ausstellung und Katalog Neben der Rolle bzw. der Funktion des Katalogs ist auch sein Verhältnis zur Ausstellung an sich fortwährenden Veränderungen unterworfen. Gabriele Mackert hält in ihrem Text „Katalog statt Ausstellung“ fest: „[...] Denn dieses ,Statt‘ spricht ja von einer Ersetzung der Ausstellung als Präsentationsform von Kunst durch das vergleichsweise sekundäre Medium des Katalogs. Das ,Statt‘ weist also auf das Paradox eines Buches als Katalog ohne den Paratext Ausstellung hin, der diese [...] als solche strenggenommen in erster Linie definiert. Aus der Perspektive wird allerdings eines sofort klar: Es muss sich um Publikationen handeln, die sich zweier Systeme bedienen und sich gleichzeitig davon emanzipieren. Also ein Hybrid, das formal nicht nur einer Art der Veröffentlichung nutzt, die aus traditioneller Sicht nur sekundär die Medien der Bildenden Kunst [...] nutzt, nämlich dem Buch, sondern darüber hinaus kontextuell das Vertriebssystem Buchmarkt durch das Betriebssystem Kunst ersetzt [...].“51
47 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 10 (Avant propos) 48 Vgl. Ohlgren, Thomas H.: The first international conference on automatic processing of art history data and documents: A report, in: Computers and the Humanities, Volume 14, Number 2, 1980, S. 113–114 49 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 10 (Avant propos) 50 Vgl. Prix Minda de Gunzburg: [Online]. Verfügbar unter: http://www.parisparis.com/ artparis/down/pratique/bourse6.htm#aide79 (Stand 1.7.2014) 51 Mackert, Gabriele, 2004, S. 107
1.7 D ER K ATALOG
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Ende des 20. Jahrhunderts löst sich der Katalog im Diskurs nicht nur von der Ausstellung, sondern ersetzt diese sogar bis zu einem gewissen Grad. Die Emanzipation von bisherigen Normen lässt sich auch im Kunstbegriff wiederfinden. Tobias Wall meint zu den Entwicklungen, dass die größtmögliche Erweiterung des Kunstbegriffs mit Joseph Beuys erreicht wird.52 Diese grenzüberschreitenden Tendenzen erfassen wie gesagt auch das Ausstellungs- und Museumswesen und somit auch das Genre des Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalogs. Diese werden autonomer und teilweise sogar als eigenständiges „Kunstobjekt“ gestaltet (vgl. dazu den Sammlungskatalog „Kunst der 60er Jahre Sammlung Ludwig Köln“, 1969, WallrafRichartz-Museum Köln). Auch wenn das Genre des Sammlungs- bzw. Ausstellungskatalogs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer vielfältiger wird und schwieriger einzukreisen ist, kann man neben der Abgrenzung des Genres einen scheinbar inhaltlichen Bezug zum ephemeren Ereignis erkennen: Der Katalog versucht mithilfe von Texten und fotografischem Bildmaterial (Ausstellungsansichten, Reproduktionen der Werke, Detailansichten ...), dem Leser einen Eindruck der Ausstellung an sich und (weniger) der Werke zu vermitteln. Jedoch sieht Dagmar Bosse darin nur einen Vorwand für die Umsetzung eines Katalogs, der dem Organisator zu Ruhm verhelfen und dem Besucher Interesse beweisen soll.53 Ich denke, dass hier auch die Aneignung eine wichtige Rolle spielt. Auch wenn Reisen immer billiger und daher Ausstellungen in unterschiedlichen Ländern vielen Menschen zugänglich werden, ist es dennoch nicht möglich, alle zeitlich begrenzten Präsentationen zu sehen. Der Katalogvertrieb ist aber meist international organisiert, sodass man auch im Ausland Zugang zu ebendiesem hat. So kann man zumindest einen Eindruck davon erlangen und eignet sich die Ausstellung und die gezeigten Werke über das Medium Katalog an. Interessant ist, dass hier die Loslösung und die Festigung der Beziehung zwischen Katalog und Präsentation zusammenspielen. Ohne Ausstellung kein Katalog, aber ohne Katalog kein objekthafter Beweis der physischen Umsetzung der Ausstellung oder des Besuchs. Der Katalog ermöglicht sogar eine Ausweitung der Besucherscharen auf Personen, die nicht vor Ort waren, aber sich durch die Lektüre des Katalogs scheinbar die Ausstellung aneignen (vgl. Heiltumsbücher).54 So tritt
52 Vgl. Wall, Tobias: Das unmögliche Museum. Zum Verhältnis von Kunst und Kunstmuseen der Gegenwart, Transcript, Bielefeld, 2006, S. 131 53 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 39f. 54 Malraux geht noch einen Schritt zurück, indem er schreibt: „La possession privée des statues et des tableux, leur dépendence de l’ameublement, nous ont fait oublier ou ignorer que la plupart des civilisations ont crée l’œuvre d’art pour un lieu priviligié.“ [Malraux, André, 1996, S. 210] Nicht nur der Katalog schafft einen Bruch zum Original, sondern
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der gedruckte Katalog an die Stelle der realen Präsentation und reicht sogar über sie hinaus. Man denke z. B. daran, dass manche Kataloge aus früheren Jahrzehnten heute vergriffen sind und daher zum begehrten Sammlerstück werden. Den Katalog kann man – mitsamt seinen Reproduktionen – besitzen und somit seine persönliche imaginäre Sammlung aufbauen (vgl. Malraux). Damit verbunden wird die Rezeption der Werke, die bei einer Ausstellung an den öffentlichen Raum gebunden ist, von ebendiesem gelöst und in einen privaten überführt.
1.7.3 D ER K ATALOG IN
DEN
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BIS
1999
Im Nachfolgenden möchte ich einen skizzenhaften Überblick über die Entwicklungen des Ausstellungs- und Sammlungskatalogs im Laufe des 20. Jahrhunderts geben. Dieser entbehrt jeglicher Vollständigkeit, soll aber anhand von ausgewählten Beispielen einen Einblick in die unterschiedlichen Ausformungen und Entwicklungsstränge geben. Die analysierten Kataloge stammen in erster Linie aus Österreich bzw. dem deutschsprachigen Raum. Somit erarbeite ich eine deutschsprachige Parallele zu Camille Morineaus Dissertation, die die Kataloge des Centre Pompidou analysiert. Meine Auswahl umfasst sowohl Sammlungs- als auch Ausstellungskataloge, jedoch keine Galerie- oder Auktionskataloge. Des Weiteren konzentriere ich mich auf Gruppen- und nicht auf Einzelausstellungen, um den individuellen Einfluss des einzelnen Künstlers auf die Kataloggestaltung, die den Katalog in die Nachbarschaft des Künstlerbuchs stellen kann, auszuklammern und mich auf die Entwicklungen aus institutioneller Sicht zu konzentrieren. 1900–1919 In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts werden die bestehenden Formen des Museums kritisch hinterfragt und es wird nach neuen Wegen gesucht. Der italienische Schriftsteller, Politiker und Gründer des Futurismus Filippo Tomaso Marinetti (1876–1944) bezeichnet das Museum in seinem futuristischen Manifest „Le Futurisme“ (1909) als Friedhof. Auch die In-Beziehung-Setzung des Museums mit dem Mausoleum von Theodor W. Adorno (1903–1969) schlägt in dieselbe Kerbe und bezeichnet das Museum als einen von der Wirklichkeit abgeschotteten, abgestorbenen Ort.55
auch die Originale werden durch die Präsentation in einem anderen Kontext aus ihrer ursprünglichen Struktur gerissen. 55 Vgl. Blazwick, Iwona: Temple / White Cube / Laboratory, in: Marincola, Paula (Hrsg.): What makes a great exhibition?, University of the Arts, Philadelphia Exhibitions Initiative, 2006, S. 130
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In den Kunstmuseen und v. a. in den Galerien wird um 1900 das elektrische Licht eingeführt, sodass von den natürlichen Lichtverhältnissen unabhängige Öffnungszeiten möglich werden.56 Dies hat natürlich Auswirkungen auf das Ausstellungswesen, die Rezeption und in der Folge auch auf die Kataloge. Im Museums- und Ausstellungsbereich wird der Gedanke der schlichten, neutralen Raumgestaltung aufgegriffen. Anfang der 20er-Jahre wird die Tendenz dann noch deutlicher spürbar, Architektur für Museen zu bauen, die sehr wandlungsfähig ist und (fast) keinen eigenen Charakter besitzt. So will man den Künstlern bzw. den Kunstwerken die Möglichkeit einer angemessenen Ausstellungsfläche bieten.57 Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine Vielzahl an Katalogen. Neben Künstlerkatalogen wie z. B. dem „Katalog zur Ausstellung der K. G. ,Brücke‘ in der Galerie Arnold“ in Dresden aus dem Jahre 191058, in dem die Künstler der Brücke ihre Vorstellungen eines idealen Katalogs umsetzen (z. B. originale Holzschnitte in jedem Exemplar anstelle von fotografischen Reproduktionen), erfahren auch Ausstellungskataloge eine Weiterentwicklung. An dieser Stelle möchte ich einerseits den „Künstlerhaus Katalog der XXXVI. Jahresausstellung“ aus dem Jahr 1910 und andererseits den Katalog, der anlässlich der XXXX. Ausstellung der Vereinigung bildender KünstlerInnen Österreichs Secession im Jahr 1912 erschienen ist, näher betrachten. Der Katalog des Künstlerhauses59 wirkt auf den ersten Blick wie ein kleines Büchlein.60 Durch sein handliches Format von 12 mal 18 Zentimetern bietet er sich zum Gebrauch in der Ausstellung an und reiht sich somit in den „catalogue-en-acte“
56 Vgl. Klonk, Charlotte: Spaces of experience: art gallery interiors from 1800–2000, Yale University Press, 2009, S. 6 57 Vgl. Hegewisch, Katharina, 1991, S. 12 58 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 36ff. 59 Das Künstlerhaus wurde im Jahr 1861 durch den Zusammenschluss zweier Künstlervereine gegründet und gehört auch heute noch der gleichnamigen, gemeinnützigen Künstlervereinigung, von der es auch betrieben wird. Derzeit umfasst der Verein über 500 Mitglieder [vgl. künstlerhaus: Das Künstlerhaus – von und für Künstlerinnen und Künstler: [Online]. Verfügbar unter: http://www.k-haus.at/verein/index.html (Stand 1.7.2014)]. 60 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Künstlerhaus. Katalog der XXXVI. Jahresausstellung, Verlag der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, Wien, 1910 Aufbau: 1.) Informationen in Listenform zum verliehenen Kaiserpreis, 1a.) Liste der verliehenen Medaillen, 1b.) Informationen zu weiteren Ehrenpreisen, 1c.) Bestimmungen, 2.) „Katalog“: nach Sälen geordnet, 2a.) „Preisverzeichnis“, 2b.) „Alphabetisches Namensverzeichnis“, 3.) „Abbildungen“
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ein. Aber er soll nicht nur durch die Ausstellung führen und Auskunft über die verliehenen Preise geben, sondern, wie es in den „Bestimmungen“ deutlich wird, auch zum Kauf der gezeigten Arbeiten anregen. Außerdem beinhaltet er zwischen der Werkliste und den Abbildungen ein „Preisverzeichnis“, das die zum Verkauf stehenden Arbeiten mit ihrem Preis ausweist. Der Katalog nimmt die Reihenfolge der Säle der Präsentation auf und gibt diese im Abschnitt „Katalog“ wieder. Nach Sälen geordnet werden die einzelnen Werke mit Name des Künstlers, Wohnort des Künstlers, Titel sowie Material- bzw. Technikangabe präsentiert. Alle Werke sind durchgehend nummeriert, sodass die Zuweisung zu den Preisangaben leicht gemacht wird. So wird die reale Hängung im Katalog textlich aufgenommen und in gewisser Weise reproduziert. Diese Parallele zwischen Katalog und Ausstellung erleichtert die Identifizierung der Exponate. Danach folgt das „Alphabetische Namensverzeichnis“ der Künstler mit der Nummerierungsangabe der ausgestellten Werke. Der vom Katalogteil abgetrennte Abschnitt der „Abbildungen“ setzt sich u. a. durch den Papierwechsel vom restlichen Katalog ab. Die Schwarz-Weiß-Abbildungen sind in Format und Platzierung auf der Seite einander angeglichen (vgl. „Musée Imaginaire“ von Malraux) und mit Namensangabe des Künstlers, Titel (oder Kurztitel) und ggf. Jahresangabe versehen. Auffällig ist hier, dass die sonst sehr kohärent durchgezogene Nummerierung, die die Zuordnung erleichtert, nicht weitergeführt wird. Das legt die Überlegung nahe, dass der Katalog wirklich für den Gebrauch in der Ausstellung gedacht ist: Hier sind die weiterführenden Informationen zu den Werken wichtiger als die bildliche Reproduktion, da sich der Besucher ohnehin vor dem Original befindet. Zu bemerken ist auch die Abwesenheit von Werbeeinschaltungen. Zusammenfassend kann man sagen, dass es sich hierbei um einen Katalog handelt, der prinzipiell für den Gebrauch in der Ausstellung konzipiert wurde und den Verkaufscharakter ebendieser hervorhebt. Das zweite Beispiel weist Parallelen zum soeben besprochenen Katalog auf, aber unterscheidet sich auch in einigen wesentlichen Punkten:61 Der Katalog, der anläss-
61 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Vereinigung bildender KünstlerInnen Österreichs Secession (Hrsg.): Ausstellung der Vereinigung bildender KünstlerInnen Österreichs, Secession Wien, Wien, 1912 Aufbau: 1.) „Arbeitsausschuss“, 2.) „Mitglieder-Verzeichnis“ (ordentliche und korrespondierende Mitglieder), 3.) Angaben zu Jahreskarten, 4.) Angaben zu den beim Aufbau beteiligten Firmen, 5.) „Verkaufsbedingungen“, 6.) Plan der Secession, 7.) „Inhaltsverzeichnis“, 8.) Vorwort, 9.) Auflistung der Arbeiten nach Sälen und Wänden geordnet in-
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lich der 40. Ausstellung in der Wiener Secession62 herausgegeben wird, weist ebenso ein handliches Format auf (18,5 mal 20 cm), jedoch ist er beinahe quadratisch und das Cover ist in einem sehr auffälligen Orange mit Schwarz-Weiß-Schrift gestaltet. Durch das Format lässt sich der Katalog sehr leicht beim Besuch der Ausstellung benutzen. Auch der Secession-Katalog dient dem Verkauf der Exponate und weist eine Preisliste sowie Angaben zum Verkauf auf. Auch sind die Illustrationen abgetrennt vom Katalog am Ende vor den Inseraten platziert. Jedoch wird kein Papierwechsel vorgenommen, sodass die Publikation als Einheit wahrgenommen wird. Dieser Eindruck wird auch durch das durchgehende Layout bestärkt und setzt somit den Katalog deutlich von dem des Künstlerhauses ab. Auch wenn der Bezug zur Ausstellung beispielsweise durch den Plan der Ausstellungsfläche und die Aufnahme der Säle und Wände in der Werkauflistung sehr deutlich wird, erreicht dieser Katalog ein gewisses Selbstverständnis und Autonomie u. a. durch das Layout. Bemerkenswert ist auch, dass hier eine Vielzahl an Paratexten (vgl. Genette) wie z. B. Einleitung, Text von Leopold Bauer oder Inserate dem Katalog eine neue Dimension verleiht, die ihn vom Künstlerhaus-Katalog absetzt. Diese beiden Beispiele zeigen zwei unterschiedliche Umsetzungen des Katalogs im deutschsprachigen Raum in den 1910er-Jahren. Sie greifen schon bestehende Aspekte (wie z. B. die Reihung nach Sälen, alphabetische Ordnung der Künstlerliste ...) früherer Kataloge auf und weisen auch auf kommende Modelle: Manche Elemente sind heute noch in Katalogen zu finden (z. B. Inserate, Künstlerlisten, Vorwort), andere sind verschwunden (Angabe der Verkaufsbedingungen direkt im Katalog eines Künstlervereins, vgl. die Kataloge der Secession heute). Die 1920er Im Gegensatz zu der bisher vorherrschenden Vorstellung des Museums als toter Ort63 vertreten die Avantgarde-Künstler der 1920er-Jahre die Position, dass das
klusive Text „Einige Bemerkungen zur Ausstellung meiner Arbeiten. Leopold Bauer“, 10.) „Illustrationen“, 11.) Inserate 62 Die Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession wurde im Jahr 1897 gegründet. Heute ist die Secession das älteste ausdrücklich der zeitgenössischen Kunst gewidmete unabhängige Ausstellungshaus und wird weiterhin von der Vereinigung bespielt [vgl. Secession: Vereinigung bildender KünstlerInnen Secession: [Online]. Verfügbar unter: http://www.secession.at/kuenstlerinnenvereinigung/index.html (Stand 1.7.2014)]. 63 Die Betrachtung des Museums als toter Ort, als Friedhof der Kunstwerke bzw. Katakomben geht schon ins 19. Jahrhundert zurück. Siehe dazu den französischen Kunsthistoriker Etienne-Joseph-Théophile Thoré (1807–1869) [vgl. Haskell, Francis, 2000, S. 6].
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Museum ein öffentlicher Platz sein soll, abgegrenzt vom privaten Raum.64 An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ein Katalog meist entweder für den Gebrauch im öffentlichen Raum („catalogue-en-acte“) und/oder für die Nutzung im Privatleben („catalogue-document“) konzipiert ist und sich somit mit dem Museum als öffentlichem Raum in unterschiedlicher Weise in Beziehung setzt. Ein wichtiger Aspekt, der hier nur Erwähnung finden sollte, um den Bezug zum nicht-deutschsprachigen Raum nicht außer Acht zu lassen, ist, dass das Museum of Modern Art im Jahre 1929 in New York seine Tore öffnet.65 Im engen Zusammenhang mit den Entwicklungen im Museums- und Ausstellungswesen sowie mit den Entwicklungen in der Kunst und der Ausbildung der Künstler steht die Konzeption der Kataloge der 1920er-Jahre. Camille Morineau stellt einen Wechsel bei der Führungsposition der Katalogproduktion fest: War es bis zu den 1920er-Jahren Frankreich, so gesteht sie nun Deutschland und dem Bauhaus und deren Einfluss diese Position zu.66 Das erste Beispiel ist der „Beschreibende Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina“67, der im Jahr 1926 vom damaligen Direktor der Albertina Alfred Stix herausgegeben wird. Der erste Band umfasst 487 Schwarz-Weiß-Abbildungen sämtlicher Handzeichnungen der Venezianischen Schule, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Sammlung der Albertina befinden. Dieser erste Band eröffnet eine Reihe von zwölf Ausgaben, die die Originalzeichnungen der Sammlung vollständig sowohl in Text als auch in Bild umfassen sollen. Im Vorwort legt Stix dieses Vorhaben dar und weist auf eine französische und englische Übersetzung hin, die in einem Extraheft – ohne Abbildungen – dem Katalog beigelegt ist. Somit gibt dieser Paratext dem Leser den Rahmen vor, ohne die Informationen, die in der „Einleitung“ folgen, vorwegzugreifen.
64 Vgl. Klonk, Charlotte, 2009, S. 10f. 65 Vgl. Freeman, Phyllis (Hrsg.): Defining Modern Art. Selected Writings of Alfred H. Barr, Jr., Times Mirror Books, New York, 1986, S. 69 66 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 12 (Avant propos) 67 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Stix, Alfred (Hrsg.): Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina, Band 1, Verlag von Anton Schroll & CO, Wien, 1926 Aufbau: 1.) Vorwort von Alfred Stix, 2.) „Einleitung“, 3.) „Bemerkungen“, 4.) Bildtafeln mit Kurzbeschreibung (nach Schulen und Jahrhunderten aufgeteilt): Titel, Kurzbeschreibung, Maßangabe, Technik, Provenienzangaben oder andere Informationen, Inventarnummer, 5.) „Nachtrag“, 6.) „Künstlerverzeichnis“ (alphabetisch geordnet)
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Abb. 14: „Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina“, 1926
Abb. 15: „Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina“, 1926
In der Einleitung wird sofort zu Beginn die angestrebte Funktion des Katalogs und einer öffentlichen Sammlung klargestellt: „Es ist eine Hauptaufgabe der öffentlichen Sammlungen, ihr gesamtes Material, exakt katalogisiert und reproduziert, der Allgemeinheit und der wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen.“68 Wie schon an früherer Stelle erwähnt, weist André Chastel auf die Notwendigkeit hin, dass die an der Redaktion des jeweiligen Katalogs arbeitenden Personen die infrage kommenden Werke unvoreingenommen betrachten müssen und schon
68 Stix, Alfred, 1926, S. VII
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vorhandene Informationen nicht ungeprüft übernehmen, sondern diese selbst verifizieren sollen.69 Darauf wird in der Einleitung hingewiesen. Aus diesen Ausführungen sowie aufgrund der Maße von 23 mal 30,5 Zentimetern reiht sich dieser Katalog in die Serie der „catalogue-documents“ ein. Er ist für die Lektüre außerhalb der Sammlungspräsentation als Recherchetool konzipiert und soll nicht durch eine reale Präsentation führen. Im Gegenteil, die zwölf Bände sollen die gesamte Sammlung – unabhängig von Leihgaben, partiellen Präsentationen oder Lagerung im Depot – in diesen Katalogen vereinen und in gewisser Weise abbilden und zugänglich machen. Diese Loslösung von einer Präsentation wird auch durch die Abwesenheit eines Plans des Gebäudes oder der Ausstellungsflächen unterstrichen. Die SchwarzWeiß-Abbildungen sind ausnahmslos Reproduktionen von originalen Handzeichnungen. Interessant zu bemerken ist, dass hier nicht, wie z. B. bei den zuvor besprochenen Katalogen, die Bildtafeln getrennt von den Beschreibungen anzufinden sind, sondern dass auf einer Seite sowohl Bild als auch Text anzutreffen ist. Auch ist kein Papierwechsel festzustellen. Die Beschreibungen der Werke wurden nicht von Stix allein verfasst, sondern von einem Team. So kann man zwar den Abschnitt der Bild- und Texttafeln (= Liste/Katalog) als Haupttext identifizieren, aber es ist nicht ein einziger Autor festzumachen, was auch schon in früheren Beispielen zu bemerken ist. Bei der Albertina handelt es sich um eine Sammlung, die zumindest teilweise in einer Schausammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Auch der Katalog verfolgt diese Ausrichtung und möchte den Lesern die Werke in Form von Reproduktionen zur Verfügung stellen. So entsteht die Möglichkeit, sich die gesamte Sammlung der Handzeichnungen der Albertina in Form von Reproduktionen durch den Erwerb der Kataloge anzueignen. Diese werden somit vom öffentlichen in den privaten Raum überführt, was u. a. auch die Rezeption verändert. Durch das Blättern im Buch, das Betrachten der in Format und Oberflächenstruktur angeglichenen Schwarz-Weiß-Reproduktionen werden die Kataloge handlich und leicht rezipierbar und unterstreichen die Funktion des „catalogue-document“. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass ein Dokument etwas dokumentiert, was abwesend oder vergangen ist. Hingegen ist der „catalogue-en-acte“ der Aktion, dem Handeln verschrieben und erfordert mehr Einsatz des Betrachters. Zusammenfassend kann man festhalten, dass dieser Katalog den Zugang zu Werken einer öffentlichen Sammlung, die aber nicht (immer) im vollständigen Ausmaß zugänglich sind, durch Reproduktionen ermöglicht und für den Gebrauch im privaten Umfeld gedacht ist. Die reproduzierten Werke werden von der Verortung im Raum und der Sammlung losgelöst, ohne jedoch vom Sammlungskontext abstrahiert zu werden.
69 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 63
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Die Adressierung an ein internationales Publikum wird durch die Beigabe des englischen und französischen Text- und Katalogteils unterstrichen und weist bereits auf die Mehrsprachigkeit heutiger Kataloge hin. Als zweites Beispiel möchte ich den Katalog der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien aus dem Jahre 1928 analysieren.70 Interessant hierbei ist, dass der Haupttitel diese Publikation als „Katalog“ bezeichnet und der Untertitel ebendiese als „Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien“ benennt. Daraus kann geschlossen werden, dass dieser Katalog für die Orientierung und als Information in der Sammlungspräsentation gedacht ist. Diese Annahme wird auch durch das handliche Format von 13,5 mal 18 Zentimetern unterstützt. Die Zuordnung zum „catalogue-en-acte“ wird des Weiteren durch die „Besucherordnung“, also die organisatorischen Rahmenbedingungen des Besuchs, sowie durch das Vorwort bekräftigt: „Das folgende kurzgefaßte Verzeichnis der Gemäldegalerie enthält nur die gegenwärtigen ausgestellten Gemälde der Galerie, deren Zahl heute etwas über tausend beträgt, während der Führer von 1907 noch mehr als tausendsiebenhundert verzeichnete.“71
70 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Verein der Museumsfreunde (Hrsg.): Katalog der Gemäldegalerie. Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien – Herausgegeben vom Verein der Museumsfreunde, Nr. 8, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1928 Aufbau: 1.) „Besuchsordnung“, 2.) Diese Seite wurde bei dem mir vorliegenden Exemplar herausgeschnitten, 3.) „Vorwort“ von Dr. Gustav Glück, 4.) „Abriss der Geschichte der Sammlung“, 5.) „Verzeichnis der wichtigsten Inventare und Kataloge in zeitlicher Reihenfolge“, 6.) „Widmungen und Vermächtnisse“, 7.) Werkverzeichnis alphabetisch nach Namen der Künstler geordnet (kurze biografische Angaben, Werkangaben: Galerienummer, Titel, Kurzbeschreibung des Motivs, Material, Maße, Angaben zur Provenienz, ggf. Zusatzinformation), 8.) „Nachtrag“ (Angabe von zwei Werken von Carlo Saranceni), 9.) „Künstlerregister nach Schulen geordnet. Innerhalb der Schulen in zeitlicher Reihenfolge“, 10.) „Register der Bildnisse“ (alphabetisch geordnet), 11.) „Gemälderegister nach Nummern“: Angabe der Galerienummer, die einen Querverweis zum Werkverzeichnis ermöglicht; Name des Künstlers in diesem Katalog; Name des Künstlers im Führer von 1907; Standort 71 Verein der Museumsfreunde (Hrsg.): Katalog der Gemäldegalerie. Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien – Herausgegeben vom Verein der Museumsfreunde, Nr. 8, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1928, S. V
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Der Fakt, dass in diesem Katalog ausschließlich die ausgestellten Werke Beachtung finden, deutet auch auf das Verhältnis zwischen Katalog und realer Präsentation hin. Zwar wird kein Parcours durch die Sammlung vorgeschlagen, aber durch die verschiedenen Register wird die Suche nach Zusatzinformationen zu den einzelnen Werken erleichtert. Festzuhalten ist auch, dass dieser Katalog – im Vergleich zum vorherigen Beispiel – keine Abbildungen enthält, was wiederum ein Hinweis auf den „catalogueen-acte“ ist. Da sich der Leser/Besucher vor dem Original befindet und mithilfe von Galerienummer, Standort, Künstlername und Werktitel die Zusatzinformationen eindeutig zuordnen kann, wird keine Reproduktion benötigt. Abb. 16: „Katalog der Gemäldegalerie. Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien“, 1928
Der Bezug zur Sammlung wird auch durch den relativ ausführlichen „Abriss der Geschichte der Sammlung“ vertieft, in dem auch auf andere Kataloge verwiesen wird. Dieser Katalog ist für den Gebrauch in der Öffentlichkeit, direkt in der Sammlung, gedacht. Er lässt sich leicht im Stehen lesen, die kurzen Werkangaben erfordern keine ruhige Leseposition. Die klaren Angaben über die Ordnungsprinzipien erleichtern das Auffinden von Informationen zu den betrachteten Werken, die eben nicht durch Abbildungen in diesem Katalog repräsentiert sind, und lassen selbst Querverweise zur älteren Ausgabe des Katalogs zu. Im Vergleich zum ersten Beispiel nehmen die Paratexte wie z. B. „Vorwort“ oder „Abriss der Geschichte der Sammlung“ eine untergeordnete Rolle ein. Der Haupttext – das Werkverzeichnis inklusive Nachtrag und das Künstler- und Gemälderegister – hingegen nimmt auch vom Umfang eine zentrale Stellung ein. Abschließend möchte ich noch auf einen besonderen Punkt dieses Katalogs zu sprechen kommen: das „Verzeichnis der wichtigsten Inventare und Kataloge“. Hier werden Vorläufer des heutigen Katalogs chronologisch kurz beschrieben (u. a. die Ambraser Inventare, „Theatrum Pictorium“, „Prodromus“). Diese Angabe der Vorgänger der Publikationsgattung in dem Katalog kann einerseits als Erweiterung der
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Werkangaben gesehen werden, andererseits aber als Parallele zum Text über die Geschichte der Sammlung als „Geschichte des Katalogs“. Sie deutet so auf die Auseinandersetzung mit dem Medium Katalog hin. Die 1930er Die sich bereits ankündigende Abschaffung von Dekorelementen aus dem Museums- bzw. Ausstellungsraum macht sich schon seit Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts bemerkbar. Die bisher weitverbreitete Präsentationsform in Period Rooms weicht nun den ersten Versuchen eines White Cube (der aber z. B. von den Surrealisten wiederum kritisch hinterfragt wird). Vor diesem Hintergrund werden in den 1920er-Jahren Museen moderner Kunst (vgl. MoMA in New York) gegründet.72 Thomas McEvilley schreibt dazu bezeichnend: „The basic principle behind these laws, he [Brian O’Doherty, Anm. der Autorin] notes, is that ,The outside world must not come in, so windows are usually sealed off. Walls are painted white. The ceiling becomes the source of light ... The art is free, as the saying used to go, ,to take on its own life‘.“73
Wie schon an früherer Stelle erwähnt, soll der Betrachter bei der Präsentation im White Cube „ganz Auge“ werden, wie es Karlheinz Lüdeking formuliert, und seine physische Präsenz völlig vergessen. Dies hat einen nicht zu übersehenden Einfluss auf die Gestaltung der Kataloge und die Abbildungen in ebendiesen. Noch ein kurzes Wort zum Museums- und Ausstellungswesen: André Chastel hält eine bemerkenswerte Trendänderung seit den 1930er-Jahren fest: Das Ausstellungswesen erfährt seit den 1930er-Jahren und insbesondere seit 1945 einen großen Aufschwung und überholt die Sammlungspräsentationen im musealen Bereich, was die Quantität betrifft. Eng damit verbunden sieht Chastel auch das Aufkommen einer gewissen Anzahl differenzierter Formen von Ausstellungskatalogen, die dank ihrer umfassenden Informationen in der Folge bei der Verfassung der „catalogues raisonnés“ eine wertvolle Basis bilden. Generell überholen in dieser Zeit die Ausstellungskataloge in der Menge die erscheinenden Sammlungskataloge. Aber das bisher ansteigende Aufkommen von Publikationen anlässlich von Ausstellungen und Sammlungen verlangsamt sich trotz der vermehrten Präsentationen in der Zeit von 1911 bis 1966, wie Chastel bemerkt. Diese Verlangsamung gilt nicht nur für Frankreich. Chastel erklärt dieses Phänomen durch zwei voneinander unabhängige
72 Vgl. Glicenstein, Jérôme: L’Art: Une Histoire d’Exposition, Presses Universitaires de France, Paris, 2009, S. 30 73 McEvilley, Thomas: Introduction, in: O’Doherty, Brian: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space, The Lapos Press, San Francisco, 1990, S. 7f.
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Gründe: einerseits durch das Aufkommen der Fotografie, die ausschweifende Erklärungen nun anscheinend überflüssig macht, und andererseits durch den Wunsch der Ausstellungsorganisatoren, eine möglichst große Anzahl an Besuchern zur realen, temporären Präsentation zu locken.74 Es muss ebenso bedacht werden, dass der Abfall der Anzahl der Veröffentlichungen auch in Zusammenhang mit der politischen Situation in Europa steht. Die schwierige finanzielle und wirtschaftliche Lage in der Zwischenkriegszeit erschwert die Umsetzung kostenaufwendiger Kataloge. Ausstellungen werden – im Vergleich zu Sammlungspräsentationen – meist von zusätzlichen Mäzenen finanziell unterstützt (man denke hier z. B. an die Inserate in den Katalogen) und können vielleicht aus diesem Grund die Museumskataloge hinsichtlich der Quantität überholen. Vor diesem Hintergrund – der sinkenden Anzahl der erscheinenden Publikationen, aber dem proportional steigenden Aufkommen von Ausstellungskatalogen – möchte ich nun die folgenden zwei Beispiele betrachten. Dabei spielt die politische Situation in den 1930er-Jahren in Deutschland und Österreich eine wesentliche Rolle.75 Eine besondere Stellung nehmen die Ausstellung „Entartete Kunst“, die im Jahr 1937 in München stattfindet, und der dazu erscheinende Führer durch die Ausstellung ein.76 Der Ausstellungsführer soll, wie seine Bezeichnung klarmacht, den Besucher durch die Ausstellung führen. Deshalb und auch durch das handliche Format von 14,5 mal 21 Zentimetern ist diese Publikation eindeutig zu den „catalogues-enacte“ zu zählen. Die einleitenden Texte geben nicht direkt Aufschluss über die Funktion des Katalogs, sondern vielmehr über die Absichten der Ausstellung. Der textlich nachgezeichnete Rundgang durch die Ausstellung, der in neun Gruppen geteilt ist (vgl. das in Gänge eingeteilte Wittenberger Heiltumsbuch), ist grafisch klar
74 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 64ff. 75 Interessant zu bemerken ist auch, dass Ausstellungs- und Sammlungskataloge aus den 1930er-Jahren in der Bibliothek der Universität für angewandte Kunst äußerst rar sind. 76 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Entartete Kunst, Führer durch die Ausstellung, Verlag für Kultur- und Wirtschaftswerbung, München, 1937 Aufbau: 1.) „Was will die Ausstellung ,Entartete Kunst‘?“, 2.) „Zur Gliederung der Ausstellung“: gemäß der Einteilung in der Ausstellung in neun Gruppen, 3.) „Kunstbolschewismus am Ende. Aus der Rede des Führers zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst in München“ Durch den gesamten Führer ziehen sich durchlaufend Bildseiten, die mehrere SchwarzWeiß-Abbildungen von Gemälden und Skulpturen darstellen. Das Layout ist gewollt unregelmäßig und durch Zitate aus Magazinen unterbrochen.
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und übersichtlich gestaltet. Jede Gruppe ist mit einem Zitat von Adolf Hitler versehen. Im Gegensatz dazu stehen die unübersichtlich gestalteten Bildseiten, die meist schräg und unsymmetrisch angeordnete Reproduktionen in Kombination mit kurzen Zitaten und Textpassagen darstellen. Hier lässt sich deutlich der Propagandacharakter erkennen: „Da die Fülle der verschiedenen Entartungserscheinungen, wie sie die Ausstellung zeigen will, auf jeden Besucher ohnehin einen fast niederschmetternden Eindruck macht, wurde durch eine übersichtliche Gliederung dafür sorgt, dass in den einzelnen Räumen jeweils der Tendenz und der Form nach zusammengehörige Werke in Gruppen übersichtlich vereinigt sind. [...]“77
Auch wenn keine Installationsansichten bildlich inkludiert sind und auch kein Plan der Ausstellungsflächen gedruckt ist, werden die Struktur der Ausstellung und v. a. deren Absicht in das Layout des Ausstellungsführers aufgenommen und auf perfide Weise dem Leser weitergegeben. Abb. 17: „Entartete Kunst, Führer durch
die Ausstellung“, München, 1937
Außerdem wird durch dieses „dünne Heftchen“ nicht der Wunsch beim Leser/ Ausstellungsbesucher geweckt, ebendieses zu Hause nochmals zu studieren. Der Heftchencharakter spiegelt die geringe Wertschätzung der Exponate wider (vgl. Genette: stofflicher Status). Das zweite Beispiel, das ich an dieser Stelle kurz besprechen möchte, ist der offizielle Ausstellungskatalog der „Grossen Deutschen Kunstausstellung“78 aus dem Jahr
77 Entartete Kunst, Führer durch die Ausstellung, 1937, S. 6 78 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Grosse Deutsche Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst zu München, offizieller Ausstellungskatalog, Verlag Knorr & Hirth, München, 1939
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1939. Im Vergleich zum soeben besprochenen Beispiel handelt es sich nicht um einen „Ausstellungsführer“, sondern um den „offiziellen Ausstellungskatalog“, der zwar auch durch sein handliches Format von 15 mal 20,5 Zentimetern als „catalogue-en-acte“ überzeugt, aber durch seine hohe Seitenzahl seine Relevanz und Beständigkeit hervorhebt und dadurch sowie durch die knapp 80 Schwarz-WeißAbbildungen die Brücke zum „catalogue-document“ schlägt. Durch die in den „Bemerkungen“ dargelegten Verkaufsbedingungen der Exponate geht klar ein Ziel der Ausstellung und des Katalogs hervor: der Verkauf. Außer zwei sehr kurzen einleitenden Texten gibt es sonst keine weiteren Fließtexte. Des Weiteren ist der Bezug zwischen Katalog und Ausstellung durch zwei Pläne der Präsentationsflächen klar gegeben. Abb. 18: Ausstellungskatalog zur „Grossen Deutschen Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst zu München“, 1939
Auf diesen Plänen wird sogar der vorgegebene Besichtigungsweg rot markiert, sodass der Besucher unmissverständlich durch die Ausstellung geleitet wird, wenn er den Katalog vor Ort zurate zieht, und an den Rundgang erinnert wird, wenn er den Katalog nach dem Besuch zu Hause aufschlägt. Das Verzeichnis der Kunstwerke jedoch hebt sich von der realen Präsentation ab: Die Liste ist alphabetisch nach Namen der Künstler geordnet und wird durch die Angabe von Titel und Material/Technik ergänzt. Die Werke sind dieser Ordnung entsprechend durchgehend nummeriert und eine Saalnummer, die mit den beiden Plänen zu Beginn des Katalogs übereinstimmt, ist ausgewiesen. Der Rundgang in seiner realen Reihenfolge spiegelt sich aber nicht in dieser Liste wider. Abgetrennt Aufbau: 1.) Foto des Schirmherrn des Hauses der Deutschen Kunst, 2.) Titel, 3.) Foto des Hauses der Deutschen Kunst, 4.) „Inhaltsverzeichnis“, 5.) „Organisation der Ausstellung“, 6.) „Bemerkungen“, 7.) „Pläne mit Führungslinie“, 8.) Verzeichnis der Kunstwerke, 9.) Abbildungen, 10.) Separat gebundener „Ergänzungsteil“, der die Werke in einer Liste zusammenfasst, die erst im Laufe der Ausstellung integriert wurden
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von der textlichen Liste sind die Schwarz-Weiß-Abbildungen zu finden. Diese sind auch durch einen Papierwechsel leicht zu erkennen. Die in Format angeglichenen Reproduktionen sind mit der Angabe des Künstlers sowie des Titels des Werkes versehen. Auffällig hierbei ist, dass weder in der Liste der Kunstwerke noch in den Abbildungen eine Jahresangabe verzeichnet ist. Die Abbildungen geben die Gemälde und Zeichnungen als fotografische Reproduktion wieder. Die Skulpturen werden auf möglichst neutralem Hintergrund fast flächenfüllend dargestellt. Von der Ausstellungssituation an sich ist auf den Bildern nichts zu erkennen. Abschließend kann man feststellen, dass dieser Katalog alte Formen im Aufbau aufnimmt. Man denke hier z. B. an den Katalog „La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux“ (1778): Nennung des Mäzens bzw. Schirmherrn gleich zu Beginn, Pläne der Ausstellungsräume sowie Abbildung des Ausstellungsgebäudes von außen. All diese Merkmale sind in diesem offiziellen Ausstellungskatalog in Variationen wiederzufinden. Bei den beiden hier besprochenen Beispielen ist es auffällig, dass keine Inserate auftreten. Auch sind dies Beispiele von Ausstellungen, die sowohl in der realen Ausstellung als auch im Katalog eindeutig politische Ziele verfolgen und auf traditionelle bzw. absichtsorientierte Hängung in der Ausstellung zurückgreifen, die sich wiederum auch in den Katalogen abzeichnet. Sie verzichten daher auf eine Präsentation gemäß dem White Cube. Die 1940er Nach 1945 lässt sich ein verstärktes Aufkommen von Museumsneubauten v. a. in Übersee feststellen. Die von den Kriegsgeschehen veranlasste Immigration europäischer Künstler und Sammler in die USA schafft die Basis dafür.79 Verbunden mit diesen neuen Tendenzen wird im Jahr 1946 die ICOM International, zwei Jahre später die ICOM Österreich gegründet.80 Mit der Entwicklung des Museums sowie mit der dank der technischen Reproduzierbarkeit ansteigenden Verbreitung von Abbildungen setzt sich u. a. der französische Schriftsteller und damalige Kulturminister Frankreichs André Malraux
79 Vgl. Richter, Dorothee, 2007, S. 10 80 Vgl. ICOM Österreich: [Online]. Verfügbar unter: http://www.icom-oesterreich.at/ shop/shop.php?detail=1240815571 (Stand 1.7.2014)
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(1901–1976) in seinem Buch „Le Musée Imaginaire“ (erstmals veröffentlicht 1947) auseinander (siehe Appendix 4).81 Diese Überlegungen zum Verhältnis Werk – Reproduktion und Museum – Katalog/Buch sind von Wichtigkeit für die vorliegende Arbeit. Anknüpfungspunkte zum „Musée Imaginaire“ werden immer wieder im Zuge dieser Untersuchung aufgezeigt. Konkret zu der Katalogentwicklung in Frankreich hält Morineau fest, dass zu Beginn der 1940er-Jahre die Kataloge wegen Geldmangel eher kleinformatig sind und wenige Abbildungen umfassen, dass sich dies aber gegen Ende des Jahrzehnts verändert: Das Papier ist nun von höherer Qualität und das Format der Kataloge wird größer.82 Bezüglich des Aufbaus ist bei den Katalogen des MNAM eine Vorherrschaft der Liste erkennbar.83 Anhand der nun folgenden Beispiele möchte ich die Situation im deutschsprachigen Raum beleuchten. Der Katalog zur antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“84 erscheint im Jahr 1946. Durch sein handliches Format von 14,5 mal 20,5 Zentimetern und seinen geringen Seitenumfang und daher auch vernachlässigbares Gewicht eignet er sich hervorragend zum Gebrauch in der Ausstellung und zählt somit zu den „catalogues-en-acte“. Die politische Ausrichtung der Ausstellung sowie in der Folge des Katalogs geht deutlich aus dem noch vor dem „Prolog“ eingereihten politi-
81 Die nachfolgenden Überlegungen basieren auf der Lektüre von: Malraux, André, 1996 sowie: Hünnekens, Annette: Expanded Museum. Kulturelle Erinnerungen und virtuelle Realitäten, Transcript, Bielefeld, 2002, S. 124ff. 82 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 60f. (Première Partie) 83 Vgl. ebd., S. 55f. (Première Partie) 84 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des Katalogs zur antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“, Künstlerhaus, Wien, 1946 Aufbau: 1.) Angaben zur Ausstellung, 2.) Politisches Statement, 3.) „Prolog“ von Alfred Pentz in Gedichtform, 4.) Plan der Ausstellungsräume mit eingezeichneter „Gehlinie“ (vgl. den Wandel der Bezeichnung zur „Führungslinie“ im Katalog zur „Grossen Deutschen Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst zu München“), 5.) Liste der im Erdgeschoss gezeigten Objekte nach Sälen und Themen geordnet. Die Exponate sind pro Saal durchgehend nummeriert: z. B. Objekt Nr. 2: Fotomontage: „Wiederaufbau von Presse und Rundfunk“ (vgl. S. 28), 6.) Bildtafeln zu den im Erdgeschoss ausgestellten Werken, 7.) Liste der im ersten Stock gezeigten Objekte nach Sälen und Themen geordnet. z. B. Bild Nr. 1: Hagel: „Ruhe bewahren“ (Tempera) (vgl. S. 49), 8.) Werbeeinschaltung zu dem kurz nach der Ausstellung erscheinenden Gedenkbuch der Ausstellung, 9.) Bildtafeln zu den im ersten Stock ausgestellten Arbeiten, 10.) Werbeeinschaltungen
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schen Statement hervor. Einzelne Elemente greifen diese immer wieder auf und halten sie dem Leser vor Augen. Der Bezug zwischen Katalog und Ausstellung geht einerseits deutlich aus dem Plan der Ausstellungsflächen hervor. Erdgeschoss und erster Stock werden auf diesem dargestellt und der empfohlene Parcours wird in Form einer „Gehlinie“ eingezeichnet. Abb. 19: Katalog zur antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“, Wien, 1946
Andererseits spiegelt die Aufnahme der einzelnen Säle in die Abschnitte der Liste die temporäre Ausstellungssituation wider und konserviert diese auch nach dem Ausstellungsbesuch. Da jedoch nur ein kleiner Ausschnitt der gezeigten Objekte und Bilder als Reproduktionen in diesen Katalog inkludiert ist, eignet sich dieser weniger als vollständiges Zeugnis des temporären Ereignisses, sondern vielmehr als Dokument der Grundidee der Ausstellung, die dahintersteht. Die beiden Bildteile sind durch einen Papierwechsel gekennzeichnet. Die Schwarz-Weiß-Abbildungen nehmen teilweise die gesamte Katalogseite ein, teilweise sind sie unterhalb mit Name, Titel und Materialangabe versehen. Die ganzseitigen Abbildungen sind zumeist In-situ-Aufnahmen und zeigen die reale Installation in der Ausstellung. Die Kombination zwischen Text und Exponat in der Präsentation sowie die Gestaltung einzelner Wände werden auf diesen Bildern festgehalten. Diese Fotos sind von einem sehr nahen Standpunkt aus aufgenommen, sodass der Gesamtraumeindruck nicht gänzlich eingefangen ist. Auch sind keine Besucher auf diesen Bildern auszumachen. Interessant sind diese ersten In-situ-Aufnahmen da sie ein frühes Beispiel für die Darstellung der Ausstellungssituation auf Reproduktionen darstellen. Diese Ausstellung steht nicht zuletzt deshalb, weil es keine reine Kunstausstellung ist,
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nicht in der Tradition des White Cube. Sie gibt aber einen guten Einblick in die Abbildungsmöglichkeiten in einem Katalog dieser Zeit.85 Wie Malraux feststellt, werden Objekte (wie z. B. in diesem Fall Karikaturen, Plakate, Skulpturen oder Gemälde) aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang genommen und in ein neues Beziehungsgeflecht in der Ausstellung gesetzt. Dieses wird mithilfe der In-situ-Aufnahmen im Katalog bruchstückhaft wiedergegeben und in Bezug zu einzeln reproduzierten Arbeiten gestellt. Diese Übersetzung macht aus den Wandcollagen ein zweidimensionales Abbild und gleicht sie somit bis zu einem gewissen Grad an die anderen Bilder an. Die Ausstellung oder das Ausstellungsdisplay wird hier abbildungswürdig und wie ein Kunstwerk reproduziert (vgl. „troisième œuvre“ in Curator Statement von Pierre Bal-Blanc im Katalog „The Death of the Audience. Ver Sacrum“, 2011). Das zweite Beispiel, das an dieser Stelle besprochen werden soll, ist der Katalog, der anlässlich der Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung in Dresden im Jahr 1946 herausgegeben wird.86 Format (20,5 mal 14 cm) und Seitenumfang geben sofort den Hinweis darauf, dass es sich hierbei ebenso um einen „catalogue-en-acte“ handelt. Auch die freien Blätter für Notizen am Ende des Katalogs weisen darauf hin, dass er für den Gebrauch in der Ausstellung konzipiert ist. So kann sich der Besucher direkt Notizen zu den Exponaten machen, sei es aus Interesse, sei es, um einen möglichen Kauf eines der Werke zu notieren.
85 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden „kritische Ausstellungen“ immer häufiger realisiert. Siehe dazu das Kapitel „Entwicklung des Ausstellungs- und Museumswesens“ als Unterkapitel von „Der Katalog im 20. Jahrhundert“. 86 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des Katalogs: Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, Dresden, 1946, veranstaltet von der Landesverwaltung Sachsen, dem Kulturverband zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands und der Stadt Dresden, Sachsenverlag, Dresden, 1946 Aufbau: 1.) Liste der Jurymitglieder und des Arbeitsausschusses, 2.) Liste der verstorbenen Künstler, 3.) „Auszüge aus den Reden zur Eröffnung der allgemeinen Deutschen Kunstausstellung“, Zitate der verschiedenen Redner, 4.) „Verkaufsbedingungen“, 5.) „Verzeichnis der Werke“ (alphabetisch geordnet nach Namen der Künstler, meist Ortsangabe und Lebensdaten, Titel des Werkes, ggf. Jahresangabe und Technik, wenn das Werk im Katalog als Reproduktion vertreten ist, wird die Abbildungsnummer angeführt), 6.) Bildtafeln: Bilder sind durchgehend nummeriert, Angabe von: Künstlername (ggf. Angabe, ob schon verstorben), Titel des Werkes, Material, 7.) Text „Das neue Dresden 1946“, 8.) Werbeeinschaltungen, 9.) „Notizen“: freie Blätter für Notizen des Lesers
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Der Katalog gibt nicht alle ausgestellten Arbeiten in Bildform wieder, sondern die komplette Aufstellung ist ausschließlich in verschriftlichter Form im „Verzeichnis der Werke“ zu finden. Die Abwesenheit eines Plans der Ausstellungsflächen oder eines Fotos des Ausstellungsortes lässt eine gewisse Kluft zwischen realer Präsentation und Katalog erkennen. Auch durch die Wahl der alphabetischen Ordnung nach Künstlernamen lässt sich nicht die Struktur der realen Präsentation wiederfinden. Die durchgehenden Schwarz-Weiß-Abbildungen sind durch einen Papierwechsel vom übrigen Katalog abgehoben. Die Bildunterschriften befinden sich teilweise unter den Fotos, teilweise daneben, sind aber auf derselben Seite positioniert. Auf den Abbildungen ist kein Hinweis auf die Ausstellungssituation zu finden: Die zweidimensionalen Arbeiten sind als Reproduktionen wiedergegeben, die Skulpturen vor neutralem Hintergrund. Keine Aufnahmen des Ausstellungsdisplays, der Räume o. Ä. ergänzen diese Auswahl. Dies ist ein weiterer Punkt, der einerseits die Abgrenzung des Katalogs von der Ausstellung unterstreicht und andererseits deutlich macht, dass das Druckwerk nicht zur Dokumentation, sondern für den Gebrauch in der Ausstellung gedacht ist. Aus dieser Sichtweise, für den „catalogue-enacte“, ist die Aufnahme der realen Gegebenheiten nicht relevant. Durch die als Einleitung positionierten Zitate aus den Reden anlässlich der Eröffnung wird jedoch ein Bezug zum temporären Ereignis hergestellt. Auch der Text „Das neue Dresden 1946“ spricht über Ziele und Entstehung der Ausstellung. So wird dennoch eine Brücke zu ebendieser im Katalog markiert. Diese beiden Beispiele zeigen, dass zur gleichen Zeit unterschiedliche Katalog- und Abbildungstypen sowie unterschiedliche Zielsetzungen zu finden sind. Meist jedoch dienen sie entweder der politischen Bildung des Publikums oder dem Verkauf der ausgestellten Kunstwerke und werden zum Gebrauch in der Ausstellung publiziert. Dies unterstreicht auch das meist recht kleine, handliche Format der Kataloge. Die Idee, dass ein Katalog noch lange nach dem Ausstellungsbesuch als Recherchetool benutzt werden kann, ist zu dieser Zeit nicht häufig zu finden. Die meisten (in Schwarz-Weiß gehaltenen) Abbildungsansammlungen geben nicht die Gesamtheit der Exponate wieder, sondern eine Auswahl. Die Vollständigkeit lässt sich jedoch im textlichen Werkverzeichnis finden. Die alphabetische Reihenfolge wird dabei meist berücksichtigt und auch die Angaben zu den einzelnen Werken sind bis zu einem gewissen Grade standardisiert. Bildteile sind aber weiterhin deutlich von den Textbeiträgen abgetrennt, auch wenn die Bildunterschriften meist auf derselben Seite wie die Abbildung (daneben oder darunter) zu finden sind. Diese recht einheitliche Gestaltung und Konzipierung wird sich aber in den kommenden Jahrzehnten ändern.
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Die 1950er Morineau stellt fest, dass in den 1950er-Jahren der mit den Abbildungen verknüpfte Papierwechsel bei den Katalogen des MNAM noch beibehalten wird. Nach anfänglicher Umfangbeschränkung der Abbildungen auf einen überschaubaren Rahmen steigt die Anzahl immer weiter an und verdrängt den Listen- und Textteil ein wenig. Auch gewinnen die Reproduktionen an Größe und Qualität, sodass ihre immer wichtiger werdende Rolle begründet wird. Die Schwarz-Weiß-Abbildungen bleiben jedoch weiterhin vorherrschend, Farbbilder treten erst in der Folge häufiger auf. Trotz dieser neue Möglichkeiten eröffnenden technischen Entwicklungen ist ein relativ einheitliches Erscheinungsbild der MNAM-Kataloge zu erkennen. Morineau unterstreicht, dass zu dieser Zeit der Katalog an sich in Frankreich noch nicht als eigenständiges Genre angesehen wird.87 Auch Nikkels betont den in den 50er-Jahren vollzogenen Papierwechsel und die Vorherrschaft von Schwarz-Weiß-Abbildungen. Auch weist er darauf hin, dass Kataloge zu dieser Zeit in erster Linie für den Gebrauch in der Ausstellung konzipiert werden und sich dies in Format und Umfang niederschlägt.88 Einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung des Sammlungs- und Ausstellungskatalogs hat auch das in den 1950er-Jahren im deutschsprachigen Raum vermehrte Aufkommen des Taschenbuchs, so wie wir es heute kennen. Technische Entwicklungen in Bindung und Druck ermöglichen nun fortan die preiswerte Produktion von kleinformatigen Büchern.89 Als Beispiel für einen Ausstellungskatalog aus den 1950er-Jahren90 möchte ich auf den drei Bände umfassenden Katalog zur II. documenta ’59, Kunst nach 194591, die
87 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 21ff. (Première Partie) 88 Vgl. Nikkels, Walter, 1998, S. 45ff. 89 Vgl. Der Brockhaus – In 24 Bänden: 20., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Band 21, F. A. Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 1998, S. 567 90 Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Ausstellungskataloge ist im Appendix 5 zu finden. 91 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: II. documenta ’59. Kunst nach 1945, DuMont Schauberg, Köln, 1959 (3 Bände), Band 1: Malerei. Museum Fridericianum, Band 2: Skulptur. Orangerie, Band 3: Druckgrafik. Bellevue-Schloss Aufbau: Generell setzt sich dieser Katalog aus drei Bänden zusammen, die nach Malerei, Skulptur und Druckgrafik sowie den entsprechenden Ausstellungshäusern getrennt sind. Zu bemerken ist eingangs, dass der Band zur Malerei mit Abstand der seitenstärkste ist. Aufbau Band 1: 1.) Impressum, 2.) „Inhalt“, 3.) „Vorwort“, 4.) „Einführung von Werner Haftmann“, 5.) „Alphabetischer Künstlerregister“ mit Seitenangaben, wo man etwas zum
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im Jahre 1959 in Kassel stattfindet, eingehen. Die Rolle des Katalogs ist durch den Hardcover-Einband, die Aufteilung in drei Bände und den Seitenumfang deutlich dem „catalogue-document“ zuzuordnen und entspricht somit nicht der vorherrschenden Tendenz dieser Zeit. Trotz ihres handlichen quadratischen Formats von 22 mal 22 Zentimetern laden die drei Bände nicht zu einer Lektüre in der Ausstellung ein. Die weitreichende Einleitung von Werner Haftmann sowie die detaillierten Angaben zu Künstlern und Werken machen aus ihnen ein Recherchetool. Haftmann spricht in der Einleitung sowohl von der Malerei an sich als auch von der documenta und bietet in diesem Paratext das kontextstiftende Gerüst. Für den darauf folgenden Abschnitt der Bildtafeln wird ein Papierwechsel in allen drei Bänden vollzogen. Die Bildtafeln nehmen ebenso in allen drei Bänden den Hauptteil ein. Die überwiegend in Schwarz-Weiß gehaltenen, aber teilweise schon in Farbe gedruckten Abbildungen sind mit biografischen Angaben zum jeweiligen Künstler sowie Kurzangaben zum Werk (durchgehende Nummerierung, Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße und Angabe zum aktuellen Standort) ergänzt. Text und Bild teilen sich Seiten, wobei die Angabe zu den Reproduktionen daneben platziert ist. „Die alphabetische Reihenfolge musste in einigen Fällen aus ästhetischen und technischen Gründen unterbrochen werden. Dem schnellen Auffinden dient das alphabetische Künstlerregister.“92 So erklärt sich die nicht immer nachvollziehbare Anordnung des Bildmaterials. Das Layout gewinnt Oberhand über die Absicht, die Ausstellungsstruktur in den Katalog direkt zu übersetzen.
jeweiligen Künstler findet, 6.) „Leihgeber“, 7.) „Die Argumente der Kunst des XX. Jahrhunderts“ (Bildtafeln, großteils schwarz-weiß, vereinzelte Farbreproduktionen), 8.) „Die Lehrmeister der Kunst des XX. Jahrhunderts“ (Bildtafeln), 9.) „Malerei nach 1945“, 10.) „Bildteppiche“ (Werke, die im Treppenhaus des Fridericianums ausgestellt werden), 11.) „Fotonachweis“ Aufbau Band 2: 1.) Impressum, 2.) „Inhalt“, 3.) „Einführung von Eduard Trier“, 4.) „Alphabetischer Künstlerregister“, 5.) „Leihgeber“, 6.) „Wegbereiter der Skulptur des 20. Jahrhunderts“ (Bildtafeln schwarz-weiß), 7.) „Skulptur nach 1945“ (Bildtafeln, großteils schwarz-weiß, vereinzelt Farbabbildungen), 8.) „Fotonachweis“ Aufbau Band 3: 1.) Impressum, 2.) „Inhalt“, 3.) „Protektorat, Ehrenausschuss“, 4.) Albrecht Fabri: „Vom Geist der Druckgrafik“, 5.) Erhard Kästner: „Illustrieren, was ist das?“, 6.) Heinrich Stünke: „Einige Daten zur Geschichte der Grafik von 1945 bis heute“, 7.) „Verzeichnis der Künstler“, 8.) „Verzeichnis der Autoren“, 9.) „Verzeichnis der Verleger“, 10.) „Verzeichnis der Drucker“, 11.) „Leihgeber“, 12.) „Bemerkungen zum Katalog“, 13.) „Fotonachweis“, 14.) „Literaturhinweise“, 15.) „Verzeichnis der ganzseitigen farbigen und schwarz-weissen Abbildungen“, 16.) „Signaturen“, 17.) „Druckgrafik nach 1945“ (Schwarz-Weiß-Abbildungen und Farbabbildungen) 92 II. documenta ’59. Kunst nach 1945, 1959 (3 Bände), Band 2: Skulptur. Orangerie, S. 15
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In Weiterführung früherer Kataloge wird am Schluss des ersten Bandes ein Schwarz-Weiß-Foto des Fridericianums inkludiert, um somit den Bezug zum Ausstellungsort herzustellen. Auch ein Foto der zerstörten Orangerie ist im Band zu den Skulpturen zu finden. Pläne der Ausstellungsräume sind in den Bänden nicht veröffentlicht. Nicht zuletzt dadurch wird ein Bruch zur realen Präsentation erzeugt, die aber durch das Aufgreifen der Dreiteilung in Erinnerung gerufen wird (drei Ausstellungsorte, drei Bände). Interessant zu bemerken ist, dass erste Farbabbildungen die Bildtafeln auflockern. Insbesondere im Band zur Malerei entdeckt man einige, weniger im Band zu den Skulpturen und ein paar im Band zu den Druckgrafiken. Auf den farbigen Seiten ist kein Text gedruckt, dieser befindet sich meist auf der gegenüberliegenden. Die Abbildungen der Skulpturen erlauben meist einen sehr eingeschränkten Blick auf die Umgebung und bemühen sich um einen Fokus auf das Werk ohne Bezug zum Umfeld. Aber nicht nur die Exponate an sich werden fotografisch reproduziert. Auch einige Künstler werden durch ein Porträt vorgestellt, ihre Persönlichkeit wird somit ins Licht gerückt. Künstler und Werk stehen nun gemeinsam im Zentrum des Interesses. Jedoch finden die Ausstellungssituation und die Räume keinen bildlichen Niederschlag in den drei Bänden. So gewinnen diese drei Bände eine gewisse Eigenständigkeit, was ihre Orientierung zum „catalogue-document“ bestätigt.93 Ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Sammlung aus den 1950er-Jahren stellt der Katalog der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien aus dem Jahr 1957 dar.94
93 In diesem Zusammenhang sei kurz auf die Arbeit „Fotonotizen documenta 2“ (1959) von Hans Haacke hingewiesen. In dieser Fotoserie dokumentiert Haacke nicht nur die Ausstellung, sondern interessiert sich auch für das Verhalten der Besucher in ebendieser. Auf einigen dieser Bilder ist der Einsatz des Katalogs, des Kurzführers und diverser Informationsbroschüren in der Ausstellung zu erkennen. 94 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Münz, Ludwig: Katalog und Führer der Gemäldegalerie, Akademie der Bildenden Künste in Wien, I., II., III. Teil, 3., veränderte Auflage, Wien, 1957 Aufbau I. Teil: 1.) „Vorwort“ von Ludwig Münz, 2.) „Vorwort zur 3. Auflage“ von Ludwig Münz, 3.) „Katalog der Neuaufstellung“ nach Räumen geordnet (Name des Künstlers, Zuordnung zu einer Schule, Geburts- und Sterbedatum und -ort, Titel des Werkes, genaue Beschreibung des Werkes und Angaben zum aktuellen Zustand des Werkes, Material/Technik, Maße, Provenienz, Inventarnummer), 3a) Acht Bildtafeln in SchwarzWeiß, Papierwechsel: Künstlername, Titel und Katalognummer werden angegeben
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Das Vorwort gibt Aufschluss über den Anlass der Erscheinung des Katalogs und somit auch über die Beziehung zwischen Publikation und Präsentation. „Die Gelegenheit der Eröffnung der 4. Sonderausstellung mit dem Weltgerichts-Triptychon des Hieronymus Bosch wurde benützt, um den Katalog dieser Sonderausstellung mit dem des 1. Teils der ständigen Ausstellung (Raum I bis XII) zusammenzufassen, da der 1948 erschienene Katalog dieses Teiles der Sammlung völlig vergriffen ist.“95
Daraus erschließt sich, dass es sich hierbei um eine Mischform zwischen Ausstellungs- und Sammlungskatalog handelt. Dieser klassische originale Paratext sowie der späte Paratext („Vorwort zur 3. Auflage“) liefern die Rahmenbedingungen für den nachfolgenden Katalog und die Bildtafeln. Durch die Ordnung nach Räumen wird die Ausstellung in gewisser Weise im Katalog abgebildet und erleichtert dem Besucher/Leser die Zuordnung zum originalen Werk (vgl. Gänge beim Wittenberger Heiltumsbuch). Daraus und durch das handliche Format von 15 mal 20,5 Zentimetern lässt sich schließen, dass es sich um einen „catalogue-en-acte“ handelt. Der Titel „Katalog und Führer der Gemäldegalerie“ unterstreicht dies. Auch die sehr sparsam eingestreuten Schwarz-WeißAbbildungen bzw. das völlige Fehlen ebendieser im III. Teil legen den Schluss nahe, dass der Katalog für die Lektüre vor den Originalen konzipiert ist.
Aufbau II. Teil: 1.) „Vorwort“ von Ludwig Münz, 2.) „Vorwort zur 3. Auflage“ von Margarethe Poch-Kalous, 3.) „Führer durch die Gemäldegalerie II. Teil“: einleitender Text zu jeder Koje, dann Werkangaben: Künstlername, fortlaufende Nummer, Titel, Werkbeschreibung und Angaben zum aktuellen Zustand des Werkes, Material/Technik, Maße, Provenienz, Inventarnummer, 3a) Vier Bildtafeln in Schwarz-Weiß, Papierwechsel: Künstlername, Titel und Katalognummer werden angegeben Aufbau III. Teil: 1.) „Aus dem Vorwort zur 2. Auflage“ von Ludwig Münz, 2.) „Vorwort zur 3. Auflage“ von Margarethe Poch-Kalous, 3.) Einleitender Text zu jedem Raum, dann Werkangaben: Künstlername, fortlaufende Nummer, Titel, Werkbeschreibung und Angaben zum aktuellen Zustand des Werkes, Material/Technik, Maße, Provenienz, Inventarnummer, 3a) Vier Bildtafeln in Schwarz-Weiß, Papierwechsel: Künstlername, Titel und Katalognummer werden angegeben In dem mir vorliegenden Exemplar ist den drei Teilen noch der Katalog zur IX. Sonderausstellung „Italienische Malerei des XIV. bis XVI. Jahrhunderts“ aus dem Jahre 1960 angeschlossen. Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei um einen separat erschienenen Katalog, der vom Besitzer des Katalogs zu einem Band zusammengefügt wurde. Aus diesem Grund werde ich den Katalog zur Sonderausstellung in diesem Rahmen nicht behandeln. 95 Münz, Ludwig, 1957, S. 3
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Die Abbildungen setzen sich durch einen Papierwechsel vom übrigen Katalog ab und sind in der Mitte des jeweiligen Bandes eingeheftet (vgl. Morineaus Bemerkung, auf die ich eingangs hingewiesen habe, dass der Papierwechsel in den 1950er-Jahren noch eine weite Verbreitung findet). Abb. 20: „Katalog und Führer der
Gemäldegalerie“, Wien, 1957
Wie beim Katalog der documenta handelt es sich hierbei auch um eine dreiteilige Publikation. Jedoch wird hier sehr viel sparsamer mit Bildmaterial umgegangen und farbige Abbildungen werden völlig ausgespart. Bei den Abbildungen handelt es sich um Reproduktionen von ausgewählten Gemälden, die Präsentationsform in der Schausammlung wird auf den Bildern vollkommen ausgeklammert; ganz im Gegensatz zum Katalog der documenta, der schon erste „installation views“ erkennen lässt. Auch das Format des Katalogs unterscheidet sich grundlegend von jenem des Katalogs der documenta und unterstreicht die Orientierungsfunktion in der Ausstellung. Zusammenfassend kann man sagen, dass der „Katalog und Führer der Gemäldegalerie“ den alten Katalogtraditionen verbunden ist und diese fortsetzt, wohingegen sich der Katalog der II. documenta von den herkömmlichen Richtlinien zu lösen versucht und neue Wege bestreitet. Die 1960er In den 1960er-Jahren sieht sich der Besucher, aber auch der Künstler einer relativ großen Anzahl an unterschiedlichen Museen und Ausstellungshäusern gegenüber. In der Folge setzen sich Künstler vermehrt mit der Institution Museum an sich kritisch auseinander und hinterfragen das Museums- und Ausstellungswesen. Louise Lawler und Andrea Fraser sind nur zwei Künstlerinnen, die in jüngerer Zeit in dieser Tradition die Rolle der Institution durchleuchten.96
96 Vgl. Richter, Dorothee, 2007, S. 11
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Die von den französischen Soziologen Pierre Bourdieu (1930–2002) und Alain Darbel (1932–1975) durchgeführte Untersuchung der Institution Museum und seiner Besucher findet nicht durch Zufall in den 1960er-Jahren statt und wird in „L’amour de l’art“ im Jahr 196697 veröffentlicht. Vor diesem Hintergrund beschreitet der Schweizer Ausstellungsmacher Harald Szeemann (1933–2005) neue Wege der Ausstellungsumsetzung und -inszenierung, die er u. a. im Jahr 1969 in „Live in your head: When Attitudes become Form“ in der Kunsthalle Bern und im Institute of Contemporary Arts in London präsentiert. Szeemann geht über die herrschenden Kategorien der Ausstellungskonzeption hinaus und betont die Bedeutung der Ausstellung als Medium. Viele der gezeigten Arbeiten werden speziell für die Kunsthalle Bern in enger Auseinandersetzung mit der Institution als solche konzipiert. Interessant festzuhalten ist auch das Verhältnis zwischen dieser Ausstellung und ihrem Katalog: Einige der im Katalog besprochenen Arbeiten und Künstler werden gar nicht in der realen Ausstellung gezeigt. Hier wird der Katalog eindeutig als Erweiterung der physischen Präsentation eingesetzt, als Recherchetool, das über das real Gezeigte hinausweist. Daniel Birnbaum unterstreicht, dass die Herangehensweise Szeemanns an das Genre Ausstellung neu für diese Zeit war, aber dass er nicht der Einzige war, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt. Birnbaum verweist in diesem Zusammenhang auf Seth Siegelaub.98 Auch sind Pontus Hultén oder Walter Hopps exemplarisch an dieser Stelle zu erwähnen.99 Durch dieses mit den kritischen Auseinandersetzungen verbundene Selbstbewusstsein entsteht auch eine große Anzahl an Katalogen, die sich nicht in die bisherige Tradition einschreibt oder diese fortsetzt, sondern auch den Katalog als Medium hinterfragt. Durch die neue Technik wird es nun immer leichter, Text und Bild ungezwungen miteinander zu kombinieren und somit neue Gestaltungsmöglichkeiten auszuprobieren.100 Wie schon Ernst Goldschmidt in seiner Definition des Katalogs festhält, wird dieses Genre ab den 1960er-Jahren erweitert.
