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German Pages 164 Year 2013
Schriften zum Umweltrecht Band 179
Das neue Recht der Kreislaufwirtschaft Herausgegeben von
Michael Kloepfer
Duncker & Humblot · Berlin
MICHAEL KLOEPFER (Hrsg.)
Das neue Recht der Kreislaufwirtschaft
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin
Band 179
Das neue Recht der Kreislaufwirtschaft
Herausgegeben von
Michael Kloepfer
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 978-3-428-14223-1 (Print) ISBN 978-3-428-54223-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84223-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Der Ausbau und die Vollendung der Kreislaufwirtschaft sind Schlüsselaufgaben der heutigen Umweltpolitik. Vor diesem Hintergrund ist die RL 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie) zu sehen, zu deren Umsetzung der Bundesgesetzgeber am 24. Februar 2012 das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz erließ. Der vorliegende Band dokumentiert die von dem Forschungszentrum Umweltrecht (FZU) veranstaltete wissenschaftliche Tagung „Das neue Recht der Kreislaufwirtschaft“, die am 6. Juli 2012 an der Humboldt-Universität zu Berlin unter meiner Leitung stattfand. Das Anliegen der Tagung war es, die neue Rechtslage in der Kreislaufwirtschaft zu erfassen und kritisch zu würdigen. Dadurch sollte auch die abfallpolitische Diskussion belebt sowie allgemein das Bewusstsein für den Ressourcenschutz im Abfallbereich gestärkt werden. Die Tagung versammelte Vertreter aus der Politik, der Verwaltung, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Der Band enthält die auf der Tagung gehaltenen Referate in überarbeiteter bzw. erweiterter Form. Der Beitrag von Herrn Arno Rasek musste sich aus Gründen seiner Arbeitskapazität auf die Thesen des Vortrags beschränken. Die Ergebnisse der Tagung haben in diversen Fachzeitschriften Resonanz gefunden.1 Mein großer Dank gilt zuvörderst den engagierten Referenten und Diskussionsteilnehmern. Meinen Mitarbeitern, allen voran meinem Assistenten Hrvoje Sˇantek, danke ich für die wertvolle Unterstützung bei der Durchführung der Tagung und bei der Drucklegung. Anregungen und Kritik zu diesem Band sind willkommen an: michael.kloepfer@ rewi.hu-berlin.de Berlin, im April 2013
Michael Kloepfer
1 Vgl. Bruch, DÖV 2012, 807 ff.; Gartz, VR 2012, 342 f.; Reschke, ZUR 2012, 643 f.; Sˇantek, UPR 2012, 712 ff.
Inhaltsverzeichnis Michael Kloepfer Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Helge Wendenburg Zur Abfallpolitik der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Andrea Versteyl Was ist „Abfall“? – Neue Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereiche . . .
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Frank Petersen Die fünfstufige Abfallhierarchie – Funktionen und Probleme . . . . . . . . . . . . . . .
53
Thomas Schomerus Abfallvermeidungsprogramme: Herausforderung an Bund und Länder . . . . . . .
75
Klaus Meßerschmidt Ressourcenschutz durch Kreislaufwirtschaft – aus Sicht der Rechtswissenschaft
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Peter Kurth Ressourcenschutz durch Kreislaufwirtschaft – aus Sicht der Wirtschaft . . . . . . . 107 Arno Rasek Kreislaufwirtschaftsrecht und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Peter Queitsch Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz – Handlungserfordernisse auf der Ebene der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Einführung Von Michael Kloepfer
I. Abfall und Geschichte Sind wir auf dem Weg in die Null-Abfall-Gesellschaft? Wer die mit Abfällen übersäten Straßen und Parks in vielen deutschen Großstädten sieht, wird dies bezweifeln. Jedenfalls wäre eine solche Gesellschaft ein geschichtliches Novum, denn Abfall gibt es, seitdem es Menschen gibt. Der Bürger von heute pflegt seinen Müll ebenso zu beseitigen, wie einst etwa der Höhlenbewohner.1 Und der Internetbürger verfrachtet digitalen Abfall in den „Papierkorb“, den er auch kontinuierlich entleert. Doch nicht nur die Beseitigung, sondern auch die Verwertung von Abfällen hat ihre Historie:2 Schon im Altertum wurden Abfälle zu beschreibbaren Stoffen verarbeitet, vor allem zu Pergament. Als Sekundärrohstoffe dienten Felle von Rindern, Schafen, Ziegen oder Eseln. Die Neuzeit markiert einen Einschnitt in der Geschichte des Menschen und seines Abfalls. Allen voran die Industrialisierung und das Bevölkerungswachstum führten zu einem Abfallaufkommen, das nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern auch die Umwelt zunehmend gefährdet. Vor diesem Hintergrund setzte sich allmählich das Verständnis von Abfall als Ressource durch. Bei vielen Stoffen stellt sich jedoch weiterhin das Problem, dass sie – jedenfalls unbearbeitet – nicht realistisch verwertbar sind (z. B. Abraum, Bauschutt, Konsumgüterschrott, Filterstaub, Klärschlamm etc.). Auf der anderen Seite kann die Umwelt auch durch die Verwertung des Abfalls belastet werden (z. B. Bergversatz oder energetische Verwertung in Industrieanlagen).3 So rückt auch die Vermeidung des Abfalls immer mehr in den Fokus der Ressourcenpolitik. Das Recht, die Wirtschaft und die Technologie sind heute mehr denn je vor die Herausforderung gestellt, die gesellschaftliche Entwicklung und den damit einhergehenden Ressourcenverbrauch mit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen zu verbinden.
1 Höhlenbewohner sollen ihren Abfall an bestimmten Stellen in Haufen aufgeschichtet haben, vgl. Hösel, Unser Abfall aller Zeiten, 1. Aufl., München 1987, S. 1. 2 Vgl. Hösel, Unser Abfall aller Zeiten, 1. Aufl. 1987, S. 32. 3 Kloepfer, Umweltschutzrecht, 2. Aufl. 2011, § 15 Rn. 2.
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II. Entwicklung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts in Deutschland Von den Einflüssen, welche die Entwicklung des deutschen Kreislaufwirtschaftsund Abfallrechts in den letzten Jahrzehnten bestimmt haben, fallen drei in besonderem Maße ins Auge: So wurde diese Entwicklung – erstens – geprägt durch den fortschreitenden Wandel des gesellschaftlichen und politischen Umgangs mit Abfällen sowie mit dem Phänomen des Wegwerfens von Sachen (1.). Zweitens ist das besondere Konfliktverhältnis von öffentlich-rechtlichen, insbesondere von kommunalen Entsorgungsträgern, und den in Folge der partiellen Privatisierung der Kreislaufwirtschaft auftretenden privatwirtschaftlichen Akteuren hervorzuheben (2.). Schließlich ist – drittens – der große Einfluss des Rechts der Europäischen Union für das deutsche Abfallrecht von besonderer Bedeutung (3.).4
1. Umgang mit Abfall Hinter der Ausdifferenzierung der Art und Weise des Umgangs mit Abfall, stehen Veränderungen des gesellschaftlichen, politischen, technischen und wirtschaftlichen Zugriffs auf das Phänomen Abfall. Ausgangspunkt dieses Wandels war das Entstehen und Erstarken des modernen Umweltschutzgedankens in der Bundesrepublik Deutschland am Ende der 1960er-Jahre und vor allem im Laufe der 1970er-Jahre.5 In den Jahren 1969/70 begann eine offizielle, gouvernementale Thematisierung der Frage des Umweltschutzes vor allem durch die (rot-gelbe) Bundesregierung unter dem damals zuständigen Bundesinnenminister Genscher. Hervorzuheben ist dabei insbesondere das erste Umweltprogramm der Bundesregierung vom September 19716, das im Kern eine politische Regierungsplanung der Gesetzgebung darstellt. Begleitet wurde dies durch die – nicht unproblematische – exekutive Förderung von Umweltinitiativen. Das alles war der Sache nach Umweltschutz „von oben“7, d. h. von der Regierung. Diese Entwicklung stand dem Ideal demokratischer Entscheidungsfindung als Willensbildung „von unten nach oben“ diametral entgegen. Anders wurde dies erst als – vor allem durch Bürgerinitiativen – hinreichender umweltpolitischer Druck durch die Bürger, d. h. „von unten“ entstand. Die Bildung eines solchen Umweltbewusstseins in der Bevölkerung ging also maßgeblich von exekutiven Kräften aus und dehnte sich erst danach auf größere Teile der Bevölkerung aus.8 Der Elan der Regierung für das neue Politikfeld Umweltschutz führte zunächst zur Einfügung des Art. 74 Nr. 24 a.F. in das Grundgesetz, der 4
Vgl. dazu und zum Folgenden Kloepfer, AbfallR 2012, 261 ff. Hierzu Kloepfer, Zur Geschichte des Umweltrechts, 1994, S. 95 ff. 6 Bundesministerium des Innern (Hg.), Umweltprogramm der Bundesregierung, 1971. 7 Vgl. Vierhaus, Umweltbewußtsein von oben, 1994, passim, S. 180. 8 Hierzu Vierhaus, Umweltbewußtsein von oben, 1994, S. 181 f.: „frühe Umweltpolitik [als] ministerialbürokrativ-technokratische ,Elitenpolitik’“. 5
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dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für „die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung, und die Lärmbekämpfung“ verschaffte. Auf der Grundlage dieser neuen Gesetzgebungskompetenz des Bundes kam es 1972 zum Erlass des Abfallbeseitigungsgesetzes (AbfG), welches die bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend rechtlich unregulierte Deponierung zu ordnen versuchte. In der Folgezeit führte das erstarkte allgemeine Bewusstsein für die Notwendigkeit des Umweltschutzes zu der Einsicht, dass ein ungebremstes Fortschreiten der „Wegwerfgesellschaft“ in einer „Abfallkatastrophe“ („nicht im Dreck ersticken“9) enden würde.10 Die Notwendigkeit, – über die bloße Abfallbeseitigung hinaus – Abfall zu vermeiden und zu verwerten, wurde auch einer breiteren Öffentlichkeit immer mehr bewusst. Die Ausdifferenzierung des Abfallregimes von der eingleisigen Ausrichtung auf Abfallbeseitigung hin zum dreigleisigen Stufensystem mit dem Vorrang der Abfallvermeidung vor der Abfallverwertung bzw. der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung war die Folge. Technische Entwicklungen, z. B. von Abfallverbrennungstechnologien oder von für das Recycling besonders geeigneten Kunststoffen, haben schließlich dazu geführt, dass solche Vorgänge der Abfallvermeidung und -verwertung auch tatsächlich möglich und wirtschaftlich realisierbar wurden.11 Daran knüpfte schließlich die Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft an: Abfall wurde (jedenfalls teilweise) zur Ware.12 Insbesondere die Stärkung des Gedankens der Abfallverwertung durch das Abfallgesetz von 198613 eröffnete neue wirtschaftliche Betätigungsfelder im Abfallbereich.14 Neue Märkte entstanden, ökonomische Interessen an der Recyclingwirtschaft drängten in den Vordergrund. Der dem Verursacherprinzip verpflichtete Gedanke nachhaltiger abfallrechtlicher Produktverantwortlichkeit nahm langsam Konturen an. Vor allem die Verpackungsverordnung15 trieb den Übergang zu einer auf die Abfallverwertung konzentrierten Abfallwirtschaft voran. Die Hersteller und Vertreiber von Produkten wurden ver9
„Wir müssen nicht im Dreck ersticken.“ So zitiert Keller, Müll – Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen, 2009, S. 98, den damaligen Bundesinnenminister Genscher bei der Verteidigung des Gesetzentwurfs zum Abfallgesetz von 1972. 10 Hierzu Keller, Müll – Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen, 2009, S. 99. 11 Zur technischen Entwicklung im Zusammenhang insbesondere mit der Müllverbrennung und Deponierung: Gaßner/Kanngießer/Siederer, in: Gaßner/Siederer (Hg.), Handbuch Recht und Praxis der Abfallwirtschaft, Kap. 1 Rn. 26. Diese technische Fortentwicklung wiederum war Grundlage dafür, dass die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber neuen Abfallbeseitigungstechnologien wuchs. 12 Vgl. Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, 2011, § 18 Rn. 9. 13 G. v. 27.08. 1986, BGBl. I S. 1410, ber. S. 1501. 14 Gaßner/Kanngießer/Siederer, in: Gaßner/Siederer (Hg.), Handbuch Recht und Praxis der Abfallwirtschaft, Kap. 1 Rn. 33 ff.; Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 8. 15 Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackV) v. 12.06. 1991, BGBl. I S. 1234; neugef. am 21.08. 1998, BGBl. I S. 2379, zuletzt geänd. durch Art. 5 Abs. 19 G. v. 24.02. 2012, BGBl. I S. 212, 255.
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pflichtet, Verkaufsverpackungen zurückzunehmen und zu verwerten. Zur Erfüllung dieser Pflichten bauten die in die Pflicht genommen Privaten ein flächendeckendes Rücknahmesystem für die Verpackungen von Produkten auf. Als Träger dieses Rücknahmesystems gründeten sie die „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH“. Diese Organisation brachte die Kreislaufwirtschaft voran, erlebte freilich auch problematische Einflüsse der Politik auf dieses System und wies bisweilen einen gewissen Hang zum internationalen „Abfalltourismus“ bei der Erledigung der Aufgaben des Grünen Punktes auf.16 Die Entwicklung des deutschen Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts kennzeichnet insbesondere ein Wandel der Schutzausrichtungen. Diente das frühere Abfallrecht zunächst noch vorwiegend der Seuchenhygiene17, verfolgt es spätestens seit den 1970er Jahren zunehmend auch ökologische Zwecke. In den Mittelpunkt des Abfallrechts ist mittlerweile das Ziel einer effektiven, ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft gerückt. Das problemorientierte Denken (Abfälle) ist dem zielorientierten Denken (Stoffkreisläufe) gewichen. Dabei folgt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht nach wie vor dem Konzept des kausalen Umweltschutzes18, d. h. es ist nicht darauf ausgerichtet, ein bestimmtes Umweltgut zu schützen, sondern die Ursache von verschiedenen Umweltbelastungen zu bekämpfen. So gesehen verfolgt es gewissermaßen das Ideal, sich letztlich selbst – bezüglich der Beseitigungsvorschriften – überflüssig zu machen, d. h. Abfälle gar nicht mehr entstehen zu lassen. 2. Staatliche Daseinsvorsorge und Privatisierung Die Ökonomisierung des Umgangs mit Abfall und die Herausbildung einer Abfallwirtschaft führen zu dem zweiten besonders hervorzuhebenden Aspekt der Entwicklung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts: dem besonderen Spannungsverhältnis von kommunaler Daseinsvorsorge und Privatisierung.19 Die Entscheidung darüber, ob der Staat oder ob Private für die Abfallbewirtschaftung20 zuständig sein sollen, eröffnet oder verschließt im Ergebnis jedenfalls wichtige (privat-)wirtschaftliche Betätigungsfelder. Die Frage der Konkurrenz von öffentlich-rechtlichen und privaten Entsorgungsträgern stellte sich in der ersten Phase der Abfallrechtsentwicklung bis 1986 im Wesentlichen noch nicht. Die Kommunen waren traditionell schon vor Erlass des 16
Kloepfer, Umweltschutzrecht, 2. Aufl. 2011, § 15 Rn. 50. Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 6. 18 Maßgeblich für die Systematisierung der Umweltschutzausrichtungen Breuer, Der Staat 20 (1981), 393, 396 ff.; ders., Umweltschutzrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, S. 591 ff. 19 Hierzu und zum Folgenden Kloepfer, AbfallR 2012, 263 ff. 20 Vgl. im Hinblick auf den Begriff der „Abfallbewirtschaftung“ auch die vollständige Bezeichnung des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes als „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen – Kreislaufwirtschaftsgesetz“. 17
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Abfallbeseitigungsgesetzes 1972 für die Abfallbeseitigung zuständig. Sie regelten die Abfallbeseitigung durch Satzungsrecht vor allem im Hinblick auf die Gefahrenabwehr21 und arbeiteten dabei häufig mit dem Instrument des Anschluss- und Benutzungszwangs. Das Abfallbeseitigungsgesetz 1972 schrieb diese kommunale Zuständigkeit sodann der Sache nach als Pflichtaufgabe der Gemeinden fest.22 Eine materielle Privatisierung der Abfallbeseitigung war sowohl unter dem Abfallbeseitigungsgesetz 1972 als auch unter dem Abfallgesetz 1986 noch nicht möglich.23 Lediglich das Recht der Kommunen, sich zur Erfüllung der Entsorgungsaufgaben Privater zu bedienen, diese also mit Abfallentsorgungsaufgaben zu beauftragen, war vorgesehen.24 Die öffentlich-rechtliche Verantwortung und das Erstzugriffsrecht blieben aber auch in diesem Fall bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern. In der Folgezeit wuchs jedoch mit der Ausdifferenzierung des Abfallregimes und dem Erstarken des Verwertungsgedankens die Bedeutung privater Entsorgungsträger als Konkurrenten der Kommunen. Mit dem bereits erwähnten Aufbau des Grünen Punkts als flächendeckende private Entsorgungsinfrastruktur wurden den kommunalen Entsorgungsträgern in erheblichem Umfang Aufgaben der Abfallwirtschaft entzogen. Damit war es erstmals zu einer umfangreichen materiellen Privatisierung von Abfallentsorgungsaufgaben gekommen.25 Insoweit ist die Verpackungsverordnung als Vorbote für das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994 zu sehen. Hatte das neue Abfallgesetz von 1986, das erstmals die Abfallverwertung als Rechtspflicht statuierte, die Verwertung im Wesentlichen noch dem Staat, insbesondere den Kommunen zugewiesen26, so kam es mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994 zu einer weiten, aber keineswegs unbegrenzten Öffnung der Abfallwirtschaft für private Entsorgungsträger. Das stellte nun wahrlich einen abfallpolitischen Paradigmenwechsel dar. Während die Abfallbeseitigung weitgehend Aufgabe der Kommunen blieb, ging die Abfallverwertung in großem Umfang auf die private Abfallwirtschaft über.27 Hieraus resultierte die große Bedeutung der damals
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Vgl. Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 2. 22 Siehe § 3 Abs. 2 S. 1 AbfG (1972); vgl. dazu Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 2. 23 Für die Situation unter dem AbfG 1972: Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 4; für das AbfG 1986: Gaßner/Kanngießer/Siederer, in: Gaßner/Siederer (Hg.), Handbuch Recht und Praxis der Abfallwirtschaft, Kap. 1 Rn. 24. 24 Siehe § 3 Abs. 2 S. 2 AbfG a.F. 25 Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 7. 26 Vgl. Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 5. 27 Vgl. Gaßner/Kanngießer/Siederer, in: Gaßner/Siederer (Hg.), Handbuch Recht und Praxis der Abfallwirtschaft, Kap. 1 Rn. 35.
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viel erörterten Streitfrage um die Abgrenzung von Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung.28 Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994 bildete die damals verbreitete (und heute schon etwas nostalgisch wirkende) allgemeine Privatisierungsseligkeit ab, der zufolge vom Staat nichts oder wenig Gutes zu erwarten war, Private dafür aber alles Gute, insbesondere auch eine höhere Kosteneffizienz erhoffen ließen. Inzwischen bewegt sich das Pendel ja bekanntlich wieder in die andere Richtung, zum Beispiel durch Rücküberführung privatisierter Unternehmen (Wasserwerke, Kraftwerke, Netze) in den Einflussbereich der öffentlichen Hand (insbesondere durch „Rekommunalisierung“). Die Zeit nach 1994 war sodann – ironischerweise vor allem wegen des Erfolgs des deutschen Abfallrechts bei der Zurückdrängung des Abfallaufkommens – geprägt von einem „Kampf um den Abfall“ zwischen öffentlich-rechtlichen (insbesondere kommunalen) und privaten Entsorgungsträgern.29 Abfall wurde zu einem „Objekt der Begierde“.30 Private Entsorgungsträger zielten auf einen umfassenden Zugriff insbesondere auf Abfälle zur Verwertung, während Kommunen zur Auslastung der von ihnen errichteten Abfallbehandlungs- und -beseitigungsanlagen ihre frühere Vorrangstellung verteidigen wollten. Letztlich kam hier zweierlei zusammen: der abfallvermindernde Erfolg des deutschen Abfallrechts einerseits und die teilweise (und die vor allem in den neuen Ländern) zu groß dimensionierten Abfallbeseitigungsanlagen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger andererseits. Der Kampf um den Abfall mutierte juristisch bald zum Kampf um den Verwertungsbegriff. Je weiter der Verwertungsbegriff interpretiert wurde, desto größer wurden die Möglichkeiten der privaten Entsorgungsherrschaft. Durch seine extensive Rechtsprechung zum Verwertungsbegriff wurde schließlich der Europäische Gerichtshof zeitweilig so etwas wie der Schutzpatron der privaten Abfallwirtschaft.
3. Einfluss des Unionsrechts Dies führt zum Aspekt der Beeinflussung des deutschen Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts durch das EU-Recht.31 Teilweise wird das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht als „die am stärksten europäisierte Materie des Umweltrechts“32 bezeichnet. Auch wenn das Stoffrecht vielleicht noch europäischer sein mag, ist die entschei28 Vgl. nur Tettinger, UTR 55 (2001), S. 55, 58; Petersen, in: Dolde (Hg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 575 (578). 29 Vgl. Petersen, in: Dolde (Hg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 575; Schink, in: Mann/ Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 9. 30 Tettinger, UTR 55 (2001), S. 55 f. 31 Hierzu und zum Folgenden Kloepfer, AbfallR 2012, 264 f. 32 So Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, 2011, § 18 Rn. 7; ein „Musterbeispiel zur Europäisierung der innerstaatlichen Rechtsordnung“ sieht im Abfallrecht Schoch, DVBl. 2004, 69.
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dende europäische Prägung des deutschen Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts längst unübersehbar. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht und das Europarecht treffen sich dabei in ihrer demokratiefernen exekutiven Politiksteuerung „von oben“. Beide sind oft Ausdruck technokratisch-bürokratischer Dominanz. „Volksbewegung“ kommt in das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht regelmäßig erst bei den Standortentscheidungen über Abfallbeseitigungsanlagen. Heute stellt das Abfallrecht ein von europäischen Vorgaben in hohem Maß beherrschtes, höchst umweltschutzrelevantes Rechtsgebiet dar. Dabei kann es auch mit dem europäischen Wettbewerbsrecht sowie den Grundfreiheiten in Konflikt geraten.33 Insgesamt hat das europäische Abfallrecht aber große Steuerungserfolge zu verbuchen. Die abfallrechtlich bezogene Gesetzgebung in der Europäischen Gemeinschaft begann im Wesentlichen mit dem Erlass der sog. Abfallrahmenrichtlinie vom 15. Juli 197534. Deren Inhalt beschränkte sich – hinsichtlich des Regelungsansatzes also vergleichbar mit dem schon zuvor erlassenen Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 – auf die Abfallbeseitigung.35 Schon ein Blick auf die Chronologie – d. h. auf das zeitliche Nachfolgen der Richtlinie auf das nationale Abfallgesetz 1972 – zeigt, dass sich das (west-)deutsche Recht in der frühen Phase der deutschen Abfallrechtsentwicklung zunächst weitgehend unabhängig von europarechtlichen Vorgaben entwickelt hat. Auch die ersten Novellierungen des Abfallgesetzes zwischen 1976 und 198536 intendierten nicht primär die Umsetzung von Europarecht. Im Hinblick auf die Verpackungsverordnung von 1991 ist ebenfalls keine wesentliche Vorzeichnung durch europäisches Recht festzustellen. Vielmehr inspirierte die Fokussierung auf Verpackungsabfälle durch den deutschen Verordnungsgeber den gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgeber, welcher mit der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle37 an diesen Regelungsansatz auf europäischer Ebene anknüpfte.38 Die Abfallrahmenrichtlinie wurde 1991 dahingehend geändert39, dass sie nunmehr auch die Abfallverwertung umfasste. Insoweit avancierte die Abfallrahmenrichtlinie zum Vorbild für das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994, das unter anderem den europäischen Abfallbegriff übernahm. 40 Jedoch stellt sich 33
Vgl. Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, 2011, § 18 Rn. 8. Richtlinie 75/442/EWG v. 15.07. 1975, ABl. L 194, S. 47. 35 Vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 8. Aufl. 2010, § 6 Rn. 6. 36 Zum Inhalt der ersten bis dritten Novellierung des AbfG 1976, 1982 sowie 1985 vgl. Kloepfer, Zur Geschichte des Umweltrechts, 1994, S. 129. 37 Richtlinie 94/62/EG v. 20.12. 1994, ABl. L 365, S. 10. 38 Vgl. Kloepfer, Umweltschutzrecht, 2. Aufl. 2011, § 15 Rn. 16. 39 Durch die Richtlinie 91/156/EWG v. 18.03. 1991. 40 Vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 8. Aufl. 2010, § 6 Rn. 6. 34
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an dieser Stelle die Frage, inwieweit hier die europäische Rechtsetzung tatsächlich jeweils der politische Impulsgeber war oder ob das deutsche Abfallrecht hinsichtlich der Ausdehnung des Abfallrechtsregimes schon vorausgegangen war. Der deutsche Einfluss in der frühen Umweltpolitik der EG war bekanntlich jedenfalls beachtlich, bevor insbesondere der britische und skandinavische Einfluss auf das europäische Umweltrecht stieg (z. B. durch die neuen ökonomischen Instrumente und das Öko-Audit). Immerhin hatte bereits das Abfallgesetz 1986 die Abfallvermeidung und die Abfallverwertung als Rechtspflichten festgeschrieben.41 Zudem waren die inhaltlichen Vorgaben der novellierten Abfallrahmenrichtlinie für das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz beschränkt. Allerdings beeinflusste gerade auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Rechtsentwicklung nach 1994 entscheidend und zwang vermehrt zu richtlinienkonformer Auslegung des deutschen Abfallrechts.42 Neben der allgemeinen Abfallrahmenrichtlinie erließ der Unionsgesetzgeber daneben eine Vielzahl von speziellen Sekundärrechtsakten für bestimmte Abfallarten, bestimmte Abfallentsorgungsarten und insbesondere auch ein eigenes Abfallverbringungsregime.43 Insgesamt endet spätestens Mitte der 1990er-Jahre die umweltpolitische Führung des deutschen Umweltrechts in Europa. Im Jahre 2008 erfolgte erneut eine grundlegende Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie der EG. Dabei wurden die Richtlinien über die Altölbeseitigung44 (75/439/ EWG), gefährliche Abfälle (91/689/EWG) und Abfälle (2006/12/EG) aufgehoben. Den Anstoß für die neue Abfallrahmenrichtlinie gab das Strategiepapier der Europäischen Kommission für Abfallvermeidung- und Recycling45, das insbesondere einen stärkeren Ressourcenschutz sowie eine verbesserte Rechtssicherheit forderte. Festzuhalten bleibt, dass das EU-Recht, insbesondere die mehrfach novellierte Abfallrahmenrichtlinie, ständiger einflussreicher und glücklicherweise auch innovationsfördernder Begleiter der deutschen Abfallrechtsentwicklung gewesen ist. Dabei darf allerdings das Verhältnis zwischen EU-Recht und mitgliedstaatlichem Recht nicht einseitig normhierarchisch im Sinne einer Einbahnstraße verstanden werden. Vielmehr ist der mittelbare, auch inspirierende Einfluss der mitgliedstaatlichen Rechte auf das Unionsrecht immer noch beträchtlich. Im Übrigen wird bekanntlich von der deutschen Politik der Umweg über Brüssel gerne dafür genutzt, bestimmte Regelungen dort durchzusetzen, wenn nationale Mehrheiten nicht oder nur schwer zu erreichen sind. Die Entscheidung erscheint dann in Deutschland wegen des EU41 Vgl. Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 5. 42 Vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 8. Aufl. 2010, § 6 Rn. 6. 43 Vgl. Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, 2011, § 18 Rn. 7. 44 Richtlinie 75/439/EWG des Rates v. 16.06. 1975 über die Altölbeseitigung, ABl. L 194, S. 31. 45 Vgl. Mitteilung der Kommission, Eine thematische Strategie für Abfallvermeidung und -recycling, KOM (2003) 301 endg., sowie Mitteilung der Kommission, Eine thematische Strategie für Abfallvermeidung und -recycling, KOM (2005) 666 endg.
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Rechts unvermeidbar, obwohl dieses EU-Recht maßgeblich durch deutschen Einfluss zustande gekommen ist.
III. Kreislaufwirtschaftsgesetz 2012 Als vorläufiger Endpunkt der nationalen Abfallrechtsentwicklung kann nun das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz vom 24. Februar 201246 bezeichnet werden, das am 1. Juni 2012 in Kraft trat.47 Dieses stellt sich als Teilkodifikation des Abfallrechts dar, welches zusätzlich aus einem – bei speziellen Abfallarten einschlägigen – besonderen Teil und einem untergesetzlichen Regelwerk besteht. Nicht ohne Grund wird das Abfallrecht vielfach zu den unübersichtlichsten und komplexesten Materien des Umweltrechts gezählt.48 1. Zentrale Neuerungen Wie auch die ihm zu Grunde liegende novellierte EG-Abfallrahmenrichtlinie will das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz die Ressourcenökonomie noch stärker in den Fokus des Abfallrechts rücken.49 Der maßgeblich vom Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994 eingeleitete Übergang in die Stoffstromwirtschaft soll auf diese Weise intensiviert werden. Dies schlägt sich insbesondere in der – unionsrechtlich vorgegebenen – fünfstufigen Abfallhierarchie nieder. Die Umsetzung der eher leitsatzartigen Hierarchie der Abfallrahmenrichtlinie erfolgt dabei durch eine Grundsatznorm in § 6 KrWG und vor allem durch die Normierung dynamischer Grundpflichten.50 Insbesondere die Anforderungen an die Abfallverwertung werden dabei aber letztlich im Detail durch konkretisierende Rechtsverordnungen gem. § 8 Abs. 2 KrWG zu treffen sein. Neben der Abfallverwertung wird auch die Abfallvermeidung durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz weiter gefördert. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Pflicht zur Aufstellung von Abfallvermeidungsprogrammen von Bund und Ländern gemäß § 33 KrWG hinzuweisen.51 46 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) v. 24.02. 2012, BGBl. I S. 212; in Kraft getreten am 01.06. 2012. 47 Hierzu und zum Folgenden Kloepfer, AbfallR 2012, 265 ff. 48 Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 15. 49 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 06.06. 2011, BT-Drs. 17/60/52, S. 57: „Die neuen abfallrechtlichen Regelungen sichern nicht nur den Umweltschutz, sondern werden stärker als bisher auf den Klima- und Ressourcenschutz ausgerichtet.“ Näher zum Ziel des Ressourcenschutzes Hutsch, DÖV 2012, 145, 153. 50 § 7 Abs. 1 (Vermeidung); § 7 Abs. 2 i.V.m. § 8 (einzelne Stufen der Verwertung) sowie § 15 KrWG (Beseitigung), dazu Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 524. 51 Ausführlicher zu den Abfallvermeidungsprogrammen Hutsch, DÖV 2012, 145 (151 f.); Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (528).
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Weitere Neuerungen erfuhr das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht durch die Erweiterung und Neuordnung der Begriffsbestimmungen in § 3 KrWG, die Erweiterung und Überarbeitung des Anwendungsbereichs in § 2 KrWG sowie die Neuordnung des Zulassungsrechts für Sammler, Beförderer, Händler und Makler und der Regelungen zum Entsorgungsfachbetrieb.52 Das Kreislaufwirtschaftsgesetz enthält in § 10 Abs. 1 Nr. 3 KrWG nunmehr auch eine Rechtsgrundlage für die Einführung einer Wertstofftonne, die der einheitlichen Entsorgung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen dienen soll. 2. Öffentlich-rechtliche und private Entsorgungsträger Einer der umstrittensten Aspekte im Gesetzgebungsverfahren zum neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz war die Frage der Aufgabenverteilung zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Entsorgungsträgern. Der 2009 im Altpapier-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts53 zu Gunsten der Kommunen gewendete Konflikt54 wurde neu geregelt. Aufgrund europarechtlicher Bedenken an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hatte die Bundesregierung in ihrem ursprünglichen Gesetzesentwurf zunächst vorgesehen, dass „Auswirkungen der gewerblichen Sammlung auf die Planungssicherheit und die Organisation der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger“ lediglich „zu berücksichtigen“ seien.55 Der Bundesrat hat sodann jedoch zumindest erreichen können, dass eine wesentliche Beeinträchtigung der Belange „Planungssicherheit und Organisation“ dazu führt, dass „überwiegende öffentliche Interessen“ der Sammlung entgegenstehen56, diese somit unzulässig ist. Die Zurückhaltung der Bundesregierung hinsichtlich des Schutzes der Planungssicherheit der Kommunen wurde im Gesetzgebungsverfahren vor allem mit unionsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten begründet.57 Der letztlich zustande gekommene Kompromiss war erst nach langen Verhandlungen 52
Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521. BVerwGE 134, 154. 54 Das BVerwG hatte zu entscheiden, ob eine gewerbliche Altpapiersammlung eine zulässige Ausnahme von der grundsätzlichen Überlassungspflicht von Hausmüll gem. § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG darstellte. Dies wäre nur möglich gewesen, wenn der Altpapiersammlung keine „überwiegenden öffentlichen Interessen“ entgegengestanden hätten. Das BVerwG entschied, dass bereits mehr als geringfügige Auswirkungen der Sammlung auf Organisation und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zur Unzulässigkeit der privaten Sammlung führen, vgl. BVerwGE 134, 154, 163; dazu Schink, in: Mann/Püttner (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2011, § 55 Rn. 9. 55 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 06.06. 2011, BT-Drs. 17/6052, § 17 Abs. 3 S. 2 Hs. 2. 56 Vgl. § 17 Abs. 3 S. 2 i.V.m. S. 1 KrWG. 57 Vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates v. 20.07. 2011, BT-Drs. 17/6645, S. 5: „Die vom Bundesrat geforderte Rückführung der Regelungen zur gewerblichen Sammlung auf den derzeit geltenden Rechtszustand in Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte auch von der Europäischen Kommission aller Voraussicht nach als EU-rechtswidrig angesehen werden.“ 53
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zwischen dem Bundesumweltministerium und den kommunalen Spitzenverbänden sowie einem Vermittlungsverfahren möglich geworden.58 3. Einfluss des Unionsrechts Das Kreislaufwirtschaftsgesetz von 2012 ist insbesondere zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie notwendig geworden.59 Die Bedeutung der Richtlinie für das neue Kreislaufwirtschaftsrecht wird dabei unterschiedlich bewertet. Während einerseits die Rede davon ist, dass die Richtlinie die wesentlichen Elemente der Konzeption des bisherigen deutschen Abfallrechts übernommen habe und daher lediglich Korrekturen im Text, aber nicht in der Sache notwendig geworden seien,60 wird andererseits davon gesprochen, dass die Richtlinienumsetzung für das deutsche Abfallrecht weitreichende Änderungen bereitgehalten habe.61 Letztlich lassen sich bei einem Blick auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz hinsichtlich dieser Frage drei Gruppen von Regelungen ausmachen: Erstens gibt es durchaus Vorgaben der Richtlinie, welche zu einer nationalen Neuregelung zwangen. Zu denken ist insbesondere an Legaldefinitionen sowie die fünfstufige Abfallhierarchie. Zweitens sind Änderungen zum Teil europarechtlich fundiert, ohne explizit in der Abfallrahmenrichtlinie festgeschrieben zu sein. Dies betrifft vor allem die Problematik der Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen.62 Schließlich sind – drittens – Regelungen auszumachen, welche über die europäischen Vorgaben hinausgehen. Dies betrifft vor allem die Forcierung des Ressourcenschutzes, zum einen hinsichtlich des Niveaus der Verwertungsquoten und Getrennthaltungsvorgaben, zum anderen aber auch hinsichtlich neuer Impulse, wie der Ermächtigung zur Einführung einer Wertstofftonne per Rechtsverordnung in § 10 Abs. 1 Nr. 3 KrWG.63 Zu betonen ist 58
Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (526). So betont auch die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 17/ 6052 v. 06.06. 2011, S. 1, die Rolle der AbfRRL als Anlass und Leitlinie der Novellierung. 60 Friedrich, ZRP 2011, 108. 61 Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 8. Aufl. 2010, § 6 Rn. 6. 62 So auch Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521; im Hintergrund des Streits um die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen geht es im Kern um Anforderungen der Warenverkehrsfreiheit, vgl. hierzu die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates v. 20.07. 2011, BT-Drs. 17/6645, S. 5: „Die Regelung ist so zu konzipieren, dass die Belange der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit mit denen der Funktionsfähigkeit der Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse in EU-rechtskonformer Weise abzuwägen sind. […] Beschränkungen der Grundfreiheiten [sind nach der EuGH-Rechtsprechung] nur insoweit gestattet, als die wirtschaftlich ausgewogene Erfüllung von Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gefährdet ist. Dieser Maßstab wird nicht eingehalten, wenn das nationale Recht – in Folge der bindenden Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts – eine gewerbliche Sammlung bereits dann für unzulässig hält, wenn diese „mehr als nur geringfügige Auswirkungen“ auf die Organisation und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entfaltet“. 63 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 mit Verweis auf die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf, BT-Drs. 17/6052, S. 57. 59
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schließlich erneut der schon angesprochene Umstand, dass bei der Aushandlung der Abfallrahmenrichtlinie bereits Impulse der deutschen Abfallgesetzgebung in das europäische Regelwerk eingeflossen waren. 4. Kreislaufwirtschaftsgesetz als „Zwischenstation“ Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz bedeutet gewiss nicht die abschließende Lösung aller abfallrechtlichen Probleme in Deutschland. Nicht zuletzt ist es auf die Ausgestaltung durch (unter-)gesetzliches Regelwerk angewiesen.64 Dies gilt – wie erwähnt – insbesondere für die Konkretisierung der fünfstufigen Abfallhierarchie und dabei vor allem für die Abgrenzung und Einordnung der verschiedenen Arten der Abfallverwertung. Auch unabhängig hiervon ist mit weiteren Entwicklungen auf Unions- und nationaler Ebene zu rechnen. Dies muss schon im Hinblick darauf gelten, dass bereits die unionsrechtliche Grundlage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, die Abfallrahmenrichtlinie, als unzureichend bezeichnet wird und hinsichtlich der Klärung fundamentaler Fragen des europäischen Abfallrechts insoweit von einer „ungenutzten Chance“ gesprochen wird.65 Auch das Kräftegleichgewicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Entsorgungsträgern ist wohl nicht nachhaltig gefunden, wie z. B. bereits eingereichte Beschwerden privater Verbände bei der EU-Kommission verdeutlichen.66 Die Entwicklung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts wird also weiterhin im Konfliktfeld von Daseinsvorsorge und Privatisierung, Umweltschutz und wirtschaftlichen Interessen im Mehrebenensystem von nationalem und supranationalem Recht voranschreiten. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz ist also nicht eine Endstation, sondern eine wichtige Zwischenstation in der langen Entwicklung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts.
IV. Bilanz Zusammenfassend bleibt festzuhalten67: Dem deutschen Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht ist es insgesamt gelungen, das Abfallaufkommen in Deutschland stark zu reduzieren68 und die Risiken von Deponien nachhaltig zu verringern. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass in Deutschland immer noch ein erheblicher
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Vgl. Hutsch, DÖV 2012, 145 (153); Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (530). So Reese, NVwZ 2009, 1073, 1079. 66 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 52, 530. 67 Siehe zum Folgenden Kloepfer, AbfallR 2012, 267 f. 68 So ist von 1996 bis 2007 das Abfallaufkommen um ca. 12 % gesunken, vgl. Schmidt/ Kahl, Umweltrecht, 8. Aufl. 2010, § 6 Rn. 2, mit Verweis auf Statistiken des Umweltbundesamts; vgl. auch Kloepfer, AbfallR 2012, 267. 65
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Teil sogenannter „abgelaufener Lebensmittel“ weggeworfen wird.69 Dies ist nicht nur ein umweltpolitischer, sondern auch ein moralischer Skandal, den die verschiedenen Bundesregierungen (aber auch die jeweiligen Bundestage) bisher nicht ernsthaft, jedenfalls nicht effektiv bekämpft haben. Das Versagen der Lebensmittelindustrie, des Einzelhandels, der Kommunen sowie der jeweiligen Bundesregierungen und Bundestage bei der Handhabung bzw. der genaueren Fassung des Mindesthaltbarkeitsdatums von Lebensmitteln hat eben auch eine ethische Dimension. Dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht ist auch eine teilweise Verbesserung des Umweltbewusstseins im Abfallbereich zu verdanken (zum Beispiel bei der Mülltrennung). Eher verschlimmert hat sich paradoxerweise hingegen die wilde Vermüllung von Straßen und Erholungsflächen. Deutschland hat den Weg in die Null-Abfall-Gesellschaft zwar eingeschlagen, aber noch lange nicht zurückgelegt. Geschlossene Stoffkreisläufe sind meistens noch immer nicht verwirklicht. Auch im Bereich der abfallrechtlichen Produktverantwortung besteht noch erheblicher materieller Handlungsbedarf. Eine umfassende Umweltpolitik der Ressourcenschonung und Ressourcenvorsorge bleibt daher eine wichtige Zukunftsaufgabe. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz müssen vor allem die wenig ambitionierten Recycling-Quoten bemängelt werden.70 Im Gegenzug verfolgt der Gesetzgeber bei der Ausweitung des Ressourcen-, Klima- und Umweltschutzes sowie der Verbesserung der Rechtssicherheit durchaus anspruchsvolle Ziele. Es bleibt eine große Herausforderung der Politik, im Umweltrecht im Allgemeinen und im Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht im Besonderen die richtige normative Regelungshöhe zu finden. Abzuraten ist dabei von einer zu starken und zu detaillierten Verrechtlichung der Abfallproblematik. Die abfallrechtlichen Regelungen werden immer umfangreicher und komplizierter. Auch die Tendenz des Europäischen Gerichtshofs (z. B. Rechtsprechung zum Abfallbegriff) oder des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Altpapierurteil), grundsätzliche umwelt- und wirtschaftspolitische Entscheidungen mit den Mitteln der richterlichen Rechtsauslegung lösen zu wollen, ist nicht unproblematisch. Hierfür sind primär die Politiker gefragt, nicht aber die Richter. Die Steuerungskraft höherrangiger Vorschriften scheint häufig geringer zu sein als die der niederrangigen Vorschriften wie z. B. Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften bzw. Technische Anleitungen. An der TASi wie auch an der TA 69 Das Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart hat im Rahmen eines vom Bundesverbraucherministerium geförderten Forschungsvorhabens ermittelt, dass jährlich knapp 11 Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland entsorgt werden, Studienergebnisse abrufbar unter http://www.bmelv.de/SharedDocs/Down loads/Ernaehrung/WvL/Studie_Lebensmittelabfaelle_Faktenblatt.pdf?__blob=publicationFile; letzter Abruf am 12.06. 2012. 70 So gibt § 14 Abs. 2 KrWG für Siedlungsabfälle eine Mindesquote von 65 % vor, obwohl schon 2008 eine Quote von 64 % erreicht wurde. Bei den mineralischen Abfällen kommt es sogar zu einem Rückschritt, wenn die im Jahr 2008 erreichte Quote von 93,7 % auf eine ZielQuote von 70 % im Jahr 2020 zurückgeschraubt wird, vgl. Hutsch, DÖV 2012, 150.
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Abfall wird die besondere Bedeutung der Verwaltungsvorschriften deutlich, deren faktische Steuerungskraft weitaus größer ist, als das juristische Dogma ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit (für den Bürger) vermuten lässt. Damit wird allerdings der ohnehin übermäßige Einfluss der Exekutive auf das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht weiter vergrößert. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht ist bisher nur unvollkommen in das allgemeine Umweltrecht eingebunden. Seine Ziele werden etwa im umweltrechtlichen Zulassungs- und Anlagenrecht oder auch im UVP-Recht bisher häufig eher formal berücksichtigt. Das Fehlen eines Umweltgesetzbuchs macht sich auch hier deutlich bemerkbar. Die umweltrechtlichen Fachprovinzen sind vielfach unverbunden. Immerhin kann die Überantwortung der Abfallverbrennungsanlagen an das Bundes-Immissionsschutzgesetz als eine wichtige Teilverzahnung gesehen werden. Das Recht der Europäischen Union gewinnt auch im Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht weiter an Einfluss. Dies wirkt teilweise innovationsfördernd, bisweilen aber auch innovationshemmend und in Einzelfällen auch gouvernantenhaft.71 Die nationale Umsetzungsgesetzgebung mit zahlreichen speziellen Anpassungs- und Ausnahmeklauseln verbessert die normative Qualität des Abfallrechts häufig nicht. Die weitgehende Fixierung des deutschen Abfallrechts auf die Umsetzung eines nur begrenzt demokratisch legitimierten europäischen Rechts hat im Ergebnis nachteilige Folgen für die demokratische Legitimation des deutschen Abfallrechts. Die Europäisierung des Umweltrechts befördert die zunehmende umweltpolitische Marginalisierung der Bundesländer auch im Bereich der Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetzgebung.72 Dies steht im deutlichen Gegensatz zur starken Rolle der Bundesländer (mit den Kommunen) im Bereich des Abfallrechtsvollzugs. Die grundgesetztypische Trennung der Zuständigkeiten für die Schaffung von Bundesrecht durch den Bund einerseits und für dessen Vollzug durch die Länder andererseits kann auch dysfunktionale Folgen haben. Es gibt bisher so etwas wie die Überparteilichkeit des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts. Insgesamt fällt im Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte auf, dass die Grundfragen des Abfallrechts – möglicherweise auch wegen der Dominanz des EU-Rechts – aus dem Streit der politischen Parteien weitgehend herausgehalten werden konnten, was heftige einschlägige Einzelstreite zwischen den Parteien natürlich nicht ausschloss.73 Eines gibt aber doch zu denken: Abgesehen von der wichtigen Initialzündung des Abfallbeseitigungsgesetzes 1972 in sozialliberaler Zeit, sind in der Bundesrepublik Deutschland alle Kreislaufwirtschafts- bzw. Abfallgesetze des Bundes von konservativ geführten Mehrheiten verabschiedet worden. Erwähnt seien insbesondere das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1994 und das Kreislaufwirtschaftsgesetz von 2012. Das kann zeitlich bedingter Zufall sein, kann aber 71
Kloepfer, AbfallR 2012, 268. Kloepfer, AbfallR 2012, 268. 73 Kloepfer, AbfallR 2012, 268. 72
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auch auf die starken Verbindungen zwischen der Entsorgungswirtschaft einerseits und der CDU/CSU sowie der FDP andererseits, wie sie etwa beim „Dualen System“ deutlich wurden, zurückzuführen sein. Es ist insgesamt auffällig, dass es trotz einzelner Teilerfolge (z. B. beim Dosenpfand) im Ergebnis weder dem grünen Umweltminister Trittin noch dem roten Umweltminister Gabriel gelungen ist, dem deutschen Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht ihren Stempel aufzuprägen. Insbesondere die rot-grüne Mehrheit unter Schröder und Fischer wurde nicht zu einer grundsätzlichen Neuorientierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts genutzt. Jedenfalls ist der Einfluss der Grünen als – gewiss wichtiger – Öko-Partei auf das deutsche Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht geringer als viele, vielleicht auch die Grünen selbst vermuten. Das europäische, aber auch das deutsche Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht gefallen sich immer stärker darin, das Abfallrecht als das Recht einer bestimmten Wirtschaftsbranche (der Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft) zu sehen. Bisweilen scheint es dem Kreislaufwirtschaftsrecht mehr um die Stärkung der Kreislaufwirtschaft als um die Belange der Umwelt zu gehen. Abfallrecht ist aber primär Umweltrecht und allenfalls sekundär spezifisches Wirtschaftsverwaltungsrecht. Der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft durch Recht ist kein Selbstzweck, sondern hat dem Umweltschutz zu dienen. Es geht letztlich nicht um Profitmaximierung für die Kreislaufwirtschaft, sondern um Nutzenmaximierung für die Umwelt. Insgesamt bedarf es noch großer Anstrengungen, um die Kreislaufwirtschaft zu vollenden. Der Staat, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Wissenschaft sollten diese Aufgabe aber weiter ambitioniert verfolgen.
Zur Abfallpolitik der Bundesregierung* Von Helge Wendenburg Die Abfallpolitik der Bundesregierung ist in besonderem Maße davon gekennzeichnet, Abfälle als Ressource zu verstehen und die Politik auf die zunehmende Schließung von Kreisläufen auszurichten. Dazu dient das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz1 ebenso wie das von der Bundesregierung verabschiedete nationale Programm für Ressourceneffizienz (ProgRess)2. Die engen Zusammenhänge verdeutlicht auch eine zeitliche Koinzidenz: während das KrWG am 29. Februar 2012 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, beschloss das Kabinett ProgRess am gleichen Tag. Dieser Ansatz drückt sich auch darin aus, dass die Briefmarke der Umwelt 2012 unter dem Motto steht: „Abfall ist Rohstoff“. Auch wenn derzeit die Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise alle Diskussionen überwölbt, so sind für die langfristige globale Entwicklung drei Megatrends wichtig, die die Zukunft unserer einen Welt bestimmen werden: das Wachsen der Weltbevölkerung auf über neun Milliarden 2050, der drohende Klimawandel und der Ressourcenhunger in den Entwicklungs- und Schwellenländer. Alle drei Trends bedingen und verstärken sich in ihren Wirkungen untereinander, wenn wir nicht jetzt schon beginnen, aktiv gegenzusteuern. Das wirtschaftliche Wachstum der Schwellenländer in Asien und Südamerika, aber auch in Afrika steigert den Bedarf an Infrastruktur, an Straßen, Schienenwegen und Gebäuden ebenso wie an Einrichtungen der Kommunikation und der Energieerzeugung, aber auch der Mobilität. Um diese weltweiten Bedürfnisse zu befriedigen, werden die vorhandene Rohstoffe und Ressourcen nicht ausreichen, wenn wir nicht Strategien ergreifen und entwickeln, die es uns ermöglichen mit weniger mehr zu erzeugen. Dabei muss man nicht unbedingt von Knappheitsszenarien ausgehen, aber sicher ist, dass die weltweit vorhandenen Rohstoffressourcen nicht mehr so einfach gewonnen werden können wie bisher: sie liegen tiefer, in abgelegenen Gebieten und sind damit schwer und nur mit überproportionalem Aufwand zu erreichen und ihre Gewinnung beeinträchtigt die Natur und die Ökosysteme. Außerdem ist klar, dass die Ressourcennutzung in den entwickelten Staaten dieser Welt viermal so groß ist wie im übrigen Teil; aber selbst wenn * Die Vortragsform wurde weitgehend beibehalten, aber durch weiterführende Hinweise ergänzt. Der Inhalt gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder. 1 Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts v. 24.02. 2012, BGBl. I, S.212, dessen Art. 1 das am 01.06. 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) enthält. Zur Einführung Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff. 2 www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/progress_bf.pdf.
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die Industriestaaten sich verpflichteten, ihre Inanspruchnahme von Ressourcen zu halbieren, und die anderen versprächen, ihre zukünftige Inanspruchnahme nur auf dieses Niveau zu steigern, dann würden die bekannten vorhandenen und gewinnbaren Rohstoffe nicht ausreichen, diese Bedürfnisse zu befriedigen.3 Dies sind die Beweggründe, um mit dem Programm für Ressourceneffizienz Wege aufzuzeigen, wie diese Aufgabe bewältigt werden kann. Dabei stehen Strategien zur Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln nicht einmal in Focus von ProgRess – dieses beschäftigt sich nur mit den nichtenergetischen, abiotischen Rohstoffen und der stofflichen Nutzung biotischer Rohstoffe. Das Programm betrachtet entlang der Wertschöpfungskette von der Extraktion von Rohstoffen über die Erzeugung von Produkten sowie deren Nutzungsphase bisher zur Wiederverwendung und dem Recycling von Abfällen alle Phasen, um aufzuzeigen an welchen Stellen mit welchen Methoden und Instrumenten Verringerungen des Rohstoffeinsatzes erreicht werden können. Dabei sind zwei Erkenntnisse wichtig: durch die Einbeziehung der Rohstoffgewinnung wird in besonderem Maße deutlich, in wie weit Wiederverwendung und Recycling zur Minimierung der Rohstoffgewinnung beitragen können. Schon jetzt stellt die deutsche Recyclingwirtschaft mehr als 14 % der in Deutschland genutzten Rohstoffe durch Recyclate zur Verfügung mit einem Wert von mehr als 10 Milliarden Euro4. Dieses kann und muss gesteigert werden, erst Recht in einem europäischen und globalen Maßstab, da zum jetzigen Zeitpunkt weltweit viel zu viele Ressourcen durch Ablagerung auf Deponien verloren gehen. ProgRess soll deshalb nicht nur in Deutschland wirken, sondern beispielgebend für die Europäische Union und weltweite Zusammenhänge sein. Deshalb wirkt das Bundesumweltministerium in Person des Bundesumweltministers Peter Altmaier aktiv an der Ressourcenplattform des EU-Kommissars Potocnik mit und ist über Prof. Ernst-Ulrich von Weizsäcker als Co-Chair sowie Prof. Stefan Bringezu im International Ressource Panel des Umweltprogramms der Vereinten Nationen prominent vertreten. Bei Ressourceneffizienz geht es vor allem um Nutzungs- und Anwendungsfragen. Im Unterschied zum Energiesektor bleiben die in Produkten, Erzeugnissen, Infrastruktur oder Gebäuden genutzten Rohstoffe erhalten und sind nicht wie bei der Erzeugung von Energie durch Verbrennung fossiler Rohstoffe am Ende nicht mehr vorhanden. Alle Rohstoffe, die stofflich genutzt werden, sind deshalb grundsätzlich wiederaufbereitbar und zum selben oder zu anderen Zwecken einsetzbar, können also letztlich in Kreisläufen genutzt werden. Diese Überlegung steckt hinter dem von Michael Braungart5 und anderen propagierten abfall-wirtschaftlichen Prinzip des „cradle to cradle“, auch wenn man in einer hochtechnisierten Zeit über manche Wiedernutzungskonzepte noch streiten mag. Zum jetzigen Zeitpunkt ist wichtig, darüber 3
Zu ProgRess s. Kaiser, ReSource 2012, Heft 2, 8 ff. BDE, http://www.bde-berlin.org/?p=6597. 5 Braungart/McDonough, Einfach intelligent produzieren. Cradle to Cradle: Die Natur zeigt wie wir Dinge besser machen können, 2008. 4
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nachzudenken, was man ändern kann. So halten manche6 die Idee der abfalllosen Gesellschaft für eine nicht erreichbare Vision, die naturwissenschaftliche Zusammenhänge vernachlässige, wenn nicht gar leugne, und plädieren für die Beibehaltung der herkömmlichen Entsorgungs- und vor allem Abfallwirtschaft. Dabei wird verkannt, dass die Idee des „cradle to cradle“ ebenso wie die Ansätze des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission nicht vom heutigen Zustand ausgehen, sondern Ziele setzen wollen, damit eine vollständige Kreislaufführung erreicht werden kann. Der erste Ansatz, der eine echte Kreislaufführung ermöglicht, ist ein produktbezogener: nur wenn gefährliche Stoffe, die ein Recycling der Produkte verhindern, weil sie für Umwelt und Gesundheit der Menschen gefährlich sind, nicht mehr verwendet werden (dürfen), ist eine dauerhafte Kreislaufführung der verwendeten Rohstoffe möglich. Diesen Ansatz verfolgt die Europäische Union z. B. bei elektrischen und elektronischen Geräten – schon beim Erlass der europäischen Richtlinie zu Abfällen aus elektrischen und elektronischen Geräten7 war diese verbunden mit einer Richtlinie8, die den Einsatz bestimmter gefährlicher Stoffe bei der Herstellung dieser Geräte entweder vollständig verbot oder zumindest in der Menge limitierte. Dabei sind die Wirkungen durchaus nicht immer von vornherein zu beurteilen und die Industrie versucht häufig, Stoffverbote als Produktverbote darzustellen, um Produktionsumstellungen zu vermeiden. Dies sei an zwei Beispielen kurz erläutet: die Kunststoffe, die bei der Herstellung von elektrischen und elektronischen Geräten verwendet wurden, waren vor der Verabschiedung der RohS aus Brandschutzgründen mit bromierten Flammschutzhemmern versetzt, deren Anwendung durch die RohS verboten wurde; gleichwohl ist es seitdem nicht zu erheblichen Brandschäden durch derartige Geräte gekommen, weil die Industrie letztlich Alternativen entwickelt hat. Ähnlich sieht es bei der Limitierung des Bleieinsatzes aus – auch hier hatte die Industrie argumentiert, dass der Verbot des Einsatzes von bleihaltigen Loten die Produktion von Leiterplatten und elektrischen und elektronischen Schaltungen erheblich verteuern wenn nicht sogar unmöglich machen würde. Inzwischen ist davon keine Rede mehr – allerdings machen die nun verwendeten seltenen Erden und deren Verbindungen das Recycling auch nicht einfacher, weil diese pro Gerät nur noch in minimalen Anwendungen vorkommen, auch wenn die insgesamt verwendete Menge an Rohstoffen ein Recycling lohnend erscheinen lässt. Diese wenigen Beispiele mögen verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich insgesamt mit der Wertschöpfungskette auseinanderzusetzen, um erkennen zu können, an welcher Stelle der Rohstoffeinsatz minimiert werden kann. Hierzu soll und will ProgRess Anstöße leisten, auch wenn an vielen Stellen noch nicht klar ist, mit welchen Indikatoren Erfolge überhaupt messbar sind. Deshalb sind die Forschung an und die Auseinandersetzung mit möglichen Indikatoren besonders wichtig und bilden bei der zukünftigen Arbeit mit ProgRess einen besonderen Schwerpunkt. 6 Bertram, ReSource 2012, Heft 2, 16 ff. – allerdings macht die verwendete Literatur deutlich, dass die Erörterung auf dem Stand Ende des vorigen Jahrhunderts ist. 7 Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronikaltgeräte. 8 RoHS-Richtlinie (2002/95/EG).
