241 59 19MB
German Pages 512 Year 1979
Robert K.G.Temple
DAS
111111 llnEL
WILHELM HEYNEVERLAG MÜNCHEN
HEYNE-BUCH Nr. 7068 im Wilhelm Heyne Verlag, München
Titel der englischen Originalausgabe THE SIRIUS MYSTERY Deutsche Übersetzung von Nikolaus Kaiser Genehmigte, ungekürzte Taschenbuchausgabe Copyright 0 1976 by Robert K. G. Temple Copyright 0 1977 der deutschen Ausgabe by Umschau Verlag Breidenstein KG, Frankfurt am Main Printed in Germany 1979 Umschlaggestaltung: Franz Wöllzenmüller, Unterhaching bei München Layout: Helmut Burgstaller, München Satz: Gaßner & Bischoff, München Druck und Bindung: Presse-Druck, Augsburg ISBN wurde neu vergeben
Inhalt
Bemerkung des Verfassers Das Sirius-Rätsel - Worin besteht es?
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Erster Teil: Die Sirius-Frage stellt sich 1 Das Wissen der Dogon
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Zweiter Teil: Die Sirius-Frage neu gestellt 2 Ein Märchen 3 Die »Heiligen Fünfzig« 4 Die Höllenhunde 5 Die Orakelzentren 6 Die Ursprünge der Dogon 7 Der Aufgang des »Schlangenzahns«
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105 137 175 224 260
Dritter Teil: Über die Sirius-Frage hinaus 8 Eine Fabel
306 306
Ein sudanesisches Sirius-System
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Anhang I Der neuplatonische Philosoph Proklos über die Planetenmonde, die Planeten der Sterne sowie die Rotation der Himmelskörper im Weltraum II Die erhaltenen Fragmente des Berossos IIl Warum sechzig Jahre? IV Die Bedeutung des E in Delphi V Warum es in Hebron (Palästina) Hethiter gab VI Die Einweihungsgrade der Dogon
372 404 418 428 433 441
von Marcel Griau/e und Germaine Dieterlen
Nachwort zur deutschen Ausgabe Danksagungen Anmerkungen zu Kapitel 1-8 und Anhang 1-VI Literaturverzeichnis Register
443 452
455
473
480
Bemerkung des Verfassers Jedem Kapitel im Teil Zwei wurde eine kurze Übersicht bei gegeben. Allein die Menge des zugrundeliegenden Materials läßt es für den Leser geraten erscheinen, sich durch ein Über fliegen dieser gerafften Zusammenfassungen den nötigen Überblick zu verschaffen. Im übrigen können die Kurzfassun gen bei Bedarf auch als Gedächtnisstütze dieaen. Was die Ma terialfülle angeht, so bedarf sie an sich der Entschuldigung nicht Allerdings bereitet sie Schwierigkeiten, so daß der Autor sich veranlaßt sieht, dem Leser durch die erwähnten Verständ nishilfen entgegenzukommen. Was den Bildteil betrifft, so wurde keine Mühe gescheut, die Quelle jeder einzelnen Abbildung zu ermitteln. Sollte dabei ein Versehen unterlaufen oder eine Angabe unterlassen worden sein, so möge man dies dem Verfasser nachsehen. Spätere Auf lagen werden in den betreffenden Fällen die erforderlichen Korrekturen enthalten.
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Das Siriusrätsel - Worin besteht es? Dieses Buch geht der Frage nach: Hatte unsere Erde einst Be such von intelligenten Wesen aus dem Bereich des »Hunds sterns« Sirius? Als ich 1967 ernsthaft mit der Arbeit an meinem Manuskript begann, ging es nur um die Überlieferungen eines afrikanischen Stammes: der Dogon in Mali (dem ehemals französischen Teil des Sudans). Die Dogon besaßen Informationen über das Sirius Sternensystem - so unglaubliche Informationen, daß ich ein fach nicht anders konnte: ich mußte der Sache nachgehen. Sie ben Jahre später häuften sich bei mir die Anhaltspunkte dafür, daß das Wissen der Dogon in Wirklichkeit schon mehr als 5000 Jahre alt ist. Schon die »alten« Ägypter besaßen es, und zwar bereits in prädynastischer, prähistorischer Zeit vor dem Jahr 3200 v. Chr., und von diesen »alten« Ägyptern stammen die Dogon wohl ab. Zumindest gilt dies - teilweise - für ihre Kul tur, und für ihr Volk selbst dürfte es nicht minder gelten. Ich mußte daher die Anknüpfungs- und Bezugspunkte meiner Fragestellung um mehr als fünf Jahrtausende in die Vergangen heit zurückverlegen. Ergebnis: Die Frage, die mich bewegte, drängte sich mir immer stärker auf. Und doch wird auch die Antwort immer schwieriger. Wie es scheint, bewahren die Do gon die Erinnerung an einen Kontakt mit außerirdischen Wesen. Allerdings macht es einen glücklicher, nicht von der hirnver brannten Vorstellung ausgehen zu müssen, intelligente Lebe wesen aus dem Weltraum seien in Afrika gelandet, hätten einem westafrikanischen Stamm ganz bestimmte Informationen hin terlassen, sich aber um den Rest der Erde und der Menschheit nicht einen Deut gekümmert. Schon von Anfang an wollte mir dies nicht in den Kopf. Es mußte lediglich als Arbeitshypothese herhalten. Damals hatte ich auch noch nicht die mindeste Ah nung, daß die Dogon Bewahrer altägyptischer Geheimlehren sein könnten, und von der Rolle, die Sirius bei den »alten« Ägyp tern spielte, wußte ich noch nichts. Es ging mir wie so vielen an deren Ignoranten - von den »alten« Ägyptern wußte ich nur: Sie bauten Pyramiden, balsamierten ihre Toten ein, einer ihrer Pharaonen hieß Tutanchamun, und ihre Schriftzeichen waren 9
die Hieroglyphen. Natürlich hörte ich dann und wann mehr über Ägypten, als ich Orientalistik studierte. Doch in den Seminaren ging es ausschließlich um die islamische Periode. Und die be gann erst um 600 n. Chr. Alt-Ägypten dagegen blieb für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Hätte ich mich besser ausgekannt, wäre mir viel Zeit erspart geblieben. So aber dauerte es Monate, bis ein paar winzige Anstöße mich so weit brachten, mich intensiv und systematisch mit deni »alten« Ägypten zu beschäftigen - mit Alt-Ägypten und einer ganzen Reihe anderer Dinge dazu, die ich zuvor vernachlässigt hatte. Zusammen mit ein paar anderen Werken über das »alte« Ägypten, mit dem ich mich ·nun gezwungenermaßen befassen mußte, bekam ich eine antiquarische Ausgabe des Egyptian Hieroglyphic Dictionary geschenkt. Dies ersparte es mir, mich jahrelang in öffentlichen Büchereien herumzudrücken, was mir auf den Tod verhaßt ist. Daher gebührt der hochverehrten ver storbenen Miß Mary Brenda Hothan-Francklyn ganz beson derer Dank. In ihrem 94. Lebensjahr vermachte sie mir ihre höchst beachtenswerte Bibliothek, darunter so interessante Werke, daß ich sie einfach nicht ungelesen lassen durfte. Das Resultat: Vorliegendes Buch. An sich war mir schon 1965 aufgefallen, daß es so etwas wie ein »Sirius-Rätsel« geben müsse. Damals brüteten ich und Arthur M. Young aus Philadelphia (der »Erfinder« des Bell Hubschraubers, Mitherausgeber und Mitverfasser des Buches Consciousness and Reality) über philosophischen und natur wissenschaftlichen Problemen. Neben meinem »offiziellen« Studium (1961-1967) brachte mir Arthur mehr Wissenschaft bei, als es eine ganze Universitäts-Fakultät je vermocht hätte. Denn während ich mich durch den Sanskrit-Dschungel und anderes Gestrüpp hindurchkämpfte, das meinen offiziellen akademi schen Werdegang so dornenreich machte, erhielten ich und ein paar akademische Freunde von ihm die denkbar großartigste Einführung in die Naturwissenschaft. Gemeinsam besuchten wir außerordentlich anregende Seminare, ließen uns in For schungsvorhaben einweihen, die Arthur leitete, und schlossen uns endlich einer von ihm ins Leben gerufenen gemeinnützigen Foundation for the Study of Consciousness an.
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Besonders aufmerksam las Arthur, was die Völker der Erde an Mythologien hervorgebracht hatten. Eines Tages zeigte er mir ein Buch mit dem Titel African Wor/ds. Jedes Kapitel dieses Werkes handelte von einem anderen Stamm,von dessen Lebens weise, seinen Bräuchen und seiner Mythologie. Das Kapitel über die Dogon war aus dem Französischen ins Englische über tragen worden. Verfasser waren die hervorragenden Ethnologen Marcel Griaule und Germaine Dieterlen 1• Arthur machte uns auf eine Stelle aufmerksam, in der die beiden Autoren die An sichten der Dogon über die Entstehung des Kosmos schilderten. Ich gebe einfach wieder, was ich damals las - jene Worte, die mich erstmals stutzig machten. So kann der Leser genau an dem Punkt selbst zu fragen beginnen, wo auch ich zu fragen anfing: »Ausgangspunkt der Schöpfung ist der als Digitaria bezeich nete Sirius-Begleiter, der den Sirius umkreist. Die Dogon be trachten ihn als kleinsten und schwersten aller Sterne. Er enthält die Keime aller Dinge. Seine Bewegung um seine eigene Achse und rings um den Sirius garantiert das Fortwirken schöpferischer Kräfte im Weltraum. Wir werden sehen, daß diese Bewegung den Kalender bestimmt«. Das war alles. Kein Wort davon, ob ein Stern, der den Sirius um kreist, wirklich existierte. Das war nicht Sache der Ethnologen. Wir wußten freilich, daß es einen weißen Zwergstern, Sirius B, gibt, der um den Sirius kreist. Wir wußten auch: Sirius B gehörte zur »kleinsten und schwersten« Art aller damals bekannten Sterne (von Neutronensternen und »schwarzen Löchern« war noch kaum die Rede, und Pulsare waren noch unentdeckt). Uns beiden gaben also die Vorstellungen der Dogon, eines doch wohl »primitiven« Stammes, vom Sirius-System außerordentlich zu denken. Wie erklärten sie sich? Doch zunächst hatte ich ande res zu tun. Andere Aufgaben und Sorgen standen im Vorder grund. Etwa zwei Jahre später packte mich in London ganz plötzlich das unwiderstehliche Verlangen, der Sache endlich nachzu gehen. Anlaß waren die aufregenden Artikel Arthur C. Clarkes, den ich damals kennengelernt hatte, über Aspekte der Zukunft. Allerdings konnte ich mich nicht einmal mehr an den Namen 11
des afrikanischen Stammes erinnern, um den es ging. Daher schrieb ich an Arthur Young, der mir sofort antwortete und sei nem Brief eine Fotokopie des gesamten Kapjtels aus African Worlds beifügte, der uns beiden einst Kopfzerbrechen bereitet hatte. Nun wurde mir bewußt, daß ich hinter den Dogon her war, und ich machte mich unerschrocken auf den Weg ins Royal Anthropological Institute. Was würde über besagten Stamm her auszubringen sein? Ich wollte es sehen. Ein Bibliothekar ging mit mir die Kataloge durch, und ein neues Problem tauchte auf: Alles über die Dogon war franzö sisch geschrieben, und mit meinen Französischkenntnissen stand es denkbar schlecht. Dennoch ließ ich nicht locker, bis ich auf einen Artikel stieß, in dessen Titel das Wort »Sirius« vorkam. Das sah verheißungsvoll aus (alles andere dagegen nicht), und ich bestellte eine Fotokopie. Als ich diese dann eine oder zwei Wochen später abholte (es war Anfang November 1967), konnte ich mit ihr natürlich absolut nichts anfangen. Doch schließlich fand ich einen Übersetzer. Endlich hatte ich, was ich brauchte, in englischer Sprache - und es brachte genau das, was ich mir nur wünschen konnte 2• Denn im fraglichen Artikel ging es ausschließlich um die geheimste Überlieferung der Dogon - eine Überlieferung, die die Ethnologen, von denen der Aufsatz stammte, erst nach Jahren des Zusammenlebens mit diesem Stamm vier Oberpriestern (genauer: drei Priestern und einer Priesterin) entlockt hatten 3, und auch dies nicht ohne vor herige Beratung seitens der Priester und ohne die feierliche Versicherung, Marcel Griaule sei der erste Außenstehende, der in diese wohlgehüteten Stammesgeheimnisse eingeweiht werde. Überwiegend dreht es sich bei der geheimsten Dogon-Über lieferung um einen Stern, der bei den Dogon den Namen des kleinsten Samenkorns trägt, das sie kennen. Der botanische Name der betreffenden Samenpflanze lautet Digitaria, und als Digitaria-Stern erscheint der fragliche Himmelskörper (es han delt sich um den Sirius-Begleiter) in dem Artikel von Griaule Dieterlen, nicht etwa unter seiner eigentlichen Dogon-Bezeich nung pö. Aber selbst im fraglichen Aufsatz, der sich doch aus schließlich mit dem Wissen der Dogon vom Sirius beschäftigt,
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erwähnen Griaule und Dieterlen die tatsächliche Existenz des betreffenden Sternes und wie rätselhaft es ist, daß die Dogon ihn kennen, lediglich ganz am Rande. Die entscheidende Stelle lautet: »Noch ungelöst ist die Frage, ja sie wurde noch nicht einmal aufgeworfen, wie Menschen ohne astronomische Instru mente über Bewegungen und Eigenschaften von Himmels körpern Bescheid wissen konnten, die kaum sichtbar sind.« Freilich - sogar diese Formulierung noch weist die beiden Völ kerkundler, die den Aufsatz verfaßten, als astronomische Laien aus. Denn Sirius B, der um den Sirius kreist,ist nicht etwa »kaum sichtbar« - nein, man sieht ihn überhaupt nicht. Erst im ver gangenen Jahrhundert wurde er zunächst aus den Bewegungen des Sirius-Hauptsterns erschlossen und sodann mit Hilfe eines astronomischen Fernrohrs auch tatsächlich gesichtet. Am 17. Juli 1968 schrieb mir Arthur C. Clarke, nachdem er angeboten hatte, die ihm von mir vorgelegten Fakten eingehender zu prü fen: »Nebenbei: Sirius B hat etwa die Größe 8 - (er ist) völlig unsichtbar, selbst wenn Sirius A ihn nicht vollständig deckt.« Erst 1970 glückte lrving Lindenblad vom U.S. Nava/ Observatory die erste brauchbare Aufnahme des Sirius B (Tafel 1). In dem mir vorliegenden Artikel aus dem Royal Anthropo /ogica/ Institute berichten Griaule und Dieterlen, nach Ansicht der Dogon vollende Digitaria ( = Sirius B) alle 50 Jahre eine Sirius-Umkreisung. Es kostete mich nicht viel Zeit, um heraus zufinden: Eine Sirius-8-Runde um den Sirius dauert tatsächlich so lange: Offensichtlich war ich auf etwas gestoßen. Während der nächsten paar Monate waren die Kontakte mit Arthur C. Clarke für mich ganz besonders wichtig. Er schrieb mir aus Ceylon und war auch oft genug in London, wobei wir in aller Ausführlichkeit so manche jener rätselhaften Dinge mit einander diskutierten, denen inzwischen der deutsch-schwei zerische Erfolgsautor Erich von Däniken durch seine Bestseller zu so weltweiter Publizität verholfen hat. Anfangs (denn von ihm hatte in England noch niemand gehört)4 begann ich selbst ein Buch über all jene aufregenden Rätsel zu schreiben. Arthur C. Clarke machte mich deshalb mit einem Gelehrten nach dem anderen bekannt - jeder war voll faszinierender Ideen und An regungen, und jeder hatte sein eigenes Lieblingsgeheimnis, sein 13
privates Welträtsel. So hatte Derek Price, Professor für Ge schichte der Naturwissenschaften an der Yale University, die wahre Natur des inzwischen berühmtgewordenen mechani schen Computers herausgefunden, der um die Jahrhundert wende in einem Schiffswrack vor der Insel Antikythera gefun den wurde (das Schiff stammt aus der Zeit um 100 v. Chr.) und mit dem niemand etwas anfangen konnte, bis er in Athen zu Boden fiel und dabei zerbrach - nun erst wußte man, was mit ihm los war. Außerdem wollte derselbe Gelehrte in Neuguinea Spuren babylonischer Mathematik gefunden haben, und immer wieder sprach er vom »Raffies-Schiffswrack«. Dann gab es Dr. Alan McKay, einen Kristallographen vom Birkbeck College an der Londoner Universität. Er interessierte sich für die Bilderschriftscheibe (Diskos) von Phaistos (Kreta), für eine rätselhafte Metall-Legierung aus einem chinesischen Grab und die entlegeneren Gegenden am Oxus (dem heutigen Amu-Darja, dem westlichen der beiden mächtigen Zuflüsse des Aralsees in Zentralasien). An jeder Ecke gab es Menschen wie diese beiden Wissenschaftler, und mir schien: So viele fas zinierende, verführerisch gleißende Rätsel - sie brachten mich immer mehr von meinem ursprünglichen Vorhaben ab. Daher ließ ich all diese Welträtsel Rätsel sein und beschloß, mich ganz und gar auf jene eine, schwer zu lösende, aber kon krete Aufgabe zu konzentrieren: Die Frage zu klären, auf die ich anfangs gestoßen war: Wieso und woher besaßen die Dogon ihr außergewöhnliches Wissen? War es ihnen von außerirdischen Intelligenzen zugebracht worden? Mit anderen Worten: Hatte · unsere Erde einst Besuch aus dem All? Die Schwierigkeit ist nur: Wenn man allen Ernstes der Mög lichkeit nachzugehen versucht, außerirdische Lebewesen könn ten mit Erdenbewohnern in Berührung gekommen sein, so stößt man damit manchen vor den Kopf. Viele regt allein der bloße Gedanke auf, daß man so etwas überhaupt ernsthaft in Erwägung ziehen kann. Andererseits aber kann man sich vor den offenen Armen und dem Beifall manch anderer nicht ret ten, mit denen man wiederum ganz und gar nicht in einen Topf geworfen werden möchte. Ich hatte daher nicht geringe Hemmungen zu überwinden, machte mich nur mit einer ge14
wissen Unlust, einem gewissen Widerstreben an die Arbeit, und wenn mir während der Jahre, als mein Manuskript Gestalt annahm, irgend jemand mit Fragen auf den Leib rückte, holte er allenfalls heraus, daß ich an einem Buch arbeitete. Worüber, erfuhr er nicht. Allerhöchstens murmelte ich etwas »über die alten Ägypter« - oder (noch früher): »Über die Mythologie eines Stammes in Afrika - wirklich nichts Besonderes!« Dennoch werde ich wohl dem Schicksal nicht entgehen, als Verfasser des vorliegenden Buches zu jenen Autoren gezählt zu werden, »die über kleine, grüne Männchen aus dem Weltall schreiben«. Erst heute haben Geheimlehren die Chance, den Tarnmantel der Geheimniskrämerei abzustreifen und ohne Gefahr völliger Ausrottung an die Öffentlichkeit gebracht zu werden. Könnte es sein, daß auch die Dogon ähnlich empfanden, als sie, von sicherem, starkem Instinkt geleitet und nach gemeinsamer Be ratung ihrer geistlichen Würdenträger, den noch nie dagewese nen Schritt unternahmen, ihr Geheimwissen zu enthüllen? Daß sie den französischen Forschern vertrauen konnten, wußten sie. Als Marcel Griaule 1956 starb, strömten eine Viertelmillion Stammesangehörige zu seinem Begräbnis - zum Begräbnis eines Mannes, den die Dogon als Weisen verehrten, der ihnen fast soviel galt wie ihre eigenen Priester. Daß er soviel Verehrung auf sich vereinen konnte, weist ihn noch nachträglich als außer gewöhnliche Persönlichkeit aus, die die Wertschätzung und das Vertrauen der Dogon wohl auch verdiente. Ganz ohne Frage sind wir unsererseits Marcel Griaule zutiefst verpflichtet, war er es doch, dem wir den Schlüssel zum Geheimwissen der Dogon verdanken. Mir ist es nun gelungen, die bei den Dogon bis in unsere Zeit fortwirkenden Traditionen bis zu den »alten« Ägyptern zurückzuverfolgen - Traditionen, die, wenn nicht alles trügt, von einem einstigen Kontakt zwischen Bewohnern unserer Erde und einer hochentwickelten Rasse intelligenter Lebewesen aus einem mehrere Lichtjahre entfernten anderen Planetensystem draußen in den Weiten des Weltraums zeugen. Mag sein, daß es eines Tages eine andere Lösung des Sirius Rätsels gibt. Sie dürfte dann aber wohl noch überraschender, noch sensationeller, noch spektakulärer ausfallen. Mit einer Allerweltserklärung ist es ganz gewiß nicht getan . . . 15
Wir sind nicht allein im All, und das Sirius-Rätsel trug, wie auch immer, vielleicht nur dazu bei, unsere Gedanken in neue Bahnen zu lenken, auf denen sich zu bewegen dringend nottut. Zur Zeit gleichen wir Fischen in einem Wasserglas - nur hier und da wagen wir es, die Köpfe ein wenig aus dem Wasser zu stecken; immer dann, wenn wir Astronauten auf die Reise schicken. Doch noch bevor die Weltraumforschung richtig be gann, hat die Menschheit sie, so scheint es, wieder gründlich satt. Ja, selbst die amerikanischen Kongreßabgeordneten brau chen von Zeit zu Zeit regelrecht eine Art »Weltraumspritze« gegen ihre erschreckende Lethargie - geradeso wie ein Heroin süchtiger seinen Fix. Anders läßt sich ihnen kaum noch die Bewilligung der für Raumprogramme unerläßlichen For schungsmittel entlocken - Mittel für Forschungsvorhaben, die die meisten dieser Politiker im Grunde längst anöden. Dennoch - es hat schon etwas Packendes, Aufnahmen der Erde aus dem Weltraum zu betrachten, die unseren Planeten als riesige, wunderschöne, sozusagen im »Nichts« hängende Schei be zeigen - eine Scheibe mit Wolken wie Perlen besetzt und von den Wassern der Ozeane schimmernd. Die Menschheit sträubt sich kaum spürbar gegen die neue, unleugbare Erkennt nis: Wir alle sitzen in einem Boot - im »Raumschiff Erde«. Wir sind alle auf einem Globus zusammengepfercht, der schein bar im Leeren schwebt - vor allem: Wir sind die einzigen echt intelligenten Lebewesen, die wir wirklich kennen. Kurz: Wir sind mit uns allein, mit allen brudermörderischen Folgen, die eine solche Streß-Situation nach sich zieht. Doch, wenn uns dies immer mehr klar wird, machen wir, das kann nicht ausbleiben, auch Fortschritte. Nicht nur ein paar außergewöhnlich Intelligente (oder außergewöhnliche Ver rückte) sagen sich und anderen bereits: Während wir hier auf unserem Planeten hocken und einander mangels besserer Ein fälle das Leben schwermachen, gibt es im gesamten Universum Unmengen anderer Planeten, wo ebenfalls intelligente Wesen leben, die entweder noch ebenso wie wir in ihrem eigenen Saft schmoren oder es schon geschafft haben, die Eierschalen ihrer Welt zu durchbrechen und mit anderen intelligenten Lebewesen auf anderen Planeten in Verbindung zu treten. Und 16
wenn so etwas im Weltall wirklich geschieht, dann dürfte es keine Ewigkeit dauern, bis wir uns eines Tages selbst in Kon takt mit Wesen finden - mit Wesen aus dem Bereich anderer Gestirne draußen in jener ungeheuren Raumwüste, die Heim statt von Sonnen, Planeten und Intelligenzen ist. Seit Jahren bin-ich der Überzeugung: All die Organisationen, die sich unter Millionenaufwand mit dem Problem des Welt friedens befassen, die der Frage nachgehen, was denn an der Natur des Menschen so verkehrt ist, so pervers, daß Menschen sich in so wahnwitzige Abenteuer wie Kriege stürzen - all diese Organisationen, meine ich, wären besser beraten, ihre gesamten Geldmittel der Weltraumforschung zur Verfügung zu stellen. Statt »Friedensforschungs«-Seminare brauchen wir mehr Fernrohre. Denn die Frage, »Ist die Menschheit pervers?«, können wir doch wohl schlechterdings erst beantworten, wenn wir uns mit anderen intelligenten Wesen vergleichen und ein mal andere Maßstäbe an uns legen als die, die wir bisher einfach aus der Luft gegriffen haben. Im Moment sind wir nichts weiter als Schattenboxer, die Phantomen nachjagen . . . Die Antworten auf die Fragen, die uns am meisten bedrängen, liegen außer halb der uns bisher bekannten Welt, sie liegen auf anderen H immelskörpern, bei anderen Lebewesen. Unsere Neurosen schaukeln sich nur auf, addieren, multiplizieren und potenzie ren sich nur, je mehr wir uns ausschließlich mit uns selbst be schäftigen und narzißtische Nabelschau betreiben. Unser Blick darf nicht nach innen, er muß nach außen gerichtet sein. Gleich zeitig aber gilt es, vorbehaltlos und vorurteilsfrei, unsere Ver gangenheit zu durchforschen. Nach vom zu schreiten, ohne zu wissen, woher man kommt, ist ein Unding. Nicht zuletzt muß die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß wir auch im Zusammenhang mit unserer eigenen Menschwerdung auf Rätsel und Geheimnisse stoßen. Beispielsweise besteht eines der Ergebnisse meiner Forschungen, die so harmlos mit einem afrikanischen Stamm begannen, darin, daß menschliche Hoch kultur möglicherweise Import von einem fremden Stern ist. Die miteinander verwandten Kulturen Alt-Ägyptens und Sumers im weiteren Mittelmeerbereich entstanden praktisch aus dem Nichts. Nicht, daß es vorher keine Menschen gab! Menschen 17
gab es genug. Nur fehlt jegliche Spur irgendeiner Hochkultur. Und Menschen und Hochkultur - das sind zwei völlig verschie dene Dinge. Man halte sich beispielsweise die folgende Äuße rung des längst verstorbenen Gelehrten W. B. Emery vor Augen (aus W. B. Emery: Archaic Egypt): »Annähernd um 3400 v. Chr. geschah in Ä gypten ein tief greifender Wandel. In kurzer Zeit tat das Land den Schritt von einer gut entwickelten neolithischen Gungsteinzeitlichen) Kul turstufe mit ziemlich verwickelter Stammesgliederung hin zu zwei gut durchorganisierten Königreichen - das eine umfaßte das Deltagebiet des Nils, das andere das eigentliche Niltal. Gleichzeitig verfügt man auch erstmals über die Kulturtechni ken des Schreibens und Lesens, es gibt plötzlich Monumental architektur, Kunst und Handwerk erreichen einen staunenerre genden Hochstand - kurz: Alles deutet auf eine gut ausgeformte Hochkultur hin, der selbst Luxus keineswegs fremd war. All die genannten Errungenschaften waren das Werk einer vergleichs weise kurzen Zeitspanne, und es gibt kaum einen Faktenhinter grund, aus dem heraus sich diese fundamentalen Entwicklun gen im Bereich der Schrift und Architektur erklären ließen.« Ganz gleich, ob man nun davon ausgeht, daß damals Träger einer hochentwickelten Kultur nach Ägypten kamen und ihre Kul tur mitbrachten, oder nicht - Tatsache bleibt: Wenn wir bis zu dieser weit zurückliegenden Zeitmarke der Menschheitsge schichte zurückgehen, stoßen wir auf dermaßen viele Unklar heiten und Unwägbarkeiten, daß sich fast nichts mehr mit Be stimmtheit sagen läßt Wir wissen lediglich, daß zuvor ver gleichsweise primitive Menschen ganz plötzlich unter vollkom men anderen Lebensbedingungen als zuvor lebten. Es gab plötz lich Wohlstand, es gab die Paraphemalien einer Hochkultur,ja es gab sogar Luxus - und all dies ziemlich übergangslos. Ange sichts der Anhaltspunkte, die sich ergeben, wenn wir der Sirius Frage nachgehen und weiteres Material überprüfen, das ent weder schon von anderen Autoren vorgelegt wurde oder noch der Aufarbeitung harrt, hat man daher wohl oder übel die Mög lichkeit einzuräumen, daß Hochkultur auf unserem Planeten durchaus mit einem Erdenbesuch hochentwickelter außerirdi-
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scher Lebewesen zu tun haben könnte. Man braucht dabei nicht an fliegende Untertassen oder gar an Götter in Raumanzügen zu denken. Was mich angeht, so bin ich der Ansicht, daß dieses . Problem bisher noch nicht in der ihm zukommenden Weise angegangen wurde. Doch sollten wir uns nicht in Spekulationen verlieren, in welcher Art von Raumfahrzeugen die Außerirdi schen landeten, sondern uns dem Beweismaterial zuwenden, das zumindest die Möglichkeit nicht ausschließen läßt, sie könnten hiergewesen sein. Teil III des Buches wird einige Einzelheiten und Anhaltspunkte bringen, die zu der Vermu tung Anlaß geben, die extraterrestrischen Besucher vom Sirius - den ich für ihr Herkunftsgestirn halte - waren amphibische Wesen, die eine wasserreiche Umwelt zum Leben brauchten. Allerdings betreten wir damit den so trügerischen, gefährlichen Boden der Spekulation. Dabei kam es mir an sich immer darauf an, mich an solide Tatsachen zu halten. Wie solide die Tat sachen sind, die ich vorzulegen habe, wird man im Verlauf des Buches feststellen. Der Leser dagegen, der auf »wilde Spekulationen« aus ist, wird am ehesten im Teil III dieses Bu ches auf seine Kosten kommen. Dieses Buch wirft eine Frage auf. Es hat noch keine Ant wort parat. Es kann nur mit einem Vorschlagaufwarten, die Frage in einem bestimmten Sinne zu beantworten. Teil I formuliert die Frage so, wie sie sich mir ursprünglich stellte*, im Teil II wird sie noch einmal aufgenommen, erweitert, vertieft und von verschiedenen Seiten beleuchtet. Auf eine bestimmte Antwort lege ich mich allerdings nie fest. Tatsächlich haben oft gerade jene Fragen besonderes Format, deren Beantwortung lange, lange auf sich warten läßt, so daß die offene Frage uns inzwischen auf ganz neue Bahnen des Denkens und Bewußtwerdens brin gen kann. Wer weiß, wohin uns das Sirius-Rätsel eines Tages führen wird? Gehen wir ihm ein Stück weit nach. Zum minde sten ist es ein Abenteuer . . .
• S. den Artikel von Marcel Griaule/Germaine Dieterlen, Ein sudanesisches
Sirius-System.
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Erster Teil: Die Sirius-Frage stellt sich
1 Das Wissen der Dogon Blickt man zum gestirnten Himmel auf, so ist Sirius der hellste Stern. Venus und Jupiter sind oft heller. Aber es sind keine Sterne. Es sind Planeten, die um die Sonne kreisen, die ihrer seits ein Stern ist. Allerdings wird kein Astronom behaupten, ausgerechnet im Sirius-Bereich gebe es besonders günstige Vor aussetzungen für das Entstehen und die Existenz intelligenter Lebewesen. Der Grund dafür, daß Sirius so hell strahlt: Er ist groß und dicht. Größer als die Sonne und größer auch als die Handvoll anderer Sterne in der Nachbarschaft. Allerdings würde uns ein Astronom, der sein Fach versteht, wohl erklären, die Sterne Tau Ceti und Epsilon Eridani seien unserer Sonne sehr ähnlich, und es sei nicht auszuschließen, daß sie von Planeten mit intelligenten Bewohnern umkreist würden. Diese Vermu tung hätte manches für sich. Sirius dagegen gehört nicht gerade zu jenen Sternen, an die man in erster Linie denkt, wenn man sich über mögliche Aufenthaltsorte außerirdischer Lebewesen den Kopf zerbricht. Im Frühjahr 1960 waren die Antennen des Projekts Ozma auf Tau Ceti und Epsilon Eridani gerichtet. Gleiches gilt für andere Forschungsvorhaben, die sich später die Suche nach intelligentem Leben im All zum Ziel gesetzt hatten. Auch sie konzentrierten sich auf Tau Ceti und Epsilon Eridani. Man hoffte, aus dem Bereich dieser beiden Sterne sinnvolle Signale auffangen zu können. Doch nichts dergleichen wurde entdeckt. Das beweist freilich noch nichts. Es zeigt nur, daß Astronomen mit der Möglichkeit rechneten, intelligentem Leben in den Systemen der genannten, uns relativ benachbarten Sterne auf die Spur zu kommen 1 . Allerdings fahndete Projekt Ozma ledig20
lieh nach Signalen einer bestimmten Wellenlänge, in bestimm ten Zeitintervallen und mit einer bestimmten Energie. Bei spä teren Versuchen war man realistischer und erweiterte den Spiel raum, doch die Astronomen sind sich völlig darüber klar: Sie tappen im dunkeln, und ihre Versuche haben mehr den Charak ter jener besonderen Art von Imponiergehabe, mit dem man zu bluffen sucht, wenn die Chancen ganz besonders schlecht stehen. Niemand garantiert ihnen, daß sie die Sache richtig an gehen, und sie haben nichts in der Hand als die Hoffnung, tat sächlich auf dem richtigen Weg zu sein. Inzwischen hat das riesige »Projekt-Ozma«-Radioteleskop bei Arecibo (Puerto Rico), das größte seiner Art auf der Erde, weitere Sterne abge hört - nur den Sirius nicht. Der Verfasser hofft, daß das hier vorgelegte Material ausreicht, eine gründlichere astronomische Untersuchung des Sirius-Systems in Gang zu bringen - eine gründlichere als je zuvor, und fußend auf den neuesten Arbei ten von Irving Lindenblad 2• Außerdem sollte ein Programm er stellt werden, das mit Hilfe eines größeren Radioteleskops das Sirius-System nach Hinweisen auf Signale abhorcht, die von intelligenten Bewohnern herrühren könnten. Gibt man sich aber Spekulationen über intelligentes Leben im Raum hin, so kann man grundsätzlich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß ein Kontakt zwischen einer Hochkultur ir gendwoher aus dem Weltraum und irdischen Lebewesen bereits stattgefunden hat3• Und nichts anderes als die Möglichkeit, daß unser Planet einst mit einer Kultur in Berührung kam, die allem Anschein nach aus dem Bereich des Sirius stammte, wollen wir hier erörtern. Es sieht ganz so aus, als ob es massive Beweise gäbe, daß sich ein Kontakt dieser Art vor relativ kurzer Zeit - vor etwa 7000 bis 10 000 Jahren - ereignet haben könnte; das Material, das uns zu dieser Vermutung führt, läßt jedenfalls keine andere Deutung zu. Bevor ich allerdings dieses Beweismaterial selbst ausbreite, sollte ich näher auf Sirius eingehen. Um die Mitte des 19. Jahr hunderts beschäftigte sich ein Astronom ziemlich intensiv mit diesem Gestirn und beobachtete es über eine gewisse Zeit hin weg. Die Schwierigkeit war nur, daß Sirius nicht still hielt4• Er taumelte. Der Astronom brauchte geraume Zeit, um sich über 21
die Taumelbewegung klar zu werden: Ein außergewöhnlich schwerer, massiger Himmelskörper müsse Sirius umkreisen und durch seine Schwerkraft beeinflussen. Dies müsse die Ur sache des Taumelns sein. Allerdings gab es keinen großen Stern, der um Sirius kreiste! Statt dessen fand sich ein winziges Etwas, das alle 50 Jahre eine Runde um den Sirius vollendet hatte. Also taufte man Sirius um in »Sirius A«, und das winzige Etwas nannte man »Sirius B«. Sirius B galt seinerzeit - beim damaligen Stand des W issens - als einzig in seiner Art im gesamten Universum. Inzwischen hat man, über den gesamten Himmel verstreut, mehr als 100 solch winziger Dinger gesichtet, und es gibt Tausende von ihnen, die selbst mit modernsten Fernrohren nicht sichtbar gemacht werden können, denn sie sind dazu zu winzig, und ihr Licht ist zu schwach. Man bezeichnet sie als »weiße Zwerge« 5• »Weiße Zwerge« sind ein seltsames Phänomen - denn trotz ihrer Lichtschwäche sind sie enorm stark. Zwar leuchten sie nicht sonderlich hell, doch besitzen sie eine ungeheure Schwer kraft. Auf einem »weißen Zwerg« wären wir noch nicht einmal den Bruchteil eines Zentimeters hoch - die Schwerkraft hätte uns buchstäblich plattgedrückt*. Mit anderen Worten: Der »große Stern«, der es fertigbrachte, Sirius zum Torkeln zu brin gen, stellte sich als ein relativ kleiner Himmelskörper heraus, der dennoch massen- und gewichtsmäßig einem gewöhnlichen Stern von sehr viel größerem Umfang entsprechen mußte. Kurz: Es handelte sich um einen so dichten, so komprimierten Stern, daß er gar nicht mehr aus regulärer Materie besteht. Wir bezeichnen seine Materie vielmehr als »entartet« oder »super dicht«: Es handelt sich um so eng zusammengepreßte Atome, daß aus ihnen die Elektronen regelrecht herausgequetscht wor den sind. Mit unseren »normalen« Begriffen kann man sich derartige Materie überhaupt nicht vorstellen, und es gibt unse res W issens nichts in unserem eigenen Sonnensystem, das sich • Ein Würfel Sirius-B-Masse von etwa 30 cm Kantenlänge hätte ein Gewicht von 2000 Tonnen. Eine Streichholzschachtel davon wöge noch immer 1,5 t - ja sogar ca. 50 t, wenn es sich um Masse aus dem Kern des Sterns handelte. Der Stern ist 65 OOOmal dichter als Wasser, dessen Dichte etwa der unserer Sonne gleicht
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mit derartigem Stoff vergleichen ließe. Aber Physiker können sich - rein theoretisch - einen Begriff von ihm machen, und ganz allmählich wird uns mehr und mehr klar, was es mit dieser »entarteten« Masse auf sich hat. Manche Astronomen behaupten gar, noch ein dritter Stern, Sirius C, sei im Sirius-System mit von der Partie. Fox wollte ihn 1920 sogar gesehen haben, desgleichen van den Bos, Finsen und andere Gelehrte des Union Observatory in den Jahren 1926, 1928 und 1929. Dann freilich kamen Jahre, wo man ihn hätte sehen müssen, wenn es ihn gab, ihn aber keineswegs sah. Dennoch blieben Zagar und Volet dabei, es müsse ihngeben, denn Sirius A führe Torkelbewegungen aus, die durch Sirius B allein nicht erklärbar seien, sondern auf einen weiteren Sirius-Begleiter hin deuten. Kurz: Zur Stunde ist noch ungeklärt, ob es Sirius C tat sächlich gibt. Vielleicht existiert er, vielleicht aber auch nicht6• Die neueste astronomische Untersuchung des Sirius-Systems führte lrving M. Lindenblad vom U. S. Nava/ Observatory, der amerikanischen Marinesternwarte in Washington, durch. Lin denblad und ich standen miteinander im Briefwechsel, und Lindenblad übersandte mir seine Veröffentlichungen (die letz ten erschienen 1973) sowie die auf Tafel 1 wiedergegebene Auf nahme, die ihm 1970 nach mehrjähriger Vorbereitung glückte. Es ist das erste brauchbare Foto des Sirius-Begleiters Sirius B, auf der Platte ein winziger Lichtfleck neben dem l0 OOOmal hel leren Hauptstern Sirius A. Bei seiner Untersuchung des Sirius-Systems, die sieben Jahre dauerte, fand der Forscher keinerlei Hinweise auf das Vorhan densein eines dritten Sterns, Sirius C: »Es gibt . . . keinerlei astronomischen Beweis für einen nahen Begleiter von Sirius A oder Sirius B 7 .« Just als die vorliegenden Zeilen in Druck gingen, beschäftigte sich ein anderer Astronom, Dr. Paul G. Murdin vom Königlich Britischen Observatorium in Greenwich, intensiv mit Sirius B. Er versuchte, das Licht dieses Zwergsterns zu messen, hatte jedoch Anfang 1974, als ich mit ihm in Briefwechsel trat, sein Ziel noch nicht erreicht. Murdin verdanke ich den Hinweis, ein dritter Astronom, D. Lauterborn, sei - trotz Lindenblads ge genteiliger Ansicht - von der Existenz eines dritten Sterns im Sirius-System überzeugt8• Murdin fügte (brieflich am 12. Februar 23
1974) dieser seiner Mitteilung hinzu: »Ob der unsichtbare Be gleiter von A mit Aitlcen's Stern C identisch ist9 , vermag ich nicht zu sagen.« Mit anderen Worten: So schlüssig Lindenblads Ma terial auch ist - in der Tat ist es so überzeugend wie nur möglich -, die Nichtexistenz von Sirius C ist noch keineswegs hundert prozentig bewiesen. Jedenfalls gibt es interessante Ansatzpunk te für weitere Arbeiten, die aber vielleicht mehr Zeit erfordern als nur sieben Jahre, die Lindenblad aufwandte (ein Zeitraum, der sich mit der Vorbereitungszeit des vorliegenden Buches deckt). Schrieb mir Lindenblad: »Sieben Jahre - ebenso lange, wie Jakob diente, um Rachel zu bekommen - ebenso lange braucht es wohl, um hinter die Geheimnisse des Sirius zu kom men, und selbst dann können wir nur hoffen, nicht Lea im Brautbett zu finden!« Doch (um bei Lindenblads biblischem Vergleich zu bleiben) wie Jakobs erste sieben Dienstjahre bei Laban nur das Vorspiel weiterer Dienstjahre waren, so sind vielleicht auch unsere »sieben Dienstjahre«, um den Rätseln des Sirius auf die Spur zu kommen, nicht mehr als ein bloßes Vorspiel . . . Immerhin, das Sirius-System ist ebenso interessant wie kom pliziert. Erst der Atomphysik unseres Jahrhunderts haben wir es zu verdanken, daß wir allmählich zu begreifen beginnen, was »entartete Materie« und »weiße Zwerge« sind. Muß es daher nicht überraschen, wenn jemand ohne Kenntnis der mo dernen Naturwissenschaft schon seit langem ebensoviel über das Sirius-System weiß wie wir? Hier nun möchte ich mich auf ein außerordentlich anregen des Werk berufen: Intelligent Life in the Universe von Carl Sagan (Comell University, früher Smithsonian A strophy sical Observa tory) und 1. S. Shklovskii von der Sowjetischen A kademie der Wissenschaften. In dem sehr einleuchtenden Kapitel »Mögliche Konsequenzen unmittelbarer Kontakte« heißt es 10: »[Faktoren, Ablauf und Einzelheiten der menschlichen Evolu tion), so schwierig sie für uns aus einer Zeitdistanz von Jahr millionen zu rekonstruieren sind, wären doch einer hochent wickelten technischen Zivilisation, die der gegenwärtigen auf der Erde weit voraus ist und deren Träger uns alle paar Jahr24
hunderttausende einen Besuch abstatteten, um zu sehen, was es Neues gab, viel klarer als uns. Vor etwa 25 Millionen Jahren könnte ein galaktisches Forschungsschiff bei einem Routine besuch auf dem 3. Planeten eines vergleichsweise häufigen Zwergsterns der Kategorie G [gemeint ist unsere Sonne] eine fesselnde und vielversprechende Entwicklung festgestellt ha ben: den Proconsul [vielleicht ein Vorläufer des Urmenschen und des heutigen Menschen]. Nach und nach verbreitete sich wohl die Nachricht davon mit Lichtgeschwindigkeit in der Milchstraße, und vielleicht registrierte man sie in irgendeiner zentralen Nachrichtenbank (möglicherweise im Zentrum der Galaxis). Falls das Auftauchen intelligenten Lebens auf einem Planeten für die Kulturen der Galaxis irgendwie von wissen schaftlichem oder sonstwie geartetem Interesse war, dürften nun die Besuche auf unserem Planeten häufiger geworden sein. V ielleicht fanden sie nun alle zehntausend Jahre statt. Zu Be ginn der jüngsten Nacheiszeitphase dürften die Entwicklungen im Bereich des sozialen Gefüges, auf den Gebieten der Kunst, der Religion sowie elementarer technischer Fähigkeiten die Kontakte noch intensiviert haben. Wenn aber die Intervalle zwischen den einzelnen Besuchen auf nur ein paar wenige Jahrtausende zusammenschrumpften, besteht durchaus die Möglichkeit, daß es sogar in historischer Zeit Kontakte mit einer außerirdischen Kultur gab.« Mir scheint dies eine außerordentlich bemerkenswerte Ein stimmung auf das, was ich selbst vorzubringen habe - eine Ein stimmung, die unsere Aufmerksamkeit verdient, denn wie Sagan und Shklovskii denken heute wohl die meisten Astronomen. Jedenfalls ist mir kein einziger moderner Astronom bekannt, der ernsthaft in Abrede stellen würde, daß es draußen im Welt all auf fremden Planeten, die andere Sterne als unsere Sonne umkreisen, eine Unzahl von Kulturen intelligenter Wesen gibt 11• Wer noch immer daran festhält, die Menschen seien die einzi gen Repräsentanten intelligenten Lebens im All, beweist damit nur, wie bedenklich weit er von den fundierten Überzeugungen heutiger Naturwissenschaftler, insbesondere heutiger Astrono men, entfernt ist. Ja, wer die Meinung vertritt, als intelligente Lebewesen seien die Menschen in ihrer Art einzig im Univer25
sum, muß es sich heute gefallen lassen, daß man ihm unerträg liche Arroganz bescheinigt, obwohl die Ansichten, denen er nachhängt, noch vor nur rund 20 Jahren als allgemein gültig angesehen wurden. Dr. Melvin Calvin vom Chemischen Institut der Universität von Kalifornien (in Berkeley) äußerte: »Mindestens 100 Millio nen Planeten gibt es im sichtbaren Universum, die der Erde' sehr stark ähnelten oder ähneln . . . Mit Sicherheit dürfte dies bedeuten: Wir sind im Weltall nicht allein. Und da das Vor handensein des Menschen auf der Erde nach kosmischen Zeit begriffen nicht mehr als einen winzigen Augenblick ausmacht, dürfte auf einigen dieser 100 Millionen Planeten gewiß eine Form intelligenten Lebens erreicht sein, die unserer eigenen Entwicklungsstufe weit voraus ist.« 12 Dr. Shu-Shu Huang vom Goddard-Raumfahrtzentrum (Mary land) schrieb: ». . . Planeten bilden sich im Umkreis der Haupt sequenzsterne der Spektraltypen ab F 5. Sie entstehen somit ge nau dort, wo auch Leben seine größten Entfaltungschancen hat. Auf dieser Grundlage läßt sich voraussagen, daß beinahe alle Sterne der Hauptsequenz unter F 5 und vielleicht auch über K 5 eine echte Chance besitzen, Planeten zu haben, die Träger von Leben sind. Und da die betreffenden Sterne einen gewissen Prozentsatz sämtlicher Sterne ausmachen, dürfte Leben in der Tat ein im Universum ziemlich verbreitetes Phänomen dar stellen.« 13• Dr. A. G. W. Cameron, Astronomieprofessor an der Yeshiva University, hat sich mit den Sternen Tau Ceti und Epsilon Eridani befaßt, die als die wahrscheinlichsten Wohnsitze intelligenter Lebewesen in unserer unmittelbaren Weltraum-Nachbar schaft - innerhalb von 5 Parsek - gelten (1 Parsek, aus: Parallaxe und Sekunde, = 206 265 große Erdbahn-Halbachsen = 3,26 Lichtjahre = 3,0833 · 10 1 8 cm). Und doch führt er aus: »Aber innerhalb der gleichen Entfernung liegen etwa 26 andere Ein zelsterne von geringerer Masse, und fürjeden von ihnen besteht nach derzeitiger Auffassung keine geringere Wahrscheinlich keit, einen belebten Planeten zu besitzen.« 14• Und Dr. R. N. Bracewell vom Institut für Radioastronomie der Stanford Universität ist der Ansicht: »Da es in unserer Milch26
straße etwa eine Billion Sterne gibt, dürfte sich die Anzahl der Planeten auf etwa 10 Billionen belaufen . . . Zwar sind wohl kaum alle davon bewohnbar. Einige sind wohl zu heiß, auf anderen ist es dagegen wieder zu kalt; dies hängt in jedem Einzelfall davon ab, wie weit der betreffende Planet jeweils vom Hauptstern des Systems entfernt ist, dem er angehört. W ir brauchen daher le diglich solchen Planeten Beachtung zu schenken, deren Posi tion sich mit der Stellung unserer Erde zur Sonne vergleichen läßt W ir wollen eine solche Lage als >innerhalb der bewohn baren Zone< bezeichnen. Das heißt freilich nicht, daß außerhalb der >bewohnbaren Zone< Leben ganz und gar undenkbar wäre. V ielmehr wäre es durchaus nicht abwegig, sich Lebewesen vorzustellen, die unter außerordentlich harten Lebensbedingungen existieren . . . Nach Aussonderung im Dauerfrost erstarrter oder durch Glut hitze keimfrei gebrannter Planeten bleiben somit nach unserer Schätzung noch etwa 10 1 0 (= 10 Milliarden) Planeten in der Milchstraße übrig, die in Frage kommen . . . Allerdings wissen wir nicht, wieviele von diesen 10 1 0 in Frage kommenden Plane ten auch intelligentes Leben hervorgebracht haben. Daher er forschen wir alle Möglichkeiten, angefangen damit, daß intelli gentes Leben im Kosmos häufig vorkommt und praktisch auf jedem Planeten anzutreffen ist. In diesem Fall betrüge die Durchschnittsentfernung von einer intelligenten Lebensform zur anderen etwa 10 Lichtjahre. Zum Vergleich: Der nächste beliebige Stern überhaupt ist rund 1 Lichtjahr von uns entfernt. Zehn Lichtjahre sind eine weite Entfernung. Ein Funksignal würde 10 Jahre brauchen, um diese Strecke zurückzulegen . . . Infolgedessen ließe sich die Kommunikation mit jemandem, der 10 Lichtjahre entfernt wohnt, keineswegs mit einem Fern gespräch vergleichen . . . Sind wir sicher, ein Funksignal über haupt 10 Lichtjahre weit senden zu können? Diese Frage läßt sich klar bejahen.« 15 Es bedarf wohl keiner weiteren Sachverständigengutachten aus der Feder angesehener Naturwissenschaftler, insbesondere bekannter Astronomen, die sich samt und sonders für die Mög lichkeit intelligenten Lebens im Kosmos aussprechen. Man könnte geradezu wetten, ohne ein Risiko einzugehen, daß in 27
unserer Milchstraße Leben ziemlich häufig vorkommt. Hat man sich erst einmal damit vertraut gemacht, so kommt weiterhin dazu: In unserer eigenen Geschichte spielte sich die technische Entwicklung mit ungeheurer Geschwindigkeit in ganz kurzer Zeit ab. Erreichen Hochkulturen - wo auch immer im Univer sum - erst einmal ihren »Abhebepunkt«, so gibt es eine förm liche technologische Explosion. Noch leben Menschen, in deren Kindheit es noch keine Flugzeuge, keine Autos, keine Raketen, keine Satelliten gab, keinen elektrischen Strom, kein Radio, keine Atombomben. Die Menschen starben an Krank heiten, die wir heute kaum noch ernstnehmen, Zahnschmerzen war man mehr oder weniger hilflos ausgeliefert, und die ele mentarsten Vorstellungen moderner Hygiene wurden allseits bestaunt und natürlich auch belächelt. Ich führe all dies nicht als Litanei zur Beschwörung des neuen Götzen an, der da Fort schritt heißt. Worauf es mir ankommt, ist: Was wir Fortschritt nennen - es lodert urplötzlich auf wie ein Strohfeuer. Alles, was ich soeben herunterbetete, gehört in die Zeitspanne eines ein zigen Menschenlebens, es tat sich in eines einzigen Menschen Zeit. Einen solchen »Abhebepunkt« besitzen wohl alle Gemein schaften intelligenter Wesen im Kosmos. Alle dürften ihn eines Tages erreicht haben oder erreichen. Alle haben ihn entweder hinter oder noch vor sich. Verglichen aber mit den Zeitbegriffen des Weltalls, ganz zu schweigen von den Zeitspannen, die die Planeten zu ihrer Entstehung brauchten, ist aber die Spanne eines einzigen Menschenlebens kaum der Rede wert. Mit an deren Worten: Jede Gesellschaft, die uns technologisch und wie immer sonst voraus ist, dürfte uns gleichzeitig sehr weit voraus sein. Haben Gesellschaften intelligenter Wesen erst einmal ihren »Abhebepunkt« erreicht, so vollzieht sich ihr weiterer Fortschritt in so rapidem Tempo, daß ein Vergleich zwischen ihnen und anderen, noch nicht technologisch geprägten Gesell schaften, fast absurd wäre. Die Annahme wäre töricht, daß eine Gesellschaft, die der unseren voraus wäre, dies nur gerade um ein paar Jahre wäre - sozusagen »um die nächste Lektion«. Ein paar Jahrtausende wären realistischer. Und die Technologie sowie die Beschaffenheit einer solchen Gesellschaft gingen wei.t
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über unser Begriffsvermögen hinaus. So gliedern sich wohl die Gesellschaften intelligenter Wesen im All in zwei Gruppen: In weniger entwickelte als wir selbst (»primitive«) und andere, die uns in geradezu staunenerregender Weise überlegen sind (»magische«). Soeben an der Grenzscheide zwischen »primitiv« und »magisch« angelangt zu sein (wie wir gerade jetzt), dürfte allerdings im ganzen All so selten vorkommen, daß wir wohl in der Tat die einzige Gruppe intelligenter Wesen in der gesamten Milchstraße sind, die zur Zeit diese Experimentierphase durch macht. Wir sollten uns daher glücklich schätzen, einen solchen Vorgang zu erleben. Freilich stellt sich hier wieder die Frage der Zeit. Schließlich ist es unmöglich, überhaupt von Zeitgleichheit in der Milchstraße zu sprechen. Ein weiterer Gedanke ergibt sich aus obigen Beobachtungen und Überlegungen. Vorausgesetzt, außer unserem bizarren Übergangsstadium existieren zwei Gesellschaftsformen im Universum, dann sind die »primitiven« Gesellschaften einzig und allein für die stärker entwickelten und weiter fortgeschrit tenen von Interesse, denn sie selbst sind gar nicht in der Lage, miteinander Kontakt aufzunehmen, ja überhaupt zu irgend jemandem außer ihrer Welt in Verbindung zu treten. Sie sind, was wir noch vor etwa l00 Jahren waren: provinziell, unbeweg lich, wahrscheinlich recht blutdürstig und blasiert, und nur hier und da äußert sich etwas Unruhe, wenn man den einen oder anderen, der weiter vorausblickte als alle anderen, am Marter holz verbrannte oder kreuzigte. Vom Aussenden und Empfan gen interstellarer Botschaften freilich kann in dieser Phase nicht die Rede sein. Wir in unserem Übergangsstadium sind techno logisch gerade weit genug gekommen, um mit Geräten, über die wir bereits verfügen, Botschaften zu empfangen. Doch selbst welche auszusenden, vermögen wir ohne außerordentlich kost spielige Spezialanlagen noch nicht. Dies aber bedeutet: Die einzigen Gesellschaften, die in der Lage sind, eine Art von inter stellarem Dialog zu pflegen, sind die von uns als »magisch« bezeichneten. Derartige Gesellschaften aber sind uns wohl der maßen weit voraus, daß sie ihnen begegnende »Primitive« wie uns wohl schon längst »auf Band« haben. Gewiß haben sie für den Umgang mit Leuten unseres Schlages Standardmethoden
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entwickelt, und vielleicht haben sie gar schon Maßnahmen mit dem langfristigen Ziel in die Wege geleitet, uns in ihren »Club« aufzunehmen. Doch wie kein Londoner Club, der auf sich hält, gern mit Speeren und Giftpfeilen fuchtelnde, nackte Wilde in seinen Clubräumen sieht, so dürfte uns wohl auch der inter stellare Club kaum von einem Tag auf den anderen Vollmit gliedschaft zuerkennen. Aber mir geht es gar nicht so sehr um die Wahrscheinlichkeit, daß der »interstellare Club« irgendeiner Milchstraße gewisse Auswahlprinzipien praktiziert (und sei es auch nur, daß er Neu linge gewissen Beschränkungen unterwirft), sondern mir kommt es vor allem darauf an, was sich daraus ergibt: Daß nämlich der maßen hochentwickelte Gesellschaften möglicherweise einen so enormen Grad technischen Könnens erreicht haben, daß interstellare Reisen für sie im Bereich des Möglichen liegen mit anderen Worten: daß sie sich selbst wenigstens über be scheidenere interstellare Distanzen von ein paar Lichtjahren hinweg bis zu ihren kosmischen Nachbarn zu transportieren vermögen. Wenn aber diese Möglichkeit besteht, dann wurde sicher auch unser eigener Planet, von dem jeder auch nur halb wegs begabte Astronom aus benachbarten Sonnensystemen errechnen kann, daß er als Lebensträger in Frage kommt, Ziel extraterrestrischer Besucher. Zu jedem Zeitpunkt der Erdge schichte könnten derartige Besuche aus dem Kosmos stattge funden haben. Sicherlich dürften zum mindesten unsere fernen Vorfahren, die Höhlenmenschen, von außerirdischen Forschem aufgesucht worden sein, die sich wohl notierten: Auf diesem Planeten spielte sich etwas ab - langsam zwar, aber ganz unbe zweifelbar. Und wie Sagan und Shklovskii an der bereits zitier ten Stelle äußerten: » . . . die Besuche auf unserem Planeten (dürften nun) häufiger geworden sein. Vielleicht fanden sie nun alle zehntausend Jahre statt . . . Wenn aber die Intervalle zwi schen den einzelnen Besuchen auf nur ein paar wenige J ahrtau sende zusammenschrumpften, besteht durchaus die Möglich keit, daß es sogar in historischer Zeit Kontakte mit einer außer irdischen Kultur gab.« 16 Wenn es aber so war, dann dürfte dies kaum ohne Einfluß auf den Menschen geblieben sein, und sicher fand es in seinen 30
Überlieferungen Widerhall. Freilich - wenn inzwischen Jahr zehntausende ins Land gezogen sind, dürften sich die Spuren, die dabei der menschlichen Kultur aufgeprägt wurden, längst wieder verwischt haben und fast unlesbar geworden sein. Bevor nicht eine ganz spezifische, unzweideutige H interlassenschaft eines solchen Kontakts unter Umständen zum Vorschein ge bracht wurde, die jede andere Deutung ausschließen, ist von der bloßen Hoffnung, hier und da verstreute Traditionselemente und -fragmente zu rekonstruieren und zu einem Mosaik zu sammenzufügen, kaum etwas zu erwarten. Sicher ist dagegen wohl, daß es etwas gibt, wenn man erst den richtigen Schlüssel findet. Doch wenden wir uns der Fortsetzung der Äußerungen Sagans und Shklovskiis zu: Sie enthält Anhaltspunkte dafür, in welcher Form die Erinnerung an einen Kontakt mit Außer irdischen seit der Frühzeit der Menschheitsgeschichte auf der Erde bewahrt worden sein könnte. Als Vergleichsmaterial dient eine - jederzeit nachprüfbare - Überlieferung über einen 1786 stattgefundenen Kontakt zwischen Franzosen und Indianern, die einem Ethnologen als Stammesmythos wiedererzählt wurde 17: »Zuverlässige Berichte von unmittelbaren Kontakten mit einer außerirdischen Hochkultur während der letzten paar Jahrhun derte, als bereits Kritik und wissenschaftliches Denken recht weit verbreitet waren und man sich schon ziemlich weit vom Aberglauben gelöst hatte, liegen nicht vor. Jede ältere Erzäh lung über derartige Kontakte aber muß wohl von phantastischen Ausschmückungen überwuchert sein. Angesichts der Zeitum stände und der einst verbreiteten Vorstellungen ist dies gar nicht anders denkbar. Das Ausmaß der nachträglichen Verdrehungen und Ausschmückungen der Faktengrundlage eines Ereignisses hängt dabei von der Zeit und den Umständen ab. Ein hervor ragendes Beispiel dafür ist der Bericht, den nordamerikanische Indianer vom ersten zusammentreffen des Stammes der Tlingit an der nordamerikanischen Nordwestküste mit Vertretern der europäischen Hochkultur gaben - genauer mit einer von dem französischen Seemann La Perouse geleiteten Expedition im