97
Bourdieu, Pierre; Darbel, Alain: L’amour de l’art, Editions de Minuit, Paris, 1966
98
Vgl. Birnbaum, Daniel: When Attitude Becomes Form: Daniel Birnbaum on Harald Szeemann, in: Artforum, Summer 2005, S. 58
99
Vgl. During, Elie; Gonzalez-Foerster, Dominique; Grau, Donatien; Obrist, Hans Ulrich: Qu’est-ce que le curating? Manuéla Éditions, Paris, 2011, S. 19
100 Der weltweite Vertrieb von Ausstellungskatalogen wurde u. a. von Worldwide Books angeboten. „The Art Book Biannual“ ist ein Magazin, das einen Überblick über die erschienenen Museums- und Galeriepublikationen gibt. Eine Auswahl an dementsprechenden Publikationen wird zweimal jährlich in diesem Magazin präsentiert. Diese bezieht sich auf internationale Institutionen. Das Ordnungssystem dieses Magazins ist interessant (Ordnungsprinzip: 1.) Numerical Listing of Titles, 2.) Index of Titles, 3.) In-
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Die strenge Trennung von Bild und Text wird daher langsam aufgehoben (siehe z. B. den dreibändigen Katalog der documenta). Diese werden von nun an auf eine Seite gesetzt und machen den Papierwechsel hinfällig. Bisher waren die Abbildungen durchgehend schwarz-weiß, dies ändert sich und der Prozentsatz an Farbbildern steigt kontinuierlich an. Auch die Größe und Anzahl der Reproduktionen wächst mit der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten und sie nehmen in Folge die zentrale Position ein. Camille Morineau hält für die Kataloge des MNAM fest, dass bisher die Bildbeschreibung unterhalb der Abbildung zu finden war, aber ab den 1960er-Jahren eine Veränderung festzustellen ist und diese nun auf der gegenüberliegenden Seite positioniert ist. In den 1970ern vergrößert sich der Abstand zwischen Bild und Bildunterschrift, soweit es der Katalog zulässt, um das Bild an sich wirken zu lassen.101
dex of Artists, 4.) Index of Western Art, 5.) Index of Non-Western Art, 6.) Index of Special Topics) (vgl. Ordnungssystem bei Ausstellungskatalogen). Keine Bilder von Covers [New York: Worldwide Books (Hrsg.): The Art book biannual [REVUE]: a guide to exhibition catalogues and other books on art, New York, 1992]. „The Art Book Biannual is designed to facilitate access to these diverse publications, providing an indeed guide to recent books presented in our monthly New Titles lists.“ [New York: Worldwide Books (Hrsg.): The Art book biannual [REVUE]: a guide to exhibition catalogues and other books on art, 1992, S. 0] und weiter: „Each catalogue included in the Biannual is documented with a bibliographic entry consisting of the full title (and translation where appropriate); author or editor where appropriate; first exhibiting institution, with year of exhibition; year of publication (if different from the year of exhibition); organizer of the exhibition and publisher of the catalogue (if different from the first exhibiting institution); pagination, number of illustrations, and dimensions; LCCN; ISBN; language of text; Worldwilde stock number; edition and price. Concise commentaries accompany many of the bibliographic entries, especially when the title of a book does not clearly indicate its content. A bullet before the title number indicates a catalogue supplied under our Basic Approval Plan. Entries for trade and university press books consist of the full title; author or editor; publisher, year of publication; pagination, number of illustrations, and dimensions; LCCN; ISBN; language of the text; Worldwild stock number; edition; and price.“ [New York: Worldwide Books (Hrsg.): The Art book biannual [REVUE]: a guide to exhibition catalogues and other books on art, 1992, S. 0] Interessant zu vermerken ist auch, dass ab dem Jahr 1996 ein Verweis auf den Katalog auf der Website im Magazin angegeben wird. 101 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 42ff. (Première Partie)
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Die Beobachtung Morineaus, dass nun auch literarische Texte Einzug in den Ausstellungs- bzw. Sammlungskatalog finden, lässt sich auch durch den Katalog „Kunst von 1900 bis heute“ für den deutschsprachigen Bereich belegen.102 Der Katalog, der anlässlich der Eröffnungsausstellung des Museums des 20. Jahrhunderts in Wien im Jahr 1962 erscheint, soll nun in der Folge genauer betrachtet werden.103 Der weiterhin im handlichen Format von 23 mal 16,5 Zentimetern konzipierte Sammlungskatalog hebt sich durch seine – unnummerierte – hohe Seitenanzahl von den bisherigen Beispielen ab. Zwar ist er generell noch leicht während des Besuchs der Ausstellung zu benutzen, aber durch das enge Verweisnetz (durch die durchgehende Nummerierung der Abbildungen und Verweise in Texten und Künstlerliste) und die weiterführenden Texte erweist sich dieser Katalog als Recherchetool als äußerst wertvoll und schlägt somit eine Brücke zum „catalogue-document“. Auch der gestiegene Einsatz von Text lässt eine Weiterentwicklung zu früheren Katalogen erkennen, ist aber nicht weiter verwunderlich: Das neu gegründete Museum kann noch nicht auf eine lange Tradition zurückblicken und sieht in diesem Katalog ein Medium, den Legitimationsfragen nachzugehen, die Entstehungsgeschichte der Sammlung darzulegen, sich von anderen Museen abzugrenzen und den Beteiligten den Dank auszusprechen. Oder abstrakter formuliert: Da der Haupttext ein relativ neues Thema behandelt, benötigt dieser Stütze von zahlreichen und v. a. unterschiedlichen Paratexten, die den Rahmen für die Lektüre des Haupttexts abstecken. Die Ausstellung an sich wird nicht durch Fotografien oder Pläne in diesem Katalog repräsentiert. Ich gehe aber – basierend auf den Texten – davon aus, dass die
102 Vgl. ebd., S. 41 (Première Partie) 103 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Hofmann, Werner (Hrsg.): Kunst von 1900 bis heute: Museum des 20. Jahrhunderts. Eröffnungsausstellung 21. September–4. November 1962, Wien, 1962 Aufbau: 1.) Impressum, 2.) Text: „Der Bundesminister für Unterricht“, 3.) Statements dreier Künstler, 4.) „Vorwort“ von Werner Hofmann, 5.) Liste der „Leihgeber“, 6.) „Abkürzungen“ und „Inhalt“, 7.) Bildteil: Dieser ist durch Texte in unterschiedliche Abschnitte eingeteilt wie z. B. „Um 1900“, „Expressionismus“ oder „Kunst seit 1945: Die strenge Form“; überwiegend Schwarz-Weiß-Abbildungen mit Angabe zum Künstlernamen, Titel mit Jahreszahl, Technik/Material, Maße und Provenienz, teilweise Kurzbeschreibung des Stils. Die Abbildungen sind durchgehend nummeriert, 8.) „Künstlerverzeichnis“: alphabetische Auflistung der Künstler mit biografischen Kurzangaben und Verweis auf die Abbildungen durch die Angabe der jeweiligen Nummer
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Reihenfolge der Nummerierung sowie die Unterteilung in thematische Abschnitte dem Parcours in der realen Ausstellung entsprechen und somit diese eine gewisse Abbildung im Katalog erfährt. Auch in den Bildern lässt sich kein Raumbezug erkennen, sondern es handelt sich um Reproduktionen von Gemälden und Skulpturen vor möglichst neutralem Hintergrund. Das Fehlen der direkten Präsentation der Räume kann auch daher rühren, dass zu diesem Zeitpunkt die Arbeiten am Pavillon, der das Museum des 20. Jahrhunderts in Wien beherbergt, noch nicht abgeschlossen sind. Der Bildteil, der den größten Anteil des Katalogs für sich beansprucht und sich somit auf die ursprüngliche Definition des Katalogs bezieht, umfasst zum Großteil Schwarz-Weiß-Abbildungen, aber auch ein paar ausgewählte farbige Bilder. Die Tafeln setzen sich nicht mehr durch einen Papierwechsel von den Paratexten ab. Die Bildangaben befinden sich meist neben der Abbildung, die Nummer unterhalb. Zusammenfassend kann man festhalten, dass der Anteil an Text ansteigt, der Umfang generell erweitert wird und die Funktion als Recherchewerkzeug außerhalb des Ausstellungsbesuchs in den Vordergrund rückt. Wenn man nun die hier diskutierten Beispiele nochmals Revue passieren lässt, kann man feststellen, dass diese vielmehr auf die häusliche Lektüre, außerhalb der Ausstellung, ausgerichtet sind. So wird die Rezeption vom öffentlichen Raum in den privaten verlagert. Kein Dritter ist da, um die Lektüre wahrzunehmen und ggf. zu reflektieren, sondern die Rezeption wird nun fernab eines Publikums vollzogen. Nicht mehr flanierend im Wechselspiel mit dem Original und dem architektonischen Umfeld, sondern abstrahiert vom ursprünglichen Kontext und eventuell still und immobil werden nun die Reproduktionen und Texte gelesen. Dieser Akt ist der Recherche, dem wissenschaftlichen Arbeiten nahe und setzt sich von dem inszenierten, auch pragmatischen Orientierungsakt in der Ausstellung ab. Der „catalogue-en-acte“ wird in das „catalogue-document“ überführt. Als zweites Beispiel führe ich den Katalog „Kunst der sechziger Jahre im WallrafRichartz Museum Köln“, der in Erstauflage im Jahr 1969 erscheint, an. Die mir hier vorliegende Ausgabe ist die fünfte, erweiterte Auflage und auf das Jahr 1971 datiert.104 Diese fünfte Auflage wird wie folgt legitimiert: „Es sind zu der Sammlung
104 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Kunst der sechziger Jahre. Sammlung Ludwig im Wallraf-Richartz Museum Köln, 5., erweiterte Auflage 1971 (Erstauflage1969), Köln, 1971 Aufbau: 1.) Impressum, 2.) „Der Sammler geht voran“ von Gert von der Osten, 3.) „Zur fünften Auflage“ von Gert von der Osten, 4.) „Ein persönliches Wort“ von Peter Lud-
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insgesamt 124 Stücke dazugekommen, die dieser Band verzeichnet.“105 Dieses Beispiel habe ich deshalb gewählt, da es dem eventuell fälschlich entstehenden Eindruck der Kategorisierung in Jahrzehnte entgegenwirkt. Das stetige Wachstum der Sammlung wird somit auch in den Sammlungskatalog aufgenommen (die zweite, erweiterte Auflage und die dritte, erweiterte Auflage erscheinen im Jahr 1969, die vierte, verbesserte Auflage im Jahr 1970, und die fünfte, erweiterte Auflage im Jahr 1971). Dieser Katalog schreibt sich eindeutig in die Reihe der „catalogue-documents“ ein. Nicht zuletzt wegen seiner Abmessungen von 25 mal 30 Zentimetern (Rücken: ca. 7 cm), sondern auch aufgrund seines Gewichts und der Ausführung: Der Katalog ist nicht herkömmlich gebunden, sondern die losen Blätter sind zwischen zwei Plexiglasplatten mit zwei Schrauben fixiert. Die Publikation wird somit zum Objekt. Abb. 21: „Kunst der sechziger Jahre. Sammlung Ludwig im Wallraf-Richartz Museum Köln“, 1971
wig, 5.) „Zur Kunst unseres Jahrzehnts“ von Horst Keller, 6.) „Bemerkungen zu einigen Werken der Sammlung Ludwig“ von Evelyn Weiss, 7.) Übersetzungen aller Texte ins Englische, 8.) Zitatesammlung, 9.) „Lexikon“, 10.) „Explanation of Terms“ (Übersetzung des Lexikons ins Englische), 11.) „Katalog“ (inklusive Hinweisen zu den Angaben in Deutsch und Englisch): Künstler und Bildtafeln in Farbe und Schwarz-Weiß (alphabetisch nach Namen der Künstler sortiert, biografische Angaben, Werktitel, Jahreszahl, Material/Technik, Maße, Informationen zum Werk, Ausstellungsliste, weiterführende Literatur, 12.) „Zeichnungen und Druckgrafik“: Künstler und Bildtafeln in SchwarzWeiß und Farbe (alphabetisch nach Namen der Künstler sortiert, Werktitel, Jahreszahl, Material/Technik, Maße, Angabe zur Auflage, Angabe zur Signatur) 105 Kunst der sechziger Jahre. Sammlung Ludwig im Wallraf-Richartz Museum Köln, 1971 (keine Seitenangabe, zitiert aus dem Text: „Zur fünften Auflage“)
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Die mehrfachen Papierwechsel sind nun nicht mehr drucktechnisch, sondern gestalterisch bedingt und tragen ebenso zum Objektcharakter bei. Die einleitenden (originalen und späten) Paratexte geben Auskunft einerseits über die Eingliederung einer Sammlung von Peter Ludwig in das Wallraf-Richartz-Museum, andererseits über einzelne Werke. Diese grenzen sich durch ein weißes, schaumstoffartiges Papier vom restlichen Katalog ab. Die englische Übersetzung ist auf dem gleichen Papier wie die Angaben zu den Künstlern gedruckt. Durch die Inkludierung der Übersetzung geht klar hervor, dass sich dieser Katalog an ein internationales Publikum adressiert. Die Zweisprachigkeit wird mit Ausnahme der Werktitel jedoch nicht im eigentlichen Katalog, der Liste bzw. den Werkbeschreibungen weitergeführt. Die Zitate sind auf Millimeterpapier in einer sich vom Textteil abhebenden Typografie gedruckt und bilden die Überleitung zur Liste. Hier wechselt sich braunes Packpapier mit bedruckten Klarsichtfolien und aufgeklebten farbigen Reproduktionen auf weißem Papier ab. Die beschreibenden Textelemente befinden sich immer auf der linken Seite, die eingeklebten Reproduktionen auf der rechten, auf der sonst nur noch der Familienname des Künstlers angegeben ist. Text und Bild werden somit separiert. Die ebenfalls – aber in Schwarz-Weiß – bedruckten Klarsichtfolien zeigen meist den Künstler und überlagern somit mit dessen Porträt die farbige Reproduktion der Arbeit. Dies ist keine absolute Neuerung, sondern wir können Fotografien der Künstler z. B. schon im Katalog der documenta II finden, wo Künstler und Werk in Beziehung gesetzt werden. Die Reproduktionen geben keinen Aufschluss über die Präsentation der Arbeiten im Museum. Auch die alphabetische Reihenfolge lässt den Leser bezüglich der Schausammlung im Dunkeln tappen. Lediglich die Texte stellen den Bezug zur realen Sammlung her. Die relativ großformatigen farbigen Reproduktionen setzen sich durch ihre glatte Oberfläche vom matten Packpapier ab und gewinnen somit an Strahlkraft und Wichtigkeit. Sie erwecken beim Leser beinahe den Eindruck, einen „Indiana“ in Kleinformat zu besitzen, der eine Aneignung im privaten Umfeld ermöglicht. Wie schon gesagt, ist dieser Katalog vielmehr als Objekt zu sehen denn als Führer durch die Sammlung. Er weicht durch seine Gestaltung die Grenzen zum Künstlerbuch auf und gibt Einblick in die gestalterischen Möglichkeiten der 1960er- und 1970er-Jahre. Dennoch ist er durch die Hervorhebung der Liste bzw. des Werkverzeichnisses in Kombination mit den Bildtafeln dem traditionellen Aufbau eines Katalogs verschrieben und vereint somit neue und alte Elemente des Genres Katalog (siehe Appendix 6). Die 1970er Wie auch aus den genannten Beispielen hervorgeht, tritt seit den 1950er-Jahren die Funktion der Orientierungshilfe des Katalogs immer weiter in den Hintergrund und
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er wird immer häufiger zu einem Recherchewerkzeug. Diese Tendenz erfährt in den 1970er-Jahren nochmals eine Verstärkung: Der ehemalige Sammlungsleiter im Centre Georges Pompidou Germain Viatte hält fest, dass sich die Kataloge immer mehr zum Referenztool entwickeln und sich somit an ein Publikum außerhalb der Ausstellung bzw. des Museums richten. „[…] citons enfin la monumentale série ouverte au Centre Pompidou par le catalogue de l’exposition Paris-New York, en 1977 […] qui associait d’historiens de l’art, témoignages, chronologies, notices raisonnées, biographies d’artistes en un fleuve d’informations croisées qui transformaient désromais le catalogue en outil de référence indispensable.“106
Generell kann man bemerken, dass nun die Kataloge immer unterschiedlichere Formen annehmen und eine Typisierung daher umso schwieriger und ungenauer wird. Chronologische, alphabetische oder der realen Präsentation folgende Anordnungen treten nun parallel in unterschiedlichen Katalogen auf und lassen somit die – ohnehin schon eher schwammigen – Kategorien weiter verschwimmen. Aber nicht nur der Aufbau und das Verhältnis zur realen Präsentation sind einem fortwährenden Wandel unterworfen. Auch die Ikonografie erfährt eine Weiterentwicklung. Die immer größer werdenden Bilder dominieren weiterhin den Katalog, sodass sie die geschriebene Liste immer mehr zu verdrängen drohen.107 Nicht nur das Format der Abbildungen wächst, auch die Quantität ebendieser steigt stetig an. Dies geschieht auch durch den in den 1970er-Jahren große Verbreitung findenden Offsetdruck, der den herkömmlichen Buchdruck ablöst. Morineau hält fest, dass bei den Katalogen des MNAM auch immer häufiger Porträts des Künstlers bei der Arbeit in den Katalog inkludiert werden, was den Bezug Werk – Institution um den dritten Eckpfeiler, den Künstler, erweitert. Da die Kataloge nun immer dicker und umfangreicher werden, eignen sie sich immer weniger für den Gebrauch in der Ausstellung, sondern vielmehr für die von der temporären Präsentation unabhängige Lektüre. Die erstgenannte Aufgabe übernehmen nun immer häufiger Flyer und Faltblätter, die in der Ausstellung an sich aufliegen und den Besuchern Orientierung geben sollen108 (vgl. den schon erwähnten Kurzführer der documenta 8).
106 Viatte, Germain: Introduction, in: Delaigle, Francine; Rosenberg, Pierre; Schmitt, Catherine; Viatte, Germain: Les catalogues d’exposition: Guide de catalogage, Centre Georges Pompidou: Documentation du Musée national d’art moderne, Paris, 1991, S. 3 107 Morineau erkennt, dass in den 1970er-Jahren die Liste in den Katalogen des MNAM häufig ans Ende gestellt wird [vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 24 (Première Partie)]. 108 Vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 55ff. (Première Partie)
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Ein Beispiel für einen Ausstellungskatalog aus den 1970er-Jahren stellt der Katalog, der anlässlich der Ausstellung „Künstlerphotographien im XX. Jahrhundert“ in der Kestner-Gesellschaft in Hannover im Jahr 1977 erscheint, dar.109 Er weist ein handliches quadratisches Format von 21 mal 21 Zentimetern auf, ist aber dennoch aus mehreren Gründen weniger als „catalogue-en-acte“ zu sehen: Einerseits ist es relativ schwer, ihn aufgrund seines Gewichts und des Seitenumfangs im Stehen zu lesen. Andererseits weist er keinen vorgeschlagenen Rundgang durch die Ausstellung z. B. durch einen Plan vor. Die fünf Langtexte laden zu einer Lektüre in ruhiger Umgebung ein, und weniger dazu, einen kurzen Blick beim Ausstellungsbesuch hineinzuwerfen. All dies deutet auf ein „catalogue-document“ hin. Andererseits sind die relativ großformatigen Abbildungen mehr als herkömmliche Referenzbilder zu sehen und können sich auch außerhalb der Ausstellung, also unabhängig vom Original, behaupten. Sie machen somit aus dem Katalog ein Recherchewerkzeug, das sich vom ephemeren Ereignis emanzipiert. Jedoch erweisen sich die biografischen Kurzangaben zu den einzelnen Fotografen als hilfreiche Information beim Besuch und führen somit dennoch ein Element des „catalogue-en-acte“ weiter. Auch wenn kein Plan der Ausstellungsräume zu finden ist, ist der Bezug zu ebendieser gleich zu Beginn durch den Text „Zur Ausstellung“ deutlich gegeben. Hier macht Carl-Albrecht Haenlein, der damalige Direktor der Kestner-Gesellschaft, das Selbstverständnis der Gesellschaft sowie die Aufgabe des Katalogs klar:
109 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Haenlein, Carl-Albrecht (Hrsg.): Künstlerphotographien im XX. Jahrhundert, KestnerGesellschaft Hannover, 1977 Aufbau: 1.) Impressum, 2.) „Dank“ und Text von Carl-Albrecht Haenlein „Zur Ausstellung“, 3.) Text von Carl-Albrecht Haenlein „La Mort des Fântomes“ (zu einigen Fotografien von René Magritte), 4.) Text von Klaus Honnef „Die Kunst und die Fotografie und die Fotografie und die Kunst“, 5.) Text von Werner Lippert „Die Photographie des bildenden Künstlers – Funktion und Ästhetik“, 6.) Text von Schuldt „El Lissitzkys photographische Arbeit“, 7.) „Allgemeine Bibliographie zum Thema Kunst und Photographie“, 8.) Bildtafeln mit Angaben zum Künstler: alphabetisch nach Namen der Künstler geordnet, Kurzbiografie des Künstlers und Bibliografie, die Abbildungen sind nicht fortlaufend nummeriert und geben nur eine Auswahl der ausgestellten Arbeiten wieder, 9.) Text von Lawrence Durrell „He is far from being an enigmatic figure ...“, 10.) „Leihgeber“, 11.) „Werkverzeichnis“ alphabetisch nach Namen des Künstlers geordnet. Werke sind durchgehend nummeriert (diese Nummer bezieht sich auf die Abbildungen), 12.) „Inhalt“ (geteilt in Textteil und Abbildungsteil)
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„Die Kestner-Gesellschaft versteht sich auch als ein pädagogisches Transportvehikel: Neues Material wird in Umlauf gesetzt, um dann von den bestehenden didaktischen Systemen erfasst zu werden. Die Vermutung liegt nahe, dass die Auseinandersetzung um so besser erfolgen kann, je intensiver die Aufbereitung (durch den Katalog) geschieht.“110
Der Katalog soll das in der Ausstellung gezeigte (neue) Material aufarbeiten und somit dem Publikum besser zugänglich machen. Ich sehe hier einen Hinweis auf meine Vermutung, dass dieser Katalog für den Gebrauch außerhalb der realen Präsentation konzipiert wurde. Durch diesen Paratext wird die Absicht dieses Katalogs offengelegt und gemeinsam mit den Informationen auf der Umschlagseite eins und dem Cover werden die Rahmenbedingungen des Haupttexts dem Leser vorgestellt. Wie der Titel des Katalogs bzw. der Ausstellung verdeutlicht, handelt es sich hier um Fotografien, die ausgestellt werden. Im Katalog werden diese (teilweise) als Schwarz-Weiß-Reproduktionen wiedergegeben. Ausstellungsansichten, die auf die räumliche Anordnung schließen lassen, sind hier völlig ausgeklammert. Auch Porträts der Künstler, so wie wir es bei einigen früheren Beispielen gesehen haben, treten hier nicht auf. Das Interesse ist hier exklusiv auf die Fotografien gerichtet. Auch die Referenzabbildungen zu den Texten sind ausschließlich Exponate. Interessant bei den Abbildungen ist, dass sie (mit Ausnahme einiger Referenzabbildungen) alleine auf einer Katalogseite stehen und sich diese nun nicht mehr mit Bildunterschriften oder anderen Textelementen teilen. Einzig die Bildnummer ist neben bzw. unter den Abbildungen angeführt, um die genauen Angaben im Werkverzeichnis korrekt zuordnen zu können. So wird auch durch das Layout der Fokus auf die Fotografien gelegt. Trotz dieser Trennung von Bild und Text wird kein Papierwechsel gemacht, da dieser technisch nicht mehr erforderlich ist. Abschließend möchte ich noch anmerken, dass der eigentlich deutschsprachige Katalog einen englischen Text beinhaltet, der ursprünglich aus einem anderen Ausstellungskatalog stammt. So wird hier ein Schritt in Richtung Öffnung für ein internationales Publikum gemacht. Diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren immer weiter verbreiten. Das zweite Beispiel ist das „Verzeichnis der Gemälde“ des Kunsthistorischen Museums in Wien aus dem Jahr 1973.111 Dieses Verzeichnis bzw. dieser Katalog reiht sich in die Tradition der klassischen Kataloge ein.
110 Haenlein, Carl-Albrecht (Hrsg.), 1977, S. 7 111 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Verzeichnis der Gemälde, Kunsthistorisches Museum, Wien, Verlag Anton Schroll & Co, Wien und München, 1973
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Die geschriebene Liste ist zentral. Handelt es sich hier nun um einen „catalogue-enacte“ oder um ein „catalogue-document“? Der Vermerk „Führer durch das Kunsthistorische Museum Nr. 18“ im Impressum gibt den Hinweis, dass wir es hier mit einem Katalog, der Orientierung beim Sammlungsbesuch geben soll, zu tun haben. Abb. 22: „Verzeichnis der Gemälde“, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1973
Sein weiterhin kleines Format von 14,5 mal 21 Zentimetern weist ebenso darauf hin. Auch die relativ kleinen durchgehend Schwarz-Weiß-Reproduktionen legen die Betrachtung des Originals nahe und dienen vielmehr der korrekten Zuordnung der textlichen Information oder haben mnemotechnische Funktion, eignen sich aber weniger zur Bildrezeption. Jedoch bildet sich nicht die Hängung der Sammlung im Katalog ab, sondern der Besucher muss sich durch die unterschiedlichen Verweissysteme begeben, um Informationen zum betrachteten Original aus dem Katalog zu erhalten. Dieser hält sich aber, im Vergleich zum „Katalog der Gemäldegalerie. Italiener, Spanier, Franzosen, Engländer, 1. Teil, Kunsthistorisches Museum“ (Wien, 1960) mit beschreibenden Informationen zurück und beschränkt sich auf schlagwortähnliche Kurztexte. Die Sammlung als solche findet eine Spiegelung im einleitenden Text „Geschichte der Gemäldegalerie“, der hier sogar noch vor den „Vorbemerkungen“ positioniert ist. Diese etwas ungewöhnliche Ordnung der Paratexte geht zwar mit der Separierung zwischen Vorwort und Einleitung konform, aber vertauscht deren traditionelle Reihenfolge. Genette macht Bezug nehmend auf Jacques Derrida die Un-
Aufbau: 1.) Impressum, 2.) „Inhaltsverzeichnis“, 3.) „Geschichte der Gemäldegalerie“ von Friderike Klauner, 4.) „Vorbemerkungen“, 5.) Verzeichnis der Gemälde (alphabetisch nach Namen der Künstler geordnet, Angabe von: Name des Künstlers, Geburtsund Sterbedaten und -orte, Titel, ggf. Jahresangabe, Tafelnummer, Kurzbeschreibung, Material/Technik, Maße, Provenienz, Inventarnummer), 6.) „Vorbemerkungen zur Tabelle“, 7.) „Tabelle“, die die unterschiedlichen Nummerierungssysteme auflistet, 8.) Bildtafeln (Papierwechsel, schwarz-weiß)
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terscheidung zwischen Vorwort und Einleitung, die sich in dem vorliegenden Beispiel zeigen lässt: „Vorbemerkungen“ als das Vorwort, das sich mehr auf die Rahmenbedingungen des Haupttexts bezieht, und der Text „Geschichte der Gemäldegalerie“ als die Einleitung, die als inhaltliche Verbindung zum Haupttext zu sehen ist. An dieser Stelle möchte ich nochmals auf die Reproduktionen zu sprechen kommen: Die Bildtafeln sind durch einen Papierwechsel vom übrigen Katalog abgetrennt. Die Gemälde sind durchgehend schwarz-weiß wiedergegeben und werden durch Bildunterschriften (Name des Künstlers und Werktitel), die sich unter den Reproduktionen befinden, zuordenbar. Auch die Angabe der Tafelnummer beim geschriebenen Katalog erleichtert die Identifizierung. Meist sind sechs bis neun Reproduktionen pro Seite zusammengestellt, in Größe einander angepasst. Die relativ kleinen Abmessungen der Abbildungen sowie die schlechte Druckqualität lassen darauf schließen, dass dieser Katalog für den Gebrauch vor dem Original gedacht ist und somit eine qualitativ hochwertige Reproduktion nicht prioritär ist. Zusammenfassend kann man sagen, dass beide hier angeführten Beispiele ausschließlich Schwarz-Weiß-Abbildungen umfassen, die sich auf die Werke an sich fokussieren und die Ausstellungssituation außer Acht lassen. Der jedoch nunmehr technisch nicht mehr notwendige Papierwechsel ist hier nur beim Sammlungskatalog anzutreffen. Dieser ist nicht nur durch diesen stofflichen Bezug, sondern auch durch Aufbau und Gestaltung dem traditionellen Katalog verbunden, wohingegen sich der Ausstellungskatalog der Kestner-Gesellschaft der neueren technischen Reproduktionsmöglichkeiten bedient und auch hinsichtlich des Layouts neue Möglichkeiten aufzeigt. Die 1980er Die 1980er-Jahre zeichnen sich durch Ausstellungen wie „Magiciens de la terre“ (1989) oder „Chambres d’Amis“ (1986) aus. Die Präsentationen an sich werden immer wichtiger und das Medium Ausstellung rückt immer weiter ins Zentrum der Aufmerksamkeit und damit verknüpft auch die Rolle der Ausstellungsmacher. Diese haben sich zur Aufgabe gemacht, die einzelnen Werke so zu inszenieren, dass eine Art „Gesamtkunstwerk“ – die Ausstellung – entsteht. Salopp ausgedrückt nach Aristoteles: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Diese Vorgehensweise stößt aber nicht ausschließlich auf Zustimmung. So wird z. B. kritisiert, dass nun die Kataloge als Fundus für die Ausstellungsmacher fungieren, aus dem sie Werke für ihre Ausstellung auswählen, ohne diese als Original, in ihrem Kontext, gesehen zu haben. Aber nicht nur Ausstellungsmacher sehen sich einer kritischen Gruppe gegenüber. Auch das Genre Ausstellungskatalog wird nun unter die Lupe genommen. Die Herausgeberin des Buches „Die Kunst der Ausstellung: Eine Dokumentation dreissig exemplarischer Kunstausstellungen dieses Jahrhunderts“, Katharina Hegewisch, kritisiert z. B. Ausstellungen, bei denen der Kata-
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log vor der wirklichen Konzeption der Präsentation fertig ist.112 So wird das – an vielen Stellen schon erläuterte – zeitliche Verhältnis zwischen Ausstellung und Katalog beinahe umgedreht. Der Katalog wird vor der realen Präsentation konzipiert und stellt somit nicht eine Spiegelung der Ausstellung dar, sondern vielmehr reagiert ggf. die Ausstellung auf die Gestaltung, Bild- und Textauswahl des Katalogs. In den 1980er-Jahren hält die Informatik Einzug in den Kulturbereich. Begriffe wie Multimedia, Medienkultur, elektronisches Buch, elektronische Kunst oder elektronisches Museum tauchen nun immer häufiger auf, sodass in der kommenden Zeit von der Informations- bzw. Wissensgesellschaft gesprochen wird.113 Auch für die Katalogisierung bzw. Inventarisierung von Sammlungen und Bibliotheken wird nun immer häufiger auf elektronische Möglichkeiten zurückgegriffen.114 Die Buchbzw. Blattform, die lange Zeit z. B. in der Österreichischen Nationalbibliothek eingesetzt wurde, erfährt in der Folge ihre Ablösung durch digitale Kataloge.115 Mit dieser Neuentwicklung und den damit verbundenen technischen Möglichkeiten der Verbreitung von Kunstwerken116 als Reproduktionen gewinnen Fragen nach Original/Kopie, Urheberrecht und Autorenschaft bzw. nach Besitz und Aura an Bedeutung und Dringlichkeit.117
112 Vgl. Fibicher, Bernard (Hrsg.): L’art exposé. Quelques réflexions sur l’exposition dans les années 90, sa topographie, ses commissaires, son public et ses idéologies, Cantz Verlag, Küsnacht, 1995, S. 70 113 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 13 114 Vgl. Welger-Barboza, Corinne: Le Patrimoine à l’ère du document numérique. Du musée virtuel au musée médiathèque, L’Harmattan, Paris, 2001, S. 31 115 „Die Geschichte der Katalogisierung lässt sich als Prozess der Standardisierung und Rationalisierung verstehen, zugleich stellt sich eine Geschichte der Konkurrenz zweier Aufschreib- und Verweissysteme dar: des Kataloges in Buchform (Bandkatalog) und des Kataloges in Lose-Blatt-Form (Zettelkatalog).“ [Petschar, Hans: Der Katalog, Springer, Wien, 1999, S. 13] Der Katalog der ÖNB ist seit dem Jahr 1998 digital erfasst und für Recherchen zugänglich. 116 In den 1970ern und 1980ern erfährt das Genre des Künstlerbuchs einen großen Aufschwung, wie Walter Nikkels festhält. Anfangs wurde dieser Typus von den Künstlern selbst entwickelt, aber im Laufe der Zeit auch von den Institutionen übernommen [vgl. Nikkels, Walter, 1998, S.61] (siehe Katalog der documenta 8, der in der Folge besprochen wird). 117 Vgl. Levin, Kim: Bemerkungen zur Kunst im elektronischen Zeitalter, in: Fehr, Michael (Hrsg.): Open Box. Künstlerische und wissenschaftliche Reflexionen des Museumsbegriffs, Wienand, Köln, 1998, S. 303
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Aber auch die damit verbundene Vernetzung und Ausdehnung der Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Museen zeichnet sich z. B. in der Gründung des Museumsbunds Österreichs im Jahr 1981 ab.118 Ein Aspekt aus der Literaturwissenschaft, der bei meiner Analyse der unterschiedlichen Beispiele immer wieder eine Rolle spielt, ist der Facettenreichtum der unterschiedlichen Textsorten. Der französische Literaturwissenschaftler Gérard Genette (*1930) setzt sich mit der Textanalyse auseinander. In „Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches“ (1987) beschäftigt er sich mit den unterschiedlichen Textsorten, die nicht Haupttext sind, wie beispielsweise Fußnoten, Anmerkungen, Titel usw.119 Da sich Kataloge aus sehr unterschiedlichen Textelementen zusammensetzen, bietet sich die Theorie Genettes für die vorliegende Analyse an (vgl. Appendix 7). Generell kann man anhand der bisher diskutierten Beispiele eine gewisse Tendenz zum „catalogue-document“ erkennen, das durch Kurzführer oder Faltblätter ergänzt wird, um auch eine gewisse Orientierung in der Ausstellung zu gewährleisten. André Chastel weist in diesem Zusammenhang auf das „Handbook“, das die Hauptwerke einer Sammlung zusammenfasst, hin (v. a. in den USA) und impliziert somit den Umstand, dass es nationale Unterschiede in der Katalogentwicklung gibt.120 Das erste hier diskutierte Beispiel ist der Katalog, der anlässlich der documenta 8 im Jahr 1987 erscheint.121 Es handelt sich hierbei um eine dreibändige Publikation.
118 Das mittlerweile aktualisierte bzw. umformulierte Missionstatement des Museumsbunds Österreich aus dem Jahre 2011: „Der Museumsbund Österreich (MÖ) ist eine Dachorganisation aller österreichischen Museen, unabhängig von Größe oder inhaltlicher Positionierung. Der MÖ vertritt die Interessen der österreichischen Museen, versteht sich als Kommunikationsforum für die vielen unterschiedlichen Museumsthemen und pflegt dazu den Dialog mit Partnerinstitutionen aus dem In- und Ausland. Der MÖ organisiert regelmäßig Informations- und Diskussionsveranstaltungen. Die wichtigste ist der Österreichische Museumstag (www.museumstag.at), der jährlich im Herbst jeweils in einem anderen Bundesland stattfindet.“ [http://www.museumsbund.at/omb_aufgaben.html (Stand 23.6.2011)] 119 Vgl. Genette, Gérard, 2001 120 Vgl. Chastel, André, 1980, S. 62 121 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: documenta 8 Kassel 1987, 12. Juni–20. September, Weber & Weidemeyer, 1987 Aufbau Band 1: 1.) Impressum der Ausstellung, 2.) „Inhalt“, 3.) Liste der Mitarbeiter der Ausstellung, 4.) Liste der „Förderer und Spender“, 5.) Liste der „Leihgeber“, 6.) „Fotonachweis“, 7.) Grußwort, 8.) Text von Manfred Schneckenburger „documenta
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Der erste Band enthält eine große Anzahl an Texten. „Er ist ein Buch der weit gespannten Reflexion, nicht der Dokumentation und der Vermittlung im Detail.“122 Der zweite Band ist als Katalog im klassischen Sinne zu verstehen: Er enthält die Künstlerliste. Der dritte Band hingegen bezeichnet sich als Künstlerbuch und präsentiert sich als autonome Publikation. Durch diesen Umfang sowie durch die Maße von jeweils 21 mal 30 Zentimetern und die beachtliche Seitenzahl sind diese drei Bände nicht für den Gebrauch in der Ausstellung gedacht. Die einzelnen Bände verfolgen unterschiedliche Ziele, in ihrer Gesamtheit können sie jedoch als „catalogue-document“ gesehen werden.123 Als Unterschied zu den bisher betrachteten Katalogen kann festgehalten werden, dass dem Leser schon sehr viel Information in Form von Listen o. Ä. gegeben wird, bevor er auf das Grußwort des Oberbürgermeisters Hans Eichel als Vorwort stößt. Die im ersten Band zusammengestellten Texte geben keinen direkten Einblick in die Ausstellung, sondern weisen auf den zur damaligen Zeit geführten Diskurs hin und betten somit die Ausstellung in einen theoretischen Rahmen. Die
und Diskurs“, 9.) „Aufsätze“ von Bazon Brock, Vittorio Fagone, Edward F. Fry, Michael Grauer und Wenzel Jacob, Wulf Herzogenrath, Georg Jappe, Pierre Restany, Lothar Romain, Manfred Beilharz, Michael Erlhoff, Elisabeth Jappe, Heinrich Klotz, Klaus Schöning, 10.) Karl Oskar Blase: „Die Ecken des documenta-Signets“, 11.) Informationen über Karl Oskar Blase, 12.) Vladimir Lazlo Nikolic: „Architektur für eine Ausstellung, 13.) „Video-Kunst“, 14.) Anzeigenteil Aufbau Band 2: 1.) Informationen zum Aufbau der Systematik des Katalogs. „Künstler, Architekten und Designer werden in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, gefolgt von Performancekünstlern, Video- und Audiothek in jeweils alphabetisch gegliederten Blöcken. Im alphabetischen Gesamtverzeichnis am Ende des zweiten Bandes werden alle Künstler, die auch im dritten Band, dem Künstlerbuch, vertreten sind, mit einem Sternchen gekennzeichnet. Alle Exponate ohne Standortangaben befinden sich im Besitz des Künstlers.“ (S. 5), 2.) Bildteil: Kurzbiografie der Künstler inklusive Ausstellungsliste, überwiegend Farbabbildungen in verschiedenen Größen, 3.) „Audiothek“: Liste ohne Abbildungen, 4.) „Pläne“ der Ausstellungsorte und Lageplan in der Stadt, 5.) Künstlerliste mit Verweis auf Seiten Aufbau Band 3: Künstlerbuch mit meist farbigen, ganzseitigen Abbildungen, Textelemente sind in Layout wie Bild integriert. 122 Katalog zur documenta 8 Kassel 1987, 12. Juni–20. September, Band 1, 1987, S. 16 123 An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass anlässlich der documenta 8 der Kurzführer Metken, Günter: Führer durch die Ausstellung, Weber & Weidemeyer, Kassel, 1987 erschienen ist, der, wie der Name schon sagt, zum Gebrauch in der Ausstellung konzipiert ist. Diese Separierung von „catalogue-document“ und „catalogue-en-acte“ findet bis heute ihre Anwendung.
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Texte sind von Bildern begleitet. Am Ende wird jedoch der Bezug zur temporären Ausstellung klar: Fotos der unterschiedlichen Ausstellungsgebäude sowie die Präsentation der Ausstellungsarchitektur und die Vorstellung des Logos der documenta schlagen die Brücke zum realen Ereignis. Der zweite Band entspricht der klassischen Liste des Katalogs: Bild und Text treten verschränkt auf, teilen sich Seiten, manche Seiten sind wiederum nur einer Aufnahme gewidmet. Die Bildunterschriften sind nicht einheitlich platziert, sondern befinden sich neben, unter oder auch über der Abbildung. Der Großteil der Fotografien ist in Farbe. Jedoch ist auf ihnen meist nicht die Ausstellungssituation an sich zu sehen124, sondern der Fokus ist weiterhin auf das Werk gerichtet. Jedoch sind einige ortsspezifische Arbeiten durch Skizzen im Katalog vertreten, die den Bezug zu den örtlichen Gegebenheiten herstellen. Wichtig festzuhalten ist auch, dass zu Beginn des zweiten Bandes über den Aufbau desselben gesprochen wird, um somit die Orientierung bei der Lektüre zu erleichtern. Der dritte Band reiht sich durch seine Gestaltung in die Tradition des Künstlerbuchs ein und zeugt heute von den damaligen grafischen und gestalterischen Vorgehensweisen. Keiner der drei Bände weist einen Papierwechsel auf, da hierfür keine technische Notwendigkeit mehr besteht. Theoretisch könnte man den ersten und dritten Band als Paratexte zum zweiten Band (dem eigentlichen Katalog) sehen. Sie gehen über den traditionellen Katalog hinaus, erweitern diesen, geben den Rahmen vor und betten den Haupttext bzw. Hauptband ein. So wäre die Einteilung nach Genette in diesem Fall für diesen dreibändigen Katalog etwas freier interpretiert. Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser dreibändige Katalog sich immer weiter von einem Ausstellungsführer abwendet (z. B. durch die von der realen Präsentation losgelöste Reihenfolge der reproduzierten Werke) und immer mehr zur Lektüre abseits des ephemeren Ereignisses einlädt. Die zweite hier analysierte Publikation kommt wiederum aus dem Bereich der musealen Sammlung: der „Führer durch die Sammlungen“ des Kunsthistorischen Museums Wien aus dem Jahre 1988.125 Gleich eingangs möchte ich festhalten, dass es
124 Eine Ausnahme stellen z. B. die Abbildungen von Serge Spitzers Arbeit „Übergang“, 1987, dar [Katalog zur documenta 8 Kassel 1987, 12. Juni–20. September, Band 2, 1987, S. 243]. 125 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen, Verlag Christian Brandstätter, Wien, 1988
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sich hierbei um einen Führer durch mehrere Sammlungen des Kunsthistorischen Museums Wien handelt, und nicht, wie bei den bisher besprochenen Beispielen, nur um einen Katalog der Gemäldegalerie. Wie der Titel schon sagt, soll dieser Katalog den Besucher durch die verschiedenen Sammlungen des Museums führen, er reiht sich somit in die „catalogues-enacte“ ein. Seine Abmessungen von 14,5 mal 21,5 Zentimetern und das Vorwort untermauern dies: „Sicherlich ist er [der Katalog, Anm. der Autorin] primär vom Praktischen her als Hilfe für den Besucher gedacht, der in begrenzter Zeit die weltberühmten Kunstwerke dieses Museums bewundern will. Die Auswahl aus allen Sammlungen soll ihm die Orientierung in der gewaltigen Fülle der Objekte erleichtern, soll ihm helfen wirklich das Wichtigste zu sehen. [...]“126
Des Weiteren ist dieser Führer bzw. Katalog dazu gedacht, die Gesamtheit der Sammlungen zu präsentieren. Dies wird z. B. durch den Text „Das Kunsthistorische Museum als Bauwerk“ und seine Referenzabbildungen in Schwarz-Weiß und in
Aufbau: 1.) Liste der Herausgeber, 2.) Umschlagseite 1 (nach Genette), 3.) Informationen zum Museum (Öffnungszeiten usw.) und Impressum, 4.) „Inhalt“, 5.) „Übersichtspläne der Sammlungen“, 6.) „Vorwort“ von Hermann Fillitz, 7.) „Das Kunsthistorische Museum als Bauwerk“ von Georg Kugler, 8.) Liste der Abkürzungen, 9.) „ÄgyptischOrientalische Sammlung“ (Einleitungstext, Plan, Beschreibung einzelner Exponate: Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße, Inventarnummer, Kurzbeschreibung und farbige oder Schwarz-Weiß-Abbildung), 10.) „Antikensammlung“ (Einleitungstext, Plan, Beschreibung einzelner Exponate: Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße, Inventarnummer, Kurzbeschreibung und farbige oder Schwarz-Weiß-Abbildung), 11.) „Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe“ (Einleitungstext, Plan, Beschreibung einzelner Exponate: Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße, Inventarnummer, Kurzbeschreibung und farbige oder Schwarz-Weiß-Abbildung), 12.) „Gemäldegalerie“ (Einleitungstext, Plan, Beschreibung einzelner Exponate: Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße, Inventarnummer, Kurzbeschreibung und farbige oder SchwarzWeiß-Abbildung), 13.) „Münzkabinett“ (Einleitungstext, Plan, Beschreibung einzelner Exponate: Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße, Inventarnummer, Kurzbeschreibung und farbige oder Schwarz-Weiß-Abbildung), 14.) „Sammlung alter Musikinstrumente“ (Einleitungstext, Plan, Beschreibung einzelner Exponate: Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße, Inventarnummer, Kurzbeschreibung und farbige oder Schwarz-Weiß-Abbildung), 15.) „Waffensammlung“ (Einleitungstext, Plan, Beschreibung einzelner Exponate: Titel, Jahresangabe, Material/Technik, Maße, Inventarnummer, Kurzbe- schreibung und farbige oder Schwarz-Weiß-Abbildung) 126 Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen, 1988, S. 9
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Farbe nochmals um den architektonisch-historischen Aspekt erweitert. Diese einleitenden Paratexte sowie die Informationen zu den Öffnungszeiten ermöglichen dem Leser, sich schon vor dem eigentlichen Besuch des Museums auf diesen vorzubereiten. Sie geben den Rahmen vor, leiten ein und gewähren Zugang. Der Bezug zur realen Präsentation wird in diesem Katalog nicht nur durch die Bilder des Ausstellungsgebäudes hergestellt, sondern auch durch die Übersichtsund Detailpläne der einzelnen Sammlungen. Ausgewählte Exponate werden in Bild und Text dem Leser/Besucher kurz vorgestellt. Die Reihung im Katalog entspricht größtenteils der damaligen Präsentation und ist locker nach Sälen geordnet. Abb. 23: „Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen“, 1988
Im Vergleich zu den Spezialkatalogen ist das vorliegende Beispiel unvollständig und bildet weder die Schausammlung noch die gesamte Sammlung des KHM ab. Der Katalog beschränkt sich auf einige Beispiele, die somit zu Schlüsselwerken auserkoren werden. Durch die einleitenden Texte zu den jeweiligen Sammlungen wird ein Überblick geschaffen und von den einzelnen Exponaten abstrahiert. Die Idee der Sammlungspräsentation wird somit aufgenommen und wiedergegeben. Diese Paratexte können auch zum „catalogue-document“ gezählt werden, da sie dem Besucher auch außerhalb der Sammlungspräsentation hilfreich sein können. Jedoch ist der Katalog natürlich in erster Linie für die Orientierung in der Schausammlung konzipiert. Dies wird auch durch das Layout unterstrichen (vgl. Genette: stofflicher Status). Da die Technik schon so fortgeschritten ist und Text und Bild nun ohne Probleme auf einer Seite gedruckt werden können, ist hier auch kein Papierwechsel zu verzeichnen. Der Anteil der farbigen Reproduktionen wächst, jedoch sind noch immer zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos zu vermerken. Die Abbildungen geben die Exponate vor neutralem Hintergrund wieder, sodass der reale Präsentationsrahmen hier keinen Niederschlag findet. Zentrale Werke der Sammlung werden seitenfül-
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lend, weniger bedeutende kleinformatig wiedergegeben. Die Beschreibungen befinden sich entweder unter oder neben der Abbildung und erleichtern somit eine eindeutige Zuordnung. Interessant zu vermerken ist hier, dass die einzelnen Werkbeschreibungen sowie die jeweiligen Sammlungstexte mit den Initialen des Autors versehen sind, wodurch ebendieser an Bedeutung gewinnt. Nicht nur die einleitenden Paratexte sind dem Urheber zuzuordnen, sondern auch die den Katalog konstituierenden Texte können nun eindeutig zugeschrieben werden. Dies setzt sich klar von der Definition von André Chastel ab, die besagt, dass der Katalog von einem der Ausstellungsmacher/ Kuratoren verfasst wird. Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass auf der Rückseite des Führers das Bild „Erzherzog Leopold Wilhelm in seiner Galerie in Brüssel“ (1651) von David Teniers dem Jüngeren abgebildet ist. Das Gemälde befindet sich einerseits in der Sammlung des KHM Wien und schlägt somit eine Brücke zu dieser, aber kann andererseits auch als Verweis auf das Galerienstück als „Vorläufer“ der Sammlungskataloge interpretiert werden (siehe Kapitel zum Thema Teniers der Jüngere: „Theatrum Pictorium Davidis Teniers Antverpiensis“). Zusammenfassend kann man auch hier feststellen, dass die Ausstellungskataloge gegenüber den Sammlungskatalogen weniger den traditionellen Richtlinien des Genres verschrieben sind. Sowohl Gestaltung als auch Aufbau ist beim Ausstellungskatalog freier und es existieren viele verschiedene Formen parallel, wohingegen der Sammlungskatalog die Traditionen fortsetzt und sich seine Weiterentwicklung somit langsamer vollzieht. Die 1990er Die Vernetzung der einzelnen Museen geht nun aufgrund der technischen Möglichkeiten über die nationale Ebene hinaus und bemüht sich um die Zusammenarbeit von europäischen Institutionen.127 So wurde z. B. im Jahr 1992 die erste „EC Conference of Museum“ von der NEMO (Network of European Museum Organisations128) organisiert. Mit dem nun immer mehr Haushalte umfassenden Internet wur-
127 Auf die Entstehung des Internets gehe ich an anderer Stelle ein. An diesem Punkt möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass das Internet selbstverständlich nicht nur auf die Vernetzung von Museen und Ausstellungshäusern Einfluss hat, sondern auch auf die Kunstproduktion an sich. Da eine Ausführung über Netzkunst den hier abgesteckten Rahmen sprengen würde, möchte ich an dieser Stelle auf die Ars Electronica und ihre Publikationen hinweisen. 128 „NEMO, the Network of European Museum Organisations, works for over 30,000 museums in Europe and EU associate countries. Comprised of the independent museum
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de auch die Webpräsenz der einzelnen Museen und Ausstellungshäuser wichtiger. Diesbezüglich findet die erste Konferenz zum Thema „Museum and the Web“ im Jahr 1997 statt und eröffnet eine bis heute andauernde Symposiumsreihe.129 Um in diesem mannigfaltigen Angebot von Ausstellungen und Sammlungspräsentationen und den damit sehr variantenreichen Katalogen den Überblick zu bewahren, wurden in den 1990er-Jahren Schulungen am MNAM angeboten, die über Ausstellungskataloge unterrichten. Einen weiteren Versuch, die Ausstellungskataloge zu reglementieren, stellt die Publikation „Les catalogues d’exposition: Guide de catalogage“ dar.130 Die allgemeine Situation des Ausstellungswesens in den 1990er-Jahren in den USA und in Europa wird vom Schweizer Kunstkritiker Paolo Bianchi als „Krise und Talfahrt der Produktion, Präsentation und Vermittlung [...]“131 und Abfall der Qualität beschrieben. Aber nicht nur das Ausstellungs-, sondern auch das Katalogwesen wird von ihm in diesem Zusammenhang ins Visier genommen. „Je magerer die Ausstellung, desto wuchtiger der Katalog.“132 Er bezieht sich hiermit auf die immer dicker und größer werdenden, repräsentativ gestalteten Kataloge, die im Regal positioniert vom Besuch der Ausstellung Zeugnis ablegen, aber nicht direkt in ebendieser funktionale Aufgaben übernehmen. Somit löst sich die Publikation von der Präsentation und wird eigenständig(er). Es drängt sich sogar die Frage nach der Notwendigkeit des ephemeren Ereignisses und nach der Unabhängigkeit des Katalogs als Referenzbuch für die Kunstgeschichte auf. Als erstes Beispiel, das ein wenig aus der Reihe fällt, möchte ich den Katalog „Der Katalog. Ein historisches System geistiger Ordnung“ aus dem Jahre 1999 betrach-
bodies from each country, it brings together European museums to ensure their place in contributing to the awareness and understanding of cultural heritage in Europe.“ Aus der Informationsbroschüre von NEMO, Network of European Museum Organisation, 2008 129 Vgl. Archives & Museum Informatics: Museums and the Web: [Online]. Verfügbar unter: http://www.archimuse.com/conferences/mw.html (Stand 1.7.2014) 130 Vgl. Schmitt, Catherine: Avant-Propos, in: Delaigle, Francine; Rosenberg, Pierre; Schmitt, Catherine; Viatte, Germain: Les catalogues d’exposition: Guide de catalogage, Centre Georges Pompidou: Documentation du Musée national d’art moderne, Paris, 1991, S. 5 131 Bianchi, Paolo: Die Kunst der Ausstellung, in: Fibicher, Bernard (Hrsg.): L’art exposé. Quelques réflexions sur l’exposition dans les années 90, sa topographie, ses commissaires, son public et ses idéologies, Cantz Verlag, Küsnacht, 1995, S. 69 132 Ebd., S. 69
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ten.133 Hier sollte man sich nicht vom Titel irritieren lassen: Es handelt sich hierbei um den Katalog, der anlässlich der Ausstellung „Der Katalog. Ein historisches System geistiger Ordnung“, die sich sowohl auf historischer als auch auf ästhetischer Ebene mit dem Zettelkatalog der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien auseinandersetzt, erscheint. Durch sein Format von 21 mal 29,5 Zentimetern und die Textlastigkeit, die über die Ausstellung an sich hinausweist, ist dieser Katalog vielmehr zu den „cataloguedocuments“ zu zählen. Dies wird auch von den Autoren des Vorworts, des einleitenden Paratexts, unterstrichen: „Zur Gegenwart und Geschichte des Kataloges haben wir in diesem Band Texte, Materialien und Fotografien aus unterschiedlichen Blickwinkeln versammelt. Auf die drei Originalbeiträge und Bilder vom Katalog folgt eine ausführliche Dokumentation seiner Entstehung und Vorstufen.“134
Man könnte sagen, der Katalog ist für die Lektüre außerhalb der Ausstellung, abseits der Öffentlichkeit, konzipiert. Bei der privaten Lektüre des Katalogs lernt der Leser etwas über den öffentlichen Gebrauch des Nominalkatalogs. Hier prallen drei unterschiedliche Handhabungen des Katalogs aufeinander: sitzen – stehen, privat – öffentlich, Band – Zettel. Der Bezug zur realen Präsentation wird sofort zu Beginn der Publikation durch die Liste der unterschiedlichen Ausstellungsorte deutlich gemacht. Auch im Vorwort wird neben weiteren Rahmenbedingungen und Danksagungen Folgendes fest-
133 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Petschar, Hans; Strouhal, Ernst; Zobernig, Heimo: Der Katalog. Ein historisches System geistiger Ordnung, Springer Verlag, Wien, New York, 1999 Aufbau: 1.) Liste der Stationen der Wanderausstellung, 2.) Impressum, 3.) „Inhalt“, 4.) Vorbemerkungen von Petschar, Strouhal und Zobernig, 5.) „Zettel, Kasten, Katalog“ von Ernst Strouhal, 6.) „Einige Bemerkungen, die sorgfältige Verfertigung eines Bibliothekskatalogs für das allgemeine Lesepublikum betreffend“ von Hans Petschar, 7.) „Vademekum. Zu den Regelwerken, eine Auswahl historischer Titel chronologisch gereiht“ von Heimo Zobernig (Schwarz-Weiß-Bildmaterial ohne weitere textliche Erläuterung, diese Seiten sind ohne Pagination), 8.) „Der Nominalkatalog der österreichischen Nationalbibliothek fotografiert von Octavian Trauttmansdorff“ (Schwarz-WeißFotomaterial des Katalogs, Bilder sind seitenfüllend ohne weißen Rand), 9.) „Dokumentation“ von Monika Hoxha, Monika Kiegler-Griensteidl, Hans Petschar (Textauszüge aus unterschiedlichen Quellen, Referenzabbildungen in Schwarz-Weiß, auch ganzseitig), 10.) Test- und Bildnachweis, 11.) Schwarz-Weiß-Abbildung 134 Petschar, Hans; Strouhal, Ernst; Zobernig, Heimo, 1999, S. 7
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gehalten: „Bevor er in der Geschichte verschwindet, wird der Katalog 1999 an mehreren Stationen in Europa ein letztes Mal gezeigt.“135 So wird die Brücke zur eingangs stehenden Liste geschlagen. Die Verschränkung von historischen und aktuellen Texten sowie historischen und aktuellen Paratexten macht die Frage nach dem Haupttext beinahe unmöglich. Es existiert keine Liste der ausgestellten Werke, weder in Bild noch in Wort, sondern ein Werk, der Zettelkatalog, der Gegenstand der Ausstellung wird. So legt der gedruckte Katalog sein Augenmerk auf die einzelnen Elemente des Zettelkatalogs. Die Texte von Ernst Strouhal und Hans Petschar können mit Texten, die z. B. dem Leser die Geschichte der Sammlung vorstellen, bis zu einem gewissen Grade gleichgesetzt werden. Sie geben dem Leser Orientierung und bereiten auf das ausgestellte Werk vor bzw. erweitern die Thematik über die reale Präsentation hinaus. „Vademekum“ von Heinz Zobernig sehe ich in der Tradition der Verzeichnisse der wichtigsten Inventare und Kataloge (vgl. z. B. „Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien“ – herausgegeben vom Verein der Museumsfreunde, Nr. 8, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1928). Somit wird ein traditionelles Element des Sammlungskatalogs in veränderter und nun bildlicher Form in diesen Ausstellungskatalog aufgenommen. Die darauf folgenden (und ebenso ohne Papierwechsel eingebundenen) Fotografien des Nominalkatalogs von Octavian Trauttmansdorff können in Verbindung mit den Bildtafeln gebracht werden. Die seitenfüllenden Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen das Exponat in seiner ursprünglichen Umgebung sowie Detailansichten. Bilder von den einzelnen Ausstellungsorten sind ausgeklammert, der originale Kontext wird gezeigt. Diese „Bildtafeln“ präsentieren sich völlig ohne Text, ohne Paginierung, das Foto auf der rechten Seite gegenüber einem weißen Blatt. Sind diese Bilder als Haupttext zu verstehen? Oder ergeben die drei soeben genannten Elemente den Haupttext? Auch hier zeigt sich, dass die starren Kategorisierungen der Realität nicht standhalten können und viel offener gesehen werden müssen. Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass hier ein Bildnachweis angeführt wird und somit nicht nur die Urheber der Texte, sondern auch die der Fotografien Erwähnung finden. Dies kann als Indiz für den steigenden Wert des Bildes gesehen werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser Katalog in gewisser Weise eine Sonderstellung einnimmt und sich von den anderen hier diskutierten Beispielen unterscheidet: Einerseits handelt es sich nicht um eine reine „Kunstausstellung“ im traditionellen Sinne, andererseits handelt es sich auch nicht um einen herkömmlichen Ausstellungskatalog. U. a. deshalb, weil der Grafiker dieser Publikation auch gleich Herausgeber, Künstler und Organisator der Ausstellung ist und somit die Grenzen zum Künstlerbuch aufgeweicht werden. Des Weiteren nehmen die Texte
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an sich den Stellenwert von Kunstwerken ein, präsentieren sich gleichwertig mit ebendiesen und gehen über klassische Einleitung, Vorwort, Beschreibung etc. hinaus. Die Abgrenzung zwischen Haupt- und Paratexten verschwimmt. Als zweites Beispiel möchte ich den Katalog „Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Verzeichnis der Gemälde“ aus dem Jahr 1991 genauer betrachten.136 Allein seine physische Erscheinung lässt keinen Zweifel aufkommen, dass es sich hierbei um ein „catalogue-document“ handelt (vgl. Genette: stofflicher Status). Mit den Maßen 21,5 mal 28,5 Zentimeter und der stolzen Seitenzahl von über 840 Seiten ist dieser Katalog gänzlich ungeeignet für die Lektüre in der Sammlungspräsentation, sondern dient der Recherche außerhalb der realen Ausstellung, außerhalb des öffentlichen Raumes. Der Katalog wird auch im Vorwort als „ein wertvolles Dokument und umfangreiches, wenn auch letztlich nicht vollständiges Bestandsverzeichnis einer der bedeutendsten Gemäldegalerien überhaupt“137 bezeichnet. Der Katalog erscheint anlässlich der Neugestaltung der Galerieräume, dies kann somit als Verbindungspunkt zwischen Publikation und Präsentation gesehen werden. Des Weiteren wird, der Tradition folgend, die „Geschichte der Gemäldegalerie“ in einem beinahe dreiseitigen Text dem Leser dargelegt. Dies baut somit ebenso eine Brücke zur realen Sammlung. Dieser Text steht in der bisher schon umrissenen Tradition des Paratexts, der dem Leser die Geschichte der Sammlung bzw. des Aus-
136 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Verzeichnis der Gemälde, Edition Christian Brandstätter, Wien, 1991 Aufbau: 1.) Impressum, 2.) „Inhalt“, 3.) „Einleitung“ von Wilfried Seipel, 4.) „Vorwort“ von Karl Schultz, 5.) „Geschichte der Gemäldegalerie“ von Wolfgang Prohaska, 6.) „Benützungshinweise“, 7.) „Abkürzungen“, 8.) Bildtafeln „Italienische Malerei“, „Venezianische Malerei“ usw. (chronologisch geordnet) bis hin zur „Englischen Malerei“, Angabe: Inventarnummer, Name des Künstlers, Titel, Jahresangabe, 9.) „Verzeichnis der zitierten Inventare und Kataloge“, 10.) „Verzeichnis der gekürzt zitierten Literatur“, 11.) „Verzeichnis der Gemälde“ (alphabetisch nach Namen der Künstler geordnet), Angabe von: Name des Künstlers, Titel, Verweis auf Nummer der Bildtafeln, Material/Technik, Maße Inventarnummern, Jahresangabe, ggf. Zusatzinformation, 12.) „Geänderte Zuschreibung gegenüber Verzeichnis 1973“, 13.) „Ikonographisches Register“ nach Themen geordnet (entsprechend dem Register der Bildnisse; alphabetisch geordnet mit Angabe des Künstlers und der Inventarnummer) 137 Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Verzeichnis der Gemälde, 1991, S. 7
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stellungshauses zu Beginn des Katalogs vorstellt, um ein besseres Verständnis des Haupttexts – der Liste – zu ermöglichen. Da hierbei beinahe alle Gemälde reproduziert werden, eignet sich der Katalog für den von den Originalen unabhängigen Gebrauch. Er umfasst 2341 Abbildungen – ausschließlich in Schwarz-Weiß –, die sich teilweise Seiten, die sogenannten „Tafeln“, teilen (es findet kein Papierwechsel mehr statt). „Prinzipiell sind alle verzeichneten Gemälde bis auf ganz wenige Ausnahmen abgebildet, die künstlerisch bedeutenden Werke ganz- oder halbseitig, die übrigen in kleinerem Format.“138 Mehr als die Hälfte der hier präsentierten Bilder sind zu dieser Zeit ausgestellt. Die Kurzangaben befinden sich entweder neben oder unterhalb der Abbildung und geben Verweise auf den Textteil des Katalogs, in dem der Leser weiterführende Informationen erhält. Hier handelt es sich um ein klassisches Recherchetool, das dem interessierten Leser als Informationsquelle dienen soll. Die Abbildungen sind ausschließlich Reproduktionen der Gemälde und lassen keinen Schluss auf die Hängung im Kunsthistorischen Museum zu, es entsteht kein direkter Bezug zur Schausammlung. Dies lässt im weitesten Sinne an die Galerienstücke denken, die eine Sammlung bildlich zusammenfassen, unabhängig davon, ob alle dargestellten Werke auch wirklich gemeinsam gezeigt werden. Es geht vielmehr um die Abbildung der gesamten Sammlung und weniger um die Festhaltung einer temporären partiellen Präsentation. Die hier diskutierten Beispiele sollen einen kurzen Einblick in die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum geben, entbehren aber jeglicher Vollständigkeit. Dennoch lässt sich eine generelle Entwicklungsrichtung erkennen und unterschiedliche Tendenzen der Sammlungs- und Ausstellungskataloge lassen sich verzeichnen, die die Basis für die nachkommenden Neuerungen bilden. Zusammenfassend kann ich feststellen, dass die Vielfalt der Kataloge stetig wächst, die Ausstellungskataloge weiterhin nach neuen Wegen suchen, wohingegen die Sammlungskataloge vielmehr der Tradition verhaftet sind. Die Bilder nehmen eine immer wichtiger werdende Stellung ein, sind aber weiterhin zumindest teilweise in Schwarz-Weiß (sei es aus gestalterischen oder finanziellen Gründen). Auch dem Layout bzw. der Gesamtgestaltung des Katalogs wird immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, sodass der stoffliche Einfluss immer weiter ansteigt. All diese Punkte werden in den folgenden Jahren auf unterschiedliche Weise weitergeführt.
138 Ebd., S. 9
1.8 Der Katalog im 21. Jahrhundert
Das derzeit noch recht junge 21. Jahrhundert ist bisher u. a. durch die Ausprägung der Informationsgesellschaft sowie die Beschleunigung und Globalisierung gekennzeichnet. All das sind Aspekte, die sich auch auf das aktuelle Katalogwesen auswirken.1
1.8.1 E INFÜHRUNG Die meisten Druckverfahren, die im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts genutzt werden, haben ihren Ausgangspunkt Ende des 20. Jahrhunderts. Wie z. B. der Offsetdruck, der auch in der Katalogproduktion eingesetzt wird und zu einem der wichtigsten indirekten Flachdruckverfahren zählt. Meist wird mit dem konventionellen Offsetverfahren gedruckt, d. h. vereinfacht gesprochen, die Druckplatte (meist aus Aluminium oder Polyester) wird mit dem Motiv beschichtet und anschließend befeuchtet. Die Stellen, an denen in der Folge keine Farbe aufgenommen werden soll, nehmen das Feuchtmittel auf, die Stellen, die auf der Platte später mit Farbe getränkt werden, stoßen das Feuchtmittel ab.2 Dieses Druckverfahren ermöglicht eine sehr gute Druckqualität bei hoher Auflage. Eine weitere entscheidende Entwicklung stellen die unterschiedlichen Digitaldrucke dar. Diese eignen sich speziell für eine niedrigere Auflage bei hoher Qualität. Dieses Druckverfahren hat auch Einfluss auf die Katalogpublikationen. Künstler oder kleine Institutionen können nun auch mit einem geringeren Budget eine niedrige Auflage an Katalogen veröffentlichen. Aber auch „books on demand“ werden dank des Digitaldrucks seit den 1990er-Jahren immer öfter konzipiert. Der Unterschied zu herkömmlichen Druckverfahren ist, dass u. a. die Auflage nicht vor-
1
Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 77
2
Vgl. Kipphan, Helmut (Hrsg.): Handbuch der Printmedien: Technologien und Produktionsverfahren, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2000, S. 54ff.
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ab festgelegt werden muss, sondern die Anzahl der gedruckten Exemplare genau der Nachfrage entspricht.
1.8.2 E NTWICKLUNG DES K ATALOGS IN B EZUG AUF DAS M USEUMS - UND A USSTELLUNGSWESEN Die zu einer bestimmten Epoche vorherrschenden Kunstpraxen beeinflussen selbstverständlich das Ausstellungs- und Museumswesen (sowie das Rezeptionsverhalten der Besucher) und umgekehrt. 1.8.2.1 Entwicklung des Ausstellungs- und Museumswesens Das vermehrte Aufkommen von Videokunst in den letzten Jahrzehnten des 20. bis hin zu den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts führt zu einer Suche nach einer adäquaten Präsentation dieser Arbeiten in Ausstellungen. Charlotte Klonk erwähnt in diesem Zusammenhang die documenta 11 (2002), die dem Publikum eine noch nie dagewesene Anzahl an Videoarbeiten präsentiert.3 Einerseits werden die Arbeiten auf Bildschirmen bei Beinahe-Tageslicht gezeigt (z. B. Raqs Media Collective: G28°28‘ N/77°15‘E: 2001-2001 [„An Installation on the Co-ordinates of Everyday Life in Delhi]“, 2001/2002) oder andererseits als Wandprojektion in abgedunkelten Räumen (z. B. Craigie Horsfield: El Hierro Conversation, 2002) präsentiert. Aber nicht nur die in den Werken eingesetzten Neuen Medien beeinflussen die Präsentationsformen. Auch die Reflexion über die bisher dagewesenen Formen spiegelt sich in den Szenografie wider. Klonk weist hier auf die documenta 12 (2007) hin, die sich auf unterschiedliche historische Ausstellungsdisplays bezieht. Roger Buergel und Ruth Noack verweisen bei der Präsentation im Museum Fridericianum auf die documenta aus dem Jahr 1955 und die ihr typischen Präsentationsformen; die Neue Galerie greift das Museumsmodell des 19. Jahrhunderts auf; die documenta-Halle zitiert die in den 1980er-Jahren vorherrschende Präsentation in den damals gebauten Hallen; der Crystal Palace, eine speziell für die documenta 12 in der Aue errichtete temporäre Architektur, versucht ein neues, nomadisches Ausstellungsdisplay. Interessant ist hier, dass der klassische White Cube in seiner ursprünglichen Form keine Umsetzung findet (Klonk kritisiert, dass die den unterschiedlichen Präsentationsformen immanente Rezeptionsform zu wenig Beachtung
3
Vgl. Klonk, Charlotte, 2009, S. 216
1.8 D ER K ATALOG
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findet).4 Durch diese Metaebene werden die bisherigen Formen aufgenommen, ein Neuversuch wird vorgeschlagen und zur Diskussion gestellt. Neben dem Ausstellungs- und Museumswesen gibt es auch im universitären Bereich Sammlungen, die in unterschiedlichen Präsentationsformen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Man denke in diesem Zusammenhang an die Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien, die seit den 1980er-Jahren kontinuierlich aufgebaut und erweitert wird. Diese Sammlung verfügt nicht über einen permanenten Schauraum, sondern dient in erster Linie der Forschung (die Bestände werden laufend digitalisiert), spiegelt die sich ändernde Identität der Universität wider und steht für Leihanfragen zur Verfügung. Diese Sammlung soll nun in der im Jahr 2010 gestarteten Publikationsreihe „edition angewandte“ in Auswahlbänden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.5 So wird der eigentliche Präsentationsort von Originalen in einen zweidimensionalen Ort, den Katalog, umgewandelt und durch die Online-Datenbank erweitert. Die Sammlung erfährt daher ihre Präsentation in erster Linie nicht über die Originale, sondern über Abbildungen, die sowohl im gedruckten als auch im Online-Bereich der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Publikationen und Online-Präsentationen – eine neue Form der Ausstellung? Seit Ende des 20. Jahrhunderts werden in Museen und Ausstellungen immer häufiger Multimedia-Elemente eingesetzt.6 V. a. in technischen und naturhistorischen Präsentationen wird in der Vermittlung u. a. auf Computersimulationen, Screening oder interaktive Versuche zurückgegriffen. (Vgl. dazu z. B. die Sonderausstellung „Chromjuwelen“, die im Jahr 2007/2008 im Technischen Museum in Wien stattfindet und für die ein spezielles Mediakonzept entwickelt wird. Am Rande soll auch bemerkt werden, dass anlässlich dieser Ausstellung zum ersten Mal ein Multimedia-Guide im TMW zum Einsatz kommt.7) Aber nicht nur in der Ausstellung an sich breiten sich die Neuen Medien wie computergestützte Vermittlung oder weiterführende Informationen auf speziell be-
4
Vgl. ebd., S. 220
5
Vgl. Werkner, Patrick (Hrsg.), 2010, S. 9f.
6
Dies kann auch in Zusammenhang mit der Etablierung von Internetkunst gesehen werden. Diese ist nicht mehr an den Ausstellungsort oder das Museum gebunden, sondern kann von zu Hause aus am eigenen Computer rezipiert werden. Klonk sieht hier nicht eine Bedrohung des Museums durch diese neue Kunstpraxis, sondern die Möglichkeit für einen Austausch (vgl. Klonk, Charlotte, 2009, S. 215).
7
Vgl. technisches museum wien: [Online]. Verfügbar unter: http://www.tmw.at/ (Stand 1.7.2014)
172 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
reitgestellten Internetterminals immer weiter aus. Auch die Ausstellung an sich sucht sich einen Platz in diesem Bereich: Anfänglich auf CD-ROMs und heute als Online-Präsentationen sind Sammlungspräsentationen und Ausstellungen (meist in einem zeitlich begrenzten Rahmen) jederzeit und überall zugänglich. Durch das Aufkommen der Neuen Medien und im Besonderen durch das Internet und seine weitverbreitete Zugänglichkeit erfahren Ausstellungs- und Sammlungspräsentationen sowie die damit in Verbindung stehenden Publikationen eine tief gehende Weiterentwicklung. 1.8.2.2 Entwicklung des Katalogs Vor dem soeben skizzierten Hintergrund entwickelt sich das Genre des Ausstellungs- und Sammlungskatalogs fortlaufend weiter. Diese Veränderungen werden aber nicht ausreichend von einer theoretischen Auseinandersetzung begleitet. Der deutsche Kurator und Publizist Michael Glasmeier kritisiert, dass sich „[t]rotz übermäßiger Katalogproduktion mit eigenen Marktgesetzen und Vertriebssystemen [...] nur spärliche Reflexionen versteckt zwischen Bibliothekswissenschaft, Museologie und Theorien zum Künstlerbuch“8 finden. Dieser Strömung wirkt die Publikation „Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie“, die im Jahr 2004 im Salon Verlag herausgebracht wird, entgegen. Sie beleuchtet u. a. von unterschiedlichen Standpunkten ausgewählte historische Aspekte sowie die Beziehung zwischen Katalog und Ausstellung. Die Notwendigkeit einer Fortsetzung bzw. Ausweitung dieses Ansatzes ist zentral für die hier vorliegende Recherche. Dagmar Bosse, die Herausgeberin der genannten Publikation, hält fest, dass Anfang des 21. Jahrhunderts der Trend zu ansteigenden Seitenzahlen weitergeht, die Kataloge immer dicker und umfangreicher werden sowie immer mehr Farbabbildungen umfassen und sich immer weniger für den Gebrauch in der Ausstellung eignen.9 Diese Entwicklung wird auch durch meine Analyse bestätigt. Um dem Besucher in der Ausstellung dennoch Informationen zugänglich zu machen, etabliert sich der Kurzführer bzw. werden Faltblätter angeboten, die in der Tradition des „catalogueen-acte“ stehen. Man denke in diesem Zusammenhang an die Ausstellung „Beziehungsarbeit“ (Künstlerhaus Wien, 2011). Neben dem (verhältnismäßig handlichen – 17 mal 24 cm –, aber) sehr umfangreichen Katalog wird dem Besucher ein „Handout“ angeboten. Dieses ist nach Räumen aufgebaut und stellt Informationen zu den ausgestellten Arbeiten sowie Kurzbiografien der Künstler zur Verfügung. Der Aufbau des Handzettels entspricht dem Aufbau der Ausstellung und ermöglicht
8
Glasmeier, Michael: Vorwort, in: Bosse, Dagmar (Hrsg.): Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie, Salon Verlag, Köln, 2004, S. 7
9
Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 40–41
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somit eine leichte Orientierung und Identifizierung, die über die Labels hinausgeht, aber noch nicht einem Ausstellungskatalog entspricht. Am Ende des Handouts befindet sich der „Index“, der alphabetisch geordnet die Künstlernamen auflistet, die Leihgeber der Arbeiten anführt und auf die betreffenden Seiten verweist. Diese Systematisierung weist auf die in den Katalogen normalerweise umgesetzten Strukturen hin. Der Katalog zur Ausstellung10 hingegen orientiert sich weniger an den ausgestellten Werken oder den Künstlern, sondern beschäftigt sich eingangs vielmehr mit der Thematik der Ausstellung. Er enthält ein Vorwort, das vom Präsidenten der Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs und des Direktors des Künstlerhauses verfasst wurde. Danach folgen weitere Texte sowie ein Interview mit dem Kurator und Herausgeber des Katalogs. Erst im Anschluss daran folgt das Werk- und Abbildungsverzeichnis, das sich auf die wesentlichen Fakten konzentriert, und nicht wie das Handout dem Leser Texte über die einzelnen Werke anbietet. Interessant zu vermerken ist auch die Zweiteilung des Katalogs. Einmal gedreht und von hinten aufgeschlagen, entdeckt der Leser einen zweiten Teil, der sich auf den Kontext der Ausstellung bezieht:
10 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Fritz, Martin; Bogner, Peter; Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs; Künstlerhaus (Hrsg.): Beziehungsarbeit – Kunst und Institution, Schlebrügge Editor, Wien, 2011 Aufbau: 1.) „Impressum“ (auf Deutsch und Englisch), 1a.) Angaben zu den Autoren (auf Deutsch und Englisch), 2.) „Inhaltsverzeichnis“, 3.) „Vorwort zu einer Institiution zwischen Beziehung und Kunst“ von Joachim Lothar Gartner und Peter Bogner (gefolgt von der englischen Übersetzung), 4.) „Die Arbeit geht weiter“ von Astrid Wege (gefolgt von der englischen Übersetzung), 5.) „Die Scheidungsrate ist niedrig. Martin Fritz im Gespräch mit Nina Schedlmayer“ (gefolgt von der englischen Übersetzung), 6.) „Werkverzeichnis“ (nur auf Deutsch, alphabetisch nach Künstlernamen geordnet), 7.) „Abbildungen“ (alphabetisch nach Künstlernamen geordnet), 8.) „Einschlüsse und Ausschlüsse (des Kanons) der Institutionskritik“ von Christian Kravagna (gefolgt von der englischen Übersetzung) // dann den Katalog drehen und von der anderen Seite: 1.) „Kontextmaterial“: kurze Erklärung der Zweiteilung des Katalogs in Bezug auf die Ausstellung (gefolgt von der englischen Übersetzung), 2.) „Inhaltsverzeichnis“, 3.) „Entwurf Verkaufsvertrag“ (Bildmaterial), 4.) „Abbildungen der Entwürfe für den Neubau“ (Bildmaterial), 5.) „Protokoll der außerordentlichen Hauptversammlung vom 8. September 1966“ (Bildmaterial), 6.) Inserate
174 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0 „Im Rahmen der Ausstellung werden acht Wandzeitungen mit Kontextmaterial aus dem Archiv der Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs, Künstlerhaus gezeigt. Als Auszug ist hier das Material der Wandzeitung zum in den 1960er Jahren geplanten Abriss und Umbau reproduziert.“11
Die beiden Bereiche werden durch den Inseratteil voneinander getrennt. Dieses Beispiel zeigt, dass sich nun die Charakteristika des Katalogs nicht mehr auf diesen beschränken. Die Liste, das ursprüngliche Herzstück des Katalogs, wird nur in einer gekürzten Form in ebendiesen aufgenommen, die vollständige Fassung wird in das Handout ausgelagert und dient dem Leser als Informationsquelle in der Ausstellung. Der Katalog an sich fokussiert sich vielmehr auf seine Funktion als Recherchetool und Quelle für weiterführende Information. Ein anderes Beispiel stellt der Katalog der documenta 1212 dar. Auf ausdrücklichen Wunsch des Kurators wird kein „catalogue-document“ zusammengestellt und bewusst auf weiterführende Texte verzichtet, um ein handliches Format zu ermöglichen. Der Katalog ist somit Kurzführer und Katalog in einem. Durch das Format (22,5 mal 17 cm) bietet er sich für den Gebrauch in der Ausstellung an. Jedoch bildet dieser nicht die Struktur der realen Präsentation ab, sondern ordnet – sehr untypisch hinsichtlich der historischen Entwicklung des Ausstellungskatalogs – die einzelnen teilnehmenden Arbeiten nach ihrem Entstehungsdatum. Diese chronologische Herangehensweise hat zur Folge, dass manche Künstler, die mit mehreren Arbeiten in der Ausstellung vertreten sind, auch öfter im Katalog an unterschiedlichen Stellen genannt werden. Jedoch wird die alphabetische Ordnung nicht ganz aufgegeben, sondern in der Künstlerliste sowie im Werkverzeichnis wieder aufgegriffen. Das somit sehr verzweigte Referenznetz ist von unterschiedlichen Ausgangspunkten zugänglich.
11 Fritz, Martin; Bogner, Peter, Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs, Künstlerhaus (Hrsg.), 2011, S. 3 12 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Marte, Isabella (Hrsg.): documenta 12, Kassel, Taschen Verlag, Köln, 2007 Aufbau: 1.) „Inhalt“, 2.) Einleitung von Bertram Hilgen, 3.) „Vorwort“ von Roger M. Buergel und Ruth Noack (gefolgt von der englischen Übersetzung), 4.) „Chronologie“ (Werkabbildungen
und Kurzbeschreibungen),
5.) „KünstlerInnen“
(Künstlerliste
alphabetisch geordnet mit Kurzbiografie, gefolgt von der englischen Übersetzung), 6.) „AutorInnen“, 7.) „Werkliste“ (alphabetisch nach Künstlernamen geordnet), 8.) Inserate, 9.) „Team documenta 12“, 10.) „Impressum“, 11.) „Dank“, 12.) „Bildnachweis“, 13.) „KünstlerInnen“ (alphabetisch geordnet mit Verweis auf die jeweilige Seite)
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Bemerkenswert ist, dass dieser Katalog, abgesehen vom einleitenden Text des Oberbürgermeisters sowie dem Vorwort der künstlerischen Leitung, keine weiteren Paratexte aufweist und der Fokus auf die einzelnen Exponate und die Künstler gelegt ist.13 Trotz dieser Vielfalt sollten laut Paula Marincola für einen guten Ausstellungskatalog folgende Punkte beachtet werden: „[…] the catalog should reflect that diversity by being written in language the common reader can understand and with respect for what the common reader is likely to know about art coming in. […] They have come to see the show and then sat down to learn about what they have seen […]. […] the author should not indulge in exclusive discourses, […] the author should never talk down to the reader.“14
Interessant zu bemerken ist, dass hier das Verhältnis zwischen Autor und Leser als Kriterium für einen gelungenen Katalog angesprochen wird. Somit spricht sich Marincola gegen die auf ein kleines Publikum fokussierte, fachspezifische Ausrichtung der Texte aus und plädiert für eine allgemeine Verständlichkeit – auch der weiterführenden Information. Sie reiht den Katalog demnach vielmehr in den Bereich der Vermittlung ein und weniger in die Serie von Recherchetools.15
13 Bei der documenta 12 gibt es nicht nur den Katalog, sondern noch weitere Publikationen, die bis zu einem gewissen Grad die Funktion des „catalogue-document“ aufnehmen und neu interpretieren. Vgl. dazu z. B. die „Magazines“, die eine theoretische Weiterführung der Ausstellung bieten, oder das „Coffee Table Book“, das auf visueller Ebene Zeugnis der Ausstellung ablegt. 14 Marincola, Paula (Hrsg.), 2006, S. 27f. 15 Paula Marincola bezieht sich des Weiteren auch auf das Verhältnis zwischen Künstler, dessen Werke in der Ausstellung gezeigt werden und in der Folge in dem jeweiligen Katalog reproduziert werden, und Katalogherausgeber, was mir sehr interessant und relevant erscheint. In diesem Kontext überschreitet es aber den Rahmen u. a. auch deshalb, weil sie sich hierbei auf Kalatoge von Einzelausstellungen bezieht. „To insure that catalogs for one-person exhibitions not be uncritical testimonials to the art and artist in question, the exhibition-maker and catalog editor should maintain complete authority over its design and contents.“ [Marincola, Paula (Hrsg.), 2006, S. 28] „Catalogs are not vanity publications nor are they made primarily for the aesthetic satisfaction of the artist. Rather they exist to convey in the optimum manner in another medium the basic thrust of the exhibition. Artists may ask for approval of the texts published about them, but they should not be granted it.“ [Marincola, Paula (Hrsg.), 2006, S. 28]
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Aber nicht nur im Bereich der Ausstellungskataloge ist eine große Vielfalt erkennbar. Auch die Sammlungskataloge erfahren – wenn auch in weniger experimentellem Ausmaß – eine Weiterentwicklung. Die meisten Sammlungskataloge werden, wie schon erläutert, anlässlich einer Sammlungspräsentation herausgegeben. Beim nun folgend analysierten Katalog „Rückblende. Die Fotosammlung der Neuen Galerie Graz“16 handelt es sich jedoch um einen Sammlungskatalog, der nicht im Zusammenhang mit einer Präsentation erscheint, sondern die gesamte fotografische Sammlung der Neuen Galerie in Graz präsentiert. Der insgesamt 608 Seiten umfassende, großformatige Katalog ist nicht zuletzt aufgrund seiner Dimensionen nicht für den Gebrauch in der Sammlungspräsentation (also kein „catalogue-en-acte“), sondern für die Lektüre und Recherche zu Hause, abseits der Ausstellung (als „catalogue-document“), gedacht. Grob gesprochen besteht der Inhalt aus zwei insgesamt sechs Seiten umfassenden einleitenden Texten, einem in acht Kapitel unterteilten Tafelteil (meist ein Bild pro Seite, laufend durchnummeriert, Angabe des Namens des Fotografen, Titel und Jahreszahl sowie ggf. Angaben zum Copyright), der sich auf über 350 Seiten erstreckt, einem aus zwei Beiträgen bestehenden Textteil (78 Seiten) und den biografischen Angaben zu den Fotografen sowie dem Werkverzeichnis (insgesamt 154 Seiten). Durch diesen Überblick lässt sich deutlich die Gewichtung der einzelnen Kapitel erkennen: Die Bildtafeln nehmen den prominentesten Platz ein und machen gemeinsam mit den ergänzenden Werkangaben und Künstlerbiografien (= Liste) ungefähr fünf Sechstel des Katalogs aus. Dies entspricht dem ursprünglichen Verständnis des Katalogs, das die Liste ins Zentrum rückt. Der namensgebende Hauptteil des Katalogs ist die Liste (= le catalogue), die aber stets von anderen Paratexten, wie z. B. einem Vorwort oder einer Einleitung, begleitet wird.17 Beim vorliegenden Beispiel handelt es sich bei der Liste, dem Herzstück des Katalogs, um die biografischen Angaben der Künstler in Kombination mit der Werkliste: Name des Künstlers (alphabetisch geordnet), Geburtsjahr und -ort, Sterbejahr und -ort oder Angabe, wo der Künstler lebt und arbeitet. Danach folgen eine als Fließtext verfasste Biografie sowie eine Ausstellungsliste und eine Kurzbibliografie. Im Anschluss daran werden die einzelnen Werke mit Titel, Jahr, Material und Technik, Maßen, Provenienzangabe, Inventarnummer und Verweis auf die
16 Vgl. Steinle, Christa; Peer, Peter; Buol-Wischenau, Karin (Hrsg.): Rückblende. Die Fotosammlung der Neuen Galerie Graz, FolioVerlag, Wien, Bozen, 2011 (die analysierte Ausgabe ist die Buchhandelsausgabe mit dem Hardcover) 17 Camille Morineau hält eine dreiteilige Gliederung des Aufbaus fest: 1.) Liste (catalogue), 2.) Texte (Einleitung, weitere Listen, Beschreibungen, Bibliografien ...) und 3.) Reproduktionen. Das Verhältnis und die Gewichtung dieser drei Elemente verändern sich im Laufe der Zeit [vgl. Morineau, Camille, 1990, S. 45f. (Première Partie)].