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I. Abfallvermeidung Dies leitet über zur Umsetzung der neuen europäischen Abfallhierarchie durch das zum 01.06. 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz. Auch wenn der Titel das Wort Abfall vermeidet und dieser Begriff auch zukünftig wohl eher für die Beseitigung von Stoffen, für das Ausschleusen aus dem natürlichen oder technischen Stoffkreislauf stehen wird, so steht am Beginn der Hierarchie und auch in den Erwägungsgründen der Abfallrahmenrichtlinie die Abfallvermeidung an erster und prominenter Stelle. Die neue Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten bis zum 31.12. 2013 Abfallvermeidungsprogramme aufzustellen und gibt für deren Inhalt in einem Anhang gleich die Richtung und mögliche Maßnahmen und Instrumente vor. Das Bundesumweltministerium hat das Umweltbundesamt beauftragt, diese möglichen Schritte wissenschaftlich zu untersuchen.9 Die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erstellung eines bundesweiten Abfallvermeidungsprogramms werden nun in der Diskussion mit Ländern Kommunen und Verbänden weiter erörtert, damit auf dieser Grundlage ein bundesweit einheitliches Abfallvermeidungsprogramm erarbeitet werden kann. Das KrWG sieht in § 33 trotz des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland vor, dass der Bund das Abfallvermeidungsprogramm erstellt, an dem sich die Länder beteiligen können. Beteiligen sich die Länder nicht, sind sie allerdings nach Abs. 2 verpflichtet, eigene Ländervermeidungsprogramme aufzustellen. Hintergrund der Überlegungen ist dabei, dass Abfallvermeidung zwar programmatischer Aussagen bedarf, aber weniger stringente Vorgaben im Sinne eines Planes enthält sondern eher wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhaltensvariationen ausbreitet, ohne bestimmte Lebensstile verpflichtend vorzuschreiben. Die Vielschichtigkeit der Problematik kann an drei Beispielen exemplarisch verdeutlicht werden: der Film „Taste the waste“ hat im Jahr 2011 die Gemüter bewegt und eine vielfältige Diskussion über den Umgang mit Lebensmitteln angestoßen. Dabei ist vielen deutlich geworden, dass „Mindesthaltbarkeitsdaten“ keine staatlich verordneten Nutzungsgeoder -verbote darstellen, sondern industrieeigene Garantien beinhalten, dass bis zu dem angegebenen Zeitpunkt das Produkt in Geschmack, Aussehen, Konsistenz und anderen ähnlichen Produkteigenschaften erhalten bleibt. Über die Verzehrmöglichkeiten und insbesondere ab wann ein Produkt nur noch unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken verwendet, sprich gegessen werden kann, enthält das aufgedruckte Datum keine Aussagen. Schon die im Nachhinein durch das zuständige Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorgenommene Aufklärung10 wirkt insoweit Abfall vermeidend, weil die Konsumenten nunmehr 9
Dehoust/Küppers/Bringezu/Wilts, Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Erstellung eines bundesweiten Abfallvermeidungsprogramms, UBA-Texte 59/2010. 10 BMELV-Kampagne „Zu gut für die Tonne“, s.a. http://www.zugutfuerdietonne.de; s.a. die Studie ISWA (Universität Stuttgart, Prof. Martin Kranert), Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland, 2012, die im Auftrag des BLE erstellt wurde.
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zu Hause prüfen, ob ein Lebensmittel noch verwendet werden kann, bevor sie es wegwerfen. Auch ein zweiter wichtiger Punkt hat zu gesellschaftlichen Verhaltensänderungen geführt: der Lebensmitteleinzelhandel nutzt verstärkt Möglichkeiten, um entweder kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehende Produkte verbilligt an den Konsumenten abzugeben oder sie z. B. über die in vielen Städten existierenden „Tafeln“ einer Nutzung zuzuführen. Allerdings darf auch nicht verkannt werden, dass viele „Tafeln“ klagen, dass sie zur billigen Abfallentsorgung benutzt werden, weil ihnen auch nicht mehr verzehrfähige Ware, gerade im Gemüse- und Fruchtbereich überlassen wird, die letztlich nur noch entsorgt werden kann. Damit spart der Discounter auch noch seine sonst fälligen Gebühren, selbst wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Abfälle der „Tafel“ ohne Gebührenerhebung entgegennimmt. Diese Beispiele verdeutlichen, dass Abfallvermeidung in vielen Fällen in erster Linie eine Änderung des Verhaltens aller Beteiligten verlangt: wer weniger und den Essgewohnheiten angepasster einkauft, wird auch weniger Abfälle haben – andererseits steigt gerade in Deutschland die Anzahl der Single-Haushalte, bei denen in vielen Fällen die angebotenen Mengen nicht vollständig verzehrt werden können. Werden dagegen kleine Mengen angeboten, steigt dadurch der Anteil an Verpackung pro Menge. Auch wenn sowohl der Inhalt wie die Verpackung anschließend getrennt der Verwertung zugeführt werden, wird im ersten Schritt Abfall nicht vermieden, sondern erzeugt. Und ein drittes – in wichtigen Punkten auch eher globales – Problem hat „Taste the waste“ verdeutlicht: wie gehen wir überhaupt mit einmal erzeugten Nahrungsmitteln um. Dabei gilt es zunächst zu unterscheiden – Nahrungsmittel sind in erster Linie Biomasse, die zu unterschiedlichen Zwecken verwendet werden kann: als menschliches Nahrungsmittel, als Tierfutter oder zur Energieerzeugung – deshalb ist die Tank oder Teller-Diskussion an manchen Stellen auch unehrlich – soweit es um die Nutzung von (Abfall-)Biomasse zur Erzeugung von BioGas oder BioKraftstoff geht ist dagegen nichts einzuwenden, sind sogar die Öko-Bilanzen durchweg positiv.11 Dabei gilt es auch für unsere Marktstrukturen zu erkennen, dass bestimmte Produkte nicht den Markterfordernissen entsprechen und deshalb nicht vermarktbar sind. Ein zu kleiner Apfel, eine zu krumme Gurke oder eine verkrüppelte Kartoffel sind nicht ungenießbar, aber sind zu den herrschenden Marktbedingungen nicht absetzbar und müssen sich deshalb Sekundärmärkte suchen, z. B. zur Herstellung von Apfelmost oder Kartoffelstärke oder letztlich über Vergärung und Kompostierung zur Gewinnung von Biogas und Kompost. Diesen Aspekt verschweigt „Taste the waste“ – bei uns werden in aller Regel nicht zum Verzehr geeignete Produkte nicht weggeworfen, sondern einer weiteren sinnvollen Verwendung zugeführt – das gilt selbst für nicht zum Verzehr geeignete tierische Nebenprodukte wie z. B. 11 Rainer Zah/Heinz Böni/Marcel Gauch/Roland Hischier/Martin Lehmann/Patrick Wäger (Empa): Ökobilanz von Energieprodukten: Ökologische Bewertung von Biotreibstoffen, 2007.
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Schlachtabfälle, für die eine eigene europäische und nationale Gesetzgebung12 besteht und die Weiterverwendung als Ressource steuern soll – auch wenn die Regelungen bei den sog. Gammelfleischfällen kriminell umgangen wurden. Mit diesen und anderen Aspekten wird sich das bundesweite Abfallvermeidungsprogramm auseinandersetzen, dessen ersten Entwurf das BMU gegen Ende des Jahres 2012 vorlegen wird. In einem ersten Schritt haben Öko-Institut und Wuppertal Institut im Auftrag des UBA eine fundierte Datenbasis über bestehende Maßnahmen der öffentlichen Hand sowie über angewandte Instrumente auf kommunaler, Länderund Bundesebene geschaffen. Hierzu wurden die in Deutschland und im Ausland bestehenden Abfallvermeidungsmaßnahmen der öffentlichen Hand auf lokaler, regionaler, Landes- und Staatsebene tabellarisch dargestellt und entsprechend dem Ziel, der Ebene sowie einer qualitativen Bewertung ihrer Vermeidungswirkung beschrieben. Ergänzend wurde eine Literaturrecherche über neue Maßnahmen durchgeführt. Insgesamt konnten 296 Maßnahmen aus über 20 Ländern erfasst werden, aus denen sich Schlussfolgerungen für mögliche Schwerpunkte eines nationalen Abfallvermeidungsprogramms entwickeln lassen.13
II. Die neue Abfallhierarchie Wesentlicher Baustein der Abfallpolitik der Bundesregierung ist die Umsetzung der neuen Maßnahmenhierarchie, die sich aus der Abfallrahmenrichtlinie der EU14 ergibt. Waren bislang Vermeidung, Verwertung und Beseitigung als Rangfolge klar gesetzt, wobei immer schon umstritten war, ob es zwischen stofflicher und energetischer Nutzung von Abfällen einen Vorrang gab, so stellt die neue Hierarchie unmissverständlich fest, dass Wiederverwendung und Recycling Vorrang vor der sonstigen Verwertung haben, womit einerseits die energetische Verwertung gemeint ist und andererseits die Nutzung von Abfällen zu Verfüllzwecken. Während Petersen15 sich im Anschluss mit der juristischen Umsetzung der Abfallhierarchie im neuen KrWG auseinandersetzt, sollen hier die politischen Konsequenzen dargestellt werden, insbesondere auch weitere notwendige gesetzgeberische Schritte. Wichtig ist festzuhalten, dass die Bundesregierung immer davon ausgegangen ist, dass die fünfstufige Abfallhierarchie des § 6 KrWG insbesondere auf der Verordnungsebene konkretisiert werden muss, um Recycling und Vorbereitung zur Wiederverwendung zu verbessern. Welche Schritte dazu in der nächsten Zeit erforderlich sind und welche 12 Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (TierNebG) v. 25.01. 2004, BGBl. I S. 82, das zuletzt durch Art. 2 Abs. 91 des G. v. 22.12. 2011, BGBl. I S. 3044, geändert worden ist. 13 Vgl. zum Ganzen UBA-Texte 59/2010. 14 Richtlinie 2008/98/EG des europäischen Parlaments und des Rates v. 02.11. 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (AbfRRL), ABl. EG Nr. L 312 S. 3 ber. ABl. EG 2009 Nr. L 127, S. 24. 15 Petersen, in: Kloepfer (Hg.), Das neue Recht der Kreislaufwirtschaft, S. 50 ff.; s.a. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 523 ff.; Frenz, UPR 2012, 210 ff.
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Regelungen dabei im Fokus stehen, soll nun dargestellt werden. Dabei zeigt sich eines schon jetzt: es gibt ein Vielzahl von Ideen und Einzelinitiativen zum Recycling oder zur Wiederverwendung bestimmter Produkte und Erzeugnisse oder aus diesen Abfällen gewonnener Stoffe, deren Initiatoren vor allem auch erreichen wollen, dass ausschließlich ihre Verfahrensvariante als Recycling anerkannt wird und dass vor allem alle anderen Verwertungsarten schon jetzt ausgeschlossen werden. Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen ist es Grundüberzeugung der Bundesregierung, dass derartige Verfahren sich einerseits ökologisch rechtfertigen müssen und dass sie sich andererseits im Wettbewerb behaupten können. Einen absoluten Vorrang kann es nur für Verfahren geben, deren ökologischer Mehrwert deutlich ist.
III. Stärkung der Wiederverwendung und des Recyclings Mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz soll das Augenmerk vor allem auf die Schließung von Kreisläufen gerichtet werden. Dies setzt voraus, dass Stoff- und Abfallströme analysiert werden, um zu erkennen, wo welche Potentiale liegen. Deutlich ist dies bei Bioabfällen – hier ist durch vorhandene Untersuchungen16 klar, dass noch bis zu vier Millionen Mg in Haushalten erfasst werden können, um sie einer Kompostierung möglichst mit Biogasgewinnung durch Vergärung zuzuführen. Deshalb enthält das KrWG in § 11 bereits die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, ab dem 1. Januar 2015 überlassungspflichtige Bioabfälle aus privaten Haushalten getrennt einzusammeln. Zwar lässt die Vorschrift hinreichenden Spielraum für die regionale Ausgestaltung der getrennten Sammlung, die vorliegenden Studien zeigen jedoch, dass ein Verzicht auf entsprechende Angebote nicht mit den Zielen einer recyclingorientierten Abfallwirtschaft in Einklang steht.17 Insbesondere im ländlichen Raum bestehen große Chancen, qualitativ hochwertige Komposte zu erzeugen, die auch abgesetzt werden können.18 Darüber hinaus gilt es, unabhängig von der Anwendbarkeit des Abfallrechts, zu erkennen, dass bestimmte organische Stoffströme ein erhebliches Potential haben, das zur Erzeugung von Energie in unterschiedlicher Form genutzt werden kann. Im Unterschied zu Verbrennung von Abfällen in Müllverbrennungsanlagen oder auch in Holzkraftwerken zur Erzeugung von Strom, die bis zum 01.01. 2012 nach dem EEG gefördert wurde, gilt die Erzeugung von Biogas oder auch von Biokraftstoff als Recycling, weil aus dem Abfall ein neues Erzeugnis geriert wird. Gerade Biogas stellt dabei ein auch im Rahmen der erneuerbaren Energien wichtigen Rohstoff dar, weil zum einen Biogas problemlos speicherbar ist, zum anderen aber sowohl zur Erzeugung von Strom als auch zur Gewinnung von Wärme oder als An16
Knappe/Vogt/Lazar/Höke, Optimierung der Verwertung organischer Abfälle, UBATexte Nr. 31/2012. 17 Dazu Lazar/Höke/Knappe/Vogt, Optimierung der Verwertung organischer Abfälle, Materialband „Wirkungsanalyse Boden“, UBA-Texte Nr. 32/2012. 18 Vhe, Bio- und Grünguterfassung in Deutschland, 2012, www.vhe.de.
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triebsenergie für Fahrzeuge genutzt werden kann. Gelungene Beispiele für dieses Potential sind die Nutzung von Klärgas bei der Emschergenossenschaft zum Betrieb von Dienstfahrzeugen, die Nutzung von Biogas zum Betrieb von Müllsammelfahrzeugen durch die BSR oder die Erzeugung von Biodiesel aus tierischen Nebenprodukten, wie ihn die Fa. Remondis mit ihrer Tochter Saria in Lünen betreibt. Bei den geschilderten Verfahren ist die Nachhaltigkeit der Erzeugung von biogenen Energieträger unumstritten, weil es sich ausschließlich um die Nutzung nicht zum menschlichen Verzehr geeigneter Abfälle handelt; auch tierische Nebenprodukte erfüllen den Abfallbegriff, sind aber aus dem Anwendungsbereich des KrWG ausgenommen, soweit es sich nicht um Gülle zur Verwendung in Biogasanlagen handelt.19 Der Umgang mit biogenen Abfällen verdeutlicht auch einen weiteren wichtigen Schritt zur Steigerung von Ressourceneffizienz und Recycling: die Kaskadennutzung. Unbestritten ist, dass Holz zur Energieerzeugung genutzt werden kann und dass die Anerkennung von Abfallholz als erneuerbarer Energieträger wichtige Impulse gegeben hat. Inzwischen ist aber auch deutlich, dass der Mengenbedarf der deutschen Holzkraftwerke auch auf andere europäische Staaten ausstrahlt – Deutschland importiert jährlich bis zu 1 Mio. Mg Abfallholz20 aus europäischen Staaten – und konkurriert damit mit der Holzwerkstoffindustrie teilweise um die gleichen Mengen. Dies hat die Bundesregierung veranlasst, bei der letzten Novelle des EEG die Förderung der Verbrennung von Althölzern nach dem EEG ab 2012 zu streichen. Eine ressourceneffiziente Strategie muss darauf setzen, dass Holz zunächst als Werkstoff eingesetzt wird, im nächsten Schritt dann z. B. für Spanplatten und die Möbelindustrie aufbereitet wird und erst im letzten Schritt der Verbrennung zugeführt wird. Um diese Ziele zu erreichen wird das Bundesumweltministerium prüfen, inwieweit in der AltholzV und der GewAbfVAnpassungen erforderlich sind, um die Kaskadennutzung verpflichtend zu machen. Die GewAbfV ist deshalb Gegenstand der Betrachtungen, weil diese auch den Umgang mit Bauabfällen regelt und Anforderungen an die Verwertung stellt. Neben dem Blick auf Abfälle aus Haushaltungen müssen in besonderem Maße gewerbliche Abfälle in den Fokus genommen werden. Diese sind bei der Verwertung ausschließliche Domäne der privaten Entsorgungswirtschaft und werden ordnungsrechtlich kaum geregelt – letztlich sind sowohl die AltholzV als auch die GewAbfV Abgrenzungsregelungen, die sich auf die Entsorgung von Abfällen aus Haushalten in kommunaler Regie auswirken und auswirken sollen. Die AltholzV enthält vor allem ein Verbot der Ablagerung von Holzabfällen auf Deponien und wirkte sich auf die Sperrmüllsammlung der Kommunen aus, solange die AbfAblV noch nicht in Kraft war. Demgegenüber sollte die GewAbfV einen Rest an Beseitigungsabfällen aus Industrie und Gewerbe den kommunalen Entsorgungsbetrieben erhalten, 19
Dazu Kropp, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl (Hg.), RdA, Loseblatt Berlin Stand 08/ 2012, Rn. 29 ff. (35) zu § 2 KrWG. 20 Vgl. die Zeitreihe über Abfallimporte beim UBA, www.umweltbundesamt.de unter Abfallwirtschaft, Abfallstatistik, Zeitreihe Importe nach Abfallarten sonst. Holzabfälle.
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indem Anforderungen an die Verwertung aufgestellt werden und die sog. Pflichtrestmülltonne eingeführt wird. Für eine zukünftige Strategie der Verstärkung des Recyclings müssen beide weiterentwickelt werden – dies setzt aber voraus, dass ein belastbarer Überblick über die zu betrachtenden Stoffströme besteht. Diesen sich zu verschaffen ist künftige Aufgabe von UBA und BMU.
IV. Produktverantwortung als Stütze des Recyclings Das Recycling von Abfallstoffströmen ist in Deutschland untrennbar mit dem Begriff der Produktverantwortung verbunden. Schon die erste abfallrechtliche Regelung nahm Hersteller und Vertreiber in die Pflicht: mit dem AltölG21, das noch vor dem AbfG verabschiedet wurde, wurde die erste abfallspezifische, auf ein Abfall gewordenes Produkt bezogene Regelung erlassen. Vorrangig diente das AltölG der Subventionierung zur Schaffung von Recyclingstrukturen durch Aufbau eines abgabengestützten Fonds. Die Schaffung von kostenlosen Rücknahmemöglichkeiten für Altöl wurde durch eine Selbstverpflichtung der Hersteller und Vertreiber gelöst, damit die Nutzer nach einem Ölwechsel das alte Öl wieder los wurden.22 Diese Regelung wurden inhaltlich auch bei der Übernahme des AltölG in das abfallrechtliche Regime des AbfG beibehalten; die AltölV selber hat dann im Laufe der Zeit auch das Recycling von Altöl forciert, indem der Aufarbeitung der Altöle Vorrang eingeräumt wurde. Neben der AltölV hat Deutschland über die VerpackV und die Vorschriften zur Rücknahme von Altautos sowie von Batterien Verläuferregelungen geschaffen, die anschließend über europäische Richtlinien für alle Mitgliedstaaten der EU verbindlich wurden. Nur bei elektrischen und elektronischen Altgeräten wurde eine RücknahmeV für IT-Geräte zwar zwischen Bund und Ländern diskutiert, eine Verabschiedung scheiterte jedoch und wurde erst umgesetzt, nachdem Deutschland hierzu durch die entsprechende europäische Richtlinie WEEE verpflichtet war. Das hinter den Regelungen stehende Prinzip der Produktverantwortung wurde europaweit sogar erst durch die AbfRRL 2008 umgesetzt, während es in Deutschland bereits 1994 in § 22 KrW-/AbfG aufgenommen wurde und nicht nur zu entsprechenden Verordnungen ermächtigte, sondern als Grundpflicht an Erzeuger und Vertreiber formuliert wurde. „Bei der Entwicklung der (abfallwirtschaftlichen) Produktverantwortung stand und steht der Gedanke Pate, dass derjenige, der ein Produkt herstellt, am besten über Zusammensetzung, Inhaltstoffe und Auswirkungen bestimmter Behandlungen Bescheid weiß und deshalb am ehesten in der Lage ist, ein Produkt nach dessen Nutzungsphase ordnungsgemäß und schadlos zu entsorgen. Diese Überlegung ist Allge21
Altölgesetz v. 23.12. 1968, BGBl. I, S. 1419. Zur Geschichte des Altölgesetzes s. Bauernfeind, Rücknahme- und Rückgabepflichten im Umweltrecht, 1999, S. 347 ff. 22
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meingut aller gesetzlichen Regelungen, die von den Produzenten verlangen, dafür einzustehen, dass von seinen Produkten keine Gefahren ausgehen wie z. B. dem Produktsicherheitsgesetz, dem Arzneimittelgesetz oder der europäischen Regelung zu REACH oder letztlich auch der zivilrechtlichen Produkthaftung. Der Gedanke der abfallwirtschaftlichen Produktverantwortung versucht darüber hinaus, den Produzenten auch für die Erfüllung allgemeiner abfallwirtschaftlicher Ziele in die Verantwortung zu nehmen, indem er durch die Produktgestaltung zur Abfallvermeidung und zur Abfallverwertung beitragen soll. Ein Gedanke, der auch in anderen Bereichen immer weiter um sich greift, weil z. B. die energieeffiziente Nutzung von (Elektro)Geräten voraussetzt, dass diese sich abschalten lassen und nicht über unnötigen Standby-Verbrauch zur Energieverschwendung beitragen. Adressat dieser Pflichten muss der Hersteller sein, nicht der Verbraucher. Die Produktverantwortung ist dabei abzugrenzen von den Überlegungen des produktionsintegrierten Umweltschutzes, der versucht, die Umweltauswirkungen der Herstellungsphase zu minimieren. Auch dies kann sich natürlich auf das Produkt auswirken, wenn andere Materialien verwendet werden, um gefährliche Produktionsabfälle zu vermeiden oder die Verwertbarkeit der Produktionsabfälle zu erhöhen.“23 Nach diesen Prinzipien wird heute EU-weit die Entsorgung von Verpackungsabfällen, Batterien, Alt-KfZ, Altöl und elektrischen und elektronischen Altgeräten organisiert. Dabei zeigen die unterschiedlichen Umsetzungen der gemeinsamen Prinzipien in den inzwischen 27 Mitgliedstaaten auch eine hohe Diversität, wobei insgesamt zu konstatieren ist, dass der Recyclingerfolg umso höher ist je sortenreiner getrennt gesammelt wird. Inzwischen belegen Studien, dass ein erfolgreiches Recycling voraussetzt, dass möglichst gering kontaminierte, sortenreine Stoffströme in Aufbereitungsanlagen gelangen.24 Die Studien, die das UBA zur Vorbereitung eines Wertstoffgesetzes in Auftrag gegeben hat, belegen, dass eine gemeinsame Erfassung von Verpackungen aus Kunststoff, Metall und Verbunden mit Nichtverpackungen aus gleichem Material sinnvoll ist und die Recyclingquoten steigern kann, während weitere Materialien wie Holz und Textilien oder andere Produkte wie elektronische und elektrische Altgeräte den Sortieraufwand erheblich erhöhen und damit die Kosten in einem Maße steigern, dass ein entsprechender Nutzen 23 Wendenburg, in: Thomé-Kozmiensky/Versteyl/Beckmann (Hg.), Produktverantwortung, 2007, S. 3 ff. = Müllmagazin 2/2007, 20 ff. 24 Bifa Umweltinstitut GmbH, Evaluierung der Verpackungsverordnung, www.umweltda ten.de/publikationen/fpdf-l/4072.pdf; Cyclos GmbH/HTP GmbH, Bestimmung der Idealzusammensetzung der Wertstofftonne, www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4074.pdf; IGES Institut GmbH/Cyclos GmbH/TU Berlin, Finanzierungsmodelle der Wertstofftonne, www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4077.pdf; Kanzlei Redeker Sellner Dahs, EU- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Einführung einer einheitlichen Wertstofftonne, www.bmu.de/47651.php; Öko-Institut e.V., HTP GmbH & Co. KG, Analyse und Fortentwicklung der Verwertungsquoten für Wertstoffe, www.umweltdaten.de/abfallwirtschaft/ wertstoffe/kurzfassung_analyse_fortentwicklung_verwertungsquoten_wertstoffe.pdf; Öko-Institut e.V., Team Ewen, Planspiel zur Fortentwicklung der Verpackungsverordnung, www.um weltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4174.pdf.
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kaum noch messbar ist. Die Studien zeigen auch, dass die Rückgabe für die Bürgerinnen und Bürger zwar kostenlos ist, d. h. dass für das Aufstellen der gelben Tonnen oder das Austeilen der gelben Säcke sowie deren Abfuhr und die weitere Behandlung durch Sortierung und Aufbereitung keine spezifischen Kosten erhoben werden, dass aber der erforderliche Finanzaufwand über Lizenzgebühren der Dualen Systeme an die Produktverantwortlichen weitergegeben wird, die diese Kosten wiederum in ihre Preise internalisieren – es ist für den Bürger also im Ergebnis nicht kostenlos, aber im einzelnen nicht zurechenbar. Dies ist bei den Müllgebühren der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger letztlich nicht anders – auch hier werden nach bestimmten, kommunal-abgabenrechtlichen Maßstäben Kosten zugeordnet, die nicht allein durch die Menge und Art des entsorgten Mülls bestimmt werden, sondern pauschaliert die Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung „Entsorgung von Abfällen aus Haushaltungen“ an die Bürgerinnen und Bürger weitergeben. Für den einzelnen ist dann kaum erkennbar, wofür er zahlt und welche Leistungen ihm insgesamt angeboten werden. Die Zuordnung der Entsorgung und ihrer Kosten bei Vorgabe von Recyclingquoten führt aber dazu, dass die Unternehmen der Hersteller Anstrengungen unternehmen, um einerseits die Kosten zu minimieren und andererseits die Ziele = Quoten zu erreichen. So ist der VerpackV und dem zu ihrer Umsetzung durch die Wirtschaft gegründeten Dualen System zuzurechnen, dass in Deutschland der Einstieg in das Kunststoffrecycling frühzeitig gelungen ist, auch wann manche – gerade auch in der Kunststoffindustrie – die thermische Nutzung gebrauchter Kunststoffe für den besseren Weg halten. Dabei hat es auch teure Irrwege gegeben, aber im Gesamtergebnis kann es sich durchaus sehen lassen und die vollautomatische Sortierung – zum ersten Mal bei der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover gezeigt – war und ist ein Meilenstein in Sachen Umwelt- und Arbeitsschutz, der ohne das finanzielle Engagement von DSD nie gelungen wäre. Deshalb hätte es schon Charme gehabt, DSD in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umzuwandeln, wie es sein damaliger Vorstand Brück vorgeschlagen hatte. Stattdessen wurde der Wettbewerbsweg gewählt, der zwar zu massiven Kostensenkungen geführt hat, aber auch Trittbrettfahrerei und Intransparenz Vorschub leistete. In dem die Quoten nur noch den lizenzierten Verpackungen zugerechnet wurden, erreichten die inzwischen 10 Dualen Systeme Quoten über 100 %, weil sie über „Fehlwürfe“ und nicht lizenzierte Verpackungen mehr Mengen erfassen als verlangt – dies führte aber auch dazu, dass die Verträge mit Sortier- und Recyclinganlagen so gestaltet wurden, dass nur noch die nach den Lizenzzahlen erforderlichen Mengen abgenommen wurden und der Rest als „Sortierrest“ verbrannt wurde – dies galt zwar auch als zulässige Verwertung, war aber bei sinkenden Verbrennungspreisen wesentlich lukrativer. Die aktuellen Überlegungen zur Erreichung der gesteigerten Recyclingziele gehen dahin, zunächst Anstrengungen zu unternehmen, die erfassten Mengen zu steigern. In dem Wissen, dass viele Haushaltsabfälle ein Recyclingpotential beinhalten, dass über die thermische Behandlung nicht gehoben werden kann, muss erstes Ziel sein bei den Haushalten eine größere Menge getrennt zu erfassen, um diese Stoffströ-
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me dann gezielt Recyclinganlagen zuzuführen. Hinter diesen Überlegungen steht die Erkenntnis, dass biotische Stoffströme – Holz, Papier, Bioabfälle, aber auch Kunststoffe als organische Materie – bei der Verbrennung vernichtet werden, während abiotische Rohstoffe wie Metalle auch aus Verbrennungsaschen zurückgewonnen werden können, weil sich zwar Form, Zusammensetzung und Aggregatzustand verändern, aber letztlich weiterhin vorhanden sind. Deshalb kann man zwar das in biotischen Stoffen durch Photosynthese gespeicherte Energiepotential nutzen, die stoffliche Komponente steht jedoch nur einmal zur Verfügung, kann aber in Recyclingprozessen im Kreislauf geführt werden, zumindest jedoch kaskadenhaft bis zur Verbrennung genutzt werden. Diese Erkenntnis steht auch Pate für die Überlegungen der Bundesregierung zu einem Wertstoffgesetz. Hierzu hat BM Peter Altmaier im Juli ein Thesenpapier25 vorgelegt, das die Erkenntnisse aus den Studien des UBA und dem Planspiel zusammenfasst und der notwendigen Diskussion Struktur geben soll. Trotz der knappen Zeit einer zu Ende gehenden Legislaturperiode scheint eine Einigung zwischen allen Beteiligten nicht unmöglich. Der seit August geführte online-Dialog auf der Website des BMU zeigt jedenfalls deutlich, dass die überwiegende Mehrzahl der sich Beteiligenden eine Wertstofftonne am Haushalt begrüßt. Dies ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis: Bürgerinnen und Bürger verlangen nach einer Tonne anstelle der häufig verwendeten Säcke – ob daneben vor allem im ländlichen Raum auch noch Wertstoffhöfe eine Berechtigung haben, kann auch in die Entscheidungshoheit der zuständigen Städte und Kreise gestellt werden. Die Gesamterfassungszahlen für Bayern26 zeigen, dass hier Luft nach oben besteht und eine Millionenstadt wie München wird über Gelbe Tonnen am Haushalt die Erfassung von Kunststoffen und Metallen aus Haushaltungen deutlich steigern können. Neben der Steigerung der Erfassungsmengen – dazu gehören auch Überlegungen im Rahmen der erforderlichen Umsetzung der WEEE-Revision, die Rückgabe elektrischer und elektronischer Altgeräte für die Bürgerinnen und Bürger einfacher zu gestalten und z. B. den Handel mit in die Pflicht zu nehmen – wird es vor allem darauf ankommen, die festzusetzenden Recyclingquoten am Stand der Technik auszurichten. Die Überlegungen und Untersuchungen der vom UBA beauftragten Gutachter gehen sogar dahin, sog. lernende Quoten einzuführen, die sich anhand des jeweils festzustellenden Fortschritts weiterentwickeln. Wichtig ist auch, dass wirksame Sanktionen eingeführt werden, wenn die Quoten verfehlt werden. Die bisherige VerpackV kennt als Sanktion nur die Aberkennung der Systemzulassung – ein letztlich stumpfes Schwert, weil dies einem an Art. 12 GG zu messenden Berufszulassungsverbot gleichkäme, dessen Voraussetzungen mit Quotenverfehlungen kaum zu rechtfertigen wären. Die weitere Entwicklung der anstehenden parlamentarischen Diskus-
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www.bmu.de/abfallwirtschaft/doc/48967.php. Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 19, Reihe 1, 2009, S. 173, Abb. 2, Eingesammelte Verkaufsverpackungen, 2009. 26
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sion wie der mit den Ländern und Kommunen, aber auch den Produktverantwortlichen und der Entsorgungswirtschaft bleibt abzuwarten. Die aktuelle Diskussion über den Zugang zu wichtigen Rohstoffen, die für die Herstellung moderner Produkte unentbehrlich sind, zeigt immer wieder auch die Bedeutung des Recyclings auf – wenn seltene Erden und andere strategisch bedeutsame Metalle27 in Europa nicht vorhanden sind, dann kann die Weltmarktabhängigkeit durch Recycling der vorhandene Produkte minimiert werden. Allerdings ist ebenso deutlich, dass die wichtigen Rohstoffe in modernen Produkten nur in Spuren vorhanden sind; deshalb ist es wichtig, die Forschung zu intensivieren. Hierzu hat das BMBF eine Reihe von Forschungsvorhaben angestoßen, die das Recycling derartiger Stoffe und Produkte weiterentwickeln sollen.28 Hierzu gehört auch die Gründung des Helmholtz-Institus für Ressourcentechnologie in Freiberg (Sachsen) als nationales und europäisches Forschungs- und Kompetenzzentrum für mineralische und metallhaltige Rohstoffe.29
V. Aufgaben der privaten Entsorgungswirtschaft und die Rolle der Kommunen Die Aufgabenverteilung zwischen Kommunen und privater Entsorgungswirtschaft ist seit dem Inkrafttreten des KrW-/AbfG im Oktober 1996 grundsätzlich geklärt und in den Grundstrukturen auch durch das BVerwG bestätigt.30 Daran hat sich auch durch das KrWG nichts geändert. Die bis in den Vermittlungsausschuss getragene Auseinandersetzung ging letztlich darum, eine Wortwahl zu finden, die von vornherein spitzfindige winkeladvokatische Argumentationen nicht mehr zulässt. Die private Entsorgungswirtschaft ist in vollem Umfang zuständig für die Entsorgung gewerblicher und industrieller Abfälle. Eine kommunale Konkurrenz durch hoheitliche Betriebe, denen gegenüber Überlassungspflichten bestünden, gibt es seit 1996 nicht mehr.31 Sammlung, Recycling und sonstige Verwertung von Abfällen 27
Zum Begriff „wirtschaftsstrategische Rohstoffe“ s. Wellmer, ReSource 2012, Heft 2, 2. Bekanntmachung des BMBF von Richtlinien zur Förderung von „Materialien für eine ressourceneffiziente Industrie und Gesellschaft – MatRessource“, http://www.bmbf.de/foerde rungen/15420.php. 29 Dazu Gutzmer/Klossek, ReSource 2012, Heft 2, 24 ff; zu ressourcentechnologischer Forschung s.a. die Berichte über das Aachener Kompetenzzentrum von Friedrich/Gisbertz, ReSource 2012, Heft 2, 29 ff. sowie von Goldmann/Kruckow/Westphal, ReSource 2012, Heft 2, 32 ff. zu ReWiMet an der TU Clausthal-Zellerfeld. 30 BVerwGE 134, 154 ff. = NVwZ 2009, 1292. 31 Die weiterhin bestehende Überlassungspflicht für Abfälle zur Beseitigung an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger spielt nur bei zu deponierenden Abfällen eine Rolle, weil die thermischen Behandlungsanlagen in Deutschland durchweg den R1-Status erfüllen und deshalb Abfälle thermisch verwerten. Die Überlassungspflicht für abzulagernde Abfälle führt dazu, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auch entsprechende Anlagen planen und vorhalten müssen. Dies kommt gerade für den Bereich nicht verwertbarer Bau28
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aus Industrie und Gewerbe ist eine ausschließliche Domäne privater Unternehmen der Abfallwirtschaft. Kommunale Abfallunternehmen können auf diesem Gebiet nur im Rahmen des Wettbewerbs konkurrieren und müssen dabei die Vorgaben des landesrechtlich geregelten Gemeindewirtschaftsrechts beachten, das in allen Ländern unterschiedlich gestaltet ist, weshalb in Niedersachsen unzulässig sein kann, was in Nordrhein-Westfalen oder Bayern erlaubt ist. Die wettbewerbliche Organisation der Produktverantwortung führt darüber hinaus dazu, dass auch die Entsorgung – Einsammeln und Sortieren – der Verpackungsabfälle sowie die Abholung und Aufbereitung von durch die Kommunen gesammelten elektrischen und elektronischen Altgeräten in der Hand der privaten Entsorger liegt. Allerdings kann eine Kommune dafür optieren, die gesamte Entsorgung der Altgeräte einer bestimmen Kategorie eigenverantwortlich durchzuführen; dann hat sie allerdings auch das Risiko, dass die erwarteten Wertstofferlöse geringer ausfallen als projiziert und muss die Verluste selber tragen. In aller Regel sind derartige Fehlspekulationen nicht gebührenfähig. Gleichwohl hat der hohe Metallschrottpreis 2008/2009 dazu geführt, dass viele Kommunen für die alleinige Entsorgung von großen Küchengeräten optiert haben, weil die Entsorgung von Herden und Waschmaschinen einfach und lukrativ war, während die teure Entsorgung von Kühlschränken und Bildschirmen in der Regel den Produktverantwortlichen überlassen wurde. Dies ist im ElektroG entsprechend angelegt und Folge der geteilten Produktverantwortung, nach der die Kommunen auf eigene Kosten Elektroschrott sammeln und den Herstellern nur die Entsorgung ab dem kommunalen Wertstoffhof obliegt. Für alle Wertstoffe aus Industrie und Gewerbe zeichnet somit die private Entsorgungswirtschaft verantwortlich. An ihr liegt es angesichts der Vorgaben der GewAbfV, der AltholzV, der Möglichkeiten des Bauabfallrecyclings sowie des Umgangs mit gefährlichen Abfällen für (noch) mehr Recycling in Deutschland zu sorgen. Kommunale Konkurrenz auf den genannten Feldern gibt es nicht und ist gesetzlich ausgeschlossen. Demgegenüber obliegt den Kommunen, soweit sie durch Landesrecht zu öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgen bestimmt sind, die Entsorgung der Abfälle die in Haushalten anfallen32. Dabei ist ein weiter Haushaltsbegriff zu Grunde zu legen, der nicht durch das „Gewerbe“ der Vermietung und Verpachtung von Wohnraum überspielt wird. Abfälle, die in Haushaltungen angefallen sind, sind den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, die diese unter Beachtung der Abfallhierarchie zu entsorgen haben. Diese Pflicht umfasst Maßnahmen zur Abfallvermeidung ebenso wie die Wiederverwendung und den Vorrang des Recyclings. § 20 KrWG erweitert diese Pflicht gegenüber der Verursacherpflicht – soweit ein gewerblicher Abfallerzeuger Abfälle nach § 7 Abs. 4 KrWG beseitigen darf und deshalb den Abfall und Abbruchabfälle kleinen und mittleren Unternehmen der Bauwirtschaft zu Gute, die schon aus Kostengründen nicht in der Lage wären, Bauschuttdeponien vorzuhalten – dies ist vielmehr eine Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge für die mittelständische Wirtschaft. 32 s.a. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 525 ff.
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der Kommune überlässt, muss diese eigenständig prüfen, ob bei ihr die Gründe ebenfalls vorliegen, anderenfalls hat sie zu verwerten. Die Auseinandersetzungen vor und nach dem Urteil des BVerwG von 200833 gingen – am Beispiel des besonders lukrativen Altpapiers – darum, ob eine Überlassungspflicht der Haushalte auch für Abfälle besteht, die als Wertstoffe gehandelt werden. Hier hatten zahlreiche Obergerichte der Länder entschieden34, dass eine Überlassungspflicht nicht bestünde und deshalb die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger den privaten Entsorgungsunternehmen nicht untersagen dürften, dass diese an Haushalten „Wertstoffe“ abholen und zu diesem Zweck dort „blaue“ Tonnen aufstellen. Demgegenüber entschied das BVerwG, dass diese Art der Entsorgung den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern vorbehalten sei und dass schon der Begriff der Sammlung ein derartiges Vorgehen der privaten Entsorgungsunternehmen ausschlösse.35 Während auch aus Sicht des BMU der Grundtenor der Entscheidung, dass werthaltige Abfälle aus Haushaltungen von der Überlassungspflicht erfasst werden und deshalb die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Sammlungen privater Unternehmen untersagen können müssen, wenn das öffentliche Interesse beeinträchtigt ist, nicht zu beanstanden war – der Anwalt des öffentlichen Interesses hatte in diesem Sinne plädiert –, war und ist die einschränkende Auslegung des Sammlungsbegriffs aus europarechtlichen Überlegungen nicht haltbar. Deshalb hat die Bundesregierung die Beratungen zum KrWG dazu benutzt, den Begriff der gewerblichen Sammlung EU-rechtskonform zu definieren, gleichzeitig in den §§ 17 und 18 KrWG aber auch wesentliche Festlegungen zur Interpretation des wesentlichen öffentlichen Interesses vorgenommen, die einen hinreichenden Schutz der Kommunen gegen Rosinenpickerei der Privaten gewährleisten.36 Soweit der zuständige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger alleine oder im Wege interkommunaler Zusammenarbeit eine Abfallentsorgung in seinem Gebiet organisiert, die die Vorgaben der Abfallhierarchie und des KrWG im Übrigen37 umsetzt, entspricht dies einer leistungsfähigen Sammlung und Ent-sorgung von Abfällen, die private Konkurrenz nicht zu fürchten braucht, diese aber auch rechtssicher untersagen kann. Der Gesetzgeber – Bundestag, Bundesrat und beide gemeinsam im Vermittlungsausschuss – hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Sammlung und Entsorgung von Abfällen aus Haushalten als national wie EU-rechtlich geschützte Domäne der Kreise und Städte als öffentlichrechtliche Entsorgungsträger ansieht. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass sowohl die AbfRRL als auch § 14 KrWG ab 2015 die getrennte Sammlung von Papier, 33
BVerwGE 134, 154 ff. = NVwZ 2009, 1292. Vgl. den Überblick bei Dieckmann, AbfallR 2010, 301, 302 m.N. in Fn. 81. 35 s. BVerwGE 134, 154 ff. = NVwZ 2009, 1292. 36 Zu den verschiedenen Auffassungen s. Dolde/Vetter, AbfallR 2011, 22 ff.; aus Sicht der Kommunen Dieckmann, AbfallR 2010, 301. 37 Insbesondere die Pflichten nach § 11 zur getrennten Sammlung und Verwertung von Bioabfällen. 34
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Helge Wendenburg
Glas, Metall und Kunststoffen vorsieht und entsprechende stoffstromspezifische Recyclingquoten vorschreibt. Das KrWG setzt hier das EU-Abfallrecht deutlich übersteigende Quoten: da eine 50 %-Quote der angesprochenen Abfallströme in Deutschland schon lange erfüllt wird, setzt das KrWG für Deutschland eine Gesamtrecyclingquote in Höhe von 65 % aller Siedlungsabfälle fest – dies ist eine Deutschland betreffenden Quote und keine Vorgabe für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder die Länder. Gleichwohl setzt ihre Erfüllung eine engagierte Mitarbeit der Städte und Kreise voraus, denn Siedlungsabfälle sind im Wesentlichen die Abfälle aus den Haushaltungen.
VI. Europäische Anforderungen an Genehmigung und Überwachung Trotz der geschilderten nationalen Ziele des Umstiegs in die Recyclinggesellschaft, die europäische Vorgaben deutlich übertrifft, dient das KrWG auch der Umsetzung der europäischen AbfRRL. Dies verlangt eine Anpassung in Bereichen, die üblicherweise in Deutschland als vorbildlich umgesetzt gelten. Gleichwohl verliert Deutschland häufig Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH, weil deutsche Sonderwege letztlich nicht anerkannt werden. Insbesondere die im deutschen Recht geläufige Unterscheidung zwischen bedeutsamen und weniger bedeutsamen Anlagen oder Überwachungsvorgängen und der daraus resultierenden Vollzugsrelevanz ist häufig mit dem Wortlaut europäischer Richtlinien nicht in Einklang zubringen. Deshalb bedürfen auch die Vorschriften über die Genehmigung von Anlagen sowie die über die Überwachung abfallwirtschaftlicher Vorgänge der Anpassung. Dies geschieht im Wesentlichen durch Anpassung der entsprechenden Verordnungen.38 Da die Genehmigungsvorschriften aktuell erneut angepasst werden39, soll hier nur ein kleines abfallwirtschaftliches Beispiel die Tragweite der Anpassung verdeutlichen. Nach bisherigem Recht war der Transport von Abfällen ohne spezifische abfallrechtliche Genehmigung zulässig, wenn er im Rahmen (sonstiger) wirtschaftlicher Unternehmen erfolgte, der Transport von Abfällen nicht Gegenstand des Gewerbes des Unternehmers war. Damit waren vor allem Handwerker davon befreit, eine abfallrechtliche Transportgenehmigung zu beantragen, weil sie z. B. von einer Baustelle Abfälle mitnahmen, um sie am Standort ihres Handwerksbetriebes ordnungsgemäß zu entsorgen. In Anpassung an europäische Rechtsvorgaben müssen nunmehr alle Beförderer von Abfällen der zuständigen Behörde anzeigen, dass sie Abfälle befördern, und soweit es sich um gefährliche Abfälle handelt, bedarf es sogar einer Ge38 s. beispielhaft die Umgestaltung der „alten“ TransportgenehmigungsV in eine BeförderungserlaubnisV in Art. 5 Abs. 16 des G. zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts v. 24.02. 2012, BGBL. I, S. 212, 251 ff. 39 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, BRat-Drs. 314/12.
Zur Abfallpolitik der Bundesregierung
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nehmigung. Zwar treten die §§ 53 und 54 KrWG erst zum 1. Juni 2014 für bestimmte betroffene Unternehmen in Kraft40, damit die Bundesregierung eine Verordnung erlassen kann, die bei der notwendigen Sach- und Fachkunde, die zukünftig nachgewiesen werden muss, auch Vorkenntnisse z. B. über die Handwerksordnung oder ähnliche Qualifikationen berücksichtigen kann. Gleichwohl ist es ein zusätzlicher Aufwand, der aus Gründen der EU-Einheitlichkeit erforderlich ist.
VII. Fazit Die Bundesregierung unternimmt auf vielfältigen Ebenen – siehe nur die geschilderten Aktivitäten des BMWi, des BMBF und des BMU – Anstrengungen, um den Umstieg in die Recyclinggesellschaft zu befördern. Dabei ist sie auf die Mitwirkung von Industrie und Gewerbe, der privaten Entsorgungswirtschaft im Besonderen ebenso angewiesen wie auf das tatkräftige Engagement der Kreise und Städte und ihrer Bürgerinnen und Bürger. 65 %-Recyclingquote ist ein Minimalziel – wir sollten gemeinsam – Wirtschaft und Gesellschaft – alles daran setzen das gesetzte Ziel so schnell und so weit wie möglich zu übertreffen.
40 Vgl. § 72 Abs. 4 KrWG; dazu Kropp, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl (Hg.), Recht der Abfallbeseitigung, Loseblatt, Stand Juli 2012, Rn. 32 ff. zu § 72 KrWG; s.a. die Vollzugshinweise des Bundes und der Länder: http://www.bmu.de/abfallwirtschaft/downloads/doc/ 48769.php.
Was ist „Abfall“? – Neue Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereiche Von Andrea Versteyl
I. Der Abfallbegriff Wie schon das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) enthält auch das KrWG in § 3 Abs. 1 zunächst eine allgemeine Definition des Abfallbegriffs: „Abfälle im Sinne dieses Gesetzes sind alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung.“
Hierauf folgen in weiteren Absätzen die Begriffsbestimmungen für verschiedene Abfälle zur Verwertung und Abfälle zur Beseitigung. Der Entledigungsaspekt des § 3 Abs. 1, der die Begriffe der Entledigung, des Entledigungswillens und der Entledigungsverpflichtung umfasst, wird durch die Regelungen der Abs. 2 bis 4 näher konkretisiert und greift – in Ermangelung einer Regelung in der AbfRRL – auf die Vorgängerregelung im KrW-/AbfG zurück. Aufgrund der fehlenden Regelung in der AbfRRL besteht für die Mitgliedsstaaten regulativer Spielraum, in welcher Form der Nachweis für das Vorliegen der verschiedenen Tatbestandsmerkmale des Abfallbegriffs zu erbringen ist.1 Aus Sicht des deutschen Gesetzgebers haben sich allerdings die Regelungen in § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG bewährt, so dass mit Ausnahme der Abweichung, dass es sich lediglich um eine Vermutungsregelung handelt, kein Unterschied zu § 3 Abs. 2 KrWG besteht. Entsprechend dem Wortlaut des Art. 3 Nr. 1 AbfRRL bezieht sich der Abfallbegriff nicht mehr nur auf bewegliche Sachen, sondern insgesamt auf Stoffe und Gegenstände. Die erste Fassung der AbfRRL2 aus dem Jahre 2006 legte zwar gemäß ihrem Auftrag den Rechtsrahmen für den Umgang mit Abfällen in der Gemeinschaft fest und enthielt wichtige Bestimmungen wie auch den Begriff Abfall. Die van de Walle-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 07.09. 2004 – C-1/03)3 zeigte jedoch, 1
Amtl. Begr., BT-Drs. 17/6052, S. 169. Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 05.04. 2006 über Abfälle. 3 s. hierzu Willand, ZUR 2006, 577 ff.; Bartholmes, AbfallR 2004, 274 ff.; Diekmann, AbfallR 2004, 280; Jochum, NVwZ 2005, 140 ff.; Petersen/Lorenz, NVwZ 2005, 257 ff.; Schultz, EurUP 2005, 230 ff.; Versteyl, NVwZ 2004, 1297 ff. 2
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dass bereits Änderungsbedarf am Abfallbegriff der AbfRRL bestand, da in der Entscheidung unausgehobenes, kontaminiertes Erdreich als Abfall eingestuft wurde.4 Diese Interpretation des europäischen Abfallbegriffs stand im Widerspruch zur bis dahin in Deutschland geltenden Rechtsauffassung.5 Bisher war die Beweglichkeit von Sachen in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG ein konstitutives Merkmal für die Begriffsbestimmung der Abfalleigenschaft. Nun betrifft die Frage der Beweglichkeit den Anwendungsbereich des Abfallrechts.6 Durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs des KrWG in § 2 Abs. 2 Nr. 10 wird sichergestellt, dass die abfallrechtlichen Regelungen nach wie vor nur auf „bewegliche Sachen“ anzuwenden sind. Als Folge der van de Walle-Entscheidung nimmt die AbfRRL Böden, einschließlich unausgehobene Böden, aus ihrem Anwendungsbereich heraus (Art. 2 Abs. 1 lit. b). Hier greift in Deutschland das Bundes-Bodenschutzgesetz und bietet somit ein ausreichend hohes Schutzniveau.7 Ausgehobener Boden ist nur dann von der Richtlinie ausgenommen, wenn er nicht kontaminiert ist und an Ort und Stelle für Bauzwecke verwendet wird (Art. 2 Abs. 1 lit. c). 1. Wirtschaftsdünger als Abfall? Bis zum Inkrafttreten des KrWG wurde Gülle nicht als Abfall, sondern als Produkt „Wirtschaftsdünger“ angesehen. Die Rechtslage hat sich geändert. § 2 Abs. 2 Nr. 4 KrWG enthält die Regelung im Hinblick auf die Abfalleigenschaft von Wirtschaftsdünger zur direkten Ausbringung auf landwirtschaftlichen Flächen, ebenso wie zur energetischen Nutzung in Biogasanlagen im Regelfall als Abfall. Sie unterfällt nur ausnahmsweise nicht dem Abfallregime, wenn (2) „Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten nicht für: 4. Fäkalien, soweit sie nicht durch Nummer 2 erfasst werden, Stroh und andere natürliche nicht gefährliche land- oder forstwirtschaftliche Materialien, die in der Land- oder Forstwirtschaft oder zur Energieerzeugung aus einer solchen Biomasse durch Verfahren oder Methoden verwendet werden, die die Umwelt nicht schädigen oder die menschliche Gesundheit nicht gefährden,“.
Die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Gülle als Abfall zu qualifizieren ist, hat erhebliche Bedeutung für die Pflichten der Betreiber von Tierhaltungsanlagen und landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Folglich wird sich die Neuregelung
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Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, S. 12 Rn. 11. Vgl. hierzu Breuer, in: Jarass/Petersen/Weidemann (Hg.), KrW-/AbfG, § 3 Rn. 26; Konzak, NuR 1995, 130, 132; Kunig, NVwZ 1997, 209, 211; Frenz, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 13; Fluck, in: Fluck (Hg.), KrW-/AbfG, § 3 Rn. 90; Kunig, in: Kunig/Paetow/Versteyl (Hg.), KrW-/AbfG, § 3 Rn. 11; anderer Ansicht Kersting, DVBl. 1992, 343, 348; Schreier, Die Auswirkungen des EG-Rechts auf die deutsche Abfallwirtschaft, 1994, S. 86 ff. 6 Petersen, NVwZ 2009, 1064. 7 Schink/Krappel, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 3 Rn. 16. 5
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im KrWG auf Genehmigungsverfahren für neue Anlagen ebenso auswirken wie auf die Überwachung bestehender Anlagen. Nach der bisherigen Rechtslage war im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Intensivtierhaltung oder eine Biogasanlage zu prüfen, dass die ordnungsgemäße Verwendung der Gülle bzw. des Gärrestes gesichert ist. Hiernach war Gülle bzw. der Gärrest nicht als Abfall zu qualifizieren, sondern galt als Wirtschaftsdünger im Sinne des Düngegesetzes. Die Rechtslage für die direkt auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebrachte Gülle bleibt allerdings weitgehend unverändert. Für Betreiber von Biogasanlagen hingegen kommen wesentliche Änderungen zum Zuge. Es besteht zwar die oben aufgeführte Ausnahmeregelung für Fäkalien, die zur Energieerzeugung aus Biomasse eingesetzt werden, aber als wesentliche Einschränkung gilt, dass Biogasanlagen vom Geltungsbereich des KrWG nur ausgenommen sind, soweit sichergestellt ist, dass die zum Einsatz kommenden Verfahren oder Methoden die Umwelt nicht schädigen und die menschliche Gesundheit nicht gefährden. Diese Einschränkung geht auf die AbfRRL zurück, wird aber weder dort noch im KrWG näher erläutert. Dies kann zu erheblichen Rechtsunsicherheiten in der Genehmigungs- und Vollzugspraxis führen. Ob Wirtschaftsdünger i.S.d. § 2 S. 1 Nr. 2 Düngegesetz bei bestimmungsgemäßer Verwendung als Düngemittel in einer Biogasanlage Abfall ist, entscheidet sich deshalb nach den in § 3 Abs. 1 bis 4 enthaltenen allgemeinen Regeln sowie nach den §§ 4 und 5, also den Bestimmungen über Nebenprodukte und das Ende der Abfalleigenschaft. Soweit Gülle als Abfall zu qualifizieren ist, bewirkt dies auch eine erhebliche Änderung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht für Biogasanlagen, mit der Folge einer Einführung einer umfassenden Genehmigungspflicht einschließlich einer UVP-Vorprüfungspflicht. Für die (gewerbliche) Tierhaltung kommt neben den Problemen, die sich aufgrund der im Rahmen der Städtebaurechtsnovelle 2012 vorgesehenen Entprivilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB-E ergeben8, die Schwierigkeit hinzu, dass der Entsorgungsnachweis für Gülle so zur Genehmigungsvoraussetzung werden könnte. Berücksichtigt man die Differenzierung, wonach Gülle, die zur Energieerzeugung in Biogasanlagen verwendet wird, dann nicht dem KrWG unterfällt, wenn sichergestellt ist, dass durch die angewandten Verfahren oder Methoden die Umwelt nicht geschädigt und die menschliche Gesundheit nicht gefährdet werden, so ist es demnach möglich, dass solche Gülle zwar dem Abfallbegriff, im Einzelfall aber nicht dem Anwendungsbereich des KrWG unterfällt. Die Folge ist eine unterschiedliche Behandlung von Wirtschaftsdünger zur direkten Ausbringung auf landwirtschaftlichen Flächen und Wirtschaftsdünger zur Verwendung in Biogasanlagen.
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Vgl. Stüer, DVBl. 2012, 1017, 1021; Buchsteiner, I+E 2012, 183, 184.