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Jahre 1786. Schriftliche Aufzeichnungen kannten die Tlingit nicht. Ein Jahrhundert nach dem zusammentreffen berichtete ein bedeutender Tlingit-Stammeshäuptling dem amerikani schen Ethnologen G. T. Emmons von dem Ereignis. Man hatte den Stoff der Erzählung inzwischen der Vorstellungswelt und den Denkschemata der Tlingit-Mythologie angeglichen und auf dieser Basis vor allem die Segelschiffe der Franzosen umge deutet. Doch verblüffenderweise blieb der wahre Charakter der Begegnung nach wie vor klar. Ein blinder, alter Krieger habe seine Furcht überwunden, eines der französischen Schiffe er klettert und mit den Europäern Güter ausgetauscht. Trotz sei ner Blindheit kam er zu der Folgerung: Es waren Menschen, die sich hier an Bord befanden. Seine Beurteilung des Ereig nisses führte zu aktivem Handel zwischen La Perouses Expe dition und den Tlingit. Die mündliche Überlieferung enthielt noch genügend Informationen für eine nachträgliche Rekon struktion des wahren Sachverhalts dieser Begegnung, obwohl viele Details eine Verfremdung durch die Einbeziehung in die mythische Vorstellungswelt der Tlingit erfahren hatten - so waren beispielsweise aus den Segelschiffen riesige schwarze Vögel mit weißen Flügeln geworden. Ein weiteres Beispiel sind afrikanische Völkerschaften aus den Gebieten südlich der Sahara. Bis zur Kolonialzeit fehlte ihnen jede schriftliche Über lieferung. Ihre Geschichte bewahrten sie hauptsächlich münd lich sowie in ihren Sitten und Gebräuchen. Ihre von Menschen, die nicht schreiben und lesen konnten, Generation um Gene ration weitertradierten Legenden und Mythen haben im allge meinen bedeutenden historischen Wert.« Ich weiß nicht, warum Sagan an dieser Stelle ausgerechnet die Völker Afrikas südlich der Sahara erwähnt, von denen das Material ·stammt, von dem wir ausgehen, denn bei Sagan er scheinen die fraglichen Völker im selben Kapitel nicht wieder, und es hat etwas von einem seltsamen Spiel des Zufalls, daß sie gerade hier auftauchen. Weiterhin verbreitet sich Sagan über faszinierende Wesen, denen man im Altertum die Begründung der sumerischen Kultur zuschrieb (von der im Gegensatz dazu manche heutigen Altorientalisten und Archäologen behaupten, sie sei praktisch aus dem Nichts entstanden). In einer auf den
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hellenistisch-babylonischen Baalspriester (Mardukpriester) Berossos (3. Jahrhundert v. Chr.) und den Gelehrten Apollo doros aus Athen (2. Jahrhundert v. Chr.) zurückgeführten Schil derung, die der antike Büchersammler Alexander Polyhistor aus Milet (1. Jahrhundert v. Chr.) der Nachwelt überlieferte, werden jene Kulturbringer-Wesen als amphibisch beschrieben. Angeblich fühlten sie sich wohler, wenn sie nachts ins Meer zu rückkehren konnten, um dann den Tag wieder an Land zu ver bringen. Sämtliche Berichte schildern die fraglichen Wesen als Halbdämonen, Persönlichkeiten oder vernunftbegabte Tiere, nie aber findet man sie als Götter bezeichnet. Als »übermensch lich« allerdings galten ihr W issen und ihre Lebensdauer, und schließlich kehrten sie in einem S-chiff»zu den Göttern« zurück, freilich nicht ohne Musterexemplare der die Erde bevölkernden Lebewesen mitzunehmen. Im Kapitel 8 werde ich näher auf diese Überlieferungen eingehen; die literarischen Quellen, so weit sie noch erhalten sind, gebe ich im Anhang II. Die sumerische Kultur ist von außerordentlicher Bedeutung. Wir werden später noch auf sie zurückkommen. Sie bildete die Grundlage jener mesopotamischen Hochkultur, die den mei sten von uns mehr durch ihre späteren Vertreter, die Babylonier und Assyrer, Sumers Erben, bekannt ist. Recht früh schon wurde die eigentliche Sprache der Sumerer durch das Akkadi sche verdrängt (eine semitische Sprache; das Sumerische da gegen war nicht semitisch und läßt sich bis zur Stunde in über haupt kein Sprach-Verwandtschaftsverhältnis einordnen). Die Akkader vermischten sich mit den Sumerern und bildeten schließlich mit ihnen ein Amalgam, ähnlich dem Amalgam aus den einander einst fremden Normannen und Angelsachsen, das heute die britischen Inseln bewohnt. Nur daß die Akkader Se miten waren, die Sumerer dagegen nicht und daß es auch im physischen Erscheinungsbild beider Unterschiede gab. Später hatten Babylon und die Babylonier das Sagen, im Norden gaben Assur und die Assyrer den Ton an, dann schlug die Stunde für das etwas abgelegene Fars im Osten mit seinen Persern im Hin tergrund, und nicht zuletzt gingen aus dem sumerisch-akkadi schen Milieu auch jene Semiten bevor, die als Hebräer und Israeliten bzw. Juden in die Geschichte Eingang fanden. 33
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Die vier kleinen Sterne sind Jupiterkeile< . . . Wird Jupiter durch einen Felsen dargestellt, so ist er von vier Steinen >eingekeilt«< 29• Eine Dogon-Zeichnung des Jupiter und seiner vier Monde gibt Abbildung 10 wieder. Griaule und Dieterlen geben hierzu folgende Erläuterung 30: »Diese Abbildung stellt den Planeten als Kreis dar, den seine vier - als dana to/o unum (>Kinder von dana toloechten AkazieDie vier kleinen Sterne sind Jupiters Hülsen< . . . Die Abschnitte zwischen den Jupitertrabanten versinnbildlichen die Jahreszeiten. Sie (die Jupiterrnonde) umkreisen Jupiter, und ihre Bewegung begün stigt das Wachstum der sene-Blätter, den sene bewegt sich nachts ebenso auf dem Boden, wie sich die Sterne am Himmel bewe gen; ebenso wie die Satelliten drehen sie (die sene-Pflanzen) sich einmal (im Jahr) um ihre eigene Achse.« In einer Fußnote fügen Griaule und Dieterlen hinzu: »Die Stämme einiger sene-Varietäten sind spiralig gewunden. Zum Hausbau nimmt man sene-Holz nicht, weil es das Haus zum >Drehen< brächte. Von den nächtlichen sene->Bewegungen< nimmt man an, daß sie die Seelen der Toten anziehen, die ihren >Ort wechselnSpiralsternenweltSternenwelt< verbindet die Achse (>Ammas Gabel Welten, die sich spiralig bewe genFamilie der Sterne, die sich nicht (um andere Sterne) drehen< . . . die Planeten hin gegen bilden die >Familie der Sterne, die (um andere Sterne) kreisen< . . . Satelliten heißen tolo gonoze (>Sterne, die einen Kreis beschreibenklares< Blut, andererseits als >Öl< in den Organen kreist, hält beides zusammen (d. h.: sie hält >die Worte< im menschlichen Organismus): So verbreitet sich >das Wort Wasser< (das >klare< Blut) - strömt durch das Herz, dann durch die Lungen, die Leber und die Milz, das >ölige< Blut geht durch die Bauchspeicheldrüse, die Nieren, die Eingeweide und die Ge schlechtsteile . . . « Die Dogon sagen: ». . . was man ißt, was man trinkt, Amma verwandelt es in rotes Blut; weißes Blut ist schlecht4°.« Außer dem wissen sie: »Die Essenz unserer Nahrung geht ins Blut41.« Ihnen ist bekannt, daß das Blut »vom Herzen her« 42 in die inne ren Organe strömt, ja sie scheinen sogar die Rolle zu begreifen, die der Sauerstoff - oder zumindest die »Luft« für das Blut spielt, denn Luft ist für sie das »Wort«, das - wie sie sagen - vom Blut strom aufgenommen wird und durch den »Impuls, der vom Herzen ausgeht«, dem Körperinnern »Nahrung« zuführt. Die »Einverleibung des >Wortes< in den Körper hängt auch mit der Ernährung des Blutes zusammen. Sämtliche Organe der At mung und Verdauung sind an diesem Integrationsprozeß be teiligt43.« Wir gingen davon aus, daß die Milchstraße mit dem Blutkreislauf verglichen wurde. Über die Milchstraße äußern die Dogon weiterhin: ». . . die Bezeichnungya/u ulo gilt unserer eigenen Milchstraße. Sie umfaßt die Sternenwelt, der auch un sere Erde angehört und rotiert auf einer spiralförmigen Bahn . . . (sie umfaßt), nahezu unbegrenzt, Vervielfältigung und Entwick lung der spiralförmigen Sternenwelten, die Amma schuf . . . auf spiralförmigen Bahnen wirbelnde Welten füllen das All - un endlich und doch meßbar44.« Amma ist die Hauptgottheit der Dogon, der Schöpfer aller Dinge. Aufschlußreich ist, wie sich die Dogon die Weltschöpfung durch Amma vorstellen: »Welch aktive Rolle bei der Schöpfung die Gärung spielte, wird uns heute noch beim Bierbrauen klar . . . die Gärung der Maische bedeutet eine >Auferstehung< des beim Brauen zerstörten Ge treides . . . Leben . . . ist einem Gärungsprozeß vergleichbar. >Vieles gärte< bei der Schöpfung >in Amma< 45, der >umherwir belnd und tanzend . . . all die spiralförmig rotierenden Sternen welten des Universums schuf< 46.« - »Durch Ammas Wirken trat
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das All nach und nach in die Wirklichkeit. Es wurde aus meh reren Sternenwelten geschaffen, die spiralig rotierten 47.« Den Dogon bereitet es auch keinerlei Schwierigkeit, sich das gesa4ite Weltall von intelligenten Wesen bevölkert vorzustellen. · Sie sagen 48: »Die Welten der spiralförmig kreisenden Sterne waren bewohnte Weltsysteme, denn bei der Schöpfung gab Amma der Welt ihre Gestalt und ihre Bewegungen und schuf lebende Wesen. Es gibt Geschöpfe, die auf anderen >Erden< leben, ebenso wie wir auf der unseren. Eine solche Verbreitung des Lebens erhellt aus der Deutung eines Mythos, wo es heißt: Die Menschen be wohnen die 4. Erde, doch auf der 3. gibt es >Menschen mit Hör nern< (inneu gammurugu), auf der 5. >Menschen mit Schwän zen< (inneu dullogu), auf der 6. >Menschen mit Flügeln< (inneu bummo) usw. Dies zeigt klar: Man weiß nicht, in welchen For men Leben auf anderen Welten anzutreffen ist, zweifelt aber nicht daran, daß es dort Leben gibt.« Die Dogon wissen auch, daß die Erde sich um ihre eigene Achse dreht. Wenn der Fuchs über die Weissagungstafeln läuft, die in den Sand gezeichnet sind, »beginnt sich der Planet unter der Bewegung seiner Füße zu drehen 49.« »Wenn sein Schwanz die einzigen sichtbaren Spuren hinterläßt, so bietet sich der Ver gleich mit der Erdrotation an; es heißt: >Der Fuchs ließ seinen Schwanz kreisen, die Erde drehte sich um die eigene Achse< 50.« »So stellt die Weissagungstafel die Erde dar , >die sich durch die Bewegung der Pfoten des Fuchses dreht< , wenn er von einem Abschnitt zum anderen läuft, wogegen die >Unterweisungstafel< den Raum versinnbildlicht, in dem sich die Erde, desgleichen aber auch Sonne und Mond bewegen, die Amma außerhalb seiner Reichweite placiert hatte 51.« Die »Unterweisungstafel«, von der hier die Rede ist, ist zwölffach unterteilt und stellt einen Mondkalender dar. Jeder ihrer zwölf Abschnitte steht für einen Monat. In Le Renard pale finden wir sie als Abbildung 96 wiedergegeben. Die zwölf Monate also sind »der Raum, darin sich die Erde bewegt« - mit anderen Worten: Es ist von der jährlichen Runde der Erde um die Sonne die Rede. Und wäh53
rend sie diese, ihre Jahresbahn, zurücklegt, dreht sich die Erde täglich einmal um die eigene Achse. Kurz: Die Erdbahn um die Sonne ist »der Erdenraum«. Außerdem wissen die Dogon sehr genau: Es ist die Erddre hung um die eigene Achse, die den Anschein erweckt, daß sich der Himmel zu drehen scheint. Sie sprechen von der »schein baren Ost-West-Bewegung der Sterne, wie wir Menschen sie sehen« 52• Mit anderen Worten, sie scheinen von den falschen Vorstellungen unserer europäischen Ahnen frei zu sein,Himmel und Sterne kreisten um die Erde. (Allerdings gab es in Europa eine Ausnahme von diesem primitiven Weltbild, eine Ausnah me, die meines Wissens noch kein Wissenschaftshistoriker berücksichtigt hat - und ich habe ziemlich lange nach einem entsprechenden Bericht gesucht. Im Anhang I habe ich diese »geheime« Überlieferung zusammengestellt und auf ihren Zu sammenhang mit dem Sirius-Rätsel hingewiesen.) Als Sinnbild und Inbegriff eines »Systems« von Gruppen astronomischer Objekte wie Sterne oder Planeten dient den Dogon die Plazenta (der »Mutterkuchen«). Unser eigenes Son nensystem scheinen sie als »Ogos (d. h.: >des FuchsesMutterku chen«< berichten Griaule und Dieterlen55 : »Zwei bisweilen miteinander gekoppelte Systeme laufen durch einander und lassen die vielfältigen Kalendersysteme entstehen, die den Rhythmus des Lebens und der menschlichen Aktivitä ten bestimmen . . . Eines davon, das erdnächste, hat die Sonne als Achse, die der sichtbare Überrest der Plazenta Ogos (des Fuchses) ist, während ein anderer (Himmelskörper), Sirius, der (uns) ferner ist, von der Plazenta Nommos, des Wamers im Weltall, zeugt.« Die Bewegungen der Himmelskörper innerhalb dieser »Mutter kuchen« vergleicht man mit der Zirkulation des Blutes in der echten Plazenta, während man sich durch die astronomischen Objekte weiter draußen im Raum an Klümpchen geronnenen Blutes erinnert fühlt. Ähnliche Vergleiche werden auch bei grö ßeren Systemen gezogen. »Bei der Bildung der Sterne erinnern wir daran, daß die Milchstraße den >Blutpfad< darstellt . . .« 56, ». . . die Planeten und ihre Trabanten . . . werden mit kreisendem Blut und mit >Samen< in Verbindung gebracht, die im Blut dahintreiben 57.« Das unter dem Namen »Fischland« bekannte Siriussystem 58, das als Nommo-Plazenta gilt, wird eigens als »Doppelplazenta am Himmel« bezeichnet 59 - wohl mit Rück sicht darauf, daß es sich um ein Doppelsternsystem handelt. Die »Erde« im Siriussystem ist»reine Erde«, wogegen die »Erde« in unserem Sonnensystem als »unrein« gilt60• Als »Tag der Fische« bezeichnet man die Nommo-Landung auf unserem Planeten 61, und der Wandelstern, von dem Nommo kam, wird »( reine) Erde des Fischtages . . . nicht (unsere) unreine Erde« genannt62• In unserem eigenen Sonnensystem sollen sämtliche Planeten aus der Sonnen-»Plazenta« hervorgegangen sein. So heißt es vom Planeten Jupiter63, er »tauchte aus dem Blut auf, das auf die Plazenta fiel« 64. Ebenfalls aus Blut, das auf die Plazenta tropfte, entstand der Planet Venus 65• Blutrot, als er geschaffen wurde, verlor er später seine ursprüngliche
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Farbe nach und nach 65. Auch Mars entstand aus einem »Blut gerinnsel« 66. Wie erwähnt, gilt unser Sonnensystem als »Pla zenta Ogos«, des Fuchses, der unrein ist. Bezeichnenderweise ist unser Planet Erde jener »Punkt, wo Ogos Nabelschnur an seiner Plazenta befestigt war . . . und erinnert an seine erste Niederkunft« 67. Mit anderen Worten: Die Erde ist es, wo Ogo sozusagen in sein Planetensystem »eingestöpselt« war. Was Ogo, der Fuchs, zu verkörpern scheint - es ist der Mensch selbst, eine Gattung von Lebewesen recht mangelhafter Intelli genz, die auf unseren Planeten »niederkam« oder hier auf ihm entstand - auf jenem Planeten unseres Sonnensystems, an dem die große Nabelschnur haftet. Ogo - das sind wir selbst in all unserer »kosmischen Unreinheit«. Uns schockt diese Erkenntnis, daß wir Ogo sind, der Unvoll kommene, der nicht Berufene, der Ausgestoßene. Als er ge schaffen wurde, lehnte Ogo sich auf. So blieb er unfertig. Er ist das Gegenstück zu Luzifer in unserer eigenen, christlichen Überlieferung. Und um unsere Unreinheit zu sühnen, sei - so heißt es bei den Dogon immer und immer wieder - Nommo ge storben und wieder auferstanden. Als Sühneopfer habe er sich hingegeben, um unsere Erde zu reinigen. Die Parallelen zum Opfertod Jesu Christi sind unübersehbar, ja sie gehen sogar so weit, daß man erzählt, Nommo sei an einem Baum gekreuzigt worden, habe der Menschheit als eucharistisches Mahl gedient, um schließlich wieder aufzuerstehen. Auf diese religionsge schichtlichen Aspekte freilich beabsichtige ich nicht einzuge hen. Mag jeder Leser es damit halten, wie es ihn gut dünkt. Mir geht es hier lediglich darum, daß wir, von Ogo verkörpert, möglicherweise kosmische Parias sind, »Unberührbare« des Weltalls, und ich kann nur hoffen, daß es nicht in alle Ewig keit so bleibt. Die Dogon scheinen die gleiche Hoffnung auf »Erlösung« zu hegen, wie Jesus Christus sie in seiner macht vollen Botschaft der Welt verkündet hat. Allerdings kann das Wort »Erlösung« jede Bedeutung annehmen, die man ihm bei legt. Vielleicht wäre es sinnvoller, unter »Sünde« weniger einen Verstoß gegen irgendwelche Spielregeln des menschlichen Zu sammenlebens zu verstehen als eine bestimmte Form der »Un reinheit«, wie Ogo sie repräsentiert. All die Perversitäten des
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Christentums schienen mir immer auf einer Verkehrung des Begriffs »Sünde« zu beruhen, so daß man »Sünde« benutzen konnte, um andere zu erpressen. Uns von einer gewissen »Un reinheit« zu befreien, dürfte den echten Erfordernissen weit näherkommen, und jene Autoren, die der Auffassung sind, wir seien erblich belastet, ja sogar mit »Erbsünde« beladen - sie haben vielleicht so ganz unrecht nicht. Wenn es sich aber so verhält - könnte es sein, daß wir zur Zeit in einer A rt »kosmi scher Quarantäne« leben? Man erzählt, Nommo werde wiederkommen. Ein gewisser »Stern« werde wieder am Himmel auftauchen 68, um »Nommos Auferstehung« zu »bezeugen«. Bei seiner ersten Landung auf Erden »zerschmetterte er den Fuchs zum Zeichen seiner künf tigen Herrschaft über die Erde, die der Fuchs geschaffen hatte« 69. So wurde vielleicht schon in grauer Vorzeit viel von der rohen Art des Menschen niedergerungen und überwunden. Vielleicht waren es wirklich jene von den Dogon als Nommos bezeich neten Besucher aus dem All, die Ogo beinahe zerstörten und uns die besten Elemente menschlicher Hochkultur hinterließen, deren wir uns rühmen. Zurück blieben wir - seltsame Mischung aus Kultiviertheit und Brutalität, wir, die wir gegen den »Ogo in uns« kämpfen. Die Dogon scheinen mit dem Leben zurechtgekommen zu sein - dies mitten unter der verwirrenden Fülle himmlischer Aktivitäten, die sich ringsumher abspielen. ». . . die Erde dreht sich um ihre eigene Achse . . . und zieht auf großer Umlaufbahn (um die Sonne) . . . Der Mond rotiert wie eine konische Spirale um die Erde. Die Sonne verbreitet mit ihren Strahlen Licht im Raum und auf der Erde« 70• Sie (die Sonne) ist »das Überbleibsel von Ogos Plazenta« 71 und Mittelpunkt unseres Planetensystems. Aus einem bestimmten Grunde - weil sie Besuch von dort empfangen haben wollen - konzentrieren sich aber Leben und Religion bei den Dogon nicht auf diese - den Dogon keines wegs unbekannte - Sonnen- und Planetenpracht, sondern auf das System unseres Nachbarsterns und seines unsichtbaren Begleiters. Warum? Wirklich aus dem Grund, den die Dogon angeben? Und wenn ja - wird das Nommo-Wesen wiederkom men? Wir sollten, um einen Anfang zu machen, tatsächlich die
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Einzelheiten des Dogon-Wissens so gründlich, so eingehend wie möglich erforschen. Beispielsweise heißt es, im Gegensatz zu der SO-Jahres-Periode, an der andere festhalten (und auch im Gegensatz zum nachstehend abgedruckten Artikel), in Le Renard pale, der Stern emme y a habe eine Umlaufzeit von ledig lich 32 Jahren. Er sei größer als Sirius B und »viermal leichter«. Im Verhältnis zu Sirius B seien beider »Positionen gerade«. Er werde von Sirius B überwacht und fungiere als Mittler, der die »Befehle« von Sirius B weiterleite 72• Existiert ein solcher Him melskörper? Hat derartige Dogon-Kunde das Gewicht von Be weismaterial, das astronomische Untersuchungen rechtfertigt? Dr. Lindenblad vermag keinerlei Anhalt für einen »Sirius C« der bisher von einigen Astronomen angenommenen Art zu finden. Ließe sich aber vielleicht der Beweis erbringen, daß es einen »Sirius C« gibt, der so ist, wie die Dogon ihn schildern? Und wenn man ihn entdeckte - wären dann auch alle anderen Dogon-Behauptungen bewiesen? Die Grußformeln der Dogon enthalten Anspielungen auf die Unsterblichkeit und Beständigkeit des Großen Schöpfers. Einern Freund oder Verwandten wünscht man: »Möge dich der unsterbliche Amma sitzend erhalten 73.« Nicht minder wichtig ist es, daß wir nicht vom Stuhl fallen, denn wir sind im Begriff, in die dunklen Fluten der Vergangenheit unseres Planeten zu tauchen - ein Unterfangen, das durchaus dazu führen könnte, daß wir alle liebgewordenen und vertrauten Vorstellungen vom Altertum unserer Erde über den Haufen werfen müssen. Denn ganz abgesehen von der Tatsache oder Möglichkeit kultureller Berührungen unserer Vorfahren mit einer fremden Kultur aus der Weite des Weltenraums, die wir nicht länger ausschließen; für die wir vielleicht in der Hinterlassenschaft alter Mensch heitskulturen den einen oder anderen Anhaltspunkt finden wir könnten vielleicht auch entdecken, daß eine Aura des Ab sonderlichen unsere Vergangenheit umgibt, je tiefer wir in sie eindringen.
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Zweiter Teil: Die Siriusfrage - neu gestellt
ZUR EINFÜHRUNG W ir wenden uns nunmehr der Rolle zu,die Sirius in der Mensch heitsgeschichte spielte. Welche Bedeutung hatte er - falls über haupt - in der antiken Religion? Bieten die Kulturen des Alter tums Anhaltspunkte dafür, daß auch andere Völker als die Do gon das Siriussystem und seine rätselhaften Details kannten? Und läßt sich klären, woher die Dogon ihr W issen bezogen? Es handelt sich um erregendes Material, und der Leser sollte wegen seiner Fülle nicht den Mut verlieren. Ich bin sicher, daß er am Ende finden wird: Es hat sich gelohnt. Denn die Kulturen des Altertums sind sehr viel bizarrer, als man normalerweise zu finden erwartet.
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Ein Märchen
Einst gab es einen wunderschönen, hellstrahlenden Stern na mens Sothis, so schön, wie eine Göttin nur sein konnte. Lange hatte die Sternengöttin einen beherrschenden Platz am Himmel, und alle bewunderten ihre Schönheit. Doch eines Tages fühlte sie sich nicht wohl. Ja, ihr war, als ob ihr Leben langsam schwände. Nacht für Nacht entfernte sie sich weiter von ihrem hohen, stolzen Himmelssitz - immer näher kam sie dem Hori zont und damit dem sicheren Tod. Schließlich versank sie hinter der schrecklichen Linie aus Erde und Bergkämmen,jener Linie, die sie so gefürchtet hatte. Mit ihrem Funkeln war es aus. Es kam die Nacht, da es sie nicht mehr gab. Unter der Erde ruhte sie nun, tot und einbalsamiert wie jede Mumie. Doch als sie hoch am Himmel stand, hatte die Himmels königin weder Hochmut noch Niedertracht gezeigt. Sie hatte 59
daher viele Bewunderer, die ihre Schönheit priesen und über ihr Verschwinden trauerten. Unten im Erdental hausten Sterb liche, ärmer an Glanz. Ehrfurchtsvoll hatten sie so manche Nacht zur Göttin Sothis emporgeblickt, als diese noch in ungetrüb tem Leuchten schimmerte. Ja, einige hatten ihre Geburt be obachtet. Sie hatten die strahlend schöne Unsterbliche gesehen, wie sie ihre ersten rosenfarbenen Strahlenblitze flach über das Land zucken ließ, als ob sie mit ihrer Schönheit die Erde ent flammen wollte. Allerdings war ihr Erscheinen dann nur kurz, denn gleich nach ihr erhob sich die Sonne selbst in all ihrer Pracht. Ohne sich um Sothis zu kümmern, wusch sie mit ihrem Glanz den Himmel weiß. Die Sterne lösten sich auf wie winzige Milchtropfen, aus einem Topf verspritzt, der überlief. So groß war die Sonne, so sieghaft in ihrem Erscheinen - sie, die manche mit einem mächtigen Wildstier verglichen, dessen Brüllen Him mel und Erde durchdröhnte, die ihm untertan waren. Doch Nacht für Nacht kehrte die Sonne zu ihrem Ruhelager zurück, Nacht für Nacht verzauberte und betörte die flammende Göttin Sothis die Sterblichen; und höher steigend, immer vollkomme ner strahlend, erhob sie sich, der Sonne immer weiter voraus. Aber als es sie nun nicht mehr gab - wie kahl, wie öde sah der Himmel jetzt aus! Man glaubte, es nicht ertragen zu können, daß die Schönheit, die alle kannten, nicht mehr am Himmels gewölbe thronte. Wie sehr die Göttin einem doch fehlte! Tag und Nacht folgten einander, und die wohltätigen Schwin gen der Zeit linderten die Schmerzen vieler - Schwingen, die sich langsam entfalten und den Leidenden umfangen, ihn in unsichtbaren Hüllen bergend, Hüllen des Schlafes, des Ver gessens, der Ablenkung durch neue Eindrücke, die uns das Leben vermittelt. Die schöne Sothis, so sehr sie betrauert wurde, war nur den Blicken entzogen. So waren 70 Tage ins Land gegangen. Die Hoffnung hatte längst der Resignation Platz gemacht. Schmerz war der Betäu bung gewichen. Da ging ein Hirt vor Sonnenaufgang hinaus zu seinen nun schon volle sechs Wochen alten Lämmern. Es war nicht mehr lange, bis die Sonne sich erhob, die Morgendämme rung brach bald herein. Der Hirt blickte zum Horizont im Osten. Dort sah er den Horizont in blitzendem Feuer aufglühen, 60
und er schaute die flammend rote Geburt der Göttin. Sie war es, sie mußte es sein! Kein anderer Stern strahlte in solchem Glanz, kein anderer war so unverkennbar. Ergriffen blieb der Hirt stehen, die Augen wie versengt vom Feuer des neugebore nen Sterns und wie sprudelnd von den Wassern des Lebens, während sie die feurige W iedergeburt der erneut ins Dasein ge rufenen Göttin spiegelten. Als dann rasch die Sonne empor stieg, um Sothis' so schmerzlich kurze Erscheinung auszulö schen, wandte der Hirt sich um und rannte zur nächsten Men schenansiedlung: »Aufwachen! Wacht auf! Die Göttin ist zu rückgekehrt! Sie ist wiedergeboren! Unsterblich! Zurück aus dem Totenreich!« Und all ihre Verehrer kamen aufgeregt zu sammen, voll neuer Hoffnung. Sie hörten die Kunde; schauten am nächsten Morgen das Wunder selbst und feierten ein Fest, das jährlich wiederholt werden sollte. Man feiert es noch heute, und zahlreich sind die Tempel, zahlreich die Priester, die sich im Juli überall in unserem Lande Ägypten versammeln, um Zeugen der allerorten durch Herolde verkündeten W iedergeburt der großen Göttin Sothis zu sein, der Mutter Isis, die ihrem Volk Eintracht und Segen bringt. Und zur Erinnerung an ihre 70 Tage in der Unterwelt haben wir die ebenfalls 70 Tage dauern den Einbalsamierungs- und Mumifizierungsriten für unsere ei genen Toten eingeführt, die Brauch und gute Sitte verlangen. Dieses Märchen schrieb ich vom Standpunkt eines altägyp tischen Priesters aus, um dem Leser nicht allein gewisse Fakten, sondern auch gewisse - ebenso wichtige, wenn auch leider ver drängte und unterdrückte - Gefühle zu vermitteln, denn was alte Völker empfanden, was sie fühlten, ist ebenso wichtig wie die trockene Beschreibung bloßer faktischer Glaubensinhalte. Sothis war der altägyptische Name des Sirius in griechischer Umschreibung. Die Ägypter hatten einen Sothis-Kalender, und Sirius' erstes Auftauchen am östlichen Horizont unmittelbar vor Sonnenaufgang - nach 70 Tagen im Duat (d. h.: in der Unter welt) - bezeichnet man als »heliakischen« Sirius-Frühaufgang (heliakisch von griechisch helios, »Sonne«). - Dieser »heliaki sche« Sirius- bzw. Sothis-Aufgang ereignete sich einmal imJahr und war der »Aufhänger« des Sothis-Kalenders, auf dessen Ein zelheiten wir hier nicht einzugehen brauchen. 61
So wichtig war der »heliakische« Sirius-Aufgang für die »al ten« Ägypter (ebenso wie auch für die Dogon1 ), daß man riesige Tempel baute, deren Schiffe genau aufjenen Punkt am Horizont hin orientiert waren, wo Sirius dann, wenn man es von ihm erwartete, auftauchte. Dank genauer Orientierung strömte das Sirius-Licht den Gang entlang und umflutete wie Scheinwerfer licht den Altar im Innern des Heiligtums. Ein solcher Licht effekt eines einzelnen Gestirns war nur möglich, weil die Aus richtung des Bauwerks so unglaublich präzise war und das Tempelinnere ansonsten in völligem Dunkel lag. In einem rie sigen, total finsteren Tempelraum mußte das Licht eines einzi gen Sternes, allein auf den Altar konzentriert, auf die Anwesen den einen denkbar starken Eindruck machen. In diesem Licht war der Stern in seinem Tempel anwesend. Ein solcher Sirius Tempel war z. 8. der Isis-(Hathor-)Tempel in Dendera. Eine Hieroglypheninschrift aus diesem Tempel lautet2 : Sie leuchtet am Neujahrstag in ihren Tempel und mischt ihr Licht mit dem ihres Vaters Re am Horizont. (Re ist der altägyptische Sonnengott, der unter verschiedenen Aspekten verehrt und mit anderen Göttern verbunden wurde.) Auch andere Völker der Antike empfanden den »heliakischen«
Abbildung II. Der helia kische Siriusaufgang. Dogon-Zeichnung der Ver einigung von Sirius und Sonne
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Siriusaufgang am Morgenhimmel als ein wichtiges Ereignis. Im folgenden eine dramatische Beschreibung, die der helleni stische Dichter Aratos von Soloi, ein kleinasiatischer Grieche der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr., in seinem Lehrgedicht über die »Himmelserscheinungen« 3 vom Siriusaufgang liefert (für ihn ist Sirius der »Hundsstern«, da er sich im Sternbild des »Großen Hundes« befindet): »Die Spitze seines schrecklichen (Hunde-)Kiefers bildet ein Stern, der am durchdringendsten lodert mit allesdörrender Glut. Wenn er mit der Sonne aufgeht (dies bezieht sich auf seinen »heliakischen« Aufgang), verdecken ihn keine Bäume mehr mit ihrem zarten Laub, denn ihr Rankenwerk durchbricht er leicht mit scharfem Strahl; zwar gibt er einigen Stärke, anderen jedoch verbrennt er die Rinde ganz und gar.« Wir sehen : Diese dramatische Darstellung des Sternenaufgangs schildert ein Ereignis, das ganz gewiß von den Völkern der Anti ke zur Kenntnis genommen wurde. In der gesamten lateinischen Literatur gibt es genügend Erwähnungen der »Hundstage«, die dem »heliakischen« Siriusaufgang am sommerlichen Morgen himmel folgen. Man war damals der Auffassung, es sei das Glü hen des Sirius, das nicht wenig zur Gluthitze und Trockenheit der letzten Juli- und der ersten Augusttage beitrüge. Überliefe rungen über die Röte des Sirius entstanden. Tatsächlich er scheint der aufgehende Sirius ebenso rot wie jeder andere Him melskörper am Horizont. Wenn römische Redner den Sirius er wähnten, unterließen sie selten die Anspielung, daß der Stern gerade rot sei - und das war er ja auch. Was uns angeht, so nehmen wir gewöhnlich gar nicht zur Kenntnis, daß Sterne überhaupt auf- und untergehen. Das hängt beileibe nicht nur damit zusammen, daß wir in Städte mit elek trischem Licht gepfercht sind, das sich in den Rauch- und Dunst glocken widerspiegelt, die sich dank unserer Aktivität über unseren Wohnstätten wölben. Als ich einmal mit einem wohl bekannten Naturfreund über die Sterne sprach, mußte ich zu meiner größten Überraschung feststellen, daß sogar ein Mann wie dieser, der sein ganzes Leben der Wild- und Naturbeobach63
tung gewidmet hatte, nicht die blasseste Ahnung von den Ge stirnsbewegungen besaß - und hier hatte es ich keineswegs mit einem Gefangenen rauchgeschwärzter städtischer Betonsilos zu tun! Ich wüßte zu gern, was hier eigentlich im argen liegt Unsere heutige Kultur - die Hochkultur des technischen Zeitalters ignoriert die Sterne nicht nur, weil die meisten von uns sie gar nicht mehr sehen können. Ganz gewiß liegen die eigentlichen Gründe sehr viel tiefer. Die Sterne haben einfach in unserem Weltbild keinen Platz mehr. Zwar blicken wir zu ihnen auf, den Kopf voller Bewun derung in den Nacken geworfen, und staunen, daß es so viele davon gibt. Aber das ist auch alles. Auch daß man sich plötz lich mehr als zuvor für Astrologie interessiert, bedeutet keines wegs, daß man tatsächlich öfter zu den Sternen aufblickt - nicht einmal Raumfahrtprogramme bewirken etwas anderes, als daß alle aufmerksam auf die Manöver irgendwelcher künstlicher Erdsatelliten starren, soweit diese sichtbar sind - aber man ver folgt sie vor einem nach wie vor absolut nichtssagend bleiben den Hintergrund von Sternen, die als bloße Statisterie empfun den werden, während von Menschen verfertigte Raumkapseln die eigentliche Schau abziehen. An (künstlichen) Erdsatelliten sind wir interessiert, denn die stellen wir selbst her. Die Sterne aber sind kein Werk unserer Hände, sie sind fremd, von Men schenhand unberührt und damit für uns uninteressant. Nur was unversehrt, was noch heil ist, hat Beziehung zu den Sternen. Der Mensch hat aufgehört, unversehrt, ungebro chen zu sein. Er bewohnt eine Welt, die mehr und mehr Schöp fung seiner eigenen Vorstellungskraft, mehr und mehr sein eige nes Phantasiegebilde ist. Bauern haben ein Verhältnis zum Him mel, desgleichen Seeleute, Karawanenführer in der Wüste und Flugzeugnavigatoren. Sie alle haben ihre Funktionen, die samt und sonders mit dem - heute fast vergessenen - Grundprinzip der Orientierung zu tun haben. Doch in einer fast ganz und gar gemachten, gekünstelten Welt hält man Orientierung kaum noch für nötig. W ir haben das einst an kosmischen Ordnungsprinzipien orientierte ungebrochene, ganzheitliche Leben verwässert. Die 64
innere Uhr unserer Lebensrhythmen, die Uhr unserer Körper funktionen - sie tickt weiter in uns, aber nicht mehr im Ein klang mit der Welt, die uns umgibt. Unsere »inneren Zeitmesser« werden daher zu nur mehr nach innen wirkenden, sinnlos ab schnurrenden Zyklen ohne Beziehung zu unserer äußeren Um welt. Wir machen uns selbst zu beziehungslosen Maschinen, auf etwas programmiert, das sich in seiner Isolierung ausnimmt, als wäre es einfach Willkür und Selbstzweck. Doch indem wir uns aus größeren Lebenszusammenhängen reißen, fügen wir unweigerlich unserer Psyche Schaden zu. Ich würde die neue Krankheit als »zeitbedingten Irrsinn« bezeichnen, als dementia tempora/is. Als ich daran ging, mich von meiner völligen Unwissenheit über diese Dinge zu kurieren, fand ich das außergewöhnlich schwierig. Ich las unentwegt irgendwelche Sachtexte, die ich alle »verstand«, ohne sie wirklich zu verinnerlichen, denn zu echtem Erfassen gehört ebenso die innere wie die äußere Auf nahme. Was uns nicht wirklich berührt oder worin wir uns nicht echt hineinversetzen können, das bleibt uns fremd. Wir verste hen es »von außen«, aber wir haben keine innere Beziehung dazu. Auch diese zunehmende Isolierung und Entfremdung ein allgemein in der zivilisierten Welt zutiefst beklagter Übel stand - ist eine Folge der dementia tempora/is. Denn wie kann man schließlich in eine Materie eindringen, wenn man nicht mehr innerhalb seines eigenen Universums mit seinen Zyklen und Naturgegebenheiten steht? Außerhalb der Natur zu stehen heißt, allen Dingen gegenüber Außenseiter zu sein. Mit diesen Erwägungen im Sinn und einem Kindermärchen im Herzen, das uns die Pforten zum Vorhof der Psyche Alt Ägyptens erschließen soll, wollen wir uns zur Fahrt über einen Wasserfall anschicken - dies ist der Gewißheit, nicht zu ertrin ken. Ich selbst habe den Wasserfall schon früher hinter mich gebracht und kann versichern: Man erlebt einen absolut genuß reichen Nervenkitzel, wenn man sich einfach fallen läßt. Aber man hat natürlich mit kräftigen Stößen zu schwimmen, das steht außer Frage. So - jetzt haben wir uns abgestoßen . . . und schon treiben wir mitten in den schäumenden Schnellen, wo es darauf ankommt, die Dinge rasch beim Namen zu nennen
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Abbildung 12. Karte der Sternbilder -�o /vgus Orion, Lepus (Hase), Canis Maior ,' (Großer Hund mit dem »Hunds stern« Sirius) und Argo Navis Vti;ap1acidus p Argus (»Himmelsschiff Argo«). Die Linien zwischen den Sternen des letzterwähnten Sternbildes wurden vom Verfasser und vom Zeichner ein ganz klein wenig anders gezogen, als dies üblich isl Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß man Argo wegen seiner riesigen Größe kaum je vollständig auf einer detaillierten Sternkarte dargestellt findet Praktisch kann man aus den Argo-Sternen fast jede beliebige Schiffsform herauslesen, ohne »gegen die Regeln zu verstoßen«. Orion steht - wie auf dem griechischen Vasen bild (Tafel 19) - über dem Sternbild des Hasen.
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und einfachste Leitlinien zu finden. Wissenschaftler wie die Professoren Parker und Neugebauer, die in solchen Dingen Erfahrung haben, sagen uns 4: »Das ägyptische Kalenderjahr, auf dem die diagonalen Stern zeitmesser (bisher als >diagonale Kalender< bezeichnet) auf gebaut waren, ist das wohlbekannte bürgerliche oder > tropische< Jahr aus zwölf Monaten zu drei Zehntagewochen, eingeteilt in drei Jahreszeiten zu je vier Monaten; ihnen folgen fünf Zusatz tage (>Epagomenen< oder >SchalttageUhren< waren die Aufgänge der (übli cherweise als >Dekane< bezeichneten) Sterne* in 12 >Stunden< Intervallen pro Nacht und in den Zehntagewochen das Jahr hindurch.« Der Hauptstern bzw. Haupt-»Dekan« war Sirius. Die vier De kane, die ihm auf den Dekanlisten unmittelbar vorangehen, bilden das Sternbild Orion. Der letzte Orion-Stern erhebt sich eine »Stunde« vor Sirius am Horizont. Diesem Umstand ver dankt Orion die Bedeutung, die er in der altägyptischen Mytho logie und Religion besaß. Das Denken der Ägypter kreiste der maßen um Sirius, daß der ihm unmittelbar vorangehende De kan zu Sirius' »Vorläufer« wurde. Sirius selbst hieß bei den Ägyptern 8pd oder 8pdt (mit weiblicher »t«-Endung). Bisweilen umschreibt man dies auch Sep{, und so spricht man es auch aus. Orion hatte bei den Ägyptern den Namen S ', /J, auch Sab oder Sah umschrieben und Sech (mit »eh« wie in »Bach«) aus gesprochen. • »Dekan« von griechisch deka. »Dekane« sind mithin »Zehnersterne«, dies weil je ein »Dekan« einer der 36 Zehntagesperioden zugeordnet war, die zusammen mit den 5 Zusatztagen (Epagomenen) das 365tägige ägyptische Jahr bildeten.
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Nachdem wir somit ein paar Namen und Fakten fixiert ha ben, kommen wir zum nächsten grundsätzlichen Punkt. Wir haben das Wort eines Wissenschaftlers, der uns versichert: Si rius wurde tatsächlich mit der großen, berühmten Göttin Isis gleichgesetzt, der obersten Göttin des ägyptischen Pantheons. Dies ist für unsere Wahrheitssuche von ganz besonders ent scheidendem Wert, denn wir haben mit aller nur erdenklichen Sorgfalt darauf zu achten, daß wir nicht einfach etwas daher reden, das sich nicht belegen läßt. Eine der häufigsten Schwä chen, an der bisherige Bücher über »Besucher aus dem Welt all« gewöhnlich kranken, besteht in den zahlreichen unbewie senen und unbeweisbaren Behauptungen über Völker des Al tertums, die sie enthalten (von ganz offenkundig auf der Hand liegenden Fehlern ganz zu schweigen). Bisweilen stößt man sogar auf Zitate aus Zeitschriftenartikeln, die es nie gab, oder die Autoren berufen sich auf rätselhafte Gewährsmänner - Pro fessoren hinter dem »Eisernen Vorhang«, die sich sofort in nichts auflösen, sobald man der Sache nachgeht (und ihre un veröffentlichten Manuskripte verflüchtigen sich mit ihnen!). Ja manche Buchschreiber behaupten sogar, es gäbe mysteriöse H ierarchien von »Eingeweihten« - teilweise in geheimen Höh len tief unten im Bergesinnern -, und einige dieser »Wissen den« stünden unmittelbar mit »fliegenden Untertassen« in Be rührung, von denen sie Anweisungen erhielten . . . Doch wieder zurück zu den Ägyptern! Der »heliakische« Si riusaufgang hieß bei ihnen prt Spdt. Neugebauer und Parker äußern 5: »Wir treten für die Auffassung ein, daß Spdt ursprüng lich eine Nisbe* von spd war und man damit Isis als >die von spd< bezeichnete. Daß spd und spdt gleichermaßen mit Sirius gleichgesetzt werden, ist eine der wenigen Gewißheiten der ägyptischen Astronomie.« Sicher ist Sothis eine mit spdt identi fizierte Gottheit, die dort (d. h.: auf Sirius) auch ihren Wohn sitz hatte. Sothis verschmilzt aber auch mit der uns sonst als Isis bekannten Gottheit, deren ägyptischer Name allerdings ',st lautete, was man auch Ast umschreibt. Eine Bemerkung, die zu denken gibt, verdanken wir Prof. Wallis Budge6 : • Nisbe (arabisch) = nominale Zugehörigkeitsform, Herkunftsbezeichnung.
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»Der Thron oder Sitz,
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Äs-t Jl 0 , dem weiblichen Gegenstück zu Osiris, und sehr wahrscheinlich lag beiden Namen einst die gleiche Vorstellung zugrunde.« Osiris; der Gemahl der Isis, wurde einst mit dem Sternbild Orion gleichgesetzt. Weiter bemerkt Budge, nachdem er die folgenden hierogly phischen Formen des Namens »Osiris« angeführt hat 7 : »Osiris,
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Äs-Är, oder Aus den Hieroglyphentexten sämtlicher historischen Perio den des dynastischen Ägypten erfahren wir, daß der Gott des Todes par eycellence jener Gott war, den die alten Ägypter mit einem Namen anriefen, den man As-A r oder Us-Ar zu um schreiben versuchen könnte und der im allgemeinen als >Osi ris< geläufig ist. Die älteste und einfachste Form dieses Namens
l.,
ist das heißt, sie besteht aus 2 Zeichen8 , von denen das eine ·einen >ThronAuge< darstellt, doch las sen sich die genaue Bedeutung, die einst jene, die erstmals die beiden Zeichen benutzten, um den Namen des Gottes auszu drücken, dieser Zeichenkombination beilegten, und die Vor stellungen, die die Erfinder dieses Namens damit verbanden, nicht mehr erhellen.« Es wird dann viel Aufhebens davon gemacht, was Äs-Är nicht bedeutet, es ist von Wortspielen die Rede, an denen sich ins besondere altägyptische Priester ergötzten und dergleichen mehr. Zwei Seiten später läßt Budge dann einfließen: »In Wahr heit wußten wohl die alten Ägypter ebensowenig von der ur sprünglichen Bedeutung des Namens As-Ar wie wir selbst, und sie besaßen auch keine besseren Quellen als wir, um sich dar über zu informieren.« Die Bozo, ein mit den Dogon nahe verwandter Stamm in Mali, bezeichnen Sirius B als »Augenstern«, und hier sehen
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wir, daß die alten Ägypter Osiris aus sonst unklaren Gründen durch ein Auge darstellen - und Osiris galt als »Gefährte« des Sterns Sirius. Zufall? Außerdem apostrophieren die Bozo Si rius als »sitzend« - und ein »Sitz« (ein Thron nämlich) ist das Zeichen für Isis. Kurz darauf fügte Budge noch hinzu: » . . . an einigen Stellen erscheint er (nämlich As-Ar oder >OsirisGott< ohne Zusatz irgendeines Namens. Kein anderer Gott der
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Ägypter begegnet uns je wieder in dieser Form der Erwähnung oder Anspielung, und kein anderer Gott nahm je im Denken der Ägypter eine dermaßen bevorzugte Stellung ein oder galt als Besitzer seiner nur ihm allein zukommenden, ganz speziel len Attribute . . . . »Die Hemäka-Tafel beweist, daß es zur Zeit der 1. Dynastie in Abydos ein Zentrum des Osiriskultes gab, aber dies berechtigt uns nicht zu der Annahme, daß man den Gott hier zum erstenmal verehrte, und . . . es ist schwer vor stellbar, daß nicht sogar schon während der 1. Dynastie an meh reren Punkten Ägyptens Kultstätten zu Ehren Osiris' errichtet wurden.« Daraus geht das hohe Alter der Verehrung von Ast und Asar (Isis und Osiris) hervor, die wohl sogar noch auf die prädyna stische Zeit zurückgeht. Wallis Budge äußert9 : »Symbol der himmlischen Isis war der
!,
Stern Sep{ � der große Beliebtheit genoß, denn sein Er scheinen bedeutete nicht nur den Anbruch eines neuen Jahres, sondern er kündete auch das Herannahen der Nilüberschwem mung, die dem Land Erneuerung des Lebens und allen Wohl ergehen verhieß. In der Himmelsgöttin Isis sah man die Ge fährtin des Osiris, dessen Seele im Stern Sah wohnte, r
� l l.\* � , d. h. im Orion . . . «
An anderer Stelle heißt es10: »AST
C6J
ß , oder ßc. , oder ß � �
ISIS. Obwohl As oder Ast, d. h. Isis, eine der am häufigsten in
Hieroglyphentexten erwähnte Göttin ist, ist nichts Sicheres über die Attribute bekannt, die ihr in frühester Zeit beigelegt
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wurden . . . Der Name Ast widersetzt sich - wie Asar - bis zur Stunde allen Deutungsversuchen, und aus den kalauernden Ableitungen, zu denen die Ägypter selbst Zuflucht nahmen, geht klar hervor, daß sie selbst über die Bedeutung dieses Na mens nicht mehr wußten als wir . . . Das Zeichen des Isis namens ist im Ägyptischen ein Sessel oder Thron, , doch wir haben keinerlei Möglichkeit, ihn derart mit den Attributen der Gottheit in Zusammenhang zu bringen, daß sich ein Sinn ergibt, und alle bisher vorgeschlagenen Ableitungen beruhen lediglich auf Vermutungen . . . Eine Untersuchung der Texte sämtlicher Perioden beweist: Isis nahm im Denken der Ägypter stets eine Position ein, die vor der jeder anderen Göttin ganz und gar verschieden war, und obwohl man davon auszugehen hat, daß sich die Vorstellungen, die man sich von ihr machte, von Zeit zu Zeit änderten und im öffentlichen Kult bald der eine, bald der andere Aspekt dieser Gottheit mehr in den Vor dergrund trat, so steht doch absolut fest, daß Isis von Ägyptens ersten Dynastien bis hin zu den letzten Ägyptens größte Gott heit war. Lange bevor die erhaltenen Kopien der Pyramiden texte entstanden, lagen Isis' Attribute eindeutig fest, ja bereits als die Priester von Heliopolis ihr die Position zuwiesen, die sie im Kreis ihrer Götter zwischen 4000 und 3000 v. Chr. ein nahm, war man sich schon über ihre Funktionen gegenüber den Toten klar - es waren die gleichen, die man ihr noch in griechisch-römischer Zeit zuschrieb.« Mir begann sich die Vermutung aufzudrängen, daß Isis' Schwestergottheit Nephthys möglicherweise Sirius B verkör perte, den dunklen Siriusbegleiter, der Sirius A umrundet (denn Isis wurde von den Ägyptern ganz entschieden mit Sirius gleichgesetzt, und kein Ägyptologe würde auch nur im Traum daran denken, das zu leugnen). Doch muß ich gestehen, daß icht nicht darauf gefaßt war, auf folgende Zeilen zu stoßen 11 :
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»Was Anubis angeht, so überliefert Plutarch (44; 61) einige auf schlußreiche Glaubensvorstellungen. Zunächst ist davon die Rede, daß man Anubis von Nephthys geboren glaubte, obwohl andererseits Isis als seine Mutter galt. Dann fährt er fort: >Un ter Anubis versteht man den horizontalen Kreis, der den un71
sichtbaren Teil der Welt - sie bezeichnen ihn als Nephthys vom sichtbaren trennt, dem sie den Namen Isis geben, und da der Kreis sowohl den Bereich des Lichtes wie den des Schat tens berührt, kann er als beiden zugehörig gelten, woraus sich in ihrer Vorstellungswelt eine Ähnlichkeit zwischen Anubis und dem Hund ergibt, denn man beobachtete, auch Hunde wachen ja tagsüber ebenso wie nachts.das sich der Stern nur mit Mühe über den Horizont zu erheben scheintSternbildbeschreibung< Kaswinis, die - ergänzt durch Idelers Zusätze und Anmerkungen, welche aus klassischen und ande ren Quellen schöpfen - das Rückgrat der >Sternnamen< bilden. Aus diesem Werk ist« - so immer noch Allen - »vieles in mein Buch eingeflossen.« Mit Recht bemerkt Ideler, daß es sich bei al-wazn um einen erstaunlichen Sternnamen handelt. Einen Stern im gleichen Sternbild wie Sirius als so »schwer« zu schildern, daß er sich »nur mit Mühe über den Horizont zu erheben scheint« - dies sieht verdächtig· nach einem Versuch aus, einen Stern aus »schwerer Materie« wie Sirius B zu beschreiben. Könnte diese Erwähnung eines »schweren« Sternes in der Tat eine Anspielung auf Sirius B sein? Eine Anspielung, ge macht von Leuten, die eine leicht entstellte, verzerrte Version der Überlieferung übernommen hatten, Sirius B, der ohne Hilfs mittel Unsichtbare, bestehe aus superdichter Materie (was dann dazu- führte, einen der von der Erde aus sichtbaren Sterne in Siriusnähe · an seine Stelle zu setzen und eine Beschreibung auf ihn zu übertragen, die in Wahrheit dem wirklichen, »ech ten«, unsichtbaren Siriusbegleiter zukommt)? Zwar sprechen die Araber nicht von »480 Eselslasten«, um sein Gewicht in der bizarren Weise der Dogon auszudrücken, aber im Prinzip äußern sie doch den gleichen Gedanken. Es ist eine anerkannte Tat sache, daß die astronomischen Überlieferungen der »alten« Araber an altägyptische Überlieferungen anknüpfen, die sich teilweise in verzerrter Form in der arabischen Tradition wieder finden. Wir haben also nur noch nach der Vorstellung eines überschweren Sternes in ägyptischen Traditionen zu suchen. Schon von Anfang an konnte ich mich des Verdachtes nicht er wehren, daß die Geheimlehren der Dogon letztlich ägyptischen Ursprungs seien, ebenso wie die Ägypter letztlich die geistigen V äter der arabischen Sternkunde waren. Allerdings dürfte es nicht leicht sein, gerade hier den Vorhang wegzureißen, der uns den Blick verwehrt, denn es muß sich um eine außerordentlich
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geheimgehaltene, nur ganz wenigen mitgeteilte Lehre gehandelt haben, die bei den Ägyptern ebenso als Geheimnis galt wie später bei den Dogon. Noch einmal begegnet uns der Name al-wazn in mehr oder weniger lockerem Zusammenhang mit dem Stern Canopus im Sternbild der A rgo 1 7. Allen beschreibt die A rgo und zitiert dabei den hellenistischen Dichter Aratos von Soloi (1. Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr.): »Mit dem Heck voran wird A rgo vom Schwanz des Großen Hundes gezogen . . . « A rgo ist ein schon zum südlichen Himmel gehörendes Stern bild, das sowohl Jasons Schiff mit seinen 50 Argonauten als auch die biblische Arche Noah darstellt. Wie es bei Allen heißt, trug Jasons Schiff Argo »Danaos mit seinen 50 Töchtern von Ägypten nach Rhodos«. Allen fügt hinzu: »Nach ägyptischer Ü berlieferung war es die Arche, die Isis und Osiris über die Wasser der großen Flut trug, während die Hindus der Ansicht waren, sie vollbringe das gleiche für ihre entsprechenden Götter lsi und lswara.« Allens veraltete Schreibung »Iswara« bezieht sich auf das Wort /shvära (Jschwära). Erwägt man alle erdenklichen Bedeu tungen des Sanskritwortes ishu (ischu), dessen Grundbedeutung »Pfeil« ist, so ergeben sich einige interessante Tatsachen. Man erinnere sich etwa an die Verbindung zwischen Bogen und Pfeil sowie Isis und Sirius sowohl bei den Ägyptern als auch bei den Chinesen; weitere Beispiele und aufschlußreiche Abbildungen geben Giorgio de Santillana und Hertha von Dechend in ihrem Buch Ham/et's Mill. Allerdings erfahren wir aus Monier William's maßgeblichem Sanskritwörterbuch: ishu bedeutet nicht nur »Pfeil«, sondern außerdem auch »Lichtstrahl«, und ishväsa (ischwäsa) heißt ebenso »Bogen« wie »Bogenschütze«. Man erinnere sich an die drei Göttinnen und beachte: Jshustri kanda (eigentlich: »dreifacher Pfeil«) ist der Name eines Stern bildes! Nach Monier-Williams handelt es sich »vielleicht« um den »Gürtel des Orion« ( der durch drei auffällige Sterne cha rakterisiert ist). Der interessierte Leser sei allerdings abermals aufGiorgio de Santillanas und Hertha von Dechends Hamlet's Mill verwiesen, wo ausführlich von Sirius, dem »Bogenstern«, die Rede ist. 76
Um aber wieder zum Himmelsschiff A rgo bzw. zur Arche zurückzukehren: Schon früher sind wir der Vorstellung begeg net, daß es himmlische Boote gibt, auf denen die Götter durch Himmelsgewässer segeln oder gerudert werden. So saßen die drei Sirius-Gottheiten Sothis, Anukis und Satis alle im selben Boot. Es ist daher recht aufschlußreich, daß auch die Argo als Himmelsschiff mit Isis und Osiris zu tun hatte, denn ganz beson ders verblüffend ist es, daß in der griechischen Überlieferung im Zusammenhang mit der Argo die Zahl 50 eine Rolle spielt. Wie ich vermute, handelt es sich dabei um ein letztes Über bleibsel davon, daß man einst von einer fünfzigjährigen Umlauf zeit des Sirius B um Sirius A gehört hatte. Diese Vermutung ist keineswegs so weit hergeholt, wie es im ersten Augenblick viel leicht den Anschein hat. Wir dürfen nicht außer acht lassen, daß in der Vorstellungswelt der »alten« Ägypter es durchaus möglich war, den Weg eines Sternes (wie etwa Sirius B) um einen anderen (wie Sirius A) etwa durch das Bild einer Barke zum Ausdruck zu bringen. Und wenn das von den Griechen mit der ArgoJasons gleichgesetzte Himmelsschiff gleichzeitig auch die Barke von Isis und Osiris war - wie hätte man dann den Fünfzigjahreskreis besser zum Ausdruck bringen können als durch 50 Ruderer? Und genauso viele hatte die Argo! In der Tat gab es nach grie chischer Überlieferung 50 Argonauten. Um mein Argument abzusichern, werde ich Allens präzise Beschreibung zitieren 1 8 : »Der Mythos legte Wert darauf, daß es (das Schifi) von Glaukos oder Argos für Jason erbaut war, den Anführer der 50 Argonauten, deren Zahl der der Schiffsruder entsprach.« Mit anderen Worten: Es kam gar nicht so sehr auf die Männer, sondern vor allem auf die Zahl der Ruder an, die rings um das Schiff verteilt waren. Ein Schiff (eine Sternumkreisung) mit 50 Ruderern (50 Zeitmarken oder Jahreswenden)! Und wie um uns auch noch mit allem Nachdruck auf die Zahl 50 hinzuweisen, berichtet man uns darüber hinaus, daß auch die 50 Töchter des Danaos auf der A rgo aus Ägypten nach Rhodos gebracht wur den. (Leser, die gern wissen möchten, welch weitere Beziehun gen es zwischen der A rgo und Alt-Ägypten gab,müssensichnoch ein wenig in Geduld üben. Wir kommen darauf noch zurück!)