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Bildtafel ausgewiesen. Dieser Aufbau spielt auf die Anfänge des Katalogs an und dient dem Leser als Recherchegrundlage. Da die Fotosammlung der Neuen Galerie Graz meist nicht komplett präsentiert wird und auch weil die Publikation nicht anlässlich einer Ausstellung erscheint, steht der Katalog mit seinen Texten und Bildtafeln nicht im direkten Bezug zur Sammlungspräsentation, sondern vielmehr zur Sammlung an sich und genauer zu den einzelnen Werken, die sich nicht zwingend an einem Ort befinden müssen (Leihgaben, Depot ...). Der Katalog stellt somit nicht eine Übersetzung der Ausstellung in den Katalog dar, sondern steht in direktem Bezug zur (nicht exponierten) Sammlung. Auch durch die über die Sammlung an sich weiterführenden Textbeiträge von Peter Weibel und Wolfgang Fenz stellt dieser Katalog ein Recherchewerkzeug für ein interessiertes Publikum dar, aber eignet sich nicht für den Gebrauch direkt in einer Ausstellung. Zusammenfassend kann man sagen, dass „catalogue-en-acte“ und „cataloguedocument“ nun parallel zu einer Präsentation existieren: In Form von Handzetteln, Faltblättern u. Ä. wird die Leitfunktion fortgesetzt, während der klassische Katalog, das „catalogue-document“, immer weiter an Gewicht zulegt und als Dokumentation der Ausstellung und der Werke dient. Parallel dazu gibt es aber einige gegenläufige Entwicklungen, die sowohl diese Trennung als auch den klassischen Aufbau bzw. die bisherige Struktur infrage stellen. Auch einige Künstler wie z. B. Mauricio Cattelan beschäftigen sich mit dem Genre Katalog, dessen Rolle und Aufgabe (vgl. den Katalog „6th Caribbean Biennial“18). Rolle des Texts Ich möchte die Rolle der unterschiedlichen Textsorten anhand eines ausgewählten Beispiels darlegen. Die Wahl fällt auf den relativ klassischen Sammlungskatalog „Rückblende. Die Fotosammlung der Neuen Galerie Graz“, der gerade eben Erwähnung fand, aber aufgrund seiner klaren Gliederung ein gutes Beispiel darstellt. Das Augenmerk soll hier auf die einleitenden Texte gelegt werden. Diese umfassen das „Editorial“ (Vorwort, Einleitung) von Christa Steinle und den Text „Zur Geschichte der Fotosammlung der Neuen Galerie Graz“ von Peter Peer.19
18 Vgl. Cattelan, Maurizio: 6th Caribbean Biennial – A Project by Maurizio Cattelan, Les presses du réel, Paris, 2001 19 Die nachfolgende Analyse basiert auf der Untersuchung von: Steinle, Christa; Peer, Peter; Buol-Wischenau, Karin (Hrsg.): Rückblende. Die Fotosammlung der Neuen Galerie Graz, FolioVerlag, Wien, Bozen, 2011 (die analysierte Ausgabe ist die Buchhandelsausgabe mit dem Hardcover)
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Um das Verhältnis der einleitenden Texte zum Haupttext zu analysieren, muss erst die Frage nach dem Haupttext geklärt werden. Angesichts der Tatsache, dass die Bildtafeln den meisten Platz beanspruchen und in diesem Fall den Kern des Katalogs darstellen, möchte ich die gedruckten Reproduktionen der Fotos als Haupttext ansehen. (Es wäre natürlich auch denkbar, die Werkangaben, die mit den Künstlerbiografien verschränkt sind, als Haupttext anzusehen. Diese Setzung beeinflusst aber nicht wesentlich die hier im Anschluss getätigten Überlegungen.) Beide einleitenden Texte können als klassische Peritexte gesehen werden, da sie in unmittelbarer Nähe zum Haupttext angesiedelt sind. Beide sind anlässlich dieses Katalogs von den Herausgebern verfasst worden, also ungefähr gleichzeitig mit den Reproduktionen der einzelnen Fotoarbeiten, und reihen sich somit zu den originalen Paratexten ein (im Gegensatz dazu ist der Text „Steiermark: Szene aus dem gleichnamigen Stück“ von Wolfgang Fenz ein früher Paratext, da es sich hierbei um den Wiederabdruck eines Texts aus dem Jahr 1996 handelt). Hinsichtlich ihrer Stofflichkeit sind beide Einleitungstexte reine Texte. Es gibt nicht einmal kleine Referenzabbildungen auf diesen Seiten. Sie weisen selbstverständlich auch ein grafisches Erscheinungsbild auf, das sich auf den gesamten Katalog erstreckt. Dunkle Schrift auf weißem Grund, der Titel ist deutlich als solcher erkennbar, darunter gut leserlich der Name des Autors, klare Gliederung der Absätze und Flattersatz mit relativ wenigen Abtrennungen dominieren das Layout. Für den Leser ermöglicht dies eine leichte, zugängliche Lektüre. Der Kontext für diese beiden Texte wird durch die Angabe der Autorennamen gegeben, die dem interessierten Publikum bekannt sind. Der Titel des zweiten Texts stellt den Bezug zur originalen Sammlung her, die von den Lesern möglicherweise teilweise gekannt wird. Durch dieses Wissen wird somit der Kontext beeinflusst. Auch der Umstand, dass das Buch Hardcover und traditionelles Erscheinungsbild aufweist, lässt beim Leser den Eindruck entstehen, dass es sich hierbei um ein beständiges Werk mit gewissem Einfluss und Reputation handelt. Dies setzt den Katalog „Rückblende. Die Fotosammlung der Neuen Galerie Graz“ von kurzlebigen heftchenartigen Katalogen, die meist in Verbindung mit temporären Ausstellungen gesetzt werden, ab.20
20 Bei der Frage nach Empfänger und Sender dieser beiden Paratexte muss man vorsichtig sein: Wenn man die reproduzierten Bildtafeln als Haupttext sieht, und somit die scannenden Mitarbeiter als Autoren ansehen muss, handelt es sich hierbei um zwei verlegerische Paratexte. Wenn hingegen die Liste der Werkangaben mit den Künstlerbiografien als Haupttext gesehen wird, muss man wissen, dass diese von Peter Peer angefertigt wurden und dieser als Autor zu sehen ist. In diesem Fall würde es sich beim „Editorial“ um einen verlegerischen (nicht allografischen, da Christa Steinle ja eine der Herausgeber ist), bei
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Schließlich möchte ich noch auf die Funktion dieser beiden Paratexte zu sprechen kommen: Christa Steinle skizziert grob die Entstehung der Sammlung der Neuen Galerie Graz und setzt diese in Beziehung zu den unterschiedlichen Leitern. Abschließend geht sie direkt auf den Katalog ein und schließt mit einer Danksagung an die Beteiligten ab. Steinle bietet einen Kurzeinblick in die Sammlungsgeschichte und erläutert die Umstände, die in der vorliegenden Publikation gegipfelt haben. So soll dieser Paratext den Lesern die erste Orientierung zur Verortung des Katalogs geben und dazu einladen weiterzulesen. Peter Peers Text ist ungefähr doppelt so lang. Auch er stellt die Entstehung der Fotosammlung dar, jedoch in einem größeren Umfang und in Bezug zur Rolle der Fotografie in der Steiermark. Auch kommt er auf die Einbettung der Fotosammlung in die Gesamtsammlung der Neuen Galerie sowie auf deren Profil zu sprechen. Dieser Text bereitet die Leser auf die nachfolgenden Bildtafeln vor. Er breitet die Sammlungsgeschichte aus, spricht die Rolle der Fotografie an und gibt den Rahmen für die nachfolgenden Reproduktionen. Er geht tiefer als der „Epilog“, aber nicht zu tief, um seinen einleitenden Charakter nicht zu verlieren. Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass Genette Bezug nehmend auf Jacques Derrida die Unterscheidung zwischen Vorwort und Einleitung macht, die sich in dem vorliegenden Beispiel gut anwenden lässt: Steinles Text ist das Vorwort, das sich mehr auf die Rahmenbedingungen des Haupttexts bezieht, wohingegen Peers Text die Einleitung darstellt, die in vielmehr inhaltlicher Verbindung zum Haupttext zu sehen ist.21 Die Funktion der einleitenden Texte ist, wie schon bei der Skizzierung der historischen Positionen vermerkt, meist drei Punkten treu: der Legitimation, der Schaffung eines Referenznetzes und der Vorstellung der Sammlungsgeschichte. Diese Aspekte sind auch in den beiden soeben diskutierten Texten zu finden. So stehen diese in der Tradition der klassischen einleitenden Paratexte von Sammlungskatalogen. Neben der ansteigenden Wichtigkeit der Fließtexte ist auch die Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit der Texte nicht außer Acht zu lassen. Um sich an ein internationales Publikum zu wenden, werden die meisten Kataloge zusätzlich zu der Landes-
„Zur Geschichte der Fotosammlung der Neuen Galerie Graz“ um einen auktorialen Paratext handelt. Beide Texte adressieren sich unabhängig vom Haupttext an die Leser und nicht an eine Öffentlichkeit, da sie im Gegensatz zum Cover über die Basisinformationen hinausgehen und eine echte Lektüre erfordern. Beide einleitenden Paratexte zählen natürlich zu den öffentlichen. 21 Vgl. Genette, Gérard, 2001, S. 157ff.
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sprache auch noch in Englisch publiziert. Meist sind es zweisprachige Publikationen, bei großen Wanderausstellungen kann es auch sein, dass es pro Sprachregion eine spezielle Ausgabe gibt (siehe den Katalog zur Ausstellung „Munch L’Oeil Moderne“ im Centre Pompidou bzw. „Munch Modern Eye“ in der Tate Modern, 2012). Oft werden die unterschiedlichen Sprachen verflochten, d. h., dass die englische Übersetzung gleich dem Text nachfolgt (siehe dazu den Katalog der documenta 12 oder auch den Katalog „Beziehungsarbeit“, Künstlerhaus Wien). Es gibt aber auch Beispiele, die eine Trennung der Sprachen vorsehen, sodass die Texte in der Zweitsprache hinten angehängt sind, meist ohne oder ausschließlich mit SchwarzWeiß-Abbildungen. Nicht nur der Umfang und der sprachliche Aspekt der Texte verändern sich. Auch die Bildunterschriften und Bildnachweise sind einer Veränderung unterzogen. In einer Zeit, in der die Bildrechte zumindest im Print-Bereich sehr streng gehandhabt werden, nehmen die Bildnachweise einen nicht zu verachtenden Stellenwert in den Katalogen ein. Diese werden entweder in Kombination mit den Werkangaben angeführt oder – wie es häufig der Fall ist – separat aufgelistet. So stehen dem Leser nicht nur Angaben zu dem abgebildeten Werk in Form der Werkangabe zur Verfügung, sondern auch Informationen über die Abbildung an sich. Zusätzlich dazu geben die Bildunterschriften Auskunft über die Werke und Abbildungen. Standen sie früher oft in unmittelbarer Nähe zu den Bildern, werden sie nun immer häufiger auf der gegenüberliegenden Seite angebracht, durch eine kleine Referenznummer ersetzt (vgl. den Katalog „Beziehungsarbeit“), die auf die Bildnachweise hinweist, oder sie werden sogar ganz weggelassen. Der Leser muss sich dann diese durch die Seitenzahl in den Bildnachweisen selbstständig suchen. Bild und Text werden somit im Katalog räumlich getrennt. Die Bildunterschriften fungieren nun nicht mehr parallel zum Label in der Ausstellung, sondern sowohl Bild als auch Text stehen visuell für sich, können aber über Referenznetze eindeutig zugewiesen werden. Im Vergleich zu den einleitenden Paratexten sind die Bildunterschriften und -nachweise einer drastischeren Weiterentwicklung unterworfen: Der Inhalt der Bildunterschriften ist der Bereich, der sich in die Tradition einschreibt. Jedoch erfahren diese eine Veränderung in Position und Verhältnis zum Bild. Die Bildnachweise sind eine verhältnismäßig neue Entwicklung hinsichtlich der Historie des Katalogs und stehen in Verbindung mit den Reproduktionsmöglichkeiten.
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Rolle des Bilds „Dinge abzubilden, sie medial zu fixieren, bedeutet grundsätzlich, sie bestimmten Gestaltungsprinzipien zu unterwerfen und sie so in ihrer Erscheinungsweise zu verändern. Die Abbildung im Ausstellungskatalog löst nicht nur die Gegenstände aus ihrem topographischen, funktionalen und konzeptionellen Zusammenhang heraus, beraubt nicht nur plastische Körper ihrer dritten Dimension und projiziert sie auf die Fläche, sie zwingt auch Objekte verschiedenster Größe in dasselbe Format. Die charakteristische Ausdrucksweise der jeweiligen Abbildungstechnik tut ein übriges, die Dinge einander anzugleichen, indem sie ihre optischen Qualitäten wie Farbe, Materialeigenheiten, Oberflächenbeschaffenheit et cetera erheblich reduziert.“22
Dagmar Bosse fasst in dieser Passage etliche der wichtigsten Aspekte der Abbildungen in Katalogen zusammen, die auch schon an anderen Stellen besprochen wurden. Am Anfang des 21. Jahrhunderts erreichen die Möglichkeiten in der Bildreproduktion ihren bisherigen Höhepunkt. So werden z. B. die herkömmlichen Abbildungen von Kunstwerken manches Mal durch Detailansichten oder Röntgenaufnahmen23 ergänzt und ermöglichen dem Leser den Zugang zu bildhaften Informationen, die nicht zwingend in der Ausstellung präsentiert werden. Aber was ist nun eine Reproduktion? Eine Reproduktion im Bereich der Druckgrafik wird wie folgt definiert: „Drucktechnik: Wiedergabe, Vervielfältigung von Vorlagen.“24 Bosse verweist darauf, dass der Begriff „Reproduktion“ im Zusammenhang mit den Abbildungen25 in einem Katalog nicht zutreffend ist, da eine zweidimensionale abstrahierende Fotografie niemals alle Qualitätsmerkmale wiedergeben kann. Es handelt sich daher vielmehr um eine Übersetzung in ein anderes Medium, um ein Bild des Objekts, als um eine Reproduktion des Originals.26 Jedoch wird der Fotografie eine gewisse Authentizität vom Betrachter zugesprochen. Diese verliert sie aber wiederum nicht erst mit den durch die Digitalfotografie vermehrt auftretenden Bildbearbeitungen bzw. -manipulationen. Fotografien von den Seerosen von
22 Bosse, Dagmar, 2004, S. 37f. 23 Vgl. ebd., S. 41 24 Der Brockhaus – In 15 Bänden, 2., durchgesehene und aktualisierte Auflage, Band 11, F. A. Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 2001, S. 408 25 Interessant sind hier der Verweis auf die Definition der allgemeinen Abbildung und der Bezug zum Urheberrecht: „allg.: gedrucktes Bild (Illustration). Wiss., künstler. und techn. A. (Darstellungen) genießen den Schutz des Urheberrechts.“ [Der Brockhaus – In 15 Bänden, Band 1, 2001, S. 11] 26 Vgl. Bosse, Dagmar, 2004, S. 42
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Claude Monet beispielsweise begegnen uns auf Postkarten, T-Shirts, Kaffeetassen oder Mousepads. Die Farben sind je nach Untergrund strahlend oder matt, eher grünlich oder mit einem Blaustich überzogen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Abbildungen dieses Motivs in unterschiedlichen Katalogen, die es in jeweils einem anderen Farbspektrum mit wechselnder Detailgenauigkeit wiedergeben. Durch diese Vielzahl an unterschiedlichen Abbildungen eines Originals wird ein vom Original unabhängiges Bild in unserem Gedächtnis geschaffen, das – wenn ebendieses erst danach betrachtet wird – gewisse Erwartungen an selbiges generiert oder im gegensätzlichen Fall die Erinnerungen an das Original überlagert. Dagmar Bosse sieht daher einen Übergang: Die mnemotechnische Funktion des Bildes wird nun immer mehr durch die Substitutionsfunktion abgelöst. Das Original, das durch die Übersetzung ins Bild aus seinem ursprünglichen Kontext gelöst wird, findet als Abbildung seinen neuen Ort im Buch.27 Bücher und somit auch Bilder sind beinahe jederzeit und überall zugänglich. Diese Verfügbarkeit wird durch das WWW nochmals gesteigert. Die Anzahl der Bilder in gedruckten Katalogen steigt an und gewinnt weiterhin an Stellenwert. Diese Entwicklung wird aber auch kritisch betrachtet. Der amerikanische Kurator Robert Storr meint dazu: „Accurately reproducing the works in the exhibition, and useful supplementary images are enough, though recently some exhibition catalogs have been expanded to serve as catalogs raisonné to very good effect, mainly because the production was modest as is appropriate to that genre and the information well researched and cogently and concisely set forth.“28
Für ihn ist die bildliche Wiedergabe der Exponate ausreichend. Selbst in umfassenderen Ausgaben spielt für ihn die profund recherchierte Information eine äußerst wichtige Rolle und das Bild steht nicht alleine. In diesem Zusammenhang möchte ich den Katalog „Measuring the World. Heterotopias and Knowledge Spaces in Art“, der anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Kunsthaus Graz im Jahr 2011 erscheint, betrachten.29 In diesem Katalog wird auf unterschiedliche Weise mit Bildern umgegangen. Gleich zu Beginn wird eine Seite der „Geographia“ von Sebastian Münster ganzseitig reproduziert, sodass – auch wenn mit veränderten Maßen – der Eindruck einer Reproduktion entsteht. Im
27 Vgl. ebd., S. 53 28 Storr, Robert: Show and Tell, in: Marincola, Paula (Hrsg.): What makes a great exhibition?, University of the Arts, Philadelphia Exhibitions Initiative, 2006, S. 27 29 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Measuring the World. Heterotopias and Knowledge Spaces in Art, Kunsthaus Graz, Universalmuseum Joanneum, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2011
1.8 D ER K ATALOG
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Textabschnitt sind zahlreiche kleine Schwarz-Weiß-Referenzabbildungen neben den Texten zu finden. Bildunterschriften finden sich bei diesen klassisch darunter positioniert. Dieser Rhythmus wird im dritten Text durch ganze Bildseiten – weiterhin in Schwarz-Weiß gehalten – unterbrochen. Hier findet sich die Bildangabe links neben der Abbildung. Der in der Mitte angelegte Abschnitt der Abbildungen greift den traditionellen Papierwechsel auf: Die nachfolgenden Farbabbildungen sind großformatig auf dickerem Papier gedruckt. Die Angaben befinden sich hier nun oberhalb des Bildes. Die einzelnen Arbeiten sind meist ohne Umgebung oder mit möglichst neutralem Hintergrund abgebildet. Interessant ist hier, dass sowohl in den textbegleitenden Referenzabbildungen als auch in den farbigen Bildern Ausschnitte von Arbeiten gezeigt werden, die in dieser Art nicht in der Ausstellung zu sehen waren (vgl. dazu S. 74/75 oder S. 156/157).30 Den Abschluss bilden die englischen Übersetzungen der Texte, die genau die gleichen Referenzabbildungen wie die deutschen Texte aufweisen und somit eine Doppelung des Bildmaterials zur Folge haben. Auch sind diese auf demselben Papier gedruckt wie die deutsche Version. Abschließend möchte ich festhalten, dass dieser Katalog einzelne Seiten ohne Bilder umfasst, diese aber die Ausnahme darstellen, und dass der Katalog generell eine ausgeglichene Aufteilung des Bildmaterials aufweist. Ein weiteres Beispiel für einen anderen Einsatz des Bildes ist der Kurzführer der 54. Biennale von Venedig, ebenso aus dem Jahr 2011.31 Neben dem offiziellen Ausstellungskatalog und dem Kurzkatalog wird auch ein Kurzführer, der für die Orientierung in der Ausstellung gedacht ist, publiziert. Sein äußerst handliches Format von 11 mal 16,5 Zentimetern sowie die kurzen Texte unterstreichen diese Funktion. Die durchgehend farbigen Bilder sind hier vielmehr zur Identifizierung der Originale gedacht als für Studienzwecke außerhalb der Ausstellung. Die meist sehr kleinen (z. B. 2,5 mal 4 cm) Abbildungen geben keine Details der Werke wieder, sondern helfen ausschließlich bei der Zuordnung der Informationen des Katalogs zum Exponat. Die Bildunterschriften sind sowohl unterhalb als auch neben und über der Abbildung positioniert. Diese Variantenvielfalt spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Bildformaten und wechselnden Typografien wider und gibt dem Kurzführer einen „zitathaften“ Charakter, ohne visuell oder textlich in die Tiefe zu gehen.
30 Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Katalog „The Death of the Audience. Ver Sacrum“, 2011. Hier werden Abbildungen der Rückseiten der gezeigten Arbeiten inkludiert. 31 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Illuminations, Kurzführer der 54. Biennale von Venedig, Marsilio, Venedig, 2011
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Diese beiden Beispiele zeigen den unterschiedlichen Einsatz von Bildmaterial. So wird nicht nur auf textlicher, sondern auch auf visueller Ebene die Trennung zwischen „catalogue-en-acte“ und „catalogue-document“ sichtbar, die in dieser Ausprägung charakteristisch für den Anfang des 21. Jahrhunderts ist. Verhältnis zwischen Ausstellung und Katalog Durch die Trennung von Katalog und Ausstellungsführer verändert sich auch das Verhältnis zwischen Katalog und Ausstellung bzw. Sammlungspräsentation. Der Katalog an sich überlässt die Führungsfunktion durch die reale Präsentation immer mehr den Kurzführern und Faltblättern und konzentriert sich vielmehr auf weiterführende Informationen, die außerhalb des Besuches konsumiert werden. Auch die Kurzführer orientieren sich an den Katalogkriterien des „catalogue-enacte“ hinsichtlich Aufbau und Inhalt (Einleitung, Bild, Text, Pläne ...) und sollen nicht zuletzt deshalb hier Erwähnung finden. Der Museumsführer der Neuen Nationalgalerie Berlin32 stellt ein derartiges Beispiel dar. Schon durch sein Format von 12 mal 23 Zentimetern bietet er sich zum Gebrauch in der Ausstellung an. Auch die Bezeichnung „Museumsführer“, die auf dem Cover ersichtlich ist, lässt keinen Zweifel über die Funktionen dieser Publikation aufkommen. Schlägt der Leser den Museumsführer auf, trifft er als Erstes auf zwei Pläne der Ausstellungsflächen und gleich danach auf die aktuellen Öffnungszeiten und Kontaktinformationen.
32 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Neue Nationalgalerie Berlin. Museumsführer, 3., überarbeitete Auflage, Prestel Verlag, München, 2008 Aufbau: 1.) Pläne der Ausstellungshalle und des Museumsgeschosses, 2.) Titelblatt, 3.) Impressum mit Angaben zu den Museumsöffnungszeiten, 4.) „Inhalt“, 5.) Text „Zur Geschichte“, 6.) Text „Zur Terrassenskulptur“, 7.) Text „Zum Skulpturengarten“, 8.) „Gemälde und Skulpturen des 20. Jahrhunderts“ (Bildtafeln, Kurzbios und Werkbeschreibungen. Die Autoren werden durch ihre Initialen den Texten zugeordnet; durchgehende Farbabbildungen), 9.) „Ausstellungen“ (Einblick in die bisherigen Sonderausstellungen mit Bild und Text), 10.) „Literatur zur Geschichte der Nationalgalerie“, 11.) „Künstlerregister“ mit Referenzen zu Bildnummern (alphabetisch geordnet), 12.) Bildnachweise
1.8 D ER K ATALOG
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21. J AHRHUNDERT | 185
Abb. 24: „Neue Nationalgalerie
Berlin. Museumsführer“, 2008
Der Bezug zwischen Museumsführer und Museum wird durch die nachfolgenden Texte zu Geschichte, Architektur und Skulpturengarten ausgeweitet und vertieft. Diese bildlichen und textlichen Paratexte stellen sowohl einen visuellen als auch einen sprachlichen Bezug zur realen Gegebenheit her. Der nachfolgende Abschnitt in diesem Katalog, eine Auswahl einiger Werke aus der Sammlung (vgl. „Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen“, 1988), steht in der Tradition der „Liste“ des Katalogs. Grob nach Epochen und Stilen geordnet, werden hier Schlüsselwerke der Sammlung präsentiert: Name, biografische Angaben, Titel und Jahresangabe, Technik und Maße sowie Provenienzangaben gefolgt von einer Beschreibung des Werkes geben Auskunft über die Exponate, ohne den Rahmen für eine Lektüre in der Ausstellung zu sprengen. Steht man als Besucher vor einem Werk und kennt den Künstlernamen, kann man sich nun mithilfe des Künstlerregisters Zusatzinformationen, die über das Label hinausgehen, im Museumsführer suchen. Da über das Namensregister eine eindeutige Zuordnung möglich ist, ist dieser Museumsführer unabhängig von neuen Hängungen beim Besuch der Sammlungspräsentation einsetzbar. In Folge dessen ist ein Parcoursvorschlag durch die Sammlungspräsentation nicht inkludiert, da sonst die Vergänglichkeit des Führers auf zu kurze Zeit begrenzt wäre. Dem Versuch, Benutzerfreundlichkeit und Langlebigkeit zusammenzuführen, wird mit der Struktur des Museumsführers Rechnung getragen. Ein Element aus den Katalogen der 1940er-Jahre, das von den Kurzführern nun wieder aufgegriffen wird, sind die „Notizseiten“: Man denke in diesem Zusammenhang z. B. an den Kurzführer der 5. Berlin Biennale aus dem Jahre 2008.33 Der in
33 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: When Things cast no Shadow, 5. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, Kurzführer – Tag, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2008 sowie: When Things cast no Sha-
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zwei Bände (Tagprogramm und Nachtprogramm) aufgeteilte Kurzführer weist im Nachtband Seiten auf, die für Notizen des Besuchers gedacht sind. Des Weiteren bietet er auch einen Kalender an, in den der Besucher/Leser seinen individuellen Parcours durch die Ausstellungsorte bzw. Veranstaltungen eintragen kann. So entwickelt jeder Leser eine andere Beziehung zwischen Ausstellung und Kurzführer (Katalog). Wie aber auch schon aus früher angeführten Beispielen hervorgeht, ist diese Trennung von „catalogue-en-acte“ und „catalogue-document“ zwar vorherrschend, aber nicht zwingend. Man denke an den Katalog der documenta 12. Der Bezug zur realen Präsentation wird aber entweder direkt oder eben indirekt über Flyer und Kurzführer aufrechterhalten. Abschließend kann man die Entwicklung der Ausstellungs- und Sammlungskataloge ausgehend vom 15. Jahrhundert wie folgt zusammenfassend skizzieren: Generell lässt sich ein Ansteigen des Text- und Bildumfangs vermerken, der selbstverständlich mit der Weiterentwicklung der technischen Reproduktionsmöglichkeiten in Zusammenhang steht. Damit verbunden geht auch ein Anwachsen der Seitenzahlen einher. Des Weiteren kann man ausgehend vom ersten illustrierten und gedruckten Katalog einer Gemäldesammlung, dem „Theatrum Pictorium Davidis Teniers Antverpiensis“ aus dem Jahr 1660, festhalten, dass die Kataloge anfangs eher großformatig sind, diese dann Ende des 19./Anfang der 20. Jahrhunderts kleiner und handlicher werden, um dann anschließend Ende des 20./Anfang des 21. Jahrhunderts wieder in Format und Umfang anzuwachsen – jedoch durch Kurzführer und Flyer ergänzt werden. In Bezug dazu steht auch die Verbreitung des „catalogue-en-acte“ sowie des „catalogue-document“: Je größer und umfangreicher der Katalog gestaltet ist, desto weniger ist er für den Gebrauch in der Ausstellung bestimmt, er wird durch „Parakataloge“ ergänzt. Die – wenn auch nicht wie für andere Genres so streng festgelegten – Richtlinien des Sammlungs- bzw. Ausstellungskatalogs werden im Laufe der Jahrhunderte erweitert und diversifiziert, sodass wir es heute mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Publikationsformen zu tun haben, die alle als „Katalog“ bezeichnet werden, da sie (meist) in Verbindung mit einer Ausstellung oder Sammlungspräsentation herausgegeben werden.
dow, 5. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, Kurzführer – Nacht, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2008
1.9 Zusammenfassung
An dieser Stelle soll eine kurze Zusammenfassung der diskutierten (historischen) Entwicklungen gegeben werden, um die darauf aufbauende Analyse der OnlineKataloge klarer nachvollziehen zu können. Eine Übersicht der hier analysierten Kataloge des 20. Jahrhunderts findet sich im Appendix 8. Im 15. Jahrhundert steht der Kultwert der „Exponate“ im Vordergrund und beeinflusst auch die Konzeption der ersten Vorläufer der Kataloge. Die sich daraus entwickelnden Pilgerführer und Heiltumsbücher weisen neben einem deutlichen Bezug zwischen Illustration und spezifischem Objekt auch schon einen klaren Bezug zur realen Präsentation – zum „Display“ – auf. Der Buchdruck markiert einen deutlichen Einschnitt in der Entwicklung der Kataloge und die mit der ansteigenden Produktion verbundene Frage nach Systematiken der besprochenen Objekte wird nun behandelt. Die Wunderkammer transformiert sich langsam in eine Kunstkammer und die Relevanz der Kataloge steigt. Der erste gedruckte und illustrierte deutschsprachige Sammlungskatalog ist in dieser Epoche verortet. Mit Verbesserung der Reproduktionstechniken werden die Illustrationen immer detailreicher und verändern die Beziehung zwischen Original und Abbild. Der „catalogue-en-acte“ etabliert sich z. B. in Form der „livrets de salon“. Somit wird dem Katalog die Führungsfunktion zugeschrieben und die Systematisierung wird ein weiteres Mal neu strukturiert. Dies gipfelt in der alphabetischen Systematisierung (nicht mehr nach Rang des Künstlers), die bis heute von Bedeutung ist. Durch das Aufkommen von Massenausstellungen wird die Führungsfunktion des Katalogs weiter ausgeweitet und anhand von Elementen wie z. B. dem Ausstellungsplan erweitert. Dank der aufkommenden Fotografie können unterschiedliche Abbildungsformen leicht kombiniert werden und auch farbige Illustrationen werden immer häufiger. Das Format wird deutlich größer und die Trennung zwischen „cataloguedocument“ und „catalogue-en-acte“ wird vollzogen. Damit verbunden gewinnt das
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Layout des Katalogs an Stellenwert und die Vielfalt an Paratexten steigt deutlich an. Der internationale Vertrieb von Katalogen wird etabliert und auch Forschungen rund um diese Publikationsform werden nun regelmäßig getätigt und in Konferenzen präsentiert. Die Trennung zwischen „catalogue-document“ und Kurzführer wird bis heute beibehalten. Um einen Ausstellungskatalog zu veröffentlichen, wird weiterhin der Anlass Ausstellung vorausgesetzt. Bei der Publikation eines Sammlungskatalogs ist nun nicht zwingend eine Präsentation gefragt, sondern die Veröffentlichung kann unabhängig vom ephemeren Ereignis erfolgen. Wichtig ist abschließend zu vermerken, dass die Credits weiterhin an Stellenwert gewinnen und mittlerweile ein relevantes Element des Katalogs darstellen.
2. Der Online-Katalog Überblick und Definition
2.1 Einführung
In den vorhergehenden Kapiteln wurde ein breites Fundament in Form eines historischen Überblicks über die Gattung des Sammlungs- und Ausstellungskatalogs geschaffen. Diese Entwicklung wird sowohl hinsichtlich der sozialen und politischen Situation der jeweiligen Epoche als auch vor dem Hintergrund der technischen Neuerungen im Bereich der Bildreproduktion und -vervielfältigung skizziert. Ebenso wird der Bezug zur (Weiter-)Entwicklung des Museums- und Ausstellungswesens hergestellt und die in diesem Spannungsfeld auftretenden Wechselwirkungen werden beleuchtet. Auf dieser Basis aufbauend folgt nun die Analyse der aktuellen Entwicklungen des Online-Katalogs unter Berücksichtigung der folgenden Punkte: Einführend soll das Medium Internet sowohl aus technischer als auch aus soziologischphilosophischer Sicht betrachtet werden. Dann wird ein Überblick über die Vorläufer des Online-Katalogs gegeben, der wiederum von einer Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Online-Katalogmodelle gefolgt wird. Im Anschluss daran wird eine genaue Analyse ebendieser durchgeführt. Abgrenzungen und Überschneidungen zu herkömmlichen Websites und Online-Archiven sowie Online-Ausstellungen u. Ä. werden gesucht und führen im Idealfall zu einer Definition des Begriffs „Online-Katalog“. Auch soll dem Bezug zur realen Präsentation und ggf. zum gedruckten Katalog nachgegangen werden. Vor diesem Hintergrund soll eine Strukturierung dieser Online-Kataloge im Vergleich zur realen Präsentation und zu gedruckten Katalogen erarbeitet werden. Im Anschluss werden die Rolle des Texts sowie des Bildes und deren gegenseitige Wechselwirkungen in Online-Katalogen untersucht. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, ob man die für herkömmliche (gedruckte) Kataloge etablierten Richtlinien bzw. Guidelines auch auf Online-Versionen anwenden kann. Daraus resultierend soll sich eine Zusammenfassung des Aufbaus sowie der Aufgaben und Funktionen des Online-Katalogs ergeben.
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Um sich dem Thema Online-Katalog zu nähern, ist es unabdingbar, sich – neben der Auseinandersetzung mit dem Medium Katalog – auch mit dem Internet und den benutzten Begriffen sowie dem Online-Museum und Online-Ausstellungen zu beschäftigen. Da derzeit noch keine weitreichende Literatur zum Thema Online-Katalog publiziert wurde, werde ich mich um die Weiterentwicklung der für Online-Museen bzw. Online-Ausstellungen gewonnenen Erkenntnisse bemühen und diese in Bezug zur Literatur, die zu Print-Katalogen erschienen ist, setzen. Darüber hinaus werden Texte zu Online-Bibliothekskatalogen, Online-Archiven und Bilddatenbanken Berücksichtigung finden. Der Bezug zu den technischen Möglichkeiten und selbstverständlich die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext sind wesentliche Punkte bei der nachfolgenden Betrachtung. Eingangs sollen die in der Folge benutzten Begriffe geklärt werden. Durch die Annäherung an den Online-Katalog über die Online-Museen und Online-Ausstellungen liegt es nahe, die von Barbara Wünsch in ihrer Masterthesis unterschiedenen Begriffe immer wieder zurate zu ziehen.1 Elektronisch Von elektronischer Text- und Bildverarbeitung wird sowohl im Online- als auch im Offline-Bereich gesprochen. Im engen Zusammenhang damit steht die Archivierung bzw. Inventarisierung von Museumsbeständen mithilfe von elektronischen Geräten. Im Brockhaus findet man zu diesem Thema folgenden Eintrag: „elektronisches Publizieren, das Publizieren von Texten, Bildern, Informationen u. Ä. offline auf elektronischen Datenträgern (z. B. CD-ROM) oder online über Computernetze (z. B. Internet) zur Wiedergabe auf Computern u. a. elektronischen Ausgabegeräten. Rechtliche Fragen v. a. des Urheberrechts müssen v. a. für e. P. online noch geklärt werden“2.
Interessant ist hier, dass die Frage nach der Autorenschaft im Zusammenhang mit dem elektronischen Publizieren bei dieser Definition Erwähnung findet. Für die Annäherung an die Online-Kataloge ist hier nicht nur der elektronische Text von Wichtigkeit, sondern man muss auch den elektronischen Neuerungen im Zusammenhang mit dem Museum Beachtung schenken. Der deutsche Kunsthistoriker und Experte für Museumsinformatik Harald Krämer (Mitbegründer von „die lockere Gesellschaft – TRANSFUSIONEN“, einem Expertennetzwerk im Kultur-
1
Vgl. Wünsch, Barbara: Museum und Internet in Österreich, Wien, Universität für ange-
2
Der Brockhaus – In 15 Bänden, Band 4, 2001, S. 44
wandte Kunst, Master Thesis, Wien, 2006
2.1 E INFÜHRUNG | 193
und Medienbereich) hält bezüglich der elektronischen Datenverarbeitung im musealen Bereich fest, dass diese eine Veränderung der Ein- und Wertschätzung der Dokumentation nach sich zieht. Diese wird nun nicht mehr ausschließlich als Hilfsmedium, sondern als unabhängige Wissenschaft angesehen. Nicht zuletzt deshalb, da durch die Verarbeitung der Daten auf einem elektronischen Gerät, dem Computer, eine strengere Systematik gefordert wird als bei einer manuellen.3 So hat das neue Medium für die Systematisierung von Sammlungsbeständen einschneidende Auswirkungen (Vereinheitlichung, Normierung). Wenn die Normierung sich über mehrere Institutionen erstreckt, kann sogar in der Folge eine Vernetzung mehrerer Sammlungen ermöglicht werden und im Sinne des „Musée Imaginaire“ (Malraux) eine ortsunabhängige Zusammenstellung von Werken bzw. deren Abbildungen erstellt werden (vgl. Abschnitt zum Begriff „digital“). Der amerikanische Kulturhistoriker und Autor Allon Schoener hat den Begriff des elektronischen Museums in seinem Beitrag „The Electronic Museum and Information Distribution“ in gewisser Weise schon in den späten 1960ern eingeführt. Auch wenn der Begriff „Electronic Museum“ nur in der Überschrift Erwähnung findet, beschäftigt sich Schoener schon damals mit der „non-sequential“ Informationsverfügbarkeit und der Wahrnehmung in erster Linie in Bezug auf die museale Vermittlung.4 Abschließend kann man festhalten, dass sich elektronische Datenverarbeitung sowohl im Online- als auch im Offline-Bereich vollzieht. Digital Ein wichtiges Merkmal von digitalen Daten ist deren Unterteilung in kleinste Einzelschritte. Dies unterscheidet z. B. auch digitale von analogen Bildern. Der Brockhaus digital schlägt Folgendes dazu vor: „Informatik, Physik: stufenförmig, nur diskrete, d. h. nicht stetig veränderliche Werte annehmend; in diskrete Einzelschritte aufgelöst, Gegensatz zu analog im Sinne von stufenlos, stetig, kontinuierlich“5.
3
Vgl. Krämer, Harald: Museumsinformatik und Digitale Sammlung, WUV – Univ.-
4
Vgl. Schoener, Allon: The Electronic Museum and Information Distribution, in: Metro-
Verlag, Wien, 2001, S. 181 politan Museum of Art (Hrsg.): Computers and Their Potential Applications in Museums. A Conference Sponsored by the Metropolitan Museum of Art, April 15, 16, 17, Arno Press, New York, 1968, S. 359–366 5
Brockhaus digital: Brockhaus Enzyklopädie digital, Mannheim, 2006
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Anfangs war dieser Unterschied noch leicht mit dem Auge erkennbar, mittlerweile haben sich die technischen Möglichkeiten so weit entwickelt, dass man meist nicht auf den ersten Blick zwischen analog und digital produzierten Bildern unterscheiden kann. Jedoch sind den digitalen bzw. digitalisierten Bildern andere Eigenschaften – dem Prozess verschriebene Merkmale – zugeschrieben als den analogen. Auch der Begriff „digital“ hält Einzug in den musealen Bereich. Laut Krämer ist das Ziel einer digitalen Sammlung „der Aufbau eines Systems vernetzter Informationen, welches durch eine optimale Strukturierung von Beziehungsgeflechten und somit Nutzung von Informationen unterschiedlichster Herkunft die größtmögliche synergetische Ausnutzung zulässt“.6
Die Optimierung der Zugänglichkeit der Daten aus unterschiedlichen Quellen (Ton, Bild, Text, Video etc.) durch Verbindung einzelner (Teil-)Netzwerke steht hier an oberster Stelle (vgl. hierzu die Anmerkungen zu Hypermedium/Hypertext). Als Gefahr der unüberschaubar großen digitalen Sammlungen/Datenbanken erwähnt Krämer in Bezug auf Friedrich Waidacher, dass diese, wenn sie nicht optimal strukturiert sind, zu „träger Information“ verkommen und somit ungenutzt gelagert werden.7 Das Um und Auf der digitalen Sammlung/Datenbank sind daher die gewissenhafte, systematische Eingabe der Daten, die Wartung ebendieser sowie die Schaffung eines benutzerfreundlichen Interfaces, um den Zugriff zu ermöglichen. Ben Davis, der sich mit Unterhaltungsmedien sowie dem Einsatz Neuer Medien im musealen Bereich auseinandersetzt, veröffentlicht im Jahr 1994 den Artikel „Digital Museum“. Er hält fest, dass sich Museen digitaler Bilder für unterschiedliche Zwecke bedienen: zur Archivierung, zur Vermittlung oder zur Kommunikation.8 Und er geht noch einen Schritt weiter: Nicht nur reale Museen arbeiten nun mit digitalen Bildern, sondern das Museum an sich wird digital: „The three main concerns for digital Museums are Storage, Retrieval, and Interaction.“9 In Bezug auf „Storage“ sind die Standardisierungsmaßnahmen, auf die ich an späterer Stelle noch eingehen werde, von Bedeutung; bei der Bereitstellung („Retrieval“) spielen Fragen nach dem Schutz der Urheberschaft eine nicht unwesentliche Rolle; und schlussendlich wirft die Thematik der Interaktion Fragen nach Veränderbarkeit der digitalen Daten auf. Sowohl Krämer als auch Davis sieht als wichtige Aufgaben des digitalen Museums die Strukturierung der Daten sowie die Zugänglichkeit ebendieser. So
6
Krämer, Harald, 2001, S. 184
7
Vgl. ebd., S. 186
8
Vgl. Davis, Ben: Digital Museums, in: Aperture Magazine, Fall, 1994, S. 68ff.
9
Ebd., S. 68
2.1 E INFÜHRUNG | 195
könnten diese beiden Punkte als mögliche Kennzeichen für das digitale Museum gesehen werden. Virtuell Virtuell stammt von dem lateinischen „virtus“ ab und bedeutet „Tüchtigkeit“. Der Brockhaus (aus dem Jahr 2001) schlägt folgende Definition vor: „der Kraft oder Möglichkeit nach vorhanden; anlagemäßig; simuliert, künstlich“10. Er weist aber auch schon auf die virtuelle Realität hin: „virtuelle Realität (Virtuell Reality, Cyberspace): Informatik: mittels Computer simulierte dreidimensionale Räume, in die der Benutzer mithilfe elektronischer Geräte, wie Monitorbrille, Datenhandschuh sowie umfangreicher Software (u. a. für die Spracherkennung und Geräuschsynthese) versetzt und interaktiv eingebunden wird. Die in die Brille auf zwei kleine Bildschirme stereoskopisch eingespielten Bilder vermitteln den Eindruck, selbst Teil der künstlichen Welt zu sein. Bewegungen der Person werden in Echtheit sensorisch erfasst und Bildausschnitt und -perspektive laufend angepasst. Über den ebenfalls mit Sensoren ausgestatteten Datenhandschuh kann der Träger aktiv auf die modellhafte Umwelt einwirken, Anwendung insbesondere zur Simulation von Flügen, Gebäuden, technischen Systemen sowie in der Medizin und Unterhaltungselektronik“11.
Die Dreidimensionalität sowie die Interaktion spielen hier eine wichtige Rolle. Interessant zu vermerken ist, dass der digitale Brockhaus aus dem Jahr 2006 „virtuell“ nicht mehr auf seine lateinischen Wurzeln bezieht, sondern den französischen Ursprung des Wortes hervorhebt, der das Nicht-Reale beinhaltet: „[frz., fachsprachlich ,scheinbar‘, ,nicht wirklich‘], der Anlage nach als Möglichkeit vorhanden. In der EDV wird der Begriff meist dann verwendet, wenn Hardware-Komponenten durch entsprechende Software imitiert bzw. das Vorhandensein der Hardware durch die Software vorgetäuscht wird. Beispiele sind virtuelle Laufwerke, virtueller Arbeitsspeicher usw. Das Aufbauen einer künstlichen Welt durch 3-D-Darstellungen wird als virtuelle Realität bezeichnet.“12
Auch wenn sich diese jüngere Definition auf andere Wurzeln beruft, bleibt beiden dennoch der Verweis auf die Dreidimensionalität sowie die Simulation gemein.
10 Der Brockhaus – In 15 Bänden, Band 14, 2001, S. 480 11 Ebd., S. 480 12 Brockhaus digital, 2006
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Auch der museale Bereich eignet sich den Begriff des Virtuellen an: Barbara Wünsch hält fest, dass die Bezeichnung „virtuelles Museum“ am häufigsten in der Literatur zu finden ist (neben „elektronischem Museum“, „digitalem Museum“, „OnlineMuseum“, „Hypermedia-Museum“, „Web-Museum“, „Cyberspace-Museum“).13 Werner Schweibenz, der sich mit dem Museum angesichts des Webs 2.0 auseinandersetzt, schreibt zum virtuellen Museum: „Das ,virtuelle Museum‘ wird definiert als ein Mittel, das mit Hilfe von Informationstechnik Zugang, Kontext und Kontaktaufnahme zu Besuchern ermöglicht. Das Internet öffnet das ,virtuelle Museum‘ für einen interaktiven Dialog mit virtuellen Besuchern und lädt sie ein, im ,virtuellen Museum‘ Museumserfahrungen zu machen, die mit dem realen Museum in Beziehung stehen. Es wird berichtet, wie Museen und virtuelle Besucher das Internet als Knowledge Base und Kommunikationsmittel benützen.“14
Schweibenz sieht das Internet direkt mit dem virtuellen Museum verbunden und somit als ein Online-Medium. Der Besucher wird nicht als User bezeichnet, sondern als virtueller Besucher. Dies legt den Brückenschlag zum Avatar nahe. Auch findet die Interaktion zwischen den virtuellen Besuchern Erwähnung – Voraussetzung dafür ist die Vernetzung mit anderen über das Internet. Auch wenn es sich nicht zwingend um ein virtuelles Abbild eines real existierenden Museums handelt, wird dennoch der Bezug zum physischen Museum beibehalten: Die Erfahrungen, die der virtuelle Besucher im virtuellen Museum machen kann, werden von Schweibenz mit den realen Erfahrungen des realen Besuchers in einem realen Museum gleichgesetzt. Hier muss aber darauf hingewiesen werden, dass, wenn der reale User die Betrachterbewegungen im virtuellen Raum durch Tasten- und Mausmanipulation simuliert, dieser meist immobil sitzen bleibt und ausschließlich gedanklich bzw. virtuell im virtuellen Museum flaniert. Anders verhält es sich bei der Steuerung über Datenbrille und -handschuh bzw. über Videoerkennung. Hier werden die realen Bewegungen des Users auf den virtuellen Besucher (beinahe) 1 : 1 übertragen. Die körperliche Bewegung vollzieht sich (mit Abweichungen) sowohl im physischen als auch im virtuellen Raum. In beiden Fällen ist die virtuelle
13 Vgl. Wünsch, Barbara, 2006, S. 16 14 Schweibenz, Werner: The „Virtual Museum“: New Perspectives for Museums to Present Objects and Information Using the Internet as a Knowledge Base and Communication System, in: Zimmermann, Harald H.; Schramm, Volker (Hrsg.): Knowledge Management und Kommunikationssysteme, Workflow Management, Multimedia, Knowledge Transfer. Proceedings des 6. Internationalen Symposiums für Informationswissenschaft (ISI 1998), Prag, 3.–7. November 1998, UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz, 1998, S. 186
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Museumserfahrung der realen Erfahrung nachempfunden, auch wenn dies in unterschiedlicher Form geschieht. Zur vollständigen Deckung der beiden Erfahrungen kommt es jedoch nicht (siehe dazu den Abschnitt zum Themenkomplex „Flanieren“). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei der Virtualität der Interaktion zwischen Mensch und Maschine bzw. zwischen Mensch und Mensch eine wichtige Rolle zukommt. Online Wie schon beim Begriff „virtuell“ bildet auch beim Begriff „online“ die Interaktion bzw. der Datenaustausch zwischen mindestens zwei Geräten/Usern einen zentralen Punkt: „[englisch, eigentlich ,in Verbindung‘], Informatik: allgemeine Bezeichnung für den Zustand, bei dem eine Datenverbindung zwischen zwei Geräten besteht. Ursprünglich benutzte man den Begriff, um zu kennzeichnen, dass Peripheriegeräte wie Drucker, Massenspeicher oder Messgeräte mit einem Computer verbunden und bereit waren, Daten entgegenzunehmen beziehungsweise zu senden. Heute beschreibt der Begriff meistens, dass ein Computer mit einem Netzwerk oder dem Internet verbunden ist und hier ebenfalls Daten senden beziehungsweise empfangen kann. – Gegensatz zu offline.“15
Durch die Verbindung über das Internet können User miteinander kommunizieren und Informationen austauschen. Bei online vollzogener Interaktion steht die Simulation von dreidimensionalen Räumen im Vergleich zur virtuellen Kommunikation nicht im Zentrum. In diesem Zusammenhang wird auch der User nicht durch eine Simulation seiner realen Bewegungen als Abbild dargestellt, sondern ist meist durch einen geschriebenen Nickname oder rein über die Ergebnisse der Tastenmanipulation abgebildet. Für den musealen Bereich hat der Begriff „online“ eine wichtige Bedeutung. Barbara Wünsch verweist beim Online-Museum wiederum auf Schweibenz. Er sieht als Charakteristikum den Umstand, dass ein Online-Museum keinen physisch existierenden Gegenpart besitzt. Wünsch hingegen meint, dass ein Online-Museum sehr wohl ein reales Pendant aufweisen kann oder aber auch unterschiedliche reale Sammlungen in einem Online-Museum zusammenfasst.16 Hier drängt sich die Parallele zum „Musée Imaginaire“ von Malraux auf: Abbildungen von Originalen werden unabhängig von ihrem physischen Standort in einem anderen Medium (bei
15 Brockhaus digital, 2006 16 Vgl. Wünsch, Barbara, 2006, S. 20
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Malraux im gedruckten Buch, hier im Online-Museum) zusammengefasst, angeglichen und somit vergleichbar gemacht. Web 2.0 Im Zusammenhang mit den Überlegungen zu Online-Katalogen darf natürlich das World Wide Web nicht außer Acht gelassen werden. Als Dienst im Internet bietet es die Plattform für Online- bzw. virtuelle/digitale Museen, Ausstellungen und Kataloge. „WWW [Abk. für engl. World Wide Web ,weltweites Netz‘], Dienst im Internet, der über eine Benutzeroberfläche mithilfe eines Browsers den Zugriff auf weltweit verteilte, auf Servern gespeicherte Information ermöglicht. Der Benutzer kann über einen Serviceprovider oder Online-Dienst auf die Dokumente zurückgreifen. Die Daten werden mithilfe des HTTP übermittelt. Die Dokumente sind in HTML verfasst, wodurch sie prinzipiell unabhängig vom Anzeigesystem gleich angezeigt werden; für die Anzeige ist auch der Browser erforderlich. Die Dokumente sind als Hypertexte gestaltet, die durch Hyperlinks miteinander verknüpft sind. Die erste Seite eines WWW-Dokuments ist die Homepage, mit der sich i. d. R. der Anbieter darstellt. Die verschiedenen Homepages sind über speziell strukturierte WWW-Adressen zu finden, meist nach dem Schema http://www.. (z. B. http://www.brockhaus.bibfab.de).“17
Diese technische Definition des Webs kann man durch die Spezifizierung ergänzen, dass nach dem eher unflexiblen und meist unidirektionalen Dienst Web 1.0 das Web 2.0. (2004) vermehrt den Informationsaustausch, die Interaktion sowie multidirektionale Kommunikation ermöglicht. Dieser somit viel flexibler und vielfältiger einsetzbare Internetdienst ist heute nicht mehr wegzudenken. Internet Das Internet als grundlegende Entwicklung findet an späterer Stelle genauere Beachtung und wird daher hier nicht weiter beleuchtet. Hypermedia Im vorliegenden Zusammenhang findet der Begriff „Hypermedia“ immer wieder Erwähnung. Einleitend soll hier die Definition aus dem Brockhaus zitiert werden: „Verweis auf Hypertext: Hypermedia-Dokumente. Das World Wide Web ist das derzeit am häufigsten genutzte und umfangreichste Hypermedia-Informations-
17 Der Brockhaus – In 15 Bänden, Band 15, 2001, S. 325
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system.“18 Aspekte wie Vernetzung, „non-sequential writing“ sowie Simultanität sollen hier nur als Schlagworte genannt werden. Wünsch hält fest, dass der Begriff „Hypermedia-Museum“ als Synonym für Online-Museum, virtuelles Museum, elektronisches oder digitales Museum in der Literatur eingesetzt wird. Neben dem Medium Katalog im herkömmlichen – gedruckten – Sinn und dem Verständnis des Mediums Internet sind auch die Vorläufer in Form von CD-ROMs ein relevanter Baustein zum Verständnis des Online-Katalogs. Nach der Etablierung der Informatik im wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich hält diese in den 1980er-Jahren schließlich Einzug in die Inventarisierung der Sammlungen in Frankreich.19 Unterschiedliche Erfassungssysteme werden hierzu eingesetzt, wie z. B. SAGA im Centre Pompidou (vormals: Musée national d’art moderne).20 Parallel zu der digitalen Erfassung der Daten im Museumsbereich entwickelt sich der Bereich der Computer weiter und hält nun dank der erschwinglichen Preise Einzug in zahlreiche Haushalte. Somit ist auch der Grundstein gelegt, CD-ROMs (und in der Folge das Internet) für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen.21 Aber woher kommt diese Verschränkung zwischen Museumswesen und multimedialer Technik? Der französische Universitätsprofessor für Kultur, Kommunikation und Museologie Jean Davallon beantwortet diese Frage folgendermaßen: „D’où vient cette participation du musée au développement de l’innovation? Probablement moins des demandes qu’il peut formuler vis-à-vis de la technique […], que fait que les multimédias, cédéroms ou sites, sont des objets culturels et non simples objets techniques. Pour dire les choses simplement: ils sont plus proches du livre ou de l’émission vidéo que de l’ordinateur ou du téléphone.“22
Der kulturelle Aspekt der Neuen Medien wird von Davallon über dem technischen eingereiht, d. h., die neuen inhaltlichen Möglichkeiten sind (für den Rezipienten) prioritär und lassen das Interesse für technische Möglichkeiten in den Hintergrund treten.
18 Brockhaus digital, 2006 19 Vgl. Welger-Barboza, Corinne, 2001, S. 31 20 Vgl. ebd., S. 32 21 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 43 22 Davallon, Jean: Les Multimédias de Musée. Une innovation en cours (La Lettre de l’OCIM), 1998 (in der PDF-Ausgabe ohne Seitenangabe)
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Neben diesen Vorläufern des Online-Katalogs sind die E-Books nicht außer Acht zu lassen. Wie Anita Kern festhält, rückt die Entwicklung des E-Books die Typografie bzw. Grafik in ein neues Licht und beeinflusst somit auch die Konzipierung und Gestaltung von Online-Publikationen (und -Katalogen).23 All diese Punkte sollen hier nur kurz angerissen werden und an späterer Stelle genauere Erläuterung finden. Auf die Ausweitung des Internetzugangs auf eine breite Öffentlichkeit reagieren auch die Museen. Welches Museum im deutschen Sprachraum das erste war, das online ging, ist nicht genau nachvollziehbar, aber es geht aus verschiedenen Quellen hervor, dass das mumok museum moderner kunst stiftung ludwig im Jahr 1995 als erste Institution diesen Schritt wagte.24 Es muss aber festgehalten werden, dass es sich hierbei nicht um ein Online-Museum oder einen Online-Katalog handelt, sondern um deren reine Internetpräsenz. Es soll jedoch nicht lange bei der eher ins Marketing gerichteten Website bleiben. Die Neuerungen im medialen Bereich erfassen in der Folge auch die Sammlungs- und Präsentationsbereiche der Museen und führen zur Entwicklung von Online-Museen, Online-Ausstellungen oder Online-Sammlungsarchiven.25 Bei diesen Entwicklungen gibt es nationale Unterschiede, die aber nicht in erster Linie von den technischen Möglichkeiten definiert werden, sondern vielmehr von den jeweils vorherrschenden Autoren- und Bildrechten.26 Die einfach zugängliche und nicht kontrollierbare Verbreitung von Bildmaterial im Internet hat die Frage nach Autoren- bzw. Urheberschaft erneut aktualisiert. Die Europäische Union ist daher um eine Standardisierung der Rechte bemüht.27 Der Umstand, dass in manchen Fällen das Bild-, Text- und Tonmaterial für Online-Präsentationen durch die Verknüpfung von unterschiedlichen Archiven zustande kommt und die Daten daher auf verschiedenen Servern gelagert werden, lässt auf struktureller Ebene an das „Musée Imaginaire“ von André Malraux denken.28 Darüber hinaus erfährt auch der Besucher eine Übersetzung: Statt sich physisch durch den Ausstellungsbereich zu bewegen, folgt er nun einer Vielzahl an möglichen Wegen bzw. Verlinkungen, die den Assoziationsketten im Gedanklichen oder
23 Vgl. Kern, Anita: Was haben Kolo Moser und Stefan Sagmeister gemeinsam? Zu Ausstellung und Katalog, in: Werkner, Patrick (Hrsg.): Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute. Von Kolo Moser bis Stefan Sagmeister, Springer Verlag, Wien, 2010, S. 34 24 Vgl. z. B. Wünsch, Barbara, 2006 25 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 82 26 Vgl. Welger-Barboza, Corinne, 2001, S. 98 27 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 33 28 Vgl. ebd., S. 71
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dem Flanieren im Körperlichen und der geistigen Haltung ähnlich sind. Aber nicht nur der direkte Besuch erfährt eine Transponierung. Auch der Zugang an sich wird durch das Internet verändert und möglicherweise erleichtert. Oft entfallen Eintrittspreise bei den Online-Museen und Öffnungszeiten sind zu vernachlässigen. So wird zumindest theoretisch die Zugänglichkeit erhöht und dem allgemeinen Bildungsgedanken des Museums nachgekommen. Aber ein Online-Museum oder eine Online-Ausstellung sind nicht gleichzusetzen mit einem Online-Katalog. Die Abgrenzung sowie die Überschneidungsbereiche werden in der Folge noch detailliert besprochen. Dennoch sind die CDROMs, die kommerziellen Websites und Online-Museen sowie Online-Ausstellungen nicht aus der Entwicklung der Online-Kataloge wegzudenken und haben eine entscheidende Funktion bei ebendieser. Diese Neuerungen im Museums-, Ausstellungs- und in der Folge auch im Katalogbereich haben die theoretische Auseinandersetzung mit ebendiesen Thematiken notwendig gemacht. Museum, Ausstellung und Katalog haben sich durch die Einführung der Neuen Medien geändert und erfordern daher eine wissenschaftliche, soziale und philosophische Einbettung. Dies erfolgt z. B. seit dem Jahr 1997 im Rahmen der jährlich stattfindenden Konferenz „Museum and the Web“.29 „Museums and the Web is an annual conference exploring the social, cultural, design, technological, economic, and organizational issues of culture, science and heritage on-line. Taking an international perspective, MW reviews and analyzes the issues and impacts of networked cultural, natural and scientific heritage – wherever the network may reach. Our community has been meeting since 1997, imagining, tracking, analyzing, and influencing the role museums play on the Web, and having fun doing it.“30
In der Bibliografie der Website sind derzeit knapp 1500 Texte/Papers zugänglich. Von den gleichen Organisatoren (Archives & Museum Informatics von David Bearman und Jennifer Trant, beide arbeiten im Bereich der Museumsinformatik) wird auch die „International Conference on Hypermedia and Interactivity in Museums“ (ICHIM) im Jahr 1991 ins Leben gerufen. Diese alle zwei Jahre organisierte Konferenz fand zum letzten Mal im Jahr 2007 statt.31
29 Vgl. Wünsch, Barbara, 2006, S. 49 30 Lipp, Achim; Schmitz-Esser, Winfried: Eight European Museums Teaming up for EMN, Konferenz-Paper, das anlässlich der zweiten International Conference on Hypermedia and Interactivity in Museums (Cambridge, England, 1993) vorgestellt wurde. [auch online abrufbar: http://www.archimuse.com/publishing/ichim93/lipp.pdf (Stand 1.7.2014)] 31 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 18
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2.1.1 D AS I NTERNET Um die Entstehung, die fortdauernde Entwicklung sowie die Eigenschaften der Online-Kataloge besser zu verstehen, empfiehlt es sich, einen kurzen historischen und technischen Abriss der Entstehung des Internets bzw. des World Wide Webs zu liefern. So werden das Medium Online-Katalog vor seinem technischen Hintergrund und dessen Zusammenhänge mit den Benutzeranforderungen klarer. 2.1.1.1 Das Internet: geschichtliche Entwicklung Die Entwicklung des Internets geht auf die 1960er-Jahre zurück und erfolgte auf Anregung des US-Militärs, ein Kommunikationsmittel zu finden, das auch bei teilweiser Zerstörung des Kommunikationsnetzwerkes weiterhin funktioniert. Das Internet ist jedoch keine rein militärische Entwicklung, sondern entsteht in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft: Das amerikanische Militär stellt den an einem Netzwerk forschenden Wissenschaftlern die finanziellen Mittel zur Verfügung, um die ersten, anfangs noch sehr beschränkten Netzwerke zu entwickeln. Wichtig hervorzuheben ist auch, dass das Internet anfänglich nicht aus wirtschaftlichen Interessen etabliert wird, sondern zum Informationsaustausch (die Paketvermittlung wird von Paul Baran [USA] und Donald Davis [UK] unabhängig voneinander entwickelt und ist seit dem Jahr 1964 vorgesehen), zur Fernbedienung von Großrechnern (im wissenschaftlichen Bereich) und zum Datenaustausch gedacht ist.32 Die Entwicklung der Vorläufer unseres heutigen Internets findet sowohl in den USA (Paul Baran) als auch in Europa (Donald Davis) statt. In den USA ist das Militär der Geldgeber für die Entwicklung eines gegen Ausfall relativ immunen (des sogenannten verteilten) Netzwerks. Davis kann sein für das National Physical Laboratory entwickelte Computernetzwerk MARK I im Jahr 1969 freischalten. Eine nationale Ausdehnung dieses Netzwerks wird zwar angestrebt, aber nicht erreicht.33 Das in den USA aufgebaute ARPANET (Advanced Research Projekt Agency Network) hingegen erfreut sich einer stufenweisen Erweiterung. Zwar steht dieses herstellerunabhängige Projekt öfter vor dem Aus, kann aber immer wieder aufs Neue lanciert werden. Seine spezifische Entwicklung verdankt das ARPANET u. a. soziotechnischen und ergonomischen Innovationen, die von den kritischen Benutzern (Usern) vorgebracht werden. Schon hier kristallisiert sich die wichtige Rolle des Users heraus, die in der Folge für die Entstehung des World Wide Webs von entscheidender Bedeutung sein
32 Vgl. Warnke, Martin, 2011, S. 17f. 33 Vgl. ebd., S. 20ff.
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wird.34 Die ursprüngliche Funktion des ARPANET ist es, entfernte Computer zu benutzen, d. h., auf Daten von Computern, die sich nicht in physischer Reichweite befinden, aus der Ferne zuzugreifen. Zu diesem Zweck bietet das ARPANET drei Dienste an: 1.) TELNET (es handelt sich hierbei um eine Art Fernbedienung, die dazu eingesetzt wird, sich am Computer des anderen zu authentifizieren), 2.) File Transfer Protocol oder FTP (dient dem Nachrichtenaustausch zwischen User und Maschine) und 3.) E-MAIL (ermöglicht den Austausch zwischen zwei Usern). All diese Dienste stammen aus den sehr frühen 1970er-Jahren, wobei E-MAIL der jüngste ist.35 Aus heutiger Sicht ist die Anwendung von E-Mails wahrscheinlich die geläufigste, auch wenn diese ursprünglich gar nicht geplant war und erst aufgrund der Anforderungen der User zu einem derartigen Höhenflug ansetzt. Die monodirektive Kommunikation wird im Jahr 1975 durch die Einführung der Answer-Funktion aufgehoben. So kann eine bidirektive Kommunikation vollzogen werden.36 Aber nicht nur die Entwickler des ARPANET setzen sich mit Netzwerken auseinander und so entstehen zahlreiche kleine unabhängige Strukturen, die alle unterschiedliche Übertragungstechniken nutzen. Um die Kommunikation zwischen den einzelnen Netzwerken zu ermöglichen, wird ein einheitliches Basisprotokoll, das im Jahr 1973 vorgestellt wird, eingeführt. Es handelt sich hierbei um das Transmission Control Protocol (TCP). Um die Verbindungen zwischen den einzelnen Teilnetzen zu regeln, wird ein zweites Protokoll etabliert, das Internet Protocol (IP).37 Ende der 1970er-Jahre/Anfang der 1980er-Jahre kommen die ersten PCs, IBMPCs und Macintoshs heraus und ermöglichen einer etwas größeren Gemeinde die Nutzung des Datenaustauschs. Nicht zuletzt deshalb wollen die großen Telekommunikationsfirmen die Kontrolle über den Markt und fordern „einfältige“ Endgeräte und sehr aufwendige Netzstrukturierung, die in der Verantwortung der Firmen liegen soll. Dieser Forderung wird aber nicht nachgegeben und TCP/IP etabliert
34 Vgl. ebd., S. 29f. 35 Vgl. ebd., S. 34ff. 36 Vgl. ebd., S. 38ff. Der Vollständigkeit halber soll hier auch das erste Spam-Mail Erwähnung finden: Dieses wurde im Jahr 1971 an über 1000 Personen geschickt und enthält eine Antikriegsnachricht: „THERE IS NO WAY TO PEACE. PEACE IS THE WAY …“ Wichtig nicht nur im Zusammenhang mit Spam-Mails festzuhalten ist, dass der Standard zum Versenden von E-Mails (Simple Mail Transfer Protocol = SMTP) nie die Echtheit des Absenders überprüft und somit das Versenden von Spam-Nachrichten ungemein erleichtert [vgl. Warnke, Martin, 2011, S. 42]. 37 Vgl. Warnke, Martin, 2011, S. 43
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sich als Basismedium, das unabhängig von den Telekommunikationsfirmen funktioniert. Nach der Loslösung des Internets vom Militär kann dieses ein starkes und von geografischen Grenzen unabhängiges Wachstum verzeichnen. Im Jahr 1990 werden die Daten von ARPANET auf seinen Nachfolger NDFNET übertragen und Ersteres ausgeschaltet. In der Folge etabliert sich der Dienst des World Wide Webs im Internet, der bis heute seine Erfolgsgeschichte schreibt.38 Das nicht nur im Zusammenhang mit Online-Katalogen wichtige WWW wurde ursprünglich am CERN (Forschungsinstitut für Elementarteilchen in der Nähe von Genf) entwickelt, kommt aber erst in den USA zur Blüte. Wie der E-Mail-Dienst zählt auch das WWW zu den nicht geplanten Anwendungen des Internets. Am CERN arbeiten viele Forschergruppen an einem Projekt und entwickeln gemäß ihren Ansprüchen das „non-sequential writing“, das eine Vernetzung bzw. Verlinkung der Ergebnisse der einzelnen Gruppen ermöglicht. Das heute sogenannte Hypertextsystem bietet ein Verweisnetz an: Textstellen können wie bei einer Fußnote nicht nur auf eine andere Textstelle verweisen, sondern auch diese Verweise sind nun maschinell ausführbar. Dies ermöglicht die parallele und dennoch unabhängige Arbeit an einem gemeinsamen Text. Das Hypertextsystem stellt den Zusammenhang zwischen den Texten der verschiedenen Gruppen her. Zusammenfassend kann man sagen, dass das WWW aus dem Hypertext Transfer Protocol (HTTP), das auf TCP/IP aufbaut, und einem Adressierungsschema (= Universal Resource Locator = URL) besteht.39 Das WWW ist ein allgemeiner Dienst des Internets und wurde von Sir Tim Berners-Lee in den Jahren 1989 bis 1992 entwickelt. Ab Mitte der 1990er-Jahre ist das WWW schlussendlich öffentlich zugänglich. 2.1.1.2 Das Internet: technische Entwicklung Wie eingangs schon erwähnt, dient nicht nur die Kenntnis der Geschichte, sondern auch jene der Technik des Internets dem besseren Verständnis der Entstehung von Online-Katalogen. An dieser Stelle möchte ich daher einen sehr vereinfachten, aber in diesem Kontext ausreichenden Überblick über die technischen Hintergründe des Internets geben. Das Internet dient ursprünglich dem auf Paketvermittlung aufgebauten Informationsaustausch. Um Datenpakete von einem Ort zu einem anderen zu transferieren, müssen einige Schritte durchlaufen werden.
38 Vgl. ebd., S. 46ff. 39 Vgl. ebd., S. 50ff.
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Das schon genannte Internet Protocol (IP) stellt die Schnittstelle zwischen den einzelnen Teilnetzen dar. Es bestimmt, wie einzelne Datenpakete von einem lokalen Netzwerk über das Internet zu einem anderen wandern und welche Informationen für diese Reise benötigt werden. So kann man sagen, dass die Funktion des IP die Adressierung der Datenpakete ist. Das IP berücksichtigt jedoch nicht den Inhalt der Daten. Um diesen kümmert sich der User bzw. das Programm. So wird die Grenze des IP nach oben markiert. Die Abgrenzung des IP nach unten zur Netzwerkübertragungstechnik wird durch die Ignoranz hinsichtlich der Übertragungstechnik markiert.40 Ein nicht zu verachtender Punkt ist, dass das IP vollkommen ungeschützt ist. Nach der korrekten Adressierung der Datenpakete müssen diese nun den richtigen Weg vom Sender zum Empfänger finden. Dies geschieht mithilfe des Routing. Das Datenpaket wird von Router zu Router gereicht, um sich der Empfängeradresse auf dem schnellsten Weg zu nähern. Jeder Router gibt Auskunft über die Richtung, die das Datenpaket einschlagen soll, um ans Ziel zu gelangen. Martin Warnke beschreibt diesen Vorgang und die Reaktion auf mögliche Ausfälle sehr einleuchtend in seinem Buch „Theorien des Internet zur Einführung“: „Wenn sich Router C bei A nicht mehr meldet, weil er z. B. defekt ist oder die Leitung gekappt, streicht A die Route nach x über C wieder, informiert seinen Nachbarn D, der diese Möglichkeit ebenfalls aus der Tabelle entfernt und so auf die Netzwerkstörung reagiert. Genau das war die ursprüngliche Idee der Militärs – Störungen müssen automatisch erkannt und umgangen werden können.“41
Das Ziel ist es, über möglichst wenige Hops von den benachbarten autonomen Systemen ans Ziel zu gelangen. Der soeben beschriebene Datentransfer durchläuft vereinfacht zusammengefasst drei Schritte: 1.) Begrüßung, 2.) Übertragung der Datenpakete, 3.) Abbau der Verbindung, die mithilfe von TCP/IP durchgeführt wird, wobei jedoch zu beachten ist, dass das TCP zwar verlässliche Verbindungen aufbaut, sich diese jedoch auf unsicheren (offenen) Kanälen befinden. So viel zum technischen Aspekt des Internets bzw. des WWWs.42 Im Zusammenhang mit der Analyse von Online-Katalogen ist das Funktionieren von WWW-Seiten von Interesse, weshalb ich darauf kurz eingehen möchte. Wie eingangs erwähnt, wurde das WWW von Sir Tim Berners-Lee in den Jahren 1989 bis 1992 entwickelt. Das WWW setzt das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) für
40 Vgl. ebd., S. 55f. 41 Ebd., S. 72 42 Vgl. ebd., S. 76ff.
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die Datenübermittlung ein, die vereinfacht wie folgt abläuft: Der Browser43 des eine in HTML (Hypertext Markup Language) codierte WWW-Seite suchenden Benutzers fordert den Inhalt ebendieser an. Eine derartige WWW-Seite hat eine spezifische Adresse, den Uniform Resource Locator (URL), die sich auf einem Host befindet. Der Host kann durch eine IP-Adresse bezeichnet werden. Der suchende Webbrowser fragt die Inhalte der WWW-Seite, die auf ebendiesem Host zu finden sind, an. In der Folge überträgt der Host die sich auf ihm befindenden Objekte. HTTP ist für die Auslieferung der gesuchten WWW-Seiten zuständig, TCP für den Transport der Datenpakete und IP für die Navigation durch die Teilnetze. Eine WWW-Seite kann sich allerdings auf verschiedenen Hosts befinden. So werden beim Aufrufen einer einzigen Seite mehrere HTTP-Anfragen ausgelöst, die die benötigten Informationen auf unterschiedlichen Hosts zusammensuchen und dem anfragenden Browser die vollständigen Informationen liefern. Bei einem auftretenden Fehler, sodass die angefragte Seite nicht angezeigt werden kann, erscheint die bekannte Nachricht „Error 404: File Not Fond“.44 Trotz oder gerade wegen der Unverbindlichkeit des Internets stellt sich die Frage der Sicherheit und des Datenschutzes. An dieser Stelle möchte ich daher kurz auf die Cookies eingehen. Cookies sind Spuren, die die Besuchergeschichte von Webservern enthalten. So können die Firmen, die diese Server betreiben, genau nachverfolgen, welcher Benutzer welche Seiten wie oft besucht. Daraus kann im Anschluss ein Profil erstellt werden.45 Dieses Profil kann z. B. für gezielte Werbe- und Marketingaktionen genutzt werden (vgl. Facebook). 2.1.1.3 Das Internet: seine Rolle in der Gesellschaft Neben dem technischen Aspekt des Internets spielt auch sein Einfluss auf die Gesellschaft und deren Kommunikation eine entscheidende Rolle. Das Internet stellt kein in sich abgeschlossenes unabhängiges System dar, sondern ist ein das Private sowie das Öffentliche durchdringendes Medium. Sowohl auf struktureller als auch auf inhaltlicher Ebene vernetzen sich diese Bereiche und beeinflussen sich gegenseitig.
43 Zu Beginn der 1990er-Jahre wird der Browser Mosaik eingesetzt, der Bilder, Texte und Töne dank der Hyperlinktechnik parallel darstellen kann [vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 157]. 44 Vgl. Warnke, Martin, 2011, S. 86ff. 45 Vgl. ebd., S. 91ff.