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II. Abgrenzung Abfall/(Neben-)Produkt Ein Streit, der so alt ist wie das Abfallrecht selbst9 und bisher weder im europäischen Abfallrecht noch im KrW-/AbfG eine Regelung erfahren hatte, ist die Abgrenzung zwischen Abfall und (Neben-)Produkt. Ausgangspunkt der bisherigen Lösung des Problems war der Rückgriff auf den Abfallbegriff und den Entledigungswillen. Grundlage für die in § 4 KrWG ausgestaltete nun vorhandene Regelung zur Abgrenzung von Abfall und (Neben-)Produkt ist die weitgehend wortgleiche Regelung in Art. 5 AbfRRL. Diese wiederum normiert die einschlägige Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung von Nebenprodukten und Abfällen zur Verwertung.10 Mit der weitreichenden Kodifikation von Richterrecht strebte der Richtliniengeber eine Lösung des alten Streits an und fasste vier Bedingungen zur Abgrenzung zusammen. Ein Stoff gilt demnach als Nebenprodukt und nicht als Abfall, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: a) Es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiterverwendet wird, b) der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden, c) der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und d) die weitere Verwendung ist rechtmäßig, d. h. der Stoff oder Gegenstand erfüllt alle einschlägigen Produkt-, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die jeweilige Verwendung und führt insgesamt nicht zu schädlichen Umweltoder Gesundheitsfolgen. § 4 KrWG ergänzt nun die allgemeine Regelung zur Auslegung des Entledigungswillens nach § 3 Abs. 3 KrWG, indem bezogen auf in Herstellungsverfahren anfallende Stoffe und Gegenstände spezifische objektive Umstände normiert werden, die für die Anerkennung eines Nebenprodukts maßgebend sind. Nebenprodukte können auch außerhalb von Herstellungsprozessen angefallen sein. Die Abgrenzung richtet sich dann allerdings nicht nach § 4, da sie dann nicht integraler Bestandteil des Herstellungsprozesses sind, sondern muss – wie bisher – auf der Grundlage des § 3 Abs. 3 KrWG vorgenommen werden.11 Liegt kein Herstellungsprozess vor, kommt es deshalb darauf an, ob ein Entledigungswille nach § 3 Abs. 3 vorliegt. „§ 4 flankiert im Ergebnis die in § 3 Abs. 1 geregelte Definition des Abfallbegriffs. Während § 3 Abs. 1 positiv den Abfallbegriff bestimmt, ist Zweck des § 4, die Abfalleigenschaft für solche Stoffe und Gegenstände auszuschließen, die bei einem Herstellungsverfahren anfallen und bestimmte Voraussetzungen erfüllen.“12
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Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 4 Rn. 1. Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 4 Rn. 1. 11 Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 4 Rn. 8. 12 Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 4 Rn. 8. 10
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Die Abgrenzung von Abfall und Nebenprodukt ist von hoher Praxisrelevanz. Greift die Qualifizierung als Abfall, könnten eine Genehmigungspflicht für die Lagerung und auch spezielle Transportvorschriften bestehen, während bei der Qualifizierung als Produkt die REACH-Verordnung13 Anwendung findet und gegebenenfalls ein Notifizierungsverfahren notwendig wird. Trotz gleicher Schutzrichtung besteht keine Verzahnung von REACH und der AbfRRL. Abfälle sind von der Verordnung freigestellt. Nach Ende der Abfalleigenschaft findet allerdings REACH wiederum grundsätzlich Anwendung und ist damit anwendbar auf sämtliche Recyclingprodukte – trotz vorlaufender abfallrechtlicher Umweltprüfung. Zudem besteht die Registrierungspflicht für Recyclingstoffe; hier besteht aber die Möglichkeit eines Recyclingprivilegs (Art. 2 Abs. 7 lit. b) bei Stoffgleichheit und entsprechend vorliegenden relevanten Informationen für die nachgeschalteten Anwender (downstream user).
III. Ende der Abfalleigenschaft In Art. 6 AbfRRL erfolgte erstmalig eine Regelung zum Ende der Abfalleigenschaft. Hiermit wurden bestimmte Kriterien festgelegt, anhand derer entschieden werden kann, wann die Abfalleigenschaft endet. Da die in Art. 6 Nr. 1 AbfRRL genannten Voraussetzungen grundsätzlich für die Umsetzung in den Mitgliedsstaaten verbindlich waren, findet sich in § 5 KrWG eine weitgehend wortgleiche Umsetzung von Art. 6 AbfRRL. Die bisherige Rechtsprechung des BVerwG und des EuGH kann hier zur Interpretation herangezogen werden. Allerdings stellen weder Art. 6 AbfRRL und so auch nicht § 5 Abs. 1 KrWG eine 1:1 Umsetzung und Kodifikation der bisherigen Rechtsprechung dar. Im Wortlaut heißt es in § 5 Abs. 1 KrWG wie folgt: „Die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes endet, wenn dieser ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat und so beschaffen ist, dass 1. er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird, 2. ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm besteht, 3. er alle für seine jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse erfüllt sowie 4. seine Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt.“ 13 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.12. 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission.
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Abs. 2 enthält zwar eine Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung zu einer weitergehenden Konkretisierung dieser Bedingungen. Diese ist allerdings subsidiär im Hinblick auf Bestimmungen zum Ende der Abfalleigenschaft verschiedener Stoffströme auf europäischer Ebene im Rahmen von Komitologieverfahren. Die hierbei ergehenden Rahmenentscheidungen haben Vorrang vor mitgliedstaatlichem Recht und begrenzen in Deutschland daher die Befugnis der Bundesregierung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach § 5 Abs. 2 in dem Maße, wo Komitologieentscheidungen der Kommission für bestimmte Stoffe oder Gegenstände erlassen werden.14 Für das Ende der Abfalleigenschaft wird nicht nur der Abschluss des Verwertungsverfahrens vorausgesetzt. Der Stoff oder Gegenstand muss alle für seinen konkreten Einsatz geltenden technischen Anforderungen und Rechtsvorschriften sowie anwendbare Normen für Erzeugnisse erfüllen und bei seiner Verwendung keine schädlichen Auswirkungen auf Menschen oder die Umwelt zur Folge haben. Letztere Bedingung ist wegen des Abschlusses des Verwertungsverfahrens für die Beendigung der Abfalleigenschaft von zentraler Bedeutung und konstitutiv. In systematischer Hinsicht fügt sich § 5 Abs. 1 in die abfallrechtlichen Verwertungs- und Beseitigungspflichten ein. Nach dieser Bestimmung kommt es nämlich darauf an, ob die entsprechenden Rechtspflichten erfüllt sind und das abfallrechtliche Pflichtenverhältnis beendet ist. Zu klären bleibt, ob ein Markt – also das Vorhandensein von zumindest zwei Nachfragen – bestehen muss oder ob er geschaffen werden kann. Hieraus können sich Auswirkungen auf die Genehmigungspflicht und – bei thermischen Anlagen – auch die Anwendbarkeit der 17. BImSchV ergeben. Für die großen Stoffströme für Eisen- und Stahlschrott, Altpapier, aber auch Glas sind Komitologieverfahren bereits abgeschlossen bzw. eingeleitet, um auf europäischer Ebene Entscheidungen über das jeweilige Ende der Abfalleigenschaft zu treffen. Hiervon geht auch Art. 6 AbfRRL aus.15 So muss für den Stoffstrom Eisen- und Stahlschrott geklärt werden, welche Verunreinigungsgrenzen bestehen dürfen. Die hohen Anforderungen werden allerdings derzeit von weniger als 50 % der Stoffströme erfüllt – bei Metallschrott kommen gerade einmal 10 – 20 % für ein Abfallende in Betracht.16 Bei anderen Materialien mit erheblichen Stoffströmen wie z. B. Schlacken aus der Abfallverbrennung und der Stahlherstellung herrscht durch eine unterschiedliche Vollzugspraxis in den Ländern weiterhin Unsicherheit. Aus diesem Grunde ist es nicht ausgeschlossen, sondern erforderlich, dass Festlegungen bezüglich bestimmter Stoffe im Einzelvollzug oder allgemein im Vollzug durch die Länder erfolgen.17 Dabei können die Länder auch freiwillige Vereinbarun14
Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 50. Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 13. 16 Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 60. 17 Vgl. Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 53. 15
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gen mit Industriekreisen mit dem Ziel abschließen, durch Verwendung von Recyclingmaterial Umwelt- und Gesundheitsgefahren abzuwehren und zugleich einen Einsatz dieser Materialien zu ermöglichen, die den standardisierten Qualitätskriterien genügen und eine Beeinträchtigung von Umwelt und Gesundheit ausschließen. Solche Vereinbarungen sind von einzelnen Ländern im Bereich von Recyclingbaustoffen, aber auch im Falle von Stahlwerksschlacken bereits getroffen worden. In den Jahren 2005 bis 2007 hat das nordrhein-westfälische Umweltministerium verschiedene öffentlich-rechtliche Vereinbarungen über die Anerkennung produktspezifischer Rückstände/Sekundärrohstoffe als Produkt geschlossen: – Vereinbarung MUNLV/Thyssen-Krupp vom Dezember 2005 – Vereinbarung MUNLV/Thyssen-Krupp vom 16.10. 2006 über die Produkteigenschaft von Hochofenschlacke und Hüttensand sowie – Vereinbarung MUNLV/EVONIK Power Minerals vom Dezember 2007 – Vereinbarung MUNLV/Baumineral vom Dezember 2007 über die Produktanerkennung von Steinkohleflugasche, Schmelzgranulat und REAGips. Sämtlichen Vereinbarungen liegen fachliche und rechtliche Prüfungen des Einzelfalls zugrunde, die sich an den Kriterien der Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung von Abfall und Produkt orientierten. Beispielhaft soll im Folgenden auf einzelne Ergebnisse bei der Bestimmung des Abfallendes eingegangen werden. Die Europäische Union hat bereits durch Verordnung vom 31.03. 201118 für Eisen-, Stahl- und Aluminiumschrott Kriterien für das Abfallende nach Art. 6 Abs. 2 AbfRRL bestimmt. Hierbei wird auf die hauptsächliche bzw. wesentliche Zusammensetzung von Schrotten aus Eisen und Stahl bzw. Aluminium und Aluminiumlegierungen abgestellt. Gemäß Art. 3 der Verordnung werden Eisen-, Stahl- und Aluminiumschrotte nicht mehr als Abfall angesehen, wenn sie, – bestimmten Inputkriterien bei der Verwertung genügen, – bestimmten Behandlungsverfahren unterzogen worden sind und – bestimmte Qualitätskriterien nach der Behandlung erfüllen. Diese Kriterien werden im Anhang I der Verordnung im Einzelnen festgelegt. Zur Bestimmung des Endes der Abfalleigenschaft von Papier orientierte man sich bisher an dem Zeitpunkt, „bei dem die Fasern des Altpapiers so aufgeschlossen worden sind, dass eine Weiterverarbeitung ohne weiteres möglich ist.“19 So wurde Pulpe
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Verordnung (EU) Nr. 333/2011 v. 31.03. 2011 mit Kriterien zur Festlegung, wann bestimmte Arten von Schrott gemäß der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates nicht mehr als Abfall anzusehen sind, ABl. L 94/2, S. 1 ff. 19 Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 61.
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zur Neuherstellung von Papier nicht mehr als Abfall qualifiziert.20 Die Praxis sah jedoch Bestrebungen, das Ende der Abfalleigenschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt festzulegen. So existiert eine Vereinbarung, die der Verband Deutscher Papierfabriken mit einer Reihe von Obersten Landesabfallbehörden abgeschlossen hat.21 Hiernach wurde festgelegt, dass Altpapier seine Abfalleigenschaft verloren hat, wenn es nach der „Europäischen Liste der Standardsorten für Altpapier“, die der Europäischen Norm (EN) 643 entspricht, sortiert worden ist.22 Derweil wird auf europäischer Ebene an einer Verordnung auch für Altpapier gearbeitet.23 Hiernach soll unter den folgenden Voraussetzungen die Abfalleigenschaft von Altpapier entfallen können:24 – Das Altpapier muss in der Sortenliste (EN 643) definiert sein, – die Nicht-Papieranteile dürfen nicht größer als 1,5 % sein, – es dürfen keine gefährlichen Eigenschaften vorhanden sein, – das Papier darf keine aufgenommenen Flüssigkeiten (z. B. Öl, Lösemittel, Lebensmittelreste) enthalten, die äußerlich erkannt werden können, – es handelt sich um Altpapier für das Recycling, – es haben Sichtkontrollen stattgefunden. Für (Alt-)Kunststoffe und ihr Abfallende lassen sich aufgrund des differenzierten Inputs unterschiedlichster Herkunft keine allgemeinen Anforderungen bestimmen.25 Allerdings kann bei der Verwendung von Altkunststoff in Granulatform in der energetischen Verwertung davon ausgegangen werden, „dass die Abfalleigenschaft dieser Granulate dann entfallen ist, wenn sie für den Einsatz in einer Verbrennungsanlage hergestellt sind, sofern und soweit die Verbrennungsanlage für den Einsatz dieser Stoffe zugelassen ist.“26
IV. Fazit und Ausblick Folge der Entscheidungen in den bisher durchgeführten Komitologieverfahren auf europäischer Ebene sind hohe Anforderungen an die Schadstoff- bzw. Fremdstofffreiheit für das Ende der Abfalleigenschaft, die nur von einem geringen Teil der Stoffströme erfüllt werden. Für weitere Stoffströme steht der Abschluss von Ko20
So OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.10. 2004 – VerG 41/04. Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 61 mit Verweis auf Cosson, in: Giesberts/Reinhardt (Hg.), Umweltrecht, Online-Kommentar, 2007, § 4 KrW-/AbfG Rn. 14, 14.1. 22 Solche Vereinbarungen sind z. B. in Baden-Württemberg und Bayern abgeschlossen worden. Dazu Cosson, AbfallR 2004, 17 f. 23 Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 64. 24 So gesehen bei: Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 64. 25 Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 69. 26 Schink, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, § 5 Rn. 69. 21
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mitologieverfahren noch aus; es ist jedoch mit ähnlichen Anforderungen zu rechnen. Bis dahin könnte die Bundesregierung auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 5 Abs. 2 KrWG nationale Anforderungen bestimmen. Dies ist jedoch nicht zu erwarten. Es gilt daher die Empfehlung für alle Stoffströme, bei denen Zweifel bestehen, das Ende der Abfalleigenschaft im Einzelfall mittels eines Antrags auf Feststellung gegenüber der Abfallbehörde von dieser durch Verwaltungsakt klären und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.
Die fünfstufige Abfallhierarchie – Funktionen und Probleme Von Frank Petersen
I. Einleitung Die mit der Abfallrahmenrichtlinie (AbfRRL)1 eingeführte fünfstufige Abfallhierarchie ist das zentrale Steuerungselement des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Sie strahlt über die Grundsatznorm des § 6 KrWG und die Umsetzung durch die für Abfallerzeuger und -besitzer geltenden Grundpflichten auf das gesamte Regelungssystem des KrWG aus und wird die zukünftige Ausrichtung der Kreislaufwirtschaft nachhaltig prägen. Allerdings wirft die Abfallhierarchie zahlreiche Rechtsfragen auf. Bereits bei der Novellierung der AbfRRL wurden ihr Rechtscharakter, ihre Ausgestaltung und ihre Bindungswirkung kontrovers diskutiert.2 Dies hat sich auch in den Diskussionen zu den entsprechenden Regelungen des KrWG niedergeschlagen.3 Dabei sind die Auswirkungen der Hierarchie auf das Anlagenzulassungsrecht des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), das zur Umsetzung der Industrieemissions-Richtlinie (IED)4 inzwischen novelliert worden ist5, in den Diskussionen nicht hinreichend berücksichtigt worden. Im folgenden Beitrag soll daher auf die mit der Abfallhierarchie insgesamt verbundenen Funktionen und Probleme näher eingegangen werden.
1 Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.11. 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, ABl. L 312 v. 22.11. 2008, S. 3, L 127 v. 26.05. 2009, S. 24. 2 s. dazu Petersen, ZUR 2007, 449 (452 f.); ders., NVwZ 2009, 1063 (1066); Schink, AbfallR 2007, 50 (52). 3 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (523 ff.); Beckmann, AbfallR 2012, 142 (145); ders., AbfallR 2010, 54 (58 f.); Dolde/Vetter, AbfallR 2011, 22 (26 ff.); Queitsch, AbfallR 2011, 30 (31); Glass, ZUR 2011, 275 (276); Frenz, UPR 2012, 210 (211); Hurst, UPR 2012, 216 (220); Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 ff. 4 Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates der EG v. 15.01. 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung. 5 Neubekanntmachung am 17.5. 2013 (BGBl. I S. 1274); s. dazu Braunewell, UPR 2011, 250 ff.; Jarass, NVwZ 2013, 169 ff.; Peine, UPR 2012, 15 ff.; Röckinghausen, UPR 2012, 161 ff.
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II. Die EU-rechtliche Vorgabe der Abfallhierarchie EU-rechtliche Grundlage der fünfstufigen Abfallhierarchie des KrWG ist Art. 4 AbfRRL. Die neue Hierarchie stellt sich sowohl mit Blick auf die weiter ausdifferenzierte Stufenfolge als auch auf die Anwendungsregelungen als Weiterentwicklung der bisherigen dreistufigen Hierarchie (Vermeidung – Verwertung – Beseitigung) dar.6 1. Anwendungsbereich der Abfallhierarchie Die Abfallhierarchie des Art. 4 AbfRRL wird sich nach Bekundung der EU-Kommission als „Eckstein der europäischen Abfallpolitik und -gesetzgebung“ angesehen7. Allerdings gilt sie – formal betrachtet – zunächst nur innerhalb des Anwendungsbereiches der AbfRRL. Abfälle, bzw. Stoffe und Gegenstände, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie nach Art. 2 AbfRRL nicht erfasst sind, fallen nicht unter die Hierarchievorgabe. Darüber hinaus gelten die Vorgaben auch nicht für Abfälle, die unter die Spezialvorschriften des EU-Rechts fallen. Die RL 2003/ 96/EG über Elektro- und Elektronikaltgeräte (WEEE), die RL 94/62/EG über Verpackungen, die RL 2006/66/EG über Batterien, sowie die RL 20000/53/EG über Altfahrzeuge haben insbesondere über eigene Wiederverwertungs- und Recyclingquoten spezifische Vorgaben festgelegt, in denen sich bereits eine „eigene“ Hierarchievorgabe niederschlägt. Die Vorgaben werden auch nicht von der AbfRRL überlagert, weil die AbfRRL und die o.g. RL aus dem Bereich der Produktverantwortung selbständig nebeneinander stehen.8 Die Umsetzung des spezifischen EU-Abfallrechts ist in Deutschland durch Sonderregelungen wie das ElektroG, die VerpackV, das BatterieG und das AltfahrzeugG erfolgt. Dies muss freilich nicht so bleiben, weil die EU-Organe ihrerseits zumindest politisch ebenfalls an die Vorgaben der AbfRRL gebunden sind. Nach Art. 4 Abs. 1 AbfRRL liegt die Abfallhierarchie „den Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen“ als Prioritätenfolge zugrunde. Auch wenn eine Richtlinie kraft ihrer Rechtsnatur zunächst an die Mitgliedstaaten adressiert ist (Art. 288 AEUV), so ergibt sich aus der offenen Formulierung des Art. 4 AbfRRL doch auch eine gewisse Selbstbindung der EU. Hierfür spricht zunächst der Erwägungsgrund 1, der der AbfRRL die Qualität eines „Rechtsrahmens“ zur Festlegung „wichtiger Grundsätze“ für die umweltverträgliche Bewirtschaftung von Abfällen insgesamt bescheinigt; der Erwägungsgrund 31, nach dem die Hierarchie „im allgemeinen eine Prioritätenfolge […] der besten abfallpolitischen Option abbildet“ lässt sich in diesem Zusammenhang auch als Leit6 s. dazu Art. 3 Abs. 1 der bisherigen AbfRRL; dazu Dieckmann, Abfallrecht in der EG (1994), S. 137; Epiney, in: Fluck/Frenz/Fischer/Franßen (Hrsg.), Kreislaufwirtschaftsrecht, RL 75/442/EWG, Rn. 26 ff. 7 Kommission, Guidance on the interpretation of key provisions of Directive 2008/98/EC on waste, Rn. 3. 8 s. dazu auch die Regelung über das Ende der Abfalleigenschaft und die Quotenvorgabe des Art. 6 Abs. 3 AbfRRL.
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linie für die Entwicklung der Abfallpolitik der EU verstehen.9 Die Abfallhierarchie wird daher ein entscheidender Maßstab für die Überarbeitung und Weiterentwicklung des EU-Abfallrechts sein. Dabei ist die Maßstabswirkung nicht auf das enge Abfallrecht beschränkt, sondern muss auch für das gesamte abfallbezogene Gemeinschaftsrecht gelten. Hierbei steht gegenwärtig vor allem die Energiepolitik im Fokus, die mit der ErneuerbareEnergien-Richtlinie10 die Weichen für eine massive Förderung der energetischen Verwertung von Biomasse (die überwiegend aus Abfällen besteht11) gestellt hat. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, ab 2020 mindestens 10 % des fossilen Kraftstoffbedarfs (ohne Flugverkehr) durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu ersetzen. Der dadurch erheblich gesteigerte Biokraftstoffbedarf hat bereits zu einer stärkeren Rohstoffnachfrage zur Biokraftstoffproduktion geführt. Zwar wird diese Entwicklung gegenwärtig mit Blick auf die klimaschädlichen Folgen (ILUC12) kritisch überprüft. Die von der Kommission geplante Förderung von Biokraftstoffen der „neueren Art“ (nur geringe Emissionsrelevanz aufgrund indirekter Landnutzungsänderungen) intendiert jedoch eine ganz erhebliche Zunahme der energetischen Verwertung von Bioabfällen – auf Kosten der stofflichen Verwertung und mit dem möglichen Effekt einer Erhöhung der Abfallmenge13. Es bestehen insoweit Zweifel, dass sich die EU bei ihrem Vorgehen überhaupt mit der Abfallhierarchie auseinandergesetzt hat.
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In diesem Sinne wohl Kommission, Guidance on the interpretation of key provisions of Directive 2008/98/EC on waste, Rn. 3. 10 RL 2009/28/EG v. 23.04. 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG. 11 Art. 2 e) RL 2009/28/EG: „,Biomasse‘ ist der biologisch abbaubare Teil von Erzeugnissen, Abfällen und Reststoffen der Landwirtschaft mit biologischem Ursprung (einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe), der Forstwirtschaft und damit verbundener Wirtschaftszweige einschließlich der Fischerei und der Aquakultur sowie der biologisch abbaubare Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten“. 12 ILUC steht für „Indirect Land Use Change“ und prüft die Umweltauswirkungen, die durch den Anbau von Energiepflanzen, insbesondere durch Landnutzungsumbrüche, indirekt entstehen können; s. dazu das Impact Assessment der Kommission (COM(2012) 595 final; SWD(2012) 344 final). 13 s. Annex IX des Kommissionsentwurfes v. 17.10. 2012 zur Änderung der RL 98/70/EG und der RL 2009/28/EG {SWD(2012) 343 final}{SWD(2012) 344: Um vermehrt Abfälle zur Biokraftstoffproduktion einzusetzen, die keine indirekte Landnutzungsänderung hervorrufen und nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren, ist eine 4-fache Anrechnung der energetischen Anteile der Biokraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen auf die Erfüllung der Biokraftstoffziele vorgesehen. Die Anreize sind so hoch, dass die Umleitung von Bioabfällen aus stofflichen Verwertungsverfahren erfolgt und sogar die absichtliche Produktion von Abfall zu befürchten ist.
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2. Die Festlegung der Stufenfolge Nach der Stufenfolge der Abfallhierarchie hat die Vermeidung von Abfällen oberste Priorität. Sie umfasst gemäß Art. 3 Abs. 12 AbfRRL jede Maßnahme, die ergriffen wird, bevor ein Stoff, Material oder Erzeugnis zu Abfall geworden ist und dazu dient, die Abfallmenge, die schädlichen Auswirkungen des Abfalls auf Mensch und Umwelt oder den Gehalt an schädlichen Stoffen in Materialien und Erzeugnissen zu verringern. Der Vermeidung nachgeordnet ist die Verwertung von Abfällen (Art. 3 Abs. 15 AbfRRL), die in drei hierarchische Unterstufen differenziert wird: Prioritäre Verwertungsart ist die „Vorbereitung zur Wiederverwendung“, die Maßnahmen der Prüfung, Reinigung oder Reparatur umfasst, bei denen Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wieder für denselben Zweck verwendet werden können, für den sie ursprünglich bestimmt waren (Art. 3 Abs. 16 AbfRRL). Zweitbeste Verwertungsart ist das „Recycling“, durch welches Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen oder für andere Zwecke aufbereitet werden. Eingeschlossen sind ausdrücklich auch Aufbereitungsmaßnahmen von organischen Materialien, nicht aber die energetische Verwertung und die Aufbereitung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder zur Verfüllung bestimmt sind (Art. 3 Abs. 17 AbfRRL). Nachrangige Verwertungsstufe bildet der Auffangtatbestand der „sonstigen Verwertung“, der insbesondere die energetische Verwertung und den Bergversatz umfasst. Die energetische Verwertung wird nicht eigenständig definiert, sondern in der o.g. Recyclingdefinition zur negativen Abgrenzung herangezogen. Der allen Optionen zugrunde liegende Verwertungsbegriff (Art. 3 Abs. 15 AbfRRL) ist weit definiert: In Übernahme der EuGH-Rechtsprechung14 werden hierunter alle Verfahren verstanden, als deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder der weiteren Wirtschaft zur Substitution von andernfalls benötigten Materialien verwendet werden. Auf die Schadstoffhaltigkeit des Abfalls oder den Vermischungsgrad kommt es nicht an. Erstmals kann daher auch die thermische Behandlung von Abfällen in Anlagen zur Verbrennung von festem Siedlungsabfall („Müllverbrennungsanlagen“) als energetische Verwertung anerkannt werden.15 Dies setzt allerdings eine hohe Energieeffizienz die-
14 Vgl. nur EuGH, C-6/00 „ASA“ (Rn. 69), C-228/00 – „Belgische Zementwerke“ (Rn. 45) und C-458/00 – „Luxemburg“ (Rn. 36); C-307/00 und 311/00 – „Oliehandel Koeweit“ (Rn. 97). 15 Dies war nach dem Urteil des EuGH C-458/00 – „Luxemburg“ bislang nicht möglich, da eine Zurechnung von Substitutionseffekten bei Drittanlagen – etwa durch Brennstoffeinsparungen bei Kraftwerken innerhalb des Fernwärmenetzes – nicht anerkannt wurde; vgl. dazu OVG Saarlouis, AbfallR 2003, 304; OVG Lüneburg, ZUR 2006, 268; VGH Mannheim, ZUR 2008, 43; und ZUR 2006, 439 sowie BVerwG, NVwZ 2007, 1083; Schink, AbfallR 2003, 106 ff.; Baars/Nottrodt, AbfallR 2003, 220 ff.; Schoch, DVBl. 2004, 69 ff.; Petersen, NVwZ 2004, 34 ff.; Herbert, NVwZ 2007, 617, 621 ff.
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ser Anlagen voraus.16 Berechnungsgrundlage hierfür ist die sog. R-1-Formel, nach welcher der im Abfall enthaltene Energieinput zur ausgekoppelten Energie (Strom und Wärme) ins Verhältnis gesetzt wird17. Wie bisher bildet die Abfallbeseitigung die letzte Hierarchiestufe. Sie wird – negativ – als jedes Verfahren definiert, das keine Verwertung ist, auch wenn das Verfahren zur Nebenfolge hat, dass Stoffe oder Energie zurück gewonnen werden. 3. Rechtscharakter und Bindungswirkung der Hierarchie Nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 AbfRRL „liegt“ die Hierarchie den Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen „zugrunde“, versteht sich also selbst als Zielnorm oder Geschäftsgrundlage.18 Die Mitgliedstaaten werden gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 1 AbfRRL verpflichtet, „bei Anwendung“ der Hierarchie Maßnahmen zur „Förderung der besten Umweltoption“ zu treffen. Sie sind damit an das durch die Hierarchie vorgegebene Ziel gebunden, nämlich an die „Anwendung“ der Stufenfolge als auch an die „Förderung der besten Umweltoption“. Bei der „Förderung“ wird ihnen daher ein weites Anwendungsermessen zugestanden, das ein Abweichen von der Hierarchie für bestimmte Abfallströme ausdrücklich einschließt.19 So sind nach Art. 4 Abs. 2 S. 5 AbfRRL bei Anwendung der Hierarchie stets die übergreifenden Umweltschutzgrundsätze der Vorsorge und Nachhaltigkeit zu beachten, um umweltpolitische Fehlsteuerungen zu vermeiden. Darüber hinaus sind auch gegenläufige Faktoren, wie die technische Durchführbarkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit der Maßnahme als auch deren soziale Folgen zu berück-
16 Vgl. Anlage 1 zum KrWG, dort Fn. 1 zum R1-Verfahren; zu den Hintergründen der Formel Petersen, ZUR 2007, 449 (455 ff.); ders., AbfallR 2008, 154 (158). 17 Zu den Einzelheiten: Leitlinien der Europäischen Kommission zur R1-Energieeffizienzformel in Anhang II von Richtlinie 2008/98/EG, 2011; s.a. Vollzugshinweise der LAGA v. Juli 2012. 18 So schon Vorgängervorschrift des Art. 4 der Richtlinie 75/442/EWG: EuGH, Urt. v. 26.4. 2005, C-494/01, Slg. 2005, I-3331, Rn. 168; Epiney, in: Fluck/Frenz/Fischer/Franßen (Hrsg.), Kreislaufwirtschaftsrecht, RL 75/442/EWG, Rn. 26 ff.; Reese, NVwZ 2009, 1073 (1077) kommt zu dem zutreffenden Ergebnis, dass „kaum damit zu rechnen ist, dass die Abfallhierarchie aus sich heraus durchschlagende Rechtswirkungen entfalten wird“; Hurst, AbfallR 2009, 159 (163) meint, „ein absoluter Geltungsanspruch ginge an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei und wäre praktisch nicht umsetzbar“. 19 Vgl. Begründung der BReg. zu § 6 in BT-Drs. 17/6052, S. 74; zur Reichweite von solchen Förderungsnormen im europäischen Umweltrecht, vgl. insbesondere die „Dosenpfand“Entscheidungen des EuGH: C-309/02 und C-463/01; Petersen, AbfallR 2008, 154 (156 f.); Buch, AbfallR 2009, 74 (75) und Faßbender, in: Faßbender/Köck (Hrsg.), Auf dem Weg in die Recyclinggesellschaft? – Aktuelle Entwicklungen im Abfallrecht, 2011, S. 33; a.A. wohl Versmann, in: v. Lersner/Wendenburg, Art. 4 AbfRRL, Rn. 21, der eine Abweichung nur zulassen will, wenn der Mitgliedstaat darlegt, dass eine solche nach dem „Lebenszyklusdenken“ gerechtfertigt ist.
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sichtigen.20 Ihre Bedeutung hängt vom zu schützenden Rechtsgut und dem Grad der Beeinträchtigung ab. Zu beachten sind darüber hinaus auch Aspekte des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.21 Im Zusammenhang mit dem Umsetzungsermessen stellt Art. 4 Abs. 2 S. 2 AbfRRL – als Spezialregelung – zudem klar, dass die Erreichung des Ziels der besten Umweltoption für bestimmte Abfallströme eine Abweichung von der Hierarchie sogar „erfordern“ kann, sofern diese nach dem „Lebenszyklusdenken“22 gerechtfertigt ist. Mit Blick auf die Formulierung des Abs. 1 („zugrunde liegen“) und dem weiten Abwägungsspielraum der Mitgliedstaaten nach Abs. 2 war der Rechtscharakter und damit auch die Bindungswirkung der Hierarchie bereits bei den Verhandlungen zur AbfRRL stark umstritten. Die Kontroverse zwischen den Anhängern einer flexibleren Lösung (eher unverbindliche „guideline“) und den Vertretern einer strikteren Hierarchie („guiding principle“) wurde durch die von der slowenischen Ratspräsidentschaft vorgeschlagene Kompromissformulierung „priority order“ allerdings nicht gelöst, sondern lediglich überdeckt23. Ganz unabhängig von der wenig eindeutigen Begrifflichkeit ist hinsichtlich der „Bindungswirkung“ allerdings wie folgt zu differenzieren: Die Umsetzung der Hierarchieregelung des Art. 4 AbfRRL ist den Mitgliedstaaten zweifellos vorgegeben („Anwendung“). Eine unmittelbare Bindung des Abfallerzeugers und -besitzers an die Hierarchie statuiert die AbfRRL jedoch nicht24 und verlangt dies auch nicht von den Mitgliedstaaten.25 Zwar wird die Hierarchie von einzelnen Regelungen der AbfRRL in Bezug genommen, die von den Mitgliedstaaten umzusetzen und damit letztlich dem Abfallerzeuger und -besitzer verbindlich aufzuerlegen sind. So verlangt etwa Art. 10 Abs. 1 AbfRRL von den Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, dass die Abfälle im Verwertungsverfahren „im Einklang mit den Art. 4 und 13 AbfRRL“ zu verwerten sind.26 Durch diese Inbezugnahme wandelt sich die abstrakte Hierarchievorgabe des Art. 4 AbfRRL jedoch nicht zu einer unmittelbar vom Erzeuger oder Besitzer zu erfüllenden Individualpflicht.27 Der eher programmatische Charakter der Hierarchie20
Reese, NVwZ 2009, 1073 (1077) bezeichnet diese Aspekte als „wichtige Relativierungen“ der Abfallhierarchie. 21 Petersen, AbfallR 2008, 154 (156 f.); ders., NVwZ 2009, 1063 (1066 f.). 22 Zum Lebenszyklusgedanken als methodischer Ansatz Versmann, in: v. Lersner/Wendenburg (Hrsg.), KrW-/AbfG, Art. 4 AbfRRL, Rn. 23. ff. 23 s. dazu Petersen, ZUR 2007, 449 (452 f.); ders., NVwZ 2009, 1063 (1066); Schink, AbfallR 2007, 50 (52); Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 f. 24 Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524); zustimmend Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (270); differenzierend Frenz, AbfallR 2011, 160 (164); ders., UPR 2012, 210. 25 Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524); Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (270); Beckmann, AbfallR 2010, 54, 56; Faßbender, AbfallR 2011, 165, 167. 26 Hierauf weist Versmann, in: v. Lersner/Wendenburg (Hrsg.), KrW-/AbfG, Art. 4 AbfRRL, Rn. 23. ff hin. 27 So auch die Kommission, Guidance on the interpretation of key provisions of Directive 2008/98/EC on waste, 2012, Rn. 3.4: „When implementing these provisions, member states
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regelung des Art. 4 AbfRRL selbst wird nämlich nicht verändert. Das in Art. 4 AbfRRL eingeräumte Ermessen der Mitgliedstaaten, die Vorgaben der Hierarchie adäquat gegenüber den Abfallerzeugern und -besitzern umzusetzen, bleibt vollständig erhalten. Vielmehr macht der Hinweis auf die operativen Regelungen der AbfRRL gerade deutlich, dass die Umsetzung der Abfallhierarchie angesichts der Vielfalt der Abwägungsanforderungen einer kohärenten Konzeption der einzelnen Mitgliedstaaten bedarf28, die auf die höchstmögliche Wirksamkeit der Regelungsvorgabe angelegt sein muss (effet utile).29 Leider enthält die AbfRRL zur operativen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten keine Vorgabe. Es gibt auch seitens der EU-Kommission keine hinreichende Hilfestellung, um die unbestimmten Rechtsbegriffe effizient anzuwenden oder das „Lebenszyklusdenken“ konkret zu verwirklichen.30 Klar ist jedoch, dass eine ungefilterte und „konzeptionslose“ Weitergabe der Hierarchieanforderungen auf die einzelnen Abfallerzeuger und -besitzer rechtlich kaum zulässig sein dürfte, da die Anwendung der Hierarchie allein aufgrund ihrer Komplexität erschwert oder gar vereitelt würde.
III. Die Umsetzung der Hierarchie im KrWG 1. Die Grundsatznorm des § 6 KrWG Entsprechend ihrem EU-rechtlich vorgegebenen programmatischen Rechtscharakter erfolgt die Umsetzung der EU-Abfallhierarchie im KrWG zunächst durch die Grundsatznorm des § 6 KrWG. Die Vorschrift legt neben den fünf Hierarchiestufen als abfallwirtschaftliche „Maßnahmen“ (§ 6 Abs. 1 KrWG) zugleich den Anwendungsmaßstab und die Abwägungskriterien fest. Nach § 6 Abs. 2 KrWG ist „ausgehend von der Rangfolge des Absatzes 1“ diejenige Maßnahme auszuwählen, die den „Schutz von Mensch und Umwelt“ unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips „am besten gewährleistet“. Basis der Auswahl ist daher zunächst die in § 6 Abs. 1 KrWG zugrunde gelegte Stufenfolge der Hierarchie31, die über die Verklammerung „Schutz von Mensch und Umwelt“ auch der Grundpflicht selbst zugrunde liegt.32 Die darauf aufbauende Auswahl der auf den Abfall bezogenen konkreten Maßnahme erfolgt unter Betrachtung der Auswirkungen der jeweiligen Maßnahme auf Umwelt und Gesundheit, die sich auf den gesamten Lebenszyklus eines authorities should therefore also consider how to bring the waste hierarchy into effective application in this context“. 28 Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79, Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524); in der Sache auch Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (270, 275). 29 s. dazu Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 19 EUV, Rn. 15. 30 s. Kommission, Guidance on the interpretation of key provisions of Directive 2008/98/ EC on waste, 2012, Rn. 35. 31 So auch Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (273). 32 Dies übersehen Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (273).
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Stoffes erstreckt (insbesondere Emissionen, das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen, die einzusetzende oder zu gewinnende Energie sowie die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen). Neben den Umweltaspekten sind bei der Auswahl der Maßnahme die technische Möglichkeit, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und deren sozialen Folgen zu beachten.33 Bereits die Grundsatznorm strahlt – genau wie § 1 KrWG – auf alle relevanten Vorschriften des KrWG aus.34 2. Die Umsetzung durch dynamische Grundpflichten Die verbindliche Umsetzung der Hierarchie gegenüber den Abfallerzeugern und -besitzern erfolgt über dynamische Grundpflichten. Die Etablierung unmittelbar wirkender Grundpflichten geht über die Vorgabe der AbfRRL weit hinaus. Die Abfallvermeidung wird durch § 7 Abs. 1 KrWG einerseits über die Verweisungsnorm des § 13 KrWG auf die immissionsschutzrechtliche Abfallvermeidungsgrundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, andererseits auf den Bereich der Produktverantwortung (§ 23 i.V.m. §§ 24 und 25 KrWG) fokussiert.35 Der in die drei Verwertungsstufen differenzierte Bereich der Verwertung wird durch die Verwertungsgrundpflicht des § 7 Abs. 2 i.V.m. § 8 KrWG umgesetzt. Die letzte Stufe der Beseitigung wird – wie nach dem bisherigen KrW-/AbfG – durch die Pflicht zur gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung nach § 15 KrWG umgesetzt.36 a) Die Grundpflicht der Abfallverwertung Nach der Verwertungsgrundpflicht hat die Verwertung gemäß § 7 Abs. 3 KrWG ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen, ist aber gemäß § 7 Abs. 4 KrWG durch die Grenze der technischen Möglichkeit und wirtschaftlichen Zumutbarkeit limitiert.37 Die nach der Abfallhierarchie gebotene Auswahl der einzelnen Verwertungsmaßnahmen (Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung) wird durch § 8 KrWG vorgeben.38 Abfallerzeuger und -besitzer haben in strenger Ausrichtung an der Abfallhierarchie (s. o. § 6 Abs. 2 KrWG „ausgehend von der Hierarchie“)39 diejenige Verwertungsmaßnahme zu wählen, die den „besten Schutz von
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Vgl. Begründung der BReg. zu § 6 in BT-Drs. 17/6052, S. 78. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524). 35 Vgl. Begründung der BReg. zu § 7 in BT-Drs. 17/6052, S. 78. 36 Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524). 37 Vgl. Begründung der BReg. zu § 7 in BT-Drs. 17/6052, S. 78; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524). 38 Vgl. Begründung der BReg. zu § 7 in BT-Drs. 17/6052, S. 78; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524). 39 Zur Weiterleitung dieser Grundorientierung der Grundpflicht kritisch Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (273); wie hier BDI, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts, 15.09. 2010. 34
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Mensch und Umwelt“ gewährleistet.40 Hierfür sind alle in § 6 Abs. 2 S. 1 KrWG genannten Kriterien maßgeblich.41 Sofern mehrere Verwertungsmaßnahmen nach den Hierarchiekriterien gleichwertig sind, besteht für den Abfallerzeuger und -besitzer nach § 8 Abs. 1 S. 2 KrWG ein Wahlrecht. Ein Gleichrang ist mit Blick auf die EU-rechtlich vorgegebene Ökobilanzierung der verschiedenen Verwertungsarten durchaus praxisrelevant.42 Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Behörde – unbeschadet der umstrittenen These von der Regelfallgeltung der Hierarchie (s.u.) – beim Erlass von Anordnungen nach § 62 KrWG die Darlegungs- und Beweislast für den von ihr favorisierten Verwertungsweg der „besten Umweltoption“ trägt.43 Non-liquet-Situationen sind dabei keineswegs ausgeschlossen. Unabhängig von der Auswahl der Verwertungsmaßnahme ist der Abfallerzeuger nach § 8 Abs. 1 S. 3 KrWG allerdings verpflichtet, die konkrete Verwertungsmaßnahme möglichst hochwertig auszugestalten. Bei dem Hochwertigkeitsgebot handelt es sich um eine eigenständige Rechtspflicht.44 Das Gebot zur Auswahl der besten Verwertungsmaßnahme wie auch das Hochwertigkeitsgebot stehen jedoch unter dem Vorbehalt der technischen Möglichkeit und wirtschaftlichen Zumutbarkeit. b) Konkretisierungsgebot des Verordnungsgebers Angesichts der Komplexität der Auswahl- und Optimierungsvorgaben setzt das KrWG bei der verbindlichen Umsetzung der Hierarchie gegenüber Erzeugern und Besitzern auf konkretisierende stoffstromspezifische Rechtsverordnungen, die in § 8 Abs. 2 KrWG eine anspruchsvolle Ermächtigungsgrundlage haben.45 Bereits das geltende Verordnungsrecht des KrW-/AbfG enthält eine Vielzahl stoffbezogener Vorgaben für die Verwertungsarten. Da der Verordnungsgeber nach § 8 Abs. 2 KrWG jedoch nicht nur ermächtigt, sondern sogar verpflichtet ist, den Vorrang 40 Kritisch zur Etablierung einer Grundpflicht unter Hinweis auf die Komplexität Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (274); dabei wird allerdings nicht gewürdigt, dass das VO-Konzept und die Heizwertklausel (§ 8 Abs. 2 und 3 KrWG) als Vollzugshilferegelung gerade diese Komplexität bewältigen sollen. 41 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524). 42 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524); kritisch zur Vorstellbarkeit eines „exakten“ Gleichranges BDELeitfaden, Das neue KrWG in der Praxis, 2012, S. 12. 43 Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (273); zur Darlegungslast s. bereits Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 189; dazu Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24 Rn. 55; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24 Rn. 48. 44 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524); kritisch Versteyl, in: Versteyl/Mann/Schomerus, § 8 Rn. 13; a.A allerdings ders., NdsVBl 2001, 25 ff.; zur Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 2 S. 3 KrW-/AbfG für den Charakter einer Rechtspflicht Petersen, NVwZ 1998, 1113 (1117); Frenz, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 30; von Lersner/Wendenburg, KrW-/AbfG, § 5 Rn. 6 m.w.N. 45 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (525).
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oder Gleichrang einer Verwertungsmaßnahme anzuordnen und auch die Anforderungen an das Hochwertigkeitsgebot näher auszugestalten, müssen die bestehenden Verordnungen zeitnah anhand der Hierarchievorgaben überprüft und gegebenenfalls ergänzt werden.46 Ein Leitbild für zukünftige Rechtsverordnungen ist dabei der Gedanke der sog. „Kaskadennutzung“. Nach diesem Modell durchläuft ein Abfall hintereinander geschaltete stoffliche und anschließende energetische Verwertungsmaßnahmen und kann so in seinem Ressourcenpotential umfassend genutzt werden.47 Das Bundesumweltministerium führt derzeit eine Evaluierung des aktuell bestehenden abfallrechtlichen Gesetzes- und Verordnungsrechts anhand der Hierarchievorgabe durch. Eine Prüfung der Hierarchievorgaben, insbesondere des Rangverhältnisses zwischen stofflicher und energetischer Verwertung fand (vor Inkrafttreten der AbfRRL) bereits bei der Erarbeitung der AltholzVO statt und bildete die Grundlage der Verfahrenszuweisungen. Eine vollständige Umsetzung der EU-Abfallhierarchie hat im Übrigen auch die AltölVO vollzogen. Die Regelungen zur Entsorgung von Altöl, insbesondere der relative Vorrang für die Aufbereitung, d. h. das Recycling von Altölen nach § 2 Absatz 1 AltölVO, sowie – ergänzend – die Mineralölbesteuerung nach dem EnergieStG, stellen eine ordnungsgemäße Umsetzung der EU-Abfallhierarchie dar. Dies hat die Kommission im Zusammenhang mit einer von der Altölwirtschaft veranlassten Beschwerde unlängst bestätigt.48 Darüber hinaus bestehen für einige Abfallströme (Verpackungen, Batterien, Elektro- und Elektronikaltgeräte, Altautos) bereits eigenständige „Hierarchievorgaben“, die aber nicht auf die Vorgabe des Art. 4 AbfRRL zurückgehen, sondern auf eigenständigem EU-Recht basieren (s. o.). Teilweise wird die Umsetzung der Hierarchie auch auf freiwillige Selbstverpflichtungen gegründet, wie etwa für das Recycling von graphischen Papieren. Ziel der o.g. Verpflichtung war es, das Recycling stufenweise auf 60 % im Jahr 2000 zu steigern. 2011 lag die Recyclingquote im Verpackungsbereich bereits bei 91,2 %, bei graphischen Papieren bei über 80 %. In diesem Bereich stellt sich daher die Frage, ob es einer VO zur „Förderung“ der besten Umweltoption gem. Art. 4 Abs. 1 AbfRRL noch bedarf. Ein Schwerpunkt der Prüfung bildet schon angesichts des großen Mengenstroms gegenwärtig die GewAbfVO. Die dort bereits normierten Getrennthaltungspflichten bilden eine geeignete Grundlage für eine Fortentwicklung der Hierarchievorgaben. c) Der Heizwert als Auffang- und Übergangsregelung Allerdings können nicht für alle relevanten Abfallarten kurzfristig Verordnungen erlassen werden.49 Um Erzeuger und Besitzer sowie Behörden bei der komplexen 46
Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524). Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524). 48 Mitteilung der KOM über die Einstellung des Pilotverfahrens gegen Deutschland 2937/ 12/ENVI v. 10.07. 2012. 49 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79. 47
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Auswahlentscheidung zu entlasten, gibt § 8 Abs. 3 KrWG für die praktisch bedeutsame Frage des Verhältnisses zwischen energetischer Verwertung und den stofflichen Verwertungsarten eine wichtige Hilfestellung. Danach wird die stoffliche und energetische Verwertung grundsätzlich als gleichwertig angesehen, wenn der Heizwert des einzelnen Abfalls ohne Vermischung mit anderen Stoffen mindestens 11 000 kJ/kg beträgt. Die Regelung ist einerseits Auffangnorm für alle Abfälle, die verordnungsrechtlich noch nicht geregelt sind, andererseits aber auch eine Übergangsregelung, denn der Heizwert diente schon nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG der Bestimmung des Rangverhältnisses zwischen energetischer und stofflicher Verwertung.50 Er hat sich als praktikables vollzugstaugliches Abgrenzungskriterium bewährt und zu einer erheblichen Stärkung des Recyclings beigetragen. Der Heizwert für den einzelnen unvermischten Abfall soll verhindern, dass niederkalorische Abfälle, deren Verbrennung keinen relevanten Beitrag zur Ressourcenschonung liefert und damit nicht als vorzugswürdige Umweltoption angesehen werden kann, energetisch verwertet werden. Abfälle, die nicht den erforderlichen Heizwert aufweisen, sind danach grundsätzlich entweder stofflich zu verwerten oder – gegebenenfalls nach vorheriger Sortierung des Gemisches als separierte hochkalorische Fraktionen – energetisch zu verwerten. Die Regelung dient damit nicht nur dem Schutz stofflicher Verwertungsverfahren vor konkurrierenden „niederwertigen“ energetischen Verwertungsverfahren, sondern auch der Effizienzsteigerung der energetischen Verwertung selbst.51 Zudem wird der Heizwert bis zur Vervollständigung des Verordnungsrechts einen bruchlosen Übergang in die neue Rechtslage ermöglichen.52 Mit Blick auf den Übergangscharakter des Heizwertes wurde deshalb im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens in § 8 Abs. 3 S. 2 KrWG die Verpflichtung der Bundesregierung aufgenommen, bis zum 31. Dezember 2016 auf der Grundlage der abfallwirtschaftlichen Entwicklung zu prüfen, ob und inwieweit der Heizwert zur effizienten und rechtssicheren Umsetzung der Abfallhierarchie des § 6 Abs. 1 KrWG noch erforderlich ist. Der Heizwert des neuen KrWG wird allerdings dynamisiert, denn seine Einhaltung indiziert die Gleichwertigkeit der energetischen Verwertung lediglich als widerlegliche Vermutung. Die Behörden haben daher die Möglichkeit, die Vermutungswirkung des Heizwertes zu durchbrechen und Recyclingmaßnahmen anzuordnen.53
50 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (525). 51 Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 80. 52 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 80; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (525). 53 Vgl. Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 80; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (525).
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IV. Die Umsetzungskonzeption in der Kritik Die Umsetzung der Abfallhierarchie durch das KrWG ist indessen auf Kritik gestoßen, die insbesondere an der Heizwertregelung des § 8 Abs. 3 KrWG ansetzt.54 Neben den Umweltverbänden55 hat sich der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser und Rohstoffwirtschaft (BDE)56 mit Beschwerden an die EU-Kommission57 gewandt, im Notifizierungsverfahren hat darüber hinaus auch Österreich Einwände erhoben58. Auch die Kommission selbst hat kritisch nachgefragt59, die Bundesregierung befindet sich derzeit mit ihr in einem Dialog. 1. Der politische und wirtschaftliche Hintergrund der deutschen Diskussion Interessant ist der Hintergrund der Beschwerde des BDE. Es geht weniger um den bestmöglichen Ressourcenschutz als – wieder einmal – um den „Kampf um den Abfall“ zwischen privater und kommunaler Entsorgungswirtschaft. Der BDE führt gemeinsam mit andern Verbänden der Entsorgungswirtschaft (insb. bvse60) und der Wirtschaft (BDI, DIHK) seit langem politische Klage gegen die kommunalen Überlassungspflichten für Haushaltsabfälle, die neben dem klassischen gemischten Hausmüll auch getrennt gehaltene Abfallfraktionen des Haushalts, wie Altpapier, Bioabfälle und Altglas erfassen (§ 17 Abs. 1 KrWG). Erklärtes Ziel der Wirtschaft ist es, die kommunalen Überlassungspflichten auf gemischte Haushaltsabfälle und Abfälle zur Beseitigung zu reduzieren.61 Um seiner EU-Beschwerde umweltpolitisch Nachdruck zu verleihen, hat der BDE in seinem Schreiben einen „kollusiven Zusammenhang“ zwischen den vom Gesetzgeber begangenen „Verstößen gegen die Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit“ und der „defizitären“ Umsetzung der Abfallhierarchie konstruiert.62 Die Umsetzung der Hierarchie im KrWG ziele vor allem darauf ab, 54
Vgl. Beckmann, AbfallR 2012, 142 (145); ders., AbfallR 2010, 54 (58 f.); Dolde/Vetter, AbfallR 2011, 22 (26 ff.); Queitsch, AbfallR 2011, 30 (31); Glass, ZUR 2011, 275 (276); Frenz, UPR 2012, 210 (211); Hurst, UPR 2012, 216 (220); Versteyl in Versteyl/Mann/Schomerus KrWG § 6 Rn. 36 ff. 55 Beschwerdeschreiben der Deutschen Umweltverbände DNR, NABU, BUND, DUH bfub, v. 27.04. 2012. 56 Beschwerdeschreiben des BDE v. 06.04. 2012, S. 76 ff. 57 Suhl, AbfallR 2012, 214 ff. (Hinweis: Suhl ist Referent des BDE). 58 Bemerkungen der Republik Österreich SG(2011) D/51410. 59 Bemerkungen der Europäischen Kommission (SG(2011) D/51545). 60 Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. 61 Zur Kontroverse s. nur Petersen/Stöhr/Doumet, NVwZ 2012, 521 (525 ff.); Petersen, NVwZ 2009, 1063 (1069 f. m.w.N.); vgl. dazu die Stellungnahme der Verbände BDE vom 14.09. 2010 und des bvse vom September 2010 zum Referentenentwurf,; s. auch Hurst, AbfallR 2010, 180 ff.; Dieckmann, AbfallR 2009, 270 ff. 62 s. dazu das o.g. Beschwerdeschreiben des BDE v. 06.04. 2012, das sich zunächst gegen die Ausgestaltung der Überlassungspflichten wendet (S. 5 ff.). Auf S. 24 wird dem deutschen
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den Kommunen „den wirtschaftlichen Betrieb ihrer überdimensionierten Verbrennungsanlagen zu ermöglichen“.63 Bemerkenswert dabei ist, dass sich der bvse, der sich bei der EU-Kommission ebenfalls über die kommunalen Überlassungspflichten beschwert hat, von dieser Argumentation deutlich distanziert. Dies zu Recht, basiert die Argumentation des BDE doch sowohl auf einer unzutreffenden rechtlichen Prämisse als auch einer unzutreffenden Tatsachenbehauptung: Zum einen sind die ÖRE nach § 20 Abs. 1 KrWG dem Recyclingvorrang und der Abfallhierarchie in gleicher Weise verpflichtet, wie die privaten Entsorgungsunternehmen. Zum anderen handelt es sich bei MVA auch nicht um Anlagen „der Kommunen“, denn nur etwa ein Drittel der MVA befindet sich überhaupt in öffentlicher Hand.64 Mit der Beschwerde gegen die Hierarchie verfolgt der BDE allerdings noch ein zweites Ziel: Die private Entsorgungswirtschaft erhofft sich über einen strikten Recyclingvorrang vor allem lukrative Entsorgungsaufträge – die allerdings von industriellen und gewerblichen Abfallerzeugern zu bezahlen sind. Dies hat dem BDE allerdings eine neue Frontstellung gegenüber Industrieverbänden eingebracht. Diese haben zwar genau wie der BDE Vorbehalte gegen die kommunalen Überlassungspflichten (s. o.), lehnen die vom BDE geforderte kategorische Recyclingvorgabe jedoch ab. Entgegen der ansonsten üblichen Allianzbildung innerhalb der privaten Wirtschaft haben sich die Industrieverbände beim Thema Hierarchieumsetzung BDI, VCI und DIHK nachdrücklich für die Position der Bundesregierung ausgesprochen.65 2. Kein Verstoß gegen die Definitionen oder die Rechtsprechung des EuGH Anknüpfungspunkt der Kritik ist zunächst die angeblich durch § 8 Abs. 3 KrWG geschaffene „faktische Gleichstellung“ von energetischen und stofflichen Verwertungsverfahren.66 Dabei wird zum einen moniert, die Regelung „widerspreche der Definition des Recyclings des Art. 3 Nr. 17 AbfRRL“.67 Diese Kritik ist nicht nachvollziehbar, denn die Hierarchievorschriften enthalten keine eigenen Definitionen, Gesetzgeber vorgeworfen, „den kommunalen Interessen an der Auslastung ihrer Anlagen auch bei der Umsetzung der von der AbfRRL vorgegebenen Abfallhierarchie Rechnung getragen (haben), indem er die Möglichkeit zur Verbrennung von an sich zur stofflichen Verwertung geeigneten Abfällen ausweitet“. 63 Beschwerdeschreiben des BDE v. 06.04. 2012, S. 24. 64 Etwa 34 % der Anlagen (6,7 Mio Mg/a) werden von öffentlichen Unternehmen, 35 % (6,1 Mio Mg/a) von privaten Unternehmen, 35 % der Anlagen (6,85 Mio Mg/a) von gemischtprivatwirtschaftlichen (PPP) Gesellschaften betrieben, s. PROGNOS, Eigenrecherchen und -berechnungen, 2008. 65 s. die positiven Stellungnahmen zur Hierarchieumsetzung von BDI (13.5. 2011), VCI (15.09. 2010) und DIHK (20.09. 2010) sowie das Schreiben des VCI-Präsidenten an Kommissar Potocnik v. 26.06. 2012. 66 Beschwerdeschreiben des BDE v. 06.04. 2012, S. 78 ff.; Bemerkungen der Republik Österreich SG (2011) D/51410; Suhl, AbfallR 2012, 214 ff. 67 Suhl, AbfallR 2012, 214 ff.