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W ir sehen jetzt: Bei der A rgo geht unsere Rechnung ganz und gar auf. Im übrigen führt uns nicht nur die Argo-Erzählung noch weiter, sondern auch die Erwähnung der Zahl 50. Doch bevor wir uns den Konsequenzen daraus zuwenden, gilt es zu verdeutlichen, was es heißt, »Ruderer« in einer himm lischen Barke zu sein. Wir tun dies anhand des altägyptischen Sargtextes »Das Paradiesfeld« 19• Sehr wahrscheinlich hat sich aus Vorstellungen, wie wir sie dort antreffen, das Bild eines Ruderers mit seinem Ruder entwickelt, wurde dem Argo Mythos einverleibt und erhielt symbolischen Charakter, inso fern »Re (die Sonne) in einem Schiff gerudert wird. Ich halte die Taue im Boot des Gottes. Ich bin der unermüdliche Ruderer in der Barke des Re!« Wer hier in der ersten Person spricht, ist kein anderer als der dahingeschiedene Pharao höchstpersönlich. Wir haben hier einen Beleg für die einst in Ägypten weitverbreitete Vorstellung, daß ein Pharao, wenn er gestorben war, im Jenseits (bzw. im Himmel) Ruderer wurde. Mithin dürfte es auf der Hand liegen, wie es zu der Vorstellung von 50 Ruderern an 50 Rudern kam und woher diese ihren Symbolgehalt bezog: Sie geht allem An schein nach auf dieses altägyptische Motiv zurück. Wir haben uns nun der sumerischen Hochkultur zuzuwen den, aus der später die babylonische hervorging. Früh genug werden wir wieder in Ägypten sein - dann aber mit mehr Mate rial über die A rgo. Zuvor freilich müssen wir gen Osten. Grob gesprochen, war Sumer/Akkad ebenso alt wie Altägypten, und wir wissen, daß die alten Hochkulturen des Zweistromlandes und des Niltals in Verbindung standen. In einem der bedeuten deren Quellenwerke, die uns zur Verfügung stehen20, lesen wir über das sumerische Wort Magan: »In der Regel setzt man das Land Magan entweder mit Arabien oder Ägypten gleich.« Doch welche Berührung zwischen beiden Hochkulturen auch bestand - zunächst gilt es, einige Blicke auf die sumerische Religion und Mythologie zu werfen. Dabei stützen wir uns vor allem auf das ausgezeichnete Werk Samuel Noah Kramers von der Universität von Pennsylvania. Der sumerische Himmelsgott hieß Anu (im Sanskrit bedeutet anupa »wasserreiches Land«). Ich erschrak nicht schlecht, als
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ich in dem Werk The Baby lonian Genesis von Alexander Heidel auf folgende Äußerung stieß : ». . . genau wie die entweichenden Geister Enlils und Anus als Wildesel bzw. Schakal abgebildet wurden« 2 1. Es ist also ein Schakal, der Anu versinnbildlicht. Natürlich - ist der Schakal doch (abwechselnd mit dem Hund) auch Symbol des ägyptischen A npu (Anubis)! Ich werde später erklären, warum ich - auch von dieser offen kundigen Parallele ganz abgesehen - daran glaube, daß A nu mit der Siriusfrage zu tun hat. Im Augenblick allerdings geht es mir um weitere Parallelen, die ich für verblüffend halte. So ist A nu König einiger als Anunnaki bezeichneter Gottheiten minderen Ranges. Wir werden bald sehen, inwiefern diese mit der Sirius frage zu tun haben. Doch zunächst beachte man: Die beiden Silben anu kommen sowohl im Sumerischen - und zwar im Namen A nu selbst sowie in der Bezeichnung A nunnaki - als auch im Ägyptischen vor: in A npu (Anubis) und A nukis. In all diesen Fällen aber geht es um Sirius. Sogar der Schakal bzw. der Hund ist in beiden Ländern Anu-Symbol. Doch es gibt noch weitere Parallelen. Wir kommen bei passender Gelegenheit auf sie zurück. Im Sumerischen bedeutet die Silbe an so viel wie »Himmel«, »oben«. A nu ist hier der Himmelsgott. Wallis Budge zufolge 22 wird oft der ägyptische Gott Nu mit der Göttin Nut gleichgesetzt, die den Himmel verkörperte. Be zeichnenderweise erklärt er ausdrücklich 23 : »Es ist daher überraschend, so viele Ähnlichkeiten zwischen den Ur-Göttern Sumers und Ägyptens zu finden, zumal diese Übereinstimmungen nicht das Ergebnis von Entlehnungen sein können. Es ist ganz ausgeschlossen, daß Assurbanipals Redakteure ihr System in Ägypten entlehnten oder daß die Literaten der Zeit Sethos' 1. bei babylonischen bzw. assyrischen >Intellektuellen< geistige Anleihen machten! Dies zwingt uns zu der Schlußfolgerung, daß sowohl die Sumerer als auch die Bewohner des frühen Ägypten ihre Ur-Götter aus einer gemein samen, doch ganz außergewöhnlich alten Quelle bezogen. Die Übereinstimmungen zwischen beiden Götterwelten sind zu eng, um auf bloßem Zufall beruhen zu können . . . Es ist sicher, daß die Schar der Ur-Götter . . . ganz anders war als die . . . die sich in
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Babylonien und Assyrien herausbildete, als sich semitische Be völkerungen in den betreffenden Ländern niederließen.« Freilich - zu all diesen Schlußfolgerungen war ich schon selbst gelangt, bevor ich diese Äußerung von Wallis Budge las. Doch kehren wir zu Anu zurück! Unter dem Namen An be gegnet uns bisweilen auch Osiris 24• In einem Osiris-Hymnus finden wir ihn als »Gott An der Millionen Jahre« angerufen 25, desgleichen als »An in An-tes, Großer Einer, Heru-chuti, der du mit großen Schritten über den Himmel schreitest«. Also steht die Bezeichnung An in besonderer Beziehung zum Himmel, während die langen Schritte auf Bewegungen des Himmels und am Himmel deuten. Wenn wir uns über An und Anu den Kopf zerbrechen, kommen wir nicht daran vorbei, uns noch einmal mit Anubis zu beschäftigen. Allerdings tun wir dies nicht ohne einen Seitenblick auf das Altindische (Sanskrit). Man erinnere sich: In Plutarchs Darstellung schien es, als ob Anubis sich ganz speziell auf die Umlaufbahn von Sirius B bezöge. Im Sanskrit bedeutet das Wort ar.u!a »Ellipse«, die Vokabel af.lU dagegen »winzig«, »atomar«, »das ganz Kleine«, »eine winzige Materie partikel«, während a(liman »Winzigkeit«, »atomare Beschaffen heit«, »kleinste Partikel« sowie »die übermenschliche Kraft« bezeichnet, »so klein wie ein Atom zu werden«. Das erste dieser Wörter könnte eine Umlaufbahn beschreiben. Seit Kepler wis sen wir, daß sich die Planeten unseres Sonnensystems eher in elliptischen als in kreisförmigen Bahnen bewegen, und auch Sirius B läuft auf einer elliptischen Bahn um Sirius A. Was die nächsten beiden Wortbildungen (af.lu und af.liman) angeht, so scheinen sie Bedeutungsinhalte zum Ausdruck zu bringen, die schon verdächtig nahe an eine Beschreibung jenes Materie zustandes herankommen, der für die Sirius-B-Masse charakte ristisch ist. Wir werden später noch sehen, daß zwischen ge wissen Sanskritausdrücken, die im Hinblick auf die Siriusfrage von Bedeutung sind, und entsprechenden Wortbildungen in Ägypten wie im Nahen Osten noch weitere, ähnliche Beziehun gen bestehen. Doch wir wollen diese philologischen Untersu chungen auf später verschieben, wenn noch klarer geworden ist, wie wichtig sie sind. Doch zurück zu Anubis! Von ihm sagt Wallis Budge 26: »Seine 80
Verehrung ist sehr alt, und zweifellos war sein Kult schon sehr früh überall in Ägypten verbreitet; wahrscheinlich ist er sogar älter als der Osiriskult.« Außerdem hebt Wallis Budge hier wie andernorts hervor, daß das Antlitz eines Verstorbenen nach ägyptischem Glauben mit Anubis eins wurde, und es war gerade das Anubishaupt, das die Züge eines Schakals oder eines Hun des symbolisierte. Ich habe bereits betont: Man faßte Anubis als Kreis auf, der die dunkle Nephthys von der lichten Isis bzw. dem Sirius schied. Mit anderen Worten : In Anubis erblicke ich eine Verkörperung der Umlaufbahn des Sirius B um Sirius A. Außerdem begegnet uns Anubis als Verkörperung der Zeit2 7 und attestiert somit eine besonders intelligente Art, eine Stern Umlaufbahn als zeitlichen Ablauf zu betrachten. »Zeit, die alles verschlingt« - ein uns allen wohlvertrauter Gedanke -, auch den »alten« Ägyptern war er nicht unbekannt. Es sollte uns daher nicht überraschen, auch Anubis als »gefräßig« hingestellt zu sehen. Genauer: Er verschlingt den Apisstier. Nach einer weit verbreiteten Legende war der tote Osiris in den Apisstier einge näht - doch grundsätzlicher noch: der »Apisstier« (in ptole mäischer Zeit als Serapis verehrt) war für die Ägypter Äsar Hapi - es war kein anderer als Osiris selbst! In The Gods of the Egyptians von Wallis Budge lesen wir: »Apis wird >das Leben Osiris', des Himmelsherrschersgute DaimonUnterweltgeheimnisvollen DunkelOsiris ist ein dunkler Gott«Dunkles Geheimnis< oder >Schwarzen Ritus< bezeichnete. Es war ein Ritus, jenen vorbehalten, die sich in langer Probe zeit als Eingeweihte niedrigerer Stufen bewährt hatten und nun seiner für würdig befunden worden waren - ein, wie es scheint, viel heiligeres Mysterium als jene Mysterien, die man im Licht beging.« Mead fügt hinzu: »Mithin würde ich vermuten, wir haben hier eine Erwähnung des esoterischsten Brauchtums der Isis Tradition vor uns.«
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Beim Versuch, den geheimnisvollen »Schwarzen Ritus« des höchsten Einweihungsgrades altägyptischer Isis-Mysterien zu erklären, zitiert Mead den angeführten magischen Papyrus. Den »Schwarzen Ritus« erklärt er als zu Osiris gehörig, der ein »dunk ler Gott« sei, Herrscher »in völliger Dunkelheit«, in der »Welt des Niegesehenen, dem >geheimnisvollen Dunkel«einer der größten ägyptischen Weisen< 41 zu sein; der Ruf seiner Weis heit beeindruckte seine Landsleute dermaßen, daß er viele Jahr hunderte hindurch in der Volksüberlieferung weiterlebte. Was seine literarische Tätigkeit angeht, so schrieb man ihm Werke über Medizin und Architektur, aber auch über allge meinere Themen zu, und einige seiner Schriften waren noch im Umlauf, als das Zeitalter des Christentums anbrach . . . Seine Bedeutung als Literat ließ ihn zum >Patron der Schreiber< wer den.« Mit anderen Worten: Er war der erste große Philosoph. Ganz sicher hielt er, solange er lebte, Reden und Vorträge, wie die Inschrift besagte. Vielleicht war er in seiner Art so etwas wie ein Urtyp und Vorläufer der sehr viel späteren Weisen Griechenlands. Und wir haben von ihm auch noch etwas zu erwarten: Sein Grab ist bisher unentdeckt geblieben! Man nimmt an, daß es in Saqqära zu suchen ist, und mehr als ein mal glaubte der verstorbene Professor Emery bei seinen dorti gen Ausgrabungen, er sei der Entdeckung dieses Grabes sehr nahe. Heute wird Emerys Arbeit durch Professor Smith fort gesetzt - einem Gelehrten von genügend exotischer Ausstrah lung, um ihm eine Entdeckung zuzutrauen, die vielleicht ein mal als die bedeutendste archäologische Großtat in die Ge schichte eingehen und neben der womöglich das kleinere ünd viel jüngere Grab des jugendlichen Pharao Tutanchamons verblassen wird. Das Aufsehenerregendste an der zu erwarten den Entdeckung der letzten Ruhestätte Imhoteps dürfte viel leicht sein, daß dieses Grab voll von Büchern ist - oder sollte man einen Mann wie Imhotep ohne Bücher begraben haben? In der Erwartung, daß diese Bücher eines Tages ans Licht kommen (und ich bin sicher, daß sie irgendwo unter der Erde wie eine Zeitbombe des Ausgräbers harren), ist es faszinierend, die folgende Passage aus Der A ugenstern des Kosmos zu lesen, die sich bald an die oben zitierte Stelle anschließt: »Die heiligen Symbole der Elemente des Kosmos wurden kaum von Osiris' Geheimnissen verborgen. Bevor er zum Himmel zurückkehrte, verhängt Hermes einen Bannspruch über sie und 96
sprach also: . . . >0 heilige Bücher, geschaffen von meinen un sterblichen Händen, durch der Unversehrtheit heilige Zauber . . . (hier klafft eine Lücke, denn der Text ist hoffnungslos zer stört) . . . frei von Zerfall, bleibt ewig und unzerstört von der Zeit! Unsichtbar werdet, unauffindbar für jeden, dessen Fuß die Weiten dieses Lands betritt, bis der alte Himmel . geeignete Werkzeuge für euch hervorgebracht hat, die der Schöpfer See len nennt.< So sprach er, und legte Zauberbann über sie, kraft seiner eige nen Werke barg er sie sicher in ihrem Eigenen, und seit man sie verbarg, verging genug schon Zeit.« Als höchstes Ziel des unwissenden Menschen, der die Wahrheit sucht, gibt der Traktat an: »(Die Menschen) werden ausfor schen . . . das innere Wesen der heiligen Räume, die kein Fuß zu betreten vermag, und sie werden in die Höhe hinaufjagen, vom Verlangen getrieben, die Natur der Himmelsbewegungen zu erforschen.« »Doch das«, so heißt es weiter, »ist noch bescheiden. Denn es bleibt nichts mehr als der Erde fernste Bereiche, ja in ihrem Wagemut werden sie sogar die Nacht aufspüren.« Wir »werden in die Höhe« des Raumes »hinaufjagen«, um die »Himmelsbewegungen zu erforschen«, so sagt dieser alte, unbe stimmbar alte Traktat Wie recht er hat! Wir sind inzwischen auf dem Mond gelandet - heißt das nicht geradezu wie wild »in die Höhe hinaufjagen«? Und wir beobachten wirklich »die Natur der Himmelsbewegungen«. Aber der Traktat hat auch recht, wenn er sagt, das sei »noch bescheiden«, denn bekanntlich wissen alle am Raumfahrtprogramm Beteiligten, daß wir erst ganz am Anfang stehen. Der Mensch wird erst wieder wirklich Ruhe geben, wenn er das ganze Sonnensystem zu seinem Wirkungs gebiet gemacht hat. Dann erst stehen wir an den Grenzen unserer kosmischen Heimat und vor der Raumbarriere, die uns von anderen Sternenwelten trennt. Was dann? W irklich - was wir bisher zuwege gebracht haben, verdient in der Tat die Bezeich nung »bescheiden«! Vasco da Gama mag sich seinerzeit zu sei nen navigatorischen Leistungen beglückwünscht haben, doch
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gerade sein Beispiel zeigt klar: Ein Anfang ist erst ein Anfang. Er ist und bleibt »bescheiden«. Dem Traktat zufolge werden wir in unserem Wagemut sogar das größte Geheimnis entschleiern . . . wir werden die »Nacht« enträtseln, und die Bedeutung des »Schwarzen Ritus« wird uns klar werden. Und da es bei diesem Ritus und seinem Mysterium um Isis und den Stern Sirius geht und auch diese Prophezeiung einen Zusammenhang mit dem Himmel herstellt - kann man uns dann der Sensationsmache bezichtigen, wenn wir die Ver mutung aussprechen, nichts werde die Menschheit mehr er schüttern als der erste sichere Beweis, daß es anderswo im Weltraum tatsächlich intelligentes Leben gibt? Und was, wenn der dunkle Siriusbegleiter wirklich die Antwort auf die Frage nach intelligenten Wesen im Kosmos enthält? Was, wenn das uns nächste Zentrum einer kosmischen Hochkultur wirklich im Siriussystem liegt und von Zeit zu Zeit ein wachsames Auge auf uns wirft? Was, wenn dies bewiesen wird, indem wir mit Radioteleskopen tatsächlich ein Echo lokalen Funkverkehrs aufspüren, das über die neun Lichtjahre hinweg, die uns vom Sirius trennen, durch den Raum hindurch, das diffuse »Raum rauschen« in unseren Empfängern übertönend, an unsere An tennen dringt? Was, wenn wir auf diese Weise erfahren, daß jede entwicklungsmäßig uns auch nur entfernt nahekommende Kultur dazu verurteilt wäre, weiterhin in den Grenzen ihrer un mittelbaren Umgebung im Raum auf der Stelle zu treten? Es wäre, als ob der Himmel einstürzte. ZUSAMMENFASSUNG
Für die »alten« Ägypter war Sirius der wichtigste Stern am Him mel. Der altägyptische Kalender beruhte auf dem heliakischen Sirius-Frühaufgang. Fest steht, daß die »alten« Ägypter Sirius bisweilen mit ihrer Hauptgöttin Isis gleichsetzten. Isis' Gefährte war Osiris, seinerseits einer der wichtigsten Götter Ägyptens. »Gefährte« des Sternbildes »Großer Hund«, zu dem Sirius gehört, ist das Sternbild Orion. Da man Isis mit Sirius gleichsetzte, brachte man auch ihren »Gefährten« mit
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dem »Begleiter« des den Sirius enthaltenden Sternbildes in Zusammenhang und setzte folglich Osiris gelegentlich mit dem Sternbild Orion gleich. Wie wir wissen, ist in Wirklichkeit Sirius B der echte Sirius begleiter. Man könnte sich vorstellen, daß der »Siriusbegleiter« Osiris-Orion nur eine Art nachträglicher Ersatz für den unsicht baren echten Siriusbegleiter (Sirius B) war. »Die älteste und einfachste Form« des Namens Osiris ist in der Hieroglyphenschrift eine Kombination aus den Zeichen für »Thron« und »Auge«. Das Auge steht folglich mit Osiris in einem grundsätzlichen Zusammenhang. Die mit den Dogon verwandten Bozo in Mali aber bezeichnen Sirius B als »Augen stern«. Osiris wird also einerseits durch ein Auge wiedergege ben, andererseits aber manchmal als »Siriusbegleiter« betrach tet Daraus ergibt sich: Auch er hat mit den Vorstellungen » Auge« und »Stern« (woraus » A ugenstem«) zu tun, ja war viel leicht mit dem »Augenstern« der Bozo sogar identisch, voraus gesetzt, die Existenz von Sirius B war auch den Altägyptern tatsächlich bekannt und die Vorstellungen von einem »Sirius begleiter« bezogen sich auf ihn. Was die ägyptischen Hieroglyphen für »Isis« und »Osiris« bedeuteten, war den Altägyptern selbst schon zur Zeit der ersten Dynastien nicht mehr geläufig. Beide Namen und die entspre chenden Zeichen scheinen so prädynastischen Ursprungs zu sein. Somit waren sie wohl älter als rund 3200 v. Chr., d. h. : sie sind heute mehr als 5000 Jahre alt. Seit mindestens 2800 v. Chr. gab es keine lebendige Tradition, die die beiden Götternamen zu erklären versuchte. Seit dem Beginn geschichtlicher Zeit wird Sirius als »Hundsstern« bezeichnet. Der altägyptische Gott Anubis war ein »Hundegott«, d. h. : Man stellte ihn mit mensch lichem Körper und Hundekopf dar. Bei der Erörterung altägyptischer Glaubensvorstellungen er klärt Plutarch, Anubis sei in Wahrheit Sohn der Nephthys, der Schwester der Isis, obwohl er im allgemeinen als Isis' Sohn gilt. Nephthys war »unsichtbar«, Isis dagegen »sichtbar« (mit anderen Worten: Die sichtbare Mutter stand stellvertretend für die unsichtbare, aber echte - dies aus dem einfachen Grunde: Mari konnte die unsichtbare nicht wahrnehmen). 99
Nach Plutarch war Anubis ein »horizontaler Kreis«, der »den unsichtbaren Teil der Welt - sie bezeichnen ihn als Nephthys vom sichtbaren trennt, dem sie den Namen Isis geben, und da der Kreis sowohl den Bereich des Lichtes wie den des Schattens berührt, kann er als beiden zugehörig gelten«. Dies ist eine so klare und deutliche antike Beschreibung einer Umlaufbahn (= Anubis) eines dunklen, unsichtbaren Sternes (= Nephthys) rings um seinen hellen, sichtbaren Schwesterstern (= Isis), wie man sie sich nur wünschen kann - und wir wissen: Isis wurde mit Sirius gleichgesetzt! Was hier noch fehlt, sind folgende Elemente, die in dieser Diskussionsphase noch Sache bloßer Mutmaßung bleiben: (a) Der »Kreis« ist in Wirklichkeit eine [elliptische] Stern-Umlauf bahn. (b) Bei den erwähnten Göttern handelt es sich in Wirklich keit um Sterne. Anubis und Osiris wurden tatsächlich bisweilen miteinander gleichgesetzt. Osiris, der Isis-Gefährte und bisweilen »Sirius Begleiter«, wird mitunter auch mit der Umlaufbahn des Sirius Begleiters ineinsgesetzt. Dies ergibt einen Sinn und überschrei tet keineswegs den Rahmen des zu Erwartenden. Als Verkörperung des Sirius erblickte man Isis gewöhnlich auf ägyptischen Wandmalereien in Begleitung von zwei Gefähr tinnen, die mit ihr im selben Himmelsboot fahren. Bekanntlich besitzt Sirius nach Ansicht einiger Astronomen zwei Begleiter: Neben Sirius B vermutet man noch einen Sirius C. Den Arabern war ein Stern im »Großen Hund«, zu dem Sirius zählt, unter dem Namen »Gewicht« bekannt. Er galt als außergewöhnlich schwer, ja als fast zu schwer, um sich über den Horizont zu er heben. »ldeler . . . bezeichnet dies als einen erstaunlichen Stern namen«, so erfahren wir, durchaus nicht zu unserer Überra schung. Der wirkliche Sirius-Begleiter, Sirius B, besteht aus su perdichter Materie, schwerer als jede normale Materie im Uni versum, und daher ist dieser winzige Stern ebenso schwer wie ein Riesenstern. Auch die Dogon bezeichnen bekanntlich Si rius B als »schwer« und sprechen von seinem »Gewicht«. Den Namen »Gewicht« trägt bei den Arabern auch der Stern Canopus im Sternbild Argo. In der antiken Mythologie war die A rgo ein Schiff, das Danaos und dessen 50 Töchter nach Rhodos 100
beförderte. Es hatte 50 als »Argonauten« bezeichnete Ruderer unter dem Befehl Jasons, und 50 Ruder, an denen je ein Argo naut saß. Der »göttliche Ruderer« war im alten Mittelmeerraum ein altes Motiv von religiöser Bedeutung. Eine Umkreisung des Sirius A durch Sirius B dauert 50 Jatu:e. Dies könnte sich in der Zahl 50 spiegeln, die in griechischen My then im Zusammenhang mit der A rgo eine Rolle spielt. Zwischen Altägypten und Altsumer gibt es zahlreiche Ge meinsamkeiten, was die Götternamen angeht. Ägypten war wohl jenes Land, das die Sumerer als Magan bezeichneten und mit dem sie allem Anschein nach in Verbindung standen. Sumers Hauptgott hieß A nu und wurde als Schakal abgebildet. Dies stellt eine Variante des »Hundegott«-Motivs dar, die man auch in Ägypten im Fall Anubis' kannte. Dort wurde Anubis abwechselnd als hunds- oder schakalköpfig dargestellt. Die ägyptische Form des Namens Anubis lautet A npu. Dies hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Namen Anu, und bei beiden Göt tern handelt es sich um »Schakalgötter«. Der namhafte Ägyptologe Wallis Budge war davon überzeugt, daß die Kulturen Sumers und Ägyptens auf eine gemeinsame Quelle zurückzuführen seien, die sehr alt sein müsse. Anu hieß bei den Sumerern an sich An, und auch der ägypti sche Gott Osiris wurde A n genannt. Angesichts der Tatsache, daß Plutarch behauptete, Anubis (altägyptisch: Anpu) verkörpere einen Kreis, gibt es zu denken, daß im Sanskrit das Wort anda »Ellipse« bedeutet. Das könnte allerdings auch Zufall sein. Wallis Budge zufolge verkörpert Anubis auch die Zeit. Die kombinierte Symbolik »Zeit« und »Kreis« im Zusammenhang mit Anubis deutet sehr intensiv auf kreisende Bewegung hin. Der Anubiskult war eine Eingeweihten vorbehaltene, ge heime Mysterienreligion (weshalb wir seinen Inhalt nicht ken nen). Plutarch, der über Anubis schreibt, war in mehrere Myste rienkulte eingeweiht, und es gibt Grund zu der Annahme, daß seine Angaben auf wohlinformierten Quellen beruhen (Plu tarch selbst war ein Grieche der römischen Kaiserzeit). Eine der kursierenden Übersetzungen seiner Äußerungen über Anu bis besagt, Anubis verkörpere eine »gemeinsame Beziehung«
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zwischen Isis und Nephthys. Hier klingen Obertöne an, die daran denken lassen, daß mit dem »Kreis«, den Anubis auch repräsen tiert, eine Stern-Umlaufbahn gemeint sein kann - sie wäre eine »gemeinsame Beziehung« zwischen dem umlaufenden und dem umlaufenen Stern. Die Ägypter benutzten - abermals nach Plutarch - den Na men Horus, um jene Kraft zu bezeichnen, auf die man die Um drehung der Sonne zurückführte. Mithin stellten sich die Ägyp ter derartige spezifische Kräfte vor und gaben ihnen Namen ein wichtiger Punkt! Nach Plutarch bewachte Anubis Isis wie ein Hund und hütete sie. Dies - und dazu die Vorstellungen, Anubis verkörpere die Zeit sowie einen Kreis (eine Umlaufbahn) - deutet noch klarer auf die bildliche Umschreibung einer Sternumkreisung hin. Das Bild eines seine Herde umkreisenden Hütehundes bietet sich dafür geradezu an! Platons Freund Eudoxos von Knidos, der in Ägypten war, behauptete, die Ägypter hätten eine Tradition, wonach Zeus (der Hauptgott der Griechen, dessen Namen Eudoxos benutzte, um einen entsprechend bedeutenden ägyptischen Gott zu be zeichnen, was uns allerdings im Ungewissen läßt, welcher Gott tatsächlich gemeint ist - vermutlich war es Osiris) nicht laufen konnte, weil seine Beine zusammengewachsen waren. Dies läßt an ein amphibisches Wesen denken, das keine Beine zum Laufen, sondern einen Fischschwanz zum Schwimmen besaß, und dies wiederum erinnert an das halbgöttliche Wesen Oannes, dem angeblich die Sumerer ihre Kultur verdankten. Auch die ses wurde als amphibisch geschildert, anstelle von Beinen soll es einen Schwanz besessen haben, und man sagte ihm nach, es habe sich nachts ins Meer zurückgezogen. Plutarch bringt Isis mit der griechischen Göttin (und Zeus tochter) Athene in Verbindung und äußert, daß beide als »aus sich heraus entstanden« und als »Bewegung aus eigenem An trieb« bezeichnet wurden. Athene hatte ein wachsames Auge auf die A rgo und fügte in deren Bug einen das Schiff selbst steuernden Eichenbalken von der heiligen Eiche in Dodona (wo nach der griechischen Entsprechung zur biblischen Sintflutsage Pyrrha und Deukalion mit ihrer »Arche« gelandet waren). So 102
erhielt die A rgo von Athene ganz klar ein Stück »Bewegung aus eigener Kraft«, wie Plutarch sie insbesondere im Zusam menhang mit Isis erwähnt. Die allerältesten Eassungen der Argonautensage, die noch vor Homer entstanden sein müssen, sind leider verloren. Die erhaltenen Fassungen lesen sich zwar sehr angenehm, sind aber verhältnismäßig jungen Datums. Die Sumerer hatten »50 Heroen«, »50 große Götter« und der gleichen mehr, ebenso wie später die Griechen bei ihrer A rgo 50 Helden hatten, und außerdem befördert die A rgo 50 Töchter des Danaos. Einern ägyptischen Papyrus zufolge ist Isis' Gefährte Herr scher »in völliger Dunkelheit«. Diese Äußerung über nacht schwarze Finsternis läßt an den unsichtbaren Sirius B denken. Isis' Gefährte Osiris »ist ein dunkler Gott«. Der »trismegistische« Traktat Der A ugenstern des Kosmos aus Ägypten erwähnt den mit dem »schwarzen« Gott Osiris ver bundenen »Schwarzen Ritus« als höchsten Grad der Einwei hung in die Mysterien der altägyptischen Religion - in das aller letzte Geheimnis der lsismysterien. Diesem Traktat zufolge kam Hermes zur Erde, um den Men schen Hochkultur zu bringen, stieg aber dann wieder zu den Sternen auf und kehrte nach Hause zurück, wobei er die ägyp tische Mysterienreligion mit ihren Himmelsrätseln hinterließ, die darauf warteten, eines Tages entschlüsselt zu werden. Es gibt Hinweise, wonach es beim »Schwarzen Ritus« um astro nomische Dinge ging. Also betraf der fragliche Kult sowohl Astronomisches als auch den »schwarzen« Osiris und Isis, was durchaus heißen könnte: daß er die Existenz von Sirius B betraf. Eine Prophezeiung in Der A ugenstern des Kosmos besagt: Erst wenn sich die Menschen mit den Himmelskörpern be faßten und nach ihnen »in die Höhe hinaufjagten«, könne man den Inhalt des »Schwarzen Ritus« zu begreifen hoffen. Das astronomische Wissen des beginnenden Raumfahrtzeitalters setzt uns heute in die Lage, den wahren Kern des »Schwarzen Ritus« zu erfassen, sofern es sich dabei um das handelt, was wir annehmen. Zuvor in der Geschichte unseres Planeten war dies unmöglich. Man mache sich dies klar: Ohne unsere heutige
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Kenntnis von weißen Zwergsternen, die nur mit modernsten Spiegelteleskopen sichtbar gemacht werden können, ohne un sere Kenntnis superdichter Materie, die uns die Atomphysik vermittelt, und ohne unser gesamtes heutiges Wissen, samt der dazugehörigen Technologie, gäbe es gar keine Siriusfrage. Die von uns versuchte Deutung des »Schwarzen Ritus« könnte über haupt nicht ins Auge gefaßt werden, wir wären gar nicht zu be greifen imstande, worum es bei der Siriusfrage überhaupt geht. Erst während der späten fünfziger Jahre und während der sech ziger Jahre unseres Jahrhunderts gelangte ein großer Teil des Materials über die Sumerer und Babylonier überhaupt an die Öffentlichkeit, und von Pulsaren erfuhren wir sogar noch später. So ist und bleibt es fraglich, ob das vorliegende Buch zu einem auch nur ein wenig früheren Zeitpunkt überhaupt hätte geschrie ben werden können. Erst 1967 ging der Verfasser ernsthaft an die Arbeit, und 1974 lag das fertige Manuskript vor. Dennoch kann er sich des Gefühls nicht erwehren, daß manche wichtige Information noch immer fehlt. Noch immer sind antike Stätten unausgegraben, noch immer Texte aus allen möglichen antiken Sprachen unübersetzt , ganz zu schweigen von astronomischeri Untersuchungen, die in Permanenz unvollendet sind. Überdies fand der Autor es eminent schwierig, Material aus so verschie denen Wissensgebieten in den Griff zu bekommen, und er wünscht, er wäre für diese Aufgabe besser geeignet. Doch wie dem auch sei - zu einem früheren Zeitpunkt jedenfalls konnte, wenn man realistisch sein will, die Siriusfrage nicht gestellt wer den, und es bedarf weiterer, künftiger Entdeckungen in vielerlei Bereichen, um sie voll erfassen und beantworten zu können.
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Die »Heiligen Fünfzig«
Es gilt, zu dem Traktat Der A ugenstern des Kosm os zurück zukehren. Mit aller Klarheit sagt dieser Traktat: Isis und Osiris seien gesandt worden, um der Welt dadurch zu helfen, daß sie der primitiven Menschheit die Künste und Techniken der Hochkultur beibrachten. Und zwar heißt es: »Horus aber sprach darauf: >Mutter, wie geschah es denn, daß die Erde Gottes Ausstrahlung empfing?< Und Isis erwiderte: >Ich möchte die Geschichte d[ein]er Geburt nicht erzählen, denn es ist nicht zu beschreiben erlaubt, [mein] mächtiger und gewaltiger [Sohn] Horus, wie du ins Dasein getreten bist, weil die Menschen nicht daraus erfahren sollen, wie unsterbliche Götter geboren werden - hier nur so viel, daß Gott der Herr, der Allordner und -bildner, für eine kleine Weile deinen mächtigen Ahnherrn Osiris und die mächtigste Göttin Isis aussandte, damit sie der Welt zu Hilfe eilten, denn alles brauchte sie. Sie waren es, die Leben mit Leben erfüllten. Sie machten der Grausamkeit gegenseitigen Hinschlachtens ein Ende. Sie waren es, die Bezirke für ihre göttlichen Ahnen mit heiligem Schauer umgaben und Stätten für fromme Riten weihten. Ihnen verdan ken die Menschen Gesetz, Nahrung und Obdach«< - und in dieser Art geht es weiter. Außerdem wird geschildert, wie die erwähnten beiden Götter die Menschen lehrten, in typisch ägyptischer Art und Weise für die Toten zu sorgen, und man fragt sich, wie es denn vorstell bar ist, daß ein Grieche so etwas schrieb - es sei denn zur Ptole mäerzeit: »Sie waren es auch, die die Menschen lehrten, jene, die nicht mehr lebten, in Tücher zu hüllen, wie der Brauch es will.« Nun - jeder weiß: Das ist ägyptischer Brauch, nicht grie chischer. Welcher Neuplatoniker hätte so etwas in seine Schrif ten aufgenommen, wenn er es nicht aus einer älteren Quelle be zog, deren Verfasser wirklich in Ägypten lebte? Dieser lange Abschnitt des Traktats endet wie folgt: »Sie allein auch wurden, von Hermes in Gottes geheimen Ratschlüssen unterwiesen, Urheber der Künste und Wissen105
schaften. Sie setzten allem menschlichen Streben sein Ziel und wurden Geber aller menschlichen Gesetze. Sie waren es auch, die - von Hermes gelehrt, die Dinge unten seien von Gott so eingerichtet, daß zwischen ihnen und den Dingen oben Einklang bestünde - auf Erden die heiligen Riten stifteten, über denen die Mysterien im Himmel stehen« [daß hier auf unverhüllte Propaganda für die Astrologie verzichtet wird, legt für diesen Traktat einen vorptolemäischen Entste hungszeitpunkt nahe. Nach dem Zustrom griechischer und babylonischer Einflüsse wäre eine dermaßen zurückhaltende Äußerung kaum mehr möglich gewesen, ohne den Autor des Traktats der massierten Wut sämtlicher spätägyptischen Astrolo giefanatiker auszusetzen]. »Sie waren es, die in Kenntnis der Zerstörbarkeit [sterblicher] Gestaltungen die Klasse der Propheten ersannen, untadelig und vollendet in allem, damit kein Prophet, der seine Hände zu den Göttern erhebt, in irgendeiner Hinsicht unwissend sei, daß Magie und Philosophie die Seele nähre und Medizin den Leib erhalte, wenn er litte. Und als wir all das getan hatten, mein Sohn, begriffen Osiris und ich: Die Welt war [nun] ganz erfüllt, und wir wurden darauf hin vonjenen wieder zurückgerufen, die im Himmel wohnen . . . « Und in diesem Traktat behauptet Isis, es sei der »Schwarze Ritus«, der sie ehre und der »Vollendung gewähre«. Desglei chen geht es dabei um etwas so Rätselhaftes wie eine »Nacht«, von der es heißt: »Sie webt ihr Gewebe mit raschem Licht, wenn dieses auch geringer ist als das der Sonne.« Es wird klar herausgestellt: »Nacht« meint hier nicht den Nachthimmel, denn sie bewegt sich im Himmel zusammen mit »den anderen Mysterien nach der Reihe, die sich in vorgeschriebenen Bewe gungen und Zeitabläufen abspielen und mit gewissen verbor genen Einflüssen den Dingen unten Ordnung geben und Wachstum vermitteln«. Wir müssen die Beschreibung dessen sorgfältig prüfen, was in diesem Traktat mit dem Etikett »Nacht« versehen wird. Diese Beschreibung läßt keinen Zweifel: »Nacht« ist hier nicht die wirkliche Nacht, sondern ein Kodewort, denn es heißt von ihr: Sie habe »Licht, wenn dieses auch geringer ist als das der Sonne«.
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Sirius' dunkler Begleiter ist ein Stern, und er hat »Licht, wenn dieses auch geringer ist als das der Sonne«. Außerdem heißt es, die »Nacht« webe »ihr Gewebe mit raschem Licht« - also be findet sich das Objekt, um das es hier geht, in Bewegung. Da Sirius B Sirius A in 50 Jahren umkreist, bewegt er sich rascher als drei Planeten unserer Sonne in unserem eigenen Sonnen system: Pluto, Neptun und Uranus. Von diesen dreien ist Ura nus der schnellste. Sein Lauf um die Sonne dauert 84 Jahre. Somit umläuft hier ein Stern einen anderen rascher als im andern Fall ein Planet den dazugehörigen Fixstern! Dies könnte in der Tat Anlaß zu der Vorstellung gegeben haben, er webe ein Gewe be »mit raschem Licht«! Doch nun wieder zur sumerischen Kultur - genauer: zur su merisch-akkadischen. Sie war, grob gesprochen, zeitgleich mit der Kultur Altägyptens, und ich gab bereits meiner Vermutung Ausdruck, daß ihre religiösen Grundvorstellungen denen der Ägypter so verwandt seien, daß man sich einen gemeinsamen Ursprung beider vorstellen könnte. Dann machte ich die Ent deckung, daß Wallis Budge, der bekannte Ägyptologe, aus seiner Sicht der Dinge genau zur gleichen Auffassung gelangt war. Daß sich irgendwelche Sumerologen mit diesem speziellen Problem befaßt hätten, ist mir nicht bekannt. Weit größere Bedeutung hat man den nachweisbaren Handelsbeziehungen beigemessen, die zwischen Sumer und der Induskultur bestanden, desgleichen dem Problem der Lokalisierung von Dilmun. Kramer hält Dil mun für das Industal. Bibby folgt Peter B. Cornwall und nimmt an, es seien die Bahrein-Inseln im Persischen Golf. Jedenfalls hatte dieses Land, das, so scheint es, vom Sumer aus in der Ägyp ten entgegengesetzten Richtung lag, für die Alt-Mesopotamier immense Bedeutung. Infolgedessen konzentrieren sich auch die Anstrengungen moderner Gelehrter immer stärker auf die Un tersuchung sumerischer geographischer Angaben. Kramer ist der Auffassung, bei dem Land Magan handle es sich möglicher weise um Ägypten, und Sargon habe sogar Heereszüge dorthin unternommen. Die Grundbegriffe der ägyptischen und der sumerisch-akka dischen Astronomie (ich gehe hier von einer gewissen Kontinui tät aus, da aus rein sumerischer Frühzeit kein eindeutig astro107
nomischer Traktat erhalten ist) decken sich vollständig. Was die Vielfalt der Varianten im weniger Grundsätzlichen angeht, so ziehe man Professor Otto Neugebauers Werk The Exact Sciences in A ntiquity zu Rate. Allerdings liegt - wie Neugebauer selbst bekennt - der Schwerpunkt hier auf weit späterem, »jüngerem« Material, während älteres Material weniger gut wegkommt. Neu gebauer wird rasch damit fertig, und mit einigen durchaus wich tigen Dingen weiß er nur wenig anzufangen. Hier eine Probe seiner Einstellung (vom Anfang seines Kapitels V): »Unsere Schilderung der babylonischen Astronomie wird ziemlich un vollständig sein. Die historische Entwicklung kann nur in bloßen Umrissen gegeben werden. Wie im Fall Ägyptens würde eine detaillierte Erörterung der wenigen frühen Texte, die erhalten sind, nicht nur zuviel Platz beanspruchen, sondern auch deren historische Bedeutung ungebührlich übertreiben. Für die Spät zeit dagegen trifft eher das Gegenteil zu.« Nun - wenigstens ist Professor N eugebauer ehrlich genug, um einzugestehen, worauf er Wert legt und worauf nicht! Nachdem wir somit einen Fachmann kennengelernt haben, der freiwillig darauf verzichtet, zu tun, was eigentlich seines Amtes wäre, fahren wir in unserer Untersuchung fort. Unser Belegmaterial beziehen wir aus E. A. Speisers Übersetzung des akkadischen Schöpfungsepos 1 , das nach seinen ersten beiden Textworten (sie bedeuten: »Als droben . . . «) als Enuma elish bekannt ist. Ziemlich am Anfang dieses Textes lesen wir: »Er erbaute Standorte für die großen Götter, indem er ihre Sternenbildnisse als Sternbilder am Himmel be festigte. Er setzte durch Kennzeichnung der Zonen das Jahr fest: Drei Sternbilder erstellte er für jeden der 12 Monate. Nachdem er die Tage des Jahres [mit Hilfe] von [himmlischen] Gestalten festgelegt hatte, begründete er . . . « - und so fort. Mit anderen Worten: Dieser Text gibt ein System wieder, das mit dem der ägyptischen »Sternuhren« identisch ist: Zwölf Mo nate aus je drei Zehntagewochen, denen insgesamt 36 Stern bilder oder »Dekane« zugeordnet waren, die Götter am Himmel
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verkörperten. Im einzelnen heißt das : Es gab zwölf Monate aus je drei Zehnerperioden (wenn man diesen Punkt nicht enorm preßt und aus welchen Gründen auch immer darauf besteht, daß die drei Perioden ungleich lang waren, dann müssen sie einfach zehntägig gewesen sein - es waren also »Zehntagewochen« wie in Ägypten), und zu jeder dieser »Wochen« gehörte ein Stern bild oder eine Himmels-»Zone«. Da dreimal zwölf sechsund dreißig ergibt, so haben wir sechsunddreißig »Dekane«, denen je ein Sternbild zugeordnet ist, und ebenso wie in Ägypten ist jeder »Dekan« (bzw. jedes »Dekan«-Sternbild) die himmlische Verkörperung eines großen Gottes. Es muß überraschen, daß noch keinem Gelehrten aufgefallen ist, wie haargenau und bis ins letzte Detail diese Passage aus dem Enuma elish das ägyptische »Sternuhr«-System beschreibt. Zweifellos werden auch die fünf Epagomenentage, die übrig bleiben, um ein Jahr von 360 Tagen auf 365 Tage aufzufüllen, in der Zeile: »Nachdem er die Tage des Jahres [mit Hilfe] von [himmlischen] Gestalten festgelegt hatte . . . « mit angesprochen, was wiederum der ägyptischen Gepflogenheit entspräche, die fünf übrigbleibenden Epagomenentage je fünf verschiedenen Göttern bzw. Sternbildern zuzuordnen und danach zu bezeich nen. In Ägypten nannte man diese fünf übrigbleibenden »Zu satztage« die »Tage auf das Jahr«. Auch in der Maya-Sternkunde sind diese fünf Tage von außerordentlicher Bedeutung, doch sich auf eine Diskussion der Maya-Astronomie einzulassen, hieße, in ein Hornissennest stechen und wäre für unsere Zwecke ohne Wert. Doch wie dem auch sei - wir sehen: Die astronomischen Systeme in Ägypten und Sumer waren absolut deckungsgleich, was ihre Grundlagen angeht. Nun sind Übereinstimmungen dieser Art zwischen Ägypten und Sumer etwas ganz und gar anderes als bloße Übereinstimmungen von Götternamen und religiösen Vorstellungen. Vermutlich kann man sich darauf verlassen: Menschen ganz unterschiedlicher Rasse, aus den ver schiedensten Völkern von allen Ecken und Enden der Erde stoßen mehr oder weniger die gleichen Laute aus, wenn sie etwa ganz urplötzlich von religiösem Schauer ergriffen werden. Und so manches Mal haben wir gehört: »Jeder Mensch auf der gan-
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zen Welt sagt Ma zu seiner Mutter!« Ein astronomisches System der beschriebenen Art aber ist ein höchst kompliziertes Gebilde mit ganz spezifischen Daten. Die Tatsache, daß der zitierte akkadische Text, den Speiser mit äußerster Vorsicht in altbaby lonische Zeit (d. h.: in die erste Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.) datiert, ein astronomisches System von solcher Komplexität enthält, das mit dem ägyptischen»Sternuhren«-System identisch ist, kann als sicherer Beweis dafür gelten, daß beide Kulturen entweder miteinander in Berührung standen oder einen gemein samen Ursprung hatten. Und man bekommt einen Anhalts punkt für die oberste Grenze eines Zeitansatzes. Kulturelle Kontakte, durch die eine derartige Information weitergegeben wurden, dürften kaum viel später stattgefunden haben. Jedes für die Enuma-e/ish-Niederschrift angenommenejüngste Datum kommt als eine solche oberste Grenze in Frage. Geht man davon aus, so kommen wir selbst für kritische Geister, die Beweise von geradezu naturwissenschaftlicher Unumstößlich keit und Nachprüfbarkeit wünschen, auf das l . Jahrtausend v. Chr. Doch wenn die oben herausgearbeiteten Übereinstim mungen nicht nur allgemein auf Berührungen zwischen Alt ägypten und Mesopotamien, sondern auf direkte Kontakte zwi schen Früh-Altägypten und Sumer zurückgehen, dann müssen diese noch erheblich früher stattgefunden haben - oder wir haben es gar nicht mit Berühungen und deren Resultat, sondern mit dem Ergebnis eines gemeinsamen Ursprungs zu tun, und da mit wären wir dann wieder bei Wallis Budges Lieblingsidee. Die ägyptischen »Sternuhren« stammen spätestens aüs der Zeit Sethos' 1. (etwa 1303-1209 v. Chr.) bzw. Ramses' IV. (11581152 v. Chr.), d. h.: aus der Zeit zweier Herrscher der XIX. bzw. XX. Dynastie, in deren Gräbern entsprechende Darstellungen gefunden wurden. Demnach gehen die betreffenden Berechnun gen und Kalendereinteilungen mindestens auf die Zeit um 1300 v. Chr. zurück, ja man wird wohl annehmen dürfen, daß sie bis zum Beginn der ägyptischen Kultur zurückweisen. Im l. Jahr tausend v. Chr. änderte sich dann das System. An die Stelle der Zehntagewoche trat nun eine Woche von 15 Tagen. Andere Neuerungen kamen in späterer Zeit hinzu, und das System geriet in Verfall, bis es schließlich nur noch ein blasser Abklatsch 110
seiner selbst war. Ich könnte mir vorstellen, daß die zunehmende Beliebtheit des Sonnengottes Re die Sterne - und ganz beson ders Sirius - allmählich zur Bedeutungslosigkeit herabsinken ließ. Jedenfalls stand das Siriussystem in Ägypten nicht mehr so hoch im Kurs wie ehedem, es war nicht mehr so heil wie einst, sondern es begann im 1. Jahrtausend v. Chr. in dem Maße zu verfallen und in Vergessenheit zu geraten, wie es von augen fälligeren und weniger esoterischen, ungeduldigen Priestern daher von genehmeren Vorstellungen überlagert und verdrängt wurde. Vielleicht zogen sich, als sich diese Entwicklung immer deutlicher abzeichnete, einige Puristen in die Einsamkeit zurück, wo dekadente Pharaonen und deren Anhang sie nicht störten. Wir werden sehr viel später hierauf zurückkommen und hierzu interessante Informationen vorzulegen haben. Doch, kehren wir nach Sumer zurück, um nunmehr nicht mehr locker zu lassen. Auf Tafel 6 des Enuma e/ish finden wir eine bemerkenswerte Passage. Hier werden A nunnaki erwähnt, die Söhne des An waren (An bedeutet »oben«, »Himmel«) Söhne des im Akkadischen auch als A nu bezeichneten großen Gottes. Besagte A nunnaki waren 50 an der Zahl, und man nannte sie »die 50 großen Götter«. Fast stets waren die A nunnaki namen los, wichtig war fast stets nur ihre Zahl, ihre »Größe« (d. h.: ihre Bedeutung im Rahmen der Götterwelt) und ihre Macht über das Schicksal. Im übrigen gibt es - außer hier und da einmal ganz an der Peripherie - so gut wie keinerlei Gleichsetzung irgend eines sumerischen Gottes mit irgendeinem dieser als A nunnaki bezeichneten Wesen (auf die Ausnahmen kommen wir noch). Tatsächlich standen sämtliche Sumerologen bei diesen A nun naki vor einem Rätsel. Ihre »Identität steht nicht fest«, und man weiß eigentlich nicht so recht, wo man sie einzuordnen hat, wer sie sind und was sie bedeuten. Immer wieder kommen sie in den Texten vor - aber das kompliziert die Angelegenheit noch mehr, denn nirgendwo findet man sie eingehender beschrieben. Doch daß die Sumerer ihnen ganz offenkundig große Bedeutung beimaßen, steht ganz außer Frage. In einem frühen sumerischen Textfragment (es stammt aus einer Periode lange vor der babylonischen Zeit), das den Stoff des Gilgamesch-Epos enthält und den Titel Gi/gameschs Lebenslll
suche trägt, finden wir eine regelrechte Vorwegnahme der grie chischen Argonautenüberlieferung. Übersetzt wurde das frag liche Fragment von K.ramer2 • Ich fühle mich meiner Sache voll kommen sicher, wenn ich behaupte: Dieses sumerische Frag ment enthält die älteste Form der Geschichte jenes Helden, der später bei den Griechen den Namen Jason trug. In der Geschichte, die es erzählt, will der Held - in diesem Fall Gilga mesch - in das Land des Lebens gehen, von dem es heißt, es sei der Macht des Sonnengottes Utu untertan. Auch in der griechi schen Überlieferung von Jason und den Argonauten will der Held - nunmehr Jason - das Goldene V lies finden, das als Sonnensymbol gedeutet wird. Weiterhin finden wir in dem sumerischen Fragment die überraschende Zeile: »Der Held, seine Zähne sind Drachenzähne!« Drachenzähne aber sät in der griechischen Sage der Held Jason. (Gleiches tut Kadmos in einer anderen griechischen Erzählung, auf die wir später noch zurückkommen werden.) In der Jason- bzw. Argonautenüberlieferung wird Jason auf seiner Suche von den 50 Argonauten begleitet. Dem sumeri schen Textfragment zufolge, hat auch Gilgamesch 50 Gefährten. Hier die entscheidende Passage, in der Gilgamesch spricht: »Wer hat ein Haus zu seinem Haus! Wer hat eine Mutter zu seiner Mutter! Laß ledige Männer, die es mir gleichtun, fünfzig, mir zur Seite stehen. Wer ein Haus hatte zu seinem Haus, wer eine Mutter zu seiner Mutter hatte, ledige Männer, die es ihm gleichtaten, fünf zig, standen an seiner Seite. Zum Hause des Schmieds lenkte er seinen Schritt, Das . . ., das . . .-bei!, seine >Macht des HeldentumsSöhne< seiner Stadt, die ihn begleiteten, [legten sie] in ihre Hände.« Mehrmals werden hier die 50 Gefährten erwähnt. Der Text ist außergewöhnlich bruchstückhaft und sehr zerstört. Weiteres 112
Licht auf ein anderes Motiv der Argonautensage - in diesem Fall auf das Motiv der Drachenzahnsaat - wirft eine andere Stelle des Gilgamesch-Epos, wo davon die Rede ist, daß Gilga mesch, der aus irgendeinem uns unbekannten Grunde in Schlaf gesunken war, aufwachte, sich gürtete, wie ein Stier auf der »großen Erde« stand und »mit [seinem] Mund den Boden« berührte, wobei »[seine] Zähne bebten« (bzw. »klapperten«). Man beachte: Es bleibt zumindest offen, ob es sich wirklich um seinen Mund und seine Zähne handelte. Das betreffende Fürwort wurde lediglich vom Übersetzer in Klammem hinzuge fügt. Hier noch einmal die gesamte Passage in vollem Wort laut: »Er berührte mit [seinem] Mund den Boden, [seine] Zähne bebten. >Beim Leben Ninsuns, meiner Mutter, die mich gebar dem untadeligen Lugulbanda, meinem Vater, möge ich werden wie einer, der, um bewundert zu werden, auf dem Knie meiner Mutter Ninsun sitzt, die mich gebar.«< Abgesehen davon, daß Gilgameschs Wunsch, auf den Knien seiner Mutter, der Göttin Ninsun, zu sitzen, an Horus denken läßt, der auf dem Schoß seiner Mutter, der Göttin Isis, sitzt (ein durchgehendes Motiv der ägyptischen Kunst!), scheint hier eine - wenn auch nicht ganz klare - Anspielung darauf vorzuliegen, daß der Held, wenn er mit seinem Mund den Boden berührt und mit den Zähnen klappert, eine Art Wiedergeburt in Kraft und Stärke herbeibeschwören kann. Ich vermute, man brauchte nur weiter zu übersetzen - doch das ist natürlich sehr schwierig, denn es gibt im Sumerischen zahlreiche Ausdrücke, deren Sinn wir noch nicht voll erfassen. Ob es Gilgameschs eigener Mund und seine eigenen Zähne sind, um die es hier geht, oder nicht: Fest steht, daß Gilgamesc h Kraft sucht, indem er irgend jemandes Zähne (gleich, ob seine eigenen oder die eines ande ren) mit dem Boden in Berührung bringt. Da indessen schon zuvor in der gleichen Erzählung die Äußerung vorkam: »Der Held, seine Zähne sind Drachenzähne«, dürfen wir wohl ver muten, daß auch hier von Gilgameschs Zähnen die Rede ist 113
von seinen eigenen Zähnen, die vorher als »Drachenzähne« bezeichnet wurden! Auf den Zeilen, die der Stelle folgen, wo von der Berührung des Bodens mit den Zähnen die Rede ist, erfahren wir: Gilga mesch hatte Kraft tatsächlich nötig, denn er mußte kämpfen. In der Argonautensage sät Jason die Drachenzähne, und es gehen bewaffnete Krieger daraus hervor, die zu kämpfen beginnen. Gleiches ist in der Kadmos-Geschichte der Fall. W ir sehen also: In beiden griechischen Mythen berühren - wie auch in dem sumerischen Textfragment - Drachenzähne den Boden, woran sich ein Kampf anschließt, bei dem der Held übermenschliche Kraft beweist. An späterer Stelle werden wir genau erklären, wo dieses seltsame Durcheinander seinen Ursprung hat (daß es nämlich auf einem altägyptischen Priester-Wortspiel beruht) und was es überhaupt bedeutet. Mittlerweile aber dürfen wir nicht von dem uns vorgezeichne ten Wege abweichen und der Erörterung nicht vorgreifen. Dieses Buch ist eine Anabasis, eine »Reise nach oben«. · Bleiben wir noch ein wenig bei der Erzählung von Jason und dem Goldenen Vlies. Phrixos und Helle hatten dieses Vlies vom Gott Hermes erhalten. Es war der ägyptische Gott Anubis, der bei den Griechen als Hermes galt. Weiterhin räumen Dio dor (4, 47) und Tacitus (Annalen 6, 34) ein, Phrixos und Helle (die der Sage nach auf einem goldenen Widder nach Kolchis kamen; Helle soll unterwegs in den Hellespont [die heute als Dardanellen bezeichnete Meeresstraße] gefallen sein und so diesem Gewässer zu seinem antiken Namen verholfen haben) seien gar nicht auf einem echten Widder geritten, sondern möglicherweise auf einem Schiff namens »Widder« (bzw. mit einem goldenen Widderkopf als Gallionsfigur) nach Kolchis gereist. In der Tat: Daß sie nach der verbreiteteren Sagenver sion auf ihrem Zauberwidder, der Flügel hatte, sogar nach Kolchis geflogen sein sollen, könnte ein Anklang an ägypti sche »Himmelsboot«-Vorstellungen sein. So hätte schließlich jeder recht. Auf jeden Fall aber dürfte es sich um ein Boot aus Ägypten gehandelt haben, ein Boot, das man sumerisch als »Magan Boot« bezeichnet hätte, wenn wir davon ausgehen, daß Kramer
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und andere mit ihrer Vermutung recht haben, daß Magan Ägyp ten ist. Und das Boot war ein »Geschenk des Hermes« - mit ande ren Worten: Ein Geschenk von Anubis. Kein Wunder, daß die mit Sirius zusammenhängende Zahl 50 in der Überlieferung vom Goldenen Vlies ebenso eine Rolle spielt wie bei Anubis. Erwähnung verdient, daß die 50 Argonauten auch als Minyer bezeichnet wurden, denn sie waren alle miteinander verwandt, stammten aus derselben Familie - dies als Nachkommen des Minyas, des sagenhaften Gründers und Königs von Orchomenos in Böotien (Mittelgriechenland}. So hatten auch Jason und seine 50 Argonauten alle etwas von einer gewissen schattenhaften Anonymität, die ein wenig an die 50 Anunnaki Sumers erinnert kollektiv oft nur »Minyer« genannt, waren sie nichts als eine Gruppe von 50 miteinander verwandten Ruderern in einem Himmelsboot. Später werden wir uns sehr intensiv mit der A rgo-Geschichte befassen, desgleichen mit den Beziehungen zwischen dem Land Kolchis (dem Ziel der Argonautenfahrt) und Altägypten, wobei der griechische Historiker Herodot, der »Vater der Geschichte«, unser Gewährsmann ist. Doch vorläufig sind wir mit unserer Betrachtung der Erzählung von Gilgamesch und seiner Lebens suche noch nicht fertig. Und hier taucht nun sogar - als Ent sprechung zur A rgo - ein Boot auf! Soeben brachte ich die A rgo mit einem ägyptischen Himmelsboot in Verbindung. Im Liebte dessen betrachte man nun die folgende Passage der Gilgamesch Überlieferung, wo Gilgameschs Boot ausdrücklich als Magan Boot bezeichnet wird. Vermutlich darf ich hinzufügen: Bei den Bäumen, die Gilgamesch fällte und die seine Gefährten, dem Text zufolge, »in ihre Hände legten«, handelte es sich um nichts anderes als die Ruder dieses Schiffes (leider sind die auf die frag liche Stelle folgenden 14 Zeilen zu sehr zerstört, als daß auch nur die Punkte sicher sein könnten, die man für fehlende Wörter setzte)! Hier nochmals die Stelle über das Boot im Wortlaut: »Für mich wird kein anderer sterben, das beladene Boot wird nicht sinken, Das dreifachgefaltete Tuch wird nicht zerschnitten werden, Der . . . wird nicht überwunden werden,
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Kein Feuer wird Haus [und] Hütte zerstören. Hilfst du mir [und] helf ich dir - was kann uns geschehen? Als es gesunken war, als es gesunken war, Als das Magan-Boot gesunken war, Als das Boot >Die Macht Magilums< gesunken war, In dem . . . , dem Boot der Lebenden, sitzen, die aus dem Schoß kamen; Komm, laß uns vorwärtsgehen, wir wollen unsere Augen auf ihn werfen, Wenn wir vorangehen, [Und wäre da Furcht, wäre da Furcht, wds ich zurück, Wäre da Schrecken, wäre da Schrecken, weis ihn ab, In dein . . . , komm, laß uns vorwärtsgehen.« Betont sei, daß es hier an Unklarheiten nicht fehlt. In einer Anmerkung hebt Kramer hervor: Von der Zeile »Als es gesun ken war« an steht durchaus nicht mehr fest, ob es noch immer Gilgamesch ist, der hier spricht. Ungewiß bleibt auch, ob das Magan-Boot wirklich gesunken ist oder ob lediglich Gilga meschs »treuer Diener« das behauptet, der unmittelbar vor der soeben zitierten Passage zu Gilgamesch gesagt hatte: »Mein Herr! Reise du zum >LandMeine Mutter, letzte Nacht hatte ich einen Traum: Am Himmel waren Sterne; W ie eine Masse vom Himmel fiel [einer] zu mir herab. Ich versuchte, ihn zu heben , doch er war mir zu schwer; Ich wollte ihn entfernen, doch ich konnte nicht. Rings um [ihn] stand das Land Uruk, [Das Land war versammelt rings um ihn]; [Die Mensch]en drängten sich, [ihn zu sehen] , [Die Menschen d]rängten sich rings um ihn, [ . . . ] während meine Gefährten seine Füße küßten; Es zog mich zu ihm [wie zu] einer Frau [Und ich] tat ihn zu [deinen] Füßen, [Und du stelltest] ihn auf gleiche Stufe wie mich.«< Die gleiche Erzählung liegt noch in einer anderen Fassung vor (beide wurden von Heidel übersetzt) 7, und zwar befindet sich diese am Anfang der Tafel II der altbabylonischen Version, die älter ist als die oben wiedergegebene assyrische und mehr vom ursprünglichen Bedeutungsgehalt bewahrt hat: »Gilgamesch stand auf, um seinen Traum zu erzählen, Er sprach zu seiner Mutter: >Meine Mutter, vergangene Nacht 122
Fühlte ich mich froh und ging einher Unter den Edlen. Da erschienen Sterne am Himmel. [Die M]asse vom Himmel fiel herab zu mir. Ich versuchte, sie zu heben, aber sie war zu schwer für mich, Ich versuchte, sie zu bewegen, aber ich konnte es nicht. Das Land Uruk hatte sich rings um ihn versammelt, Während die Edlen seine Füße küßten. Ich stemmte meine Stirn [kräftig] gegen [ihn], Und sie standen mir bei. Ich hob ihn hoch und brachte ihn zu dir.«< Kramer übersetzte die beiden Fassungen etwas anders 8 • Eine der bedeutendsten Abweichung findet sich in der Zeile, wo bei Heide! von einer »Masse vom Himmel« die Rede war. Laut Kramer meint an hier nicht den »Himmel«, sondern den »Him melsgott« A n (bzw. A nu), jenen Gott, der Vater der Anunnaki war. Und das Wort, das Heide! als »Masse« wiedergibt, kom mentiert er in einer Anmerkung von beachtlicher Länge: »Was ki-sir angeht, so sind hier viel zu viele Bedeutungen mög lich. Außerdem müßte sich die, die für diese Stelle angenom men wurde (>das ki-sir Ninurtas< tauchte schon in einer frühe ren Passage vor unserer Stelle auf), auch auf . . . den Kriegsgott Ninurta, den Himmelsgott Anu, auf Enkidu und etwas x-belie biges anderes anwenden lassen, das vom Himmel fiel. Die all gemeine Annahme, der Autor habe in den fraglichen Versen vielleicht ein und denselben Ausdruck in mehr als einer Be deutung verwendet, ist aber wenig zufriedenstellend. In der früheren Ausgabe versuchte ich an einigen der hier in Frage kommenden Stellen für ki�ru die Wiedergabe durch Lehnsmann zu rechtfertigen. Diesen Vorschlag nehme ich hier mit zurück. Auf den wirklichen Sinn bringt uns vielleicht der Gebrauch des Ausdrucks in medizinischen Textzusammenhän gen, wo er im Sinne von >KonzentrationEssenz< verwendet wird, vgl. E. Ebeling, JCS IV (1950) 219. >Essenz < oder eine Be deutungsnuance davon könnte sich ebenso auf Gottheiten wie auf Geschosse vom Himmel beziehen. Zweifellos hatte unser 123