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Der Autor Allon Schoener beschreibt schon in den späten 1960er-Jahren die Wahrnehmung im Alltag als „non-sequential“. Informationen werden aus unterschiedlichen Medien (Radio, reale Konversation, Fernsehen, Zeitungen usw.) miteinander verlinkt und somit in ein Netzwerk eingeflochten.46 Dieses Netzwerk folgt aber keiner linearen Struktur, sondern Informationen können gleichzeitig verarbeitet werden (vgl. Hypertextsystem). So stellt Schoener schon sehr früh den Bezug zwischen Alltag und Internet her. Der spanische Soziologe Manuel Castells setzt sich in zahlreichen Schriften mit dem Verhältnis zwischen Gesellschaft und Internet auseinander. Sein Buch „Die Internet-Galaxie: Internet, Wirtschaft und Gesellschaft“47 (Erstausgabe aus dem Jahr 2001) leitet er mit dem Vergleich von Informationstechnologie für die aktuelle Epoche und Elektrizität für die Industrialisierung ein. Er stellt fest, dass das System des Netzwerks eine wichtige Rolle im Leben der Menschen innehat und diese durch die neuen Informationstechnologien noch weiter gestärkt und ausgeweitet wird. Jedoch weist er auch auf die Problematik der absoluten Dezentralisierung in solchen Netzwerken hin. Interessant in dem vorliegenden Kontext ist seine Feststellung dreier Prozesse, die Ende des 20. Jahrhunderts die Entwicklung einer Neustrukturierung der Gesellschaft, die auf Netzwerken beruht, heraufbeschworen haben. Diese drei voneinander unabhängigen Prozesse sind: „die Bedürfnisse der Wirtschaft nach flexiblem Management und Globalisierung von Kapital, Produktion und Handel; die Forderung der Gesellschaft, wo die Werte individueller Freiheit und offener Kommunikation oberste Priorität erhielten; und die außerordentlichen Fortschritte im Computer- und Telekommunikationsbereich, die durch die mikroelektronische Revolution ermöglicht wurden“.48
Wirtschaft, freie Kommunikation und technischer Fortschritt als Grundlage für die Netzwerkgesellschaft, die auf der Kommunikation über das Internet basiert. Laut Castells treten wir dadurch in eine neue „Kommunikationswelt“ ein, in die von ihm sogenannte (und an Marshall McLuhan angelehnte) „Internet-Galaxie“. Aber nicht nur die technischen Möglichkeiten verändern die Kommunikation, sondern auch die Nutzung des Einzelnen, der Institutionen sowie der Gesellschaft beeinflusst die Entwicklung des Internets. Es wird somit eine Wechselbeziehung geschaffen. Jedoch können wir – nicht zuletzt wegen der rasanten Geschwindigkeit dieser Ent-
46 Vgl. Schoener, Allon, 1968, S. 359–366 47 Castells, Manuel: Die Internet-Galaxie. Internet, Wirtschaft und Gesellschaft, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2005 (Erstausgabe: 2001) 48 Ebd., S. 10
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wicklung – deren Auswirkungen nicht ein- bzw. abschätzen.49 Castell versucht im Buch „Die Internet-Galaxie“, einen Einblick in verschiedene Einflussbereiche des Internets zu geben. Ich möchte hier nicht ein Resümee dieser Publikation liefern, sondern einen reinen Überblick über das weite Themenfeld anhand der Kapitelüberschriften anbieten: „Die Kultur und das Internet“, „e-Business und die neue Wirtschaftsform“, „Virtuelle Gemeinschaften oder Netzwerkgesellschaft?“, „Politik des Internet“, „Multimedia und Internet: Der Hypertext jenseits der Konvergenz“, „Die Geografie des Internet: Vernetzte Orte“, „Die Digital Divide in globaler Perspektive“. Castell hält fest, dass diese von ihm hier angeschnittenen Themenbereiche nicht vollständig und daher zu ergänzen sind. Man kann dennoch die breit gefächerte Auswirkung der neuen Kommunikationsmedien auf die Gestaltung der Gesellschaft erahnen. Schoener und Castells stellen nur zwei Positionen dar. Der in die USA emigrierte österreichische Ökonom Peter Drucker, der amerikanische Soziologe Daniel Bell und viele andere haben sich ebenso aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Dass Schriften zu diesem Thema v. a. seit den 1990er-Jahren zahlreich erscheinen, ist nicht verwunderlich. Theoretiker, wie z. B. der deutsche Universitätsprofessor Martin Warnke, der sich nicht nur mit der technischen Entwicklung des Internets, sondern auch mit seinem Einfluss auf die Gesellschaft und Wirtschaft auseinandersetzt, oder die amerikanische Journalistin Ester Dyson, die auf den IT-Bereich spezialisiert ist, nähern sich aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Umfeldern diesem Thema. Man könnte diese Liste endlos fortsetzen. Eine Analyse dieser diversen Positionen würde jedoch den vorliegenden Rahmen sprengen; daher sollen die soeben erwähnten Personen stellvertretend stehen.
2.1.2 V ON
DER ANALOGEN ZUR DIGITALEN UND IHRE P RÄSENZ IM I NTERNET
F OTOGRAFIE
Neben dem Internet hat auch die Verbreitung der digitalen Fotografie einen großen Einfluss auf die Gesellschaft. Die bisherige (wenn auch schwammige) Trennung zwischen Produzent und Rezipient sowie die Trennung zwischen Amateur- und Berufsfotograf werden beinahe komplett aufgehoben. Die Bilderflut nimmt durch die digitale Fotografie zu und wird in der Folge auf Online-Bildplattformen wie z. B. Flickr (oder Youtube im Bereich des Videos) oder auf Social Networks (Facebook, Twitter usw.) einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sender und Empfänger be-
49 Vgl. ebd., S. 10f.
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finden sich im stetigen Wechsel und Kurzlebigkeit sowie Geschwindigkeit steigen rasant an. Die Basis für diese Veränderung legt die technische Entwicklung der digitalen Fotografie. Digitale Kameras werden immer preiswerter und erleichtern somit den Zugang zur Fotografie. Die damit einhergehende Bilderflut, die Verbreitung der digitalen Bilder über das Internet und die damit verknüpfte Frage nach der Autorenschaft stellen zentrale Punkte dar. Der amerikanische Kritiker und Theoretiker im Bereich der digitalen Medien Peter Lunefeld (*1962) gibt in seinem Text „Digitale Fotografie. Das dubitative Bild“50 aus dem Jahr 2000 einen guten Überblick über die Rolle der digitalen Fotografie in Zeiten des Internets und über ihre Verbreitung im WWW. Lunefelds Ausgangspunkt ist, dass der Mensch nach einer Gesamtsammlung des Wissens strebt. Vor diesem Hintergrund entstehen Bibliotheken und auch das Internet. Ted Nelson (*1937) prägt in den 1960er-Jahren den Begriff „Hypertext“. Das Hypertextsystem ermöglicht eine nicht-lineare Verlinkung einzelner Texte. Aber auch Bilder werden in dieses System integriert. Dazu ist es wichtig zu beachten, dass der Computer ein Bild als Grafik unter vielen darstellt. So wird die Fotografie ihrer Vormachtstellung bei der Reproduktion beraubt und unter die Grafik subsummiert. Dieser Umstand verändert Rolle und Funktion des Bildes. Daher muss man generell zwischen analogen und digitalen Fotografien unterscheiden. Lunefeld bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den amerikanischen Architekten William J. Mitchell (1944–2010): „Eine Fotografie ist eine analoge Repräsentation der räumlichen Differenzierung einer Szene: ihre Unterschiede sind, sowohl was die Räumlichkeit als auch die Tonwerte betrifft, kontinuierliche.“51 In diesem Punkt liegt der Unterschied zur digitalen Fotografie. Ein digitales Foto ist in einem Raster codiert, das Informationen zum Tonwert hat. Das Bild ist somit in eine Zahlenreihe übersetzt und wird am Bildschirm als Bild dargestellt. Lunefeld relativiert jedoch die radikale Brechung, die von Mitchell postuliert wird, und hält fest, dass es immer schwieriger wird, mit bloßem Auge den Unterschied zwischen einem analogen (Details, fließende Kurven) und einem digitalen (Pixel, Kanten) Bild zu unterscheiden. Er hebt sogar eine Gemeinsamkeit hervor: den Datenverlust bei Kopiervorgängen. Nicht nur bei der analogen Fotografie gehen Details beim Kopieren verloren, sondern auch bei der digitalen, da viele Programme mit Bildkomprimierung arbeiten und somit auch ein Datenverlust zu verzeichnen ist. Bei
50 Die nun nachfolgenden Bemerkungen basieren auf der Lektüre von Lunefeld, Peter: Digitale Fotografie. Das dubitative Bild (2000), in: Stiegler, Bernd (Hrsg.): Texte zur Theorie der Fotografie, Reclam, Stuttgart, 2010, S. 344ff. 51 Lunefeld, zitiert aus: Mitchell, William J.: The Reconfigured Eye. Visual Truth and the Post-Photographic Era, Cambridge (Mass.), 1992, S. 4
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der Rückwandlung von komprimierten Bildern werden diese nicht reproduziert, sondern umgeschrieben, wie Lunefeld festhält. Und daraus schließt er, dass nicht der Bruch zwischen analoger und digitaler Fotografie an sich einen radikalen Einschnitt bedeutet, sondern dieser vielmehr darin besteht, dass das Foto zur Grafik geworden ist: Das einmalige Foto reiht sich in die Reihe der Grafik ein und steht nun neben Texten, Musikdateien ..., die allesamt auf demselben System des binären Codes basieren. Durch diesen Code wird das Foto nun leicht manipulierbar und verliert gleichzeitig seine Eigenständigkeit im Bereich der visuellen Kommunikation. Des Weiteren ruft Lunefeld die These Walter Benjamins ins Gedächtnis, die das Verhältnis zwischen dem „Hier und Jetzt“, der Authentizität und der Aura im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit von Kunstwerken behandelt. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich Douglas Crimp mit der Aura in den 1980er-Jahren, in der Zeit, als die digitale Fotografie immer leichter zugänglich wird. Crimp analysiert Werke der fotografischen Appropriation Art und gelangt zu dem Schluss, dass die Aura nur mehr als Geist vorhanden ist. Hier knüpft Lunefeld an, nimmt den Gedanken der Abwesenheit und Loslösung der Aura vom Original auf und bemüht sich um eine Beschreibung des Bruchs vom fotografischen zum postfotografischen Zeitalter. Im fotografischen Zeitalter macht Lunefeld eine Trennung zwischen dokumentarischer und künstlerischer Fotografie fest, die für das digitale Zeitalter nicht mehr von Gültigkeit ist, da nun alle Fotografien wie künstlerische aussehen. Als Folge der digitalen Fotografie lässt die Verbreitung von Bildern im Internet nicht lange auf sich warten. Aber was macht das Online-Bild so besonders und inwiefern unterscheidet es sich vom gedruckten? Durch die Etablierung des WWWs wird der Zugang zu Bildern im Internet für ein breites Publikum ermöglicht. Diese Online-Bilder folgen jedoch anderen Gesetzmäßigkeiten als gedruckte und sind dem Prozess verschrieben. Der Journalist und wissenschaftliche Mitarbeiter in Medienprojekten an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und am MultiMedia-Studio der Universität Hamburg, Michael Scheibel, hat die Charakteristika des Bildes im Internet treffend zusammengefasst: „Erstens das Prozesshafte: Das Internet entwickelt keine Produkte, sondern Prozesse. Das Bild im Internet ist kein einmalig fixiertes Objekt, sondern ist inhaltlich und materiell einem ständigen Prozess unterworfen. Bilder können jederzeit aus ihrem Kontext gelöst, verarbeitet und in neue Umgebungen integriert werden. Bilder können zudem beliebig oft und mit beliebig vielen Adressaten kommuniziert werden. Zweitens die Verknüpfbarkeit: Im Internet dominiert die nicht-sequenzielle Struktur des Hypertextes. Äquivalent werden für das Bild die Begriffe Hypergraphic, Hyperpicture und Hyperimage benutzt. Als Hypergraphic bezeichnet man eine Grafik in einem HTML-Dokument, die zugleich ein Verweis (Link) ist. Klickt man auf die Grafik, verzweigt der Browser zum
2.1 E INFÜHRUNG | 211
angegeben URL. Hyperpicture wurde bereits Anfang der 90er Jahre ein HypermediaDatenverwaltungssystem genannt, das eine Integration von Bildern und Videos in eine Hyperstruktur ermöglichte.“52
Diese Verlinkung kann sich dem User als Narration darstellen oder wahllos erscheinen. Des Weiteren können sich diese Sequenzen dem User offenbaren oder auch nicht nachvollziehbar sein. Ein weiterer interessanter Aspekt an dieser Stelle ist der Sprung von analogen zu digitalen Bilddaten im Internet. Andreas Schelske stellte anlässlich des zweiten Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Photographie und des Fachbereichs Gestaltung der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (2005) vier Thesen auf. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auf die dritte der Thesen, die „Digitale Vergessenstechnik“, beziehen.53 Schelske unterstreicht den bekannten Umstand, dass im Computersystem keine Bilder in dem Sinn existieren, sondern ausschließlich binäre Daten, die sowohl für Bilder als auch z. B. für Text oder Ton stehen können. Das Bild an sich löst sich als solches auf, wird in ein anderes System codiert und erweckt ausschließlich beim Betrachter den Eindruck, noch weiterhin ein Bild zu sein. Wie schon an anderer Stelle vermerkt, ist laut Schelske die analoge Fotografie der Erinnerung zuzurechnen, wohingegen die digitale Fotografie der Kommunikation zuzuordnen ist. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die durch das Internet veränderte Verfügbarkeit von Bildern. Mit mittlerweile relativ wenig Aufwand kann man sich einer Bilderflut im kunsthistorischen Sinn aussetzen, ohne dafür den Fuß in ein Museum zu setzen. Unabhängig von Zeit und Ort sind Abbildungen von Kunstwerken im WWW zugänglich und verändern unsere Sehgewohnheiten – nicht nur der Reproduktionen, sondern auch der Originale (vgl. André Malraux: „Le Musée Imaginaire“ oder Paul Valéry: „La Conquête de l’ubiqité“).
52 Scheibel, Michael: HYPERIMAGE. Bild und Bildkompetenz im Internet, in: SachsHombach, Klaus (Hrsg.): Was ist Bildkompetenz? Studien zur Bildwissenschaft, Band 10, Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden, 2003 (Version nicht aus dem Druckwerk, sondern von: odellprojekt Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter: [Online]. Verfügbar unter: http://www.vk.abk-stuttgart.de/archiv/hyperimage.pdf (Stand 1.7.2014), keine Seitenangaben) 53 Vgl. Schelske, Andreas: Das digitale Bildvergessen, Fernanwesende Bildkommunikation in Echtzeit, in: Tagungsband, ZWEITES SYMPOSIUM der Deutschen Gesellschaft für Photographie und des Fachbereichs Gestaltung der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg, 2005: [Online]. Verfügbar unter: http://www.4communication.de/html/Digi talesBildvergessen.htm (Stand 1.7.2014)
2.2 Quellen und Vorläufer des Online-Katalogs im Offline-Bereich
Die Annäherung an den Online-Ausstellungs- bzw. Online-Sammlungskatalog soll über die unterschiedlichen Vorläufer dieses Genres geschehen. Diese (möglichen) Vorreiter oder Quellen finden sich sowohl bei den schon beschriebenen gedruckten Katalogen als auch im digitalen Bereich. In ebendiesem möchte ich die Unterscheidung in offline und online machen, um die Entwicklung präzise nachvollziehbar zu machen. Im Offline-Bereich und in den Grenzbereichen bereiten die Museums-/Ausstellungs-CD-ROM und in der Folge die DVD sowie in gewisser Weise das E-Book die Etablierung des Online-Katalogs vor. Das E-Book, das sich im Grenzbereich zwischen offline und online ansiedelt, hat seinen Beitrag zur Entwicklung des Online-Katalogs geleistet. Um diese Neuerungen besser skizzieren zu können, ist es sinnvoll, deren Entwicklung von ihren Anfängen an nachzuzeichnen und sich den Standardisierungsmaßnahmen sowie den digitalen Datenbanken zuzuwenden, die ebenso an der Schnittstelle zwischen offline und online zu finden sind und in ihrer frühen Form den Ausgangspunkt für die Entwicklung der musealen CD-ROMs darstellen. Digitale Datenbanken und Standardisierungsmaßnahmen Die Basis für die Umsetzung der Museums- bzw. Ausstellungs-CD-ROMs bilden die Digitalisierungsmaßnahmen der musealen Sammlungsbestände. Die Anfänge gehen in den USA bis in die 1960er-Jahre zurück.1 Aber auch in Europa wird nach leicht zugänglichen digitalen Archiven bzw. Sammlungsbeständen gestrebt. Annette Hünnekens verweist in diesem Zusammenhang auf das europäische „Memorandum of Understanding“ (MoU) der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1996, das die Rolle der europäischen Museen im Zeitalter der Informationsgesellschaft
1
Für einen kurzen Überblick über die Entwicklung in den USA: siehe Appendix 9
214 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
beleuchtet. Das MoU umfasst u. a. die Charta „Multimedia-Zugang zum europäischen Kulturerbe“. Diese hat zum Ziel, ein europäisches Netzwerk zur Etablierung des digitalen Zugangs zum Kulturerbe zu schaffen, in dem sich die Beteiligten aus Kultur, Staat und Informationstechnologie um dieses gemeinsame Ziel bemühen.2 Vereinfacht zusammengefasst, geht es hier um das Bemühen, das europäische Kulturgut digital – und im Idealfall über das Internet – zu archivieren und im Anschluss einer größtmöglichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Martina Jäger schreibt hierzu in ihrer Diplomarbeit „Das multimediale Museum. Ein europäisches Memorandum of Understanding von 1996 und die heutige Digitalisierungspolitik Österreichs“: „Die EU sieht die Vermittlung des europäischen Kulturerbes auf der ganzen Welt als eine ihrer vornehmlichsten Aufgaben. Es ist jedoch so, dass nur Personen vor Ort oder jene, die Reisen auf sich genommen hatten, auf das originale Kulturgut zurückgreifen können. Die anderen Interessenten mussten sich mit Abbildungen aus Büchern und Zeitschriften, falls vorhanden, begnügen. Durch IKT [Informations- und Kommunikationstechnologie, Anm. der Autorin] sollte jedoch auch ein neuer Zugang möglich sein. Dafür wurden die Museen und Galerien als Halter von Kulturgütern und -informationen nun dazu aufgerufen einen bedeutenden Anteil davon für Services und Produkte, die innerhalb der Informationsgesellschaft genutzt werden könnten, aufzuarbeiten. Diese Aufarbeitung im Sinne der traditionellen Aufgaben eines Museums – Sammeln, Bewahren, Erforschen, Präsentieren und Vermitteln – stellen im Informationszeitalter neue Herausforderungen dar.“3
Ich sehe hier Beweggründe, die heute in groß angelegten Digitalisierungsmaßnahmen gipfeln, aber auch schon im 16. Jahrhundert ihre Gültigkeit hatten und damals z. B. zur Etablierung der Pilgerführer führten. Die Zugänglichkeit von Kunst- und Kulturgütern über Reproduktionen (analog oder digital) unabhängig vom Ort stehen seit vielen Jahrhunderten im Zentrum des Interesses. Diese manifestieren sich je nach technischen Möglichkeiten in unterschiedlichen Formen (Pilgerführer im Holzschnitt, Sammlungskatalog im Offsetdruck oder digitale Datenbanken). Aus diesem Grund erachte ich die Berücksichtigung der digitalen Datenbanken bei der Skizzierung der Vorläufer der Online-Kataloge als notwendig. Das Ziel der an der Charta beteiligten Institutionen ist es, bis zum Jahr 2000 mindestens 50 Prozent oder 100.000 Objekte ihrer Sammlungen online zugänglich
2
Vgl. Jäger, Martina: Das multimediale Museum. Ein europäisches Memorandum of Understanding von 1996 und die heutige Digitalisierungspolitik Österreichs, Diplomarbeit betreut von Mag. Andreas Hepperger, MSc im Fachbereich: Informations- und Wissensmanagement am Fachhochschul-Studiengang Informationsberufe, Eisenstadt, 2006, S. 17
3
Ebd., S. 18f.
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zu machen. Hierzu werden unterschiedliche Arbeitsgruppen gebildet (Arbeitsgruppe „Standards und Interoperabilitätsprotokolle“, Arbeitsgruppe „Öffentliches Bewusstsein und Märkte“, Arbeitsgruppe „Besitz und Schutz von geistigem Eigentum“, Arbeitsgruppe „Prioritäten bei der Digitalisierung“, Arbeitsgruppe „Integration von Bibliotheken und Archiven“), die mit unterschiedlichen Erfolgen bzw. Ergebnissen voranschreiten.4 Neben dieser Vereinbarung werden zahlreiche Projekte, die sich mit der Digitalisierung von Museumsbeständen im weiteren Sinn beschäftigen, ins Leben gerufen. Die hier nachfolgende Aufzählung soll keinen vollständigen Überblick, sondern einen Einblick in die unterschiedlichen Bemühungen (in Form von Vereinbarungen sowie konkreten Projekten) im europäischen Umfeld geben.5 Beispiel 1: RACE I 1989–1992: EMN European Museumsʼ Network Das European Museums’ Network wird auf Initiative der EU im Jahr 1989 ins Leben gerufen und hat zum Ziel, die Bestände von acht europäischen Museen6 digital zugänglich zu machen.7 Die beiden zentralen Anliegen umfassen einerseits das erweiterte Informationsangebot für den Museumsbesucher (über 800 Objekte wurden schlussendlich digitalisiert). Dazu kann dieser an speziell eingerichteten Computerstationen auf die digitalen Bestände der Partnermuseen zugreifen. Andererseits steht die Etablierung gemeinsamer Standards sowohl auf technischer als auch auf inhaltlicher Ebene im Zentrum der Bemühungen.8 Interessant zu bemerken ist, dass hier noch nicht eine Ausrichtung auf einen internetbasierten Zugang das Ziel ist, son-
4 5
Vgl. ebd., S. 20ff. Auswahl einiger europäischer Digitalisierungsprojekte: RACE I 1989–1992: EMN European Museums’ Network, RACE II 1992–1995: RAMA Remote Access to Museum Archive, VAN EYCK 1993–1996: Verknüpfung zwischen RAMA und EMN, MEDICI 1995–1998, AQUARELLE (Abschluss 1998), HYPERMUSEUM – European Cultural Network 1998–2001, MOSAIC Museums Over States and Virtual Culture (vorgestellt 1997): http://mosaic.infobyte.it/, PHOENIX, MAGNETS 1997–1998, KALEIDOSKOP 1996–1998 // ARIANE 1997–1998 // RAPHAEL 1997–2000, erstes EU-Rahmenprogramm für Kultur CULTURE 2000: 2000–2006, Online-Zugang zu Europas kulturellem Erbe, Arbeitsplan im Kulturbereich 2008–2010, Arbeitsplan für Kultur 2011–2014
6
Um welche Museen es sich hierbei speziell handelt, konnte trotz intensiver Recherche nicht herausgefunden werden. Es geht hervor, dass Museen aus folgenden Städten zur Systematisierung herangezogen werden: Lissabon, Madrid, Paris, Den Haag, Bremen, Bremerhaven, Kopenhagen und Hamburg.
7
Die nachfolgende Skizzierung basiert auf: Lipp, Achim; Schmitz-Esser, Winfried, 1993
8
Vgl. ebd.
216 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
dern dass im Rahmen eines realen Museumsbesuchs der Einblick in weitere Museumsbestände ermöglicht wird. D. h., die reale Präsentation eines Museums wird durch die digitalisierte Sammlung der Partnermuseen erweitert, der Besucher ist aber dennoch gezwungen, sich physisch in ein Museum zu begeben. In diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen ist, dass der Besucher zwei unterschiedliche Möglichkeiten hat, sich den digitalen Beständen zu nähern: Einerseits werden „Guided Tours“ angeboten. Das sind zu bestimmten Themen vorab angefertigte „Rundgänge“, die sich als Aneinanderreihung von Bild- und Textdokumenten präsentieren. Die zweite Annäherung ist über „Keyword Navigation“ möglich: „The visitor is free to choose his own words, and at any time is in full command of the steps he may be inspired to take on his trip around the international, pluri-disciplinary museum landscape, whereby he may discover new and even surprising correlations between the artefacts ,on show‘, their history, meanings, motives and values.“9
Bei diesem Pilotprojekt zeigt sich die Wichtigkeit der institutionsübergreifenden Standardisierung sowohl auf inhaltlicher als auch technischer Ebene, ebenso wird deutlich, dass die Qualität des Texts genauso wichtig ist wie die Qualität des Abbilds des Ausstellungsobjekts. Beispiel 2: Multimedia for Education and Employment through Integrated Cultural Initiative (MEDICI) 1995–1998 Im Jahr 1995 wird das Netzwerk MEDICI (Multimedia for Education and Employment through Integrated Cultural Initiative) ins Leben gerufen. Es hat u. a. die Beschäftigung mit Standardisierungsmöglichkeiten zum Ziel.10 „The MEDICI Framework (Multimedia for Education and Employment through Integrated Cultural Initiatives) is a framework of co-operation established in 1995 adopted and supported by the European Commission (1997). The goal of MEDICI is to promote the use of advanced technologies for access to, understanding, preservation and economic promotion of culture. Main action lines are: information sharing, research projects, education & training. The use of advanced technologies allows the achievement of goals of important cultural value, which are impossible with traditional tools. This will lead us to a fuller understanding
9
Ebd.
10 Vgl. Jäger, Martina, 2006, S. 27
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of our culture. And of course any form of economic exploitation must take fully into account the primordial need for preservation of the cultural heritage, for future generations.“11
Ein wichtiger Aspekt, der im Rahmen von MEDICI Beachtung findet, ist die dauerhafte Zugänglichkeit bzw. Lagerung der digitalen Daten. D. h., dass Möglichkeiten diskutiert werden, wie trotz der schnellen Weiterentwicklung der Technik alte Daten weiterhin für den User zugänglich bleiben. Zahlreiche Konferenzen und Treffen dienen dem internationalen Austausch und der Entwicklung möglicher Strategien.12 Beispiel 3: Museums & Galleries New Technology Study (MAGNETS) 1997–1998 MAGNETS13 beschäftigt sich mit den Anforderungen an die Technik im Bereich der Museen hinsichtlich deren unterschiedlichen Öffentlichkeiten (Besucher, Schulen ...). In diesem Zusammenhang findet auch die Frage nach dem Urheberrecht (Bild-, Ton- u. a. Rechte) ihren Platz, da diese durch das Internet an Dringlichkeit gewonnen hat und der Wunsch nach einer einheitlichen Regelung in der EU aufkommt. Aus der MAGNETS kommen elf Schlussfolgerungen hervor, die für die nachfolgende Erhebungen von Bedeutung sind.14
11 MEDICI Framework (Multimedia for Education and Employment through Integrated Cultural Initiatives): [Online]. Verfügbar unter: http://www.medicif.org/mission_state ment.htm (Stand 19.10.2011, Seite in dieser Form nicht mehr online) 12 Vgl. MEDICI Framework of Cooperation, Annual Report, 2009 13 Bemerkenswert bei der MAGNETS ist, dass die in der Literatur als Quelle angegebene Website http://www.vasari.co.uk/magnets/wp4/ nicht mehr verfügbar ist und keine vergleichbaren Quellen zu finden sind. Generelle Informationen zu MAGNETS sind derzeit unter: MAGNETS: [Online]. Verfügbar unter: http://cordis.europa.eu/search/index.cfm? fuseaction=proj.document&PJ_LANG=EN&PJ_RCN=1560590 (Stand 3.11.2011) [die Website wird derzeit auf einem anderen Server installiert und ist erst zu einem nicht definierten Zeitpunkt wieder zugänglich] zu finden. 14 1.) „The gradual harmonisation of the legal framework at international, EU and national levels makes longterm policy decisions less difficult and risky. […]“ 2.) „[…] Appreciation of the complexities regards not only the legal domain but also the financial, political social consequences. There is a great fear of losing rights by early agreements with electronic publishers, especially strong ones – in particular MICROSOFT/CORBIS. […]“ 3.) „There is in consequence, inter alia, the beginning of a movement to establish means and ways to help museums (and others) through the Electronic Publishing Jungle (e. g. UK Museums Association leaflet, dissemination of leading practice (e. g. National Gallery) and development of model contracts/licences.“
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Der Fokus auf die europaweite Standardisierung bezüglich Urheber- und Nutzungsrechten spiegelt die Wichtigkeit dieser Punkte wider, die sich nicht ausschließlich auf die 1990er-Jahre beschränkt, sondern die Standardisierungsbemühungen behalten bis heute ihre Dringlichkeit.
4.) „Currently there are grounds to believe that after initially undervaluing museums electronic rights, these are now being overvalued by some museums and that the pendulum will swing back to a more moderate position – this may take 3–5 years. The key issue is ,share of the cake‘.“ 5.) „The importance of the US market for museum object images both in terms of size and speed make consideration of their copyright and licensing developments critical.“ 6.) „The emergence of lawyers offering specialist service for multimedia to the Arts world in general and museums in particular indicate the opportunity for financial gains and losses.“ 7.) „For owners of IPR, collective licensing can only be acceptable when it is purely based on voluntary arrangements and involves no compulsory licensing. This is because owners of IPR want to maintain maximum control over the way in which their works are used in multimedia environments. Furthermore, they will want to be able to negotiate individually the remuneration for the use of their works. […]“ 8.) „The digital revolution should not be seen as an unmitigated disaster for authors. While it is accepted that the possibilities it puts in the hands of users are fraught with dangers for example, plagiarism, derogation, and manipulation, technology can also provide the solution. Technology can be used to enable an author to check the use of his works, even if such systems are not one hundred per cent reliable. [...]“ 9.) „It is anticipated that technical enforcement through the use of watermarking, electronic tagging and the such like will complement law enforcement to provide a comprehensive protection of copyright and author’s rights.“ 10.) „All EC Cultural Systems projects need to take copyright issues into account and major projects focusing on copyright such as IMPRIMATUR and COPEARMS should be taken advantage of to provide latest information and advice since the field is so complex and continually moving.“ 11.) „Museums, especially small ones, need assistance and information on copyright issues if they are to enter the multimedia business area. National and EC government initiatives are vital to help in this as for example reflected in a 1996 confidential study to the UK Department of National Heritage/Museums & Galleries Commission/Museums Documentation Association.“ [MAGNETS work package 04 section IV „Copyright & Author’s Rights“, zitiert aus: REGNET Cultural Heritage in REGional NETworks, Deliverable Report D3 Enterprise Engineering and Market Analysis, Version 01, 2001, S. 25f.]
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Beispiel 4: Online-Zugang zu Europas kulturellem Erbe: Europeana15 Auf der Website „Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung“ wird dieser Bericht wie folgt beschrieben: „Diese Mitteilung beschreibt die bislang erzielten Fortschritte und die Maßnahmen, die noch ergriffen werden müssen, um die europäische digitale Bibliothek ,Europeana‘ zu entwickeln. Besonders hervorgehoben werden die Schritte, welche die Mitgliedstaaten unternommen haben, um die Empfehlung 2006/585/EG der Kommission vom 24. August 2006 zur Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials und dessen digitaler Bewahrung umzusetzen, die in den Schlussfolgerungen des Rates vom 20. November 2008 unterstützt wurde.“16
Die hier erwähnte Online-Datenbank Europeana17 (http://www.europeana.eu) wird im Jahr 2008 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und hat zum Ziel, das kulturelle und wissenschaftliche Erbe (Bild, Text, Ton, Video ...) einer breiten Öffentlichkeit mithilfe des Internets zugänglich zu machen (auf Europeana wird an späterer Stelle noch genauer eingegangen). Hierbei handelt es sich um eine OnlineDatenbank, deren Bestand zur Konzipierung von „Virtual Exhibitions“ unterschiedlicher Projektgruppen beiträgt. Dieses europäische Projekt umfasst im Jahr 2010 zehn Millionen Objekte und ist derzeit in 30 verschiedenen Sprachen verfügbar. Die im Bericht „Online-Zugang zu Europas kulturellem Erbe“ hervorgehobenen Punkte umfassen die erzielten Fortschritte in den Bereichen der Digitalisierung, der Online-Bereitstellung und der digitalen Bewahrung. Aspekte, die auch schon in anderen Studien Beachtung finden, aber weiterhin an Wichtigkeit bewahren. Auch werden hier der Übergang zu online, die damit verbundenen Vor- und Nachteile sowie Risiken verdeutlicht. Beispiel 5: Arbeitsplan für Kultur 2011–2014 Die europäischen (sowie die internationalen) Bemühungen um eine konstruktive Weiterführung der Digitalisierung im musealen Bereich und das damit verbundene Zur-Verfügung-Stellen im Internet werden bis heute weitergeführt. Der Arbeitsplan
15 Vgl. EUROPA > Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung > Kultur: Online-Zugang zu Europas kulturellem Erbe: [Online]. Verfügbar unter: http://europa.eu/legislation_ summaries/culture/am0001_de.htm (Stand 3.11.2011) [die Website wird derzeit auf einem anderen Server installiert und ist erst ab September 2014 wieder zugänglich] 16 Ebd. 17 Unterschiedliche Dienste sind mit der Digitalisierung der Bestände beauftragt. Z. B. Digitising Contemporary Art (DCA) [vgl. Digitising Contemporary Art (DCA): [Online]. Verfügbar unter: http://www.dca-project.eu (Stand 1.7.2014)]
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für Kultur 2011–2014 umfasst unter Priorität D: kulturelles Erbe, einschließlich Mobilität von Sammlungen: „Die Kommission setzt gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Digitalisierung des kulturellen Erbes fort. Hierzu gehören die Arbeiten am Filmerbe und an der Europeana. […] Schließlich entwickelt die Kommission eine ,Toolbox‘ für die Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern und analysiert die Regelungen für die Schätzung von Kunstwerken.“18
Die Weiterführung von Europeana sowie dessen verbessertes Erscheinungsbild, das Anfang Oktober 2011 online ging, lassen auf Erfolg schließen. Die Bekämpfung von Kunstschmuggel bzw. die Identifizierung von illegalen Kunstwerken mithilfe von digitalen Datenbanken wird hier unterstrichen und ins Zentrum gestellt. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die zentralen Punkte der soeben genannten Projekte folgende sind: Ausgehend von institutionsübergreifender Standardisierung wird nun eine europäische Standardisierung im Bereich der digitalen Datenbanken angestrebt. Ein weiteres zentrales Anliegen sind Lagerung und dauerhafte Zugänglichkeit digitaler Daten. Und schlussendlich wird durch all diese Maßnahmen der Übergang von Offline-Datenbanken zu Online-Datenbanken vorbereitet bzw. umgesetzt. Wo ist aber der Bezug zwischen Katalog und Offline-Datenbanken? Man denke hier an die unterschiedlichen Definitionen des Katalogs angefangen vom Brockhaus (Aufzählung, Verzeichnis) über André Chastel (vom Kurator verfasste öffentliche Publikation, methodische Liste, mit oder ohne Bildmaterial) über Ernst Goldschmidt (beschreibende Liste) und Pierre Rosenberg (temporärer Bezug zwischen Präsentation und Erscheinung des Katalogs) bis hin zur (leider etwas vagen und lückenhaften) Beschreibung der Datenbank durch ICOM (Bezug zum Zielpublikum): Die Offline-Datenbanken umfassen wie die Kataloge ein Verzeichnis, das meist durch Bildmaterial zu den einzelnen Werken ergänzt wird. Gemäß den technischen Möglichkeiten im digitalen Bereich werden die Abbildungen ggf. mit Video- und/oder Tonmaterial erweitert. So sind die sogenannte Liste und die Reproduktionen dem Katalog und den erwähnten Datenbanken gemein. Diese Datenbanken sind dem Sammlungskatalog näher als dem Ausstellungskatalog, da sie sich anfangs auf schon bestehende Sammlungen beziehen und
18 EUROPA > Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung > Kultur: Arbeitsplan für Kultur 2011–2014: [Online]. Verfügbar unter: http://europa.eu/legislation_summaries/culture/ cu0007_de.htm (Stand 3.11.2011) [die Website wird derzeit auf einem anderen Server installiert und ist erst ab September 2014 wieder zugänglich]
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die Sammlungsbestände unabhängig von der aktuellen Schausammlung dem Publikum vorstellen. CD-ROM Neben der Erstellung von Datenbanken, die anfangs offline und später online zugänglich sind, spielen auch die musealen CD-ROMs eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Online-Kataloge. Die ersten Versuche, Daten auf eine Disc zu speichern, gehen bis in die 1970erJahre zurück. Zuerst entwickeln sich die Audio-Compact-Discs (eine Zusammenarbeit von Philips und Sony), sodass Anfang der 1980er-Jahre die ersten CD-Player auf den Markt kommen, um dieses neue Speichermedium nutzbar zu machen. In der Folge findet die CD-ROM, die für die Speicherung von Computerdaten gedacht ist, ihre Fertigstellung und löst die Diskette ab (die ersten CD-ROMs für die breite Masse kommen z. B. in Frankreich im europäischen Vergleich relativ spät im Jahr 1994 in Umlauf19). Ende der 1990er-Jahre ist die Entwicklung der DVD, die u. a. den Vorteil einer größeren Speicherkapazität mit sich bringt, so weit vorangeschritten, dass auch diese der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.20 Vor diesem Hintergrund entstehen die ersten CD-ROMs im kulturellen Bereich. Aber was genau ist nun eine Museums-/Ausstellungs-CD-ROM? Welche Aufgaben und Funktionen bringt diese mit sich und durch welche Charakteristika zeichnet sich diese aus? CD-ROMs bieten im kulturellen Bereich Zusatzinformationen zu den ausgestellten Objekten an.21 Diese können entweder über zur Verfügung gestellte Geräte direkt vor Ort konsultiert werden oder abseits der realen Präsentation zu Hause mithilfe des Computers. Wie auch bei den gedruckten Katalogen gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Formen der Museums-/Ausstellungs-CD-ROM, auf die an späterer Stelle eingegangen wird. Generell kann man zwischen CD-ROMs, die die Arbeit einzelner Künstler vorstellen (diese sollen in meiner Arbeit nicht weiter analysiert werden), und solchen, die ein Museum oder eine Ausstellung präsentieren, unterscheiden.22 Außerdem gibt es die Unterscheidung zwischen zwei weiteren Gruppen von CD-ROMs. Die erste bezieht sich auf eine real existierende Sammlung oder eine physisch umgesetzte Ausstellung, die zweite Gruppe hat keinen Bezug zu einer realen Präsentation und vereint Werke, die an unterschiedlichen Orten
19 Vgl. Pognant, Patrick; Scholl, Claire: Les cd-rom culturels, Hermès, Paris, 1996, S. 15 20 Vgl. TU-Chemnitz: DVD: 1. Entwicklung [Online]. Verfügbar unter: http://www.tuchemnitz.de/informatik/RA/news/stack/kompendium/vortraege_97/dvd/dvdentw.html (Stand 1.7.2014) 21 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 54 22 Vgl. Pognant, Patrick; Scholl, Claire, 1996, S. 27
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zu finden sind, digital. Claire Scholl und Patrick Pognant halten fest: „Les cd-roms culturels ont en commun d’être comme des livres électroniques arborescents avec pour plus petit dénominateur la page-écran.“23 Die formale Nähe zwischen „kultureller CD-ROM“ und Buch wird in diesem Definitionsversuch, der vom Ende der 1990er-Jahre datiert, hervorgehoben. Im englischsprachigen Raum kommen die ersten CD-ROMs Anfang der 1990er-Jahre auf.24 Die National Gallery of Art in London macht im Jahr 1991 die „Micro Gallery“ für Besucher zugänglich. Diese besteht aus einem Raum, der 13 Computer mit Touchscreens beherbergt, die den Inhalt der Micro-Gallery-CDROMs zur Verfügung stellen. Die Benutzung dieser Computer ist gratis. Jeder dieser Computer ermöglicht den Zugang zu dieser digitalen Datenbank, die fünf Kapitel umfasst („Painting Catalogue“, „Artists Biographies“, „Historical Atlas of Western European Art“, „Type Index“, „General Reference Section“), die wiederum untereinander verlinkt sind. Interessant zu bemerken ist, dass die gesamte Sammlung von ungefähr 2200 Werken in diesem CD-ROM-Werk (in Wort und Bild) repräsentiert wird. Auch besteht die Möglichkeit, einzelne Seiten gegen einen geringen Kostenaufwand auszudrucken, sodass sich der Besucher seinen persönlichen „catalogue-en-acte“ für den anschließenden Besuch zusammenstellen kann.25 Diese Rückführung in den gedruckten Bereich implementiert eine Reduktion, da z. B. Links oder Zoomfunktionen beim Druck verloren gehen, die bei der digitalen Version dem User zur Verfügung stehen (vgl. dazu Andreas Schelske). Ein weiterer wichtiger Punkt hier ist, dass die Inhalte der CD-ROM direkt vor Ort an öffentlich zugänglichen Geräten kostenlos ermöglicht werden (die örtliche Verankerung und Bindung an die Sammlung werden hier deutlich) und die CDROM aber auch zum Verkauf und daher zum häuslichen Gebrauch angeboten wird. So fallen dieser CD-ROM ebenso Dokumentationsfunktionen zu. Aber nicht nur in Europa etabliert sich zu dieser Zeit das Genre der MuseumsCD. Auch in den USA oder Kanada gewinnt dieses Medium an Terrain. Ein derartiges Beispiel stellt „The Catalogue of Canadian Art on CD-ROM at the National Gallery of Canada“ aus dem Jahr 1994 dar (Appendix 10). Eine der ersten CD-ROMs, die ein großes mediales Interesse im kontinentaleuropäischen Raum wecken, ist die CD-ROM „Le Louvre. Visite interactive du plus
23 Ebd., 1996, S. 27 24 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 54 25 Vgl. Rubinstein, Ben: The micro gallery at the national gallery of London, in: Archives and Museum Informatics, Volume 6, issue 2, Springer Netherlands, 1992, S. 5
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grand musée du monde. Peintures & palais“ (1994).26 Wie der Titel verrät, verstehen die Herausgeberinnen Dominique Brisson und Natalie Coural diese CD-ROM, die in Zusammenarbeit mit dem Rmn, Montparnasse Multimédia und Index+ entwickelt wurde, als interaktiven Besuch des Louvre und nicht in erster Linie als Katalog. Es wird dem User sowohl das Palais du Louvre als auch eine Auswahl von 100 Werken vorgestellt. Hier kann man dennoch eine Parallele zu den klassischen Sammlungskatalogen sehen, die in ihren Paratexten meist auch die Geschichte des Museums und dessen Architektur erläutern. Jedoch bietet die CD-ROM eine Verschränkung bzw. Verlinkung dieser beiden Ebenen an, die im gedruckten Bereich nicht möglich ist. Ein weiterer Unterschied ist, dass die CD-ROM die nach Schulen geordneten reproduzierten Werke mit Musik- und gesprochenen Textelementen ergänzt und sie somit in einen bestimmten Kontext einbettet. Interessant ist es hier, einen Blick auf den Aufbau zu werfen:27 Die CD-ROM präsentiert sich in erster Linie durch den physischen Status der CD-Box (15 mal 21,5 cm, Rücken: 1,3 cm). In diesem Fall besteht diese aus Hartkarton in Form einer Schachtel, die sich wie eine Publikation aufklappen lässt. Diese präsentiert sich wie ein klassisches Buch mit Cover, Buchrücken und Rückseite und den jeweiligen Paratexten. Durch das Material und die farbenfrohe Gestaltung erweckt diese CD-ROM-Hülle einen edlen Charakter und unterstreicht visuell sowie haptisch ihren gehaltvollen Inhalt. Im Inneren befinden sich die CD-ROM und eine Menge an paratextlichem Material: ein Faltblatt, das die CD-ROM vorstellt, sowie ein Informationsblatt zur Installation der CD-ROM auf PC und Mac. Des Weiteren findet der Leser eine Karte, auf der er seine Meinung über die CD-ROM sowie Verbesserungsvorschläge direkt an Montparnasse Media adressieren kann. Die CD-ROM an sich präsentiert sich schlicht: blauer Druck auf silberner Scheibe. Nach Installation der CD-ROM ertönt Musik und eine Art „Vorspann“ erscheint, in dem der Titel und die Macher genannt werden. Dies lässt an eine Film-/ Video-DVD denken, da dieser ähnlich wie ein Filmvorspann aufgebaut ist. Erst in der Folge erscheint das Titelblatt, betitelt als „Sommaire“ (Inhaltsverzeichnis), auf dem man die Lautstärke der Musik regulieren kann. Der User kann zwischen den beiden Hauptkapiteln bzw. Bänden wählen: „Le Palais“ oder „Les Collections“. Außerdem findet man einen direkten Link zu den „Credits“ (präsentiert auf vier
26 Die nachfolgende Analyse basiert auf der Untersuchung von: Hémery, Annick: CD du Louvre: la compil’ interactive, in: Etapes graphiques, Pyramyd NTCV, Paris, März 1995 27 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse der originalen CD-ROM (französischsprachig): Brisson, Dominique; Coural, Natalie: Le Louvre. Peintures & palais. La visite interactive du plus grand musée du monde, Montparnasse Multimédia, Rmn, 1994
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Seiten), die in gewisser Weise dem Impressum des gedruckten Katalogs entsprechen. Ein direkter Link „Index“ erlaubt den Zugang zu den präsentierten Werken, Sälen und Künstlerbiografien. Entscheidet sich der User nun für den Band „Le Palais“ und klickt auf das Foto, wird er, begleitet von gesprochenen Informationen, direkt zu einer Überblick verschaffenden Zeitleiste geleitet. Durch Klicken auf die eingezeichneten Etappen der Entstehung des Palais kann der User zu detaillierter Information in Bild, Text und Ton gelangen. Um zu einer anderen Etappe zu springen, ist es nicht notwendig „zurückzublättern“, sondern man kann direkt durch eine Jahreszahlenleiste zur gewünschten Epoche weiterspringen (vgl. dazu das Hypertextsystem). Durch diese Verlinkung entsteht ein Assoziationsnetz, durch das sich der User gemäß seinem Interesse bewegen/klicken kann. So wird die Linearität des gedruckten Katalogs aufgebrochen und in ein Netzwerk überführt. Es entsteht nun ein bewegter, dem Prozess verschriebener Eindruck beim Leser/User. Ist dieser erste Teil mit den sammlungs- und gebäudebezogenen Kapiteln der Sammlungskataloge vergleichbar? Inhaltlich lassen sich hier Ähnlichkeiten erkennen. Wie bei einem Sammlungskatalog werden nicht nur die die Sammlung konstituierenden Werke beschrieben, sondern auch das die Sammlung beherbergende Gebäude und seine Geschichte werden beleuchtet. Auch dass dieser Themenkomplex an erster Stelle steht, ist als Parallele im Aufbau zu den gedruckten Sammlungskatalogen zu sehen. Jedoch sind auf formaler Ebene einige Unterschiede festzustellen, auf die ich an späterer Stelle noch zu sprechen kommen werde. Zurück zum „Sommaire“: Bei Wahl des Bandes „Les Collections“ erscheint ebenso eine Zeitleiste (begleitet von einer gesprochenen Erklärung), die wiederum nach Schulen aufgeteilt ist. Bei der Anwahl einer Schule erscheinen kleine Vignetten der einzelnen Werke und es ertönt der Epoche entsprechende Musik, gefolgt von einleitenden, gesprochenen Informationen. Auf der rechten Seite besteht die Möglichkeit, Informationen in Textform über die jeweilige Epoche und Schule zu erhalten, auch kann beliebig oft auf die gesprochene Information zurückgegriffen werden. Durch Anklicken einer der Vignetten wird diese größer dargestellt – immer begleitet von einem gesprochenen Text –, mit Angaben zu Titel, Jahr, Maler, Material und Maßen. Auch hier besteht ein Angebot an Zusatzinformationen: 1.) die Biografie des Künstlers in Textform, 2.) die Präsentation als Tonspur, 3.) die Analyse der Komposition durch eine spezielle Animation, 4.) die Einordnung des Werkes auf einer Zeitleiste. Des Weiteren wird die Option „Loupe“ (Lupe) angeboten, die einen Zoom zulässt und gemäß dem ausgewählten Detail einen gesprochenen Text anbietet. Das Angebot „Echelle“ (Maßstab) stellt das Werk in einem Raster im Vergleich zum menschlichen Körper und anderen Werken dar (hier sowie beim Kapitel „A propos“ wird kein Tonmaterial angeboten). Das Unterkapitel „A propos“ befasst sich mit weiterführenden Themen (wie z. B. der Entwicklung der Ölmalerei u. Ä.). Um das Werk in seiner realen Ausstellungssituation zu lokalisieren,
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befinden sich unten rechts ein kleiner Grundriss des jeweiligen Flügels und die Angabe des Saals, in dem das Original ausgestellt ist. Bei Klicken auf den Plan wird dieser vergrößert, es wird angezeigt, ob noch andere Werke aus diesem auf der CDROM vorgestellt werden (und wenn dies der Fall ist, kann man direkt darauf zugreifen), ein Ausschnitt des Werks und eine fotografische Aufnahme der realen Präsentationsumstände werden gezeigt. Durch weitere Links wird man, bei Interesse, direkt in den Band „Le Palais“ geleitet, um mehr Informationen zum jeweiligen Gebäudeflügel zu erhalten. Auch hier lassen sich Parallelen zum gedruckten Sammlungskatalog feststellen: Der Aufbau nach Schulen und Chronologie und die Angaben zum Werk, die Biografie des Künstlers und auch weiterführende Informationen (wenn auch seltener) sind beiden gemein. Jedoch sind das dichte Verweisnetz, das die technischen Möglichkeiten einer CD-ROM bietet, die Integration von Ton und bewegtem Bild sowie die individuelle Auswahl von gewünschten Detailansichten eine drastische Erweiterung zum gedruckten Katalog. Zusammenfassend kann man sagen, dass es inhaltlich und bis zu einem gewissen Grade auch im Aufbau deutliche Ähnlichkeiten zwischen dieser CD-ROM und den klassischen Sammlungskatalogen gibt, jedoch – bedingt durch die medialen Charakteristika – formale Unterschiede zu bemerken sind. Auf der Seite des Inhaltsverzeichnisses befindet sich der Button „Visite guidée“ (Führung). Bei dessen Anwahl wird eine Kurzpräsentation des Bandes „Les Collections“ in Ton und Form einer Diashow, die ca. 30 Sekunden dauert, angeboten. Abschließend kann man folgende Punkte festhalten: Durch die Ausführung der CD-ROM-Hülle (Material, Format) wird die Nähe zum gedruckten Katalog gesucht (vgl. stofflichen Paratext). Sie lässt sich ins Regal, leicht identifizierbar durch ihren bedruckten Rücken, stellen und weist entsprechende Paratexte auf. U. a. deshalb, weil zur Lektüre ein Computer notwendig ist (und im Jahr 1994 noch keine alternativen Lesegeräte verbreitet waren), lässt sich die CD-ROM dem Genre „catalogue-document“ zuordnen. Aber auch weil sie auf den Besuch des Louvre vorbereitet, weiterführende Informationen anbietet und somit ein Recherchetool ist und nach dem Besuch als Erinnerung und „Nachschlagewerk“ dient. Aufbau und angebotene Inhalte sind ebenso mit dem gedruckten Sammlungskatalog verwandt. Jedoch werden diese durch die dem Medium entsprechenden Möglichkeiten anders zugänglich gemacht. Der lineare Aufbau des Buchs wird überwunden und in ein Netzwerk übersetzt, das dank des Hyperlinks den menschlichen Assoziationen ähnliche Verknüpfungen zulässt. Jeder Leser/User kann somit seinen individuellen und auch wechselnden Ablauf jedes Mal neu festlegen. Es entsteht der Eindruck eines Flanierens durch eine Gedankenwelt, durch ein „Musée Imaginaire“ oder eine digitale Bilderwelt. Dieser Punkt bricht das Verständnis des Katalogs auf und schlägt die Brücke zum Titel dieser CD-ROM: „La visite inter-
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active“, der interaktive Besuch. Die Interaktivität beschränkt sich in diesem Fall auf das Klicken und Auswählen von Informationen, unterstreicht aber, dass es sich hierbei um einen Abbildungsversuch des Louvre handelt, und nicht um einen Katalog. Woran lässt sich dies aber festmachen? Der filmähnliche Vorspann und die Musik führen den User ein und wecken sofort Assoziationen mit bewegten Bildern und einer nachfolgenden Narration, die einer bestimmten Dramaturgie folgt. Diese Erwartung wird nicht im herkömmlichen Sinn erfüllt. Das noch sehr starre Organisationsnetz der CD-ROM lässt die Struktur dieser dem User bewusst werden und bleibt nachvollziehbar. Keine Überraschungen oder unerwarteten Verweise tauchen auf. Dennoch ist das Netzwerk sehr gut verschränkt und lässt einen prozesshaften Eindruck entstehen. Prozesshaft in dem Sinn, dass die Konstellation der stabilen Informationsbausteine immer wieder neu verändert werden kann und somit beim User entsprechende mentale Welten entstehen lässt. Prozesshaft aber auch im weiteren Sinn, da die Wiedergabe der Bilder (Farben, Größe) vom jeweiligen Wiedergabegerät abhängt. So verändert sich der Eindruck der Situation entsprechend und bietet nicht wie der gedruckte Katalog ein vom Kontext unabhängiges und relativ konstantes Bild. Durch die zahlreichen gesprochenen Texte, die beim Öffnen der unterschiedlichen Seiten ertönen, wird die Nähe zum realen Museumsführer gesucht. Eine Interaktion von Frage – Antwort wie beim realen Besuch ist hier jedoch nicht geboten und steht somit noch in der Tradition des unidirektionalen Informationsflusses. Bemerkenswert ist auch, dass die Bilder, Präsentationen u. Ä. nicht bildschirmfüllend dargestellt werden, sondern sich auf die Mitte des Bildschirms konzentrieren. So wird nicht das gesamte Potenzial des Mediums ausgeschöpft. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht nur ein Kompatibilitätsproblem ist und somit von der begrenzten Zugänglichkeit von digitalen Daten zeugt. Interessant zu bemerken ist auch, dass der CD-ROM ein Feedback-Bogen beigelegt ist, der die User nach ihrer Meinung über die vorliegende CD-ROM, ihre Gewohnheiten mit dem Computer allgemein und Anregungen fragt. Dies zeigt, dass dieses Medium am Anfang seiner Entwicklung steht und noch nicht etablierten Richtlinien folgend konzipiert wird. Ein wichtiger Punkt bei dieser CD-ROM ist der Vertrieb. Die CD-ROM ist u. a. in Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Koreanisch und Japanisch erhältlich. So steht einem international organisierten Vertrieb nichts im Wege. Man denke in diesem Zusammenhang an den gedruckten Katalog einer großen Wanderausstellung, anlässlich derer gemäß der Landessprache eine Sprachedition herausgegeben wird.28
28 Vgl. Hémery, Annick: CD du Louvre: la compil’ interactive, in: Etapes graphiques, Pyramyd NTCV, Paris, März, 1995, S. 24f.
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Auch die CD-ROM „Musée d’Orsay. Visite virtuelle“29 besticht durch ihre physische Präsenz der CD-Hülle (Maße: 17,5 cm breit, 25,5 cm hoch, 2,5 cm Rücken). Wie bei der CD-ROM „Le Louvre“ handelt es sich hier um eine Hartkartonbox, in der sich jedoch eine kleinere Karton-CD-Hülle inklusive beschreibenden Büchleins und klassischer Paratexte befindet. Ebenso stößt man beim Öffnen der Hülle auf einen Fragebogen bezüglich der vorliegenden CD-ROM sowie auf eine Informationsbroschüre über weitere CD-ROMs, die in diesem Verlag erschienen sind. (Z. B. „Le plus beau musée du monde“ bei Gallimard. Diese wird in der kleinen Broschüre wie folgt beschrieben: „Une programme qui regroupe des œuvres issues des 70 plus grands musées du monde pour offrir un musée imaginaire original et une collection éblouissante.“ S. 7.) Ein bezeichnender Umstand, der die Problematik der begrenzten Zugänglichkeit von CD-ROMs charakterisiert, ist, dass die Konsultierung dieses Mediums eine Schwierigkeit darstellt: In der Bibliothek des Centre Pompidou ist diese CD-ROM zwar zugänglich, aber das dazugehörige Lesegerät war zum Zeitpunkt meiner Recherche über einen längeren Zeitraum defekt, was eine Konsultierung unmöglich machte. In der Bibliothèque nationale de France steht ebenso ein Exemplar zur Verfügung. Nach einigen Schwierigkeiten in der Bestellung war es dann möglich, Zugang zu diesem zu bekommen. Jedoch stellte sich auch hier das Problem der sich weiterentwickelnden Technik: Zwei der für die CD-ROMs zuständigen Mitarbeiter der BnF waren gute 45 Minuten beschäftigt, die CD-ROM zu öffnen. Die Bildschirmdarstellung präsentiert sich schlussendlich verkleinert und mit einigen Einschränkungen, auch die Wiedergabe des Tons ist stark beschädigt. Die nun nachfolgende Beschreibung erfolgt unter Berücksichtigung dieser speziellen Umstände. Wie schon die CD-ROM „Le Louvre“ beginnt auch diese CD-ROM mit einem musikalisch unterlegten filmischen „Vorspann“, der das Impressum beinhaltet. Im Anschluss daran gelangt der User automatisch zum Inhaltsverzeichnis. Das „Sommaire“, das Inhaltsverzeichnis, zeigt sich als musikalisch untermalte, sich ändernde Bildabfolge zu den einzelnen Kapiteln („Collections“, „Visite“, „Récits“). Durch Klicken auf eines der Bilder gelangt man zum Inhalt des jeweiligen Kapitels. „Collections“ z. B. ist nach einzelnen Schulen gegliedert, die sich auf einer im Zentrum positionierten Zeitleiste abbilden. Die Übersicht ist mit einem gesprochenen Text ergänzt. Durch Klicken auf die einzelnen Epochen gelangt der User zu einer gesprochenen Erklärung sowie einer Auflistung ausgewählter Werke, die wiederum angewählt werden können (und dadurch größer am Bildschirm er-
29 Die nachfolgende Analyse basiert auf der Untersuchung von (Achtung: Die erste Ausgabe dieser CD-ROM datiert aus dem Jahre 1996, war aber aus den angeführten Gründen nicht zugänglich): Musée d’Orsay. Visite virtuelle / Dominique Brisson, Montparnasse multitmédia, Rmn, Nouvelle version, 1999
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scheinen) und durch einen gesprochenen Text präsentiert werden. Durch erneutes Klicken auf das Bild erhält man den Zugang zu weiterführenden Informationen („Œuvre“, „Commentaire“, „Echelle“, „Loupe“, „A propos“, „Animation“, „Récit“, „Carte postale“). Die hier genannten Optionen entsprechen im weitesten Sinn denen der CD-ROM „Le Louvre“. Neu hingegen ist die Option „Carte postale“. Der User kann das ausgewählte Werk und einen individuellen Text als E-Card mithilfe seiner E-Mail-Adresse und der des Empfängers verschicken. Diese Möglichkeit deutet den ersten Schritt in Richtung Interaktivität an. Das Kapitel „Visite“ stellt mehrere Unterkapitel zur Verfügung. Gemäß den realen Gegebenheiten im Musée d’Orsay werden unterschiedliche Rundgänge angeboten. Diese Rundgänge sind Panoramafotos des jeweiligen Abschnitts des Museums, die entweder heran- oder weggezoomt werden können. Auch gibt es die Möglichkeit, das Bild um 360 Grad zu drehen. Ein virtueller Besuch, so wie wir ihn heute kennen, mit einem Wechsel des Standpunkts ist hier noch nicht möglich. Ein Plan neben dem Panoramafoto gibt Auskunft über die Lage des jeweiligen Standortes im Museum. Bei manchen „Visites“ gibt es weiterführende Informationen in Form von Kurzfilmen und akustischen Informationen zu verwandten Themen. In gewisser Weise können diese fotografischen Rundgänge in der Tradition der einführenden Kapitel über das museale Gebäude bei gedruckten Katalogen gesehen werden. Das dritte Kapitel „Récits“ setzt diese CD-ROM dem „catalogue-document“ nahe. Es enthält weiterführende Informationen z. B. zum Thema „Salons et expositions“, die in Text, Bild und Musik nähergebracht werden. Diese Informationen gehen über die im realen Musée d’Orsay gezeigten Werke hinaus und stellen Hintergrundwissen zur Verfügung. Zu jedem Zeitpunkt kann man auf die Leiste unten am Bildschirm zugreifen: „Retour“, „Sommaire“, „Index“, „Chronologie“, „Trajet“, „Guide“, „Album“, „Mettre dans l’album“, „Exporter“, „Imprimer“, Lautstärke, „?“, „Quitter“. Der Index ist ein Recherchetool, das nach Künstlern und Werken getrennt eine alphabetische Suche innerhalb der aufgearbeiteten Informationen zulässt. Eine Systematisierung, die auch in gedruckten Katalogen zu finden ist. Die „Chronologie“ ist eine zeitliche Systematisierung: Zu jeder Jahreszahl kann man die präsentierten Künstler sowie die Werke finden und sie dem jeweiligen Raum des Musée d’Orsay zuordnen. Durch Klicken auf das gewünschte Element erhält man weiterführende Informationen. Auch diese Systematisierung lässt sich in gedruckten Katalogen finden. Im „Trajet“ findet man die Bilder wieder, die man sich im Laufe der Konsultierung der CD-ROM angesehen hat, und kann diese nochmals Revue passieren lassen. Es werden Netzwerke und Links geschaffen. Werke, die im realen Musée d’Orsay nicht nebeneinander hängen, werden hier nebeneinander gezeigt (vgl. „Musée Imaginaire“).
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Der „Guide“ bietet die Präsentation ausgewählter Werke in Ton und Bild an. Die besprochenen Arbeiten können angeklickt werden, um zur zusätzlichen Information zu gelangen. Ein interessantes Moment stellt die Option „Mettre dans l’album“ dar. Hier kann bei der Anwahl einzelner Werke entschieden werden, ob diese in ein individuelles Album gestellt werden sollen. Man kann dies mit einem selbst erstellten digitalen Katalog vergleichen. Nicht nur das Bild an sich wird im Album gespeichert, sondern auch alle umgebenden Informationen. So wird eine Variante des „Musée Imaginaire“ während einer Sitzung gespeichert. Der User wird zu einer aktiven Wahl seiner „Lieblingswerke“ animiert, die er sich als Diapanorama ansehen kann. Das Album kann aber auch über die jeweilige Sitzung hinaus konserviert werden, indem die Option „Exporter“ gewählt wird. In welchem Format dieser Export vonstattengeht, ist mir leider nicht bekannt, da aufgrund der eingangs erwähnten technischen Einschränkungen diese Option nicht zur Verfügung steht. Ebenso nicht zur Verfügung steht die Möglichkeit des Druckens. Die Rückführung der digitalen Daten aus dem Album in einen gedruckten Output lässt an Vorläufer des Print-on-Demand30 denken. So können ausgewählte Inhalte der CD-ROM als Druck in das Museum mitgenommen werden und als „catalogues-en-acte“ dienen. Da der Aufbau dieser CD-ROM sehr verlinkt und nicht immer selbsterklärend ist, gibt es die Möglichkeit, Erklärungen über das „?“ einblenden zu lassen. Im Vergleich zur CD-ROM „Le Louvre“ ist das vorliegende Beispiel weniger starr, viel mehr in sich verlinkt und verästelt und seine programmatische Logik ist nicht immer sofort in der Anwendung ersichtlich. Eine andere Weiterentwicklung stellt die Interaktion mit dem User dar: Die Erstellung eines individuellen Albums, dessen Export und die Möglichkeit des Ausdruckens sind wesentliche Neuerungen. Der User wird nicht nur zum Flanieren durch die Inhalte der CD-ROM angehalten, sondern eine aktive Haltung wird nun bis zu einem gewissen Grad ermöglicht. Aber nicht nur die Interaktion mit dem Medium an sich spielt hier eine Rolle. Durch das Versenden der E-Cards kann der User in Verbindung mit externen Personen treten und somit Informationen mit diesen austauschen.
30 „Digitales Drucksystem [...] Die in digitaler Form vorhandenen Text- und Bildinformationen werden – durch einen Computer gesteuert – direkt an die digitale Druckmaschine (z. B. Tintenstrahl- oder Laserdrucker) weitergegeben (Computer-to-print). Die Aufbereitung der Bild- und Textinformationen erfolgt mit einem Raster Image Prozessor (RIP). D. D. ermöglichen ein schnelles Drucken nach Bedarf (Printing-on-Demand). Die erreichbaren Qualitätsstandards sind wesentlich geringer als die analoger Druckverfahren.“ (Der Brockhaus – In 15 Bänden, Band 3, 2001, S. 310)
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Handelt es sich hierbei um einen Katalog? Der Titel der CD-ROM weist diese als „Visite virtuelle“, als virtuellen Besuch, aus. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine Mischform: Die CD-ROM enthält Elemente eines virtuellen Besuchs (Abbildung des realen Museums, bewegte Bilder usw.), weist aber ebenso Aspekte eines klassischen Katalogs auf (Systematisierung, sowohl Werke und Künstler als auch das Gebäude sowie Pläne der Ausstellungsräume finden Erwähnung usw.) und kann somit nicht eindeutig einer dieser Gattungen zugewiesen werden. Im Vergleich zur CD-ROM „Le Louvre“ setzt sich „Musée d’Orsay“ aber deutlicher von einer direkten Übersetzung des gedruckten Katalogs ins digitale Medium ab und bedient sich der technischen Möglichkeiten. So beeinflusst das Medium die Inhalte, die dem User angeboten werden, und entfernt sich vom klassischen Verständnis des Katalogs. Die Systematisierung bleibt zwar vorhanden, verliert aber durch das Hypertextsystem an Relevanz: Dem User werden andere dezentralisierte Suchbzw. Verlinkungsmethoden angeboten. Der Versuch, dem User eine aktive Haltung zu ermöglichen, stellt eine Neuerung zu früheren CD-ROMs31 dar und weist bereits auf die Interaktivität im OnlineBereich hin. Abschließend möchte ich kurz auf das Selbstverständnis der CD-ROMs „Le Louvre“ und „Musée d’Orsay“ eingehen. Die vollständigen Titel lauten: „Le Louvre. Visite interactive“ und „Musée d’Orsay. Visite virtuelle“. Beide CD-ROMs stellen sich somit auf den ersten Blick vielmehr in die Tradition des „simulierten“ Besuchs als in die des Katalogs. Die CD-ROM des Louvre ist weniger interaktiv als die des Musée d’Orsay, bei der der User bis zu einem gewissen Grad einen individualisierten Einblick in das Museum erlangen kann. Die Erwartung eines dreidimensionalen interaktiven Rundgangs kann die CD-ROM des Musée d’Orsay nicht erfüllen. Man sieht hier, dass sich die Bezeichnungen nicht mit dem Inhalt der beiden CD-ROMs decken. Beide stehen im direkten Bezug zu einer real bestehenden Sammlung und präsentieren diese in unterschiedlich systematisierten Listen durch Bild, Text und Ton. Hierbei handelt es sich um eine unübersehbare Ähnlichkeit zu den gedruckten Katalogen. Auch der Aufbau, der sowohl Informationen zu den einzelnen Werken als auch zum Museumsgebäude umfasst, stellt sich in die Tradition des Sammlungskatalogs. Die CD-ROMs sind zum Zeitpunkt ihres Erscheinens ausschließlich für den Gebrauch zu Hause gedacht und können somit als eine Art „catalogue-
31 Ein Beispiel für eine CD-ROM aus dem deutschsprachigen Bereich stellt „Ein telemathisches Museum“ (CD-ROM, 1995, eine Koproduktion mit dem Universalmuseum [ehemals Landesmuseum] Joanneum Graz) dar.
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document“ gesehen werden, auch wenn die CD-ROM „Musée d’Orsay“ auch Aspekte des „catalogue-en-acte“ anbietet. Man darf hier aber nicht außer Acht lassen, dass es auch andere CD-ROMs gibt, die ähnlich einem „Musée Imaginaire“ Werke aus unterschiedlichen Museen zusammenfassen und auf einem Support präsentieren (vgl. z. B. „Le plus beau Musée du Monde“, Gallimard). Der direkte Bezug zur real existierenden Sammlung wird hier aufgebrochen. Auf der Ebene der haptischen Erfahrung, des physischen Status der CD-ROM lässt sich ein Übergang festmachen. Die CD-Hülle führt Elemente des gedruckten Katalogs fort, umfasst sowohl textliche als auch bildliche Paratexte und weist physische Präsenz auf. Auch die Gestaltung der CD-ROM an sich weist Titel und minimale bibliografische Angaben auf, sodass sie z. B. als Seite drei eines Katalogs gesehen werden kann. Die Inhalte der CD-ROM sind an und für sich nicht physisch, manifestieren sich aber als Bild über dem Bildschirm und erlangen somit wiederum einen gewissen Grad an haptischer Erfahrbarkeit. Diese Erweiterung wird im Laufe der Entwicklung in (beinahe) reine digitale Präsenz umgewandelt (siehe downloadbare Apps). Abschließend soll die verhältnismäßige Kurzlebigkeit dieses Mediums nochmals unterstrichen werden: Diese ist einerseits durch den Umstand zu begründen, dass anfangs nicht alle CD-ROMs Einzug in Bibliotheken oder Archive gefunden haben und daher heutzutage schwer zugänglich sind, und andererseits durch die Schnelllebigkeit der Technik (vgl. CD-ROM des Musée d’Orsay). Nicht zuletzt aus diesen Gründen konnte sich dieses Medium im kulturellen Umfeld nicht dauerhaft durchsetzen. Die CD-ROMs wurden von den DVDs abgelöst, die bis heute eine Verbreitung im Ausstellungs- und Museumsbereich finden. Z. B. gibt es einen „3D interaktiven Ausstellungskatalog“ über das Kunsthistorische Museum Wien.32 Hierbei handelt es sich nicht um einen reinen Ausstellungskatalog, sondern vielmehr um eine Mischform, die sowohl Elemente des virtuellen Ausstellungsrundgangs, des Audioguides als auch des Sammlungskatalogs aufweist. E-Book Auch das E-Book, das sich im Grenzbereich zwischen offline und online ansiedelt, hat seinen Beitrag zur Entwicklung des Online-Katalogs geleistet. Um dies genauer zu erläutern, ist es wichtig, die unterschiedlichen und sich mit dem technischen
32 Vgl. a:xperience Wien: [Online]. Verfügbar unter: http://www.axperience.at/ (Stand 1.7.2014)
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Fortschritt weiterentwickelnden Definitionen des E-Books zu betrachten: Christiane Oehlke bezieht sich hierbei auf den Eintrag aus dem Jahr 2006 in Wikipedia: „Das E-Book ist der elektronisch zugänglich gemachte Inhalt eines Buches, der in der Regel als Datei gespeichert und weitergegeben wird. Hier spielt es keine Rolle, ob das Buch auf ein eigenes Gerät überspielt werden kann oder ausschließlich online zu lesen ist. Ausschlaggebend sind dagegen die charakteristischen Eigenschaften eines Buches, wie etwa ein Inhaltsverzeichnis oder der Aufbau in einzelnen Seiten.“33
Dieser Eintrag ist in dieser Form nicht mehr in Wikipedia zu finden. Die Definition hat sich differenziert und präsentiert sich 2011 wie folgt (der Eintrag aus dem Jahr 2014 ist wiederum aktualisiert und umfasst Aspekte zum Vertrieb und zur Technik): „Ein E-Book (auch „eBook“ oder „ebook“, von engl. electronic book) versucht im weitesten Sinne, das Medium Buch mit seinen medientypischen Eigenarten in digitaler Form verfügbar zu machen. […] Es gibt unterschiedliche Ansätze, die sich folgendermaßen klassifizieren lassen: _virtuelles Buch: Hier wird versucht, den Eindruck eines realen Buches (Aussehen, simuliertes Umblättern usw.) möglichst umfassend und wirklichkeitsgetreu auf dem Bildschirm nachzubilden und ihn mit computertypischen Eingabemöglichkeiten (Maus, Tastatur, VR usw.) bedienbar zu gestalten. _digitale Kopie: Ein real existierendes Buch soll über die Druckerschnittstelle als möglichst wirklichkeitsgetreue Kopie des Originals bzw. dessen Druckvorstufe ausgegeben werden können. Zu diesem Kopie-orientierten Ansatz gehören auch spezielle E-Book-Reader und -Ausgabegeräte, die eine bereits vorab fertig gestaltete und auf dem Markt verfügbare Vorlage papierlos nachzubilden versuchen (siehe auch: elektronisches Papier). _strukturell-funktionaler Ansatz: Dabei liegt der Schwerpunkt auf der computergestützten Rezipierbarkeit eines Buches bzw. darauf, dessen Inhalt mit buchtypischen Eigenheiten (z. B. vorgegebene inhaltliche Abfolge, Seitenüberblick bzw. seitenorientiert strukturierte Darstellung, Blätterfunktion, digitales Lesezeichen usw.) computer- und bildschirmgerecht anzubieten. Das Buch als solches wird dabei vor allem als Struktur-, Inhalts- und Funktionsvorgabe verstanden, die ein real existierendes Original nicht unbedingt benötigt. Deren Gestaltung hängt demzufolge in der Regel vom jeweils verwendeten E-Book-Reader ab, orientiert sich
33 http://de.wikipedia.org/wiki/Ebook (Stand 11.5.2006), zitiert aus: Boehlke, Christiane: Was tun? Open Access … – Digitale Buchformen … – Wikis …, Dinges & Frick, Wiesbaden, 2007, S. 16
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an bildschirmspezifisch optimaler Darstellung und ist vom Vorliegen eines ggf. real existierenden ,Originals‘ völlig unabhängig.“34
In der Definition aus dem Jahre 2006 werden die Weitergabe des Inhalts sowie die formale Ähnlichkeit zwischen gedrucktem und elektronischem Buch hervorgehoben. Eine weitere Unterteilung wird hier nicht getroffen, wohingegen die Definition aus dem Jahre 2011 auf drei unterschiedliche Typen hinweist: das virtuelle Buch, die digitale Kopie und den strukturell-funktionalen Ansatz. Bei allen drei Untertypen wird, wie auch bei der älteren Definition, die formale Nähe zum gedruckten Buch hervorgehoben, jedoch wird unterschieden, ob die Publikation als gedrucktes Werk erscheint oder ausschließlich digital existiert. So könnte man die ersten beiden Untertypen als Spezifizierung der früheren Definition sehen und den dritten als davon abgegrenztes Modell. Gaëlle Pelachaud schreibt über das elektronische Buch in ihrer Doktorarbeit aus dem Jahr 2009: „Le livre électronique en tant qu’objet […], pourrait rapidement faire partie de l’univers domestique au même titre que le micro-onde ou le téléphone portable. Qu’est-ce que l’e-book sinon la combinaison des avantages séculaires du livre (léger, maniable, mobile) et les avantages du numérique: stockage accru, possibilité d’annotation et de mise en commun, hypertextualité?“35
Sie stellt die Speicher- und Vermerkfunktion sowie die Möglichkeit, Inhalte zu teilen und durch das Hypertextsystem zu verlinken, als zentrale Erweiterungen des Mediums Buch durch das E-Book dar, das ebenso einige Vorteile des herkömmlichen gedruckten Buchs weiterführt. Auch unterstreicht sie das Potenzial des EBooks, sich rasch in den Alltag des Menschen zu integrieren. Diese Tendenz zeigt sich bis zum heutigen Tag bestätigt. Die erste Form, die schon an die aktuellen E-Books denken lässt, ist das Superbook aus dem Jahre 1984. Dieses Programm hat nicht zum Ziel, gedruckte Bücher am Bildschirm 1 : 1 zu imitieren, sondern ist mit Zusatzfunktionen, wie z. B. der Wortoder Zitatsuche, ausgestattet. Der erste E-Book-Reader wird Anfang der 1990er von Sony herausgebracht. Der Data-Discman kann spezielle Daten-CD-ROMs (vorwiegend Nachschlagewer-
34 Wikipedia: E-Book: [Online]. Verfügbar unter: http://de.wikipedia.org/wiki/E-Book (Stand 16.11.2011) 35 Pelachaud, Gaëlle: Livre animé image en mouvement, Doktorarbeit im Bereich Arts Plastiques an der Universität Paris I, betreut von Michel Sicard, 2009, S. 488f.
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ke) lesen und wiedergeben. Eine Weiterentwicklung stellt das Rocket E-Book von NuvoMedia dar, das Ende 1998 vorgestellt wird. Dieses E-Book entfacht die Diskussion über das Verhältnis zwischen gedrucktem Buch und E-Book. Die Prognose, dass das E-Book das herkömmliche Druckwerk vollständig verdrängen wird, hat sich bis heute nicht bewahrheitet.36 Viele weitere E-Book-Reader werden dem interessierten Kunden angeboten. Eine Neuerung – in Bezug auf seine Vermarktung und die Integration ins tägliche Leben seiner Nutzer – hat das iPad gebracht, das erstmals 2010 käuflich zu erwerben ist. Hierbei handelt es sich nicht um einen reinen E-Book-Reader, sondern vielmehr um ein vielseitig anwendbares Gerät, das versucht, sich nahtlos in den Alltag seiner Benutzer zu integrieren. Kurz nach Markteinführung 2011 wurde in der Präsentation noch die Eingliederung des iPads in den Alltag in den Vordergrund gestellt: „Technologie, so fortschrittlich, dass du sie gar nicht bemerkst. Sobald du das iPad in die Hand nimmst, wird es ein Teil von dir. Es ist nur 8,8 mm dünn, gerade einmal 601 g leicht und liegt gut in der Hand.(2) Surfen, Mails checken, Filme sehen und Bücher lesen ist so natürlich, dass du dich fragst, wie du es jemals anders machen konntest. (2 Die tatsächliche Größe und das Gewicht können abhängig von Konfiguration und Fertigungsprozess variieren.)“37
Dieses Statement ist mittlerweile nicht mehr online, was auch damit zusammenhängt, dass inzwischen keine Legitimation mehr notwendig ist, sondern z. B. individuelle Geschichten der Nutzer zu Marketingzwecken veröffentlicht werden.38 Eine der angebotenen Applikationen des iPads ist das E-Book, das verbunden mit dem Online-E-Book-Vertrieb von Apple dem Kunden eine leicht bedienbare Einheit anbietet und mit vielversprechenden Texten zum Offline-Lesevergnügen einlädt: „Lade iBooks aus dem App Store, und du wirst noch lieber lesen. Auf dem großartigen iPad Display ist jede Geschichte brillant. Blätter durch kontrastreichen Text und fantastische Abbildungen. Wenn du Nachschub brauchst, geh einfach in den iBookstore. Und wo immer du gerade bist, hol dein iPad heraus und vertief dich wieder in deine Lektüre.“39
36 Vgl. Boehlke, Christiane, 2007, S. 16ff. 37 Apple: iPad: [Online]. Verfügbar unter: http://www.apple.com/de/ipad/features/ (Stand 17.10.2011) 38 Vgl. Apple: iPad [Online]. Verfügbar unter: http://www.apple.com/de/your-verse/ (Stand 1.7.2014) 39 Ebd.