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sondern nehmen in § 6 Abs. 1 Nr. 3 KrWG die sich mit der AbfRRL deckende Definition des Recyclings (§ 3 Abs. 25 KrWG) gerade in Bezug. Ebenso wenig ist in der Umsetzung ein „Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH“ zu erkennen.68 Der EuGH hat in seiner Entscheidung „Belgische Zementwerke“ in der Rechtssache C-228/00 – zu Recht – klargestellt, dass der Heizwert der Abfälle „kein zulässiges Abgrenzungskriterium zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung“ ist.69 Die Hierarchiebestimmungen – insbesondere auch der Heizwert70 – enthalten jedoch keine „Abgrenzungsbestimmungen“, sondern steuern die unterschiedlichen Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen gerade auf Basis der EU-konformen Definitionen (§ 3 Abs. 23 und 26 KrWG). Die Kritik vermischt somit die Frage der Definition mit der Frage der Zulässigkeit einer energetischen Verwertung. Noch weniger nachvollziehbar ist der Vorwurf Österreichs, dass durch die – angebliche – Gleichstellung zwischen Recycling und energetischer Verwertung Recyclingquotenvorgaben der AbfRRL verletzt würden.71 Die vorliegend relevanten Quotenvorgaben des Art. 11 Abs. 2 AbfRRL für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Papier, Metall, Kunststoff und Glas aus Haushalten sowie für die Verwertung von nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfällen werden durch § 14 Abs. 2 und 3 KrWG richtlinienkonform umgesetzt. Die dort verwandten Begriffe der „Vorbereitung der Wiederverwertung“ und des „Recyclings“ werden durch die EU-konformen Definitionen des § 3 Abs. 24 und 25 KrWG bestimmt. Die Heizwertregelung des § 8 Abs. 3 KrWG ist für die Berechnung der Verwertungsquoten irrelevant. 3. „Regelfallgeltung“ der Hierarchie? Mehr Gewicht ist allerdings der – auch von der Kommission geäußerten – Kritik beizumessen, dass die Regelung des § 8 Abs. 3 KrWG in Widerspruch zu den Ausnahmemöglichkeiten des Art. 4 Abs. 2 AbfRRL stehe, der Abweichungen nur für „bestimmte Abfallströme“ und nur in Fällen gestatte, die durch „Lebenszyklusdenken“ hinsichtlich der gesamten Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung dieser Abfälle gerechtfertigt seien.72 Die Kritik basiert auf der Prämisse, dass die Stufenfolge der Abfallhierarchie eine Regelfallgeltung beanspruche, also grundsätzlich 68 Beschwerdeschreiben des BDE v. 06.04. 2012, S. 80; Bemerkungen der Republik Österreich SG(2011); Suhl, AbfallR 2012, 216. 69 EuGH C-228/00 Rn. 47: „Erfüllt die Verwendung von Abfällen als Brennstoff die in den Randnummern 41 bis 43 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen, fällt sie somit unter das in R 1 des Anhangs II B der Richtlinie genannte Verwertungsverfahren, ohne dass andere Kriterien wie der Heizwert der Abfälle, der Schadstoffgehalt der verbrannten Abfälle oder die Frage der Vermischung der Abfälle herangezogen werden dürften“. 70 § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG ist als Zulässigkeitsnorm für die energetische Verwertung weder durch das Urteil Belgische Zementwerke, EuGH C-228/00, noch durch die neuen Verwertungsdefinition der AbfRRL berührt; vgl. dazu Petersen, NVwZ 2004, 34 (37); zustimmend Herbert, NVwZ 2007, 617 (622). 71 Bemerkungen der Republik Österreich SG(2011) D/51410 Nr. 4. 72 Mitteilung der KOM- SG (2011) D/5145; b); s.a. Suhl, AbfallR 2012, 216.
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zu befolgen sei, da sie im Regelfall vorgebe, was ökologisch die beste Umweltoption sei. Die Argumentation greift jedoch zu kurz. Die „Ausnahmeregelung“ ist nicht isoliert zu betrachten, sondern steht in einem systematischen wie funktionalen Zusammenhang mit dem Anwendungsermessen der Mitgliedstaaten. Sie ist lediglich eine spezialgesetzliche Ausprägung des mitgliedstaatlichen Gestaltungsauftrages des Art. 4 Abs. 2 S. 1 AbfRRL, legt den Spielraum der Mitgliedstaaten aber nicht abschließend fest.73 So normiert selbst Art. 4 Abs. 2 S. 2 AbfRRL die Abweichungsgründe keineswegs abschließend. Die Regelung formuliert, dass die Anwendung der Hierarchie „erfordern kann“, dass bestimmte Abfallströme von der Hierarchie abweichen, sofern dies durch Lebenszyklusdenken gerechtfertigt ist. Bei negativen „Lebenszyklusergebnissen“ ist die Abweichung von der Hierarchie daher nicht lediglich zweckmäßig, sondern sogar geboten. Die Richtlinie hält offensichtlich eine Abweichung auch in anderen Konstellationen für möglich. Erwägungsgrund 31 der AbfRRL stellt insoweit zutreffend fest, dass ein Abweichen von der Hierarchie „erforderlich sein kann, wenn Gründe, wie etwa die technische Durchführbarkeit oder wirtschaftliche Vertretbarkeit und der Umweltschutz dies rechtfertigen“. Selbst diese Aufzählung ist lediglich beispielhaft („wie etwa“). Bei systematischer Betrachtung der Gestaltungskriterien des S. 4 kann eine Abweichung von der Hierarchie etwa auch mit Blick auf die „sozialen Folgen“ „erforderlich“ sein.74 Es lässt sich auch nicht vertreten, dass bereits die Hierarchie ihrerseits „im Regelfall“ die beste Umweltoption vorgebe. Der 31. Erwägungsgrund spricht lediglich davon, dass die Hierarchie „im Allgemeinen eine Prioritätenfolge dafür festlegt, was ökologisch gesehen die insgesamt beste abfallrechtliche und abfallpolitische Option ist“; geht daher nicht von einer Regelvermutung aus. Der Leitfaden des JRC/ies/KOM formuliert deutlich zurückhaltender, dass bei der Hierarchie die Aspekte des LCT „implizit“ berücksichtigt worden seien, und dass die Hierarchie „in vielen Fällen“ – also keinesfalls „allgemein“ – zu positiven Umweltergebnissen führe.75 Der Vollzug eines strikten Regel-Ausnahme-Schemas ist in der Richtlinie daher nicht angelegt. Noch weniger ist es geboten, dass der Mitgliedstaat die „Abweichung“ auf bestimmte Abfallströme verengt. Die Hierarchie und ihre Umsetzung stehen vielmehr insgesamt unter dem Vorbehalt der oben genannten ökologisch-ökonomisch-sozialen Optimierung. Es ist daran zu erinnern, dass sogar die Kommission 73 Vgl. Begründung der BReg. zu § 6 in BT-Drs. 17/6052, S. 74; zur Reichweite von solchen Förderungsnormen im europäischen Umweltrecht, vgl. insbesondere die „Dosenpfand“Entscheidungen des EuGH C-309/02 und C-463/01; Petersen, AbfallR 2008, 154 (156 f.); Buch, AbfallR 2009, 74 (75) und Faßbender, in: Faßbender/Köck (Hrsg.), Auf dem Weg in die Recyclinggesellschaft? – Aktuelle Entwicklungen im Abfallrecht, 2011, S. 33; a.A. wohl Versmann in v. Lersner/Wendenburg Art. 4 AbfRRL Rn. 21, der eine Abweichung nur zulassen will, wenn der Mitgliedstaat darlegt, dass eine solche nach dem „Lebenszyklusdenken“ gerechtfertigt ist. 74 Vgl. auch Kommission, Guidance on the interpretation of key provisions of Directive 2008/98/EC on waste (2012), Rn. 3.3. 75 Supporting environmental sound decisions in waste management – A guide to life cycle thinking in Waste Management for policy-makers and business, S. 4.
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selbst in ihrem eigenen Vorschlag von verbindlichen Festlegungen einer Hierarchie gänzlich abgesehen hatte76 und sich in den weiteren Verhandlungen gegen diesbezügliche Vorschläge als „zu schematisch“ ausgesprochen hatte. 4. „Effet utile“ und das Erfordernis einer Umsetzungskonzeption Eigentliches Ziel der „Anwendung“ der Hierarchie (Art. 4 Abs. 1 AbfRRL) durch Mitgliedstaaten ist es, Abfallerzeuger und –besitzer im konkreten Einzelfall dazu zu veranlassen, nur solche Entsorgungsmaßnahmen durchführen, die sich aus Sicht des Umweltschutzes – unter Berücksichtigung der anderen in Art. 4 Abs. 2 AbfRRL genannten Aspekte – als die „beste Option“ darstellen.77 Eine bloße „Regelfallgeltung“ stellt dies nicht sicher. Zum einen ist nicht definiert, was der „Regelfall“ ist. Zum anderen muss der Mitgliedstaat auch für die „Ausnahmefälle“ sicherstellen, dass die Entsorgungsmaßnahmen der besten Umweltoption entsprechen. Die beste Option kann nicht im Wege eines kontradiktorischen Verfahrens zwischen Behörde und Abfallerzeuger ausgehandelt, bzw. im Hin- und Herpendeln zwischen Regelfallgeltung und Ausnahmeerteilung ermittelt werden. Insbesondere darf die Bestimmung der als zentrales Ziel der Hierarchieanwendung bezeichneten „besten Umweltoption“ nicht im Wege einer Beweislastumkehr auf den betroffenen Abfallerzeuger verlagert werden. Diese Aufgabe trifft die Verwaltung des Mitgliedstaates. Die Kriterien sind im Übrigen auch so abstrakt, dass der einzelne Abfallbesitzer nicht absehen kann, unter welchen Umständen er von der Hierarchie abweichen darf. Für ihn ist weder erkennbar, welche der Optionen „im Einzelfall das beste Ergebnis des Umweltschutzes“ erbringt, noch was ein „Lebenszyklusdenken hinsichtlich der gesamten Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung dieser Abfälle“ bedeutet. Bei einer „Regelfallgeltung“ sind daher zwei Szenarien zu befürchten: Zum einen könnte die unklare Rechtslage kleine und mittelständische Abfallerzeuger aus Sorge vor behördlichen Sanktionen dazu veranlassen, „sicherheitshalber“ die Hierarchie einzuhalten, obwohl im Einzelfall eigentlich eine Abweichung nicht nur erlaubt, sondern in vielen Fällen sogar geboten wäre. Zum anderen könnten sich wirtschaftlich solvente Unternehmen veranlasst sehen, die abstrakten Kriterien – gestützt auf eigene Ökobilanzen und Gutachten – zu ihren eigenen Gunsten auszulegen. Dies könnte von der Behörde nur mit Hilfe noch aufwändigerer Ökobilanzen und Gegengutachten korrigiert werden.78 Ohne eine Klärung der Rechtsunsicherheiten und Konkretisierung der Vorgaben ist eine Zielverfehlung des Art. 4 AbfRRL daher vorprogrammiert.79 76 Vgl. dazu Art. 1 Abs. 2 des Vorschlags der KOM v. 21.12. 2005 (KOM 2005/667 endg.– 2005/0281 (COD)). 77 s. Kommission, Guidance on the interpretation of key provisions of Directive 2008/98/ EC on waste (2012), Rn. 3.4. 78 Daher ist auch die Erwägung von Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (276) wenig zielführend, eine gesetzliche Regelfallgeltung für die Rangfolge zu statuieren, die Behörde aber zu ermächtigen, eine „Abweichung von der Abfallhierarchie“ für bestimmte Ab-
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So steht der Grundsatz, eine Richtlinie möglichst effektiv umzusetzen (effet utile) einer unmittelbaren Anwendung der Abfallhierarchie gegenüber dem Abfallbesitzer im Sinne einer Regelfallgeltung gerade entgegen. Es handelt sich bei Art. 4 AbfRRL um ein abstraktes, von den Mitgliedstaaten der Gesetzgebung verbindlich zu Grunde zu legendes Regelungskonzept, das zu seiner Umsetzung eines mitgliedstaatlichen Konkretisierungs- und Transformationsaktes bedarf.80 Erst hierdurch kann die Abfallhierarchie effektiv umgesetzt werden. Es ist insoweit bemerkenswert, dass ausgerechnet Österreich die deutsche Umsetzung kritisiert.81 Das österreichische Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) hat Art. 4 AbfRRL nahezu wortgleich in § 1 AWG („Ziele und Grundsätze“) übernommen, wobei die Stufenfolge in Abs. 1 und die Anwendungsleitlinie in Abs. 2 abgebildet werden. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 AWG hat der Abfallbesitzer bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang zwar die „Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 (AWG)“ zu beachten. Ob und inwieweit ein Erzeuger überhaupt unmittelbar an abstrakte Ziele und Grundsätze gebunden werden kann, erscheint mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (der vermutlich auch in Österreich gelten dürfte) fraglich. Zweifelhaft ist jedoch vor allem, wie er in der Praxis mit den komplexen – da eigentlich nur an die Mitgliedstaaten adressierten – Anwendungsvorgaben umgehen soll. Eine effektive Anwendung der Hierarchie dürfte damit kaum gewährleistet sein.82 Man darf gespannt darauf sein, wie die Kommission die österreichische „Umsetzung“ bewertet.
V. Auswirkungen der Abfallhierarchie auf das Anlagenzulassungsrecht Von den Kritikern der Hierarchieumsetzung wird schließlich vollständig übersehen83, dass die im KrWG vorgesehene Ausgestaltung der Abfallhierarchie nicht nur für die Abfallwirtschaft, sondern auch für das Anlagenzulassungsrecht relevant ist.
fallströme zuzulassen. Allerdings konzedieren die Autoren zugleich zu Recht, dass damit das Problem vollständig auf die überforderten Behörden verlagert würde (Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (276)). 79 Zutreffend insoweit auch die Bedenken von Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (274); die Autoren halten die Regelungen des KrWG für zu streng, die Kritik an der Regelung des KrWG übersieht allerdings, dass das KrWG den Vollzugsproblemen durch die VO-Konkretisierung und die Heizwertregelung des § 8 Abs. 2 und 3 gerade Rechnung trägt. 80 Begründung der BReg. zu § 8 in BT-Drs. 17/6052, S. 79, Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (524); so auch Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (270 f.). 81 Bemerkungen der Republik Österreich SG(2011) D/51410. 82 Kritisch auch Krahnefeld/Conzelmann, AbfallR 2012, 269 (276). 83 Symptomatisch Versteyl, in: Versteyl/Mann/Schomerus (Hrsg.), KrWG, § 6 Rn. 39 f.; dies ist insofernüberraschend, als diese Problematik in der Diskussion zur 32. Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht am 14.11. 2008 in Leipzig bereits diskutiert worden ist (Vorträge Reese und Petersen); dazu auch Petersen, NVwZ 2009, 1063 (1066).
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Betroffen sind alle in Deutschland nach § 4 BImSchG i.V.m. der 4. BImSchV genehmigungsbedürftigen Anlagen.84 1. Die Verzahnung zwischen KrWG und BImSchG Wie bereits nach der Vorgängernorm des § 9 KrW-/AbfG so ist auch nach § 13 KrWG die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen durch Betreiber immissionsschutzrechtlich geregelter Anlagen dem BImSchG überantwortet. Rechtsgrundlage ist hierfür insbesondere die Betreibergrundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. Innerhalb dieser Grundpflicht erfolgt jedoch für die Verwertung ein genereller Rückverweis auf das KrWG. Die Verwertung hat „nach den Vorschriften des KrWG und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften“ zu erfolgen.85 Damit steuert die im KrWG geregelte Hierarchieumsetzung der §§ 7 und 8 KrWG zentral auch die Erfüllung der Verwertungsgrundpflicht durch die BImSchG-Anlagen.86 Die auf Basis des § 8 Abs. 1 KrWG zu treffende Auswahl der einzelnen Verwertungsstufen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 KrWG) stellt sich als „Anforderung“ bei der Erfüllung der allgemeinen Verwertungsgrundpflicht des § 7 Abs. 2 KrWG dar („Bei der Erfüllung der Verwertungspflicht …“). Im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG werden diese Vorgaben – genau wie etwa die Anforderungen an die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder die bisherige Regelung zur Auswahl der Verwertungsarten des § 6 KrW-/AbfG – in die Erfüllung der Grundpflicht („nach den Vorschriften des KrWG …“) inkorporiert.87 Der eigentliche Unterschied zwischen dem Abfallrecht des KrWG und dem Anlagenzulassungsrecht des BImSchG liegt daher nicht im materiellen Recht, sondern im Instrumentarium sowie dessen Vollzug: Während nach dem KrWG die Überwachung der Pflichten der Abfallerzeuger auf Basis des § 47 KrWG und der Erlass von repressiven Anordnungen nach § 62 KrWG im Einzelfall – und damit eher sporadisch – erfolgt, ist das Instrumentarium sowie der Vollzug zur Umsetzung der abfallrechtlichen Pflichten gegenüber Anlagenbetreibern aufgrund des Genehmigungsvorbehalts (§ 4 BImSchG) überaus stringent ausgestaltet: Die sich aus der Grundpflicht ergebenden Anforderungen der Anlage sind Maßstab der Genehmigungserteilung (§ 6 Abs. 1 BImSchG), können auf der Grundlage des § 12 BImSchG durch Nebenbestimmungen (Bedingungen, Auflagen) sichergestellt werden und sind Gegenstand von nachträglichen Anordnungen nach § 17 Abs. 2 BImSchG. 84
Hierzu jedoch bereits, NVwZ 2009, 1063 (1066); Petersen, Düsseldorfer Abfallrechtstag 2010, Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz, Tagungsunterlagen S. 16; vgl. nunmehr auch Giesberts, DVBl. 2012, 816 (819 f.). 85 s. dazu bereits zu § 9 KrW-/AbfG Rebentisch, in: Jarass/Petersen/Weidemann (Hrsg.), KrW-/AbfG, § 9 Rn. 17 ff.; Mann, in: Versteyl/Schomerus/Mann (Hrsg.), KrWG, § 13 Rn. 6. 86 Vgl. nur Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 91a; Giesberts, DVBl. 2012, 816, 819 f. 87 Rebentisch, in: Jarass/Petersen/Weidemann (Hrsg.), KrW-/AbfG, § 9 Rn. 42; Paetow, in: Kunig/Paetow/Versteyl (Hrsg.), KrW-/AbfG, § 31 Rn. 58; Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 9a; ausführlich Petersen, in: Jarass/Petersen (Hrsg.), KrWG (i.E.), § 13 Rn. 32 ff.
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2. Die Vorgabe der IED Die Verzahnung zwischen KrWG und BImSchG hat eine Parallele im EU-Recht und wird in ähnlicher Form von der Industrieemissions-Richtlinie (IED)88 vorgegeben. Nach den in Art. 11 IED geregelten „Allgemeine Prinzipien der Grundpflichten der Betreiber“ sind Anlagen unter anderem so zu betreiben, dass „die Erzeugung von Abfällen … gemäß der Richtlinie 2008/98/EG vermieden [wird]“ (Art. 11 d) IED). Buchstabe e) bestimmt: „Falls Abfälle erzeugt werden, werden sie entsprechend der Prioritätenfolge und im Einklang mit der Richtlinie 2008/98/EG zur Wiederverwendung vorbereitet, recycelt, verwertet oder, falls dies aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, beseitigt, wobei Auswirkungen auf die Umwelt vermieden oder vermindert werden“. Durch die Regelung wird ein vollständiger Gleichklang zwischen EU-Abfallrecht und Industrieanlagenrecht sichergestellt. Der Gleichklang ist in der Tat rechtlich wie umweltpolitisch zwingend, da den Anlagenbetreibern – als mengen- wie schadstoffmäßig überaus relevante Abfallerzeugergruppe – kein privilegierender Sonderstatus eingeräumt werden darf.89 Die IED, deren Schwerpunkt in der Weiterentwicklung des BVT-Konzeptes liegt90, hat es sich mit der lediglich „redaktionellen“ Verzahnung der Abfallgrundpflicht mit der AbfRRL jedoch viel zu leicht gemacht. Es ist weder von der Kommission erläutert91 noch in den Verhandlungen erörtert worden, wie die abstrakte – und in ihrer Reichweite wie im Detail nach wie vor ungeklärte – Konzeption der Abfallhierarchie des Art. 4 AbfRRL in das stringente Grundpflichtensystem der IED umgesetzt werden kann. Offenbar haben die Mitgliedstaaten angenommen, dass es sich um eine lediglich formale Fortschreibung der IVU-RL handele.92 Die dort nunmehr implizit verankerten Auslegungsspielräume und Abwägungsmechanismen gehen jedoch über die von der bisherigen IVU-RL93 in Art. 3 c) in Bezug genommenen 3-stufigen Hierarchie („die Entstehung von Abfällen entsprechend der Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (1) vermieden wird; andernfalls werden sie verwertet oder, falls dies aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, beseitigt, wobei Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden oder zu vermindern sind“) weit hinaus und sind ein qualitativer Sprung. Sie können – anders als die alte dreistufige Hierarchie – in einem Ge88 Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.12. 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung); s. dazu Braunewell, UPR 2011, 254 ff.; Peine, UPR 2012, 15 ff.; Jarass, NVwZ 2013, 169 ff. 89 So bereits die Folgerungen von Petersen, NVwZ 2009, 1063 (1066 (Fn. 195)). 90 s. Braunewell, UPR 2011, 254. 91 Auch die Erwägungsgründe der IED enthalten hierzu keinerlei Ausführungen. 92 Auch in der immissionsschutzrechtlichen Literatur findet sich – soweit ersichtlich – bislang kein Hinweis auf diese Fortentwicklung, Braunewell, UPR 2011, 250; Jarass, NVwZ 2013, 169 ff.; Peine, UPR 2012, 15; Röckinghausen, UPR 2012, 161; Weidemann/Krappel/ v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457. 93 Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung.
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nehmigungsverfahren ohne zusätzliche Konkretisierung und Konzeptierung nicht bewältigt werden. Die Problematik, dass die Hierarchievorgabe des Art. 4 AbfRRL auch im Anlagenzulassungsrecht des BImSchG umgesetzt werden muss, hat die Konzeption des KrWG allerdings von vornherein einkalkuliert. Nach dem bisherigen dreistufigen Pflichtenaufbau des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG musste der Anlagenbetreiber jeweils detailliert darlegen, warum er die prioritäre Stufe der Vermeidung bzw. der Verwertung nicht durchführt.94 Würde man dieses Prozedere auf die fünfstufige Regel-Ausnahme-Prüfung übertragen, wäre etwa eine energetische Verwertung von Abfällen erst dann zulässig, wenn der Betreiber darlegt, dass er die vorhergehenden drei Stufen der Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling nicht durchführen kann. Eine derartige Prüfung, die zudem unter Rückgriff auf Ökobilanzen erfolgen müsste, die aus dem nicht standardisierten „Lebenszyklusdenken“ abzuleiten sind, dürfte inhaltlich kaum zu bewältigen sein und zu einer erheblichen Belastung des Genehmigungsverfahrens führen. Bei bereits genehmigten Anlagen müsste die in die Grundpflicht eingebettete Hierarchie über nachträgliche Anordnungen (§ 17 Abs. 1 BImSchG) umgesetzt werden. Die Bestimmung der auszuwählenden Verwertungsart würde dem gleichen Schema folgen. Derartige Prüfungs- und Vollzugslasten werden aufgrund des Verordnungsvorbehaltes sowie der als widerlegliche Vermutung ausgestalteten Gleichwertigkeitsklausel des § 8 Abs. 3 KrWG in der Regel vermieden. Dies ist auch notwendig, da die Pflichten und Vollzugslasten der Betreiber und Behörden durch die Vorgaben der neuen IED, die durch das BImSchG umgesetzt worden sind, ohnehin erheblich verschärft werden. Die IED wie auch das BImSchG fordern eine kontinuierliche Überprüfung von Genehmigungsauflagen durch die Behörde, behördliche Umweltinspektionen (Pläne und Kontrollverfahren vor Ort alle ein bis drei Jahre) sowie intensive Berichtspflichten der Betreiber über die Auflagenerfüllung. Auf Betreiber und auf die Behörden wird in Deutschland aufgrund der IED Vorgaben ein nicht unerheblicher Mehraufwand zukommen.95 Er ist indes kaum kalkulierbar, wenn die Hierarchievorgabe des Art. 11 d) i.V.m. Art. 4 AbfRRL als unmittelbar geltende Verpflichtung für Anlagenbetreiber ausgelegt würde96.
94
LAI-VwV zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG v. 28.09. 2005 Rn. 5.2.3. f. s. zum Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft (12 466 0000 E pro Jahr), für die Verwaltung (10 015 000 E pro Jahr), s. BT-Drs. 17/10486, S. 27 ff.; zum Mehraufwand der Vollzugsbehörden s.a. Beschluss der 50. UMK. 96 So aber insb. die Stellungnahme des BDE v. 14.09. 2010 zum Referentenentwurf. Es ist allerdings erstaunlich, dass der BDI als Dachverband der Industrie und daher der Abfallerzeugerseite gegen die Strategie des BDE bislang keine eindeutige Position bezogen hat. Diese konterkariert nicht nur die Forderung des BDI zur IED-Umsetzung v. 11.01. 2011: „Das Rechtsetzungsverfahren zur Umsetzung der IED sollte genutzt werden, um den Bürokratieabbau im Umweltrecht voranzutreiben und Genehmigungsverfahren zu optimieren“, sondern könnte auch zu einem erheblichen Kollateralschaden bei der erzeugenden Industrie führen. 95
Die fünfstufige Abfallhierarchie – Funktionen und Probleme
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VI. Fazit Die Diskussion über die Rechtsnatur, Ausgestaltung und insbesondere die Verbindlichkeit der Abfallhierarchie für Abfallerzeuger und -besitzer dürfte auch in der nächsten Zeit noch andauern. Vielleicht eröffnet jedoch die Notwendigkeit einer Umsetzung der Abfallhierarchie im BImSchG auch neue Perspektiven. Auch die EU-Kommission – die ihre eigene abfallrelevante Politik und Gesetzgebung an der Abfallhierarchie orientieren muss – sollte die EU-rechtlich vorgegebene Verzahnung zwischen Abfallrecht und Anlagenzulassungsrecht intensiv in den Blick nehmen. Die Hierarchie erfordert konzeptionelle Lösungen, für die auch die EUEbene verantwortlich ist. Eine strikte Regelfallgeltung der Hierarchie – deren konkrete beste Option erst in einem kontradiktorischen Verfahren zwischen Behörde und Abfallerzeuger und -besitzer bzw. Anlagenbetreiber auszuhandeln ist oder möglicherweise auf Basis einer Fülle von Gutachten gerichtlich entschieden werden muss, erscheint jedenfalls ebenso wenig zielführend, wie eine „konzeptionslose“ Umsetzung, die die Abfallhierarchie im konkreten Fall leerlaufen lassen dürfte. Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung die Konkretisierung der Hierarchievorgaben des KrWG durch Rechtsverordnungen auf Basis des § 8 Abs. 3 KrWG weiter vorantreiben.
Abfallvermeidungsprogramme: Herausforderung an Bund und Länder* Von Thomas Schomerus
I. Ressourcenschutz und Abfallvermeidung als Teil des Modells der Kreislaufwirtschaft nach dem KrWG Ressourcenschutz und Abfallvermeidung genießen im KrWG höchste Priorität. § 1 KrWG nennt die Förderung der „Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen“ als ersten Zweck des Gesetzes und folgt damit Art. 1 AbfRRL. Dort werden die Reduzierung der „Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung“ und die Verbesserung der „Effizienz der Ressourcennutzung“ als Gegenstand und Anwendungsbereich der Richtlinie genannt. Abfallvermeidung bildet nach § 6 Abs. 1 KrWG die erste Stufe in der Rangfolge der Maßnahmen der Vermeidung und Abfallbewirtschaftung. Hiermit wird auch das umweltrechtliche Vorsorgeprinzip umgesetzt.1 Der Ressourcenbegriff wird im KrWG nicht definiert,2 wohl aber der der Vermeidung. Nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 20 KrWG wird in Umsetzung von Art. 3 Nr. 12 AbfRRL von Vermeidung im Sinne des Gesetzes gesprochen, wenn folgende Merkmale erfüllt sind: ¢ Es muss sich um eine Maßnahme handeln, d. h. um eine menschliche Tätigkeit, die auf ein bestimmtes Ziel – hier die Abfallvermeidung – gerichtet ist.
* Für die kritische Durchsicht und Anregungen danke ich den wiss. Mitarb. Dipl.-Umweltwiss. Inka Bleuel, Dipl.-Umweltwiss. Matthias Fabian und Dr. Jorge Guerra Gonzales sowie cand umweltwiss. Melanie Manns. 1 Frenz, Die neue Abfallhierarchie, UPR 2012, 210, 211. 2 Die Begrenzung auf abiotische nichtenergetische Rohstoffe, wie sie etwa das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm – ProgRess, BT-Drs. 17/8965 v. 01.03. 2012 oder der Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2012, Verantwortung in einer begrenzten Welt, 2012, S. 95 ff. zugrunde legen, ist in diesem Kontext zu eng; vgl. auch Herrmann/ Sanden/Schomerus/Schulze, Ressourcenschutzrecht – Ziele, Herausforderungen, Regelungsvorschläge, ZUR 2012, 523 f. sowie Sanden/Schomerus/Schulze, Entwicklung eines Regelungskonzepts für ein Ressourcenschutzrecht des Bundes, Berichte Umweltbundesamt 1/ 2012, S. 15 ff.
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¢ Diese muss ergriffen werden, bevor ein Stoff, Material oder Erzeugnis zu Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG geworden ist.3 Ist ein Stoff erst einmal zu Abfall geworden, handelt es sich nicht mehr um Maßnahmen der Abfallvermeidung, sondern der Abfallentsorgung im Sinne des § 3 Abs. 22 KrWG („Verwertungsund Beseitigungsverfahren, einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung“). ¢ Abfallvermeidung muss bestimmten, in § 3 Abs. 20 S. 1 KrWG bezeichneten Zwecken dienen: *
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Zum einen kann die Maßnahme auf die Verringerung der Abfallmenge abzielen. Dabei ist nicht gesagt, ob es sich um eine Verringerung in absoluten oder relativen Zahlen handeln muss. Angesichts dessen, dass die AbfRRL von Vermeidung häufig im Kontext mit der Entkopplung vom Wirtschaftswachstum spricht,4 wird man eine Reduzierung der Abfallmenge im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum insoweit als hinreichendes Ziel ansehen können. Zweitens kann die Maßnahme dazu dienen, die schädlichen Auswirkungen des Abfalls auf Mensch und Umwelt zu reduzieren. Es geht hierbei nicht um den Abfall selbst, sondern um die Folgen, die die Behandlung und Entsorgung des Abfalls auf Mensch und Umwelt hätte. Hiermit in engem Zusammenhang steht das dritte mögliche Ziel der Vermeidung, die Verringerung des Gehalts an schädlichen Stoffen in Materialien und Erzeugnissen. Für die Bestimmung der Umweltschädlichkeit von Stoffen kann unter anderem auf das Chemikalienrecht zurückgegriffen werden.5
§ 3 Abs. 19 KrWG definiert die Kreislaufwirtschaft als die Vermeidung und Verwertung von Abfällen. Vermeidung und Verwertung sind hiernach voneinander abzugrenzen. Verwertung wird nach der Definition in § 3 Abs. 23 KrWG als „jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis die Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie entweder andere Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder indem die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen“
beschrieben. In Anlage 2 zum KrWG werden nicht abschließend einige Verwertungsverfahren aufgeführt. Die Unterscheidung zwischen Vermeidung und Verwertung ist allerdings nicht immer ganz eindeutig. So können z. B. Maßnahmen zur Verringerung der Menge und Schädlichkeit des Abfalls in einem mehrstufigen Entsor3 Anders Art. 3c) der WEEE-Richtlinie 2002/96/EG, nach der die Vermeidungsmaßnahme nicht notwendig vor der Abfallwerdung des Produkts erfolgen muss, s. Dehoust/Küppers/ Bringezu/Wilts, Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Erstellung eines bundesweiten Abfallvermeidungsprogramms, Texte des Umweltbundesamts 59/2010, S. 16. 4 s. etwa in Erwägungsgrund 40, Art. 9c, Art. 20 Abs. 2 AbfRRL. 5 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des europäischen Parlaments und des Rates v. 18.12. 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH).
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gungsverfahren auch als Vorbereitung zur Wiederverwendung (und damit Verwertung) im Sinne des § 3 Abs. 24 KrWG gewertet werden.6 Modellhaft lässt sich die Kreislaufwirtschaft wie folgt darstellen:
Abbildung 1: Modell der Kreislaufwirtschaft
In diesem Modell ist berücksichtigt, dass die Wiederverwendung selbst als Maßnahme der Vermeidung, die Vorbereitung zur Wiederverwendung als solche der Verwertung einzuordnen ist. Es ist zu betonen, dass unter Vermeidung solche Maßnahmen fallen, die ergriffen werden, bevor ein Stoff zu Abfall wird. Maßnahmen zur Reduzierung der Schädlichkeit von Stoffen, die bereits Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG geworden sind, fallen unter die verschiedenen Stufen der Verwertung. Nach diesen begrifflichen Klarstellungen werden im Folgenden zunächst anhand von aktuellen Daten und rechtlichen Rahmenbedingungen einige Restriktionen im Hinblick auf die Abfallvermeidung erörtert (II.), um daraufhin auf das neue Instrument des Abfallvermeidungsprogramms nach § 33 KrWG einzugehen (III.). Weiter wird die Frage angesprochen, ob ein neu zu schaffendes Ressourcenschutzgesetz (ReSchG) geeignet wäre, die identifizierten Defizite des Abfallrechts im Hinblick auf die Vermeidung zu adressieren (IV.). Am Ende erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesenform (V.).
6
Versteyl, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 70.
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II. Restriktionen im Hinblick auf die Abfallvermeidung 1. Tatsächliche Restriktionen Ein Blick auf die bisherige Entwicklung des Abfallaufkommens zeigt, dass die Anstrengungen in Richtung Ressourcenschutz und Vermeidung, die ja nicht erst mit dem Inkrafttreten des KrWG am 1.6. 2012 begonnen haben,7 sondern schon wesentliches Ziel des vorherigen KrW-/AbfG waren, einige Erfolge aufzuweisen haben. So ist das Nettoabfallaufkommen von 1999 – 2009 um 20,5 % gesunken.8 Hohe Verwertungsquoten von z. B. 70 % bei Altpapier im Jahr 2010 kommen auch dem Ressourcenschutz zugute.9 Bei Restabfällen, d. h. Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen und Sperrmüll ist ein Rückgang von 246 (1999) auf 208 kg/Einwohner (2009) = 15 % festzustellen.10 Insgesamt ist die Abfallwirtschaft dem Ziel der Entkopplung des Abfallaufkommens von der Wirtschaftsleistung ein gutes Stück nähergekommen. Die Abfallintensität, d. h. das Gesamtabfallaufkommen gemessen an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, ist erheblich gesunken.11
Abbildung 2: Entkopplung des Abfallaufkommens von der Wirtschaftsleistung 7 Zum Ressourcenschutz nach dem KrW-/AbfG s. u. a. Fiebig-Bauer, Ressourcenschonung durch das KrW-/AbfG, 2007 (passim). 8 Umweltbundesamt, Abfallaufkommen, November 2011 (abrufbar unter http://www.um weltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=2320). 9 s. Faßbender, AbfallR 2011, 165. 10 Umweltbundesamt, Abfallaufkommen, November 2011 (abrufbar unter http://www.um weltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=2320). 11 Umweltbundesamt, Abfallaufkommen, November 2011 (abrufbar unter http://www.um weltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=2320).
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Trotz dieser Erfolge ist aber festzustellen, dass der wesentliche Grund für die Abnahme des Netto-Abfallaufkommens (ohne Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen) in der Konjunkturschwäche im Baubereich lag.12 Bauabfälle machen den größten Anteil an der Abfallmenge aus.13 Zugleich sind die Produktions- und Gewerbesowie Siedlungsabfälle aber gestiegen bzw. annähernd gleich geblieben. Dies wird anhand folgender Abbildung deutlich:
Abbildung 3: Abfallaufkommen in Mio t. (Quelle: eigene Darstellung14)
Weiterhin ist das Pro-Kopf-Siedlungsabfallaufkommen (2008) in Deutschland mit 590 kg immer noch im Verhältnis zu anderen EU-Mitgliedstaaten mit 524 kg15 überproportional hoch. 2009 betrug das Siedlungsabfallaufkommen pro Einwohner 592 kg und 2010 sogar 602 kg.16 Dies hat den Sachverständigenrat für Umweltfragen zu einer grundsätzlichen Kritik veranlasst: „Die mit Priorität verlangte Vermeidung von Abfällen geschieht nicht“.
Es habe lediglich „eine Verschiebung der Abfallmengen von der Beseitigung zur Verwertung“ stattgefunden. „Eine signifikante Reduktion der Stoffströme unserer 12
Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2008, Ziff. 866 (S. 416). s. folgende Abb. 3. 14 Nach Umweltbundesamt, Abfallaufkommen, November 2011 (abrufbar unter http:// www.umweltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=2320) auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamts. 15 Zahl aus Bericht der Kommission über die thematische Strategie für Abfallvermeidung und -recycling, KOM(2011) 13 endgültig v. 19.01. 2011, S. 6. 16 Statistisches Bundesamt, Siedlungsabfälle-Bilanz pro Einwohner 2010, Stand September 2012; vgl. auch Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2008, Ziff. 866, S. 416 sowie Faßbender, AbfallR 2011, 165, 166, jeweils mit leicht abweichenden Daten. 13
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Volkswirtschaft“ sei nicht erreicht worden, „da mit der Abfallwirtschaft und dem Abfallrecht der Rohstoffverbrauch nicht zu steuern“ sei. Abfallwirtschaft und Abfallrecht würden „notwendigerweise am Ende der Wertschöpfungskette“ ansetzen und seien „daher prinzipiell nicht geeignet, eine umfassende Ressourcenwirtschaft zu etablieren. Versuche, das Abfallrecht in diesem Sinne zu nutzen,“ würden dieses Instrument „überfrachten“. „Der Ressourcenverbrauch eines Industriestaates wie Deutschland“ könne „nur durch Maßnahmen im Hinblick auf die Produktion sowie Produktdesign und -nutzung nachhaltig reduziert werden.“ Dazu seien „jedoch technische und organisatorische Ansätze (innovationsoffene Langzeitprodukte, Leasing), die vor der Abfallwirtschaft ansetzen…, erforderlich.“17 Hinzuzufügen ist, dass die Abfallwirtschaft von der Abfallentsorgung, d. h. der Verwertung und Beseitigung, lebt. Vermeidung liegt naturgemäß nicht in ihrem ökonomischen Interesse.18 Auch die Kommission hat festgestellt, dass mit den genannten 524 kg/Kopf pro Jahr EU-weit eine relative Entkopplung zwischen Abfallerzeugung und Konsum (Steigerung von 1999 bis 2007 um 16,3 %) stattgefunden habe (zum Vergleich: das Pro-Kopf-Aufkommen betrage in den USA 750 kg, in Japan allerdings nur 400 kg). Dennoch habe es nur geringe Fortschritte bei der Reduzierung der Abfallmengen gegeben, während die qualitative Abfallvermeidung vor allem durch die Umsetzung der RoHS-Richtlinie Erfolge aufzuweisen habe.19 2. Rechtliche Restriktionen Die Ergebnisse dieser kurzen Darstellung der abfallwirtschaftlichen Tatsachen werden durch einen Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen gestützt. So führt die Abfallhierarchie angesichts des § 6 Abs. 2 KrWG nicht zu einem durchsetz- und operationalisierbaren Vorrang der Vermeidung. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 KrWG soll diejenige Maßnahme Vorrang haben, „die den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten gewährleistet.“ Dabei „ist der gesamte Lebenszyklus des Abfalls zugrunde zu legen.“Am stärksten eingeschränkt wird die Priorität der Vermeidung durch § 6 Abs. 2 S. 4 KrWG, wonach „die technische Möglichkeit, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und die sozialen Folgen der Maßnahme“ zu beachten sind. Dagegen spricht Art. 4 Abs. 4 S. 2 AbfRRL nur davon, „dass bestimmte Abfallströme von der Abfallhierarchie abweichen“ können. Danach ist eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, bei der ein Abweichen von der Prioritätenfolge des § 6 Abs. 1 KrWG nur in einem rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefall zulässig ist.20 Die gegenwärtige Umsetzung des Art. 4 Abs. 2 17
Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2008, S. 415 f., Ziff. 863. s. etwa Schomerus/Herrmann-Reichold/Stropahl, ZUR 2011, 507, 509. 19 Bericht der Kommission über die thematische Strategie für Abfallvermeidung und -recycling, KOM(2011) 13 endgültig v. 19.01. 2011, S. 6. 20 s. etwa die Mitteilung SG(2011) D/51545 der Kommission, abrufbar unter http://www. dstgb.de/dstgb/Schwerpunkte/Abfallwirtschaft/Zukunft%20Entsorgungshoheit/Stellungnah 18
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S. 2 AbfRRL durch die Regelungen über die Abfallhierarchie wird daher zu Recht als Verstoß gegen die AbfRRL angesehen.21 Damit relativiert das KrWG EU-rechtswidrig und auch unnötigerweise den Vorrang der Vermeidung. Hinzu kommt, dass das KrWG bei der Verwertung und Beseitigung von Abfällen auf eine Konkretisierung der Vermeidungspflichten verzichtet. In § 7 Abs. 1 heißt es lediglich lapidar, dass die Pflichten zur Abfallvermeidung sich nach § 13 sowie den auf Grund der §§ 24 und 25 erlassenen Rechtsverordnungen richten. Diese Vorschrift hat keinen eigenen Regelungsinhalt, sondern stellt bloß eine informatorische Verweisung dar.22 § 13 KrWG wiederum verweist auf die betrieblichen Abfallvermeidungspflichten nach dem BImSchG, insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. Die Verordnungsermächtigungen nach §§ 24 und 25 KrWG dienen der Umsetzung der Produktverantwortung nach § 23 KrWG. Verstöße gegen diese Grundpflicht der Produktverantwortung bleiben allerdings sanktionslos, so dass es insoweit ausschließlich auf die Verordnungen bzw. Gesetze zur Umsetzung der Produktverantwortung ankommt.23 Insbesondere können Rechtsverordnungen nach § 24 Nr. 2 (Inverkehrbringensverbot für Produkte mit bestimmten schadstoffhaltigen Stoffen), Nr. 3 (Mehrfachverwendung wie Mehrwegverpackungen) oder Nr. 6 (Hinweise auf die Wiederverwendbarkeit) der Vermeidung dienen. Allerdings gibt es bislang keine flächendeckenden, das gesamte Vermeidungsspektrum abdeckenden Verordnungen. Rechtliche Restriktionen können sich auch daraus ergeben, dass die Vermeidungspflichten des KrWG überhaupt die Anwendbarkeit dieses Gesetzes voraussetzen. Ein Beispiel hierfür ist die Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung wurde als Schlüsselsektor für ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Europa i.S.d. Ressourcenschonung identifiziert.24 Jedoch gelten für derartige Stoffe gem. der Schnittstellenregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1a) KrWG vorrangig die lebensmittelspezifischen Beseitigungspflichten nach dem LFGB. Der weitgefasste Geltungsbereich für die Abfallvermeidung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrWG wird somit eingeschränkt. Vorrangig sind die nach dem LFGB erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der lebensmittelrechtlichen Schutzzielbestimmungen zum Gesundheits- und Täuschungsschutz. Erst wenn die lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllt sind, sind nachrangig Maßnahmen der Abfallvermeidung nach dem KrWG zulässig.25 Allerdings me%20der%20EU-Kommission%20zum%20Entwurf%20des%20Kreislaufwirtschaftsgeset zes/Mitteil%20 %20Eu-Kommission%20Notifiz%20 %20KrWG.pdf. 21 s. Versteyl, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 6 Rn. 39. 22 Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 7 Rn. 4. 23 Vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 23 Rn. 8. 24 European Commission, Roadmap to a Resource Efficient Europe, 2011, S. 17 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/resource_efficiency/pdf/com2011_571.pdf); weiterführend Kranert/Hafner/Barabosz/Schneider/Lebersorger/Scherhaufer/Schuller/Leverenz, Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate in Deutschland, 2012. 25 Kritisch Wolf, in: Giesberts/Reinhardt (Hg.), KrW-/AbfG, 23. Aufl. 2012, § 2, Rn. 9 f. m.w.N.
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enthält das LFGB grds. keine materiell-rechtlichen Anforderungen an die Abfallentsorgung26, wenn auch vereinzelte Verordnungsermächtigungen zur unschädlichen Beseitigung von Lebens- und Futtermitteln zum Zweck der Erfüllung der lebens- und futtermittelrechtlichen Anforderungen existieren (z. B. § 39 Abs. 2 Nr. 5 LFGB).27 In dieser komplexen Gemengelage von Lebens- und Futtermittelrecht auf der einen und Kreislaufwirtschaftsrecht auf der anderen Seite kommt es darauf an, eine auch im Sinne der Abfallvermeidung optimale und nach Möglichkeit synergetische Lösungen zu finden, die den jeweiligen Schutzzielen beider Regelungsregime gerecht wird. Ein Blick auf einige der in § 3 Abs. 20 S. 2 KrWG aufgeführten Beispiele für Vermeidungsmaßnahmen legt weitere rechtliche Restriktionen offen, die den Erfolg der Abfallvermeidung behindern können. Zwar wird in der Definition der enge Bezug der Vermeidung zur Produktverantwortung nach den §§ 23 ff. KrWG nicht klar hervorgehoben, aber die abfallarme Produktgestaltung wird ausdrücklich genannt.28 Auch nach § 23 Abs. 1 S. 2 KrWG sind „Erzeugnisse … möglichst so zu gestalten, dass bei ihrer Herstellung und ihrem Gebrauch das Entstehen von Abfällen vermindert wird und sichergestellt ist, dass die nach ihrem Gebrauch entstandenen Abfälle umweltverträglich verwertet oder beseitigt werden.“ Dies wird, wenn auch nicht flächendeckend, durch die Verordnungsermächtigungen in § 24 Nr. 1 – 3 KrWG unterfüttert. Insoweit ist aber zweifelhaft, wieweit hier überhaupt nationale Produktregelungen angesichts möglicher weitreichender Produktregulierungen auf europäischer Ebene zulässig sind. Zwar verlangt Art. 9 lit. a AbfRRL bis Ende 2011 von der Kommission die Vorlage eines Zwischenberichts über die Entwicklung der Abfallaufkommen und den Umfang der Abfallvermeidung mit einer „Ausarbeitung einer Produkt-Ökodesign-Politik, mit der gegen das Entstehen von Abfällen und gegen gefährliche Stoffe in Abfällen vorgegangen wird, mit dem Ziel, Technologien zu fördern, die auf langlebige, wiederverwendbare und recyclebare Produkte ausgerichtet sind“.29 Jedoch sind die nationalen Möglichkeiten der Produktregulierung in Umsetzung der AbfRRL z. B. durch die EU-Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG stark eingeschränkt. Sobald ein Produkt unter eine der regelmäßig in Form von bindenden EU-Verordnungen erlassenen Durchführungsmaßnahmen nach dieser Richtlinie fällt, gibt es angesichts der durchgehenden Regulierungen kaum noch mitgliedstaatliche Möglichkeiten eigener Produktnormierungen.30 Nach Art. 6 Abs. 1 der Ökodesign-RL dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme eines Produkts nicht beschränken, sofern dieses der jeweiligen Durchführungsmaßnahme entspricht. Hinzu kommen binnenmarktrechtliche Restriktionen für mitgliedstaatliche Ökodesign-Regelungen aus Art. 34 ff. AEUV. 26
Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 2 Rn. 12. Dazu Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 2 Rn. 13. 28 Vgl. auch Frenz, UPR 2012, 210, 211. 29 Der Bericht ist bislang nicht veröffentlicht worden. 30 Dazu näher Schomerus/Herrmann-Reichold/Stropahl, ZUR 2011, 507 (512); Schomerus/Spengler, EurUP 2010, 54 (60). 27
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Ein anderes in § 3 Abs. 20 S. 2 KrWG aufgeführtes Beispiel betrifft die Wiederverwendung von Erzeugnissen oder die Verlängerung ihrer Lebensdauer. Nach § 3 Abs. 21 KrWG ist Wiederverwendung „jedes Verfahren, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile, die keine Abfälle sind, wieder für denselben Zweck verwendet werden, für den sie ursprünglich bestimmt waren.“ Wie erwähnt, zählt die Wiederverwendung selbst zur Vermeidung, die Vorbereitung zur Wiederverwendung ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 die erste Stufe der Verwertung. Vorbereitung zur Wiederverwendung ist nach § 3 Abs. 24 „jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wieder für denselben Zweck verwendet werden können, für den sie ursprünglich bestimmt waren.“ Die Abgrenzung dieser mit dem KrWG in Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 lit. b AbfRRL eingefügten neuen Stufe der Abfallhierarchie nach oben hin zur Vermeidung und nach unten hin zum Recycling ist schwierig. Nach der Legaldefinition fällt z. B. auch die Wiederverwendung der Bestandteile von Produkten darunter. In § 2 Abs. 1 Nr. 9 AltfahrzeugV werden insoweit sogar als „Wiederverwendung“ nur Maßnahmen bezeichnet, „bei denen Altfahrzeugbauteile zu dem gleichen Zweck verwendet werden, für den sie entworfen wurden“. Recycling umfasst nach § 3 Abs. 25 KrWG die Aufbereitung von Abfällen „zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke“. Es ist nicht einfach abzugrenzen, wann ein Bauteil zur Wiederverwendung vorbereitet und wann es recycelt wird. Art. 11 AbfRRL fasst Wiederverwendung und Recycling in einer Vorschrift zusammen. Die Zielvorgabe gemäß Art. 11 Abs. 2 lit. b AbfRRL von mindestens 70 Gewichtsprozent gilt gemeinsam für die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige stoffliche Verwertung. Art. 2 Nr. 3 des Kommissionsbeschlusses 2011/753/EU31 sagt zudem, dass die Menge der zur Wiederverwendung vorbereiteten Abfälle in die Menge der recycelten Abfälle einzuschließen und nicht getrennt zu melden ist. Daher gibt es zwar zu erreichende gemeinsame Quoten für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling, aber noch keine konkreten Ziele für die Wiederverwendung selbst.32 Letztere sollen durch das Abfallvermeidungsprogramm nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 KrWG festgelegt werden. Wichtig ist insoweit die Zweckbestimmung des Verwertungsverfahrens, so dass z. B. Maßnahmen ohne Eingriff in die Substanz der zu Abfall gewordenen Sache unter die Vorbereitung zur Wiederverwendung fallen.33 Wiederverwendung und die Vorbereitung zur Wiederverwendung bedürfen allerdings der Konkretisierung. Ein Beispiel ist § 1 Abs. 1 S. 2 VerpackV, wonach Verpackungsabfälle in erster Linie zu vermeiden sind und „im Übrigen … der Wiederverwendung von Verpackungen, der stofflichen Verwertung sowie den anderen Formen der Verwertung Vorrang vor der Be31
Vom 18.11. 2011 mit Vorschriften und Berechnungsmethoden für die Überprüfung der Einhaltung der Zielvorgaben gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU L 310/11 v. 25.11. 2011. 32 Versteyl, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 6 Rn. 10. 33 Vgl. Versteyl, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 6 Rn. 14.
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seitigung von Verpackungsabfällen eingeräumt“ wird. Trotz dieser Zielbestimmung ist die Wiederverwendungsquote bei Verpackungen nur leicht gestiegen.34 Ein anderes Beispiel ist § 1 Abs. 1 S. 2 ElektroG, der abweichend von der Terminologie des KrWG davon spricht, dass „vorrangig die Vermeidung von Abfällen von Elektro- und Elektronikgeräten und darüber hinaus die Wiederverwendung, die stoffliche Verwertung und andere Formen der Verwertung solcher Abfälle, um die zu beseitigende Abfallmenge zu reduzieren sowie den Eintrag von Schadstoffen aus Elektro- und Elektronikgeräten in Abfälle zu verringern“, bezweckt werden. Nach § 11 Abs. 1 ElektroG ist „vor der Behandlung … zu prüfen, ob das Altgerät oder einzelne Bauteile einer Wiederverwendung zugeführt werden können, soweit die Prüfung technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist.“ § 9 Abs. 6 ElektroG ermöglicht es den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, bestimmte Gruppen von Altgeräten von der Bereitstellung der Abholung durch die Hersteller auszunehmen, worauf diese dann vorrangig wiederzuverwenden sind. Jedoch fehlt es an Regelungen, die diese vorrangige Wiederverwendung unterstützen, indem gewährleistet wird, dass die funktionsfähigen Geräte ohne Beschädigung aussortiert werden können.35 Dass es Regelungen geben kann, die eine Wiederverwendung unmittelbar, aber ungewollt verhindern können, zeigt das Beispiel der Photovoltaikmodule. Zwar fallen Photovoltaikmodule noch nicht unter das geltende ElektroG, so dass die Wiederverwendungspflichten nach § 11 Abs. 1 ElektroG für diese noch nicht gelten. Die Neufassung der europäischen Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE-RL)36 vom 04. Juli 2012 umfasst aber auch Photovoltaikmodule,37 die nach entsprechender Umsetzung dem Anwendungsbereich des ElektroG unterliegen werden. Allerdings besagt § 32 Abs. 5 EEG 2012: „Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie, die Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie auf Grund eines technischen Defekts, einer Beschädigung oder eines Diebstahls an demselben Standort ersetzen, gelten abweichend von § 3 Nummer 5 bis zur Höhe der vor der Ersetzung an demselben Standort installierten Leistung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie als zu dem Zeitpunkt in Betrieb genommen, zu dem die ersetzten Anlagen in Betrieb genommen worden sind. Der Vergütungsanspruch für die nach Satz 1 ersetzten Anlagen entfällt endgültig.“38 34 Die Verwertungsquote insgesamt ist in 2010 um 3 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, vgl. Tab. „Anstieg Verwertung bei privaten Endverbrauchern“, abrufbar unter http://www. umweltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=2315. 35 Zu den derzeit i. d. R. erfolgenden Beschädigungen der Altgeräte durch deren Handhabung nach der Sammlung vgl. im Allgemeinen beispielsweise BT-Drs. 17/4517, S. 13 sowie Bröhl-Kerner/Elander/Koch/Vendramin, Second Life. Wiederverwendung gebrauchter Elektro- und Elektronikgeräte. UBA-Texte 39/2012, S. 30; die Möglichkeiten zur Förderung der Vorbereitung zur Wiederverwendung wurden 2012 durch den Verfasser in einem juristischen Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamts untersucht (UBA-Projektnummer 22119). 36 Richtlinie 2012/19/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 04.07. 2012 über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE-RL) (Neufassung), ABl. EU L 197/38. 37 Vgl. Anhang II Nr. 4 WEEE-RL. 38 § 32 Abs. 5 EEG.
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Damit entfällt die Förderung nach dem EEG, wenn für die Wiederverwendung vorbereitete Module an neuer Stelle tatsächlich wieder verwendet werden. Ohne die EEG-Vergütung ist eine wirtschaftliche Nutzung jedoch kaum machbar.39 Die Ersetzungsregelung nach § 32 Abs. 5 EEG mag einen Sinn darin haben, mögliche Diebe von der Entwendung der Module abzuschrecken. Sie bedarf aber gerade angesichts der in Zukunft möglichen großen Mengen von wiederverwendbaren Solarmodulen einer Anpassung an die Ziele des KrWG.40 Als ein anderes Beispiel für die Vermeidung wird in § 3 Abs. 20 KrWG die Förderung eines Konsumverhaltens genannt, „das auf den Erwerb von abfall- und schadstoffarmen Produkten sowie die Nutzung von Mehrwegverpackungen gerichtet ist.“ Unmittelbar darauf bezogene Verordnungsermächtigungen gibt es nicht.41 Allerdings soll auch die VerpackV auf die Umsetzung dieser Ziele hinwirken. Insoweit ist festzustellen, dass das Verpackungsaufkommen trotz der vorrangigen Vermeidungs- und Wiederverwendungspflicht in § 1 Abs. 1 VerpackV und trotz der 80 %-Quote in § 1 Abs. 2 für Mehrweggetränkeverpackungen und ökologisch vorteilhafte Einweggetränkeverpackungen kaum gesunken ist.
Abbildung 4: Entwicklung des Verpackungsaufkommens
Sowohl die geschilderten Tatsachen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zeigen, dass Vermeidung bislang eher ein Stiefkind des Kreislaufwirtschaftsrechts 39
Vgl. dazu Schomerus, in: Frenz/Müggenborg, EEG, 3. Aufl. 2012, § 32 Rn. 100. Salje, EEG, 6. Aufl. 2012, § 32 Rn. 52 schlägt eine teleologische Reduktion der Regelung dahingehend vor, dass eine doppelte Inanspruchnahme der Vergütungsregelung verhindert, aber nicht der Handel mit Gebrauchtmodulen behindert wird. 41 Frenz, Die neue Abfallhierarchie, UPR 2012, 210 (211). 40
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ist. Das Abfallvermeidungsprogramm nach § 33 KrWG könnte aber die Chance bieten, der Abfallvermeidung auch in der Praxis bessere Geltung zu verschaffen.