Dichter etwas ganz Bestimmtes im Sinn, worauf er hier anspielte, aber die allgemeine Bedeutung erscheint mir doch hiermit klar genug.« Kramer also gibt »Masse vom Himmel« als »Wesen des An« wieder, und in einer weiteren Anmerkung kommentiert er das persönliche Fürwort »er« mit der Frage: »Einer der Sterne?« Folglich nehmen sich bei Kramer auch die letzten Zeilen der zuerst angeführten Version anders aus. Sie lauten bei ihm: »[Ich] wurde zu ihm hingezogen wie zu einer Frau. Und ich gab ihm einen Platz zu [deinen] Füßen, Denn du ließest ihn wetteifern mit mir.« Wichtig könnte die Betonung sein, die hier fraglos auf dem »Hingezogensein« liegt. Weiter geht es in Kramers Wortlaut: »[Gilgameschs weise Mutter] , erfahren in allem Wissen, Spricht zu ihrem Herrn; [Die weise Ninsun] , erfahren in allem Wissen, Spricht zu Gilgamesch: >Dein Rivale - der Stern vom Himmel -, Der auf dich herabkam wie [Anus Wesen]; [Du suchtest ihn zu heben], er war zu massig für dich; [Du wolltest ihn wegbringen] , aber du konntest ihn nicht beseitigen; [Du hast ihn] mir zu Füßen [gelegt] , [Denn ich war es, die] ihn mit dir wettstreiten [ließ]; Du wurdest zu ihm hingezogen wie zu einer Frau -Dieses ist meine Tochter!< Und er erwähnte die Namen des Bogens wie folgt: >Langholz ist der erste, der zweite lautet [ . . . ]; sein dritter Name ist Bogenstern, am Himmel ließ ich ihn strahlen.< Er sicherte sich einen Platz, den die Götter, seine Brüder, [ . . . ]«. Eine Anmerkung äußert zu dem Wort »seine« (im Original: »ihre«) in der letzten Zeile: »Auf den Bogen bezüglich, worauf das weibliche Possessiv-Suffix - auf Zeile 94 hindeutet« (im Ägyptischen hat das Wort Sept, der Name des Sterns Sirius, gleichzeitig die Bedeutung »Holzart«, ob es aber mit dem hier vorkommenden »Langholz« identisch sein könnte, bleibt der Vermutung überlassen). Wir fahren fort: »Nachdem Anu das Schicksal des Bogens bestimmt Und den erhöhten Königsthron seinen Platz vor den Göttern gegeben hatte, Wies Anu ihm seinen Platz in der Götterversammlung zu.« Der Ausdruck »die Götterversammlung« bezieht sich unter schiedslos auf die Versammlung der 50 sitzenden Anunnaki. Damit wird, wie wir sehen, klar und deutlich gesagt, daß dieser »Bogenstern« - die »Tochter des An« - von An seinen Platz auf einem erhöhten Thron inmitten der 50 Anunnaki zugewiesen erhielt. Auch in Ägypten wurde Isis als Sothis im Himmel auf einem weißen Königsthron sitzend dargestellt. Auch sie war die Tochter des Himmelsgottes. Schließlich war das Hieroglyphen zeichen für Ast (Isis) ein Thron. Und die Hieroglyphe für ihren Gatten Asar (Osiris) ist ein Thron über einem Auge. Bevor wir weitergehen, sollten wir uns noch einmal den »sieben Göttern des Schicksals« zuwenden. Oft werden sie auch als »die sieben Anunnaki der Unterwelt« bezeichnet. Man braucht es nicht erst zu betonen: Keiner dieser sieben Anunnaki wurde je als ein bestimmter Gott identifiziert. Stets sind es nur 126
»die Sieben« - die sieben Unterweltgötter mit der Macht über das Schicksal. Was die rein himmlischen Anunnaki angeht, so kennt man sie auch unter dem Namen lgigi. Kein Sumerologe hat bisher für all dies eine befriedigende Erklärung gefunden. Diese ganze Göttervielfalt ist schrecklich ungenau und verwir rend - es sei denn, man hat ein Hilfsmittel, das die Maskierung und Verkleidung durchdringen hilft, die wahren Konturen sicht bar macht und so wenigstens versuchsweise als Basis für eine Erklärung dienen kann. Überlegen wir, was gleichzeitig mit den himmlischen Anun naki und mit Sirius zu tun hat, aber auch zu der Vorstellung paßt, daß es sieben Anunnaki-Unterweltsgötter gibt! Man vergesse nicht: Sowohl in Ägypten wie in Sumer hatte jeder Gott von einiger astronomischer Bedeutung seine eigene Zehntages periode oder »Woche«. Multiplizieren wir die Götterzahl sieben mit der Zahl der Tage einer solchen »Woche«, so kommen wir auf70 (Tage). War irgendwo in Sumer oder Ägypten ein solcher Zeitraum für die Unterwelt von Bedeutung? Tatsächlich! Im alten Ägypten hieß die Unterwelt Duat (oder Tuat), und die Siebzigtagesperiode ist dort von großer Bedeutung. Auch im Zusammenhang mit Sirius spielt sie eine große Rolle, wie unser Märchen am Beginn des Kapitels 2 gezeigt hat. Parker und N eugebauer äußern 1 2: »Hier wird deutlich, daß Sirius (Sothis) das Muster für alle anderen Dekanalsterne ab gibt.« Astronomisch gesehen, war Sirius die Grundlage des ge samten religiösen Systems der Ägypter. Nach seinen Bewegun gen am Himmel richtete sich der ägyptische Kalender, den man ja sogar als »Sothiskalender« bezeichnet. Sein heliakischer Frühaufgang markierte den Jahresbeginn, und in etwa fiel er mit dem Beginn der alljährlichen N ilüberschwemmung zu sammen (nach Plutarch wurde sogar der Nil bisweilen als Sirius bezeichnet). Dieser heliakische Frühaufgang gab Anlaß zu einem großen Fest - zu einer Art Neujahrsfest und Ostern zu gleich. Am Tage dieses seines Frühaufgangs trat Sirius mit sei nem Erscheinen am Himmel wieder in die Welt der sichtbaren Dinge, nachdem er 70 Tage lang in der Verborgenheit zuge bracht hatte - wie man meinte, war er im Duat, in der Unterwelt, gewesen. Hier stoßen wir auf eine weitere Verbindung zu Anu127
bis, von dem man glaubte, daß er Sothis für diese 70 Tage in der Unterwelt einbalsamiert habe. Wie wir alle wissen, waren die Ägypter der Meinung, eine einbalsamierte Mumie erwache wieder zum Leben. Und genau dies war es, was mit Sothis ge schah: Bei ihrem heliakischen Frühaufgang wurde sie neu ge boren. Parker und Neugebauer fügen hinzu 13: »Während der ganzen Zeit seiner Reinigung in der Unterwelt, galt er (Sothis, der Stern) als tot, und erst mit seiner Auferstehung aus dem Duat konnte man ihn wieder als lebend betrachten.« Geradezu hartnäckig hielten die Ägypter an diesen 70 Tagen in der Unterwelt fest, sie waren für sie gewissermaßen das Mu ster und Urbild der Unterweltserfahrung, soviele Probleme dies auch aufwarf und, wie wir bereits sahen, Sirius gab das Urbild aller anderen Dekanalsterne ab. Tatsächlich war es in der ge samten Geschichte Altägyptens üblich, eine Leiche in genau 70 Tagen einzubalsamieren - dies in Nachahmung der Zeit, die Sirius in der »Unterwelt« verbrachte! Sogar noch in spätptole mäischer Zeit dauerte die Einbalsamierung einer Mumie unver ändert 70 Tage. Damit haben wir eine Erklärung für die sieben Anunnaki der Unterwelt gefunden. Interessanterweise glaubte man auch im alten Mexiko, die Unterwelt bestehe aus sieben Höhlen. Beachtung verdient die Etana-Erzählung 14• Sie handelt von einem sagenhaften König Etana, der nicht lange nach der Gro ßen Flut herrschte und zum Himmel emporsteigen mußte, damit man ihn dort von seiner Zeugungsunfähigkeit heile (und er vor allem einen Sohn und Erben haben könne). Auch hier werden »die göttlichen Sieben« erwähnt und als lgigi bezeich net. Dies unterstreicht die offensichtliche Austauschbarkeit der Bezeichnungen lgigi und Anunnaki. Außerdem werden in der Etana-Erzählung »die großen Anunnaki« als diejenigen ge schildert, »die die Regionen schufen und alles Feststehende festsetzten«. Der »Abstieg Ischtars in die Unterwelt« 15 beschreibt die Anunnaki als »hervorgebracht« (es ist von ihnen die Rede, als seien sie ausgestopfte Tiere, die man aus einem Wandschrank holt, abstaubt und im Schaufenster eines Lehrmittelladens aus stellt) und auf goldenen Thronen sitzend. Wieder einmal be128
gegnen wir hier dem Thron-Symbol. Anscheinend haben die Anunnaki nichts weiter zu tun als zu sitzen und symbolisch zu sein. Erwähnen sollte ich noch, daß es in der fraglichen Ge schichte von der Unterwelt heißt, sie habe sieben Pforten, die der Reihe nach zu sieben Räumen (oder Höhlen) führen. Daß der Siebzigtages-Zeitraum des Sirius-Aufenthalts in der Unter welt bei den Gepflogenheiten ·der Ägypter dazu führte, ihn in sieben Zehntagewochen aufzuteilen, von denen jede ihren Gott hatte, so daß sich insgesamt sieben Götter ergaben, liegt nur nahe. Diese sieben Götter freilich brauchten keine Eigenper sönlichkeit zu haben: Persönliche Eigenheiten und Fähigkeiten hätten nur davon abgelenkt, daß ihre wahre und hauptsächliche Bedeutung in ihrer Siebenzahl lag! Und selbstverständlich fol gen die sieben Räume der sieben Götter der Reihe nach aufein ander - man schreitet sozusagen von Zehntage-»Woche« zu Zehntage-»Woche« voran, bis die vollen siebzig Tage um sind und Sirius wieder aufersteht. Hier sehen wir ein neues, wesent liches Bindeglied zwischen früh-sumerischen und altägypti schen Vorstellungen. Später eroberte sich der Gott Marduk die zentrale Stellung im Pantheon der babylonischen Götter. Das Enuma elish schil dert über weite Strecken hinweg diesen Prozeß und ist im Grunde Marduk geweiht, dessen Ehre und Ruhm es kündet. Das war eine echte Neuerung, eine wahre Machtzentralisierung. Die »Schwarzköpfe«, wie die Sumerer sich in ihren Texten selbst nannten (wenn es recht fromm zuging, wurden daraus kreuz brave »Wolkenköpfe« - nebenbei: die Ägypter ga\ten bei den Griechen als melampodes [»Schwarzfüße«]! -), kurz : Die »Schwarzköpfe« spendeten Marduks Aufstieg offenkundig nicht einstimmig Applaus. In gewisser Weise treibt das Enuma e/ish geradezu marktschreierisch Propaganda für Marduk, wobei es abwechselnd mit massiven Bekehrungsversuchen und massivem Tadel nicht hinter dem Berge hält. Hier sehen wir, wie der Autor um Sympathie wirbt16 : »Seine Macht rage empor und sei ohnegleichen. Er hüte die Schwarzköpfe, seine Geschöpfe, Bis ans Ende der Tage, unvergessen lasse er sie seinen Wegen zujubeln.« 129
H ier dagegen wird schon ein eher autoritärer Ton angeschlagen, und das zuckersüße Lächeln schwindet: »Er befehle den Schwarzköpfen, [ihn] zu ver[ehren] !« Doch im nächsten Augenblick zeigt sich schon wieder Kompro mißbereitschaft in Form einer wie geheuchelt wirkenden To leranz: »Ohne Schaden laß sie ihre Götter hochachten! Ihre Länder laß sie verbessern, ihre Tempel bauen, Laß die Schwarzköpfigen ihren Göttern dienen.« Mit anderen Worten, der Verfasser gibt auf und begibt sich in den Schmollwinkel, denn schon seine nächsten Worte drücken wieder das Gefühl aus: »W ir brauchen die gar nicht, wir machen das alles selber!« Wörtlich lautet die Stelle: »Was aber uns angeht, mit wie vielen Namen wir ihn auch preisen - er ist unser Gott! Laßt uns also seine fünfzig Namen künden!« Mit anderen Worten: Marduks Verehrer kannten keinen besse ren Weg, ihrem Gott die Ehre zu geben, als ihm 50 Namen bei zulegen. Dann würde er - mit etwas Glück - schon Allmacht erlangen! Als Maruka »beglückt« Marduk »das Herz der Anunnaki« und » gibt ihren [Geistern] Frieden«. Alle die fünfzig Namen ziehen an uns vorbei, jeder mit einem kurzen Kommentar. In einer Fußnote erklärt Speiser bezeichnenderweise: »Der Text etymologisiert die Namen in einer durch die Bibel vertrauten Weise; die Wortableitungen, die praktisch jedem Namen der langen Liste beigegeben sind, wollen eher kabbalistisch und symbolisch als streng linguistisch verstanden sein, obwohl ein zelne sogar sprachwissenschaftlich stichhaltig sind.« Die Liste endet, und wir lesen: »Mit dem Titel >Fünfzig< , die großen Götter kündeten ihn, deren Namen fünfzig sind, und machten seine Bahn zur höchsten.«
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Diese Schlußbemerkung setzt gleichsam das I-Tüpfelchen auf den Titel des höchsten »Fünfziger«-Gottes, den man bei 50 Namen anruft. Von ganz besonderem Interesse ist eine bestimmte Gruppe dieser Namen. Sie lauten Asaru, Asarualim, Asarualimnunna, und eine weitere Dreiergruppe kommt hinzu, in deren Zentrum der ähnlich lautende Name Asaruludu steht (die beiden ande ren sind Namtillaku und Namru). Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, daß diese Namen mit dem ägyptischen Götter namen A sar (»Osiris«) in Verbindung stehen. Wir haben bereits gesehen, wie der Gott An aus Ägypten im Sumerisch-Akka dischen nicht nur den gleichen Namen führte, sondern am Schluß ein »u« auflas (Anu). Es wäre daher vielleicht nicht gänz lich absurd, in A saru eine altmesopotamische Form von A sur zu vermuten, die gleichfalls nur ein »u« am Ende hat. Doch die Ägypter hatten selbst den Götternamen Asaru - genauer: A sar uu -, laut Wallis Budge »eine Form des Osiris, die in Unter ägypten verehrt wurde«. Wenn A saru in Altmesopotamien dem ägyptischen A sar-uu entspricht - wie verhält es sich-dann mit Asaruludu? In Ägypten wäre Osiris der Vegetationsgott A sar-rufu, doch bekanntlich waren im Ägyptischen die Liquida (Reibelaute) »r« und »I« durchweg austauschbar - es gab für sie beide nur eine gemein same Hieroglyphe. A sar-ru{u könnte also ebenso gut A sar-/utu sein, und im Gegensatz zum dentalen »t« (dem Zahnlaut »t«) steht das linguale (mit der Zunge gebildete), viel weichere »t« einem »d« weitaus näher. Setzen wir daher einfach ein »d« ein, so bekommen wir A sar-ludu (»Osiris, der die Pflanzen wachsen läßt«). Und tatsächlich finden wir in unserem babylonischen Text Asaru als »Spender der Pflanzenzucht, Schöpfer von Ge treide und Kräutern, der die Vegetation sprießen läßt«, be schrieben! Unmittelbar auf einen der Asaru-Namen Marduks im Enuma elish folgt an dreizehnter Stelle der Namensliste die Namens form »Tutu«, Zufällig handelt es sich bei Tutu auch um einen ägyptischen Götternamen. Wallis Budge bezeichnet den frag lichen Gott als »Löwengott, Sohn der Neith« (nach Wallis Budge 131
war Neith »eine der ältesten Gottheiten Ägyptens. Sie war die Göttin der Jagd und des Webens, wurde aber mit vielen anderen Göttinnen, wie Isis und Meh-urt, gleichgesetzt, deren Attribute man ihr beilegte« 1 7). Es gibt in Ägypten sogar den Präzedenz fall, daß Tutu einer der Namen eines vielnamigen Gottes war. Das ägyptische Ungeheuer der Dunkelheit, Apep, »besaß viele Namen; um es zu zerstören, mußte man es bei jedem einzelnen Namen verfluchen, unter denen es bekannt war. Um dabei ganz sicher zu gehen, ist dem Papyrus von Nesi-Amsu eine Liste sol cher Namen beigegeben, und da diese die Grundlage vieler der magischen Namen bilden, die in späteren Papyri anzutreffen sind, seien sie hier aufgezählt . . .« 18• Einer der betreffenden Namen aber lautet Tutu. Ganz gewiß hatte diese fast deckungs gleiche Besorgnis, nicht einen der Gottesnamen auszülassen, denen samt und sonders magische Kraft innewohnte, in beiden Ländern gemeinsame Ursprünge - zumal sich der Name Tutu in beiden Listen befindet! Es lohnt sich, sich noch eingehender mit dem ägyptischen Gott Tutu zu befassen. Heide! gibt in seiner Übertragung des Enuma elish für Asaruludu das alte, sumerische Eigenschafts wort namschub, im Gegensatz zur späteren, babylonischen Wortform namru - beides bedeutet »strahlend«, und der Text erläutert: »Der leuchtende Gott, der unseren Weg umstrahlt.« In einer Fußnote bemerkt Heide! hierzu: »Anscheinend spielen die Dichter hier mit dem sumerischen Ausdruck schuba, der mit den babylonischen Wörtern ebbu, e/lu und namru gleichbe deutend ist, die alle >strahlend< bedeuten.« Was aber daran so interessant ist: Auch im Ägyptischen bedeutet das Wort schu »strahlend«, »glänzend«, »leuchtend«, und man gebraucht es zur Bezeichnung des Sonnengottes - fürwahr eines »leuchten den Gottes, der unseren Weg umstrahlt«. Schu bedeutet also im Ägyptischen das gleiche wie schuba im Sumerischen, ja beide Ausdrücke bezeichnen unterschiedslos den Sonnengott. Außer dem bezieht man das sumerische Schuba auf Asarluhi, und zu unserer Überraschung müssen wir nunmehr feststellen, daß der ägyptische Gott Tutu - laut Wallis Budge - »eine Form des Got tes Schu« darstellt, »dessen Symbol ein schreitender Löwe war« 19• 132
Wenn wir also unser Material prüfen, finden wir ein immer verwirrenderes Webwerk gemeinsamer Muster in Ägypten und Sumer, und zwar sowohl in sprachlicher als auch in religiöser und astronomischer Hinsicht. Später werden wir sehen : All dies, was zur Zeit noch verwirrend erscheint, gipfelt in einem Punkt, wo sich ein Sinn ergibt. ZUSAMMENFASSUNG Beim »Schwarzen Ritus« ging es um etwas, das »Nacht« genannt wurde, doch handelte es sich anscheinend um ein Objekt, das sich am bzw. im Himmel bewegte und zwar neben »den anderen Mysterien nach der Reihe, die sich in vorgeschriebenen Bewe gungen und Zeitabläufen« am Himmel bewegen. Besagtes Ob jekt spendet weniger Licht als die Sonne und webt ein »Gewebe mit raschem Licht«. Sirius B bewegt sich auf bestimmter Bahn und mit ganz be stimmter Umlaufzeit, er gibt weniger Licht als unsere Sonne, und sicher trifft auf ihn zu, daß er »ein Gewebe« mit seiner raschen Bewegung »webt«, denn er braucht zum Umlauf um Sirius A weniger Zeit als die Planeten Uranus, Neptun und Pluto zur Umrundung unserer Sonne. Die fragliche Bezeichnung »Nacht« kann sich somit ebenso auf Sirius B beziehen wie Äußerungen über den »schwarzen« Gott Osiris und die »unsichtbare« Göttin Nephthys. In ganz früher Zeit waren die astronomischen Grundvor stellungen der Ägypter und Sumerer deckungsgleich. Erst später stellten sich zahlreiche Unterschiede ein. Heutige Experten für antike Astronomie machen im allgemeinen mit der Frühzeit wenig Umstände, daher sind die Übereinstimmungen beider Kulturen auf diesem Spezialgebiet weitgehend unbemerkt ge blieben. In Ägypten und Sumer (Babylon) gab es gleiche Kalender systeme mit gleicher Jahreseinteilung in zwölf Monate von je weils drei Zehntagewochen. Zu jeder Zehntagewoche gehörte ein Sternbild (modern gesprochen ergab sich daraus »eine Art Tierkreis«). Sechsunddreißig derartiger Wochen aber ergaben 133
lediglich 360 Tage. Um auf volle 365 Tage zu kommen, müßte man also fünf weitere Tage hinzuzählen. Völlig deckungsgleiche Systeme von derartiger Komplexität aber setzen voraus, daß zwischen Ägypten und Sumer weitere Berührungen bestanden, denen es nachzugehen gilt. In Sumer gab es eine Gruppe von »fünfzig großen Göttern«, die Anunnaki, die als Individuen anonym waren und stets nur gemeinsam erwähnt wurden, wobei die Betonung auf ihrer Zahl lag. Praktisch waren diese Götter nichts weiter als bloße Num mern. Zwar rief man sie unentwegt an, und ihre Bedeutung steht außer Zweifel, doch hatten sie nichts weiter zu tun als auf dem Thron zu sitzen und fünfzig an der Zahl zu sein. In einer frühen sumerischen Fassung der Gilgamesch Erzählung finden wir den Helden bei seinen Abenteuern von 50 Heroen begleitet, die an die 50 Argonauten erinnern, welche mit Jason auf Fahrt gingen. Weiter heißt es von Gilgamesch, seine Zähne seien »Drachenzähne« - und dies erinnert an J ason, der Drachenzähne aussäte. Auch Gilgamesch brachte seine Zähne mit dem Boden in Berührung (jedenfalls nimmt sich die betreffende Stelle so aus, allerdings sind die fraglichen Verse außerordentlich unklar, und es wäre beispielsweise auch vor stellbar, daß Gilgamesch Drachenzähne aussäte). Jeder seiner 50 Helden und Reisegefährten nimmt einen eigens gefällten Baum auf die Reise mit - und welch zwingenderer Grund dafür, mit einem Baum umherzureisen, böte sich wohl an, als daß es sich bei den Baumstämmen um Ruderstangen handelte? Dies um so mehr, als es tatsächlich eine Anspielung auf das Vor handensein eines Bootes gibt. Auch dies wiederum erinnert an die Argonauten. Wie es scheint, sind wir hier auf eine Erzählung aus dem Nahen Osten gestoßen, auf die rund zwei Jahrtausende später die griechische Argonautenüberlieferung zurückgriff. Irgendwie gewinnt Gilgamesch durch die Berührung seiner Zähne mit dem Boden Kraft. In der griechischen Sage entsprin gen aus den von Jason gesäten Drachenzähnen starke Kämpfer - abermals haben wir es hier mit einer Parallele zu tun. Der schakal- oder hundsköpfige ägyptische Gott Anubis, den wir bereits kennengelernt haben, wurde von den Griechen mit ihrem eigenen Gott Hermes gleichgesetzt (der bei den Römern 134
zum Merkur wurde). Hermes war nach dem griechischen My thos der eigentliche Schenker des Goldenen Vlieses - jenes Goldenen Vlieses, nach dem Jason und die Argonauten auf der Suche waren, das sie dann schließlich auch tatsächlich fanden und mitnahmen. In der alten sumerischen Gilgamesch-Erzählung stehen Gil gamesch und dessen »Ur-Argonauten« mit einem Schiff im Zu sammenhang (der betreffende Text ist hoffnungslos zerstört), das als Magan-Boot bezeichnet wird. Erwähnt sei, daß Magan der sumerische Name Ägyptens ist. Das betreffende Boot hatte also mit Ägypten zu tun. Alle Argonauten der griechischen Sage waren miteinander verwandt und mehr oder weniger ohne ausgeprägte Individualität. Dies erinnert an die anonymen »fünfzig Helden«, die Gilgamesch begleiteten, desgleichen auch an die »fünfzig großen Götter« - die Anunnaki! Die Arche der griechischen Sintflutsage (die Arche Deuka Iions) landete nach der großen Flut in Dodona, woher die Argo ihr weissagendes Holzstück erhielt. Auch andere Beziehungen zwischen der Arche und der Argo sind vorhanden. Professor Cyrus Gordon verfaßte ein bedeutendes Werk über den gemeinsamen Ursprung der griechischen und hebräischen Kultur im kosmopolitischen Milieu des frühantiken Mittel meerraums. Sumers »fünfzig große Götter«, die Anunnaki, sitzen unent wegt. Heilige Ruderer oder auch Argonauten sitzen natürlich auch immer - nämlich auf der Ruderbank. Es scheint ein festes Motiv der »fünfzig Sitzenden« bzw. der »fünfzig sitzenden Ruderer« zu geben. Außer dem Zeichen für »Auge« enthält die Hieroglyphen schrift für den Osirisnamen auch das Zeichen für »Thron«, das seinerseits auch den Namen der Göttin Isis wiedergibt. Ein Thron ist ein Göttersitz. Von den Anunnaki heißt es bei den Sumerern immer wieder: »Sie saßen auf ihren :rhronen« - oder etwas dramatischer: »Sie nahmen ihre Throne ein«, »nahmen auf ihren Thronen Platz« (selbstverständlich taten sie auch dann nichts anderes). Der ägyptische Gott Anubis (Anpu) war ein »Höhengott«, und die Frau des sumerischen Himmelsgottes Anu galt als »Höhengöttin«.
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Die ältere Form des sumerischen · Wortes für »Hügel« - hursagga - könnte auf das ägyptische [feru-sa-agga zurück gehen, wobei agga sich auf Anubis bezieht (der seinerseits wieder »vom Hügel« war). Außerdem bestehen noch weitere Übereinstimmungen zwischen altägyptischen und sumerischen Wörtern und Namen. Im Gilgamesch-Epos wird ein Traum Gilgameschs geschil dert. Es ist hier von einem schweren Stern die Rede, den Gilga mesch trotz größter Anstrengung nicht heben kann. Der Stern ist vom Himmel herabgefallen und steht in irgendeiner Be ziehung zum Himmelsgott A nu. Somit finden wir die Vorstel lung von einem »schweren« Stern in Babylonien, lange bevor es überhaupt Araber gab, die je einen Stern in den Sternbildern des Großen Hundes und der Argo als »Gewicht« bezeichneten. Gilgamesch zieht es mit unwiderstehlicher Gewalt zu seinem Traum-Stern hin - diese Anziehungskraft, die der Stern ausübt, wird dermaßen geschildert, daß man versucht ist, an die Gra vitationskräfte zu denken, die eine gewaltige Masse ausübt (dies gilt freilich nur für die, denen bekannt ist, daß ein »schwe rer Stern« wie Sirius B eine ebenso starke Gravitation ent wickelt, wie er »schwer« ist). Im Gilgamesch-Epos ist davon die Rede, der Stern besäße »Anus Wesen«. Das hier als »Wesen« wiedergegebene Wort bedeutet aber in medizinischen Zusammenhängen soviel wie »Essenz, Konzentration« - ein Hinweis auf superdichte Ma terie? Diese »konzentrierte Stern-Essenz Anus« war zu schwer, als daß Gilgamesch sie hätte in seinem Traum heben können! Es sei daran erinnert: In älteren Fassungen des Epos hatte Gilgamesch 50 Gefährten (die später, in babylonischer Zeit, dann wieder entfielen). So finden wir also im Zusammenhang mit Gilgamesch folgendes: (a) Fünfzig Reisebegleiter scheinen nur als Zahlengröße von Bedeutung und werden später als sinnlos weggelassen. (b) Ein superschwerer Stern steht in Be ziehung zu An (dessen Name im Ägyptischen auch Osiris be zeichnen kann, den Gemahl der Isis, die man ihrerseits mit Sirius gleichsetzte). (c) Der Stern wird als aus einer »konzen trierten Essenz« bestehend beschrieben und soll über enorme Anziehungskräfte verfügen, die an eine immense Schwerkraft 136
denken lassen. Diese Elemente enthalten, zusammenge nommen, eine fast lückenlose Beschreibung des Sirius B: Ein superdichter, schwerkraftmäßig starker Stern aus superdichter Masse (»Essenz«), mit dem die Zahl 50 etwas zu tun hat (mög licherweise als Angabe seiner Umlaufzeit?) - und mit A n (A nu) verbunden, von dem wir wissen, daß er in Ägypten (und Gilga meschs Magan-Boot war wohl ägyptisch) seinerseits mit Sirius in Verbindung stand.
4 Die Höllenhunde Da Sirius der »Hundsstern« ist, sollten wir uns jetzt der hunds köpfigen sumerischen Göttin Bau zuwenden. Thorkild Jacob sen zufolge' war »Bau wohl ursprünglich eine Hundegöttin, und bei ihrem Namen Bau handelt es sich wohl um eine Nach ahmung des Hundegebells wie etwa beim englischen lbowwow< (»Bauwau« ausgesprochen«)*. Überdies war Bau Tochter des An, wogegen in Ägypten der Hundegott selbst An-pu (Anubis) war. Da An mit dem Sirius zu tun hatte, dürfte es uns nicht überraschen, daß in Sumer eine Hundegöttin seine Tochter war. Allerdings war man bisher der Überzeugung, die Tradi tion, wonach Sirius der »Hundsstern« ist, sei in Sumer unbe kannt gewesen. Da die 50 Anunnaki Kinder Ans waren und Bau eine Tochter des An, kann man wohl in Bau (bei der es sich um eine alte Göttin handelt, die später in Vergessenheit geriet) ein Überbleibsel der Vorstellung einer »Hundsstern«-Göttin erblicken, die der ägyptischen lsis-Sothis vergleichbar wäre. Und bezeichnenderweise war diese Göttin hundsköpfig ! War ja doch auch Anubis keineswegs ganz Schakal oder ganz Hund, sondern besaß gleichfalls nur einen Schakal- bzw. Hundekopf Baus Gatte Ninurta war Sohn Enlils. So wie später Marduk die Stelle der obersten Gottheit usurpierte, hatte Enlil schon früher diese Position An entrissen (dies entspricht ganz und gar der griechischen Mythologie, wo Kronos Uranos entthronte • Im Ägyptischen lautet die Vokabel für »Hund«, »Schakal« Auau - sie ist wahr scheinlich ebenso. vom Hundegebell abgeleitet wie der sumerische Name der Göttin Bau!
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und seinerseits wiederum von Zeus entthront wurde). Es gibt einen interessanten Enlil-Hymnus von 170 Zeilen 2, demzufolge der Gott wohl eine Wohnstatt unter den Gestirnen hatte. Hier ist auch von einem »offenen Auge« bzw. von einem »erhöhten Licht« die Rede, das die Lande durchfährt und durchdringt, und dies erinnert lebhaft an Vorstellungen der Dogon, wonach einmal im Jahr der Strahl des »Hungerreissterns« Digitaria über die Erde »fegt«. Wie dem auch sei: Bei einem »erhöhten Licht«, das Länder durchdringt und durchfährt, handelt es sich ganz sicher um ein Strahlenbündel, und das ist schon an sich eine interessante Vorstellung, zumal die Sumerer sie mit einer himmlischen Wohnstatt in Zusammenhang brachten. Vorweg sei betont, daß Lapislazuli bei den Sumerern den Nachthimmel versinnbildlichte. Im folgenden nun die entscheidenden Auszüge aus dem Hymnus: »Enlil, dessen Gebot weit reicht, dessen Wort heilig ist, Der Herr, dessen Spruch unabänderlich ist, der in Ewigkeit die Geschicke lenkt, Dessen offenes Auge das Herz aller Länder durchdringt, Enlil, der behäbig auf weißem Hochsitz, auf luftiger Thron statt thront . . .« Bei der hochragenden, weißen Thronstatt von Sothis-Sirius handelt es sich um eine ägyptische Vorstellung: Ast (Isis) hat den Thron als Zeichen, desgleichen Asar(Osiris), bei dem zum Thron das Hieroglyphenzeichen »Auge« hinzukommt. Später finden wir im selben Hymnus aus Sumer folgende Äußerungen über den Tempel der Stadt Nippur: »Nippur - das Heiligtum, wo der Vater wohnt, der >Große Berg< , Der Hochsitz der Fülle, Ekur, sich erhebend . . . , Der hohe Berg, die reine Stätte . . . , Ihr Fürst, der >Große Berg< , Vater Enlil, Errichtete seinen Thron auf dem Ekur-Hochsitz, heilige Stätten;
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Der Tempel - seine göttlichen Satzungen sind unumstößlich wie der Himmel, Seine reinen Riten unerschütterlich wie die Erde, Seine göttlichen Satzungen wie die göttlichen Satzungen der Tiefe, niemandes Blick dringt zu ihnen hinab, Sein Herz wie ein fernes Heiligtum, unbekannt wie der Zenith des Himmels . . .« Und: »Ekur, das Lapislazulihaus, hochragende Wohnstatt, ehrfurchtgebietend, An Ehrfurcht und Schauer dem Himmel am nächsten, Sein Schatten liegt über dem ganzen Land, Seine ragende Höhe rührt an des Himmels Herz.« Daß hier im Zusammenhang mit Enlils Wohnung einerseits von Lapislazuli, andererseits aber davon die Rede ist, daß sie »des Himmels Herz« berühre, läßt keinen Zweifel: Wir haben es hier nicht etwa mit einer Beschreibung der Sonne zu tun, sondern es geht um die Schilderung einer stellaren, im Bereich der Sterne zu suchenden Götterwohnstatt. Um so seltsamer freilich in diesem Zusammenhang die Anspielungen auf Strahlen oder gar Strahlenbündel, wenn diese sich nicht auf das Sonnenlicht beziehen, wie man bei oberflächlichem Lesen des fraglichen Textes annehmen könnte. Wir fahren fort: »Himmel - er ist ihm wie ein Fürst; Erde - er ist ihr Großer, Die Anunnaki - er ist ihr erhabener Gott. Wenn er in all seiner ehrfurchtgebietenden Größe die Geschicke lenkt, Wagt kein Gott, auf ihn zu blicken.« Hier sehen wir: Enlil erscheint als »erhabener Gott« der Anunnaki (in anderen Texten rühmt sich sein Sohn Enki - oder Ea -, er sei ihr »großer Bruder« und »Anführer«), und Enlil selbst besitzt die Macht, Schicksale zu bestimmen, was sonst nach der Überlieferung im allgemeinen Sache der Anunnaki ist. Vier Zeilen weiter (von der letzten obenangeführten Zeile an) ist vom Himmel (An) und der Erde (Ki) die Rede. An und 139
Ki waren miteinander vermählt. Die Kombination beider Be griffe (an-ki; wörtlich = »Himmel-Erde«) ergab ein zusam mengesetztes Hauptwort, das die Sumerer in der Bedeutung »Universum«, »Kosmos«, »Weltall« verwendeten. Man beachte die lautliche Ähnlichkeit zwischen an-ki und dem Namen der ägyptischen Göttin Anukis, die man mit Sothis-Sirius gleich setzte, desgleichen natürlich auch mit dem Namen Anunnaki! So begegnen wir also hier der oben wiedergegebenen »stellaren« Schilderung im Zusammenhang mit Enlil, dem Schwiegervater der hundsköpfigen Göttin Bau, die wir - ver suchsweise - als Verkörperung des »Hundssterns« Sirius be trachten. Und abermals schleichen sich jene unvermeidlichen 50 Anunnaki ein: Sie bringen es fertig, überall und stets aufzu tauchen, sobald sich auch nur die geringste Chance dazu bietet - dann nämlich, wann immer irgendwie der Komplex »Sirius« berührt wird! Vielleicht lassen sich all die zahlreichen Übereinstimmun gen zwischen Sumer und Ägypten, die wir bisher feststellen konnten (und noch feststellen werden) - Übereinstimmungen, die uns zu der Erwägung veranlaßten, es müsse etwas gegeben haben, das die beiden Völker irgendwie verband -, durch eine höchst bemerkenswerte Passage aus Flavius Josephus' Jüdischen Altertümern3 erhellen, bei der es um die »Kinder Seth« geht. Fehlte es doch nicht an antiken Autoren, die der Ansicht waren, bei Seth handle es sich um niemand anderen als um Hermes Trismegistos! In ganz neuem Licht erscheint diese Vermutung angesichts tlessen, was sich uns beim Betrachten der spärlichen Reste echter »hermetischer« Tradition aufdrängte (die freilich durch einen W ust wertloser, trivialer Parallelüberlieferungen und Kopien aus späterer Zeit überlagert, verfremdet und ent stellt wurde). Hier nun die betreffende Passage: »Die >Kinder Seht< waren die >Erfinder< jener besonderen Art von Weisheit, die sich mit den Himmelskörpern und ihrer Ordnung befaßt. Und damit ihre Entdeckungen nicht verloren gingen, bevor sie hinreichend bekannt wurden, gemäß Adams Voraussage, die Welt werde einmal durch die Gewalt des Feuers, zum anderen aber durch die Wucht und Masse des Wassers zerstört werden, schufen sie zwei Pfeiler: Einen aus Ziegeln,
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den anderen aus Stein. Ihre Entdeckungen hielten sie inschrift lich auf beiden fest, damit, falls die Flut den Ziegelpfeiler zer störte, der Steinpfeiler erhalten bliebe, um der Menschheit mit der Kunde von ihrem Wissen zugleich auch die Nachricht von der Existenz des Ziegelpfeilers zu vermitteln, den sie gleich falls errichtet hatten. Dieser nun besteht bis zum heutigen Tag im Land Syrien oder Seirad.« Diese Passage erfordert eine ganze Reihe von Erklärungen. Zunächst springt sofort ins Auge, das es in Sumer-Akkad Babylonien einen »Ziegelpfeiler« gegeben haben soll. N un - es ist das klassische Land der Ziegelbauweise, das Land der aus Ziegeln errichteten Zikkurat, aus Ziegeln erbauter »großer Berge« - gigantischer »Pfeiler«, wenn man so will. Wo aber wäre dann das »Land der Steine«? Offenbar doch wohl in Ägyp ten, wo sich die riesigen Steinpyramiden erhoben! Hier haben wir also eine Beschreibung zweier miteinander verbundener Kulturen vor uns, von denen die eine Bauwerke aus Ziegeln, die andere dagegen Bauwerke aus Stein errichtete. In Ägypten ragt die Große Pyramide empor, von der so viele glaubten, ihr Bauplan bewahre Maße und Proportionen - nur um zu demon strieren, welche Kenntnisse die Menschen besaßen, die sie er bauten, und auf welch hoher Stufe ihre Kultur stand. Zwar sind die gewaltigen Zikkurat in Babylon und anderswo weit stärker den zernagenden, abtragenden, zerstörenden Kräften der Natur zum Opfer gefallen und weit mehr in Trümmer gesunken, doch auch ihre Maßverhältnisse und Baupläne künden noch immer von manch tiefer Erkenntnis ihrer Schöpfer. Könnte es nicht sein, daß Josephus eine Überlieferung bewahrte, die von einer Verbindung zwischen Ägypten und Sumer wußte und die Erin nerung an die beiden charakteristischen Grundbautypen beider Länder bewahrt hatte? Dann hätte diese Überlieferung irgend etwas mit Astronomie zu tun gehabt, denn als erste besaßen, so Josephus, die »Kinder Seth« jene »besondere Art von Weis heit, die sich mit den Himmelskörpern . . . befaßte«. Tatsächlich sind wir bereits selbst darauf gestoßen, daß die grundlegenden astronomischen und astronomisch-religiösen Vorstellungen in der Frühzeit Ägyptens und Sumers übereinstimmten. Mehr noch: Josephus bekräftigt auch, was der Traktat Der A ugenstern
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des Kosmos uns glauben machen möchte: Daß alles so, wie schon früher erörtert, mit Hermes Trismegistos begann. Doch nun zu anderen Austrahlungen Ägyptens, die uns bereits an anderer Stelle aufgefallen sind! Kehren wir dabei wieder zur A rgo und den 50 Argonauten zurück, die alle Minyer (das heißt: Nachkommen des Minyas) waren und von Jason angeführt wurden (der seinerseits von Minyas abstammte). Ihre Suche nach dem Goldenen Vlies führte sie in das rätselhafte Land Kolchis. Das gab es wirklich, und es war so seltsam, wie man es sich nur wünschen konnte. Denn, war man durch den Hellespont gefahren (der seinen Namen Helle verdankte, die von dem goldenen Widder herabgefallen war) und der heute türkischen Südküste des Schwarzen Meeres (das von den Grie chen Pontos Euxeinos, gastliches Meer, genannt wurde) nach Osten gefolgt, erreichte man schließlich Kolchis im heutigen Grenzgebiet zwischen der Türkei und der Sowjetunion. Es ist recht seltsam, daß die Griechen ausgerechnet diesem Gebiet so viel Bedeutung beimaßen. Kolchis liegt am Fuß der gewal tigen Kaukasuskette, und nicht weit davon wohnen die Georgier, · bei denen das erstaunliche Lebensalter von 110 Jahren durch aus keine Seltenheit ist und die sich rühmen können, eine eigenständige Kultur sehr charakteristischer Prägung entfaltet zu haben. Nicht weit im Süden ragt der geheimnisvolle Agri Dag mehr als 5100 m empor - der Ararat der Bibel, auf dem nach der Sintflut Noahs Arche landete. In der Tat: ein höchst ungewöhn liches Land und weit von der Welt der Griechen entfernt. Deukalion hatte einen Enkel namens Aiolos, den Zeus als Herrscher der Winde einsetzte. Aiolos' Sohn Athamas herrschte als König in der minyischen Stadt Orchomenos. Er hatte seiner seits einen Sohn namens Phrixos und eine Tochter, Helle. Phrixos und Helle flohen aus Orchomenos vor den Nachstellun gen ihrer Stiefmutter Ino. Bei ihrer Flucht half ihnen ihre leib liche Mutter, die Wolkengöttin Nephele. Sie schenkte ihnen einen geflügelten Widder, dessen Vlies ganz aus Gold war. Der Gott Hermes hatte ihr seinerseits das Wundertier zum Ge schenk gemacht. In Kolchis angekommen, opferte Phrixos den W idder den Göttern, das Fell mit der goldenen Wolle aber überließ er dem Kolcherkönig Aietes. Als Gegenleistung ge-
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währte man ihm Gastrecht und gab ihm Aietes' Tochter Chal kiope (die »Kupferäugige«) zur Frau. Es liegt auf der Hand: Die vier Söhne, die Chalkiope dem Phrixos gebar, waren nur halben Herzens Kolcher. Es zog sie in die alte Heimat ihres Vaters - nach Griechenland! Seiner Sache ganz sicher, forderte Phrixos, als er schließlich starb, die vier Jünglinge auf, in seine griechische Vaterstadt Orchomenos zurückzukehren, um dort zu fordern, was ihnen gebührte. Die Söhne stimmten zu. Schließ lich war Phrixos' Vater Athamas König gewesen, und Phrixos' Nachkommen durften daher erwarten, mit gehöriger Ehrerbie tung empfangen und in Amt und Würden eingesetzt zu werden (um von handfesteren, mehr materiellen Vorteilen ganz zu schweigen). Allerdings war ihnen klar: Die Regelung ihrer An gelegenheit würde sich nicht ganz unproblematisch gestalten. Immerhin waren ihr Vater Phrixos und dessen Schwester Helle (die später in den Hellespont fiel) seinerzeit recht Hals über Kopf ausgerückt - zwar mit dem Segen des Gottes Hermes, doch ohne daß man ihnen in Orchomenos allzu viele Tränen nachweinte. Kurz: Die vier Phrixos-Söhne machten sich auf den Weg, erlitten prompt Schiffbruch, wurden aber zum Glück aufgefischt und gerettet. Wer rettete sie? Niemand anderes als unsere 50 Argonauten, die passenderweise zufällig des Weges kamen. Tatsächlich waren die Argonauten gerade ihrerseits auf dem Wege nach Kolchis, um dort die goldene Widder-Wolle wieder zuholen. Dagegen hatten die vier jungen Burschen absolut nichts einzuwenden, zumal ihr Großvater Athamas und Jasons Großvater Kretheus Brüder waren (beide waren Söhne des Windgottes Aiolos). Überdies waren den Argonauten gerade einige ihrer Gefährten abhanden gekommen (so waren zum Beispiel Herakles und Hylas verschwunden: Den Hylas hatte eine in ihn vernarrte Quellennymphe ins Wasser gezogen, und Herakles rannte, über den Verlust des geliebten Jünglings außer sich, wehklagend in der Türkei umher, rief vergeblich Hylas' Namen, verlegte sich dann aber auf das Gründen neuer Städte und vollbrachte Herkulisches). Kurz: Die vier Burschen aus Kolchis kamen gerade im rechten Augenblick, um die gelichte ten Kämpfer- und Ruderreihen wieder aufzufüllen.
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Was aber hatte es mit dem Land Kolchis selbst auf sich? Vielleicht finden wir, wenn wir es unter die Lupe nehmen, Hin weise auf Beziehungen zu Ägypten. Alles scheint in einem rätselvollen Land wie diesem möglich! Tatsächlich lesen wir, wenn wir bei Herodot nachschlagen 4, folgendes: »Die Kolcher stammen sicher von den Ägyptern ab. Ich wußte das schon, bevor man es mir sagte. Aber um mehr zu erfahren, befragte ich sowohl Kolcher als auch Ägypter. Dabei erinnerten sich die Kolcher mehr an die Ägypter als die Ägypter an die Kolcher. Allerdings sagten mir die Ägypter, sie hielten die Kolcher für Nachkommen von Leuten aus dem Heer des Sesostris.« Sesostris war der Name mehrerer ägypti scher Pharaonen der XII. Dynastie (1991-1785 v. Chr.). Manche Gelehrte jedoch sind der Ansicht, in Wirklichkeit sei hier mit »Sesostris« Ramses II. (1290-1224 v. Chr.) gemeint, der immer hin bis nach Syrien und Libanon vordrang, oder es läge eine Spiegelung noch späterer Zeit (etwa der Verhältnisse unter der Sa'itendynastie, 664-525 v. Chr.) vor, als Söldner aus aller Welt in ägyptischen Diensten kämpften und für sich, um ihr An sehen zu heben, unter Berufung auf die Kriegszüge großer Pharaonen der Vergangenheit eine »ägyptische Abstammung« konstruierten. Herodot fährt fort: »Ich selber schloß das daraus, daß sie ( die Kolcher) dunkle Hautfarbe und wolliges Haar haben. Das bedeutet freilich noch nicht viel, denn das gibt es auch bei anderen Völkern. Aber hinzu kommt noch, daß die Kolcher, die Ägypter und die Äthiopier ursprünglich die einzigen Völker waren, die die Be schneidung praktizierten. Die Phoiniker und die in Palästina wohnenden Syrer geben nämlich selber zu, daß sie die fragliche Sitte von den Ägyptern übernommen hätten, und die Syrer, die am Thermodon und Parthenios (= Flüsse in Nordost- und Nordkleinasien) wohnen, desgleichen ihre Nachbarn, die Ma kroner, sagen, sie hätten den Brauch erst vor kurzer Zeit von den Kolchern entlehnt. Denn das sind die einzigen Völker, bei denen es Beschneidung gibt, und sie alle ahmen zweifellos die Ägypter nach. Von der Ägyptern und Äthiopiern aber kann ich nicht mit Gewißheit sagen, wer wen nachahmt, denn offen-
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kundig handelt es sich um eine uralte Sitte. Daß die anderen Völker die Beschneidung aber von den Ägyptern haben, darin bestärkt mich noch die Tatsache, daß Phoiniker, die viel mit Hellenen in Berührung kommen, sich nicht mehr nach den Ägyptern richten und ihre Kinder unbeschnitten lassen*. Außerdem verbindet noch etwas anderes Kolcher und Ägyp ter: Allein die Kolcher verfertigen Leinwand nach der gleichen Methode wie die Ägypter, und beide Völker sind einander auch in Sprache und Lebensweise außerordentlich ähnlich.« Damit haben wir eine Erklärung für die Verknüpfung der Argonautensage mit Kolchis, die nicht nur manches für sich hat, sondern als gesichert gelten darf. Kein Wunder, daß sich das von Hermes (das heißt: von Anubis) der Helle und dem Phrixos geschenkte goldene Widderfell ausgerechnet in Kolchis be fand: War Kolchis doch ein ganz und gar ägyptisches Land! Doch weil die Helden einer griechischen Erzählung Griechen sein mußten und keine Ägypter sein durften, machte man die Argonauten allesamt zu Minyern aus dem boiotischen Orcho menos. Damit war gleichzeitig die uns schon von den Anunnaki her vertraute »Anonymität der Fünfzig« ein Stück weit gewahrt. Verschiedene epische Dichter, die die Erzählung bearbeiteten, unterschoben den oder jenen Sagenhelden. Im bedeutendsten der erhaltenen Argonauten-Epen, dem des Apollonios von Rhodos, befinden sich Orpheus und Herakles; allerdings blieb Herakles, wie oben geschildert, unterwegs zurück, weil er den Verlust des Hylas nicht verschmerzte. Tatsächlich war Herakles so offenkundig als »Gaststar« und »Kassenmagnet« ausgeborgt, daß wir seinen Auftritt in der Argonautenshow kaum ernst zu nehmen brauchen. Doch weiter: Ich sagte es schon: Apollonios von Rhodos, der große »Filmproduzent« des Hellenismus (3. Jahrhundert v. Chr.), dessen Argonautendichtung das einzige erhaltene griechische Großepos zwischen Homer (8. Jahrhundert v. Chr.) und Nonnos (5. Jahrhundert n. Chr.) ist, machte auch Orpheus zum Mitglied seines Ensembles. Ein gelehrter Spezialist für * Aus religiösen G ründen ist die Beschneidung bei den Dogon von entschei dender Wichtigkeit
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Helden-Stammbäume dagegen, Pherekydes von Athen, hatte rund 200 Jahre früher ausdrücklich versichert, Orpheus habe nicht zu den Argonauten gehört. Caesars Zeitgenosse Diodor wiederum, ein Grieche aus Sizilien, der eine Weltgeschichte verfaßte, die von mythischer Vorzeit bis hin zu Caesars Er oberung Britanniens reichte, behauptete, es habe auch ein weib liches Mitglied der Argonautenschar (eine Argonautin also) gegeben: die berühmte arkadische Jägerin Atalante! Weiter hin betont Apollonios von Rhodos mit Nachdruck, Superstar Theseus sei gerade im Hades und an anderer Stelle beschäftigt gewesen (offenbar stand er anderweitig unter Vertrag), doch der neapolitanisch-römische Dichter Statius (l. Jahrhundert n. Chr.) machte Theseus dennoch zum Argonauten - anscheinend arbeitete er für das andere Studio! H. W. Parke hat unterstrichen, daß es sich bei der Einführung von Sehern Apolls um einen Propagandaeffekt handelte, in dem die zunehmende Macht des delphischen Orakels Aus druck fand, das das ältere Orakel von Dodona verdrängte, um selbst dessen Platz einzunehmen. Parke hat nachgewiesen: Alles, was in der Argo-Sage mit Orakeln zu tun hat und von wirklich zentraler Bedeutung ist, bezieht sich mehr oder weniger auf Dodona, nicht auf Delphi. Delphi errang seine Führungsposition erst in den Jahrhunder ten, die der klassischen Periode Griechenlands vorangingen. Anfangs hatte es Dodona durchaus nichts voraus - nichts als (wenn man so will) die Vorbestimmung, eines Tages zur Zeit eines Sokrates und der griechischen Klassik Nummer Eins unter den griechischen Orakeln zu sein. Parke folgert: Alle die delphi schen, alle die apollinischen Elemente in der Argo-Erzählung seien späte Zutaten aus einer Zeit, als Delphi längst vor Dodona rangierte. Dies dürfte dagegen noch nicht für jene Fassung der Argo-Überlieferung gegolten haben, die Homer vorgeschwebt haben muß, als er jene berühmten Zeilen der Odyssee schrieb (12, 69-72), \VO von »Argo, der allbesungenen«, den Symple gaden (den zusammenschlagenden Felsen) und von Jason die Rede ist. Die betreffende Stelle dient als Beweis für das hohe Alter der Argonautentradition, ja manche sehen durch sie gar als erwiesen an, daß es schon vor der Odyssee ein altes Argo146
nautenepos gab. Bezeichnenderweise ist bei Homer von keinem anderen Argonauten namentlich die•Rede. Tatsächlich liegt es vielmehr, wie bereits oben erwähnt, auf der Hand: Wesentliches Merkmal der Argonauten war ihre Zahl 50 und ihre Verwandt schaft (welch bequeme Form der Anonymität: Es waren Vet tern!). Hervorragende hellenische Sagenhelden traten erst spä ter in ihre Reihen, als epische Dichter miteinander wetteiferten, den Argonautenstoff mit bekannten Farbtönen anzureichern. Mit Ausnahme Jasons steht es bei keinem der im Zusammen hang mit dem Argonautenzug erwähnten Heroen wirklich hundertprozentig fest, ob er teilnahm oder nicht. Ja sogar Jason war - Robert Graves The Greek Myths zufolge - ursprünglich niemand anderes als Herakles selbst, während Herakles seiner seits aus dem hundertarmigen Riesen Briareos hervorgegan gen sein soll, der einst, von Uranos in den Tartaros geworfen und von Zeus befreit, Zeus im Kampf gegen die Titanen zur Seite stand und ihn vor einer Götterverschwörung rettete .. Selbstverständlich bedeutet _all dies nichts weiter als das: Bei den Argonauten handelte es sich keineswegs um Individuen, ja auf ihre Individualität kam es überhaupt nicht an! Die Argonauten waren ihrer 50 an der Zahl, sie waren mit einander verwandt, brachten die meiste Zeit sitzend zu und fuhren in einem Zauberschiff - genau wie die Anunnaki, genau schließlich wie einst die 50 anonymen Gefährten Gilgameschs. Und was das Zauberschiff angeht: In den Gilgamesch-Frag menten aus altersgrauer sumerischer Frühzeit handelte es sich um ein Magan-Boot - ein Schiff oder Boot, das irgendwie mit Ägypten zu tun hatte. Wir sind damit im Begriff, das nackte Gerippe der Argo-Erzählung bloßzulegen. Ich glaube nicht, daß jemand je zuvor so tief zu den ältesten Schichten dieser Erzählung vorgedrungen ist! Im übrigen beschreibt nicht nur Herodot, sondern auch Pindar die Kolcher als »schwarzge sichtig«, und zwar in seiner IV. Pythischen Ode. Es gilt noch, den Versuch eines Zeitansatzes zu wagen. Wenn Herodot recht hatte und die Kolcher von ägyptischen Soldaten aus der Zeit irgendeines Pharao namens Sesostris abstammten, und wenn ferner die Vermutung einiger Wissen schaftler zutrifft, bei besagtem »Sesostris« handle es sich um 147
keinen der wirklichen Pharaonen dieses Namens, sondern es läge eine Verwechslung mit Ramses II. vor, dann müßten jene Ägypter irgendwann zwischen 1301 und 1234 v. Chr. nach Kolchis gekommen sein - wiederum vorausgesetzt, daß der Zeitansatz John A. Wilsons 5 für Ramses' 66 Regierungsjahre richtig ist. Doch dies soll nur als allgemeiner, ungefährer Zeitansatz für das etwaige Alter unseres Materials dienen. Anscheinend gibt es nicht den geringsten archäologischen Anhaltspunkt für die Lage Aias, der bisher noch ihrer Entdeckung harrenden Hauptstadt von Kolchis. Aia muß an der Schwarzmeer-Ost küste gelegen haben, unmittelbar an einem im Altertum unter dem Namen Phasis bekannten Fluß nicht weit von der heutigen sowjetisch-türkischen Grenze, aber jenseits davon, auf so wjetischem Gebiet. Fast kann ich mich des Verdachts nicht erwehren: Man hat noch gar nicht wirklich nach Aia gesucht. Und doch wäre es ganz sicher eine außerordentlich interessante Grabungsstätte, denn vermutlich kämen hier, vermischt mit Material armenisch-kaukasischer Prägung, ungewöhnlich viele Funde ägyptischen Stils zum Vorschein. Für einen Kenner der Kunst des antiken Mittelmeerraums dürften diese Objekte von größtem Interesse sein, fast sicher würde man auf kostbare Metallarbeiten stoßen, insbesondere wäre das Fundinventar wohl reich an Gold. Es wird sich noch herausstellen, daß sich unweit der mutmaßlichen Lage Aias ein berühmtes antikes Metallurgiezentrum befand, und natürlich fände man zu guter Letzt die Bestätigung für die Angaben Herodots! Hier eine Beschreibung der Lage für alle, die Lust spüren, auf die Suche zu gehen: »Sie erreichten die breite Mündung des Phasis am Ende des Schwarzen Meeres . . . und dann ruderten sie gerade wegs in den mächtigen Fluß, der mit gegen beide Ufer hin schäumenden Wellen dem Bug ihres Schiffes den Weg freigab. Zur Linken lagen der ragende Kaukasus und Aia, die Stadt, rechts Ares' Ebene und des Gottes Heiliger Hain, darin, von der Schlange bewacht, das über die belaubten Zweige einer Eiche gebreitete Vlies.« Daß hier von einer Eiche in einem Hain die Rede ist, gehört zu den Anspielungen der Argonautensage auf Dodona. Später werden wir sehen, daß die Übereinstim mung in diesem Punkte außerordentlich wichtig ist. 148
Doch zurück zur Frage des Zeitansatzes, wobei wir die frühe Erwähnung der »allbesungenen Argo« in der Odyssee nicht ver gessen dürfen! Erinnern wir uns an die von mir erwähnten Daten, als ich die grundsätzliche Übereinstimmung hervor hob, die in wesentlichen Details zwischen den astronomischen · Systemen Sumers und Ä gyptens besteht. Ich unterstrich, daß die babylonischen Schrifttafeln aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. stammen und wir damit eine obere Zeitgrenze für den ehemals sumerischen Bereich zu fassen bekämen. Die ägyptischen »Sternuhren«, denen diese babylonischen Zeugnisse, was die Einteilung des Kalenders angeht, so aufs Haar gleichen, hatten im Ägypten des 1. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung schon Änderungen erfahren. So hatte man die ältere Zehntagewoche durch eine Fünfzehntagewoche ersetzt ein klarer Hinweis, daß die Überlieferung längst nicht mehr ungetrübt war und immer mehr entartete. Aus all dem sehen wir: Im ! . Jahrtausend v. Chr. waren die ägyptischen Sternuhren längst nicht mehr, was sie einst waren und wie sie zu sein hatten. Damit kommen wir für Ägypten auf eine unterste Zeitgrenze am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr., und dies deckt sich mit der unteren Grenze, die wir für Sumer feststellen konnten. Ich bin hier versucht, mich einer natur wissenschaftlichen Ausdrucksweise zu bedienen und darauf hinzuweisen, daß die fraglichen Daten von einer »Größen ordnung« sind, die der der Regierungsdaten Ramses' II. ver gleichbar ist, und in die Regierungszeit Ramses' II. haben wir ja - wenn auch nur versuchsweise - die Besiedlung von Kolchis durch ägyptische Kolonisten verlegt. Ganz sicher ist dieses Zusammentreffen von Daten und Ereignissen, die samt und sonders zu demselben Material in Beziehung stehen, kein Zu fall. Uns bleibt damit keine andere Wahl als die, die Zeitmarke 1200 v. Chr. plusminus einige Jahre oder Jahrzehnte als Unter grenze der Verbreitung »unseres« Sirius-Materials im gesamten Mittelmeerraum anzusehen, aus welcher Quelle es auch stamm te. Die Verzerrung und Entartung besagten Materials wäre erst in der Folgezeit anzusetzen. Es könnte unter Umständen von einer gewissen Bedeutung sein, daß der genannte Zeitpunkt ein gutes Stück hinter dem 149
Ende der minoischen Herrschaft über den Mittelmeerraum liegt. In Anbetracht dessen, daß sich damals das Siriusmaterial verbreitete, stellt sich mir eines als offenkundige Tatsache dar: Als die minoische Seemacht, deren Basis Kreta war, zusammen brach, war für die Bewohner des Nahen Ostens die Zeit ge kommen, sich selbst auf die See hinauszuwagen, um das Va kuum zu füllen, das der Untergang der minoischen Flotten hinterlassen hatte. Denkbar wäre allerdings auch, daß fliehende Minoer ihre Kultur überall dort verbreiteten, wo sie nach dem Zusammenbruch ihres Volkes im Mittelmeerraum Zuflucht suchten, doch diese Vermutung hat weniger für sich, und ich vermag nicht zu glauben, daß versprengte Minoer allein die Quelle der Verbreitung des Wissens über den Sirius waren. Im übrigen neige ich dazu, dem sich immer mehr häufenden Beweismaterial Glauben zu schenken, demzufolge Ausbrüche des Vulkans der Kykladeninsel Thera der minoischen Kultur den Todesstoß versetzten. In seinem Kapitel: Minoan Civili zation: Maturity and Zenith (Die minoische Kultur: Reifephase und Höhepunkt) in der Cambridge Ancient History äußert Friedrich Matz: »Der friedliche Übergang der Macht von den Minoern auf die Mykener, der sich auf Kreta abspielte, ist schwer zu erklären.« Es wird jedoch sofort einleuchtender, wenn man in Rechnung stellt, daß Vulkanausbrüche die Minoer ge schwächt hatten. Die minoischen Städte besaßen keine Fe stungsmauern. Anscheinend verließen sich die Minoer, die sich auf ihrer Insel in Sicherheit wähnten, darauf, ihre unangreifbare Seemacht werde Störenfriede schon in Schranken halten, ge nauso wie später in klassischer Zeit die Spartaner in ihrer mauerlosen Stadt ihrer unüberwindlichen Landstreitmacht ver trauten. Für Landstreitkräfte war die Insel Kreta unerreichbar, und da die Minoer die absolute Überlegenheit zur See besaßen, waren sie zu Hause praktisch unverwundbar. Aus den jüngsten Befunden, die aufThera selbst erhoben wurden, scheint hervor zugehen, daß die Städte auf der kleinen Vulkaninsel rund 100 km nördlich von Kreta infolge von Erdbeben schon ein paar Jahre früher geräumt wurden, bevor die Katastrophe ausbrach, der die minoische Kultur zum Opfer fiel. 150
Im ersten Buch seiner Historien (dort im Kapitel 27) führt uns Herodot sehr anschaulich vor Augen, wie hoffnungslos es um eine Landmacht steht, wenn sie den Versuch unternimmt, eine Seemacht zur See herauszufordern. Laut Herodot gaben die lydischen Landratten ihre Pläne auf, Schiffe zu bauen und ihre Macht auf die Inseln vor der kleinasiatischen Küste auszudeh nen, sobald ihnen klar wurde, daß sie eigentlich keinen Schim mer hatten, worauf sie sich dabei einließen. Wenn aber die Seestreitkräfte der Minoer von gewaltigen Wogen zerschlagen worden waren, die ein Seebeben aufgewühlt hatte, blieb den Minoern gar nichts anderes übrig, als sich mit den Mykenern zu arrangieren. Alles andere hätte Selbstmord bedeutet. So schlossen sie wahrscheinlich einen ehrenvollen Vertrag oder eine Reihe von Verträgen, die dem Unvermeidlichen einen Anstrich von Freiwilligkeit gaben, und wenn die Mykener vor den Minoern, deren Kultur der ihren überlegen war, von alters her einen gewissen Respekt empfanden - um so besser für die Minoer, die auf diese Weise eine echte Chance hatten, sich wie Gentlemen zu einem oder mehreren derartigen Abkommen »herablassen« zu können. Doch die Einflußsphären der meergewohnten Minoer konn ten die Mykener nicht einfach mitübernehmen. Fehlte ihnen doch die Erfahrung zur See (von Schiffen ganz zu schweigen), um auf dem Meer das zu vollenden, was sie mit der Einnahme eines großen Teils der Insel Kreta begonnen hatten, wobei sie wohl durch die von mir vermuteten Vertragsabschlüsse abge sicherte Teilgebiete den bisherigen Inselbewohnern als Reser vate überließen. Nicht daß es den Mykenern an Energie, an Willenskraft gefehlt hätte, aber die Flotten der Minoer waren wohl zerstört, und selbst die kollaborationswilligsten mino ischen Seeleute konnten nicht auf Schiffen, die es gar nicht gab, für die mykenischen Invasoren in See stechen. Weiterhin war wohl die Festigung der Macht auf der neugewonnenen Insel Kreta eine zu zeitraubende Aufgabe für die neuen mykenischen Herren, die diese von anderen Dingen fernhielt. Aus all diesen Gründen konnten daher Kretas Besatzer nicht den vollen Status der früheren Herren dieser Insel erreichen und die vollständige Herrschaft über das Mittelmeer erlangen.