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Interessant an dieser Passage ist, dass dem Leser vermittelt wird, dass die neue Technik den Inhalt positiv zu beeinflussen vermag, auch wenn sie angeblich „unsichtbar“ bleibt (vgl. Marshall McLuhan). Der Inhalt kann z. B. insofern durch die neue Technik verändert werden, dass die Integration von Ton ermöglicht wird und somit die Nähe zum Menschen gesucht wird. „Le propre des nouveaux supports serait donc de réunir, l’écriture et la lecture, le texte, l’image et le son, les écritures électroniques, retrouvant une proximité originelle de l’écriture à la parole: dans les formes d’enroulement/déroulement qu’elles prêtent à la lecture sur l’écran, et plus encore par les possibilités nouvelles qu’elles offrent d’imprimer un texte à partir de la voix.“40
Die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine wird verbessert und somit nähern sie sich an. Wenn auch die formale Nähe zum gedruckten Buch aufrechterhalten wird, fügen die technischen Möglichkeiten beim E-Book Erweiterungen hinzu. Die lineare Leserichtung des herkömmlichen Buchs wird z. B. durch weiterführende Links oder durch über Hyperlinks in den Text eingebettete Referenzen und Fußnoten aufgebrochen. Auch Informationen zum Autor können so verlinkt werden.41 So ist es möglich, nicht nur erläuternde Texte, sondern auch Ton- und Bilddokumente, die wiederum untereinander verlinkt sein können, aufzurufen. Die Linearität wird somit durch eine Netzstruktur ersetzt (dies ist in erster Linie bei extra für den E-Reader erstellten Publikationen der Fall, und weniger bei übersetzten Druckwerken).42 Der zentrale Unterschied zwischen Buch und E-Book ist weiterhin das haptische Erlebnis. Wie Genette schon festhält, beeinflusst der materielle Status eines Texts die Rezeption ebendieses. Aber nicht nur die Rezeption, sondern auch das Kaufverhalten wird dadurch verändert. Um auch E-Books erfolgreich in Buchhandlungen zu vertreiben, hat z. B. der deutsche Verlag Epidu die E-Book-Card auf den Markt gebracht. So kann der Käufer eine derartige Karte, die das Buchcover und einen Klappentext – wie das herkömmliche Buch – aufweist, in der Buchhandlung erwerben. Dank des Codes, der auf dieser Karte vermerkt ist, kann der Käufer dann das jeweilige E-Book auf seinen Reader laden. Auch hier zeigt sich wiederum die formale – aber immaterielle – Ähnlichkeit zwischen Buch und E-Book.
40 Pelachaud, Gaëlle, 2009, S. 489 41 Siehe dazu z. B. im medizinischen Bereich http://www.pubmed.de/data/nlm.link.html 42 Vgl. Armstrong, Chris: Books in a virtual world: The evolution of the e-book and its lexicon, in: Journal of Librarianship and Information Science, vol. 40, 3, September 2008, S. 193–206
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Auch in den Ausstellungsbereich hat das E-Book Einzug gehalten. So bietet z. B. das OK Offenes Kulturhaus Oberösterreich nicht nur gedruckte Publikationen begleitend zum Ausstellungsprogramm an, sondern auch E-Books.43 Gemäß der Unterscheidung der E-Book-Formen sollen die nun nachfolgenden unterschiedlichen Beispiele analysiert werden. Beispiele für real existierende E-Books bzw. E-Kataloge, die als PDF zum Download online zur Verfügung gestellt werden, liefert bis 2012 (also bis zum Wechsel der künstlerischen Leitung und der damit wechselnden CI) in Österreich die KUNSTHALLE Wien44. Diese bietet auf ihrer Website die Rubrik „Mediazone“ (http://www.kunsthallewien.at/de/mediazone/) an45. In diesem Bereich findet der User Audio- und Videomaterial zu den einzelnen Ausstellungen und Projekten, aber auch Publikationen zum Download. Die angebotenen Publikationen umfassen sowohl „Texte zur Kunst“ als auch „Ausstellungskataloge“, die mithilfe der Volltextsuche durchsucht werden können. Die jeweiligen Kataloge sind mit ihrem Cover und dem Titel präsentiert. Durch Klicken auf das Cover gelangt man zu einer Kurzbeschreibung, bibliografischen Angaben sowie zum Button „Download for Free“. Der ausgewählte Katalog kann nun gratis als PDF heruntergeladen und offline gelesen werden. Wenn man sich nun den Katalog „Lebt und arbeitet in Wien III, Stars in a Plastic Bag“ (2010) genauer ansieht, fallen dennoch einige Unterschiede zum gedruckten Katalog auf: Die erste Seite des PDFs zeigt nicht nur das Cover des Katalogs, sondern auch den Buchrücken sowie die Rückseite der Publikation.
43 Offenes Kulturhaus Oberösterreich: [Online]. Verfügbar unter: http://www.ok-centrum. at/?q=content/shop/ok-ebooks (Stand 1.7.2014) 44 Ein Beispiel aus dem internationalen Bereich ist auf http://www.bienal.org.br/ publicacoes.php (Stand 1.7.2014) zu finden. Hier stehen alle von 1951 bis 2008 veröffentlichten Kataloge der São-Paulo-Biennale zur Online-Konsultation sowie zum Download zur Verfügung. 45 Die Mediazone ist aufgrund der neuen CI nicht mehr online verfügbar. Dieser Umstand zeigt, dass mit Fortschritt der Technik dieses Angebot nicht mehr zeitgemäßig ist. Die Mediazone ist ein prägnantes Beispiel im deutschsprachigen Raum und markiert eine wichtige Etappe der Entwicklung der Online-Kataloge. Aus diesem Grund soll dieses Beispiel, auch wenn es nicht mehr aktuell ist, analysiert werden.
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Abb. 25: „Lebt und arbeitet in Wien III“, 2010, Beispiel des zum Download bereitgestellten PDFs
Die Linearität des gedruckten Katalogs wird somit im PDF unterbrochen, da dieses nicht der Leselogik, sondern der Logik des Druckvorgangs entspricht. Die ersten drei Seiten des PDFs sind in Querformat. Dieser Umstand erweckt einen anderen Eindruck als die gedruckte Ausgabe, die in Hochformat ist. Erst durch das Wissen um das „druckfertige“ PDF klärt sich das Format auf. Die vierte Seite des PDFs hingegen weist wie die letzte Seite des PDFs das reale Format auf. Jedoch sind alle anderen Seiten Querformat, so als ob man den gedruckten Katalog aufgeschlagen vor sich hätte, allerdings ohne Ausweisung des Mittelfalzes o. Ä. So wird nicht nur die haptische Erfahrung mit der Publikation durch das PDF verändert, sondern auch der Aufbau und das Verhältnis der Seiten sowie das Katalogformat. Interessant zu bemerken ist, dass nicht alle Kataloge direkt als PDF in der Datenbank hochgeladen sind (wie z. B.: „Lebt und arbeitet in Wien III. Stars in a Plastic Bag“, 2010 oder „Black Brown White“, 2006), sondern dass manche nach dem Druck gescannt wurden (siehe z. B.: „Surasi Kusolwong“, 2005). Durch das standardisierte Scannen ist ein Seitenformat vorgegeben. Nun entspricht in diesem Fall das reale Katalogformat nicht dem Scanformat und es ist ein Rand rundherum zu sehen, der nicht im Nachhinein retuschiert wurde. Durch diese durch die Überführung in ein anderes Medium grafische Veränderung wird der Gesamteindruck der Seite verändert. So ist nicht nur die Rezeption der einzelnen Seiten über den Bildschirm durch das neue Medium transformiert, sondern auch der Seiteneindruck wird im Fall des Ausdrucks des PDFs verändert. Die Übersetzung in ein digitales Medium sowie die Rückführung in einen Ausdruck beeinflussen den materiellen Status der Publikation und in der Folge auch die Rezeption der Inhalte. Wie beim zuvor diskutierten Beispiel entspricht auch hier die Linearität des PDFs nicht der des gedruckten Katalogs.
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Abb. 26: „Surasi Kusolwong. If A Lion Could Talk“, 2005, Beispiel des zum Download bereitgestellten PDFs
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass durch das Scannen die Möglichkeit, eine Textpassage herauszukopieren, im Vergleich zu den direkt online gestellten PDFs nicht geboten wird. Die Verbreitung der Inhalte wird somit erschwert, da sie den potenziellen Distributor zum Abtippen zwingt (wie bei einem gedruckten Buch). Bei direkt online gestellten PDFs kann man Texte leicht herauskopieren und somit unkomplizierter verbreiten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem „Schutz“ der Urheberschaft. Die Herausgeber der Mediazone geben kein Statement zu den Vervielfältigungsrechten oder Wiedergabekonditionen ab. Dies bleibt ein Graubereich. Beiden Beispielen der KUNSTHALLE Wien ist gemeinsam, dass sie im Adobe Reader am Bildschirm gelesen werden oder aber auch ausgedruckt werden können. Auch kann die Darstellungsgröße am Bildschirm verändert werden. Dies erleichtert die Lektüre, ermöglicht den Blick auf Details, erschwert es jedoch, den Gesamtzusammenhang zu bewahren. Eine weitere mediale Erweiterung im Vergleich zum gedruckten Buch stellt die Suchfunktion im PDF dar. Wenn das PDF direkt online gestellt wird (also nicht gescannt), kann man im Adobe Reader nach bestimmten Begriffen suchen, die im Dokument angezeigt werden. Dieses dem Prozess verschriebene Element kann nicht in ein anderes Medium übersetzt werden und ist dem digitalen Bereich eigen. Ein weiteres Beispiel, das zwar kein Ausstellungskatalog im engeren Sinn ist, aber zu den Publikationen, die im Vorfeld der documenta 13 herausgeben werden, zählt, ist die Serie „100 Notizen – 100 Gedanken“ (Hatje Cantz Verlag). Hierbei handelt es sich ebenso um real existierende Publikationen, die online zur Verfügung gestellt werden, jedoch werden sie nicht zum Gratis-Download angeboten, sondern man kann diese über ciando.com als E-Book käuflich erwerben. Auf der Website von Ciando kann man durch eine Suchfunktion die gewünschten Bücher finden. Das Suchergebnis wird durch Cover, Titel und bibliografische Angaben dargestellt. Nach Einrichtung eines Kontos kann das gewünschte Buch heruntergeladen
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werden. In diesem Zuge installiert sich auch das Programm Adobe Digital Editions, mit dem man das E-Book lesen kann. Dies alles geschieht ohne haptisches Erlebnis, rein digital – aber dennoch spielen die Paratexte eine entscheidende Rolle. Nach Installation des Programms und Öffnen ebendieses bzw. des erworbenen E-Books kann man zwischen Bibliotheksansicht und Leseansicht wählen. Bei Anwahl der Leseansicht wird das E-Book, begleitet von zahlreichen Paratexten, geöffnet. Abb. 27: E-Book „Lawrence Weiner. If in Fact There Is a Context“, 2011
In der oberen Leiste werden Leseoptionen angeboten: Man kann u. a. „Informationen zum Medium“ (bibliografische Angaben usw.) erhalten. Diese Paratexte geben sowohl inhaltlich als auch auf dem bildlichen und faktischen Niveau den Rahmen für den Haupttext, das E-Book. Oben rechts wird angezeigt, auf welcher Seite man sich gerade befindet, des Weiteren besteht die Möglichkeit, das gesamte E-Book oder einzelne Seiten zu drucken. Dies stellt somit eine Rückführung in den – wenn auch veränderten – physischen Status dar. Die Option „Lesezeichen erstellen“ ermöglicht, die aktuelle Seite zu markieren und bei späterem Öffnen des E-Books sofort wieder auf diese zu kommen. Dies steht noch deutlich in der Tradition des gedruckten Buchs und stellt eine Übersetzung des Lesezeichens in den digitalen Bereich dar. Eine Erweiterung und typisch digitale Anwendung ist die Möglichkeit, die Schriftgröße zu verändern. Dies ist dem Digitalen, Prozesshaften zugeschrieben und kann nicht in ein anderes Medium übersetzt werden. Eine ebenso typisch digitale Option ist die „Suche“: Der Leser/User kann somit nach Schlagwörtern suchen und ist nicht mehr auf das Querlesen bei einer spezifischen Suche beschränkt. Weitere – meist nachträgliche, späte oder posthume – paratextliche Elemente befinden sich in der linken Leiste: Durch einen Link gelangt der Leser direkt zum Inhaltsverzeichnis und muss dieses nicht erst „erblättern“. Nun aber zum Haupttext, dem E-Book an sich: Das Blättern im realen Buch ist durch Scrollen oder Klicken in der digitalen Version ersetzt. Die Seiten sind untereinander angeordnet und man hat das Gefühl, von oben nach unten zu lesen. Durch
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diese Anordnung geht das doppelseitige Layout der Publikation verloren, was in diesem speziellen Fall einen Verlust der Wahrnehmung des Konzepts im Vergleich zum gedruckten Buch darstellt. Ein weiteres Element, das vom gedruckten Status nicht in den digitalen überführt werden kann, ist das Format. Die gedruckten „Notes“ erscheinen in drei verschiedenen Formaten (A6, A5 und B5). Die E-Books der „Notes“ können dies nicht wiedergeben, sondern passen sich an das jeweilige Bildschirmformat an. Das neue Medium beeinflusst nicht nur auf haptischer Ebene die Wahrnehmung und somit auch die Rezeption der Inhalte, sondern „zwingt“ den Leser/User auch zu neuen, adaptierten Verhaltensstrategien: Im Vergleich zu der Lektüre eines physischen Buchs bzw. Katalogs wird beim E-Book die Recherche nicht mehr direkt im Haupttext durchgeführt, sondern in den speziell für das E-Book erstellten Paratexten, die sich außerhalb des E-Books befinden. Aber nicht alle mediumspezifischen Funktionen können bei jedem E-Book angewendet werden: So ist z. B. im vorliegenden Fall das gesamte Buch als Bild und nicht als Text gespeichert, und man kann daher die Suchfunktion nach Schlagwörtern nicht einsetzen. Man sieht an diesem Beispiel, dass diese Form des E-Books in manchen Bereichen eine Erweiterung darstellt, aber dennoch nicht alle Qualitäten der gedruckten Publikationen in das digitale Medium übersetzen kann. Ein Beispiel für ein real existierendes Buch, das abgetippt online als E-Book zugänglich gemacht wird, ist der Katalog „A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities“, British Museum, Volume 1 (of 2) von A. H. Smith auf der Seite Project Gutenberg. Die E-Books, die auf Project Gutenberg zu finden sind, siedeln sich im Grenzbereich zwischen online und offline an. Der Benutzer hat die Möglichkeit, das jeweilige E-Book online zu lesen oder dieses in unterschiedlichen Formaten herunterzuladen und es offline zur Verfügung zu haben. Hierbei unterscheidet es sich von den zuvor besprochenen E-Books, die zwar online bestellt werden, aber im Anschluss ausschließlich offline zur Lektüre zur Verfügung stehen. Über die Suchfunktion kann man zum gewünschten Buch gelangen. In manchen Fällen stehen mehrere Optionen zur Verfügung. Bei Anwahl einer davon besteht die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Download-Formaten oder eben der Online-Lektüre zu wählen. Ich möchte mich hier der HTML-Version von „A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities“, British Museum, Volume 1 (of 2) widmen (die Online-Version unterscheidet sich u. a. durch die Strukturierung in Einzelseiten und durch die Abwesenheit des Bildmate-
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rials).46 Die Ansicht beginnt mit einem einleitenden Paratext, der Titel, Rechte und bibliografische Angaben beinhaltet. Durch „***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK A CATALOGUE OF SCULPTURE IN THE DEPARTMENT OF GREEK AND ROMAN ANTIQUITIES, BRITISH MUSEUM, VOLUME I (OF 2)***“47 wird der Beginn des E-Books markiert. Im Anschluss daran findet der User Informationen zu der Person, die den Text für Project Gutenberg betreut hat, sowie eine „Transcriber’s Note“, die Angaben zur Formatierung und Spezifitäten des Texts enthält. Diese Sektionen sind ausschließlich beim vorliegenden E-Book inkludiert – bei der originalen Druckversion selbstverständlich nicht. Durch Scrollen gelangt der Leser nun zum Titelblatt, gefolgt vom „Preface“ und vom Inhaltsverzeichnis. Die Seitenangaben des Inhaltsverzeichnisses sind Links, sodass ein direkter Zugang von ebendiesem zum jeweiligen Kapitel gegeben ist. Diese Möglichkeit stellt eine medienadäquate Erweiterung zur gedruckten Ausgabe dar. Abb. 28: „A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities“, British Museum, Volume 1 (of 2) of The Project Gutenberg
Auch die Fußnoten sind durch Links im Fließtext, und zwar auf bidirektionalem Wege, zugänglich. Der weitere Aufbau folgt dem des gedruckten Buchs, außer dass die Seiten an sich nicht kenntlich gemacht sind, sodass ein daraus entnommenes Zitat nicht präzise ausgewiesen werden kann. Die Illustrationen sind im Fließtext mit getippten Bildunterschriften eingepflegt. Durch Klicken auf die Bilder (gescannt aus dem Original) werden diese vergrößert und mit dem originalen Bildtext – als Bild – am Bildschirm dargestellt und können sogar nochmals vergrößert 46 Die nachfolgende Analyse basiert auf der Untersuchung von: Smith, A. H.: The Project Gutenberg eBook, A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities, British Museum, Volume 1 (of 2): [Online]. Verfügbar unter: http://www. gutenberg.org/files/37558/37558-h/37558-h.htm (Stand 1.7.2014) 47 Ebd.
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werden. Durch Scrollen kann man dieses E-Book „durchblättern“ und gelangt am Ende zu einer feinen, horizontalen grauen Linie, die das Ende des Übertrags des originalen Buchs markiert. Danach folgt noch eine weitere „Transcriber’s Note“. Der Satz „***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK A CATALOGUE OF SCULPTURE IN THE DEPARTMENT OF GREEK AND ROMAN ANTIQUITIES, BRITISH MUSEUM, VOLUME I (OF 2)***“48 kennzeichnet das Ende des E-Books. Danach folgt eine lange Angabe der Rechte und Lizenzen. Aber nicht nur das Project Gutenberg stellt abgetippte Kataloge online zur Verfügung. Auf der Website „Books about California History and Culture“ (http://www. books-about-california.com/index.html) findet man u. a. auch alte Kataloge, wie z. B. den Katalog der Weltausstellung aus dem Jahre 1915 „Sculpture of the Exposition Palaces and Courts“49 (dieser ist auch auf Project Gutenberg in einer anderen Version zu finden). Das Prinzip ist ähnlich wie beim Project Gutenberg, jedoch sind hier außer den Verlinkungen im Inhaltsverzeichnis keine weiteren Links eingebettet. Abb. 29: „Sculpture of the Exposition Palaces and Courts“
Die Strukturierung in Einzelseiten und das Blättern durch Klicken sowie die Kombination zwischen Text und Bild als binäre Daten wurden schon an anderer Stelle besprochen. Auch bei dieser Präsentation werden Grenzen aufgelöst: Einerseits findet der Leser digitalisiertes Bildmaterial der fotografischen Reproduktionen, die im Katalog zu sehen sind, auf der Seite „Books about California History and Culture“, an-
48 Ebd. 49 Die nachfolgende Analyse basiert auf der Untersuchung von: James, Juliet Helena Lumbard: Sculpture of the Exposition Palaces and Courts: [Online]. Verfügbar unter: http://www.books-about-california.com/Pages/Sculpture_of_the_Exposition/Sculpture_of _Expo_main.html (Stand 1.7.2014)
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dererseits aber sind die Textpassagen nicht als digitale Reproduktion des originalen Texts zu finden, sondern als Text in die Website-Programmierung integriert. Ausschließlich die Bildunterschriften des originalen Katalogs sind in Form eines digitalen Bildes gekoppelt mit dem beschriebenen Bild online gestellt. Generell könnte man von einer digitalen Dokumentation einer analogen Ausstellungsdokumentation sprechen. Es vollzieht sich hier wieder ein Sprung, der die Struktur ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt: Die von der Autorin J. H. L. James eingeführten Kapitel des Katalogs werden in der Online-Version als einzelne Links angeführt und stehen prominent zu Beginn. So wird die Aufmerksamkeit des Lesers zuallererst auf die Struktur, den Aufbau gelenkt, bevor ein Zugang zu den „Inhalten“ ermöglicht wird. Ein weiterer interessanter Aspekt an dieser Stelle ist der Sprung von analogen Bilddaten des Katalogs zu digitalen Bilddaten der Website. Durch die Digitalisierung verliert der Katalog seinen anscheinend linearen Aufbau in Kapitel und wird dem User offensichtlich in einer Netzstruktur zugänglich gemacht. Durch Klicken auf einzelne Bilder und Textelemente kann sich der Betrachter durch die Struktur fortbewegen, dies muss nicht linear erfolgen, sondern kann gemäß den einzelnen „Verästelungen“ gegenläufig zur ursprünglichen Katalogstruktur geschehen. Die Online-Dokumentation des Katalogs enthält sowohl die „originale“ architektonische Struktur der Ausstellung als auch die eher lineare Struktur des Katalogs. Diese Beispiele geben einen Eindruck der unterschiedlichen Formen des E-Books. Abschließend stellt sich die Frage des Bezugs zwischen E-Book50 und OnlineKatalog. Einige für das E-Book wesentliche Punkte, wie z. B. die unterschiedlichen Verhältnisse zwischen gedruckter Publikation und Online-Veröffentlichung oder die Übersetzung der wegfallenden haptischen Komponente, spielen auch für Online-Sammlungs- und -Ausstellungskataloge eine wesentliche Rolle.
50 Weitere Beispiele: Medien – Kunst – Geschichte: Medienmuseum (anlässlich der Eröffnung des ZKM am 18.10.1997) / Hans-Peter Schwarz. (Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, Prestel Verlag, 1997, 191 Seiten + CD-ROM) Wallraf-Richartz-Museum mit Museum Ludwig. Gemälde- und Skulpturenbestand (DISKUS-Reihe, K. G. Saur, 1996) Österreichische Galerie. Spaziergang durch Belvedere. Von Gerhard Handler u. a. Virtuelle Rekonstruktion der Architektur und Kunstsammlung des Lustschlosses von Prinz Eugen (Edition Factory, 1995) Deutsches Museum offline. Die Internet-Seiten des Deutschen Museums auf CD-ROM (Deutsches Museum, 1998)
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Jedoch muss auch festgehalten werden, dass die bisherigen E-Books noch sehr nahe am linearen Aufbau der gedruckten Bücher angesiedelt sind und (noch) nicht alle technischen Möglichkeiten ausschöpfen. Dies sollte jedoch von einem gelungenen Online-Katalog geleistet werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ausgehend von den hier erwähnten Offline- bis hin zu den Online-Vorläufern ein wesentlicher Unterschied zu vermerken ist: Die Offline-Medien bieten einen begrenzten, statischen Informationsumfang an, wohingegen die Online-Medien dem User potenziell unendlich viele Informationen zur Verfügung stellen können51 und somit auch die Idee des Katalogs wesentlich erweitern, was in den folgenden Kapiteln versucht wird darzustellen.
51 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 101
2.3 Quellen und Vorläufer des Online-Katalogs im Online-Bereich
Die bisher besprochenen möglichen Quellen des Online-Katalogs stellen die Grundlage für die Entwicklungen der möglichen Vorläufer im Online-Bereich dar. Man denke einerseits an die teilweise institutionsübergreifenden oder sogar internationalen Standardisierungsmaßnahmen, die eine Voraussetzung für (Online-) Archive darstellen, da ohne einheitliche Standards (Online-)Datenbanken nicht möglich wären. Auch die Fortschritte, die im Gebiet der Bibliothekskataloge erzielt werden, tragen zur Verbesserung der musealen Datenbanken bei. Andererseits findet der Aufbruch der linearen Struktur seinen Ursprung im digitalen Offline-Bereich und wird in der Folge weiterentwickelt. Corinne WelgerBarboza schreibt dazu: „Si l’on garde pour référence les appliquations de ce type de construction non-linéaire dans le CD-Rom, on ne peut que constater la moindre performance hypermédia qui characterise les sites sur le réseau. [...] [L]a construction arborescente domine encore dans la plupart des serveurs envisagés, entraînant la contrainte de lecture d’enfilades de pages-écrans, branche par branche.“1
In den nachfolgenden Passagen möchte ich einen Überblick über mögliche Vorläufer des Online-Katalogs im Online-Bereich geben. Manche Beispiele siedeln sich in unmittelbarer Nähe zum Online-Katalog an, manche haben nur peripher damit zu tun; beide Komplexe tragen komplementär zu einem besseren Verständnis des Mediums Online-Katalog bei.
1
Welger-Barboza, Corinne, 2001, S. 104
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Museums- und Ausstellungswebsites Das Internet bzw. das WWW hat den Alltag infiltriert und ist nicht mehr daraus wegzudenken. Schnell zugängliche Informationen, leicht und überall jederzeit auffindbar, sind einige der charakteristischen Züge dieses Mediums, die sich auch Museen sowie Kunsthallen zunutze machen. Wie bereits erwähnt, halten multimediale Angebote seit den 1990er-Jahren Einzug in den musealen Bereich. Werner Schweibenz verweist anlässlich des 50. Deutschen Dokumentartags in seinem Beitrag „Museumsinformation im Internet am Beispiel der Webseiten zweier Kunstmuseen in den USA“ (1998) auf Jonathan Bowen und Jim Bennett, die ein Handbuch für museale Webpräsenzen herausgegeben haben („Virtual Visits to Virtual Museums“, 1998). Neben einigen mittlerweile überholten Bemerkungen halten Bowen und Bennett aber auch folgende Punkte fest, die von fortdauernder Gültigkeit sind: „Die Webseite soll nicht das traditionelle Museumserlebnis widerspiegeln. Das Web ist ein vollständig anderes Medium mit eigenen Stärken und Schwächen, das so eingesetzt werden soll, daß es das Erlebnis des virtuellen Besuchers erhöht.“2
D. h., nicht nur für die Webpräsenz eines Museums, sondern auch für das OnlineMuseum sowie für den Online-Katalog gilt, dass die Inhalte und die Systematisierung der Inhalte an das neue Medium adaptiert sein sollen, um von diesem bestmöglich zu profitieren. „Die Navigation auf den Webseiten muß offensichtlich und konsistent sein, um die Benutzerfreundlichkeit und Orientierung zu gewährleisten.“3 Auch diese Richtlinie lässt sich auf die drei oben genannten Bereiche übertragen: Sie sollen so strukturiert sein, dass sie (beinahe) selbsterklärend sind und der User diese ohne lange Vorbereitungszeit sofort bedienen kann. „Die Webseite muß regelmäßig aktualisiert werden, um virtuelle Besucher zur Rückkehr auf die Seite zu ermutigen.“4 Die Möglichkeit, laufend Aktualisierungen mit geringem Aufwand durchzuführen, ist ein großer Vorteil der internetbasierten Kommunikationsformen und stellt auch ein zentrales Merkmal der Webpräsenzen, der OnlineMuseen sowie der Online-Kataloge dar.
2
Bowen, Jonathan P.; Bennett, Jim; Johnson, James: Virtual Visits to Virtual Museums, 1998, zitiert aus: Schweibenz, Werner: Museumsinformation im Internet am Beispiel der Webseiten zweier Kunstmuseen in den USA, in: Ockenfeld, Marlies; Mantwill, Gerhard J. (Hrsg.): 50. Deutscher Dokumentartag 1998, Informationen und Märkte, DGD, Frankfurt/Main, 1998 S. 91
3
Ebd.
4
Ebd.
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Um nun konkret auf die Webpräsenz von Museen und Ausstellungen zu sprechen zu kommen, möchte ich mich auf Corinne Welger-Barboza beziehen: Sie hält schon im Jahr 2001 folgende Punkte einer musealen Webpräsenz fest: Adresse und Zugang zum Gebäude, Öffnungszeiten und Eintrittspreise, Serviceeinrichtungen (Buchhandlung, Café usw.), allgemeine Präsentation der Sammlung (Legitimation), aktuelles sowie vergangenes und künftiges Programm, Vermittlungsangebot und Veröffentlichungen der Einrichtung.5 Auch wenn hier einige Überschneidungen mit dem gedruckten Sammlungskatalog festzustellen sind (z. B. allgemeine Präsentation der Sammlung, Legitimation usw.), handelt es sich hierbei eindeutig um die Merkmale einer musealen Präsenz, die Besucherinformation sowie -bindung zum Ziel hat und sich somit auch eindeutig von musealen digitalen Datenbanken oder Online-Präsentationen abgrenzt. Wie schon erwähnt, ist wahrscheinlich das mumok museum moderner kunst stiftung ludwig das erste Museum, das online ging (1995).6 Heute verfügt beinahe jedes Museum über eine eigene Webpräsenz und somit über eine Kontaktmöglichkeit mit den (potenziellen) Besuchern. Neben diesen Webpräsenzen haben sich auch zahlreiche institutionsübergreifende Netzwerke etabliert. Im deutschsprachigen Raum ist das Webmuseum (http://webmuseen.de/) ein Beispiel. Diese Seite bietet mithilfe verschiedener Suchmöglichkeiten einen ersten Überblick über unterschiedliche Museen und leitet dann direkt zu den jeweiligen Websites der Institutionen weiter. Dieses Metatool ermöglicht eine rasche Recherche auf institutioneller Ebene. An der Schwelle zwischen Museumswebsite und Online-Archiv ist z. B. die Seite des Indianapolis Museum of Art7 angesiedelt. Das Indianapolis Museum of Art hat in seiner Webpräsenz die Rubrik „Collections“ integriert.8 Dieses Beispiel aus den USA zeigt, dass einzelne Präsentationsformen von Ausstellungen im Internet nicht immer deutlich voneinander abzugrenzen und somit Überschneidungen möglich sind. Petra Schuck-Wersig und Gernot Wersig haben in ihrem Beitrag „Deutsche Museen im Internet“ (1998)9 eine Einteilung der unterschiedlichen Webauftritte ausgearbeitet.
5
Vgl. Welger-Barboza, Corinne, 2001, S. 101
6
Vgl. z. B. Wünsch, Barbara, 2006
7
Indianapolis Museum of Art: [Online]. Verfügbar unter: http://www.imamuseum.org (Stand 1.7.2014)
8
Weitere Informationen hierzu finden sich im Appendix 11.
9
Vgl. Schuck-Wersig, Petra; Wersig, Gernot (unter der Mitarbeit von Prehn, Andrea): Deutsche Museen im Internet. Explorative Studie und Tagungsbericht anläßlich des Workshop „Museumsbesuch im Multimedia-Zeitalter“ im Auftrag der Stiftung Volkswa-
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Online-Datenbanken und -Archive im musealen Bereich Neben dem meist nach Presse- oder Marketing-Richtlinien gestalteten Webauftritt eines Museums gehen mittlerweile zahlreiche Institutionen ihrem Bildungsauftrag auch im Internet nach und bieten Online-Datenbanken ihrer Sammlungen an. Wie diese ausfallen, hängt u. a. von den national geregelten Urheberrechten ab.10 Ein Beispiel für eine Sammlung, die online präsentiert wird, ist auf der Website des Lentos Kunstmuseum Linz zu finden. Sehr ähnlich wie ein klassischer Sammlungskatalog ist die Rubrik „Sammlung“ auf der Website http://www.lentos.at aufgebaut. Auf der ersten Seite wird kurz die Geschichte der Sammlung11 bis zum heutigen Tag erläutert. Außerdem hat der User die Möglichkeit, über die fünf Teilsammlungen Zusatzinformationen in Form von Texten zu erhalten. Des Weiteren werden Kurzinformationen zur Provenienzforschung sowie zu den Neuzugängen angeboten. All diese Paratexte sind ausschließlich in Bild und Text präsent und folgen einer sehr klaren, einfachen Struktur. Schlussendlich kann die Unterrubrik „Sammlung Online“ angewählt werden. Auf der ersten Seite wird nach einem Grußwort der Einblick in die rund 13.000 Werke umfassende Sammlung angekündigt. Der User wird automatisch mit einem Gastzugang in die Datenbank eingeloggt. In der sich daraufhin öffnenden Überblicksseite kann nach unterschiedlichen Kriterien gesucht werden: Künstlernamen, Werktiteln, Arbeitstechniken oder Datierungen. Diese Suchkriterien entsprechen in etwa den unterschiedlichen Systematisierungen in einem Sammlungskatalog. Die Suche beispielsweise nach Lois Weinberger ergibt fünf Treffer, wovon drei mit einem Bild und zwei ohne Bild in der Datenbank erscheinen. Durch Klicken auf die einzelnen Felder gelangt man zu der genaueren Beschreibung des Werks. Gemäß den klassischen Werkangaben (Titel, Technik, Maße, Signatur, Datierung, Ankaufsdatum [ggf. Informationen zur Schenkung] sowie Inventarnummer) wird das Werk beschrieben. Eine Vergrößerung der Reproduktion ist nicht möglich. So kann man zusammenfassend festhalten, dass der Aufbau dieser „Sammlung Online“ die Kriterien des klassischen Sammlungskatalogs ins Internet übersetzt: Paratexte zur Sammlung sowie zum Museum, Haupttext in Form der Liste bzw. des Werkverzeichnisses, systematisiert nach bestehenden Kriterien. Die Übersetzung des analogen Mediums ins digitale erfolgt bei diesem Beispiel sehr direkt und
genwerk, Oktober 1998, in: Mitteilungen und Berichte aus dem Institut für Museumskunde, Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Berlin, 1998 10 Vgl. Welger-Barboza, Corinne, 2001, S. 98 11 Vgl. Lentos Kunstmuseum Linz: [Online]. Verfügbar unter: http://www.lentos.at/html/ de/109.aspx (Stand 1.7.2014)
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schöpft bei Weitem nicht alle Möglichkeiten des digitalen/Online-Mediums aus, sondern bleibt der herkömmlichen Katalogstruktur treu. Ein anderes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum ist das Online-Werk- und Online-Künstler-Verzeichnis des ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (http://on1.zkm.de/zkm/). Diese beiden Datenbanken sind untereinander sowie mit anderen Rubriken der Website verlinkt, sodass ein breit gefächertes Netzwerk entsteht. Wenn man auf die Rubrik „Künstler“ klickt, gelangt man zu einem alphabetisch geordneten Künstlerverzeichnis. Abb. 30: Datenbank des ZKM
Bei Klicken auf einen der Namen – z. B. auf Christian Ziegler – gelangt man zu dessen Kurzbiografie. Über einen Link steht auch die englische Version dieser Seite zur Verfügung. Interessant ist hier, dass diese Seite wiederum verlinkt ist – im Gegensatz zur eher starren Datenbank des Kunstmuseums Lentos. Man gelangt z. B. zur jeweiligen Abteilung des ZKM, die in Verbindung mit dem Künstler steht. Des Weiteren steht eine Liste der Werke, die im Zusammenhang mit dem ZKM stehen, zur Verfügung. Einige der Werke wiederum sind mit der Werkdatenbank verlinkt, sodass man durch einen Klick direkt in diese wechseln kann. Das angewählte Werk wird in Bild und Text beschrieben. Der Text weist wiederum weiterführende Links auf, die einerseits auf Website-interne Seiten und andererseits auch auf externe Websites verweisen. Die weiterführenden Links zu den einzelnen Arbeiten umfassen nicht ausschließlich Text, sondern z. B. auch Video- und/oder Tonmaterial. Der Zugang zur Datenbank ist auch über die Rubrik „Werke“ möglich, die ebenso alphabetisch aufgebaut ist. Generell zu bemerken ist die Aufsplittung zwischen Künstler- und Werkdatenbank. Auch wenn beide der mittlerweile klassischen alphabetischen Sammlungskatalogsystematik folgen, wird die lineare Leserichtung dennoch immer mehr aufgebrochen und in eine netzwerkartige überführt. Die sowohl seiteninterne als auch -externe Verlinkung lässt ein Assoziationsnetz entstehen, das dem „non-sequential writing“-System entspricht. Es handelt sich hierbei um ein Beispiel, das die Aufbereitung der Inhalte an die neuen technischen Möglichkeiten anpasst und diese in die
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Struktur der Datenbank aufnimmt. Corinne Welger-Barboza meint treffend: „Le contenant génère l’offre de contenus.“12 Dies ist bei der Datenbank vom Lentos Kunstmuseum (noch) nicht der Fall. Im Fall der ZKM-Datenbank treffen sich sowohl traditionelle Elemente des herkömmlichen Sammlungskatalogs (Systematik, Fokus auf die Liste/das Verzeichnis, Bemühung um Vollständigkeit, Verweis auf die reale Institution durch die Links zu den Abteilungen13) als auch typisch digitale Elemente (Verlinkung, Netzwerk). So kann man zusammenfassen, dass inhaltlich die Idee des Sammlungskatalogs weitergeführt wird, jedoch strukturell die Übersetzung ins neue Medium stattfindet. Festzuhalten ist auch, dass diese Archive in die reguläre Webpräsenz der einzelnen Institutionen integriert sind und es sich nicht um eine unabhängige Website handelt.14
12 Welger-Barboza, Corinne, 2001, S. 55 13 Die Paratexte werden nun durch die Links direkt in den Haupttext eingeflochten und erschweren somit eine klare Trennung dieser beiden Texttypen. (Ein Beispiel dazu ist: By The Way, la plateforme en ligne du Printemps des Laboratorien #1: [Online]. Verfügbar unter: http://bytheway.printemps.leslaboratoires.org/ (Stand 1.7.2014)) 14 Es gibt noch zahlreiche weitere internationale Beispiele, die ähnlich gelagert sind, eine Analyse dieser würde aber den vorliegenden Rahmen sprengen. Einige mögen hier daher nur kurz Erwähnung finden: San Francisco Museum of Modern Art (http://www.sfmoma.org/explore/collection): Hierbei handelt es sich um eine Datenbank, die eine Suche nach Stichworten oder auch nach Künstlernamen ermöglicht. Die Datenbank wird von den sammlungskatalogtypischen Paratexten begleitet. Phoenix Art Museum (http://www.phxart.org/collection/index.php): Die Teilsammlungen sind separat zugänglich. Eine kleine Auswahl an Bildmaterial begleitet den Einleitungstext zu jeder Teilsammlung. Eine gezielte Suche nach Künstlernamen ist hier nicht möglich. Die Gestaltung lässt an eine Slideshow denken und ist vielmehr visuell als textuell ansprechend. Institutionsübergreifende Datenbank: http://www.videomuseum.fr Institutionsübergreifende Datenbank: Ein aktuelles Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum stellt die Museumsplattform NRW (http://www.nrw-museum.de/) dar, die dem Benutzer 548 Werke von 349 Künstlern aus 18 Museen sowie 13 verschiedenen Orten zugänglich macht. http://www.guimet-grandidier.fr/html/4/index/index.htm http://www.photo.rmn.fr/ http://sammlung-online.museum-folkwang.de/eMuseumPlus
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Nicht nur museale Institutionen haben eine Sammlung und eine Online-Datenbank. Auch die Universität für angewandte Kunst Wien verfolgt seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine präzise Sammlungstätigkeit. Seit Ende 2012 ist nun die OnlineDatenbank inklusive einer Suchmaske zugänglich (http://31.216.41.7/eMuseum Plus). Hierbei handelt es sich um eine Zusammenarbeit von Sammlungsteam und Checkpoint Media in Wien. Der User gelangt direkt – nur mit einer sehr kurzen Einleitung – zur Suchmaske, wo er gemäß unterschiedlichen Kriterien nach einzelnen Datensätzen recherchieren kann. Die Suchergebnisse sind in vier unterschiedlichen Formen ersichtlich (inklusive gut auflösenden Bildmaterials). Jeder Datensatz kann durch einen einfachen Klick in das „Portfolio“ übertragen werden. So kann jeder Benutzer seine individuelle Auswahl zusammenstellen. Die ausgewählten Datensätze können wiederum in den vier Ansichten konsultiert sowie nach Künstler oder Datierung sortiert werden. Die Erstellung eines Portfolios kann sehr nützlich für die Online-Recherche sein, jedoch kann man die Inhalte nicht exportieren, sie bleiben ausschließlich online konsultierbar. Die Datenbank gibt einen Überblick über den Sammlungsbestand und gewährt erste systematische Informationen zu den einzelnen Werken. Eine Überführung in den gedruckten Bereich ist jedoch nicht möglich. Wie man sieht, ist diese OnlineDatenbank aus dem universitären Sammlungsbereich ähnlich konzipiert wie Museumsdatenbanken und das zeigt, dass nicht ausschließlich Museen auf diesem Gebiet ihren Beitrag leisten. Weitere museale Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum15 sowie aus dem internationalen Bereich finden sich online. Nun stellt sich aber die Frage, was den Unterschied zwischen musealen OnlineDatenbanken und Online-Museen ausmacht. Kurz und prägnant darauf geantwortet, lässt sich sagen, dass eine Datenbank kein Ausstellungskonzept aufweist, sondern in erster Linie als Recherchetool nach einzelnen Werken bzw. Künstlern dient. Ein Online-Museum bzw. eine Online-Ausstellung hat nicht nur zum Ziel, die Exponate
World Art Treasures (http://www.bergerfoundation.ch/): Datenbank einer privaten Sammlung. Interessant ist hier, dass von einem Objekt Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln zu finden sind und somit ein „Rundumblick“ der Skulpturen ermöglicht wird. 15 http://www.sammlungen.mak.at/sdb/do/start.state http://www.musa.at/wien-musa-sammlung-online-kulturgut http://opac.albertina.at/webopac/index.asp?lkz=1&nextpage=&time=16:29:16 http://residenzgalerie.at/Sammlung.3.0.html http://www.museenkoeln.de/impressionismus http://www.hamburger-kunsthalle.de/sammlungav/
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im WWW zugänglich zu machen, sondern übersetzt ebenso das Medium Ausstellung bzw. Sammlungspräsentation in den Online-Bereich. Ein Beispiel, das sich an dieser Schnittstelle ansiedelt und auch darüber hinausgeht, ist das Angebot des Schweizerischen Nationalmuseums unter http://www. musee-suisse.ch/d/sammlung/online_sammlungen/index.php. Die Rubrik „Sammlungen online“ umfasst mehr, als der Titel verspricht. Die drei vorgeschlagenen Unterrubriken sind „Webcollection“, „Timemachine“ und „Virtueller Transfer“.16 Hinter dem Titel „Webcollection“ (http://webcollection.landesmuseen.ch/) versteckt sich die digitale Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums. Aufgebaut wie eine Datenbank und ähnlich einem Sammlungskatalog bezüglich Paratexten (z. B. Einleitungstext zu Beginn) kann der Besucher mit einer Stichwortsuche gezielt nach einzelnen Objekten suchen oder aber einzelne Teilsammlungen erkunden. Jede Teilsammlung wird wiederum durch einen kurzen Einleitungstext vorgestellt. Des Weiteren kann die gesamte Datenbank der einzelnen Teilsammlungen in unterschiedlichen Darstellungsformen (Bild- und/oder Textansicht) angezeigt werden. Die Beschreibungen umfassen die klassischen Werkangaben. Interessant ist auch, dass man sich die Highlights aus dem ausgewählten Ressort anzeigen lassen kann und somit mit einer Vorauswahl konfrontiert ist. Ein wichtiger Punkt bezüglich Interaktion zwischen Institution und Besucher ist auch der Umstand, dass man direkt von der Seite den jeweils zuständigen Kurator per E-Mail kontaktieren kann. Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass es sich hierbei um eine OnlineDatenbank handelt, die in ihrem Aufbau und in ihren Inhalten mit dem klassischen Sammlungskatalog verwandt ist und sich somit in die Reihe der bisher besprochenen Datenbanken einfügt. Nun aber zum Titel „Timemachine“ (http://www.timemachine.ch/), der als erste „virtuelle Ausstellung der Musée Suisse Groupe“ präsentiert wird. Der User ist nach einem kurzen Intro (Ton und bewegtes Bild; man denke an die Intros der besprochenen CD-ROMs) mit der Wahl zwischen „Timemachine“ und „Guided Tour“ konfrontiert. Der Begrüßungstext aus dem Jahr 2012 (und mittlerweile nicht mehr online zugängliche Text) besagt Folgendes: „Wir begrüssen Sie herzlich zur ersten virtuellen Ausstellung der Musée Suisse Gruppe: ,Schweiz in Bewegung‘. Lassen Sie sich von unserer ,Timemachine‘ direkt in eine [sic!] ganz bestimmten, von Ihnen gewählten Zeitraum katapultieren. Oder nutzen Sie die ,Guided Tour‘ für einen geführten, multimedialen Rundgang. So oder so wünschen wir Ihnen viel Spass.“17
16 Vgl. Das Schweizerische Nationalmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://www.musee -suisse.ch/d/sammlung/online_sammlungen/index.php (Stand 1.7.2014) 17 Das Schweizerische Nationalmuseum, Timemachine: [Online]. Verfügbar unter: http:// www.timemachine.ch/4DCGI/g1.html (Stand 14.2.2012)
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Handelt es sich hier wirklich um eine virtuelle Ausstellung bzw. einen virtuellen Ausstellungsrundgang? Bei Anwahl der „Timemachine“ wird man auf eine Suchmaske geleitet, die die Recherche mithilfe einer Themenliste, eines bestimmten Zeitabschnitts oder eines freien Stichworts ermöglicht. So werden beispielsweise bei der Wahl der Zeit 1980 acht Datensätze gefunden, die ähnlich einer Datenbank präsentiert werden. Bei Klicken auf ein ausgewähltes Bild wird dieses in Begleitung der klassischen Werkangaben und der Verschlagwortung vergrößert dargestellt. Abb. 31: „Timemachine“
Eine Besonderheit stellt jedoch der Umstand dar, dass man von der Werkansicht direkt auf eine Druckansicht gelangt, die die Schnittstelle zwischen digitaler und gedruckter Information darstellt. So ist eine Überführung der digitalen Daten in einen gedruckten Katalog, sei es „catalogue-en-acte“ oder „catalogue-document“, möglich. Des Weiteren wird die Option „Bestellen“ angeboten. Hierfür muss der User ein Benutzerkonto anlegen, um eine Reproduktion des ausgewählten Bildmaterials zu bestellen. Schlussendlich bietet die Rubrik „Postkarte“ die Möglichkeit an, das ausgewählte Bild als E-Postkarte an eine beliebige Person zu verschicken (man denke dabei an die CD-ROM des Musée d’Orsay). Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die „Timemachine“ nicht wesentlich von den herkömmlichen Datenbanken und CD-ROMs unterscheidet und keine virtuelle Ausstellung darstellt. Das Wort „virtuell“ beansprucht laut einleitend gegebener Definition u. a. eine Nachahmung des Raums im digitalen Bereich für sich, die in diesem Fall nicht gegeben ist. Bei der Anwahl der „Guided Tour“ gelangt der User zu einem Sechspunktemenü, aus dem er zwischen folgenden Punkten wählen kann: „Guided Tour“, „Ihre Zeitmaschine“, „Ihre erste Zeitreise“, „Fotografische Augenblicke“, „Unvergessliche Zitate“ und „Ihre Crew“ (verantwortliches Team mit kurzer Vorstellung der einzelnen Mitglieder, Credits, Dank und Kontaktangaben). Unter dem Punkt „Guided Tour“ versteckt sich nicht etwa ein virtueller Ausstellungsrundgang, sondern die „Gebrauchsanweisung“ der „Timemachine“. Deren Benutzung wird hier in Bild und Text schrittweise erklärt. Hinter „Ihre Zeitmaschine“ verbirgt sich ein kurzer
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Einleitungstext, der das Projekt der „Timemachine“ in ein paar Sätzen vorstellt. „Ihre erste Zeitreise“ stellt in drei kurzen Textpassagen die Idee der Ausstellung „Schweiz in Bewegung“ vor. Der Ursprung der Sammlung, ein skizzenhafter Überblick über die vertretenen Künstler bzw. Fotografen sowie die Ziele der Sammlung werden unter dem Punkt „Fotografische Augenblicke“ zusammengefasst. Vergleichbar mit weiterführenden Paratexten findet der User unter „Unvergessliche Zitate“ eine Auswahl an Aussagen von Fotografen, die in der Sammlung vertreten sind. Mein Fazit ist, dass es sich hier um die klassischen Paratexte eines Sammlungskatalogs handelt (ausgenommen der Punkt „Guided Tour“). Die Liste, das Werkverzeichnis, spiegelt sich in der „Timemachine“ an sich wider. Jedoch findet das Medium Ausstellung keinen Niederschlag und daher kann hier nicht von einer virtuellen/digitalen/Online-Ausstellung gesprochen werden, sondern vielmehr von einer Online-Datenbank, die in der Tradition der Sammlungskataloge steht. Auch nutzt diese Datenbank nicht alle zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten des WWWs und konzentriert sich in erster Linie auf die klassische BildText-Kombination sowie sehr sporadische Verlinkung in sich und weist keine externe Verlinkung auf. Der dritte und somit letzte Titel lautet „Virtueller Transfer“18, weist über das bisher Besprochene hinaus und wird daher an späterer Stelle noch analysiert. Wie diese Beispiele zeigen, sind die unterschiedlichen Genres nicht immer eindeutig zu definieren oder voneinander abzugrenzen. Online-Museum und -Ausstellung Die Begriffe Online-Museum, virtuelles Museum, Webmuseum, digitales Museum o. Ä. umfassen eine weite Spanne an unterschiedlichen Modellen. Woher kommt der Typus des Online-Museums? Der finnische Forscher und Kurator Erkki Huhtamo sieht den Ausgangspunkt des „Virtual Museum“ in den Auseinandersetzungen mit dem Ausstellungsdisplay und nennt in diesem Zusammenhang u. a. MoholyNagy und Kiesler. Aber auch die Arbeit „Boîte-en-valise“ (Editionen gehen bis in die Mitte der 1930er-Jahre zurück) von Marcel Duchamp wird vom Autor als mögliche Vorwegnahme des „Virtual Museum“ genannt.19 Darüber hinaus setzen sich Künstler jüngerer Generationen mit der Überführung des Mediums Museum in den
18 Das Schweizerische Nationalmuseum, Virtueller Transfer: [Online Verfügbar unter: http://vtms.musee-suisse.ch/ (Stand 1.7.2014) 19 Vgl. Huhtamo, Erkki: On the Origins of Virtual Museum, in: Parry, Ross (Hrsg.): Museums in a Digital Age, Routlege, New York, 2010, S. 124ff
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digitalen Raum auseinander. In diesem Zusammenhang wird des Öfteren die Arbeit „The Virtual Museum“20 (1990) von Jeffrey Shaw genannt.21 An dieser Stelle sollen die auf Wikipedia als „Broschürenmuseum“ (gleichzusetzen mit einer Webpräsenz eines Museums), „Inhaltsmuseum“, „Lernmuseum“ und „Virtuelles Museum“22 bezeichneten Online-Modelle kurz vorgestellt und deren Bezug zum Online-Katalog beleuchtet werden. Huhtamo versucht, einen gemeinsamen Nenner in diesem weiten Feld herauszufiltern: „If ,wired‘ virtual museums have a common denominator at all, it is a very general one, referring to almost any kind of collection of material (supposedly of ,historical‘ or at least ,cultural value‘) put on general display on the Internet.“23
Dieser sehr schwammige Definitionsversuch weist auf die Schwierigkeit eines solchen hin. Annette Hünnekens unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Typen im digitalen Bereich: dem virtuellen oder digitalen Museum und dem Netzmuseum.24 Verbindendes Element dieser beiden Typen ist, dass nicht nur die Musealien an sich eine Übersetzung ins neue Medium erfahren, sondern diese Überführung auch den Kontext mit einschließt. So setzen sich diese beiden Typen deutlich von digitalen Datenbanken ab. In der Folge soll keine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Formen der Online-Museen erfolgen, da dieses Themenfeld in zahlreichen Publikationen beschrieben wird. Hier wird nur ein kurzer Überblick über diesen Bereich gegeben, um die Bezugspunkte zum Online-Katalog zu verdeutlichen.25 Wichtige Punkte in der Entwicklung des digitalen und in der Folge des OnlineMuseums sind die Überwindung der linearen und die Überführung in eine Hypertextstruktur. Das Projekt InterCommunication Center (ICC) kündigt schon im Jahr 1989 die Absicht an, ein Museum des 21. Jahrhunderts in diesem Sinne zu etablieren. Im Jahr 1991 wird dann „The Museum Inside The Telefone Network“ als erstes
20 Vgl. Medien Kunst Netz: Jeffrey Shaw „The Virtual Museum“: [Online]. Verfügbar unter: http://www.medienkunstnetz.de/works/the-virtuel-museum/images/1/ (Stand 1.7.2014) 21 Vgl. z. B.: Hünnekens, Annette, 2002, S. 136ff. 22 Vgl. Wikipedia: Museen im WWW: [Online]. Verfügbar unter: http://wiki.infowiss.net/ Museen_im_WWW (Stand 1.7.2014) 23 Huhtamo, Erkki, 2010, S. 121 24 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 71 25 Weiterführende Literatur: http://www.mit.edu/~bhdavis/DigitalMus.html http://web.mit.edu/comm-forum/forums/digitalmuseum.html
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derartiges Projekt für eine begrenzte Benutzergruppe über das Telefonnetzwerk zugänglich gemacht. Der Nutzer kann sich über das Telefon- oder Faxnetzwerk einwählen und dann eine Vielzahl an speziell dafür entwickelten Werken der bildenden Kunst entdecken.26 Diese „Museumssammlung“ ist auf fünf unterschiedlichen Kanälen zugänglich: „Voice & Sound Channel“, „Interaktive Channel“, „Fax Channel“, „Live Channel“ und „Personal Computer Channel“. Die Werke, die auf diesen unterschiedlichen Channels präsentiert werden, werden in erster Linie im privaten Raum (manchmal für die individuelle [Telefon], manchmal für die Gruppenrezeption [Fax]) rezipiert und infiltrieren durch ihre Aufsplittung das alltägliche Leben. Jedoch wird diese dekonstruierte, virtuelle (als Gegensatz zur realen/physischen) Präsentation dennoch wieder zusammengeführt: Dies geschieht im One Box Museum, einer Installation, die alle Kanäle an einem Ort zugänglich macht. „Special access booths (created by Dumb Type) from which all five channels could be accessed were set up in three locations in Tokyo for the duration of the project, and information was provided on the event in general as well as how to access the museum and the content of the works.“27
Hier ist man mit der Umkehrung des Prozesses konfrontiert. Inwiefern es sich hierbei um ein Museum oder eine Ausstellung handelt, ist eine weitreichende Frage und würde den vorliegenden Rahmen sprengen. Um die Absicht der Entwickler zu berücksichtigen, bleibe ich beim Begriff Museum, auch wenn ich persönlich in diesem Fall Kennzeichen einer Ausstellung feststellen kann. Auf alle Fälle handelt es sich hierbei um ein Museum, das ohne reales bzw. physisches Pendant speziell für das spezifische Diffusionsmedium konzipiert wurde. Dies gilt genauso für die ausgestellten Werke. Ebenso grenzt es sich vom Genre der Datenbank ab, da der Versuch, die Ausstellung ins neue Medium zu übersetzen, eine wichtige Rolle spielt. Bemerkenswert ist, dass anlässlich dieser „virtuellen“ Ausstellung ein gedruckter Katalog herausgegeben wurde („InterCommunication ’91 The Museum Inside The Telephone Network“, 1991), der heute wiederum als E-Book sowohl online als auch zum Download im WWW (http://www.archive.org/ stream/museuminsidetele00inte#page/n9/mode/2up) zur Verfügung steht. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass in dieser neuen Ausformung der Ausstellung bzw. Sammlungspräsentation dem Besucher/User Erfahrungen, Werke
26 Vgl. Urban Design Research Inc. (Hrsg.): InterCommunication ’91 The Museum Inside The Telephone Network, 1991, ohne Seitenangabe 27 Ebd., ohne Seitenangabe
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und Konstellationen angeboten werden, die über den Rahmen der herkömmlichen Ausstellung bzw. Sammlungspräsentation hinausgehen. Generell kann man eine Abgrenzung zwischen institutionsspezifischen OnlineMuseen bzw. -Ausstellungen und institutionsübergreifenden Online-Museen bzw. -Ausstellungen treffen. Darüber hinaus kann man unterscheiden, ob das OnlineMuseum bzw. die Online-Ausstellung eine reale Sammlung bzw. Gegebenheit wiedergibt oder ob ein ausschließlich virtuell existierendes Museum dargestellt wird. Ein relativ junges Beispiel für ein institutionsspezifisches Online-Museum bzw. eine institutionsspezifische Online-Ausstellung mit Bezug zu einem real existierenden Pendant stellt die Ausstellung „Welt der Habsburger“28 dar. Dieses Beispiel aus Österreich basiert auf einer Initiative der Bundesregierung. Professor Franz X. Eder und Professor Karl Vocelka halten in der Rubrik „Das Projekt“ Folgendes fest: „Um die ,Welt der Habsburger‘ in ihrer ganzen Breite darzustellen und ihrem Umfang gerecht zu werden, entschied man sich für eine virtuelle Präsentation. Für das kuratorische Team – Historiker der Universität Wien – bedeutete das ein Denken weg vom Ausstellungsstück in seinem ,sakralen‘ Objektcharakter hin zu einem Gegenstand der Vermittlung und Interaktion. In Abgrenzung zu weblexikalischen Einträgen sollte der Ausstellungscharakter dennoch gewahrt bleiben. Dies war eine große Herausforderung, und eine ungeheure Chance. [...] Das eigentliche Potenzial eröffnet sich jedoch im Wechsel kontextueller Zusammenhänge, der immer neue Verknüpfungspunkte hervorbringt, und damit auch neue Bedeutungsebenen.“29
In diesem kurzen Meta- bzw. Paratext werden drei wichtige Punkte genannt: die Abwendung vom Original hin zur Reproduktion, ohne dass hiermit eine Einbuße des Stellenwerts des Ersteren angestrebt ist, die Übersetzung des Mediums Ausstellung in den Online-Bereich sowie die Organisation in einer vernetzten Struktur. Dies grenzt somit „Welt der Habsburger“ von einer Online-Datenbank ab, reiht sie in die Formate einer Online-Ausstellung bzw. eines Online-Museums ein und versucht, die technischen Möglichkeiten in die Konzeptualisierung zu integrieren.
28 Die Welt der Habsburger: [Online]. Verfügbar unter: www.habsburger.net (Stand 1.7.2014) 29 Die Welt der Habsburger: Die virtuelle Ausstellung: [Online]. Verfügbar unter: http:// www.habsburger.net/#/de/ueber-das-projekt/welt-und-welten-der-habsburger-1 (Stand 1.7.2014)
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Der Bezug zur realen Institution ist in diesem Fall gegeben30, auch wenn der Kontext an das neue Medium adaptiert wird (z. B. Zoom-Funktion, Wahl zwischen HTML- oder Textversion usw.) und somit auch die inhaltliche Präsentation verändert. Eine genaue Analyse des Aufbaus dieser Website würde den vorgegebenen Rahmen sprengen und deutet (auch) darauf hin, dass diese nun schon so weit vernetzt ist, dass eine detaillierte Untersuchung anhand der Useroberfläche nicht mehr möglich bzw. sinnvoll ist (dieses Projekt wurde zwischen 2008 und 2010 umgesetzt und entspricht den Standards dieser Zeit). Nur so viel: Es gibt unterschiedliche vorstrukturierte Annäherungen („Portrait“, „Zeitreise“, „Landkarte“, „Stammbaum“, „Lesesaal“), aber auch die Möglichkeit, nach freien Stichworten zu suchen oder sich nach dem Inhaltsverzeichnis zu orientieren. Die Navigation erfolgt teilweise über verlinkte Text-, aber auch über Bildelemente und präsentiert sich somit sehr benutzerfreundlich. Die einzelnen Themen sind untereinander verlinkt, weisen weiterführendes Text- und Bildmaterial auf und folgen dennoch einem roten Faden, der mit einem Ausstellungskonzept bzw. -display zu vergleichen ist. Auch wenn es sich hierbei um eine Online-Ausstellung bzw. um ein OnlineMuseum handelt (wie auch an mehreren Stellen auf der Website hervorgehoben wird), kann man bestimmte Elemente des Katalogs festhalten (z. B. Paratexte). In „Das Projekt“ wird vermerkt: „Die Website funktioniert als ein Einstieg in die Thematik – z. B. im Vorfeld eines Wien-Besuchs – ebenso wie als hilfreiches Tool für Schüler, Studenten und Akademiker.“31 Somit wird die Brücke zum „cataloguedocument“ hergestellt: Der Katalog – oder in diesem Fall die Website – dient zur Vorbereitung des physischen Besuchs der real existierenden Ausstellung und soll diese somit nicht ersetzen, sondern ergänzen. Außerdem ist die Form einiger Paratexte (wie z. B. das „Inhaltsverzeichnis“) mit bestimmten Textformen des Katalogs verwandt. Ein weiteres verbindendes Element zum Genre des Katalogs ist die Option „Drucken“. Hier ist eine Besonderheit, dass man zwischen dem Druck der aktuellen Seite und dem Druck des gesamten Themas auswählen kann. Die Druckansicht enthält reinen Text, kann aber dennoch als Recherchetool dienen. Bemerkenswert ist, dass es sich hierbei um eine reine Bild-Text-Präsentation handelt und keine Videos oder Musikdateien in die Struktur eingegliedert sind, der
30 Einige der Bilder sind auch aus anderen Sammlungen in diese Online-Version integriert worden und lassen eine Parallele zu Leihgaben entstehen. 31 Die Welt der Habsburger: Die virtuelle Ausstellung: [Online]. Verfügbar unter: http:// www.habsburger.net/#/de/ueber-das-projekt/welt-und-welten-der-habsburger-1 (Stand 1.7.2014)
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User sich aber dennoch mit einer sehr ausgefeilten, übersichtlichen und informativen Anwendung konfrontiert sieht. Eine andere Gruppe stellen die institutionsübergreifenden Online-Museen bzw. -Ausstellungen dar. Ein derartig gelagertes Beispiel ist das WebMuseum, Paris32, das eine private Initiative ist, erstmals 1994 online geht und in der Literatur des Öfteren als eines der ersten Webmuseen Erwähnung findet.33 Ein weiteres öffentliches und ebenso viel breiter gelagertes Beispiel ist „Joconde – Portail des collections des Musées de France“ (http://www.culture.gouv.fr/ documentation/joconde/fr/pres.htm). „Créée en 1975, JOCONDE donne aujourd’hui [Juli 2014, Anm. der Autorin] accès à près de 500.000 notices d’objets, dont 60 % sont illustrées par une ou plusieurs images.“34 Diese Website umfasst nicht nur eine Datenbank, die die Sammlungen einer Vielzahl französischer Museen beinhaltet, sondern auch etliche „catalogues en ligne“ und „expositions virtuelles“. Unter der Rubrik „catalogues en ligne“ verbirgt sich eine externe Linksammlung, die auf nationale und internationale Museumswebsites bzw. deren Online-Kataloge, die unterschiedlich ausgeformt sind, verweist. Hierbei handelt es sich also nicht um einen wirklichen Online-Katalog, sondern um eine Linksammlung. Ähnlich bestellt ist es um die Rubrik „expositions virtuelles“: Auch hier findet der User eine Linksammlung, die auf externe virtuelle Ausstellungen verweist. Die Qualität der Links ist nicht gleichbleibend und das Verständnis einer virtuellen Ausstellung schwankt stark. Ein drittes Beispiel hierfür stellt die schon erwähnte Website Europeana (http://www.europeana.eu/portal/) dar. Diese umfasst nicht nur eine Datenbank, sondern auch Online-Ausstellungen, die dem User unabhängig von einer real existierenden Sammlung ausgewählte Werke in einem bestimmten Kontext zugänglich machen. Das 2012 veröffentliche und mittlerweile aktualisierte Ziel von Europeana ist „to provide access to Europe’s cultural and scientific heritage by way of a cross-domain portal / to facilitate formal agreement across museums, archives, audiovisual archives and libraries on how to co-operate in the delivery and sustainability of a joint portal / to stimulate and
32 WebMuseum, Paris: [Online]. Verfügbar unter: http://www.ibiblio.org/wm/ (Stand 1.7.2014) 33 Vgl. z. B. Wünsch, Barbara, 2006 34 Joconde. Portail des collections des musées de France: Le mot de bienvenue de la directrice chargée des musées de France: [Online]. Verfügbar unter: http://www.culture. gouv.fr/documentation/joconde/fr/apropos/presentation-joconde.htm (Stand 1.7.2014)
260 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0 facilitate initiatives to bring together existing digital content / to support and facilitate digitisation of Europe’s cultural and scientific heritage“35.
Europeana versteht sich selbst als Internetportal, das europaweit unterschiedliche kulturelle Objekte digitalisiert und online zugänglich macht. Im Rahmen dieser Tätigkeit werden auch wechselnde Online-Ausstellungen konzipiert. Die OnlineAusstellung „Explore the World of Musical Instruments“36 z. B. umfasst Bild-, Text- und Tonmaterial. Zuerst wird der User mit einem einführenden Text begrüßt, in dem darauf verwiesen wird, dass „[t]his exhibition, drawn from the collections of nine of Europe’s major musical instrument museums, offers a selection of instruments that illustrates a range of styles and cultural uses“.37 Diese Online-Ausstellung bedient sich somit Werken bzw. deren Reproduktionen aus unterschiedlichen Institutionen, um daraus eine Ausstellung zu konzipieren. Das Ausstellungskonzept ist in sechs unterschiedliche Themen gegliedert. Abb. 32: Online-Ausstellung „Explore the World of Musical Instruments“
Der User kann durch Anklicken seine individuelle Reihenfolge der Themen festlegen. Nach Wahl wird wiederum ein kleiner Übersichtstext mit einer Bild- und Tonauswahl angeboten. Angepasst an die technischen Möglichkeiten, werden hier die Inhalte dementsprechend kontextualisiert. Ein interessanter Aspekt, der ausschließlich im digitalen Bereich möglich ist, stellt die „Browse Item“-Funktion dar. Hier werden die Dateien/Reproduktionen, die eine Online-Ausstellung bilden, in Form einer Datenbank mit den jeweiligen detaillierten Angaben nochmals zugänglich
35 Europeana exhibitions: [Online]. Verfügbar unter: http://pro.europeana.eu/web/guest/ about/europeana-foundation (Stand 23.2.2012) 36 Europeana exhibitions, Explore the World of Musical Instruments: [Online]. Verfügbar unter: http://exhibitions.europeana.eu/exhibits/show/musical-instruments-en (Stand 1.7.2014) 37 Ebd.
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gemacht. Diese Verflechtung zwischen Online-Ausstellung und -Datenbank zeichnet Europeana aus. Die Übersetzung des Mediums Sammlungspräsentation in den Online-Bereich erfolgt nicht isoliert, sondern wird durch parallele Überführung des Sammlungskatalogs ergänzt. Wie schon vorab erwähnt, erfolgt die Weiterführung des klassischen Sammlungskatalogs im Online-Bereich in Form der Datenbanken, wie sie auch bei Europeana eingesetzt werden. Somit hat man die institutionsübergreifende Online-Sammlungspräsentation, die von einem digitalen Sammlungskatalog, der Datenbank, begleitet wird. Ein, wie ich finde, sehr gelungenes Referenznetz zur Nutzung der technischen Möglichkeiten, auch wenn diese hier noch nicht vollständig ausgeschöpft werden. Abb. 33: Online-Ausstellung „Explore the World of Musical Instruments“
Europeana bietet darüber hinaus weitere Features an. Diese hier zu analysieren, würde jedoch den vorgegebenen Rahmen sprengen. Darüber hinaus gibt es noch vielfältige Beispiele aus dem deutschsprachigen38 und internationalen Raum. Einen weiteren Typus stellen Online-Museen bzw. Online-Ausstellungen, die kein reales Pendant39 haben, dar. Annette Hünnekens erwähnt u. a. das Videotext Art Network (1984) als eine der ersten elektronischen Galerien in Deutschland.40 Ein Beispiel aus Österreich stellt die „akustische Webausstellung“41 dar. Es handelt sich hierbei um eine Kooperation zwischen der Österreichischen Mediathek
38 Weitere Beispiele: Beispiel aus Österreich: http://onlinemuseum.at/ar/Gotik_03.htm Beispiel aus Deutschland: http://www.dhm.de/lemo/ 39 Ein internationales Beispiel: http://espacevirtuel.jeudepaume.org/ Im Rahmen der virtuellen Ausstellung „Erreur d’impression. Publier à l’ère du numérique“ (2013) wird über die Spannung zwischen virtuell und Druck auf unterschiedlichen Niveaus diskutiert. 40 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 161ff.
262 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
und anderen Institutionen (z. B. Technisches Museum Wien oder Bildarchiv Austria der Österreichischen Nationalbibliothek) sowie Privatpersonen und wird 2012 wie folgt auf der Website beschrieben: „Voraussetzung für dieses interaktive Gefüge von kurzen und langen Tönen, Videoclips, erklärenden Texten, Kommentaren durch den Zeithistoriker Gerhard Jagschitz und Quellenhinweisen ist aber die jahrelange intensive Vorarbeit durch das Team der Österreichischen Mediathek. Wesentliche Teile der Archivbestände wurden digitalisiert, katalogisiert, analysiert, neues Material aufgestöbert und erschlossen, zusätzliche Interviews zum Thema Staatsvertrag geführt, Rechte geklärt und mit vielen Institutionen und Privatpersonen kooperiert.“42
Wie der Name schon verrät, handelt es sich hier um eine Ausstellung, die auf akustischen Exponaten fundiert, jedoch auch Bild- und Textmaterial umfasst. Die Struktur der Webausstellung wird wie folgt beschrieben: 1.) Startseite, 2.) Kapitel, 3.) Unterkapitel, 4.) Endseite, 5.) Einzelobjekt mit Beschreibungen und Links (Töne, Videos, Fotos, Texte).43 Das Ziel dieser akustischen Ausstellung lautet: „Mit dieser Web-Ausstellung soll Geschichte in neuer Form zugänglich gemacht werden: eine Ausstellung, die zu den Benützer/innen nach Hause kommt.“44 Eine Kurzführung sowie eine „Guided Tour in English“ werden angeboten. Des Weiteren kann der User sich anhand einiger Themenfelder durch diese akustische Ausstellung bewegen. Diese Website weist sowohl Informationen zu den einzelnen Tonausschnitten auf als auch ein kuratorisches Konzept, das durch die OnlineAnwendung zugänglich gemacht wird. Das Angebot umfasst nicht nur Ton-, sondern auch Bild- und Textmaterial. In der Rubrik „www.staatsvertrag.doc“ lassen sich einige Paratexte finden, die sich u. a. auch mit dem „Ausstellen von Tönen im Internet“ beschäftigen. Wenn auch noch ein bisschen spröde, aber dennoch mit dem Augenmerk sowohl auf das Einzelwerk als auch auf die Gesamtkonzeption reiht sich diese Website beispielhaft in die Online-Ausstellungen ein.45
41 Österreichische Mediathek: www.staatsvertrag.at – eine akustische webausstellung: [Online]. Verfügbar unter: www.staatsvertrag.at (Stand 1.7.2014) 42 Österreichische Mediathek: www.staatsvertrag.at – eine akustische Webausstellung: [Online]. Verfügbar unter: http://www.mediathek.at/staatsvertrag/index.php?document_id= 1000195 (Stand 24.2.2012) 43 Vgl. ebd. 44 Ebd.
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Virtueller Ausstellungsrundgang Online-Museen und Online-Ausstellungen lassen sich nicht eindeutig von virtuellen Ausstellungsrundgängen abgrenzen. Ein Beispiel, das sich genau in diesem Überlappungsbereich ansiedelt und mehrere Institutionen umfasst, ist das „Art Project powered by Google“46. Hierbei handelt es sich um ein institutionsübergreifendes, weltweites Projekt, das sich der Street-View-Technik bedient. Es ist das sich am schnellsten weiterentwickelnde Projekt der hier diskutierten Beispiele. Die hier analysierte Version stammt aus dem Jahr 2012 und wurde bisher mehrmals aktualisiert. Die grundsätzlichen Prinzipien sind jedoch weiterhin aktuell. Generell gibt es unterschiedliche Navigationslinien: Der Hauptstrang ist die Auswahl des gewünschten Museums, anschließend kann der User auswählen, ob er über einzelne Werke („View Artwork“) oder über das Museum an sich („Explore the Museum“) weiternavigieren möchte. Der Strang „View Artwork“ soll hier nur kurz im Überblick skizziert werden, da sich dieser in die Tradition der Datenbanken einreiht. Besonders jedoch ist, dass bei der Anwahl eines Werkes sowohl zahlreiche interne („More Works by this Artist“, „More Works in this Museums“) als auch externe Links (eingebettete Youtube-Videos oder „Share this page“, „Search for XXX on google scholar“, Links zu der Website des jeweiligen Museums etc.) aufscheinen. Gesteuert wird der Besuch über Drop-down-Menüs. Eine weitere Besonderheit ist der extrem große Zoom, der auf die einzelnen Werke möglich ist, sodass einzelne Pinselstriche in ihrer Struktur sehr gut zu erkennen sind. Jedes Werk ist mit den üblichen Werkangaben sowie mit weiterführenden Informationen versehen und führt die Idee des Sammlungskatalogs im Online-Bereich in Form einer Datenbank konsequent und an die technischen Möglichkeiten angepasst weiter. Die Paratexte zur Museumsgeschichte z. B. sind in Form von Youtube-Videos in diese aktuelle Form integriert. Hier soll jedoch das Augenmerk auf den virtuellen Rundgang gelegt werden. Anders als bei einem realen Besuch startet der virtuelle Rundgang weder automatisch im Eingangsbereich des jeweiligen Museums noch wird der Außenbereich gezeigt. Der User kann über den Floorplan zum Eingangsbereich navigieren. Die Orientierung erfolgt einerseits über den soeben genannten Plan, andererseits gemäß der Street-View-Technik direkt im Bild. Wie bei einem Museumskatalog werden dem User/Leser weiterführende Informationen zum Museum in Form von Text, Bild und Video angeboten.
45 Im Zusammenhang mit Online-Museen bzw. Online-Ausstellungen, die kein reales Pendant haben, soll die Publikation „Le musée absolut“, herausgegeben von Phaidon, als Beispiel des „Musée Imaginaire“ im gedruckten Bereich genannt werden. 46 Google art project: [Online]. Verfügbar unter: http://www.googleartproject.com (Stand 24.2.2012).
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Anders als bei einem realen Besuch kann der User Säle überspringen und von einem Stockwerk ins nächste switchen. Er bricht somit die Linearität des herkömmlichen Besuchs auf. Jedoch sind nicht alle Räume der präsentierten Museen in diesen Rundgang eingeschlossen, sodass der virtuelle Besuch lückenhaft bleibt. Ein weiterer Unterschied ist, dass keine anderen Besucher zu sehen sind, sondern die Säle und Werke ohne Publikum dargestellt werden (man denke in diesem Zusammenhang an die Ausstellungsansichten Anfang des 20. Jahrhunderts, an den White Cube und Karlheinz Lüdekings Formulierung, dass der Betrachter „ganz Auge“ werden soll). Die Verlinkung zwischen den virtuellen Museumsrundgängen und der Datenbank ist sehr harmonisch. Man kann zwar nicht alle Werke genauer betrachten, aber die in der Datenbank vertretenen Exponate sind gekennzeichnet. Beim Klicken darauf wird der Besucher direkt vom Rundgang in die Datenbank geleitet, wo er die vorhandenen Informationen zum spezifischen Exponat erhält. In diesem Kontext wird die Datenbank zum „catalogue-en-acte“ und bietet dem Besucher Zusatzinformationen zum Werk. Trotz der Integrierung der neuesten technischen Möglichkeiten, der Verschmelzung von Medium und Inhalt, basiert dieser virtuelle Rundgang auf der Aneinanderreihung von statischen Bildern, die (derzeit noch) keinen fließenden Übergang der einzelnen Standorte ermöglichen. So ist der User bei seinem Besuch latent mit den Unzulänglichkeiten der Technik konfrontiert und kann diese nicht völlig ausblenden, um sich ausschließlich auf die Inhalte zu konzentrieren. Wie man am Beispiel „Art Project powered by Google“ sehen kann, verschmelzen hier Elemente des Mediums Katalog mit denen des Mediums virtueller Rundgang. Daher sind letztere nicht wegzudenken bei einer Analyse der Kataloge bis hin zu deren Formen im Online-Bereich. Ein Beispiel für einen institutionsspezifischen virtuellen Besuch aus Österreich stellt der „Virtuelle Besuch“ im Kunsthaus Bregenz dar (http://www.kunsthausbregenz.at/html/welcome00.htm). Es ist zu beachten, dass wir es hier nicht mit einem Museum mit integrierter Sammlung, sondern mit einem Kunsthaus, das temporären Ausstellungen gewidmet ist, zu tun haben. Bei diesem virtuellen Rundgang handelt es sich um fünf Panoramaaufnahmen, die der User über die Maus geringfügig steuern kann.
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Abb. 34: „Virtueller Besuch“ des Kunsthauses Bregenz
Im Vergleich zum „Art Project“ wird ein Blick von außen auf das Kunsthaus ermöglicht, der somit eine geografische Verortung bietet. Auf den Bildern sind Besucher abgebildet, ein Wechsel des Blickwinkels ist jedoch nicht möglich. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass die abgebildeten Werke nicht genauer betrachtet, herangezoomt oder angeklickt werden können. Die fünf Panoramaansichten geben ausschließlich einen Überblick über die Räumlichkeiten, sind aber nicht als Ausstellungsbesuch gedacht. Dies mag damit zusammenhängen, dass das Kunsthaus Bregenz temporäre Ausstellungen organisiert – im Vergleich zu den im „Art Project“ vertretenen Museen –, die zu dokumentieren hinsichtlich der Kurzlebigkeit zu aufwendig wäre. Ein anderes Beispiel aus Österreich ist die „Virtual Tour“47 des Lentos Kunstmuseum Linz. Ausgehend von einem Architekturmodell des Museums wird ein „Virtueller Rundgang“ angeboten. Abb. 35: „Virtual Tour“ des Lentos Kunstmuseum Linz
47 Lentos Kunstmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://www.lentos.at/de/2147_183.asp (Stand 24.2.2012, Seite nicht mehr online)
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Durch Klicken auf das Pfeilsymbol kann das Modell gedreht werden bzw. der User kommt zu einem Stockwerkplan. Von diesem Plan wiederum gelangt er durch Klicken auf die einzelnen Säle. Diese werden durch Fotos der jeweiligen Ausstellungsansicht dargestellt. Bedauerlich ist, dass hier keine Verbindung zur Datenbank programmiert ist, sodass es bei den kleinen In-situ-Aufnahmen bleibt und dem User keine weiterführenden Informationen zur Verfügung gestellt werden. Dieser sehr statische und wenig verlinkte Rundgang weist aber eine Besonderheit auf: Er umfasst nicht ausschließlich die Ausstellungsräume, sondern ebenso z. B. die Werkstätten, das Restaurant oder die Bibliothek, die gleichwertig mit Ersteren präsentiert werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die derzeit angebotenen Ausstellungsrundgänge noch recht statisch sind. Das individuell steuerbare bewegte Bild ist zum aktuellen Stand noch nicht verbreitet. Jedoch weisen manche OnlineRundgänge Verlinkungen zu Datenbanken auf. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Darstellung anderer Besucher, die zwischen Aussparung und statischer Abbildung variiert. Eine Interaktion ist hier (noch) nicht festzustellen. Museen in Second Life Aufgrund des Versuchs, einen möglichst weitgreifenden Überblick zu geben, sollen Museen in Second Life hier kurz Erwähnung finden. Dieses Angebot hat sich auf institutioneller Ebene nicht gehalten. Exemplarisch soll die Dresden Galerie der Staatlichen Kunstsammlung Dresden genannt werden, die neben OnlineSammlungen auch für eine begrenzte Zeit (2007–2011) in Second Life vertreten war. „Visit one of the world’s most famous museums, the Old Masters Picture Gallery of the Dresden State Art Collections. There you can view great masterpieces of key importance for the history of art, such as Raphael’s ,Sistine Madonna‘ or Giorgione’s ,Sleeping Venus‘. All the rooms of the museum have been reconstructed true to scale on the ,Dresden Gallery Island‘ in Second Life® and all 750 masterpieces in the permanent exhibition are on display.“48
Dieses Angebot wird jedoch nicht von weiteren großen musealen Institutionen aufgegriffen und fortgesetzt.