III. Abfallvermeidungsprogramme als Herausforderung an die zuständigen Behörden 1. Inhalt der Abfallvermeidungsprogramme Mit § 33 KrWG wurden die Vorgaben des Art. 29 AbfRRL im Wesentlichen 1:1 umgesetzt.42 § 33 Abs. 3 KrWG enthält eine Auflistung der Pflichtinhalte des Abfallvermeidungsprogramms. Nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 legt das Programm die Abfallvermeidungsziele fest, wobei diese sogleich eingegrenzt werden: „die Ziele sind darauf gerichtet, das Wirtschaftswachstum und die mit der Abfallerzeugung verbundenen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu entkoppeln“. Auch Art. 29 Abs. 2 S. 2 AbfRRL besagt, dass die Entkopplung Zweck solcher Ziele und Maßnahmen ist. Dies lässt sich als relatives Vermeidungsziel bezeichnen.43 Nach Auffassung des Gesetzgebers soll die Festlegung absoluter Vermeidungsziele in Form z. B. der Verringerung des realen Abfallaufkommens (quantitatives Ziel) oder in der Verringerung der Schädlichkeit bestimmter Abfälle um genau bezeichnete Werte (qualitative Ziele) nicht zulässig sein.44 Der Gesetzgeber hätte aber durchaus über die AbfRRL hinausgehen und absolute Zielfestlegungen ermöglichen können.45 Nach § 33 Abs. 3 Nr. 2 KrWG hat das Abfallvermeidungsprogramm weiter eine Darstellung der bestehenden Abfallvermeidungsmaßnahmen und eine Bewertung der Zweckmäßigkeit der Maßnahmen gem. Anl. 4 oder weiterer Maßnahmen zu enthalten. Weitere Abfallvermeidungsmaßnahmen sind, soweit erforderlich, nach § 33 Abs. 3 Nr. 3 KrWG festzulegen, und nach Abs. 3 Nr. 4 sind „zweckmäßige, spezifische, qualitative oder quantitative Maßstäbe für festgelegte Abfallvermeidungsmaßnahmen“ vorzugeben, „anhand derer die bei den Maßnahmen erzielten Fortschritte überwacht und bewertet werden; als Maßstab können Indikatoren oder andere geeignete spezifische qualitative oder quantitative Ziele herangezogen werden“. Anlage 4 zum KrWG enthält Beispiele für Abfallvermeidungsmaßnahmen, die wortwörtlich Anhang IV zur AbfRRL wiederholen. Die Beispiele sind in drei Maßnahmengruppen eingeteilt. In der ersten Gruppe geht es um Maßnahmen, die sich auf die Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Abfallerzeugung auswirken können. Dazu gehören Planungsmaßnahmen oder sonstige wirtschaftliche Instrumente zur Förderung der Effizienz der Ressourcennutzung, die Förderung von Forschung und Entwicklung mit dem Ziel, umweltfreundlichere und weniger abfallin42
Kritisch insoweit Faßbender, AbfallR 2011, 165 (171). Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 22. 44 Bundesregierung, BT-Drs. 17/6052, S. 93. 45 Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 23.
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tensive Produkte und Technologien hervorzubringen sowie die Entwicklung wirksamer und aussagekräftiger Indikatoren für die Umweltbelastungen im Zusammenhang mit der Abfallerzeugung; als Beispiele für letzteres werden Produktvergleiche, kommunale Aktivitäten und nationale Maßnahmen aufgeführt. Die zweite Gruppe betrifft „Maßnahmen, die sich auf die Konzeptions-, Produktions- und Vertriebsphase auswirken können“, wobei die „Förderung von Ökodesign“, die Informationsbereitstellung über Abfallvermeidungstechniken, Schulungen für Behörden in Bezug auf Abfallvermeidung bei nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen, Maßnahmen bezüglich nichtgenehmigungsbedürftiger Anlagen, unternehmensbezogene Maßnahmen, freiwillige Vereinbarungen sowie die Förderung von Umweltmanagementsysteme. In der dritten Gruppe geht es um Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Verbrauchs- und Nutzungsphase. Hier werden „wirtschaftliche Instrumente wie zum Beispiel Anreize für umweltfreundlichen Einkauf“, Öffentlichkeitssensibilisierung, Ökozeichen, Vereinbarungen mit der Industrie oder dem Einzelhandel, öffentliche Ausschreibungen sowie die „Förderung der Wiederverwendung und Reparatur geeigneter entsorgter Produkte oder ihrer Bestandteile, vor allem durch den Einsatz pädagogischer, wirtschaftlicher, logistischer oder anderer Maßnahmen wie Unterstützung oder Einrichtung von akkreditierten Zentren und Netzen für Reparatur und Wiederverwendung“ als Themenfelder genannt. Erhebungen unter kleinen und mittleren Unternehmen haben ergeben, dass ein großer Mangel an solchen Zentren und Netzen besteht, vor allem was die Vorbereitung zur Wiederverwendung angeht.46 Zur Zeit befindet sich das Abfallvermeidungsprogramm des Bundes, das nach § 33 Abs. 5 KrWG zum 12.12. 2013 erstmals zu erstellen ist, in der Aufstellung. Das nach § 33 Abs. 5 S. 3 KrWG zuständige Bundesumweltministerium hat hierzu Forschungsvorhaben in zwei Stufen vergeben. Im ersten, 2010 abgeschlossenen Vorhaben wurden wie in § 33 Abs. 3 Nr. 2 KrWG vorgesehen die bestehenden Abfallvermeidungsmaßnahmen der öffentlichen Hand und angewandte Instrumente auf kommunaler, Länder- und Bundesebene identifiziert und nach den inhaltlichen Vorgaben der Anlage 4 zum KrWG kategorisiert, um damit eine fundierte Datenbasis über bestehende Maßnahmen zu erhalten.47 Die in diesen Forschungsberichten gefundenen und erarbeiteten Abfallvermeidungsmaßnahmen sind äußerst vielfältig. Allein an bestehenden Maßnahmen werden mehrere hundert aufgeführt, aus Kommunen, den Ländern, dem Bund und auch aus dem Ausland. Hierzu zählen z. B. einige Regierungskommissionen zum Thema Abfall in Niedersachsen, die Weiterbildung der Gewerbeaufsichtsbeamten in Niedersachsen, Landesabfallbilanzen in den Bundesländern, ein stoffflussbezogenes Kostenrechnungsmodul für gefährliche Ab46
s. das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Schlüsselfaktor Ressourceneffizienz“ (Laufzeit 4/11 – 3/13) der Universität Lüneburg, dazu http://www.leuphana.de/professionalschool/wissenstransfer/forschung-entwicklung/im-inkubator/ressourceneffizienz.html. 47 Dehoust/Küppers/Bringezu/Wilts, Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Erstellung eines bundesweiten Abfallvermeidungsprogramms, Texte des Umweltbundesamts 59/2010, S. 12.
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fälle in Brandenburg, die Effizienz-Agentur in Nordrhein-Westfalen, die Industrieabfall-Koordinierungsstelle der Umweltallianz Sachsen, das Beratungsprogramm für Ecodesign in Hamburg, das Umweltmanagementsystem Ökoprofit, das Projekt abfallarme Verwaltung in Dresden, die Recyclingbörse Ostwestfalen-Lippe. Auch allgemeine Maßnahmen und Systeme wurden beschrieben wie der Blaue Engel oder das Cradle-to-Cradle-System. Über die vielen Beispiele bestehender Maßnahmen in Deutschland wurden auch internationale Abfallvermeidungsmaßnahmen aufgelistet, so z. B. die Waste Incineration Tax in Schweden, die Carbon Tax on Packaging in den Niederlanden, The Real Nappy Campaign in Großbritannien, das britische Waste Prevention Framework, der Flanders Waste Prevention Plan in Belgien, das Zero Waste Planning System in den USA. All dies sind wie gesagt nur ein paar Beispiele. Fast noch übertroffen wird dieser Ideenreichtum durch die Möglichkeiten, die über die bestehenden Maßnahmen hinaus festgelegt werden können (vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 3 KrWG). In dem zweiten, vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen Vorhaben, das 2012 abgeschlossen wurde, wird der erste Bericht fortentwickelt, indem die möglichen Ziele für das Abfallvermeidungsprogramm erörtert und Kontrollindikatoren erarbeitet wurden; weiter werden darin die für das Abfallvermeidungsprogramm in Frage kommenden Maßnahmen ausgewählt, beschrieben und bewertet.48 Auch insoweit sollen nur einige Beispiele genannt werden. Im Bereich der übergeordneten Maßnahmen wurden etwa ganz allgemein Abfallvermeidungsstrategien und -konzepte, die abfallvermeidende Gestaltung ökonomischer Rahmensetzungen, Forschung, Förderprogramme, der Aufbau übergreifender Akteurskooperationen, Indikatorsysteme oder die Konkretisierung der Produktverantwortung behandelt. Für die Konzeptions-, Produktions- und Vertriebsphase wurden Maßnahmen wie die Beratung bezüglich abfallarm gewonnener Rohstoffe, freiwillige Vereinbarungen mit der Grundstoffindustrie, Grundmaterial-Label, ordnungsrechtliche Auflagen bei der Rohstoffgewinnung, Stoffbeschränkungen für Produktionsprozesse auf EUEbene, Anpassungen beim Stand der Technik für die Abfallvermeidung, die Verbesserung genehmigungsbedürftiger und nicht-genehmigungsbedürftiger Anlagen nach dem BImSchG, die Beratung der Anlagenbetreiber, überbetriebliche Kooperationen zur Abfallvermeidung, Durchführungsmaßnahmen nach der Ökodesign-Richtlinie, die abfallvermeidende Logistik oder die Unterstützung abfallarmen, regionalen Handels untersucht. Von großer Bedeutung ist zudem die Schließung von Informationslücken, die durch die rasante Entwicklung des globalen Wirtschaftens entstanden sind. Insbesondere können Informationen über das Supply Chain Management sowie die Entsorgungskette verbessert werden. So wurde festgestellt, dass kleine und mittlere Unternehmen oftmals keine Kenntnis über die genaue Herkunft ihrer Rohstoffe und den Verbleib ihrer gewerblichen Abfälle haben; letzteres wird häufig 48 Dehoust et al., Inhaltliche Umsetzung von Art. 29 der Richtlinie 2008/98/EG (FKZ 3710 32 310), Vorläufiger Endbericht, 2012, S. 1.
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privaten Entsorgern überlassen. Nicht selten werden z. B. Verpackungsgebinde-Abfälle zur Verwertung nach China verschifft. Bessere Informationen über die Herkunft der Rohstoffe und den Verbleib der Abfälle können das Abfallbewusstsein bei den Unternehmen und damit auch die Abfallvermeidung fördern.49 Weiter wird der Bereich des abfallvermeidenden Einkaufs und Nutzung, Bildung und Beratung behandelt. Auch hier findet sich eine Vielfalt an Ideen und Vorschlägen, wie z. B. Steuern und Abgaben auf Verpackungen und Konsumartikel, Abfallvermeidung bei Einkaufsempfehlungen, Produktlabelling bezüglich Abfallvermeidung, abfallvermeidende Beschaffung, die abfallvermeidende Gestaltung öffentlicher Veranstaltungen, die Ausbildung von Lehrkräften und Erziehern, die Einbeziehung von Schulen und Universitäten, die Schaffung erlebnisorientierter Kommunikationsansätze durch die öffentliche Hand, die Bürgerbeteiligung bei Abfallvermeidungsstrategien, die Steigerung der Nutzungsintensität von Produkten, die Förderung finanzieller Anreize und Signale zur Abfallvermeidung, von Märkten und Börsen für Altprodukte, die Unterstützung von Aufbereitungsstrukturen, die Erarbeitung von Konzepten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen oder die Sensibilisierung der Verbraucher zur Wiederverwendung. Der Kreativität zur Gestaltung und Festlegung innovativer Abfallvermeidungsmaßnahmen sind daher keine Grenzen gesetzt. Abfallvermeidungsprogramme können auch Aufträge an den Gesetz- und Verordnungsgeber enthalten, z. B. die Festsetzung von Mehrwertsteuerermäßigungen bei der Wiederverwendung von Produkten, die Aufhebung der Mehrwertsteuerermäßigung für Milch, die Erhebung von Steuern auf Neuprodukte, die Einführung von Produktressourcensteuern, die Stärkung des Ressourcenschutzes im BImSchG, BBergG etc., die Einführung von Produktnutzungsverboten, eines Pfands auf Elektrogeräte, die Stärkung der Produktverantwortung durch neue Rechtsverordnungen, die Förderung nachhaltigen Konsums durch Änderung des Gewährleistungsrechts und durch Überlassung der Nutzung von Produkten („Miete statt Kauf“) oder Initiativen zur Ausweitung der Ökodesign-Richtlinie. Die Vielfältigkeit oder gar Uferlosigkeit der Möglichkeiten zur Festlegung von Abfallvermeidungsmaßnahmen stellt eine enorme Herausforderung an die zuständigen Stellen im Bund und in den Ländern dar. Das KrWG gibt für die Auswahl nur wenig Hilfestellung. Es unterscheidet zwischen der Darstellung der bestehenden Abfallvermeidungsmaßnahmen nach § 33 Abs. 3 Nr. 2 und der Festlegung weiterer Maßnahmen nach § 33 Abs. 3 Nr. 3. Unklar ist insoweit, welcher Unterschied zwischen „anderen“ Maßnahmen in Nr. 2 und „weiteren“ Maßnahmen in Nr. 3 bestehen soll.50 Über die bestehenden Maßnahmen hinaus sind nach § 33 Abs. 3 Nr. 3 KrWG weitere Maß49 So die Erkenntnisse aus dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Schlüsselfaktor Ressourceneffizienz“ (Laufzeit 4/11 – 3/13) der Universität Lüneburg, s. http://www.leuphana. de/professional-school/wissenstransfer/forschung-entwicklung/im-inkubator/ressourceneffizi enz.html. 50 Dazu Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 34.
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nahmen nur festzulegen, soweit dies erforderlich ist. Dieser Vorbehalt kann politisch dazu ausgenutzt werden, es beim status quo zu belassen und keine oder fast keine weiteren Maßnahmen festzulegen, wodurch das Abfallvermeidungsprogramm in seiner Wirkung leerlaufen würde. Es besteht durchaus die Gefahr, dass weitergehende strategische Ansätze, etwa in Richtung Suffizienz, nicht verfolgt werden.51 In Österreich wurde bereits ein Abfallvermeidungsprogramm als Bestandteil des Bundes-Abfallwirtschaftsplans (BAWP) 2011 erstellt, dem wie in Deutschland umfangreiche Studien vorausgegangen waren.52 Detailstudien befassten sich mit Baurestmassen53, Aschen, Schlacken und Stäuben54, hausmüllähnlichen Abfällen aus Gewerbe und Industrie55, dem Thema „Dienstleistung statt Produkt“56, der Vermeidung von Lebensmittelabfällen57 und der Produzentenverantwortung58. Dies mündete in den Bundes-Abfallwirtschaftsplan 201159, in dessen Band 1 das Abfallvermeidungsprogramm integriert wurde.60 Das Programm enthält nach einer strategischen Verortung der Abfallvermeidung eine Übersicht und Bewertung der diversen Vorschläge und Maßnahmen der Abfallvermeidungs- und -verwertungsstrategie 2006 und listet weitere bestehende Abfallvermeidungsinitiativen in Österreich auf. Unter anderem werden dazu „österreichische Success-Stories“ aufgeführt. Es folgen die eigentlichen Darstellungen und Festlegungen des Abfallvermeidungsprogramms 2011 anhand des Anhangs IV der AbfRRL. Dazu wurden folgende „Maßnahmenbündel“ erarbeitet: „Vermeidung von Baurestmassen“, „Abfallvermeidung in Betrieben“, „Abfallvermeidung in Haushalten“61, „Vermeidung von Lebensmittelabfällen“ und „Re-Use“, die verschiedenen Umsetzungsinstrumenten zugeordnet wurden. Diese Maßnahmenbündel wurden im Hinblick auf die erwartete Wirkung bewertet und es wurden für das Monitoring Indikatoren und Maßstäbe aufgestellt. Das österreichische Abfallvermeidungsprogramm hat es vermocht, die beschriebene Komplexität auf ein vertretbares Maß herunterzubrechen. Es ist „ein Mix aus Maßnahmen, 51
Vgl. Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 12. s. Reisinger/Kramer, Entwicklung des Abfallvermeidungsprogramms 2011, Materialien zum Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2011, abrufbar unter http://www.umweltbundesamt.at/fi leadmin/site/publikationen/REP0345.pdf. 53 s. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0009.pdf. 54 s. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0003.pdf. 55 s. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/umweltthemen/abfall/abfallvermeidung /Detailstudie_Hausm_ll_hnliche_Gewerbe_Industrie_050727.pdf. 56 s. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0191.pdf. 57 s. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/umweltthemen/abfall/abfallvermeidung /Lebensmittel_im_Abfall.pdf. 58 s. http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/umweltthemen/abfall/abfallvermeidung /Detailstudie_Produzentenverantwortung_050901.pdf. 59 s. http://www.bundesabfallwirtschaftsplan.at/. 60 Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2011, Band 1, S. 207 ff. 61 Hier wird u. a. die Motivation der Bevölkerung zu einem „suffizienten Konsum“ thematisiert, Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2011, S. 240. 52
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die bereits begonnen haben, aus Maßnahmen, die angepasst werden und vollkommen neuen Maßnahmen.“62 Ein wesentlicher Teil soll bis 2017 umgesetzt werden. 2. Rechtsnatur sowie Rechtswirkung der Abfallvermeidungsprogramme, Zuständigkeit und Verfahren Welche Rechtsnatur das Abfallvermeidungsprogramm hat und welche Verbindlichkeit ihm zukommt, wird in § 33 KrWG nicht näher bestimmt. Es handelt sich nicht um einen Plan wie den Abfallwirtschaftsplan, auch nicht um einen Fachplan. Eher ist es einem exekutivischen Umweltprogramm vergleichbar.63 Letztlich wird man dem Abfallvermeidungsprogramm eine wie auch immer geartete Außenwirkung absprechen müssen, so dass es sich wohl nur um ein „Verwaltungsinternum“ handelt.64 Damit verpflichtet das Abfallvermeidungsprogramm nur die Stellen der öffentlichen Hand auf der jeweiligen Ebene, d. h. Bund, Länder und auch die Kommunen. Insoweit ist es aber in seinen Festlegungen verwaltungsintern verbindlich.65 Das Abfallvermeidungsprogramm kann auch Maßnahmen betreffen, für deren Umsetzung der Gesetzgeber zuständig wäre. Die o. a. Vorschläge beziehen sich zum Teil auf solche Maßnahmen, wobei sogar der europäische Normgeber Adressat sein kann.66 Insoweit kann es sich aber nur um Aufforderungen an die Bundesregierung oder andere Stellen der Exekutive handeln, auf solche Normänderungen hinzuwirken. Bedingt durch die föderale Struktur gibt es überlappende Mehrfachzuständigkeiten für die Abfallvermeidungsprogramme, ohne dass im KrWG Abstimmungspflichten geregelt wären. Verpflichtet ist nach § 33 Abs. 1 KrWG zunächst der Bund, d. h. das Programm muss vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Die Zuständigkeit für die Erstellung liegt nach § 33 Abs. 5 S. 3 KrWG beim Bundesumweltministerium bzw. einer von diesem bestimmten Behörde. Nach § 33 Abs. 1 S. 2 KrWG können sich die Länder an der Programmerstellung beteiligen und leisten dann jeweils eigenständige Beiträge, die in das Programm des Bundes aufgenommen werden. Die Länder können aber auch nach § 33 Abs. 2 KrWG ohne Beteiligung am Programm des Bundes eigene Abfallvermeidungsprogramme erstellen. Dies führt zu einer Vielzahl an Möglichkeiten (nur ein Programm des Bundes, zusätzliche 16 Länderprogramme, einzelne Länderprogramme), die die Umsetzung und Übersichtlichkeit und damit auch die Durchsetzungskraft des Abfallvermeidungsprogramms schwächen kön62
Ebenda, S. 239. Bedenklich im Hinblick auf die Steuerung der Legislative durch solche Programme Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, S. 231, 97. 64 So Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (528). 65 Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 6. 66 Z. B. der Vorschlag zur Erweiterung der Ökodesign-Richtlinie, s. Schomerus/Spengler, EurUP 2010, 54 ff. 63
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nen.67 Es ist daher zu begrüßen, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, nur ein Abfallvermeidungsprogramm des Bundes unter Beteiligung der Länder zu erstellen.68 Dennoch ist unklar, wie ohne geregelte Abstimmungspflichten die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Programmerstellung erfolgen soll. Eine Abstimmungspflicht sieht dagegen § 33 Abs. 5 S. 4 KrWG vor, wonach das Bundesumweltministerium das Programm „im Einvernehmen mit den fachlich betroffenen Bundesministerien erstellt“. D.h., dass ohne die Zustimmung z. B. des Bundeswirtschaftsministeriums das Abfallvermeidungsprogramm nicht vom Bundeskabinett verabschiedet werden kann. § 17 der Geschäftsordnung der Bundesregierung69 verlangt bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern einen vorherigen persönlichen Verständigungsversuch zwischen diesen, bevor das Kabinett darüber entscheidet. Ob das Abfallvermeidungsprogramm für den Bundesumweltminister einen solchen Stellenwert hat, dass ein Konflikt auf eine Auseinandersetzung im Kabinett hinauslaufen würde, kann bezweifelt werden. Nach § 33 Abs. 4 KrWG können Beiträge der Länder oder Abfallvermeidungsprogramme der Länder in die Abfallwirtschaftspläne nach § 30 KrWG aufgenommen oder als eigenständiges umweltpolitisches Programm oder Teil eines solchen erstellt werden. Allerdings können sie nicht an der Rechtsverbindlichkeit der Abfallwirtschaftspläne nach § 30 Abs. 4 KrWG teilhaben.70 Wie oben dargestellt, wurde das österreichische Programm in den nationalen Abfallwirtschaftsplan aufgenommen. § 33 Abs. 5 S. 1 KrWG bestimmt in Umsetzung von Art. 29 Abs. 1 AbfRRL als Frist bis zur Erstellung des ersten Abfallvermeidungsprogramms den 12.12. 2013. Das Programm ist dann alle sechs Jahre auszuwerten und bei Bedarf fortzuschreiben. Nach Art. 30 Abs. 2 AbfRRL soll die Europäische Umweltagentur in ihren jährlichen Bericht eine Übersicht der Fortschritte bei der Ergänzung und Umsetzung von Abfallvermeidungsprogrammen aufnehmen. Nach § 33 Abs. 5 S. 2 KrWG ist bei der Aufstellung oder Änderung von Abfallvermeidungsprogrammen die Öffentlichkeit entsprechend der Regeln über die Aufstellung der Abfallwirtschaftspläne nach § 32 Abs. 1 bis 4 KrWG zu beteiligen. Nach § 32 Abs. 1 KrWG ist danach die Aufstellung des Abfallvermeidungsprogramms sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise bekannt zu machen. Insoweit bietet sich das Internet an.71 Der Zeitpunkt des Beginns der Öffentlichkeitsbeteiligung 67
Dazu Schomerus/Herrmann-Reichold/Stropahl, ZUR 2011, 507 (511). Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 (528). 69 GOBReg v. 11.05. 1951, GMBl. S. 137 i. d. F. d. Bekanntmachung v. 21.11. 2002, GMBl. S. 848. 70 Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 38. 71 Vgl. Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 32 Rn. 9. 68
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ist nicht geklärt. Art. 31 AbfRRL verlangt, dass „die relevanten Interessenvertreter und Behörden sowie die breite Öffentlichkeit die Möglichkeit erhalten, an der Ausarbeitung der … Abfallvermeidungsprogramme mitzuwirken“. Dies verlangt eine frühestmögliche Beteiligung. Praktischerweise sollte diese spätestens nach Veröffentlichung der o. a. Gutachten erfolgen, wobei sich eine internetbasierte Beteiligung, etwa in Form eines Online-Dialogs72, anbietet. Leider wurde § 32 Abs. 5 KrWG nicht für entsprechend anwendbar erklärt, nach dem die Öffentlichkeit unbeschadet der Beteiligungsvorschriften über den Stand der Abfallwirtschaftsplanung zu unterrichten ist. 3. Zusammenfassende Bewertung des Abfallvermeidungsprogramms Das Abfallvermeidungsprogramm bietet neue Chancen für Vermeidung und Ressourcenschutz. Ob diese tatsächlich genutzt werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. So sollte das gesamte strategische Spektrum von konsistenz-, effizienz- und suffizienzfördernden Maßnahmen ausgeschöpft werden.73 Vielleicht am bedeutendsten sind Maßnahmen zur Veränderung der Verbrauchermentalität in Richtung eines nachhaltigeren Konsums.74 Es darf bei der Erfüllung der Pflichten aus § 33 KrWG nicht bei einer bloßen Sammlung und Aufnahme bestehender Abfallvermeidungsmaßnahmen in das Abfallvermeidungsprogramm bleiben, sondern es sollten Maßnahmen kreativ und phantasievoll entwickelt und festgelegt werden. Es sollte auch möglich sein, absolute Vermeidungsziele festzulegen, z. B. eine Senkung des Gewerbe- und Siedlungsabfalls um 5 % pro Jahr. Allerdings sind dabei immer die möglichen Rebound-Effekte im Blick zu behalten.75 Bund und Länder sollten sich nicht gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, sondern es sollte, wie dies offenbar auch vorgesehen ist, nur ein Programm des Bundes erstellt werden, an dem sich die Länder beteiligen können. Letztlich kann das Abfallvermeidungsprogramm dazu beitragen, dass ein Bewusstsein geschaffen wird, dass Abfallvermeidung nicht mit Produktvermeidung gleichgesetzt und als Wirtschaftsbremse empfunden wird. Im Gegenteil, Abfallvermeidung sollte auch als ökonomische Chance erkannt werden.
72 s. etwa den Online-Dialog zur Wertstofftonne im August 2012, http://www.bmu.de/dia log_wertstofftonne/content/48963.php. 73 Zu diesen Ansätzen Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 33 Rn. 12. 74 s. dazu Schlacke/Stadermann/Grunow, Rechtliche Instrumente zur Förderung des nachhaltigen Konsums – am Beispiel von Produkten, Texte des Umweltbundesamts 24/2012, abrufbar unter http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4297.pdf. 75 Dazu ebenda, S. 89 ff.
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IV. Zur Notwendigkeit eines Ressourcenschutzgesetzes Ressourcenschutz ist wesentlich mehr als Abfallvermeidung.76 Vermeidung und die Abfallvermeidungsprogramme sind aber wesentliche Instrumente des Ressourcenschutzrechts. Dennoch hat das KrWG nichts grundlegend daran geändert, dass Abfallvermeidung und Ressourcenschutz das Abfallrecht überfrachten und überfordern. Auch weiterhin gilt, dass das neue Kreislaufwirtschaftsrecht in den abfallrechtlichen Strukturen verhaftet bleibt. Es denkt vom Ende her, nicht genügend am Stoffstrom entlang. Es fehlen direkt ressourcen-, d. h. input- und abbaubezogene Instrumente. Ressourcenschutzrecht ist keine „bloße Erweiterung des Abfallrechts“.77 Daher sind über das Abfallrecht hinaus weitere Instrumente notwendig, bei denen Vermeidung der Ressourcennutzung überhaupt im Vordergrund steht.78 Ein Ressourcenschutzgesetz (ReSchG) könnte zur Ressourcenschonung einschl. Rohstoffsicherung sowie zur Minderung von Umweltschäden durch die Ressourcennutzung beitragen. Denkbar wäre ein Artikelgesetz mit einem ersten Artikel eines subsidiären Stammgesetzes (oder Grundlagengesetzes)79 nach dem Vorbild des UVPG. In diesem Stammgesetz könnten Auffangtatbestände geregelt werden, sofern die fachgesetzlichen Vorschriften die Anforderungen an Abfallvermeidung und Ressourcenschutz nicht erfüllen. Weitere mögliche Inhalte wären Bestimmungen zu Zwecken des Ressourcenschutzes wie eine schonende und sparsame Ressourcennutzung, eine absolute Reduktion der Ressourceninanspruchnahme, die Verringerung der negativen ökologischen Auswirkungen der Ressourcennutzung und die Verringerung der Abhängigkeit von rohstoffproduzierenden Staaten. Zusätzlich könnte in weiteren Artikeln die Verbesserung des Ressourcenschutzes in Fachgesetzen wie BImSchG, BBergG, ROG, BauGB normiert werden.80 Smeddinck erwägt „eine Teilkodifikation mit drei Büchern in der Reihenfolge Ressourcenschutz, Produktverantwortung und Abfallwirtschaft“, mit der Stoffstromregelungen integriert oder in einem weiteren Buch erfasst werden könnten, oder auch, wie hier vorgeschla-
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Weiterführend Herrmann/Sanden/Schomerus/Schulze, ZUR 2012, 523 f. sowie Sanden/ Schomerus/Schulze, Entwicklung eines Regelungskonzepts für ein Ressourcenschutzrecht des Bundes, Berichte Umweltbundesamt 1/2012, S. 135 ff. 77 Smeddinck, VerwArch 2012, 183. 78 s. in diesem Sinne schon Spangenberg/Verheyen, Von der Abfallwirtschaft zum Stoffstrom-Management, 1996 (http://library.fes.de/fulltext/stabsabteilung/00141006.html) sowie Brandt/Röckseisen, Konzeption für ein Stoffstromrecht, Berichte Umweltbundesamt 7/2000, S. 29 f.; s. auch Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hg.), Umweltgutachten 2008, S. 416; Erdmann/Handke/Klinski/Behrendt/Scharp, Nachhaltige Bestandsbewirtschaftung nicht erneuerbarer knapper Ressourcen – Handlungsoptionen und Steuerungsinstrumente am Beispiel von Kupfer und Blei, 2004, S. 327 (http://www.izt.de/fileadmin/downloads/pdf/IZT_WB68_ knappe_Ressourcen.pdf). 79 s. Smeddinck, ZG 2007, 62 ff. 80 Ausführlich hierzu Sanden/Schomerus/Schulze, Entwicklung eines Regelungskonzepts für ein Ressourcenschutzrecht des Bundes, Berichte Umweltbundesamt 1/2012, S. 397 ff.
Abfallvermeidungsprogramme: Herausforderung an Bund und Länder
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gen, „ein eigenständiges Bundesressourcenschutzgesetz zu kreieren“.81 All dies sind bisher lediglich Diskussionsansätze, die möglichen legislatorischen Bestrebungen noch weit vorauseilen. Ob es zu einem Bundes-Ressourcenschutzgesetz (ReSchG) kommen wird, hängt letztlich davon ab, ob die bestehenden Gesetze mit ihren alten und neuen Instrumenten die Ressourcen- und Rohstoffproblematik in den Griff bekommen. Der Erfolg oder Misserfolg des Abfallvermeidungsprogramms hat daran nicht unerheblichen Anteil.
V. Zusammenfassung in Thesen *
Ausgangslage und Rahmenbedingungen der Abfallvermeidung
1. Trotz ihrer prioritären Stellung im KrW-/AbfG sowie im KrWG sind Ressourcenschutz und Abfallvermeidung bisher nur „Stiefkinder“ des Kreislaufwirtschaftsund Abfallrechts. Gründe sind: a) Das Netto-Abfallaufkommen ist insbesondere wegen der Konjunkturschwäche im Baubereich gesunken, jedoch sind Produktions- und Gewerbesowie Siedlungsabfälle angestiegen bzw. annähernd gleich geblieben. b) Die Abfallwirtschaft hat kein natürliches Interesse an Abfallvermeidung. c) Die Abfallhierarchie führt angesichts des § 5 Abs. 2 KrWG nicht zu einem durchsetz- und operationalisierbaren Vorrang der Vermeidung. d) Anders als bei der Verwertung und Beseitigung von Abfällen verzichtet das KrWG auf konkretisierte Vermeidungspflichten (s. die Verweise in § 7 Abs. 1 KrWG). 2. Die quantitativen und qualitativen Ziele der Abfallvermeidung im Sinne der Definition in § 3 Abs. 20 KrWG werden nicht genügend adressiert. Die Umsetzung der dort genannten Beispiele für Abfallvermeidungsmaßnahmen ist problematisch, denn: a) Das abfallrechtliche Vermeidungskonzept kollidiert mit europäischer Produktregulierung, insbesondere durch die Ökodesign-Richtlinie mit ihren Durchführungsmaßnahmen. b) Die zweite Stufe der fünfstufigen Abfallhierarchie (Vorbereitung zur Wiederverwendung) bedarf neuer, kreativer Instrumente, die bisher im Abfallrecht nicht vorgesehen waren. c) Abfallarmes Konsumverhalten wird nur unzureichend beeinflusst; Beispiel ist die VerpackV mit ihrer Intransparenz durch versteckte Kosten und der Trittbrettfahrerproblematik. 81
Smeddinck, VerwArch 2012, 183.
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Thomas Schomerus
Abfallvermeidungsprogramme
3. Die 1:1-Umsetzung des Art. 29 AbfRRL in § 33 KrWG zeugt nicht von einem ernsthaften Bemühen des Gesetzgebers, die Abfallvermeidungsprogramme als neues Instrument ernst zu nehmen, denn: a) Es ist bedauerlich, dass nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 KrWG nur relative Abfallvermeidungsziele (Entkopplung des Wirtschaftswachstums von den mit der Abfallerzeugung verbundenen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt) festzulegen sind, während nach dem Wortlaut die Festlegung absoluter Ziele wohl nicht zulässig ist. b) Die Rechtsnatur und Verbindlichkeit des Abfallvermeidungsprogramms ist nicht geklärt; es handelt sich nicht um einen Plan wie den Abfallwirtschaftsplan, sondern wohl nur um ein „Verwaltungsinternum“. c) Die Beispiele für Abfallvermeidungsmaßnahmen nach Anl. 4 zum KrWG wiederholen wortwörtlich Anhang IV zur AbfRRL. d) Bedingt durch die föderale Struktur gibt es überlappende Mehrfachzuständigkeiten für die Abfallvermeidungsprogramme ohne im KrWG geregelte Abstimmungspflichten. 4. Die Vielfältigkeit – um nicht zu sagen: Uferlosigkeit – der Möglichkeiten zur Festlegung weiterer Abfallvermeidungsmaßnahmen ist Chance und Gefahr zugleich für den Erfolg der Abfallvermeidungsprogramme. Diese bieten neue Chancen für den Ressourcenschutz, wenn: a) … das gesamte strategische Spektrum von konsistenz-, effizienz- und suffizienzfördernden Maßnahmen ausgeschöpft wird. b) … es bei der Erfüllung der Pflichten aus § 33 KrWG nicht bei einer bloßen Sammlung und Aufnahme bestehender Abfallvermeidungsmaßnahmen in das Abfallvermeidungsprogramm bleibt, sondern Maßnahmen kreativ und phantasievoll entwickelt und festgelegt werden. c) … auch absolute Vermeidungsziele festgelegt werden (Beispiel: Senkung des Gewerbe- und Siedlungsabfalls um 5 %/Jahr). d) … Bund und Länder sich nicht gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, sondern vorzugsweise nur ein Programm des Bundes erstellt wird, an dem sich die Länder beteiligen können. e) … ein Bewusstsein geschaffen wird, dass Abfallvermeidung nicht mit Produktvermeidung gleichgesetzt und als Wirtschaftsbremse empfunden wird. *
Abfallvermeidung durch ein neues Ressourcenschutzgesetz?
5. Das KrWG hat nichts grundlegend daran geändert, dass Abfallvermeidung und Ressourcenschutz das Abfallrecht überfrachten und überfordern, denn:
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a) Es denkt vom Ende her, nicht genügend am Stoffstrom entlang. b) Es fehlen direkt ressourcen-, d. h. input- und abbaubezogene Instrumente. c) Es sind über das Abfallrecht hinaus weitere Instrumente notwendig, bei denen Vermeidung der Ressourcennutzung überhaupt im Vordergrund steht. 6. Ein Ressourcenschutzgesetz (ReSchG) könnte zur Ressourcenschonung einschl. Rohstoffsicherung sowie zur Minderung von Umweltschäden durch die Ressourcennutzung beitragen, indem: a) … dieses als subsidiäres Stammgesetz (Vorbild UVPG) geschaffen wird. b) … darin Auffangtatbestände geregelt werden, sofern die fachgesetzlichen Vorschriften die Anforderungen an Abfallvermeidung und Ressourcenschutz nicht erfüllen. c) … darin Zwecke wie eine schonende und sparsame Ressourcennutzung, eine absolute Reduktion der Ressourceninanspruchnahme, die Verringerung der negativen ökologischen Auswirkungen der Ressourcennutzung und die Verringerung der Abhängigkeit von rohstoffproduzierenden Staaten geregelt werden. d) … zusätzlich die Verbesserung des Ressourcenschutzes in Fachgesetzen wie BImSchG, BBergG, ROG, BauGB normiert wird.
Ressourcenschutz durch Kreislaufwirtschaft – aus Sicht der Rechtswissenschaft Von Klaus Meßerschmidt
I. Programmatik: Zwischen Vision und Organisation 1. Ressourcenschutz ist als vorrangige Aufgabe des modernen Kreislaufwirtschaftsrechts allgemein anerkannt. Dies spiegelt sich in der Umbenennung des Abfallrechts in Kreislaufwirtschaftsrecht. Mit dieser abermaligen Umbenennung1 schließt sich gewissermaßen der Kreis: Was als Abfallgesetz begann, findet nach der Zwischenstation als Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz seine endgültige Bestimmung: Mit der neuen Kurzbezeichnung als „Kreislaufwirtschaftsgesetz“ löst der Gesetzgeber nicht nur das leidige Problem der „Zitierfähigkeit des Gesetzes“, sondern verleiht auch der „abfallwirtschaftliche(n) und umweltpolitische(n) Weiterentwicklung des Abfallrechts“ Ausdruck.2 In Anbetracht der Neigung des Gesetzgebers zu symbolischer Sprachpolitik nimmt man mit Dankbarkeit zur Kenntnis, dass nicht nur in der Gesetzesbegründung von „Abfallrecht“ die Rede ist, sondern auch in der Langfassung der Gesetzesbezeichnung der maßgebliche Objektbereich „Abfälle“ weiterhin angesprochen wird. 2. Dem abstrakten Konsens über die Ziele der Kreislaufwirtschaft stehen die Kontroversen um die Aufgabenverteilung zwischen öffentlichen und privaten Akteuren bei der Kreislaufwirtschaft gegenüber. 3. Hieraus resultiert die Gefahr, dass konzeptionelle Fragen hinter organisatorischen zurücktreten, Verteilungskämpfe mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als das Ressourcenschutzziel. Die inner- und außerparlamentarischen Auseinandersetzungen um die Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, die vor allem um das Verhältnis von öffentlicher Abfallentsorgung und privater Abfallbewirtschaftung und dort insbesondere um die ebenso praktische wie profane 1 Wie auf keinem anderen Teilgebiet des Umweltrechts wird die inhaltliche Fortentwicklung mit Umbenennungen verbunden. Der Übergang vom Abfallbeseitigungsrecht zum Abfallbewirtschaftungsrecht (vgl. nur Lottermoser, Die Fortentwiclung des Abfallbeseitigungsrechts zu einem Recht der Abfallwirtschaft, 1991) wurde ähnlich begründet wie der Wechsel des Abfallwirtschaftsrechts zum Kreislaufwirtschaftrecht. Außerdem beansprucht der Begriff des Stoffflussrechts eine Führungsrolle, vgl. schon Schenkel/Reiche, Abfallwirtschaft als Teil der Stoffflußwirtschaft, in: Schenkel (Hg.), Recht auf Abfall?, 1993, S. 59 ff., 102 ff. 2 BT-Drs. 17/6052, S. 68.
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Klaus Meßerschmidt
Neuerung der Wertstofftonne kreisten, legen hiervon Zeugnis ab. Die Fokussierung der Reformdiskussion auf die Verteilungskonflikte zwischen den konkurrierenden Akteuren auf dem Abfallverwertungsmarkt ist nicht nur ein Reflex der eher spärlichen inhaltlichen Innovationen der Neuordnung, sondern auch decouvrierend für die neuen Frontlinien im Umweltschutz: Öffentliche und private Akteure streiten nicht mehr – wie in der Gründerzeit des Umweltschutzes – schlicht um mehr oder weniger Umweltschutz, sondern um Umweltschutzmärkte, deren Kreation, Zuschnitt und Zuordnung, sowie um die Verteilung von Umweltschutzdividenden.
II. Umsetzungsgeschichte: Alter Wein in neuen Schläuchen? 4.
Ressourcenschonung durch Kreislaufwirtschaft gehört seit mehreren Jahrzehnten zum Repertoir des Abfallrechts. Wurde Anfang der 1980er Jahre noch das weitgehende Fehlen abfallwirtschaftlicher Regelungen beklagt,3 obwohl mit der Verordnungsermächtigung des § 14 AbfG a.F. schon die Grundlage für eine Verpackungsregulierung gegeben war, so wurden seither mehrfach Weichen in Richtung auf eine moderne Kreislaufwirtschaft gestellt. Spätestens mit der Einfügung des § 1a AbfG 1986 über Abfallvermeidung und Abfallverwertung hat der Ressourcenschutzgedanke einen festen Platz im bundesdeutschen Abfallrecht. Im Umweltrecht der DDR mit seinem Fokus auf „Abprodukte“ und „Sekundärrohstoffe“ hat die abfallwirtschaftliche Wende schon früher eingesetzt.4 Mit dem erneuten und forcierten Bekenntnis zu Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz durch Abfallvermeidung und -bewirtschaftung vermochte die Novelle daher kaum neue Akzente zu setzen. Nachdem die Zunft der Umweltrechtler sich schon 1996 fragte, „Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – was ändert sich?“,5 reibt man sich angesichts eines déjà-vu-Erlebnisses verwundert die Augen. Der Anspruch des Gesetzgebers, mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz werde „die Abfallwirtschaft wesentlich stärker in eine Ressourcen schonende Materialbewirtschaftung eingebunden“,6 wird allenfalls ansatzweise eingelöst. Die deshalb naheliegende Kritik, weshalb unter diesen Umständen so viel Aufhebens um eine „Neuordnung“ gemacht wird, die von einem Paradigmenwechsel weit entfernt ist, trifft den Bundesgesetzgeber gleichwohl nur zum Teil: Die Neuregelung dient bekanntlich der – verspäteten – Umsetzung
3 Franßen, Abfallrecht, in: Salzwedel (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 1. Aufl. 1982, S. 399 ff., 403. 4 Vgl. §§ 32 und 33 LKG und dazu Supranowitz et al., Landeskulturgesetz Kommentar, 1973, S. 281 ff. m.w.N. zu den Durchführungsverordnungen und Anordnungen. 5 Vgl. die gleichnamige Dokumentation der Gesellschaft für Umweltrecht zur Tagung vom 31.10. 1996 in Berlin (1997) mit Beiträgen u. a. von Kunig, Petersen, Schink und Versteyl. 6 So BT-Drs. 17/7505, S. 12 (Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Umweltausschusses).
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der Richtlinie 2008/98/EG7 und musste daher erfolgen, selbst wenn der intrinsische Reformbedarf eher gering war. Dennoch wirkt es befremdlich, dass der Gesetzgeber den Übergang zur Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund stellt, während die Gesetzesbegründung die bereits erzielten Erfolge des „forcierten Ausbaus der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft“ in einer Weise rühmt,8 die an der Notwendigkeit mehr als marginaler Gesetzesänderungen zweifeln lässt. 5.
Auch hinsichtlich der Einzelheiten besteht im Grundsatz seit langem Einigkeit: Effektiver Ressourcenschutz darf nicht ex post am Produktende ansetzen, sondern muss im Sinne des Vorsorgeprinzips bereits die Produktgestaltung erfassen. Die Entdeckung der Produktverantwortung im Abfallrecht (vgl. § 22 KrW-/ AbfG 1994)9 leistete einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des ökologischen Produktrechts, das heute auf zwei Säulen, Kreislaufwirtschaftsrecht und Energieeffizienzrecht, ruht.
6.
Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz 2012 bringt trotz seines in der abermaligen Umbenennung manifestierten Reformanspruchs keine einschneidenden Veränderungen hinsichtlich des Ressourcenschutzes. Diese sind eher von dem projektierten Wertstoffgesetz oder der Wertstoffverordnung zu erwarten, über die Auskunft zu geben andere berufen sind.10 Die nahezu zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes erfolgte Proklamation des neuen Wertstoffgesetzes war zwar insofern sinnvoll, als das Kreislaufwirtschaftsgesetz wesentliche Fragen der Wertstofferfassung und -behandlung, namentlich die Gretchenfrage der „Systemführerschaft“,11 aus bekannten Gründen offen gelassen hat, sorgt aber nicht nur unter dem Blickwinkel des „Gesetzgebungsmarketings“ für Irritationen.12 Ein Gesetz, das einen offensichtlich zentralen Gegenstand, in ein eigenes Gesetz ausgliedern will, ist eine legistische Blamage, die sich nur aus der Zwickmühle des Gesetzgebers erklären lässt, einerseits die überfällige Richtlinienumsetzung zu schulden und andererseits in Anbetracht der erbitterten Kontroversen der Interessenten und ihrer politischen Verbündeten auf kein glattes Gesetzgebungsverfahren hoffen zu können. Mit dem „Projekt Wertstoff-
7 Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11. 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. EG Nr. L 312 v. 23.11. 2008, S. 3; ber. ABl. EU 2009 Nr. L 127 v. 22.01. 2008, S. 24). 8 BT-Drs. 17/6052, S. 56. 9 Vgl. statt vieler P. M. Huber (Hg.), Das ökologische Produkt, 1995 und Streck, Abfallrechtliche Produktverantwortung, 1998, S. l. 10 Vgl. vorerst nur Rummler (BMU), Projekt Wertstoffgesetz – weitere Ausgestaltung der Kreislaufwirtschaft, Vortrag auf dem 3. cyclos-focus congress 19.04. 2012 Berlin, www.cyc los.de (zuletzt aufgerufen am 04.07. 2012). 11 Dazu jedoch Gruneberg, Die gemeinsame Wertstofferfassung – auch ohne Wertstoffgesetz, Vortrag auf dem 3. cyclos-focus congress 19.04. 2012 Berlin, www.cyclos.de (zuletzt aufgerufen am 04.07. 2012). 12 Vgl. nur Gassner in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages am 19.09. 2011.
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gesetz“ wird eben nicht nur eine Teilmaterie des Abfallrechts, sondern auch ein polarisierender Interessenkonflikt ausgegliedert. 7.
Mit dem Phänomen des motorisierten Gesetzes, das in der Ankündigung der nächsten Reform noch vor Abschluss der ersten zutage tritt, wird man sich allerdings abzufinden haben, denn auch die Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG13 erweist sich im Hinblick auf die Abfallbewirtschaftung im Wesentlichen als Politikentwicklungsinstrument. Insofern schaffen moderne Umweltgesetze nur begrenzt Rechtssicherheit und noch viel weniger Planungssicherheit – auch dort, wo dies von ihnen erwartet werden muss.
8.
Untrennbar verbunden mit dem Ressourcenschutz ist die Produktverantwortung. Das Abfallrecht darf sich dessen rühmen, dass der Gedanke der ökologischen Produktpolitik hier zuerst Fuß gefasst hat.14 Die Produktverantwortung hat ihren Schwerpunkt nach wie vor in auf der Ermächtigungsgrundlage des § 22 KrW-/AbfG bzw. § 23 KrWG basierenden Rechtsverordnungen, wie der Altfahrzeug-Verordnung, der Altöl-Verordnung und der Verpackungs-Verordnung, und in Spezialgesetzen, wie dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz und dem Batteriegesetz nebst zugehöriger Verordnungen.
9.
Die nachsorgende Produktverantwortung in Gestalt von Rücknahme-, Wiederverwendungs-, Verwertungs- und Beseitigungspflichten ist deutlich höher entwickelt als die vorsorgende Produktverantwortung mit kreislaufwirtschaftlichen Anforderungen an Produktentwicklung und Produktgestaltung. Insbesondere die Forderung und Förderung mehrfach verwertbarer, technisch langlebiger und reparaturfreundlicher Erzeugnisse weisen einen beträchtlichen Nachholbedarf auf,15 während kreislaufwirtschaftlich orientierte Informations- und Kennzeichnungspflichten eine weite Verbreitung gefunden haben.16
10. Charakteristisch für die moderne Kreislaufwirtschaft sind die Verwertungsquoten für Verpackungen, Altfahrzeuge und Elektro- und Elektronik-Altgeräte, der Recyclingquoten etwa für Bauabfälle folgen sollen.17 Hingegen wird eine weitergehende Regulierung des Ressourceneinsatzes (etwa im Sinne einer genuinen Materialbewirtschaftung) nicht forciert. Insofern bleibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz trotz Betonung des ressourcenökonomischen Ansatzes primär Output- und Abfall-orientiert. Inwieweit die Ziele des Ressourcenschutzes und der Steigerung der Ressourceneffizienz allein mit kreislaufwirtschaftlichen Instrumenten erreicht werden können, ist ohnehin zweifelhaft. 13
s. o. Fn. 7. Zu ihrem Inhalt Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, 2011, § 18 Rn. 11 ff. 14 Vgl. nur Meßerschmidt, Ökologische Produktregulierung im deutschen Umweltrecht, in: Führ (Hg.), Stoffstromsteuerung durch Produktregulierung, 2000, S. 57 ff. 15 Vgl. zu den möglichen Gründen Meßerschmidt, a.a.O., S. 77 f. 16 Vgl. nur z. B. §§ 9 und 10 AltfahrzeugV, § 14 ElektroG und § 14 VerpackV. 17 Vgl. nur z. B. § 1 VerpackV, § 5 AltfahrzeugV und § 1 ElektroG.
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III. Europäische und globale Perspektiven 11. Angesichts der unionsrechtlichen Fundierung ressourcenökonomischer Produktanforderungen und des Bemühens um eine Synchronisation nationaler und europäischer Abfallpolitik treten Friktionen mit der EU-Warenverkehrsfreiheit, die in der Vergangenheit wiederholt den Europäischen Gerichtshof beschäftigten,18 allmählich in den Hintergrund. Dafür könnten sich welthandelsrechtliche Probleme als neuer Hemmschuh einer recycling- und verwertungsorientierten Produktpolitik erweisen. Diese erfordern zweifellos verstärkte Aufmerksamkeit. Da es sich regelmäßig um Produktanforderungen – und nicht etwa um welthandelsrechtlich umstrittene produktionsbezogene Anforderungen – handelt und die Verwertungsfreundlichkeit eines Produkts auch einen bei der Gleichartigkeit zu berücksichtigenden Faktor darstellt, dürften entsprechende Anforderungen freilich nicht gegen die welthandelsrechtlichen Diskriminierungsverbote verstoßen.19
IV. Ressourcenschutz als Spielball von Verteilungskämpfen: Öffentlich-rechtliche Entsorgung und Privatisierung der Abfallbewirtschaftung 12. Im Kontrast zur grundsätzlichen Akzeptanz des Ressourcenschutzziels stehen die anhaltenden Verteilungskämpfe zwischen öffentlichen und privaten Entsorgungsträgern. Diese beherrschen seit Jahrzehnten die juristische und rechtspolitische Diskussion („Kampf um Abfall“)20 und bildeten auch einen der wichtigsten Streitpunkte bei den Gesetzesberatungen zum neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz.21 Dies spiegelt sich nicht nur in den im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen starken Veränderungen des § 17 gegenüber dem noch wirtschaftsfreundlicheren Regierungsentwurf, sondern auch in der mehrere Seiten umfassenden begleitenden Entschließung des Deutschen Bundestages.22 13. Das Kreislaufwirtschaftsrecht bleibt durch das Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher, namentlich kommunaler Daseinsvorsorge und Privatisierung der Abfallwirtschaft gekennzeichnet. 14. Dabei verfolgt das Kreislaufwirtschaftsrecht nicht erst seit dem mühsam ausgehandelten Kompromiss bei der Ausgestaltung der Überlassungspflichten in § 17 18
Vgl. die Nachw. bei Meßerschmidt, a.a.O., § 18 Rn. 8 ff. Die Kontroverse besteht seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-2/90, Slg. 1993, I-4431 – Kommission ./. Belgien (Wallonie). 19 Vgl. allgemein Meßerschmidt, a.a.O., § 4 Rn. 47 ff. 20 Vgl. nur Frenz, Gewerblicher Abfall, 1999, S. V. 21 Vgl. insbes. BT-Drs. 17/7505, 17/7931 und 17/8568 und BR-Drs. 682/11. 22 Vgl. BT-Drs. 17/6052 und den Entschließungsantrag in BT-Drs. 17/7505, S. 11.
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KrWG grundsätzlich inkompatible Ziele und heizt damit den Konflikt zusätzlich an: Einerseits strebt es eine Privatisierung der Abfallvermeidung und Abfallverwertung an. Andererseits möchte es das tradierte System der öffentlich-rechtlichen Entsorgung mit den korrespondierenden Überlassungspflichten möglichst ungeschmälert erhalten. 15. Ein Beispiel für die Unentschiedenheit der staatlichen Akteure, ob sie Abfallfraktionen privatisieren oder für sich reklamieren wollen, liefert der Verpackungssektor: Einerseits gebietet die Verpackungsverordnung eine Selbstentsorgung des Versandhandels. Andererseits folgt das Bundesverwaltungsgericht den Kommunen darin, dass dessen Rücknahmesystem so einzurichten sei, dass „Fehlwürfe“ ausgeschlossen werden.23 Die anstehende Wertstoffregelung wird diese Inkonsequenz beenden. 16. Die kreislaufwirtschaftliche Ausrichtung des Abfallrechts begünstigt die privatwirtschaftlichen Akteure, da ihr eine Privatisierungslogik zugrunde liegt und Verwertungsfortschritte den „Restmüllsektor“ auszehren. 17. Die rechtssystematische Unterscheidung zwischen Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung (§ 3 Abs. 1 S. 2 KrWG) überschneidet sich mit der für die abfallwirtschaftliche Praxis maßgeblichen Unterscheidung zwischen Hausmüllentsorgung und gemischten Siedlungsabfällen einerseits und der Entsorgung sonstiger Abfälle andererseits. 18. Fortschritte bei der Abfallverwertung gefährden die Koexistenz von öffentlicher bzw. territorial monopolisierter Abfallbeseitigung einerseits und privatisierter und liberalisierter, tendenziell grenzüberschreitender Abfallverwertung andererseits. 19. Der abfallwirtschaftliche Impetus auf Trennung und Verwertung von Abfallfraktionen stellt die kommunale Entsorgung von Hausmüll und gemischten Siedlungsabfällen zwar nicht in toto in Frage, droht aber verwertbare Abfallfraktionen den Kommunen streitig zu machen. Vor diesem Hintergrund finden auch die Auseinandersetzungen um eine einheitliche Wertstofftonne statt, die in der Beratung des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes eine prominente Rolle gespielt haben. Aufgrund der Beschlussempfehlung des BT-Umweltausschusses wurde die einseitige Fixierung auf die Wertstofftonne insofern überwunden, als dieser in der Verordnungsermächtigung des § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 zweiter Halbs. KrWG eine „einheitliche Wertstofferfassung in vergleichbarer Qualität“ gleichgestellt wurde. 20. Unbestreitbar haben diese Kontroversen neben dem wirtschaftlichen Interessengegensatz auch einen europrechtlichen Hintergrund. Die Auseinandersetzungen um den Abfall- und Verwertungsbegriff haben in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs allerdings regelmäßig zu folgenorientierten Lösungen 23
BVerwG, NVwZ 2006, 688.