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Schon vor dem Seebeben hatten die Mykener nach besten Kräften den Minoem den Rang abzulaufen versucht und sie wahrscheinlich unter Theseus auch schon angegriffen. Von F. H. Stubbings 6 erfahren wir, daß die Minoer eine »katastro phale Sizilien-Expedition« gegen den mykenischen Handel im zentralen Mittelmeerraum unternahmen. Natürlich erinnert uns dies an die berühmt-berüchtigte Sizilische Expedition der Athener nach Syrakus (415-413 v. Chr.), die für die Athener mit einer totalen Katastrophe endete und letztlich dazu führte, daß Athen den Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) ver lor. Zweimal war also Sizilien Ursache großer historischer Kata strophen, die in einem nicht absehbaren Ausmaß den Gang der Dinge in Staaten außerhalb Siziliens veränderten . Jedenfalls sehen wir: Die Macht der Minoer war bereits im Sinken, als die endgültige Katastrophe sie ereilte. Stubbings äußert: »Wirklich gewiß istjedoch nur, daß Kretas Fall die Bahn für eine unvorstellbare Zunahme mykenischer Aktivitäten freigab« - und wir dürfen sicher sein: auch für eine unvorstell bare Zunahme der maritimen Aktivitäten Ägyptens . Ägypten, von dem wir wissen, daß es lebhafte Handelsbeziehungen zum minoischen Kreta unterhielt, hatte wohl gar keine andere Wahl. Seine Devise lautete: Ausbau der eigenen Seefahrt oder ein schneidender Rückgang der Importe. Vielleicht haben wir sogar die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß der Name Minyas (und daher der auch auf die Argonauten angewandte Name Minyer) irgend etwas mit dem Namen »Minos« zu tun hatte (von dem wir die heute gebräuchlichen Bezeichnungen »Mi noer« und »minoisch« ableiten. Doch wie dem auch sei jedenfalls trieben die Minoer einen lebhaften Handel mit Ägypten, und sie waren die besten Seeleute ihrer Zeit. Dieser Überblick lohnte sich, obwohl die geschilderten Er eignisse lange vor unserer oberen Datumsgrenze stattfanden (die nichts anderes als eine obere Grenze und kein zeitlicher Fixpunkt sein will). Ja vielleicht ist der Zeitpunkt des Minoer Zusammenbruchs sogar ein noch deutlicherer Markstein. Be deutete doch das Abtreten der minoischen Seemacht von der Bühne des Kräftespiels im ,Mittelmeerraum Entfaltungsspiel raum für eine ganze Reihe anderer Völker, die sich nun unan152
gefochten der Seewege bemächtigen konnten. Und dies wie derum brachte wohl die mannigfaltigsten Kontakte zwischen den verschiedensten Kulturen mit sich, die zuvor die Einförmig keit des minoischen Seehandelsmonopols einfach »unter den Tisch gebügelt« hatte. Wer immer in all den Mittelmeer-An rainerländern von Unternehmungslust gepackt wurde - Hinter wäldler vom griechischen Festland, überzüchtete Städter von den Ufern des Nils, geschäftstüchtige Semiten aus Libanon, Kanaan und Palästina -: Sie alle blickten gebannt auf ihre große Chance, sie alle fanden etwas, das lief und sich absetzen ließ. All diese Leute, die sich nun frei auf dem offener geworde nen Meer bewegten, brachten unvermeidbar eine Vermischung und gegenseitige Befruchtung der Kulturen mit sich, wenn auch Seeräuber gleichfalls ihre Chance erkannt und in zunehmen dem Maße ihr Unwesen getrieben haben müssen. Es muß eine Menge ertrunkener Seemänner und schiflbrüchiger Kaufleute gegeben haben, doch auch eine faszinierende Mischung reli giöser und kultureller Elemente - und damit auch eine Ver breitung unseres Sirius-Materials weit über die Grenzen Ägyp tens und Sumers hinaus. Zwei Jahrtausende oder noch länger hatten Ägypter und Sumerer so manches Geheimnis gehütet, doch nun gab die Büchse der Pandora diese Geheimnisse frei, und sie hielten dort Einzug, wo in der Gluthitze kriegerischer Taten mykenischer Helden vor Troja und anderswo das Eisen griechischer Kultur geschmiedet wurde . Das heroische Zeit alter brach an, aretJ (das klassisch-griechische Ideal des sich Auszeichnens in allem) war im Begriff, in Epen wie der ver lorenen Thebais und der erhaltenen J/ias aus Blut und Tränen gehämmert zu werden, und die großangelegte Odyssee sowie die Erstfassung der Argonautensage kamen hinzu. Tief einge graben wie messerscharfe Drachenzähne in zähen Schlacht roßfleisch aber sollte fortan das »Knochengerüst unseres Sirius materials« durch die dünne Haut schimmern, mit der die grie chischen Epen es umgaben, um erst heute - wie einst Jasons und Kadmos' Drachensaat - als waffenstarrende Streitmacht gelehrter Kontroversen wieder hervorzubrechen. Die Kämpfer haben das Schlachtfeld wieder betreten. Es gilt, ihnen ins Auge zu blicken. Doch statt zu kämpfen, sollten wir diese fremdartigen 153
Wesen lieber nach ihrer Herkunft fragen. Wir haben in ihnen lebendige Überbleibsel einer Welt vor uns, die fast ganz über unser heutiges Begreifen geht. Um in das Argonautendunkel weiteres Licht zu bringen, wenden wir uns einem unschätzbaren Kompendium all jenes Wunderbaren und Absonderlichen zu, das der Welt der Grie chen anhaftete: Wir meinen Robert Graves' hervorragendes Werk The Greek Myths. Dort lesen wir 7: »Aiaia ( >klagendFalkeRegie• Die Szene ist auf Tafel 17 dargestellt. Wir sehen dort ein griechisches Vasen bild aus der Zeit um 470 v. Chr. , es zeigt Artemis mit dem Bogen und einige ihrer in Aktaion verbissenen Hunde.
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rungFergeSchnittpunkt< sein Name sein, der ihre Mitte be herrscht . . .« und dergleichen mehr. Allerdings steht hier ebenso wie bei der überlieferten Horns-Gestalt - hinter offen kundig solaren Elementen eine eindeutig stellare Komponente. Dennoch will ich nicht zuviel Verwirrung stiften, indem ich zu viele Schichten auf einmal vom Kern abtrage. H ier mag es viel mehr genügen, die schon früher zur Sprache gebrachten Ver knüpfungen des Horus mit dem Siriussystem in Erinnerung zu rufen und festzuhalten: Es gibt einen l;leru-ami-Sept-t (Sothis Horus) und einen Heru-Sept (Hundsstern-Horns), wobei zu sätzlich anzumerken ist - diesmal mit Seitenblick auf den mit dem Planeten Jupiter verknüpften Nebiru -, daß es in Ägypten einen l;leru-sba-res (Horus des Südsterns) so�ie einen l;leru-up Shet (Jupiterhorus) gab. Auch im Enuma elish ist Nebiru ein deutig ein Stern. Weiterhin existierte eine Horusform als l;leru ami-u (habichts- bzw. falkenköpfiges Krokodil mit hundsköpfi gem Schwanz). Das durch den Hundskopf des Krokodilschwan zes repräsentierte »hündische« Element hatßezug zum »Hunds stern« Sirius. Und eine Schakalform des Horus hieß l;leru-ur shefit. Weiterhin war l;leru Bezeichnung eines Szepters und einer schakalköpfigen Standarte im Jenseits. Das verbreitete Wort Neb taucht im Zusammenhang mit Horus in der Kombi nation l;leru-Neb-urr-t (Horus, Inhaber der höchsten Krone) sowie in Heru-Neb-pät (Horus, Herr der Menschen) auf. l;leru Neb-taui ist »Horus, Herrscher der beiden Länder« (Ober- und Unterägypten). Man denke dabei an unsere Apposition für Ne biru: Herr der Länder! Wir dringen immer tiefer in die Sage vom Goldenen Vlies ein und zu den ägyptischen Ursprüngen griechischer sowie altorientalischer Vorstellungen vor, wir finden Schlüsselworte, sprechende Namen und dergleichen mehr. Kristallisations punkt ist dabei stets der seltsame Siriuskomplex - doch was wollten wir sonst auch finden? Vielleicht müssen wir- uns nun von all diesen ägyptischen Wörtern freimachen. Unser Thema hat noch viele andere Aspekte, und wir kommen der Lösung des Rätsels immer näher, das unser Ausgangspunkt war.
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ZUSAMMENFASSUNG Der sumerische Himmelsgott An hatte eine Tochter Bau (ihr Name steht lautmalerisch für Hundegebell, ebenso wie die alt ägyptische Bezeichnung für »Hund«, die äuäu lautete). Bau war eine hundsköpfige Göttin. Hundsköpfig war auch der ägyptische Gott Anubis (anpu). Als Tochter des An ist die sumerische Bau Schwester der 50 »Großen Götter« (Anunnaki), die gleichfalls An-Kinder sind. Da Bau eine Siriusgöttin sein könnte, ist die Tatsache von Bedeutung, daß sie Schwester der »Fünfzig« ist, denn Sirius B hat eine Umlaufzeit von 50 Jahren. Das Goldene Vlies befand sich in Kolchis am Schwarzen Meer. Jason und seine Argonauten suchten es dort. Vor 1200 v. Chr. war Kolchis ägyptische Kolonie. Herodot unterstreicht, daß die Ägypter den Brauch der Be schneidung einführten, der auch bei den Kolchern fortlebte, die er besuchte (die Hebräer übernahmen die Beschneidung in der Zeit der Unterdrückung durch die Ägypter). Bezeichnender weise ist das Sigui-Fest der Dogon, das mit ihrem Sirius-Geheim wissen zu tun hat, weitgehend gleichzeitig Beschneidungsfest. Eine wichtige Rolle in der A ,go-Erzählung spielt eine Frauen gestalt namens Kirke (deren Name »Habicht« oder »Falke« bedeutet). Auch Isis' Sohn Horus wurde durch einen Falken oder Habicht symbolisiert. Kirkes Reich war der Friedhof in Kolchis (ursprünglich ein ägyptischer Friedhof, da Kolchis eine ägyptische Kolonie war). Horus, dessen Domäne der Friedhof von Memphis in Ägypten war, dürfte wohl auch über den Fried hof in Kolchis geherrscht haben, solange unmittelbar ägyp tischer Einfluß am Werk war. Kirke ist sicher eine griechische Abwandlung von Horus. Das griechische Wort kirke bedeutet - nicht als Eigenname, sondern als gewöhnliche Vokabel - »eine Habicht- oder Falken art«, »eine unbekannte Vogelart«: Dies ist genau jene Art von Unklarheit, die man bei einer von den Ägyptern entlehnten und nicht völlig verstandenen Vorstellung erwarten darf. Aktaion - Verkörperung eines den Göttern (zum Opfer) ge weihten Hirschkönigs - wurde von 50 Hunden gehetzt (Hunde motiv plus Fünfzigermotiv) und schließlich mit silbernem Bo172
gen erschossen (nach der Überlieferung war Sirius der »Bogen stern«, und auch die ägyptische Siriusgöttin trug einen Bogen). Der Opferkönig - wie Aktaion ihn repräsentierte - hatte eine »Regierungszeit« von 50 Monaten. Es läßt sich plausibel ma chen, daß »50 Monate« nur eine Kurzform von »50 Jahren« darstellten, doch zeichnen sich hiermit unleugbare antike Tra ditionen ab, die Sirius mit 50 Zeitintervallen bzw. Zeiteinheiten (gleich, ob Monate oder Jahre) in Zusammenhang bringen, die zusammen »eine Regierungszeit« ergeben. Natürlich könnte die Umlaufzeit des Sirius B, die 50 Jahre beträgt und »eine Periode« ergibt, in der Ausdrucksweise des Mythos zu einer »Herrschaftszeit« bzw. »Regierungszeit« werden. Wie im Ka pitel 6 noch darzulegen ist, wurde später die Fünfzigmonats periode auch den Olympischen Spielen zugrundegelegt, als sie eingerichtet wurden. Und zwar bestimmte sie jeweils das Zeit intervall zwischen zwei Spielen, zwischen denen stets ungefähr vier Sonnenjahre lagen. Tatsächlich wurden die Olympischen Spiele durch Zwischenräume von abwechselnd 49 und 50 Mo naten voneinander getrennt. Dies läßt vermuten, daß man den Versuch machte, die 49,5 Jahre des genauen Sirius-B-Umlaufs in einen »Mond-Kode« umzusetzen. Denn wenn man die Zeit zwischenräume verdoppelte und jeweils zwei unmittelbar auf einanderfolgende miteinander addierte, ergab sich 49 plus 50, und dies ist genau soviel wie 49,5 plus 49,5. Die einzige Theorie, die bisher zur Erklärung der »fünfzig Monate« zwischen den Olympischen Spielen Altgriechenlands vorgetragen wurde, äußerte Robert Graves, doch seine Lunar-Hypothese erklärt weder den Wechsel von 49 und 50 Monaten, noch andere rätsel hafte Aspekte. Wahrscheinlich liegt die wahre Erklärung im Sirius-Rätsel begründet, sie wurde später von einer Lunar-Tra dition überlagert, die man Nichteingeweihten als »Erklärung« auftischte, obwohl sie offenkundige Mängel aufweist. Außerdem war es im Altertum üblich, zwei fünfzigmonatige Opferkönigs-Perioden zu einem »Großjahr« von 100 Monaten zusammenzufassen (praktisch kam man - ebenso wie bei den Olympiaden - gleichfalls nur auf 99 Monate, doch theoretisch benutzte man die runde Zahl 100, um den Zeitraum zweier »Herrschaftsperioden« von Opferkönigen zu umreißen). An das 173
griechische Zahlwort für »hundert« klingt auch der Name der griechischen Göttin Hekate an. Sie hatte mit der A ,go-Erzäh lung zu tun. Robert Graves setzte sie mit Isis gleich, im übrigen war sie mit Sirius als »unterweltliches Gegenstück« verbunden. Die 50 Höllenhunde, die Aktaion jagten, haben ihre Ent sprechung in Kerberos (Cerberus), dem »Höllenhund«, der ur sprünglich 50 Köpfe hatte. Später kam man von dieser Vorstel lung wieder ab, ebenso wie man Gilgameschs 50 Gefährten aus der Überlieferung verbannte, übrig blieben drei Kerberos Köpfe. Doch Hesiod zufolge, besaß er ursprünglich 50. Hiermit liegt abermals eine Verknüpfung des Hundemotivs mit der Zahl 50 vor (Sirius als Hundsstern!), und die Beziehungen zu Sirius sind durchaus mehrschichtig - so etwa durch die Göttin Hekate, die »Unterwelt-Version« der Sirius-Göttin (auch die 50 sume rischen Anunnaki hatten ihre Gegenstücke in der Unterwelt. Fünfzig in 'der Unterwelt, dem Reich der Toten oder Schatten, und fünfzig im Himmel gibt zusammen 100). Die einzige Gichtmedizin, die man kannte, wurde aus der 'Herbstzeitlose gewonnen, deren botanischer Name Colchicum lautet - dies nach Kolchis, der Heimat dieser Pflanze. Die Pro duktion dieses wichtigen Medikaments könnte auch das Vor handensein einer Kolonie in Kolchis erklären. Außerdem brachte man die Kolcher mit Safran - dem Gewürz- und Farb stoff der Krokuspflanze - in Verbindung. Tatsächlich gedieh Echter Safran an der Schwarzmeerküste. Er ergab eine gold gelbe Färbertinktur, die erklären könnte, warum man im Zu sammenhang mit Kolchis von einem »goldenen« Vlies sprach. Außerdem ist ein goldenes Vlies ein Sonnensinnbild. Horus war ein ägyptischer Sonnengott. Die Reibelaute »!« und »r« waren im Ägyptischen austauschbar. Somit könnte man die agyptische Namensform für Horus (t.Ieru) auch als t.Ielu aussprechen, was zu dem Namen des griechischen Sonnengottes H elios zu passen scheint. Von Helios glaubte man, er stelle seine Rosse in Kol chis unter. Und das griechische Wort für »Wolle« - das ja in engem Sachzusammenhang mit »Vlies« steht - lautet erion. Es könnte gleichfalls mit t.Ieru in Verbindung stehen, nur das in diesem Fall - im Gegensatz zu »Helios« - das »e« am Anfang kurz ist und das anlautende »h« entfällt. 174
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Die Orakelzentren
Nunmehr wird sich eine Betrachtung der antiken Orakelzentren als nützlich erweisen. Beim flüchtigen H insehen scheinen diese Zentren nur ganz zufällig über die Landkarte verteilt. Dennoch gibt es einen ganz bestimmten Verteilungsschlüssel, ein ganz bestimmtes Streuungsmuster, und es wird sich herausstellen, daß dieser »Schlüssel«, dieses Muster, in gewisser Beziehung zu unserem Thema steht und im übrigen nicht zuletzt davon zeugt, welch enormes Wissen auf den G ebieten der G eographie und verwandter Disziplinen man im A ltertum besaß. Es wird sich bei der Untersuchung der Orakelstätten weiterhin herausstellen, daß abermals ein Zusammenhang mit dem Schiff A rgo besteht, und schließlich werden wir ein wenig vom bisher fehlenden religionsgeographischen Hintergrund antiker Mysterienkulte mitbekommen. Die Orakelzentren waren die wichtigsten Kult stätten in der alten Welt. Es ist nur sinnvoll, daß ihre Verteilung nicht das Produkt bloßen Zufalls war, um von Lagevorteilen ganz zu schweigen. Denn welcher Platz lag zum Beispiel weiter abseits als das epeirotische Dodona von Griechenland? Dodona lag außerhalb der eigentlichen griechischen Kulturwelt - ein Stück zu weit nach N orden und Westen hin, als daß es für irgend einen G riechen noch bequem erreichbar gewesen wäre. Warum befand sich eine für die G riechen dermaßen wichtige und so alte Stätte der Gottesverehrung weitab in der Wildnis? Und um auch darauf zu kommen - warum landete Noahs Arche auf einem Berg, den kaum einer gesehen hatte und der sogar noch weiter abseits lag als selbst Dodona? Wir werden sehen: Die Arche und das Schiff A rgo und beider Verbindungen mit dem Siriusrätsel - sie hatten sehr viel mit der antiken Religions geographie des M ittelmeerraums zu tun. Es kommt allerdings darauf an, daß wir diesen außerordentlichen Zusammenhän gen sehr gründlich nachgehen. W ir sind im Begriff, ein höchst kompliziertes, verwickeltes Webwerk antiker Bräuche zu betrachten, dessen Struktur sich allerdings für uns abzeichnet. Doch gehen wir die Sache auf einem einfacheren Wege an, als ich es ursprünglich selbst tat! Stellen wir uns vor, das Sternbild des H immelsschiffs Argo
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Kleinasien
wäre auf die Erdoberfläche projiziert! Manchem mag dies ver rückt vorkommen, doch der Leser muß mir nur Vertrauen schenken. Schließlich handelt es sich um ein Himmelsschiffi Warum also sollte man es nicht von oben herab auf die Erde projizieren? Am augenfälligsten von den A ,go-Sternen ist Ca nopus - wie wir von Allen erfahren1 , wurde er von Arat, Eudo xos und Hipparchos (den bedeutendsten griechischen Astrono men vor Ptolemaios) als »Steuerruder« (peda/ion) bezeichnet. 176
Abbildung 15. Das Verhältnis der Ortslagen (links) zueinander entspricht dem Verhältnis der abgebildeten Sterne im Sternbild Argo.
GUS
1tObservatorium< von Metsamor ist bedeckt mit rätsel haften kabbalistischen Zeichen. Tatsächlich geht die Hiero glyphenschrift in Armenien auf sehr frühe Zeit, vielleicht auf die Jungsteinzeit, zurück. Überall in Armenien finden wir Bil derschriftzeichen (Piktogramme) oder Felszeichnungen (Petro glyphen) in Felsbrocken, Höhlenwände oder Felswände einge graben oder eingeritzt. Gegenstand der Darstellung sind immer wieder vereipfachte Menschen- und Tiergestalten. Es bestehen kaum Zweifel, daß diese Zeichen ebenso als Kommunikations mittel dienten wie als Mittel rituellen und künstlerischen Selbstausdrucks.« Die beiden Autoren beschreiben auch Metsamors weitge spannte Kontakte mit der Außenwelt4. »Man darf die Leistungen der Sumerer als Pioniere der Kup fer- und Bronzemetallurgie nicht unterschätzen . . . Die frühe transkaukasische Kulturzone war, obwohl sie geographisch zum Nahen Osten gehörte, nur durch den zwar hohen, aber schmalen Kaukasus von den Steppen im Norden getrennt, und war er erst einmal dort, konnte niemand einen Händler daran hindern, weiter bis zu den kupferverarbeitenden Zentren Mitteleuropas vorzudringen. So stand Georgien mit den angrenzenden Ge bieten europäischen Einflüssen vielleicht ebenso offen wie sol chen aus dem Nahen Osten. Vielleicht war Transkaukasien ursprünglich gar nicht so sehr selbst Zentrum, sondern eher eine Region, wo die Metallverarbeitung aus zwei verschiedenen Richtungen eindrang - obwohl in bescheidenem Umfang auch schon früher vorhanden -, wo sie Wurzeln schlug und sich vom späten 3.Jahrtausend v. Chr. an entlang bestimmter Linien zu entwickeln begann, ohne länger in den Formen, die sie hier
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fand, von äußeren Anregungen abhängig zu sein . . . Metsamor gibt einen Anhaltspunkt, daß, wenn einmal - genau wie früher in Europa - fremde Kaufleute auf der Suche nach Metallvor kommen ins Land gekommen waren, ihre kupfernen, später bronzenen Fertigprodukte mitgebracht und der einheimischen Bevölkerung - sei es freiwillig oder unter Zwang - ihre Techni ken preisgegeben hatten, es nicht lange dauerte, bis eine orts ansässige Industrie entstand. Wenn das heute vorliegende Be weismaterial Armenien als das älteste Metallurgiezentrum in Transkaukasien ausweist, deutet es doch gleichzeitig auf An regungen aus dem Nahen Osten hin.« Verblüffend ist: Wenn man im ägyptischen Theben einen Zir kel ansetzt, liegen Dodona und Metsamor auf einem und dem selben K reisbogen. Wir kehren nun zu Allen und seinen weiteren Bemerkungen über Oannes zurück 5: »Berossos schilderte Oannes als den Leh rer, der die Menschen der Frühzeit in allem unterwies. In der Mythologie galt er sogar als Schöpfer des Menschen . . . Manche sehen in ihm auch ein Urbild Noahs.« Auch über den Stern Canopus äußert Allen sich weiterhin, und zwar wie folgt: »Da das Sternbild (der Argo) am Nil mit dem großen Gott Osiris verknüpft war, wurde sein großer Stern zu Osiris' Stern . . . « Außerdem erfahren wir von ihm weiteres über die Anwendung der Bezeichnung »schwer«: »Die A lfonsi schen Tafeln* hatten (für Canopus) Suhel Ponderosus (>bei den Persern ist suhail synonym mit Weisheit . . . , und es gab also einen >Suhel Siriusmit der Kraft ausgestattet, die Helden, die ihre Mannschaft bildeten, zu warnen und zu leitenNoten blätter..riöwu (theia chledon), als göttliche Stimme, ais heiligen Klang - woraus der Name öµq>cx>..öo (omphalos), als Bezeichnung für die Stätte der öµq>fJ (omphe), geworden sei.« Er bringt all dies mit kultischer Musik und dem überlieferten heiligen Namen Gottes in Zusammenhang, der aus sieben Vokalen besteht, die insgesamt ein Wort ergeben, das auszusprechen verboten war. Er fährt fort: »Wie ein frommer Jude nie das Wort leue aus sprechen wird, so wird kein frommer Hindu je das Wort Om über seine Lippen bringen.« Higgins weist darauf hin, daß die Wurzel q>TJ (phe) dem griechischen Tätigkeitswort q>T)µt (phemi), »sprechen«, und auch dem verwandten q>cioxw (phasko), »sagen«, »behaupten« (das als Imperfektum von phemi gebraucht wird), zugrunde liegt. Ich möchte dies dahingehend ergänzen, daß q>TJyöo (phegos) die Bezeichnung einer Eichenart ist, und immerhin gab es eine heilige Eiche in Dodona, und daß schließlich q>fJµTJ [pheme] >>Orakel« bedeutet. Demzufolge wäre omphe im eigentlichen
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Sinne das Om-Sprechen (an der Stätte der pheme von Dodona praktizierte die phegos buchstäblich omphe. sie gab durch das Rauschen ihrer Blätter den Ratschluß des Orakelgottes kund). Delphi galt als omphalos (Nabel) der Welt. In Wahrheit war es freilich nur eine von mehreren Stätten seiner Art 12 • Dem Le ser wird aufgefallen sein, daß es einen Ort namens Omphalos unweit von Knossos auf Kreta gibt, der sich oben in meiner Aufstellung der Orakelzentren findet, die meiner Ansicht nach zu der »geodätischen Oktave« nördlich von Behdet gehören zu jenen Orakelzentren also, die jeweils volle Breitengrade von Behdet, Ägyptens prädynastischer Hauptstadt, entfernt sind. Desgleicl}en zeigt Tafel 12 unter anderem auch die Aufnahme eines steinernen Omphalos von der Kykladeninsel Delos. Die sieben Vokale, die sieben Saiten der Lyra Apolls, die sieben Töne einer Oktave (der achte ist ja, wie wohl die meisten wissen, nur eine Wiederholung des ersten in einer höheren Tonlage), die acht Orakelzentren in der nördlichen Orakeloktave, die sieben Breitengrade, über die sich Alt-Ägypten der Länge nach nach Süden erstreckte, der geheimnisvolle, unaussprechliche Name Gottes aus den sieben Vokalen, die man in einem einzigen Atem ausstieß - all dies gehört zu ein und demselben Komplex, dessen Einzelelemente sich zu einem einheitlichen, geschlosse nen Ganzen zusammenfügen. Bevor ich fortfahre, sollte ich begründen, warum ich versucht habe, auch einen Ort auf der Insel Kythera vor der Peloponnes Südspitze. auf den fünften Platz meiner Orakelliste zu setzen. Die Information, auf die ich mich hierbei stütze, verdanke ich Professor Cyrus H. Gordons bemerkenswertem Buch The Com mon Background of Greek and Hebrew Civilizations 13• Am Ende des Kapitels 2 berichtet Gordon folgendes: »Bisweilen lockten Kultzentren Menschen aus weit entfernten Gegenden herbei. Häufigste Ursache einer solchen Anziehungs kraft war wahrscheinlich eine erfolgreich wirkende Priester schaft, die sich den Ruf erworben hatte, Menschen Hilfe zu bringen, die praktischen Rat, psychologische Führung oder me dizinische Hilfe brauchten. Schon im Pyramidenzeitalter be gann Kythera, Ausländer anzuziehen. So fand man ein Stein192
schälchen auf Kythera, das in ägyptischen Hieroglyphen den Namen eines Sonnentempels (sp-rPhoibos Apollon< darüber nachdachte, >wen er von den Menschen wohl dazu brächte, ihm als sein Verehrer in der felsigen Pytho zu dienen. Während er darüber noch nachsann, erblickte er ein rasches Schiff auf der weindunk len See, in ihm viele wackere Männer - Kreter aus dem minoi schen Knossos, die Apollon, dem Herrn, Opfer darbringen und künden die Sprüche Phoibos Apollons, was immer er weissagt vom Lorbeerbaum . . . < • • • Einige Gelehrte erblicken in der offen kundigen archäologischen Verbindung zwischen dem früh archaischen Delphi und Kreta den Faktenhintergrund für diese Legendenfassade, und möglicherweise wurde der Kult Apollos übers Meer aus Kreta eingeführt . . .«
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Abbildung 18. Von W. H. Roscher wiedergegebenes Detail einer pompeja nischen Wandmalerei. Der Omphalos ist mit dem von Delos identisch (vgl. Tafel 12 oben rechts). Eine Pythonschlange stört die friedliche Omphalos schlange in ihrer Ruhe.
In dem zitierten homerischen Hymnus finden wir also die aus drückliche Behauptung, daß Kreter aus dem minoischen Knos sos (die selbstverständlich Zeitgenossen der »alten« Ägypter waren und auch mit Ägypten Handel trieben) Apoll in Delphi eingeführt hätten, wo es einem Omphalos gab. Und von besag ten Leuten heißt es, daß sie Orakeln Gehör schenkten. Bei Knossos aber liegt ein Ort namens Omphalos - genau einen Breitengrad südlich von Kythera, das sich seinerseits genau ei nen Breitengrad südlich von De los befindet, das selbst wiederum einen Breitengrad südlich von Delphi liegt. Doch nicht genug damit - Parke gibt noch weitere Informa tionen17. So erwähnt er die wohlbekannten Verbindungen zwi schen Delos und Dodona durch die Opfergaben der Hyper boreer, die Delos via Dodona von irgendwoher aus demNorden erhielt (Herodot 4, 33). Herodot zufolge kamen diese Opfer gaben über die Adria. Dodona war sozusagen ihre »erste Station auf griechischem B oden«, bevor sie nach Delos weitertranspor tiert wurden. Im übrigen lag das Hyperboreerland irgendwo im Norden des griechischen Raumes. Wo es aber genau lag, wurde bis jetzt noch nicht sicher festgestellt. Es gibt sogar Anhänger der These, die Hyperboreer seien in Britannien hei misch. Im zweiten Buch Diodors ist davon die Rede, daß die Hyperboreer Himmelskörper durch Instrumente betrachten, 197
deren Schilderung sich fast so anhört, als ob es sich um Fern rohre handelte. Der interessierte Leser sei auf die fragliche Beschreibung selbst verwiesen! Parke berichtet: »Auf den Kykladen besaß Delos einst ein Apollonorakel von Bedeutung . . . Man kann davon ausgehen: Diese Institution bestand . . . am Ende des 8. Jahrhunderts und sie scheint im 7. Jahrhundert eingegangen zu sein . . . Als Peisi stratos und Polykrates in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts Delos als Kultstätte wiederbelebten, war der Orakelbetrieb wohl schon erloschen und wurde nicht wiederhergestellt«18 . Es wäre wahrhaft entmutigend, wollte man versuchen, all das verwirrende Material über die »nördliche Orakeloktave« und ihre zahlreichen Beziehungen zur Siriustradition in gebühren der Ausführlichkeit auszubreiten. Schließlich ist es für mich einfach unmöglich, in vorliegender Untersuchung dem astro nomischen W issen der V ölker des Altertums jene Würdigung zuteilwerden zu lassen, die angemessen wäre 19• Hier ist nun der Ort, eine Passage aus dem nun schon oft zitierten Buch Hamlet's Mill anzuführen. Dabei muß der Leser vertrau ensvoll hinnehmen, daß man es sich im Altertum vorstellen konnte, es bestünde ein Zusammenhang zwischen den sieben T önen einer Oktave und den sieben Planeten. Natürlich können wir hier nicht den Streit zwischen dem Frühpythagoreismus und dem N eupythagoreismus und all das wieder aufwärmen, was man sich unter »Sphärenharmonie« vorstellte und wie die betreffenden Vorstellungen zustande kamen. Hier mag vielmehr folgendes Zitat genügen: »Und nach Aristoteles (Rhet. 2, 24, 1401 a 15) war es gestattet, >Hund< durch >Hundsstern < (Sirius) oder >Pan < zu umschreiben, denn Pindar bezeichnet ihn als >seine Gestalt wechselnden Hund der Großen Göttin [Gaia] . . . Welten lenkerdrei Welten< herrschte, würde einen eigenen Band für sich füllen«20. Was hier von Sirius gesagt wurde - dem »achten Planeten sozusagen« -, ist von ganz besonders wichtiger Bedeutung 198
( tatsächlich fehlt es nicht an Anhaltspunkten für die Vermutung, daß die Menschen des Altertums einst von der Existenz des 8. Planeten U ranus wußten, denn die »alten« Ägypter könnten es durchaus fertiggebracht haben, ihn auf die Art und Weise, über die sich Peter Tompkins in seinem Buch Secrets of the Great Pyramid geäußert hat 21 , sichtbar zu machen. Und ich glau be nicht nur, daß dies der Fall war, sondern auch, daß man Uranus bisweilen mit Sirius B verglich, denn beide waren »un sichtbar«. Außerdem umkreist S irius B Sirius A ebenso wie ein Planet die Sonne umkreist, denn wie bereits erwähnt, ist seine Umlaufzeit um Sirius A sogar noch kürzer als die unserer Pla neten Uranus, Neptun und Pluto um die Sonne. Die Tatsache, daß sich im Fall des S irius B ein S tem rascher um einen anderen bewegt, als Uranus, ein Planet, die zugehörige Sonne umläuft, könnte ein zusätzlicher Grund dafür sein, daß man beide Sirius B und Uranus - für einander ähnlich hielt. In einer etwas obskuren Weise wurde S irius B außerdem sogar noch mit dem innersten und winzigen Planeten Merkur verglichen, durch des sen komplizierte und verschlungene Umlaufbahn man sich an Menschengedärmschlingen erinnert fühlte [siehe hierzu Abb. 13), und tatsächlich - Uranus bildet ja sozusagen die »Oktave« im Verhältnis zu Merkur! Man setze dieses Motiv des »achten Planeten« in Beziehung zu den Orakelstätten! Dodona ist das achte Orakelzentrum der »Nordoktave«. In der Musik rundet der 8. Ton gewissermaßen die Oktave ab, indem er eine W iederholung ihres ersten Tones in höherer Tonlage eben »eine Oktave höher« darstellt. Der »achte Planet« wäre demnach lediglich eine »W iederholung des ersten Planeten«, und dieser trägt den Namen des Gottes Hermes (lateinisch: M ercurius). Kein anderer als Hermes (bzw. Merkur) war es aber, der Phrixos zu jenem goldvliesigen W idder verhalf, auf dem dieser nach Kolchis entkam, und es war die heilige Eiche in Dodona, von der man Holz in den Bug der A rgo einfügte, die schließlich das Goldene Vlies wieder aus Kolchis zurück brachte. Inzwischen - das heißt: so lange es in Kolchis war blieb das Vlies im Hain des Ares (Mars). W ichtig ist daran, daß das Vlies unter den Auspizien des 1. Planeten nach Kolchis kam, dort unter den Auspizien des (Planeten) Mars aufbewahrt wurde 199
und schließlich unter den Auspizien des Sirius - des »achten Planeten sozusagen« - mit dem Eichenholz des achten Orakel zentrums im Bug der Argo wieder zurückkehrte. Und wir haben auch gesehen, daß bei einem Schwenk des auf die Erde projizier ten Sternbildes Argo um 90 Grad der Bug zuerst in Dodona auflag und dann nach Metsamor/Ararat zeigte, wenn das Heck der Argo mit dem »Steuerruder«-Stern Canopus im ägyptischen Canopus (bzw. im ganz nahen, älteren Behdet) festgemacht war. Doch auch wenn man die Argo derart verlängert, daß der Bug des Himmelsschiffes zwar immer noch in Dodona, das Heck mit dem Steuerruder jedoch im ägyptischen Theben aufliegt, dreht sich der Bug bei einer Drehung des Himmelsschiffes um sein Steuerruder gleichfalls durch Metsamor. Parke äußert: »In Kleinasien ist Didyma bei Milet das einzige Orakelzentrum, für dessen Aktivität im 6. Jahrhundert v. Chr. wir einige Beweise haben« 22 • Milet lag wohl so ziemlich genau auf der gleichen Breite wie Delos, ebenso wie Sardeis auf dem gleichen Parallelkreis wie Delphi liegt23 , und daß der Ararat (nebst dem dazugehörigen Zentrum Metsamor) sowie Dodona ein und denselben Breitengrad gemeinsam haben, sahen wir ja bereits. Es könnte also eine »Nordostoktave« gegeben haben, die der »Nordoktave« entsprach! Doch wir werden später noch sehen, daß geodätische Punkte weithin verteilt waren - alle auf Behdet, das »Greenwich des Altertums«, bezogen (beispiels weise würde ein durch Aia in Kolchis gezogener Kreisbogen, wenn man den Zirkel in Behdet ansetzte auch durch Mekka gehen. Eine gerade Linie vom ägyptischen Theben nach Dodona liefe durch das Gebiet von Omphalos und Knossos auf Kreta. Die Linien, die Theben, Do�ona und Metsamor miteinander verbinden, bilden zusammen ein gleichseitiges Dreieck. Eine Linie von Behdet nach Dodona läuft durch Thera, und verlän gert man diese Gerade nach Süden hin, so gelangt man nach Mekka. Was Mekka angeht, so glaube ich, daß viele islamische Gelehrte überhaupt nicht überrascht wären, von diesem Aspekt ihres heiligen Zentrums zu hören. Sie wissen sehr gut, daß ihr Hauptheiligtum auch mit Geodäsie zu tun hat,ja daß das zentrale Heiligtum der Kaaba aus prähistorischer Zeit stammt - führen sie es doch auf den biblischen Erzvater Abraham zurück! 200
Was nun die Berührungen zwischen Delphi und der Sirius Tradition angeht, so beschränken sie sich keineswegs auf den Besuch des kanopischen (ägyptischen) Herakles, auf das Um hertragen einer Argo-Nachbildung bei Prozessionen sowie auf den Anspruch, Deukalion sei mit seiner Arche in der Nähe gelandet (und nicht in Dodona, der Stätte, mit der, wie ich sagte, Delphi rivalisierte, was Macht und Ansehen anging). Nein - es gibt weitere Elemente der Sirius-Tradition, die mit Delphi zu tun haben. Sie stehen gleichfalls mit der Argo in Zusammenhang - und mit den M inyern. Ein delphisches Orakel war es, das die Rückkehr des Goldenen V lieses von Kolchis nach Iolkos geweissagt hatte, und eine Reihe delphischer Orakel führte letztlich dazu, daß wir die Sirius-Tradition der heutigen Dogon kennenlernten! Dies wird sich am Ende des vorliegenden Buches herausstellen. Delphi bestimmte das weitere Schicksal der Minyer, und deren Überlieferung ist es, die heute noch im ehemals französischen West-Sudan fortlebt! Die Erklärung da für sparen wir uns freilich noch ein wenig auf! Vorerst sind wir noch beim steinernen Omphalos und bei Behdet. Was diese Themen angeht, müssen wir uns wieder jenem verblüffenden Buch zuwenden, das 1971 erschienen ist: The Secrets of the Great Pyramid von Peter Tompkins (mit einem außerordentlich gelehrten Anhang von Livio Stecchini). Tomp kins behauptet24: »Der Hauptmeridian Ägyptens teilte das Land der Länge nach genau in zwei Hälften. Er lief von Behdet am Mittelmeer quer durch eine Nilinsel, unmittelbar nordöstlich der Großen Pyrami de, bis zu seinem zweiten Kreuzungspunkt mit dem Nil am Zwei ten Katarakt. Städte und Tempel wurden, Stecchini zufolge, ab sichtlich in Abständen vom Wendekreis oder vom Hauptmeri dian, die sich in vollen Zahlen und einfachen Brüchen ausdrük ken ließen, erbaut. Die prädynastische Hauptstadt Ägyptens lag unweit der Nilmündung in Behdet auf 31° 30' direkt auf dem Hauptmeridian . . . Memphis, die erste Hauptstadt des vereinig ten Ägypten, abermals auf dem Hauptmeridian auf 29° 51', das heißt genau 6° nördlich vom Wendekreis . . . Da jedes dieser geodätischen Zentren sowohl politisch wie geographisch einen 201
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Abbildung 19. Projektion von Theben (A)
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>Nabel der Welt< darstellte, wurde dort jeweils ein Omphalos, das heißt: ein steinerner Nabel, aufgestellt, der die nördliche Erdhalbkugel vom Äquator bis zum Pol darzustellen hatte und auf dem Meridiane und Parallelkreise eingetragen waren, an denen man die Richtung und Entfernung anderer derartiger Nabel ablesen konnte. In Theben hatte der steinerne Omphalos. seinen Platz im Hauptraum des Amuntempels genau am Kreu zungspunkt von Meridian und Parallelkreis . . . Einen absolut geraden Meridian von 30 Breitengraden von der Mittelmeer küste mehr als 3000 km lang bis zum Äquator zu legen und im Osten und Westen zwei gleichweit entfernte Meridiane als öst liche und westliche Landesgrenzen zu ziehen [vgl. unsere Ab bildung 16!], muß bei den »alten« Ägyptern ein enormes Aufge bot an Menschen und sorgfältige astronomische Messungen er fordert haben. Noch raffinierter war ihre von Stecchini rekon struierte Methode, die geographische Länge zu ermitteln. Mit Hilfe eines höchst einfachen Telegraphie-Systems, bei dem man Lichtsignale verwendete, waren die Ägypter, Stecchini zufolge, in der Lage, weiterzugeben, welcher Stern in einem be stimmten Augenblick im Zenith stand, und die relevanten Daten mittels einer Feuersignalkette über viele Längengrade nach Osten und Westen hin anderen Beobachtern zu übermitteln . . . Wegen des hochentwickelten geodätischen Systems der Ägypter wurde Ägypten das geodätische Zentrum der damals bekannten Welt. Andere Länder richteten ihre Kultstätten und Hauptstädte nach dem ägyptischen >NullmeridianRuhstatt des Aton< genannt. Die kilometerlangen Überreste der Bauwerke dieser Stadt fand man an dem heute als Tell el-Amarna bezeichneten Punkt, wo ausgedehnte Gra bungen durchgeführt wurden. Während Echnatons Herrschaft wurde ein hoher Prozentsatz des Staatsvermögens für den Bau dieser Residenz ausgegeben. Gelehrte des vergangenen Jahrhunderts, die noch nicht der psychologisierenden Mode erlegen waren, erkannten wenig stens an, welch eminent politische Bedeutung die Verlegung der Hauptstadt Ägyptens besaß. Echnatons Absicht war es, die Macht der Priesterschaft des Amuntempels in Theben, die durch ihre Gewalt über das Orakel, das mit dem Gott des Tempels in Zusammenhang stand, praktisch im Lande regierte, an der Wur zel zu treffen. Was jedoch diese Gelehrten nicht wußten, ist, daß der Amuntempel das geodätische Zentrum Ägyptens, der >Na bel< Ägyptens war, denn er liegt dort, wo Ägyptens Ostachse (32° 38' Ost) den Nil kreuzt, und zwar auf einem Parallelkreis (25° 42' 51" Nord), der genau 2h der Entfernung vom Äquator zum Pol markiert, und daß man den Gott Amun mit dem halb runden Stein identifizierte, der diesen Punkt angab. Die neue Stadt sollte Theben als Hauptstadt und geodätisches Zentrum ablösen. Sie wurde an einem Platz gegründet, der im Hinblick auf das, was wir heute von einer Hauptstadt erwarten, denkbar ungeeignet war. Einige Gelehrte haben auch dies als Beweis der geistigen Verwirrung ihres Gründers interpretiert . . . Die neue Hauptstadt des Gottes Aton, der zum einen und wah ren Gott erhoben wurde, wurde in 27° 45' nördlicher Breite auf gebaut, in der Mitte zwischen dem nördlichsten Punkt, Behdet, und der Südgrenze Ägyptens bei 24° ()()' Nord . . . Echnaton wollte beweisen, daß Theben nicht wirklich beanspruchen konnte, Ägyptens geodätisches Zentrum zu sein, und daß er das geodätische Zentrum erwählt hatte, das einer absolut strengen Auslegung der maat, der kosmischen Ordnung, standhielt, die in den Abmessungen Ägyptens Ausdruck fand. Um absolut exakte Maßverhältnisse zugrunde zu legen, kehrte er zum prä212
dynastischen geodätischen System zurück, das von Behdet aus gehend, in geographischen Ellen maß . . . Im Zusammenhang dieses Systems, das auf der prädynastischen Hauptstadt Behdet beruhte, stand es außer Frage: Achet-Aton war der wahre, echte >Nabel< Ägyptens. Diese Folgerung bedeutet, daß man Echnatons gesamte histo rische Rolle neu zu überdenken hat, und zwar davon ausgehend, was er selbst als die erste Stufe seines Programms betrachtete, den wahren Einklang mit der maat zu finden. Möglicherweise verstand man seine revolutionären Reformen, die sich von der Religion bis hinein in die Kunst und die Familienverhältnisse erstreckten, als allgemeine Rückkehr zu prädynastischen Ideen und Praktiken.« Man beachte: Theben hatte die Rolle des »Nabels Ägyptens« übernommen, aber nicht auf der Grundlage des »Systems von Behdet«, das Echnaton anscheinend wiederherzustellen wünschte. Dies zeigt, wie alt die »Nordoktave« gewesen sein muß, wenn sie auf dem »Behdet-System« beruhte und nicht auf dem von Theben. Zwar ist Theben aus den Beziehungen der »Nordoktave« durchaus nicht ausgeschlossen, doch seine Ein beziehung hat ergänzenden Charakter im Vergleich zu Behdet. Bei Herodot (2, 55) finden wir den bezeichnenden Bericht: ». . . die Priesterinnen in Dodona erzählen . . . folgendes: Einst seien zwei schwarze Tauben im ägyptischen Theben aufgeflo gen, und die eine sei nach Libyen, die andere zu ihnen nach Dodona geflogen. Sie habe sich auf einer Eiche niedergelassen und wie ein Mensch gesprochen: Hier, an dieser Stelle, solle man ein Zeusorakel gründen. Darin hätten die Leute von Dodona ein göttliches Gebot erkannt, und sie hätten danach gehandelt. Die andere Taube, die nach Libyen geflogen sei, habe dort Weisun gen gegeben, ein Ammonsorakel zu gründen. Das ist ebenfalls ein Zeusorakel. So berichteten mir Priesterinnen in Dodona; die älteste davon hieß Promeneia, die zweite Timarete und die jüngste Nikandre. Und bestätigt wurde ihr Bericht durch die anderen Leute in Dodona, die ebenfalls zum Tempel ge hören.«
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Es ist wirklich interessant zu sehen, auf welch vertrautem Fuße Herodot mit den Priesterinnen von Dodona stand - kaum anders als, wie wir schon sahen, Jahrhunderte später Plutarch mit der Priesterin Klea in Delphi. Offensichtlich waren diese Prieste rinnen für aufstrebende Historiker wirklich gute Informations quellen. Wie zutreffend die Angaben der Frauen von Dodona wirklich waren, wird sich in Kürze noch deutlicher zeigen. Doch was die Angelegenheit »T heben gegen Behdet« betrifft - einer Sache, die aufs engste mit dem Fall Echnatons verknüpft war -, bitte ich, mich mit peinlichen Gewissensfragen zu verschonen und mich kurzerhand als jemanden zu betrachten, der keine Meinung hat. Was aber Stecchinis Bemerkungen über Delphi angeht, so beachte man folgendes 38 : »Der Gott Delphis, Apollon, dessen Name >der Stein< bedeutet, wurde mit einem Objekt - dem Ompha/os, >Nabel < - identifi ziert, das man gefunden hat. Es besteht aus einem ovoid geform ten Stein . . . Der Ompha/os von Delphi glich dem Objekt, das den Gott Amun in Theben, dem >Nabel < Ägyptens, repräsen tierte. Im Jahre 1966 legte ich der jährlichen Versammlung des Archaeo/ogical Institute ofAmerica ein Papier vor, in dem ich die Behauptung aufstellte, daß nach Ausweis historischer Berichte, Mythen und Legenden sowie einiger Baudenkmäler in Delphi das dortige Orakel von den Pharaonen der äthiopischen Dyn� stie [der XXV. Dynastie bzw. Kuschitendynastie, um 745-655 v. Chr.] gegründet wurde. Dies ist der Grund, weshalb die Grie chen Delphos, den namengebenden Heros Delphis, als Neger darstellten.« Außerdem erläutert Stecchini seine Theorie, die Orakel hätten ursprünglich dadurch funktioniert, daß bei ihnen bestimmte Rechenanlagen in Betrieb waren: »Ein Objekt wie eine Roulettscheibe, und tatsächlich deren Vor läufer, war konzentrisch oben auf dem ompha/os angebracht. Dle Antworten erteilte ein rollender Ball. Jede der 36 Rad Speichen entsprach einem Buchstabensymbol. 214
Bei der Untersuchung antiker Rechnungssysteme entdeckte ich, daß man sie auch im Orakelwesen benutzte. Dies ist der Ursprung vieler Wahrsageinstrumente, wie wir sie auch heute noch verwenden, so z. B. Spielkarten und Wahrsagetafeln . . . Bei der Roulettscheibe in Delphi handelte es sich um eine be stimmte Art Abakus [Rechenbrett] für Winkelberechnungen.« Ebenso überraschend wie informativ im Hinblick auf die Argo, auf Kolchis und dergleichen sind die folgenden Behauptungen Stecchinis39 : »Außerordentlich bezeichnend ist, daß die Grundlinie längs des Parallelkreises in 45° 12' Nord an der Nordküste des Schwarzen Meeres markiert war. Diese Grundlinie begann an der Donau mündung, lief quer über die Krim und endete am Fuß des Kau kasus. Davon ausgehend, wurde Rußland über eine Distanz von 10° vermessen, dies längs dreier Meridiane, die den drei Achsen Ägyptens entsprachen, bis zu 55° 12' nördlicher Breite hinauf. Den Dnjepr betrachtete man als das symmetrische Gegenstück zum Nil, der zwischen den gleichen Meridianen strömte. Schlüs selpositionen am Dnjeprlauf wurden mit entsprechenden Schlüsselpositionen am Nillauf gleichgesetzt, dies ging so weit, daß man ägyptische Ortsnamen nach Rußland übertrug. Daß dieses geodätische System existierte, wissen wir aus der Be schreibung einer Rußlandkarte, die auf ihm beruhte. Die Schil derung deutet darauf hin, daß die betreffende Karte Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. benutzt wurde, doch kann die Karte älter sein. Auf jeden Fall liegen andere Informationen über die Grundlinie vor. Sie deuten darauf hin, daß sie schon sehr früh gekennzeichnet war.« In Tompkins' und Stecchinis Buch40 findet man erstklassige Auf nahmen und Zeichnungen steinerner Omphaloi, die außeror dentlich hilfreich sind, wenn man versucht, in dieses Material einzudringen und die Zusammenhänge zu begreifen. Es ist etwas ganz anderes, wenn man auch sieht, wie phantastisch diese Ob jekte sind, die ja von einem bis heute gänzlich unbekannten Hochstand antiker Naturwissenschaft zeugen. Sie sind hier auf den Abbildungen 23 und 24 sowie auf Tafel 12 wiedergegeben. 215
Außerdem ist im Hinblick auf die Arche Noah folgende Fest stellung interessant: Die Arche Ziusudras (oder Utnapischtims), die Arche Deukalions, die Argo - sie alle schickten Vögel über das Wasser (wie man auch im ägyptischen Theben Vögel aus sandte). Nun ist aber, wie wir gesehen haben, die Abbildung zweier einander zugewandter Tauben das übliche altägyptische Zeichen für das »Auslegen von Parallel kreisen und Meridia nen«. Stecchini sagt: »In der Religion des Alten Reiches (Ägyp tens) ist Sokar ein bedeutender Gott der Orientierung und der Friedhöfe. Der Gott und der geodätische Punkt wurden durch das Steinobjekt dargestellt, das die Griechen omphalos, >Nabelbrennende DornbuschDu kannst meine älteste Tochter Prokris als Bett genossin habensexuelle Begierde< ) bezeichneten steinernen Phallos ihre erotischen Orgien feierten, der mit einem Löwenfell beklei dete König Zutritt hatte. Ihre Zahl entsprach der der Mond wechsel zwischen zwei Olympischen Spielen.« Hier haben wir sie wieder - Graves' nicht totzukriegende Mondgöttin! Und hier haben wir auch ihre Mondwechsel! Sie hängen und haften an ihr, wohin sie auch geht. Doch leider ist Graves' wackerer Versuch, eine lunare (mondbezogene) Be gründung für die Zahl 50 zu finden, in keiner Weise zufrieden stellend. Graves' lunare Rechnung geht nicht auf. Wie auch heute wieder, wurden die Olympischen Spiele alle vier Jahre abgehalten, und die Olympiaden, das heißt: die jeweils zwi schen zwei Spielen liegenden Vierjahresperioden, begannen, der Überlieferung zufolge, erst im Jahr 776 v. Chr. - also außer ordentlich spät im Vergleich zu dem hohen Alter der »Fünfzig«, wo immer diese vorkommen möge. So gab es beispielsweise noch keine Olympiaden in der von Homer geschilderten Zeit (Homer selbst muß - wenn es ihn überhaupt gab - nach gut ge sicherten, neueren Forschungsergebnissen seinerseits erst ziemlich spät gelebt haben: Einer ganzen Reihe eingesickerter Zeiteinflüsse zufolge können llias und Odyssee kaum vor 720 v. Chr. ihre endgültige Form erhalten haben!). Aber doch muß in der Zeit, auf die Homer zurückblickt, die Erzählung von der A rgo in aller Munde gewesen sein, und damals schon waren auch die 50 Minyer im Begriff, sich durch Eingang in die Sagen welt des künftigen Europa literarische Unsterblichkeit zu er werben. Es ist also wohl sehr viel wahrscheinlicher, daß die Periode von 50 Mondwechseln auf das Vorbild einer altehrwürdigen Tradition - der esoterischen Fünfzigjahresperiode - zurück geht. Weiterhin dürften auch andere Fünfzigmonats- und Fünf zigtagesfolgen auf dieses Vorbild zurückgehen. Meiner Ansicht nach deckt sich der Zyklus von 50 Mond wechseln, von dem Graves spricht, mit der von ihm erwähnten fünfzigmonatigen Herrschaftszeit eines Opferkönigs, die als die Hälfte eines hundertmonatigen »Großjahres« angesehen wurde. Wäre es möglich, daß 50 in seiner Verdopplung zu 100 lediglich 227
das Verhältnis 2 zu 1 ausdrücken sollte, das in der Musik einer Oktave zugrundeliegt*? Wäre dies vielleicht auch der Grund, weshalb zwar Arat be hauptet, die A rgo befände sich »ganz und gar« am Himmel, während man in dem Sternbild, das ihren Namen trägt, dann doch wieder nur die rückwärtige Hälfte eines Schiffs zu erken nen meint? Könnte es sich bei dieser scheinbaren Doppelzüngig keit einfach nur um eine andere Art und Weise handeln, das Verhältnis 2 zu 1 verschlüsselt zum Ausdruck zu bringen? Von Bedeutung könnte auch sein, daß jede Fünfzigmonats periode eigens als »eine Herrschaftszeit« gekennzeichnet ist, obwohl sie lediglich die Hälfte eines »Großjahres« ausmacht. Könnte eine »Herrschaftszeit« mit einer »Umlaufperiode« kor respondieren und das »Großjahr« (aus 2 Umlaufperioden) nur den einen Zweck haben, das harmonische Zwei-zu-eins-Verhält nis der Oktave auszudrücken? Noch in einem anderen Fall treffen die Mengen 50 und 100 zusammen, und zwar bei den drei Ungetümen, die Söhne des Uranos (des Himmels) und der Gaia (der Erde) waren - Kottos, Briäreös und Gyes. » >Aus ihren Schultern wuchsen 100 unbezwingliche Arme, und über diesen mächtigen Gliedmaßen ragten, am Rücken be festigt, 50 Köpfe. < Deshalb wurden sie [griechisch] Hekaton cheiren oder [lateinisch] Centimanen [beides bedeutet: > Hun derthändigeClV [lyein]) bedeutet. »Die Pferde lösen« war im Griechischen der Ausdruck für »die Pferde ausspannen«, »die Pferde abschirren«, und tatsächlich wurden ja in Kolchis Abend für Abend die Pfer de des Sonnengottes »ausgespannt« und »abgeschirrt«, denn hier hatten sie nach griechischer Überlieferung ihren Stall, wo sie die Nacht verbrachten, bis sie am Morgen zu neuem Lauf mit dem Sonnenwagen »angeschirrt« und »eingespannt« wurden! Es gibt auch eine ganz besondere Anwendung des Wortes hippopede
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(das an sich »Pferdefessel« bedeutet) in einem kosmischen Zu sammenhang. Und zwar erfahren wir aus dem Liddell-und Scott-Wörterbuch, daß der Astronom Eudoxos (derselbe, der in Ägypten war und von dem wir bereits früher sprachen) das frag liche Wort als Bezeichnung der Kurve benutzte, die ein Planet beschreibt. Wir wissen dies aus dem Kommentar des Simpli cius zu Aristoteles' Schrift De Cae/o (Über den Himmel), des gleichen aus Proklos' Euklid-Kommentar*. Zwei Quellen sind besser als eine. Wahrscheinlich ist an der ganzen Sache mehr, als wir je herausfinden werden, denn die einschlägigen Texte sind verloren. Untersuchen wir den Namen Gyes, der ein wenig an den Namen des durch Herodot, Gautier, Hebbel und Gide berühm ten Lyderkönigs Gyges (jenen mit dem Ring!) erinnert. Als ge wöhnliche Vokabel bezeichnet y(>110 (gyes) das Krummholz hin ten an einem Pflug, an dem die Pflugschar befestigt war, die die Erde aufriß, außerdem war es gleichbedeutend mit yua (gya, Feld). Tatsächlich steckt hinter beiden Wörtern yfi (ge) und yaia (gaia, Erde), und auch die Giganten sind nicht weit, die ja nicht yiyaun:o (gigantes) heißen, weil sie so »gigantisch«, so »riesig«, waren, sondern weil sie »Erdgeborene«, weil sie »Söhne der (Erdgöttin) Gaia« sind. riyao (Gigas, Gigant) kommt ja, wie einst j eder Gymnasiast lernte, von yT]yeuf)o (gegenes bzw. itazistisch gigenis, erdgeboren), und wirklich waren bei Hesiod auch die Giganten »Erdensöhne«. So ist auch Gyes, wie Graves erklärt, wohl nicht nur nach der Götterlehre, sondern ausdrück lich auch noch nach Ausweis seines »erdverhafteten« Namens ein »Erdgeborener«, und auch dieser Vorstellung sind wir im Zusammenhang unseres mit Sirius verbundenen Mythenkom plexes bereits wiederholt begegnet. »Erdgeboren« waren die Menschen aus den Steinen, die Deukalion und sein Weib Pyrrha hinter sich warfen - Steine aus dem Leib der Mutter Erde, »Erd gebeine«, der Erdmutter aus dem Leib gerissen, Steine, aus de nen eine neue Menschheit entstand, um die nach der Großen • Proklos (5. Jh. n. Chr.) und Simplicius (6. J h. n. Chr.) sind bei Gelehrten streng orthodoxer Observanz als Neuplatoniker verfemt8 . Mehr darüber findet man im Anhang 1 .