48 Staatliche Kunstsammlungen Dresden: [Online]. Verfügbar unter: http://www.dresden gallery.de/index.php (Stand 1.7.2014)
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Museen in Social Networks Einen weiteren einflussreichen Strang im Bereich der Online-Präsentation von Museen und Ausstellungen stellen die Social Networks dar. Social Networks generell bilden eine Art Parallelwelt, eine Abbildung der sozialen Gefüge. Dieser Vergleich wird beim Besuch der Startseite von Facebook nochmals deutlich: Lange Zeit wurde bildhaft die Vernetzung der Welt dargestellt – und somit ein neu strukturiertes Abbild dieser im virtuellen Raum geschaffen49 (da dies mittlerweile in unsere alltägliche Handhabung dieses Services übergegangen ist, hat sich die Gestaltung der Titelseite von Facebook mittlerweile verändert bzw. vereinfacht). „Facebook’s mission is to give people the power to share and make the world more open and connected. Millions of people use Facebook everyday to keep up with friends, upload an unlimited number of photos, share links and videos, and learn more about the people they meet.“50
Eine Besonderheit bei den Social Networks ist der Umstand, dass Informationen sowohl direkt auf der Profilseite der Institution aufscheinen (gepostet von Vertretern der Institution oder externen Personen) als auch ohne Verbindung zur Institution auf Profilen von anderen Usern. So wird die Kontrolle der veröffentlichten Informationen beinahe unmöglich gemacht. Bild-, Text- und Tonmaterial, die auf der von der Institution betriebenen Profilseite ersichtlich sind, unterliegen meist noch einer direkteren Kontrolle als die Elemente, die auf anderen Profilen gepostet werden. Diese sind völlig unabhängig. Im Vergleich zu kommerziell orientierten Webpräsenzen von Museen bietet Facebook die Möglichkeit, viel kurzfristiger auf Aktuelles einzugehen, sich mit anderen Usern auszutauschen, und trägt ebenso zur Imagebildung einer Institution bei. Neben den in diesem Zusammenhang wichtigen Informationen findet man z. B. auf dem Profil des mumok (http://www.facebook. com/MUMOK) in der Rubrik „Photos“ unterschiedliche Fotoalben (vgl. Paratexte zum Museum als Institution in herkömmlichen Katalogen). Diese stellen einerseits die Institution an sich als Bild dar, geben aber andererseits auch anhand von Reproduktionen und Installationsansichten Einblick in die vergangenen und laufenden Ausstellungen bzw. Sammlungspräsentationen. Nicht so umfangreich wie ein Katalog, auch nicht mit Quellen, Credits oder langen weiterführenden Texten versehen, aber dennoch einen Einblick gewährend präsentieren sich diese Fotoalben. Kurze
49 Vgl. Mihatsch, Karin: Fotografische Repräsentationen von Bildwelten und ihren Betrachtern angesichts des Web 2.0, in: Licek, Thomas; Ecker, Berthold (Hrsg.): Eyes On: Monat der Fotografie Wien, Fotohof, Wien, 2010, S. 10 50 Facebook: [Online]. Verfügbar unter: http://www.facebook.com/facebook?ref=pf#/ facebook?v=info&ref=pf (Stand 22.6.2012, Seite nicht mehr online)
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Textpassagen findet man in den anderen Rubriken, aber das Augenmerk ist eindeutig auf kurz und prägnant formulierte Statements gerichtet. Die Interaktion mit anderen Usern ist ebenso ein Charakteristikum: Der Austausch über die ausgestellten Werke wird nun vom Ausstellungsraum in den digitalen Bereich erweitert. Beide Fälle (institutionelle und individuelle Posts) stehen in einer Beziehung zu einer realen Ausstellung und somit in der Tradition von Katalogen. Die Informationen werden meist nach dem Besuch – als Beweis des selbigen (vgl. Reliquienhefte oder „catalogue-document“) – gepostet und einer (Semi-)Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mit Aufkommen der Smartphones und der allgegenwärtigen Verbindung zum Internet kann nun schon direkt während des Museums- bzw. Ausstellungsbesuchs ein Bild von ebendiesem online gestellt und dem virtuellen, individuellen „OnlineKatalog“ hinzugefügt werden. Diesen Gedanken weiterführend kann man sagen, dass die Bedeutung des „catalogue-en-acte“ verändert bzw. umgekehrt wird: Nicht Informationen über die real gesehenen Werke werden nun über Paratexte konsultiert, sondern die eigene Rezeption, der individuelle Besuch, steht nun im Fokus. Informationen werden in der Ausstellung nicht mehr über das begleitende Medium aufgenommen, sondern es werden Inhalte aus der Ausstellung exportiert. Der „catalogue“ ist weiterhin „en-acte“, aber die Senderichtung hat sich verändert. Ebenso behält er seine Funktion als „catalogue-document“ bei und zeugt von einem realen Besuch, stellt diesen in der Community des Besuchers zur Diskussion und generiert somit ein Bild einer Ausstellung. Den in diesem Zusammenhang mittlerweile immer häufiger auftretenden Museums- oder Ausstellungs-Apps wird im Anschluss genauere Beachtung geschenkt. Zusammenfassend kann man feststellen, dass Online-Archive und -Datenbanken vielmehr die Inhalte (Werke, die eine Sammlung konstituieren) und weniger das Medium Ausstellung oder Museum präsentieren, wohingegen das Museum bzw. die Ausstellung im WWW auch das Medium an sich darstellt und es in eine andere Struktur übersetzt. Die museale Webpräsenz stellt eine Zwischenform dar, da diese sowohl Inhalt als auch Kontext aufnimmt und dem Besucher zugänglich macht, aber keinen Anspruch auf direkten Bezug zu den realen Gegebenheiten stellt. Gibt es noch eine weitere Möglichkeit, wie Ausstellungen (bzw. Ausstellungskataloge) im WWW repräsentiert werden können? Um diese Frage beantworten zu können, sollen zuerst die bisher diskutierten möglichen digitalen Vorläufer des Online-Katalogs zusammengefasst werden: •
Datenbanken im Online- sowie Offline-Bereich beziehen sich in erster Linie auf die Exponate.
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•
• •
CD-ROMs beziehen sich sowohl auf die Exponate als auch auf das Medium Aus-stellung bzw. Katalog. Das E-Book übersetzt das Medium gedrucktes Buch in den digitalen (Onlinebzw. Offline-)Bereich. In Bezug auf den Katalog lässt sich vereinfacht sagen, dass die Inhalte des gedruckten Katalogs eine Adaptierung an die digitalen Möglichkeiten im formalen Bereich erfahren, eine inhaltliche Weiterentwicklung jedoch meist nicht festzustellen ist. Die museale Webpräsenz stellt eine Mischform dar, die sowohl Informationen zu den Exponaten als auch zum Medium Museum/Ausstellung anbietet. Museen und Ausstellungen im WWW stellen das Medium an sich dar und übersetzen es in eine neue Struktur. Sowohl Exponate als auch das Medium Ausstellung/Museum ist für den User zugänglich, wobei diese hier (oft) gleichberechtigt oder mit unterschiedlichen Gewichtungen nebeneinanderstehen.
Daraus lässt sich wie folgt die Trennung zwischen Ausstellungs- und Sammlungskatalog ableiten. Der Sammlungskatalog, der generell zum Ziel hat, eine Sammlung vollständig zu Recherchezwecken in Form von Text und Reproduktionen zugänglich zu machen, stellt die Exponate in den Vordergrund. Informationen über die Geschichte des Museums bzw. der Sammlung finden zwar ebenso Platz, jedoch handelt es sich hierbei meist um Paratexte, die den Haupttext – die Werkliste (in Bild und Text) – kontextualisieren. Vor diesem Hintergrund finden die klassischen Sammlungskataloge ihre Übersetzung in digitalen Datenbanken und Archiven. Auch diese haben den Fokus auf den einzelnen Werken und stellen diese der Forschung zur Verfügung. Das Medium Museum wird in den meisten Datenbanken z. B. in einleitenden Texten präsentiert, erfährt aber keine weitreichendere Präsentation. In einem weiteren Schritt wird die Offline-Datenbank ins WWW transferiert. Strukturell – und bis zu einem gewissen Grade inhaltlich – zieht dies keine gravierenden Veränderungen nach sich, jedoch erreichen die Inhalte nun ein viel größeres Publikum. Der Fokus auf die (angestrebte) Vollständigkeit sowie auf die Recherche lässt die Brücke zum gedruckten Sammlungskatalog schlagen. Dem Ausstellungskatalog hingegen sind auf Benutzerebene die E-Books näher als die Datenbanken. Ein Ausstellungskatalog hat vereinfacht gesprochen die Aufgabe, sowohl die Exponate als auch das Medium Ausstellung während des Besuchs zu erläutern und nach dem Besuch zu dokumentieren. Der physische Kontext, in dem die realen Objekte gezeigt werden, spielt in diesen Publikationstypus stärker hinein als beim Sammlungskatalog. E-Books nehmen dies in einer ersten Etappe auf und ebnen den Weg für die Entwicklung eines neuen Genres, das sich von Online-Datenbanken klar absetzt: der Online-Ausstellungskatalog. Dieser soll nun in der Folge genauer analysiert und einer detaillierten Prüfung unterzogen werden.
2.4 Bestandsaufnahme erster Online-Kataloge
Wie sich anhand der bisherigen Analyse zeigt, finden die Sammlungs- bzw. Museumskataloge ihre Erweiterung in den Online-Datenbanken, die zur Recherche dienen und in erster Linie außerhalb des Museumsbesuchs konsultiert werden. Die Ausstellungskataloge hingegen erfahren eine differenzierte Entwicklung, die nun in der Folge besprochen wird. Eingangs soll daran erinnert werden, dass schon beim gedruckten Ausstellungskatalog (sowie beim Sammlungskatalog) eine wesentliche Unterteilung zu verzeichnen ist: Es gibt einerseits den Ausstellungsführer, Kurzführer oder Überblickskatalog u. Ä. Dieses Genre ist vorwiegend für den Gebrauch während des Besuchs des Museums oder der Ausstellung gedacht, ist somit den „catalogues-enacte“ zuzuschreiben und gibt dem Besucher Orientierung vor Ort. Andererseits gewinnt der Ausstellungskatalog – das „catalogue-document“ zur Ausstellung – an Stellenwert. Diese Zweiteilung (in Wirklichkeit gibt es zahlreiche Abstufungen zwischen diesen beiden Genres, die Grenzen sind fließend) setzt sich nun auch im OnlineBereich fort: Der Kurzführer findet seine Übersetzung z. B. in den Apps1, die großteils gratis von vielen Museen und temporären Ausstellungen zur Verfügung gestellt werden. Exemplarisch dafür sollen die aus dem deutschsprachigen Raum stammenden Apps von mumok, KHM, ZKM oder Kunsthaus Graz genannt werden. Diese nehmen die Funktionen des Kurzführers auf (Vorstellung der Institution, Auflistung von nützlichen Informationen, Angaben zur Architektur, Vorstellung ausgewählter Werke, Vorschlag eines möglichen Rundgangs etc.), adaptieren die Inhalte an die technischen Möglichkeiten (Ton, Bild, manchmal Video, Text, inter-
1
„App 1.) application/Anwendung(sprogramm) (auch Dateinamenserweiterung für Anwendungsdateien)“ [Schulze, Hans Herbert: Computerkürzel: Lexikon der Akronyme, Kurzbefehle und Abkürzungen, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1998, S. 26]
272 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
ne und externe Links usw.) und setzen sich somit auch von den herkömmlichen Audioguides ab.2 Neben dieser Übersetzung des „catalogue-en-acte“ in den digitalen bzw. Online-Bereich entwickelt sich auch der Katalog zur Ausstellung weiter und dringt in den Online-Bereich ein. Genau dieser soll in der Folge das zu untersuchende Feld darstellen. In diesem werden zwei deutschsprachige, ein französischsprachiges und ein internationales Beispiel exemplarisch herausgenommen und analysiert, um in der Folge eine Systematisierung und einen Definitionsversuch des Online-Katalogs zu ermöglichen. Im Anschluss soll eine Auswahl an vier Online-Angeboten („Digitales Belvedere“, „Virtueller Transfer“, „Parcours d’exposition/elles@centrepompidou“ und „Explore“/„Art Project powered by Google“) untersucht werden, die auf den ersten Blick Online-Kataloge sein könnten. Diese Beispiele markieren unterschiedliche Etappen, sind teilweise heute nicht mehr in dieser Form zugänglich, gar nicht mehr online oder immer noch in der beschriebenen Version konsultierbar. Ob sich dies bei genauerer Analyse auch bestätigt oder widerlegt wird bzw. wo die markierenden Punkte sind, wird nun anhand dieser Fallstudie gezeigt. Die Untersuchung erfolgt nach sieben Punkten: 1.) Bezug zur real existierenden Ausstellung oder (temporären) Sammlungspräsentation, 2.) Funktion, 3.) Haupt- und Paratexte, 4.) Bildmaterial, 5.) Aufbau, 6.) Rezeption, 7.) Sonstiges (Schnelllebigkeit, temporär, schnelle Aktualisierung usw.). Das erste Beispiel aus Österreich stellt das „Digitale Belvedere“3 dar. Die analysierte Version ist in dieser Form nicht mehr online, stellt aber eine markante Entwicklungsstufe der Online-Kataloge dar und soll daher hier dennoch Erwähnung finden. Auf den ersten Blick mag es sich um eine klassische Online-Datenbank handeln, aber bei genauerer Untersuchung weisen die „Intro-Ausstellungen“ eine Nähe zum Online-Sonderausstellungskatalog auf (http://digital.belvedere.at/emuseum/).
2
Beispiele und weiterführende Informationen: http://www.museum-joanneum.at/de/kunsthaus/kunst-und-kulturvermittlung-1/kunsthaus -app http://www.museums-app.de/ http://www.app-art-award.org/ http://www.thegap.at/kunststories/artikel/kunst-apps/ Podcast: http://www.podcast.at/podcasts/mumok-podcast-61125.html
3
Digital belvedere: [Online]. Verfügbar unter: http://digital.belvedere.at/emuseum/assets/ emuseum/assets/digitalesbelvedere.html (Stand 24.6.2012, Seite nicht mehr online)
2.4 B ESTANDSAUFNAHME ERSTER O NLINE-K ATALOGE | 273
Interessant zu bemerken ist, dass diese nicht ganz präzise als „Ausstellungen“ benannten Angebote keinen Bezug zu einer realen Sammlungspräsentation haben, sondern ausschließlich im Netz in dieser Form zugänglich sind. „Anliegen der Intro-Ausstellungen ist es zum einen den Hauptwerken des Belvederes eher weniger bekannte Objekte aus den Depots an die Seite zu stellen, zum anderen die Sammlungen unter dem Gesichtspunkt des Motivs neu zu erkunden.“4
Auch wenn der Bezug zur realen Ausstellung einen zentralen Punkt bei der Definition von Katalogen darstellt, und dieser hier nicht gegeben ist, ist dennoch ein Bezug zur real existierenden Sammlung vorzufinden. Bei den präsentierten Werken handelt es sich um Reproduktionen der Arbeiten aus der Sammlung des Belvederes. Der charakterisierende Punkt betrifft jedoch vielmehr die Funktionen dieses Online-Angebots: Es soll über die ausgewählten Werke informieren und diese nicht isoliert, sondern in einem übergeordneten Kontext darstellen. Eingeführt mit einem kurzen Einleitungstext und unterteilt in sechs Kapitel wird jeweils eine Auswahl an Gemälden zu einem spezifischen Thema in Text (Paratext) und Bild (Haupttext) vorgestellt. Diese Präsentation umfasst jeweils sowohl einen den Kontext skizzierenden Text als auch eine Diashow, die ausgewählte Werke in einer spezifischen Reihenfolge zeigt. Die Werke werden ohne Musik oder Kommentar ausschließlich mit Angaben zum Namen des Künstlers und zum Werktitel sowie zum Entstehungsjahr in relativ rascher Abfolge gezeigt. Der User kann jedoch zu jeder Zeit das Video stoppen und somit „vor dem Bild verweilen“. Jedoch wird eine Zoomfunktion nicht angeboten. All diese bisher besprochenen Aspekte legen einen Gebrauch außerhalb der Ausstellung nahe und dienen zur weiterführenden Information. Somit reiht sich dieses Angebot vom „Digitalen Belvedere“ eindeutig in die Gruppe des „catalogue-document“ ein. Wie schon erwähnt, umfasst eine „Intro-Ausstellung“ verschiedene Arten an Paratexten, die mit denen eines Katalogs vergleichbar sind: einen Einleitungstext, der das „Ausstellungskonzept“ kurz vorstellt, sowie Paratexte (inklusive Fußnoten), die die einzelnen Unterkapitel genauer erläutern. Was jedoch fehlt, ist ein Text, der klar den Bezug zur Institution des Belvederes darstellt (dieser befindet sich auf der Website des Belvederes, jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit diesem Online-Angebot). Stattdessen findet der User eine kurze „Vorbemerkung“, die die Intentionen dieser Seite vorstellt. Die Textangaben zu den einzelnen Werken sind sehr kurz und auf das Wesentliche reduziert (Künst-
4
Digital belvedere, Vorbemerkung: [Online]. Verfügbar unter: http://digital.belvedere.at/ emuseum/assets/emuseum/assets/vorbemerkung.html (Stand 24.6.2012, Seite nicht mehr online)
274 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
lername, Werkname, Entstehungsjahr). Jedoch kann der User mit diesen Angaben in der Sammlungsdatenbank detaillierte Informationen zu diesem sehr leicht abfragen. Eine direkte Verlinkung besteht allerdings nicht. Der Haupttext, die Bilder, sind leider von geringer Auflösung und nicht im Detail am Bildschirm betrachtbar. Ton und Video sind hier ausgeklammert. Vielmehr bezieht sich diese Präsentation auf die Ästhetik der Diashow, die lange Zeit im kunsthistorischen Bereich zentral für die Lehre und Vermittlung war. Der Aufbau präsentiert sich wie folgt: „Vorbemerkungen“, „Witterungen (Frühlingsalbum 2010)“, „Gebärden (Herbstalbum 2009)“. Durch das Hinzufügen von jeweils zwei Alben pro Jahr entsteht so im Laufe der Zeit eine mehrere Kapitel umfassende Online-Publikation. Eine direkte Interaktion zwischen den Organisatoren und dem Leser ist nicht möglich. Durch diese anfänglich eingehaltene halbjährliche Erweiterung wird dennoch auf die technischen Möglichkeiten, die das Web 2.0 bietet, zurückgegriffen. Durch die (noch nicht durch einen Link festgelegte) Verschränkung mit der Datenbank ist eine Öffnung möglich. Zusammenfassend kann man sagen, dass es sich hierbei um ein sehr einfaches Online-Angebot handelt, das jedoch bezüglich Funktionen, Aufbau und Aspekten der (Para-)Texte eindeutig Parallelen zum Online-Katalog aufweist, die technischen Möglichkeiten des Webs 2.0 jedoch nicht komplett ausnützt.5 Das schon teilweise besprochene Beispiel des Schweizerischen Nationalmuseums6 umfasst in der Rubrik „Sammlungen online“ drei verschiedene Angebote: „Webcollection“, „Timemachine“ und „Virtueller Transfer“ („Interaktive Geschichten zu den Museumsobjekten; Reale und fiktive Zeitzeugen kommen zu Wort und schaffen ein lebendiges Bild der Schweizer Geschichte.“7). Der „Virtuelle Transfer“ soll nun hier genauer betrachtet werden, da er bezüglich mehrerer Punkte über das bisher Besprochene hinausgeht. Dieses Service ist seit einigen Jahren zum Großteil unverändert online. Der Bezug zur real existierenden Ausstellung wird hier ebenso in traditioneller Weise weitgehend aufgelöst. Die Website steht vielmehr im losen inhaltlichen (und finanziellen) Bezug zum Schweizerischen Nationalmuseum. D. h., der traditionelle Anlass für einen Katalog – das reale Ereignis – ist hier nicht gegeben. Jedoch weist dieses Online-Angebot formelle und inhaltliche Parallelen (z. B. einzelne Werke
5
Ein weiteres ähnlich gelagertes internationales Beispiel findet sich im Appendix 12.
6
Das Schweizerische Nationalmuseum, Virtueller Transfer: [Online]. Verfügbar unter:
7
Das Schweizerische Nationalmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://www.musee-
http://vtms.musee-suisse.ch/ (Stand 1.7.2014) suisse.ch/d/sammlung/online_sammlungen/index.php (Stand 1.7.2014)
2.4 B ESTANDSAUFNAHME ERSTER O NLINE-K ATALOGE | 275
werden in einem bestimmten Kontext präsentiert, weiterführende Informationen sind zugänglich etc.) zum Genre Katalog auf und soll daher hier untersucht werden. Aufgrund seiner speziellen Thematiken, des Aufbaus und des nicht vorhandenen Bezugs zu einer realen Ausstellung bietet sich diese Online-Publikation für den Gebrauch zu Hause an und reiht sich somit in die „catalogue-documents“ ein. Sie dient somit als Recherchetool und auch der Vermittlung. Die Macher dieser Website nehmen zur Funktion und Aufgabe ihres Services wie folgt Stellung: „In den virtuellen Museums-Welten des Cyberspace nimmt der VIRTUELLE TRANSFER MUSEE SUISSE eine Sonderstellung ein. Er ist keine digitale Sammlung, kein Portal, kein virtuelles Museum, sondern eine Vision der Interaktion und Kommunikation mit unseren BesucherInnen und BenutzerInnen. Interaktiv zu erforschende Orte und Geschichten, selektiv ausgewählte Objekte, stark personalisierte Formen der Ansprache, gelungene Dramaturgien und ihre multimediale Realisierung geben starke Impulse, führen zu einer Inspiration und regen somit die eigene Kreativität der BenutzerInnen an. Der VIRTUELLE TRANSFER ist kein virtueller Ersatz des Landesmuseums. Er dient der Entwicklung experimenteller Strategien einer interaktiven Vermittlung und während der Planungsphase des Neuen Landesmuseums als öffentlichkeitswirksame Massnahme. Der VIRTUELLE TRANSFER versteht sich als Strategie einer direkten Kommunikation und funktioniert wie eine Art ,online Agentur‘ der Musée Suisse Gruppe.“8
Diese Selbstdarstellung macht klar, dass auch die Projektmanager noch nicht präzise formulieren können, welche Form von Internetauftritt sie hier konzipieren, sondern sich durch Abgrenzungen von herkömmlichen Modellen definieren. Hervorgehoben wird ebenso der aktive Benutzer. Von den Machern wird zwar klar eine Distanz zu virtuellen Museen konstatiert, aber diese Seite weist dennoch Elemente einer Online-Ausstellung auf, da sie nicht nur die Werke als Datensatz vorstellt, sondern diese in einem bestimmten Kontext, einer Geschichte, einem Kurzfilm o. Ä. dem Besucher präsentiert (jedoch ohne Ausstellungskonzept oder Display). So werden die Werke in einem gewissen Rahmen präsentiert, der einer Ausstellung oder einer Museumspräsentation ähnlich ist, jedoch keine exakte Übersetzung des Mediums Ausstellung darstellt. Der Kontext wird mithilfe unterschiedlicher textlicher, bildlicher oder auditiver Paratexte konstruiert. An dieser Stelle setzen die Überlegungen zum Online-Katalog an: Es werden einerseits Informationen zu den einzelnen Werken angeboten, andererseits stehen weiterführende Beiträge zur Verfügung. Auch findet der Sammlungs- bzw. der Ausstellungskontext seinen Niederschlag im „Virtuellen Transfer“. Schlussend-
8
Das Schweizerische Nationalmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://vtms.museesuisse.ch/home.php?page=phil&lgMeta=DE&flash=1 (Stand 1.7.2014)
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lich gibt es eine Verflechtung der technischen Möglichkeiten mit den angebotenen Inhalten, die sich gegenseitig beeinflussen und bedingen. Man denke z. B. daran, dass die einzelnen Kapitel der Rubrik „Zu den neuesten Geschichten“ immer wieder aktualisiert werden und die alten Versionen im Archiv dem Benutzer weiterhin zugänglich bleiben. Wie schon erwähnt, umfasst der „Virtuelle Transfer“ nicht nur Bild- und Textmaterial, sondern auch Ton und Video. Diese Elemente sind für die direkte Bildschirmrezeption konzipiert und nicht als Download gedacht. Auch eine Zoomfunktion auf einzelne Einstellungen ist nicht möglich. Der Aufbau ist nach (erster) Wahl der Sprache in sieben Rubriken geteilt: „Zu den neuesten Geschichten“, „Unsere Philosophie“, „Zu den Archiven“, „Ein neues Landesmuseum für die Schweiz“, „Kontakt“, „Technische Anforderungen“ sowie „Credits“. Der letzte große Punkt entspricht den üblichen Angaben einer Website und bis zu einem gewissen Grad auch denen einer Ausstellung oder eines Katalogs. „Ein neues Landesmuseum für die Schweiz“ stellt die Zukunftspläne des Schweizerischen Nationalmuseums dar. Der weiterführende Link war während der Recherche nicht verfügbar. Der im vorliegenden Zusammenhang interessanteste Teil ist „Zu den neuesten Geschichten“. Dieser in neun Kapitel unterteilte Bereich umfasst eine Vielzahl an unterschiedlichen Informationen, Strukturen und Zielsetzungen. Einzelne Thematiken und Werke werden dem User auf unterschiedliche Weise (geschriebener und gesprochener Text, animiertes Bildmaterial und Videos) vorgestellt. Ein Konglomerat von unterschiedlich strukturierten Kleinpräsentationen, Vermittlungstools, Videos u. Ä. findet hier eine Zusammenführung. Es kann in gewisser Weise als Recherchetool gesehen werden, jedoch folgt es nicht der klaren Struktur einer Datenbank oder eines Archivs, sondern ist assoziativ konzipiert und schafft somit ein eigenes Universum. In der Selbstbeschreibung werden der aktive Benutzer sowie die Interaktivität hervorgehoben. Diese Interaktivität bezieht sich auf die multidirektionale Navigation im Netzwerk der Website. Die interaktive Vermittlung ist ein zentrales Anliegen dieser Seite, jedoch ist die hier mögliche Interaktivität auf Verlinkungen beschränkt. Eine aktive Interaktion mit anderen Usern oder den Personen hinter diesem Projekt ist nicht möglich. Die fortlaufenden Aktualisierungen sowie die Zugänglichkeit des Archivmaterials stellen im Gegensatz zu einem gedruckten Katalog eine Erweiterung dar. Allerdings ist die Seite (noch) sehr unübersichtlich und unklar strukturiert. Des Weiteren wird die Netzwerkstruktur des Internets (noch) nicht ausgereizt. Es wird jedoch dennoch die Linearität überwunden, da sich der Leser mit vielen weitgehend unabhängigen strukturellen (Sack-)Gassen konfrontiert sieht und somit nicht der linearen Leserichtung folgen kann/muss.
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Im Vergleich zum „Digitalen Belvedere“ wird hier deutlicher auf die technischen Möglichkeiten zurückgegriffen. Diese werden mit den Inhalten verschränkt. Diese gegenseitige Bedingung ist hier ausgeprägter, wenn auch noch nicht gänzlich ausgefeilt. Die in der Selbstdefinition gegebene Abgrenzung von Online-Ausstellungen oder Online-Datenbanken weist die Richtung in ein eigenständiges Medium. Ein weiteres Beispiel kommt aus dem französischsprachigen Raum und wurde vom Centre Pompidou, der Institution, die eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Ausstellungs- und Sammlungskatalogs im zentraleuropäischen Raum spielt, initiiert. Wie schon an früherer Stelle erwähnt, ist der „Parcours d’Exposition“ (http://www.ina.fr/fresques/elles-centrepompidou/parcours/0000) Teil der Website, die speziell für diese Sammlungspräsentation im Jahr 2009 konzipiert wurde. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit es sich dabei um einen erweiterten OnlineAusstellungsrundgang, ein Online-Museum oder sogar um eine Form des OnlineKatalogs handelt. Der „Parcours d’Exposition“ bietet insgesamt acht unterschiedliche Rundgänge an: sieben, die direkt die Thematiken der Ausstellung aufgreifen, und einen, der sich speziell mit weiterführenden Informationen rund um die Ausstellung beschäftigt. Abb. 36: „Parcours d’Exposition“ der Website elles@centrepompidou
Das bedeutet, dass der Bezug zur Sammlungspräsentation sehr präsent ist. Jedoch ist speziell zu bemerken, dass diese Seite auch noch lange nach Wechsel der realen Präsentation online zugänglich ist und sie sich somit in gewisser Weise von dieser emanzipiert. Dieses Online-Angebot kann nun zu Recherchezwecken genutzt werden und wird zum „catalogue-document“, das weit über die temporäre Ausstellung hinausreicht. Somit ist eine Parallele zum gedruckten Katalog gegeben, der ebenso als „Relikt“ der Präsentation langfristig zugänglich ist. Wählt man nun z. B. den Rundgang „Immaterielles“ aus, gelangt man zur Startseite, die sowohl einen einführenden Text als auch ein Inhaltsverzeichnis aufweist.
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Über die direkte Anwahl eines Kapitels im Inhaltsverzeichnis oder über Klicken des „Suivant“-Buttons ist die Navigation möglich. Pro Saal, der als Kapitel übersetzt ist, gibt es eine kurze kontextstiftende Einführung, die von einzelnen Werken gefolgt ist. Jedes Werk ist mit Bild und klassischen Katalogangaben (Titel, Datum, Referenznummer, Maße etc.) ausgewiesen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, das Werk zu „sehen“ („Voir Média“): Das bildschirmfüllende Bild oder Video wird durch die Kombination von unterschiedlichen Paratexten wie Werkangaben, Verweis zur Position in der Ausstellung, Referenztexten und interner Verlinkung in ein Referenznetz gebettet. Diese Ansicht kann ebenso „geshared“ werden und bietet somit eine anfängliche Interaktion mit anderen Usern an. Bezüglich der Texte ist anzumerken, dass die gesamte Website ausschließlich auf Französisch verfügbar ist und sich somit an eine verhältnismäßig kleine Zielgruppe richtet. Die Bildqualität der reproduzierten Werke ist für den Bildschirm von ausreichender Qualität, jedoch wird keine Zoomfunktion angeboten und Detailansichten werden somit nicht ermöglicht. Der Aufbau folgt in gewisser Weise dem eines klassischen gedruckten Katalogs: Einleitungstext, Liste mit Paratexten und alphabetische Künstlerliste. Durch interne Verlinkung, Video, Ton und z. B. Share-Funktion wird das Genre Katalog mit den technischen Möglichkeiten verknüpft und die Nutzungspalette erweitert. Durch die zahlreichen Texte und Videos mit Ton sowie aufgrund des Umstands, dass der Online-Katalog über die Ausstellungsdauer hinaus zugänglich ist, bietet er sich für die Rezeption zu Hause an. Durch die anderen Angebote der Website wird ein guter Überblick über diese spezielle Sammlungspräsentation gegeben. Die unterschiedlichen „Parcours“ zusammengenommen ergeben als Einheit einen umfassenden Online-Katalog: Die Listen der sieben ausstellungsspezifischen Rundgänge stellen das Herzstück dar, der achte Parcours sowie die weiterführenden Informationen bilden das Netzwerk aus unterschiedlichen Paratexten. Insgesamt kann man festhalten, dass dieses Online-Angebot in Aufbau und Struktur mit dem gedruckten Katalog verwandt ist, sich jedoch aufgrund der Nutzung der mediumspezifischen Möglichkeiten weiterentwickelt: Der Bezug zur realen Ausstellung als Anlass ist gegeben, auch wenn die angebotenen Informationen weit über diese hinausgehen. Des Weiteren sind die Kombinationen zwischen kontextspezifischer Information, Werkangaben und Verweisen zur realen Ausstellung gemäß der Struktur eines gedruckten Katalogs miteinander verwoben. Schlussendlich wird diese (klassische) Basis (z. B. durch die Möglichkeit, in Kontakt mit anderen Usern zu treten) erweitert und dem Medium angepasst.
2.4 B ESTANDSAUFNAHME ERSTER O NLINE-K ATALOGE | 279
Ein schon im Kontext der virtuellen Ausstellungsrundgänge angesprochenes Beispiel, das „Art Project powered by Google“9, soll an dieser Stelle nochmals von einer anderen Perspektive unter die Lupe genommen werden, da es sich bei diesem Angebot um mehr als um einen reinen Online-Museumsrundgang handelt und es somit auch den Bezug zwischen Online-Angebot und realer Präsentation verändert. Hierbei haben wir es mit einem institutionsübergreifenden, internationalen Projekt zu tun. (Google hat zwar seinen Sitz in Kalifornien, aber Büros weltweit. Des Weiteren haben an diesem Projekt zahlreiche über alle Kontinente verstreute Institutionen teilgenommen.) Die angebotenen Informationen reichen weit über die werkund institutionsspezifischen Details hinaus und können bis zu einem gewissen Grad auch individuell ergänzt werden. D. h., nicht nur aus dem Grund, dass das „Art Project“ institutionsübergreifend angelegt ist, sondern auch weil es Informationen, die nicht aus dem institutionellen Bereich kommen, integriert, ist es weit mehr als ein klassischer Online-Museumsrundgang. Wie schon erwähnt, wird dieses OnlineService laufenden Aktualisierungen unterzogen. Dies spiegelt die Spezifität des Mediums Internet und in Folge auch des Online-Katalogs wider, jedoch bedeutet dies auch, dass die angegebenen Links nicht langfristig aktuell sind. Wenn man nun z. B. über die Auswahl „Artists“ oder „Artworks“ zu einem konkreten Werk gekommen ist, besteht einerseits die Möglichkeit, Informationen zu diesem zu erhalten. Hierbei bleiben wir der Datenbank treu. Andererseits ist es möglich, das Werk bzw. sein Abbild und die Paratexte über den Button „Add to Gallery“ zu seiner persönlichen Galerie hinzuzufügen. Da hierbei jedoch nicht der Kontext exportiert wird, sondern ausschließlich die um das Werk gruppierten Informationen, kann man hier im engeren Sinn nicht von einer Ausstellung sprechen, sondern vielmehr von einem Auszug einer Datenbank, einem individuellen Auszug aus einem Sammlungskatalog. Dieser ist für die Lektüre abseits des Ausstellungsbesuchs gedacht, nicht zuletzt deshalb, weil die Möglichkeit besteht, Werke aus unterschiedlichen Institutionen zu einem Katalog zusammenzufassen, und somit kein Bezug zu einer realen Präsentation gegeben ist. Eine weitere und im vorliegenden Zusammenhang weitaus interessantere Vernetzung im „Art Project“ ist die Funktion „Explore“: Diese erlaubt, ausgehend von einem Werk, die Sammlung, in der es sich befindet, in der Datenbank aufzurufen, weitere Arbeiten des Künstlers zu konsultieren sowie auch andere Werke, die aus derselben Epoche stammen, aufzurufen. Der Bezug zum Genre des Katalogs ist hier eindeutig: Kriterien (Sammlung, Künstler, Datum), die dem Katalog eigen sind, werden hier herangezogen, um ein unerwartetes Verweisnetz zu bilden. Laien sowie Experten wird somit eine Informationsquelle angeboten, die den individuellen An-
9
Google art project: [Online]. Verfügbar unter: http://www.googleartproject.com (Stand 24.2.2012)
280 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
forderungen entspricht und über das Herkömmliche hinausgeht. So wird man nicht nur der Vermittlung, sondern auch dem Austausch (siehe „Share“) und der Recherche mit diesem speziellen „catalogue-document“ den aktuellen technischen Anforderungen entsprechend gerecht. Wie schon erwähnt, umfasst das „Art Project“ nicht nur Bild und Text, sondern auch Video- und Audiodateien und ist mit externen Seiten verlinkt. Außerdem hat der User die Möglichkeit, selbst Kommentare zu den einzelnen Werken in seiner persönlichen Galerie hinzuzufügen. Diese breite Vielfalt an Paratexten entspricht weitgehend dem aktuellen Status quo der für die breite Masse zugänglichen Technik. Die Verschränkung von Datenbank und virtuellem Museumsrundgang hat schon an früherer Stelle Erläuterung gefunden. Ebenso die extrem hohe Auflösung des Bildmaterials, die nochmals die Funktion des Recherchetools des „Art Project“ unterstreicht. Der genaue Aufbau soll hier nicht nochmals erläutert werden, allerdings möchte ich anmerken, dass sich dieser immer weiterentwickelt und einer fortdauernden Veränderung unterzogen ist. Es besteht die Möglichkeit, das über unterschiedliche Kanäle ausgewählte Werk über verschiedene Netzwerke bzw. Social Networks zu „sharen“ und man kann in der Folge mit anderen Usern auch außerhalb des „Art Project“ in Kontakt treten und sich austauschen. So wird die Rezeption um einen bestimmten interaktiven Aspekt erweitert. Im Vergleich zu den bisherigen Beispielen handelt es sich hierbei nicht um einen klar abgetrennten Teil einer Website, der als Online-Katalog gewertet werden kann, sondern vielmehr um eine bestimmte Nutzungsart einer Website. Zusammenfassend kann man aus den soeben erläuterten Gründen diese bestimmte Nutzungsart des „Art Project“ als eine mögliche Version des heutigen Online-Katalogs sehen. Die hier besprochenen Online-Angebote repräsentieren nur eine kleine Auswahl an möglichen Online-Katalogen und werden durch zahlreiche nationale und internationale Websites10 ergänzt.
10 Weitere mögliche Online-Kataloge: http://www.guimet-photo-japon.fr/ http://www.bijoux-malmaison-compiegne.fr/html/13/collection/01-bagues.php http://www.sculpturesmedievales-cluny.fr/collection/sommaire.php http://www.marvelligallery.com/ECATALOGUES-A-I.html
2.4 B ESTANDSAUFNAHME ERSTER O NLINE-K ATALOGE | 281
Die diskutierten Beispiele zeigen, dass es Ansätze zum Online-Katalog sowohl im institutionellen als auch im institutionsübergreifenden und sogar im internationalen Bereich gibt. Interessant zu bemerken ist, dass die hier besprochenen Online-Kataloge jedoch durchwegs mit Museen und nicht mit Ausstellungshallen in Verbindung stehen und sich dennoch deutlich von musealen Datenbanken absetzen. Wie eingangs erwähnt, ist das hier zu untersuchende Feld die Übersetzung des „catalogue-document“ in das digitale bzw. Online-Umfeld. Im Bereich des gedruckten Katalogs sind es heute vorwiegend Kataloge, die anlässlich von Ausstellungen in Kunsthallen, zu Biennalen oder an vergleichbaren Institutionen erscheinen, die die Vorreiterschaft übernehmen und neue Möglichkeiten und Erweiterungen des Genres Katalog einführen. Im digitalen/Online-Bereich stellt sich die Situation anders dar: Hier sind es in erster Linie die Museen, die neues Terrain entdecken und sich für ihre Zwecke aneignen. Hier stellt sich die Frage, ob dies mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln in Verbindung steht, da die Erschließung neuer Felder nicht nur ein Budget für die Umsetzung, sondern eben auch für die Forschung erforderlich macht (der hohe Stellenwert des zur Verfügung stehenden Budgets zeigt sich z. B. an dem besonders umfassenden „Art Project“ von Google). Die besprochenen Beispiele beinhalten unterschiedliche Formen an Interaktivität (in Form von Sharing, Erstellen einer eigenen Auswahl oder Hinzufügen persönlicher Kommentare), weisen aber die Tendenz zur Steigerung ebendieser auf, auch wenn dieser Aspekt noch nicht ausgereizt ist. Abschließend kann man festhalten, dass Online-Kataloge in gewisser Weise auch eine Form der Datenbank sind, aber hier macht das Interface, die Aufbereitung der Daten, den Unterschied. Der User ist nicht mit der starren archivarischen Ansicht einer Datenbank konfrontiert, sondern die Benutzeroberfläche präsentiert sich dynamischer, assoziativer und somit auch benutzerfreundlicher. Das Layout spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Die einzelnen Datensätze werden in einem spezifischen Kontext, der durch unterschiedliche Formen von Paratexten geschaffen wird, zugänglich gemacht und lösen sich somit von der eher starren archivarischen Darstellung. Interne und externe Links sowie mögliche Interaktion zwischen den Nutzern erweitern das Netzwerk und integrieren die Datenbank als Teil in das Ganze. Die Datenbank bleibt in gewisser Weise weiterhin das Kernstück – vergleichbar mit der Liste im gedruckten Katalog –, das in ein weit verstricktes Assoziationsnetz eingebettet ist. Die aktuellen technischen Möglichkeiten werden immer weiter ausgenutzt und daher wird ein vielmehr experimenteller, offener Charakter erzielt. Jedoch ist festzustellen, dass die hier analysierten Beispiele sich entweder als Teilangebot oder als besondere Nutzungsvariante einer größeren Website präsentieren. Sie stehen (noch) nicht selbstständig, sondern benötigen (noch) eine Vielzahl an paratextlichen Begleitelementen (wie z. B. eine übergeordnete Website), um sich zu legitimieren.
282 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Außerdem bezeichnen sie sich nicht als Online-Katalog, sondern bedienen sich unterschiedlicher Betitelungen. Das zeigt, dass das Genre des Online-Katalogs derzeit noch nicht so weit etabliert ist, um unabhängig zu existieren.
2.5 Analyse und Systematisierung der aufgelisteten Beispiele
Die vier analysierten Beispiele umfassen alle keine vollständigen Websites, sondern nur Rubriken bzw. Anwendungen eines Online-Angebots: Daraus kann geschlossen werden, dass es sich hierbei (noch) nicht um eigenständige Online-Kataloge handelt, sondern um erste Schritte in diese Richtung. Auf den in „Les catalogues d’exposition: Guide de catalogage“1 veröffentlichten Richtlinien für klassische und neue Ausstellungskataloge, auf der Typologie der Gedächtnis-Orte von Annette Hünnekens2 sowie auf der Analyse der genannten Beispiele aufbauend ergibt sich folgender Anforderungskatalog für den Online-Ausstellungskatalog: Verhältnis zum Kontext Der Bezug zu einer real existierenden Ausstellung oder (temporären) Sammlungspräsentation im weitesten Sinn ist ein wichtiges Kriterium, um bei einer OnlinePublikationen von einem Katalog zu sprechen. Das zeitliche Verhältnis im engen Sinn, wie es von Pierre Rosenberg beschrieben wird (der Katalog muss vor der Ausstellungseröffnung erscheinen)3, ist jedoch aufgelöst und stellt keine Voraussetzung dar. •
Das „Digitale Belvedere“ weist im weitesten Sinn einen Bezug zur realen Samm-lungspräsentation im Belvedere auf. Die im Online-Katalog besprochenen Werke sind jedoch nicht zwingend aktuell zu sehen, sondern meist im De-
1
Vgl. Delaigle, Francine; Rosenberg, Pierre; Schmitt, Catherine; Viatte, Germain, 1991,
2
Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 80
S. 10ff. 3
Vgl. Histoire de l’Art, N° 2, 1988, zitiert aus: Morineau, Camille, 1990, S. 1 (Avant propos)
284 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
•
•
•
4
pot gelagert. Sie werden durch das Medium Online-Katalog in Bezug zur realen Ausstellung gesetzt. Es wird ein von der konkreten Präsentation losgelöster inhaltlicher Kontext geschaffen, in dem die Werke, die das die reale Sammlung und den virtuellen Katalog verbindende Element darstellen, online präsentiert werden. Der „Virtuelle Transfer“ bezieht sich auf die unterschiedlichen Sammlungen des Schweizerischen Nationalmuseums (sowohl thematisch als auch über die Wahl der besprochenen Objekte online), jedoch ohne klassische Referenz zu einer rea-len Ausstellung oder Sammlungspräsentation. Es wird von den Konzeptoren als „online Agentur“4 des Schweizerischen Landesmuseums bezeichnet. Auch hier wird ein von der konkreten Präsentation losgelöster inhaltlicher Kontext bzw. ein virtuelles Ausstellungskonzept geschaffen, in dem die Werke, die auch hier den die reale Sammlung und den virtuellen Katalog verbindenden Aspekt darstellen, online präsentiert werden. Dies muss aber nichts mit der realen Sammlungspräsentation zu tun haben. Der „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou weist einen sehr klaren Bezug zur realen Sammlungspräsentation sowohl thematisch als auch über die präsentierten Objekte auf. Dieses direkte Verhältnis wird durch einen erweiternden Aspekt (achter Rundgang) ergänzt. In diesem Fall wird das reale Ausstellungskonzept in den Online-Katalog übernommen. So sind nicht nur die Werke das verbindende Glied zwischen Realität und online, sondern auch der Kontext in erweiterter und das Medium in adaptierter Form. „Explore“/„Art Project powered by Google“ bezieht sich institutionsübergreifend und auf internationalem Niveau auf reale Sammlungspräsentationen. Der User kann jedoch in „Explore“ selbst die Zusammenstellung der analysierten Werke wählen. So wird der Bezug zur realen Sammlungspräsentation gelockert und der User stellt gemäß der Idee des „Musée Imaginaire“ seinen individuellen Sammlungskatalog zusammen. In diesem wird das übertragende Ausstellungskonzept, das sonst als vorgegebene Klammer dient, durch die persönliche Auswahl des Users ersetzt. Das verbindende Element zwischen realer Sammlung und virtuellem Katalog stellen auch hier weiterhin die Objekte dar.
Vgl. Das Schweizerische Nationalmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://vtms. musee-suisse.ch/home.php?page=phil&lgMeta=DE&flash=1 (Stand 1.7.2014)
2.5 A NALYSE UND S YSTEMATISIERUNG
DER AUFGELISTETEN
B EISPIELE | 285
Inhalt und Text Text bzw. textlicher Inhalt ist nicht nur für den gedruckten Katalog ein wesentlicher Bestandteil. Unterschiedliche Paratexte bilden das Gerüst für den Haupttext. Durch das Medium Internet ändern sich die Ansprüche an die Texte sowie die Rezeptionsformen. Beide Punkte beeinflussen die Textgestaltung. •
•
•
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Das „Digitale Belvedere“ weist keine Titelseite in diesem Sinne auf, sondern der User kommt direkt zur Vorbemerkung. Die Informationen zu den einzelnen Werken und Künstlern sind sehr reduziert, da sie nicht intern mit der Online-Datenbank verlinkt sind. Informationen zum Konzept bzw. zur Auswahl der Bilder finden sich in Textform wieder. Informationen zum Belvedere hingegen sind nicht direkt in diesem Angebot zugänglich, sondern in anderen Rubriken der Online-Präsentation des Belvederes. Die Zusammenstellung – das Konzept – der Bilder wird dem User in Bild und Text vermittelt. Der wissenschaftliche Text weist Fußnoten auf, die im klassischen Sinn eine fortführende Recherche ermöglichen. Als möglichen Haupttext könnte man somit die als Diashow organisierten Bilder ansehen, als Paratexte die Bildunterschriften und Fließtexte. Abschließend ist festzuhalten, dass das „Digitale Belvedere“ ausschließlich auf Deutsch zugänglich ist. Der auf der Eingangsseite erscheinende Titel „Virtueller Transfer“ ist in fünf Sprachen angeführt und ermöglicht somit eine erste Sprachauswahl. Diese Wahl auf Titelniveau ist eine dem Medium typische Option und stellt eine eindeutige Neuerung hinsichtlich der gedruckten Kataloge dar. Im Titel gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, um welche Art des Online-Angebots es sich handelt. Informationen über die einzelnen Werke und deren Künstler finden sich meistens, jedoch nicht immer. Werkangaben sind, wenn es sich um museale Objekte handelt, nach traditionellen Standards angegeben. Informationen über den Bezug zur realen Ausstellung sind ebenso zu finden wie erste Informationen zur Institution. Weiterführende Informationen zu den einzelnen besprochenen Objekten sind sowohl als geschriebener als auch als gesprochener Text gegeben. Somit kann dieses Online-Angebot als niederschwelliges Recherchetool genutzt werden. Der Haupttext kann in diesem Fall nicht generell festgelegt werden, sondern hängt von den unterschiedlichen „Kapiteln“ ab. Dies kann ein Video sein, aber ebenso ein Bild oder es variiert. Der „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou weist in diesem Sinne keine wirkliche Titelseite auf, da man beim Anklicken der Rubrik „Parcours d’Exposition“ direkt auf die Auswahl der unterschiedlichen Thematiken stößt.
286 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
•
Den Standards eines klassischen Sammlungskatalogs entsprechend weist dieses Online-Angebot nicht nur Informationen über die einzelnen Werke und deren Künstler in systematisierter Weise auf, sondern auch über die reale Sammlungspräsentation als solche und dient somit als profundes Recherchetool. Ein weiteres Argument ist, dass es über die reale Ausstellungsdauer hinaus zugänglich ist. Als Haupttext kann das Bild- und Videomaterial der ausgestellten Werke gesehen werden. Die begleitenden Texte und weiterführenden Links sind unterschiedlichen Formen von Paratexten zuzuordnen. Der „Parcours d’Exposition“ ist ausschließlich auf Französisch online. Da es sich beim „Art Project powered by Google“ um eine gewisse Nutzungsmethode handelt, gibt es keine entsprechende Titelseite. Informationen über die Werke, Künstler und über die unterschiedlichen Institutionen sowie weiterführende Auskünfte stehen dem User sowohl nach musealen Standards als auch nach gemäß dem Medium adaptierten Richtlinien (YoutubeVideo, hochauflösendes Bildmaterial etc.) zur Verfügung. Somit ist die in „Art Project powered by Google“ eingebettete „Explore“-Funktion ein medienadaptiertes internationales Recherchetool. Die „Explore“-Funktion basiert auf dem Bildmaterial und ist somit auch der Haupttext. Alle weiterführenden Verlinkungen, Texte, Videos etc. sind kontextstiftende Paratexte. Die Mehrsprachigkeit ist durch die Anwahl einer der (derzeit) 25 angebotenen Sprachen gegeben.
Inhalt und Technik Inhalt und Technik beeinflussen sich gegenseitig. Durch diese Wechselwirkung können neue – sich vom gedruckten Katalog absetzende – Inhalte generiert werden. •
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Das „Digitale Belvedere“ weist wie ein gedruckter Katalog ein (kurzes) Impressum auf, in dem die für den Inhalt verantwortlichen Personen genannt werden. Die Inhalte werden in Text und Bild (Diashow) präsentiert. Ton und Video werden ausgeklammert. Interaktion ist weder mit der Redaktion noch mit anderen Usern gegeben. Die letzte Aktualisierung stammt aus dem Jahr 2010, wodurch sich die nicht regelmäßige Erneuerung der Daten zeigt. Der Zugang ist kostenlos und steht somit der breiten Masse offen. Eine Suche in den präsentierten Arbeiten oder Künstlern ist nicht geboten. Der User muss sich an die vorgegebene Struktur halten. Weder interne noch externe Links sind vorhanden. Für das Online-Angebot „Virtueller Transfer“ sind mehrere Gruppen verantwortlich, die sich nicht mit den Machern der Ausstellungen decken, jedoch in
2.5 A NALYSE UND S YSTEMATISIERUNG
•
5
DER AUFGELISTETEN
B EISPIELE | 287
den Credits namentlich angeführt sind („A project of the Musée Suisse Groupe“5, „ordered and planned by: Swiss National Museum Zurich“6, „conceived and produced by: Transfusion Zurich – Berlin – Vienna“7 etc.). Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Bemerkung von André Chastel, dass die am Katalog arbeitenden Personen die Inhalte der Ausstellung nicht ungeprüft übernehmen sollen.8 Der „Virtuelle Transfer“ umfasst Informationsangebot als Bild, geschriebenen und gesprochenen Text, Video und Musik und bedient sich somit (wenn auch auf reduziertem Niveau) der technischen Möglichkeiten. Jedoch wird die Möglichkeit der Interaktion mit anderen Usern oder mit der Redaktion (mit Ausnahme eines E-Mail-Felds) nicht ermöglicht. Der „Virtuelle Transfer“ geht 2005 online (ein Prototyp auf CD erscheint 2002).9 Derzeit sind 14 unterschiedliche Kapitel in den Archiven zu finden und neun sind als neueste Geschichten zugänglich. Das macht im Durchschnitt nicht ganz drei neue Kapitel pro Jahr. Gemäß den technischen Möglichkeiten wäre eine häufigere Aktualisierung möglich. Jedoch ist positiv festzuhalten, dass die alten Kapitel in den Archiven weiterhin zugänglich sind. Ebenso zu vermerken ist, dass der demokratische Gedanke des Katalogs, als zugängliches Bildungsund Forschungsinstrument zu dienen, aufgenommen wird und alle Angebote des „Virtuellen Transfers“ kostenfrei zugänglich sind. Die Systematisierung der Werke entspricht nicht der eines traditionellen Katalogs, sondern ist in den einzelnen Kapiteln organisiert. Dort findet der User die besprochenen Objekte sowie assoziierte Arbeiten. Dies ermöglicht jedoch keine systematische Suche. Die interne Verlinkung ist nicht allzu verzweigt. In den einzelnen thematischen Kapiteln gibt es die Rubrik „Links“, unter der man assoziierte (Werbe-)Links findet. Beim „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou handelt es sich um eine Koproduktion von Centre Pompidou und Institut national de l’audiovisuel. Die
Das Schweizerische Nationalmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://vtms.museesuisse.ch/home.php?page=phil&lgMeta=DE&flash=1 (Stand 1.7.2014)
6
Ebd.
7
Ebd.
8
Vgl. Chastel, André, 1980, S. 63
9
Vgl. Das Schweizerische Nationalmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://vtms. musee-suisse.ch/home.php?page=phil&lgMeta=DE&flash=1 (Stand 1.7.2014)
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•
beteiligten Personen sind namentlich in den Credits angeführt.10 Durch die Überführung in ein anderes Medium wird die Redaktion um Experten auf diesem Gebiet erweitert. Die Arbeiten werden sowohl in Bild und Text als auch als vertontes Video vorgestellt und bedienen sich somit der technischen Möglichkeiten. Die einzelnen Beiträge (Text, Video etc.) können über einen direkten Link auf verschiedenen Social Networks „geshared“ werden. Des Weiteren können diese per E-Mail direkt von der Seite versendet oder teilweise in hoher oder niedriger Auflösung gekauft werden. Eine direkte Interaktion mit anderen Usern auf der Seite ist nicht möglich, aber zumindest ein Grundangebot an unidirektiver Interaktivität ist geboten. Beim „Parcours d’Exposition“ handelt es sich um einen Online-Katalog zu einer vergangenen Sammlungspräsentation. Er erfährt keine weitere Aktualisierung mehr. Der Zugang ist kostenfrei und unlimitiert möglich. Über die Suchfunktion, die sich über die gesamte Website erstreckt – und nicht nur über den „Parcours d’Exposition“ –, kann man über die katalogtypischen Kriterien nach einzelnen Werken suchen. Die Suchergebnisse sind mit ihrer Rubrikzugehörigkeit ausgewiesen. Die interne Verlinkung ist sehr gut vernetzt und verbindet die einzelnen Bereiche der gesamten Website. Externe Links sind jedoch im „Parcours d’Exposition“ nicht angeführt. Im Vergleich zu den bisher besprochenen Online-Angeboten sind hier die Credits von „Explore“/„Art Project powered by Google“ nicht detailliert ausgewiesen, sondern es wird als ein als Koproduktion vom Team Google und internationalen Kunstpartnern konzipiertes Projekt vorgestellt.11 Namentliche Nennungen sind nicht vorhanden. Die einzelnen Arbeiten werden in unterschiedlicher Weise präsentiert: Über Bild, Text oder vertontes Video ist der Zugang möglich; so werden die unterschiedlichen technischen Möglichkeiten ausgenutzt. Die Interaktion ist über mehrere Kanäle gegeben (Social Media, E-Mail, aber auch über die Erstellung einer persönlichen Galerie, die wiederum „geshared“ werden kann).
10 Vgl. elles@centrepompidou. artistes femmes dans les collections du centre pompidou, Credits: [Online]. Verfügbar unter: http://www.ina.fr/fresques/elles-centrepompidou/ credits (Stand 1.7.2014) 11 Vgl. Google art project: FAQS: [Online]. Verfügbar unter: http://www.googleartproject. com/de/faqs/ (Stand 1.7.2014)
2.5 A NALYSE UND S YSTEMATISIERUNG
DER AUFGELISTETEN
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Dem Projekt werden laufend neue Museen und Galerien hinzugefügt und somit auch über „Explore“ zugänglich gemacht. Auch Privatsammlungen können sich leicht über ein Online-Anmeldeformular für die Aufnahme einschreiben. Die Nutzung des Bereichs „Explore“ ist gratis. Um jedoch seine private Galerie zu speichern, ist eine (ebenso kostenfreie) Anmeldung über googlemail nötig (daran gekoppelt ist eine Preisgabe persönlicher Daten). Über die die gesamte Seite umfassende Suchfunktion kann man zu einzelnen Werken gelangen. Die freie Suche nach Namen, Titeln, Techniken usw. entspricht den Katalogkriterien. Vom einzelnen Werk gelangt man dann wiederum zu „Explore“. „Explore“ weist sowohl interne als auch externe Verlinkung auf. In erster Linie handelt es sich bei den externen Links um Youtube-Verknüpfungen und Links zu den Museumswebsites. Funktion Wie aus der vorgenommenen Analyse hervorgeht, handelt es sich hierbei um Beispiele des „Online-catalogue-document“12, das in erster Linie die (dauerhafte) Dokumentation eines ephemeren Ereignisses zur Aufgabe hat (speichern, erhalten). Darüber hinaus soll dieses als Gedächtnisstütze dienen und den Kunstwerken einen Mehrwert durch die Einfügung in ein Referenznetz geben (präsentieren). In einem weiteren Schritt sind damit die Vermittlungs- und Forschungsfunktionen verbunden und Bezug nehmend auf das Medium Internet auch der Austausch rund um dieses. •
• •
Das „Digitale Belvedere“ und die beiden online zur Verfügung stehenden Parcours sind durch ihre Niedrigschwelligkeit in erster Linie der Vermittlung verschrieben. Der „Virtuelle Transfer“ konzentriert sich vorrangig auf eine niedrigschwellige Vermittlung durch personalisierte Ansprache des Users.13 Die Funktion des „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou kann in erster Linie als Dokumentations- und Recherchewerkzeug gesehen werden. Die temporäre Präsentation der Sammlung wird über das eigentliche Ereignis hinaus online gespeichert und steht somit Experten und Laien in dieser spezifischen Zusammenstellung zur Verfügung.
12 Hierbei handelt es sich um eine vorläufige Bezeichnung. Diese dient vorerst zur Formulierung, soll jedoch am Ende dieser Arbeit durch den Begriff „Web-catalogue-document“ ersetzt werden. Die Gründe dazu werden im Kapitel „Das ,Web-catalogue-document‘ als eigenständiges Medium?“ dargelegt. 13 Vgl. Das Schweizerische Nationalmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://vtms. musee-suisse.ch/home.php?page=phil&lgMeta=DE&flash=1 (Stand 1.7.2014)
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„Explore“/„Art Project powered by Google“ hat sich zur Aufgabe gemacht, unterschiedliche Sammlungen online zu präsentieren und einem großen Publikum zugänglich zu machen. Derzeit wird der Bereich der Bildung ausgebaut, um der Vermittlungsaufgabe noch besser gerecht zu werden. Durch die verschiedenen Kanäle der Interaktion kann ein gewisser Austausch der User untereinander hinsichtlich der Inhalte forciert werden.
Nach der Analyse der vier Beispiele würde rein rechnerisch „Explore“/„Art Project powered by Google“ den vier Kriterien (mit ihren Untergruppen) des OnlineKatalogs am ehesten entsprechen (siehe Appendix 13). Dies ist das einzige hier diskutierte Beispiel, das nicht von einer musealen Struktur in Auftrag gegeben wurde, sondern von Google, d. h. von der technischen und wirtschaftlichen Seite her konzipiert wurde und wird. Als User erfährt man jedoch „Parcours d’Exposition“/ elles@centrepompidou als dem Katalog am nächsten. Dies liegt daran, dass die Kriterien wie der Bezug zum temporären Ereignis und die Überführung des Ausstellungskonzepts in den Katalog für die Rezeption schwerer wiegen als die restlichen. Außerdem steht der „Parcours d’Exposition“ dem User verhältnismäßig isoliert zur Verfügung und kann somit unabhängig von der übrigen Seite benutzt werden. „Explore“ hingegen ist eine Anwendung der Seite „Art Project powered by Google“ und wird somit nicht als eigenständiges Angebot wahrgenommen, obwohl hier sehr viele der Online-Katalogkriterien übernommen werden.
2.6 Abgrenzung und Definition des Online-Katalogs
Ein Online-Katalog ist eine im Web 2.0 eigenständige veröffentlichte Website, die anlässlich einer temporären Ausstellung oder Sammlungspräsentation von einer ausgewiesenen Redaktion konzipiert und veröffentlicht wird. Diese spiegelt die Ausstellung als Medium sowie die einzelnen Werke als solche wider und setzt diese in Bezug zu weiterführenden Informationen (in Form von Bild, Text, Ton oder Video). Die Funktion des Online-Katalogs fokussiert in erster Linie die Recherche sowie die Vor- und Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs, soll diesen aber nicht ersetzen (vgl. „catalogue-document“). Durch die Einbettung bzw. Erweiterung der konkreten Werkinformationen in einen spezifischen Kontext wird der Rahmen einer reinen Datenbank überwunden. Die Möglichkeit, kurzfristig Informationen im Online-Katalog zu ändern bzw. zu ergänzen, sowie das Potenzial für Interaktivität mit der Redaktion oder zwischen den Usern sind weitere Merkmale. Diese stellen Erweiterungen zum gedruckten Katalog dar. Durch die Möglichkeit, bewegte Bilder, Ton oder sogar Video zu integrieren, wird der Inhalt, der dem des gedruckten Katalogs eventuell ähnlich ist, in ein neues Beziehungsgeflecht gesetzt. Somit wird eine deutliche Abgrenzung zwischen gedruckten und Online-Katalogen geschaffen, die keine gegenseitige Substitution darstellen, sondern sich komplementär verhalten. Aus all diesen Punkten ergibt sich die folgende erste Kurzdefinition: Ein Online-Katalog ist eine im Web 2.0 eigenständige veröffentlichte Website, die die Funktionen und Inhalte eines gedruckten Katalogs teilweise aufnimmt und durch die Möglichkeiten des neuen Mediums sowohl inhaltlich als auch strukturell weiterführt. Um ein präzises Bild vom Online-Katalog zu erlangen, ist es wichtig, diesen von seinen Vorläufern abzugrenzen bzw. die Überschneidungen herauszuarbeiten.
292 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Abgrenzung zum gedruckten Katalog • Bezug zur realen Ausstellung >> Es sollte prinzipiell keinen Unterschied diesbezüglich zwischen gedrucktem und Online-Katalog geben. • Funktion >> Es sollte prinzipiell keinen Unterschied diesbezüglich zwischen gedrucktem und Online-Katalog geben. Beide sind im vorliegenden Zusammenhang als „catalogue-document“ zu verstehen. • Arten der Haupt- und Paratexte >> Im Vergleich zu gedruckten Texten ist die Einteilung der Online-Texte noch viel unschärfer. Oft ist der Haupttext aber wie beim gedruckten Pendant das Bildmaterial (sowohl Foto als auch Video). • Arten des Bildmaterials >> Aufgrund der technischen Möglichkeiten ist das Bildangebot im Online-Bereich vielfältiger und reicht von unbeweglichen Bildern über Diashows bis hin zu vertonten Videos. • Aufbau >> Der gedruckte Katalog ist linear aufgebaut, auch wenn der Leser bei seiner Lektüre individuell springen kann. Der Online-Katalog ist von vornherein als ein Netzwerk konzipiert. • Rezeption >> Durch die Netzwerkstruktur des Online-Katalogs wird auch die lineare Rezeption aufgebrochen und eine assoziative Leserichtung ermöglicht. Auch kann im Vergleich zum gedruckten Katalog eine Interaktion zwischen den Usern direkt im Medium stattfinden, die ggf. auch den Inhalt des Katalogs beeinflussen kann. Durch den veränderten physischen Status des Online-Katalogs im Gegensatz zum gedruckten wird auch die physische und psychische Rezeption beeinflusst. • Sonstiges >> Auch durch die (technische) Schnelllebigkeit der Online-Medien stellt der Online-Katalog keine „Bedrohung“ für den gedruckten Katalog dar, sondern vielmehr eine Ergänzung und einen komplementären Zugang zu den Inhalten. Abgrenzung zur Datenbank Bezug zur realen Ausstellung >> Die Datenbank (online oder offline) hat in erster Linie einen direkten Bezug zu den einzelnen Werken und nicht zu einem Ausstellungs- oder Präsentationskonzept. Der Online-Katalog hingegen berücksichtigt auch dieses und übersetzt es in das ihm eigene Medium. • Funktion >> Die Datenbank hat vorrangig die Nutzung zu Recherchezwecken zur Aufgabe. Der Online-Katalog hingegen dient nicht nur zur Recherche, sondern z. B. auch zur (niedrigschwelligen) Vermittlung, zum Austausch der User untereinander oder zur Neukontextualisierung. • Arten der Haupt- und Paratexte >> Der Haupttext in einer Datenbank sind meist die Bilddaten. In einem Online-Katalog ist auch häufig das Bildmaterial der Haupttext, jedoch kann dieses z. B. durch Paratexte wie Video- oder Tonmaterial komplettiert werden. •
2.6 A BGRENZUNG
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UND
D EFINITION DES O NLINE-K ATALOGS | 293
Arten des Bildmaterials >> Das Bildmaterial in einer herkömmlichen Kunstsammlungsdatenbank umfasst meist statische Bilddateien (und Text). In einem Online-Katalog ist das Bildmaterial breiter gefächert, da die Quantität der Datensätze meist geringer ist als in einer Datenbank und das Augenmerk verstärkt auf die Verlinkung und Kontextualisierung dieser Datensätze gelegt wird. So werden auch Video, Bild und Ton in einem Online-Katalog integriert. Aufbau >> Eine Datenbank ist um die einzelnen Werksätze gruppiert, die ggf. untereinander und auch extern verlinkt sein können. Die einzelnen Werke können über systematische Suchoptionen angesteuert werden. Online-Kataloge hingegen sind nicht zwingend mit einer systematischen Katalogisierung versehen, sondern folgen vielmehr einem spezifischen Ausstellungskonzept, das die einzelnen Werke in einem konkreten Kontext präsentiert. Rezeption >> Datenbanken sind in erster Linie für die Recherche konzipiert, Interaktion mit anderen Usern o. Ä. stehen hier im Hintergrund. Dies wiederum spielt für den Online-Katalog eine Rolle. Sonstiges >> Eine Datenbank ist meist als langzeitlich zugängliches Angebot konzipiert, im Vergleich zu einem Online-Katalog, der u. U. auch mit Schließung der realen Ausstellung offline gestellt werden kann. Die Standardisierungsmaßnahmen sowie Aktualisierungen spielen daher bei einer OnlineDatenbank eine größere Rolle als bei einem Online-Katalog.
Abgrenzung zur Museumswebsite Bezug zur realen Ausstellung >> Eine Museumswebsite bezieht sich in erster Linie auf eine Institution und ihr Programm und fokussiert nicht ausschließlich eine Ausstellung, wohingegen sich der Online-Katalog auf eine spezifische Kontextualisierung der Werke konzentriert. • Funktion >> Die Aufgabe einer Museumswebsite ist eine werbetechnische. Sie soll ein Image der Institution kommunizieren und dem Publikum die für den realen Besuch wichtigen Informationen übersichtlich liefern. Der Online-Katalog grenzt sich deutlich von einer Marketingstrategie ab und orientiert sich vielmehr Richtung Recherche und Vermittlung. • Arten der Haupt- und Paratexte >> Eine Museumswebsite umfasst vielfältige Texte. Wobei die Feststellung des Haupttexts schwierig ist. Prinzipiell stehen die Kurzpräsentation der Institution in Text und Bild sowie für den Besuch notwendige Informationen im Zentrum. Beim Online-Katalog ist meist das Bildmaterial als Haupttext anzusehen. • Arten des Bildmaterials >> Die Museumswebsites sind unterschiedlich gestaltet. Meist umfassen sie Text und Bildmaterial. Immer häufiger werden auch eingebettete Videos und Podcast-Angebote eingefügt. Ein Online-Katalog integriert im Idealfall alle technischen Möglichkeiten, Bildmaterial online zu präsentieren. •
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•
Aufbau >> Eine Museumswebsite kann neben den oben bereits genannten (Service-)Inhalten auch weiterführende Elemente wie z. B. Online-Datenbank, virtuellen Rundgang etc. als Annex umfassen. Ein Online-Katalog orientiert sich hingegen vielmehr am Aufbau des gedruckten Katalogs. Rezeption >> Museumswebsites dienen zur schnellen Information und ermöglichen die Kontaktaufnahme mit Vertretern der Institution. Beim Online-Katalog ist der Fokus auf den Inhalt und weniger auf die Service-Information gelegt. Er erfordert somit eine anders gelagerte Rezeption. Sonstiges >> Wie seit Beginn der Museumswebsite festgehalten wird, muss diese regelmäßig aktualisiert werden, um auf mögliche Änderungen sofort eingehen zu können (Schließtage, Sonderführungen etc.). Für Online-Kataloge ist die Option der Aktualisierung ebenso ein wichtiges, wenn auch nicht zwingendes Element.
Abgrenzung zur virtuellen Ausstellung Bezug zur realen Ausstellung >> Eine virtuelle Ausstellung kann – muss aber nicht – in sehr klarem Bezug zu einer realen Präsentation stehen. Die Übersetzung der Raumerfahrung eines realen Besuchs ist ein zentraler Punkt bei virtuellen Ausstellungen, der bei Online-Katalogen nicht gegeben ist. • Funktion >> Der virtuelle Ausstellungsrundgang ist für die Nutzung außerhalb des realen Besuchs gedacht. Er soll dem User einen anderen Zugang zu den Werken sowie zum Ausstellungskonzept bieten. Hier überschneiden sich die Funktionen der virtuellen Ausstellung mit denen des Online-Katalogs. • Arten der Haupt- und Paratexte >> Bei den bisher besprochenen virtuellen Ausstellungen steht das (statische) Bildmaterial als Haupttext, der von textlichen Paratexten, aber auch von Videos und Tonspuren begleitet wird. Dies ist ähnlich wie beim Online-Katalog, bei dem ebenso das Bildmaterial im Zentrum steht. • Arten des Bildmaterials >> Beim virtuellen Ausstellungsrundgang ist derzeit (noch) meist statisches Bildmaterial im Einsatz, das aber auch in manchen Fällen durch Video ergänzt wird. Der Online-Katalog umfasst idealerweise alle Formen an Bildmaterial. • Aufbau >> Virtuelle Ausstellungen sind bisher noch sehr unterschiedlich aufgebaut. Ein häufig anzutreffender roter Faden ist jedoch der räumliche Bezug zur realen Präsentation. Der Online-Katalog hält sich an den Aufbau des gedruckten Katalogs und übersetzt diesen in das neue Medium. • Rezeption >> Bei den virtuellen Ausstellungen ist (meist) ein aktiver User gefragt, um zu den unterschiedlichen Informationen zu gelangen. Die Interaktion mit anderen Besuchern ist jedoch derzeit noch sehr rudimentär. Die Rezeption der Werke unterscheidet sich grundlegend von der in einer realen Ausstellung. Ähnlich verhält es sich mit dem Online-Katalog, wobei der Katalog als Genre •
2.6 A BGRENZUNG
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UND
D EFINITION DES O NLINE-K ATALOGS | 295
(unabhängig davon, ob es sich um eine Online- oder Offline-Version handelt) eine Übersetzung des Werks in ein anderes Medium einschließt. Sonstiges >> Beim virtuellen Ausstellungsrundgang ist die Darstellung anderer Besucher ein Themenfeld, das bisher noch nicht zufriedenstellend gelöst wurde. Diese Frage stellt sich nicht zwingend für den Online-Katalog.
Abgrenzung zur App Bezug zur realen Ausstellung >> Museumsapplikationen beziehen sich meist in direkter Linie auf eine reale Präsentation und liefern Informationen zu den ausgestellten Werken sowie eventuell auch weiterführende Angaben. • Funktion >> Apps sind meist für die Nutzung während des realen Ausstellungsbesuchs konzipiert und dienen somit als eine Art „catalogue-en-acte“. OnlineKataloge, wie sie im vorliegenden Rahmen besprochen werden, sind vielmehr dem „catalogue-document“ zuzuordnen und verschreiben sich somit nicht einer Orientierungshilfe in der realen Ausstellung. • Arten der Haupt- und Paratexte >> Die Museumsapplikationen bieten vorrangig gesprochenen Text an, der mit kurzen geschriebenen Textpassagen ergänzt wird. Da dieses Angebot meist auf Smartphones genutzt wird, wäre eine Textlastigkeit nicht besonders benutzerfreundlich. Die Online-Kataloge hingegen werden meist auf einem großen Bildschirm konsultiert und können somit auch mehr geschriebenen Text anbieten. • Arten des Bildmaterials >> In erster Linie stellt statisches Bildmaterial den Hauptteil dar. In manchen Fällen sind auch kurze Videos integriert. Bei den Online-Katalogen ist relativ unterschiedliches Bildmaterial vorhanden (Bild, Video, Diapanorama etc.). • Aufbau >> Der Aufbau der unterschiedlichen Museumsapplikationen kann stark variieren. Von nahe der Museumswebsite gelagerten Strukturierungen (ZKM) über dem Audioguide ähnliche Gestaltungen (Kunsthaus Graz) bis hin zu einfachen Datenbanken (KHM) kann der Aufbau reichen. • Rezeption >> Die Rezeption findet in erster Linie im Rahmen des realen Besuchs statt. Auch können die Apps vorab auf der Museumswebsite heruntergeladen und daher auch unabhängig vom physischen Besuch genutzt werden. Wobei die Konzeption der Apps meist in direktem Bezug zur realen Präsentation steht und durch diese komplementiert wird, was beim Online-Katalog nicht der Fall ist.1 •
1
Vgl. dazu die App, die anlässlich der Ausstellung „Dynamo“ im Grand Palais (2013) gratis zum Download zur Verfügung gestellt wird. http://www.grandpalais.fr/fr/article/ decouvrez-lapplication-mobile-et-participative-dynamo (Stand 30.5.2013). Diese erlaubt neben der Konsultation von Informationen eine unmittelbare Rückführung der im Rah-
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Sonstiges >> Museumsapps sind oft in Bezug zu einer temporären Ausstellung verfügbar, können aber auch darüber hinaus zum Download bereitstehen und somit auch außerhalb des Besuchs genutzt werden. Auch gibt es die Möglichkeit, dass sie wie eine Museumswebsite dauerhafte Aktualisierung erfahren, womit sich diese wiederum in die Nähe des Online-Katalogs stellen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich der Online-Katalog in Aufbau und Rezeption deutlich von seinen (digitalen) Vorläufern abgrenzt. Der gedruckte Katalog sowie die virtuelle Ausstellung weisen die meisten Ähnlichkeiten mit dem „Online-catalogue-document“ auf, wobei hier die Überschneidungen am stärksten bei den Funktionen sowie beim Bezug zur realen Ausstellung sind. Die Abgrenzung über Text- und Bildarten ist zu vernachlässigen, da diese Parameter bei den analysierten Beispielen sehr stark variieren (siehe Appendix 14). Wichtig zu bemerken ist auch der prozessuale Charakter des Online-Katalogs. Es handelt sich hierbei nicht um eine statische Website, sondern um ein in (potenzieller) Veränderung der Inhalte begriffenes Online-Service. Nicht nur diese Flexibilität, ggf. auf Veränderungen in der realen Ausstellung im Online-Katalog einzugehen, sondern auch die Frage nach der Dauer der Zugänglichkeit des OnlineKatalogs grenzt dieses Genre von herkömmlichen Websites ab. Die Archivierung der Online-Kataloge ist ein wichtiger Aspekt, um auch wirklich als dauerhaftes Recherchetool genutzt zu werden.
men der Ausstellung gemachten Fotos. Die App bietet eine Plattform an, wo die geschossenen Bilder hochgeladen werden können und am Ende des realen Ausstellungsrundgangs auf einer Screeningwand gezeigt werden.