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geführt, die auf Bestand und Kapazitätsauslastung der öffentlichen Entsorgungswirtschaft Rücksicht nahmen.24 21. Die umfassende Bestandsgarantie der kommunalen Abfallentsorgung durch das Bundesverwaltungsgericht und die damit verbundene teilweise Entwicklungssperre der privaten Entsorgungswirtschaft – Stichwort: Altpapierurteil25 – gehören nach der Neuregelung 2012 der Vergangenheit an. § 17 Abs. 3 KrWG schafft mit seiner detaillierten exemplarischen Definition des öffentlichen Interesses und der Höherwertigkeitsklausel allerdings keine Rechtssicherheit, sondern könnte den Boden für eine Klageflut bereiten. Die Gerichte sind auf die Rolle eines abfallwirtschaftlichen Effizienzkontrolleurs nicht vorbereitet. Die zuletzt erfolgten Korrekturen gegenüber dem Regierungsentwurf, insbesondere die Akzentuierung der Gebührenstabilität und der „gemeinwohlorientierten Servicegerechtigkeit“, machen allerdings deutlich, dass die Entscheidung für gemeinwirtschaftliche oder privatwirtschaftliche Lösungen nicht ausschließlich unter Effizienzgesichtspunkten, sondern auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch öffentliche Unternehmen zu erfolgen hat.26 Dementsprechend lässt § 17 Abs. 3 S. 4 KrWG, der erst im Vermittlungsverfahren in das Gesetz aufgenommen wurde,27 den Vorrang der kommunalen Entsorgung erst bei einer wesentlich leistungsfähigeren gewerblichen Sammlung und Verwertung – und nicht wie ursprünglich geplant – schon bei Gleichwertigkeit entfallen. Dies dürfte auch den Gerichten das Leben etwas erleichtern. 22. Die unter Druck der EU-Kommission erfolgte Regelung kommt der privaten Entsorgungswirtschaft weiter entgegen, als europäisches Primär- und Sekundärrecht und die Rechtsprechung des EuGH es erfordern. Insbesondere dessen Arnhem-Entscheidung bekennt sich zum Schutz des öffentlichen Dienstleistungssektors im Zusammenhang mit der Abfallentsorgung.28 Im Fall Sydhavnens hat der EuGH der Stadt Kopenhagen eine weitgehende Dispositionsbefugnis über die Abfallverwertung zuerkannt.29 Die Beispielsliste ließe sich fortführen. Die neue Abfallrahmenrichtlinie schützt die nationale Entsorgungsstruktur ebenfalls weitgehend vor privater Konkurrenz und erlaubt es den Mitgliedstaaten insbesondere, Abfallverbringungen zu Verbrennungsanlagen, die als Verwertung einzustufen sind, zu begrenzen (Art. 16 Abs. 1 UAbs. 2 RL 2008/98/ EG). Diese teilweise Erstreckung der Prinzipien der Entsorgungsautarkie und 24 Vgl. EuGH. Rs. C-458/00, Slg. 2003, I-1553 – Kommission ./. Luxemburg. Vgl. dazu auch Meßerschmidt, a.a.O., § 18 Rn. 64 f. m.w.N. 25 BVerwGE 134, 154 = NVwZ 2009, 1292. Bekräftigt in BVerwG, Beschl. v. 04.07. 2011 – 7 B 26.11 – juris. 26 Vgl. auch Art. 106 Abs. 2 AEUV. 27 Vgl. BR-Drs. 682/1/11, S. 2 und BT-Drs. 17/8568. 28 EuGH, Rs. C-360/96, Slg. 1998, I-6846 – Gemeente Arnhem ./. BFI Holding BV. 29 EuGH, Rs. C-209/98, Slg. 2000, I-3743 – Sydhavnens Sten & Grus. Dazu Meßerschmidt, a.a.O., § 18 Rn. 81.
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-nähe auf Abfälle zur Verwertung trägt dem Unbehagen an dem zu engen Schutz der öffentlichen bzw. kommunalen Hausmüllentsorgung in der vorangegangenen EuGH-Rechtsprechung Rechnung. Zweifel an der Primärrechtskonformität der Ausdehnung des Kapazitätsschutzes auf verwertbare Abfälle greifen nicht durch. Deshalb begegnet die zuletzt vorgenommene partielle Kurskorrektur zugunsten der kommunalen Abfallwirtschaft keinen durchgreifenden europarechtlichen Bedenken.30 23. Gleichwohl wird man sich auf eine weitere Privatisierung der Abfallwirtschaft einzustellen haben. Dies impliziert die Notwendigkeit, Vorsorge für die damit verbundenen Risiken zu treffen. Die mit der fortschreitenden Privatisierung der Abfallwirtschaft verbundenen Gefahren eines Kontrollverlusts über die Stoffströme und der „Rosinenpickerei“ können durch komplexe Überwachungssysteme und Ausgleichsregelungen gebannt werden. Angesichts der Tatsache, dass ausgerechnet bei den gefährlichen Abfällen ein höherer Privatisierungsgrad vorgegeben ist, bleibt für die Privilegierung der Entsorgung in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft nur das Kapazitätsargument, das mit der Nutzungsdauer im Zeitablauf verfällt. 24. Die Privatisierung der Kreislaufwirtschaft muss grundsätzlich einem Konkurrenzmodell folgen. Soweit Entsorgungsmonopole geboten sind, gewährleisten Ausschreibungsverfahren den notwendigen Wettbewerb. 25. Das Ringen um die „Revierabgrenzung“ zwischen öffentlicher und privater Abfallwirtschaft lässt sich allerdings nicht einfach auf den Grundkonflikt zwischen Staat und Privatsektor zurückführen, da die private Wirtschaft nicht etwa nur staatliche Eingriffe abwehrt, sondern Teilhabe an einem staatlich geschützten Markt – ähnlich wie bei den Erneuerbaren Energien – begehrt. Insofern besteht die Gefahr eines Arrangements zu Lasten Dritter, insbesondere der Konsumenten, die für die Kosten unnötiger Parallelstrukturen und teilweise unechter Märkte aufzukommen haben.
30 Enger wohl Karpenstein in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages am 19.09. 2011.
Ressourcenschutz durch Kreislaufwirtschaft – aus Sicht der Wirtschaft Von Peter Kurth Rohstoffe sind die Grundlage für all das, was für uns heute so selbstverständlich und alltäglich ist. Ohne Rohstoffe keine Infrastruktur, keine Konsumgüter, keine Informations- und Kommunikationstechnologie, keine Mobilität, keine Medizintechnik und keine Arzneimittel. Zugespitzt formuliert: Ohne Rohstoffe keine Industrie, ohne Industrie keine nachhaltige Entwicklung und keine Arbeitsplätze im Industrieland Deutschland. Eine sichere Rohstoffversorgung Deutschlands und Europas zu wettbewerbsfähigen Bedingungen ist die Voraussetzung für Wertschöpfung, Wachstum und Wohlstand – heute und auch künftig. Zunehmend sind es nicht nur die Industrienationen, die Rohstoffe nachfragen. Das Wachstum wird getrieben von Schwellenländern, erstreckt sich aber über alle Nationen. Dabei sind die natürlichen Vorkommen endlich. Aktuelle Prognosen besagen, dass es schon in 20 Jahren keine Bleivorkommen mehr geben wird, in 22 Jahren sind die Zinkvorräte erschöpft. In 31 Jahren wird die letzte Kupfermine schließen müssen. Doch auch bei verbesserter Produktivität der Substitution von Rohstoffen ist mit einem Rückgang der Nachfrage nach Rohstoffen angesichts der stetig wachsenden Weltbevölkerung kaum zu rechnen. Im Gegenteil, folgt man Schätzungen der EU-Kommission, wird die Ressourcennachfrage im Zeitraum zwischen 2005 und 2030 noch einmal um 75 % ansteigen. 1997 wurden jährlich weltweit noch 100 Millionen Mobiltelefone verkauft, 2009 waren es bereits über eine Milliarde – pro Jahr. Zwischen 1997 und 2009 wurden über 6 Milliarden Handys produziert. Handys sind inzwischen das Rückgrat der modernen Informationsgesellschaft. Sie werden genutzt als Telefon, Nachrichtenübermittler, Kamera, Musikanlage, Internetarbeitsplatz, Navigationssystem – sogar Geldtransfers finden bereits mit dem Handy statt. Auch wenn in jedem Handy nur Kleinstmengen Metalle enthalten sind, führen die hohen Absatzzahlen zu erheblichen Gesamtmengen. Ein durchschnittliches Mobiltelefon enthält rund 15 % Kupfer, 3 % Aluminium und Eisen, 2 % Nickel und 1 % Zinn. Darüber hinaus Edelmetalle wie Silber (250 mg), Gold (24 mg) und Palladium (9 mg) sowie Seltenmetalle wie Tantal oder Indium. Bei einer Milliarde Handys pro Jahr summiert sich dies auf insgesamt 15 000 Tonnen Kupfer, 3 000 Tonnen Aluminium und Eisen und 2 000 Tonnen Nickel. Addiert man alleine den jährlichen Metallbedarf für Handys sowie die jährlich verkauften 225 Millionen Computer und Laptops, so beanspruchen diese 2,5 % der Weltproduktion an Silber, 3 %
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Gold und 12 % Palladium. Das für die Akkus benötigte Kobalt fließt mit jährlich 58 000 Tonnen in diese Verwendungen – dies sind 15 % der Weltproduktion – und steht damit nicht mehr für andere Anwendungen der Hoch- und Spitzentechnologie, wie etwa Elektromotoren oder Lithium-Ionen-Akkumulatoren in Elektrofahrzeugen, zur Verfügung. Metallische Rohstoffe sind die Voraussetzung für den Erhalt ganzer Wertschöpfungsketten. Auf den Punkt gebracht heißt das: Wenn wir in Deutschland kein Öl mehr haben, dann fahren die Autos der heutigen Generation nicht mehr. Wenn es aber keine Metalle mehr gibt, dann produzieren wir hier keine Autos mehr. Da ohne Rohstoffe sowohl das Funktionieren der Wirtschaft als auch der Erhalt der Lebensqualität nicht gewährleistet sind, sind die Industriestaaten gezwungen umzusteuern. Ein extensiver, gar verschwenderischer Umgang mit Ressourcen ist angesichts rückläufiger Vorkommen sowie der dramatisch steigenden Rohstoffpreise nicht mehr bezahlbar und zukünftig ausgeschlossen (der Preisanstieg für seltene Erden betrug knapp 50 % alleine im letzten Jahr). Das gilt für Europa und die an Rohstoffen arme Industrie- und Exportnation Deutschland ganz besonders. Einer Analyse der KfW-Bankengruppe aus dem Jahr 2009 zufolge geben deutsche Unternehmen pro Jahr fast 800 Milliarden Euro für Material, Roh- und Betriebsstoffe aus. Ganz ohne Zweifel ist die sichere und bezahlbare Rohstoffversorgung existenziell für unsere Industrie. Rohstoffversorgung ist für viele Länder – für Europa noch am wenigsten bislang – Treiber für außenpolitische Schwerpunktsetzungen. Für unsere Industrie gilt: Wir brauchen verminderten Rohstoffeinsatz, verbesserte Substitution und Wiederverwendung. Das sind unverzichtbare Eckpfeiler des künftigen Rohstoffverständnisses. Mit der Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“, die im Rahmen der Strategie Europa 2020 beschlossen wurde, hat die Europäische Union vor einem Jahr erstmals einen strategischen Rahmen zur Ressourceneffizienz vorgegeben. Ein wichtiger Kernpunkt dieser Initiative ist die angestrebte Entwicklung der europäischen Gesellschaft zu einer Recyclinggesellschaft. Blickt man einmal konkret auf die Situation in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, ist festzustellen, dass sich viele Länder noch weit entfernt von diesem erklärten Ziel befinden. Deutschland hat gemeinsam – flankiert von einigen anderen Ländern – noch eine Vorreiterrolle. Und vermutlich wird nicht einmal das eher misslungene neue Kreislaufwirtschaftsgesetz in der Lage sein, die positiven Perspektiven der deutschen Entsorgungs-, Kreislauf- und Rohstoffwirtschaft dauerhaft einzutrüben. Ausgerechnet das neue deutsche Kreislaufwirtschaftsrecht verzichtet auf eine klare Priorität zugunsten der stoffgleichen Verwertung. Im Gegenteil: Wenn der Heizwert nur hoch genug ist, wird die stoffliche der thermischen Verwertung gleichgestellt. Konsequenterweise nimmt man sich dann auch gar nicht erst vor, bis 2020 auf verbesserte Recyclingquoten zu kommen, als wir sie heute erreicht haben. Und durch das weitgehende Verdrängen privater Unternehmen aus der Wertstofferfassung schwächt man auch diejenigen, die in den letzten Jahrzehnten den Recyclingstandort
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Deutschland entwickelt haben gegenüber denjenigen, die viel zu lange auf den Ausbau von Verbrennungskapazitäten gesetzt haben. Damit ist das Gesetz kaum geeignet, die erforderlichen Rahmenbedingungen für einen in den letzten Jahren dynamisch aufstrebenden Wirtschaftszweig zu schaffen, der künftig eine strategische Rolle für die stabile Versorgung der heimischen und europäischen Industrie mit (Sekundär-)Rohstoffen spielen soll. Die im Gesetz fixierten Regelungen werden hochwertiges Recycling in Deutschland künftig nicht fördern, sondern behindern. Diese absehbare Entwicklung ist vor allem deshalb unverständlich, weil sich die wichtigsten politischen Parteien in Deutschland in ihren politischen Programmen ausdrücklich zu Rohstoffsicherung, Klimaschutz und Ressourceneffizienz und generell zum Ausbau der Umweltwirtschaft bekennen. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die deutsche Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft eine der Lokomotiven bei der Etablierung und dem Ausbau der Umweltwirtschaft in Deutschland war und ist. Die Branche konnte sich in anderthalb Jahrzehnten hoch dynamisch entwickeln. Sie sorgt dafür, dass Müll – in Deutschland pro Jahr rund 370 Millionen Tonnen – als wertvolle Ressource erkannt und genutzt wird. Die Sekundärrohstoffgewinnung aus Abfällen wird dabei mehr und mehr zu einem volkswirtschaftlichen Faktor. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln ist in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Sekundärrohstoffbranche zur wachstumsstärksten Branche der deutschen Wirtschaft insgesamt entwickelt hat. In den vergangenen 15 Jahren konnte die Branche pro Jahr durchschnittlich um rund 14 % zulegen. Zum Vergleich: Die deutsche Volkswirtschaft wuchs im gleichen Zeitraum um weniger als 2 % pro Jahr. Durch dieses rasante Wachstum ist die Branche zu einem der wichtigsten Rohstofflieferanten für die heimische Wirtschaft avanciert. Im Jahr 2009 konnten immerhin rund 14 % des Rohstoffbedarfs der nationalen Industrie durch die Sekundärrohstoffbranche gedeckt werden. Das heißt, schon heute wird jede 7. Tonne der in Deutschland verbrauchten Rohstoffe von der Entsorgungsbranche zur Verfügung gestellt. Das Kölner Wirtschaftsinstitut geht davon aus, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreislauf- und Recyclingwirtschaft in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen wird. Bis zum Jahr 2015 könnte der Produktionswert der Sekundärrohstoffe annähernd 20 Milliarden Euro erreichen und sich damit im Vergleich zum Jahr 2010 verdoppeln. Das bedeutet: Die Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft ist eine Schlüsselbranche für die stabile Ressourcenversorgung der deutschen Industrie. Diese Rolle wird sie aber nur dann positiv ausfüllen können, wenn die Politik diese Wachstumsdynamik nicht durch Überregulierung und die Branche behindernde gesetzliche Weichenstellungen drosselt. Doch genau das ist durch das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz zu befürchten. In der politischen Diskussion stand die Zuständigkeit für die Wertstofferfassung bei Privathaushalten im Vordergrund. In der Tat liegen in der Sekundärrohstofferfassung bei den Abfällen aus Privathaushalten noch erhebliche Potentiale. Studien zu-
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folge werden alleine 60 – 70 % der ausrangierten Elektrokleingeräte nicht einer ordnungsgemäßen stofflichen Verwertung zugeführt. 15 000 Tonnen Kupfer würde dem entsprechen, alleine hier reden wir über einen Gesamtwert von mehr als 100 Mio. Euro. Sekundärrohstoffwirtschaft ist ein zunehmend bedeutsamer industrieller Bereich. Die hochwertige Versorgung der Industrie mit Sekundärrohstoffen setzt industrielle Recyclingstrukturen voraus. Warum sind hier privatwirtschaftliche Strukturen grundsätzlich vorteilhafter? Wir verstehen die Sekundärrohstoffwirtschaft heute als industrielle Prozesse, deren Wertschöpfungsketten nicht ohne Not auseinandergerissen werden sollten. Moderne Aufbereitungs- und Sortieranlagen benötigen zu ihrer Auslastung erhebliche Mengen, die in Kommunen nicht vorhanden sind. Diese industriellen Strukturen sind daher nahezu ausschließlich durch private Unternehmen geschaffen worden. Sie haben in den letzten 20 Jahren rund 15 Milliarden Euro in derartige Strukturen investiert, sie betreiben über 90 % aller Sortier- und Recyclinganlagen in Deutschland und sie haben die Erfahrung in der Vermarktung der Sekundärrohstoffe auf hoch volatilen Märkten. Es ist daher weder ökologisch noch ökonomisch, hier die Wertschöpfungsketten auseinanderzureißen. Diese nüchterne Erkenntnis sollten sich auch jene Politiker aneignen, die derzeit Illusionen vom schnell verdienten Geld durch die Sammlung von Wertstoffen und die Zuständigkeit für die Wertstofftonne aufsitzen. Bevor mit Sekundärrohstoffen Geld verdient werden kann, muss investiert werden. Es gehört jedoch nicht zu den Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung, sich mit den Gebührengeldern der Bürger auf dieses mitunter spekulative und unberechenbare Geschäftsfeld zu begeben, auf dem kommunale Unternehmen bislang kaum Erfahrungen sammeln und Kompetenzen nachweisen konnten. Dieses Feld sollten auch weiterhin die privaten Unternehmen im Wettbewerb beackern. Welche realen Perspektiven hat eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in Deutschland, die sich unter den Bedingungen fairen Wettbewerbs frei entfalten kann? Die privaten Unternehmen der Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft bekennen sich zu dem Ziel, künftig 100 % der recyclingfähigen Materialien einer stofflichen Verwertung zuzuführen. Die im neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz fixierte Aufweichung der fünfstufigen Abfallhierarchie, die eine Gleichsetzung von Recycling und Verbrennung bedeutet, birgt die Gefahr, dass auch künftig große Mengen an Wertstoffen in den Müllöfen landen und somit dem Recycling entzogen werden. Diese Ressourcenverschwendung kann sich Deutschland nicht leisten. Wir gehen daher fest davon aus, dass die Politik hier in den nächsten Jahren Kurskorrekturen vornehmen und mit unserer Branche bezüglich der Erreichung maximalen Recyclings an einem Strang ziehen wird. Mehr Qualität und Quantität beim Recycling setzt auch eine intensivierte Partnerschaft zwischen Kreislaufwirtschaft und Industrie voraus. Über Abfallvermeidung und Rohstoffrückgewinnung muss künftig schon bei der Entwicklung und Herstellung von Produkten nachgedacht werden. Innovative Ansätze in diese Richtung
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gibt es bereits. Die Idee der integrierten Produktpolitik etwa verbindet herstellerorientierte, nutzerorientierte sowie abfallwirtschaftliche Ansätze. Dazu gehören etwa Modelle des Remanufactorings als Umkehr des Fabrikationsprozesses, bei dem das Altgerät vollständig in die ursprünglichen Einzelteile und Materialien zerlegt wird oder „Design for Recycling“, Leasingmodelle für die zeitlich begrenzte Nutzung von Produkten und innovative Sammel- und Rückführsysteme, die geeignet sind, Rohstoffverluste tatsächlich effektiv zu vermeiden. Mit einer Ausweitung der Produktverantwortung kann es gelingen, künftig tatsächlich auch die Edelmetalle und seltenen Erden aus alten Elektrogeräten in der erforderlichen Größenordnung zurückzugewinnen. Wir erwarten, dass dieser Prozess durch den Bund über eine entsprechende Forschungs- und Technologieförderung unterstützt wird. Ziel ist es, Verfahren zu entwickeln, die zu einer Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Produkten und zur Verringerung des Materialeinsatzes beitragen. Die Politik muss hier ein ureigenes Interesse an grundlegenden Fortschritten haben, denn ohne (Sekundär-)Rohstoffe keine Zukunftstechnologien und keine Lösung der globalen Herausforderungen. Ein Beispiel hierzu – Elektromobilität: Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschland zum „Leitmarkt für Elektromobilität“ zu entwickeln. Bis 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Zur Erreichung dieses Zieles brauchen wir Rohstoffe – Energie und Metalle – und zwar trotz aller Effizienzerfolge nicht weniger, sondern mehr als bisher. Bereits heute sind in einem durchschnittlichen Auto neben Stahl rund 150 Kilogramm Aluminium, 25 kg Kupfer, 10 kg Zink und viele weitere Metalle verbaut. Ein Elektrofahrzeug benötigt darüber hinaus Metalle für den Elektromotor und den Energiespeicher – etwa eine Lithium-Ionen-Batterie. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts zeigt: Allein durch den Elektromotor steigt beispielsweise der Kupferanteil im Fahrzeug von 25 auf 65 Kilogramm. Für eine durchschnittliche Lithium-Ionen-Batterie sind nochmals bis zu 50 kg Aluminium, 40 kg Kupfer, 20 kg Stahl und 10 kg Nickel erforderlich – sowie Lithium, Kobalt und weitere Seltenmetalle. Pro Fahrzeug. Um die für eine ökologisch und ökonomisch effektive Kreislaufwirtschaft zwingend erforderlichen industriellen Strukturen – von der Sammlung werthaltiger Abfälle bis hin zur Vermarktung der gewonnenen Sekundärrohstoffe – zu schaffen, muss aus Sicht des BDE für alle Abfallströme der Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit im gesamten Bereich der Europäischen Union gelten. Voraussetzungen dafür sind ein europaweites Deponieverbot für unbehandelte Abfälle, europaweit einheitliche Umweltstandards und ein einheitlicher Vollzug. Wenn wir tatsächlich das Potenzial, das im europäischen Abfallberg steckt, heben wollen, muss auch die Politik ein konsequentes Verständnis für die Ressource Abfall als Ware entwickeln. Wir brauchen in Europa für diesen wichtigen Stoffstrom offene Grenzen und freien Handel. Diese Situation ist derzeit noch nicht gegeben. Dafür hat Europa jedoch mit einem schwerwiegenden Problem zu kämpfen, das heute – und wenn es nicht gelöst wird – auch künftig zu einer ernsthaften Verknap-
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pung der Rohstoffverfügbarkeit führt. Leider fließen in ausgedienten Produkten enthaltene Sekundärrohstoffe immer häufiger ins außereuropäische Ausland ab. Bedenklich ist, dass eine beträchtliche Menge davon illegal exportiert wird: Abfälle werden als gebrauchsfähige Produkte ausgeführt oder Stoffe falsch deklariert. Zentrales Problem ist dabei die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Abfällen und gebrauchten Produkten. In Deutschland werden heute weniger als die Hälfte der Autos, die aus dem Verkehr gezogen werden, recycelt. Gleichzeitig werden über 40 % der Altautos ohne Meldung an die Ausfuhrbehörden exportiert. Der illegale Abfluss von Sekundärrohstoffen aus Europa beeinträchtigt unsere Rohstoffversorgung und den effizienten und nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen in Deutschland und der ganzen Welt. Hierfür zwei Beispiele: Jährlich werden in Deutschland etwa 3,2 Millionen PKW stillgelegt, wovon rund 2,4 Millionen PKW in den Export gelangen, was einem Rohstoffverlust von durchschnittlich etwa 2,2 Millionen Mg Stahl entspricht. Durch die Ausfuhr von Altfahrzeugen gehen neben Stahl auch wertvolle Platingruppenmetalle aus Abgaskatalysatoren verloren. Jährlich werden über 155.000 Mg Elektronikschrott aus Deutschland ins außereuropäische Ausland exportiert, eine nicht ermittelbare Menge wird illegal als gebrauchte Geräte verbracht. Rohstoffpolitik ist schon heute weit mehr als bloße Industrie- oder allgemeine Wirtschaftspolitik. Rohstoffpolitik ist eine Frage der Außen- und Sicherheitspolitik, der Energie- und Umweltpolitik, der Innovations- und Klimapolitik, der Entwicklungszusammenarbeit und weiterer Politikfelder auf regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Rohstoffpolitik ist eine komplexe Aufgabe und gehört als langfristiges Top-Thema auf die politische Agenda, da eine erfolgreiche Rohstoffpolitik die notwendige Bedingung für die Bewältigung der globalen Herausforderungen ist. Der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen hat im Februar 2012 anlässlich der Vorstellung des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms der Bundesregierung einen hohen Anspruch formuliert: „Deutschland hat die besten Voraussetzungen, beim notwendigen globalen Wandel zu einer ressourceneffizienten Wirtschaftsweise voranzugehen und eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Wir wollen zeigen, wie die Ressourceneffizienz in einem hochentwickelten Industrieland ohne Wohlstandseinbußen gesteigert und gleichzeitig der Verbrauch von Rohstoffen gesenkt werden kann“. Für die Umsetzung dieses Ziels muss die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Rahmenbedingungen, die die Kreislauf-, Recycling- und Rohstoffwirtschaft unterstützen und nicht ausbremsen. Die Branche blickt derzeit gespannt auf das Bundesumweltministerium und seinen neuen Minister Peter Altmaier, der sich vorgenommen hat, noch in der laufenden Legislaturperiode – also in den bis zur nächsten Bundestagswahl verbleibenden Monaten – das Wertstoffgesetz auf den Weg zu bringen und von Bundestag und Bundesrat verabschieden zu lassen. Ein ausgesprochen ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, wie viel Diskussions- und Abstimmungsbedarf beim Kreislaufwirtschaftsgesetz vorhanden war. Die Privatwirtschaft unterstützt die Pläne, flächendeckend in Deutsch-
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land die Wertstofftonne einzuführen, vorbehaltlos. Mit der Wertstofftonne wird es gelingen, noch mehr werthaltige Abfälle haushaltsnah zu sammeln, zu recyceln und zu hochwertigen Sekundärrohstoffen zu verarbeiten. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Gesetz nicht mit heißer Nadel gestrickt wird, sondern all jene wichtigen Praxiserfahrungen einfließen, die sowohl im von BMU und UBA durchgeführten Planspiel zur Wertstofftonne als auch bei den zahlreichen Pilotprojekten – immerhin sind heute bereits ca. 15 Millionen Bundesbürger an die Wertstofftonne angeschlossen – gesammelt wurden. Die Bedeutung der flächendeckenden Wertstofftonne als Zulieferer für die Sekundärrohstoffproduktion ist nicht zu unterschätzen. Daher müssen für sie von vornherein die richtigen Strukturen geschaffen werden. Dazu zählen fairer Wettbewerb, Transparenz für alle Beteiligten und eine Ausweitung der bewährten Produktverantwortung.
Kreislaufwirtschaftsrecht und Wettbewerbsrecht Von Arno Rasek* 1. Umweltziele sind auf möglichst wenig wettbewerbsbeschränkende Weise zu erreichen (EuGH C-203/96, C-209/98). Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) ist mit Art. 101 ff. AEUV konform auszulegen, wenn der Wortlaut der fraglichen Norm dies zulässt; andernfalls ist die fragliche Norm durch Gerichte und Behörden nicht anzuwenden. 2. § 17 KrWG schafft ein ausdrückliches Monopolrecht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE) für gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen („Restmüll“). Für weitere Hausmüllfraktionen (insbesondere Altpapier, Biomüll und Sperrmüll) wird nach § 17 KrWG eine Unzulässigkeit von Wettbewerb zum örE vermutet. Der Gesetzgeber hat von einer besonderen Ausschreibungsverpflichtung für örE abgesehen. 3. Im Kontext des deutschen Gebühren- und Vergaberechts führt eine Monopolstellung der örE zu einer Gefahrenlage zum Missbrauch. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 106 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 102 AEUV sind erfüllt (BKartA, StN im Verfahren BVerwG 7 C 16.08, April 2009). Die Zweifel des BVerwG an der Betroffenheit eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes gehen fehl (EuGH C-323/93, Rz. 17). 4. Für die Vereinbarkeit des § 17 KrWG mit europäischem Wettbewerbsrecht kommt es entscheidend darauf an, ob Wettbewerb die Funktionsfähigkeit der Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen gefährden würde (Art. 106 Abs. 2 AEUV). Diese Frage ist zu verneinen. 5. Aufgrund der europarechtlichen Bedenken der EU-Kommission, der Bundesregierung, des Bundeskartellamtes und der überwiegenden Literaturmeinung kann es sich bei der in BVerwG 7 C 16.08, Rz. 41 geäußerten Auffassung zur Gefährdung der Funktionsfähigkeit nicht (mehr) um einen „acte clair“ handeln. Sollte die Frage bei einer Befassung des BVerwG mit § 17 KrWG entscheidungserheblich werden, ist dieses zur Vorlage an den EuGH verpflichtet (Art. 267 AEUV). Im Interesse einer zügigen rechtlichen Klärung wäre es jedoch wünschenswert, dass bereits ein unterinstanzliches Gericht von der Vorlagemöglichkeit Gebrauch macht. * Der Autor ist Beisitzender in der 4. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes. Das Thesenpapier gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder. Aus Gründen der Arbeitskapazität konnte der Autor keine Langfassung des Manuskripts seines Vortrags bereitstellen.
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6. Der Wortlaut der Vermutungsregeln der § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KrWG ist mit Art. 106, 102 AEUV nicht in Einklang zu bringen. Diese Vermutungsregeln sind somit nicht anzuwenden. 7. Das ausdrückliche Monopolrecht der örE für die Restmüllentsorgung kann entgegen der überwiegenden Literaturmeinung nicht mit Art. 16 AbfRRL gerechtfertigt werden. Die Mitgliedstaaten dürfen sich bei den zur Errichtung eines angemessenen Anlagennetzes zu treffenden Maßnahmen über die Wettbewerbsvorschriften der Art. 101 AEUV ff. nicht hinwegsetzen. Soweit ein angemessenes Anlagennetz schon besteht, braucht der Mitgliedstaat keine weiteren Maßnahmen zu treffen. Um die Grundsätze der Entsorgungsnähe und -autarkie zu verwirklichen, stehen Maßnahmen zur Verfügung, die den Wettbewerb nicht oder wesentlich weniger beschränken. Hinsichtlich des Restmüllmonopols lässt der Wortlaut des § 17 KrWG eine mit Art. 106, 102 AEUV konforme Auslegung nicht zu. § 17 Abs. 2 S. 2 KrWG ist für gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen nicht anzuwenden. 8. Die Betrauung einer abfallwirtschaftlich tätigen Kommune mit den Zuständigkeiten nach § 18 KrWG ist mit Art. 106, 102 AEUV nicht vereinbar (EuGH C-49/07, C-202/88). 9. Verbindliche Anlagenzuweisungen nach § 30 Abs. 4 KrWG – insbesondere für Müllverbrennungsanlagen – können den Wettbewerb der Anlagenbetreiber vollständig ausschließen und verstoßen daher regelmäßig gegen Art. 101 ff. AEUV.
Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz – Handlungserfordernisse auf der Ebene der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Von Peter Queitsch
I. Abfallüberlassungspflichten und Abfallentsorgungspflichten (§§ 17, 20 KrWG) Das am 01.06. 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)1 bildet als Nachfolgegesetz zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) die Rechtsgrundlage für den Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche (kommunale) Abfallentsorgungseinrichtung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sind in den Bundesländern grundsätzlich die (Land-)Kreise und kreisfreien Städte. In Hessen und Nordrhein-Westfalen sind zusätzlich die kreisangehörigen Städte und Gemeinden für das Einsammeln und Befördern der Abfälle zuständig und insoweit ebenfalls öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger.2 Unter der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung wird die Gesamtheit von Sachmitteln und Personal verstanden, die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger benötigt, um die ihm nach § 20 KrWG obliegende Abfallentsorgungspflicht zu erfüllen.3 Hierzu gehören z. B. Abfallentsorgungsanlagen (wie etwa Müllverbrennungsanlagen, Kompostierungs- und Vergärungsanlagen), Abfallfahrzeuge, Abfallgefäße und das benötigte Personal. Wer die öffentliche Abfallentsorgungseinrichtung benutzt, muss Abfall(entsorgungsgebühren) an den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger entrichten. Rechtgrundlage hierfür sind die Kommunalabgabengesetze in den Bundesländern sowie die Abfallentsorgungssatzung und Abfallgebührensatzung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers.4 Das KrWG legt den Abfallbesitzern (§ 3 Abs. 9 KrWG) und den Abfallerzeugern (§ 3 Abs. 8) grundsätzlich Pflichten auf. Zu diesen Pflichten gehören 1
BGBl. I 2012, S. 212 ff. Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 399. 3 Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 401. 4 Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 402. 2
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¢ die Pflichten zur Abfallvermeidung (§ 7 Abs. 1 KrWG), ¢ die Pflicht zur Abfallverwertung (§ 7 Abs. 2 KrWG) und ¢ die Pflicht zur Abfallbeseitigung (§ 15 Abs. 1 KrWG). Diese Pflichten bestehen für den Abfallbesitzer/-erzeuger allerdings nur, soweit keine Abfallüberlassungspflichten (§ 17 Abs. 1 KrWG) gegenüber den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern bestehen.5 Damit ist der Anschluss- und Benutzungszwang an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung die Umsetzung der in § 17 Abs. 1 KrWG geregelten Abfallüberlassungspflichten der Abfallbesitzer/-erzeuger.6 In Anknüpfung an die in § 17 Abs. 1 KrWG geregelten Abfallüberlassungspflichten ist in § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG das öffentlich-rechtliche Entsorgungsprinzip durch die Städte, Gemeinden und Kreise als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger gesetzlich verankert worden. Hiernach besteht eine abfallrechtliche Globalzuständigkeit der abfallentsorgungspflichtigen Städte, Gemeinden und Kreise für die Abfallentsorgung aus privaten Haushaltungen, d. h. diese sind verpflichtet, sowohl die „Abfälle zur Verwertung“ als auch die „Abfälle zur Beseitigung“ aus den privaten Haushaltungen zu entsorgen.7 Bei den Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen, z. B. bei Abfällen aus den Gewerbe- und Industriebetrieben, erstreckt sich die Abfallentsorgungspflicht der Städte, Gemeinden und Kreise als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nach § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG nur auf die „Abfälle zur Beseitigung“.8 1. Inhalt der Abfallentsorgungspflicht (§ 20 KrWG) Nach § 20 Abs. 1 KrWG besteht für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die umfassende Abfallentsorgungspflicht für alle Abfälle aus privaten Haushaltungen sowie die Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen, soweit diese Abfälle in ihrem Zuständigkeitsbereich anfallen und ihnen überlassen werden.
5 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 525; Vetter, VBl. BW 2012, S. 210 ff., S. 205; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 224. 6 Vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 20.12. 2011 – Az.: 7 BN 5/11 –; BVerwG, Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff. 7 Vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4. 2006 – Az.: 7 C 10.05; BVerwG, Urt. v. 20.12. 2000 – Az.: 11 C 7.00 – NWVBl. 2001, 255 ff., 258; BVerwG, Urt. v. 15.06. 2000 – Az.: 3 C 4/00, NVwZ 2000, 1178 f., 1179; BVerwG, Urt. v. 25.08. 1999 – 7 C 27/98 –, NVwZ 2000, 71, 72. 8 Vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04. 2006 – Az.: 7 C 10.05; BVerwG, Urt. v. 01.12. 2005 – Az.: 10 C 4.04 – UPR 2006, 272; BVerwG, Urt. v. 17.02. 2005 – Az.: 7 C 25.03 und 7 CN 6.04 – NVwZ 2005, 693, 695; BVerwG, Urt. 20.12. 2000 – Az.: 11 C 7.00 – NWVBl. 2001, 255 ff., 258; BVerwG, Urt. v. 15.06. 2000 – Az.: 3 C 4/00, NVwZ 2000, 1178 f., 1179; BVerwG, Urt. v. 25.08. 1999 – 7 C 27/98 –, NVwZ 2000, 71, 72.
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a) Angefallene und überlassene Abfälle Angefallen sind Abfälle im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers dann, wenn es sich nach der Abfalldefinition in § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG um Stoffe oder Gegenstände handelt, deren sich ihr Abfallbesitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Dabei ist zu beachten, dass Abfall bereits dann anfällt, wenn erstmals die Begriffsmerkmale des § 3 Abs. 1 S. 1 KrWG erfüllt sind.9 Der Begriff „überlassen“ in § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG setzt grundsätzlich voraus, dass eine Besitzverschaffung erfolgt. Überlassen sind angefallene Abfälle spätestens dann, wenn diese im Hinblick auf die grundstücksbezogene Abfallentsorgung in Abfallgefäßen eingefüllt durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in das Abfallsammelfahrzeug eingebracht worden sind. Werden Abfälle durch den Abfallbesitzer/-erzeuger zu einem Wertstoffhof gebracht, so erfolgt die Überlassung spätestens mit der Übergabe bzw. den Einwurf in die dort durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bereitgestellten Container. Die Überlassung der Abfälle an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger findet auch in dem Zeitpunkt statt, in welchem Altpapier in Altpapier-Container des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eingeworfen wird. Auch bei der Entsorgung von Sperrmüll (= sperriger Abfall, der aufgrund seines Umfanges oder seines Gewichtes nicht in die satzungsgemäßen Abfallgefäße eingefüllt werden kann) findet eine Überlassung spätestens im dem Zeitpunkt statt, in welchem der an der Grundstücksgrenze oder im öffentlichen Verkehrsraum (z. B. auf dem Bürgersteig) bereit gestellte Sperrmüll in das Abfallsammelfahrzeug des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eingebracht wird.10 b) Nachsortierung von Abfällen durch Dritte Nach dem BVerwG11 müssen im Hinblick auf die grundstücksbezogene Abfallentsorgung die Abfälle vom Abfallbesitzer/-erzeuger aber erst einmal zur Entsorgung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bereit gestellt werden. Im Vorfeld dieser Bereitstellung ist der Abfallbesitzer/-erzeuger berechtigt, auch durch Dritte in den Restabfallbehälter falsch eingeworfene verwertbare Abfälle auszusortieren und ordnungsgemäß für die Abfallentsorgung bereitzustellen. Erst die Überlassung der Abfälle an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger löst dessen Abfallentsorgungspflicht aus. Insoweit schließt der bundesrechtliche Begriff des „Überlassens“ nach dem Bundesverwaltungsgericht eine landesrechtliche Regelung aus, die schon das Bereitstellen als Überlassen der Abfälle fingiert. Durch Landesrecht dürfen nur Ort, Zeit sowie die Art und Weise der Überlassung konkretisiert wer9 Vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12. 2005 – Az.: 10 C 4/04 – UPR 2006, 272 ff.; BVerwG, Beschl. v. 04.09. 2009 – Az.: 7 B 8/09, AbfallR 2009, 312; BVerwG, Beschl. v. 23.4. 2008 – Az.: 9 BN 4/07 –, NVwZ 2008, 1119; OVG NRW, Urt. v. 7.10. 2011 – Az.: 20 A 1181/10 – NWVBl. 2012, 140 ff.; BayVGH, Urt. v. 15.11. 1999 – 20 B 99.1068 –, NUR 2000, 221. 10 Vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12. 2007 – Az.: 7 C 42.7 – DVBl. 2008, 317. 11 Urt. v. 13.12. 2007 – Az.: 7 C 42.7 – DVBl. 2008, 317.
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den. Vor der Abfuhr der Abfälle darf deshalb der Abfallbesitzer Abfälle aus dem Abfallbehälter aussondern und der ordnungsgemäßen Entsorgung zuführen. Darin ist auch keine unzulässige Abfallbehandlung zu sehen. 12 Deshalb kann der Grundstückseigentümer bzw. Vermieter als Abfallbesitzer auch gewerblich tätige Unternehmen mit der Nachsortierung der Abfälle in den Abfallgefäßen beauftragen. Allerdings sind Dritte wegen der bestehenden Abfallüberlassungspflicht der privaten Haushaltungen gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (§ 17 Abs. 1 S. 1 KrWG) nicht berechtigt, die auf dem Grundstück nachsortierten Abfälle mit zu nehmen, denn einen Grundsatz der freiwilligen Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung gibt es nicht.13 c) Verwertungs- und Beseitigungspflicht Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind nach § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG verpflichtet, die Abfälle nach Maßgabe der §§ 6 bis 11 KrWG zu verwerten oder nach Maßgabe der §§ 15, 16 KrWG zu beseitigen. Insoweit hat der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die in § 6 KrWG geregelte fünfstufige Abfallhierachie zu beachten. Können angefallene und überlassene Abfälle demnach einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, so muss dieser Abfallentsorgungsweg durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger grundsätzlich beschritten werden. Allerdings nimmt § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG nicht nur auf § 6 KrWG Bezug, sondern verweist insgesamt auf alle Regelungen (§§ 6 bis 11 KrWG), in denen die Verwertung von Abfällen einer Regelung zugeführt worden ist. Damit hat der öffentlichrechtliche Entsorgungsträger auch die Rangfolge der Verwertungsmaßnahmen nach § 8 KrWG zu beachten. Ebenso kann er aber auch von einer Verwertung Abstand nehmen, wenn die Beseitigung der Abfälle den Schutz von Mensch und Umwelt nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 S. 2 und 3 KrWG am besten gewährleistet, denn dieses ist in § 7 Abs. 2 S. 3 KrWG ausdrücklich so gesetzlich bestimmt worden. Gleichfalls kann von einer Verwertung Abstand genommen werden, wenn eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung im Sinne des § 7 Abs. 3 KrWG nicht sichergestellt werden kann. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (Kreise, Städte und Gemeinden) haben sich in den vergangenen 40 Jahren jedenfalls stetig der Verwertung von Abfällen angenommen. Seit dem Jahr 1970 haben sie damit begonnen Altglas und Altpapier getrennt zu sammeln. Auf diesen aufgebauten und beständigen Erfassungsstrukturen konnte die im Jahr 1991 erlassene Verpackungs-Verordnung 12 Vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.03. 2007 – Az.: 10 S 1684/06 –; OVG NRW, Urt. v. 11.09. 2008 – Az.: 20 A 1661/06 –; OVG NRW, Beschl. v. 08.07. 2009 – Az.: 20 B 180/08. 13 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.07. 2007 – Az.: 1 BvR 1290/05; BVerwG, Urt. v. 18.6. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff.; BVerwG, Beschl. v. 1.12. 2005 – Az.: 10 C 4.04 – UPR 2006, 272; BVerwG, Urt. v. 17.2. 2005 – Az.: 7 C 25.03 – UPR 2005, 344; OVG NRW, Beschl. v. 16.04. 2009 – Az.: 14 A 3731/06.
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grundlegend aufbauen. Hinzu kam damals lediglich die Erfassung von sog. Leichtstoff-Einwegverpackungen aus Kunststoff, Metall und Verbundstoffen über den gelben Sack bzw. die gelbe Tonne. aa) Getrennte Bioabfallerfassung In § 11 Abs. 1 KrWG wird vorgegeben, dass Bioabfälle, die Abfallüberlassungspflichten nach § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG unterliegen, spätestens ab dem 01.01. 2015 getrennt zu sammeln sind. Diese Maßgabe muss der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger beachten, weil § 11 KrWG im Pflichtenkatalog des § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG benannt wird. Im Hinblick auf das „Wie“, d. h. die Art und Weise der getrennten Erfassung von Bioabfällen, werden in § 11 KrWG keine detaillierten Vorgaben gemacht. Diese findet seinen Grund insbesondere darin, das die Organisationshoheit der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) beachtet werden muss. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger haben in den vergangenen 15 Jahren die getrennte Bioabfallerfassung und -verwertung vielerorts bereits eingeführt und nachhaltig vorangebracht, so dass es weiterer Vorgaben durch den Bundesgesetzgeber bzw. Bundes-Verordnungsgeber zur Art und Weise der Bioabfallerfassung nicht bedarf. Es ist ausreichend, nur die Verwertung von Bioabfällen in der am 01.05. 2012 geänderten Bioabfall-Verordnung zu regeln.14 Die getrennte Erfassung von überlassungspflichtigen Bioabfällen (§ 11 Abs. 1 KrWG) bedarf dabei im Hinblick auf die Art und Weise der Sammlung der Bioabfälle keiner weiteren bundesrechtlichen Konkretisierung.15 Grundsätzlich hat die Erfahrungspraxis bislang gezeigt, dass ein 14 tägiger Abfuhrturnus bei einer grundstücksbezogenen Biotonne (Holsystem) über das gesamte Jahr hinweg ausreicht, wenn in der Biotonne keine ungekochten Fisch- und Fleischreste sowie gekochten Speisereste erfasst werden. Möglich ist auch die Verwendung von Gefäßdeckeln mit sog. Geruchsfiltern. Allerdings führt dieses – ebenso wie etwa ein wöchentlicher Abfuhrturnus in den heißen Sommermonaten – wiederum dazu, dass Zusatzkosten entstehen, die sich auf die Höhe der Abfallgebühr auswirken. Zusätzlich erfolgen regelmäßig Sondersammlungen für sperrigen Grünschnitt oder es bestehen ganzjährig zusätzliche Abgabemöglichkeiten an kommunalen Abgabenstellen wie z. B. einem Wertstoffhof (Bringsystem). Bei der getrennten Erfassung von Bioabfällen ist zu beachten, dass der Anschlussgrad in ländlichen Regionen an die Biotonne geringer ausfallen kann, weil zahlreiche Grundstückseigentümer eine Eigenkompostierung von Bioabfällen auf ihrem Grundstück durchführen, welches sie zur privaten Lebensführung nutzen. In großstädtischen Regionen kann sich das Problem der unerwünschten Störstoffe ergeben, 14 BGBl. I 2012, S. 166 ff. – in Kraft getreten am 01.05. 2012; vgl. ausführlich Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 369 ff. 15 Vgl. Queitsch, AbfallR 2012, 182 ff.
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die in Biotonnen eingeworfen wird. Auch deshalb ist es erforderlich, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger selbst entscheiden können, in welcher Art und Weise die Bioabfälle getrennt erfasst werden und zwar etwa über eine grundstücksbezogene Biotonne, durch Bioabfallsäcke, durch dezentral aufgestellte Bioabfallcontainer, durch eine Abgabemöglichkeit an Wertstoffhöfen/Bauhöfen. Schließlich hat die Erfahrungspraxis gezeigt, dass eine erhebliche Erfassungsquote bei der Bioabfallerfassung auch dadurch erreicht werden kann, dass zusätzlich zur Biotonne oder alternativ zur Biotonne z. B. die Annahme an kommunalen Wertstoffhöfen erfolgt. Grundsätzlich ist aber auch zu beachten, dass eine grundstücksbezogene Bioabfallerfassung über Biotonnen (oder auch Bioabfallsäcken) insbesondere für die Erfassung von kleinteiligen Bioabfällen vorteilhafter ist, wenn gleich auch eine Erfassung über dezentral aufgestellte Bioabfallcontainer theoretisch als vorstellbar anzusehen ist. Letzten Endes muss der jeweilige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger darüber entscheiden, welche Erfassungsform oder welche Kombinationen von Erfassungsvarianten unter Berücksichtigung der speziellen örtlichen Gegebenheiten praktiziert werden. Die Erfahrungspraxis hat gleichwohl ebenso gezeigt, dass auf der Grundlage einer querfinanzierten grundbezogenen Biotonne ein gutes Erfassungssystem dargeboten werden kann, welches angenommen wird.16 Die Querfinanzierung der Biotonne über die Abfallgebühr für das Restmüllgefäß ist jedenfalls nach § 9 Abs. 2 S. 5 LAbfG NRW zulässig.17 Grundsätzlich gibt es damit drei Varianten der gebührenrechtlichen Finanzierung der Biotonne. Die 1. Variante ist, für die Biotonne eine kostendeckende Sondergebühr zu erheben, was sich im Zweifelsfall nicht empfiehlt, weil der dadurch bewirkte Anreiz eine Biotonne zu benutzen sehr begrenzt wird. Die 2. Variante ist, die Gesamtkosten der Biotonne über die Einheits-Abfallgebühr bezogen über das Restmüllgefäß zu finanzieren, so dass die Biotonne „nichts extra kostet“. Die 3. Variante ist, die Erhebung einer nicht kostendeckenden Sondergebühr für die Biotonne und die Finanzierung der Restkosten der Biotonne über die Abfall-Einheitsgebühr bezogen auf das Restmüllgefäß. Betragen demnach – vereinfacht dargestellt – die Kosten für eine Biotonne pro Grundstück 200 E pro Jahr, so kann für die Benutzung der Biotonne eine nicht kostendeckende Sondergebühr von 50 E pro Jahr erhoben werden und die restlichen 150 E werden dann über die Abfall-Einheitsgebühr finanziert. Nutzt dann ein privater Haushalt für sein Grundstück keine Biotonne, so muss er die 50 E nicht kostendeckende Sondergebühr nicht bezahlen, so dass ihm hierdurch ein Gebührenabschlag zugute kommt, der etwa in § 9 Abs. 2 S. 7 LAbfG NRW landesgesetzlich vorgegeben ist.
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Vgl. Queitsch, AbfallR 2012, 182 ff. Vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12. 2000 – Az.: 11 C 7.00 – NWVBl. 2000, 255 ff.; OVG NRW, Beschl. v. 05.12. 2003 – Az.: 9 A 1768/02 – zur entsprechenden landesgesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 2 S. 5 und 7 LAbfG NRW seit dem 01.01. 1999. 17
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Zukünftig wird gebührenrechtlich zu beachten sein, dass § 11 Abs. 1 KrWG die Vorgabe beinhaltet, spätestens ab dem 01.01. 2015 Bioabfälle, die einer Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG unterliegen, getrennt zu sammeln, soweit dies zur Erfüllung der Anforderungen an die Verwertung von Abfällen nach § 7 Abs. 2 bis 4 und § 8 Abs. 1 KrWG erforderlich ist. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind im Rahmen ihrer Abfallentsorgungspflicht nach § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG verpflichtet, Abfälle unter Beachtung der Verwertungsmaßgaben (§§ 6 bis 11 KrWG) zu verwerten. Damit gehören auch die Kosten für die Erfassung und Verwertung von Bioabfällen zu den betriebsbedingten Kosten der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung, die der Erfüllung der Abfallentsorgungspflicht dient und die über die Erhebung von Abfallgebühren von den überlassungspflichtigen Abfallbesitzern/-erzeugern finanziert wird. Insoweit ist mit den Regelungen in §§ 11 Abs. 1, 17 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 1 KrWG ein Grundstückseigentümer bzw. Mieter/Pächter als privater Haushalt und Abfallbesitzer/-erzeuger grundsätzlich als verpflichtet anzusehen, eine Biotonne (Bioabfallgefäß) des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Benutzung zu nehmen, soweit er zu einer Verwertung der Bioabfälle auf den von ihm im Rahmen der privaten Lebensführung genutzten Grundstück nicht in der Lage ist oder diese nicht beabsichtigt. Dennoch ist die Möglichkeit der Eigenkompostierung für private Haushaltungen in § 17 Abs. 1 S. 1 2. HS KrWG ausdrücklich vorgesehen, denn die Abfallüberlassungspflicht besteht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht, wenn der private Haushalt auf dem Grundstück, wo die Bioabfälle anfallen, diese ordnungsgemäß und schadlos selbst kompostiert. Will er dieses hingegen nicht, d. h. möchte er keine Eigenkompostierung durchführen, so muss er die Kompostierung dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen. Auch hier zeigt die langjährige Erfahrungspraxis, dass bei einer über das Restmüllgefäß querfinanzierten Biotonne selbst private Haushalte, die Eigenkompostierung auf ihren Grundstücken durchführen, zusätzlich eine Biotonne in Benutzung nehmen, um Bioabfälle auszusondern, die bei der Eigenkompostierung erhebliche Schwierigkeiten bereiten wie z. B. Rasenschnitt. Außerdem ist bei der Eigenkompostierung von Bioabfällen auf dem Grundstück, wo diese angefallen sind, stets darauf zu achten, dass keine Anlockung oder Vermehrung von Siedlungsungeziefer (wie z. B. Ratten) herbeigeführt wird oder es zu Geruchsbelästigungen in der Nachbarschaft kommt. Auch unter diesem Blickwinkel ist die Kombination von Eigenkompostierung und grundstücksbezogener Biotonne eine gute Grundlage um auch eine ordnungsgemäße und schadlose Eigenkompostierung sicherstellen zu können. Dieses gilt insbesondere im Hinblick auf problematische Bioabfälle wie z. B. ungekochte Fisch- und Fleischreste sowie gekochte Speisereste, die bei einer Eigenkompostierung zwangsläufig Siedlungsungeziefer anlocken. bb) Wertstofftonne In § 14 Abs. 1 KrWG wird gesetzlich vorgegeben, dass ab dem 01.01. 2015 zum Zwecke des ordnungsgemäßen, schadlosen und hochwertigen Recyclings (§ 3 Nr. 25
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KrwG) Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfälle getrennt zu sammeln sind, soweit dieses technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. 18 Näheres wird der Bund in einem Wertstoffgesetz bzw. einer Wertstoff-Verordnung regeln. Zwischenzeitlich liegt ein Thesenpapier des Bundesumweltministeriums hierzu vor (Stand: 18.07. 2012 – abrufbar unter: www.bmu.de). Gleichwohl gehört die Wertstofftonne zunächst, d. h. vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung in einem künftigen „Wertstoffgesetz“ bzw. einer „Wertstoff-Verordnung“, rechtssystematisch in den Pflichtenkatalog der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, denn diesen wird in § 20 Abs. 1 KrWG die umfassende Pflicht auferlegt, eine verlässliche und umweltverträgliche öffentlich-rechtliche Entsorgungsinfrastruktur flächendeckend im Gemeindegebiet zu einem für alle Benutzer gleichen Gebührentarif sicherzustellen. Im Rahmen dieser Entsorgungsinfrastruktur ist nach § 20 Abs. 1 KrWG auch die Verwertung von Abfällen zu gewährleisten. Für eine Verortung der Wertstofftonne bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern spricht, dass eine geordnete und systematische Erfassung von verwertbaren Abfällen aus privaten Haushaltungen erfolgen muss. Insoweit zeigen die kommunale Altpapiererfassung und die Bioabfallerfassung aus privaten Haushaltungen nachdrücklich wie eine getrennte Erfassung von verwertbaren Abfällen in geordneten und verlässlichen Strukturen funktioniert und zwar unabhängig vom jeweiligen Marktpreis für die verwertbaren Abfälle. Eine privatisierte Wertstofftonne könnte bei sinkenden Verwertungserlösen grundsätzlich ohne ein gesetzlich abgesichertes Finanzierungssystem keine verlässliche Sicherheit dafür bieten, dass die Erfassung fortgesetzt wird bzw. flächendeckend im Gemeindesgebiet weiterhin angeboten wird, wenn z. B. die Erlöse aus der Verwertung die entstehenden Erfassungskosten nicht übersteigen. Die gebührenfinanzierte, öffentliche Abfallentsorgung bietet hier eine bewährte, bestehende und verlässliche Finanzierungsstruktur. Unabhängig davon bedarf es bei einer Wertstofftonne auch keines übergeordneten Systembetreibers, sondern die Stadt, Gemeinde oder der Landkreis erfassen die verwertbaren Abfälle mit einem eigenen Fuhrpark oder durch die Einschaltung eines privaten Entsorgungsunternehmens als technischen Erfüllungsgehilfen (§ 22 KrWG) und die sich daran anschließende Verwertung erfolgt gemeinsam mit der privaten Entsorgungswirtschaft in für alle Beteiligten verlässlichen gebührenfinanzierten Finanzierungsstrukturen. Im Vorfeld muss schließlich sorgfältig geprüft werden, welche Abfälle überhaupt in einer Wertstofftonne erfasst werden können, weil es im Hinblick auf die Verwertung entscheidend darauf ankommt, dass sich die in der Wertstofftonne erfassten Abfälle nicht untereinander derartig verschmutzen, so dass eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung nicht mehr sichergestellt ist. Nach dem Planspiel beim Umweltbundesamt im Jahr 2011 ist bislang vorgezeichnet, dass in einer Wertstofftonne 18 Vgl. ausführlich: Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 357 ff.
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nur sog. stoffgleiche Nichtverpackungen (SNP) aus Metall und Kunststoff erfasst werden sollen (so auch: das BMU-Thesenpapier vom 18.07. 2012). Nicht über die Wertstofftonne erfasst werden sollen: Batterien, Elektrogeräte, Gummi, Holz, Glas, Papier/Pappe/Karton und Textilien. Bei den kleinen ElektroAltgeräten besteht insbesondere das Problem, dass Energiesparlampen wegen des in ihnen enthaltenen Quecksilbers in eine gesonderte Entsorgungsschiene wie z. B. das Schadstoffmobil gehören und bei der Erfassung von Elektrokleingeräten in einer Wertstofftonne auch die Energiesparlampen dort landen könnten, was nicht gewollt sein kann. Schließlich könnten auch gebrauchte Einweg-Verkaufsverpackungen nach der Verpackungs-Verordnung in einer öffentlich-rechtlichen Wertstofftonne mit erfasst werden. Gemeint sind dabei die Einwegverpackungen aus Kunststoff, Metall, Verbundstoffen, die heute in der gelben Tonne/dem gelben Sack erfasst werden. Nach der Verpackungsverordnung ist dieses grundsätzlich möglich, denn der öffentlichrechtliche Entsorgungsträger kann grundsätzlich einen Anspruch gegen die Systembetreiber auf Mitbenutzung (§ 6 Abs. 4 S. 5 VerpackV) geltend machen (Beispiele: Stadt Dortmund, Rhein-Sieg-Kreis: Wertstofftonne unter Regie des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers). Dabei ist zu beachten, dass die Menge an stoffgleichen Nichtverpackungen aus Metall und Kunststoff mit maximal 7 bis 8 kg/pro Einwohner/Jahr veranschlagt wird, so dass bei dieser geringen Menge einem eigenständigen Erfassungssystem bereits aus Kostengründen Grenzen gesetzt sind. Ebenso wichtig ist es aber, im Vorfeld der Einführung einer Wertstofftonne sorgfältig abzuklären, welche sinnvollen stofflichen Verwertungswege z. B. für Kunststoffe gefunden werden können. Eine Kreislauf- und Rohstoffwirtschaft darf sich nicht darin erschöpfen, getrennt zu sammeln und dann lediglich (rohstofflich oder energetisch) zu verbrennen, denn auch zahlreiche Müllverbrennungsanlagen sind mittlerweile so ausgelegt, dass (Fern-)Wärme oder Strom erzeugt werden kann. Zudem ist eine Kreislauf- und Rohstoffwirtschaft in erster Linie durch eine stoffliche Verwertung geprägt. Insoweit hat sich der Bundesgesetzgeber in § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 letzter Halbsatz KrWG selbst die Anforderung gestellt, dass eine hochwertige Verwertung erfolgen soll. cc) Ausschluss von Abfällen und illegale abgestellte KfZ Die Befugnis zum Ausschluss von Abfällen aus der Entsorgungspflicht besteht für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger lediglich unter den in § 20 Abs. 2 KrWG genannten Voraussetzungen. Schließlich sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger weiterhin für die Entsorgung von illegal abgestellten Kraftfahrzeugen oder Anhängern ohne gültiges amtliches Kennzeichen im Rahmen ihrer Abfallentsorgungspflicht zuständig (§ 20 Abs. 3 KrWG).