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Flut ausgestorbene Menschheit zu ersetzen und die menschen leer gewordene Erde neu zu bevölkern. »Erdgeborene« waren auch die der Drachenzahnsaat Jasons und Kadmos' Entsprosse nen, und als »Erdgeborene« erweisen sich nun auch der »Hun dertarmige« Gyes und seine beiden Artgenossen. Und wie im altorientalischen Epos Gilgamesch Kraft in der Erde suchte, indem er seine bebenden Zähne in den Boden schlug, so kommt auch bei den »Erdgeborenen« der Aspekt der Mächtigkeit und der Stärke hinzu. Tatsächlich sind - wir sahen es bereits - auch die »Giganten« ja »Erdensöhne«, Söhne der Erdgöttin Gaia! Das ist nun genau das, was wir uns nur wünschen können, denn der Zusammenhang zwischen den »Kindern der Gaia«, die Deukalion und Pyrrha mit Steinen werfend ins Leben riefen, den »Erdgeborenen« der Drachenzahnsaaten Jasons und Kadmos', den »Gaia-Söhnen«, die ein Volk ungebärdiger Riesen waren und schließlich den von Gaia geborenen »Hundertarmi gen«, darunter insbesondere dem Träger des auf die Erdgöttin hinweisenden Namens Gyes - dieser Zusammenhang ist so unbestreitbar und deutlich, wie er nur immer sein kann. Und vergessen wir nicht : Auch Gyes evoziert den Gedanken an Macht, an Stärke, nicht anders als der Name des Hekatonchei ren Briareos, wenn auch vielleicht mit dem Beiklang »Kraft, die man aus der Erde zieht«. Vielleicht war dies eine Art und Weise, verschlüsselt einen supermassiven Körper aus entarteter Ma terie zu beschreiben. Schließlich ist supermassive Materie durchaus in gewissem Sinne »starke Erde«, und immerhin hatte unser Freund Gyes 50 Köpfe! Vergessen wir das nicht. Was den Namen Kottos angeht, den das dritte der erwähnten Ungetüme trug, so erfahren wir von Graves, daß er nicht grie chischen Ursprungs ist. Graves führt an (3, 1) : »Kottos war der eponyme [namensgebende] Vorfahr der Kottier, die die orgiastische Kotytto verehrten und deren Kult von Thrakien aus . . . verbreiteten. Man bezeichnete diese Stämme als >hunderthändigwv (typhon) haben kann - abgesehen davon, daß es auch einen »Taifun« bezeichnet -, ist, seltsam genug: »Eine Art Komet« - mit anderen Worten : Etwas Ähnliches wie ein sich bewegender Stern ! Eine andere Namensform lautet Tuq>wcuo (Typhöeus) oder Tuq>wo (Typhos), und dieser Name ist ganz be sonders dem jüngsten Sohn der Gaia eigen, die ja auch Mutter der drei fünfzigköpfigen »Hunderthändigen« und des Garamas war. Tuq>op (typhos) bedeutet »Rauch«, »Dampf«, »Nebel«, aber auch »Täuschung«, »Nichtigkeit« (die den Intellekt des Men schen ver-»nebelt«). Tuq>Äop (typh/6s) heißt »blind«,ganz beson ders im Sinne von »umnebelt«, »umdunkelt«, und das Tätigkeits wort Tuq>Äow (typhloö) hat die Bedeutung »ich mache blind« - natürlich auch, indem ich etwas »umwölke«, »umneble«. 242
Da Typhon ausdrücklich als Vater des Sirius (verkörpert durch Orthros) ausgewiesen ist und eine der unerklärten Bedeu tungen seines Namens etwa im Sinne von »sich bewegender Stern« aufgefaßt werden kann, da weiterhin sein anderer Sohn Kerberos 50 Köpfe hatte, beziehe ich all die Bedeutungsinhalte, die auf der Linie »Dunkelheit«, »Unsichtbarkeit« liegen, dar auf, daß Typhon ursprünglich wohl Sirius B verkörperte, den uns »unsichtbaren«, »dunklen« Siriusbegleiter. Mit anderen Worten: Wir sind gewissermaßen typh/oi (»blind«) für Typhon, als wären wir von typhos (»Rauch«, »Qualm«, »Dampf«) »um nebelt« (von typhl6ö)! Möglicherweise leitet sich das griechische Wort Typhon von dem ägyptischen Ausdruck tept,it bzw. {ept,-t (»Höhle«, »Ka verne«, »Erdloch«) ab. Dieses ägyptische Wort träfe ausgezeich net auf jenen Erdspalt in Delphi zu, wo angeblich der Kadaver des Python-Drachens faulte und stinkende Dampfwolken ab sonderte. Und wir sahen ja: Einst wurde Python mit Typhon gleichgesetzt! Wenn wir uns näher mit dem Wort tep befassen, so stellen wir fest: es bedeutet »Mund«, und tep ra heißt ganz wörtlich »Gottesmund«, was nichts anderes besagt als »göttliches Ora kel«, »Götterspruch«. Tep ist teph ohne Hauchlaut. Also hat das tep (Orakel) von Delphi eine abgrundtiefe Erdspalte (tept,it) unter sich im Boden. Später werde ich weiteren Querverbindun gen dieses ägyptischen Wortes nachgehen. Für den Augenblick mag es genügen, daß »Typhon« fast mit Gewißheit von dem ägyptischen Wort stammt, das eine Höhlung, ein Loch, einen Spalt in der Erde bezeichnet. Da· Ägypter die Gründer des tep von Delphi waren, bedienten sie sich natürlich eines ihnen ver trauten Ausdrucks, um den Erdspalt zu kennzeichnen. Als Delphi dann aber seinen festen Platz innerhalb des Rahmens der griechischen Kultur erhielt und die Ägypter - abgesehen vom Besuch des kanopischen Herakles in Delphi - fast vollständig vergessen waren, blieb zwar infolge des für religiöse Institutio nen typischen Konservativismus, der zum Festhalten an alten Sprachen und Ausdrucksweisen führt, obwohl man sie gar nicht mehr versteht, die ägyptische Bezeichnung der Erdspalte erhal ten, an ihren Ursprung aber erinnerte man sich nicht mehr. So 243
bezeichneten auch Griechen ohne jede Kenntnis des Ägypti schen, der ägyptischen Kultur und der Tatsache, daß diese Kultur einst so weit ihr Heimatland durchdrungen hatte, dennoch die Schwefeldämpfe, die dem Erdspalt in Delphi entstiegen, als »Ausdünstung Typhons« - dies entsprechend der ursprüngli chen ägyptischen Bezeichnung tepl:,it. Im übrigen haben auch andere Autoren längst erkannt, daß das sumerische Wort für »Höhlung«, ab zu, als »Abyssos« weiterlebt und auch hierzu lande in die Bildungssprache eingegangen ist. Zweifellos gaben die Dämpfe, die sich aus der Spalte von Delphi erhoben, Anlaß zu den Wortbildungen mit »Rauch«, »umdunkeln« und dergleichen mehr. Und die Tatsache, daß die Personifizierung »Typhon« eng mit dem Sirius in Verbindung gebracht wurde, war offensichtlich dem Umstand zuzuschrei ben, daß das fragliche Wort, das in den griechischen Sprach gebrauch eingegangen war und auch als Bezeichnung für Dun kelheit bzw. Finsternis verwendet wurde, sich als höchst nütz lich innerhalb der Sirius-Geheimlehre erwies, die sich die Grie chen zu eigen machten. Hieraus ergaben sich dann die anderen Wortbedeutungen, mit Ausnahme der offensichtlich volkstüm lichen Anwendungen - so z. B. im Sinne von »Täuschung«, »Nichtigkeit«, »Eitelkeit«, weil diese die Intelligenz des Men schen verdunkelt: Eine wahrhaft superbe Bedeutungsauswei tung, die das Wort für den poetischen ebenso wie für den land läufigen Alltagsgebrauch geeignet machte! Wahrscheinlich bewirkten es Überlegungen wie die »typho nische« - d. h. : Überlegungen über den Zusammenhang zwi schen Sirius B und Unsichtbarkeit, Dunkelheit (und daher auch mit der »Schwärze« in einer Höhle), daß man später einige mit Sirius verbundene Gottheiten in der Unterwelt ansiedelte. Der Prototyp einer solchen Gottheit ist insbesondere Anubis, der Geleiter der Toten und Einbalsamierer der Mumien. Keines wegs war Anubis »von sich aus« Totengott; schon früher haben wir erklärt, warum man ihn mit Mumien in Verbindung brachte. Wie bereits gesagt, brauchte man zum Einbalsamieren ägypti scher Mumien 70 Tage - ein Zeitraum, der der Anzahl von Tagen entspricht, die nach altägyptischem Glauben Sirius »im Duat« (in der »Unterwelt«) zubrachte, wenn er nicht am Nacht244
himmel sichtbar war. Daher war der siebzigtägige »Tod« des Sirius jedes Jahr die Grundlage und der Ursprung sämtlicher »Unterweltsaspekte« der Siriuslehre. Natürlich war Anubis als Verkörperung der Umlaufbahn des Sirius B stets unsichtbar, und nicht nur 70 Tage im Jahr. Daher konnte die beständige »typhonische Dunkelheit«, in der er sich befand, in der Sirius Kunde späterer Phasen eine noch größere Bedeutung erlan gen, so daß die »Unterweltsaspekte« eine noch viel größere Rolle spielten als ehedem. Im Lauf der Zeit muß wohl dieser Vorstellungskomplex, in dessen Zentrum Unsichtbarkeit und Dunkelheit standen, immer stärker in den Vordergrund getreten sein, während man immer weniger begriff, worum es wirklich ging und was das eigentliche Rätsel war. Denn die Tradition ver blaßte,je mehr Generationen von Eingeweihten heranwuchsen, die von der ursprünglichen Informationsquelle immer weiter entfernt waren. Dennoch kann man den Dogon bescheinigen, ihre Lehre bis auf den heutigen Tag relativ rein erhalten zu haben. So also bildete sich das »Unterweltliche« des fünfzig köpfigen Anubis-Kerberos in griechischer Zeit heraus. Bei den Altägyptern hatte sich einst, wie es so oft bei ihnen der Fall war, die Anubis-Vorstellung auf mehreren Ebenen bewegt. Für die große Masse erklärte sich der »unterweltliche« Aspekt hinrei chend aus dem jährlich siebzigtägigen Verschwinden des Sirius und seinem Wiederauftauchen nach der fraglichen Periode beim heliakischen Frühaufgang. Die Priester allerdings wußten, daß der dunkle Siriusbegleiter nie sichtbar war. Es dürfte sich lohnen, an dieser Stelle etwas näher auf den Hund Orthros einzugehen, der seinerseits Sirius verkörperte. Nach der griechischen Sage steht Orthros mit dem riesenhaften Hirten Eurytion in Verbindung, der mit ihm zusammen die Rin der des Geryoneus bewacht. Interessanterweise vergleicht Gra ves besagten Eurytion mit dem sumerischen Helden Enkidu, Gilgameschs Gefährten, der behaart und wild war, aus der Steppe stammte und über unvorstellbare Kräfte verfügte 20: »Eurytion ist der Eindringling, ein Grundtypus . . . Das frü heste mythische Beispiel des >Eindringlings< ist derselbe Enki du: Unterbrach er doch Gilgameschs heilige Hochzeit mit der Göttin von Erech [Uruk] und forderte ihn zur Schlacht heraus.« 245
Von ganz besonderem Interesse ist es, hier den griechischen Begleiter des Sirius von Graves mit dem sumerischen Helden Enkidu verglichen zu sehen , den ich meinerseits mit dem Sirius begleiter gleichsetze, denn »Siriusbegleiter«, dies, genau dies ist Eurytion; denn wenn Orthros Sirius ist und Eurytion sein »Begleiter«, dann ist Eurytion zwangsläufig nichts anderes als »Siriusbegleiter«! Und Enkidu ist der starke, behaarte , wilde Mann, der mit Gilgamesch seine Kraft maß und nach dem Kampf sein Gefährte wurde. Sowohl Eurytion als auch Enkidu sind haarige, bäurische Typen, insofern wohl auch mit dem Gott Pan verwandt, dessen Haarwuchs und Bauernnatur ihn diesen ähnlich macht. Das Motiv des »Eindringlings«, der sich »einmischt«, des »Störenfrieds« sowie das des »Herausforderers zu einer Kraft probe«, hängt wohl damit zusammen , daß der helleuchtende Stern Sirius von seinem »dunklen«, »starken« Begleiter gleich sam »herausgefordert« wird. Graves fügt hinzu: »Ein weiterer >Eindringling< ist Agenor, und Agenor bedeutet >sehr männ lichÖstlich< -, von
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wo er gegen Ende des 2. Jahrtausends nach Böotien übersetzte, Theben einnahm und das Land unterwarf. Der Mythos der ge säten Menschen ... « - doch bevor ich diese Erläuterung fort setze, sollte ich anführen, wie er die Dinge beschreibt. Auf Tafel 15 erblickt man eine antike griechische Vasenmalerei, wo Kadmos über einem Hasen steht, so wie Orion am Nacht himmel über dem Sternbild des Hasen. - Graves äußert36: »Kadmos segelte mit Telephassa nach Rhodos [wo auch Danaos auf seiner Flucht nach Argos Station machte], hier weihte er der Athene von Lindos einen ehernen Kessel und baute den Tem pel Poseidons, wo er eine Erbpriesterschaft einsetzte [wie Da naos setzte auch Kadmos, wo immer er auf der Bildfläche er schien, religiöse Kulte ein]. Seine nächste Station war Thera Uene Stätte, von wo später die Minyer aufbrachen, um nach Libyen zu gehen], und hier errichtete er einen ähnlichen Tem pel. Schließlich erreichte er das Land der thrakischen Edoner, die ihn gastlich aufnahmen. Dort starb Telephassa plötzlich [sie war Kadmos' Mutter; ihr Name bedeutet >weitleuchtendKadmos< Vater, war Agenor, der Sohn der Libya und des Poseidon, ein Zwillingsbruder des Belos, der einst aus Ägypten auszog, um sich in Kanaan niederzulassen. Hier heiratete er dann Telephassa, auch Argiope (>mit leuchtendem AntlitzSilberGesäten< und Kadmos' Dienstbarkeit gegenüber Ares legen den Gedanken nahe, daß die eingewanderten Kadmeer ihre Vormachtstellung in Böotien durch erfolgreiche Einmischung in einen Bürger krieg zwischen den pelasgischen Stämmen sicherten, die sich selbst als autochthon [>erdentsprungendie funkelnden Götter< , >die Sternleuchten< - von te/:len, das >funkelnflim mern< bedeutet] in euren Booten, und leitet sie mit euren Szeptern. Dieser Pepi lenkt mit euch sein Boot mittels des uas-Szepters [Uasär ist eine Variante des Osiris-Namens Asar, uas-t >eine Tierart, Hund(?)< 12] und des tchäm-Szepters, und er ist der vierte zusammen mit euch [was darauf hindeutet, daß er sich mit einer G ruppe von drei Sternen verbindet!]. 0 ihr Götter des Himmels, ihr Unvergänglichen, die ihr über das Land Tehenu dahinsegelt, die ihr euch befördert mittels eurer Szepter, dieser Pepi beförderte sich zusammen mit euch mittels seines uas und tchäm, und er ist der vierte mit euch . . . dieser Pepi ist die änes-Materie, so da strömet aus Nephthys . . . Pepi ist ein Stern . . . Pepi ist Sep� unter seinen sebt-Bäumen . . . Der Stern Sep�et (Sothis) ergriff Pepis Hand. Pepi pflügte das Land . . . Osiris [mit diesem Namen wird hier Pepi angeredet], du bist das zweite Wesen aller Götter [Uas ist auch der ägyptische Name Thebens]. « Hier wird uns geschildert, was der verstorbene Pharao Pepi nach seinem Tode erlebte : Er geht in Sternregionen ein und schließt • Die Griechen kannten eine Überlieferung über ein Metall, das als das stärkste (härteste) galt. Sie nannten es adamas (»unbezwinglich«). Kronos benutzte ada mas, um Uranos zu kastrieren. Es war das widerstandsfähigste Material, das eine mythische Persönlichkeit auftreiben konnte.
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sich drei Sternen an, so daß er der »vierte« wird. Er braucht drei Szepter, um Macht auszuüben: das tiu (entsprechend einer Bezeichnung für »Hund«/»Schakal«), das uas (dessen Name auch der ägyptische Name der Stadt Theben [in Ägypten] ist, gleichzeitig aber auch eine weitere Bezeichnung für »Hund«, abgesehen davon, daß er an eine Variante des ägyptischen Namens Osiris' anklingt) und das tchtim (das den Namen eines rätselhaften Metalls trägt und gleichzeitig als Szepter des hunds-/ schakalköpfigen Gottes Anubis gilt). Ausdrücklich ist davon die Rede, daß ihn der Stern Sirius an der Hand nahm. Pepi selbst verwandelte sich in einen Stern, denn es heißt ausdrücklich: »Pepi wurde zum Stern«. Als Sterngewordenen nimmt ihn Sirius bei der Hand - das kann doch nur bedeuten: Er wurde als Stern im Siriussystem gedacht, und zwar als der vierte in dessen Drei heit. Weiterhin wird er dann der Reihe nach mit den drei ande ren Sternen des Siriussystems gleichgesetzt, nämlich mit Isis/ Sothis, Nephthys und Osiris. Die erstgenannte sondert »imes Materie« ab, die zweite ist die weibliche Nephthys, vielleicht identisch mit dem Stern Sorgho-Fernelle (emme ya, dem »weib lichen Kaffernhirsestern« bzw. »Kafferrikornstern«) der Dogon (also dem noch nicht nachgewiesenen Sirius C; allerdings wird in anderen Zusammenhängen Nephthys oft eher so geschildert, daß man an eine Verbindung zwischen ihrer Gestalt und Sirius B zu glauben geneigt ist). Und der dritte wird »die zweite Natur aller Gqtter«, »das zweite Wesen aller Götter« genannt - er ist der kreisende Gefährte und das archetypische »Double« zahl reicher Gestalten von Isis bis Gilgamesch. Ganz ohne Frage handelt es sich um Sirius B. Und dann ist da noch tchäm, das rätselhafte, starke Sternen metall, als »Macht des Anubis« bezeichnet, jenes Anubis, den wir schon früher als Personifikation der Umlaufbahn des Sirius B erkannt haben, und tchtim seinerseits ähnelt sehr stark einem Wort, auf das wir schon früher gekommen sind - dem Wort tchens (»Gewicht«) und dessen Verwandten,etwa (ens (»schwer«, »Gewicht«), tensmen (»schwer sein«) und dem abermals ganz ähnlichen {eng (»Zwerg«). Sprächen wir von einem Objekt, das nur von diesen lautlich einander so ähnlichen Wörtern charakte risiert würde - nämlich: tchens {ens {eng tchäm - dann ergäbe
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sich ganz wörtlich (man verzeihe, daß wir uns hier nicht um Grammatik kümmern): »Das Gewicht des schweren Zwerg stern-Metalls«, wobei wir nicht vergessen dürfen: tchäm wurde ausdrücklich auch als »Macht des Gottes Anubis« gekennzeich net, den wir früher schon als Verkörperung der Umlaufbahn des Sirius B identifiziert haben - eines »Zwerg«-Systems aus super »schwerem« »Stern-Metall«. Was nun das fragliche »Stern-Metall« angeht, so gilt es gleich falls festzuhalten, daß Plutarch in »Isis und Osiris« (376 B) von den Ägyptern berichtet 13 : »Darüber hinaus nennen sie den Magneteisenstein >Horusgebein< und wie Manetho [Manetho Fragment 77] berichtet, heißt das Eisen bei ihnen > Typhons knochen»Krokodilsmaul< - eine Augenkrankheit«), und sogar noch fundamentaler: »Beginn oder Anfang aller Dinge«. Interessant für das Studium der Entwicklung geometrischer Begriffe ist es, daß für die Ägypter die Basis eines Dreiecks dessen »Mund« oder »Anfang« war. Nun könnte das Ineinandergreifen von ärqi und tepi - das heißt: zwischen dem Ende eines Zyklus und dem Anfang des nächsten - leicht Verwirrung stiften. Wenn der letzte Tag des alten Zyklus ärqi ist und der erste des neuen Zyklus tepi, liegt es nur allzu nahe, schon ärqi für den eigentlichen Anfang zu 280
halten, Kurz: ärqi und tepi hängen eng miteinander zusammen, ja praktisch verschmolzen sie sogar, denn in gewissem Sinne trifft es ja sogar tatsächlich zu: Das Ende eines Zyklus ist, streng genommen, der Anfang des neuen. Uns stellt sich der Neujahrs tag als Kombination eines Alten mit Sichel oder Sense dar, der das Weite sucht, während ein Kind das anbrechende neue Jahr verkörpert. Beide Gestalten aber gehören eng zusammen, ent sprechend sind auch ärqi und tepi unzertrennliche Gefährten. Als einige Zeit verflossen und die Überlieferung schon etwas verblaßt war, fand man nichts mehr dabei, in ärqi nur noch den Neubeginn zu sehen, da es ja das Ende des Alten war. Genau das muß sich jedenfalls im Griechischen ereignet haben, denn das Zeitwort 'cxpxw (archö) heißt: »ich beginne«, »ich mache einen Anfang«. Es hängt zusammen mit 'cxpx17 (arche): »An fang«, »Ursprung« und so weiter, das bei uns in Fremdwörtern wie »Archetyp« oder »Architektur« weiterlebt. Mir scheint dies ein neuer Beweis dafür, daß indogermanische Wörter mit den Stämmen ark bzw. arch und so weiter auf entsprechende ägyp tische Ausdrücke mit dem Stamm arq zurückgehen. Eine weitere Verbindung des ärk-Wortkomplexes mit der Ar gonautengeschichte findet sich in einem recht seltsamen Zusam menhang. Einer der eigenartigen Traktate, die aus der Antike erhalten sind, ist die seltsame Schrift: »Über die Namen von Flüssen, Bergen und jenen Dingen, so nachstehend zu finden«15 • Dieser Traktat lebte im Korpus der Schriften Plutarchs fort, ist aber offensichtlich kein Werk Plutarchs. Mich verblüfft er als eine im Grunde scharfe Satire auf eine damals sehr verbreitete Art der Schriftstellerei. Einer der Flüsse, um die es hier geht, ist der Phasis - jener Fluß, den Jason nach Aia in Kolchis hinauf segelte. Über ihn nun lesen wir: »Er wurde früher Arkturos ge nannt . . . « Ohne mich länger hierbei aufzuhalten, möchte ich einfach nur feststellen: Der kolchische Fluß schlechthin hatte einst vielleicht einen Namen, der mit den Wörtern des ärq-Kom plexes zusammenhing. Vermutlich heißt Arktur so viel wie »Bärenhüter« und bezieht sich auf jenen Bären, der uns als Sternbild Ursa Major (»Großer Bär« bzw. als »Großer Wagen«) bekannt ist. Als dessen »Gefährten« betrachtet Allen den Stern Arktur im Sternbild Bootes, und gleichfalls bestand sogar eine 281
Beziehung zwischen ihm und Osiris, möglicherweise auch mit Horus. Vermutlich ist dies eine weitere jener zahlreichen Ver wirrungen, die sich daraus ergaben, daß man die Sirius-»Ge fährten« durcheinanderbrachte. Aber, wie gesagt: Ich möchte mich nicht in Einzelheiten verlieren und mich nicht an den Fragen festbeißen, die der Name Arkturos aufwirft. Es ging und geht mir lediglich darum, die simple Tatsache festzuhalten, daß »Phasis« einst möglicherweise »Arktur« war, und dabei soll es bleiben. Der Name Phasis hatte mit der Vogelwelt zu tun. Es gab regel recht den Ausdruck: »phasischer Vogel«. Man erinnere sich an Kirke, worin ihre Beziehungen zu Kolchis bestanden und was sie eigentlich verkörperte. Augenmerk verdient im Zusammen hang damit die Feststellung, daß phassa im Griechischen die »Ringeltaube« bezeichnet. Ableitungen von und Zusammen setzungen mit diesem Wort beziehen sich auf Tauben, und Tau ben haben, wie wir längst sahen, viel mit den von Behdet aus markierten Omphalos-Orakelzentren zu tun. Und wir wissen: Aia in Kolchis, das am Phasis lag und in so enger Beziehung zur Argo und den Orakelstätten stand, hatte nicht nur auf diese Art mit Tauben zu tun, sondern auch durch die Tauben, die man in den verschiedenen Archen der verschiedenen Sintfluterzählun gen fliegen ließ (dies einschließlich der Argo). So ist es kein Wunder, daß Phasis und phassa miteinander zusammenhängen. Ganz gleich, ob man ihn als Phasis oder Arkturos bezeichnete: Der Fluß scheint in jedem Fall seinen richtigen Namen gehabt zu haben. Im übrigen lautete im Griechischen der Name einer Falken- oder Habichtsart ph asso-phonos (»Taubentöter«), und Kirke verkörperte ein derartiges Tier. Bevor wir Plutarch verlassen, sollten wir uns noch einprägen: In Isis und Osiris berichtet er, daß einer der Beinamen des Osiris Omphis lautete. Dies stellt eine vielsagende Verbindung zu den Orakelstätten her, die damals in Ägypten »in Betrieb« waren. Doch zurück zu tepi und verwandten Bildungen! Tep ra be deutete bei weitem nicht nur »Dreiecks-Grundlinie«, sondern auch »Götterspruch«, »Orakel«, und auch das ist außerordent lich bedeutsam. Ich hatte behauptet, daß die Orakel mit der Argo in Verbindung standen, die die Umlaufbahn des Sirius B sym-
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bolisierte, eine Umlaufbahn mit tepi am Beginn; und nun ent decken wir, daß das ägyptische Wort für »Orakel« tep ra lautete. Tep-ra - dies wurde aber auch zur Bezeichnung der »Vor fahren«, was wohl wiederum mit der Bedeutung von tepi im Sinne von »Anbeginn der Dinge« zusammenhängt, und die tepi äui-qerr-en-pet waren die »Ahnengötter des Himmelskreises«, was wiederum aufhorchen läßt. Waren es vielleicht außerirdi sche Besucher auf unserer Erde? Um »Götter des Himmelskreises« scheint es in Plutarchs Bericht über die persische Religion (Isis und Osiris 370 A-B) zu gehen. Wie wohl den meisten bekannt, war der Zarathustrismus die Religion der vorislamischen Perser. Noch heute lebt er (wenn auch längst nicht mehr rein) in der Parsi-Religion im Gebiet von Bombay (Indien) fort. Dorthin flohen die letzten Zarathustrier, als ihre iranische Heimat in die Hand islamischer Invasoren fiel.Bei den Persern handelt es sich um kein semitisch sprechendes Volk, es sind keine Araber, sondern ihre Sprache hatte - vor der starken Beeinflussung des Islam durch das Ara bische - ursprünglich rein indogermanischen Charakter, und auch ihre Religion wies enge Bindungen zu der der arischen Inder auf. Tatsächlich unterschied sich die älteste Form des Sanskrit, das Wedische, nur sehr wenig von der ältesten Form des Persischen, dem Awestischen. Von Zoroaster (Zarathustra) wissen wir: Er postulierte zwei göttliche Grundprinzipien: Ahura Mazda, das Prinzip des Lich ten und Guten, und Ahriman, das des Bösen und Dunklen. Plutarch bedient sich zur Bezeichnung der Personifikationen beider Prinzipien der Namensformen Oromazes und Areima nios. Wenn wir uns an Plutarchs früher zitierte Äußerung er innern, Anubis verkörpere in der altägyptischen Religion den Kreis, der das Licht von der Finsternis schied, scheint uns die Feststellung aufschlußreich, daß er (369 E-F) der gleichen Vor stellung Ausdruck verleiht, nur diesmal auf den persischen Gott Mithras bezogen, der hier als Mittler zwischen Dunklem und Lichtern geschildert wird. In 370 finden wir dann die bemerkens werte Stelle: »(Die Perser) erzählen auch manche Legende von ihren Göttern, so z. B. das Folgende: Oromazes, aus dem rein sten Licht geboren, und Areimanios, der Dunkelheit entspros-
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sen, liegen miteinander in ständigem Kampf; und Oromazes er schuf sechs Götter, zuerst den der guten Gedanken, zweitens den der Wahrheit, drittens den der Ordnung sowie schließlich einen der Weisheit, des Wohlstandes und den, der Freude am Rechtschaffenen einflößt. Areimanios aber schuf Gegengötter, diesen an Zahl gleich.« Bei diesen zwölf Göttern könnte es sich um eine Art Tier- oder Jahreskreis handeln, doch in der unmit telbar darauffolgenden Passage wird es interessant: »Dann dehnte sich Oromazes auf das Dreifache seiner früheren Größe aus und entfernte sich so weit von der Sonne wie die Sonne von der Erde entfernt ist. Und er schmückte den Himmel mit Ster nen. Einen setzte er als Hüter und Wächter über alle anderen ein: den Hundsstern. Auch 24 andere Götter schuf er noch und brachte sie in einem Ei unter. Die aber, die Areimanios geschaf fen hatte, und die den anderen an Zahl glichen, durchdrangen das Ei und fanden innen ihren Weg. Daher sind heute Böses und Gutes stets vereint«. Eine Fußnote in der Loeb-Ausgabe dieses Textes fügt hinzu: »Es ist klar: Die beiden Göttergruppen ver mischten sich. Doch geht aus dem Text nicht hervor, ob die bösen Götter hinein- oder die guten Götter herauskamen«. Diese Stelle verdient tatsächlich eine gewisse Aufmerksam keit. Sehr klar wird zum Ausdruck gebracht, daß sich all dies in einem Bereich außerhalb unseres Sonnensystems abspielte. Den Persern scheint durchaus bewußt gewesen zu sein, daß die Fix sterne außerhalb unseres Sonnensystems lagen. Zumindest soll uns hier deutlich gemacht werden, daß ein räumlicher Unter schied existiert. Doch wie dem auch sei: der lichte Gott Oro mazes und der dunkle Gott Areimanios schufen je 25 Götter, was zusammen 50 ergibt. Und diese Götter wurden in ein Ei versetzt, also in eine ovale, elliptische Form, die der Ellipsen form einer Umlaufbahn entspricht. Von einem der 25 Götter, die Oromazes schuf, heißt es mit leichter Abweichung von der korrekten Überlieferung, es sei Sirius. Doch aufjeden Fall waren der Hundsstern Sirius plus 24 andere Götter von Oromazes ge schaffen, und das ergibt 25 Götter; die gleiche Anzahl schuf Areimanios - und sie vermischten sich in einem eiförmigen Ge bilde. Wonach klingt das wohl? Und von Sirius wird ausdrück lich gesagt, er spiele die wichtigste Rolle. Da aber Areimanios 284
der »dunkle« Gott war, der auch »Dunkles« schuf, mußte seine Schöpfung, die er Sirius entgegensetzte, auch ein »dunkler« Gegensirius sein. Und was die 50 Götter angeht, die um Sirius angeordnet waren (streng nach dem Text könnte man nur von 49 Göttern sprechen, die Sirius umgaben, aber aufgrund dessen, was wir bereits aus anderen derartigen Schilderungen wissen, spreche ich von einer Verzerrung der Tradition; in Wirklichkeit sollte Sirius das einundfünfzigste Element sein), so stellten diese offenkundig die 50Jahre des Umlaufs von Sirius B in einer »eiför migen« Bahn rings um den Hundsstern als den »Hüter und Wächter« dar. Es gibt noch weitere Beispiele dafür, daß alte Traditionen zwischen den Zahlangaben 49 und 50 schwanken. So finden wir bei Graves die folgenden interessanten Bemerkungen 16 : »Ober priesterinnen wurden durch einen Wettlauf (den Ursprung der ·olympischen Spiele) bestimmt, der abwechselnd nach 50 oder 49 Monaten stattfand«. Abgesehen davon, daß Graves hier von einer Fünfzigmonatsperiode als Vorläuferin der Olympiaden zählung spricht, worauf wir bereits früher eingegangen sind, sehen wir hier in der Zeitberechnung eindeutig einen Wechsel von 49 und 50. Dies erinnert sehr stark an das Schwanken der obigen Schilderung Plutarchs, die sich ebenfalls nicht zwischen 49 und 50 entscheiden konnte. Außerdem gibt es ein Beispiel aus der Bibel, und zwar im Buch Leviticus (3. Mos.) 8-13 : »Zähle dir sieben Sabbathjahre, also siebenmal sieben Jahre, so ergeben sich als Zeit der sieben Sabbathjahre 49 Jahre. Dann sollst du im siebenten Monat am zehnten Monatstag die Lärm posaune erschallen lassen, das heißt am Versöhnungstag. Das fünfzigste Jahr sollt ihr weihen und Freilassung für alle im Land verkünden. Es soll für euch ein Jobeljahr [Luther: >HalljahrSchlangenzähne«< (wobei »Schlangenzähne« - wie wirja wissen - seinerseits eine Umschreibung für »Siriusgottheit« ist). Aus all dem ergibt sich eine ganze Reihe der verwirrendsten Wort spiele, die sämtlich ineinandergreifen. Mehr zur Abrundung fügen wir hinzu: /fen-b war auch ein Schlangengott in der Unterwelt (Tuat), und lfenb-Requ ein Schakalgott, was wiederum eine Brücke zum Schakal/Hund Anubis und damit zum Sirius-B-Umlauf schlägt und - sozu sagen als letzte Würze - eine weitere Wortspiel-Möglichkeit mit »Schlange« eröffnet. Wir erinnern daran, daß der »Thron« und das »Ruder« die beiden häufigsten Umschreibungen für die jährlichen »Schritte« oder »Stufen« im Fünfzigjahresrund des Sirius B waren. Auch der Name der Göttin Isis - im Ägyptischen Ast - bedeutet ja »Thron« und wird durch das Hieroglyphenzeichen »Thron« wiedergegeben. Bezeichnenderweise heißt aber as-ti, mit der gleichen »Thron«-Hieroglyphe geschrieben, »jemand anstelle eines anderen«, »Stellvertreter«, »Nachfolger«. Hier scheint die Vorstellung von Thronen anzuklingen, die reihenweise vor handen waren, und erst recht spielt wohl die Wortkombination 293
A st A. npu (die ja nichts anderes bedeutet als »Isis-Anubis«) auf die - als eine ganze »Thronreihe« gedachte - Sirius-B-Bahn an. Ein weiterer Name für Isis in ihrer Eigenschaft als Sirius göttin lautet A. achu-t. Angesichts dieses neuen Namens über rascht es uns nicht zu hören, daß A. achuti »der Gott« ist, »der da wohnet im Horizont«. Und äachu-t sheta-t bedeutet: »der geheime Horizont«. Als A. achuti bezeichnet man »die beiden Geister, d. h. : Isis und Nephthys«, und äachu-t sind außerdem »die Uräen [Uräusschlangen, Kobras] der königlichen Krone« usw. - und dies macht klar, wo der Ursprung dieser sozusagen »zentralsten« aller Pharaonen-Insignien zu suchen ist. Daraus ergeben sich abermals neue Möglichkeiten, die Verbindung des Siriussystems mit dem »geheimen Horizont« des Sirius-B-Orbits und dessen tiefe Bedeutung für die Ägypter zu demonstrieren. Eine weitere Form des lsisnamens Ast lautet A as-t - eine Wortbildung, deren Bedeutung man sofort erkennt, wenn man sich klarmacht, daß aasten »einen der acht Affengötter aus dem Gefolge des Thoth« bezeichnet, »der über die sieben anderen herrschte . . . «. Denn hier haben wir eine Parallele zu der auf den Sirius bezogenen Dogonerzählung, wonach der achte Häuptling über seine »sieben Vorgänger« regierte, die symbo lisch für die Sirius-B-Umlaufperiode standen. Sie begann neu, als der achte Häuptling seinen je sieben Jahre regierenden sieben Vorläufern (was ja für alle zusammen 49 Regierungsjahre ergibt) nachfolgte. Diese mit Sirius verknüpfte Vorstellung ist es wohl, auf die die letzterwähnte Variante des ägyptischen Namens der Göttin Isis anspielt, zumal man Isis mit Sirius identifizierte. 'Eine andere Art, von Isis und Nephthys zu sprechen, war, beide als A är-ti, »die beiden Uräus-Göttinnen, Isis und Neph thys«, zu bezeichnen. Es gibt ein ganz ähnlich lautendes Wort A.ärärut; vermutlich ist es der Ursprung des Namens der sume rischen Gottheit Aruru. Sie nämlich war das sumerische Gegen stück zu Isis - sie war jene Göttin, die man auch als Ninhursag, Nintu, Ninmah und dergleichen bezeichnete. Mit dem Namen Aruru aber bedachte man sie insbesondere als Schöpferin des behaarten Enkidu, des Gefährten Gilgameschs. Ganz sicher hat es mit Enkidus Beziehung zu Sirius B zu tun, daß sie im Gilga-
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mesch-Epos auftaucht: War doch gerade ihr Name Aruru durch seine Ableitung aus dem Ägyptischen besonders eng mit der Siriustradition verbunden. Und auch durch den Umstand, daß Ä. tir-ti gemeinsamer Name beider Göttinnen, Isis und Neph thys, ist, wovon Nephthys eher mit dem Siriusbegleiter zu tun hat, steht die Bezeichnung Aruru in engerer Beziehung zu Sirius B, den gleichzeitig Enkidu verkörpert, als jeder andere Name der Sirius-Gottheit, den nicht ausdrücklich auch Neph thys, Isis' »dunkle« Gefährtin, trägt. Dasselbe Wort bedeutet auch »Uräen«, und wir haben soeben bemerkt, daß sich eine andere Bezeichnung für »Uräen« auch auf den »Horizont« der Sirius-B-Umlaufbahn beziehen kann, gleichzeitig aber auch gemeinsam auf beide Göttinnen Isis und Nephthys - selbstver ständlich gemeinsam, denn die Umlaufbahn, die das der einen zugeordnete Gestirn beschreibt, läuft um das der anderen her um. Wie wir schon mehrmals sahen, war diese Umlaufbahn beiden gemeinsam und schied ihre jeweiligen Bereiche. Des halb müssen sich auch Bezeichnungen dieser Umlaufbahn auf beide gemeinsam beziehen. Und welchen passenderen Namen hätten die Sumerer für die Gottheit in ihrer Rolle als Schöpferin Enkidus, des »dunklen« Gefährten Gilgameschs, wohl finden können als einen gerade von diesem Aspekt der Gottheit abge leiteten Namen? Sirius, der »Hundsstern«, wird durch die »Zahn«-Hieroglyphe dargestellt. Deshalb ist es wichtig zu wissen: Es gab im Ägyp tischen auch ein Wort, das sowohl »Zahn« als auch »Hund« be deutet. Ich meine shaär (»Zahn«) und sha (»eine Art Hund«), sha-t (»Hündin«), shai (»ein Hundegott«) und Shaäit (eine Erscheinungsform der Hathor - jener Göttin, die ihrerseits ja isishafte Züge trägt und mit Isis verschmolz). Außerdem bedeutet sha-t »hundert«. Es ist die ägyptische Entsprechung des griechischen Zahlwortes hekaton (»hundert«), von dem wir annehmen, daß es mit dem Namen der griechischen Göttin Hekate zu tun hat. Ein weiteres Wort »Zahn« ist äbeh, und eine lautlich ähnliche Wortbildung bedeutet »Schakal«. Außerdem heißt äba »stark machen«, äb-t bedeutet »Pfad«; äpp heißt »queren«, »durch reisen« und äp »Schritte«, »Tritte«. Wenn man mir den völligen
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Verzicht auf Grammatik nachsieht - äpp äb-t em äp könnte »einen Pfad schrittweise (in Schritten) durchreisen« heißen. Und genau das tut Sirius B auf seiner Umlaufbahn. Da Anubis mit dem Umlauf des Sirius B gleichgesetzt wurde, wundert es uns nicht, zu hören: Er führte den Titel »Zähler der Herzen«, wobei »Zähler« durch das Wort äpi und »Herzen« durch äbu wiedergegeben wurde. Doch wenn wir äpi-äbu nur ein wenig zu äpi-äb( verändern, dann ändert sich die Bedeutung in: »Zäh ler der Monate«, denn äb( heißt »Monat«. Dies ist ein weiteres tiefsinniges Wortspiel, das auf die 100 »Monate« (bzw. Jahre) zielt, die Anubis, der die Umlaufbahn verkörpert, zählt, wenn er zweimal seinen äb-t em äp, seinen »Pfad in Schritten« durch mißt. Weiter in die Feinheiten und Wortspiel-Möglichkeiten des Altägyptischen einzudringen, ist für unser Vorhaben nicht mehr erforderlich. Dasselbe gilt für weitere Ableitungen sume rischer Sakralnamen aus dem Ägyptischen. Doch ist es wohl angebracht, noch ein wenig die Informationslücke über den Weg zu füllen, den »unsere« aus dem Mittelmeerraum stam menden Sirius-Überlieferungen aus Südlibyen bis zum Niger nahmen. Nach Herodofs Bericht wurden die libyschen Gara manten immer weiter nach Westen und Süden gedrängt. Gra ves erklärt, sie seien in das Fessan - in das Wüstengebiet Süd libyens - vertrieben worden. Weitere Ausführungen darüber finden wir in dem Werk A Histo,y of West Africa von J. D. Fage 20 : »Herodot, der um 450 v. Chr. schrieb, sagt von den Garamanten, das heißt von den Bewohnern der Oase Djerma im Fessan (die man heute als Tuareg ansprechen würde), sie hätten die >Äthio pierersten MenschenQuellen< im Wadi el Ajal, und für die jetzige Bevölke rung von etwa 7000 Köpfen reichen sie. Wenn wir indessen diese Bevölkerungsziffer an den 100 000 oder mehr Gräbern messen, die bisher in dem Wadi zum Vorschein kamen und aus der Zeit der > Wassertunnelerbauer< stammen, können wir uns einen Begriff machen, wie stark bevölkert diese Gegend einst war . . . Außerdem deutet der Bau eines so riesigen Wasser versorgungssystems auf eine Bevölkerung mit Industrie und technologischer Entwicklung hin, deren kulturelle Entwicklung einen Stand erreicht hatte, der den Nordeuropas vor dem Ein dringen der Römer übertraf. 298
Wir können daher als sicher annehmen, daß (a) zwischen 5000 und 1000 v. Chr. eine Viehzüchter- und Ackerbauer-Be völkerung mit schwarzer Hautfarbe große Teil der Wüste Sahara bewohnte, die die Wüste mit Hilfe dieser foggaras fruchtbar machte, und daß (b) gerade der Wohlstand dieser wehrlosen Afrikaner weiße Siedler an der libyschen Küste reizte, in das Fessan einzudringen. Bei diesen Einwanderern (die wohl ur sprünglich aus Kleinasien nach Afrika kamen) handelte es sich um die Garamanten, die Leute mit den vierspännigen Wagen zuerst von Herodot erwähnt, der ihnen bescheinigt, schon zu seiner Zeit eine sehr volkreiche Nation gewesen zu sein. In der folgenden Phase des klassischen Altertums tauchen sie bald wieder auf, bald verschwinden sie wieder von der Bildfläche, bis sie um 700 n. Chr., als ihr letzter König von den in das Fessan eingedrungenen Arabern gefangengenommen wurde, ganz von der historischen Bühne abtraten. Mehr als 1000 Jahre hatte ihr Reich in der Sahara bestanden. Dennoch wissen wir über die Garamanten so gut wie nichts, und der Grund dafür liegt auf der Hand: Als das römische Weltreich dahinsank, wurde Afrika zu einem >verlorenen< Kontinent, einem Kontinent, der so weit abseits lag, daß bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts kein euro päischer Reisender mehr bis zum Fessan vordrang«. Wellard äußert außerdem: In den Garamentengebieten gäbe es Myriaden von Gräbern, Pyramiden, Festungen und verlassenen Städten, die dort lägen, ohne daß je der Spaten eines Archäolo gen sie berührt hätte. So habe er beispielsweise »die befestigte Stadt Sharaba« besucht, »die dort in der Wüste liegt und nach und nach im Sande versinkt . . . nicht mehr als ein paar Dutzend europäischer Reisender haben sie besucht, denn sie liegt abseits der Karawanenrouten in einer der etwas zugänglicheren Ni schen des Sandmeeres von Mursuk . . . Tatsächlich hat die archäologische Erforschung des Fessan gerade erst begon nen . . . « Nach der Eroberung des Garamantenreiches durch die Ara ber flohen die Überlebenden nach Südwesten, »vermischten sich mit der einheimischen Negerbevölkerung am Südufer des oberen Niger und nahmen deren Sprache an«, wie Graves23 uns 299
unter Berufung auf die Ethnologin Eva Meyrowitz24 in seinem Buch The Greek Myths mitteilt. So wird also ein wenig deutlicher, wie die Dogon und mit ihnen verwandte Negerstämme in den Besitz ihres verblüffen den Wissens kamen. Es ist ein Epos über Tausende von Jahren, ein Drama auf einer Bühne, die Tausende von Kilometern mißt, was freilich nur zu gut zu der Art der Botschaft paßt, die so in eine ganz andere Welt getragen wurde - in das unseren gesam ten Planeten umspannende kosmische Provinznest unserer gegenwärtigen Kultur. Den Dogon zufolge besuchte »der Ge stalter der Welt« die Erde und kehrte zum Siriussystem zurück, nachdem er der Menschheit die Kultur geschenkt hatte. Doch inzwischen haben Vertreter unserer Rasse einen anderen Him melskörper betreten, wir beginnen den Kopf aus unserer Nuß schale hervorzustrecken und uns in unserem Sonnensystem umzusehen. So sind wir innerlich darauf vorbereitet, uns ernst haft über Nachbarn den Kopf zu zerbrechen, die vielleicht nur wenige Lichtjahre von uns entfernt wohnen, ihr eigenes Sonnen system haben und dort ihre Tage genau wie wir verbringen beseelt von dem Wunsch zu lernen, zu verstehen und vor allem eine auf ethischen Grundsätzen aufgebaute Hochkultur zu schaffen - alles Dinge, die auch die Besten unter uns bewegen. Denn ohne diese Motivation wäre es fraglich, ob sie ihre eigene technologische Entwicklung überlebt hätten. In einer Welt der Liebe kann man leben, doch ohne Liebe gibt es keine Welt, die sich nicht selbst vergiftet. Man muß also davon ausgehen, daß, wer immer im Siriussystem lebt, es fertiggebracht hat, eine allumfassende und dem Leben zugewandte Ethik zu entwickeln. Wenn Sirius wirklich Heimat des »Gestalters der Welt« ist, sollte uns dies ermutigen, selbst Gestalter unserer Welt zu werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Das altägyptische Hieroglyphenzeichen und Wort für »Gott heit« bedeutet gleichzeitig »Schlange«. Die Hieroglyphe für »Sirius« bedeutet gleichzeitig »Zahn«. »Schlangenzahn« ist also ein Wortspiel mit dem Begriff »Siriusgottheit«. In der A,xo-Er zählung säte Jason »Schlangenzähne« - eine Vorstellung, die
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ursprünglich auf dieses ägyptische Wortspiel zurückgehen muß. Außerdem verwendeten die Griechen für das »Aufgehen« eines Sternes das gleiche Wort wie für das »Wachstum« von Zähnen aus dem Zahnfleisch. Wenn also die »Schlangenzähne« in den Boden gesät waren, »wuchsen« sie auf, wie echte Zähne aus dem Kiefer - das heißt nichts anderes als: Der Stern Sirius (der »Schlangenzahn«) »erhob« sich über den Horizont. Hier sehen wir die Anwendung des mythologischen Sprach kodes, der sich gewisser Wortspiele bediente. Hinter den Mythen lagen Sinngehalte verborgen, die sich bei Rückführung auf die Hieroglyphen und auf Wortspiele mit Synonymen entschlüsseln lassen. Erklärungen für die W örter A rgo, Arche, Argos und derglei chen mehr finden wir, wenn wir deren ägyptischen Ursprung unter die Lupe nehmen. Sie gehen nämlich auf die ägyptische Wurzel arq zurück. Doch auch verwandte Wörter im Griechi schen selbst geben wertvolle Anhaltspunkte. So war Argos ein mit einem Zyklus in Verbindung stehender Hund, eine weitere Gestalt, die den Namen Argos trug, besaß 100 Augen und be wachte Io, die ihrerseits mit der Sirius-Tradition und mit Isis zu tun hat. Das ägyptische Wort arqi bezieht sich auf das Ende eines Zyklus, ähnlich wie der Hund Argos in der Odyssee. Das ägyp tische arq wiederum bezieht sich auf das Bedeutungsfeld »Kreis«, »Bogen«. Von ihm leitet sich das lateinische arcere ab, und auch noch in zahlreichen modernen, vor allem in den ro manischen Sprachen, aber auch im Englischen, bedeuten noch heute Wörter wie arco, arc, arch usw. »Bogen«. In einem lsistempel in Süditalien gibt es im inneren Heilig tum eine Wandmalerei, die den hundertäugigen Argos darstellt (hier allerdings mit normalem Gesicht und normalen Augen). Im fraglichen Raum wurden die Isis-Mysterien zelebriert. Nach der Überlieferung waren es die 50 Töchter des Danaos, die die Mysterien der Thesmophorien, bei denen es sich laut Plutarch ursprünglich um Isis-Mysterien handelte, aus Ägypten nach Griechenland brachten (von wo sie nach Italien gelangten). So war Isis in einem als sehr heilig betrachteten und geheimgehal tenen Kultbereich eng mit den Zahlbegriffen »fünfzig« und »hundert«« (griechisch h ekaton - vgl. hiermit den Namen der 301
Göttin Hekate) verknüpft. Und Isis setzte man mit Sirius gleich. Nach dem Glauben der frühesten Altägypter war Sirius die Wohnstatt der abgeschiedenen Seelen, und auch die Dogon glauben dies. Die Ägypter erklärten, wenn der Geist eines Ver storbenen »zu Nephthys« gehe, dann drehe er sich »im Hori zont« und »rotiere wie die Sonne«. Dies ist eine recht genaue Beschreibung der dunklen Nephthys als einer »Sonne«, die sich rings um Sirius herumbewegt. Außerdem behaupteten die Ägypter, aus dem Siriusbereich kämen Ausstrahlungen, die den Lebewesen auf Erden Kraft spendeten. Auch dies glauben die Dogon ihrerseits. Da die Ägypter Sirius als das »Jenseits« der abgeschiedenen Seelen betrachteten, ist es interessant, daß sie das »Jenseits« ärq-1:,el:,tt nannten, also auch in diesem Zusammenhang ein arq Wort benutzten. Im Ägyptischen bezeichnete man das Sirius-Gebiet mit einem Wort, das gleichzeitig »Thron« und »Gewicht« bedeutete und einem Wort für »Zwerg« ähnelte. Das ägyptische Zahlwort für »fünfzig« (auf das auch die ent sprechenden arabischen und hebräischen Zahlwörter zurück gehen) bezog sich auf die fünfzig heißen »Hundstage« des »Hundssterns« Sirius, desgleichen auf einen »Stern, der niemals ruht« - fraglos ein Stern mit spektakulärer Bewegung, nämlich Sirius B in seinem Fünfzigjahreskreis. Sirius ist in Ägypten auch der »Bogenstern«. Das ägyptische Wort für »Bogenschütze« bezieht sich auch auf ein besonders schweres Sternenmetall, das mit Anubis zu tun hat (von dem wir schon früher die Vermutung ausgesprochen haben, daß er den Umlauf des Sirius B zum Sirius A verkörpere, und schließ lich besteht Sirius B aus »schwerem Sternenmetall«). Das Wort für besagtes »schwere Sternenmetall« gleicht wiederum den Wörtern für »Zwerg« und »Gewicht«. Der ägyptische Ausdruck für den »Beginn eines Zyklus« (dessen Bedeutung später auf arq, ursprünglich »das Ende eines Zyklus«, überging), hat auch die Bedeutung »Orakel« sowie »Vorder- und Achterende eines Schiffs« - eine Rechtfertigung meiner »Orakel->A,go«so rot wie Feuer< . . . als er landete, wurde er weiß« 10. Und daraus ergibt sich die volkstümliche, landesübliche Auffassung: »Der Albino bezeugt auf Erden den Brand des Nommo bei seiner Herabkunft; man sagt, er trage die >BrandspurBlut< zum Himmel spritzen« 1 2 . Dies könnte die Beschreibung der Landung eines raketengetriebenen Fahr zeugs sein, aber von dem »spritzenden Blut« (Flammen?) heißt es, auch ie pe/u tolo habe Anteil daran, und es »gab dem Stern Wirklichkeit und Glanz« 13 . Was die drei unterschiedlichen, einander ergänzenden Stammeszeichnungen von ie pe/u tolo angeht, so vergleiche man Abbildung 37. Man sieht hier, so scheint es, den »Stern« in drei verschiedenen Zuständen. Unter schiedlich ist vor allem die Menge des »spritzenden Blutes«, das der »Stern«, den ich für ein Raumfahrzeug halte, ausstößt. Im übrigen erklären die Dogon ausdrücklich auch, ie pelu tolo sei von einem Kreis rötlicher Strahlen umgeben, und dieser Strahlenkranz breite sich aus, wie ein Fleck ausläuft, ohne je doch seinen Umfang zu verändern 14 • Es heißt, der Nommo werde wiederkommen. Es werde eine »Auferstehung des Nommo« geben. Daher sollte es uns nicht überraschen, daß »das himmlische Symbol der Auferstehung . . .