2.7 Der Online-Katalog
Basierend auf der vorangehenden Analyse der möglichen Online-Kataloge bzw. -Angebote soll nun das Modell eines der gebrachten Definition entsprechenden Online-Katalogs skizziert werden. Zentral dabei ist, dass die lineare Struktur des gedruckten Katalogs aufgebrochen und durch eine „non-sequential“ Organisation ersetzt wird. Gaëlle Pelachaud schreibt hierzu in ihrer Doktorarbeit: „La séquence narrative définie du livre, s’oppose à l’organisation de l’écran, avec des mises à jour rapides et des possibilités d’organisations d’écrans variés et personnalisés.“1 Im Laufe der Entwicklung löst sich die Website immer mehr von dem Verständnis einer gedruckten Seite und eröffnet somit einen neuen Zugang zu diesem Medium (siehe dazu z. B.: http://www.t-o-m-b-o-l-o.eu). Generell grenzt sich ein Online-Katalog von seinem gedruckten Pendant dadurch ab, dass Ersterer dem aktiven Modus verschrieben ist, wohingegen Zweiterer dem passiven zuzuordnen ist. Die Schnelllebigkeit, die mit der Aktivität verbunden ist, bringt mit sich, dass Online-Daten mit einem „Ablaufdatum“ versehen sind und auch vom User (bisher) als flüchtige Informationen angesehen werden. Wie könnte nun so ein Online-Katalog nach derzeitigem Stand der Technik und Wissenschaft konzipiert sein?
2.7.1 E NTWURF EINES O NLINE -K ATALOGS Gemäß der vorangehenden Analysestruktur wird nun ein Online-Katalog nach folgenden Gesichtspunkten skizziert: Entwicklung des Online-Katalogs in Bezug auf Museums- und Ausstellungswesen, Funktionen, Rolle der Haupt- und Paratexte, Rolle der Bilder, Aufbau sowie Rezeptionsformen.
1
Pelachaud, Gaëlle, 2009, S. 490f.
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2.7.1.1 Entwicklung des Online-Katalogs in Bezug auf das Museums- und Ausstellungswesen Der Bezug zu einer Ausstellung ist ein zentrales Merkmal, das das Genre Katalog ausmacht. Daher soll sowohl der inhaltliche als auch der temporäre Bezug zwischen Online-Katalog und realer Präsentation gleichermaßen gegeben sein, wenn auch in an das neue Medium adaptierter Form. Konzept: Eine erste Version des Online-Katalogs soll schon vor der Ausstellungseröffnung zugänglich sein. Dies ermöglicht dem Leser, seinen Ausstellungsbesuch inhaltlich vorzubereiten (vgl. dazu Reiseliteratur) und umfasst z. B. auch allgemeine Informationen zur Institution gemäß der klassischen Struktur eines Katalogs. Dank der leichten Aktualisierbarkeit im WWW soll ein Update dieser ersten Version zum Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung erfolgen. Dies ist im Sinne einer Erweiterung der Erstdaten zu sehen, verstärkt den Bezug zur realen Ausstellung, umfasst das zentrale Element – die Liste – und bietet darüber hinaus weiterführende Informationen in Bild, Text, Video und Ton an. Es handelt sich bei dieser Zweitversion nicht um eine weitere Website, sondern explizit um eine Erweiterung und Aktualisierung der bestehenden. Während der Laufzeit können – je nach Modell der Ausstellung – laufend oder einmalig Ergänzungen und Aktualisierungen der Inhalte vorgenommen werden. In einem dritten Schritt, der mit dem Ende der Laufzeit der Ausstellung koordiniert ist, wird eine Letztversion des Online-Katalogs hochgeladen. Diese ist wiederum keine weitere Website, sondern umfasst abschließende Elemente, die erst nach der Laufzeit zugänglich sind. Bei jedem Schritt ist eine neue interne Verlinkung notwendig, um die neuen Elemente in das bestehende Netzwerk einzufügen. Nach dieser letzten Etappe ist der Online-Katalog als solcher abgeschlossen und sollte den Lesern online weiterhin zur Verfügung stehen. Grundlegende Änderungen sollen in dieser Phase nicht mehr vollzogen werden – jedoch werden Wartungen (z. B. der externen Links) idealerweise durchgeführt. Eine Öffnung dieses Abschlusses ist selbstverständlich denkbar, erfordert jedoch einen gewissen finanziellen Aufwand, der über den gewünschten Zeitraum gewährleistet sein sollte. In diesem Fall kann von einem definitiven Abschluss Abstand genommen und der prozessuale Charakter über die Dauer der realen Ausstellung gewährleistet werden. 2.7.1.2 Funktionen des Online-Katalogs Wie schon abgegrenzt, konzentriert sich die vorliegende Skizzierung auf das „Online-catalogue-document“, das in erster Linie die fortwährende Dokumentation eines ephemeren Ereignisses zur Aufgabe hat und als Vermittlungs- und Forschungsinstrument dient.
2.7 D ER O NLINE-K ATALOG | 299
Konzept: Die Funktionen sind dem gedruckten und dem Online-Katalog großteils gemein. Eine Erweiterung bei der Online-Version kann im Bereich der Interaktion festgestellt werden. In diesem Sinne ist eine weitere Funktion des „Onlinecatalogue-document“, den Lesern eine Plattform für einen (wissenschaftlichen) Austausch zu bieten. Da sich der Online-Katalog sowohl an ein Fachpublikum (siehe Plattform für Texte2) als auch an ein breites Publikum wendet, ist es wichtig festzuhalten, dass der generelle Zugang im Idealfall gratis sein sollte. Da sich die Machbarkeit dieses kostenfreien Angebots erst in der Anwendung erweisen wird, besteht die Möglichkeit, Teilbereiche z. B. nur gegen Einrichtung eines (kostenpflichtigen) Accounts erreichbar zu machen. Da im Vordergrund die Qualität des Inhalts steht und somit dessen Vermittlungsfunktion, ist es wichtig, dass diesem Anspruch Genüge geleistet wird und nicht der Kostenfreiheit zuliebe die Qualität gesenkt werden muss.3 2.7.1.3 Rolle der Haupt- und Paratexte Die Rolle der Haupt- und Paratexte im Online-Katalog ist vergleichbar mit der des gedruckten, jedoch mit unterschiedlichen Gewichtungen sowie Adaptierungen gemäß dem Medium. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass sowohl Haupt- als auch Paratexte im Gegensatz zu ihren gedruckten Pendants dem „non-sequential writing“ verschrieben sind und somit wesentlich die Rezeption der Inhalte beeinflussen, da diese nicht mehr linear erfolgen muss. Eine detaillierte Analyse des Haupttexts zu seinen Paratexten findet sich im Appendix 15.
2
Die Plattform ermöglicht, dass Texte, die von Ausstellungsbesuchern geschrieben werden, Beiträgen von Personen, die die Ausstellung nicht zwingend gesehen haben – jedoch zu Teilaspekten einen wertvollen Beitrag liefern können –, gegenübergestellt werden können. Somit kann ein weitreichendes Referenznetzwerk geschaffen werden, das ein gedruckter Katalog nicht bieten kann.
3
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage: Wie kann ein Online-Katalog vermarktet werden? Eine Möglichkeit wäre, es den E-Books gleichzutun und im Museumsshop z. B. Zugangscodes in Form von Karten oder Foldern gegen einen angemessenen Preis anzubieten. Eine andere Lösung wäre, dass beim Export der ausgewählten Daten in eine App die einzelnen Werke mit den jeweils im Museums-Online-Shop verfügbaren Merchandising-Produkten verlinkt sind und ein direkter Bezug ebendieser über die App ermöglicht wird. Eine prozentuelle Beteiligung wäre ebenso denkbar (wichtig ist aber, dass das „Onlinecatalogue-document“ an sich nicht durch Vermarktungsstrategien inhaltlich beeinflusst wird).
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Konzept: Der Haupttext ist wie im gedruckten Katalog die Liste. Beim OnlineKatalog handelt es sich hierbei um die Werkliste, die in einer Datenbank verwaltet wird. Diese Werkdatenbank umfasst nicht nur Bildmaterial, sondern kann ebenso Videos oder Tondokumente beinhalten, jedoch soll es sich im Idealfall um Reproduktionen der Originalwerke, die in der realen Ausstellung gezeigt werden, handeln. Dieser Haupttext wird von zahlreichen und v. a. unterschiedlichen Paratexten eingebettet. Einen vollständigen Überblick über alle möglichen Formen der Paratexte zu geben, ist aufgrund der Komplexität in diesem Rahmen nicht möglich. Hier jedoch ein paar Beispiele (einen weiteren Einblick gewährt der Abschnitt zum Aufbau des Online-Katalogs): textliche Paratexte (Werkangaben und -beschreibungen, Künstlerbiografien, Texte zur Ausstellung, weiterführende Texte, Texte zur Institution, Credits, Einleitung, Fußnoten etc.), bildliche Paratexte (verlinkte Illustrationen, Videos oder Filme etc.) sowie materielle Paratexte (Interface des Online-Katalogs sowie der verlinkten externen Websites). Teilweise Überschneidungen mit dem gedruckten Katalog sind sicherlich nötig und sogar wünschenswert. Da aber die Lektüre von Langtexten online anders funktioniert, wird in den meisten Fällen eine Adaptierung der Texte aus dem gedruckten Katalog nötig sein (z. B. Verlinkung, Verkürzung, Neugestaltung des Bild-Text-Bezugs, Aufteilung in mehrere Texte und ihre Verzweigungen etc.). Wichtig festzuhalten ist, dass die Texte nicht zwingend ausschließlich in schriftlicher Form dem Rezipienten zugänglich sein müssen, sondern ebenso als Audiodatei verfügbar sein können (siehe Übertragung einzelner Passagen in eine individuelle App als „catalogue-en-acte“). Des Weiteren können Peritexte und sogar Epitexte (beispielsweise über externe Links) Teil des Online-Katalogs sein. Auch sind die Spannbreite der zeitlichen Stellung der Paratexte zum Haupttext über externe Verlinkung und die Möglichkeit, Aktualisierungen vorzunehmen, weitaus breiter gefächert als beim gedruckten Katalog. Wie daraus deutlich wird, ist der Haupttext beim gedruckten und beim Online-Katalog ähnlich gelagert, jedoch umfasst der Online-Katalog weitaus differenziertere Paratexte als ersterer. Einige Besonderheiten seien hervorgehoben: Im Gegensatz zu vielen OnlineVorläufern sollte der Online-Katalog Texte gemäß wissenschaftlichen Standards anbieten, um auch als wissenschaftliches Recherchewerkzeug dienen zu können. Ein weiterer zentraler Punkt ist, dass die Gesamtheit der Texte des Online-Katalogs in mehreren Sprachen zugänglich sein sollte, um somit einer möglichst großen Leserschaft zur Verfügung zu stehen. Abschließend ist die wichtige Stellung des Paratexts „Titelblatt“ zu beleuchten. Die bisher bestehenden möglichen Online-Kataloge haben gemein, dass sie keine eigenständigen Online-Angebote sind und somit auch kein klassisches Titelblatt aufweisen. Der ideale Online-Katalog hingegen ist eine unabhängige Website, die – wie ein gedruckter Katalog – eine Titelseite (sowie Einleitungstext etc.) aufweist. Dieser spezielle Paratext, der sich an eine breite Öffentlichkeit wendet, ist der erste
2.7 D ER O NLINE-K ATALOG | 301
Eindruck, den der User vom Online-Katalog erhält, bekleidet somit eine Sonderstellung und ist wesentlich am Erfolg des Online-Katalogs auf User-Ebene beteiligt. 2.7.1.4 Rolle der Bilder Selbstverständlich spielt hier die schon auf Platon4 zurückgehende Frage nach dem Verhältnis von Original und Abbild/Reproduktion eine Rolle. Diese wurde schon an mehreren Stellen spezifisch angesprochen. Hier möge nur exemplarisch der Grazer Museologe Friedrich Waidacher zitiert werden: „Es gibt verschiedene Arten von Substituten, die sich durch mannigfaltige Merkmale und den Grad ihrer Nähe zum Original voneinander unterscheiden: Reproduktion: Nachbildung entweder auf dem selben Kommunikationskanal wie das Modell (gleicher oder verschiedener Maßstab; Photo von Photo, Skulptur von Skulptur etc.) oder auf verschiedenen Kanälen (Reduktion von drei auf zwei Dimensionen, Änderung der Herstellungstechnik, Farbe etc.) Kopie: alles was ein anderes Ding nachahmt, Nachbildung einer Vorlage in gleicher Technik, aber von fremder Hand; gleicht einem vorhandenen Original weitestgehend in Form, Funktionsweise, Material und Größe [...] Modell: gegenständliches, meist verkleinertes Abbild eines dreidimensionalen Objektes. [...]“5
Aber auch André Malraux, Friedrich Kiesler oder Paul Valéry setzen sich mit den Auswirkungen der Medien auf die Künste in unterschiedlicher Weise auseinander. Walter Nikkels geht auf die Positionierung des Bildes im Buchraum ein.6 Die Übersetzung des gedruckten Bildes in ein digitales erscheint uns mittelbar und erfolgt visuell nachvollziehbar. Die Übersetzung der Seite in eine Bildschirmansicht hingegen ist ein viel komplexeres Vorgehen und sollte auch über eine direkte Übertragung hinausgehen, sich von der haptischen Seite lösen und die technischen Möglichkeiten in Verbindung mit den Inhalten ausschöpfen. Diese medienbedingte Erneuerung ist eine Änderung des stofflichen Paratexts und beeinflusst selbstverständlich die Rezeption des Inhaltes und v. a. der Bilder.
4
Vgl. dazu z. B.: Wunenburger, Jean-Jacques: Promesses et risques des nouveaux médias,
5
Waidacher, Friedrich: Handbuch der Allgemeinen Museologie, 3., unveränderte Auflage,
6
Vgl. Nikkels, Walter, 1998, S. 48/49
in: La Lettre de l’OCIM, N° 59, 1998, S. 9 Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar, Böhlau, 1999, S. 305f.
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Konzept: Im Vergleich zum gedruckten Katalog umfasst der Online-Katalog nicht ausschließlich statisches Bildmaterial, sondern ebenso Videos oder Animationen. Somit steht das bewegte Bild gleichberechtigt neben dem statischen und erweitert dadurch die Möglichkeiten des Online-Katalogs. Man denke in diesem Zusammenhang an Andreas Schelske und den Verweis auf die Kommunikativität von digitalen Bildern. Diesen Gedanken weiterführend ist auf die unterschiedlichen dem statischen oder bewegten Bild immanenten Funktionen hinzuweisen, die durch Klicken, Scrollen etc. aufgerufen werden können. Um dem Online-Katalog eine für Klarheit und Verständnis notwendige Struktur diesbezüglich zu geben, sollte eine gewisse Hierarchie im Bildmaterial geschaffen werden. D. h., dass z. B. ausschließlich die Bilder der Arbeiten, die auch in der realen Ausstellung gezeigt werden, der sogenannte Haupttext, extrem hochauflösend zur Verfügung stehen sollen. Ein Heranzoomen – wie z. B. beim „Art Project powered by Google“ –, Drehen, eventuell Röntgen- oder Rückenansicht u. Ä. sollten im vollen Umfang ebendiesen Bildelementen vorbehalten sein. Alle weiterführenden bildlichen Paratexte (sowohl über interne als auch über externe Links) sind im Idealfall in guter Auflösung vorhanden, bieten aber nicht die komplette Funktionspalette. So konzentriert sich der OnlineKatalog konsequent auf die ihm zugrunde liegende Thematik und ufert nicht orientierungslos aus. Er setzt sich somit klar von gesamte Sammlungen umfassenden Datenbanken oder Online-Archiven ab, da sein Fokus auf dem Bezug zur realen Ausstellung liegt, schafft Referenzen, wird jedoch nicht unüberschaubar und bietet dem User eine anwenderfreundliche Struktur an. 2.7.1.5 Aufbau Die Grundidee des Aufbaus wird vom gedruckten Katalog beibehalten, wohingegen tief reichende Erweiterungen durch die technischen Möglichkeiten zu verzeichnen sind.7 Konzept: Das Herz des Online-Katalogs ist eine Datenbank, die die in der realen Ausstellung präsentierten Werke enthält und somit der Liste des traditionellen Katalogs entspricht. Diese ist jedoch in erster Linie nicht als solche für den User zugänglich, sondern über unterschiedliche Verlinkungen, wie z. B. über Texte zur Ausstellung, einen Ausstellungsrundgang etc., die sich alle in einem bestimmten Interface präsentieren. Die Startseite ist durch ihren Einleitungstext potenziell mit allen Rubriken verbunden. Der User hat nun die Möglichkeit, sich gemäß dem Ausstellungskonzept
7
Das nachfolgende Konzept wurde dank Beratung von LAUNCH/CO (Marlene Schufferth und Norman Rosner) erarbeitet.
2.7 D ER O NLINE-K ATALOG | 303
(z. B. entlang eines Raumplans oder auch mithilfe eines konzeptbeschreibenden verlinkten Texts) fortzubewegen. Auch wird eine chronologische Reihenfolge oder eine Ordnung nach verschiedenen Thematiken der Ausstellung angeboten. Des Weiteren werden Suchoptionen, wie z. B. nach Künstlernamen, Werknamen, Stichworten, aber auch nach Autoren, ermöglicht. Diese Suchoptionen hängen direkt mit den im Katalog integrierten Elementen zusammen und können je nach Katalog variieren.8 Wie ein gedruckter Katalog weist das „Online-catalogue-document“ Paratexte zur Institution sowie zur Ausstellung auf. Durch interne und externe Verlinkungen wird der Haupttext in ein Referenznetzwerk eingebettet, das über jenes der Ausstellung hinausreicht. Die Verlinkungen werden bei jeder Erweiterung aktualisiert, sodass jedes Element in das Referenznetzwerk eingebettet ist. Der Aufbau ist nicht linear, sondern verzweigt. Verwaltung und Aktualisierung des Online-Katalogs werden aufgrund des Umfangs von einem Team vorgenommen. Alle Administratoren haben einen eigenen Zugang mit unterschiedlichen Zugangsrechten, sodass jeder nur auf ein spezifisches Feld Zugriff hat und versehentliche großräumige Änderungen weitestgehend ausgeschaltet werden können. Hervorzuheben ist, dass die Bilder – der Haupttext – nicht als Datenbank ersichtlich sind,9 sondern dass durch ein entsprechendes Interface die Bilder gemäß den Thematiken/der Hängung der realen Ausstellung gruppiert zugänglich sind. So hat der User einen thematischen Zugang in das Netzwerk und ist nicht mit allein stehenden Bildern konfrontiert. Neben klassischen externen Verlinkungen gibt es auch die Möglichkeit, alle (oder ausgewählte) Elemente auf seinem SocialNetwork-Account oder z. B. auf https://pinterest.com/ zu veröffentlichen. Des Weiteren wird angeboten, einzelne Elemente des Online-Katalogs in eine individuelle Applikation bzw. den digitalen „catalogue-en-acte“ zu überführen. Die ausgewählten, exportierten, im „catalogue-document“ geschriebenen Langtexte werden nun mithilfe einer Sprachsynthesesoftware als gesprochener Text bereitgestellt, sodass sie beim Museumsbesuch als eine Form von Audioguide eingesetzt werden können. Kurzinformationen, wie z. B. Bildlegenden, sind weiterhin als Text am Bildschirm ersichtlich. Der User kann vor seinem Ausstellungsbesuch einzelne Passagen aus
8
Um z. B. auch nach Videos oder Tonbeiträgen suchen zu können, müssen diese mit Tags versehen sein. Um eine Volltextsuche zu ermöglichen, ist eine Transkription des gesprochenen Texts unerlässlich. Ob dies notwendig ist, muss von Fall zu Fall abgewogen werden.
9
Die Grafik dieser Ansicht muss nicht mit der des gedruckten Katalogs übereinstimmen, sondern wird von einem speziellen Grafikteam den Anforderungen entsprechend gestaltet.
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dem Online-Katalog in eine Applikation exportieren und sich somit seinen individuellen Parcours zusammenstellen.10 Eine weitere Option, ausgewählte Teilinformationen des „Online-cataloguedocument“ in anderer Form zugänglich zu machen, ist die Print-Funktion. Die persönliche Auswahl an Bild- und Textelementen wird als Druckansicht angeboten und kann zum weiteren Studium ausgedruckt werden. Diese individuell zusammengestellte Druckversion sowie die Applikation sind speicherbar und ebenso auf den Social Networks zu teilen. Dem User wird noch eine weitere Form an Interaktivität angeboten: die Möglichkeit, (wissenschaftliche) Texte zur Ausstellung und/oder einzelnen Werken in einem Forum zu posten. Diese werden im Anschluss durch die Online-Katalogredaktion ausgewählt und nach spezifisch etablierten Richtlinien als Teilrubrik im Online-Katalog veröffentlicht. Dies ermöglicht die Integrierung einer weiteren Form des Paratexts und bietet dem einzelnen User oder Besucher der Ausstellung die Möglichkeit, auf hohem Niveau zum ephemeren Ereignis Stellung zu nehmen, ohne dass dieser als Journalist oder Kritiker tätig sein muss. Für diese Anwendung sowie für die Rückführung der Bookmarks ist es ratsam, die Erstellung eines Benutzerkontos und eine Moderation einzufordern, um die hohe Qualität der veröffentlichten Kommentare aufrechtzuerhalten. Zusammenfassend kann man festhalten, dass es drei Zugangsebenen gibt: rein online zugängliche Informationen, digital offline zugängliche Daten (Applikation/ „catalogue-en-acte“) und druckbare Informationen. Diese drei Facetten werden von einer Quelle – dem Online-Katalog – gespeist und bieten durch unterschiedliche Paratexte verschiedene Rezeptionsformen des Haupttexts an.
10 Eine Weiterführung wäre die Möglichkeit, dass während des Ausstellungsbesuchs der User in der Applikation Bookmarks und Kommentare setzen und diese im Anschluss wieder in den Online-Katalog zurückführen kann. Diese Rückführung muss jedoch moderiert werden, um die Qualität zu gewährleisten. Diese Bookmarks entsprechen den Notizseiten in einem gedruckten Katalog.
2.7 D ER O NLINE-K ATALOG | 305
Abb. 37: Skizze für ein „Web-catalogue-document“, 2013
Abb. 38: Skizze für ein „Web-catalogue-document“ erstellt in Balsamiq, 2013
2.7.1.6 Rezeptionsformen des Online-Katalogs Die Rezeptionsformen des Online-Katalogs unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von denen des gedruckten Katalogs. Sie sind nicht mehr der Linearität, sondern der Struktur des „non-sequential writing“ verschrieben. Somit ist die Rezeption des Online-Katalogs nicht ausschließlich mit der Lektüre, sondern auch mit dem realen Museumsbesuch in übertragener Form verwandt. Annette Hünnekens zieht den Vergleich mit angebotenen „Reisen“.11 Diese Begriffswahl lässt an den
11 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 35
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physischen Ortswechsel des Rezipienten denken und schlägt somit eine Brücke zu der von Hanakam & Schuller und mir aufgearbeiteten Thematik der „Flânerie“ in Bezug auf Ausstellungsrepräsentationen im Web 2.0.12 Eine umfassende Zusammenfassung des Verständnisses des Flaneurs als Konzeption der Moderne (siehe Harald Neumeyer) würde hier den Rahmen sprengen. Ich möchte daher nur auf ausgewählte Teilaspekte eingehen, die hier von Relevanz sind.13 Der urbane Kontext der „Flânerie“ ist dem digitalen Online-Netzwerk gewichen, stellt aber ebenso eine vom Menschen geschaffene – und somit von der Natur abgegrenzte – Struktur dar. Die körperliche Bewegung des Flanierens ist durch Klicken, Scrollen und Tippen ersetzt. Die physische Bewegung ist somit von den Beinen in die Hände bzw. die Finger verlagert. Bewegung im realen Raum wird in Bewegung im virtuellen bzw. digitalen Raum überführt. Mentales Flanieren ohne physischen Ortswechsel findet meist im privaten Raum (Bedienung der Tastatur und der Maus mit der Hand, Kopfbewegung beim Lesen und mentaler Ortswechsel) statt. Es geht nicht um das Zurschaustellen seines realen Ichs, sondern seines speziell geformten, künstlichen Ichs (dies reicht von der Repräsentation des Online-Flaneurs durch den Cursor bis hin zu bildlichen Avataren). Mögliche Parallelen zwischen dem Flaneur und dem Konzept des Online-Flaneurs sind Ziellosigkeit und die damit verknüpfte dezentrierte (physische oder mentale) Bewegung (man denke an die Hypertextstrukturen) sowie das Spiel mit der Anonymität und das Oszillieren zwischen privater und öffentlicher Ebene. Oft wird der Flaneur auch in die Nähe des Lesenden gestellt, der seine Umgebung – ähnlich einem Buch – liest. Die physischen Empfindungen, die beim Besuch einer Ausstellung oder beim Lesen eines Katalogs empfunden werden, verlagern sich in die Hand, jedoch können diese innerlich nachgespürt werden.14 So vermischen sich imaginierte und reale Empfindungen bzw. Einflüsse der unterschiedlichen Paratexte.
12 Siehe dazu z. B. das Video „15 minutes. Über die Repräsentationen von Ausstellungsmodellen im Internet. Ein Gespräch mit Markus Hanakam & Roswitha Schuller und Karin Mihatsch.“, das im Rahmen der VIENNA ART WEEK 2011 im weissen haus Wien (kuratiert von Elsy Lahner) gezeigt wurde, oder das Video „Session No 1 Flânerie“, das im Mai 2012 in Kassel aufgenommen wurde und derzeit in der Postproduktion ist (Stand Juli 2014). 13 Eine kurze Übersicht über „Flânerie“ findet sich im Appendix 16. 14 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 42
2.7 D ER O NLINE-K ATALOG | 307
Auch an diesem Punkt lässt sich das Konzept des Online-Flaneurs anknüpfen:15 Auch dieser nimmt durch Lesen wahr, nur das gelesene Medium ändert sich und ist nicht mehr ein Buch, sondern eine Website. Eng mit der „Flânerie“ verknüpft ist der Aspekt der Interaktivität, die schon von Friedrich Kiesler und László Moholy-Nagy in Bezug auf den Betrachter untersucht wurde.16 Beim Online-Katalog ist der Leser bzw. User mit digitalen Daten konfrontiert, die ihn zu einer Art „Datensammler“17 machen und von der passiven, lernenden Rolle in eine aktive versetzen. Er kann selbstständig Informationen auswählen und individuell kombinieren. Annette Hünnekens bezieht sich bei ihrer Definition der Interaktivität auf Söke Dinkla: „Der Begriff Interaktivität bezeichnet zwar ganz allgemein Wechselbeziehungen zwischen Handlungen, er steht jedoch bereits seit den 1960er Jahren im Kontext der Computerwissenschaft für die Fähigkeit des Computers, auf Eingaben des Benutzers ohne wesentliche Zeitverzögerung zu reagieren. Damit definiert Interaktion das Wechselspiel zwischen Mensch und digitalem Computersystem in Echtzeit.“18
Konzept: Gemäß dem Online-Flaneur soll der Online-Katalog ein ziel- sowie intentionsloses Wandeln ermöglichen. So werden eine hohe Komplexität des OnlineKatalogs und gleichzeitig eine klar verständliche und v. a. selbsterklärende Oberfläche gefordert. Diese schafft den Raum für den User, sodass dieser eine gewisse Haltung einnehmen und durch den Online-Katalog flanieren kann. Damit verbunden ist auch die Interaktivität, die sich klar von der Reaktivität abgrenzt. Die Interaktivität umfasst sowohl Aktionen als auch Reaktionen des Users. Beim Online-Katalog kann sich dies z. B. im Export einzelner Passagen in eine App (Reaktion) oder im Hochladen eines Texts (Aktion) zeigen. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund einer sehr hohen Komplexität, sodass sich der User verliert, sich
15 Vgl. Neumeyer, Harald: Der Flaneur. Konzeptionen der Moderne, Königshausen und Neumann, Würzburg, 1999, S. 54 16 Vgl. Huhtamo, Erkki: On the Origins oft he Virtual Museum, in: Parry, Ross (Hrsg.): Museums in a digital Age, Leicester Reader in Museum Studies, Routledge, New York, 2010, S. 125ff. 17 Fehr, Michael: Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter, in: Krämer, Harald (Hrsg.): Zum Bedeutungswandel der Kunstmuseen. Positionen und Visionen zu Inszenierung, Dokumentation, Vermittlung; [Tagungsband zum Kolloquium: Zum Bedeutungswandel der Kunstmuseen im Zeitalter der „Digitalen Revolution“ – ein Forum über Zukunftsfragen der Museen], Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg, 1998, S. 49 18 Dinkla, Söke: Pioniere Interaktiver Kunst, ZKM, Ostfildern, 1997, S. 14, zitiert aus: Hünnekens, Annette, 2002, S. 59
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der Struktur an sich nicht mehr bewusst ist und die Vorgänge an Vorhersagbarkeit verlieren. Diese Komplexität wird z. B. durch interne und externe Verlinkungen und deren vielschichtige Strukturierung geschaffen.
2.7.2 Z USAMMENFASSUNG Die vorangehende Skizzierung eines Online-Katalogs gibt Einblick in die aktuellen Möglichkeiten dieses Genres. Es führt die vom gedruckten Katalog schon eingeführte Überwindung der räumlichen Begrenzung des Museums fort und bietet dem Leser noch vielfältigere Wahrnehmungsmöglichkeiten der Exponate und des spezifischen Kontexts an.19 Die im Online-Katalog möglichen Verlinkungen und die Schaffung eines imaginären Referenzgeflechts sind dem gedruckten Katalog ähnlich, jedoch sind hier die Möglichkeiten weitaus mannigfaltiger. Durch die Übersetzung der Originale in digitale Reproduktionen wird ein viel breiterer imaginärer Raum geschaffen, in den der User (inter-)aktiv eintauchen kann (vgl. Malraux). Durch Kataloge allgemein hat nun jeder die Möglichkeit, sich ein Museum bzw. eine Ausstellung anzueignen und in gewisser Weise zu besitzen.20 Aber auch für das Museum oder die Sammlung bietet der Katalog neue Möglichkeiten. Sammlungsbestände, die aufgrund eines fehlenden permanenten Ausstellungsraums nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, erfahren sowohl im gedruckten als auch im Online-Katalog eine neue Plattform. Durch die Digitalisierung der Bestände kann ein Archiv für Forschungszwecke aufgebaut werden und in einem weiteren Schritt können Online-Kataloge (selbst ohne reale Ausstellung) konzipiert werden (vgl. dazu z. B. die Bemühungen der Oskar-Kokoschka-Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien21). Wie bei der Etablierung des Buchdrucks stellt auch die Verbreitung des OnlineKatalogs die Leser vor neue Herausforderungen. Der Kommunikationswissenschaftler Vilém Flusser stellte bereits fest, dass die Technik sich schneller als die Wahrnehmungsgabe des Menschen entwickelt. Bei Einführung eines neuen Mediums wird eine gewisse Zeit benötigt, damit dieses auch in all seinen Facetten mit dem Inhalt verknüpft wahrgenommen werden kann (vgl. „Technoimagination“)22. Aber auch Niklas Luhmann oder Marshall McLuhan beschäftigen sich mit der
19 Vgl. ebd., S. 85 20 Vgl. ebd., S. 100 21 Vgl. Werkner, Patrick (Hrsg.), 2010, S. 9f. 22 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 67
2.7 D ER O NLINE-K ATALOG | 309
Etablierung Neuer Medien und ihrem Bezug zu den (alten) Inhalten und der Rolle des Rezipienten/Empfängers.23 Auch ist die Frage nach den Rechten eine zentrale und die genaue Handhabung wird sich erst im Laufe der Zeit je nach Anforderungen etablieren. Der prozessuale Charakter des Online-Katalogs ist u. a. mit den soeben genannten Faktoren verbunden (z. B. werden dauerhafte oder nur zeitlich begrenzte Bildrechte vergeben). Die Wandlungsfähigkeit der Inhalte während der Laufzeit sowie die Dauer der Zugänglichkeit des Online-Katalogs grenzen diesen klar von seinen gedruckten Vorläufern ab. Soll der Online-Katalog nach Schließung der realen Ausstellung offline gehen und somit vielmehr als Guide während der Laufzeit dienen? Oder soll er nach Ende der Ausstellung abgeschlossen sein und als „Archiv“ weiterhin online zugänglich sein (dies würde das „catalogue-document“ hervorstreichen)? Eine weitere Möglichkeit wäre, diese Plattform auch über die Laufzeit der Ausstellung hinaus online zu belassen und somit die Gelegenheit zu geben, den OnlineKatalog als Plattform für den weiterführenden Austausch rund um die reale Ausstellung zu nutzen (man denke in diesem Zusammenhang an eine Art Blog). Diese Variante erscheint mir als die medienadäquateste, jedoch wird in den meisten Fällen die Problematik der dauerhaften Finanzierung diesen Plänen derzeit noch einen Riegel vorschieben. Vor diesem Hintergrund sehen wir, dass das Medium Online-Katalog noch ganz am Anfang steht und wir uns noch nicht all seiner Möglichkeiten bewusst sind.
23 Siehe z. B.: Fehr, Michael: No file, no error, in: Fehr, Michael (Hrsg.): Open Box. Künstlerische und wissenschaftliche Reflexionen des Museumsbegriffs, Wienand, Köln, 1998, S. 357ff.
3. These und Überprüfung der These
3.1 Der Ausgangspunkt
Den Ausgangspunkt der vorliegenden Überlegungen bildet der folgende Fragenpool: • • • • • •
Welche unterschiedlichen Formen von Online-Katalogen gibt es? Wie kann man diese systematisieren? Welche Funktionen haben sie? Wie verändern sich die Abbildungen und der Text sowie ihr Bezug zum ephemeren Ereignis der Ausstellung? Warum etablieren sich Online-Kataloge heutzutage? Sind diese als Weiterentwicklung der gedruckten Kataloge zu sehen?
Die unterschiedlichen Formen und Funktionen des Online-Katalogs, ihre Systematisierung sowie die Rolle des Texts und des Bilds wurden in den vorhergehenden Kapiteln analysiert. Ebenso wurde der Bezug des Online-Katalogs zum ephemeren Ereignis erläutert. Nun sind noch die beiden letzten – zentralen – Fragen zu beantworten: Warum etablieren sich Online-Kataloge? Handelt es sich um Kataloge im herkömmlichen Sinne oder um ein weiteres Medium neben Ausstellung und Katalog bzw. wie sind diese abgrenzend zu definieren?
3.2 Warum etabliert sich der Online-Katalog?
Bereits zu Beginn der Entwicklung des Sammlungs- und Ausstellungskatalogs lässt sich eine Übersetzung der herkömmlichen Inhalte in das jeweils neu zugängliche Medium (Holzschnitt > Stich > Schwarz-Weiß-Druck > Farbdruck) bemerken. Durch diese Überführung werden sukzessive der Inhalt und seine Rezeption verändert. Dies macht auch vor dem Online-Katalog nicht halt. Zwar schreitet die Entwicklung der Technik schneller voran als die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Menschen, wie Flusser festhält, aber mit einer bestimmten Zeitverzögerung werden auch die Wahrnehmungsfähigkeiten in der Gesellschaft entwickelt und das Neue kann gänzlich genutzt werden. So kann mit heutigem Stand der Dinge der gedruckte Katalog detailliert analysiert und in seiner Gesamtheit verstanden (und in mannigfaltigen Formen) angewandt werden. Die aktuelle Wahrnehmung meistert ebenso schon in gewissen Bereichen die Integrierung des allgemeinen Online-Angebots in den Alltag. Der Startschuss für das immer steigende Durchwachsen von realen Interaktionen und digitalen bzw. Online-Verbindungen ist somit gefallen. Die junge Generation wächst mit diesen Technologien auf und sieht sie als selbstverständlich an. Heutzutage treffen jedoch (noch) verschiedene Nutzergenerationen aufeinander, die sehr unterschiedlich mit den Neuen Medien umgehen. Genau diese Diversität bietet einen fruchtbaren Boden, um die aktuellen Entwicklungen sinnvoll und differenziert zu analysieren. Im Ausstellungsbereich ist der Prozentsatz der (aktiven) jugendlichen Besucher nicht dominant (man sehe von den für die Besucherstatistiken sehr wichtigen Schulgruppen ab). Somit wird hier die Etablierung der Selbstverständlichkeit des Online-Katalogs, der Apps u. Ä. noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dass sich diese Medien behaupten werden, ist jedoch sehr wahrscheinlich, da OnlineAngebote auch Vorteile bieten. Durch die leichte Aktualisierbarkeit und die Möglichkeit, unterschiedliche Interaktionen mit und unter den Besuchern der Ausstellung zu forcieren, spiegelt der Online-Katalog die aktuellen Ausstellungsformen, die sich u. a. durch die Beschäftigung mit der Rolle des Besuchers sowie die Veränderbarkeit auszeichnen, wider. Der gedruckte Katalog kann nicht so flexibel auf
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all die Änderungen des ephemeren Ereignisses eingehen, sondern hält ein gewisses Bild der Ausstellung dauerhaft fest. Der Online-Katalog hingegen ist flexibel und entwickelt sich mit der Ausstellung. Die Grade der Flexibilität von Ausstellung und Katalog nähern sich an. Der prozessuale Charakter auf zeitlicher Ebene ist somit ein klarer Vorteil, der u. a. zur Entwicklung der bisherigen Online-Katalogformen beigetragen hat. Auch die Möglichkeit, ein assoziatives, „non-sequential“ Informationsnetzwerk in Form eines Online-Katalogs zu schaffen, baut den prozessualen Charakter weiter aus und rückt diese neue Online-Publikationsform dem Leser und seiner Erlebniswelt nahe. Dieser Umstand wird auch als Bedienungserleichterung wahrgenommen und kann für gewisse Nutzergruppen als Abgrenzung oder sogar als Vorteil gegenüber dem gedruckten Katalog gewertet werden.
3.3 Das „Web-catalogue-document“ als eigenständiges Medium?
In den vorherigen Kapiteln wurde die Abgrenzung des Online-Katalogs von seinem gedruckten und virtuellen Vorläufer dargelegt. Überschneidungen in einigen Bereichen und Unterschiede in vielen Punkten sind zu verzeichnen. Durch die Übersetzung der Idee und der Inhalte des herkömmlichen Katalogs in das neue Medium ist der Online-Katalog einer gravierenden Veränderung unterworfen, die auch seine Präsentationsform beeinflusst. Inhalt und Form bedingen sich gegenseitig und tragen folglich zur Ausbildung einer neuen Gattung bei. Über mehrere Zwischenschritte im digitalen Offline- sowie Online-Bereich wird ein neues Online-Publikationsgenre geboren. Dieses findet seinen Ausgangspunkt in den gedruckten Katalogen und wird anfänglich unreflektiert direkt auf das OnlineMedium übertragen, ist aber alsbald ständiger Entwicklung unterworfen und assimiliert immer mehr die Möglichkeiten des neuen Mediums in seiner Struktur und seinen Inhalten. Erst noch als Annex herkömmlicher Websites konzipiert, werden die ersten Online-Katalogvorläufer immer autonomer und lösen sich sowohl strukturell als auch inhaltlich immer mehr von der Host-Website. Ihr Angebot wird vielfältiger und grenzt sich ebenso deutlich von Online-Datenbanken oder musealen Internetauftritten ab. Dies führt zu einer klaren Emanzipierung und mündet schließlich in der Etablierung eines unabhängigen Genres. Dem neuen Genre des OnlineKatalogs sind weiterhin seine Online- und Offline-Wurzeln immanent, jedoch hat es eine grundlegende Transformation durch das Medium erfahren und stellt somit den Anfangspunkt von etwas Neuem dar. Um diese Unabhängigkeit hervorzuheben, ist auch eine neue Benennung des Genres vorteilhaft, da die Bezeichnung „Online-Katalog“ oder „Online-cataloguedocument“ diese Selbstständigkeit nicht hervorhebt, sondern sich ausschließlich auf den Ursprung und im weitesten Sinn auf das aktuelle Medium bezieht, ohne die Charakteristika zu berücksichtigen. Um der Abbildung sowohl der Wurzeln als auch des Inhalts und des Mediums gerecht zu werden, wären beispielsweise die Be-
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zeichnungen „Online-Ausstellungsplattform“, „Online-Ausstellungsbasis“, „Online-catalogue-document“ oder „Web-catalogue-document“ denkbar. Im Vergleich zu den anderen Vorschlägen umfasst die Bezeichnung „Webcatalogue-document“ präzise die Herkunft dieses neuen Genres, das Medium, in dem es sich aktuell manifestiert, sowie generell seine Funktion und erscheint mir daher auf aktuellem Entwicklungsstand für das derzeit noch sehr junge Genre adäquat. Eine Erweiterung der Benennung in Form von „Web-2.0-cataloguedocument“ (und später eventuell „Web-3.0-catalogue-document“) wäre denkbar. Infolge künftiger theoretischer Auseinandersetzungen mit dem „Web-cataloguedocument“ und voranschreitender Spezifizierung dieses Genres wird eventuell in der Zukunft eine neue Bezeichnung vonnöten sein, um dieses Genre präzise zu benennen. Derzeit erscheint „Web-catalogue-document“ jedoch als passender Begriff. Hinsichtlich dieser neu eingeführten Bezeichnung lautet nun eine zweite Kurzdefinition wie folgt: Ein Online-Katalog ist eine im Web 2.0 eigenständige veröffentlichte Website, die Funktionen und Inhalte eines gedruckten Katalogs teilweise aufnimmt und durch die Möglichkeiten des neuen Mediums sowohl inhaltlich als auch strukturell und bezüglich des prozessualen Charakters weiterführt. Dieses neue Genre wird mit aktuellem Entwicklungsstand als „Web-catalogue-document“ bezeichnet.
3.4 Zusammenfassung
Die vorliegende Analyse und die Skizzierung eines „Web-catalogue-document“ zeigen die Verbindungen zu seinen gedruckten Vorläufern auf, ohne auf seine Abgrenzung von ebendiesen zu vergessen. Ebenso wird der Bezug zu seinen OnlineQuellen erläutert. Die bisher existierenden Online-Kataloge sind als Vorläufer zum „Web-catalogue-document“ zu sehen. Aus dem rein rechnerischen Vergleich der vier Beispiele geht hervor, dass „Explore“/„Art Project powered by Google“ den sechs Kriterien (mit ihren Abstufungen) des „Web-catalogue-document“ am ehesten entspricht. Dies ist das einzige hier diskutierte Beispiel, das nicht von einer musealen Struktur in Auftrag gegeben wurde. Als User erfährt man „Parcours d’exposition“/elles@centrepompidou jedoch dem Katalog am nächsten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Bezug zum temporären Ereignis klar ersichtlich ist, dass die Übersetzung des Ausstellungskonzepts in den Katalog eine neue Sicht auf das reale Ereignis wirft und schlussendlich dass dieses Online-Service verhältnismäßig isoliert zugänglich ist. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Unabhängigkeit eine wesentliche Rolle spielt. Die Etablierung dieses neuen Genres ist aufgrund der technischen Möglichkeiten und ihrer Integrierung in den Alltag gegeben und weitverbreitet. Diese Entwicklung hat die Basis für das „Web-catalogue-document“ geschaffen. Erste Unternehmungen, das Genre Katalog ins Web 2.0 zu übertragen, lieferten noch sehr reduzierte und direkte Übersetzungen (man denke z. B. an die online gestellten PDFs der gedruckten Kataloge). Durch die Analyse und Auseinandersetzung mit diesen anfänglichen Versuchen wurden nach und nach die Besonderheiten dieses Mediums in Bezug zum Katalog in der Konzeption immer mehr berücksichtigt. Da zum aktuellen Stand verschiedene Nutzergenerationen parallel existieren, ist eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik derzeit besonders interessant und facettenreich und führt zu einem detailreichen Blick auf die derzeitige Situation. Somit handelt es sich mittlerweile nicht mehr um eine reine Übertragung des gedruckten Katalogs ins Web 2.0, sondern um speziell konzipierte Online-Kataloge, die sowohl Inhalt als auch Medium nach derzeitigem Wissensstand sinnvoll miteinander verknüpfen.
320 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Durch diese Überwindung der reinen Übertragung und dank des grundlegend neu gedachten Konzepts, der neuen Struktur und der damit verbundenen (teilweise) neuen Inhalte ist das im Entstehen begriffene „Web-catalogue-document“ als neues, unabhängiges Genre anzusehen. Durch ebendiese Merkmale ist das Verhältnis zum gedruckten Katalog komplementär zu sehen und nicht als Konkurrenz. Die Umsetzung eines ersten „Web-catalogue-document“ gemäß der hier dargelegten Konzeption steht derzeit in den Startlöchern und eine konkrete Umsetzung (zumindest eines Prototyps) wird hoffentlich in absehbarer Zeit vorgenommen werden können.
4. Konklusion
4.1 Konklusion und Ausblick
Die historische Analyse der Entwicklung des gedruckten Sammlungs- und Ausstellungskatalogs ausgehend vom 15. Jahrhundert legt den Grundstein für die Untersuchung dieses Publikationsgenres im digitalen Offline- sowie Online-Bereich bis zum heutigen Tag. Daraus lässt sich die Unterscheidung zwischen „cataloguedocument“ und „catalogue-en-acte“ ähnlich einem roten Faden festmachen und deren Bezug zum realen ephemeren Ereignis analysieren. Die bisherigen OnlineKataloge sind als Vorläufer zum „Web-catalogue-document“ zu betrachten, da es sich bei diesen nicht um eine unabhängige Anwendung handelt, sondern um Teilangebote eines bestehenden Online-Diensts. Erst das im Entstehen begriffene „Web-catalogue-document“ weist die Eigenständigkeit eines neuen Genres auf. Diese Erkenntnisse bilden die Basis für die vorliegende Skizzierung eines „Web-catalogue-document“, das sowohl Merkmale des Genres Katalog in Bezug zu den technischen Möglichkeiten des Webs 2.0 (und der Endgeräte) setzt als auch direkt vom neuen Medium definierte Charakteristika aufweist. Die Verbindung zwischen Inhalt und Medium und das dadurch geschaffene neue Referenznetzwerk markieren die Unabhängigkeit des „Web-catalogue-document“. Diese neuen Konstellationen erschließen dem Leser neue Zugangsmöglichkeiten und Inhalte. Die Idee des ursprünglichen Eckpfeilers des Katalogs (die Liste) wird beibehalten. Diese erfährt jedoch durch die Möglichkeiten des Webs 2.0 zuerst eine neuartige Einbettung in den Kontext. In einem weiteren Schritt wird durch das Medium die Rezeption transformiert (stofflicher Status). Das Resultat ist das sogenannte „Webcatalogue-document“, das eine eigenständige Website ist, die – wie eben erläutert – die Inhalte und Funktionen des herkömmlichen „catalogue-document“ teilweise aufnimmt. Beide erfahren durch den Einfluss des Mediums eine Erneuerung, sodass eine Umstrukturierung der Inhalte im prozessualen Sinne die Folge ist. Die vorliegende Skizze eines „Web-catalogue-document“ wurde in dieser Form bisher noch nicht praktisch umgesetzt. Sie stellt eine mögliche Annäherung an die-
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ses neue Genre dar und kann je nach Anforderungen und technischen Möglichkeiten modifiziert werden. Eine mögliche Erweiterung des „Web-catalogue-document“ ist sowohl aus technischer/inhaltlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht denkbar. Technisch wäre z. B. eine Navigation durch Spracherkennung möglich. Diese Navigationsart wäre sowohl für die Online-Version als auch für die exportierte App denkbar. Eine Navigation durch das „Web-catalogue-document“ anhand von Spracherkennung verändert grundlegend den Bezug zwischen Nutzer und Objekt (und seinen Inhalten) und eine weitere Form der Interaktivität wird somit einbezogen. Diese verringert nicht nur potenziell die Distanz zu den Inhalten, sondern fördert auch die vernetzte bzw. assoziative Navigation im „Web-catalogue-document“. Dies würde die Eigenständigkeit des Genres noch weiter untermauern. Bezüglich der exportierten App wäre auch eine Erweiterung durch Informationen, die durch den in der Ausstellung angebrachten QR-Code zugänglich gemacht werden, vorstellbar. Das Angebot von Zusatzinformationen über in der Ausstellung auf den Labels angebrachte QR-Codes hat mittlerweile Einzug in die Museen und Ausstellungen gehalten. Die Verknüpfung mit dem „Web-catalogue-document“ wäre nun ein weiterer Schritt, der in Folge auch das Verhältnis zwischen „Webcatalogue-document“ und ephemerem Ereignis verändert. Darüber hinaus ist die (teilweise) Rück- bzw. Überführung der Inhalte in gedruckte Form Bestandteil des Konzepts des „Web-catalogue-document“. Bisher wurde diese Übersetzung in zweidimensionaler Form gedacht. Eine Möglichkeit ist, diese ebenso in ihrer Dreidimensionalität in Erwägung zu ziehen: Die Reproduktionen der ausgestellten Originale werden als 3-D-Modell direkt aus dem „Webcatalogue-document“ über einen speziellen Drucker generiert und geben der Aneignung der Inhalte über den Katalog eine völlig neue Bedeutung. Das Generieren einer eigenen Sammlung der (verkleinerten) Reproduktionen der Exponate wäre möglich und würde ein neues, erweitertes Begreifen des Ausstellungskonzepts ermöglichen. Eine Art „3D Musée Imaginaire“ bzw. ein „3D catalogue“ würde ein andersartiges Referenznetz, das individuell veränderbar ist, bieten und infolgedessen eine weitere Ebene dem „Web-catalogue-document“ hinzufügen. Nicht zuletzt wäre durch die Sprachnavigation (und die eventuell daran gekoppelte Sprachausgabe der gewählten Inhalte) sowie durch die dreidimensionale Ausgabe der Inhalte des „Web-catalogue-document“ der Zugang auch für sehbeeinträchtigte Menschen in einem ersten Schritt geboten, was eine wesentliche Erweiterung gegenüber des gedruckten Katalogs darstellen würde.
4.1 K ONKLUSION UND A USBLICK | 325
Auch auf wirtschaftlicher Seite ist Potenzial zu erkennen: Ein umfassend angelegtes „Web-catalogue-document“ erfordert ein gewisses Budget, das für die Umsetzung ausschlaggebend ist. Nicht immer ist dieses (anfänglich) im vollen Umfang vorhanden. Eine Möglichkeit, die Inhalte ertragreich zu gestalten, ohne diese direkt zu beeinflussen, wäre, dass beim Export in die individuelle App die einzelnen Werke mit den im Museums- bzw. Ausstellungsshop erhältlichen MerchandisingProdukten verlinkt werden. So hat der Besucher direkt beim Ausstellungsbesuch den Link zu den verfügbaren Objekten bzw. Produkten und kann sich diese für den anschließenden Besuch im Shop (z. B. zu einem vergünstigten Preis) reservieren. Die mit der Konzeption der App betrauten Firmen können an den Verkäufen, die aus dieser Vernetzung resultieren, prozentuell beteiligt sein. Somit würde ein gewisser Anteil der Finanzierung als Gewinnbeteiligung berechnet und die Anfangskosten würden gesenkt. Ob diese Verlinkung ausschließlich bei der App oder ebenso direkt im „Web-catalogue-document“ vollzogen werden sollte, ist eine Entscheidung des Konzeptionsteams und sollte von Fall zu Fall getroffen werden. Jedoch muss hier ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass diese Verlinkung keine direkten inhaltlichen Auswirkungen auf das „Web-catalogue-document“ und seine Funktion als Recherchetool hat. Eine indirekte Auswirkung wird jedoch nicht gänzlich auszuschließen sein. Daher muss dieser Schritt äußerst bedacht und nur in jenen Fällen getätigt werden, in denen keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten gegeben sind. Man sollte sich jedoch stets um eigenständige Finanzierung des „Webcatalogue-document“ bemühen, um die Inhalte möglichst frei und unabhängig als Bildungsinhalt transportieren zu können. Auch die Erweiterung des prozessualen Aspekts, der in den vorherigen Kapiteln erläutert wurde, ist ein noch in den Startlöchern stehendes Unterfangen und beinhaltet ein großes, derzeit noch nicht ausgeschöpftes Potenzial. Man denke in diesem Zusammenhang an bild- bzw. videoimmanente Informationen, die ausschließlich online zur Verfügung stehen. Diese können jederzeit aktualisiert bzw. verändert werden, sind jedoch in ihrem Hyperlink-Bezug nicht in ein anderes Medium übertragbar, sondern exklusiv dem „Web-catalogue-document“ vorbehalten. Bei der Überführung in ein anderes Medium geht der „non-sequential“ Charakter verloren und wird in einen linearen übersetzt. Die Formen dieser prozessualen Information sind mannigfaltig und können vielfältig erweitert werden. Zum aktuellen Zeitpunkt wird das „Web-catalogue-document“ noch nicht in seinem gesamten Umfang begriffen. Das Medium ist zu jung, als dass es auf allen Ebenen analysiert und adäquat genutzt werden könnte. Erst wenn das „Webcatalogue-document“ in gewisser Weise schon als überholt angesehen wird, werden wir in der Lage sein, dieses präzise zu verstehen und vollständig zu beherrschen.
326 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Um „Web-catalogue-documents“ für künftige Generationen zu erhalten, ist die Frage nach der Archivierung dieser prozessualen Online-Publikationen nicht zu vergessen. Durch die Schnelllebigkeit der Daten, die sich schon bei den CD-ROMs zeigt, ist die Suche nach einer adäquaten Archivierung schon bei der Konzeption des „Web-catalogue-document“ mitzudenken. Eine Online-Archivierung, spezielle „Web-catalogue-document“-Clouds oder „Web-catalogue-document“-Server wären Möglichkeiten. Jedoch sind wir auch hier mit der Problematik konfrontiert, dass diese Daten nur begrenzte Zeit mit den Nutzergeräten kompatibel sind und in der Folge nur beschränkt in der Zukunft zugänglich sein werden. Diese Verfügbarkeit ist jedoch zentral, um einerseits als Recherchetool über die Ausstellung der Wissenschaft zur Verfügung zu stehen und andererseits eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem „Web-catalogue-document“ zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen. Unabhängig von diesen zukunftsweisenden Themenfeldern ist abschließend festzuhalten, dass sich das „Web-catalogue-document“ als Antwort auf das an die technischen Möglichkeiten angepasste Rezeptionsverhalten der ehemaligen Katalogleser entwickelt und als eigenständiges Genre etabliert hat. Diese Abhandlung trägt zur Auseinandersetzung mit dem Bezug zwischen Gesellschaft und Web 2.0 im kulturellen Bereich bei, kann aber aktuell nicht auf alle Fragen eine dauerhaft gültige Antwort liefern. Das Genre des „Web-cataloguedocument“ ist noch zu jung, als dass eine vollständige Analyse derzeit möglich wäre. Die Arbeit zeigt dennoch sowohl einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Online-Dienste bezüglich des Genres Ausstellungs- und Sammlungskatalog auf als auch seine mögliche künftige Ausrichtung und steuert somit einen neuen Beitrag zum aktuellen Diskurs über den Bezug zwischen Kultur und Web 2.0 bei.
5. Anhang
Appendix
Appendix 1 Hier möchte ich mich auf die Theorie von Gérard Genette, die er in „Paratexte“ vorstellt, beziehen: Der Umschlag adressiert sich sowohl an eine breite Öffentlichkeit als auch an die Leser und beinhaltet meist verlegerische und auktoriale Angaben zum Werk. Die sogenannte „Umschlagseite eins“ setzt sich u. a. aus folgenden Punkten zusammen: Name und ggf. Titel oder Pseudonym des Autors, Titel des Werks, Gattungsangabe, Name des Übersetzers, (...) spezifische Illustration, (...) Datum (...).1 Die Titelseite ist meist nicht paginiert. Auch spielt die Farb-, Papierund Grafikwahl eine entscheidende Rolle. Aber auch die auf dem Umschlagrücken angebrachte Information ist äußerst wichtig, da diese den Katalog als solchen ausweist, wenn dieser im Buchregal steht und somit auch latent auf den Besuch der Ausstellung hinweist. In manchen Fällen weist der Umschlag auch Klappen auf, bedruckt als Informationsträger, unbedruckt als Prestigeelement, was auf die Wichtigkeit des Ereignisses und somit des Katalogs hinweist. Um Genettes Aufzählung zu folgen, sollen auch Schutzumschläge und Bauchbinden ihre Erwähnung finden. Schutzumschläge (vgl. z. B.: „Politoics. Das Buch zur documenta X“, 1997) dienen, wie der Name schon sagt, einerseits zum Schutz des Umschlags, wenn dieser z. B. mit Textil überzogen ist, aber andererseits auch dazu, um in der Masse der Publikationen aufzufallen und den Leser und potenziellen Käufer auf sich aufmerksam zu machen. Ähnlich wie die schreienden Bilder bei den Salonausstellungen buhlt nun der Katalog durch einen auffallenden Schutzumschlag (der meist preiswerter in der Produktion ist als ein aufwendiger Umschlag) im Museumsshop um die Gunst der Käufer. Die Bauchbinde ist sozusagen eine Miniaturvariante des Schutzumschlags und dient u. a. demselben Zweck.2
1
Vgl. Genette, Gérard, 2001, S. 29f.
2
Vgl. ebd., S. 32ff.
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Appendix 2 Der vormalige Markgraf von Brandenburg, spätere Kardinal des Römischen Reichs und klare Gegner von Martin Luther, Albrecht von Brandenburg (1490–1545), lässt sich im Jahr 1526 sein persönliches Heiltumsbuch ähnlich einem Privatkatalog oder einer einmaligen Künstleredition anfertigen. Diese für den persönlichen Gebrauch konzipierte Publikation nimmt eine Sonderstellung ein, da sie ein Unikat ist. Die auf Pergament realisierten Zeichnungen der Reliquien des Halleschen Heiltums („Liber ostensionis“) sind keine geläufigen Holzschnitte, sondern mit Tusche, Wasser- oder Deckfarben handgefertigte Unikate.3 Abb. 39: persönliches Heiltumsbuch von Albrecht von Brandenburg
Dieser Pergamentcodex zeigt weit mehr als 300 Reliquien des Heiltums, dargestellt als ganzseitige Reproduktionen mit erläuternden Beschreibungen.4 Die Reliquien werden isoliert von ihrem Kontext auf neutralem Grund wiedergegeben und dadurch nicht zusätzlich sakralisiert. Nicht einmal Text oder Titel „stören“ die reine Bildrezeption, sondern sind auf separaten Seiten gedruckt. Interessant bei diese-
3
Interessant beim Halleschen Heiltumsbuch ist, dass dieses in digitaler Form als CD-ROM der MediaCircle GmbH Regensburg käuflich zu erwerben ist. Hier könnte man von einer digitalen Dokumentation einer analogen Dokumentation sprechen. Diese Überlegung spannt den Bogen über digitalisierte zu Online-Katalogen.
4
Vgl. Zahlten, Johannes, 2004, S. 11
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Sonderfall des Heiltumsbuchs ist, dass es sich um ein Einzelexemplar handelt. Die heilige Reliquien darstellenden Abbildungen sind nicht wie sonst üblich durch Holzschnitt oder Kupferstich vervielfältigte Darstellungen des Originals, sondern es handelt sich um einzigartige Zeichnungen, die ihrerseits wieder einen Anspruch auf Originalität erheben. Handelt es sich dennoch weiterhin um Reproduktionen des Originals oder geht der Codex einen Schritt weiter, indem er Originale, die in einem bestimmten Bezug zu anderen Originalen stehen, zusammenfasst? Ist das Heiltumsbuch mit der Ausstellung an sich gleichzusetzen, als Folge der Kombination von Originalen? Entsteht somit ein „troisième œuvre“ (vgl. Pierre Bal-Blanc), das Heiltumsbuch als ein eigenständiges künstlerisches Werk? Bemerkenswert ist auch der Fakt, dass dieses Buch nicht für die breite Öffentlichkeit hergestellt wird, sondern für den persönlichen Gebrauch von Albrecht von Brandenburg. Daher hat es nicht so sehr die Verbreitung und Bekanntmachung des Halleschen Heiltums als Absicht, sondern vielmehr die Bewusstmachung des zusammengetragenen „Besitzes“, der Sammlung. Der Akt der Aneignung steht somit im Zentrum des Interesses. Appendix 3 Ich möchte an dieser Stelle die Analyse auf den Katalog „La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux“ als Objekt und auf das Titelblatt des Bildkatalogs beschränken.5 Der Katalog „La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux“ als Buch ist interessant hinsichtlich seiner Existenzform: Als Objekt mit einer gewissen Größe, Format, Seitenanzahl, Papierbeschaffenheit, Druckeigenheiten, Grafik, Umschlaggestaltung ... ist es an sich als faktisch existierend zu sehen.6 All diese Punkte verändern die Rezeption des Haupttexts, indem sie den Kontext ebendieses beeinflussen. Ebenso hängt die Rezeption von der jeweiligen Epoche ab und es macht einen Unterschied, ob wir den Katalog heute betrachten oder ob dies Ende des 18. Jahrhunderts geschieht. Bei der genauen Betrachtung des Titelblatts des Bildteils ist eine differenziertere Analyse vonnöten: Das Titelblatt setzt sich aus Titel, Illustration, Angaben zu Mäzen, Stecher sowie Drucker und schlussendlich der Jahreszahl zusammen. So entspricht diese Seite der von Genette sogenannten „Umschlagseite eins“, die Name und ggf. Titel oder Pseudonym des Autors, Titel des Werks, Gattungsangabe, Name des Übersetzers, (...) spezifische Illustration, (...) Datum (...)7 umfasst. Die Titelseite ist meist, wie auch in diesem Fall, nicht paginiert.
5
Wenn nicht anders vermerkt, basiert diese Analyse auf: Genette, Gérard, 2001
6
Vgl. Genette, Gérard, 2001, S. 23ff.
7
Vgl. ebd., S. 29f.
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Der Titel lautet wie folgt: ESTAMPES DU CATALOGUE RAISONNÉ ET FIGURÉ DES TABLEAUX DE LA GALERIE ÉLECTORALE DE DUSSELDORFF. Dieser Titel ist nicht durch einen Punkt in Titel, Zweittitel und Untertitel geteilt, jedoch entsteht durch den Einsatz von typografischen Elementen folgender Lesefluss: 1.) ESTAMPES DES TABLEAUX (→ Titel) 2.) DU CATALOGUE RAISONNÉ ET FIGURÉ (→ Zweittitel) 3.) DE LA GALERIE ÉLECTORALE DE DUSSELDORFF (→ Untertitel).8 Der Titel enthält Angaben zum Inhalt, zur Gattungsform und eine Spezifizierung der geografischen Einordnung des Inhalts. Darunter befindet sich eine Grafik, die Bezug auf die Reproduktionstechnik nimmt: Man sieht, wie ein Engelchen eine antike Statue abmalt. Dieses Gemälde dient einem zweiten Engelchen als Vorlage für seinen Stich. Am Boden sieht man Bücher (die eventuell ebenso als Vorlage für den Stecher dienen?) und Druckutensilien. Ich denke, dass sich diese Illustration im Sinne Genettes auf den stofflichen Status dieses Paratexts besinnt. Er gibt Aufschluss über die angewandte Reproduktionstechnik und verweist auch auf die Sorgfältigkeit, mit der die Stecher – gleichsam wie Engel – an das Werk herangegangen sind. Unter dieser Illustration ist Folgendes zu lesen: AVEC PRIVILEGE DE S. A. S. MONSEIGNEUR L’ELECTEUR PALATIN. Hierbei handelt es sich um die Nennung des Monseigneur l’Electeur, zu dessen Ehren dieser Katalog erscheint. Dies ist nach Genette eine öffentliche Zueignung, die der Autor, in diesem Fall Pigage, an eine bekannte Persönlichkeit tätigt. Ziel einer Zueignung ist einerseits der Zugeeignete, aber andererseits auch das Publikum bzw. die Leser. Sie soll die Beziehung zwischen Zueigner und Zugeeignetem veranschaulichen. Diese ist aber nicht mit der persönlichen Widmung eines einzelnen Exemplars zu verwechseln. Darunter findet man folgenden Satz: A BASLE, CHEZ CHRETIEN DE MECHEL Graveur de S. A. S. É. P. & Membre de plusieurs Académies, Et chez les INSPECTEURS DES GALERIES ÉLECTORALES à DUSSELDORFF & à MANNHEIM. Bemerkenswert dabei ist, dass hier auch Passagen in Groß- und Kleinbuchstaben in Erscheinung treten. Hierbei handelt es sich um die Informationen, die Genette auf der „Umschlagseite eins“ festmacht: Angaben zu Stecher und Ort der Produktion sowie textuelle Kontextualisierung des Stechers und damit die Absicht der Wertsteigerung. Nach einer Abgrenzung durch ein grafisches Element erfolgt die Angabe der Jahreszahl: MDCCLXXVIII. Das Jahr 1778. Wie ist nun der Paratext „Titelblatt“ in Bezug zum Haupttext zu positionieren? Hinsichtlich der räumlichen Nähe handelt es sich um einen Peritext, da dieser im
8
Genette hat diese Einteilung von Hoek weiterentwickelt. Ich greife aber hier angesichts der Anschaulichkeit auf das Modell von Leo Hoek zurück.
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unmittelbaren Umfeld des Hauptteils positioniert ist. Bezüglich der zeitlichen Situierung vermute ich, dass es sich um einen originalen Paratext handelt, da mir keine dies widerlegenden Informationen vorliegen. Das Titelblatt lässt sich durch die Kombination von Schrift, Bild, grafischer Erscheinung und durch die von mir einleitend gegebenen Informationen zum Kontext allen Existenzformen zuordnen. Das Beziehungsgeflecht von Sender und Empfänger ist weitaus schwieriger nachzuzeichnen: Bei dem Katalog „La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux“ handelt es sich ja um eine Grafiksammlung, der Texte vorangestellt werden, die somit aus dieser Ansammlung ein Buch machen. Bei diesem konkreten Beispiel gibt es einerseits Nicolas de Pigage, der mit dem heutigen Herausgeber vergleichbar ist, Textbeiträge von unterschiedlichen Autoren und unterschiedlichen Gattungen sowie die Stecher, die sich über die Bilder an die Leser wenden. Wie man unschwer erkennen kann, gibt es nicht einen einzelnen Autor des Haupttexts. Beim Beispiel des Titelblatts gehe ich davon aus, dass Pigage als Herausgeber verantwortlich für den Textteil ist und Chretien de Mechel für die Illustration zuständig zeichnet. Setzen wir voraus, dass Pigage der Autor ist, so handelt es sich bei den Textelementen um einen auktorialen Paratext und bei der Illustration um einen allografischen, da diese von einer dritten Person angefertigt wurde. Nehmen wir aber an, dass Pigage der Verleger ist, dann haben wir es mit einem verlegerischen und bei der Grafik eventuell mit einem auktorialen Text zu tun. Auf alle Fälle handelt es sich beim gesamten Titelblatt um einen öffentlichen Paratext. Das Titelblatt enthält reine Informationen (z. B. Angabe des Stechers) und eine Absicht (Angabe, dass es sich um Grafiken aus dem „catalogue raisonné“ handelt). Der Vollständigkeit halber möchte ich hier einen kurzen Überblick über den Aufbau des Bildbands geben, aber keine weitere Analyse der einzelnen Elemente vornehmen, da diese den vorliegenden Rahmen sprengen würde:9 •
Avis de l’imprimeur: „La Galerie de Dusseldorff est connue de tous ceux qui aiment les Beaux-Arts. C’est une des plus belles de l’Europe. M. de Pigage a le méritez & la gloire d’en avoir fait un excellent Catalogue raisonné en 1778. M. de Mechel, Graveur à Basle, a rédigé & gravé, d’après les Tableaux de cette Galerie, 365 petites Estampes, qui forment un in-folio à part, & qui se vendent six louis d’or, avec le Catalogue du même format. Le Public a goûté le Cata-
9
Die Zusammenfassung des Aufbaus beruht auf der Analyse von: Pigage, Nicolas: La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux, Brüssel, MDCCLXXVIII, 1778 [auch online abrufbar unter: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/ diglit/pigage1778/0002?sid=544fe3a9a3dd6b7312561f77bb5e43e7 (Stand 1.7.2014)]
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logue, & a cru trouver dans les Estampes un ouvrage qui pourrait faire suite aux célèbres Galeries de Dresde, de Florence, de Vienne, de Berlin, de Versailles.“ Epitre: A son altesse sérénissime Monseigneur l’électeur Palatin. „Monseigneur, L’Ouvrage que j’ai l’honneur de présenter à Votre Altesse Sérénissime Electorale est du à la protection qu’Elle accorde aux Beaux-Arts, à son goût qui les anime, et à sa bienfaisance qui les soutient, J’ai, Monseigneur, entrepris cet Ouvrage pour Vous plaire, et si cela se peut, pour devenir utile; j’espère que ce double motif lui méritera votre indulgence et celle du Public. Daignez agréer comme un témoignage de la reconnaissance, et des très-profond respect avec lesquels je suis, Monseigneur, de votre Altesse Sérénissime Electorale, Le très-humble, très-obéissant, & dévoué Serviteur N. de Pigage“ Préface Lettre de l’Académie Royale de Peinture et de Sculpture de Paris Catalogue Raisonné des Tableaux de la Galerie de Dusseldorff: Die Beschreibungen sind nach den fünf Sälen geordnet. Hier spiegelt sich die Struktur der Ausstellung in der im Katalog befolgten Reihenfolge wider. Jedem der 358 ausgestellten Bilder (inklusive mobiler Gemälde) ist eine Nummer zugewiesen, die gefolgt vom Titel genannt wird. Dann werden die Angabe des Künstlers, Maßund Technikangaben und eine Kurzbeschreibung aufgelistet. Abschließend erfolgt eine Beschreibung. „N°. 53. LA SAINTE VIERGE ET L’ENFANT JESUS, Par Titien Vecelli, Tiziano Vecelli. Peint sur toile, Haute de 2 pieds 10 pouces; large de 3 pieds 5 pouces. Figures entières, demi-nature.
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La Sainte Vierge est assise au pied d’un arbre, tenant l’enfant Jesus couché sur ses genoux : elle tend la main gauche pour recevoir des fleurs que lui présente le petit S. Jean.“ Tableaux mobiles. „Ces Tableaux mobiles sont des pièces que l’on transporte à volonté d’une Salle à l’autre; ils sont distribués sur les volets des cinq Salles, & nous les plaçons ici suivant l’ordre des sujets.“ „Table Alphabetique des Peintres nommés dans ce Catalaogue, avec leurs noms & surnoms nationaux & François, leur pays, & les dates de leur naissance & de leur mort.“
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Appendix 4 In der Einleitung spricht André Malraux über das Kunstwerk an sich: „Jusqu’au XIXe siècle, toutes les œuvres d’art ont été l’image de quelque chose qui existait ou qui n’éxistait pas, avant d’être des œuvres d’art.“10 Danach geht er auf das Museum ein: „Après tout, le musée est un des lieux qui donnent la plus haute idée de l’homme.“11 Das Museum als realen Ort betrachtet Malraux als zufällige Ansammlung von Werken, die transportabel sind. Die Auswahl ist nicht repräsentativ. „Même dû à l’emploi presérvérant de moyens immenses, un musée vient d’une succession de hasards heureux.“12 Malraux sieht in der Fotografie die Möglichkeit, Kunstwerke unabhängig von Zeit, Kultur und Ort zu versammeln und für ein Publikum zugänglich zu machen. Durch die Zusammenstellung der fotografischen Reproduktionen entsteht ein „imaginäres Museum“, das gemäß bestimmter Gliederung und der damit verbundenen Rezeption, der Analyse und dem Vergleich ein System schafft, das die Werke bzw. die Reproduktionen losgelöst vom ursprünglichen Kontext zusammenfasst. Der Bezug zur Geschichte wird jedoch nicht untergraben. Durch die Zusammenstellung von Reproduktionen in ein „Musée Imaginaire“ lösen sich die reproduzierten Werke von ihrem örtlichen Ursprung und auch der Betrachter muss sich nicht mehr fortbewegen. So ermöglichen die Reproduktionen eine ortsunabhängige Rezeption. „Le développement de la reproduction agit aussi plus subtilement. Dans un album, un livre d’art, les objets sont en majorité reproduits au même format; à la rigeur, un buddha rupestre de vingt mètres s’y trouve quatre fois plus grand qu’une Tanagra ... Les œuvres perdent leur échelle.“13
Durch die Angleichung in Format und Oberflächenstruktur wird eine vergleichende Analyse ermöglicht. Oder mit den Worten von Annette Hünnekens ausgedrückt: „[D]urch die Entmaterialisierung und maßstäbliche Vereinheitlichung wird es möglich, Stilgemeinschaften neuer Art, neue Qualitätszuschreibungen oder neue Funktionszusammenhänge zu entdecken.“14
10 Malraux, André, 1996, S. 12 11 Ebd., S. 13 12 Ebd., S. 14 13 Ebd., S. 96 14 Hünnekens, Annette, 2002, S. 127
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Appendix 5 Ein weiteres Beispiel für einen Ausstellungskatalog aus den 1950er-Jahren aus dem deutschsprachigen Raum stellt der Katalog der Wiener Secession, der anlässlich der Gruppenausstellung im Jahr 1957 erscheint, dar.15 Dieser präsentiert sich durch sein beinahe quadratisches und sehr handliches Format von 18,5 mal 19,5 Zentimetern sowie seine geringe Seitenanzahl als praktische Orientierungshilfe in der Ausstellung und ist somit zu den „catalogues-enacte“ zu zählen. Interessant ist hier zu vermerken, dass durch die Gestaltung die beteiligten Personen/Institutionen hervorgehoben werden und somit die zu einer Ausstellung bzw. zu einem Katalog beitragenden Eckpfeiler gut erkennbar sind: Der klare Schriftzug und die überschaubare Strukturierung des secessionistischen Gedankens sind schon auf dem Deckblatt ersichtlich (Institution). Auch werden die drei verschiedenen Künstler durch ihre handschriftliche Signatur auf dem Deckblatt vertreten (Künstler). Dieses richtet sich nach Genette an eine Öffentlichkeit und nicht nur an einen interessierten Leser. So wird sowohl die Institution als auch die präsentierten Künstler auf dem Cover durch unterschiedliche Typografien repräsentiert. Das als „Kleine Rede an einen Ausstellungsbesucher“ betitelte Vorwort richtet sich, wie der Titel schon sagt, in erster Linie an den Besucher der temporären Präsentation und weniger an einen Leser. So findet die Ausstellung zumindest in verschriftlichter Form durch den Umweg des Besuchers Einzug in diesen Katalog.
15 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Wiener Secession, Beckmann, Kreutzberger, Yppen, Herbst 1957 Aufbau: 1.) „Kleine Rede an einen Ausstellungsbesucher“ (Text von A. P. Gütersloh), 2.) „Otto Beckmann“-Trennblatt, 2a.) Seite mit kleiner Schwarz-Weiß-Reproduktion und darunter Kurzbiografie, 2b.) Text über Otto Beckmann von Wilhelm Mrazek, 2c.) Seite mit großformatiger Schwarz-Weiß-Reproduktion, 2d.) Doppelseite mit Werkliste, die nach Material in Abschnitte gegliedert ist, danach erfolgt eine Sortierung nach Jahresangaben, gefolgt von einer durchgehenden Nummerierung und dem Titel, 3.) „Karl Kreutzberger“-Trennblatt, 3a.) Seite mit kleiner Schwarz-Weiß-Reproduktion und darunter Kurzbiografie, 3b) Text über Karl Kreutzberger von Werner Hofmann, 3c.) Seite mit großformatiger Schwarz-Weiß-Reproduktion, 3d.) Doppelseite mit Werkliste, die nach Material in Abschnitte gegliedert ist, danach erfolgt eine Sortierung nach Jahresangaben, gefolgt von einer durchgehenden Nummerierung und dem Titel, 4.) „Grete Yppen“Trennblatt, 4a.) Seite mit kleiner Schwarz-Weiß-Reproduktion und darunter Kurzbiografie, 4b.) Text über Grete Yppen von Werner Hofmann, 4c.) Seite mit großformatiger Schwarz-Weiß-Reproduktion, 4d.) Doppelseite mit Werkliste, die nach Material in Abschnitte gegliedert ist, danach erfolgt eine Sortierung nach Jahresangaben, gefolgt von einer durchgehenden Nummerierung und dem Titel
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Weder Plan noch Fotografien des Ausstellungsgebäudes lassen einen weiteren Bezug zur realen Präsentation entstehen. Die klare Trennung der einzelnen künstlerischen Positionen wird nicht nur durch die dreigeteilte Gliederung geschaffen, sondern auch durch den Einschub stärkerer grauer Blätter untermauert. So steht jeder Abschnitt für sich und kann als kleiner Katalog im Katalog angesehen werden. Allen drei Künstlern steht, gemäß der demokratischen Idee der Secession Wien, der gleiche Platz zur Verfügung: Hier ist bemerkenswert, dass es sich um aufzufaltende Seiten handelt, die bei Öffnung die beinahe quadratische Form des Katalogs aufheben und in eine rechteckige umwandeln. Durch den sparsamen Einsatz von Bildmaterial – ausnahmslos in SchwarzWeiß – ist dieser Katalog weniger für die weiterführende Recherche außerhalb der Ausstellung gedacht, sondern soll Kurzinformationen zu den Exponaten und einen Überblick sowohl über Leben (Kurzbiografie inklusive Auswahl der bisherigen Ausstellungen) als auch über das Werk der Künstler geben. Da sich Bild und Text auf demselben Bogen Papier befinden, ist ein Papierwechsel (ausgenommen die kapiteltrennenden grauen Kartons) nicht notwendig/möglich. Die Bildangaben stehen je nach Format unterhalb oder neben den Abbildern. Diese umfassen ausnahmslos Reproduktionen von je zwei Werken pro Künstler und geben keinen Aufschluss über die Gegebenheiten in der Ausstellung, die Raumsituation oder das Ausstellungsdisplay. Bild und Text halten sich bei allen drei Künstlerpositionen die Waage. Die Frage nach dem Haupt- bzw. Paratext ist auch aufgrund dessen nicht eindeutig zu beantworten. Beide Elemente stehen gleichberechtigt nebeneinander, ergänzen sich. Dieses Beispiel konzentriert sich auf die Wiedergabe der einzelnen Werke und weniger auf die Reproduktion der Ausstellungssituation und deren Wechselwirkung in ebendieser. Es hebt den Künstler als eigenständige Persönlichkeit durch Inhalt und Layout hervor. Die Ausstellung an sich, der Kontext bzw. das Beziehungsgeflecht, das in der realen Präsentation entsteht, wird in diesem Fall vernachlässigt. Appendix 6 Neben diesen Ausstellungskatalogen gibt es weiterhin der Tradition verhaftete Kataloge, z. B. jene der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums. Um nicht den Rahmen zu sprengen, möchte ich auf diese nicht genauer eingehen, sondern ausschließlich darauf hinweisen, dass sowohl klassische als auch neue Katalogformen parallel existieren. Hier möchte ich nur den Aufbau des „Katalogs der Gemäl-
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degalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien, I. Teil aus dem Jahr 1960“ kurz skizzieren16 (Format: 15 mal 21 cm): • • • • • • •
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Impressum Plan der Ausstellungsflächen „Inhaltsverzeichnis“ „Vorwort“ von Vinzenz Oberhammer „Das Kunsthistorische Museum als Bauwerk“ von Alphons Lhotsky „Verzeichnis der wichtigsten Inventare und Kataloge in zeitlicher Reihenfolge“ Werkverzeichnis, alphabetisch nach Künstlernamen geordnet (Künstlername, Kurzbiografie, fortlaufende Nummer (beginnend bei 421), Werktitel, Technik/Material, Maße, seit XXX ausgestellt, Inventarnummer, Kurzbeschreibung) „Verzeichnis der Bildnisse“ (alphabetisch geordnet) Bildtafeln (ausschließlich schwarz-weiß, Papierwechsel, durchgehend nummeriert, Name des Künstlers, Titel)
Daraus kann man schließen, dass die Ausstellungskataloge sich freier entwickeln und neue Wege bestreiten, im Gegensatz zu den Sammlungskatalogen, die vielmehr den traditionellen Richtlinien verhaftet sind (z. B. Papierwechsel). Auch sind in den Ausstellungskatalogen anteilig mehr Farbreproduktionen zu verzeichnen als bei den Sammlungskatalogen. Appendix 7 Charakteristisch für diese sogenannten Paratexte sind laut Gérard Genette vier Punkte17: • • • •
die Stellung des Paratexts zum Haupttext Existenzform des Paratexts (z. B. verbal, nonverbal ...) Sender und Empfänger des Paratexts Funktion des Paratexts
Generell kann man zu Paratexten festhalten, dass sie sich in zwei Kategorien hinsichtlich der räumlichen Stellung zum Haupttext einteilen lassen: Peritexte (z. B.