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2. Einschaltung Dritter Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger kann nach § 22 KrWG auch Dritte (z. B. private Abfallunternehmen) als technische Erfüllungsgehilfen im Hinblick auf die ihm obliegende Abfallentsorgungspflicht einschalten. Die Möglichkeit der Übertragung der Abfallentsorgungspflicht auf Dritte (§ 16 Abs. 2 KrW-/AbfG) ist allerdings entfallen. Für bestehende Aufgabenübertragungen ist in § 72 Abs. 1 KrWG vorgesehen, dass diese fortgelten. 3. Duldungspflichten (§ 19 KrWG) Im Zusammenhang mit der Benutzung der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung gibt § 19 KrWG – als Nachfolgevorschrift zu § 14 KrW-/AbfG a.F. – dem Grundstückseigentümer bestimmte Duldungspflichten auf. Hierdurch wird nach § 19 Abs. 1 S. 3 KrWG das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 KrWG sind die Eigentümer und die Besitzer von Grundstücken (wie z. B. Mieter, Pächter), auf denen überlassungspflichtige Abfälle anfallen, verpflichtet, das Aufstellen von Abfallgefäßen zur Erfassung der Abfälle zu dulden. Ebenso müssen sie das Betreten der Grundstücke zum Zwecke des Einsammelns der Abfälle und zur Überwachung des Getrennthaltens und der Verwertung der Abfälle dulden. Verweigert der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstückes die Aufstellung der zum Zwecke der Einsammlung erforderlichen Abfallbehältnisse gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, so kann dieser ordnungsrechtlich auf der Grundlage eines Verwaltungsaktes (§ 35 VwVfG) gestützt auf §§ 62, 19 Abs. 1 S. 1 KrWG in Verbindung mit der Abfallentsorgungssatzung aufgefordert werden, die Aufstellung der notwendigen Abfallbehältnissen auf seinem Grundstück zu dulden, weil er anderenfalls seiner Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG nicht nachkommt.19 So ist etwa nicht nachvollziehbar, dass auf einem Grundstück, welches zu Wohnzwecken und damit durch private Haushaltungen genutzt wird, Restmüll nicht anfällt.20 Der Verwaltungsakt kann auch durch verwaltungsvollsteckungsrechtliche Maßnahmen durchgesetzt werden. Dennoch setzt die Gebührenpflicht nach dem HessVGH21 bei einem grundstücksbezogenen Holsystem mit Abfallgefäßen voraus, dass dem gebührenpflichtigen Benutzer durch eine Zuweisungsentscheidung (Zuteilungsakt) des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers Abfallgefäße mit einem bestimmten Fassungsvolumen nachweisbar zugeteilt worden sind. Nur auf der Grundlage dieses nachweisbaren Zuteilungsaktes kann die Gebührenpflicht aufgebaut werden. 19 Vgl. Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 410 ff. 20 So VG Köln, Urt. v. 17.06. 2008 – Az.: 14 K 3949/06 – abrufbar unter: www.nrwe.de. 21 Beschl. v. 28.06. 2011 – Az.: 5 A 1037/11.Z, AbfallR 2011, 250.
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4. Gebührenrechtliche Folgenwirkungen Im Rahmen der kommunalen Abfallentsorgung können weiterhin grundsätzlich nur Kosten bei der Kalkulation der Abfallgebühr angesetzt werden, die betriebsbedingt sind.22 Als betriebsbedingt können grundsätzlich alle diejenigen Kostenfaktoren angesehen werden, die der Stadt/Gemeinde bzw. dem Kreis durch die Erfüllung der Abfallentsorgungspflicht nach § 20 KrWG entstehen. In diesem Zusammenhang muss insbesondere berücksichtigt werden, welche bundesgesetzlichen Vorgaben den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern für den Bereich der hoheitlichen Abfallentsorgung durch das am 01.06. 2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG; Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts, BGBl. I 2012, S. 212 ff.) als Nachfolgegesetz zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) gemacht werden. Hierzu gehört etwa, dass nach § 11 Abs. 1 KrWG spätestens ab dem 01.01. 2015 Bioabfälle, die einer Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG unterliegen, getrennt zu sammeln sind, soweit dieses zur Erfüllung der Anforderungen nach den §§ 7 Abs. 2 bis 4, 8 KrWG erforderlich ist. In § 14 Abs. 1 KrWG wird geregelt, dass spätestens ab dem 01.01. 2015 Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfälle getrennt zu sammeln sind, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist.23 Ebenso wird in § 46 Abs. 1 S. 1 KrWG die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger geregelt, über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen zu informieren und zu beraten (sog. Abfallberatungspflicht). In Anknüpfung hieran muss der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Ausgestaltung seiner Abfallentsorgungsleistungen an den vorstehenden bundesrechtlichen Vorgaben der Kreislauf- und Abfallwirtschaft und an den landesgesetzlichen Vorgaben zur Abfallentsorgung ausrichten. Dabei können sich Pflichten nicht nur aus § 20 Abs. 1 KrWG ergeben. Ebenso können sich Pflichten aus abfallrechtlichen Spezial-Gesetzen und speziellen Rechtsverordnungen ergeben, die zur Konkretisierung des KrWG oder des KrW-/AbfG als Vorgängergesetz erlassen worden sind. So ergibt sich etwa aus § 9 Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG), dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Elektroaltgeräte im Rahmen ihrer Abfallentsorgungspflicht einzusammeln haben. Ebenso können sich aus einem künftigen Wertstoffgesetz bzw. einer Wertstoffverordnung mit Blick auf die Regelung in § 14 Abs. 1 KrWG weitere Aufgabenfelder ergeben. Dabei darf nicht außer Betracht bleiben, dass die Abfallentsorgungspflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in § 20 Abs. 1 KrWG umfassend angelegt ist, d. h. bereits heute besteht die Maßgabe, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die in seinem Gebiet angefallenen und überlassenen Abfälle nach Maßgabe der §§ 6 bis 11 KrWG zu verwerten hat, so dass unabhängig von den gesetzlichen Fristen 22
Vgl. OVG NRW, Urt. v. 21.02. 1990 – 2 A 2476/86 – ZKF 1991, 180. Vgl. Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG. Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 357 ff., 369 ff. 23
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in den §§ 11 Abs. 1, 14 Abs. 1 KrWG (spätestens ab dem 01.01. 2015) die getrennte Bioabfallerfassung und -verwertung sowie die Einführung einer Wertstofftonne dem Pflichtenkatalog des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 20 Abs. 1 KrWG) zuzuordnen ist. Kosten, die in diesem Zusammenhang entstehen, sind damit als betriebsbedingte Kosten im Rahmen der Erfüllung der kommunalen Abfallentsorgungspflicht und der hierzu betriebenen öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung anzusehen. Im Zusammenhang mit der Förderung und Fortentwicklung der Kreislauf- und Abfallwirtschaft sind auch Kosten als betriebsbedingt anzusehen, die durch den Testlauf von Erfassungssystemen in ausgewählten Entsorgungsbezirken entstehen, d. h. Kosten für sog. Pilotprojekte, die dazu dienen, zu klären, welche Erfassungssysteme für die gebührenpflichtigen Benutzer zumutbar sind und durch diese angenommen werden. Hinzu kommt, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auch gehalten sein kann, seine bestehenden Erfassungssysteme zu optimieren, weil der Bundesgesetzgeber in § 17 Abs. 3 S. 4 KrWG den Schutz für das Erfassungssystem des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Hinblick auf gewerbliche Sammlungen von nicht gefährlichen Abfällen zur Verwertung entfallen lässt, wenn das Erfassungssystem des gewerblichen Sammlers wesentlich leistungsfähiger ist und ihm hierdurch Erlöse aus der Verwertung von Abfällen wegbrechen können, die dazu dienen, einen Teil der Kosten der Abfallentsorgung abzudecken und damit den Gebührenbedarf zu vermindern und die Abfallgebühren insoweit stabil zu halten. Insgesamt gehören somit grundsätzlich zu den betriebsbedingten Kosten: ¢ die Kosten für den Ankauf oder die Anmietung von Abfallgefäßen (z. B. zur Einführung einer Biotonne oder Wertstofftonne), ¢ die Kosten für die Anschaffung, Bereitstellung, Entleerung und Verwertung des Inhaltes von dezentral aufgestellten Containern (z. B. Altkleider-Container, Altpapier-Container, Alt-Elektronikgeräte-Container), ¢ die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb eines Wertstoffhofes, ¢ die Kosten für das Anfahren der Grundstücke und die Entleerung der Abfallgefäße mit Abfallfahrzeugen, die Abfalldeponierungs- oder Abfallverbrennungskosten (Planungs- und Errichtungskosten, laufende Betriebskosten für eine in Betrieb genommene Deponie/MVA, Nachsorgekosten für stillgelegte Deponien usw.), ¢ die Kosten der Bioabfallerfassung und -verwertung, einschließlich der Kosten für die Planung, den Bau und den laufenden Betrieb einer in Betrieb genommenen Kompostierungsanlage/Vergärungsanlage, ¢ die Kosten für die Einsammlung und Entsorgung von Sperrmüll, ¢ die Kosten für die Einsammlung und Entsorgung von Altholz,
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¢ die Kosten für die Erfassung und Bereitstellung der Elektro-Altgeräte nach § 9 ElektroG, ¢ die Kosten für die Entsorgung schadstoffhaltiger Abfälle (z. B. Altbatterien), ¢ die Kosten für die Altpapiererfassung und -verwertung, ¢ die Kosten für die Information und Beratung über die Vermeidung, Verwertung, Beseitigung von Abfällen (§ 46 Abs. 1 S. 1 KrWG), Personal- und Verwaltungskosten, ¢ die Kosten zur Optimierung von Erfassungssystemen, ¢ die Kosten, für die eine spezialgesetzliche Abrechnungsgrundlage nach den jeweiligen Landesabfallgesetzen besteht.
II. Die Abfallüberlassungspflicht der privaten Haushalte Private Haushaltungen haben nach § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG (wie bisher nach § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG a.F.) alle „Abfälle zur Beseitigung“ und „Abfälle zur Verwertung“ den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, soweit die privaten Haushaltungen zu einer Verwertung auf dem Grundstück auf dem sie anfallen nicht in der Lage sind oder eine solche Verwertung nicht beabsichtigt ist.24 1. Der Begriff der privaten Haushaltungen Der Begriff der „privaten Haushaltungen“ wird dabei weder in § 3 KrWG (Begriffsbestimmungen) noch in § 17 KrWG definiert. Insoweit ist auf die Begriffsdefinition in § 2 Nr. 2 der Gewerbeabfall-Verordnung und die zu diesem Begriff ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen. Ein Rückgriff auf die Gewerbeabfall-Verordnung ist möglich, denn diese gilt auch nach dem Inkrafttreten des KrWG am 01.06. 2012 weiter, denn in Artikel 5 Abs. 23 des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (BGBl. I 2012, S. 212 ff., 257) wird die GewerbeabfallVerordnung unter anderem textlich an die neue Paragrafen des KrWG angepasst und fortgeführt. Nach § 2 Nr. 2 Gewerbeabfall-Verordnung sind Abfälle aus privaten Haushaltungen solche Abfälle, die in privaten Haushalten im Rahmen der privaten Lebensführung anfallen, insbesondere in Wohnungen und zugehörigen Grundstücks- und Gebäudeteilen sowie in anderen vergleichbaren Anfallorten wie Wohnheimen oder Einrichtungen des betreuten Wohnens.
24 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 525; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 224; grundlegend BVerwG, Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff.
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Auf der Grundlage dieser Definition sind private Haushaltungen grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass in Wohnungen und zugehörigen Grundstücks- und Gebäudeteilen eine private Lebensführung durchgeführt wird. Damit ist der Abfall, der in zum Wohnen genutzten Häusern, Eigentumswohnungen und Mietwohnungen anfällt, Abfall der von privaten Haushaltungen stammt. Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem mit Urteil vom 07.08. 200825 klargestellt, dass auch Abfall, der in Ferienwohnungen anfällt, Abfall aus privaten Haushaltungen ist, weil Ferienwohnungen dadurch gekennzeichnet sind, dass der betreffende private Haushalt vorübergehend seinen Wohnsitz in die Ferienwohnung verlegt. In Anknüpfung daran sind auch Abfälle, die auf Campingplätzen anfallen, als Abfälle aus privaten Haushaltungen einzustufen, denn auch hier findet vorübergehend die Fortführung der selbst bestimmten Lebensführung an einem anderen Ort statt und zwar in einem Zelt, einem Wohnwagen oder Wohnmobil. Ebenso hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27.04. 2006 26 entschieden, dass kleine Altenwohnungen in einer Seniorenwohnanlage als privater Haushalt einzustufen sind, weil in ihnen eine selbst bestimmte sowie eigenständige Lebensführung stattfindet. Dieses ergibt sich auch aus der Definition in § 2 Nr. 2 Gewerbeabfall-Verordnung, wonach Abfall aus privaten Haushaltungen anzunehmen ist, wenn er in Wohnheimen (z. B. Studentenwohnheimen) oder Einrichtungen des betreuten Wohnen (z. B. Altenwohnungen) anfällt. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass eine selbstbestimmte Lebensführung stattfindet. Dieses ist etwa bei Altenpflegeheimen oder Strafvollzugsanstalten nicht der Fall, weshalb diese Einrichtungen als private bzw. öffentliche Einrichtungen im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchstabe b der Gewerbeabfall-Verordnung und damit als Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen einzuordnen sind. Der VGH Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.07. 201127 entschieden, dass Abfall aus Kasernen auch als Abfall aus privaten Haushaltungen eingestuft werden kann, wenn er in Gebäuden anfällt, die der privaten Lebensführung zuzuordnen sind. Werden Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen in der Kaserne mit solchen Abfällen vermischt, so kann der gesamte Abfall als solcher aus privaten Haushaltungen eingestuft werden. Dass in privaten Haushaltungen Abfälle anfallen, steht grundsätzlich außer Frage. So hat das VG Köln mit Urteil vom 17.06. 200828 zutreffend die Klage von privaten Grundstückseigentümern auf Nichtbenutzung eines Restmüllgefäßes für ihr Grundstück abgewiesen. Nach dem VG Köln sind die privaten Haushaltungen verpflichtet, sich an die kommunale Abfallentsorgung anzuschließen, wenn das Grundstück zu Wohnzwecken genutzt wird. Die Kläger hatten nach dem VG Köln 25
Az.: 7 C 51.07. Az.: 7 C 51.07. 27 Az.: 10 S 1368/10. 28 Az.: 14 K 3949/06. 26
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auch nicht schlüssig dargelegt, dass bei ihnen keine überlassungspflichtigen Abfälle anfielen. Die Behauptung der Kläger, dass sie „nötigenfalls alles dorthin entsorgen würden, wo sie es bezogen hätten“ sei zu pauschal und unschlüssig. So sei z. B. nicht erkennbar wie bestimmte Abfälle (wie etwa Hygieneabfälle, Tampons, Binden) entsorgt werden. Auch für bestimmte von den Klägern benannte Artikel des täglichen Gebrauchs (z. B. Bratpfanne, Musikkassetten, Putzlappen) reiche es nicht aus vorzutragen, „man habe keine zum Wegwerfen“ oder „man verschenke diese“ oder „man verwende diese wieder“, denn es gehe gerade darum zu belegen, was mit diesen Artikeln passiere, wenn diese ihren gebrauchstauglichen Zustand verloren hätten. Hierzu fehlte ein schlüssiger und nachvollziehbarer Vortrag. Schließlich lehnte das VG Köln auch den Vortrag der Kläger ab, sie würden ihr Altpapier im Ofen verbrennen und brauchten deshalb keine Altpapiertonne. Nach dem VG Köln ist dieses keine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung, weil die stoffliche Verwertung von Altpapier den Vorrang vor der thermischen Verwertung (Verbrennung) von Altpapier in einem Ofen ohne Filtervorrichtung hat. Zudem sei das Verbrennen von Altpapier in einem Ofen – jedenfalls in Zeiten außerhalb einer Heizperiode – keine auf Energiegewinnung gerichtete Verwertung, sondern bloße Abfallbeseitigung. Auch das Abfall-Messie-Syndrom entbindet einen privaten Abfallbesitzer/-erzeuger als privater Haushalt nicht davon, seiner Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG ordnungsgemäß nachzukommen.29 Grundsätzlich kann aus § 17 Abs. 1 S. 1 1. HS KrWG entnommen werden, dass für alle „Abfälle zur Beseitigung“ und alle „Abfälle zur Verwertung“, die in privaten Haushaltungen anfallen, eine Abfallüberlassungspflicht gegenüber den Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger besteht. Denn § 17 Abs. 1 S. 1 1. HS KrWG hebt die Pflicht zur Abfallverwertung (§ 7 Abs. 2 KrWG) und die Pflicht zur Abfallbeseitigung (§ 15 Abs. 1 KrWG) für die privaten Haushaltungen durch die Verwendung des Wortes „abweichend“ ausdrücklich auf.30 Als Ausnahme von dem Grundsatz, dass alle Abfälle aus privaten Haushaltungen an die Städte/Gemeinden zu überlassen sind, gibt § 17 Abs. 1 S. 1 2. HS KrWG lediglich den privaten Haushaltungen das Recht zur eigenen Verwertung, soweit sie dieses wollen und hierzu in der Lage sind. Der Bundesgesetzgeber hat bei dieser Ausnahme speziell an die Möglichkeit der Eigenkompostierung gedacht.31 Zugleich hat der Bundesgesetzgeber in § 17 Abs. 1 S. 1 2. HS klargestellt, dass die Eigenverwertung auf den im Rahmen der privaten Lebensführung genutzten Grundstücken erfolgen muss, d. h. die Eigenverwertung z. B. durch ordnungsgemäße und schadlose Eigenkompostierung von Bioabfällen muss auf dem Grundstück stattfin29 Vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 07.04. 2009 – Az.: 7 LA 13/09 – Vorinstanz: VG Göttingen, Urt. v. 30.10. 2008 – Az.: 4 A 4/05. 30 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff.; 525; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 282 ff.; grundlegend BVerwG, Urt. v. 18.6. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff. 31 Vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12. 2000 – Az.: 11 C 7.00, NWVBl. 2000, 255 ff., 258.
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den, wo diese angefallen sind. Ein privater Mülltourismus zu anderen Grundstücken ist damit unzulässig. Ebenso ist eine Abgabe der Abfälle an Dritte unzulässig.32 2. Keine Abfallüberlassungspflicht bei Eigenverwertung Ausgehend von der Regelungssystematik in § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG muss in der kommunalen Abfallentsorgungssatzung eine Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang geregelt werden. Denn aus § 17 Abs. 1 S. 1 2. HS KrWG und aus § 9 Abs. 1a S. 2 LAbfG NRW folgt, dass eine Abfallüberlassungspflicht der privaten Haushaltungen für „Abfälle zur Verwertung“ nur dann besteht, wenn diese zu einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der Abfälle auf dem an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossenen Grundstück nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Hiernach gibt es für private Haushaltungen zunächst für „Abfälle zur Beseitigung“ keine Ausnahmen von der Abfallüberlassungspflicht. Zum anderen kann bei „Abfällen zur Verwertung“ (z. B. bei kompostierbaren Bioabfällen) nach § 17 Abs. 1 S. 1 2. HS KrWG eine Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang nur dann bestehen, soweit private Haushaltungen in der Lage sind, diese Abfälle zur Verwertung auf dem an die kommunale Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstück ordnungsgemäß und schadlos i. S. d. § 7 Abs. 3 KrWG zu verwerten (z. B. durch Eigenkompostierung, die weder Siedlungsungeziefer – etwa Ratten – noch Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft verursacht). Dabei regelt etwa § 9 Abs. 1 a Satz 4 LAbfG NRWausdrücklich, dass die ordnungsgemäße und schadlose Eigenverwertung durch die privaten Haushaltungen auf Verlangen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nachzuweisen ist. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Abfallentsorgung kann hierbei nicht allein von Bedeutung sein, ob private Haushaltungen eine Verwertung von Abfällen lediglich beabsichtigen. Vielmehr müssen private Haushaltungen in der Lage sein, Abfälle zu verwerten, und sie müssen es auch wollen. Einen Zwang zur Verwertung z. B. einen Zwang zur Eigenkompostierung, gibt es hiernach nicht. Hiernach ist zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit, vor allem zur Aufrechterhaltung der Hygiene und eines lückenlosen Seuchenschutzes, für das Nichtbestehen einer Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG primär von Bedeutung, ob private Haushaltungen in der Lage sind, Abfälle ordnungsgemäß und schadlos i. S. d. § 7 Abs. 3 KrWG selbst zu verwerten. Dabei stellt § 17 Abs. 1 S. 1 1. HS KrWG durch die grundsätzliche Aufhebung der Pflicht zur Abfallverwertung (§ 7 Abs. 2 KrWG) für private Haushaltungen die Regelvermutung auf, dass diese zur Abfallverwertung nicht in der Lage sind. Diese Regelvermutung können die privaten Haushaltungen für Abfälle zur Verwertung jedoch widerlegen, wenn sie im konkreten Einzelfall gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, also gegenüber der Kommune, nachwei32 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 525; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 224; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 290; grundlegend BVerwG, Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff.
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sen, dass sie Abfälle ordnungsgemäß und schadlos i. S. d. § 7 Abs. 3 KrW-/AbfG verwerten können und deshalb in Ermangelung einer Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG für bestimmte Abfallgefäße kein Anschluss- und Benutzungszwang besteht.33 Gleichwohl kann in diesem Zusammenhang grundsätzlich nur der Nachweis einer Eigenverwertung von Abfällen auf dem an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossenen Grundstück (z. B. im Falle der praktizierten Eigenkompostierung) eine Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang herbeiführen. Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KrWG regelt seinem Wortlaut nach ausdrücklich, dass „sie“, also die privaten Haushaltungen selbst und keine (beauftragten) Dritten, zu einer Verwertung der Abfälle in der Lage sein müssen.34 Dieses wird auch durch § 9 Abs. 1 a Satz 3 LAbfG NRW nochmals ausdrücklich bestimmt, in dem dort von der Eigenverwertung der Abfälle auf dem an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossenen Grundstück die Rede ist. Eine Eigenverbringung der Abfälle an andere Orte oder durch Übergabe an Dritte z. B. an private Abfallentsorgungsunternehmen, die unabhängig von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in eigener Regie tätig werden, ist vor diesem Hintergrund als unzulässig anzusehen.35 3. Ausnahmen von der Abfallüberlassungspflicht (§ 17 Abs. 2 S. 1 KrWG) § 17 Abs. 2 KrWG regelt vier Fallgruppen, in denen die Abfallüberlassungspflicht der privaten Haushalte gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern unter den dort genannten Voraussetzungen entfällt. In der kommunalen Abfallentsorgungssatzung können die Fallkonstellationen des § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 KrWG z. B. als Ausnahmen vom Benutzungszwang an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung geregelt werden. Dabei bedeutet eine Ausnahme vom Benutzungszwang nur, dass bestimmte Abfälle ausnahmsweise nicht den dafür vorgesehenen Abfallgefäßen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zugeführt werden müssen. Eine Ausnahme vom Benutzungszwang ist hingegen keine generelle Ausnahme 33 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 525; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 224; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 290; grundlegend BVerwG, Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff. 34 Vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff.; VGH BadenWürttemberg, Urt. v. 21.7. 1998 – Az.: 10 S 2614/97 –, NVwZ 1998, 1200 ff.; s. auch OVG NRW, Urt. v. 10.08. 1998 – Az.: 22 A 5429/96 –, StGRat 1998, 304 ff., wo von „Selbstkompostierung“ die Rede ist; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.06. 2003 – Az.: 9 ME 1/03 – NVwZRR 2004, 175; OVG Hamburg, Beschl. v. 08.07. 2008 – Az.: 1 BS 91/08. 35 Vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff.; Petersen/ Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff.; 525; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 290.
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vom Anschlusszwang an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung. Denn der Anschlusszwang ist grundsätzlich grundstücksbezogen, richtet sich an den Grundstückseigentümer und beinhaltet die Pflicht, das Grundstück an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung anzuschließen und die für eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung erforderlichen Abfallgefäße aufzustellen. Dieses folgt im Übrigen auch aus § 19 KrWG, der gewissermaßen einen bundesrechtlichen Anschlusszwang an die öffentliche Abfallentsorgungseinrichtung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers normiert.36 a) § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 KrWG (1. Fallgruppe) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrWG (1. Fallgruppe) entfällt die Abfallüberlassungspflicht für Abfälle, die einer Rücknahme- oder Rückgabepflicht auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG unterliegen, soweit nicht die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger auf Grund einer Bestimmung nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 KrWG an der Rücknahme mitwirken. In Anknüpfung hieran können die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach § 20 Abs. 2 Satz 1 KrWG mit Zustimmung der (nach Landesrecht) zuständigen Behörde Abfälle von der Entsorgung ausschließen, soweit diese einer Rücknahmepflicht auf Grund einer nach § 25 KrWG erlassenen Rechtsverordnung unterliegen und entsprechende Rücknahmeeinrichtungen tatsächlich zur Verfügung stehen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 KrWG bestimmt werden kann, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger an der Einsammlung der von einer konkreten Rechtsverordnung erfassten Abfälle nicht wirken. In diesen Fällen hat der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger dann die Möglichkeit, in seiner Abfallentsorgungssatzung diese von der Rechtsverordnung erfassten Abfälle aus seiner Entsorgungspflicht auszuschließen. Der Ausschluss kann nur erfolgen, wenn eine anderweitige Entsorgung auch praktisch umgesetzt und verwirklicht ist. Dieses ist von der nach Landesrecht zuständigen Behörde vor der Erteilung ihrer Zustimmung zu prüfen. Ein Beispiel hierfür ist die Verpackungs-Verordnung. Auf der Grundlage des § 6 der Verpackungs-Verordnung ist ein rein privatwirtschaftlich organisiertes Rücknahmesystem zur Erfassung und Verwertung von gebrauchten Einwegverpackungen eingerichtet worden, an welchem die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht mitwirken und deren Flächendeckung in einem Bundesland durch die für die Abfallwirtschaft zuständige oberste Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Behörde festgestellt wird (§§ 3 Abs. 10, 6 Abs. 5 VerpackV). Dieses betrifft insbesondere die gelben Tonnen zur Erfassung und Verwertung von gebrauchten Einwegverpackungen aus Metall, Kunststoff und Verbundstoffen (sog. LVP-Abfallfraktion – LVP = Leichtstoffverpackungen) sowie die Erfassung von Altglas über Altglascontainer. Zurzeit sind als Betreiber für dieses sog. „Duale System“ als flächendeckendes System nach § 6 VerpackV festgestellt: die DSD GmbH, die Interseroh Dienstleistungs-GmbH, die Landbell AG, die Eko-Punkt GmbH, die VfW GmbH, die Belland Vision GmbH, die Zen36 Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 399 ff.
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tek GmbH, die Redual GmbH & Co KG, die Veolia Umweltservice GmbH, RKD GmbH & Co KG. Diese Systembetreiber organisieren die flächendeckende Erfassung der gebrauchten Einweg-Verpackungen durch Beauftragung von Subunternehmen. Finanziert wird dieses System über sog. Lizenzentgelte, die die Hersteller bzw. Vertreiber an den jeweiligen Systembetreiber über einen sog. Lizenzvertag entrichten. b) § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 KrWG (2. Fallgruppe) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 KrWG (2. Fallgruppe) entfällt die Abfallüberlassungspflicht auch für Abfälle, die in Wahrnehmung der Produktverantwortung (§ 23 KrWG) gemäß § 26 KrWG freiwillig zurückgenommen werden. Voraussetzung für den Wegfall der Abfallüberlassungspflicht ist allerdings, dass dem zurücknehmenden Hersteller oder Vertreiber ein Freistellungs- oder Feststellungsbescheid nach § 26 Abs. 3 oder Abs. 6 KrWG erteilt worden ist. c) § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 KrWG (3. Fallgruppe) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 KrWG (3. Fallgruppe) entfällt die Abfallüberlassungspflicht auch für Abfälle, die durch eine gemeinnützige Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden. Der Begriff der gemeinnützigen Sammlung wird in § 3 Abs. 17 KrWG gesetzlich definiert. Auch gemeinnützige Sammlungen unterfallen seit dem 01.06. 2012 nunmehr aber der Anzeigepflicht nach § 18 KrWG und diese Anzeige muss nach § 72 Abs. 2 KrWG drei Monate nach Inkrafttreten des KrWG auch für gemeinnützige Sammlungen getätigt werden, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes durchgeführt wurden. Gemeinnützige Sammlungen sind Sammlungen nach der Gesetzesdefinition in § 3 Abs. 18 Satz 1 KrWG von Abfällen, die durch eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse getragen wird und der Beschaffung von Mitteln zur Verwirklichung ihrer gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke im Sinne der §§ 52 bis 54 Abgabenordnung dient. Insoweit ist bei der Beurteilung der Gemeinnützigkeit nicht nur auf den Regelungsgehalt des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz abzustellen, sondern es sind auch die Vorgaben der Abgabenordnung dahin zu prüfen, ob gemeinnützige Zwecke (§ 52 AO), mildtätige Zwecke (§ 53 AO) oder kirchliche Zwecke (§ 54 AO) verfolgt werden. Insoweit listet § 52 Abs. 2 AO Nr. 1 bis Nr. 26 AO Fallgestaltungen auf, die als Förderung der Allgemeinheit unter Beachtung der Vorgaben in § 52 Abs. 1 AO anzuerkennen sind. Zu beachten ist, dass nach § 3 Abs. 18 Satz 2 KrWG eine gemeinnützige Sammlung von Abfällen auch dann anzunehmen ist, wenn die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse wiederum einen gewerblichen Sammler mit der Sammlung beauftragt und dieser den Veräußerungserlös nach Abzug seiner Kosten und eines angemessenen Gewinns vollständig an die Körperschaft, Personenvereini-
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gung oder Vermögensmasse auskehrt. Damit wird klargestellt, dass der Träger der gemeinnützigen Sammlung die Sammlung nicht selbst durchführen muss, sondern einen gewerblichen Sammler mit der gemeinnützigen Sammlung beauftragen kann, wodurch aber die gemeinnützige Sammlung nicht zu einer gewerblichen Sammlung wird, sondern auf diese weiterhin die Maßgaben für die gemeinnützige Sammlung auch im Zusammenhang mit dem in § 18 KrWG geregelten Anzeigeverfahren Anwendung finden. Dieses gilt selbst dann, wenn der durch den gemeinnützigen Sammler mit der Sammlung beauftragte gewerbliche Sammler die ihm entstandenen Sammlungskosten und einen angemessenen Gewinn von dem erzielten Veräußerungserlös in Abzug bringt. Unabdingbare Voraussetzung bleibt allerdings auch in diesen Fällen, dass der verbleibende Veräußerungserlös der Beschaffung von Mitteln zur Verwirklichung von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken im Sinne der §§ 52 bis 54 Abgabenordnung dienen muss.37 Dieses muss gegenüber der zuständigen Behörde im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach § 18 KrWG dargelegt und nachgewiesen werden, denn zum einen sind die Zulässigkeitsschranken für gemeinnützige Sammlungen nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 KrWG geringer, denn dort wird lediglich vorgegeben, dass die Abfälle einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden müssen. Zum anderen müssen bei gemeinnützigen Sammlungen einer Anzeige nach § 18 Abs. 1 KrWG grundsätzlich weniger Angaben gemacht werden (§ 18 Abs. 3 KrWG) als bei einer gewerblichen Sammlung (§ 18 Abs. 2 KrWG). Dennoch kann die zuständige Behörde auch bei einer gemeinnützigen Sammlung weitere Angaben verlangen, was aus § 18 Abs. 3 S. 2 KrWG folgt, wonach die zuständige Behörde verlangen kann, dass der Anzeige der gemeinnützigen Sammlung auch Unterlagen auf der Grundlage der Maßgaben in § 18 Abs. 2 Nr. 3 bis Nr. 5 KrWG beizufügen sind. Hierzu gehören Angaben über die Art, Menge und den Verbleib der Abfälle, insbesondere die Darlegung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertungswege bis zum Verwertungserfolg. d) § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG (4. Fallgruppe) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG (4. Fallgruppe) entfällt die Abfallüberlassungspflicht auch für Abfälle, die durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser gewerblichen Sammlung nicht entgegenstehen. Der Begriff der gewerblichen Sammlung wird in § 3 Abs. 18 KrWG gesetzlich definiert. Eine gewerbliche Sammlung ist nach § 3 Abs. 18 S. 1 KrWG eine Sammlung, die zum Zwecke der Einnahmeerzielung erfolgt. Dabei steht nach § 3 Abs. 18 S. 2 KrWG auch die Durchführung der Sammeltätigkeit auf der Grundlage vertraglichen Bindungen zwischen dem Sammler und dem privaten Haushalt in dauerhaft 37 Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 299 ff., 301.
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festen Strukturen einer gewerblichen Sammlung nicht entgegen. Mit dieser weiten Definition der gewerblichen Sammlung unterfällt nunmehr jede Sammlung von Abfällen, die zum Zwecke der Einnahmeerzielung erfolgt, dem Begriff der gewerblichen Sammlung. Durch den weiten Begriff der gewerblichen Sammlung sind somit auch Abfallsammlungen, die nicht grundstücksbezogen, sondern lediglich dezentral erfolgen, als gewerbliche Sammlung im Sinne des § 3 Abs. 18 S. 1 KrWG einzuordnen, wenn diese erfolgen, um Einnahmen zu erzielen. Hierzu gehören z. B. Altkleideroder Altpapier-Container von privaten Abfallsammlern, die z. B. auf privaten Parkplätzen von Supermärkten oder auf dem Gelände von Tankstellen aufgestellt werden. Ebenso gehören hierzu Sammlungen, die so organisiert sind, dass die Abfälle zu einer Annahmestelle gebracht werden müssen (z. B. die sog. „Papierbank“). Auch diese dezentralen gewerblichen Abfallsammlungen unterliegen dem Anzeigeverfahren nach § 18 KrWG. Darüber hinaus müssen diese Sammler auch der Anzeigepflicht nach § 53 Abs. 1 KrWG nachkommen. § 3 Abs. 18 S. 2 KrWG stellt in diesem Zusammenhang lediglich klar, dass vertragliche Beziehungen zwischen einem gewerblichen Sammler und einem privaten Haushalt der Annahme, dass eine gewerbliche Sammlung vorliegt, nicht entgegensteht. Hiernach ist der Bundesgesetzgeber der Rechtsprechung des BVerwG38 nicht gefolgt, wonach eine gewerbliche Sammlung dann nicht anzunehmen war, wenn diese in dauerhaft festen Strukturen (also nicht nur gelegentlich) nach der Art eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durchgeführt wurde.39 4. Unzulässigkeit von gemeinnützigen und gewerblichen Sammlungen § 17 Abs. 3 S. 2 KrWG stellt generell klar, dass gewerbliche und ebenso gemeinnützige Sammlungen von vornherein unzulässig sind für gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen, womit zugleich auch beinhaltet ist, dass eine gewerbliche Sammlung von „Abfällen zur Beseitigung“ unzulässig ist, d. h. eine gewerbliche Restmülltonne ist gesetzlich ausgeschlossen. Gleichfalls ist eine gewerbliche Sammlung für gefährliche Abfälle (§ 3 Nr. 5 KrWG; Sternchen-Abfälle nach der AVV) unzulässig.40
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Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.98 – NVwZ 2009, 1292 ff. Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527 f.; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 1115 f., Rn. 170; Hurst, AbfallR 2012, 176 ff., 176; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 305 ff.; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 225. 40 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527 f.; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 1115 f., Rn. 170; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 225. 39
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Außerdem ist durch Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts auch der § 9 Abs. 9 ElektroG geändert worden. Dort ist nunmehr bestimmt, dass die Erfassung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten nach § 9 Abs. 1 ElektroG ausschließlich durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, Vertreiber und Hersteller durchzuführen ist. Für die nicht gesetzeskonforme Sammlung von Elektro- und Elektronikgeräten, die dem ElektroG unterliegen, ist in § 23 Abs. 1 Nr. 7a ElektroG zudem ein Bußgeldtatbestand geschaffen worden. Hiernach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 9 Abs. 9 S. 1 ElektroG eine Erfassung durchführt.41 5. Anzeigepflicht (§ 18 KrWG) Sowohl für gewerbliche Abfallsammlungen als auch für gemeinnützige Sammlungen wird in § 18 Abs. 1 KrWG eine verbindliche Anzeigepflicht vorgesehen. Dabei muss spätestens drei Monate vor der beabsichtigten Aufnahme der Sammlung (ihrem Beginn) der Träger der Sammlung bei der zuständigen Behörde eine Anzeige zu tätigen und entsprechende Angaben machen. Dabei regelt § 18 Abs. 2 KrWG die bei gewerblichen Sammlungen und § 18 Abs. 3 KrWG die bei gemeinnützigen Sammlungen zu machenden Angaben.42 Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die § 72 Abs. 2 S. 1 KrWG getroffene Übergangs-Vorschrift, wonach für gewerbliche und gemeinnützige Sammlungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KrWG am 01.06. 2012 bereits durchgeführt werden, die Anzeige nach § 18 Abs. 1 KrWG innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis zum 01.09. 2012 zu erstatten ist. Dabei gelten nach § 72 Abs. 2 S. 2 KrWG für die Anzeige die Maßgaben in § 18 Abs. 2 und Abs. 3 KrWG entsprechend, d. h. es sind die dort vorgegebenen Angaben zu tätigen. Die zuständige Behörde muss bei der Anzeige einer gewerblichen Sammlung insbesondere prüfen, ob überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Damit wird sichergestellt, dass diese Prüfung zeitlich vor Beginn der gewerblichen Sammlung erfolgen kann. Wird eine gewerbliche Sammlung ohne vorherige Anzeige durchgeführt, ist sie als unzulässig anzusehen.43 In diesem Fall entfällt dann auch die Abfallüberlassungspflicht der privaten Haushalte gegenüber der Stadt/Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger nicht (§ 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 KrWG).
41 Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 299 ff., 309 f. 42 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527 f.; Weidemann, AbfallR 2012, 96 ff., 100 ff.; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Hurst, AbfallR 2012, 176 ff., 176; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 311 ff.; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 224. 43 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527 f.; Vetter, VBl. BW 2012, 210 ff., 205; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 224.
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In § 18 KrWG ist allerdings nicht geregelt worden, welche Rechtsfolge eintritt, wenn die zuständige Behörde, bei welcher der gewerbliche Sammler spätestens drei Monate vor deren Beginn die Anzeige tätigen muss, innerhalb der drei Monate keine Entscheidung trifft. In Anbetracht der Tatsache, dass der Eingang der Anzeige durch die zuständige Behörde nicht dem Träger der gewerblichen Sammlung bestätigt werden muss und auch im Übrigen der § 18 KrWG keine weitergehenden Regelungen enthält, ist davon auszugehen, dass die Behörde innerhalb der Mindest-Anzeigefrist von drei Monaten tätig werden muss, wenn die Aufnahme der gewerblichen Sammlung nicht erfolgen soll. Hierfür spricht insbesondere, dass die zuständige Behörde nach § 18 Abs. 5 S. 2 KrWG die Sammlung zu untersagen hat, wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben. Ebenso hat die zuständige Behörde die Sammlung nach § 18 Abs. 5 S. 2 KrWG zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Hierzu gehört z. B., dass eine Untersagung der gewerblichen Sammlung dann erfolgen muss, wenn eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Abfälle auf der Grundlage der Darlegungen des gewerblichen Sammlers im Anzeigeverfahren (§ 18 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 KrWG) nicht als sichergestellt angesehen werden kann. Darüber hinaus sieht § 18 Abs. 6 S. 1 KrWG vor, dass die zuständige Behörde bestimmen kann, dass eine gewerbliche Sammlung mindestens für einen bestimmten Zeitraum durchzuführen ist, wobei dieser Zeitraum drei Jahre nicht überschreiten darf. Ebenso kann die zuständige Behörde dem Träger der Sammlung eine Sicherheitsleistung auferlegen (§ 18 Abs. 6 S. 3 KrWG). Schließlich hat die zuständige Behörde gemäß § 18 Abs. 4 KrWG den von der gemeinnützigen oder gewerblichen Sammlung betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aufzufordern, für seinen Zuständigkeitsbereich eine Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Monaten abzugeben. Gibt dieser bis zum Ablauf der Frist keine Stellungnahme ab, ist davon auszugehen, dass sich dieser nicht äußern will. Äußert sich dieser innerhalb von zwei Monaten, so muss die zuständige Behörde die vorgetragenen Gesichtspunkte in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen, so dass im Regelfall davon ausgegangen werden muss, dass eine Entscheidungsfindung drei Monate in Anspruch nehmen wird. 6. Zusätzliche Anzeigepflicht nach § 53 KrWG Neben der Anzeigepflicht nach § 18 KrWG besteht für den gemeinnützigen und gewerblichen Sammler von nicht gefährlichen Abfällen eine weitere Anzeigepflicht nach § 53 Abs. 1 KrWG.44 Nach § 53 Abs. 1 S. 1 KrWG müssen Sammler, Beförde44 Vgl. Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 316 ff.
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rer, Händler und Makler von Abfällen die Tätigkeit ihres Betriebes vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzeigen, wenn sie nicht über eine Erlaubnis nach § 54 KrWG verfügen. In § 54 Abs. 1 KrWG wird vorgegeben, dass derjenige, der gefährliche Abfälle sammelt und befördert, einer Erlaubnis bedarf. Insoweit wird die Transportgenehmigungs-Verordnung nach Art. 5 Abs. 16 des Gesetzes zur Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht zur Beförderungserlaubnis-Verordnung (BefErlV; siehe Art. 5 Abs. 16, BGBl. I 2012, S. 212 ff., S. 251 ff.). Die zuständige Behörde bestätigt nach § 53 Abs. 1 S. 2 KrWG dem Anzeigenden unverzüglich schriftlich den Eingang der Anzeige. Zuständig ist die Behörde des Landes, in dem der Anzeigende seinen Hauptsitz hat (§ 53 Abs. 1 S. 3 KrWG). Eine Beförderungserlaubnis ist nicht erforderlich für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und Entsorgungsfachbetriebe, soweit diese für die Sammlung und Beförderung von Abfällen zertifiziert sind (§ 54 Abs. 3 KrWG). Die schriftliche Bestätigung der Anzeige nach § 53 Abs. 1 Satz 2 KrWG sollte der gemeinnützige oder gewerbliche Sammler mit sich zu führen, denn nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 KrWG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 18 Abs. 1 S. 1 oder § 53 Abs. 1 S. 1 KrWG eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet. Ebenso handelt nach § 69 Abs. 1 Nr. 7 KrWG ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Erlaubnis nach § 54 Abs. 1 S. 1 KrWG gefährliche Abfälle sammelt oder befördert. Ein gemeinnütziger oder gewerblicher Sammler handelt demnach ordnungswidrig, wenn er nicht gefährliche Abfälle zur Verwertung sammelt und befördert, ohne die Anzeige nach § 53 Abs. 1 KrWG getätigt zu haben. Sammelt er zudem entgegen § 17 Abs. 2 S. 2 KrWG gefährliche Abfälle, so begeht er eine weitere Ordnungswidrigkeit, wenn er eine erforderliche Beförderungserlaubnis nach § 54 Abs. 1 KrWG nicht besitzt. Allerdings ist in § 18 Abs. 1 S. 1 KrWG im Gegensatz zu § 53 Abs. 1 S. 2 KrWG keine Bestätigung der Anzeige durch die zuständige Behörde vorgesehen. Es empfiehlt sich für die zuständige Behörde, die Anzeige nach § 18 Abs. 1 S. 1 KrWG schriftlich gegenüber dem gemeinnützigen oder gewerblichen Sammler zu bestätigen, damit die Einhaltung der 3-Monatsfrist vor Aufnahme der gemeinnützigen oder gewerblichen Sammlung dokumentiert werden kann. 7. Europarechtliche Gesichtspunkte Der Bundesgesetzgeber ist dem Bundesverwaltungsgericht (Az.: 7 C 16.08, NVwZ 2009, S. 1292 ff.) in seiner engen Auslegung des Begriffes der gewerblichen Sammlung nicht gefolgt. Nach § 3 Abs. 18 S. 1 KrWG wird die gewerbliche Sammlung von Abfällen nicht nur als Sammlung definiert, die zum Zweck der Einnahmeerzielung erfolgt, sondern es wird in § 3 Abs. 18 S. 2 KrWG klargestellt, dass eine gewerbliche Sammlung auch dann anzunehmen ist, wenn sie auf der Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen dem Sammler und dem privaten Haushalt in dauer-
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haften Strukturen erfolgt. Mit dieser weiten Definition der gewerblichen Sammlung hat der Bundesgesetzgeber darauf reagiert, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Az.: 7 C 16.08, NVwZ 2009, S. 1292 ff.) zu § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG eine gewerbliche Sammlung begrifflich nicht angenommen worden ist, wenn diese in dauerhaft festen Strukturen (also nicht nur gelegentlich) nach der Art eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers erfolgte. Seitens der Bundesregierung wurde deshalb im Gesetzgebungsverfahren der Rechtsstandpunkt eingenommen, es sei nach dem europäischen Abfall- und Wettbewerbsrecht geboten, den Begriff der gewerblichen Sammlung in § 3 Abs. 18 S. 2 KrWG zu erweitern. Nach dem Bundesverwaltungsgericht steht dem Bundesgesetzgeber jedenfalls europarechtlich ein weites Gestaltungsermessen zu, um die sog. Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse zu schützen. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wozu auch die Abfallentsorgung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger als Aufgabe der ortsnahen Grundversorgung (Daseinsvorsorge) gehört, finden sich auch in Art. 106 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäische Union (AEUV oder AEU-Vertrag; früher: Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag) wieder. Das Recht der Europäischen Union ist zwar mit Wirkung ab dem 01.12. 2009 durch den Vertrag von Lissabon geregelt worden, welcher den bisherigen Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die Europäische Union (EG-Vertrag) in einem Vertrag über die Europäische Union (EUV oder EU-Vertrag), und in einem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUVoder AEU-Vertrag) neu geordnet hat. Die Regeln des Vertrages gelten nach Art. 106 Abs. 2 AEU-Vertrag jedoch für Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse erbringen, nur insoweit, als ihre Anwendung die Erfüllung der den Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben nicht behindert. Damit soll im Allgemeinen die Erfüllung der Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs oder des Wettbewerbsrechts haben in einen sachgerechten Ausgleich gebracht werden.45 Nach dem EuGH (Urteil vom 10.11. 1998 – Rs. C-360/96/„Gemeinde Arnheim/ BFI Holding BV“) handelt es sich bei der Abholung und Behandlung von Haushaltsabfällen um eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge (Grundversorgung), die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegt.46 Damit kann auch eine Beeinträch45 Vgl. BT-Drs. 17/6052, S. 206; Thärichen, AbfallR 2012, 150 ff., 152 ff.; Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 205; Koch/Reese, DVBl. 2010, 1393 ff., 1396; Krämer, AbfallR 2010, 40 ff., 41, 43; Gaßner/Thärichen, Stadt und Gemeinde 2011, S. 18 ff.; Kallerhoff, Öffentlichrechtliche Entsorgungsträger contra private Abfallwirtshaft, S. 231 ff.; Queitsch, in: Schink/ Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 320; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 226. 46 Vgl. BVerwG, Urt. v. 18.6. 2009 – Az.: 7 C 16/08 – DVBl. 2009, 1242 ff., 1245; Thärichen, AbfallR 2012, 150 ff., 152 ff.; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff., 168 f., 173 ff.; Reese, NVwZ 2009, 1073 ff., 1079; Gruneberg/Wenzel, AbfallR 2010, 162 f.; Koch/Reese, DVBl. 2010, 1393 ff., 1396; Krämer, AbfallR 2010, 40 ff., 41, 43; Gaßner/Thärichen, Stadt und Gemeinde
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tigung der Warenverkehrsfreiheit für nicht gefährliche Abfälle zur Verwertung gerechtfertigt werden. Schließlich dienen die Erlöse aus der Verwertung von Abfällen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern dazu, die Gesamtkosten der Abfallentsorgung teilweise zu decken, so dass, wie erforderlich, die Entsorgung zu wirtschaftlich annehmbaren bzw. ausgewogenen Bedingungen gesichert ist und die Abfallgebühren insoweit stabil gehalten werden können.47 8. Darlegungspflichten des gewerblichen Sammlers (§ 18 Abs. 2 KrWG) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG ist eine gewerbliche Sammlung von nicht gefährlichen Abfällen zur Verwertung nur zulässig, wenn diese Abfälle einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden. Der gewerbliche Sammler muss im Rahmen seiner Anzeige nach § 18 KrWG an die zuständige Behörde nach § 18 Abs. 2 KrWG nicht nur Angaben über die Größe und die Organisation seines Sammlungsunternehmens (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 KrWG) und über die Art, Ausmaß und die Dauer, insbesondere über den größtmöglichen Umfang und die Mindestdauer der Sammlung (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 KrWG) machen. Vielmehr muss der gewerbliche Sammler auch die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der Abfälle, d. h. einen konkreten Verwertungsweg, dokumentieren. Hierzu gehören Angaben über die Art, Menge und den Verbleib der zu verwertenden Abfälle (§ 18 Abs. 2 Nr. 3 KrWG), eine Darlegung der innerhalb des angezeigten Zeitraums vorgesehenen Verwertungswege einschließlich der erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung ihrer Kapazitäten (§ 18 Abs. 2 Nr. 4 KrWG) sowie eine Darlegung, wie die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Abfälle im Rahmen der Verwertungswege sichergestellt wird. Diese Angaben sind die Grundlage für die zuständige Behörde, um feststellen zu können, ob die verwertbaren Abfälle tatsächlich einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden. Ergeben sich aus diesen Angaben Tatsachen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Person ergeben oder ist eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der Abfälle nicht sichergestellt, so muss die zuständige Behörde die Durchführung der angezeigten Sammlung nach § 18 Abs. 5 S. 2 KrWG untersagen.48
2011, 18 ff.; Kallerhoff, Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger contra private Abfallwirtschaft, 231 ff.; Petersen, NVwz 2009, 1063 ff., 1070. 47 Vgl. EuGH, Rs. C 162/06, Slg 2007, I-99/11 sowie BVerwG , Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16/08 – Rn. 40 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH. 48 Vgl. Weidemann, AbfallR 2012, 96 ff., 101 f.; Beckmann, AbfallR 2012, 142 ff., 148; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 225; BayVGH, Beschl. vom 08.04. 2013 – Az.: 20 CS 13377 bei Unzuverlässigkeit des gewerblichen Sammlers; a.A. VGH Ba.-Wü., Beschl. vom 09.09. 2013 – Az.: 10 S 1116/13 –; OVG NRW, Beschl. vom 19.07. 2013 – Az.: u. a. 20 B 12213; OVG
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Für die Beurteilung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung (§ 7 Abs. 3 S. 1 KrWG) ist in diesem Zusammenhang auch auf die gesetzlichen Vorgaben in den §§ 6 bis 11 KrWG zurückzugreifen. Zu diesen gesetzlichen Vorgaben gehört insbesondere, dass eine Verwertung nur dann ordnungsgemäß ist, wenn sie im Einklang mit den Vorschriften des KrWG und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht (§ 7 Abs. 3 S. 2 KrWG) wozu auch das Straßenrecht gehört.49 Die Verwertung erfolgt gemäß § 7 Abs. 3 S. 3 KrWG schadlos, wenn nach der Beschaffenheit der Abfälle, dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Verwertung Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sind, insbesondere keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf erfolgt. In Anknüpfung hieran muss der gewerbliche Sammler somit einen lückenlosen, schlüssigen Verwertungsweg im Rahmen der von ihm getätigten Anzeige aufzeigen. Hierzu gehört auch die Darlegung, durch welche Verwertungsverfahren und in welchen Verwertungsanlagen der Verwertungserfolg im Hinblick auf die erfassten Abfälle herbeigeführt wird.50 Im Rahmen der dargestellten Verwertungsmaßnahmen sind durch die zuständige Behörde auch die Vorgaben in § 6 KrWG zu beachten. Hierzu gehört unter anderem, dass bei der Auswahl von Verwertungsverfahren nach § 6 Abs. 2 S. 4 KrWG nicht nur die technische Möglichkeit und die wirtschaftliche Zumutbarkeit, sondern auch die sozialen Folgen der Maßnahmen zu beachten sind. 9. Schutz des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 17 Abs. 3 KrWG) § 17 Abs. 3 S. 1 bis 3 KrWG beinhaltet gewissermaßen eine „Kaskaden-Regelung“, in welcher der Bundesgesetzgeber gesetzlich niedergelegt hat, wann einer gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.51 Zentrales Element ist dabei die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, die den Schutzzweck der Regelung bildet.52 Lüneburg, Beschl. vom 15.08. 2013 – Az.: 7 ME 6213 –, wenn Bedingungen, Auflagen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG möglich sind. 49 Vgl. BayVGH, Beschl. vom 08.04. 2013 – Az.: 20 CS 13377 –; OVG NRW, Beschl. vom 17.12. 2012 – Az.: 11 B 1330/12 – abrufbar unter: www.nrwe.de; Thärichen/Ameskamp, AbfallR 2013, S. 176 ff.; Queitsch, UPR 2013, S. 222 ff. 50 Generell zum Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.04. 2008 – Az.: 9 BN 4.07; VGH BW, Urt. v. 27.03. 2007 – Az.: 10 S 2221/05; OVG NRW, Beschl. v. 16.04. 2009 – Az.: 14 A 3731/06; vgl. ferner: Frenz, UPR 2012, 210 ff., 216; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 326; a.A.: OVG Lüneburg, Beschl. vom 15.08. 2013 – Az.: 7 ME 62/13 – bloße Darstellung genügt. 51 Vgl. Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 207; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, 116 f., Rn. 171; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 226. 52 Vgl. Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 207; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 116 f., Rn. 171; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff.; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 226.
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Nach § 17 Abs. 3 S. 1 KrWG stehen einer gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, des von diesem beauftragten Dritten oder des auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet. Bereits aus dem Wortlaut folgt, dass bei der Prüfung, ob einer konkreten Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen auch „parallele gewerbliche Sammlungen“ („auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen“) zu berücksichtigen sind. Hierdurch wird zum einen gewährleistet, dass die für die Prüfung zuständige Behörde auch auf eine nachträgliche Veränderung der relevanten Umstände, wie etwa das Hinzutreten weiterer Sammler, reagieren kann.53 Erfasst wird zum anderen aber auch der Tatbestand, dass gleichzeitig mehrere gewerbliche Sammler im Zuständigkeitsgebiet eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers tätig werden möchten und bei dieser Ausgangslage dann zu prüfen ist, ob in der Gesamtschau (Zusammenwirken) dieser gewerblichen Sammlungen die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten oder des auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems gefährdet wird.54 In Anknüpfung daran wird in § 17 Abs. 3 S. 2 KrWG gesetzlich konkretisiert, wann eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten anzunehmen ist. Dieses ist dann der Fall, wenn für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten „zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen“ verhindert oder die Planungssicherheit und die Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird. Dabei wird in § 17 Abs. 3 S. 3 KrWG wiederum festgelegt, wann eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers vorliegt. Diese ist anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlichrechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt (§ 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG) oder die Stabilität des Gebührenhaushalts des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet wird (§ 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG) oder die diskrimi-
53
Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Queitsch, in: Schink/Frenz/ Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 328. 54 Vgl. Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 206; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 330 ff.