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der >Stern des zehnten MonatsaufgegangenNommos Auge«< 15 • Mit anderen Worten: Der »Stern« ist gar kein Stern und ist nur zu sehen, wenn der Nommo zurückkehrt und sich die Arche zur Erde herabsenkt. Der Nommo ist »der > Mahner< des Universums, der >Vater< der Menschheit, der >Hüter ihrer geistigen Prinzipien< , der > Verteiler des Regens< und überhaupt der > Herr des Was-
Abbildung 37. Drei Stadien des ie pelu tolo am Himmel (Dogonzeichnung)
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sers«< 16• Nicht alle Nommos kamen zur Erde. Einer davon, namens Nommo Die oder »Großer Nommo«, blieb »im Himmel bei Amma und ist dessen Stellvertreter« 1 7 • Er manifestiert sich im Regenbogen, der »Pfad des Nommo« genannt wird 18 . Er ist Hüter der »geistigen Prinzipien der Lebewesen auf Erden« 19 • Es gibt drei weitere unterschiedliche N ommo-Arten, je durch ein Individuum repräsentiert, so den Nommo Titiyayne, den »Botschafter (oder Stellvertreter) des Nommo Die . . . er (führt) dessen große Werke (aus)«20. Die Nommos, die im Raumschiff zur Erde kamen, gehören vermutlich zu dieser Klasse. Es sind diese Wesen, die wir auf den Abbildungen 32 und 34 dargestellt finden. Die dritte Nommo-Klasse verkörpert O Nommo (der »Nom mo vom Teich«). »Er wird für die Reinigung und Neugestaltung des Universums geopfert werden . . . Er wird sich in Menschen gestalt erheben und zusammen mit den Ahnen der Menschen in einer Arche zur Erde herabsteigen . . . dann wird er seine ursprüngliche Form wieder annehmen, wird vom Meer aus herrschen und viele Nachkommen hervorbringen«21. Der vierte Nommo ist der widerspenstige Quertreiber. Sein Name lautet Ogo oder Nommo Anagonno. »Als er schon fast fertig gestaltet war und der Schöpfer letzte Hand an ihn legte, lehnte er sich gegen seinen Schöpfer auf und brachte Unord nung in den Kosmos. Schließlich wird er zum Blaßfuchs (fran zösisch: renard pale), worin sein Sturz sichtbar zum Ausdruck kommt«22 . In mancherlei Hinsicht gleicht dieser Fuchs der ägyptischen Gottheit Seth. Der Name Nommo kommt von einem mit der Wurzel nömo (wörtlich: »jemanden >trinken machen«von seinem Leib tranktrinken lassenbeißen< . . . aber es war nicht imstande, die Ränder der Arche zu erreichen«27 .
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»So war das böse > Wasser-Insekt< erfolglos, als es Schaden zu fügen wollte. Als das Wasser den Teich füllte, schwamm die Arche darin wie ein riesiger Einbaum . . . Es heißt: >Die große Arche kam aus dem Himmel und kam herab. In der Mitte stand der Nommo. Er kam herab. Dann kehrte er zum Wasser zu rück< . . . Von nun an trug er den Namen O Nommo, >Nommo des Teiches< - aus Respekt werden die Menschen seinen Namen nicht aussprechen, sondern ihn statt dessen di tigi, >Herr des Wassers< nennen« 28 . So sehen wir: Die Nommos der zweiten und dritten Klasse sind einander in Wirklichkeit gleich und verkörpern lediglich ver schiedene aufeinanderfolgende Stadien. Und was die Zukunft angeht: »Sein Zwilling, der später mit dem Schmied >Zwilling des Opfers< herabsteigt, wird gleichfalls im Teich umgeformt wer den. Sie werden viele Nachkommen haben und immer im >männlichen< Süßwasser der Bäche, Flüsse, Teiche und Brun nen, aber auch im >weiblichen< Wasser des Meeres, gegenwärtig sein«29 • Was diese Bezeichnung des Süßwassers als »männlich« und des Meerwassers als »weiblich« angeht, so gibt es eine Ent sprechung in der altbabylonischen und sumerischen Tradition. Hier war Absu (Abzu) eine männliche Süßwasser- und Tiamat eine weibliche Meerwassergottheit. Die Dogon erklären30 : »O Nommo hat seinen Sitz in den Wassern der Erde« - und dies könnte ebensogut für Enki/Ea gelten, den ich oben erwähnte. Ich fühle mich veranlaßt, vorliegendem Buch als Abbildung 38 eine Dogon-Zeichnung beizugeben, die vier Varianten des sirigi-Masken-Musters der Dogon zeigt. Sie nehmen sich tat sächlich wie raketengetriebene Raumschiffe aus! Griaule und Dieterlen31 machen detaillierte Angaben über die Bedeutung der Rauten, Rechtecke und dergleichen mehr. So versichern sie uns, all die unterschiedlichen Motive stellten insbesondere »das Hemiedersteigen und das Aufsetzen der Arche« 32 dar. Das Herabsinken der Arche war wie eine Raute, ihr Aufprall aber 326
wie ein Rechteck 33 • Vielleicht sagen die Dogon deshalb: »Als die Arche herabstieg, hatte der Raum 4 Winkel, als sie unten war, hatte er 4 Seiten«34• Das sirigi-Zeichen selbst stellt für sie »ein >Haus mit Stockwerken< dar . . . (und) bedeutete ebenso die Arche als auch ihr Herniedersteigen«35 . Mag sein, daß die Dogon damit wirklich eine Raumschiffsrakete gezeichnet haben. Die Dogon erklären36 : »pötolo (Sirius 8) und Sirius waren einst dort, wo heute die Sonne ist«. Auf diese Art, so scheint mir, kann man ebensogut wie anders ausdrücken, daß jemand aus dem Siriussystem in unser Sonnensystem kam und die dorti gen Sterne verließ, um sie gegen unsere Sonne »einzutauschen«. Doch laßt uns nun von unseren Freunden, den Dogon, Abschied nehmen. Begeben wir uns dorthin, wo Sirius und der weiße Zwerg, der ihn begleitet, die Rolle unserer Sonne spielen, wäh rend unsere Sonne nichts weiter ist als irgendein Stern am Him mel. Wir wollen den Planeten der Amphibien besuchen. Wie nehmen sich Sirius und Sirius B als Sonnen, als Doppel-, sonne, aus? Wir wissen: Beide drehen sich um ein gemeinsames Zentrum, doch praktisch bedeutet das nichts anderes, als daß Sirius B Sirius A auf einer elliptischen Bahn umkreist. Sirius A, ein großer, heller Stern, besitzt die zweieinhalbfache Masse unserer Sonne. Sirius B dagegen entspricht 95 % unserer Sonnen masse, allerdings ist dieses nicht ohne weiteres ersichtlich, denn er besteht aus degenerierter Materie und ist daher eine Winzig keit von einem Stern. W äre Sirius B mit seiner Masse nicht ein »weißer Zwerg«, könnten wir ihn leicht von der Erde aus als einen Stern zweiter Größe erkennen, obgleich es wegen der Parallaxe gewisse Schwierigkeiten gäbe, ihn von Sirius A zu unterscheiden. Auf jeden Fall aber wäre Sirius B, wenn er in der gleichen Entfernung von uns wie jetzt am Himmel stünde, aber allein auf weiter Flur, und wenn er kein weißer Zwerg wäre, einer der hellsten Sterne am Himmel. In Wirklichkeit aber ist Sirius A zehntausendmal heller als Sirius B. Die Leuchtkraft von Sirius A entspricht der fünfund dreißigeinhalbfachen Leuchtkraft unserer Sonne. Das macht ihn zu einem echt heißen Ofen. Wir können sicher sein, »unser« Planet - der Amphibienplanet, den wir jetzt besuchen wollen 327
liegt nicht allzu dicht bei ihm. Die »bewohnbare Zone«, von der ich im ersten Kapitel sprach, liegt im Fall des Sirius wohl viel weiter außerhalb als bei unserer Sonne. Was aber die Größe . von Sirius A angeht: Der Radius dieses Sterns beträgt etwas mehr als das Anderthalbfache des Sonnenradius. Das bedeutet: Von »unserem« Planeten aus betrachtet, erscheint Sirius wohl kleiner am Himmel als unsere Sonne von der Erde aus! Ja - er dürfte sogar ein gutes Stück kleiner sein, muß aber die gleiche Hitzemenge ausstrahlen, was nicht allzuschwer vorstellbar ist, wenn man seine Temperatur und Helligkeit bedenkt. Für uns freilich wäre es ein höchst seltsames Erlebnis, daß ein so klein erscheinender Himmelskörper eine so gewaltige Hitze und ein so strahlendes Licht aussendet. Direkt auf Sirius zu starren, wäre für die Augen sicher ebenso schädlich, als ob man ins Licht einer Höhensonne blickte - ein Grund mehr, unter Wasser zu leben, um der Versuchung, doch einen Blick in die Siriussonne zu riskieren, nicht so ausgesetzt zu sein. Wahrscheinlich ist es auf »unserem« Planeten recht heiß. Vermutlich umgibt ihn die meiste Zeit, wenn nicht sogar stets, eine dampfartige Wolkenschicht. Vielleicht sieht er von weitem ein wenig wie Venus aus, aber natürlich hat Venus keine Tem peraturen oder Wolken von der Art aufzuweisen, daß Lebe wesen sich dort sonderlich wohl fühlen dürften. Auch auf »unse rem« Amphibienplaneten kam es wohl darauf an, sich kühl zu halten. Daher ist durchaus zu erwarten, daß intelligente Lebens formen sich dort als Amphibien entwickelten, die niemals ganz auf dem trockenen Lande heimisch wurden. Allerdings hat man sich wohl vorzustellen, daß besagte Amphibien Bewohner der Wasseroberfläche waren und keine Kiemen wie Fische hatten, · sondern die Atmosphäre atmeten - vermutlich mußten sie ir gendwie säugetierähnlich sein, um Gehirnvolumina und andere Eigenschaften auszubilden, die für die Entwicklung ihrer Intelli genz erforderlich waren. Es ist wohl anzunehmen, daß sie einen großen Teil ihrer Lebenszeit in Sumpfgebieten verbrachten, und ursprünglich entwickelten sie wohl eine diesem Lebensraum angepaßte Lebensweise, zu der beispielsweise die Verwendung von Schilfgeflechten für Hütten, als Transportmittel und der gleichen mehr gehörte (natürlich hatten sie diese Phase ihrer
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kulturellen Entwicklung längst hinter sich gebracht). Vielleicht ähnelte der Lebensstil ihrer Urzeit, an die sie vielleicht sogar mit einer gewissen Wehmut als an »die gute, alte Zeit des einfa chen Lebens und der sorgenfreien Existenz« zurückdenken, in etwa an die von Wilfred Thesiger in seinem Buch The Marsh Arabs3 7 beschriebene Lebensform der »Sumpf-Araber«, der Sumpfbewohner am unteren Euphrat und Tigris im südlichen lraq (ganz nahe bei jenen Gegenden, wo Oannes und seine Freunde ihre meiste Zeit zugebracht haben sollen, wie man hinzuzufügen versucht ist). Wäre man eines dieser Geschöpfe, so gliche man wohl einem Delphin mit Armen und Händen. Die amphibische Lebensweise brächte es wohl mit sich, daß man außer dem Mund noch eine Blasöffnung zum Luftholen hätte. Man könnte lange den Atem anhalten, wenn man aber durch die Blasöffnung atmete, wäre das eher ein geräuschvolles Luftschnappen. Das Blasloch würde sich blitzschnell öffnen und schließen, und man würde daher zwar nicht häufig, dafür aber doch recht vernehmbar und in ha stigen Stößen atmen. Vermutlich hätte man, genau genommen, statt einer Atemöffnung sogar zwei: Zwei kleine, längliche, aber schmale Spalten unmittelbar unter den Schlüsselbeinen. Tatsächlich behauptet eine der Dogon-Überlieferungen, die Nommos hätten durch die Schlüsselbeine geatmet38 . Man könnte sich - wäre man eines jener Amphibien - nicht lange nackt der Einwirkung irgendeiner Atmosphäre aussetzen. Zumindest nach ein paar Stunden würde die Haut dringend
Abbildung 39. Der Nommo atmet durch Luftlöcher in seinen Schlüsselbeinen, die dieser Dogonzeichnung ähneln.
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Feuchtigkeit brauchen. Wenn sie austrocknete, käme man dem Tode nahe, und es ginge einem sehr viel schlechter als einem Menschen mit Sonnenbrand. Weil man sich aber häufig an der Wasseroberfläche aufhielte, ergäbe sich allerdings zwangsläufig ein beträchtlicher Gegensatz zwischen der oberen und der unte ren Körperhälfte. All die Überlieferungen von Seejungf rauen und Wassermännern, die sich bis in unsere Zeit erhalten haben, tragen diesem Stand der Dinge durchaus Rechnung. Die unte ren Extremitäten wären außerordentlich fischähnlich, doch die oberen Körperpartien wiesen voll ausgebildete menschliche Gliedmaßen auf. Man besäße Greifhände mit Fingern, und auch die Haut der oberen Körperhälfte wäre gegen Sonnen-, sprich Sirius-Strahlen sehr viel widerstandsfähiger und daher der eines Landsäugetieres ähnlicher. Vermutlich hätten sich am Kopf knorpelige Strukturen herausgebildet. Man besäße also nicht die für ein »strenges« Unterwasserdasein erforderliche Stromlinien form eines Fischkopfes, sondern ausgeprägte Gesichtszüge, und am Oberkörper auch eine Art Haare - vielleicht wie Walroß borsten. Im Vergleich zu undomestizierten Fleischf ressern wie etwa Haien besäße man ein vermutlich schwachentwickeltes Gebiß. Vermutlich wäre die Rasse, der man angehörte, aus friedferti gen Geschöpfen hervorgegangen, die sich von kleinen Fischen nährten, wie sie in großen Mengen vorkommen. Die Vorfahren hätten sich wie Delphine in Rudeln getummelt. Man besäße daher vermutlich ein sehr ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl, da man von klein auf an das Leben in »Schulen« (Herden, Rudeln, Gruppen) gewöhnt wäre. Nackt zu sein, empfände man wohl als das Allerselbstverständlichste der Welt, und auch ein Bevölkerungsüberschuß-Problem gäbe es wohl nicht, denn der größte Teil der Planeten-Oberfläche wäre mit Wasser bedeckt, und überall, wo Wasser wäre, könnte man wohnen. Selbst auf unserem Planeten - und diesmal ist damit die Erde gemeint gibt es, Schätzungen zufolge, zweimal so viele Delphine wie Menschen, und dennoch kann von einer Übervölkerung der Ozeane keine Rede sein. Menschen würde man, wenn man eines jener amphibischen Geschöpfe wäre, aus vielerlei Gründen abstoßend finden. Ihr
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zottiges Haar, ihre trockene Haut, ihre knochigen Glieder und insbesondere ihr stechender Geruch würden einen sehr stören. Ihr Schweiß wird ja nicht beständig abgespült, so wie bei einem selbst die Haut unaufuörlich vom Wasser gereinigt würde, in dem man lebte. Und als Amphibium besäße man einen außer ordentlich gut entwickelten Geruchs- und Geschmackssinn. Man schmeckte unter Wasser Gerüche oder selbst sehr stark verdünnte Substanzen noch in enormer Entfernung, und selbst wenn die Nase nicht ganz so empfindlich wäre wie die Zunge, wäre sie doch immer noch fein genug. Und man müßte fest stellen: Im Unterschied zu einem selbst besitzen die Menschen bei oder gar in ihren Behausungen Plätze, wo es nach Exkre menten stinkt. Gewöhnlich ziehen sie sich dorthin zurück, um die entsprechenden Bedürfnisse zu verrichten. Als Amphibium, dessen Abfälle sich einfach im Wasser auflösen,fände man etwas Derartiges ekelerregend. Wie können es menschliche Wesen nur aushalten, sich Tag für Tag solchem Gestank auszusetzen? Einer der beunruhigendsten Anblicke, die man sich denken könnte, wären Menschen, die laufen. Menschen, die mit zusam mengeschlossenen Beinen stillstehen, sähen für einen selbst fast normal aus. Doch dann würden sie sich plötzlich in zwei Hälften spalten und zu gehen beginnen. - Man würde ganz nervös bei dem Gedanken, sich unten zu spalten und damit für das Leben im Wasser zum Krüppel zu werden! Bewundern würde man aller dings, welche Beweglichkeit die Menschen auf dem Trockenen entwickeln: Man würde es schrecklich eindrucksvoll finden, daß sie Bäume und Felsen erklettern können und welche Ge schwindigkeit sie, wenn sie, wie sie es nennen, »rennen«, an Land zu erreichen vermögen. Erst recht würde man die Fähig keit der Menschen bestaunen, gewisse Hindernisse im Sprung zu nehmen. Zwar wären die Menschen an Land nicht so flink wie man selbst im Wasser, doch sie ließen sich jedenfalls ganz gut an. Manchmal freilich hätte man seine liebe Not, sie zu sehen, denn da man selbst ganz für das Leben im Wasser einge richtet wäre, besäße man kein sonderlich gut entwickeltes Weit sichtvermögen39.Und die Menschen, die ja selbst auf ihre Weise zum trockenen Land gehören, höben sich nicht immer so deut lich vom Hintergrund ab, wie man es wünschte. Ja, ihre Bewe-
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gungen könnte man wahrnehmen, doch ein unbeweglicher Mensch besäße praktisch eine Tarnkappe. Er würde mit dem Hintergrund verschmelzen und wäre mit bloßem Auge kaum auszumachen. Natürlich könnte man sich - wie ein Nashorn auf seinen Geruchssinn verlassen. Doch wenn man den Wind gegen sich hätte, stünden die Chancen schlecht. Wenn ein Mensch genau wüßte, wie er es anzustellen hat, könnte er einen auf dem Trockenen sehr leicht täuschen, vorausgesetzt, man hätte seine Augengläser (oder andere technische Hilfsmittel) nicht bei sich. Man besäße einen außerordentlich wachen mathematischen Verstand. Einst hatten die Vorfahren ihre primitive Lebensweise dadurch überwunden, daß sie die verwirrenden astronomischen Phänomene und die auf den Wasserplaneten fallenden Strahlen ohne direkte astronomische Beobachtungen errechneten. Die Gehirne der Art, der man angehörte, wären fähig, die kompli ziertesten abstrakten Probleme zu begreifen und zu lösen. Man verfügte über eine außergewöhnlich gut entwickelte Fähigkeit, sich komplizierte mathematische Strukturen zu merken, wäh rend man gleichzeitig im Kopf mathematische Operationen durchführte. Man besäße ein phänomenales Begriffs- und Ver allgemeinerungsvermögen, es wäre leicht, sich unsichtbare, ja nicht einmal wahrnehmbare Kräfte vorzustellen, bestünde doch die Umwelt, in der man lebte, ohnehin mehr aus Vermutungen und mehr oder weniger vagen Andeutungen als aus voll wahr nehmbaren, offen auf der Hand liegenden Fakten. Man würde seine Umwelt eher schmecken und riechen als sehen. Besonders hoch wären bei einigen Artgenossen wohl telepathische Fähig keiten entwickelt - ein Rassemerkmal seit f rühester Zeit. Das Klimaspektrum des Planeten, auf dem man lebte, wäre sogar noch größer als das der Erde, denn es gäbe keine Eiskappen - dies dank der zwei oder drei Sonnen des Siriussystems. Die Ozeane wären daher um so ausgedehnter, da keine Polar-Eis kappen das Wasser binden. Raumflug wäre für einen weniger unbequem als für Men schen, denn auch unter Wasser käme man ja nicht selten dem Zustand der Schwerelosigkeit nahe (tatsächlich trainieren auch irdische, menschliche Astronauten unter Wasser). Der Blut-
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kreislauf wäre daher besser an die Schwerelosigkeit angepaßt, als das bei Menschen der Fall ist, und es würde einem überhaupt nichts ausmachen, in den gigantischen Wassertanks zu leben, die als bewohnbare Weltraumsatelliten in ganzen Formationen (»Städten«) den Heimatplaneten umkreisten. Im Raum eine feuchte Umwelt zu simulieren, ist nicht so schwierig wie die Simulation von Lebensbedingungen für Landbewohner. Man hätte wenig Bedürfnisse und lebte relativ einfach. Gekochte Nahrung äße man nicht, und man brauchte auch keine Öfen. um das Essen warmzuhalten. »Landwirtschaft« wäre hauptsächlich die Aufzucht schmackhafter kleiner Fische, und die Mahlzeiten wären ein Abenteuer. Denn man liebte eine gute Jagd und die Genugtuung, seine Nahrung selbst gefangen zu haben. Das Essen und was damit zu tun hat wäre ein Sport für die ganze Familie. Die Amphibien müssen einen Namen haben. Am besten von denen, die zur Debatte stehen, wäre vielleicht der Dogon-Name »die Mahner«. »Mahner« ist viel charakteristischer, klarer als »Unterweiser«, und »Herren des Wassers« wäre auf jeden Fall zu lang. Auf gar keinen Fall kommt Annedotoi in Frage, weil es ja »die Abstoßenden« bedeutet. Am treffendsten und neu tralsten wäre als Artbezeichnung der schlichte Name »Sirier«. Sollten wir je wieder mit ihnen in Kontakt kommen, wäre wohl »Sirier« ihr offizieller Name, und ihre Hochkultur würde als »sirische Zivilisation« rubriziert werden. Ihre Kunst fiele unter den Begriff »sirisches Kulturleben«, und ihre Technologie hätte man in künftigen Lexika wohl unter dem Sammel-Stichwort »sirische Naturwissenschaft und Technik« nachzuschlagen. Wie aber stünde es wohl mit ihrer Religion? Das ist ein delikater Punkt. Gewiß wird man sie als »sirische Religion« zur Kenntnis nehmen, und man wird so tun, als ob sie uns gar nichts anginge. Aber zwangsläufig wird sich uns mehr und mehr die Erkenntnis aufdrängen, daß sich zwar Kulturen und Technologien lokalisie ren lassen, nicht aber die Fragen nach den uns zutiefst bewegen den Problemen, die Fragen nach dem Wesen des Lebens, die Fra gen nach der Beziehung des einzelnen zum Universum - kurz: Fragen, die aller Existenz zutiefst berühren. Deshalb gab und gibt es wohl keine »sirische Religion«, es sei denn in einem rein völkerkundlichen, religionsgeschichtlichen Sinn. Von einem
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»sirischen Gott« zu sprechen, hieße wahrlich, sich auf Glatteis zu begeben. Was meinen wir denn, wenn wir von einem »jüdi sc;hen« oder »christlichen« Gott sprechen? Fraglos würde uns ein Kontakt mit einer außerirdischen Kultur am nachhaltigsten im Bereich unserer tiefsten Ängste und Gedanken erschüttern, der zugleich die Schicht unserer am tiefsten verwurzelten Vor urteile ist: im Bereich der Religion und Metaphysik. Diese tiefe Schicht unseres Seins ist am brüchigsten, und hier sind wir daher ganz besonders verwundbar. Bei der ersten wirklichen Erschütterung, der ersten »Schockwelle«, können hier die Grundfesten all unserer Überzeugungen zerbröckeln, so daß der gesamte Bau unserer Kultur ins Wanken gerät. Nur wenn wir vorbereitet sind, vermögen wir unsere eigene kulturelle Integrität zu wahren. Überlegungen wie diese, auf die wir uns hier eingelassen haben, sollten wir nicht als müßige Gedankenspielerei abtun und meinen, sich den Kopf zu zerbrechen sei noch Zeit, falls eines Tages wirklich einmal ein fremdes Raumschiff am Him mel erschiene, und selbst dann sollten wir erst einmal abwarten, was wirklich auf uns zukäme. Nein - wenn wir im Begriff sind, in direkten Kontakt mit amphibischen Extraterrestriern zu kom men, sollten wir lieber schon vorher versuchen, uns wenigstens über ihre voraussichtliche Beschaffenheit und über ihre vermut lichen Bedürfnisse Gedanken zu machen - und sei es auch nur, um sie als Freunde zu·empfangen. Was Carl Sagan sagt, ist völlig wahr: ». . . Geschichten wie die Oannes-Legende . . . verdienen weit mehr kritische Untersuchung, als man ihnen bislang ange deihen ließ«40. Derartige kritische Studien sollten im Regie rungsauftrag der Großmächte in eigenen Forschungsinstituten betrieben und als offizielle Forschungsprogramme staatlich ge fördert werden. Bisher fließen öffentliche Mittel Programmen zu, die die Großmächte gegen militärische Aggression, gegen den Einsatz chemischer Waffen und gegen die Anwendung der nuklearen Weltuntergangsmaschine schützen sollen. Aus den gleichen Hilfsquellen sollten aber auch Zuwendungen für wei tere Programme abgezweigt werden, die zu verhindern hätten, daß unser gesamter Planet ohne Vorwarnung plötzlich aus dem Weltall überrannt wird. Gleichgültig, wieviel Aufmerksamkeit
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irgendeine uns überlegene Kultur aus dem Kosmos uns widmet und welchen Wert ihre Träger darauf legen, mit uns in Kontakt zu kommen: Es ist ganz und gar unsere Sache, für einen Kontakt bereit zu sein. Ich möchte sogar die Behauptung wagen, daß wir just in diesem Augenblick überwacht werden und daß eine im Siriussystem heimische außerirdische Kultur unsere Entwick lung daraufhin überprüft, wann wir unsererseits die nötige Auf geschlossenheit für eine Begegnung an den Tag legen. ,Mit anderen Worten: Möglicherweise liegt es sogar in unseren Hän den, wann es künftig zu einer Berührung mit Außerirdischen kommt. Freilich möchte ich nur zu gern wissen, was irgend welche amphibischen Extraterrestrier im Siriussystem etwa in zehn Jahren wohl denken (Radiowellen bewegen sich mit Licht geschwindigkeit; ein gefunktes Signal braucht daher etwa 10 Jah re, bis man es im Siriusbereich empfangen kann), wenn sie von ihrer automatischen Kontrollsonde, die irgendwo in unserem Sonnensystem unsere Funk- und Fernsehprogramme abhört, die Nachricht übermittelt bekommen, es sei gerade ein Buch über amphibische Extraterrestrier erschienen, die im Sirius bereich lebten. Ob die »Sirier« dann vielleicht meinen, das sei für sie das Stichwort zum Auftritt? Wenn all das zutrifft, was ich in diesem Buch an Vermutungen äußere - betätige ich damit einen kosmischen Auslöser? Als mein englischer Verlag das Buch angenommen hatte, um es zu veröffentlichen, bat mich der Verlagsdirektor in sein Büro, um ein erstes Gespräch mit mir zu führen. Er persönlich hatte die Entscheidung getroffen, daß das Buch publiziert werden sollte, und er hatte das Manuskript auch selbst gelesen. Seine erste Frage war: »Mister Temple, glauben Sie daran? Glauben Sie selbst daran?« Meine Antwort war: »Ja, ich glaube daran. Meine eigenen Untersuchungsergebnisse haben mich überzeugt. Zu Beginn habe ich nur gesucht. Ich war skeptisch, ja ich fühlte mich ge narrt und versuchte herauszubekommen, wer mich auf die Schippe nahm. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Aber dann fand ich mehr und mehr, was zusammenpaßte, und die Antwort ist nun: Ja, ich glaube es!«
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Was dieses Buch an Informationen enthält, hat sich nicht einfach erledigt, nachdem es nun auf dem Markt ist. Der Leser kann es nicht einfach »zu den Akten legen«. Nein - ich hoffe, bei vielen Menschen genügend Interesse geweckt zu haben, das Thema in all seinen Verästelungen weiter zu verfolgen und selbst der Sache nachzugehen. Schon Monate vor der Veröffentlichung hat dieser Prozeß begonnen. Ein ziemlich großer Personenkreis hatte damals bereits Abschnitte oder verschiedene Versionen des Buches im Manuskript gelesen, und fast all diesen Lesern verdanke ich wertvolle Kommentare zu dem von mir ausgebrei teten Material. Bei einem so völlig neuen Gegenstand wie un serem Thema kann beinahe jeder wichtige Erkenntnisse beitra gen. Auch ohne irgendwelchen Bildungsballast kann man über den einen oder anderen Aspekt der Siriusfrage die tiefsten Ein sichten äußern. Vor allem aber sind von qualifizierten Fachleu ten weiterführende Anregungen zu erwarten. Insbesondere Astronomen müssen sich mit diesem Material beschäftigen. Zum Glück gehören sie einer aufgeschlossenen Zunft an. Ver mutlich hängt dies mit der »offenen« Natur ihres Forschungs feldes zusammen - es ist ja nicht me1u und nicht weniger als das »himmelweite« Universum . . . Der Leser wird sich vielleicht selbst davon überzeugen wol len, wie ein bedeutender, international bekannter Astronom auf einen frühen Entwurf des vorliegenden Buches reagierte. Es handelt sich um Professor Dr. W. H. McCrea, Professor eme ritus der Astronomie an der Universität von Sussex und Exprä sident der Royal Astronomica/ Society. Obwohl ein Großteil des Buches inzwischen umgeschrieben wurde, zitiere ich den noch aus einem Brief, den er mir am 20. August 1973 zugehen ließ: »Meine Reaktion ist: A) Das besondere Interesse der Ägypter und anderer Völker am Sirius ist wohlbekannt, und Sie (sowie die Autoren, die Sie zitieren) haben wirklich alles getan, um die Vermutung zu be kräftigen, daß das Interesse der Dogon am Sirius damit zu tun hat. 8) In Ihrer geist- und einfallsreichen Untersuchung ägypti scher, sumerischer, griechischer . . . Mythen haben Sie, so scheint es, gezeigt, daß es bei einigen dieser Völker vielleicht
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Vorstellungen von einem dunklen, dichten Stern gab, der mög licherweise mit Sirius in Verbindung gebracht wurde. Mehr aber scheint mir, wie ich sagte, nicht festzustehen. C) Trotz allem - wenn Sie mir diese Formulierung erlauben bin ich der Ansicht, daß Ihre Untersuchungen etwas Faszinie rendes haben und ein erregendes Buch ergeben. D) Ihre Arbeit scheint mir mehr als je den Eindruck zu er wecken, daß sich - wie Sie behaupten - die antiken Kulturen nicht langsam entwickelten. Ich weiß nicht, ob dieser Eindruck das Richtige trifft, aber dies müßte untersucht werden . . . Ich möchte hinzufügen, mir ist klar, daß es sich bei einigen Dingen, über die Sie schreiben, um religiöse Mysterien handelt, so daß wohl jede Hoffnung vergeblich ist, darüber jemals mehr in Erfahrung zu bringen als das, was Sie schildern. Außerdem scheint es, wie Sie sagen, eine Vorliebe für Wortspiele gegeben zu haben. So könnte es sein, daß das, was die Dogon uns jetzt wissen lassen, 6000 Jahre lang geheimgehalten wurde . . . Bis zu einem gewissen Grade bin ich nun einmal advocatus diaboli, und es kann sein, daß ich Ihnen gerade das vor Augen führe, wogegen Sie Stellung beziehen werden, wenn Ihre Arbeit publi ziert sein wird«. Mit einem großen Teil hier nicht angeführter kritischer Äuße rungen setzte ich mich in der kompletten, dem Leser vorlie genden Neufassung des Manuskripts auseinander, nachdem mich Professor McCrea und andere durch ganz bestimmte freundliche Hinweise auf Touren gebracht hatten. Weniger Glück hatte ich mit Kennern des Altertums. Derart anregende Kommentare wurden mir von ihrer Seite nicht zuteil. Insgesamt bewiesen die Astronomen bisher das meiste In teresse an der Angelegenheit, und sie sind ja auch am unmittel barsten angesprochen. Aber keinem Astronomen verdanke ich eine so ausführliche Beurteilung der Dogon-Berichte wie Dr. Irving W. Lindenblad vom U. S. Nava/ Observatory in Wash ington, der mir in einem Brief vom 14. Juni 1974 schrieb : »Ich stimme zu, daß man es sich zweimal überlegen sollte, bevor man die Angaben der Dogon zurückweist. Vom astrono337
mischen Gesichtspunkt gibt es allerdings Schwierigkeiten mit der Dogon-Vorstellung einer dritten Siriuskomponente mit einer Periode von 32 oder 50 Jahren, doch einer >größeren Umlauf bahngrößeren Umlauf bahn< gehört folglich auch eine längere Umlaufperiode. Bei den zahlreichen beobachteten Dreiersystemen von Ster nen, die sich um ein gemeinsames Schwerkraftzentrum bewe gen, fand man, daß das dritte Element stets einen viel größeren Abstand und [eine entsprechende] Periode als die beiden ande ren Komponenten hat. Die Himmelsmechanik macht dieses Phänomen klar, denn es läßt sich demonstrieren, daß ein Drei fachsystem instabil ist, wenn die beiden Sekundärsterne fast gleichweit vom Gravitationszentrum des Systems entfernt sind. Wenn die Perioden von B (Digitaria) und C (emmeya) gleich sind, wie die Dogon behaupten, dann müssen ihre Umlauf bahnen gleiche Dimensionen haben (Keplersches Gesetz). Doch dies führt zu einem instabilen System (Himmelsmecha nik) und widerspräche auch der Dogon-These, daß emme ya ei�e >größere Umlaufbahn< habe. Die Dogon müssen erkannt haben, daß die Umlaufbahn Radien von Digitaria und emme ya nicht rechtwinklig zueinan der bleiben konnten, wenn die Perioden nicht identisch waren. Wenn dies der Fall wäre, spräche dies zugunsten der Tradition, die emme ya statt einer Periode von nur 32 Jahren eine fünfzig jährige Umlaufzeit zuschreibt«. Was die Diagramme betrifft, die diesem Buch als Abbildungen 6 und 7 beigegeben sind und die Dogon-Vorstellungen mit Berechnungen der Bahnen von Sirius A und Sirius B durch heuti ge Astronomen vergleichen, so äußert Lindenblad, der sieben Jahre lang das Siriussystem untersucht hat, in einem Brief vom 7. März 1973 : »Was Ihre Umlaufdiagramme des Sirius angeht, so hat meine Arbeit damit überhaupt nichts zu tun. Die Veränderungen, mit denen ich mich befaßt habe, betreffen sehr kleine Quantitäten, 338
die sich nur mit großen Teleskopen feststellen lassen, und selbst mit solchen Instrumenten bedarf es noch. ausgedehnter Beobachtungen«. Dr. Lindenblad hat vorliegendes Buch vor dessen Druck legung nicht gelesen, kannte allerdings den Bericht von Marcel Griaule und Germaine Dieterlen über das Siriussystem der Dogon und hatte auch die Diagramme gesehen. Was Professor McCrea angeht, so erkannte er - ganz unabhängig von meiner eigenen Arbeit - seinerseits, daß die Dogon von der Existenz eines unsichtbaren Sirius-Begleitsterns wußten. Ein Freund in Argentinien hatte ihm dieses mitgeteilt. Er hatte eine franzö sische Darstellung gelesen, die die Arbeiten Marcel Griaules und Germaine Dieterlens erwähnte. McCrea verwandte außer ordentlich viel Zeit auf eine Analyse der Dogon-Überlieferun gen, aber ich will es ihm überlassen, seine eigenen Auffassungen darüber darzulegen, sobald er sein Material vollständig beisam men hat (was zur Zeit noch nicht der Fall ist. Ein großer Teil davon gelangte mir allerdings zur Kenntnis, nachdem mein Manuskript bereits fertig war, und ich mußte es daher umschrei ben, um alle die neuen Informationen einzuarbeiten. Freilich bestärkte das neue Material meine Auffassung eher, anstatt meine Position zu erschüttern). Ernsthafte Gelehrte, die das in diesem Buch zur Diskussion gestellte Material prüfen, werden sich, so hoffe ich, daran erinnern, daß die Vorstellung, es könnte amphibische Wesen mit hohem Intelligenzgrad und hochent wickelter Kultur geben, keineswegs ein absolut neues Hirn gespinst ist. Vielmehr äußerten schon 1966 Roger MacGowan und Frederick Ordway41 : »Wenig läßt sich insbesondere über allgemeine körperliche Merkmale sagen . . . Leben (insbesondere die intelligenteren Formen) tendiert dazu, klein, auf sich gestellt und hochgradig beweglich zu sein .. . Die Menschen, Landtiere, die sie sind, stellen sich Intelligenz gern mit Lebewesen auf dem Lande verbunden vor. Doch wir wissen: Auch das Meer besitzt eine große Vielfalt von Leben. Ja mehr noch: Alles deutet darauf hin, daß die Urmeere einst Heimstatt und Ursprung des Lebens waren. Ozeane stellen eine ausgezeichnete Umwelt für tierisches 339
Leben dar, und der Wettbewerb zwischen den zahlreichen Arten sollte die rasche Evolution fördern. Ein feuchtes Milieu bietet mehr Auftrieb und besitzt größere Tragkraft für Tierkörper als ein atmosphärisches Gas. Man darf daher erwarten, daß die Meere viele Arten hervorbringen, die größer sind als die meisten Landtierarten. Und da wir wissen, daß größere Körper größeren Hirnen Raum bieten, darf man bei großen Seetieren durchaus überlegene Intelligenz erwarten. In Anbetracht dieser größeren Vielfalt der Lebensformen, der soliden, stabilen Umweltbedingungen des Ozeans und des Wett bewerbs zwischen den Arten ist man sogar versucht, von vorn herein anzunehmen, daß intelligentes Leben außerhalb unseres Sonnensystems überwiegend im Wasser beheimatet sein müsse . . . Flossen, ideal für die Fortbewegung im Ozean, sind nicht sonderlich zum Werkzeuggebrauch und damit zur Fortentwick lung des Gehirns geeignet. Einige Meerestierarten haben indes sen andere Körperanhängsel hervorgebracht, die sich besser zum Umgang mit Geräten eignen. So ist der Oktopus ein be kanntes Meeresgeschöpf, von dem man sich durchaus vorstellen könnte, daß er im Zuge der weiteren Evolution eines Tages auch die Fähigkeit entwickelt, mit Werkzeugen zu hantieren. Auch einige andere Lebewesen auf dem Meeresgrund könnten Organe ausbilden, die sich mit menschlichen Armen und Hän den vergleichen lassen . . . Die offenkundige hohe Intelligenz gewisser Wale und Delphine wirft die Frage auf, ob Körperan hängsel zum Umgang mit Werkzeugen eine wirklich unerläß liche Bedingung für die Entwicklung höherer Intelligenz sind. Und dies erschwert jede Aussage darüber, ob intelligente Le bensformen außerhalb des Sonnensystems eher Meeres- anstatt Landbewohner sind . . . Wir folgern, daß die Mehrzahl der intel ligenten biologischen Arten, verglichen mit dem Menschen, nicht allzu erheblich abweichende Merkmale aufweist. Was die Körperlänge angeht, so sind wohl Schwankungen von der halben Durchschnittsgröße eines Menschen oder darunter bis zu mehrfacher Menschengröße zu erwarten, desgleichen darf man wohl in den meisten Fällen mit Wesen rechnen, die zwei Beine und zwei Arme mit Händen und Fingern haben. In eini gen wenigen Fällen gibt es vielleicht eine Art von Kentauren mit 340
vier Beinen und zwei Armen mit Händen und Fingern oder ele fantenähnliche Wesen mit vier Beinen und einem Arm oder Rüssel. Eine andere Möglichkeit wäre eine maritime Lebens form mit Flossen und zwei kurzen Armen mit großen Händen und schwimmhautbesetzten Fingern«. Wie ich im Kapitel 1 bemerkte und nun wiederhole, wäre es durchaus möglich, daß Sirius C um Sirius A und Sirius B eine Bahn in Form einer 8 beschreibt. Vielleicht verhält es sich so, daß seine gesamte Umlaufzeit um beide Sterne 50 Jahre beträgt, wobei er für seine größere Schleife rings um Sirius A 32 Jahre benötigt. Vielleicht bewegt er sich dabei in einer Ebene recht winklig zur Bewegungsebene von Sirius B. Das wäre echt eine »größere Umlaufbahn«, weil er dabei beide Sterne umkreiste, dennoch aber würde er, was die wirkliche Strecke und die Um laufzeit angeht, dem dritten Keplerschen Gesetz gehorchen, denn die zurückgelegte Entfernung entspräche der des Sirius B mit der gleichen Umlaufzeit. Tatsächlich könnten ja die Bewe gungen von Sirius B und Sirius C synchron ablaufen, und dies gäbe einem dermaßen komplexen System wohl Stabilität. Die Dogon behaupten wohl, daß der Planet, auf dem die Amphibien leben, seinerseits auf einer Ellipsenbahn den Stern emme ya, Sirius C, umkreist. Was wir jetzt brauchten, wären eine ganze Reihe von Berechnungen, die Astronomen vorzunehmen hät ten, denn es gilt die Strahlung zu ermitteln, der ein Planet ausge setzt ist, der auf seiner »Achterbahn« elliptisch Sirius B umkreist. Wäre auf ihm Leben möglich? Der Astronom Dr. Shu-Shu Huang vom Dearborn Observatory hat einen Aufsatz verfaßt, dessen Titel Life Supporting Regions in the Vicinity of Binary Systems (»Lebenbegünstigende Regionen in der Nachbarschaft von Doppelsternsystemen«) lautet und der in dem von A. G. W. Cameron herausgegebenen Buch Interstellar Communication erschienen ist42 . Dieser Aufsatz untersucht die Bedingungen, unter denen lebensfreundliche Planeten in Syste men mit mehr als einer Sonne existieren können. Ich gebe Dr. Huangs Diagramm, das die möglichen Umlaufbahnen der artiger Planeten in Doppelsonnensystemen zeigt, als Abbildung 40 wieder. Man beachte: Eine der Bahnen ist eine »Acht« 341
C= I
C:I
Abbildung 40. Dr. Shu-Shu Huangs Diagramm möglicher Umlaufbahnen bewohnter Planeten in einem Doppel sternsystem. Bei den Kurven mit verschiedenen Zahlen angaben für C handell es sich um gedachte Planetenbahnen, eine davon hat die Form einer 8. Die jüngste veröffentlichte Äußerung eines modernen Astronomenfii, die problem lose Existenz bewohnbarer Planeten in Doppel- oder Mehrsternsystemen stammt von Dr. B. M. Oliver: Proximity of Ga/actic Civiliza tions (»Nähe galaktischer
Hochkulturen«), in: ICARUS 25 (1975) 360-367.
genau wie ich es für Sirius C und den ihn begleitenden Planeten annehme. Allerdings wäre eine Umlaufbahn dieser Art sehr wahrscheinlich instabil. Die abgebildete Sternkombination ist zwar denkbar, aber wenn sie einmal zustandekam, dürfte sie wahrscheinlich schon bald in eine andere Sterngruppierung zerfallen sein - dies jedenfalls lange bevor Leben im Sirius system genügend Zeit gehabt hätte, sich zu entwickeln. Mit einem glänzenden Beispiel charakterisiert Dr. Paul Murdin vom Königlichen Observatorium in Greenwich die Situation. Wenn man eine Münze wirft, so äußerte er, könne sehr wohl der Fall eintreten, daß sie auf der Kante lande. Selbst aber wenn sie das täte, würde sie in der Regel sogleich umkippen, so daß also die Wahrscheinlichkeit der Kanten-Landung eine für die Praxis völlig unerhebliche, rein statistische Größe wäre. Unsere »Ach ter«-Umlaufbahn kann also nicht als permanentes, stabiles Cha rakteristikum des Siriussystems existieren, ganz gleich, wie sehr sie uns auch gefallen mag. Doch mein Gedanke, das Sirius C sich, jetzt einmal von der »Achter«-Figur abgesehen, in einer zur 342
Bewegungsebene von Sirius B rechtwinkligen Ebene bewegen könne, wäre, wie mir Professor Murdin versicherte, wahrschein lich die ideale Lösung. Denn der hypothetische Stern könnte so die Sirius-B-Bewegungsebene an zahllosen Punkten durch queren, ohne den Umlauf von Sirius B zu unterbrechen, solange nur beide Bewegungsebenen rechtwinklig blieben. Daher wäre ein fünfzigjähriger oder zweiunddreißigjähriger elliptischer Orbit für Sirius C in einer zur Sirius-B-Umlaufbahn senkrech ten Ebene durchaus vorstellbar. Diese vielfachen Sternbewe gungen aber bedingen eine so komplizierte Himmelsmechanik, da sich die meisten Astronomen außerstande sehen, die erfor derlichen Berechnungen anzustellen. Nur ganz bestimmte Spe zialisten können sich dies zutrauen. Für die möglichen Um laufbahnen dritter Sterne in gewissen Doppelsternsystemen wur den Berechnungen und Diagramme erstellt, und als mein Buch in Druck ging, bemühte ich mich um Auskünfte von R. S. Har rington, S.-S. Huang und D. Lauterborn, was diese hypotheti schen Probleme angeht. Harrington hat demonstriert, daß ein Dreifachsternsystem dann stabil ist, »wenn die Perisastron Distanz im äußeren Orbit, geteilt durch die Semimajor-Achse des inneren nicht weniger als 3,5, sobald der Orbit gleichläufig, oder 2,75 beträgt, sobald er rückläufig ist«. Dies vor Augen, folgert Dr. Paul Murdin vom Königlichen Observatorium in Greenwich: »Für mich besteht kein Grund, daß es nicht auch einen Sirius C geben sollte, vielleicht einen weiteren Weißen Zwerg, von Sirius A um den vierhundertfachen Halbmesser unserer Sonne entfernt, dessen Umlaufbahn in der Himmels ebene liegt, so daß er die radiale Geschwindigkeit von Sirius A nicht beeinträchtigt«. Und er fügt hinzu: »Sein Orbit hat infolge Sirius B eine gewisse Präzession, doch ist die Periode größer als bei B, so daß wir z. Z. leider die Störung nicht sehen« (dies bezieht sich auf Lindenblads negative Resultate). Nehmen wir an, alles träfe zu, was ich hier an Vermutungen zusammengetragen habe. Gehen wir davon aus, daß sämtliche Voraussetzungen stimmen. Erklären wir, daß es tatsächlich eine hochentwickelte Kultur im Siriussystem gibt. Ohne Zwei fel werden wir dann routinemäßig überwacht. Keine Frage man weiß dort ungefähr, auf welcher Stufe der Evolutionsleiter 343
wir zur Zeit stehen. Sie haben unsere Radiosignale abgefan gen. Sie wissen: wir waren auf dem Mond. Nehmen wir an, sie wollen uns wohl. Nehmen wir weiterhin sogar an, daß sie uns irgendwann aufsuchen wollen, wenn sie meinen, es sei Zeit dafür. Oder sobald wir sie entdeckt haben, nachdem wir - wie ich vorschlage - das Siriussystem nach ihnen abgesucht und dort die Beweise für ihre Existenz gefunden haben. Nehmen wir das alles an. Nun - wenn dann der Tag kommt, oder wenn er nicht kommt, sondern statt dessen ein anderer Tag, an dem wir mit irgendeiner anderen Kultur von irgend einem anderen Stern Kontakt aufnehmen - dann dürfen wir eines nicht vergessen: So großartig und ruhmreich die Wesen aus anderen Sternenwelten auch sein mögen, auch sie sind sterb lich und leben in einem Universum, das auch für sie in vielem noch rätselhaft ist. Auch sie können und werden nicht alle Antworten wissen. Es wäre sogar denkbar, daß wir unsererseits Antworten kennen, von denen sie keine Ahnung haben. Es kann sein, daß wir über Geschicklichkeiten und Fähigkeiten ver fügen, die sie nie erreichen. Vielleicht besitzen wir die eine oder andere Sonderbegabung, die ihnen fehlt, selbst wenn dies erst nach Jahrhunderten deutlich werden sollte. Möglicher weise ist etwas an uns so wertvoll, daß wir neben den Neuan kömmlingen durchaus keine »Primitiven« sind. Wir sollten uns davor hüten, uns als »kosmische« Wohlfahrtsempfänger« zu fühlen. Wir sind Menschen, und bei all unseren Fehlern und Mängeln haben wir doch einiges aufzuweisen, das vielleicht Beachtung verdient. Was immer einer für Ansichten über das hat, was nach dem Tod kommt, ob er an die Auslöschung seiner Individualität oder an Wiedergeburt, Himmel und Hölle glaubt - der genetische Strom fließt weiter. Es wird noch mehr Menschen geben, und es wird große Menschen geben. Wir ver mögen uns Herausforderungen zu stellen, und wir haben in unserer Geschichte Mut bewiesen. Hinter jeder überlegenen Hochkultur steht vielleicht eine noch überlegenere, deren Trä gern die jeweils unterlegene seltsam erscheint. Vergessen wir nicht das hierarchische Prinzip und seien wir nicht blind gegenüber der Möglichkeit einer Tür hinter der Tür. Und soll ten wir Unterdrückung erfahren - seien wir gewiß, daß es andere
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geben wird, die uns befreien werden. Das Weltall ist endlich, aber grenzenlos. Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es allein in unserer Milchstraße zwischen 10 und 100 Millionen Hochkul turen intelligenter Wesen. Und immer ist eine weitere Begeg nung möglich, als die, die man soeben hatte. Wir können es uns leisten, in einem Laden von der Größe des Universums von Stand zu Stand zu gehen.
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Nachstehender Artikel wird hier in einer ungekürzten Über setzung vorgelegt. Er ist für die »ethnographische und anthro pologische Fachwelt« bestimmt, wird aber hiermit auch weite ren Leserkreisen zugänglich gemacht, die an der Einsichtnahme in das Quellenmaterial interessiert sein dürften. Er dient also nur der zusätzlichen, weiterführenden Unterrichtung sowie der Erhärtung meiner Thesen, ist aber zum Verständnis meiner Argumentation keineswegs unerläßlich. Robert K. G. Temple
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Ein sudanesisches Sirius-System Von Marcel Griaule und Germaine Dieterlen
Die - französische - Originalfassung erschien unter dem Titel: »Un Systeme soudanais des Sirius« in der Fachzeitschrift: »Jour nal de la Societe des Africanistes« 20,1 (Paris 1950) 273-294; die deutsche Fassung beruht auf der von R. K. G. Temple ver öffentlichten englischen Version, wurde aber vom Übersetzer mit dem französischen Originalwortlaut verglichen.
Vorwort Das Wissen der Eingeborenen über das Sirius-System, das auf den folgenden Zeilen dargelegt wird, stammt von vier sudane sischen Völkerschaften: Den Dogon im Gebiet von Bandiagara, den Bambar und den Bozo in Segou 1 sowie den Minianka im Koutiala-Gebiet. Bei den Dogon, wo zwischen 1946 und 1950 die Hauptunter suchungen stattfanden, waren die vier Hauptinformanten: Innekouzou Do/o, eine Frau zwischen 65 und 70 Jahren, ammayana (Amma-Priesterin) und Wahrsagerin, wohnhaft im Dozyou-Orey-Viertel von Unter-Ogol, Ober-Sanga. Stamm: Arou. Sprache: Sanga. Ongnon/ou Do/o, zwischen 60 und 65 Jahre alt, Patriarch des kürzlich von einer Arou-Gruppe im Süden von Unter-Ogol ge gründeten Dorfes Go. Sprache: Sanga. Yebene, 50 Jahre alt, Priester der Binou Yebene von Ober-Ogol, wohnhaft in Bara (Ober-Sanga). Stamm : Dyon. Sprache: Sanga. Manda, 45 Jahre alt, Priester der Binou Manda, wohnhaft in Orosongo (in Wazouba). Stamm: Dyon. Sprache: Wazouba. Als ganzes wurde das System auführlich von Ongnonlou be schrieben. Den anderen Gewährsleuten verdanken wir Aus347
künfte über andere wesentliche Einzelheiten. Obwohl selbst nicht verantwortlich für die Aufstellung des Sigui-Kalenders, war Ongnonlou doch mit den Prinzipien vertraut, die ihm zu grunde lagen. Und während des Aufenthalts der Forscher bei seinem Stamm wußte er sich zusätzliche Informationen zu ver schaffen: Einerseits von den Arou in Yougo Dogorou, anderer seits vom ständigen Beauftragten des obersten Arou-Häuptlings in Arouby-Ibi2 . Ongnonlou seinerseits ist Patriarch der Familie, die den nächsten Träger des fraglichen Titels stellen wird, sobald die Stelle frei ist. Innerhalb eines außerordentlich geheimgehaltenen Wissens schatzes repräsentiert, was Ongnonlou weiß, nur ein Elementar wissen oder - wie die Bambara es nennen - ein »leichtes Wis sen«. Dies sollte man nie außer Betracht lassen. Ebenso wie für den Uneingeweihten Sirius der hellste Stern am Himmel ist, der den Blick auf sich zieht und bei der Berechnung des Sigui Festes die Hauptrolle spielt, so stellt man die Gesetze des Sirius-Systems, wenn man sie den Eingeweihten niedrigerer Grade mitteilt, teils sehr einfach, teils sehr kompliziert dar dies, um die Aufmerksamkeit von weit geheimeren Berechnun gen abzulenken. Man muß sich daher ein für allemal darüber klar sein: Das hier beschriebene System entspricht einem Einweihungsgrad, dessen Träger zwar schon eine bedeutende Rolle spielen, aber nicht unbedingt selbst für die Berechnungen verantwortlich sind, die sich auf den betreffenden Teil des Sternenhimmels beziehen. Was uns angeht, so haben wir uns durch die gesammelten Dokumente zu keinerlei Hypothesen verleiten lassen, und auch dem Ursprung der betreffenden Angaben sind wir nicht nach gegangen. Das Material wurde von uns lediglich zusammenge stellt, so daß sich aus den Angaben der vier Hauptinformanten ein zusammenhängender Bericht ergab. Noch ungelöst ist die Frage, ja sie wurde noch nicht einmal aufgeworfen, wie Men schen ohne astronomische Instrumente über Bewegungen und Eigenschaften von Himmelskörpern Bescheid wissen konnten, die kaum sichtbar sind. Unter den obwaltenden Umständen schien es uns dringender, einfach das Material auszubreiten.
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Die Zeitbestimmung des Sigui-Festes Alle 60 Jahre 3 feiern die Dogon ein als Sigui (Zeremonie) be zeichnetes Ritual. Zweck dieses Rituals ist die Erneuerung der Welt. Ausführlich beschrieben wurde es von ihnen schon 19314• Seit Beginn unserer U ntersuchung sahen wir uns der Frage ge genüber, wie man die Zeit bestimmt, die zwischen zwei Sigui Zeremonien liegt. Allgemein verbreitet ist die auf den Schöp fungsmythos zurückgehende Vorstellung, daß eine Felsspalte im Zentrum des Dorfes Yougo Dogorou 5 im Jahr vor der Zere monie rot aufglüht. Die fragliche Spalte enthält mehrere Altäre, insbesondere Andoumbou/ou-Büsten (nach dem Namen, den man einem kleinwüchsigen Volk beilegt, das einst in den Fels klippen hauste) sowie eine als amma bara (»Gott hilft«) bezeich nete Felszeichnung, von der später noch die Rede sein wird. Dar über hinaus bedeckt sich - noch bevor das rote G lühen erscheint - ein Bodenstück außerhalb des Dorfes mit länglichen Kürbissen einer Art, wie niemand sie je gesät hat. Doch man beobachtet nicht nur diese Zeichen, sondern die zum Arou-Stamm gehö renden Yougo-Dogorou-Leute6 - und nur sie - führen außerdem eine ganz einfache Berechnung durch: Die Stammesältesten legen die Zeit mit H ilfe von 30 alle zwei Jahre stattfindenden Hirsebier-Runden fest, für die der betagteste Stammesälteste je eine Kauri-Muschel hinterlegt. Die betreffenden Biergelage hält man ungefähr einen Monat vor dem ersten Regen ab, etwa im Mai oder Juni, und zwar unter einem Schutzdach nördlich vom Dorfzentrum7 . Doch im Grun de ist dies mehr Theorie : Zwischen der bisher letzten Sigui Zeremonie Anfang unseres Jahrhunderts und dem Jahr 19318 gab es lediglich eine einzige Bierrunde; dies in der Mitte der fraglichen Zeitspanne. Die Kauri-Schneckenhäuser dagegen wurden alle zwei Jahre hinterlegt, und man sammelte sie, bis ein Haufen für die ersten 30 Jahre - also für die erste »Halbzeit« einer Periode zwischen zwei Siguis - beisammen war. Ab 1931 fanden dann die Gelage regelmäßig alle zwei Jahre statt. Sobald der zweite Haufen aus weiteren 15 Kauri-»Muscheln« (bzw. Kauri-Schneckenhäusern) zusammengekommen ist, ist es Zeit für die zweite Sigui-Feier des 20. Jahrhunderts9• 349
Dem Priester Manda zufolge enthalten zwei Hirsebrei-Figu ren über der Tür des Heiligtums von Binou - sie stellen den Gott A mma und seinen Sohn Nommo dar, den »Wegbereiter der neuen Welt« 10 - die Sigui-Berechnung. Beim ersten dieser beiden Gebilde handelt es sich um ein senkrechtes Oval - das Weltei - und dessen Hauptachse: Amma in der Umacht. In der rechten Hälfte der Figur bringt man, unten beginnend, für jedes Jahr einen Punkt an. Im siebenten Jahr zeichnet man außerhalb der Figur in der Verlängerung der Linie, die die Punkte bilden, eine Art Dreizack hinzu. Ebenso verfährt man auf der linken Seite, nur beginnt man hier nicht unten, sondern oben. Auf diese Weise kommt man mit der Zählung auf 14 Jahre: Die sie ben Doppeljahre, in denen die Welt geschaffen wurde. Und man fügt ein Element hinzu, das das Ganze symbolisiert 1 1 • Vom Ge samtbild her versinnbildlicht die Figur die letzte Gebärde des Gottes - eine Hand ist erhoben, die andere gesenkt, und dies bedeutet: Himmel und Erde sind geschaffen. Die Zeichnung findet sich in vierfacher Wiederholung. Man kann auf diese Weise einen Zeitraum von 60 Jahren festhalten. Neben dem A mma-Symbol steht die Darstellung des Welten lehrers 12: ein Gebilde aus zwei senkrechten Beinen und dar über einem Kopf auf langem Hals. Solange noch die ersten 30 Jahre in die ersten zwei Ovale eingetragen werden, besitzt diese Figur nur ein Bein; das zweite kommt im Lauf der folgenden 30 Jahre hinzu, jedes Jahr ein Stück mehr, bis es schließlich dann, wenn die Sigui-Zeremonie stattfindet, ebenso lang wie das andere ist. Auf diese Figur spielt man an, wenn man in der zweiten Dreißigjahres-Halbzeit davon spricht, das Sigui-Fest käme jetzt »auf die Beine«.
Wann fanden Sigui-Zeremonien statt? Ist die Zeit des Sigui-Festes herangerückt., so versammeln sich die Stammesältesten im tä(la-tono-Haus zu Yougo und zeichnen mit rotem Ocker ein Symbol (Abb.l) auf den Felsen. Es stellt eine kanaga-Maske 13 dar, und diese ihrerseits verkörpert wie derum den Gott Amma. Außerdem macht man in den Boden 350
darunter ein Loch. Es symbolisiert Sigui und somit Amma im »Weltei«. Tatsächlich müssen beide Zeichen an sich in umge kehrter Reihenfolge »gelesen« werden: Amma im Dunkeln des Eies (versinnbildlicht durch das Loch) offenbart sich (rote Zeichnung) den Menschen in seinem Schöpfergestus (die Maske stellt gleichfalls die Schöpfungs-Schlußgebärde des Gottes dar, die das gesamte Universum umgreift) 14 •
Abbildung I. Das Kanaga-Zeichen, das das alle 60 Jahre gefeierte Sigui-Fest ankündigt, aus Yougo Dogorou (Eingeborenenzeichnung).
Man deutet besagtes Loch auch als Grube, um Samen in den Boden zu säen. Im Hinblick darauf ordnet man die betreffen den Löcher in Dreierreihen an. Sie markieren so drei Siguis jeweils unter dem Zeichen einer von drei Samenarten, deren Namen die betreffenden Feste tragen. So hieß die Sigui-Feier am Beginn unseres Jahrhunderts emme sigi (»Kaffernhirse Sigui«), das nächste Fest dieser Art wird man yu sigi (»Hirse Sigui«) und darauf das nächste dann nu sigi (»Grüne-Bohnen Sigui«) nennen. Zumindest theoretisch also wäre es möglich, die Siguis mit dieser einfachen Methode zu registrieren. In der Praxis ver wischen sich die Löcher jedoch, und meist erneuert man ein fach die Farbe, um Platz zu sparen und die Abfolge übersicht lich zu halten. Allerdings gibt es an Kultstätten-Fassaden noch eine andere Malerei, die eine viel genauere Datierung ermög licht. Man nennt sie sigi lugu (»Sigui-Berechung«), und sie be351
steht aus einer senkrechten Reihe von Winkel-Mustern, die abwechselnd schwarz, rot und weiß ausgemalt sind (es handelt sich also um eine Zeichnung, die wie ein senkrechter Stab mit Kerben aussieht, die verschieden gefärbt sind). Jede Farbe ent spricht einer Pflanzensamenart: die erste der Hirse, die zweite den grünen Bohnen und die dritte der Kaffernhirse .(Abb. II). Man kann diese Dreiecksfolge auf zweierlei Art lesen. Entweder zählt man nur nach Dreieckswinkeln, die nach einer einzigen Seite hin offen sind (linke Zahlenreihe), wobei jede nach der betreffenden Seite hin offene »Kerbe« für jeweils 20 Jahre steht. Die »Kerbe«, in die dabei ein Sigui-Fest fällt, zählt dann gleich für den folgenden Zeitraum mit. Oder man nimmt sämtliche »Kerben« - ganz gleich, nach welcher Seite hin sie sich auftun und gibt jeder einzelnen 20 Jahre (rechte Zahlenreihe auf Abb. II). Die »Kerbe«, auf die eine Sigui-Feier fällt, wird dann doppelt gezählt.
Abbildung II. Die Sigui-Berechnung
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Einen zuverlässigeren Nachweis der Sigui-Feiern ermöglichen die großen Holzmasken, deren Anfertigung im Zusammen hang mit den Zeremonien ganz besondere Bedeutung zukommt. Selten werden derartige Masken - sie sind gewöhnlich von be achtlichen Ausmaßen 15 - tatsächlich benutzt, dafür bewahrt man sie zusammen mit anderen Masken gleicher Art, die frühe ren Begehungen des Sigui-Rituals ihr Dasein verdanken, in ir gendwelchen Felsverstecken auf. Die Sorgfalt, mit der man diese Schnitzereien versteckte - in gewisser Weise repräsentieren sie ja die Dorfarchive -, bringt es mit sich, daß man heute nicht selten auf einen ganzen Hort solcher Holzarbeiten mit einer Serie von drei bis vier Einzelexemplaren stößt, wobei die älte sten Stücke bis ungefähr 1780, ja sogar bis etwa 1720 zurück gehen16. In Ausnahmefällen - wenn das Versteck gut gewählt war und ständig überwacht wurde - kann die Fundserie noch viel umfangreicher sein. So kamen 1931 in lbi neun geschnitzte Pfähle zum Vorschein, ja darüber hinaus muß es drei weitere, noch ältere gegeben haben, von denen allerdings nur noch Frag mente und Staubhäufchen sichtbar waren. Klar erkennbar waren auch noch immer die Stellen, die man für sie an der Versteck Rückwand reserviert hatte. Die Stücke waren hier nahezu per fekt vor Feuchtigkeit, Ungeziefer und anderen Tieren geschützt. Der älteste Pfahl der Neunerserie, der von Exemplar zu Exem plar das zunehmende Alter anzusehen war 1 7 , geht bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts zurück. Nimmt man die drei ande ren Pfähle hinzu, so kommen wir mit den Überbleibseln des ältesten wohl bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts 18. Beweismaterial zu finden, das älter ist als die Überbleibsel dieser Pfähle in lbi, dürfte recht schwerfallen.Immerhin gibt es ein anderes Objekt, von dem nur ein einziger Typ, ein einziges »Gebrauchsmuster«, existiert - ein Objekt, das man gleichfalls aus Anlaß der Sigui-Zeremonien herzustellen pflegt und das daher ebenfalls von großer Bedeutung für die Zeitbestimmung sein könnte. Und zwar verfügt jeder regionale Hogon ebenso wie der oberste Arou-Hogon für das Fest über einen aus Fasern des Baobab (des »Affenbrotbaums«) geflochtenen Gärungs bottich-Einsatz. Man braucht ihn zur Herstellung des ersten Bieres für die kultischen Feiern. Jede Familie bekommt klei353
nere Mengen des sakralen Trankes zugeteilt, ja jeder erhält etwas Kult-Bier in seinen Becher. So trinken alle das gleiche Bier und sind im Biertrinken miteinander vereint. Außerdem bringt man alle Gärungsbottich-Einsätze mit dem Hauptobjekt dieser Art in Berührung, das außergewöhnliche Maße aufweist. So bat sein Deckel einen Durchmesser von 40 cm, und seine vier »Knäufe« besitzen jeweils allein das Format normaler Objekte dieser Art. Infolgedessen paßt ein solcher Einsatz nur in ganz große Vorratskrüge. Man bewahrt die fraglichen Objekte im Haus des Hogon auf. Hier hängen sie am Hauptbalken und bilden eine lückenlose Reihe. Sechs oder sieben davon bemerkte Ongnonlou im Amts sitz des Hogon der Sanga. Dieser, einer der betagtesten Männer im Dogonland, wußte zu berichten, sein Urgroßvater habe acht andere gesehen, die noch älter waren als die ältesten der jüng sten Serie 19 • Nimmt man an, die Sanga-Häuptlinge besaßen ins gesamt 14 solcher Biergärungsbottich-Einsätze, so muß (wenn man davon ausgeht, daß zwischen zwei Siguis je 60 Jahre ver gingen) der älteste davon - der aber ganz gewiß nicht mit der allerersten Sigui-Zeremonie im fraglichen Gebiet überhaupt in Zusammenhang stand - im 12. Jahrhundert angefertigt worden sein. Außerdem zählte Ongnonlou eine Reihe von acht derartigen Objekten im Haus des obersten Arou-Hogon in Arou-by-Ibi. Er fügte hinzu, es sollten »eigentlich 24« sein, kann aber nicht sagen, ob dies nur irgendwelchen Idealvorstellungen von einer vollständigen Serie entsprach oder der Realität, wenn die Baob abfasern nicht in Staub zerfallen wären20 . Die oben beschriebenen Methoden, die Sigui-Feiern zu re gistrieren und die Zwischenräume zwischen den einzelnen Be gehungen festzulegen, sind einfach und dienten mehr als Ge dächtnishilfen. Für die Eingeweihten gingen sie Hand in Hand mit sehr viel komplexeren Praktiken und Kenntnissen, die sich auf das System des Sirius bezogen. Die Namen, die die Dogon dem fraglichen Gestirn geben - sie nennen den Sirius sigi to/o (»Sigui-Stern«)21 oder yasigi to/o (»Yasigui-Stern«)22 - , verraten deutlich genug seinen Zusammenhang mit der alle 60 Jahre begangenen Feier der Welterneuerung. 354
Sirius selbst allerdings ist keineswegs die Grundlage dieses Systems. Seine Position bildet vielmehr nur einen der Brenn punkte innerhalb der Umlaufbahn eines winzigen, Digitaria Stern (pö tolo)23 oder Yourougou-Stern (yurugu tolo)24 genannten Himmelskörpers, der seinerseits die entscheidende Rolle spielt und dem praktisch allein das Augenmerk der männlichen Ein geweihten gilt. Dieses System ist so bedeutend, daß es - im Gegensatz zu den Systemen anderer Himmelsbereiche - keiner einzelnen (Stam mes-) Gruppe zugewiesen wurde. Praktisch gelten die Sterne als Domäne der Ono und Dommo; die erstgenannten zählen die aufgehende Venus zu ihren Attributen, die letzterwähnten den Gürtel Orions. Die Sonne sollte dem mächtigsten Stamm, den Arou, zugeschrieben werden. Doch um nicht allzusehr in Großspurigkeit zu verfallen, überließen diese sie den weniger vornehmen Dyon und beanspruchten den Mond für sich. Was aber den »Hungerreisstern« und das zugehörige System angeht, so »gehören« diese allen Menschen.
Die Umlaufbahn des »Hungerreisstems« Die Umlaufbahn des »Hungerreisstern« (pö tolo bzw. Digitaria) um den Sirius liegt lotrecht zum Horizont, und darauf spielt eines der am häufigsten gefeierten Masken-Rituale an: /aba ozu po ozugo po ya
»Der Pfad der Maske [ist] gerade [senkrecht], dieser Pfad [ver]läuft gerade«
Doch berücksichtigt man, daß den Eingeweihten das Wortspiel
po (»gerade«)25 und pö (»Hungerreis« [Digitaria exilis]) vertraut
ist, so ergibt sich der Doppelsinn:
»Der Pfad der Maske ist [der] >HungerreisHungerreisHun gerreisstern«Oben< und >Unten< der Welt« (aduno da/e donule tö(lu, Abb. XII)59 an den Hauseingang. Es besteht aus einem Oval - dem Weltei -, das 9 Figuren (bzw. Zeichen) enthält:
11
()I \
Abbildung XII. Das Siriussystem
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Da - der »Hungerreisstern« (Digitaria). Die rechts offene, ge
krümmte Linie versinnbildlicht die Aufnahme aller Substanzen und Materien, die der Schöpfer in ihm (d. h.: innerhalb des Sterns) plaziert hat. Db - der »Hungerreisstern« (Digitaria) in seiner 2. Position. Das unten offene Oval symbolisiert den Ausgang der Materie, die sich in d.er Welt ausbreitet. Gleichzeitig geben die Stellun gen A und B die beiden extremen Positionen von Digitaria in bezug auf Sirius wieder. E - der »Kaffernkorn-« bzw. »Kaffernhirsestern« (Sorgho Femel/e, emmeya), das Gegenstück zum »Hungerreisstern«. Als »Sonne der Frauen« befindet er sich im Zentrum des Eies wie die Sonne im Zentrum des Sonnensystems. Zweimal zwei kleine, senkrechte Striche umgeben das Oval. Sie symbolisieren die Strahlen, die der Stern aussendet. S - Sirius, der »Sigui-« oder >>Yasigui-Stern«. So angebracht, daß er die Beziehung angibt, die Sirius zwischen den beiden zuvor erwähnten Sternen herstellt, erinnert das Zeichen dieses Sterns an eine Art X mit einem geraden Balken - die Ameise (key) -, der einen gekrümmten Strich schneidet: dessen unterer Teil stellt Yasigui dar, die andere Hälfte ihr Geschlechtsteil im Augenblick der Exzision. Obwohl die Ameise weiblich ist, stellt man sie hier doch durch einen geraden Strich dar, als ob sie männlich wäre. Hierin kommt ihre Herrschaft über die Weiblichkeit der von ihr verstümmel ten Yasigui zum Ausdruck. R - der Yourougou (der Blaßfuchs«, französisch: Je renard pale; daher die Abkürzung durch den Buchstaben »R«). Ein Haken aus einem Kreisbogenstück und einer Geraden. Er deutet an: Yourougous erste Bewegung umschrieb bogenförmig den Himmel. Doch da Yourougou sein Ziel nicht erreichte, fuhr er so wie es das gerade Element dieses Zeichens demonstriert (das gleichzeitig ein Stück losgerissener Plazenta darstellt) - gera denwegs zur Erde nieder6°. Tatsächlich - als »Ei der Welt« (vgl. oben Seite 359) wurde der »Hungerreisstern« in zwei Zwillingsplazentas unterteilt, die je einem »Weltenlehrer«-Nommo-Paar das Leben geben sollten. Eine Plazenta aber brachte nur ein einzelnes männ368
liebes Wesen, eine Frühgeburt, zur Welt Um seinen Zwilling zu finden, riß dieses Wesen ein Stück von der Plazenta ab, und dieses wurde zur Erde. Der Zwischenfall aber störte die Schöp fungsordnung. Das Wesen wurde in ein Tier verwandelt, in den Blaßfuchs (yurugu)61 , der unrein war und die Erde unrein machte, so daß sie trocken und steril wurde. Rettung brachte nur das vom Himmel angenommene Opfer eines anderen Nommo-Weltenlehrers aus der anderen Plazenta, der seinen Zwilling verließ und mit dem befruchtenden, reinigenden Regen zur Erde herabstieg62 • Yourougous Los aber ist es, bis zum Ende der Zeiten seinen Zwilling, Yasigui, zu suchen - ein Wesen, das gleichzeitig Yourougous weibliche Seele verkörpert. Dem mythischen Denken gilt auch Digitaria als Yourougou, den Nommo nicht aus dem Raum entläßt und der nun ruhelos um Sirius, d. h. um Yasigui, kreist, ohne sie je zu erreichen. N - Ein senkrechter Strich stellt den Nommo selbst dar.Knapp unter dem oberen Ende lehnt daran eine in drei ungleiche Teile gebrochene Linie. Der erste Teil davon gilt als Sitz der Frauen seelen der Zukunft, der zweite als Sitz der Seelen Verstorbener und der dritte als Sitz der lebenden Seelen. Fa - Der »Frauenstern« (l'etoile des Femmes, nyiin to/o). Die Andeutung einer Spirale erinnert daran, daß es sich um einen Satelliten, einen Trabanten des »Kaffemkom-« bzw. »Kaffem hirsestems« (Sorgho-Fem e/le, emm e ya) handelt Fb - Das »Frauenzeichen« (nyiin to(lu). Es besteht aus einem Schrägstrich - dem Mann -, gekreuzt von einem zweiten Strich, der am Ende in eine Krümmung ausläuft Dies zeigt die Bezie hung zwischen den Geschlechtem63 • Der »Stab« ist gerade vor Erstaunen beim Anblick der Schöpfung, die mit dem System der Frauen beginnt. Für die Frau steht das Symbol des dicken, zur Geburt bereiten Bauches. Fe - Das Geschlechtsteil der Frauen, wiedergegeben durch ein unten offenes Oval; eine »mütterliche Welt«, bereit zur Zeu gung, nach unten hin offen, um Lebenskeime zu verströmen.
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Das Siriussystem bei den Bambara Die Bambara bezeichnen Sirius als »Gründungsstern« (sigi dolo), benutzen also haargenau den gleichen Ausdruck wie die Dogon, und wie diese nennen auch sie Digitaria den »Hunger reisstern«, in ihrer Sprache: fini dolo64 • Allgemein wendet man auch die Bezeichnung ja dolo fla (»die beiden Sterne des Wis sens«) auf ihn an, denn »er verkörpert am Himmel den sicht baren Leib Faros«, den man sich als Zwillingspaar vorstellt65 . Außerdem setzt dieser Name voraus, daß der Stern als Sitz alles Wissens gilt. Abgebildet ist das Siriussystem auf der als koso wala (»farbi ges Bild«) bezeichneten Schachbrettmusterdecke aus zehn Reihen von je 30 abwechselnd indigoblauen und weißen Recht ecken, die Dunkel und Licht, Erde und Himmel sowie - in der Bambara-Mythologie - Pemba und Faro versinnbildlichen. Ein gestreut in dieses Schachbrettmuster sind 23 Rechteckfelder mit unterschiedlichen Mustern aus indigoblauen, weißen und roten Fäden, die mit dem Schußfaden parallellaufen. Zwanzig davon stellen Sterne und Sternkonstellationen dar, die drei an deren den Regenbogen, »Donnersteine« und den Regen. Die fünfte Reihe in der Mitte, wo sich nicht ein einziges buntes Feld befindet, symbolisiert die Milchstraße. Die neunte Reihe enthält an einem Ende fünf schwarze (nicht indigoblaue) Recht ecke; sie bezeichnen »die fünfte Schöpfung in der Dunkelheit, die mit dem Eintreffen der künftigen Wasser hereinbrechen wird«66. Sigi dolo wird das erstemal allein dargestellt, »in der kalten Jahreszeit und in Unreinheit« - dies durch das 9. Rechteck (3. Reihe); das zweitemal flankieren zwei rote Striche (fe dolo fla) den Stern (15. Rechteck, 8. Reihe)67 • In den Bambara-Mythologie ist Sirius Mousso Koroni Koundye, Zwillingsschwester Pembas des Erdformers, ein weib liches mythisches Wesen, das er durch den Weltraum verfolgt, ohne es je zu erreichen. In jeder Hinsicht läßt sich Mousso Koroni Koundye mit Yasigui vergleichen68. Sie führte Zirkum zision und Exzision ein, und daher ist Sirius für die Bambara ebenso wie für die Dogon - der Stern der Beschneidung. 370
Das Siriussystem bei den Bozo Auch den Bozo ist das System bekannt. Sie nennen den Sirius sima kayne (wörtlich: »sitzende Hose«), und seinen Begleiter tono nalema (wörtlich: »Augenstern«).
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Anhang
Anhang I Der neuplatonische Philosoph Proklos über die Planetenmonde, die Planeten der Sterne sowie die Rotation der Himmelskörper im Weltraum. ». . . In jeder der Planetensphären gibt es unsichtbare Sterne, die zusammen mit ihren Sphären rotieren . . . « So der Platon-Nach folger Proklos im Jahre 438 n. Chr. Wer kein ausgesprochener Experte der Philosophiege schichte ist, hat vielleicht noch nie von Proklos gehört. Und doch ist Proklos, der von 410 bis 485 n. Chr. lebte, einer der be deutendsten Köpfe der Antike. Eine der Ursachen dafür mag sein, daß der Interessierte, aber des Griechischen Unkundige sich in der Regel nur in wissenschaftlichen Bibliotheken Zu gang zu Übersetzungen der Werke dieses Autors in moderne Sprachen verschaffen und selbst dann noch nicht auf Vollstän digkeit hoffen kann. Aber selbst wer Griechisch kann, hat bis weilen mit diesem Autor seine Not: Sind doch einige der Frag mente nur in arabischer Sprache überliefert. Eine fast vollstän die Übersetzung der Proklos-Werke ins Englische lieferte Thomas Taylor, von dem auch die erste englische Platon-Über setzung stammt - eine Mammutarbeit, aber doch noch nicht so mühevoll wie eine fast komplette Proklos-Übertragung. Über den Autor, dem er soviel Zeit widmete, äußert Taylor: »Für jeden Liebhaber griechischer Weisheit hat, was immer von Proklos' Schriften übrigblieb, stets unschätzbaren Wert, hatte Proklos doch, was die Vielfalt seines Könnens, die Schönheit seiner Sprache, die Großartigkeit seiner Gedanken und seine lichtvolle Weiterentwicklung der abstrusen Dogmen der Alten angeht, unter Platons Schülern nicht seinesgleichen.« 372
Viele Altertumskundler gehen einfach davon aus, die Philoso phie des »Goldenen Zeitalters« der Griechen sei die einzige, die zähle. In der fraglichen Zeitspanne lassen sich Lehrer und Denker wie Sokrates, Platon und Aristoteles, Dichter wie Aischylos, Sophokles und Euripides, der Redner Demosthenes sowie die Historiker Herodot, Thukydides und Xenophon unterbringen. Von diesen Namen geht ein solcher Glanz aus, daß wir nur allzu bereitwillig dem Irrtum verfallen, Griechen land habe zu anderen Zeiten nur Denker zweiter Ordnung her vorgebracht. Gewissen Gelehrten ist es wie zur zweiten Natur geworden, sich über griechische Köpfe vor oder nach dem »Goldenen Zeitalter« lustig zu machen. Andere Gelehrte sind dagegen mit äußerst bissigen Bemerkungen zu Felde gezogen, und niemand leugnet die Tendenz, Griechen, die den Vertre tern der »Goldenen Jahre« vorangingen oder nachfolgten, zu ignorieren oder zu schmälern - bis hin zu ihrer völligen Unter drückung und Leugnung. Zahlreichen Altertumskundlern ist es geradezu lästig, damit konfrontiert zu werden, daß die plato nische Akademie zu Athen nach dem Tode ihres Gründers noch rund neun Jahrhunderte weiterbestand. George Sarton schrieb in A History o/Science: A ncient Science through the Go/den Age oJGreece: »Als (der Kaiser) Justinian ihre Pforten schloß, hätte (die Aka demie) ihr neunhundertsechzehnjähriges Bestehen feiern kön nen . . . Im Lauf der Jahrhunderte wandelte sich die Akademie beträchtlich; nur die Alte Akademie kann als die Akademie Platons gelten, und sie bestand etwa anderthalb Jahrhunderte, wenn überhaupt so lange. Man mag hierauf einwenden, jede Institution ändere sich eben im Wandel der Zeit, und je länger sie bestünde, desto mehr Änderungen seien zu ewarten. So be trachtet, können wir allerdings feststellen: Die Akademie zu
Athen, jene von Platon begründete Akademie - sie bestand länger als neun Jahrhunderte.« Die platonische Überlieferung im weiteren Sinne mit ihren gnostischen und häretischen Beiklängen und ihren zahllosen späteren Manifestationen in so bizarren und gleichzeitig fes-
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selnden Gestalten, wie Giordano Bruno, Marsilio Ficino, John Dee, ja sogar Sir Philip Sidney und dem Earl of Leicester ganz zu schweigen von den Troubadouren der Provence, von Dante und den hingemordeten Albigensern, deren Zahl in die Zehntausende geht, den Tempelrittern und unzählbaren Hoff nungslosen in zweieinhalb Jahrtausenden -, stellt jedes ortho doxe Denken welcher Schattierung auch immer vor schlicht unlösbare Probleme. Denn ganz allgemein gesprochen ist Pla tonismus eine Lehre, die die Lehre leugnet, eine jeder Institu tion abholde Tradition, die ihre Anhänger als »Große Über lieferung« bezeichnen. In der Ablehnungjedes Dogmas erinnert sie an die Gesellschaft der Freunde ( die Quäker). Sie ist wahrhaft frei, kennt keine »eingetragenen Mitglieder«, keine Mitglieds beiträge, keine Regeln, die jemanden aufgezwungen werden. Sie hat keinen Papst und keinen Kalifen. Sie erschreckt jene schwächeren Gemüter, die dringend eine Hierarchie festgefüg ter Glaubensinhalte benötigen und die freie Lehre daher zu ver nichten suchen, doch nur einzelne Menschen und einzelne »Bewegungen« innerhalb des größeren Traditionsstroms ver nichten können. Wäre es überhaupt vorstellbar, daß irgendein »intellektuelles Establishment« zugibt, eine solche Unterströmung von Spiri tualität sei außerhalb der offiziellen Grenzen der orthodoxen christlichen Glaubenslehre geflossen - und dies seit dem drit ten Jahrhundert unserer Zeitrechnung und den Tagen eines Origenes? Wie könnte man einräumen, Proklos, der sieben Jahrhunderte später als Platon lebte, sei auf seine Weise ein ebenso glänzender Denker wie Platon selbst? Was hätte dies für Folgen für das »hermetisch versiegelte griechische Wun der«? Wenn es sich herausstellte, daß der Platonismus 2000 Jahre und länger eine unterdrückte, verfolgte Untergrundbewegung war - was hätten wir daraus im Hinblick auf die angebliche Auf geschlossenheit der abendländischen Kultur zu folgern? Wenn es sich herausstellte, daß unser allgemein als gültig erachtetes Hochkultur-Muster auf einer Lüge aufgebaut ist, auf der Leug nung der Nichtorthodoxen, hätte dies nicht unausdenkbare Fol gen? Wäre es dann noch unter einem allgemeinem Aufstand aller Intellektuellen getan? Nicht ein einziger hoffnungsvoller 374
Anwärter auf einen akademischen Lehrstuhl, auf einen Posten bei der Zeitung, bei einer großen Gesellschaft, einem Fernseh sender (oder auf einen Bischofssitz) käme dann ungeschoren davon. Die Ergebnisse wären nicht zerstörerisch im Sinne einer politischen oder sozialen Revolution, doch sie wären funda mentaler und daher im Endeffekt weitreichender. Es ist die Angst vor konstruktiven Veränderungen (wenn nicht vor dem Unbekannten), die hier eine Rolle spielt. Hier liegen in der Tat Probleme. Und hier liegt auch zum großen Teil die Erklärung dafür, daß so mancher nichts von Personen und Dingen weiß, die unmittelbare Bedeutung für unser Thema haben. Eine dieser Personen ist Proklos. Niemand wagt sich auf eine Diskussion einzulassen, was Proklos wirklich lehrte und was er - abgesehen von ganz bestimmten Ideen - eigentlich verkörperte. Schon allein wenn man das Gespräch auf eine Persönlichkeit wie Pro klos bringt, ist es, als ob man ein Gerippe aus dem Wandschrank holte und es klappern ließe. Im Band 4 des Penguin Companion to Literature, der die Lite ratur des Klassischen Altertums zum Gegenstand hat, hat man Proklos keines eigenen Artikels gewürdigt. Vielmehr begnügt man sich damit, ihn in einem von D. R. Dudley verfaßten Artikel über Neuplatonismus abzuhandeln: »Er verkörpert eine - damals allerdings mögliche - seltsame Kombination von Philosophie, Logik, Mathematik und Mystik. Der Neuplatonismus versah den Intellektuellen in der Schluß phase des Heidentums mit einer religiösen Metaphysik . . . Oft findet man auf spätkaiserzeitlichen Sarkophagen den Weisen dargestellt, der in Betrachtung versunken zum Himmel blickt.« Man beachte die Einschränkung, »damals« sei dergleichen möglich gewesen. Sie setzt ja voraus, daß es in unserem per versen Zeitalter der Überspezialisierung niemand mehr auf den Versuch ankommen läßt, so viele Wissensgebiete, wie Proklos beherrschte, miteinander zu verknüpfen. Nein - wir erfahren, Proklos verkörpere eine »seltsame Kombination«, nichts aber über Proklos' Schriften, nicht über Proklos' Ideen, nichts über den staunenerregenden Umfang seines schriftstellerischen Schaffens, und das beigegebene Literaturverzeichnis führt ledig-
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lieh die einerseits harmlosen, andererseits schwierigen Elemente der Theologie an. Zurück bleibt der Eindruck, Proklos gehöre zu einer ausgestorbenen Art von Lebewesen wie ein Dronte vogel und verdiene allenfalls als »damals mögliche seltsame Kombination« Interesse. Professor A. C. Lloyd von der Universität Liverpool erhielt die Aufgabe zugedacht, Proklos in seinen Beitrag zur Cambridge History of Later Greek and Early Mediaeval Philosophjl aufzu nehmen. Die Veröffentlichung dieses umfangreichen Buches markiert eine Stufe klassischer Gelehrsamkeit, auf der zahl reiche Gelehrte ganz offen zugeben, daß sie es müde seien, sich in ausgefahrenen Geleisen zu bewegen, statt Wege zu suchen, um sich in die Materie einzuarbeiten, um die es in der fraglichen Publikation geht. Gelehrte Einzelgänger wie Richard Walzer, Philiph Merlan und der verstorbene 1. P. Sheldon-Williams, die sich aus echt wissenschaftlichem Interesse schon seit langem mit diesen von der Altertumskunde stiefmütterlich behandel ten »Randgebieten« befaßt hatten, wurden aufgeboten, um die Grenzen abzustecken, innerhalb derer neue Generationen an gehender Altertumswissenschaftler Material für Doktordisser tationen zu sammeln haben, wobei allerdings auch für die Pro fessoren selbst, die inzwischen fein säuberlich das Feld der vor sokratischen Philosophie abgegrast haben, genug Forschungs arbeit übrigbleibt. Doch zurück zu Professor Lloyd, der einen interessanten Versuch unternommen hat, Proklos sowie einige Aspekte seines Denkens und Schreibens zu schildern. Uns kommt es vor allem darauf an, etwas über den Menschen Pro kJos zu erfahren3 : »Proklos wurde 410 oder kurz danach in Konstantinopel ge boren. Seine Eltern waren Patrizier aus Lykien in Südwest k.leinasien. Sie schickten ihn in ihrer Heimat zur Schule, und später ging er nach Alexandrien, wo er Literatur und Rhetorik studierte. Statt zur Rechtswissenschaft, die seines Vaters Beruf war, fühlte er sich zur Philisophie hingezogen. Daher hörte er Vorlesungen über Mathematik und Aristoteles. Seine nächste Stufe war Athen.« 376
Im Anschluß daran werden seine Studien an der Platonischen Akademie beschrieben, deren Haupt Proklos später werden sollte: »Es ist nicht bekannt, wann er die Schule übernahm, doch blieb er ihr Oberhaupt, bis er 485 starb. Er heiratete nie, und seine einzigen Mängel waren Eifersucht und Ungeduld.« Seine Ungeduld scheint das Ausmaß echter Unduldsamkeit angenommen zu haben, wenn jemand schwer von Begriff war oder irgendwelcher Geringfügigkeit wegen Schwierigkeiten machte. So beginnt er sein Mammutwerk, den Kommentar zu Platons Timaios, mit dem bezeichnenden Satz: »Daß der Ent wurf des Platonischen Timaios die gesamte Naturkunde umfaßt und Verbindungen zur Theorie des Universums herstellt, muß jedem klar sein, der auch nur lesen kann.« Hier nun kommen wir darauf, was Proklos eigentlich mit unserem Buch zu tun hat. Doch fahren wir mit Professor Lloyds Darstellung fort: »Proklos bewegte sich in einflußreichen politischen Kreisen, aber wie alle anderen Platoniker vertrat er gegenüber der offi ziellen Politik des Kaiserreichs den Standpunkt des Heiden tums und befand sich daher wiederholt in Schwierigkeiten. Außer Zweifel steht, daß er persönlich auf die Beachtung religiö ser Bräuche Wert legte. So hielt er auf vegetarische Diät, ver richtete Gebete an die Sonne, vollzog die Riten, die man zu be gehen hatte, wenn man in die Mysterien der Chaldäer einge weiht war, ja sogar die religiösen Festtage der Ägypter hielt er mit peinlicher Genauigkeit ein. Seine Fähigkeit des >Götter zwangs< soll er einer Tochter Plutarchs [des Platonikers, nicht des Verfassers der Lebensbeschreibungen] verdankt haben, und er selbst behauptete, leuchtende Erscheinungen der Göttin Hekate heraufbeschwören zu können. Zweifellos stellte er diese Zauberei als Befreiung der Seele über die Philosophie. Wie sein Philosophieren ein unaufhörliches Vor- und Zurückschreiten im Abstrakten war, bedeutete die Philosophie ihm nichts, wenn nicht selbst ein Zurückschreiten, eine Rückkehr zum All-Einen, wenn sie auch nur zu einer unvollkommenen Vereinigung führ te. Welchen Platz sie einnimmt, sieht man an einem geradezu phantastisch ausgeklügelten metaphysischen System: doch ob377
wohl dieses System nicht geschaffen worden wäre, hätte es nicht eine Religion zu rechtfertigen gegolten, hängt sein Wert dennoch nicht von der Religion ab und sollte dies nach Proklos' Absicht auch keineswegs.« Wer diese Sätze aufmerksam liest, bei dem erweckt die Er wähnung der Hekate sowie der ägyptischen und chaldäischen Mysterien-Riten, die Proklos praktizierte, sofort den Verdacht, Proklos könne etwas über das Sirius-Rätsel gewußt haben. Liegt dies im Bereich des Möglichen? In Kürze werden wir uns mit einigen verblüffenden Ansichten auseinanderzusetzen haben, die Proklos über Himmelskörper äußerte - Ansichten, von denen kein Wissenschaftshistoriker, mit dem ich zusammen traf, je Notiz genommen hat (wahrscheinlich weil niemand sich die Mühe macht, sich wirklich durch die ungeheure Material fülle hindurchzuarbeiten, die der Timaios-Kommentar birgt). Doch bevor wir uns der so schmalen Brücke zuwenden, die Proklos mit dem allgemeinen Milieu unserer Sirius-Tradition verbindet, gilt es einige weitere Anhaltspunkte zu sammeln. Abermals ist es Professor Lloyd, der uns mit weiteren interessan ten Angaben versieht: »Proklos glaubte, seine Metaphysik sei der wahre, doch ver borgene Sinn der Schriften Platos und alle griechische Theo logie ginge auf die Geheimlehren der Pythagoreer und Orphiker zurück. Man kann in zwei Werken über sie nachlesen, den Elementen der Theologie und der Theologie Platons, und die eine oder andere Ergänzung läßt sich den Kommentaren zu den Pla ton-Dialogen Parmenides, Timaios und A lkibiades entnehmen.« In Form derartiger Kommentare produzierten die Neuplato niker ein Gutteil echter, eigenständiger, kreativer Philosophie. Es ist heute Mode, ihre Kommentarform als Zeichen eines Man gels an Originalität und als bloßes Sekundärphänomen zu be lächeln. Das ist nichts weiter als der klägliche Versuch, das als lächerlich hinzustellen, was man sich anzunehmen weigert. Als Beispiel sei angeführt, wie sich Professor Robert Browning vom Birkbeck College der Londoner Universität im Penguin Com378
panion über die Kommentare des späteren Proklos-Nachfolgers Simplikios äußert, die er als »Mißverständnisse« und als »niveau los« abtut. Die Bezeichnung »Mißverständnis« enthält bereits ein Werturteil und läßt keinen Zweifel: Professor Browning kann sich mit dem Inhalt nicht identifizieren und versucht daher, die betreffenden Schriften herabzusetzen. Als ich selbst beispielsweise Simplikios' Epiktet-Kommentar las, war ich ver blüfft über den Intellekt, der aus ihm sprach - einen Intellekt, dessen Bemerkungen über den freien Willen so ganz und gar zeitgemäß sind, daß ich sofort Vergleiche mit Schriften unseres eigenen, des kybernetischen Zeitalters anstellte, so etwa mit den faszinierenden Arbeiten eines Norbert Wiener. Im Kapi tel 1 spricht Simplikios von »jenen, die da behaupten, unsere Ansichten und Sehnsüchte, und, allgemein ausgedrückt, jede Wahl, die wir treffen, und jede Absicht, die wir hegen, unter läge der Notwendigkeit und nicht unserer eigenen Entschei dung, sondern komme von Beweggründen außerhalb von uns selbst, nicht aus unserem inneren Wollen«. Er greift die »Be haviouristen« seiner Zeit mit klaren und kraftvollen Worten an, die bis auf den heutigen Tag nichts von ihrer Bedeutung und Richtigkeit verloren haben. Von Prok.los' Werken ist es insbesondere der Kommentar zu Platons Timaios, den wir als Quelle der Ansichten Prok.los' über den Kosmos und die platonische Sukzession einer esoterischen Überlieferung anzusehen haben, die an alte Mysterienreligio nen anknüpft. In einer Anmerkung zur zuletzt zitierten Passage geht Professor Lloyd nicht auf die Punkte ein, sondern beruft sich statt dessen auf andere Arbeiten Proklos'. Tatsächlich kommt der Timaios-Kommentar in Lloyds gesamter Proklos Darstellung zu kurz: Wir finden lediglich mehr oder weniger vage, kursorische Hinweise auf ihn. Dennoch ist es gerade der Timaios-Kommentar, dem wir uns nunmehr zuwenden müssen. Was die Zitierweise angeht, so weichen wir von der sonst übli chen insofern ab, als wir die Seitenzahlen der zweibändigen englischen Übersetzung Taylors zugrunde legen, mit der der heutige Durchschnittsleser wohl mehr anfangen kann als mit der dreibändigen Ausgabe des griechischen Originaltextes von E. Diehl (1903-1906).
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Am Ende von Buch IV seines Timaios-Kommentars äußert Proklos (II, 307): »Aber es ist pythagoreisch, sich an die orphi schen Stammbäume zu halten. Denn das Wissen über die Götter gelangte durch Pythagoras aus der orphischen Überlieferung zu den Griechen, wie Pythagoras selbst in seiner Heiligen Rede sagt.« Daß er dabei an die Mysterienreligionen dachte, geht aus anderweitigen Bemerkungen über pythagoreische Grundsätze hervor (Buch V = II, 312): »Dies aber sind die orphischen Tradi tionen. Denn was Orpheus mittels geheimer Reden in Rätseln von sich gab, lernte Pythagoras, den Aglaophemos in das mysti sche Wissen eingeweiht hatte, das Orpheus seiner Mutter Kal liope verdankte.« Die gleiche Ansicht bringt er auch in der Diskussion der Himmelserscheinungen zum Tragen, und zwar äußert er schon bald nach der oben zitierten Passage: »Denn Orpheus nannte den Mond himmlische Erde«, und ähnlich im Buch III: »Die Pythagoreer sagen . . . der Mond sei ätherische Erde.« Durch diese Ansichten und seine Behauptung, ganz beson ders Hekate zu verehren (so ist von Proklos ein »Hymnus an Hekate« erhalten, in dem er die Göttin als »Wächterin der Pfor ten« bezeichnet - was im alten Ägypten einer der Titel des Horns war - und sie »Mutter der Götter« nennt [dies wiederum war ein alter Isis-Titel; s. Grant: Hel/enistic Religions IV, 4, 6))4, weist Proklos sich wohl als Eingeweihter aus, der wohl ein Stück weit mit dem Sirius-Rätsel vertraut war. Natürlich fand ich dafür keine ausdrücklichen Belege, und er hätte es wohl als Profanie rung, ja als frevelhaft empfunden, eine solch esoterische Lehre in aller Öffentlichkeit zur Sprache zu bringen. Anderseits kann ich mich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, daß viele seiner Ansichten klar ein solches Geheimwissen widerspiegeln und einfach voraussetzen, daß es einen unsichtbaren Stern gab. Diese Ansichten sind so außergewöhnlich, daß ich hier einen kurzen Abriß geben möchte. Insbesondere ist für uns von Interesse, daß Proklos mit allem Nachdruck immer wieder auf die Existenz unsichtbarer Himmelskörper zurückkommt: Auf die Monde der Planeten und auf die Planeten anderer Sterne. Mehr noch: Auch in manch anderer Hinsicht scheint Proklos über Himmelsphä-
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nomene außerordentlich gut informiert zu sein. So äußert er im Buch III seines Timaios-Kommentars (1, 425), der Mond bestehe aus »himmlischer Erde. Oder warum sonst wirft der Mond, da er doch hell ist, Schatten, und warum geht das Sonnenlicht nicht einfach ganz durch ihn hindurch? . . . W ir werden finden, daß entsprechend Feuer und Erde in den Himmelsräumen vor handen sind; und zwar natürlich Feuer, das ihr Wesen ausmacht, doch alle anderen Elemente kommen gleichfalls vor«. Kurz danach fährt Proklos fort: »Die Elemente, die einer seits ungemischt gedacht sind, andererseits aber gemischt, schaf fen in ihrer primären Mischung den Himmel, der alles enthält, was der Eigenart des Feuers entspricht . . . Denn alles im Himmel ist von feuriger Art.« Aus den anderen oben angeführten Belegstellen wissen wir, daß die Ansicht, der Mond sei »himmlische Erde« eine »pytha goreisch-orphische« war, die Proklos sich zu eigen machte. Daß er nun hier diese Beobachtung auf die gesamte Natur der Him melskörper anwendet, läßt eigentlich vermuten, daß schon sei ner Quelle ähnliche Gedanken keineswegs fremd waren. Tat sächlich sind die Himmelsräume von »feuriger Art«, denn wir wissen heute aufgrund exakter naturwissenschaftlicher For schungen, daß Sterne sich aus ganz normalen chemischen Ele menten zusammensetzen, die sich allerdings in einem feurigen Zustand befinden. Was Proklos über Himmelskörper äußert, deckt sich also in gewissem Sinne ganz und gar mit den Resul taten heutiger Naturwissenschaft. Es stimmt, wenn Proklos äußert, die Sterne seien »natürlich Feuer, das ihr Wesen aus macht, doch alle anderen Elemente kommen gleichfalls vor«. Denn wenn sie auch lodern - wir wissen, daß Sterne sämtliche Elemente enthalten. Proklos läßt keinen Zweifel: Wenn er vom »Feuer« im himm lischen Bereich spricht, meint er dies im übertragenen Sinne. Beispielsweise äußert er: »Daher ist das dortige Feuer (in den Himmelsräumen) Licht; und man sollte seine Erörterung nicht dadurch verunklären, daß man seine Aufmerksamkeit dem massigen, dunklen Feuer der sublunaren Region [der Region unter dem Mond, der Erde] zuwendet«. Und um jede Möglich keit eines Mißverständnisses auszuschließen, fügt er (Seite 281) 381
hinzu: Feuer im Himmel sei »Feuer, das nicht ganz und gar Feuer« sei, vielmehr sei Sternenfeuer eher »Feuer in Energie«. Im Licht moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnisse sind derartige Vorstellungen geradezu verblüffend. Ja - mo derne Auffassungen, daß es im Raum ein interstellares Medium gibt, ein Medium von so geringer Dichte, daß es kaum nach weisbar, das aber dennoch weit ausgedehnt sei (es handelt sich dabei nicht um den überholten »Äther«!), haben auf geradezu erschreckende Weise ihren Vorläufer in Proklos folgender Be hauptung (Buch III seines Timaios-Kommentars l, 425): »Notwendigerweise müßte auch das Mittlerelement in den Himmelskörpern mit enthalten sein, aber verschiedene Ele mente sind wohl in den verschiedenen Himmelsbereichen im Überfluß vorhanden. Und an einigen Stellen verbreitet in der Tat das feurige Wesen seinen Glanz wohl weit, weil es dort feste Materie gibt, doch anderswo - so in den Sphären, die die Sterne tragen - sollte es wohl vor uns verborgen sein.« Gleich, welche Deutung man diesen Bemerkungen Proklos' beilegt - Tatsache bleibt: Für ihn sind Sterne verdichtete Kör per in einer Himmelsmasse, und dazwischen liegt die für uns unsichtbare »feurige Materie«. Und was seine Äußerung über die Sphären angeht, so sah er ihnen kaum jene Glasgloben, wie sie uns aus der konventionelleren antiken Astronomie bekannt sind. Wir werden dies noch sehen. Im Buch IV des Timaios-Kommentars (II, 293) macht Pro klos sich über Epizyklen lustig und bezeichnet sie als eine »glän zende Erfindung«, um mit ihrer Hilfe die wahren, einfachen Sternbewegungen zu analysieren, »ebenso wie jemand, der nicht imstande wäre, eine Spiralbewegung rings um einen Zylinder zu messen, schließlich eine Gerade annähme, die um den Zy linder geführt wird, desgleichen einen Punkt auf dieser Gera den und dessen Bewegungen mißt, bis er schließlich herausge funden hat, wie groß die Spiralbewegung in einem bestimmten Zeitraum ist. Dem entspricht die Anstrengung derer, die bei einfachen Bewegungen mit Evolventen, Epizyklen und Exzen tern operieren und schließlich ein zusammengesetztes Bewe gungsmuster daraus machen«. 382
Damit wird klar: Trotz seiner späten Lebenszeit war Proklos doch kein Gefangener der ptolemäischen Theorie des Univer sums. Ptolemaios lebte 300 Jahre vor ihm, doch Proklos stemmte sich unbeirrbar gegen seine Epizyklen und zog die oben zum Ausdruck gebrachten Ansichten vor. In der Tat hat Proklos eine äußerst überraschende Auffassung der Himmelssphären. So sagt er beispielsweise im Buch IV seines Timaios-Kommentars (Seite 273): »So bewegen sich also die Planeten . . . , aber nicht die Planetensphären«. Hiermit stellt er klipp und klar fest, daß sich die Planeten bewegen, wogegen ihre »Spähren« oder - dürfen wir es sagen? Umlaufbahnen in Wirklichkeit die Räume sind, in denen sich die Bewegung abspielt. Wir sollten dabei keineswegs überängst lich sein. Benjamin Jowett benutzt in seiner Übertragung der Platonstelle (38-39), die Proklos hier kommentiert, tatsächlich das Wort »Umlaufbahn«. Ich sehe nicht den geringsten Grund, warum wir es ihm nicht gleichtun sollten. Wir haben es also mit einer klaren Schilderung aus Proklos' Feder zu tun. Sie ist weit weniger verschwommen als Platons eigene, vage Darstellung, und es geht darum, daß Planeten sich in Umlaufbahnen bewegen, die man sich ihrerseits unmißver ständlich als Bewegungsebenen dachte. Und diese Vorstellung ist wissenschaftlich so genau, sie ist so weit fortgeschritten und steht dermaßen im Gegensatz zu der Ansicht, die damals in Mode war - der Ansicht, daß sich die Planeten-»Sphären« dreh ten und dabei die Planeten »mitnähmen« -, daß wir Proklos Wagemut bewundern müssen, so klar und so unerschütterlich nach vorn zu blicken. V ielleicht läßt sich auch Platons Text schon so auslegen. Dies allerdings ist durchaus nicht üblich, und tatsächlich ist er bei weitem zu ungenau. Ein typisches Beispiel für die herkömmliche Art, ihn zu deuten, entnehmen
wir dem Band I des Werkes A ugustine to Gali/eo von Professor
A. C. Crombie, Seite 49. Obwohl er auf Seite 33 den Timaios eine »pythagoreische Allegorie« nannte, was mir allerdings ge wagt erscheint, äußert Crombie dann auf Seite 49: »Die unterschiedlichen Sphären, denen die sieben >Planetendie Dreiwegige< , zu nennen - vollführt er doch durch den Tierkreis seinen Lauf in der Länge, Breite und Tiefe. Die erste dieser Bewegungen be zeichnen die Gelehrten als >direkte UmdrehungHerumwälzen< oder als schräge Ein- und Auswärtswindung, die dritte aber (warum, weiß ich nicht) als >UngleichheitNaturen die< den Sternen >folgen< sind offenkundig deren Satelliten, die Proklos mehr als einmal erwähnt.« In einer weiteren Fußnote auf derselben Seite fügt er hinzu: »Aus dem, was Proklos hier sagt, scheint hervorzugehen, daß die Fixsterne ebenso wie die Planeten Satelliten haben und daß zu dieser Beschreibung Sterne passen, die bald sichtbar, bald aber wieder unsichtbar sind.« Dies bringt uns an klare, unmißverständliche Äußerungen über das Sirius-Rätsel so nahe wie nur irgend möglich - doch 395
Namen werden nicht genannt. Die betreffenden Anmerkungen beziehen sich auf die Textpassage, die sich unmittelbar an die obenerwähnte anschließt, wo wir uns erstmals über Proklos' dunkle Anspielungen auf »unsichtbare Kreisläufe« Gedanken machten. Es ist interessant festzustellen: Die fragliche Passage hat die Form eines Kommentars zu einer ganz bestimmten Stelle in Platons Timaios (40 c), die nicht nur eine der rätsel haftesten Passagen Platons ist, die einen auf die Palme bringen (»Erwarten Sie nicht von mir, daß ich diese Geheimnisse ent rätsele«, klagte George Sarton [a. a. 0. Seite 451)), sondern die Proklos auch mit zusätzlichen Wörtern anführt, die den Gestal tern des heutigen offiziellen Platon-Textes aus keinem anderen Überlieferungszweig bekannt sind. Noch seltsamer ist es, daß die »fehlenden« Wörter, die Prok los anführt, kai ta toutois eph exes (»und die nach diesen der Reihe nach«) lauten. Taylor bemerkt hierzu: »Die betreffenden Wörter finden sich in Platons Text zwar nicht, stellen aber eine bemer kenswerte Zugabe dar«. Taylor müßte es wissen. Hat er doch zuvor sämtliche Platon-Dialoge, einschließlich des Timaios, übersetzt. Da Proklos Haupt der Akademie war, darf man wohl anneh men, daß er in der zugehörigen Bibliothek über eine akademie eigene, zuverlässige Kopie des Platontextes verfügte. Wenn es in der von Platon selbst gegründeten Akademie keine verbind lichen Platon-Textausgaben gab, wovon in aller Welt hätte er sonst verbindliche, zuverlässige Ausgaben haben sollen? Man hat daher in Erwägung zu ziehen, daß es sich bei diesen Worten möglicherweise um die korrekte Fassung handelt, und man sollte sie dementsprechend in die üblichen Textausgaben aufnehmen. Taylor gibt die betreffenden Wörter durch »die einander folgen den Naturen« wieder - d. h. : die Naturen, die den Sternen folgen, und die Naturen, die den Sternen folgen, so kommentiert er, sind offensichtlich deren Satelliten, zumal Proklos diese mehr als einmal erwähnt. Daß eine Erwähnung der Satelliten von Sternen aus dem orthodoxen Platontext entfernt wurde, sollte uns nicht wirklich überraschen. Welcher Kopist konnte auch nur ahnen, was die Stelle bedeutete? Beim handschriftlichen Kopieren schleichen 396
sich im Lauf der Jahrhunderte Fehler ein. Eine Anspielung auf Stern-Satelliten war wohl zu schockierend oder wurde als zu bizarr betrachtet. Bei der handschriftlichen Weiterverbreitung muß man die betreffenden Worte als unverständliche Entstel lung oder als vermeintlichen Einschub von fremder Hand aus gemerzt haben. Das Originalmanuskript befand sich sowieso nur in der Akademie. Dort lag es sicher und muffig, eingewik kelt in ein paar wirklich alte Buchrollen, an deren Text niemand je etwas änderte. Nur in der Akademie waren wohl Verstöße gegen den Wortlaut des Meisters verboten. Für micht ist es kein Zufall, daß unsere Durchmusterung der Proklos-Schriften nach Material, das für unsere Sirius-Frage von Bedeutung ist, zu einem verlorenen Textfragment aus Pla tons Timaios geführt hat. Daß diese Worte aus dem Dialog ge strichen wurden, aus dem gesamten Korpus der sonst so gut dokumentierten, kommentierten, kopierten und vielzitierten Werke Platons, macht so gut wie jeder andere, ähnliche »Zufall«, auf den wir in unserem Buch gestoßen sind, einmal mehr die kontroverse Natur unseres Themas klar. Das Sirius-Rätsel läßt uns nicht ruhen. Worauf immer wir im Zusammenhang damit stießen - es verwandelte sich in einen Zerrspiegel. Nichts, was beständig und sicher schien, behielt seine Form. Selbst Platons unantastbare Texte beginnen in Fluß zu geraten. Denn aus so vielem, das verknöchert war, krochen rätselhafte kleine Krea turen hervor, die respektlos auf geheiligten Voraussetzungen ihre Tänze vollführten und keinen Zweifel ließen: all das, was verknöchert schien, wollte nicht liegengelassen und für tot er klärt werden. Es wollte leben. In ihm glühen Luftgeister und Geheimnisse. Wir können sie nicht zwingen, zu Stein zu werden. Klar - die gestrichenen vier Textwörter wurden weggelassen, um den enormen Folgerungen zu entgehen, die man gezogen hätte, wären sie stehengeblieben: daß nämlich Platon, wenn auch kein Profi auf dem Gebiet der Astronomie, anscheinend doch zu einer Überlieferung Kontakt hatte, die, da esoterisch, außer halb ihres ureigensten, mystischen Bereiches keinerlei Sinn zu ergeben schien. Und dies bleibt wahr, ob Platon die betreffende Stelle selbst schrieb oder, wie man z. T. vermutet, einen pytha goreischen Traktat hier einfügte (siehe später). 397
Ohne Zweifel ist Platons Dialog Timaios der schwierigste und bizarrste aller echten Platonischen Dialoge (noch bizarrer ist die Epinomis, sie scheint aber nicht von Platon selbst, sondern von seinem Schüler Philipp von Opus zu stammen). Führen wir uns einige Bemerkungen über dieses seltsame Werk zu Ge müte. Ihr Verfasser ist George Sarton (a. a. 0.): »Im Timaios sind mehr orientalische Lehren als griechische Weisheit« (S. 423, Anm.). »Der astrologische Unfug, der in der westlichen Welt so viel Schaden angerichtet hat und noch immer Schwach köpfe vergiftet, stammte aus dem Timaios, und Platons Astrolo gie war ihrerseits nur ein Ableger der babylonischen. Um Platon gerecht zu werden, sei hinzugefügt, daß man seiner eigenen Astrologie Ernst und Geistigkeit nicht absprechen kann. In ba nale Wahrsagerei artete sie nie aus« (S. 421). »Der Einfluß des Timaios auf spätere Zeiten war enorm und im wesentlichen schlecht« (S. 423). »Viele Gelehrte ließen sich täuschen, die Phantastereien dieses Buches für so wahr zu halten wie das Evangelium. Diese Täuschung hemmte den Fortschritt der Wissenschaft; und bis auf den heutigen Tag blieb der Timaios eine Quelle des Dunkelmännertums und des Aberglaubens« (Seite 430). Das sind harte Worte. Offensichtlich reizt der Timaios den einen oder anderen zu heftigen Reaktionen! Wer sich hier wie ein Unsinniger gebärdet, weil der »schlechte« Timaios den Fort schritt der Wissenschaft gehemmt haben soll, ist einer der nam haftesten Wissenschaftshistoriker, die esje gab. Sartons gesam tes Platon-Bild ist unglaublich aggressiv, ja feindselig gefärbt, wenn auch seine Kritik bisweilen durchaus trifft. Gewiß waren so manche Ansichten Platons von Fehlern nicht frei, besonders seine politischen, die Aristoteles mit Recht so abstoßend fand. Und Sarton erfüllten sie erst recht mit Zorn, und der Timaios brachte dann nur das Faß zum Überlaufen. Mag der Timaios auch bei denen, die sich in ihn zu vertiefen suchen, teils Verblüffung, teils Zorn erregen - wir sollten uns darüber klar sein, daß die Überlieferung wahrscheinlich recht hat, die da behauptet, der größte Teil dieses Dialogs, der aus einer langatmigen Rede des »Titelhelden« Timaios besteht, stamme gar nicht von Platon, sondern sei von ihm nur nach398
träglich als Äußerungen einer nur erfundenen (oder verheim lichten) Persönlichkeit eingefügt worden. Jedenfalls behaupte ten mehrere antike Quellen, bei diesem Teil des Dialogs handle es sich in W irklichkeit um einen pythagoreischen Traktat, der Platon bei einem seiner Besuche auf Sizilien in die Hände gera ten sei. Um diesen Traktat nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, habe Platon, so heißt es, ihn lieber als Diskussionsbei trag eines Dialogredners in einen Dialog einarbeiten wollen, wobei die Beiträge der anderen Redner dann den passenden Rahmen abzugeben hatten. Und gerade dieser vermutlich pytha roreische Traktat enthält all das Material, das für uns im Zusam menhang mit dem Sirius-Rätsel von Bedeutung ist. Was die Pythagoreer angeht, so handelte es sich bei ihnen um eine religiöse Gemeinschaft mit einer Mysterientradition, deren Wurzeln in Ägypten und Babylon lagen (wie es heißt war Pytha goras, ihr Begründer, in die Mysterien beider Länder einge weiht). Ich schulde es dem Leser, das Beweismaterial auszubreiten, daß der Timaios-Abschnitt, der für uns von solcher Bedeutung ist und auf dem Proklos-Kommentar beruht, bei dem es ja um die Himmelskörper geht, noch nicht einmal von Platon selbst geschrieben wurde. Ich zitiere daher aus Diogenes Laertios' Leben berühmter Philosophen, Buch V III, 85: »Philolaos aus Kroton war ein Pythagoreer, und Platon forderte Dion auf, von ihm die pythagoreischen Traktate zu erwerben . . . Seine Lehre besteht darin, daß die Notwendigkeit für alles sorgt, und dies in wechselseitiger Harmonie. Als erster erklärte er, die Erde bewege sich im Kreis um das Zentralfeuer, obwohl ande ren zufolge Hiketas von Syrakus dies erstmals erkannt haben soll. Er schrieb ein Buch, und dieses war das Werk, von dem nach Hermippos ein Schriftsteller äußerte, Platon, der Philosoph, habe es, als er an Dionysios' Hof auf Sizilien gegangen sei, von Philolaos' Verwandten gegen den Wert von 40 alexandrinischen Silberminen erstanden [nur ein Vergleichswert, denn dies war noch vor Alexander!], und es sei auch zum Timaios umgeschrie ben worden. Andere aber sagen, es sei Platon geschenkt wor399
den, denn er habe bei Dionysios die Freilassung eines jungen Philolaos-Schülers erwirkt, den man ins Gefängnis geworfen hatte. Demetrios zufolge habe Philolaos als erster in seinem Werk Menschen gleichen Namens die pythagoreischen Traktate ver öffentlicht, die er Über die Natur betitelte und die wie folgt beginnen: >Im geordneten Universum setzte sich die Natur aus unbegrenzten Elementen zusammen, so war das ganze Univer sum und alles in ihm beschaffen«fünf< bedeutete), son dern war auch das griechische Wort für >wenn< sowie die zweite Person Einzahl des Hilfszeitwortes >sein< (>du bist neue Jerusalem< ist, also ob es nur ein echtes gäbe: Hebron. Tatsächlich erwähnt der Talmud eine als Melchi sedekier bezeichnete häretische jüdische Sekte, deren Anhän ger häufig nach Hebron kamen, um Adams Leichnam zu ver ehren (und Adams Geist zu befragen?), der in der Höhle Mach pela begraben war.« Tatsächlich galten besagte Melchisedekier vielleicht nur als Häretiker, waren aber in Wirklichkeit Träger einer reineren, unverfälschteren Überlieferung, und vielleicht entstellte nie mand das Judentum mehr als David, der das >Heilige Salem< aus Hebron wegverlegte. Graves fährt fort: »Denn Adam, >der Rote< , scheint der ursprüngliche Orakel heros von Machpela gewesen zu sein. Wahrscheinlich befragte Kaleb seinen Schatten und nicht den Abrahams, wenn nicht >Adam< und >Abraham< Bezeichnungen eines und desselben Heros waren. Der Levit Elias, ein jüdischer Kommentator des 15. Jahrhunderts, verzeichnet die Überlieferung: Bei den tera phim, die Rache) ihrem Vater Laban stahl, habe es sich um mumifizierte Orakelköpfe gehandelt, darunter auch um den Kopf Adams. Wenn er recht hat, dann bezieht sich die Genesis Erzählung auf die Entführung des Orakel-Heiligtums von He bron durch Sauls Benjaminiten von den Kalebiten. Kaleb war ein edomitischer Klan, und dies läßt eine Gleich setzung von >Edom< mit >Adam< vermuten. Es ist beide Male das gleiche Wort >rotAdam< gleich >EdomAdam< als das semitische Wort >Edom< (>rotUnüberwindlicheUner bittliche< - bei Homer Beiname des Hades ist und von seiner Mutter, der Todesgöttin, entlehnt war.«
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Unter Berufung auf die Tradition, fügt Graves auf Seite 161 hin zu: »Entsprechend seiner Lage unweit eines Punktes, wo zwei Weltmeere fast und drei Kontinente der Alten Welt zusammen treffen, könnte man Hebron als Mittelpunkt der Erde bezeich nen.« Wie sehr ähnelt diese Bezeichnung »Mittelpunkt der Erde« dem »Titel« Delphis: »Nabel der Welt«. Alle Orakel Hauptzentren waren »Nabel«, waren ompha/os-Zentren der Erde. Hebron so beschrieben zu finden, konnte man nur erwar ten. Auch die Überlieferungen, wonach Adam in Hebron er schaffen worden sei und sich hier der Garten Eden befand, Über lieferungen, von denen Graves in seinem Kapitel berichtet - sie geben einen Sinn, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Hebron die »Basis« der geodätischen »Ostoktave« von Orakelzentren war. Es war das östliche Gegenstück zu Behdet selbst. Über H ebrons weitere Geschichte berichtet Graves im Kapi tel Vier seines Buches: »Ein Bund handeltreibender Stämme, in Ägypten als >See völker< bezeichnet . . . drang in Syrien und Kanaan ein, darunter die Philister, die das H eiligtum von Hebron in Südjudäa dem edomitischen Clan der Kalebiten abnahmen, doch die Kalebiten (>HundsmännerWort von Gesichts-Wert< , ist der erste Wissensgrad. Hierzu gehören einfache Erklärungen. Mythische Persönlichkeiten sind oft verschlüsselt, ihre Abenteuer hat man vereinfacht, durch Erfindungen ausgeschmückt, und ein Zu sammenhang ist nicht erkennbar. Es geht um unsichtbare Lei stungen im Zusammenhang mit den üblichen Ritualen und Materialien. Benne so, > Wort auf der Seitedie Wörter im giri soWort von hinten klares Wortvierte Dimension