16 Die nachfolgende Zusammenfassung beruht auf der Analyse des originalen Katalogs: Katalog der Gemäldegalerie. Italiener, Spanier, Franzosen, Engländer, 1. Teil, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1960 Es gibt noch einen zweiten Teil, der im Jahr 1958 erscheint und die „Vlamen, Holländer, Deutschen und Franzosen“ umfasst. 17 Vgl. Genette, Gérard, 2001
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Vorwort – in naher Umgebung des Haupttexts) und Epitexte (z. B. öffentliche Interviews oder private Briefwechsel – in weiterer Umgebung des Haupttexts). Bezüglich der zeitlichen Situierung hält Genette mehrere Kategorien fest, wie frühe Paratexte (entstehen vor dem Haupttext), originale Paratexte (entstehen zeitgleich mit dem Haupttext), nachträgliche Paratexte, späte Paratexte, posthume Paratexte, anthume Paratexte. Generell können Paratexte einen Text begleiten, verschwinden und dann wieder auftauchen. Der stoffliche Status eines Paratexts ist meist textlich, aber ein Paratext kann auch als Illustration (bildlich), als typografische Erscheinung (materiell) oder als Kontext (faktisch; z. B. Kenntnis über das Alter oder das Geschlecht des Autors) auftreten. Hinsichtlich Sender und Empfänger des Paratexts beschreibt Genette den pragmatischen Status: Es gibt auktoriale Paratexte (wenn der Autor sie geschrieben hat) und verlegerische Paratexte (wenn der Verleger sie geschrieben hat) oder aber allografische Paratexte (wenn sie von einem Dritten verfasst wurden). Manche Paratexte (wie z. B. der Titel) wenden sich an die Öffentlichkeit, andere nur an den Leser, wiederum andere nur an den Kritiker. All diese Sorten werden als öffentliche Paratexte bezeichnet. Im Gegensatz dazu gibt es private Paratexte (z. B. Tagebucheintragungen). Hierbei handelt es sich um Mitteilungen, die der Autor an sich selbst adressiert. Manche Paratexte enthalten reine Information (z. B. Name des Autors), eine Absicht (z. B. Angabe der Gattung), eine Entscheidung (z. B. Angabe des Pseudonyms) oder eine Verpflichtung („Ich sage die Wahrheit …“). All diese Charakteristika fasst Genette unter der illokutorischen Wirkung einer Mitteilung zusammen, die in der Folge zur Funktion des Paratexts führt.18 Die Paratexte sind jedoch so variantenreich, dass Genette Folgendes festhält: „Die einzige Regelmäßigkeit, die sich in diese offensichtliche Kontingenz bringen lässt, besteht darin, dass man diese Abhängigkeitsbeziehung zwischen Funktion und Status bestimmt, dadurch sozusagen funktionale Typen ausmacht und die Mannigfaltigkeit der Praktiken und Mitteilungen auf einige grundlegende und häufig wiederkehrende Themen reduziert.“19
18 Diese Zusammenfassung basiert auf: Genette, Gérard, 2001, S. 9ff. 19 Genette, Gérard, 2001, S. 19
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Die nachfolgende Grafik soll einen Überblick über die soeben skizzierte Einteilung der Paratexte von Genette geben. Abb. 40: Paratexte von Gérard Genette
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Appendix 8 Systematisierung der analysierten Kataloge des 20. Jahrhunderts (erstellt von Karin Mihatsch) Künstlerhaus. Katalog der XXXVI. Jahresausstellung, Verlag der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, Wien, 1910 • Jahr: 1910 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 12 cm x 18 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: Papierwechsel vorhanden • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Der Katalog nimmt die Reihenfolge der Säle der Präsentation auf und stellt diese im Abschnitt „Katalog“ vor. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Die SW-Abbildungen sind in Format und Platzierung auf der Seite einander angeglichen und mit Namensangabe des Künstlers, Titel (oder Kurztitel) und ggf. Jahresangabe versehen. • Sonstiges: Preisverzeichnis, keine Werbeeinschaltungen Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession: Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs, Secession Wien, Wien, 1912 • Jahr: 1912 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 18,5 cm x 20 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Auflistung der Arbeiten nach Sälen und Wänden geordnet inklusive Text „Einige Bemerkungen zur Ausstellung meiner Arbeiten. Leopold Bauer“. • Plan: Plan vorhanden • Bild/Text: Bemerkenswert ist, dass hier eine Vielzahl an Paratexten wie zum Beispiel Einleitung, Text von Leopold Bauer oder Inserate dem Katalog eine neue Dimension verleihen. • Sonstiges: Preisliste, Werbeeinschaltungen
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Stix, Alfred (Hrsg.): Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina, Band 1, Verlag von Anton Schroll & CO., Wien, 1926 • Jahr: 1926 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 23 cm x 30,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-document • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Die zwölf Bände sollen die gesamte Sammlung – unabhängig von Leihgaben, partiellen Präsentationen oder Lagerung im Depot – in diesen Katalogen vereinen und in gewisser Weise abbilden und zugänglich machen, jedoch wird kein Bezug zur Präsentation hergestellt. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Sowohl Text als auch Bild scheinen auf einer Seite auf. • Sonstiges: Im Vorwort weist Stix auf eine französische und englische Übersetzung hin, die in einem Extraheft – ohne Abbildungen – dem Katalog beigelegt ist. Katalog der Gemäldegalerie. Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien – Herausgegeben vom Verein der Museumsfreunde, Nr. 8, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1928 • Jahr: 1928 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 13,5 cm x 18 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: keine Abbildungen • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Der Katalog behandelt ausschließlich die ausgestellten Werke. Zwar wird kein Parcours durch die Sammlung vorgeschlagen, aber durch die verschiedenen Register wird beim Besuch die Suche nach Zusatzinformationen zu den einzelnen Werken erleichtert. • Plan: kein Plan • Bild/Text: – • Sonstiges: –
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Entartete Kunst, Führer durch die Ausstellung, Verlag für Kultur- und Wirtschaftswerbung, München, 1937 • Jahr: 1937 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Deutschland/München • Format: 14,5 cm x 21 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Der textlich nachgezeichnete Rundgang durch die Ausstellung, der in neun Gruppen geteilt ist, ist grafisch klar und übersichtlich gestaltet. Im Gegensatz dazu stehen die unübersichtlich gestalteten Bildseiten, die meist schräg und unsymmetrisch angeordnete Reproduktionen in Kombinationen mit kurzen Zitaten und Textpassagen darstellen. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Bild und Text auf einer Seite • Sonstiges: Durch den gesamten Führer ziehen sich durchlaufend Bildseiten, die mehrere SW-Abbildungen von Gemälden und Skulpturen darstellen. Das Layout ist unübersichtlich und durch Zitate aus Magazinen unterbrochen. Grosse deutsche Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst zu München, Offizieller Ausstellungskatalog, Verlag Knorr & Hirth, München, 1939 • Jahr: 1939 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Deutschland/München • Format: 15 cm x 20,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: sowohl catalogue-en-acte als auch catalogue-document • Papierwechsel: Papierwechsel vorhanden • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Das Verzeichnis der Kunstwerke hebt sich von der realen Präsentation ab: Die Liste ist alphabetisch nach Namen der Künstler geordnet. Die Werke sind dieser Ordnung entsprechend durchgehend nummeriert und eine Saalnummer, die mit den beiden Plänen zu Beginn des Katalogs übereinstimmen, wird ausgewiesen, um die Orientierung in der Ausstellung zu ermöglichen. • Plan: Pläne vorhanden • Bild/Text: Die im Format angeglichenen Reproduktionen sind mit der Angabe des Künstlers sowie des Titels des Werkes versehen. Auffällig ist, dass weder in der Liste der Kunstwerke noch bei den Abbildungen eine Jahresangabe verzeichnet wird. • Sonstiges: –
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Katalog zur antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“, Künstlerhaus, Wien, 1946 • Jahr: 1946 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 14,5 cm x 20,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: Papierwechsel vorhanden • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Die Aufnahme der einzelnen Säle in die verschiedenen Abschnitte der Liste spiegelt die temporäre Ausstellungssituation wider und konserviert diese auch nach dem Ausstellungsbesuch. Da jedoch nur ein kleiner Ausschnitt der gezeigten Objekte und Bilder als Reproduktionen in diesen Katalog inkludiert ist, eignet sich dieser weniger als vollständiges Zeugnis des temporären Ereignisses, sondern vielmehr als Dokument der Grundidee, die dahintersteckt. • Plan: Plan vorhanden • Bild/Text: Die SW-Abbildungen nehmen teilweise die gesamte Katalogseite ein, teilweise sind sie mit Namen, Titel und Materialangabe unterhalb versehen. Die ganzseitigen Abbildungen sind zumeist In-situ-Aufnahmen. Die Kombination zwischen Text und Exponat in der Präsentation sowie die Gestaltung einzelner Wände werden auf diesen Bildern festgehalten. Diese Fotos sind von einem sehr nahen Standpunkt aus aufgenommen, sodass der Gesamtraumeindruck nicht eingefangen ist. Auch sind keine Besucher auf diesem Bildern auszumachen. • Sonstiges: – Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, Dresden, 1946, Veranstaltet von der Landesverwaltung Sachsen, dem Kulturverband zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands und der Stadt Dresden, Sachsenverlag, Dresden, 1946 • Jahr: 1946 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Deutschland/Dresden • Format: 20,5 cm x 14 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: Papierwechsel vorhanden • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Der Katalog gibt nicht alle ausgestellten Werke in Bildform wider. Die komplette Aufstellung ist ausschließlich in verschriftlicher Form im „Verzeichnis der Werke“ zu finden. • Plan: kein Plan
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Bild/Text: Die Bildunterschriften befinden sich teilweise unter den Fotos, teilweise daneben, sind aber auf der gleichen Seite positioniert. Auf den Abbildungen ist kein Hinweis auf die Ausstellungssituation zu finden: Die zweidimensionalen Arbeiten sind als Reproduktionen wiedergegeben, die Skulpturen vor neutralem Hintergrund. Keine Aufnahmen des Ausstellungsdisplays, der Räume o.ä. ergänzen diese Auswahl. Sonstiges: Freie Blätter am Ende für Notizen
Wiener Secession, Beckmann, Kreutzberger, Yppen, Herbst 1957 • Jahr: 1957 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 18,5 cm x 19,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Weder Plan noch Fotografien des Ausstellungsgebäudes lassen einen Bezug zur realen Präsentation entstehen. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Die Bildangaben stehen je nach Format unterhalb oder neben den Abbildungen. Diese umfassen ausnahmslos Reproduktionen von je zwei Werken pro Künstler und geben keinen Aufschluss über die Gegebenheiten in der Ausstellung, die Raumsituationen oder das Ausstellungsdisplay. • Sonstiges: – Münz, Ludwig: Katalog und Führer der Gemäldegalerie, Akademie der Bildenden Künste in Wien, I., II., III. Teil, 3., veränderte Auflage, Wien, 1957 • Jahr: 1957 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 15 cm x 20,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: Papierwechsel vorhanden • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Durch die Berücksichtigung der Ordnung nach Räumen wird die Ausstellung in gewisser Weise im Katalog abgebildet und erleichtert dem Besucher/Leser die Zuordnung zum originalen Werk • Plan: kein Plan • Bild/Text: Künstlername, Titel und Katalognummer werden unter der Abbildung angegeben. • Sonstiges: –
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II. Documenta ’59. Kunst nach 1945, DuMont, Schauberg Köln, 1959, Band 1: Malerei. Museum Fridericianum, Band 2: Skulptur. Orangerie, Band 3: Druckgrafik. Bellevue-Schloß • Jahr: 1959 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Deutschland/Kassel • Format: 22 cm x 22 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-document • Papierwechsel: Papierwechsel vorhanden • Abbildungen: meist SW, vereinzelt Farbe • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Das Layout gewinnt Oberhand über die Absicht, die Ausstellungsstruktur in den Katalog direkt zu übersetzen. Die Ausstellungssituation sowie die Räume finden keinen bildlichen Niederschlag in den drei Katalogbänden. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Text und Bild teilen sich Seiten, wobei die Angabe zu den Reproduktionen daneben platziert ist. „Die alphabetische Reihenfolge musste in einigen Fällen aus ästhetischen und technischen Gründen unterbrochen werden. Dem schnellen Auffinden dient das alphabetische Künstlerregister.“ So erklärt sich die nicht immer nachvollziehbare Anordnung des Bildmaterials. Auf den farbigen Seiten ist kein Text gedruckt, dieser befindet sich meist auf der gegenüberliegenden. • Sonstiges: Einige Künstler werden durch ein Porträt als Person vorgestellt und rücken somit ihre Persönlichkeit ins Licht. Künstler und Werk stehen somit im Zentrum des Interesses. Hofmann, Werner (Hrsg.): Kunst von 1900 bis heute: Museum des 20. Jahrhunderts. Eröffnungsausstellung 21. September– 4. November 1962, Wien, 1962 • Jahr: 1962 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung, Sammlungspräsentation • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 23 cm x 16,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-document • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW (wenige farbige) • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: In den Bildern lässt sich kein Raumbezug erkennen, sondern es handelt sich um Reproduktionen von Gemälden und Skulpturen vor möglichst neutralem Grund. • Plan: kein Plan
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Bild/Text: Die Bildangaben befinden sich meist neben der Abbildung, die Nummer unterhalb. Sonstiges: –
Kunst der sechziger Jahre. Sammlung Ludwig im Wallraf-Richartz Museum Köln, 5. erweiterte Auflage 1971 (Erstauflage1969), Köln, 1971 • Jahr: 1971 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung • Land/Stadt: Deutschland/Köln • Format: 25 cm x 30 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-document • Papierwechsel: mehrere Papierwechsel • Abbildungen: Farbe und SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Die Reproduktionen geben keinen Aufschluss über die Präsentation der Arbeiten im Museum. Auch die alphabetische Reihenfolge lässt den Leser bezüglich der Schausammlung im Dunkeln tappen. Lediglich die Texte stellen den Bezug zur realen Sammlung her. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Die grafische Intention beeinflusst die Gestaltung des Seitenaufbaus und wird nicht von technischen Anforderungen begrenzt. • Sonstiges: Die englische Übersetzung ist auf dem gleichen Papier wie die Angaben zu den Künstlern gedruckt. Durch die Inkludierung der Übersetzung geht klar hervor, dass sich dieser Katalog an ein internationales Publikum adressiert. Die Zweisprachigkeit wird mit Ausnahme der Werktitel jedoch nicht im eigentlichen Katalog, der Liste bzw. den Werkbeschreibungen weitergeführt. Dieser Katalog ist vielmehr als Objekt zu sehen denn als Führer durch die Sammlung. Er weicht durch seine Gestaltung die Grenzen zum Künstlerbuch auf und gibt Einblick in die gestalterischen Möglichkeiten der 1960er- und 1970er-Jahre. Dennoch ist er durch die Hervorhebung der Liste bzw. des Werkverzeichnisses in Kombination mit den Bildtafeln dem traditionellen Aufbau eines Katalogs verschrieben und vereint somit neue und alte Elemente des Genres Katalog. Verzeichnis der Gemälde, Kunsthistorisches Museum, Wien, Verlag Anton Schroll & Co, Wien und München, 1973 • Jahr: 1973 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 14,5 cm x 21 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: Papierwechsel vorhanden
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Abbildungen: SW Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Die Hängung der Sammlung bildet sich nicht im Katalog ab, sondern der Besucher muss sich durch die unterschiedlichen Verweissysteme begeben, um Informationen zum betrachteten Original aus dem Katalog zu erhalten. Dieser hält sich mit beschreibenden Informationen zurück und beschränkt sich auf schlagwortähnliche Kurztexte. Plan: kein Plan Bild/Text: Die relativ kleinen Abmessungen der Abbildungen sowie die schlechte Druckqualität lassen darauf schließen, dass dieser Katalog für den Gebrauch vor dem Original gedacht ist und somit eine qualitativ hochwertige Reproduktion nicht prioritär ist Sonstiges: –
Haenlein, Carl-Albrecht (Hrsg.): Künstlerphotographien im XX. Jahrhundert, Kestner-Gesellschaft Hannover, 1977 • Jahr: 1977 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Deutschland/Hannover • Format: 21 cm x 21 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: sowohl catalogue-en-acte als auch catalogue-document • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW (wenige farbige) • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Ausstellungsansichten, die auf die räumliche Anordnung schließen lassen, sind hier völlig ausgeklammert. Der Bezug zwischen Katalog und Ausstellung wird auf textlicher Ebene vollzogen. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Interessant bei den Abbildungen ist, dass sie (mit Ausnahme einiger Referenzabbildungen) alleine auf einer Katalogseite stehen und sich nun nicht mehr diese mit Bildunterschriften oder anderen Textelementen teilen. Einzig die Bildnummer ist neben bzw. unter den Abbildungen vermerkt, um die genauen Angaben im Werkverzeichnis korrekt zuordnen zu können. • Sonstiges: Der eigentlich deutschsprachige Katalog beinhaltet einen englischen Text, der ursprünglich aus einem anderen Ausstellungskatalog stammt. documenta 8 Kassel 1987, 12. Juni–20. September, Weber & Weidemeyer, 1987 • Jahr: 1987 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Deutschland/Kassel • Format: 21 cm x 30 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-document
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Papierwechsel: kein Papierwechsel Abbildungen: meist Farbe, einige SW Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Am Ende des ersten Bandes wird der Bezug zur temporären Ausstellung klar: Fotos der unterschiedlichen Ausstellungsgebäude sowie die Präsentation der Ausstellungsarchitektur und die Vorstellung des Logos schlagen die Brücke zum realen Ereignis. Auch sind einige ortsspezifische Arbeiten durch Skizzen im Katalog vertreten, die den Bezug zu den örtlichen Gegebenheiten herstellen. Wichtig festzuhalten ist auch, dass zu Beginn des zweiten Bandes über den Aufbau desselben gesprochen wird, um somit die Orientierung bei der Lektüre zu erleichtern. Plan: kein Plan Bild/Text: Bild und Text treten verschränkt auf, teilen sich Seiten, manche Seiten sind wiederum nur einer Aufnahme gewidmet. Die Bildunterschriften sind nicht einheitlich platziert, sondern befinden sich neben, unter oder auch über der Abbildung. Sonstiges: dreibändig
Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen, Verlag Christian Brandstätter, Wien, 1988 • Jahr: 1988 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 14,5 cm x 21,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-en-acte • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: meist Farbe, einige SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Der Bezug zur realen Präsentation wird in diesem Katalog nicht nur durch die Bilder des Ausstellungsgebäudes hergestellt, sondern auch durch die Übersichts- und Detailpläne der einzelnen Sammlungen. Ausgewählte Exponate werden in Bild und Text dem Leser/Besucher kurz vorgestellt. Die Reihung im Katalog entspricht größtenteils der damaligen Präsentation und ist locker nach Sälen geordnet. • Plan: Pläne vorhanden • Bild/Text: Die Abbildungen geben die Exponate vor neutralem Hintergrund wieder, sodass der reale Präsentationsrahmen hier keinen Niederschlag findet. Zentrale Werke der Sammlung werden seitenfüllend, weniger bedeutende kleinformatig wiedergegeben. Die Beschreibungen befinden sich entweder unter oder neben der Abbildung und erleichtern somit eine eindeutige Zuordnung. • Sonstiges: –
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Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Verzeichnis der Gemälde, Edition Christian Brandstätter, Wien, 1991 • Jahr: 1991 • Ausstellung oder Sammlung: Sammlung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 21,5cm x 28,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-document • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Der Katalog erscheint anlässlich der Neugestaltung der Galerieräume, dies kann somit als Verbindungspunkt zwischen Publikation und Präsentation gesehen werden. Des Weiteren wird, der Tradition folgend, die „Geschichte der Gemäldegalerie“ in einem beinahe dreiseitigen Text dem Leser dargelegt. Dies baut somit ebenso eine Brücke zur realen Sammlung. • Plan: kein Plan • Bild/Text: Die Kurzangaben befinden sich entweder neben oder unterhalb der Abbildung und geben Verweise auf den Textteil des Katalogs, wo der Leser weiterführende Informationen erhält. • Sonstiges: – Petschar, Hans; Strouhal, Ernst, Zobernig, Heimo: Der Katalog. Ein historisches System geistiger Ordnung, Springer, Wien, New York, 1999 • Jahr: 1999 • Ausstellung oder Sammlung: Ausstellung • Land/Stadt: Österreich/Wien • Format: 21 cm x 29,5 cm • catalogue-en-acte oder catalogue-document: catalogue-document • Papierwechsel: kein Papierwechsel • Abbildungen: SW • Verhältnis zwischen Präsentation und Katalog: Dieser Katalog nimmt in gewisser Weise eine Sonderstellung ein und sich von den anderen hier diskutierten Beispielen unterscheidet: Einerseits handelt es sich nicht um eine reine „Kunstausstellung“ im traditionellen Sinne, andererseits handelt es sich auch nicht um einen herkömmlichen Ausstellungskatalog. U. a. deshalb, weil der Grafiker dieser Publikation auch gleich Herausgeber, Künstler und Organisator der Ausstellung ist und somit die Grenzen zum Künstlerbuch aufgeweicht werden. Des Weiteren nehmen die Texte an sich den Stellenwert von Kunstwerken ein, präsentieren sich gleichwertig mit ebendiesen und gehen über klassische Einleitung, Vorwort, Beschreibung etc. hinaus. • Plan: kein Plan
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• •
Bild/Text: Diese „Bildtafeln“ präsentieren sich völlig ohne Text, ohne Paginierung, dem Foto auf der rechten Seite ist ein weißes Blatt gegenüber gestellt. Sonstiges: Es gibt einen Bildnachweis und somit finden nicht nur die Urheber der Texte, sondern auch der Fotografien Erwähnung.
Appendix 9 Im Zusammenhang mit der Datenbankentwicklung in den USA soll das Museum Computer Network Erwähnung finden.20 Das im Jahr 1967 gegründete Netzwerk hat zum Ziel, die Sammlungen unterschiedlicher Museen in und um New York (z. B. das Metropolitan Museum of Modern Art oder das MoMA New York) zu digitalisieren und gemeinsame Standards zu entwickeln. Ab dem Jahr 1972 organisiert MCN jährlich Konferenzen, die sich mit dem Thema Computer im Museum auseinandersetzen.21 Ursprünglich war das MCN eine Zusammenarbeit zwischen dem amerikanischen Anwalt, Kunsthändler und ersten Direktor des MCN, Everett Ellin, dem Computerspezialisten Jack Heller und dem damaligen Archivar am MoMA David Vance.22 Heute bemüht es sich um einen internationalen Austausch. Das MCN hat das Projekt Computer Interchange of Museum Information (CIMI) ins Leben gerufen, das als „first step in a long process of advancing the internal automation of museums, bringing material culture evidence into scholary research databases, and making museums accessible over the public information networks of the 21st century“23
gesehen wird. Eine Initiative von CIMI ist das Projekt „Cultural Heritage Information On-line“ (CHIO). Die Beschreibung aus dem Jahr 1994 besagt: „CHIO will demonstrate solutions to the difficulties in achieving online access to information held in textual databases and imagebases independent of the hardware and software used to store the data or search for it.“24
20 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 198 21 Vgl. Museum Computer Network: History: [Online]. Verfügbar unter: http://www.mcn. edu/history (Stand 1.7.2014) 22 Vgl. New York Times: Fox, Margalit: Everett Ellin Dies at 82; Helped Computerize Art Catalogs: [Online]. Verfügbar unter: http://www.nytimes.com/2011/10/03/arts/everettellin-dies-at-82-helped-computerize-art-catalogs.html (Stand 1.7.2014) 23 Bearman, David: CIMI: Computer interchange of museum information, in: Archives and Museum Informatics, Volume 3, Number 2, 2–5, Springer Netherlands, 1989, S. 2
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Hier wird der Übergang von offline genutzten digitalen Datenbanken zu einer Online-Verfügbarkeit angedacht.25 Annette Hünnekens erwähnt bezüglich der Entwicklung der Datenbanken auch das Getty Art History Information Program (AHIP), das im Jahr 1983 gegründet26, vom Getty Information Institute bis Ende der 1990er-Jahre abgelöst wird und sich heute unter dem Namen Getty Research Institute u. a. mit der Entwicklung von digitalen Datenbanken beschäftigt. Auch hier wird ein besonderes Augenmerk auf die Kompatibilität der unterschiedlichen Datenbanken und auf die damit einhergehenden Standards gelegt. Appendix 10 Ein außereuropäisches Beispiel stellt „The Catalogue of Canadian Art on CD-ROM at the National Gallery of Canada“ aus dem Jahr 1994 dar. Der Kurator an der National Gallery of Canada und Herausgeber der soeben genannten CD-ROM, Pierre Landry, bezieht sich in seinem Bericht über die Entstehung der CD-ROM einleitend auf die von der Gallery bisher herausgegebenen gedruckten Kataloge und positioniert die CD-ROM in der logischen Weiterentwicklung ebendieser. „The new electronic edition is an exhaustive catalogue of the Canadian school, including all accessioned paintings, sculptures, prints, drawings, decorative arts, photographs, film, and video.“27 Die Ausweitung der Informationen auf Video stellt eine klare Neuerung zum gedruckten Katalog und eine Erweiterung gemäß den technischen Möglichkeiten dar. Dass die CD-ROM sowohl in englischer als auch in französischer Sprache erhältlich ist28, stellt diese wiederum in die Nähe des gedruckten Katalogs. Auch die Überprüfung und Angleichung der Credits sowie die Frage nach Bildrechten ist der CD-ROM und den gedruckten Katalogen gemein. „Over 10,000 works of art will be reproduced on the CD-ROM (or set of 2 CD-ROMs). A significant number of them are in the public domain, with the National Gallery of Canada holding the rights to photographic reproductions. In all other cases, permission to reproduce
24 Coalition for Networked Information: Project Update: Project CHIO: Cultural Heritage Information Online: [Online]. Verfügbar unter: http://old.cni.org/tfms/1994b.fall/ perkins.html (Stand 18.10.2011, Seite nicht mehr online) 25 Vgl. Hünnekens, Annette, 2002, S. 200 26 Vgl. ebd., S. 200ff. 27 Landry, Pierre: The Catalogue of Canadian Art on CD-ROM at the National Gallery of Canada, in: Bearman, David (Hrsg.): Selected Papers from the Third International Conference on Hypermedia and Interactivity in Museums (ICHIM 95 / MCN 95), Volume 2, 1995, S. 17 28 Vgl. ebd., S. 27
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will have to be obtained from the rights holders, either the artists, their descendants, or artist’s collectives.“29
Eine sehr aufwendige, aber notwendige Arbeit. Das strukturgebende Element der CD-ROM stellt wie bei klassischen Katalogen die Reproduktion dar. Die Bilder werden aber nicht direkt vom Original digitalisiert, sondern die Basis des Bildteils bilden in diesem Projekt Scans von schon vorhandenen oder speziell angefertigten Dias. So werden die originalen Werke zuerst analog gespeichert, um im Anschluss digital übersetzt zu werden. Landry hält fest, dass „[t]he Catalogue of Canadian Art on CD-ROM was designed as a visual database rather than a multimedia presentation, so the software was selected from image management packages rather than multimedia authoring systems.“30
So spricht er der CD-ROM eine Recherche- und Nachschlagfunktion zu, die den „catalogue-documents“ ebenso inne ist. Ein wichtiger Punkt soll abschließend noch Erwähnung finden: das Budget. Landry stellt in seinem Bericht fest, dass die Produktion der CD-ROM 25 Prozent weniger an Kosten verursacht hat als ein gedruckter Katalog im vergleichbaren Umfang.31 Ist dies ein Argument, um sich von gedruckten Katalogen zu verabschieden und ausschließlich auf CD-ROMs zu setzen? Wie die Entwicklungen bis zum heutigen Tag zeigen, ist dies nicht der Fall. Appendix 11 An der Schwelle zwischen Museumswebsite und Online-Archiven ist die Seite des Indianapolis Museum of Art32 angesiedelt. Das Indianapolis Museum of Art hat in seiner Webpräsenz die Rubrik „Collections“ integriert. In dieser kann der interessierte User die Highlights sowie die neuesten Ankäufe der jeweiligen Teilsammlung auf einen Blick erfassen. Ähnlich wie in einem Sammlungskatalog werden die Reproduktion (und ggf. auch Abbildungen von Details) des Werks mit Angaben zum Künstler, zur Technik und zum Material sowie Entstehungsdatum und Verzeichnisnummer abgebildet. Des Weiteren wird die Provenienz des jeweiligen Werks
29 Ebd., S. 31 30 Ebd., S. 30 31 Vgl. ebd., S. 32 32 Indianapolis Museum of Art: [Online]. Verfügbar unter: http://www.imamuseum.org (Stand 1.7.2014)
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offengelegt. Interessant ist auch, dass der Text des „Gallery Labels“ zugänglich ist – somit wird der Bezug zur realen Sammlungspräsentation verstärkt. Ähnlich wie ein „catalogue-document“ werden auch noch zusätzliche Informationen zu weiterführenden Themen zum jeweiligen Werk angeboten. Warum sehe ich dies an der Schwelle? In der Tat bietet die Website des IMA auch eine Online-Version seiner Sammlung an und reiht sich somit in die OnlineDatenbanken ein. Besonders ist hier jedoch, dass in die Webpräsenz das Angebot der Highlights und der letzten Ankäufe separat integriert ist und sich somit bis zu einem gewissen Grad aus dem Archiv ausgliedert und in die besucherorientierte Webpräsenz des Museums integriert: Datenbank light, könnte man sagen. Appendix 12 Ein Beispiel, das ähnlich gelagert ist wie das „Digitale Belvedere“, ist ein Teilangebot der Joconde (http://www.culture.gouv.fr/documentation/joconde/fr/apropos/ presentation-joconde.htm). „JOCONDE est le catalogue collectif des collections des musées de France, accessible sur Internet au public le plus large.“33 Wie daraus hervorgeht, handelt es sich um einen Online-Katalog, der öffentlich zugänglich ist. Diese institutionsübergreifende französische Datenbank hat Folgendes zur Aufgabe: „Elle atteste, enfin, la prise en compte des quatre missions permanentes assignées aux musées de France par la loi 2002–5 du 4 janvier 2002 : - conserver, restaurer, étudier et enrichir leurs collections ; - rendre leurs collections accessibles au public le plus large ; - concevoir et mettre en œuvre des actions d’éducation et de diffusion visant à assurer l’égal accès de tous à la culture ; - contribuer aux progrès de la connaissance et de la recherche ainsi qu’à leur diffusion.“34
Eine Methode, diese sehr umfangreiche Datenbank teilweise nach Themen systematisiert zu präsentieren, stellen z. B. die „Parcours thématiques“ (http://www. culture.gouv.fr/documentation/joconde/fr/decouvrir/themes/themes.htm) oder die „Expositions virtuelles“ (http://www.culture.gouv.fr/documentation/joconde/fr/ decouvrir/expositions/expositions.htm) dar. Die gesamte Datenbank kann als Repräsentation der unterschiedlichen Sammlungen gesehen werden. Dennoch präsentieren sich die „Expositions virtuelles“ nicht als Online-Ausstellungsrundgang, da sie keinem Ausstellungs- bzw. Raum-
33 Joconde. Portail des collections des musées de France: Le mot de bienvenue de la directrice chargée des musées de France: [Online]. Verfügbar unter: http://www.culture. gouv.fr/documentation/joconde/fr/apropos/presentation-joconde.htm (Stand 1.7.2014) 34 Ebd.
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konzept folgen, sondern vielmehr mit dem Aufbau einer Publikation bzw. eines Katalogs verwandt sind. Der Bezug zu einer real existierenden Ausstellung ist hier nicht im klassischen Sinn gegeben, da sich diese Auswahl thematisch und nicht ereignisbezogen begründet. So wird diese in erster Linie zur vertiefenden Information genutzt und reiht sich somit in die „catalogue-documents“ ein. Wie schon im Missionstatement erwähnt, hat die Joconde zur Aufgabe, die unterschiedlichen Sammlungen u. a. dem Publikum zugänglich zu machen. In diesem Sinne nehmen die „Parcours thématiques“ eine Vermittlungsposition ein. Die thematischen Rundgänge sind in erster Linie text- und bildbetont, Video oder Ton spielen keine große Rolle. Verlinkte Paratexte zu den einzelnen Werken ermöglichen jedoch keine Interaktion in welchem Sinn auch immer. Über die Anwahl einer Ausstellung gelangt man zu einem Einleitungstext, der von unterschiedlichen Kapiteln gefolgt und weiteren Paratexten ergänzt wird. Die einzelnen Werke sind über Links in der Datenbank zugänglich. Das Bildmaterial ist meist in guter Auflösung zugänglich, jedoch ohne Zoomoder Share-Funktion. Appendix 13 Verhältnis zum Kontext: •
•
•
•
„Digitales Belvedere“ Bezug zur realen Ausstellung/Sammlungspräsentation: Online-Katalogs + 1 „Virtueller Transfer“ Bezug zur realen Ausstellung/Sammlungspräsentation: Online-Katalogs im weitesten Sinn 0 „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou Bezug zur realen Ausstellung/Sammlungspräsentation: Online-Katalogs + 1 „Explore“/„Art Project powered by Google“ Bezug zur realen Ausstellung/Sammlungspräsentation: Online-Katalogs im weitesten Sinn 0
entspricht der Idee des
entspricht der Idee des
entspricht der Idee des
entspricht der Idee des
Inhalt/Text: •
„Digitales Belvedere“ Titel: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 Informationen über die einzelnen Werke und deren Künstler: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1
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•
•
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Informationen über die Ausstellung (Konzept und eventuell über die Institution): entspricht der Idee des Online-Katalogs im weitesten Sinn 0 weiterführende Informationen (Katalog als Recherchetool): entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Mehrsprachigkeit: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 „Virtueller Transfer“ Titel: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Informationen über die einzelnen Werke und deren Künstler: entspricht der Idee des Online-Katalogs im weitesten Sinn 0 Informationen über die Ausstellung (Konzept und eventuell über die Institution): entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 weiterführende Informationen (Katalog als Recherchetool): entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Mehrsprachigkeit: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou Titel: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 Informationen über die einzelnen Werke und deren Künstler: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Informationen über die Ausstellung (Konzept und eventuell über die Institution): entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 weiterführende Informationen (Katalog als Recherchetool): entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Mehrsprachigkeit: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 „Explore“/„Art Project powered by Google“ Titel: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 Informationen über die einzelnen Werke und deren Künstler: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Informationen über die Ausstellung (Konzept und eventuell über die Institution): entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 weiterführende Informationen (Katalog als Recherchetool): entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Mehrsprachigkeit: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1
Inhalt und Technik: •
„Digitales Belvedere“ Wer ist für den Katalog verantwortlich: entspricht der Idee des Online-Katalogs +1 Text/Bild/Ton/Video: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 Interaktion: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 schnelle Aktualisierung: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1
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temporäre (?)/kostenfreie oder -pflichtige Zugänglichkeit: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Systematik/Suche: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 interne und externe Links: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 „Virtueller Transfer“ Wer ist für den Katalog verantwortlich: entspricht der Idee des Online-Katalogs +1 Text/Bild/Ton/Video: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Interaktion: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 schnelle Aktualisierung: entspricht der Idee des Online-Katalogs im weitesten Sinn 0 temporäre (?)/kostenfreie oder -pflichtige Zugänglichkeit: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Systematik/Suche: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 interne und externe Links: entspricht der Idee des Online-Katalogs im weitesten Sinn 0 „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou Wer ist für den Katalog verantwortlich: entspricht der Idee des Online-Katalogs +1 Text/Bild/Ton/Video: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Interaktion: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 schnelle Aktualisierung: entspricht nicht der Idee des Online-Katalogs – 1 temporäre (?)/kostenfreie oder -pflichtige Zugänglichkeit: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Systematik/Suche: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 interne und externe Links: entspricht der Idee des Online-Katalogs im weitesten Sinn 0 ein Bonuspunkt für: Bezug zur Ausstellung + 1 „Explore“/„Art Project powered by Google“ Wer ist für den Katalog verantwortlich: entspricht nicht der Idee des OnlineKatalogs – 1 Text/Bild/Ton/Video: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Interaktion: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 schnelle Aktualisierung: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 temporäre (?)/kostenfreie oder -pflichtige Zugänglichkeit: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 Systematik/Suche: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 interne und externe Links: entspricht der Idee des Online-Katalogs + 1 ein Bonuspunkt für: Verlinkung + 1
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Funktion: „Digitales Belvedere“ speichern/vermitteln/debattieren/sammeln/erhalten/erforschen/präsentieren • „Virtueller Transfer“ speichern/vermitteln/debattieren/sammeln/erhalten/erforschen/präsentieren • „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou speichern/vermitteln/debattieren/sammeln/erhalten/erforschen/präsentieren • „Explore“/„Art Project powered by Google“ speichern/vermitteln/debattieren/sammeln/erhalten/erforschen/präsentieren FAZIT: • „Digitales Belvedere“: – 4 von 13 möglichen Punkten • „Virtueller Transfer“: 5 von 13 möglichen Punkten • „Parcours d’Exposition“/elles@centrepompidou: 6 + 1 von 13 möglichen Punkten • „Explore“/„Art Project powered by Google“: 8 + 1 von 13 möglichen Punkten •
Appendix 14 Abb. 41: Auswertungstabelle zur Abgrenzung des Online-Katalogs
Appendix 15 Anhand des folgenden Beispiels einer Online-Datenbank des Kunstmuseums Liechtenstein, die als Online-Sammlungskatalog von den Machern bezeichnet wird,
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möchte ich kurz konkret auf das Verhältnis zwischen Haupt- und Paratext eingehen. Wie beinahe alle großen Museen verfügt auch das Kunstmuseum Liechtenstein35 über eine Website, die das Museum, seine Geschichte, das Team, die Aktivitäten usw. präsentiert. Diese Website als Ganzes ist dem Bereich des Marketings zuzuordnen. Jedoch findet sich unter dem Punkt „Sammlung“ ein Online„Sammlungskatalog“36, der auch als solcher bezeichnet wird, im Gegensatz z. B. zu „Sammlung-Online“ des Lentos Kunstmuseum Linz37, die sich vom Aufbau zwar nicht wesentlich von unserem Beispiel unterscheidet, jedoch als Datenbank bezeichnet wird. Einleitend möchte ich kurz den Aufbau dieses Online-Katalogs skizzieren: Beim Anwählen der Rubrik „Sammlungskatalog“ kommt der User ohne Umweg über Titelblatt, Einleitung oder Präsentation direkt auf die Suchmaske des Sammlungskatalogs. Hier kann man eine Volltextsuche machen, aber ebenso nach Künstlernamen (nach vorgegebener Namensliste), Titel, Datierung, Gattung sowie Inventarnummer recherchieren. Die Suchergebnisse wiederum können nach Titel, Künstler oder Datierung sortiert werden. Auch gibt es die Möglichkeit, die Darstellungsweise zu wählen: Bildliste, Leuchtpult oder Detail. Die gefundenen Suchergebnisse können dann markiert und in eine Mappe gelegt werden, sodass man sich aus den persönlichen Suchergebnissen einen individuellen „Katalog“ zusammenstellen kann. Ich möchte hier die Werkbeschreibung im Format „Detail“ genauer betrachten und wähle das Werk „Chitarrone“ (1986) von Emilio Prini (*1943) dafür aus. Woraus setzt sich nun diese Seite zusammen? Generell muss man festhalten, dass die Grafik der Kunstmuseum-Liechtenstein-Website auch auf dieser Seite präsent ist. Des Weiteren kann man ein Bild der Arbeit sehen, in diesem Fall eine Installationsansicht in Nahaufnahme, daneben sind Angaben wie Name des Künstlers, Titel und Jahr, Material und Abmessungen, Detailangaben, Benennung des Suchergebnisses, Inventarnummer sowie Provenienzangaben lesbar.
35 Im Jahr 1967 erhält der Staat Liechtenstein zehn Gemälde geschenkt. Diese Schenkung bietet den Anlass für die Gründung der Liechtensteinischen Staatlichen Kunstsammlung. Heute wird das Kunstmuseum Liechtenstein von einer Gruppe privater Stifter gemeinsam mit der Regierung von Liechtenstein sowie der Gemeinde Vaduz unterhalten. Im Jahr 2000 wird das neue Museumsgebäude dem Land Liechtenstein übergeben, das für den Betrieb und die Führung des Museums die öffentlich-rechtliche „Stiftung Kunstmuseum Liechtenstein“ gründet. Im November 2000 wird in der Folge das Museum eröffnet. 36 Vgl. Kunstmuseum Liechtenstein: [Online]. Verfügbar unter: http://emp-web-20. zetcom.ch/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&lang=de (Stand 1.7.2014) 37 Vgl. Lentos Kunstmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://sammlung.lentos.at:8088/ mboxlentos/login.m-box?archive= (Stand 1.7.2014)
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Grundlegend muss man sich beim Beispiel des Online-Katalogs vom Kunstmuseum Liechtenstein die Frage nach dem Haupttext stellen. Da es nicht einen gewichtigen Langtext gibt, sondern sich der Katalog als Sammlung von Bildmaterial präsentiert, schlage ich vor, das Foto der jeweiligen Arbeit (also die Repräsentation des Originals) als Haupttext zu sehen und die textlichen Anmerkungen als Paratext. Mit dieser Voraussetzung kann man nun Folgendes über den Paratext feststellen: Durch die parallele Stellung des Haupttexts (Foto) zum Paratext (Beschreibung, Werkangaben) kann man hier von einem Peritext sprechen. Der Paratext befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Haupttext. Wenn man davon ausgeht, dass die Fotos sowie der Beschreibungstext speziell für den Online-Katalog angefertigt werden (was sehr oft der Fall ist), handelt es sich hierbei um einen originalen Paratext. Jedoch sind teilweise die Angaben auch im analogen Sammlungsarchiv zu finden und daher z. B. der Titel oder die Jahresangabe als früherer Paratext einzustufen, da dieser vor der fotografischen Abbildung des Werks entstanden ist. So kann man von einer Mischform sprechen. Durch die anfängliche Setzung des Paratexts sind diesem ein textlicher (es handelt sich um einen Text) und materieller (Wahl der Schrift, Größe, Farbe, Zeilenabstand ...) sowie faktischer Status (Kontext; durch den Bezug auf die bekannte Gliederung in Sammlungsinventaren wird der Paratext in den Kontext des Archivs gestellt) zuzuordnen. Zum faktischen Status des Paratexts muss man noch ein wenig weiter ausholen und ebenso das den Katalogeintrag umgebende und zur Museumswebsite gehörende Layout der Seite in Betracht ziehen: Der Bezug zum realen Museum und unser Wissen darüber werden durch das Foto und das Museumslogo vor Augen gehalten. Außerdem besteht jederzeit die Möglichkeit, das Museum zu kontaktieren oder passiv über die Aktivitäten informiert zu werden. So wird das präsentierte Werk in einen realen Zusammenhang gestellt. Der Haupttext, das Foto, sowie der Paratext, die schriftlichen Werkangaben, beziehen sich beide auf das originale Werk, das den Kontext für beide schafft. Aber zurück zum Paratext im engeren Sinn: In diesem Fall handelt es sich nicht um einen auktorialen Paratext, da der Fotograf des Werks nicht der Autor der Beschreibung ist, sondern um einen verlegerischen. Dieser Paratext wendet sich weniger an eine Öffentlichkeit als an den Leser, da eine aktive Suche des Users vonnöten ist, um bis zu diesem Paratext vorzudringen. Die Beschreibung beinhaltet reine Information (Name des Künstlers, Titel des Werks ...) und meiner Meinung nach eine Verpflichtung durch die Angabe der Provenienz. Interessant ist auch anzumerken, dass der Paratext über den Haupttext, das Foto, hinausgeht, indem er Bezug auf das nimmt, was auf dem Foto nicht zu sehen ist, wie z. B. die Signatur auf der Rückseite. Durch die Maßangaben der einzelnen Elemente könnte eine Absicht (es handelt sich um eine Installation) ausgedrückt werden. Hierbei handelt es sich um eine schemenhafte große Analyse. Z. B. könnte man die Betrachtungen erweitern und den Bildschirm, andere geöffnete Fenster ... eben-
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so als Paratexte analysieren. Diese Betrachtung würde aber den gegebenen Rahmen sprengen. Die Werkangaben des Online-Katalogs des Kunstmuseums Liechtenstein bemühen sich um einen seriösen und informativen Charakter. Die möglichst neutrale serifenlose Schrift, der strenge, immer gleichbleibende Aufbau adressieren sich nicht nur aufgrund ihrer Stellung, sondern auch wegen ihrer Strukturierung und Präsentation nicht an ein breites, sondern an ein spezifisches Publikum und dienen zum Informationsgewinn. Appendix 16 Es gibt keine allgemeingültige Definition des Flaneurs. Der französische Philologe und Philosoph Émile Maximilien Paul Littré beschreibt die Tätigkeit des Flanierens wie folgt: „[s]e promener sans but, au hasard; usé son temps sans profit“.38 Der Zeit- und Ortfaktor sowie die „Ziellosigkeit“ spielen hier hinein und werden auch in unterschiedlichen Konzeptionen aufgegriffen. Um zumindest eine Reflexionsbasis zu haben, schlägt Harald Neumeyer daher eine „Minimaldefinition“ vor: Flanieren bezeichnet ein richtungs- und zielloses Streifen durch die Stadt.39 Das Verständnis sowie die dem Flaneur zugeschriebenen Funktionen variieren im Laufe der Zeit und spiegeln die unterschiedlichen Konzepte der Moderne wider.40 Generell versteht man darunter aber mehr als nur eine körperliche Bewegung im urbanen Kontext. Walter Benjamin z. B. bezieht sich in seiner Konzeption des Flaneurs auf Poe und Baudelaire, auch wenn er nicht (immer) mit ihnen konform geht. Laut Benjamin gibt sich der Flaneur in der Menge preis und stellt sich – analog zur Ware – zur Schau. Zwar spielt bei Benjamin sowohl der urbane Kontext als auch die Bewegung in diesem Bezug zur Zeit eine Rolle, jedoch reicht die charakteristische Haltung des Flaneurs noch weiter.41 Der Flaneur gibt sich seinem Rausch hin, einem Rausch, der mit dem Umworben-Werden der Ware vergleichbar ist. Wie sich die Ware in den Käufer und ihren Preis einfühlt, so fühlt sich der Flaneur in seine Käufer sowie in die Käuflichkeit an sich ein. Benjamin zieht somit eine Analogie zwischen Flaneur und Ware. Der Flaneur kaschiert unter der (fälschlichen) Vorgabe, sehen zu wollen, seine wahre Intention: und zwar gesehen zu werden und somit einen „Käufer zu finden“.42 Der scheinbare Voyeurismus verbirgt somit das wahre Motiv des Flaneurs.
38 Littré, Émile Maximilien Paul: Dictionnaire de la langue française, 42 Bände, Chicago, 1982, Band 2, S. 2512 39 Vgl. Neumeyer, Harald, 1999, S. 17 40 Vgl. ebd., S. 19 41 Vgl. ebd., S. 16 42 Vgl. ebd., S. 21ff.
Literatur
B UCHPUBLIKATIONEN
UND
K ATALOGE
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366 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Neumeyer, Harald: Der Flaneur. Konzeptionen der Moderne, Königshausen und Neumann, Würzburg, 1999 Nikkels, Walter: Der Raum des Buches, Tropen Verlag, Köln, 1998 O’Doherty, Brian: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space, The Lapos Press, San Francisco, 1990 Parry, Ross (Hrsg.): Museums in a Digital Age, Routledge, New York, 2010 Pelc, Milan: Illustrium imagines: das Porträtbuch der Renaissance, Leiden, Boston, Köln, Brill, 2002 Petschar, Hans: Der Katalog, Springer Verlag, Wien, 1999 Pognant, Patrick; Scholl, Claire: Les cd-rom culturels, Hermès, Paris, 1996 REGNET Cultural Heritage in REGional NETworks, Deliverable Report D3 Enterprise Engineering and Market Analysis, Version 01, 2001 Rosenberg, Pierre: Préface. Des Catalogues d’exposition, in: Delaigle, Francine; Rosenberg, Pierre; Schmitt, Catherine; Viatte, Germain: Les catalogues d’exposition: Guide de catalogage, Centre Georges Pompidou: Documentation du Musée national d’art moderne, Paris, 1991 Salzburger Kunstverein (Hrsg.): 150 Jahre Salzburger Kunstverein. Kunst und Öffentlichkeit, Salzburg, 1994 Schaffner, Ingrid, Winzen, Matthias (Hrsg.): Deep Storage – Arsenale der Erinnerung – Sammeln, Speichern, Archivieren in der Kunst, Prestel Verlag, München, New York, 1997 Schmitt, Catherine: Avant-Propos, in: Delaigle, Francine; Rosenberg, Pierre; Schmitt, Catherine; Viatte, Germain: Les catalogues d’exposition: Guide de catalogage, Centre Georges Pompidou: Documentation du Musée national d’art moderne, Paris, 1991 Schoener, Allon: The Electronic Museum and Information Distribution, in: Metropolitan Museum of Art (Hrsg.): Computers and Their Potential Applications in Museums. A Conference Sponsored by the Metropolitan Museum of Art, April 15, 16, 17, Arno Press, New York, 1968 Schrenck von Notzing, Jacob: Vorrede an den guethertzigen Leser, in: Die Heldenrüstkammer (Armamentarium Heroicum) Erzherzog Ferdinands II. auf Schloss Ambras bei Innsbruck. Faksimiledruck der lateinischen und der deutschen Ausgabe des Kupferstich-Bildinventars von 1601 bzw. 1603. Hrsg. von Bruno Thomas, Osnabrück 1981, zitiert aus: Bosse, Dagmar: Souvenir, Dokument und Substitut. Die Abbildung im Ausstellungskatalog, in: Bosse, Dagmar (Hrsg.), 2004 Schulze, Hans Herbert: Computerkürzel: Lexikon der Akronyme, Kurzbefehle und Abkürzungen, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1998 Schweibenz, Werner: The „Virtual Museum“ 1: New Perspectives for Museums to Present Objects and Information Using the Internet as a Knowledge Base and Communication System, in: Zimmermann, Harald H.; Schramm, Volker (Hrsg.): Knowledge Management und Kommunikationssysteme, Workflow Management, Multimedia, Knowledge Transfer. Proceedings des 6. Internatio-
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G EDRUCKTE K ATALOGE , DIE IN DER P UBLIKATION ANALYSIERT WERDEN
VORLIEGENDEN
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Crozat, Pierre: Recueil d’estampes d’après les plus beaux tableaux et d’après les plus beaux desseins qui sont en France dans le Cabinet du Roy, dans celuy de Monseigneur le Dux d’Orleans, & dans d’autres Cabinets. Divisé suivant les différentes écoles avec un abbregé de la Vie des Peintres, & une Description Historique de chaque Tableau, TOMBE SECONDE, Paris, 1729 (2 Bände) Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Verzeichnis der Gemälde, Edition Christian Brandstätter, Wien, 1991 documenta 8 Kassel 1987, 12. Juni–20. September, Weber & Weidemeyer, 1987 II. Documenta ‘59. Kunst nach 1945, DuMont Schauberg, Köln, 1959 (3 Bände) Entartete Kunst, Führer durch die Ausstellung, Verlag für Kultur- und Wirtschaftswerbung, München, 1937 Fritz, Martin; Bogner, Peter; Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs; Künstlerhaus (Hrsg.): Beziehungsarbeit – Kunst und Institution, Schlebrügge Editor, Wien, 2011 Grosse Deutsche Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst zu München, offizieller Ausstellungskatalog, Verlag Knorr & Hirth, München, 1939 Haenlein, Carl-Albrecht (Hrsg.): Künstlerphotographien im XX. Jahrhundert, Kestner-Gesellschaft Hannover, 1977 Hofmann, Werner (Hrsg.): Kunst von 1900 bis heute: Museum des 20. Jahrhunderts. Eröffnungsausstellung 21. September–4. November 1962, Wien, 1962 Illuminations, Kurzführer der 54. Biennale von Venedig, Marsilio, Venedig, 2011 Jubiläums-Ausstellung der kgl. Akademie der Künste im Landesausstellungsgebäude zu Berlin. Illustrirter Catalog, Verlag der „Deutschen Jllustrirten Zeitung“, Berlin, 1886 Katalog der Gemäldegalerie. Italiener, Spanier, Franzosen, Engländer, 1. Teil, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1960 Katalog zur antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“, Künstlerhaus, Wien, 1946 Kunst der sechziger Jahre. Sammlung Ludwig im Wallraf-Richartz Museum Köln, 5., erweiterte Auflage (Erstauflage1969), Köln, 1971 Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen, Verlag Christian Brandstätter, Wien, 1988 Künstlerhaus. Katalog der XXXVI. Jahresausstellung, Verlag der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, Wien, 1910 Marte, Isabella (Hrsg.): documenta 12, Kassel, Taschen Verlag, Köln, 2007 Measuring the World. Heterotopias and Knowledge Spaces in Art, Kunsthaus Graz, Universalmuseum Joanneum, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2011 Münz, Ludwig: Katalog und Führer der Gemäldegalerie, Akademie der Bildenden Künste in Wien, I., II., III. Teil, 3., veränderte Auflage, Wien, 1957 Neue Nationalgalerie Berlin. Museumsführer, 3., überarbeitete Auflage, Prestel Verlag, München, 2008
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Petschar, Hans; Strouhal, Ernst; Zobernig, Heimo: Der Katalog. Ein historisches System geistiger Ordnung, Springer Verlag, Wien, New York, 1999 Pigage, Nicolas: La Galerie électorale de Dusseldorff ou catalogue raisonné de ses Tableaux, Brüssel, MDCCLXXVIII, 1778 [auch online abrufbar unter: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/pigage1778/0002?sid=544fe3a9a3dd6b731 2561f77bb5e43e7 (Stand 1.7.2014)] Prenner, Anton Joseph von: Theatrum artis pictoriae quo tabulae depictae quae in caesarea Vindobonensi Pinacotheca servantur leviore caelatura aeri insculptae exhibentur ab Antonio Josepho de Prenner, Wien, 1728–1729 Steinle, Christa; Peer, Peter; Buol-Wischenau, Karin (Hrsg.): Rückblende. Die Fotosammlung der Neuen Galerie Graz, FolioVerlag, Wien, Bozen, 2011 Stix, Alfred (Hrsg.): Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina, Band 1, Verlag von Anton Schroll & CO, Wien, 1926 Teniers, David: El Teatro de pinturas de David Teniers, Brüssel, 1660 Verein der Museumsfreunde (Hrsg.): Katalog der Gemäldegalerie. Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien – Herausgegeben vom Verein der Museumsfreunde, Nr. 8, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1928 Vereinigung bildender KünstlerInnen Österreichs Secession (Hrsg.): Ausstellung der Vereinigung bildender KünstlerInnen Österreichs, Secession Wien, Wien, 1912 Verzeichnis der Gemälde, Kunsthistorisches Museum, Wien, Verlag Anton Schroll & Co, Wien und München, 1973 When Things cast no Shadow, 5. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, Kurzführer – Nacht, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2008 Wiener Secession, Beckmann, Kreutzberger, Yppen, Herbst 1957 Wittenberger Heiltumsbuch, 1509
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Die Welt der Habsburger: [Online]. Verfügbar unter: www.habsburger.net (Stand 20.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Die Welt der Habsburger: Die virtuelle Ausstellung: [Online]. Verfügbar unter: http://www.habsburger.net/#/de/ueber-das-projekt/welt-und-welten-derhabsburger-1 (Stand 20.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Digital belvedere, Vorbemerkung: [Online]. Verfügbar unter: http://digital. belvedere.at/emuseum/assets/emuseum/assets/vorbemerkung.html (Stand 24.6.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Digital belvedere: [Online]. Verfügbar unter: http://digital.belvedere.at/emuseum/ assets/emuseum/assets/digitalesbelvedere.html (Stand 24.6.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) elles@centrepompidou. artistes femmes dans les collections du centre pompidou, Credits: [Online]. Verfügbar unter: http://www.ina.fr/fresques/elles-centre pompidou/credits (Stand 1.11.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Europeana exhibitions, Explore the World of Musical Instruments: [Online]. Verfügbar unter: http://exhibitions.europeana.eu/exhibits/show/musical-instruments -en (Stand 22.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Europeana exhibitions: [Online]. Verfügbar unter: http://pro.europeana.eu/web/ guest/about/europeana-foundation (Stand 23.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Google art project: [Online]. Verfügbar unter: http://www.googleartproject.com (Stand 24.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Google art project: FAQS: [Online]. Verfügbar unter: http://www.googleartproject. com/de/faqs/ (Stand 1.11.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) James, Juliet Helena Lumbard: Sculpture of the Exposition Palaces and Courts: [Online]. Verfügbar unter: http://www.books-about-california.com/Pages/Sculp ture_of_the_Exposition/Sculpture_of_Expo_main.html (Stand 15.4.2010, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Joconde. Portail des collections des musées de France: Le mot de bienvenue de la directrice chargée des musées de France: [Online]. Verfügbar unter: http:// www.culture.gouv.fr/documentation/joconde/fr/pres.htm (Stand 22.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Kunstmuseum Liechtenstein: [Online]. Verfügbar unter: http://emp-web-20.zetcom. ch/eMuseumPlus?service=External (Stand 1.7.2014, der analysierte Link vom 14.5.2011 ist nicht mehr aktuell und die Inhalte wurden auf die angeführte Seite transferiert) Lentos Kunstmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://sammlung.lentos.at:8088/ mboxlentos/login.m-box?archive= (Stand 1.7.2014, der analysierte Link vom 14.5.2011 ist nicht mehr aktuell und die Inhalte wurden auf die angeführte Seite transferiert) Lentos Kunstmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://www.lentos.at/de/2147_ 183.asp (Stand 24.2.2012, Seite nicht mehr online)
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Österreichische Mediathek: www.staatsvertrag.at – eine akustische webausstellung: [Online]. Verfügbar unter: www.staatsvertrag.at (Stand 28.1.2013, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Österreichische Mediathek: www.staatsvertrag.at – eine akustische webausstellung: [Online]. Verfügbar unter: http://www.mediathek.at/staatsvertrag/index.php? document_id=1000195 (Stand 24.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) Smith, A. H.: The Project Gutenberg eBook, A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities, British Museum, Volume 1 (of 2): [Online]. Verfügbar unter: http://www.gutenberg.org/files/37558/37558-h/ 37558-h.htm (Stand 12.1.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014) WebMuseum, Paris: [Online]. Verfügbar unter: http://www.ibiblio.org/wm/ (Stand 22.2.2012, auf Aktualität überprüft am 1.7.2014)
P ERIODIKA MEDICI Framework of Cooperation, Annual Report, 2009 New York: Worldwide Books (Hrsg.): The Art book biannual [REVUE]: a guide to exhibition catalogues and other books on art, New York, 1992 Pomey, Evelyne: Catalogus. Bulletin bibliographique trimestriel illustré de récents catalogues d’exposition d’art contemporain / Institut des hautes études en arts plastiques, Centre Georges Pompidou, Supplément au N° 25 de la revue „Les Cahiers du Musée national d’art moderne“, Automne, Paris, 1988 Recht, Roland; Barbillon, Claire: A quoi sert l’histoire de l’art?, Textuel, 2006
T EXTE
UND WISSENSCHAFTLICHE
ARBEITEN
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Staud, Gloria: Monumentale Geschichte, in: fiesta, N° 04, 2008 Wunenburger, Jean-Jacques: Promesses et risques des nouveaux médias, in: La Lettre de l’OCIM, N° 59, 1998 Wünsch, Barbara: Museum und Internet in Österreich, Wien, Universität für angewandte Kunst, Master Thesis, Wien, 2006
L EXIKA
UND
E NZYKLOPÄDIEN
Der Brockhaus – In 24 Bänden: 20., überarbeitete und aktualisierte Auflage, F. A. Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 1998 Der Brockhaus – In 15 Bänden, 2., durchgesehene und aktualisierte Auflage, F. A. Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 2001 Der Brockhaus – In 30 Bänden, 21., völlig neu bearbeitete Auflage, F. A. Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 2006a Der Brockhaus in 3 Bänden, 4., aktualisierte Auflage, F. A. Brockhaus, Leipzig, Mannheim, 2006b Littré, Émile Maximilien Paul: Dictionnaire de la langue française, 42 Bände, Chicago, 1982
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L ITERATUR | 375
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CD-ROM S Brisson, Dominique; Coural, Natalie: Le Louvre. Peintures & palais. La visite interactive du plus grand musée du monde, Montparnasse Multimédia, Rmn, 1994 Brockhaus digital: Brockhaus Enzyklopädie digital, Mannheim, 2006 Hémery, Annick: CD du Louvre: la compil’ interactive, in: Etapes graphiques, Pyramyd NTCV, Paris, März 1995 Musée d’Orsay. Visite virtuelle / Dominique Brisson, Montparnasse multimédia, Rmn, Nouvelle version, 1999
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S ONSTIGES Hanakam, Markus; Mihatsch, Karin; Schuller, Roswitha: Video „15 minutes. Über die Repräsentationen von Ausstellungsmodellen im Internet. Ein Gespräch mit Markus Hanakam & Roswitha Schuller und Karin Mihatsch.“, das im Rahmen der VIENNA ART WEEK 2011 im weissen haus Wien (kuratiert von Elsy Lahner) gezeigt wurde Hanakam, Markus; Mihatsch, Karin; Schuller, Roswitha: Video „Session No 1 Flânerie“, das im Mai 2012 in Kassel aufgenommen wurde und derzeit in der Postproduktion ist (Stand Juli 2014)
W EITERFÜHRENDE L INKS
UND
L ITERATUR
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Abbildungen
Abb. 1: Büstenreliquiare und goldene Reliquienostensorien auf einem Holzschnitt im Wiener Heiltumsbuch, 1502, Auszug Quelle: Wikipedia: Wiener Heiltumsbuch: [Online]. Verfügbar unter: http://de. wikipedia.org/wiki/Datei:Wiener_Heiltumsbuch_1502.jpg (Stand 1.7.2014), oder: Sol & Luna, Auf den Spuren von Gold und Silber, Frankfurt, 1972, S. 55 Abb. 2: „Mirabilia Romae“, spätes 15. Jahrhundert, Auszug Quelle: Mirabilia Romae: [Online]. Verfügbar unter: http://www.christies.com/ LotFinder/ZoomImage.aspx?image=/lotfinderimages/D53349/d5334902 (Stand 1.7.2014) Abb. 3: Holzschnittbüchlein des Arnt van Aich, 16. Jahrhundert, Auszug Quelle: van Aich, Arnt: Holzschnittbüchlein, 16. Jahrhundert: [Online]. Verfügbar unter: http://www.cornelissen.de/cor_aac2.htm (Stand 1.7.2014) Abb. 4: Wittenberger Heiltumsbuch, 1509, Auszug Quelle: Alpen Adria Universität Klagenfurt: Kitlitschka, Inge: Das Wittenberger Heiltumsbuch: [Online]. Verfügbar unter: http://wwwg.uni-klu.ac.at/ kultdoku/kdtest/db.php?senden=Suchen&volltext=reliquien (Stand 28.11.2010, Seite nicht mehr online) Abb. 5: Wittenberger Heiltumsbuch, 1509, Auszug Quelle: Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte: Wittenberger Heiltumsbuch: [Online]. Verfügbar unter: http://www.lukasverlag.com/images/ verlag/cover/print/9783931836726.jpg (Stand 1.7.2014) Abb. 6: „Imagines illustrium virorum et mulierum ex antiquis numismatibus“, 1517, Auszug Quelle: The Numismatic Bibliomania Society: Imagines illustrium virorum et mulierum ex antiquis numismatibus: [Online]. Verfügbar unter: http://www. coinbooks.org/club_nbs_esylum_v11n46.html (Stand 1.7.2014) Abb. 7: „Armamentarium heroicum“, 1601, Auszug Quelle: la Nef des Fous: Armamentarium heroicum: [Online]. Verfügbar unter: http://lanefdesfous.fr/modules/newbb/viewtopic.php?topic_id=669 (Stand 30.11.2010, Seite nicht mehr online)
382 | D ER AUSSTELLUNGSKATALOG 2.0
Abb. 8: „Sammlungsräume“, Jan von Troyen, Frontispiz mit Prinz Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich, 1658, Kupferstich, aus: David Teniers, Theatrum Pictorium, Brüssel, 1660 (erste Edition), Auszug Quelle: Wikipedia: „Sammlungsräume“, Jan von Troyen (ca. 1610–nach 1670/71), Frontispiz mit Prinz Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich, 1658, Kupferstich, aus: David Teniers, Theatrum Pictorium, Brüssel 1660: [Online]. Verfügbar unter: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Theatrum_Pictorium. jpg (Stand 1.7.2014) Abb. 9: „Respekt“, nach dem Gemälde von Paolo Veronese, das sich in der Sammlung von Monseigneur le Duc d’Orléans zur damaligen Zeit befindet. Stecher: Louis Desplaces, Auszug aus dem „Recueil Crozat“, TOMBE SECONDE Quelle: „Le Respect“, nach dem Gemälde von Paolo Veronese: [Online]. Verfügbar unter: http://www.art-books.com/cgi-bin/artbooks/65-0863.html?id=Tno DT6rq (Stand 1.7.2014) Peint sur toile, haute de 6. pieds, large de 6. pieds Abb. 10: „Resepkt“, Paolo Veronese, 1557, The National Gallery, London Quelle: The National Gallery: „Respect“, Paolo Veronese, 1557, The National Gallery, London: [Online]. Verfügbar unter: http://www.nationalgallery.org.uk/ paintings/paolo-veronese-respect (Stand 1.7.2014) Abb. 11: „Prodromus“, 1735, Auszug Quelle: Prodromus: [Online]. Verfügbar unter: http://www.museodelprado.es/ investigacion/biblioteca/fondo-antiguo/obrasdestacadas/obra/browse/2/volver/ 72/actualidad/stampart-frans-van-1675-1750/ (Stand 1.7.2014) Abb. 12: „La Galerie électorale de Dusseldorff raisonné et figuré de ses Tableaux“, 1778, Auszug Quelle: „La Galerie électorale de Dusseldorff raisonné et figuré de ses Tableaux“: [Online]. Verfügbar unter: http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ content/pageview/157354 (Stand 1.7.2014) Abb. 13: „Le Salon“, Honoré Daumier Quelle: „Le Salon“, Honoré Daumier: [Online]. Verfügbar unter: http://www. antiquity.tv/episode-1-manet-artist-profile-and-biography/ (Stand 1.7.2014) Abb. 14: „Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina“, 1926, Auszug Quelle: Stix, Alfred (Hrsg.): Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina, Band 1, Verlag von Anton Schroll & CO, Wien, 1926, Scan durch die Universitätsbibliothek der Universität für angewandte Kunst Wien Abb. 15: „Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina“, 1926, Auszug Quelle: Stix, Alfred (Hrsg.): Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der graphischen Sammlung Albertina, Band 1, Verlag von Anton Schroll & CO, Wien, 1926, Scan durch die Universitätsbibliothek der Universität für angewandte Kunst Wien
A BBILDUNGEN | 383
Abb. 16: „Katalog der Gemäldegalerie. Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien“, 1928, Auszug Quelle: Verein der Museumsfreunde (Hrsg.): Katalog der Gemäldegalerie. Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen Wien – Herausgegeben vom Verein der Museumsfreunde, Nr. 8, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1928, Foto: Karin Mihatsch Abb. 17: „Entartete Kunst, Führer durch die Ausstellung“, München, 1937, Auszug Quelle: Entartete Kunst, Führer durch die Ausstellung, Verlag für Kultur- und Wirtschaftswerbung, München, 1937, Auszug, Scan durch die Universitätsbibliothek der Universität für angewandte Kunst Wien Abb. 18: „Grosse Deutsche Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst zu München“, offizieller Ausstellungskatalog, 1939, Auszug Quelle: Grosse Deutsche Kunstausstellung 1939 im Haus der Deutschen Kunst zu München, offizieller Ausstellungskatalog, Verlag Knorr & Hirth, München, 1939, Scan durch die Universitätsbibliothek der Universität für angewandte Kunst Wien Abb. 19: Katalog zur antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“, Wien, 1946, Auszug Quelle: Katalog zur antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“, Künstlerhaus, Wien, 1946, Scan durch die Universitätsbibliothek der Universität für angewandte Kunst Wien Abb. 20: „Katalog und Führer der Gemäldegalerie“, Wien, 1957, Auszug Quelle: Münz, Ludwig: Katalog und Führer der Gemäldegalerie, Akademie der Bildenden Künste in Wien, I., II., III. Teil, 3., veränderte Auflage, Wien, 1957, Foto: Karin Mihatsch Abb. 21: „Kunst der sechziger Jahre. Sammlung Ludwig im Wallraf-Richartz Museum Köln“, 1971 Quelle: Kunst der sechziger Jahre. Sammlung Ludwig im Wallraf-Richartz Museum Köln, 5., erweiterte Auflage 1971 (Erstausgabe 1969), Köln, 1971, Foto: Karin Mihatsch, Außenansicht Abb. 22: „Verzeichnis der Gemälde“, Kunsthistorisches Museum, Wien, 1973, Auszug Quelle: „Verzeichnis der Gemälde“, Kunsthistorisches Museum, Wien, Verlag Anton Schroll & Co, Wien und München, 1973, Scan durch die Universitätsbibliothek der Universität für angewandte Kunst Wien Abb. 23: „Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen“, 1988, Auszug Quelle: Kunsthistorisches Museum Wien. Führer durch die Sammlungen, Verlag Christian Brandstätter, Wien, 1988, Scan durch die Universitätsbibliothek der Universität für angewandte Kunst Wien
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Abb. 24: „Neue Nationalgalerie Berlin. Museumsführer, 2008, Auszug Quelle: Neue Nationalgalerie Berlin. Museumsführer“, 3., überarbeitete Auflage, Prestel Verlag, München, 2008, Foto: Karin Mihatsch Abb. 25: „Lebt und arbeitet in Wien III“, 2010, Beispiel des zum Download bereitgestellten PDFs Quelle: kunsthalle wien: Mediazone: KUNSTHALLE wien, Matt, Gerald, Stief, Angela (Hrsg.): „Lebt und arbeitet in Wien III, Stars in a Plastic Bag“: [Online]. Verfügbar unter: http://www.kunsthallewien.at/cgi-bin/mediazone/publikationen/ list.pl?xslfile=full;item=283;lang=de (Stand 28.1.2013, Seite nicht mehr online) Abb. 26: „Surasi Kusolwong. If A Lion Could Talk“, 2005, Beispiel des zum Download bereitgestellten PDFs Quelle: kunsthalle wien: Mediazone: KUNSTHALLE wien (Hrsg.): „Surasi Kusolwong. If A Lion Could Talk“, Revolver Verlag, Frankfurt am Main, 2005: [Online]. Verfügbar unter: http://www.kunsthallewien.at/cgi-bin/mediazone/ publikationen/list.pl?xslfile=full;item=281;lang=de (Stand 28.1.2013, Seite nicht mehr online) Abb. 27: E-Book „Lawrence Weiner. If in Fact There Is a Context“, 2011, Screenshot Quelle: Screenshot des E-Books „Lawrence Weiner. If in Fact There Is a Context“ aus der Serie „documenta (13). 100 Notizen – 100 Gedanken“, Hatje Cantz Verlag, 2011 Abb. 28: „A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities“, British Museum, Volume 1 (of 2) aus The Project Gutenberg, Screenshot Quelle: Smith, A. H.: The Project Gutenberg eBook, A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities, British Museum, Volume 1 (of 2): [Online]. Verfügbar unter: http://www.gutenberg.org/files/37558/37558h/37558-h.htm (Stand 1.7.2014) Abb. 29: „Sculpture of the Exposition Palaces and Courts“, Screenshot Quelle: James, Juliet Helena Lumbard: Sculpture of the Exposition Palaces and Courts: [Online]. Verfügbar unter: http://www.booksaboutcalifornia.com/Pages/ Sculpture_of_the_Exposition/Sculpture_of_Expo_main.html. (Stand 15.4.2010, Seite nicht mehr online) Abb. 30: Datenbank des ZKM, Screenshot Quelle: ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe: [Online]. Verfügbar unter: http://on1.zkm/zkm/artists/ (Stand 9.2.2012, Seite nicht mehr online) Abb. 31: „Timemachine“, Screenshot Quelle: Das Schweizerische Nationalmuseum, Timemachine: [Online]. Verfügbar unter: http://www.timemachine.ch/4DCGI/WEB_Detail/102906/9080361 (Stand 1.7.2014)
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Abb. 32: Online-Ausstellung „Explore the World of Musical Instruments“, Screenshot Quelle: Europeana exhibitions, Explore the World of Musical Instruments: [Online]. Verfügbar unter: http://exhibitions.europeana.eu/exhibits/show/musicalinstruments-en/themes (Stand 1.7.2014) Abb. 33: Online-Ausstellung „Explore the World of Musical Instruments“, Screenshot Quelle: Europeana exhibitions, Explore the World of Musical Instruments: [Online]. Verfügbar unter: http://exhibitions.europeana.eu/exhibits/show/musicalinstruments-en/experimental-instruments-mimo/introduction (Stand 22.2.2012) Abb. 34: „Virtueller Besuch“ des Kunsthauses Bregenz, Screenshot Quelle: Kunsthaus Bregenz: [Online]. Verfügbar unter: http://www.kunsthausbregenz.at/html/welcome00.htm (Stand 24.2.2012, Seite nicht mehr online) Abb. 35: „Virtual Tour“ des Lentos Kunstmuseum Linz, Screenshot Quelle: Lentos Kunstmuseum: [Online]. Verfügbar unter: http://www.lentos.at/ de/2147_183.asp (Stand 24.2.2012, Seite nicht mehr online) Abb. 36: „Parcours d’Exposition“ der Website elles@centrepompidou, Screenshot Quelle: elles@centrepompidou. artistes femmes dans les collections du centre pompidou, Introduction: [Online]. Verfügbar unter: www.ina.fr/fresques/ellescentrepompidou/parcours/0007 (Stand 17.7.2012, Seite in exakt dieser Form nicht mehr online) Abb. 37: Skizze für ein „Web-catalogue-document“, 2013, Konzept und Gestaltung: Karin Mihatsch Abb. 38: Skizze für ein „Web-catalogue-document“ erstellt in Balsamiq, 2013, Konzept und Gestaltung: Karin Mihatsch Abb. 39: persönliches Heiltumsbuch von Albrecht von Brandenburg, Auszug Quelle: Humanities and Social Sciences: Exhibit Review, March 2007: [Online]. Verfügbar unter: http://www.h-net.org/~german/reviews/boettchermarch 07.htm (Stand 28.11.2010, Seite nicht mehr online) Abb. 40: Paratexte von Gérard Genette, Grafik: Karin Mihatsch Abb. 41: Auswertungstabelle zur Abgrenzung des Online-Katalogs, Tabelle: Karin Mihatsch
Edition Museum Sophie Elpers, Anna Palm (Hg.) Die Musealisierung der Gegenwart Von Grenzen und Chancen des Sammelns in kulturhistorischen Museen 2014, 218 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,99 €, ISBN 978-3-8376-2494-6
Katerina Kroucheva, Barbara Schaff (Hg.) Kafkas Gabel Überlegungen zum Ausstellen von Literatur 2013, 328 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2258-4
Museumsverband des Landes Brandenburg (Hg.) Entnazifizierte Zone? Zum Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus in ostdeutschen Stadt- und Regionalmuseen März 2015, 244 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2706-0
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de