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nierungsfreie Ausschreibung von Entsorgungsdienstleistungen erheblich erschwert oder unterlaufen wird (§ 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 KrWG).55 Mit der Regelung in § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 KrWG wird nunmehr gesetzlich festgelegt, in welchen Fällen insbesondere eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung vorliegt. Insoweit wird dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Beweislast nicht mehr in vollem Umfang auferlegt, wenngleich konkrete nachprüfbare Tatsachen und konkrete Zahlen und Fakten im Einzelfall vorzutragen sind.56 Vielmehr wird auf der Grundlage von drei Fallgruppen (Regelbeispielen) gesetzlich festgelegt, wann eine wesentliche Beeinträchtigung als gegeben angesehen werden kann.57 Dabei bewirkt jede Fallgruppe für sich, dass eine wesentliche Beeinträchtigung angenommen werden kann, d. h. die Fallgruppen sind alternativ und nicht kumulativ zu verstehen.58 Nach § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 KrWG (1. Fallgruppe) ist eine wesentliche Beeinträchtigung anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden sollen, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von ihm beauftragte Dritte (z. B. ein privates Entsorgungsunternehmen) eine haushaltsnahe Erfassung oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung (z. B. über Wertstoffhöfe, dezentral aufgestellte Sammelcontainer) und Verwertung der Abfälle bereits durchführt. Hat demnach der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger z. B. eine flächendeckende Altpapiererfassung durch eine grundstücksbezogene Aufstellung von blauen Altpapiertonnen eingeführt, so steht dieses bereits bestehende (vorhandene) Erfassungssystem einer gewerblichen Sammlung entgegen, wenn und soweit dieser Schutz nicht nach § 17 Abs. 3 S. 4 KrWG wiederum entfällt.59
55 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Vetter, VBl. BW 2012, S. 201 ff., 207; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, 116 f., Rn. 171; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff., 170 ff.; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 226. 56 Vgl. VGH Ba.-Wü., Beschl. vom 09.09. 2013 – Az.: 10 S 1116/13 –; vgl. zur AltRegelung: u. a. OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.05. 2010 – Az.: 7 ME 20/10 – OVG Sachsen, Beschl. v. 10.06. 2011 – Az.: 4 B 355/10 – AbfallR 2011, 184 ff.; OVG NRW, Beschl. v. 30.05. 2011 – Az.: 20 B 1502/10 – abrufbar unter www.nrwe.de; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 30.07. 2010 – Az.: 14 L 372/10 – NWVBl. 2011, 30. 57 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 207; Franßen in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, 116 f., Rn 171; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 226. 58 Vgl. Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 330 ff., 331. 59 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 206; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, 116 f., Rn. 171; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff., 170ff; Weidemann, AbfallR 2012, 98 ff., 101; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 330 ff., 332; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 226; a.A.: OVG NRW, Beschl. vom 19.07. 2013 – Az.: 20 B 607/13; OVG Lüneburg, Beschl. vom 15.08. 2013 – Az.: 7 ME 62/13 –; OVG Hamburg, Beschl. vom 20.03. 2013 – Az.: 5 BS 208/12; VGH Ba.-Wü., Beschl. vom 09.09. 2013 – Az.: 10 S 1116/13 –, wonach die Beeinträchtigung wesentlich sein muss.
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Nach § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 KrWG (2. Fallgruppe) ist eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und der Organisationsverantwortung des öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgers auch dann anzunehmen, wenn die Stabilität der (Abfall-)Gebühren gefährdet wird. Insoweit muss der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger gleichwohl darlegen, welche Auswirkungen eine gewerbliche Sammlung auf die Höhe der Abfallgebühren haben würde. Diese Darlegung kann z. B. dadurch erfolgen, dass aufgezeigt wird, inwieweit die Abfallgebühr steigt, wenn die Erlöse aus der Verwertung der Abfälle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht mehr zur Verfügung stehen. Fallen Erlöse weg, können diese nicht mehr verwendet werden, um einen Teil der Gesamtkosten der Abfallentsorgung abzudecken, wodurch die Abfallgebühr höher ausfallen muss, um eine Kostendeckung auf der Grundlage des kommunalabgabenrechtlichen Kostendeckungsprinzips herbeizuführen, welches in den Kommunalabgabengesetzen der Länder wie z. B. in § 6 Abs. 1 S. 3 KAG NRW landesgesetzlich vorgegeben ist.60 Nach § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 KrWG (3. Fallgruppe) ist eine wesentliche Beeinträchtigung anzunehmen, wenn die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsdienstleitungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird. Mit dieser Fallgruppe soll insbesondere sichergestellt werden, dass das Vergaberecht nicht leer läuft und die Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen im Wettbewerb beachtet wird. Zugleich werden aber insbesondere private Entsorgungsnehmen als Vertragspartner der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger geschützt. Insbesondere soll ein auf der Grundlage des Vergaberechts zustande gekommenes Vertragsverhältnis zwischen einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und einem privaten Abfallentsorgungsunternehmen durch gewerbliche Sammlungen nicht ausgetrocknet werden können, in dem z. B. der gewerbliche Sammler das gesamte Altpapier abschöpft und damit für den Vertragspartner des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers der Vertragsgegenstand gewissermaßen gegenstandslos wird. Daneben soll die Fallgruppe aber ebenso sicherstellen, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine ordnungsgemäße Vergabe gewährleisten kann. Hierzu gehört unter anderem, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in einem Vergabeverfahren die nachgesuchte Leistung konkret bestimmen können muss, wie etwa die Gesamttonnage des Altpapiers, die der Entsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers unterliegt, denn dieser muss – unabhängig vom Verwertungspreis – dauerhaft und verlässlich die konkrete Entsorgungsdienstleistung erbringen, um seine Abfallentsorgungspflicht nach § 20 Abs. 1 KrWG zu erfüllen.61 60
Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 206; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 116 f., Rn. 171; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff., 171; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 330 ff., 333; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 226. 61 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 206; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 116 f., Rn 171; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff., 171 f.; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 330 ff., 334; Queitsch, UPR 2012, 221 ff.,
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10. Schutz der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Der durch die Fallgruppen in § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 KrWG geregelte Schutz beinhaltet einen gesetzlich festgelegten Vorrang für das Tätigwerden des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers und des von ihm beauftragten Dritten.62 Gleichwohl wird in § 17 Abs. 3 S. 4 bis S. 6 KrWG bestimmt, dass der Schutz für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bei den Fallgruppen des § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 und Nr. 2 KrWG wieder entfällt, wenn der gewerbliche Sammler das „bessere Erfassungssystem“ anbietet, d. h. die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger ist als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder den von ihm beauftragten Dritten bereits angebotene oder konkret geplante Leistung. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sind nach § 17 Abs. 3 S. 5 KrWG sowohl die in Bezug auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu beurteilenden Kriterien der Qualität und der Effizienz, des Umfangs und der Dauer der Erfassung und Verwertung der Abfälle als auch die aus der Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilende gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der Leistung zugrunde zulegen. Dabei sind nach § 17 Abs. 3 S. 6 KrWG bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit solche Leistungen nicht zu berücksichtigen, die über die unmittelbare Sammel- und Verwertungsleistung hinausgehen, wozu insbesondere Entgeltzahlungen gehören. Hierdurch wird sichergestellt, dass der gewerbliche Sammler seine Leistung nicht mit Zusatzleistungen aufwerten darf, die mit der unmittelbaren Leistung der Erfassung verwertbarer Abfälle nicht im Zusammenhang stehen. Dieses ist auch erforderlich, weil anderenfalls der gewerbliche Sammler, von vorherein eine „Luxusleistung“ anbieten könnte, obwohl er genau weiß, dass er diese betriebswirtschaftlich bei einem Erlöseinbruch nicht durchhalten kann. Insoweit wird verhindert, dass mit angeblichen „Luxusleistungen“, dass bestehende, funktionstüchtige Erfassungssystem des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers massiv beeinträchtigt wird und im Endergebnis überhaupt kein funktionierendes Erfassungssystem mehr vorhanden ist, was der Kreislauf- und Abfallwirtschaft und der Entsorgungssicherheit abträglich wäre. Außerdem stellt die Formulierung in § 17 Abs. 3 S. 5 KrWG, wonach die gemeinwohl-orientierte Servicegerechtigkeit aus der Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilen ist, sicher, dass es für den Leistungsvergleich nicht allein auf die vom Sammler gegebenenfalls gezielt ausgesuchten Erfassungsgebiete ankommt, in denen z. B. wegen der verdichteten Bebauungsstruktur in kurzer Zeit ein hohes Aufkommen an verwertbaren Abfällen erfasst werden kann. Vielmehr muss die gewerbliche Sammlung auch eine Erfassung 226; VGH Ba.-Wü., Beschl. vom 09.09. 2013 – Az.: 10 S 1116/13, wonach nur eine rechtmäßige Vergabe geschützt wird bzw. eine Vergabe, die konkret ansteht; BayVGH, Beschl. vom 02.05. 2013 – Az.: 20 CS 13.700 und 20 CS 13.771. 62 Vgl. Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 116 f., Rn. 171; Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 206; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 227.
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im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) und in nicht verdichteten Bebauungsstrukturen gewährleisten können.63 Dabei liegt die Darlegungs- und Beweislast für die höhere Leistungsfähigkeit der gewerblichen Sammlung beim Träger der Sammlung, also bei dem gewerblichen Sammler.64 Die Regelung in § 17 Abs. 3 S. 4 bis S. 6 KrWG beinhaltet zugleich aber auch einen Ansporn an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu prüfen, ob das von ihnen durchgeführte Erfassungssystem gegebenenfalls optimierungsbedürftig ist, denn einen Schutz gegen gewerbliche Sammlungen soll der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nur dann beanspruchen können, wenn er selbst ein leistungsfähiges Erfassungssystem vorhält.65 In diesem Zusammenhang bietet § 17 Abs. 3 S. 4 KrWG dem öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger zugleich die Möglichkeit, dass er seinen Schutz gegen gewerbliche Sammlungen auch dadurch erreichen kann, dass er oder der von ihm beauftragte Dritte eine konkrete Leistung plant, so dass die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle nicht mehr als wesentlich leistungsfähiger anzusehen ist (z. B. Umstellung der Altpapier-Containersammlung auf eine grundstücksbezogene Sammlung mit blauen Altpapiertonnen). Schlussendlich entfällt der Schutz vor gewerblichen Sammlungen nach § 17 Abs. 3 S. 4 KrWG nicht im Fall des § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 KrWG („diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen würde“). Hierdurch wird sichergestellt, dass vertragliche Regelungen zwischen dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und einem privaten Dritten (privaten Entsorgungsunternehmen) nicht durch gewerbliche Sammlungen unterlaufen werden können. Insoweit wird auch die private Entsorgungswirtschaft als Vertragspartner eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers geschützt. Zugleich wird hierdurch sichergestellt, dass Vergabeverfahren für Entsorgungsdienstleistungen nicht dadurch erschwert werden, dass im Hinblick auf den künftigen Vertragspartner die Gesamtleistung bestimmbar bleibt. Der öffentlichrechtliche Entsorgungsträger hat nach § 20 Abs. 1 KrWG flächendeckend und dauerhaft z. B. die Erfassung und Verwertung von Altpapier aus privaten Haushaltungen sicherzustellen. Ein gewerblicher Sammler kann hingegen die gewerbliche Sammlung von Altpapier jederzeit einstellen, wenn der Verwertungspreis sinkt und die Sammlung sich betriebswirtschaftlich nicht mehr rechnet. Unter diesem Blickwinkel muss der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger grundsätzlich in einem Ausschreibungsverfahren z. B. die Gesamttonnage an Altpapier in seinem Zuständigkeitsgebiet zugrunde legen, damit eine Erfassung und Verwertung des gesamten Altpapiers dauerhaft und unabhängig vom Verwertungspreis sichergestellt ist. Hinzu kommt, 63 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 116 f., Rn. 171. 64 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 116 f., Rn. 171. 65 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, S. 521 ff., 527; Weidemann, AbfallR 2012, 98 ff., 100; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff., 172.
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dass gewerbliche Sammlungen ausgebaut werden können, mit der Folge, dass der zwischen dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und dem privaten Entsorgungsunternehmen auf der Grundlage des Ergebnisses des Ausschreibungsverfahrens geschlossene Vertrag ausgehöhlt werden könnte, weil etwa durch die gewerbliche Sammlung so große Altpapiermengen abgeschöpft werden, dass der Vertrag ins Leere geht. Dieses Unterlaufen geschlossener Entsorgungsverträge soll nach dem Willen des Bundesgesetzgebers nicht eintreten. Dabei hat der Bundesgesetzgeber diesen Gesichtspunkt als so wichtig angesehen, dass der Schutz für private Entsorgungsunternehmen, die einen Vertrag mit einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger geschlossen haben in § 17 Abs. 3 S. 4 KrWG gerade nicht eingeschränkt wird.66 11. Vertrauensschutzklausel (§ 18 Abs. 7 KrWG) Darüber hinaus regelt § 18 Abs. 7 KrWG einen Vertrauensschutz für gewerbliche Sammlungen, die bereits zum Zeitpunkt des In-Krafttretens des neuen KrWG (01.06. 2012) bestanden haben. Ein Bestandschutz für bestehende gewerbliche Sammlungen wird nicht geregelt, denn im Gesetzestext wird lediglich ausgeführt, dass bei Anordnungen nach § 18 Abs. 5 und 6 KrWG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere ein schutzwürdiges Vertrauen des Trägers der Sammlung auf ihre weitere Durchführung, zu beachten ist.67 Dabei ist die Regelung in § 18 Abs. 7 KrWG allerdings im Lichte der Schutzvorgaben für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in § 17 Abs. 3 Satz 3 bis 6 KrWG zu betrachten, die im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat Eingang in das Kreislaufwirtschaftsgesetz in seiner Endfassung gefunden haben, während die in § 18 Abs. 7 KrWG vorzufindende Regelung unverändert geblieben ist.68 Gleichzeitig muss auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit gewerblicher Abfallsammlungen Berücksichtigung finden.69 Der Regelungsgehalt des § 18 Abs. 7 KrWG kann deshalb nicht allein dahin verstanden werden, dass eine vor dem 01.06. 2012 auch wegen der obergerichtlichen Rechtsprechung70 nicht beanstandete gewerbliche Sammlung auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 KrWG nicht untersagt werden kann, denn damit liefe der durch den Bundesgesetzgeber bezweckte Schutz gewissermaßen ins Leere. 66 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 527; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 116 f., Rn. 171; Frenz, AbfallR 2012, 168 ff., 171 f. 67 Vgl. Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 207; Weidemann, AbfallR 2012, 98 ff., 101. 68 Vgl. BayVGH, Beschl. vom 24.07. 2012 – Az.: 20 CS 12.841; vgl. ferner: Vetter, VBl. BW 2012, 201 ff., 207; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 324 ff. 69 Vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06. 2009, Az.: 7 C 16.08 –, NVwZ 2009, 1292 ff.; Beschl. v. 04.07. 2011 – Az.: 7 B 26.11. 70 Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 30.05. 2011 – Az.: 20 B 1502/10 – abrufbar unter www.nrwe.de; OVG Hamburg, Beschluss vom 18.02. 2011 – Az.: 5 Bs 196/10.
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Hinzu kommt, dass der Begriff der gewerblichen Sammlung durch das BVerwG71 unter der Geltung des § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG dahin ausgelegt worden ist, dass sämtliche Sammlungen nach der Art eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in dauerhaft festen Strukturen auf der Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen dem sammelnden Unternehmen und den privaten Haushaltungen aus dem Begriff der „gewerblichen Sammlung“ ausgeschlossen waren, so dass jedenfalls eine gewerbliche Sammlung in dauerhaft festen Strukturen nach der Art eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers einem Vertrauensschutz nach § 18 Abs. 7 KrWG nicht zugänglich ist, weil diese Sammlung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG keine zulässige gewerbliche Sammlung gewesen ist.72
12. Handlungserfordernisse für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind auf der Grundlage der bislang gemachten Erfahrungssätze mit gewerblichen Abfallsammlungen gehalten, öffentlich-rechtliche Erfassungssysteme für verwertbare Abfälle wie z. B. Altpapier zu betreiben, die gewährleisten, dass der private Haushalt diese auch nutzt. Insoweit sind die Regelungen in § 17 Abs. 3 KrWG auch Ansporn für die öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger zu prüfen, ob gegebenenfalls bestehende Erfassungssysteme einer Optimierung bedürfen, denn die Zukunft soll effizienten und zugleich verbraucherfreundlichen Systemen gehören.73 In diesem Zusammenhang ist z. B. eine grundstücksbezogene Erfassung des Altpapiers über z. B. blaue Altpapiertonnen besser als die alleinige Erfassung des Altpapiers über dezentrale Depotcontainer. Dieses schließt es nicht aus, dass neben der Altpapiertonne auf den Grundstücken Altpapier (z. B. große Kartons) zusätzlich an Wertstoffhöfen abgegeben werden kann, denn es ist sicherlich als mühselig anzusehen, große Kartons zu zerkleinern, damit sie in die Altpapiertonne eingeworfen werden können. Daneben ist es besonders wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den privaten Haushalten die Kostenstrukturen und Kostenzusammenhänge im Hinblick auf die Abfallgebühren immer wieder erklärt und darstellt. Ein privater Haushalt, der erkennt, dass er seine Abfallgebühr stabil halten kann, wenn er sein Altpapier nicht einem gewerblichen Sammler, sondern seiner Stadt, Gemeinde bzw. Kreis gibt, wird dieses tun, wenn er erklärt bekommt, dass mit den Erlösen aus der Altpapierverwertung die Gesamtkosten der Abfallentsorgung teilweise gedeckt werden können, so dass zur Deckung der Gesamtkosten weniger Gebühren erhoben werden müssen. Die Praxis hat jedenfalls gezeigt, dass der private Haushalt bzw. der Bürger die Kostenstrukturen und Kostenzusammenhänge der öffentlichen 71
Urt. v. 18.06. 2009 – Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, 1292 ff. Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 525. 73 So Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 530. 72
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Abfallentsorgung nicht kennt bzw. diese immer wieder in Vergessenheit geraten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger immer wieder darstellt, wie sich die Kosten der Abfallentsorgung zusammensetzen und wie die Abfallgebühren kalkuliert werden. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass nach Möglichkeit keine Sonder-Abfallgebühren erhoben werden, weil diese immer wieder einen Abschreckungseffekt hervorrufen. So empfiehlt es sich, die Kosten für die Altpapiererfassung und -verwertung z. B. durch eine blaue Papiertonne über eine Abfall-Einheitsgebühr bezogen auf das Restmüllgefäß abzurechnen. Denn dadurch, dass die Altpapiertonne „nichts extra“ kostet, ist die Akzeptanz auch höher.
III. Die Abfallüberlassungspflicht der anderen Abfallbesitzer/-erzeuger Nach § 9 Abs. 1a S. 5 und S. 6 LAbfG NRW sowie § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG gilt die Abfallüberlassungspflicht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern auch für Erzeuger und Besitzer von „Abfällen zur Beseitigung“ aus anderen Herkunftsbereichen, wenn diese ihre „Abfälle zur Beseitigung“ nicht in eigenen Anlagen beseitigen oder überwiegende öffentliche Interessen eine Abfallüberlassung an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfordern (§ 17 Abs. 1 S. 3 KrWG). 1. Der Begriff und die Pflichten der anderen Abfallbesitzer/-erzeuger Unter § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG fallen grundsätzlich alle Abfallbesitzer bzw. Abfallerzeuger, die keine privaten Haushaltungen sind. Dieses sind nicht nur produzierende Industrie- und Gewerbebetriebe, sondern z. B. auch Hotels, Einzelhandelsgeschäfte, Kinos, Krankenhäuser Altenpflegeheime, weil hier grundsätzlich keine privaten Haushaltungen vorzufinden sind. Folglich kann auch für Grundstücke, die industriell/gewerblich genutzt werden, grundsätzlich der Anschluss- und Benutzungszwang an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung für „Abfälle zur Beseitigung“ angeordnet werden. 2. Abgrenzung „Abfall zur Beseitigung“ und „Abfall zur Verwertung“ Die Unterscheidung zwischen „Abfall zur Verwertung“ und „Abfall zur Beseitigung“ hängt nicht von der abstrakten Verwertbarkeit des Abfalls, sondern davon ab, ob der konkret beim Abfallerzeuger/Abfallbesitzer angefallene Abfall tatsächlich einer ordnungsgemäßen und schadlosen sowie hochwertigen Verwertung zugeführt wird bzw. werden kann, die den Vorgaben der §§ 4 bis 6 KrW-/AbfG entspricht. Der Abfallbesitzer/Abfallerzeuger muss deshalb konkrete Verwertungsmaßnahmen dar-
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legen, die den Anforderungen der §§ 4 bis 6 KrW-/AbfG entsprechen, ansonsten kann er zur Beseitigung der Abfälle verpflichtet werden.74 Zu seiner Darlegungspflicht gehört dabei auch, dass der Abfallbesitzer/Abfallerzeuger für die konkrete Abfallfraktion, die „Abfall zur Verwertung“ sein soll, erläutert, ob eine stoffliche Verwertung oder eine energetische Verwertung durchgeführt wird bzw. werden soll und dass die jeweils für die stoffliche oder energetische Verwertung in den §§ 5 bis 9 KrWG (§§ 4, 5 und 6 KrW-/AbfG a.F.) vorgegebenen Anforderungen sowie die Anforderungen der Gewerbeabfallverordnung erfüllt werden.75 Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG76 gibt es keinen Grundsatz der freiwilligen Inanspruchnahme kommunaler Abfallentsorgungseinrichtungen. Dieses gilt auch weiterhin für die Abfallüberlassungspflicht für Abfälle zur Beseitigung unter der Geltung des § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG.77 Zwar werden in § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG Verwertungs- und Beseitigungspflichten für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Hinblick auf die ihnen „überlassenen Abfällen“ gesetzlich geregelt. Damit ist aber kein Grundsatz der freiwilligen Inanspruchnahme kommunaler Abfallentsorgungseinrichtungen anerkannt und dem Abfallerzeuger/-besitzer die Überlassung der Abfälle bis zu dem Erlass einer Ordnungsverfügung (vgl. § 62 KrWG) freigestellt. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger kann seiner ihm nach § 20 Abs. 1 KrWG obliegenden Entsorgungspflicht der Natur der Sache nach erst mit der Inbesitznahme der „überlassenen Abfälle“ nachkommen. Insoweit hat der private Abfallerzeuger/-besitzer einen Anspruch auf Übernahme des von der Abfallüberlassungspflicht erfassten Abfalls durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in dessen Entsorgungspflicht. Dabei entsteht die Abfallüberlassungspflicht nach dem BVerwG78 in allen Fällen – mit Ausnahme der Entsorgung der Abfälle in eigenen Anlagen – kraft Gesetzes, sobald Abfall zur Beseitigung anfällt. Damit stellt das BVerwG klar, dass der Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG (§ 15 Abs. 1 S. 1 74 Vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 23.04. 2008 – Az.: 9 BN 4.07 –; BVerwG, Urt. v. 01.12. 2005 – Az.: 10 C 4.04 –; BVerwG, Urt. v. 17.02. 2005 – Az.: 7 C 25.03 –; OVG NRW, Beschl. v. 16.04. 2009 – Az.: 14 A 3731/06 –; OVG NRW, Beschl. v. 04.07. 2007 – Az.: 14 A 2682/ 04 –; VGH BW, Urt. v. 27.03. 2007 – Az.: 10 S 2221/03 –; VGH BW, Urt. v. 21.03. 2006 – Az.: 10 S 790/03. 75 Vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 23.04. 2008 – Az.: 9 BN 4.07 –; BVerwG, Urt. v. 01.12. 2005 – Az.: 10 C 4.04 –; BVerwG, Urt. v. 17.02. 2005 – Az.: 7 C 25.03 –; OVG NRW, Beschl. v. 16.04. 2009 – Az.: 14 A 3731/06 –; OVG NRW, Beschl. v. 04.07. 2007 – Az.: 14 A 2682/ 04 –; VGH BW, Urt. v. 27.03. 2007 – Az.: 10 S 2221/03 –; VGH BW, Urt. v. 21.03. 2006 – Az.: 10 S 790/03. 76 Beschl. v. 23.04. 2008 – Az.: 9 BN 4.07 –; Urt. v. 01.12. 2005 – Az.: 10 C 4.04 –; Urt. v. 17.02. 2005 – Az.: 7 C 25.03 –. 77 Vgl. Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521 ff., 525; Schink, UPR 2012, 201 ff., 204; Vetter, VBl. BW 2012, 205 ff., 210; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 291 ff.; Queitsch, UPR 2012, 221 ff., 224. 78 Vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 23.04. 2008 – Az.: 9 BN 4.07 –; BVerwG, Urt. v. 01.12. 2005 – Az.: 10 C 4.04 –; BVerwG, Urt. v. 17.02. 2005 – Az.: 7 C 25.03 –.
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KrW-/AbfG a.F.) nicht so zu verstehen ist, dass die Überlassung von Abfällen zur Beseitigung in das Belieben des Abfallbesitzers/-erzeugers gestellt ist. Sobald der Abfallerzeuger/-besitzer zur Überlassung verpflichtet ist, darf er nach dem BVerwG eine Eigenentsorgung nicht (mehr) vornehmen. Die Worte „angefallenen und überlassenen Abfälle“ in § 20 Abs. 1 S. 1 KrWG verdeutlichen folglich nur, was der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger mit den Abfällen im Rahmen seiner Abfallentsorgungspflicht zu tun hat, nachdem er diese zeitlich zuvor von den Abfallerzeugern/-besitzern in Erfüllung der ihnen obliegenden Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG übernommen hat. a) Huckepackverfahren Ebenso ist nach BVerwG79 ein sog. „Huckepackverfahren“ unzulässig, d. h. wenn „Abfall zur Beseitigung“ von einem privaten Entsorgungsunternehmer zusammen mit verwertbaren Abfallfraktionen im Einzelfall quasi „kostenlos“ übernommen wird. Denn seiner abfallwirtschaftlichen Verantwortung genügt ein Abfallerzeuger/-besitzer nach dem BVerwG nicht, wenn er eine Abfallfraktion einem privaten Entsorgungsunternehmer überlässt, ohne dass ein bestimmter Weg zu ihrer Verwertung sichergestellt ist. Vielmehr obliegt dem gewerblichen Abfallerzeuger/-besitzer gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Nachweispflicht, dass bei ihm keine überlassungspflichtigen Abfälle zur Beseitigung anfallen. Hierzu gehört, dass er für sämtliche bei ihm angefallenen Abfälle einen sichergestellten Verwertungsweg darstellt, d. h. eine ordnungsgemäße und schadlose stoffliche und/oder energetische Verwertung im Einklang mit den Rechtsvorgaben des KrW-/AbfG schlüssig und nachvollziehbar darlegen kann. Zusätzlich haben Erzeuger/-besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen im Sinne des § 2 Nr. 1 GewAbfV darzulegen, dass sie die Trennungs-Vorgaben und sonstigen Anforderungen der Gewerbeabfall-Verordnung einhalten, deren Ziel es ist, die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen zu befördern bzw. voranzubringen und Scheinverwertungen abzustellen. Der schlüssige Nachweis, dass keine Abfälle zur Beseitigung anfallen, wird nur selten lückenlos aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung zu führen sein, weil auch bei jedem gewerblichen Abfallerzeuger/-besitzer nicht verwertbare zumindest gewerbliche Siedlungsabfälle im Sinne des § 2 Nr. 1 GewAbfV anfallen wie z. B. benutzte Papiertaschentücher, Schwammtücher, Küchenschwämme, Kehricht, Staubsaugerbeutel, Zigarettenkippen, Kaffeefilter- und Teebeutel, Kugelschreiber, zerbrochenes Porzellan, benutzte Damenbinden und Tampons.80 79
Urt. v. 01.12. 2005 – Az.: 10 C 4.04 –; Urt. v. 17.02. 2005 – Az.: 7 C 25.03 –. Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 16.04. 2009 – Az.: 14 A 3731/06 – für Restmüll, der über einen Abfallbehälter mit verwertbaren Abfällen entsorgt wurde; VG Köln, Urt. v. 11.10. 2005 – Az.: 14 K 8527/03 und 14 K 6789/03; Thärichen/Prelle, Gewerbeabfall-Verordnung, Kommentar, 1. Aufl. 2006, § 7 GewAbfV Rn. 42 ff.; Queitsch, GewAbfV, 1. Aufl. 2003, 33 ff. 80
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b) Energetische Verwertung Außerdem muss bei der energetischen Verwertung durch den gewerblichen Abfallbesitzer/-erzeuger auch benannt werden, wo genau, d. h. in welcher Anlage diese erfolgt, damit geprüft werden kann, ob eine ordnungsgemäße energetische Verwertung durchgeführt wird, d. h. ob in dieser betreffenden Anlage überhaupt eine energetische Verwertung von Abfällen durchgeführt werden kann.81 Dabei ist auch die Regelungsvorgabe in § 8 Abs. 3 S. 1 KrWG zu beachten. Danach ist ein Gleichrang der energetischen Verwertung mit der stofflichen Verwertung anzunehmen, wenn der Heizwert des einzelnen Abfalls ohne Vermischung mit anderen Stoffen, mindestens 11.000 Kilojoule pro Kilogramm beträgt. Auch dieses muss durch den gewerblichen Abfallbesitzer/-erzeuger bezogen auf die konkrete Abfallfraktion gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nachgewiesen werden, denn anderenfalls kann er zur Beseitigung der Abfälle verpflichtet werden.82 Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich auch in Müllverbrennungsanlagen eine energetische Verwertung von Abfällen erfolgen kann. Dabei werden in der Anlage 2 zum KrWG nicht abschließend Verwertungsverfahren (§ 3 Abs. 23 S. 2 KrWG) aufgelistet. Unter R 1 der Anlage 2 zum KrWG findet sich der Einsatz von Abfällen in der Hauptverwendung als Brennstoff oder als anderes Mittel der Energieerzeugung benannt. In der Fußnote zu R 1 wird (praktisch wortgleich zu R 1 im Anhang II der EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008) ausgeführt, dass unter R 1 auch (Müll-)Verbrennungsanlagen fallen, deren Zweck in der Behandlung fester Siedlungsabfälle besteht. Diese gilt aber nur dann, wenn die Energieeffizienz der Müllverbrennungsanlagen 0,60 für in Betrieb befindliche Anlagen beträgt, die bis zum 31.12. 2008 genehmigt worden sind. Bei Anlagen, die nach dem 31.12. 2008 genehmigt worden sind oder genehmigt werden müssen, muss die Energieeffizienz mindestens einen Wert von 0,65 erreichen. Dabei wird in der Fußnote zu R 1 auch die Berechnungsformel für die Energieeffizienz dargestellt, wobei diese Formel entsprechend dem Referenzdokument zu den besten verfügbaren Techniken für die Abfallverbrennung zu verwenden ist. Es wird hierdurch gewissermaßen eine Energiekennzahl eingeführt, welche die jährlich als Strom oder Wärme ausgekoppelte Energie ins Verhältnis zu der dafür aufgewendeten Energie setzt, zu der auch die jährliche Energiemenge gehört, die im behandelten Abfall enthalten ist.83 Die Energieeffizienz von mindestens 0,65 wird dabei in der Regel nur erreichbar sein, wenn neben der Erzeugung von elektrischer Energie auch die anfallende Wärme genutzt wird.84
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So jedenfalls: VGH BW, Urt. v. 27.03. 2007 – Az.: 10 S 2221/03 –; VGH BW, Urt. v. 21.03. 2006 – Az.: 10 S 790/03 –. 82 s. Fn. 64. 83 Vgl. Stengler, AbfallR 2011, 213 ff., 214; Kropp, ZuR 2009, 584 ff., 586 ff.; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, S. 1095, Rn. 116. 84 Vgl. Wendenburg, AbfallR 2007, 150 ff., 153.
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c) Die Gewerbeabfall-Verordnung Die am 01.01. 2003 in Kraft getretene Gewerbeabfall-Verordnung (BGBl. I 2002, S. 1938 ff.) ist durch Art. 5 Abs. 23 des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (BGBl. I 2012, S. 212 ff.) an das neue KrWG angepasst worden und gilt damit nach dem 01.06. 2012 weiter. Ziel der Gewerbeabfall-Verordnung ist es, die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen voranzubringen und Scheinverwertungen abzustellen. aa) Anwendungsbereich Nach § 2 Nr. 1 GewAbfV (Begriffsbestimmungen) gilt die Gewerbeabfall-Verordnung nur für gewerbliche Siedlungsabfälle (§ 2 Nr. 1 GewAbfV). Dabei sind unter den sog. „gewerblichen Siedlungsabfällen“ Siedlungsabfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen zu verstehen, die in Kapitel 20 der Abfall-Verzeichnis-Verordnung (AVV, BGBl. I 2001, S. 3379) aufgeführt sind. Hierzu gehören insbesondere gewerbliche/industrielle Abfälle, die Abfällen aus privaten Haushaltungen aufgrund ihrer Beschaffenheit/Zusammensetzung ähnlich sind sowie Abfälle aus privaten und öffentlichen Einrichtungen mit Ausnahme der in § 2 Nr. 2 GewAbfV genannten Abfälle (aus privaten Haushaltungen). Bereits aus der verordnungstechnischen Begriffsbestimmung der gewerblichen Siedlungsabfälle folgt, dass die Gewerbeabfall-Verordnung nicht für alle Abfälle gilt. Vielmehr ist der Geltungsbereich auf gewerbliche/industrielle Abfälle beschränkt, die in Kapitel 20 der Abfall-Verzeichnis-Verordnung aufgeführt sind. Hieraus folgt, dass die Gewerbeabfall-Verordnung grundsätzlich nur hausmüllähnliche und keine produktionsspezifischen Abfälle erfasst, mit der Konsequenz, dass die mangelhafte Abgrenzung der „Abfälle zur Beseitigung“ von den „Abfällen zur Verwertung“ im Bereich der Industrie- und Gewerbeabfälle fortgeschrieben wird und lediglich für den Sektor der Industrie- und Gewerbeabfälle, die im Kapitel 20 der AVV genannt sind und den Abfällen aus privaten Haushaltungen nach Beschaffenheit und Zusammensetzung ähnlich sind, Getrennthaltungspflichten geregelt werden. Für Abfälle nach § 3 KrWG, die den Abfallschlüssel-Nummern 1 bis 19 der Abfall-Verzeichnis-Verordnung zuzuordnen sind, bleibt es mithin bei der mangelhaften Abgrenzung der „Abfälle zur Beseitigung“ von den „Abfällen zur Verwertung“ nach dem KrWG. Zu den gewerblichen Siedlungsabfällen im Sinne des § 2 Nr. 1 GewAbfV gehören grundsätzlich solche Abfälle, die nicht in privaten Haushaltungen anfallen, wie z. B. Abfälle in Industrie- und Gewerbebetrieben. Zu den gewerblichen Siedlungsabfällen zählen auch Abfälle, die in privaten und öffentlichen Einrichtungen wie z. B. Hotels, Krankenhäusern, Kliniken, Pflegeheimen, Verwaltungsgebäuden, Schulen, Kindergärten, Arzt- und Rechtsanwaltspraxen anfallen (§ 2 Nr. 2 GewAbfV). Insbesondere in Krankenhäusern, Kliniken und Pflegeheimen steht unzweifelhaft die medizinische und pflegerische Versorgung und nicht die private Lebens- und Haushaltsführung im Vordergrund.
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bb) Trennungs-Vorgaben In den §§ 3, 4 und 6 GewAbfV werden Getrennthaltungspflichten geregelt, welche die Abfallbesitzer/-erzeuger von gewerblichen Siedlungsabfällen zu erfüllen haben. Die Regelungen in den §§ 3, 4 und 6 GewAbfV zu den Getrennthaltungspflichten zeigen, dass die Gewerbeabfall-Verordnung in erster Linie dazu dient, die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von Abfällen abzusichern. Rechtsgrundlage hierfür ist vor allem § 10 Abs. 1 Nr. 2 KrWG (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG a.F.), wonach die Bundesregierung ermächtigt ist, durch Rechtsverordnung Anforderungen an die Getrennthaltung von Abfällen festzulegen. Der Grundsatz der Getrennthaltung von verwertbaren Abfällen in § 3 Abs. 1 GewAbfV wird durch die Ausnahmen in § 3 Abs. 2 bis Abs. 7 GewAbfV durchbrochen. Lediglich § 3 Abs. 8 GewAbfV beinhaltet eine strikte und damit ausnahmslose Getrennthaltungspflicht für gefährliche Abfälle. Nach § 3 der Abfall-VerzeichnisVerordnung sind gefährliche Abfälle diejenigen Abfälle, die in der Abfall-Verzeichnis-Verordnung mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet sind. Hieraus folgt, dass alle Abfälle, die in der Abfall-Verzeichnis-Verordnung mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet sind, strikt von anderen Abfällen getrennt zu halten, zu lagern, einzusammeln, zu befördern und einer ordnungsgemäßen Verwertung oder Beseitigung zuzuführen sind. Dieser Regelungsinhalt erklärt sich vor dem Hintergrund, dass der praxisbezogene Regelfall der Gewerbeabfall-Verordnung in § 3 Abs. 2 i.V.m. § 4 GewAbfV darin gesehen werden kann, dass gemischte gewerbliche Siedlungsabfälle einer Vorbehandlung z. B. in einer Abfall-Sortierungsanlage zugeführt werden. Will ein Abfallerzeuger/-besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen verwertbare Abfälle gemischt einer Vorbehandlung (z. B. Sortierung, Zerkleinerung) vor einer stofflichen oder energetischen Verwertung zuführen, so muss das Abfallgemisch die in § 3 Abs. 2 GewAbfV i.V.m. § 4 Abs. 1 GewAbfV vorgegebene Zusammensetzung enthalten. Abfallgemische dürfen nur enthalten: Papier/Pappe, Glas, Bekleidung, Textilien, Holz (ohne gefährliche Stoffe), Kunststoffe, Metalle, Gummi, Kork, Keramik und weitere Abfälle, die im Anhang zur Gewerbeabfall-Verordnung aufgeführt sind. Nicht enthalten sein dürfen insbesondere gefährliche Abfälle (§ 3 Abs. 8 GewAbfV) sowie Abfälle mit hohem Flüssigkeitsgehalt, z. B. Bioabfälle. Dieses folgt daraus, dass die in § 3 Abs. 1 GewAbfV genannten feuchten bis flüssigen Abfälle (sog. Bioabfälle) nicht in § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 GewAbfV als zugelassener Bestandteil des Abfallgemisches genannt werden. Für die Regelungsmaßgabe in § 3 Abs. 2 GewAbfV kann danach festgehalten werden, dass gefährliche Abfälle (§ 3 Abs. 8 GewAbfV) und Abfälle mit hohem Flüssigkeitsgehalt nicht in Abfallgemischen enthalten sein dürfen, ansonsten trockene Abfälle, die in einer Sortierungsanlage in weitgehend gleicher Menge und stofflicher Reinheit wieder aussortiert werden (§ 5 GewAbfV), in einem Abfallbehältnis zusammengeworfen werden können. Unzulässig ist demnach z. B., benutzte Einweg-
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windeln mit hohem Flüssigkeitsanteil mit anderen verwertbaren Abfällen in einem Abfallgefäß zusammenzuwerfen.85 Für die sofortige energetische Verwertung gemischter gewerblicher Siedlungsabfälle (ohne vorherige Sortierung in einer Sortierungsanlage) regelt § 6 GewAbfV zusätzlich zu den Maßgaben in § 8 KrWG, dass in einem Abfallgemisch Metalle, mineralische Abfälle, Glas sowie sog. Bioabfälle nicht enthalten sein dürfen. cc) Pflicht-Restmülltonne Ein weiteres Kernstück der Gewerbeabfall-Verordnung ist die sog. „Pflicht-Restmülltonne“ des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen haben nach § 7 S. 4 GewAbfVeinen Abfall-Behälter des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in angemessenem Umfang nach dessen näheren Festlegungen, mindestens aber einen Behälter zu nutzen. Diese Regelung in § 7 S. 4 GewAbfV dient der Erfüllung der Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG für „Abfälle zur Beseitigung“. Grundsätzlich ist zu beachten, dass § 7 S. 4 GewAbfV von Erzeugern und Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen spricht und nicht von Grundstückseigentümern. Hieraus folgt, dass eine sog. Pflicht-Restmülltonne nicht pro Grundstück, sondern pro Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen auf dem jeweiligen Grundstück in Benutzung zu nehmen ist. Befinden sich demnach auf einem Grundstück z. B. drei Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen (Supermarkt, Drogeriemarkt, Pizzeria), so hat jeder dieser Abfallbesitzer/-erzeuger von gewerblichen Siedlungsabfällen eine Pflicht-Restmülltonne nach § 7 S. 4 GewAbfV zu benutzen. Hiernach muss entweder jeder Abfallbesitzer/-erzeuger für sich allein jeweils eine Pflicht-Restmülltonne benutzen oder es wird eine einzige, gemeinsame Pflicht-Restmülltonne für alle Abfallbesitzer/-erzeuger aufgestellt. Weiterhin folgt aus der Verordnungs-Begründung, dass die Pflicht zur Benutzung einer Pflicht-Restmülltonne nach § 7 S. 4 GewAbfV ohne Ausnahme besteht, weil nach den Erfahrungen der Vollzugspraxis bei jedem Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen Abfälle anfallen, die nicht verwertet werden (Bundestags-Drucksache 14/7328, S. 18). Hierzu gehören z. B. überfällige bzw. verdorbene Lebensmittel, Essensreste, Kaffeefilter, Zigarettenkippen, benutzte Damenbinden/ Tampons, Küchenschwämme, Schwammtücher, Staubsaugerbeutel, Kehricht, defekte Kugelschreiber, benutzte Papiertaschentücher. Damit wird dem Pauschal-Einwand, es fielen überhaupt keine überlassungspflichtigen Abfälle zur Beseitigung an, durch § 7 S. 4 GewAbfV grundsätzlich die Grundlage entzogen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17.02. 200586 entschieden, dass die Abfallbehälterbenutzungspflicht nach § 7 S. 4 GewAbfV alle Erzeuger und Be85 Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 04.07. 2007 – Az.: 14 A 2682/04 –; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 16.04. 2004 – Az.: 15 K 631/02. 86 Az.: 7 C 25.03; bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 19.07. 2007 – Az.: 1 BvR 1290/05.
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sitzer gewerblicher Siedlungsabfälle trifft, es sei denn, diese weisen im Einzelfall gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach, dass bei ihnen keine Abfälle zur Beseitigung anfallen. § 7 S. 4 GewAbfV ist dahin zu verstehen, dass er die widerlegbare Vermutung beinhaltet, dass bei Erzeugern/Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen Abfälle zur Beseitigung anfielen. Weisen demnach Erzeuger/Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen nach, dass bei ihnen keine Abfälle zur Beseitigung anfallen, so unterliegen sie auch keiner Behälterbenutzungspflicht nach § 7 S. 4 GewAbfV. Schlussendlich wird aber im Regelfall der schlüssige Nachweis, dass keine Abfälle zur Beseitigung anfallen, nur selten lückenlos aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung zu führen sein, weil bei jedem gewerblichen Abfallerzeuger/-besitzer nicht verwertbare zumindest gewerbliche Siedlungsabfälle im Sinne des § 2 Nr. 1 GewAbfV anfallen wie z. B. benutzte Papiertaschentücher, Schwammtücher, Küchenschwämme, Kehricht, Staubsaugerbeutel, Zigarettenkippen, Kaffeefilter- und Teebeutel, Kugelschreiber, zerbrochenes Porzellan, benutzte Damenbinden und Tampons.87 dd) Die Gebührenpflicht für die Pflicht-Restmülltonne An die Pflicht-Restmülltonne nach § 7 S. 4 GewAbfV knüpft die Gebührenpflicht an. Dabei sind die Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen nur dann unmittelbar Gebührenschuldner der Stadt bzw. Gemeinde, wenn sie nicht nur Mieter/Pächter, sondern zugleich Grundstückseigentümer sind. Nach dem BVerwG88 ist auch die Erhebung einer Grundgebühr für die Pflicht-Restmülltonne nach § 7 S. 4 GewAbfV zulässig, weil diese der Abdeckung der Vorhaltekosten dient, denn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger kann nicht vorhersehen, welche Abfallmengen durch die gewerblichen Abfallbesitzer/-erzeuger überlassen werden. 3. Der Begriff „eigene Anlage“ Der Begriff der „eigenen Anlage“ in § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG ist nicht zuletzt unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauches einschränkend dahin auszulegen, dass hierunter nur Anlagen fallen können, die in der Verfügungsgewalt des Abfallbesitzers/Abfallerzeugers stehen und damit auch dem Begriff der „eigenen“ Anlage gerecht werden. Dieses ist dann der Fall, wenn der Abfallbesitzer/-erzeuger Eigentümer der Anlage ist, d. h. der Abfallbesitzer/-erzeuger über eine auf ihn zugelassene Abfallentsorgungsanlage verfügt, mit der er eine Eigenbeseitigung durchführen
87
Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 16.4. 2009 – Az.: 14 A 3731/06 – in Bestätigung von VG Minden, Urt. v. 30.08. 2006 – Az.: 11 K 689/05 –; VG Köln, Urt. v. 05.11. 2008 – Az.: 14 K 4743/07 –; VG Köln, Urt. v. 11.10. 2005 – Az.: 14 K 8527/03 und 14 K 6789/03; Thärichen/ Prelle, Gewerbeabfall-Verordnung, Kommentar, 1. Aufl. 2006, § 7 GewAbfV Rn. 42 ff.; Queitsch, GewAbfV, 1. Aufl. 2003, S. 33 ff. 88 Urt. v. 11.11. 2011 – Az.: 9 B 41/11 –.
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kann.89 Dennoch knüpft der Begriff der eigenen Anlage in § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG nicht an die bloße alleinige Eigentümerstellung an. Nicht ausreichend ist allerdings, dass lediglich ein rein vertraglicher (zivilrechtlicher) Zugriff auf eine fremde Anlage besteht, denn dieses erfüllt den Begriff der „eigenen“ Anlage erkennbar nicht. Erforderlich ist damit, dass der Abfallbesitzer/-erzeuger auf die Entsorgung des Abfalls in den betreffenden Anlagen denselben Einfluss nehmen kann, wie ihn normalerweise der Betreiber hat.90 Dieses setzt damit zumindest echtes Miteigentum an der Anlage voraus. Konkret bedeutet dies, dass ein „Einkauf von Entsorgungsmöglichkeiten“ in Anlagen, die von Dritten betrieben werden, nicht den Begriff der „eigenen Anlage“ erfüllen kann.91 Hierfür spricht insbesondere, dass der Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 S. 2 KrWG darin besteht, im Interesse der Entsorgungssicherheit eine Abfallüberlassungspflicht bei den „Abfällen zur Beseitigung“ gegenüber den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern zu statuieren, wenn der Abfallbesitzer/-erzeuger anderenfalls auf eine Fremdbeseitigung durch Dritte angewiesen ist. Nur derjenige, der für seine Abfälle eine eigene Beseitigungsanlage errichtet hat und betreibt, soll schon unter Beachtung der Art. 12 und 14 GG nicht verpflichtet sein, sich der Abfallbeseitigungsanlagen der Kommunen zu bedienen. 4. Der Begriff „überwiegende öffentliche Interessen“ Eine Eigenbeseitigung in einer eigenen Anlage ist nach § 17 Abs. 1 S. 3 KrWG ausgeschlossen, wenn die Überlassung der Abfälle an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf Grund überwiegender öffentlicher Interessen erforderlich ist. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn ohne eine Überlassung der Abfälle die Entsorgungssicherheit, der Bestand oder die Funktionsfähigkeit der kommunalen 89 Vgl. Schomerus, in: Versteyl/Manns/Schomerus (Hg.), KrWG, 3. Aufl. 2012, § 17 KrWG, Rn. 28; Franßen, in: Hannsmann/Sellner (Hg.), Umweltrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 167; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 291; a.A. Dippel, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, 1. Aufl. 2012, § 17 KrWG, Rn. 27 f.; vgl. zur Alt-Regelung in § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG: VG Minden, Beschl. v. 13.6. 1997, Az.: 8 L 438/97, S. 11, 12; Arzt, in: Gaßner/Versmann (Hg.), Neuordnung kommunaler Aufgaben im KrW-/AbfG, 1996, S. 33 ff., S. 40 f.; Schink, DÖV 1995, 881 ff., 883 und ZG 1996, 97 ff., 119; Queitsch, UPR 1995, 412 ff., 416; Queitsch, KrW-/AbfG, 2. Aufl. 1999, Rn. 62; ähnlich auch Jungnickel/Bree, UPR 1996, 297 ff., die das Tatbestandsmerkmal „eigene Anlagen“ dahin verstehen, dass dieses vorliegt, wenn der Abfallbesitzer/-erzeuger Betreiber der Anlage ist und in dieser Eigenschaft Adressat von anlagenbezogenen bzw. betreiberbezogenen Verwaltungsakten sein kann. 90 Vgl. Schomerus, in: Versteyl/Manns/Schomerus (Hg.), KrWG, 3. Aufl. 2012, § 17 KrWG Rn. 28; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Umweltrecht, 4. Aufl. 2012, S. 1115, Rn. 167; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg,1. Aufl. 2012, Rn. 291; a.A. Dippel, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, 1. Aufl. 2012, § 17 KrWG Rn. 27 f. 91 Vgl. zur Alt-Regelung in § 13 Abs. 1 S. 2 KrWG: BayVGH, Beschl. v. 03.02. 1998 – Az.: 20 ZB 98.196 –, NVwZ 1998, 1205 f.; VGH Mannheim, Beschl. v. 24.03. 1998 – 10 S 493/98 –, NVwZ 1998, 1206 f.; Bartram/Schade, UPR 1995, 253 ff., 255; Fluck, KrW-/AbfG, Loseblatt-Kommentar, § 13 KrW-/AbfG, Rn. 100; Frenz, KrW-/AbfG, § 13 KrW-/AbfG, Rn. 15.
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Abfallentsorgungseinrichtung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet würde.92 Die praktische Relevanz der Vorgängervorschrift in § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG war in nahezu 16 Jahren der Geltung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (07.10. 1996 bis 30.05. 2012) kaum gegeben. Gleichwohl muss vor dem Erlass einer Anordnung zur Überlassung der „Abfälle zur Beseitigung“ an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach § 62 KrWG beachtet werden, dass die eigene Abfallbeseitigungsanlage des Abfallbesitzers/-erzeugers nutzlos wird und hierdurch in eine nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen wird, was im Zweifelsfall nur in Verbindung mit einer angemessenen Ausgleichsleistung als schrankenziehende Eigentumsregelung gerechtfertigt sein kann.93 Was unter den „überwiegenden öffentlichen Interessen“ zu verstehen ist, wird im KrWG nicht definiert und ist folglich in den Landesabfallgesetzen einer konkretisierenden Regelung zuzuführen. Dieses hat der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber bereits zur bundesgesetzlichen Vorgänger-Regelung (§ 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/ AbfG a.F.) in § 9 Abs. 1 a Satz 7 und in § 5 Abs. 5 S. 1 und 2 LAbfG NRW getan. So bestimmt § 9 Abs. 1 a S. 7 LAbfG NRW, dass „überwiegende öffentliche Interessen“ insbesondere dann gegeben sind, wenn ohne eine Abfallüberlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Entsorgungssicherheit, der Bestand oder die Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung gefährdet würde. Hierdurch wird berücksichtigt, dass die kommunalen Abfallentsorgungsanlagen in der Vergangenheit auch für die „Abfälle zur Beseitigung“ aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen errichtet worden sind bzw. errichtet werden mussten. Diese kommunalen Abfallentsorgungsanlagen müssen auch für die Zukunft im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Entsorgungssicherheit bereitgehalten werden.94 Deshalb ist nach dem BVerwG95 auch die Erhebung einer Grundgebühr für die Pflicht-Restmülltonne nach § 7 S. 4 GewAbfV zulässig, weil diese der Abdeckung der Vorhaltekosten dient, denn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger kann nicht vorhersehen, welche Abfallmengen durch die gewerblichen Abfallbesitzer/-erzeuger überlassen werden. Eine künftige komplette Nichtbenutzung kann mithin nicht nur zu einem geringeren Auslastungsgrad, damit höheren Entsorgungskosten und Abfallentsorgungsgebühren führen, sondern den Bestand der kommunalen Abfallentsorgungsanlagen insgesamt gefährden. Die Bestanderhaltung und Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallentsorgungsanlagen ist aber die Grundlage und die tragende Säule des in 92
Vgl. § 9 Abs. 1a S. 5 LAbfG NRW; vgl. Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 1115, Rn. 168. 93 Vgl. Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, S. 1115, Rn. 168. 94 Vgl. Schomerus, in: Versteyl/Manns/Schomerus (Hg.), KrWG, 3. Aufl. 2012, § 17 KrWG Rn. 29; Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Umweltrecht, 4. Aufl. 2012, S. 1115, Rn. 167; Queitsch, in: Schink/Frenz/Queitsch (Hg.), KrWG, Schnelleinstieg, 1. Aufl. 2012, Rn. 291; a.A. Dippel, in: Schink/Versteyl (Hg.), KrWG, 1. Aufl. 2012, § 17 KrWG, Rn. 27 f. 95 Urt. v. 11.11. 2011 – Az.: 9 B 41/11.
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§ 20 Abs. 1 S. 1 KrWG verankerten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsprinzips, das die Grundversorgung im Bereich der Abfallentsorgung im Interesse der Entsorgungssicherheit flächendeckend zu gewährleisten hat. Die Bestanderhaltung der kommunalen Abfallentsorgungsanlagen zur dauerhaften Sicherung des öffentlichrechtlichen Entsorgungsprinzips als Ordnungsprinzip zum Schutz der Volksgesundheit ist deshalb als ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 2 2. HS KrWG anzuerkennen. Deshalb soll durch die Abfallüberlassungspflicht für „Abfälle zur Beseitigung“ wegen überwiegender öffentlicher Interessen verhindert werden, dass durch private Abfallunternehmer die öffentlich-rechtliche Entsorgungsstruktur ausgehöhlt und deshalb zu teuer wird sowie in der Konsequenz hieraus nicht mehr funktionsgerecht fortgeführt werden kann.96 Dieses gilt insbesondere dann, wenn es um die Neuerrichtung von eigenen Beseitigungsanlagen geht. Bei bereits bestehenden „eigenen Beseitigungsanlagen“ (z. B. von großen Industrieunternehmen) ist im Rahmen des überwiegenden öffentlichen Interesses hingegen die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG zu berücksichtigen, d. h. Einschränkungen sind nur zulässig, soweit sie verhältnismäßig sind.97
96 Vgl. zur Alt-Regelung des § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG: VG Regensburg, Urt. v. 10.11. 1997 – Az.: RO 13 K 97.0093 – rechtskräftig, NVwZ 1998, 431 ff., bestätigt durch Beschl. des BayVGH v. 03.02. 1998 – Az.: 20 ZB 98.196 –, NVwZ 1998, 1205 f.; VG Sigmaringen, Beschl. v. 26.01. 1998 – Az.: 3 K 1517/96 – rechtskräftig, NVwZ 1998, 429 ff., weil bestätigt durch VGH Mannheim, Beschl. v. 24.03. 1998 – 10 S 493/98 – NVwZ 1998, 1206 f.; VG Frankfurt, Beschl. v. 23.05. 1997, Az.: 9 G 1205/97, NVwZ-RR 1998, 167 ff.; VG Minden, Beschl. v. 13.06. 1997, Az.: 8 L 438/97, S. 11, 12. 97 Vgl. Franßen, in: Hansmann/Sellner (Hg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, S. 1115; zur Alt-Regelung in § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG Schink, DÖV 1995, 881 ff., 883 f. und ZG 1996, 97 ff., 119 f.; Arzt, in: Gaßner/Versmann (Hg.), Neuordnung kommunaler Aufgaben im KrW-/AbfG, 1996, S. 33 ff., 41 f.; Queitsch, KrW-/AbfG, 2. Aufl. 1999, Rn. 59 f.
Autorenverzeichnis Prof. em. Dr. Michael Kloepfer, Humboldt-Universität zu Berlin, Präsident des Forschungszentrums Umweltrecht (FZU) Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) e.V. Prof. Dr. Klaus Meßerschmidt, apl. Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, Dozent an der FAU-Erlangen-Nürnberg Dr. Frank Petersen, Ministerialrat und Leiter des Referates „Recht der Abfallwirtschaft“ (WA II 2) im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Dr. Peter Queitsch, Hauptreferent für Umweltrecht beim Städte- und Gemeindebund NRW, Geschäftsführer der Kommunal- und Abwasserberatung NRW GmbH Arno Rasek, Beisitzer in der 4. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes Prof. Dr. Thomas Schomerus, Leuphana-Universität Lüneburg, Professur für Öffentliches Recht, insb. Energie- und Umweltrecht Prof. Dr. Andrea Versteyl, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Kanzlei Andrea Versteyl Rechtsanwälte, Honorarprofessorin an der Leibnitz-Universität Hannover Dr. Helge Wendenburg, Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung „Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz“ im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit