Das Leben ändern als ein Werden in wachsenden Ringen: Ein Essay zur Möglichkeit, über »Fortschritt« sinnvoll zu reden 3428190696, 9783428190690

In der interdisziplinären Abhandlung geht es um eine Rechtsphilosophie und Ethik der Bestimmung des Verständnisses von F

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German Pages 118 [119] Year 2023

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Das Leben ändern als ein Werden in wachsenden Ringen: Ein Essay zur Möglichkeit, über »Fortschritt« sinnvoll zu reden
 3428190696, 9783428190690

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Schriften der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt e.V. Band 33

Das Leben ändern als ein Werden in wachsenden Ringen Ein Essay zur Möglichkeit, über „Fortschritt“ sinnvoll zu reden

Von Frank Schulz-Nieswandt

Duncker & Humblot · Berlin

SCHULZ-NIESWANDT

Das Leben ändern als ein Werden in wachsenden Ringen

Schriften der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt e. V. Band 33

Das Leben ändern als ein Werden in wachsenden Ringen Ein Essay zur Möglichkeit, über „Fortschritt“ sinnvoll zu reden

Von Frank Schulz-Nieswandt

Duncker & Humblot · Berlin

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Alle Rechte vorbehalten © 2024 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0435-8287 ISBN 978-3-428-19069-0 (Print) ISBN 978-3-428-59069-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Abhandlung habe ich als Manuskript weitgehend während meines jährlichen Sommer-Aufenthaltes in unserem geliebten ost-kretischen Dorf abgeschlossen. Das war nicht so geplant, denn ich hatte mir ein anderes Manuskriptwachstum vorgenommen. Ich wollte die geplante Studie (Schulz-Nieswandt 2024d) zu Eva Jantzen (und deren Griechenlandbild zwischen arkadischer Sehnsucht und Modernisierungserfahrung im Wandel der Zeit) beginnen und signifikant vorantreiben. Ich habe dazu in Kreta auch tatsächlich einige Bücher von Eva Jantzen nochmals gelesen, wodurch sich mir durchaus die Struktur des Aufbaus meiner Abhandlung herauskristallisierte und sich für mich zentrale hermeneutische Perspektiven zur Analyse der angesprochenen Ambivalenzerfahrung ergaben. Das Buch ist jetzt dennoch schon im Druck, weil ich es nach der Rückkehr aus Kreta fertigstellen konnte. Doch bekam ich in Kreta noch nicht den Dreh zur Niederschrift, weil mich die vorliegende Abhandlung innerlich beschäftigte. Auch las ich im Kontext einer weiteren geplanten Abhandlung über die Imagination des epiphanischen Zaubers der sizilianischen Aura einige Bücher über Reisen in Sizilien der späten 1950er Jahre (Schulz-Nieswandt 2024c), wobei ein Buch sogar kurz Eingang finden konnte in die vorliegende Abhandlung, ebenso wie überraschenderweise auch eine Sammlung von drei kleinen Erzählungen über die Weihnachtszeit. Eingang fand vor allem eine kleine Sammlung von kretischen Erzählungen und Traum- und Tagtraumimaginationen von Kadelbach (2001). Diese kleine Abhandlung wollte ich mir vor einiger Zeit einmal besorgen, verlor das Anliegen allerdings wieder aus den Augen. Gefunden habe ich das Büchlein jedoch im Haus von Ulrike und Klaus in Agathia, wo wir wieder einige Tage wohnen durften. Warum erzähle ich diese kleinen Geschichten? Innerlich hingen diese fragmentierten und sprunghaften Lektüren im Sommer durchaus mit der vorliegenden Abhandlung zusammen, weil insbesondere der Post-Cartesianismus einer responsiven Phänomenologie und die Frage der Kulturkritik (Kirchhoff/Schmieder 2020) aus dem Geist der imaginativen Sehnsucht des modernen Menschen im Kontext seiner Entfremdung (so ja auch im Fall von Theodor W. Adorno und seinem Erlebniserfahrungsgeschehen in Neapel: Mittelmeier 2013), zu verstehen als ontologische Obdachlosigkeit, sowie das Problem der Selbsttranszendenz in Bezug auf den notwendigen post-prometheischen Wandel des Weltverhältnisses in allen Studien eine Rolle spielen.

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Vorwort

So hat sich im Sommer eben ein Textgewebe ergeben, dessen Ausdrucksgestalt hier vorgelegt wird. Dieses Ergebnis ist einerseits eine eigenständige Abhandlung und von eigenwertiger Bedeutung, wenngleich Beziehungen zu jüngst vorgelegten Abhandlungen, die in Form von Zitationen auch Eingang in den vorliegenden Essay finden, prägend sind. Zugleich ist der vorliegende Essay aber andererseits doch wieder nur ein Übergangsphänomen in Bezug auf weitere anstehende Studien (u. a. Schulz-Nieswandt 2024a), die mit Blick auf meine Emeritierung Mitte 2024 mein akademisches Werkschaffen weitgehend abrunden sollen – wobei sich diese Abrundung sowohl auf die thematische Breite wie auch auf die analytische Tiefe bezieht. Die vorliegende Studie steht daher auch im Zusammenhang mit einigen Abhandlungen, die – abgesehen von der bereits angeführten Studie (Schulz-Nieswandt 2024a) – zeitgleich mit der vorliegenden Abhandlung in den Druck gehen. Die Abhandlungen greifen ineinander und sind auch mit der vorliegenden Abhandlung trotz aller Eigenständigkeit organisch verwoben und bilden eine Einheit der Theoriebildung. Dennoch sind alle Abhandlungen nie vollends abgeschlossen, sondern Schritte auf mein Telos hin, immer befindlich im weiteren Werden durch neue Wachstumsringe als Entwicklungsgeschehen des Geistes, der mit den daseinsthematischen Fragen auch seelisch ringt. Zu drei der im Druck und somit alsbald im Erscheinen betroffenen Studien will ich kurze Erläuterungen anbieten. Die Erläuterungen fangen die jeweilige Komplexität nicht vollumfänglich ein, können aber die besagte innere organische Relationalität zur vorliegenden Abhandlung erkennbar machen. Erstens: Die modallogische Geschichtsphilosophie einer negativen Dialektik als Hoffnung auf das humangerechte Noch-Nicht fundiere ich nochmals durch eine Rezeption des Werkes der existenzanalytisch grundierten Systematischen Theologie von Paul Tillich (Schulz-Nieswandt 2024h). Dort versuche ich, aus seiner „Theologie der Kultur“ eine post-theistische Ontologie der Fundierung einer Metaphysik der genossenschaftlichen Form zu destillieren. An einer solchen Ontologie der Form mit morphologischen Blick auf die Rechtsphilosophie und Ethik des Miteinanders arbeite ich ja Schritt für Schritt seit längerer Zeit. Der trans-individualistische, aber nie kollektivistische, sondern originär personalistische Kern dieser Onto-Anthropologie war seit meinen ersten und frühen Schriften (seit Mitte/Ende der 1980er Jahre) der archimedische Punkt, um den sich das Wachstum des Werkgebäudes drehte. Aus dieser personalistischen Anthropologie heraus ist meine werkbiographisch durchgängige Kritik des Ökonomismus und der oeconomica pura zu verstehen. Dies betrifft die Neoklassik, trifft aber auch die neuere behavioristische Verhaltensökonomik. Zweitens: Der Idee der Genossenschaft als Form des Wirklich-Werdens des Telos der Personalität im Werk von Paul Tillich und seiner Idee des religiösen Sozialismus auf der Spur, habe ich eben diese Idee der Genossenschaft in Relation zu den Kategorien des Sozialraums und der kommunalen Daseinsvorsorge zum Zwecke der

Vorwort

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Konkretisierung der Utopie aufgegriffen und in der Entfaltung im Ausgang des Denkens von Paul Tillich weiter vorangetrieben (Schulz-Nieswandt 2024i). Dabei wird die Idee der genossenschaftlichen Form in einem Mehr-EbenenSystem zwischen (1) der (den Oikos als unmittelbare Lebenswelt des Menschen einbettenden) Lokalität der Quartiere im Wohnumfeld und der kommunalen Regionalität der Polis einerseits und ansatzweise auch über (2) der Ebene der Nation, (3) der Ebene der Europäischen Union und (4) der völkerrechtlich regulierten globalen Ebene andererseits skizziert. Der Fokus liegt jedoch im Rahmen einer topographischen sozialen Geometrie in der Analyse der Dynamik der konzentrischen Wirkkreise der Genossenschaft als Sozialgebilde im Sozialraum bis hin zur Idee der genossenschaftlichen Verfassung der Gemeindeordnung selbst. Drittens: Schließlich habe ich durch Applikation der Methodologie der Methode der strukturalen Hermeneutik den ökonomischen Code der Mainstream-Privatwirtschaftslehre dekonstruiert (Schulz-Nieswandt 2024g). Damit kann besser verständlich werden, warum und wie eine Gemeinwohlökonomik der gemeinwirtschaftlichen Form der Genossenschaft eine ganz andere Art von Sorgearbeitskultur darstellt, die in ihrer post-cartesianischen kulturellen Grammatik der „Lebensform“ als Miteinanderfreiheit in Miteinanderverantwortung im Anthropozän zu verstehen ist. Sie unterscheidet sich kollektivseelisch in ihrer „Paideuma“, und die basiert dazu auf einer anderen pneumatischen „Paideia“ als Formung der sozialcharakterlichen Person mit einer post-narzisstischen Psychodynamik der Individualseele. Diese „heterotope“ Subjektivität der menschlichen Person infolge einer heterodoxen statt orthodoxen Subjektierungsformierung – kein neuer Mensch ist hier gemeint, weil diese Entelechie der Personalität als Teil des modallogischen Raumes der Metamorphosen der conditio humana verstehbar ist – ist begreifbar in einer responsiven, nicht mehr cartesianischen Phänomenologie, und sie begründet auch eine Naturphilosophie, die ich in einer kleinen, hermeneutischen Studie (SchulzNieswandt 2024e) nochmals thematisieren werde. Insgesamt – auch mit Blick auf die vorliegende Abhandlung – kann oder sollte deutlich werden, dass es mir um eine Neuformulierung einer Kritischen Theorie geht, die allerdings nicht mehr ohne postmetaphysische Verankerung ist.

Inhaltsverzeichnis Einleitung Die Melancholie des Wartens aus der Haltung der weltoffenen Geduld heraus I.

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Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Paragraphische Fragmente in juridischer Absicht: die Ordnung des Torsos . . . 20 a) Der juridische Subtext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Die Art der Auslegung des Sittengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 c) Advokatorische Ethik der Generationengerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 d) Die Paradoxie des naturrechtlichen Entitlements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 e) Die responsive Phänomenologie der Paradoxie der mittelbaren Erfahrung objektiver Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 f) Die Paradoxie von Sein und Nicht-Sein als Gegeben-Sein und Noch-NichtSein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 g) Das normative Warum des empirischen Warum des Was . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Mythische Modernität des Humanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Wie ein Buch entsteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Kontexte der Verweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 c) Unhintergehbarkeit des Humanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Zwischen Mythenarbeit und Ontologie des Menschen im Kosmos . . . . . . . . . . 25 a) Modernität der alten Mythen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Das Weltverhältnis des Menschen: die Metaphysikbedürftigkeit des Themas 26 4. Die Natur im post-cartesianischen Weltverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Das epiphanische Potenzial der aktiven Passivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Die holistische „Kehre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5. Wahrheit und Geschichte, Kausalität und Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Wahrheit und Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Kulturdiagnostik und Psychoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Linearität oder Kreisläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 d) Stichworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . 33 1. Negative Poetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Navigatorischer Stern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

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Inhaltsverzeichnis b) Nicht wider der Natur: endogenes Potenzial der conditio humana . . . . . . . . 34 2. „Schiffbruch mit Zuschauer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Genealogie des Aufstiegs des neuzeitlichen Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Distanz und Partizipation, Faszination und Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. „Naturwesen mit Geist“ am Abgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Narrative Vielfalt in der Statuspassage und im Coping derselben . . . . . . . . 36 b) Der Geist des Geschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Post-Strukturalismus als Methodologie und als Ideologie . . . . . . . . . . . . . . 38 d) Stichworte einer dynamischen Dependenzgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 f) Ein Essay in der Landschaft der Literaturflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 g) Weichenstellung im Zeichen der „Eule der Minerva“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 h) Kohäsion – eine Antwortsuche zwischen Anthropologie und Historismus 41 i) Sozialistische Utopie versus Restauration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 j) Problematisierung als Methode im Lichte sozialeschatologischer Heilslehre 41 4. Szenisches Problematisieren des figurativen Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Sozialcharakter und soziale Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Ontologie und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Zur Relevanz neu-kantianischer Wissenschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5. Modallogik der Dystopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Soziale Pathologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Psychodynamische Praxeologie des parochialen Neo-Nationalismus . . . . . . 45 6. Rekonstruktives Brennglas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Heterogenität im Erleben und Coping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Der Hass auf den Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 c) Der Fetischismus des infantilen Perfektionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) Affektdynamik: Von der Angst zum exkludierenden Ekel . . . . . . . . . . . . . . 48 e) Rechtspopulismus und Analogien in der linken Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 f) Das Beispiel der rechtsphilosophischen Unkenntnis der Ethik der Impfung 49 g) Die unverankerte – transzendental obdachlose – Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . 50 h) Der archimedische Punkt der Weichenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 7. Modallogik der Utopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Idealtypische Vermessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Parochiale Ethik der Verweigerung universalen Mitleides . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Der Mensch in der Geschichte verschachtelter Zeitlichkeiten . . . . . . . . . . . 53 d) Hoffnung ohne Romantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 8. Modallogik der Regression zum homo abyssus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Soll-Werte: das Mehr-Ebenen-System der Rechtsregime . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Ist-Werte (I): die negative Freiheit des Besitzrechtsindividualismus . . . . . . 54 c) Ist-Werte (II): die skotomisierte Idee des Wohlstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Inhaltsverzeichnis

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9. Metamorphosen in konzentrischen Kreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Das Commoning der Gemeinwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Ziel und Weg: Soziales Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Der status quo: die narzisstische Hybris des ikarischen Prometheus . . . . . . 56 d) Fazit zur Polyphonie der Corona-Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 10. Die Einsamkeit des ptolemäischen Subjekts in der kopernikanischen Epoche 57 a) Verschiebung: von der Kränkung zur überreaktiven Kompensation . . . . . . . 57 b) Die Diagnose der transzendentalen Obdachlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Die Diagnose des Resonanzmangels und die destruktive Folge . . . . . . . . . . 58 11. Die Modallogik des eidgenössischen Bundes im neoplexianischen Zeitalter 58 a) Heilige Personalität und eidgenössischer Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Was zu ernten wäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 12. Lokale Polis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Daseinsvorsorge als Sozialraumbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Das Recht der Befähigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 c) Das Commoning des genossenschaftlichen Weges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 d) Polis als gelebte Sorgekultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 13. Commoning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Geometrie der Skalierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Lernen als Werkstatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Gesinnung und Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 d) Der Dämonenabwehrzauber der Wohlstands-Kleinbürger . . . . . . . . . . . . . . 61 e) Die Bedeutung des Überbaus als praxeologischer Unterbau . . . . . . . . . . . . . 62 f) Hermeneutische Achtsamkeit der Dialogizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 14. Der metaphysische Wesenskern der vorliegenden Abhandlung . . . . . . . . . . . . . 63 a) Die Sphären-Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Die Konvergenz der Alpha-Linie und der Omega-Linie . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Die „Kehre“ des Weltverhältnisses als Folge der Konvergenz . . . . . . . . . . . 64 d) Die Emergenz der Rechte der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Ausgangspfade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Ausblick (I): Vermessung des Fortschritts im Modus eidgenössisch gebundener Deliberation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Abhängigkeit, Anerkennung, Versöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Politische Philosophie und Naturrechtsphilosophie der Natur . . . . . . . . . . . 67 c) Sinnfindung als gemeinsame Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Zur Philosophie humangerechter Innovativität von Innovationen . . . . . . . . . 69 d) Die Humanisierung der ökonomischen Innovationsidee . . . . . . . . . . . . . . . . 71 e) Gemeinsame Aktualgenese als Wesenskern eines humangerechten sozialen Fortschritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

12

Inhaltsverzeichnis f) Die pragmatische Wende hin zu Vermessung ohne Vermessenheit: Reflexive Fragebatterien statt Kennziffer-Fixierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Ausblick (II): Sozialtheorie als Ästhetik der wahren Form und die doppelte, zweistufige Einbettung des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Die katathym-imaginative Arbeit an der eigenen Paideia . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Formale Soziologie und Sozialtheorie als Ästhetik der Suche nach der wahren Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Die Auslegungsordnung der Werte von 1789 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) Die Rolle des Wohlfahrtsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 e) Die Rolle der Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 f) Ästhetik des doppelten Formprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 g) Der Naturzusammenhang und das doppelte „Embeddedness“ des Menschen 78 h) Die ontologische Doppelung von Einbettung und Obdachlosigkeit . . . . . . . 79 i) Soziale Pathologie, negative Dialektik und Ästhetik der Entelechie der wahren Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 j) Sozialtheorie als Ästhetik der Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 k) Die aktive Passivität der Alpha-Linie als responsive Phänomenologie der Omega-Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Ausblick (III): Zur Psychodynamik einer Werkwachstums-Entelechie . . . . . . . 81 a) Wachstumsringe und Kehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Veränderungen in den Gegenstandsfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Die Emergenz und ihre treibenden Motive einer naturphilosophischen Klammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 d) Psychodynamische Gründe der Emergenz einer Phänomenologie und strukturalen Hermeneutik des de-zentrierten Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 e) Psychodynamik der genotypischen Kehren und phänotypischen Wachstumsringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Einleitung

Die Melancholie des Wartens aus der Haltung der weltoffenen Geduld heraus Die Einleitung führt über einige Überlegungen zur Kreativität melancholischer Grundgestimmtheit und über Reflexionen zu Schellings Naturphilosophie zu einigen Kernüberlegungen der ganzen Abhandlung, um so einen ersten orientierenden Zugang zu bieten.

Viele Menschen warten. Ihnen fehlt aber die Tiefe, von der Paul Tillich mit Blick auf die ontologische Verankerung des hoffenden Menschen handelte (SchulzNieswandt 2020b). Aus melancholischer Haltung heraus, die eine Anlage zur Daseinsheiterkeit nicht ausschließt, sondern ihr erst eine gewisse Tiefe (der Bedeutungsschwere: Müller 2015) verleiht, warten sie auf eine erfüllte Zeit, während die erlebte Zeit zerrinnt, verrinnt wie das Wasser nach dem Regen in den Fugen des Erdbodens. Der Mensch weiß ja – und dieser Befund wurde kulturtheoretisch und psychologisch sogar als Ur-Schock (De Marchi 1988) thematisiert – um die Endlichkeit seines Lebenslaufes, der eine Spanne ist, und er möchte diese Zeitspanne generativ, in verschiedenen Rollen, in verschiedenen lebensweltlichen Settings (Privatwelt, Familienwelt, berufliche Arbeitswelt etc.) und in verschiedenen Formen schöpferischen Tuns (Wissenschaft, Kunst, Mythos), als homo creator mit Sinn erfüllen. Es ist der Sinn, der die notwendige Zeitallokationspolitik des Menschen in seinem Lebenslauf durch Imagination von Zielsetzungen in der Daseinsführung zur Daseinsgestaltung werden lässt. Die Lebensführung in der Existenzbewältigung nimmt im Dasein eine Gestalt an. Der Mensch ist insofern ein homo viator. Der Mensch – fassbar als homo ludens (Hutflötz 2023)1 – sucht, wird dabei mitunter nervös, weil die Zeit abläuft, ohne dass er seine Sinnerfüllung findet und er Angst bekommt, das Leben am Ende, rückblickend als Erinnerung an die Erfahrung der Erlebnisse, mit Blick auf die Hoffnung auf eine erträumte wahre Form der vita activa (Arendt 2020) verpasst zu haben. „Lebensaufgaben sind als Grabbeilagen gedacht. Wehe wenn sie vor uns sterben.“ (Kadelbach 2001: S. 77)

1 Wobei der kulturtheoretische Ausgangspunkt im Werk von Johan Huizinga zu nehmen ist, aber auch onto-philosophisch verarbeitende Fortentwicklungen wie bei Hugo Rahner zu beachten sind. Ferner ging die Figur des Spielens auch in die ontoanthropologische Theoriebildung der Kunst ein. Vgl. auch in Schulz-Nieswandt 2023 g.

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Unbewusst wartet der Mensch auf den Gott Kairos, der ihm – wie ein Orakel – die Signale gibt, die er dann ausdeutend aufgreift und die ihm zur Orientierung dienen, um einen Weg eröffnet zu sehen. Dieses Warten auf das Ereignis folgt einer seltsamen Hybridbildung zwischen politischer Theorie einerseits und technischer (Scheier 2015) Maschinen-Logik andererseits. Gesucht wird ein Lichtschalter (switch off/ switch on), ein Hebel, der endlich den Verlauf des Lebens umkehrt. Und dies geschieht zu einem bestimmten Zeitpunkt, der an die Gewalt eines revolutionären Umbruchs erinnern mag. Das letzte Signal, der Sturm auf die Barrikaden und es folgt das Reich des in so vielen Träumen erhofften Glücks. Doch so funktioniert das gelingende Leben als Sinn-erfüllte Gestaltwerdung als Daseinsführung nicht (Pfaller/Schweda 20232). Eine solche Sicht resultiert aus der aufkommenden Panik eines auf das Ingenieursparadigma verkürzten homo faber. Das psychomotorische Werden ist ein „Gestaltkreis“-artiges Wachstum durch Selbsttranszendenz in konzentrischen Kreisen, die wir durch den Wurf des Steines in das Wasser in aller Schönheit des Zusammenspiels von Form und Bewegung bestaunen können. Der Esel als göttliche Erinnerung an die Tugend der Geduld: Warten zu können, ist auch eine Tugend, man sollte sie als Ausdruck von Geduld verstehen: „Aus der höheren Perspektive und der Einsicht der Heiligen aber stellt sich das Verhalten eines Esels doch ganz anders dar. Auf dem weiten Weg des Menschen zum Himmel, fällt es letztlich nicht ins Gewicht, wenn ein Esel gelegentlich etwas störrisch ist. Meist steht eine höhere Einsicht dahinter. Des Esels sprichwörtliche Geduld ist ein Zeitmaß, das er im Auftrag der Engel den Menschen vorzuleben hat. Was den Menschen mitunter als störrisches Verhalten des Esels erscheint, ist meist nur ein Teil ihrer eigenen Ungeduld.“ (Kadelbach 2001: S. 79)

Kritische Lebensereignisse, wie sie ein Thema in der Sozialpsychologie der Bewältigung sind, mögen mitunter eine auslösende Kehre im Leben einleiten. Doch auch dazu muss der Mensch in die distanzierte kritische (eventuell meditative) Metareflexion der exzentrischen Positionalität eintreten. Dazu ist der Mensch in seinem Potenzial fähig, doch muss er es auch können, vielleicht zunächst auch erst einmal wollen, denn es kann schmerzhaft sein. Der Mensch ist – neben seinem Potenzial des kreativen Eros (Pan 2023) – in seiner Vulnerabilität immer auch ein pathisches Wesen (Wiedebach 2014; Preußer 2015; Wandruszka 2023). Es geht also nicht um ein passives Warten. Es muss ein Warten mit offenem Blick für den Zauber der Welt sein, was aber kein zwanghaftes Suchen hektischer Aktivität ist. Im Lichte der responsiven Phänomenologie ist es eine Variante der aktiven Passivität, in die die bedingte Intentionalität eingefügt ist als sinnliche Offenheit der vom daseinsheiteren Geist erfüllten Seele. So gelingt die Daseinsfreude. Offenheit einerseits und andererseits die (hier post-theistisch gedachte) Selbstoffenbarung des Seins spielen das Korrelationsspiel der Kairos-artigen Passung im Dasein. Für den Menschen einer daseinsheiteren Offenheit ist die geschichtliche Jetzt-Zeit immer schon – wenngleich es in der christlichen Religion (im Zeichen des Kreuzes) 2 Mein Beitrag dort (Schulz-Nieswandt 2023r) ist ausgebaut in Schulz-Nieswandt/Köstler/ Mann 2022.

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einen Mythos des Gründungszeitpunktes gibt – messianisch aufgeladen. Das Christentum ist ja eine vorderasiatische Erlösungsreligion, die den „Stern der Erlösung“ aus der jüdischen Tradition aufnahm und ihre eigene synkretistische3 Mythologie im hellenistischen Kulturraum der römischen Spätantike entfaltete. Doch mir geht es hier nicht um eine apokalyptische End-Vision, wo sich das irdische Diesseits und das himmlische Jenseits vereinigen, sondern nur um den Weltimmanenzraum in seiner geschichtlichen Zeitlichkeit (Scagnetti-Feurer 2023). Auf diesen Immanenzraum bezogen ist zu klären, wann der geschichtliche Wandel ein Fortschritt ist, der (1) die subjektive Seele der personalisierten Individuen (als Funktion der Paideia), (II) die kollektive Kulturseele der sozialen Miteinanderwelt (als Funktion der Paideuma) und (III) den biosemiotisch (Schulz-Nieswandt 2023b) fassbaren Naturraum (als Funktion einer kosmischen Selbsttranszendenz), hierbei I bis III als große Faltung eines holistischen Weltverhältnisses der Menschen verstehend, so verändert, dass der Mensch im Zuge dieser drei Schritte seine mehrschichtige Obdachlosigkeit – seine Entfremdung – im Daseinszusammenhang überwindet. Diese drei-stufige Prozessdynamik der Selbsttranszendenz wäre kein Selbstverlust, sondern Selbstentfaltung im Modus der Einbettung im jeweils „Anderen“ (des Mitmenschen und sodann der Natur). Das nur im Modus aktiver Passivität bedingte transzendentale Subjekt wird vielmehr – eine post-idealistische Objekt-Subjekt-Umkehrung – durch diese zweistufige transzendentale Einbettung vom Dasein getragen: Denn das Unbedingte kann niemals ein vom Subjekt konstituierter Gegenstand eines diskursiven Wissens werden, sondern liegt immer schon dem Vernunftdiskurs voraus. Dies ist eine Seins-Philosophie des transzendentalen Objekts. Dabei – das muss eingestanden werden – tut sich eine neue Paradoxie auf: Das Unbedingte kann nun allerdings auch nicht als Subjekt verstanden werden, da ein Subjekt doch, wie eben expliziert, als bedingt gedacht werden muss. Es geht offensichtlich also um ein „Absolutes“ (Schwenzfeuer 2012), welches wir nun aber wiederum nicht als göttlich denken wollen. Dennoch ist der metaphysische Status zwingend anzuerkennen: Das absolute Wesen besteht in der absoluten Kausalität seiner Selbstsetzung, die primär selbst – unbedingt – eine Seins-Setzung ist. Es kommt daher im „Es (nicht: ich) ist immer schon vorgängig da“, nicht in einem Ich konstituierend zum Ausdruck. Das Unbedingte als absolutes „Es-Ich“ liegt jedem idealistisch konzipierten subjektiven Vernunftdiskurs immer schon transzendental voraus. Wir sehen – und tatsächlich ist dies fundiert durch eine spezifische Rezeption des sich metamorphotisch entfaltenden Schelling – demnach, wie sich die idealistische Transzendentalphilosophie zu einer Selbstentfaltung der Naturphilosophie (immer aber eben auch über und durch den Menschen) entwickelt. Zwischenfazit: Schellings (vgl. auch Hueck 2023) Entwicklung ist als Übertragungs-Gegenübertragungs-Dialektik von Subjekt und Objekt zu verstehen. Das veränderte Weltverhältnis als Subjekt-Objekt-Übertragung mit anschließender Objekt-Subjekt-Rückübertragung: Was für mich fundamental wichtig ist, das ist das Konzept der Übertragung des 3 Zum Synkretismus vgl. mit Bezug auf ein Gespräch in einem Kafenion – humvorvoll geschildert – Kadelbach 2001: S. 19 ff. Ferner dort S. 42 f.

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Einleitung Subjektiven auf das Objektive. Die sodann – anschließend – mögliche Rückführung dieser Übertragung offenbart nun einen Kosmos, der das System unseres veränderten Weltverhältnisses ist. Schelling vollzieht philosophisch den Weg zur „wirklichen, der seyenden Natur“, in die wir selbst mit einbezogen sind.

Wir trennen uns dort von Schelling, wo er (in seiner Spätphilosophie) eine Begründung des Denkens mit Blick auf eine letzte Instanz entwickelt, die gerade nicht mehr menschliches Denken – bei mir im Modus der Responsivität aktiver Passivität – ist, sondern Gott. Es ist mir klar, wie selektiv und vor allem flach hier Schellings Werk (Wetz 2023) rezipiert wird. Für die Zwecke der vorliegenden Abhandlung, resultierend aus dem Erkenntnisinteresse, der Fragestellung und der zu problematisierenden Problematik mag es aber hinreichen. Die Sekundär(forschungs)literatur zu Schelling ist ebenso komplex und soll hier kein Bezugspunkt werden. Die Überlegungen gelten für die soziale Mitwelt ebenso wie für die Natur. In beiden Fällen muss das Weltverhältnis des Subjekts geklärt werden. (1) Erst am Du wird das ich in seiner Mich-Erfahrung; und (2) erst in der staunenden Ehrfurcht vor der eigensinnigen (durch Produktivität und Wille [Eschmann 2022] charakterisierten) Natur bekommt der Mensch als homo socialis in Oikos, Polis und Weltgenossenschaft (Pulcini 2013) eine effektive Nachhaltigkeit durch die Einbettung in den Kosmos. Es wäre die Rücknahme der Hybris des prometheischen Ikarus (Koerner 1983), der auf Dädalus hören würde, es wäre die Akzeptanz der conditio humana, indem Orpheus einsieht, seine göttliche Musik nicht als Vermeidung des Hades einzusetzen, es wäre die Reife des Odysseus, der das Versprechen der göttlichen Ewigkeit seitens Kalypso ablehnt, weil er die Sterblichkeit an der Seite von Penelope in seiner Heimat in Ithaka vorzieht. Man kann im Leben des modernen Menschen a-theistisch, aber durchaus postsäkular, eine Alltagssoteriologie erkennen: das Hoffen auf eine erfüllte Zeit. Diese lebenswelteschatologische Imagination – sozusagen als kerygmatische (und zuversichtliche: Pèpin 2019) Sorgearbeit – auf das Noch-Nicht soll sich aber nicht auf eine jenseitige Nach-Zeit beziehen, sondern auf die diesseitige Jetzt-Zeit im Lebenszyklus. Sinn und Freiheit sind für den suchenden und spielenden Menschen nur in diesem großen Schicksalszusammenhang möglich. Diese Sehnsucht sitzt so tief in der Seele der menschlichen Leiblichkeit, wobei nach dem pneumatischen Geist gefragt werden muss, der diese Sehnsucht zur Ausdrucksgestalt bringt. Ist es ein Pneuma, das sich, wie einst der klassische Mythos, in den Grenzen der conditio humana bewegt? Nimmt diese Sehnsucht in narzisstischer (Ermann 2023) Verstiegenheit ohne Ahnung von der Bedeutung der Demut die Gestalt der Hybris an, etwa als Anti-Aging-Mythos (Pfaller 2016)? Der Ekel vor dem Altern resultiert aus einer fehlenden Akzeptanz der conditio humana und eine Verschiebungsleistung der Angst vor dem Tod, der – ohne hier wiederum eine theologische Auslegung (Lotz 1976) zu beabsichtigen – nicht als Höhepunkt, der den Zyklus abschließt, begriffen wird. Auch meine Begrifflichkeit vom Lebenslauf,

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selbst wenn er von mir korrigiert wurde durch den Begriff der Lebensspanne, mag eine Verdrängungsleistung angesichts der Endlichkeit sein. Lebenslauf verweist auf eine Offenheit hin. Es passt zum linearen Denken des intentionalen Technik-Menschen. Gewiss ist der Begriff des Laufes sinnvoll, denn er zeigt die Bewegung als Eigenschaft des Lebens an: Das Leben hat seinen Verlauf. Es ist, um an eine bekannte salutogentische Metapher anzuknüpfen, das Leben als Fluss (Guzzoni 2017), in dem der Mensch ein guter Schwimmer sein soll, das hier gemeint ist. Und das Leben entspringt wie ein Bach, der dann zum Fluss wird, aus einer Quelle, doch wird der Fluss irgendwann in einem weit verzweigten Delta im großen Ozean ausmünden. Und die Sonne wird das Meerwasser zum Verdunsten bringen, die Wolken werden zum Festland treiben und sich dort wieder ausregnen. Das Leben ist nicht in linearer Offenheit codiert, sondern ist hier vielmehr in dem metaphorisch so überaus bedeutsamen Symbol des Kreis-Laufes begriffen. Auch das Weltall versuchen wir ja, in der Paradoxie des gekrümmten Raumes als unendlich (Kunz 2013) zu denken. Nur so – im Wechsel von Geburt und Tod – ist ewiges Leben denkbar. Aber dies ist die Erzählung vom mitmenschlichen Menschen im Natur-Allzusammenhang. Im Begriff des Verlaufens ist aber assoziativ auch die Möglichkeit des Verirrens angelegt. Die Odyssee ist hier das Epos des passungsoptimalen Mythos. Aber dort gab es ein Telos dieser komplex verzweigten Reise. Was, wenn dieser Stern der Orientierung dem Menschen fehlt? Was, wenn die Grundgestimmtheit die Form der Depression annimmt, über deren Zeitpathologie der fehlenden Zukunft uns eine daseinsanthropologisch orientierte hermeneutische Psychiatrie phänomenologisch aufgeklärt hat? Der Mensch steht immer – ptolemäisch, obwohl er im post-kopernikanischen Zeitalter der De-Zentrierung lebt – in der Mitte des Lebens. Mit der erlebten „Spiegelphase des Kindes“ ist diese Paradoxie des ptolemäschen Cartesianismus angelegt. Zum Problem wird es, wenn sich diese Erlebniserfahrung der Mitte charakterneurotisch zur „Verstiegenheit“ oder gar zur narzisstischen (Ermann 2023) Persönlichkeitsstörung – zu der auch die Pleonexia des homo oeconomicus gehört – entwickelt. Es gibt nicht den einen Zeitpunkt des großen, einmaligen, einzigartigen Ereignisses, an dem auf das Erheischen des Glücks hin aneignend zugeschlagen werden muss, was wiederum an die militärische Logik der Kriegsführung erinnern mag. Der Zauber der Welt (Schulz-Nieswandt 2021m) ist immer schon da. Diesen Zauber in tiefer Daseinsheiterkeit zu erkennen und aufzugreifen, mag uns dann in der Tat wie ein epiphanisches Ereignis erscheinen. Manche Menschen fixieren ihre Sehnsucht auf einen symbolischen Zeitpunkt: „Licht ist Licht, und Weihnachtslicht ist das Licht der Lichter.“ (Gast 1970: S. 28). Doch die Menschen suchen die wahre Form, in der der gesuchte Sinn seine Ausdrucksgestalt findet, im Alltag ihrer Geschichte, nicht nur an Tagen des liturgischen Kultes in ritualisierter Symbolik. Die Frage ist vielmehr, wann das Leben gelingt und der Mensch genau auf dem Weg – auf der Reise – hin zu diesem „guten Leben“ ist?

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Wenn der Mensch ein „Naturwesen mit Geist“ (Schulz-Nieswandt 2023b) ist, dann hängt die Möglichkeit der gelingenden Daseinsführung, also das „Wahre“, vom „Guten“ des Pneumas ab, wenn das Leben die Form des „Schönen“ annehmen soll. Die Bestimmung der Eigenschaften als Strukturmerkmale dieses guten Lebens ist morphologisch nicht zu trennen von dessen Sinnfunktion: Welche erträumte Idee eines Noch-Nicht soll hier zu einer materiellen Wirklichkeit werden, denn die ideelle, imaginierte Wirklichkeit war als eine Idee in einem modallogischen Verständnis von Faktizität immer schon da. Die Paradoxie, die dem Empirismus als Wahn erscheint, ist Ausdruck einer prozessdynamischen Ontologie, die objektive Ideen als Geist-Gebilde der sozialen Phantasie des träumenden Menschen anerkennt. Die latente Wirklichkeit soll also manifeste Wirklichkeit werden. Die soziale Phantasie der suchenden Hoffnung soll Gestalt annehmen. Das Leben steht demnach also ganz im Lichte der Trinitätslehre (Schulz-Nieswandt 2024a) des Wahren, des Guten, des Schönen als Sterne, die dem Odysseus eine Navigation – wenngleich nicht ohne Hilfe von Athena und Hermes – ermöglichten. In der neueren kritischen Sozialtheorie wird nach der Möglichkeit neuer Lebensformen eines neuen Weltverhältnisses gefragt. Dabei können neue Begriffssysteme nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um die älteren, klassischen Probleme der Entfremdung des Menschen geht, also um Ausdrucksformen ontologischer Obdachlosigkeit als Folge eines Verlustes transzendentaler, also ermöglichender Voraussetzungen erfüllender, teilhabender Daseinsführung des Menschen. Immer noch geht es im Lichte dieser Geschehnisse der Verlusterlebniserfahrung um eine große Erzählung, die der Mensch in seiner Vulnerabilität benötigt (Assmann 2023), eine Erzählung im Modus des Hoffens, der der Mensch zutiefst bedürftig ist. Wenn sich in der Geschichte des Hoffens das Noch-Nicht eben noch nicht einstellt, benötigt der Mensch sodann aber auch Trost. Auch dies gehört zur conditio humana, und erfordert die Souveränität, den Zyklus abzuschließen. Geht es aber immer noch um diese klassischen Fragen der Gründungsgeneration der Frankfurter Schule der Kritischen Theorie (Jeffries 2019; Mittelmeier 2021), so werden wir die neueren kritischen Positionen im Lichte älterer kritischer Einsichten in die Notwendigkeit eines eidgenössischen Bundes, der (1) die Heiligkeit der Person als Mitmensch und (2) die Heiligkeit der Natur im Modus staunender Ehrfurcht zum Gegenstand hat, in einem post-theistischen, aber zugleich doch auch post-säkularen Sinne revidieren müssen. Diese wäre das Fundament eines neuen Weltverhältnisses der Menschen: „Auch der säkularste Mensch hat sich wohl noch ein Staunen bewahrt über die Wunder der Natur, selbst wenn er auf die Worte ,Gott‘ und ,Schöpfung‘ verzichtet.“ (Kadelbach 2001: S. 38.) Die vorliegende Abhandlung wird die notwendige Möglichkeit des Werdens der menschlichen Person als ein selbsttranszendierendes Wachsen in integrierenden Erweiterungsringen mit der Frage verknüpfen, wann sinnvoll von einem humangerechten Fortschritt gesprochen werden kann. Diese psychomotorische Dimension des durch natürliche (soziale und kosmische) Einbettungen ermöglichten, Dasein-

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sinn-erfüllten Selbst-Werdens in wachsenden Ringen knüpft die Psychodynamik (narzisstischer Persönlichkeitsstörungen und charakterneurotischer Verstiegenheiten) onto-anthropologisch (1) an eine (durch Rechtsphilosophie und Ethik reflektierte) Kulturgrammatik des Sozialen in seinen Formen und (2) an eine rechtstheoretisch fundierte Ethik der eigensinnigen Naturordnung: „Kalo riziko“ (Kadelbach 2001: S. 40): „Gute Verwurzelung! Mögest Du Kraft zum Leben aus unserem Boden, aus unserem Dorf, aus unserer Gemeinschaft bekommen!“

In beiden Stufen der Selbsttranszendenz handelt es sich um problematisierende Umkehrungen der cartesianischen Logik zugunsten einer responsiven Phänomenologie, die Alpha-Linie der Problemsichtung vom apriorischen Subjekt her zu revidieren durch die Omega-Linie der Problemsichtung vom Objekt auf das dezentrierte Subjekt aktiver Passsivität, das sich dennoch immer als die ptolemäische Mitte im Zeitalter der post-kopernikanischen Revolution verstehen muss: „In allem, was der Mensch tut und unternimmt, ist er tätig und erleidend zugleich.“ (Wehrli 1954: S. 14).

I. Zugänge In vier Abschnitten sollen zunächst orientierende Zugangspfade zur Fragestellung und zur Problematik als Gegenstand der Fragestellung gebahnt werden. Ein Gegenstand von hoher Wertigkeit für die Daseinsführung der menschlichen Existenz ist hier die Problematik, indem man den Gegenstand problematisiert, wozu es einer Fragestellung bedarf. Vorliegend sind es nun jedoch Zugänge, die sodann bereits in die Mitte der problematisierenden Erörterung der Fragestellung führen. Ist der Raum geöffnet, soll er schnell ausgeleuchtet werden, so dass man dann die Türen erkennt, durch die man in andere Flure, Treppenhäuser und Räume gelangen kann. Das Thema ist als Problemfeld verästelter Art. Bei manchem Durchqueren neuer Gänge kehrt das Gehen mitunter in bereits durchlaufende Räume zurück, um sodann wiederum anders abzuzweigen. 1. Paragraphische Fragmente in juridischer Absicht: die Ordnung des Torsos Zunächst soll es ein Ziel sein, die kunst- und in diesem Fall literaturtheoretischen Kategorien des Torsos (auch hier an Rainer Maria Rilke1 [Engel 2013] anknüpfend) und der Fragmente (Burdorf 2020) als strategische Bausteine der poetischen Strategie des vorliegenden Essays zu betonen.

Die vorliegende kleine Abhandlung ist als Essay zwar, geleitet von kritischen Erkenntnisinteressen, von einem roten Faden in Bezug auf eine klare Fragestellung strukturiert. Doch ist der Text dennoch eher ein Torso und besteht aus Fragmenten, also aus Bausteinen, die die Konturen eines kohärenten Systemgedankens (mit dem Fluchtpunkt der Idee einer rechtsphilosophischen und ethischen Anthropologie der Dependenzgrammatik [Schulz-Nieswandt 2023g] der Menschen) – aber ohne wirklich an eine doxische Systemidee schulphilosophischer Art zu denken – erkennen lassen mögen, aber zugleich und dennoch dergestalt den Essay als weit von einer Geschlossenheit und vollumfänglichen Entfaltung entfernt erscheinen lassen. Dabei gehe ich nicht davon aus, dass jedes Streben nach einem theoretischen System bereits ein Herrschaftswissen sei (Guzzoni 2023). Aber vielleicht muss man das Fragment auch anders deuten: Ist es angemessen als Formprinzip für die Tragödie, die sich als Aporie erweist? Wäre es – wie bei Höl1 Obwohl Rilke ein durchgängig wichtiger Bezugspunkt in der vorliegenden Abhandlung ist, wird auf sein Werk nicht vertiefend eingegangen. Meine Sicht auf Rilke (und auch auf Hölderlin) ist näher dargelegt in meiner Studie zu Weismantel: Schulz-Nieswandt 2023l. Vgl. aber auch Gloy 2023; Decker 2023; Guite 2023.

1. Paragraphische Fragmente in juridischer Absicht: die Ordnung des Torsos

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derlin gedacht – das Formprinzip zur Ausarbeitung einer Philosophie des Tragischen (Weiß-Sinn 2023)? a) Der juridische Subtext Dazu paradoxal anmutend, ist die Abhandlung innerhalb der Abschnitte in Unterabschnitten unterteilt. Warum diese symbolische Signatur, die an regulative Ordnungsideen anknüpft? Im Grunde handelt es sich um stichwortartige Teilgliederungspunkte, um die einzelnen Gedanken zu akzentuieren. Dennoch gibt es einen sachlichen Grund für die Sub-Struktur: Der Text basiert strategisch auf einen durchgängigen juridischen Subtext in seiner poetischen Intentionalität: Es soll (Schweitzer 2021; Legendre 2012) skizziert werden, wie eine sittliche Ordnung, die (entlang einer transgressiven Stufenkette von Selbsttranszendenzleistungen) von den Menschen verfolgt werden sollte, aussehen kann, sofern eine humane Evolution (1) eines „guten Lebens“ in der Polis und (2) eine Einbettung einer solchen gelingenden Welt der Kultur des sozialen Miteinanders in den Zusammenhang eines regenerativen und somit nachhaltigen Naturgleichgewichts gelingen soll. An dieser Stelle sei eine Fundamentalannahme, die konstitutiv ist für den Gang der gesamten Abhandlung in der architektonischen Struktur der argumentativen Untersuchung, eingeschoben. b) Die Art der Auslegung des Sittengesetzes Es handelt sich um eine epistemologische Utopie juridischer Art. Der Gang der Abhandlung folgt dem erkenntniskritischen Weg, mit Blick auf die Habitusformation (Trebbin 2013) durch die Paideia (Summa 2023) als charakterliche (Mundt 2011; Wüschner 2016) „Formung der Person“ nachzufragen, wie die juridische Problematik der Rechtsbildung in einer gelebten Ethik der Menschen aufgrund rechtsphilosophisch hinreichender Begründung auch psychodynamisch zu verankern ist. Diese psychodynamische Verankerung hängt mit einer spezifischen Interpretation des Sittengesetzes von Kant auf der Basis des Kategorischen Imperativs des Art. 1 GG (als überpositives Recht der „inherent dignity“) zusammen: Die reine Vernunft ist nur die Potenzialvoraussetzung des Sittengesetzes, welches aber in der Wirklichkeit einer edukativ auf Tugendausbildung abzielenden Vergesellschaftung bedarf, die die Freiheit (F) als gemeinsame Freiheit durch Vermeidung bzw. maximaler Reduktion negativer Externalitäten und somit als Maximierung der sozialen Wohlfahrt (SW) @ SW/@FE/AE > 0 für alle E,AE = 1 … n ! max!

in der sozialen Interdependenz der Dichte des mitmenschlichen – und somit die ontologische Polarität von E und AE personalistisch überbrückend – Zusammen-

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I. Zugänge

lebens und Ego (E) und Alter Ego (AE) in der Gesamtheit der Personen (i = 1… n) als konsequentialistisches Momentum umfasst. Dabei ist einerseits zu erkennen, dass es sich um Rawlsianische (Rawls 2006) Teilmengen der Pareto-Lösungen (dargelegt u. a. in Schulz-Nieswandt 2017b) für die Allokationsgerechtigkeit der Lebenslagenverteilung handelt. Allokation wird hier nicht von Verteilung getrennt, wenn das teilhabetheoretische und die Autonomie immer relational auslegende Lebenslagenkonzept konzeptionell herangezogen wird. Damit wird es vermieden, die Kategorie der Verteilung auf die Einkommensverteilung zu reduzieren, wobei sogar der Vermögensbegriff nicht rein auf akkumuliertes ökonomisches Kapital, sondern auch auf kulturelle und soziale Fähigkeiten bezogen wird, um die paradigmatische, hier markttheoretische Engführung von Effizienz bzw. Effektivität zu vermeiden. c) Advokatorische Ethik der Generationengerechtigkeit Andererseits ist die Gesamtheit i = 1 … n auch transgenerational, und damit auf die Zukunft erweitert, bezogen, schließt also auch Generationenallokationsgerechtigkeit ein. Dies lässt die Notwendigkeit erkennen, in die obige Auslegung des konsquenzialistischen Moments des Sittengesetzes auch eine advokatorische Ethik einzubauen, die die notwendige prosoziale Empathie imaginativ erweitert. Angemerkt werden darf, dass damit der Art. 2 GG implizit zwingend das Gebot der Generationengerechtigkeit umklammert. d) Die Paradoxie des naturrechtlichen Entitlements Das hier rechtsphilosophisch wirksame Prinzip des „Entitlements“ in Bezug auf die menschenrechtskonventionellen Grundrechte von E und AE in einer auch intertemporalen Dependenzgrammatik muss im Lichte der Metaphysik des überpositiven Rechts angemessen verstanden werden. AE bekommt einerseits das Recht zugesprochen, aber er hat es andererseits immer schon von Natur aus. Er hat und bekommt erst. e) Die responsive Phänomenologie der Paradoxie der mittelbaren Erfahrung objektiver Unmittelbarkeit Im Zuge der epistemologischen Situation des menschlichen Subjekts, das die Welt als objektive Faktizität nicht „unmittelbar“ hat und ist, sondern nur „mittelbar“ bekommt, also erst im Zuge eines kognitiven „rekonstruktiven Realismus“ (das gilt für alle Formen der Erkenntnis, also für Wissenschaft wie für Kunst sowie Religion/ Mythos und des Wissens alltäglicher Lebenswelt), verstehbar als „responsive Phänomenologie“ aktiver Passivität, hat, kann eine Paradoxie verstehbar werden, die aber nicht auflösbar, sondern in diesem Status zu akzeptieren ist: Die Würde der Person ist objektiv (als objektive Idee ontologischer Wahrheit) da, aber eben immer

1. Paragraphische Fragmente in juridischer Absicht: die Ordnung des Torsos

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nur im Modus der Erkenntnis, die als kognitives Konstrukt auch die Form des Glaubens als eine nicht auf Wissen reduzierbare Form der Erkenntnis einnehmen kann, und so die Heiligkeit des personalen Selbst-Seins (mit Absicht auf ein soziales Mit-Sein) zur „non-kontraktuellen transzendentalen Voraussetzung einer Kontraktgesellschaft des Entitlements reziproker Anerkennung“ macht. Damit wird auch die Kategorie der Wertschätzung von AE zur Achtung der vorgängigen Gegebenheit von AE transformiert. Die responsive Phänomenologie wirkt sich hier als „Kehre“ der cartesianischen Ego-Ethik der Gabe als ein Geben (Schulz-Nieswandt 2023h) aus. f) Die Paradoxie von Sein und Nicht-Sein als Gegeben-Sein und Noch-Nicht-Sein Zugleich resultiert aus dieser fundamentalen Paradoxie der personalen Würde als überpositive Metaphysik des Naturrechts eine zweite, sekundäre Paradoxie, die die modale Gleichzeitigkeit von Sein und Nicht-Sein als (geschichtsphilosophische) Gleichzeitigkeit von Gegeben-Sein und Noch-Nicht-Sein denken lässt. Denn die soziale Wirklichkeit kann – praxeologisch als Ausdrucksgestalt der dunklen Seite der Macht verstehbar, denn die Macht muss nicht in einer hylemorphen Prozessdynamik aus der generativen Kraftquelle der Liebe heraus demokratisch im Lichte sozialer Gerechtigkeit performativ praktiziert werden – dominiert werden von einer Kultur der Demütigung des Mitmenschen, die ihn entgegen der objektiven Idee der teilhabenden relationalen Autonomie in der erfahrungswissenschaftlich fassbaren Realität heteronom bevormundet, kränkt und ausgrenzt. Die Würde ist also immer schon da, und dennoch kann sie fehlen. Es ist diese paradoxiale Epistemologie von ontologischer Wahrheit und erfahrungswissenschaftlicher Wahrheit (des kritischen Falsifikationismus), die zu begreifen ist und deren Akzeptanz die Voraussetzung dafür ist, der vorliegenden Abhandlung folgen zu können. g) Das normative Warum des empirischen Warum des Was Dies hat sodann auch eine wissenschaftsethische Konsequenz. Der Empirismus ist die halbierte Wahrheit, und der Positivismus ist die Leugnung der anderen Hälfte der Wahrheit. Kritische Theorie regeneriert die Einheit der Dialektik beider Modi der Wahrheit, weil empirische Befunde erst zu uns sprechen, wenn wir sie im Lichte der Rechtsphilosophie und Ethik der ontologischen Wahrheit des überpositiven Rechts zu uns sprechen lassen, also eine kritische Vermessung als normative Skalierung der Erfahrungswelt vornehmen. Dies meint mein Theorem der Metaphysikbedürftigkeit der empirischen Forschung (Schulz-Nieswandt 2018b; 2017a). Gefragt werden muss demnach nach der Bedeutung der Bedeutung empirischer Befunde. Die Frage, warum bzw. wieso bedeutet für wen ein Was in seinem Wie, Wann und Wo etwas, verdoppelt den semantischen Status des Warum und des Wieso, der letztendlich nicht

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I. Zugänge

nur auf generative Mechanismen des Was abzielt, sondern auf die normative Skalierung abstellt. Es gibt also ein doppeltes Warum. Die Epistemologie der ontologisch-ontischen Differenz (des seienden Seins des Daseins) stellt demnach die Frage nach dem normativen Warum der Ontologie in Bezug auf die Ontik des empirischen Warum-Phänomens. 2. Mythische Modernität des Humanismus Ziel ist es nun, kurz einige konzeptionelle Eigenschaften der vorliegenden Abhandlung anzusprechen.

Eigentlich sollte der Untertitel in zwei gestaffelten, sich innerlich spezifizierenden Absätzen lauten: Negative Poetik der Entelechie der Gegenwart. Kollektive und ontogenetische Metamorphosen zwischen Progression und Regression. Diese beiden Sätze geben auf dem Cover sicherlich nicht unbedingt, systemisch gesprochen, kommunikative Signale, die darauf hindeuten, die Menschen in der Lektüre abzuholen und mit auf eine Reise zu nehmen. Gleichwohl trifft der Untertitel das Erkenntnisinteresse des Essays. Zentrale theoretische Kategorien werden genannt und verknüpft. Dieser Untertitel wäre jedoch zu lang, und er würde, wie soeben selbstkritisch angedeutet, auch eher abschrecken. So kommt der Schrecken erst, nachdem bereits die ersten Seiten gelesen worden sind. Oder auch nicht, sofern die geweckte Neugierde die Lektüre der dichten Erörterung in ihrer problematisierenden Offenheit – weil eben die Geschichte in ihrem Ende der Erörterung von einer gewissen dialektischen Offenheit in der Problemdiagnostik geprägt ist – vorantreibt. a) Wie ein Buch entsteht Diese kleine Abhandlung geht zurück auf einen Aufsatz (Schulz-Nieswandt 2024b), der auf Einladung von Verena Breitbach (2024) entstand. (Manches andere Buch oder Büchlein ist – in analoger Weise – aus Aufsätzen entstanden.) Bei der Abfassung, ich bin eher ein Anhänger monographischer Entfaltung als von kastrierten – ich bleibe im Rahmen meines psychoanalytischen Blicks – Journal-Artikeln, habe ich wieder gemerkt, dass ich die ganze Substanz in einem Aufsatz nicht expliziert bekomme, und mich nicht „kastrieren“, also einen Teil meiner gewachsenen Identität aufgeben will. b) Kontexte der Verweise Die Spezifizierung der Problemsichtung auf die Frage hin, wann sinnvoll von einem „Sozialen Fortschritt“ die Rede sein kann, verweist darauf, dass ich als Ehrenvorsitzender der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt doch nochmals zum Abschluss der amtlichen Phase meiner akademischen Karriere zum Gegenstand dieser

3. Zwischen Mythenarbeit und Ontologie des Menschen im Kosmos

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altehrwürdigen Gesellschaft Stellung nehmen möchte. Hinzu kommt, dass mein Kollege und alter Freund, Werner Sesselmeier (Universität Landau), der ebenfalls bald zur Emeritierung ansteht, sein Amt als Vorsitzender nach ähnlichen langen Jahre wie in meinem Fall – wobei er, anders als ich, auch lange Jahre der federführende Herausgeber der Zeitschrift Sozialer Fortschritt war – abgibt. So soll die vorliegende Abhandlung diesem – einerseits fachlichen, fachpolitischen, aber andererseits auch persönlichen sozialen – Verweisungskomplex gewidmet sein. c) Unhintergehbarkeit des Humanismus Da ich mich – angesichts der vielen fragwürdigen Positionen, die die linke Position im gesellschaftspolitischen Spektrum einnimmt – dieser Schublade zunehmend zu entziehen versuche, reicht es mithin, mich explizit einer humanistischen Tradition zugehörig zu definieren. Damit hänge ich zugleich an großen Erzählungen der Wissenschaft, die von der Krise, die einer von Beginn an pathologisch geprägten Moderne eigen war und ist, nicht zwingend zu einem Postmodernismus getrieben werden muss. Auch die neuerdings aufgekommene Mode, von Spätmoderne zu sprechen, spricht mich nicht überzeugend an. Denn etwas, was spät geworden ist, geht bald zu Ende. Ich sehe aber nicht, dass die Moderne beendet wird. Alle Probleme sind typisch für die Moderne. Außerdem wüsste ich nicht, was danach kommt. Die Frage, die mich vom Erkenntnisinteresse her motiviert, ob eine Progression oder eine Regression der Moderne zu erwarten ist, ist Teil der Moderne, die eben angesichts ihrer ungelösten Probleme unvollendet ist. Aber sie wechselt in diesem Lichte ihre Gesichter, nicht ihr Wesen. Sie hat eben viele Ausdrucksgestalten und kann ihre Funktionsweise nach unterschiedlichen Melodien ausrichten. Die Tänze, die hierbei aufgeführt werden, sind vielerlei Art. Auch der Totentanz gehört dazu, dann aber bezogen auf den Menschen im kapitalistischen Anthropozän in grundsätzlicher Art. 3. Zwischen Mythenarbeit und Ontologie des Menschen im Kosmos Was soll deutlich werden? (1) Auch moderne Wissenschaft, wenn sie daseinsthematisch bedeutsame Fragen aufgreift, arbeitet re-mythisierend2 an dem Deutungspotenzial klassischer Mythen. (2) Und wieder geht es um die relationale Struktur dreier ontologischer Kategorien, die die Struktur und den Sinn des Seins in der Zeitlichkeit der Geschichte betreffen: Subjekt, Polis, Kosmos.

Diese zwei Schritte sollen den folgenden Abschnitt strukturieren.

2 Vgl. Kadelbach 2001: S. 23, der Mythologie als Netz einer Spinne bezeichnet, denn die Spinne webt ständig weiter an den Geschichten, die dort erzählt werden.

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I. Zugänge

a) Modernität der alten Mythen Neuere Diskurse über Transhumanismus und Posthumanismus greife ich nicht auf. Auch glaube ich nicht daran, eine ganze neue Ontologie als zwingende Innovation des Denkens nötig zu haben. Alle Verwerfungen und Neuerungen werden von einer entsprechend aktualisierten Deutung des Kanons klassischer Mythen abgedeckt. Immer noch (Möller 2015; Heidenreich 2021) ist es der prometheische Geist, der die Geschichte antreibt. Immer noch ist es die ikarische Hybris, die daraus resultiert. Und die moderne biologische Alternsforschung – einem Anti-Aging-Dispositiv folgend – träumt den Traum von Orpheus neu und hofft, den Gang (von Eurydike als konkrete Personalisierung des Mitmenschen) in den Hades zu vermeiden. Und die Wissenschaft spielt sich als Gott Hermes auf, der – polyfunktional, wie er ist – u. a. die Menschen begleiten soll auf seinen Reisen, indem er orientierende und leitende Wegmarken setzt. Früher war es Athena, die Odysseus geliebt und begleitet hat auf seinen Irrfahrten, denen nie das Telos der Heimkehr fehlte. Heute ist es die Forschung und die Inkubation von neuen Technologien, die als Start-ups den innovativen (akzelerativen: Avanessian 2013) Turbo-Kapitalismus prägen. b) Das Weltverhältnis des Menschen: die Metaphysikbedürftigkeit des Themas Falls der Eindruck geweckt würde, es ginge (auch) um Metaphysik, dann ist dieser Eindruck zutreffend. Es geht zwar nicht um eine anachronistische scholastische Metaphysik in der Tradition der politischen Theologie der Kirchenherrschaft, sondern es geht – abgesehen davon, dass auch die moderne mathematische (Astro-) Physik nicht ohne ontologische Annahmen einer Metaphysik auskommt – um ontoanthropologische Überlegungen zur conditio humana epistemischer Art vor jeder erfahrungswissenschaftlichen Forschung. Das Problem (dazu auch Schulz-Nieswandt 2023o) des Weltverhältnisses des Menschen hat drei Stufen der Entfaltung. Zwei Stufen (2 und 3) davon gehen in den Außenraum, in den der Mensch existenziell involviert ist, eine Stufe führt den Menschen in seinen Innenraum. (2) Mit Bezug auf die ontologische Sozialsphäre des Subjekts (Beer 2022) in der sozialen Mitwelt geht es um die moderne Naturrechtslehre des überpositiven Rechts (Radbruch-Formel) der personalen Würde des Menschen, womit deutlich werden kann, dass es sich um eine befreiende Idee handelt, die eine Kritische Soziologie und Psychologie des Gelingens des sozialen Miteinanders fundieren soll (Möbius 2020). (3) Und dann geht es um das Naturverhältnis. Wenn der Mensch – eine doppelte Anlehnung an die Lyrik von Rainer Maria Rilke (Engel 2013) – sein „Leben ändern“ soll, um „in wachsenden Ringen“ (was die Metaphysik der wahren Gestaltform [Schulz-Nieswandt 2024a] in der Lyrik von Rilke, wie auch schon in dem Denken der Entelechie und der Metamorphosen bei Goethe [Axer/Geulen/Heimes 2021; Hilgers 2002] entspricht) zu „werden“, dann wird

4. Die Natur im post-cartesianischen Weltverhältnis

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(1) deutlich, dass dies eine gravierende psychodynamische Veränderung des Menschen erfordert, um das Natur-konforme Weltverhältnis im Miteinander – als kollektives Lernen – zu entwickeln und nachhaltig zu pflegen, um, nun metaphorisch sprechend und dergestalt den binären Code des Dualismus von Kultur und Natur überwindend, zum Gärtner zu werden (Han 2018) und die Rolle des Wilderes und des Baumfällers des Rodens der Wälder aufzugeben (Möbius 2023). Quer zu diesen drei Stufen – quasi wie eine horizontale pneumatische Verknüpfungslinie der Verklammerung – liegt die hegemoniale Subjektformation (Hackbarth 2014) durch den Geist des neuzeitlichen Kapitalismus: Der Mensch in seinen drei Dimensionen des Weltverhältnisses wird beherrscht von den gouvernementalen Dispositiven der Akkumulationslogik des Bruttoinlandsproduktwachstums und der Fetisch-Religion der ewigen Innovationsschübe. Dieses geistige Regime einer Politischen Ökonomie prägt die Ästhetik der gesellschaftlichen Form und designed das Leben des Alltags. Drei Schritte einer dialektischen Analyse sind in der Folge zu gehen. (1) Der kapitalistische Geist des neuzeitlichen linearen Fortschrittsdenkens als Zeitlichkeitsmodus (Assmann 2013: S. 18 ff.) – dergestalt ist das Walten des Utilitarismus der rationalistischen Präferenz-Nutzen-Theorie der Neoklassik als instrumentelle Vernunft zu begreifen – ist zu einer epistemischen und praktischen Gewalt in der Aneignung der Natur als Ressource geworden. (2) Fritz Reheis (2023) – als Replik auf Schulz-Nieswandt (2023n) – kontrastiert diese Logik mit dem andersartigen, nämlich zirkulären und reproduktiven und somit a priori nachhaltigen Zeitrhythmus der Natur (zur Morphologie der Zeit vgl. auch Gloy 2006). Sodann ist überzuleiten zum dritten Schritt, der dialektisch zu leisten ist. 4. Die Natur im post-cartesianischen Weltverhältnis Worum geht es nun? Auch wenn der Allzusammenhang der Natur den Menschen und seine Kultur einstellend umfasst, kann der Mensch, infolge seiner ontologischen Position der epistemischen Distanz, das Problem der Überwindung seiner „Entfremdung als ontologische Obdachlosigkeit“ und die damit einhergehenden Stufen der Selbsttranszendenz eben nur vom eigenen Selbst herkommend denken, um diese Geometrie der intentionalen Direktionalität am Ende, im Rahmen einer „Kehre“, holistisch zu de-zentrieren (Mayer 2014)3 und sich als personale Mitte aktiver Passivität im Kosmos zu bewahren.

(3) Dann resultiert aus der Gegenüberstellung von These (1) und Antithese (2) als Synthese die Notwenigkeit eines anderen Weltverhältnisses, demgemäß sich (3.1) die Sphären des personalen Innenraums und (3.2) des zwischenmenschlichen Sozialraums (3.3) in die Logik des Naturraums, der alles – dies meine ich mit Allzu3 Vgl. zur neueren Schelling-Rezeption mit Blick auf eine Naturphilosophie: SchmiedKowarzik 2023.

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I. Zugänge

sammenhang, ohne hier pan-theistische Anleihen (vielleicht vorhanden in SchulzNieswandt 2021n) vermuten zu lassen – einfügend umfasst, einordnen. a) Das epiphanische Potenzial der aktiven Passivität Die Mutation der psychodynamischen Selbst-Aufstellung im Innenraum des Menschen kann erläutert werden durch meine Vorstellung von responsiver Phänomenologie (Schulz-Nieswandt 2023a). Denn die Übernahme der der Natur inhärenten Logik ihrer Zeitlichkeit passt zu dem, was ich als Haltung der „aktiven Passivität“ des Menschen bezeichnet habe, und die ich als Fähigkeit zur Offenheit für epiphanische Ereignisse (in einem post-säkularen, aber eben auch post-theistischen Sinne) verstehe (Schulz-Nieswandt 2023k; 2023l). Aber genau dies wäre eine Transformation der Psychodynamik, wonach Menschen, auch in der rationalistischen Moderne, wieder staunend den „Zauber“ der Welt – womit nochmals Rilke (Engel 2013), nun mit seiner animistisch anmutenden Ding-Philosophie (Severie 2019) in das Argumentationsgebäude eingepasst werden könnte – entdecken können (Schulz-Nieswandt 2021m). b) Die holistische „Kehre“ Deshalb kristallisiert sich das gravierende Problem der ideologischen Blockierung des sozialen Lernens heraus. Eine evolutionäre Anpassung des Menschen an die Eigenlogik der Natur hätte identitätserodierende Folgen für das Wohlstandsverständnis der heute etablierten Art. Diese „Kehre“ fällt folglich so ungeheuer schwer. Am Ende der vorliegenden Abhandlung werde ich daher folgende Frageperspektive in die große Problemdiagnostik des Kultur (3.1/3.2) $ Natur (3.3) – Verhältnisses

skizzieren: Vielleicht denkt der Mensch nach der kopernikanischen Revolution immer noch ptolemäisch, und sieht sich daher als die Mitte des Kosmos. Ich nenne das die Alpha-Linie: Subjekt ! Gesellschaft ! Natur,

während die Problematisierung der vorliegenden Abhandlung das andenkt, was ich die Omega-Linie nenne: Natur ! Gesellschaft ! Subjekt.

Die Naturphilosophie der Logik der ewigen reproduktiven Nachhaltigkeit würde das transformativ notwendige Weltverhältnis von Omega, nicht von Alpha her andenken. Erneut betone ich jedoch, dass diese notwendige Transformation eine transgressive – geradezu dionysische – Dynamik der psychodynamischen Subjektfor-

5. Wahrheit und Geschichte, Kausalität und Sinn

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mation benötigt, keine „neuen Menschen“, denn das Potenzial zu dieser Selbsttranszendenz ist Teil der Natur des Menschen. Bildungswissenschaftlich – auch mit Blick auf die politische Philosophie der Transformation – im Sinne einer pädagogischen Anthropologie bedeutet dies: Es geht nicht um eine gewaltsame Utopie wider der menschlichen Natur, sondern um das Ausschöpfen seines endogenen Potenzials. „Man sieht nur mit dem Herzen gut!“ (Antoine de Saint-Exupèry): „Visionen müssen den Horizont überschreiten.“ (Kadelbach 2001: S. 53). Und in diesem Sinne zitiert Kadelbach auch Paul Klee, der schrieb, Kunst zeige nicht das Sichtbare, sondern macht sichtbar. Aber das Verborgene, dass man sinnlich nicht sieht, aber in der Kunst sichtbar gemacht wird, ist als Verborgenes kein Nicht-Vorhandenes, sondern bis dahin ein nur noch nicht Sichtbares: Es geht demnach darum, „hinter dem Bild das Wesen zu erkennen.“ (Kadelbach 2001: S. 53)

5. Wahrheit und Geschichte, Kausalität und Sinn Worum geht es in der vorliegenden kleinen, aber dichten Abhandlung? Dies soll einleitend die orientierende Fragestellung sein. Die Antwortperspektive lautet: Mit Rainer Maria Rilke soll die Dynamik selbsttranszendenter Metamorphosen des Menschen als prozessontologisch fassbare Reifung der Person eine Anwendung finden in der Konzeptionalisierung einer psychodynamischen Soziologie, um mit ihr – das eigentliche Thema – den Wandel der Kultur des Sozialen zwischen Progression und Regression verstehen zu lernen. Eine methodologische und eine gegenstandsanalytische Ebene kommen also gemeinsam – quasi korrelativ – zur Entfaltung.

Wenn Bewegung und Veränderung die Leitidee der Moderne (bis hin zu einem prometheischen Wahn, den die Theologie, allerdings oftmals wiederum im Lichte ihrer eigenen fehlenden Demut, Hybris nennt) ist (Misik 2022), dann jedoch mit Blick auf das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Abhandlung nicht in der Leere der teleologischen Unbestimmtheit als Maßstabslosigkeit. Zu fragen ist stets nach dem Wieso und dem Warum des Wohin, wenn man das Leben daseinsmetaphorisch und mythopoetisch als Reise, wie einst schon bei Odysseus, versteht (Marneros 2017). Die Idee des Fortschritts (Wagner 2018) muss neu – wenngleich dennoch an alte humanistische Bahnen anknüpfend – gedacht werden. a) Wahrheit und Sinn Das betrifft auch die epistemologische Problematisierung des Zusammenhangs von Wahrheit und Wirksamkeit (Vogelmann 2022). Wenn die Veränderung wirksam ist, führt sie auch zur Wahrheit im Sinne der Daseinsgestalt der wahren Form (kategorial: Burdorf 2001) des Menschen? Dann hätte der Fortschritt bereits in der Form der verändernden Bewegung ihren Sinn. Das wäre demnach ein Denken der leeren Form. So kann, um die Spitze der Risikolandschaft dieses Nihilismus zu benennen, ein leerer Futurismus zur Kunstideologie des Technikfetischismus des Faschismus avancieren.

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I. Zugänge

Denn nur dann – trotz der Problematisierung bei Knöbl (2022) – wäre die Veränderung auch ein sozialer Fortschritt, wenn der Fortschritt als Metamorphose im Zuge einer humangerechten und naturphilosophisch achtungsvollen und somit progressiven Entelechie zu denken wäre. Wir stellen uns dergestalt also der von Jaeggi (2023) wieder erneut gestellten Frage nach (den Kriterien) der Möglichkeiten der Progression und der Regression (Geiselberger u. a. 2017). b) Kulturdiagnostik und Psychoanalyse Dabei soll die Psychoanalyse (Geißler 2001), immer auch kulturgrammatisch wie psychogrammatisch als eine Tiefenhermeneutik (König 2022) verstanden, und die Kritische Sozialtheorie traditionsgemäß sozialtheoretisch kohärent zusammen gedacht werden. Hierbei können, wie das üppige, aber eben auch der Belegstrategie der Argumentation ebenso wie der suchenden Orientierung der Lektüre dienende, Literaturverzeichnis deutlich werden lässt, die aktuellen Diskurse mit ihren begriffsstrategischen Elementen zunächst helfen, die Perspektive kritisch nachragend in Eckpunkten zu bestimmen. Ist unsere Gesellschaft, nahe am „Nervenzusammenbruch“, nicht mehr „normal“ (Lessenich 2022)? Schon diese Formulierung wirft Nachfragen einer Problematisierung auf. Ist diese hier anklingende kritische Pathologisierung als Kulturdiagnose – Überlegungen zur „Minima Moralia“ (Buhlmann u. a. 2023) einbringend und sozusagen den moralischen Fortschritt in dunklen Zeiten (Gabriel 2021) diskutierend – legitim, da es ja kein exogener Paternalismus ist, der hier als Position eingenommen wird, sondern, gekoppelt an die Idee der „Erziehung zur Mündigkeit“ hin, nur die endogene Modallogik der Dialektik der Gesellschaft in ihrer geschichtlichen Zeitlichkeit, problematisierend diskutiert wird? Es ist nach Auffassung der vorliegenden Abhandlung jedoch ein völliges Missverstehen der Geschichtsphilosophie der Kritischen Theorie, anzunehmen, dass es nicht um die Kritik aus der Immanenz der geschichtlichen Wirklichkeit herauskristallisierend oder destillierend ginge, sondern um die intellektuelle und elitäre Exogenität der Normativität als überhistorischer Maßstab. Vielmehr muss erkannt und sodann betont werden, dass die Idee der Würde als objektiver Geist von langer Geneaologie ist und weiterhin auch Teil der Ideenwelt der Faktizität ist. c) Linearität oder Kreisläufe Es mag sein, um hier semiotisch vorzugehen, dass die lineare Logik der hegemonialen (Opratko 2022) Idee des Fortschritts – verkürzt auf Wirtschaft und Technik, die als Treiber produktzyklische Sprunginnovationen neue Märkte (ein Todestrieb des kapitalistischen Akkumulationsregimes) generieren – abgelöst werden muss durch eine andere Symbolik (eventuell das Mäandern: Demuth 2023) der Zei-

5. Wahrheit und Geschichte, Kausalität und Sinn

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chensprache der Veränderung, die bislang ihr Maß in der Vermessung (Mau 2017) des Bruttoinlandsprodukts (Lepenies 2013) fand. Mit der kapitalistischen Logik korreliert ein Komplex der Diagrammatik (Krämer 2016), die über die Bildproduktion der interpretativen Wahrnehmungsformen die Denkformen an die (Geldvermittelte: Fohrmann 2016) Warenform knüpft (Freimann 2013). Es geht auch nicht nur um die technikphilosophisch breit diskutierte Frage nach der Legitimität der technischen Innovationen. Es geht um soziale Innovationen in der Kultur der sozialen Praktiken, die hier nun nach normativ-rechtlichen Kriterien und Maßstäben, die ihrerseits auf onto-anthropologischen Grundlagen im vorgängigen konstitutiven Rahmen der conditio humana basieren, ethisch problematisiert werden. Es geht sodann auch um die organische Einbettung in den Allzusammenhang (Tingyang 2020). All dies hat als Überwindung des Individualismus nichts mit Kollektivismus zu tun (Eichler 2022), sondern mit einem solidaristischen Personalismus. Es ist folglich eine equlilibrative Mitte in einem – jenseits von Individualismus und Kollektivismus als Bi-Polarismus definierten – alternativen morphologischen Vektorraum nach-euklidischer Geometrie der Kultur der Polis im Kosmos zu denken. Die Welt, auf die hin das Subjekt sich aufstellt, ist immer schon ein vorgängiges Gegeben-Sein.4 d) Stichworte Die kleine Abhandlung will „Stichworte“ (Heinrich-Böll-Stiftung 2020) – die zugleich Trigger-Funktion für die Konfliktformationen haben (Mau/Lux/Westheuser 2023; Nassehi 2023) – aufgreifen, sie aber nochmals im Lichte einer spezifischen Perspektive anders auslegen als üblich. Im Titel der vorliegenden kleinen Studie kommen zwei berühmte Sätze von Rilke (Engel 2013) zur „Verwebung“. Der Aufruf, das Leben zu verändern, ist nicht als billige Variation der Wahl eines individuellen Lebensstiles zu verstehen. Es geht um die Suche nach der wahren Daseinsform. Diese folgt der dynamischen Gestaltfigur des Werdens in wachsenden Ringen (Kruse 2023) entlang der Selbsttranszendenz des Menschen in verschiedenen konzentrischen Kreisen seines Weltverhältnisses. Die Entelechie, die man auch an der Gestaltlehre von Goethe festmachen könnte (Axer/Heulen/Heimes 2021) und die geschichtlich offen ist und bleibt, muss in der 4

So wird man das Derrida-Paradoxon der Unmöglichkeit der reinen Unbedingtheit (eigentlich eine theologische Kategorie, die philosophisch zu reflektieren wäre: Resch 2016) der Gabe in der sozialen Mitwelt anerkennen müssen, aber die phänomenologische Sicht der Gegebenheit der Welt dabei als trans-utilitaristische Kategorie zu verstehen haben, denn die Welt geht in einer instrumentellen Vernunft des zweckrationalen homo oeconomicus (mit der Möglichkeit der charakterneurotischen „Verstiegenheit“ bis hin zu Pleonexia) nicht vollumfänglich auf. Vielmehr sollte man vom Status einer „bedingten Unbedingtheit“ der sozialen Gabe ausgehen. Damit wird auch die Anerkennungstheorie von einem kryptischen Ego-zentrierten Nutzenargument zu befreien sein, wobei mit Blick auf eine psychodynamische Entwicklungspsychologie das Thema hinreichend gründlich (tief) durchdekliniert werden sollte.

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I. Zugänge

Wechselwirkung zwischen ontogenetischen Veränderungen einerseits und kollektiven Entwicklungsrichtungen andererseits begriffen werden. Dabei hängt die Modalität einer kollektiven Regression – trotz aller Wechselwirkungslogik – von der Progression der ontogenetischen Ausdrucksgestalten ab, weil das Abstraktum Gesellschaft als Makro-Kollektiv nichts anderes ist als die figurative Aufstellung der Individuen (Schimang 2021), die von einer formalen Soziologie morphologisch thematisiert werden. Dies ist keine Variante eines methodologischen oder gar zugleich normativen Individualismus (Flahault 2023), weil wir ja vom vergesellschafteten Subjekt ausgehen. Die Richtung des Gestaltwandels bedarf einer Klärung des stofflichen Motivs (somit die Suche nach den Spuren im Lichte einer humangerechten – denn der Humanismus ist nicht tot [Goldstein 2023] – Personalisierung im Kontext eines nachhaltig gepflegten Planeten in einem achtsamen Anthropozän [Bostrom 2020] als Alternative zur abgründigen Destruktivität der Zivilisation: Chomsky 2021) des menschlichen Dramas zwischen Biographie und Gattung.

II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit In einer Reihe von Abschnitten soll nun die Polaritätsstruktur – in Bezug auf die bi-polare, idealtypisch fassbare Weichenstellung in der einerseits ontologischen, andererseits historisch erörterbaren Konstellation des Menschen im Anthropozän zwischen Progression versus Regression – sowohl als kulturgrammatisches wie als psychodynamisches Problem behandelt werden. Diese Problematisierung der direktionalen Möglichkeiten der Metamorphosen der individuellen wie auch der kollektiven „Kulturseele“ der Menschen, wobei beide Abstraktionen, das Individuum und das Kollektiv, ohnehin eine figurative Einheit der transaktionalen Wechselwirkung darstellen, wird sodann ontologisch eingestellt in den – auch in der Moderne noch kosmologisch verstehbaren – Allzusammenhang der Natur. Wenngleich die Analyse aus epistemologischen Gründen vom post-cartesianischen Subjekt einer responsiven Phänomenologie den Ausgangspunkt in der passiven Aktivität des Subjekts nimmt, ist eben dieses Subjekt trotz seiner Mitte der Wirklichkeitsverdichtung de-zentriert aus der ontologischen Perspektive des kosmischen Allzusammenhangs. 1. Negative Poetik Worum geht es, wenn man den wissenschaftlichen Charakter der vorliegenden Abhandlung charakterisieren will? Der Gegenstand der vorliegenden kleinen Abhandlung ist die Idee einer negativen Poetik: Thema dieser, eben nicht beliebigen und zufälligen (Han 2023) oder gar auf Verkehrung (Sasse 2023) abstellenden Erzählung eines Dramas sind, wie am Ende der Einleitung betont wurde, die Metamorphosen der Entelechie auf dem Weg zum Telos der objektiven Idee der Personalität. Wissenschaft ist hierbei nicht, weil ja von Poetik (Geisenhanslüke 2018) die Rede ist, als reine Fiktionalisierung (Gabriel 2023) zu verstehen, sondern vielmehr im Sinne einer analytischen Nacherzählung als rekonstruktiver Realismus – als Poetik der dialektischen Ästhetik der sozialen Form-Findung im Lichte einer erhofften Signatur der Humangerechtigkeit und der Naturgerechtigkeit – zu begreifen.

Das gelingende Dasein der wahren Form des Menschen als – wie ergänzt werden muss: genossenschaftliche bzw. genossenschaftsartige – Person ist das Kriterium der Kritischen Theorie (mit Bezug auf Adorno: Gordon 2023).

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

a) Navigatorischer Stern Die hierzu notwendige sozialontologische Verknüpfungsleistung zwischen Adornos Negativer Dialektik (Adorno 1966) und seiner Ästhetischen Theorie (Adorno 2003) – dann aber nicht mehr als Soziologie eines Sektors der Kunst als Praxisfeld relativer Autonomie in einer ansonsten unwahren Wirklichkeit, sondern als Sozialtheorie im epistemischen Modus einer Ästhetik, die die Form des Lebens unter dem orientierend leuchtenden, also navigatorischen Stern der Ausdrucksgestaltwahrheit zum erkenntniskritischen Gegenstand des Menschen als „Naturwesen mit Geist“ hat – kann und soll nicht hier, sondern wird, nach vielen Vorstudien, an anderer Stelle geleistet (Schulz-Nieswandt 2024a). b) Nicht wider der Natur: endogenes Potenzial der conditio humana Über die Konkretheit der Utopie, die hier als Verdacht geäußert werden kann, kann man streiten. Die Resultate der Analyse, die hier generiert werden, fordern dem Menschen viel ab. Diese erwarteten Metamorphosen stellen jedoch auf eine Entelechie der daseinswahren Form der Lebensführung des Menschen als verändertes Wertverhältnis ab, die nicht „wider der Natur“ des Menschen ist. Dies wäre Gewalt, die man dem Menschen antun würde. Und es geht explizit nicht um eine Transformation aus dem Geiste des Hasses, deren Ausdrucksgestalt die Gewalt ist: Solche Revolutionen fressen ihre Kinder, bevor die überhaupt geboren sind. An dem großen modallogischen Projekt kann der Mensch im Zuge eines verfehlten kollektiven Lernens scheitern. Die erreichten Erkenntnisse im Zuge der Einnahme einer exzentrischen Positionalität über die ontologische Obdachlosigkeit, die die ontologische Distanz – und hier gleitet die Analyse in den nächsten Abschnitt über – der Menschen in ihren weltgeschichtlichen Lagen aufzeigt, können die Menschen zu tragischen Helden (w/ m/d) werden lassen. Trotz besseren Wissens gelang die transgressive Selbstveränderung nicht. Der dionysische Überstieg hätte demnach nicht jenen Schwellenwert überschritten, der die Einführung einer neuen apollinischen Ordnung eines daseinswahren Gleichgewichts zwischen dem Innen-Raum, dem sozialen Mit-Raum und dem allumfassend integrativen Natur-Raum bedeuten würde. Der Mensch würde also Schiffbruch erleiden. Das Besondere wäre, dass er jetzt nicht nur mittelbar betroffener Beobachter wäre, sondern sich selbst im Kontext seines Schiffbruchs beobachtet. 2. „Schiffbruch mit Zuschauer“ Worum geht es? Im Anschluss der Metaphorologie über den mythopoetischen Wandel der Figur als Aufstellung „Schiffbruch mit Zuschauer“ von Hans Blumenberg (1997) und seiner Rekonstruktion der Geschichte der remythisierenden Arbeit an der daseinsthematischen

2. „Schiffbruch mit Zuschauer“

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Wahrheit des Mythos (Blumenberg 2006) soll die Problematik der Fragestellung selbst problematisiert werden.

Wir greifen hier ein Einzelwerk von Hans Blumenberg heraus, ohne auf sein Gesamtwerk intensiver eingehen zu können. Dennoch müssen einige Bezüge der hier im Mittelpunkt stehenden Metapher zu den konstitutiven Fragen in Blumenbergs Gesamtwerk angesprochen werden. Dabei geht es mir nicht primär um die Methodologie der Metapher (als Metapherologie), die mich in meinen Studien zur Theorie der qualitativen Sozialforschung beschäftigt hat. a) Genealogie des Aufstiegs des neuzeitlichen Subjekts Das Werk von Hans Blumenberg (Zill 2020; Goldstein 2020) liest sich wie eine Genealogie des Aufstiegs des neuzeitlichen Subjekts. Dies bestimmt seine Darlegung der kopernikanischen Revolution und den Verlust der Lebenswelt im Zuge von Wissenschaft und Technik sowie dem daseinsthematischen Komplex von Legitimität, Selbstbehauptung und Selbsterhaltung. Darüber hinaus bestimmt es aber auch seine rekonstruktive Geschichte der ewigen Arbeit (an der daseinsthematischen Wahrheit) des Mythos, die u. a. den prometheischen Wahn zum Gegenstand hat. Es geht also um (die „nackte Wahrheit“ der) Weltbeherrschung als Weltverhältnis. Nicht nur gewisse kulturkritische Dimensionen stellen Blumenberg in klassische Traditionen (der Entzauberung der Welt durch den Rationalismus der Lebensführung) der Kritik der instrumentellen Vernunft. Genau diesen Wandel der Weltverhältnisse des Menschen reflektiert Blumenberg auch in „Schiffbruch mit Zuschauer“. b) Distanz und Partizipation, Faszination und Angst Das Meer hat – im Spektrum seiner Ambivalenz – den Menschen immer schon fasziniert. Es geht um die Leidenschaft der Reise angesichts der Weite, um Melancholie angesichts der symbolischen Daseinstiefe metaphorischer Sichtung des Horizonts, sodann auch um Abenteuer und eben auch Eroberung. Es geht aber auch um Respekt angesichts der Kraft und der Macht des Meeres, um tiefsitzende Ängste (und der Sorge angesichts) des Verlierens. Der große Mensch der Aneignung seiner Um-Welt wird dann doch wieder klein angesichts der Weite und der machtvollen Kraft der Elemente. Doch das Meer ist nur exemplarisch für jenen „Absolutismus der (übermächtigen) Wirklichkeit“, die Blumenberg behandelt. Denn die analoge Genealogie kann man in Bezug auf das – eben wiederum prometheische – Feuer schreiben. Es ist aber die Position der Distanz, die hier interessiert. Der Mensch ist in der Rolle des Zuschauers: Deshalb kann er hermeneutisch die ganze Polyphonie der Urelemente – einst als anthropomorphe Titanen figuriert – in seiner interpretativen Verarbeitungswahrnehmung als kreative Mimetik entfalten: Er kann Mitleid mit den

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

Schiffbrüchigen haben, er kann aber auch das Sinnbild des ikarischen Menschen erkennen mögen. Letztendlich kommt in der Metapher vom Schiffbruch mit Zuschauer die exzentrische Positionalität (die an eine „ontologische Distanz“ geknüpft ist) des Menschen zum Ausdruck. Hier kämpft er – bis hin zur Figur des tragischen Helden als Selbsterkenntnis im Strukturationsraum der Macht des Schicksals (einst als das Walten der Götter und Göttinnen begriffen) – mit den Grenzen seiner conditio humana, die Blumenberg mit seinen „Beschreibungen des Menschen“ in die Tradition der Klassiker der philosophischen Anthropologie (Fischer 2022) stellt. Und dann, wenn der moderne Mensch den Sternenhimmel (nach dem Ausgang aus der „Höhle“) betrachtet, ohne dabei noch sinnhaft an die alte Mythologie anzuknüpfen, wird ihm seine Einsamkeit quasi in einer Art von ontologischer Obdachlosigkeit spürbar. 3. „Naturwesen mit Geist“ am Abgrund Worum geht es hier nun? Es geht um die Nutzung einer Diagnostik der kulturgrammatischen Modallogik der Post-Corona Zeiten als Spurensuche des Ringens zwischen kollektiver Progression und kollektiver Regression auf psychodynamischer Grundlage. Was ist mit dem Menschen geschehen und was wird daraus weiterhin weichenstellend wirksam sein? Denn sowohl inkludierende Solidarität als auch Würdeverletzungen durch grundrechtstheoretisch gravierende Exklusionen waren praxeologisch zu beobachten. Anders, sozialontologisch auf eine dynamische Kulturgrammatik bezogen, formuliert: Die chinesische Gestaltfiguridee von Yin-Yang wird hier als Einheit der psychomotorischen Systole und Diastole, als soziale Morphologie des Ringens zwischen der zentrifugalen Fragilität und der zentripetalen Kohäsion der Wirklichkeit des Lebens aufgefasst.

Die psychodynamische Kulturgrammatik wird hier nicht systematisch fundiert und entfaltet. Dazu ist u. a. in Schulz-Nieswandt (2023g) eine Applikation vorgelegt worden, wo die kulturgrammatischen Bausteine auf psychodynamischer Grundlage in einer angewandten Analyse generiert und expliziert worden sind. a) Narrative Vielfalt in der Statuspassage und im Coping derselben Wir wollen hier die Corona-Krise als „Statuspassage“ der Gesellschaft aufgreifen, die zum Brennglas der Analyse der weiteren Kulturentwicklung dienen kann. Die Corona-Krise hatte – fassbar in ethnographischen Erzählungen (Jonker 2021) – viele Gesichter (Müller 2021). Dennoch soll von der Vielfalt sinnvoll abstrahiert werden, damit die beiden Richtungen in der Ordnung der binären Weichenstellung deutlich werden können. Die wissenschaftlichen (und in der Qualität unterschiedlich gut methodisch kontrollierten) rekonstruktiven Nacherzählungen dieser Erzählungen der sozialen Wirklichkeit und ihren tatsächlichen Geschehnissen als Erlebniserfahrungsord-

3. „Naturwesen mit Geist“ am Abgrund

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nungen haben ebenfalls viele Gesichter. Die Wahrheit liegt deshalb nicht nur nicht im statistischen Durchschnitt, und auch nicht nur in den statistisch im regressionsanalytischen Sinne versteckten Heterogenitäten, sondern vielmehr in der (nicht völlig freien) Wahl des epistemologischen Zugangs und in der Frage der humanistischen Maßstäbe, an denen die Faktizitäten normativ (onto-anthropologisch, rechtsphilosophisch, ethisch) vermessen werden. Nicht nur in der Praxis der sozialen Wirklichkeit korreliert das praktische Tun der Menschen ja nicht mit der objektiven Realität, sondern mit der subjektiv interpretierten, aber eben kulturell codierten und sozial strukturierten Wirklichkeit, vermittelt über Resilienz, Kohärenzgefühl, Spiritualität etc. Auch der wissenschaftliche Blick ist nicht frei von transzendentalen „Frames“, nicht nur, folge ich den Begriffen der Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus, im Entdeckungszusammenhang und Verwertungszusammenhang der Forschung, sondern auch im Kern (des sog. Begründungszusammenhangs) der Theoriebildung (Devereux 1994; Bachelard 1978). Dies wirft subjektiv irritierende und objektiv tatsächlich auch erodierende Fragen mit Blick auf ein simplifiziertes Verständnis der Werturteilsfreiheit in der Wissenschaftslehre auf. Die Corona-Krise wurde breit im Bereich der Auswirkungen in Medizin und Pflege (vgl. u. a. Mai 2021; Breitbach/Brandenburg 2022, hier nicht wieder aufgreifend) oder auch im Feld der Sozialen Arbeit (Tosone 2023) diskutiert. Natürlich gilt dies auch mit Blick auf die Wirtschaft und auf die Arbeitswelten (Pichler/Küffner 2022; Herbst/Mautz/Vogel 2023; Raehlmann 2022; Wannöffel/Gensterblum 2022). Ferner gilt dies auch mit Blick auf den Komplex von Gender-Relationen, Familienformen und Vereinbarkeitsfragen (in Bezug auf Beruf und Familie), die in der Literatur zum Thema (Kupfer/Stutz 2022) gemacht worden sind. b) Der Geist des Geschehens Es soll hier nicht der Versuch unternommen werden, die gesamte Literatur zur Corona-Krise – im Büchermarkt sind für die nahe Zukunft eine Fülle von Aspektreichen Monographien angekündigt – zu sichten und dahingehend (die Fragestellung in Schulz-Nieswandt/Köstler/Mann [2021a] thematisch wie sektoral ausdehnend/ erweiternd überwindend) auszuwerten, was mit dem Menschen (psychologisch: Christiansen/Lueken 2023) und mit Blick auf den Wandel seiner sozialen Figurationen (Elias 1991) und mit Blick auf den quasi-pneumatischen Geist, der diese sozialen Figurationen leitet und organisiert, geschehen ist. Was ist dieser Geist? Wie ist er ideologiekritisch (Ritsert 2020) zu charakterisieren? Ist es wirklich eine „Neue Normalität“ (Ahrens 2022), zu verstehen als ein biosoziales Gouvernementalitätsregime?

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c) Post-Strukturalismus als Methodologie und als Ideologie Der Post-Strukturalismus, hier verstanden als eine politische Haltung, läuft oftmals Gefahr, die ontologische Unhintergehbarkeit der Vergesellschaftung als anthropologische Konstante (Daston 2023) zu verdrängen, um problematische Formen der Subjektivierung (Schulz 2023), z. B. in der Art neoliberaler Zurichtungen, zu kritisieren (Schulz-Nieswandt 2024f). Aber auch das Paradies hat einen gouvernementalen Geist, sei dieser auch die Idee der Liebe1. Das politische Missverständnis resultiert aus einem postmodernen Dekonstruktivismus, der einerseits die sog. großen Erzählungen ablehnt und andererseits die methodologische De-Zentrierung des Subjekts als Ablehnung jeglicher Anthropologie umdeutet. Die epistemologische Historisierung der Wahrheitskämpfe führt in der Folge zu einer spezifischen Historischen Anthropologie, die eigentlich keine Anthropologie ist, weil ihre einzige universale Kategorie der Wandel ist. Gleichwohl wird der Vorwurf des Nihilismus und Relativismus (Sievi 2017; Eldracher 2018) zurückgewiesen.2 d) Stichworte einer dynamischen Dependenzgrammatik Die Analyse kann sich an eine sprachspielerische Hypothese von Sloterdijk anlehnen. Die Botschaft bei Sloterdijk ist allerdings eigentlich nicht neu, sondern ist u. a. rechtshermeneutisch aus dem Art. 2 GG zu entnehmen, wo es um die von Rücksicht geprägte gemeinsame Freiheit im Sinne Rawlsianischer Pareto-Lösungen, wonach negative Externalitäten (Lessenich 2018) vermieden werden müssen, weil das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht auf Kosten Dritter verwirklicht werden darf, geht. „Ko-Immunismus“, so sein Begriff, meint die normativ-edukative Orientierung der Individuen auf die Pflicht zum wechselseitigen Schutz. Dies erfordere eine neue Definition von Zusammensein, eine „veränderte Grammatik unseres Verhaltens“ (Sloterdijk 2021). Was ist daher die Zukunft, die auch aus der kollektiven Corona-Erfahrung resultiert? 1

In allen Sphären (analytisch fassbaren Subsystemen) der Welt – Politik, Verwandtschaft, Wirtschaft, Religion etc. – schafft die generative Gabe als performative Praxis Bindungen. Mitunter mit Blick auf politische Allianzen, horizontale Bindungen in einem figurationssoziologischen Sinne zwischen Menschen, Gruppen, Nationen (Mauss 2017) etc. (Marschelke 2022), zwischen Geschlechtern und Generationen, auch zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie vertikale Bindungen zwischen der Erde und dem Himmel als Wohnort der Götter und Göttinnen (Berti 2017) und anderen unsichtbaren Entitäten. 2 Dennoch bleibt die Frage einer Lücke in der normativen Verankerung der Reziprozität der Anerkennung als kommunikative Ordnung der Intersubjektivität – also die Frage nach einer rechtsphilosophischen und letztendlich auch ethischen Verankerung der Reziprozität in der modernen Naturrechtslehre des überpositiven Rechts der personalen Würde (Art. 1 GG) in Verbindung mit dem Sittengesetz (Verbot negativer Externalitäten bzw. Gebot ihrer Minimierung im Art. 2 GG) in Grundrechtskonventionen, in Menschenrechtschartas, im Verfassungsrecht (sozusagen das Böckenförde-Diktum in der Form des transzendentalen DurkheimTheorems der non-kontraktuellen Voraussetzungen auch der deliberativen Kontraktgesellschaft) – hinreichend zu diskutieren.

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Nochmals anders gefragt: Resultiert aus dem fragilisierten Zusammenleben (Illhardt 2023) eine neue Form bzw. Stufe von Solidarität? Oder ist dies auch wieder nur eine „Überforderung“ (Nassehi 2021) der Gesellschaft, wie schon im Fall des Krisenmanagements (Frommeld/Gerhards/Weber 2023), das zwischen „Macht und Ohnmacht“ (Lange 2022) und in der Atmosphäre der „Irritationen“ (Bruns/Ronge 2021) im Verhältnis von Gesellschaft und Staat abgelaufen sein soll? Natürlich war Corona ein „Störfall“ (Gansel/Pérez 2022). Doch Was und Wer wurde Wie, Wo, Wann und Wieso/Warum gestört? e) Zwischenfazit Ja, Demokratie ist eine „Zumutung“ (Schönberger 2023), aber eine Zumutung (des Erlernens: Richter 2023) zur gemeinsamen Freiheit. Doch so allmählich und mühsam die verschlungenen Wege – einen Berg zu besteigen verweist einerseits auf den Berg als Symbol (Mehrbrey 2023) der Herausforderung im Lebens, andererseits auf den Aussichtspunkt als Freiheit des weiten Blicks – dieses Erlernens auch waren: Auch nach Ausschwitz bleibt Demokratie offensichtlich fragil. f) Ein Essay in der Landschaft der Literaturflut Während der gesamten Laufzeit der Pandemie boomte eine sozialepidemiologische Forschung, die weltweit zu kaum noch überschaubaren Journal-Publikationen führte. Es geht vor allem um die Frage nach der sozialen Ungleichheit (Butterwegge 2022) in der Betroffenheit und – uno actu als doppelte Diskriminierung – in der Bewältigungskapazität (Müller 2022). Die bedeutsamsten Konturen einer gesellschaftspolitisch motivierten sozialtheoretischen Einschätzung (Florack/Korte/ Schwanholz 2021; Lemke 2021; Lenz/Hasenfratz 2021; Thießen 2021; Nagel 2021; Richter 2021) kristallisierten sich bereits (früh schon: Volkmer/Werner 2020; Kortmann/Schulze 2020; Iskan 2020) in der Mitte der Verlaufsdynamik der Pandemie heraus. Dazu gehörte eine bunte Landschaft von demokratietheoretischen Erörterungen (Hentges/Gläser/Lingenfelder 2021; Fabio 2021), wobei nicht selten gar nicht geklärt wird, was unter Demokratie – angesichts der Vielfalt der Varianten demokratischer Regime – zu verstehen ist. Ferner nachgefragt: Geht es um den Staat als Regierungslehre oder um eine Analyse des politischen Systems, das auch die Rolle der Medien (Krewani/Zimmermann 2022) beachtet? Was sind die Macht- und die Herrschafts-Verständnisse? Wie werden Legalität und Legitimität, Effizienz (Effektivität der Politik-Performanz) und Beteiligungskultur, Verfahrensrationalität und Wertebezogenheit in ihren komplizierten Beziehungen bis hin zu einer komplexen Gewebestruktur als Struktur-Funktions-System verstanden? Und liegt der Fokus solcher Problematisierungen wirklich darin, dass eine Pandemie-Katastrophe „inszeniert“ war (Caduff 2018) von Propheten souveräner Macht? Mit Schrecken muss man vermuten, es gäbe auch linke Verschwörungstheorien. Ohnehin ist zu beob-

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achten, wie sich die „Cancel Culture“ auch als linke Wut- und Hasskultur entfaltet. Selbstregulierung der Affekthaushalte gehört ebenso zur notwendigen Kritik wie die ethische Balance zwischen Gesinnung und Verantwortung. Exkurs über die Irrungen eines linken Hyper-Moralismus Manchmal muss man sich tatsächlich fragen, was eigentlich „links“ ist. Es sind die humanistischen Werte der Würde und ihre sozialtheoretischen Transzendentalien der Solidarität und der Gleichheit der (Accessibility der) Teilhabemöglichkeiten und des Telos der Freiheit, aber immer auch die Humangerechtigkeit der Art und Weise ohne jakobinische Schreckensherrschaft in ihren vielen post-revolutionären Gesichtern, die bereits während der Transformationsarbeit zur Wirkung kommen. Die Verteidigungsrede ist bekannt: Wie Du mir, so ich Dir: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Die rechtsethnologisch archaische Figur von Tun und Vergeltung ist eine Engführung des Reziprozitätsgebotes. „Hass spricht“ ist nicht nur ein Ausdruck der Kritik rechter struktureller Gewalt. Erobert man sich aus Hass heraus die Herrschaft, so folgt die Risikoselektion: einerseits die Exekution, andererseits die Umerziehungslager. Die Differenz von Legalität und Legitimität im Lichte der Differenz zwischen dem „Geist der Gesetze“ (einschließlich des überpositiven Rechts) und der Rechtswirklichkeit ist de facto eine schmerzhafte Erfahrung, die zur Empörung führen sollte. Doch was resultiert in welcher Art und Weise aus der affektuellen Empörung? Es ist dann vom Ende der Geduld angesichts der Sisyphosarbeit der Deliberation die Rede. Es wird dann ein Zynismus der Gelassenheit konstatiert. Und das komplizierte ethische Spiel zwischen Kritik, Toleranz und Vergebung wird nicht mehr auf dem notwendigen hohen Niveau gespielt. Es gibt dann eben die schmutzigen und die heiligen Kriege, die böse und die legitime Gewalt. Die Idee eines „letzten Gefechtes“ bedarf dann einer selbst ernannten „letzten Generation“. Dabei war angesichts des Elends in der Weltgeschichte jede Generation immer schon in der Situation einer letzten Generation. Der charismatische Wanderprediger Jesus hat die messianisch aufgeladene geschichtliche Jetzt-Zeit – um an neuere Paulus-Studien anzuknüpfen – eröffnet. Seit Verkündigung seiner einfachen, weil lebensweltlichen Alltagsmoral der solidarischen Nächstenliebe ist jede Generation die aufgerufene Generation. Das Kerygma knüpft die Soteriologie des Telos an die Sozialeschatologie der Geschichte. Aber es ist eine kohärente Einheit von Wertrationalität und Ethik der Praktiken, die hier verkündet wird.

Von breiter Bedeutung wurden auch Szientismus-Kritiken (Hauer 2023; Birkner 2022) oder auch eine Kritik an die „epistemische Macht“ einer medizinisch-epidemiologischen Mono-Zentriertheit des Blicks (Münch 2022; Hall 2021; Klimczak/ Newiak/Petersen 2022; Heidingsfelder/Lehmann 2020; Besand 2021) vorgelegt und entfaltet. Aktuell wechselt die Situation nunmehr zugunsten von Rückblicken (Hattendorff u. a. 2023), die ein Fazit mit Blick auf zukünftige Formen der Kultur der sozialen Praktiken der Krisenbewältigung (Staab 2022) darstellen. g) Weichenstellung im Zeichen der „Eule der Minerva“ Genau dieses Ausblicks-hafte Fazit soll das Thema der vorliegenden Abhandlung sein. Wie steht es um die Gestalt und um die dynamischen Metamorphosen des sozialen Zusammenlebens? Es geht nicht um Fatalismus im Übergang zur apokalyptischen Vision. Aber der europäische Raum (Schulz-Nieswandt 2023f) steht

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bereits im Schatten der Eule der Minerva der Hegelschen Rechtsphilosophie, die ihren Flug begonnen hat. Was kommt am Morgen danach? Es „dämmert“ und Wege vom Dunklen ins helle Licht werden gesucht (Voller 2022; Helfritzsch 2022): Es geht um Problematisierungen und um die sensible Offenheit für die anstehenden Weichenstellungen und Umkipp-Situationen. Und damit geht es natürlich um die uralte große Frage von Gut und Böse, prädikative Fluchtpunkte von Haltungen der Generierungen des Tuns, die beide dem Menschen verantwortlich und somit kausal zuzurechnen sind. Insofern wären beide Perspektiven !

Progression

das Gute $ das Böse ! Regression

die semantischen Dimensionen im fundamentalen binären Code in einer „Kollapsologie“ (Servigne/Stevens 2022). h) Kohäsion – eine Antwortsuche zwischen Anthropologie und Historismus Die eher klassische (manchmal als neue Theorie „vermarktete“: Bayramoglu/ Varela 2021) Frage in der Soziologie, was Gesellschaften zusammenhält und was sie auseinandertreibt (Kronauer 2020; Ratzenböck u. a. 2023; Salheiser u. a. 2023), soll hier nun in einer ganz spezifischen Weise aufgegriffen werden, indem ein oszillierendes Wechselspiel zwischen (1) der Ebene einer onto-anthropologischen Betrachtung und (2) einer historisch-konkreten Analyse versucht werden soll. Dies ist dadurch indiziert, dass es sich um die Bewältigung existenzieller Krisen im Verbund mit daseinsthematischer Tiefe handelt (Wintersteiner 2021; Gärtner 2020). i) Sozialistische Utopie versus Restauration Und auch in dieser Rolle der Soziologie wird eine Dualität wirksam. Blickt man auf die europäische Theoriegeschichte der Soziologie, so ist die Soziologie nach der französischen Revolution immer eine Disziplin aus der Krise (vor allem aus dem Kontext der klassischen sozialen Frage) heraus gewesen und thematisierte einerseits (in einem breiten Spektrum) Ideen der Progression zwischen Sozialreformidee und sozialistischer Utopie, andererseits aber auch regressive Ideen der Restauration oder auch eher sozialkonservative Ideen ständisch-organischer Gesellschaftsordnungsvorstellungen. Es folgte in Deutschland in der unvollendeten Moderne, die von Anfang an in der Krise war, die irrationale Wende zum Faschismus. j) Problematisierung als Methode im Lichte sozialeschatologischer Heilslehre Um diese ganze dialektische Landschaft in der Gegenwartsdiagnose verstehen zu lernen, folgen wir der Foucault’schen Methode der Problematisierung (vgl. die Anwendung in Schulz-Nieswandt 2023c), die keine einfachen Antworten sucht,

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sondern eher Ambivalenzen, Ambiguitäten und polyphonen Entwicklungen auf der Spur ist. Dennoch – somit vielleicht auch gegen Foucault – wird die Erörterung sich nicht in einer Dekonstruktion mit der Folge postmoderner bunter Vielfalt verlieren, die ihre normative Relativität als Toleranz ausgibt und sich damit in der Leere eines drohenden Nihilismus zu verirren droht. Die große Geschichte einer humanistischen Geschichtsphilosophie der Hoffnung auf ein Noch-Nicht – als prozessdynamische Ontologie ein Zusammenspiel von Naturrecht, Menschenwürde und Geschichte, Geist, Hoffnung und Utopie – bleibt wie ein navigatorischer Stern der Spurensuche erhalten: Ich bin, doch muss ICH erst noch werden, was WIR sind (Bloch 1985). Und all diese Auseinandersetzungen über Christentum, Marxismus und Atheismus verweisen eher auf Spuren einer post-theologischen und zugleich post-säkularen Sozialeschatologisierung jüdischen Denkens durch Rezeption mystischer Traditionen, sich den epiphanen Ereignisses des Gottes Kairos zu stellen. Mit nochmaligen Bezug auf den obigen Diskurs bedeutet dies jedoch: In der messianisch aufgeladenen Jetztzeit der Geschichtlichkeit war jede Generation, ontologisch gesehen, die letzte – weil auserwählte, d. h. aufgeforderte – Generation. Reine Gesinnungsethik – die zur Doxa struktureller Gewalt führt – ist aber angesichts der Limitationen der conditio humana des Menschen eine Haltung charakterlicher Verfehlung, die nicht von der analogia entis-Philosophie der Gottähnlichkeit des Menschen gedeckt ist. 4. Szenisches Problematisieren des figurativen Wandels Worum geht es? Die Methodologie soll nochmals vertieft werden. Die Analyse der Weichen-stellenden Folgewirkungen der kollektiven Statuspassage der Corona-Krise soll – ohne hier traumapsychologisch (Seidler u. a. 2021) zu übertreiben – mittels der Methodologie der „Problematisierung“ als Anwendung eines szenischen Verstehens (Reinke 2013; Simonelli/Zepf 2015; Dörr/Schmid Noerr/Würker 2022) als figurative Soziologie kollektiver Aufstellungen (Müller-Christ/Pijetlovic 2018) skizziert werden.

Dazu muss – fundamental auf eine zentrale Kategorie abzielend – ausgeholt werden. „Paideia“ bezeichnet in der aristotelischen Philosophie die Pädagogik der Polis: Gemeint ist intentional die Formung der Person als tugendethische Funktionsvoraussetzung des politischen Gemeinwesens. Gelingen und Scheitern hängen von dieser Vergesellschaftung als Subjektivierungsformation ab. a) Sozialcharakter und soziale Form In diesem Lichte betrachten wir die soziale Kohäsion der Gesellschaft in ihren Formen des Zusammenlebens psychodynamisch als abhängig von der Skalierung des durchschnittlichen Sozialcharakters jenseits von charakterneurotischen Verstiegenheiten (Binswanger 2010). Damit gewinnen wir einen epistemischen Schlüssel zur Gesellschaftsanalyse, hier mit Blick auf die Frage, was in der Post-Corona-Zeit kulturdiagnostisch – also mit Blick auf die Kultur der Codierung der sozialen Praktiken in der performativen Praxis der Konstruktion von Wirklichkeit als Formen

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sozialer Beziehungen – zu erwarten ist. Das soziale Zusammenleben kann idealtypisch als Gestaltausdruck die Formen des Nebeneinanders und, als große Alternative (Herzhoff 2022), des Miteinanders sowie des Gegeneinanders annehmen. Diese Modi der Muster der sozialen Beziehungen hängen vom Durchschnitt und von der Streuung in der Sozialcharakterbildung als Ausdrucksgestalt der konkreten intra-individuellen psychischen Arbeitsapparate ab, deren Herausbildung – und dies ist eben der transaktionale Kreislauf zwischen der Individuation einerseits und andererseits der morphologisch fassbaren Gesellschaft – von der kulturellen Einbettung im Rahmen der Positionierung in der Figuration als soziale Verkettung der Individuen und ihren Sozialgebilden abhängt. Die makrosoziologischen Aufstellungsanalysen im Sinne einer Figurationssoziologie werden verknüpft mit transaktionsanalytischen (Mohr 2020) Perspektiven als Blick auf die Frage einer resilienten zukunftsorientierten Bewältigungsfähigkeit als Prozesse des sozialen Lernens. Hierbei geht es nicht um die Instrumentalisierung der Resilienz als biopolitische Psychotechnik der neoliberalen Zurichtung des Menschen auf den flexiblen Kapitalismus, seinen lebenslang lernenden Menschen als Ich-AG als Klon eines Dispositiv-Komplexes von innovativer Kreativität, Produktivität, Schönheit, Gesundheit und Jugend sowie der allumfassenden Selbstsorge als flexible Regulierung im Modus des Selbst-Designings. Es geht um transformative Resilienz, also um die Offenheit und Fähigkeit zu einer bestimmten wertrationalen Selbsttranszendenz. Genau deshalb bleibt die Selbstsorge-Fokussierung des späten Foucault (Holme 2018), existenzialistisch (wie eine paradoxe Dimension im Humanismus-Streit mit Sartre: Richter 2011) anmutend, unbestimmt (Mortari 2016; Flamm 2019). b) Ontologie und Geschichte Die Paideia ist in einem formalen Sinne Teil der conditio humana des Menschen als „Naturwesen mit Geist“ (Schulz-Nieswandt 2023b; Kallhoff 2022). Der Mensch ist immer infolge seiner kulturellen Einbettung ein vergesellschaftetes Subjekt und entfaltet sein Leben im Kontext sozialer Verkettung. Dies ist der Blick der OntoAnthropologie, die den Menschen und seine Art und Weise der Daseinsbewältigung im Kontext seiner Seinsverfassung (der conditio humana) in einem allgemeinen Sinne zu erfassen versucht. Um jedoch – als seiendes Sein im erfahrungswissenschaftlichen Sinne – den konkreten Menschen zu verstehen, reicht die Klärung dieser formalen Voraussetzungen nicht aus (Feige 2022). Um den konkreten Menschen zu verstehen (Schulz-Nieswandt 2021j; Schulz-Nieswandt u. a. 2022), ist er als geschichtliches Wesen im Rahmen der erfahrungswissenschaftlich fassbaren Vergesellschaftungsprozesse zu rekonstruieren. Dieses Zusammenspiel von Anthropologie als Potenzial einerseits und andererseits der Konkretisierung in der historischen Praxis der zeitgeschichtlichen Gesellschaftsverhältnisse einer Epoche ist nochmals weiter unten aufzugreifen. Zuvor soll vor dem Hintergrund eines Rückblicks auf ausgewählte Erfahrungen in der Corona-Krise in einer eher dystopischen (Seyferth 2023; Sperling 2023) Kul-

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turdiagnose die daseinsthematisch relevante Problemlandschaft der Post-Corona„Zeitenwende“ skizziert werden. Die weitere Analyse stellt sodann das entscheidende Kapitel als Sichtung der komplexen kollektiven Entwicklungsaufgaben der heutigen Gesellschaft mit Blick auf eine humangerechte Zukunft im Anthropozän (Fraser 2023; Renn 2022; Chakrabarty 2022; Purdy 2020) dar. Die Abhandlung vertieft im weiteren Gang der Untersuchung sodann das Verständnis dieser Skizze der Problemlandschaft anstehender kollektiver Entwicklungsaufgaben im Rahmen einer ontologischen Analyse der Stufen der notwendigen Selbsttranszendenz-Leistungen der Menschen in psychodynamischer, in mitmenschlicher und in naturökologischer Perspektive als ein Werden (der personalen Reifung) in wachsenden Ringen. c) Zur Relevanz neu-kantianischer Wissenschaftslehre Die hier vertretende Wissenschaftslehre (Schulz-Nieswandt 2018b; anregend Brown 2023) ist – durchaus auch ein Thema der Hochschulpolitik (Schulz-Nieswandt 2022d) – einerseits einer Empirismus-Kritik aus neu-kantianischer Perspektive verpflichtet. Aus der südwestdeutschen neu-kantianischen Wissenschaftslehre der sozialen Wirklichkeitswissenschaft ist festzuhalten, dass Erkenntnis erst durch transzendentale Wertsetzungen von hoher Kulturbedeutung möglich ist. Aus der Sicht der Marburger Schule des (rechtsphilosophischen) Neu-Kantianismus ist als Positivismus-Kritik festzuhalten, dass aus der Faktizität keine Geltung resultiert und das Verstehen der sozialen Wirklichkeit von der Wissenschaft eine engagierte Haltung der nicht aus einer rein gesinnungsethischen, sondern vielmehr aus einer verantwortungsethischen Empörung – was die Modi (Bergstedt 2023) des Aktivismus (Manemann 2023) mit Blick auf den Korridor des Legitimen limitiert – als Kritik resultiert. Daher – und hier bewegen wir uns im epistemologischen Weltbild der Kritischen Theorie (Reckwitz/Rosa 2021) – ist die Differenz und das Zusammenspiel zweier Wahrheits-Verständnisse, aber nochmals anders als bei Trawny (2021), dessen Kriterium wohl die Krise als reine Agonalität der Identitätsfindung ist, im Rahmen einer modernen Aufklärung (Rohbeck 2023) zu beachten. Gefragt werden muss, was die empirischen Befunde (erfahrungswissenschaftliche Wahrheit) für die weitere humangerechte Entwicklung des Menschen im Lichte seiner conditio humana bedeuten (ontologische Wahrheit). Kommt es zur weiteren Personalisierung im Sinne des personalen Selbst-Seins im Modus des gelingenden sozialen Mit-Seins, also, psychoanalytisch gesprochen, zur Progression? Oder kommt es zur Stagnation oder gar zur Regression?

5. Modallogik der Dystopie

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5. Modallogik der Dystopie Worum geht es? Nach der Corona-Krise könnte ein Kulturwandel im Zuge der „Zeitenwende“ (Bender 2023) die Richtung der Regression annehmen, die hier nun als dystopische Imagination auf den Begriff gebracht werden soll.

Die Corona-Krise hat gezeigt, wie heterogen die Landschaft der resilienten Selbstaufstellung der Gesellschaft und ihrer Individuen ist. Die Fähigkeit, ohne Neigung zur Depressivität einerseits und zur strukturellen Gewalt andererseits, die mitunter existenzielle Stresssituation im Zuge der zunehmenden Länge der Krise zu bewältigen, war differenziert verteilt und wies sicherlich einen Sozialschichten-Bias auf, wobei die Bildung als Konstruktvariable eine zentrale Proxy-Variable darstellte. Dies konnte man beispielsweise in den Digitalisierungs-„Capability“ (definiert als Zusammenspiel von Infrastruktur und Kompetenz) u. a. mit Bezug auf die Schulunterrichtsbewältigung zu Hause beobachten. a) Soziale Pathologien Dies verweist auf die Coping-Situation im privat-häuslichen Kontext. Im öffentlichen Raum entwickelten sich als Ausdrucksgestalt einer regressiven WandelBewältigung Pathologien (nicht nur als strategische Kommnikation zu verstehende: Kumkar 2022) der Wahrnehmung im Sinne von Verschwörungstheorien (Butter 2018; Bubert/Krischer 2023; Hepfer 2021) und in Form der sog. Querdenker (Reichardt 2021). Eine Erosion der Akzeptanz der liberalen Demokratie war zu beobachten (Merkel 2023). Identitätspolitische Pathologien der deliberativen Zivilgesellschaft in der Ausdrucksgestalt eines Umkipp-Effektes von Wut in Hasskultur (auch im linken Lager) führte nicht nur zum Erwachen dessen, was Umberto Eco (2020) den „ewigen Faschismus“ nannte (vgl. auch Mason 2022). Einige Brennpunkte der dystopischen Imagination einer kulturellen Regression (der Demokratie: Schäfer/Zürn 2021; Gerhardt 2023; Lessenich 2019) – hier mit Blick auf die Genese des „autoritären Liberalismus“ (Chamayou 2023) anders argumentierend als Selk (2023) – sollen gleich noch angeführt werden. b) Psychodynamische Praxeologie des parochialen Neo-Nationalismus Weder (1) eine reine Resonanztheorie als Theorie der kommunikativen Integrations-Effizienz des politischen Systems im Kontext ungleicher Involvierungschancen in der von Machtungleichheiten geprägten neo-neo-pluralistischen Gesellschaft der Interessen noch (2) eine polit-ökonomische Theorie der exkludierenden Deprivation in Bezug auf inter-individuelle Trickle-down-Effekte bzw. räumlichen Spread-Effekten sowie auch nicht (3) die Korrelation beider Faktorenkomplexe können hinreichend die weltweite Renaissance autoritaristischer Präferenzen in liberalen Demokratien erklären. Nicht nur der Wohlstand wird als bedroht empfunden, sondern auch – hiermit korrelierend – die Reinheit des traditionellen Nationalstaates

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durch Arbeitsmigration und existenziell motivierter Flucht (Ehrenfeldt 2022). Und da bröckeln die kulturgeschichtlich gut erforschten uralten Sitten der Gastfreundschaft und des Asyls sowie der Kulturpraktiken der Offenheit gegenüber dem Fremden. „Würde der Bescheidenheit“: „Nikolaus drängt sich nirgends auf, aber er geht auf jeden ein, der zu ihm kommt. Christina ist die personifizierte Gastfreundschaft. Keiner geht von hier weg, ohne reichlich bewirtet worden zu sein. Und sie macht keinen Unterscheid zwischen Göttern und Bettlern. Nikolaus kennt kein patriarchalisches Gehabe, er ist Patriarch, im besten Sinne. Das Geheimnis von wahrer Würde ist wohl, daß sie aus einfachstem Rohmaterial geflochten ist. Zeus und Hermes, wenn sie noch lebten, würden die beiden gütigen Alten zu Tempelhütern machen und ihrem Andenken Bäume pflanzen.“ (Kadelbach 2001: S. 84).

Wo nicht Wachstum, sondern gar Bestände geteilt werden müssen, erodiert der relativ schmerzfreie Überschuss-Altruismus, der eher an rationale Klugheit als an Nächstenliebe erinnern mag. Ein neo-nationaler Parochialismus im Verbund mit neorassistischer Xenophobie ergreift erneut die ewig latente „autoritäre Persönlichkeit“ als Kategorie kritischer Sozialforschung, die als performative Ausdrucksgestalt zur manifesten Oberfläche drängt. Pathologien der Wahrnehmung bestimmen nun wieder die archaischen Affekthaushalte der Menschen, von denen Elias Canetti (1980) zu Beginn seines Werkes „Masse und Macht“ paraphrasierend schrieb: Was der Mensch nicht kennt, davor hat er Angst und erschlägt es. Die kulturgeschichtliche Archaik der Latenz des Hasses, die in der archetypischen Tiefengrammatik der Psychodynamik schlummert, wird von affektuellen Verarbeitungsmechanismen sozialer Wirklichkeit, deren Wandel als Bedrohung empfunden wird: (Angst ! Hass + Ekel ! Exklusion) fl Gewalt gegenüber den imaginierten Fressfeinden

einer destruktiven Lösung zugeführt. Auf dieses archaische Niveau regressiert die hochtechnische Zivilisation, weil sie das progressive Potenzial einer inkludierenden Ethik als Ethos des sozialen Rechtsstaates zivilgesellschaftlich nicht aktualisiert bekommt. Bevor wir nun die andere Seite der Dialektik der Weichenstellung mit Blick auf eine utopische Imagination der Progression als das ganz Andere der Regression thematisieren, soll nochmals ein Rückblick auf die Corona-Krise als Brennglas der Kulturdiagnostik geworfen werden.

6. Rekonstruktives Brennglas

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6. Rekonstruktives Brennglas Worum geht es? Als Brennglas einer kulturdiagnostischen Analyse kann die Corona-Krise rekonstruktiv betrachtet werden. Hier soll ein kurzer Rückblick genügen, um diese perspektivische Möglichkeit zu verstehen.

Die Corona-Krise wurde im Lichte ausgeprägter Heterogenitäten bewältigt. Es gab soziale Milieus, die als privilegiert bezeichnet worden sind und für die es zur Erfahrung der Entschleunigung kam, während andere Menschen in ihrer privathäuslichen Enge und menschlichen Dichte nochmals eine Eskalation familialer Prekarität erleben mussten. Viele Menschen (gerade auch bei KiTa- oder Schulkindern, Jugendlichen, aber auch die von Corona betroffenen Bachelor- und MasterKohorten dieser Jahre in den Hochschulen, nicht nur – wie vermutet – als Einsamkeit im vulnerablen Alter) konnten eine reflexive Entdeckung in den Zeiten des Verlustes an Bewegungsfreiheit machen: Lebensqualität hängt von der Einbettung in gelingende soziale Beziehungen ab (zu Kindern: Drerup 2022; Dimmel/Schweiger 2023; Klundt 2022; zu Jugendlichen: Dohmen/Hurrelmann 2021). a) Heterogenität im Erleben und Coping Hier wurde die breit validierte wissenschaftliche Evidenz in den Lebenswelten unter Corona-Bedingungen subjektiv erlebt. Bei anderen Menschen machten sich die Defizite in Tugenden der Daseinsführung bemerkbar: fehlende Fähigkeiten der Geduld, der Bescheidenheit, der Demut, der Akzeptanz von Rücksichtnahme in Zeiten der Einschränkungen. Und für viele Menschen führte der strukturell erzwungene Rückzug aus bisherigen Zeitverwendungsweisen (Rinderspacher 2022) zur Erfahrung der Sinn-leeren Zeit, weil die Art der bisherigen Zeiterfüllung nicht alternativ – etwa als Zeiten der Selbst-Besinnung – ersetzt werden konnte. Hier soll nicht im eskapistisch-elitären Sinne Hochkultur und Volkskultur gegeneinander ausgespielt werden und keine traditionelle Kulturkritik der Masse inszeniert werden. Betont wird stattdessen die sozialstrukturelle Heterogenität (Weischer 2022) in der affektuellen Verarbeitung der Entwicklungsherausforderungen und in den sozialen Praktiken. Ein Survey über die Befundelandschaft mit Blick auf die Vektoren Schicht, Alter, Geschlecht und Kultur kann hier wiederum nicht geleistet werden (Müller 2022). b) Der Hass auf den Rechtsstaat Was zu beobachten war, waren auch Formen eines intellektuellen Unverständnisses über das Wesen des (Machtmonopols [Clastres 2023] des) Rechtsstaates. Es ist seine, ihn funktional rechtfertigende Aufgabe, die humangerechte Ordnung des Zusammenlebens der Zivilgesellschaft zu regulieren (Kersten/Rixen 2022). Der demokratische Rechtsstaat ist in dieser Perspektive nicht nur ein institutionelles Verfahren, sondern auch eine notwendige Form der „Fürsorge“, um zu verhindern,

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dass die Bürger*innen in Ressentiments abgleiten (Fleury 2023). Auf die rechtsphilosophischen und ethischen Gebote ist noch weiter unten einzugehen. Hier soll in aller Kürze eine – für kritische Analysen: notwendige (Herzog 2023) – psychoanalytische Perspektive auf eine Beobachtung bezogen werden, die als „Hass\Liebe“ verstanden werden könnte: Der Staat wird einerseits in seiner gewährleistungsstaatlichen Rolle der Wohlstandspraktiken der Lebensstile als Liebe der sorgenden Mutter (als Metapher für die Sorge des Souveräns: Wolf 2004) gehuldigt. Bricht aber die Freiheit der Wohlstandspraktiken der Lebensstile zusammen, so kommt es andererseits zur Umkehrung der Liebe in Hass als Hass auf den autoritären Vater der Ordnung. Und dergestalt zeichnet sich eine Variante des Freud’schen Vatermordes durch die Horde am affektuellen Möglichkeitshorizont ab. c) Der Fetischismus des infantilen Perfektionismus Diese Regressionen einer friedvollen und sozial rücksichtsvollen Geduld und Demut als Geist der Sittlichkeit der Zivilgesellschaft – die Analyse kommt noch auf die Differenz der negativen und der sozialen Freiheit als Miteinanderverantwortung der Miteinanderfreiheit zurück – verknüpfen sich mit der Beobachtung von Fehldeutungen des Wesens der Wissenschaften in der Erwartung eindeutiger und letztendlich einfacher (ja/nein-codierter) Exaktheit und des infantilen Traumes eines Perfektionismus der omnipotenten Politik als Krisenmanagement komplexer Herausforderungen. Die desorientierende Rolle der massenmedialen Framingsprozesse mit Blick auf das Drehbuch und die Performanz der öffentlichen Bühneninszenierungen ist hierbei sicherlich ein eigenständig bedeutsames Thema. d) Affektdynamik: Von der Angst zum exkludierenden Ekel Was sich, an die Terminologie strukturaler Linguistik anknüpfend und nunmehr sozialtheoretisch nutzend, in der Tiefe der generativen Mechanismen als wirkbedeutsam herauskristallisiert, ist die Dependenzgrammatik der Corona-Krise und die apotropäische Affektordnung des exkludierenden Ekels in den habituellen Denkstilen und sozialen Praktiken (vgl. auch Schnell/Dunger/Schulz-Quach 2023; Ottomeyer 2022; Bossert 2022). Ein Aufsatz vom Verfasser trägt den Titel „Der Tod um uns herum als Erfahrung: Wie Corona uns unsere vulnerable Kreatürlichkeit in Erinnerung bringt und ein Brennglas der Kulturdiagnostik ist“ (Schulz-Nieswandt 2021g). Dieser Titel fragt danach, was Corona mit Geist, Seele und Körper in der leiblichen Einheit der menschlichen Person macht und welche Auswirkungen dies auf die sozialen Figurationen und den gouvernementalen dispositiven (Gomes 2023) Geist, der dort weht, hat.

6. Rekonstruktives Brennglas

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e) Rechtspopulismus und Analogien in der linken Kritik Die allgemeine politische Unzufriedenheit und die spezifischen Totalitarismusvorwürfe der Staatskritik, auch im linken Lager, wie im Fall von Agamben (2021) im dekonstruktivistischen Modus hermetischer Mysterien, gingen mit rechtspopulistischen und verschwörungstheoretischen Strömungen eine Gemengelage ein, eine Atmosphäre, deren Gewebestruktur von komplexer Hybridität war. Auch dann, wenn in einem radikalen post-demokratischen Diskurskontext (Crouch 2021) die Verschwörungstheorien nochmals ganz anders aufgegriffen werden (Cesare 2022), ist dieses Verstehen keine Rechtfertigung für die rechtsextremistische Endlösung (Rhein 2023) der liberalen Demokratie. Viele konkrete Thematiken könnten durchaus als Kritik an der Kultur der politischen Krisenbewältigung – wie ja auch umfänglich geschehen – aufgegriffen werden. So z. B. das Thema der Eskalation der Institutionalisierung in der Langzeitpflege als „Kasernierung“ des hohen Alters (Schulz-Nieswandt 2020d; 2020e; 2020f: 2021b; 2021c; 2021d; 2021f; 2021l; 2022c). Dies soll hier jedoch nicht nochmals paraphrasiert werden. Über zwei Jahre hinweg hat der Verfasser der vorliegenden Abhandlung an diesem Diskurs – auch über Vorträge und Aktivitäten als Kurator des KDA im Anschluss an seine mehrjährige Rolle als Vorsitzender des Vorstandes des KDA – intensiv teilgenommen. Wenngleich die Thematisierung auf die Langzeitpflege im vulnerablen Alter fokussierte und auf früheren Positionen zur Psychodynamik von Angst und Ekel (Schulz-Nieswandt 2012) basierte, kristallisierte sich bereits dort schon die Frage heraus, was Corona insgesamt mit dem Affekthaushalt der Menschen in Bezug auf die Veränderungen der sozialen Beziehungen, des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft und in Bezug auf das allgemeine Weltverhältnis macht. Dazu dienten auch Rezeptionen zur Kulturgeschichte der Seuchen und auch Studien zur Akzeptanz von Impfungen. All dies soll aber nicht wiederholt werden. f) Das Beispiel der rechtsphilosophischen Unkenntnis der Ethik der Impfung Der Diskurs der Impfung mit der Perspektive eines Impfzwanges verweist – uno actu – auf die kulturgrammatischen und psychodynamischen Konfigurationen in der Praxis der Bewältigung sozialer Interdependenzerfahrungen. Ontologisch kann es nicht gegen Interdependenz an sich gehen, sondern um die Akzeptanz legitimer „bejahter Abhängigkeit“ (Kleinschmidt 2023; Globig 2021), denn sie gehört als Bewältigungs-orientierte Reaktion auf die Verletzbarkeit (Kruse 2017) ebenso wie die Würde zur personalen conditio humana. Dass, was nochmals rechtsphilosophisch und ethisch aufzugreifen sein wird, in einer existenziell relevanten Pandemie das Verständnis grundrechtlich verbriefter individueller Freiheit gebunden ist an die ebenso verfassungsrechtlich fundierte Erwartung der empathischen Rücksichtnahme auf die homologen Grundrechte der Mitmenschen (Reziprozitätsgebot) wirft die Frage auf, auf welchem strukturgenetisch integriert verstandenen kognitiven und

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

moralischen Entwicklungsniveau das individualistische Freiheitsverständnis der „negativen Freiheit“ der Pleonexia eigentlich angesiedelt ist (Wehmeier 2023). Wenn die Kategorie der Idiotie genealogisch anspruchsvoll zur Anwendung in der kulturdiagnostischen Analyse kommt (Emmerling 2022; Terzic´ 2020), so wäre zu erwägen, hier wieder die enge Weltsicht des Angst-besetzten Kleinbürgers (Schilling 2003; Franke 2020; Kergel 2022; Glaser 2016) in seiner Wut auf die dynamische Welt als klassische soziologische Kategorie zu revitalisieren. Die Verfassungsrechtsprechung sieht hier – nach Ausnutzung aller möglichen weicheren Maßnahmen im Sinne der Verhältnismäßigkeit (Voesch 2023) – eine Grundrechte-Güterabwägung (Günther/Volkmann 2022) vor, die auch einen allgemeinen Impfzwang im Lichte des sozialen Rechtsstaates legitimiert. Es wird weiter unten nochmals zu argumentieren sein, dass das Reziprozitätsgebot auf einer (Gabe-theoretisch [dazu auch Schulz-Nieswandt 2023m] fundierten3 : Schulz-Nieswandt 2023h; SchulzNieswandt/Micken 2021) Logik der inkludierenden Anerkennung beruht, die aber eine Verankerung in einem eidgenössischen Bund der Achtung der personalen Würde im Sinne des Böckenförde-Diktums im Lichte des Durkheim’schen soziologischen Theorems der transzendentalen Notwendigkeit non-kontraktueller Voraussetzungen die Kontraktgesellschaft (dazu auch in Schulz-Nieswandt 2017b), die Zivilgesellschaft und den Rechtsstaat benötigt (Schulz-Nieswandt 2022b). g) Die unverankerte – transzendental obdachlose – Freiheit Mit Blick auf die bisherigen Ausführungen könnte man auch die Hypothese wagen, dass relevanten Teilen der Zivilgesellschaft, aber auch des politischen Systems im engeren Sinne, dieser „Verfassungspatriotismus“ fehlt oder vielleicht sogar die hinreichende prosoziale Empathie als Grundlage der Nächstenliebe. Gerade dieser Aspekt der Grundhaltung der Offenheit des selbsttranszendenten personalen Subjekts hin zur Nächstenliebe ist der „objektive Geist“, von dem das Subjekt erfüllt sein muss, wenn eine deliberative (Lafont 2021) Gesellschaft (Habermas 2022b) der sozialen Freiheit als diskursive Kommunikationsgemeinschaft

3 Die Gabe darf man aber keineswegs in verborgener Weise doch wieder im Rahmen subjektiver Intentionalität utilitaristisch codieren: Es wird daher einerseits in einem weiten historischen Sinne der »langen Dauer« des Aufstiegs der „epistemischen Gewalt“ in dieser Figur des Objektbesetzungs-Wahns des Subjekts im Rahmen einer Dekonstruktion des reinempirischen Wahrheitsbegriffs deutlich, um an einen psychoanalytischen Blick auf den inneren Kern der Theoriebildung (und nicht auf die Entdeckung von Fragen und Verwertung der Ergebnisse der Wissenschaft) anzuknüpfen, dass im Sinne einer „Historischen Epistemologie“ mit der Kategorie der Gabe das Subjekt in seiner epochalen Subjektformation nicht nur in einem methodologischen Sinne „de-zentriert“ wird. Dabei würde der innere Zusammenhang zwischen dem zweckrationalen Utilitarismus und der Einheit von methodologischen und normativen Individualismus aufgebrochen werden. Sondern andererseits würde auch in einem ontologischen Sinne, da das Weltverhältnis des Menschen (im personalen Innenraum, im sozialen Mitweltraum und im naturökologischen Umweltraum) transformiert wird durch eine Umkehrung der Subjekt-Objekt-Relation, ein epistemologischer Bruch erkennbar werden.

7. Modallogik der Utopie

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(Habermas 2022a) der gegenseitigen Anerkennung (Honneth 2018) in der Diversität möglich sein soll. h) Der archimedische Punkt der Weichenstellung Diese sozialgeometrische (zur Methode: Schulz-Nieswandt/Micken/Modenhauer 2022b) Verankerung des Menschen – zwischen kultureller Einbettung und sozialer Verkettung – im pneumatischen Horizont der Idee der personalen Würde als objektiver Geist seiner sittlichen Vergesellschaftung in der Polarität gegenüber der Praxis der Demütigung (Schulz-Nieswandt 2021a) ist der archimedische Punkt der kulturgrammatischen Analyse auf psychodynamischer Grundlage. Im Kern geht es um die räumliche Ordnung von Insider und Outsider sowie einerseits um Übergangsräume, andererseits um ganz neue (heterotope) Räume (Schulz-Nieswandt 2016c). 7. Modallogik der Utopie Worum geht es? Gegenüber der Möglichkeit dystopischer Imaginationen der Weichenstellungen der Gegenwart ist modallogisch eine Geschichtsphilosophie der Hoffnung auf sittliche Befreiung des Menschen in seiner Personalität denkbar. Über Utopien wird wieder häufiger geschrieben (Schölderle 2022; Leiß 2023; Wolting 2022; Becker 2022). Epistemologisch müssen wir hier eine Methodologie der Differenz und der wechselseitigen oszillativen Bezogenheit zwischen einer formalen Anthropologie der Bausteine und des empirischen Historismus des konkreten Lebens anstreben, um die utopische Imaginationen zum Menschen als „Naturwesen mit Geist“ zu skizzieren.

Das ewige Daseinsthema einer Anthropologie der psychodynamischen Entwicklungsaufgaben mit Blick auf die soziale Kohäsion ist die Erziehung und Sozialisation – die Paideia – hin zur gelingenden Bewältigung von Polaritäten im Entwicklungskorridor, die die Ontogenese (Schulz-Nieswandt 2023c) der PersonWerdung des Subjekts (Schulz-Nieswandt/Köstler/Mann 2022) prägt. In dieser (auch bindungspsychologisch [Ahnert 2022; Brisch 2022] fundierten) Perspektive als Blick auf die Bedeutungsmacht der sog. „zweiten, sozio-kulturellen Geburt“ als lange extrauterine Reifung im sozialen Uterus, wonach der konstatierte Status als „biologisches Mängelwesen“ als evolutionäre Stärke des Menschen als „Naturwesen mit Geist“ zu verstehen ist, ist das – im Lichte der Naturrechtslehre des überpositiven Rechts der auf die soziale Freiheit angelegten personalen Würde des Menschen (Schulz-Nieswandt 2023i) – humangerechte Gelingen des Daseins des Menschen in der Zeitlichkeit seiner geschichtlichen Existenz als konkrete (oder reale: Wright 2017) utopische Idee einer Entelechie des Potenzials des Menschen zu verstehen. Es geht demnach darum, die Metamorphosen hin zur Ausdrucksgestalt des homo donans als wahre Form des personalen Menschen zu durchlaufen (Schulz-Nieswandt 2020b).

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

a) Idealtypische Vermessung Dies ist der – methodologisch auch (vgl. nochmals weiter oben in der Einleitung der vorliegenden Abhandlung) als Idealtypus einer transzendentalen Wertsetzung von höchster Kulturbedeutung zu verstehen – Maßstab zur Vermessung (SchulzNieswandt/Chardey/Möbius 2023; Schulz-Nieswandt/Rehner u. a. 2023; Rehner 2023) des Gelingens der Daseinsführung des Menschen in seiner Existenz als seiendes Sein. Das Gelingen dieser Entelechie hängt von der geschichtlichen Weichenstellung in der „Paideuma“ (Frobenius 1921) – definiert als die in den psychodynamisch verankerten sozialcharakterlichen Habitusformationen kollektiv geteilte „Kulturseele“ im Sinne des pneumatischen objektiven Geistes, der sich in der Paideia einschreibt – ab. Aus einer post-strukturalen Foucault’schen Sicht würde man hier von der Wahl der richtigen gouvernementalen Dispositivordnung einer epochalen „Episteme“ sprechen. Ist es die Weichenstellung hin zur (gegenüber der Praxis der Idee der Demütigung hegemonial dominanten) Idee der Würde, die – praxeologisch erforschbar (Stallberg 2023) – in der Ausdrucksgestalt des homo donans die Zukunft der Kultur der Gesellschaft prägen wird? Haben wir nicht aus der Corona-Krise genau diese Wende hin zur Achtung der personalen Würde im Rahmen einer achtsamen Ethik (Conradi/Vosman 2016; Baatz 2022) der gegenseitigen Achtung durch demutsvolle Rücksichtnahme angesichts der dramatischen Dependenzordnungserfahrung der Welt als globales Dorf (Latour 2021) einer Pandemie sozial (im Sinne von kollektiv, also gemeinsam) lernen (Schaupp u. a. 2021) können? b) Parochiale Ethik der Verweigerung universalen Mitleides Analoges können wir ja mit Blick auf die Politik der Bewältigung der Flüchtlingsdynamiken beobachten. Anthropologisch ist der Mensch ein homo migratus. Doch wie sieht die kulturelle Praxis aus? Einerseits ist Deutschland ein Land des sozialen Engagements. Andererseits reagieren andere Mitglieder der Gesellschaft – auch das ist Zivilgesellschaft – und Positionen in der Politik aus einer Empathieschwachen Haltung der gefühlskalten (Lethen 2022; Kohpeiß 2023; Gruschka/ Pollmanns/Leser 2021; ferner Wehmeier 2023 sowie Schneider 2022) Gleichgültigkeit und der Selbstreferentialität auf die Beobachtbarkeit des Ertrinkens im Mittelmeer (Heins/Wolff 2023). Mitleid wird zum parochialen Ethos des eigenen privaten Oikos einer bio-neo-nationalistischen Burg-Mentalität. Der eigene Wohlstand muss verteidigt werden. Für diese Menschen waren auch die vulnerablen Mitmenschen in der Corona-Zeit die „Anderen“, die das eigensinnige „Selbst“ nicht oder nur in Grenzen interessierte. Die humangerechte Balance zwischen SelbstBezug und Welt-Bezug gelingt diesem sozialcharakterlichen Typus des Besitzrechtsindividualismus nicht. Er hat das Sittengesetz des Art. 2 GG nie verstanden. Ja, dies war in Teilen der kollektiven Praxis der Krisenbewältigung beobachtbar: Beispielsweise wäre die Erfahrbarkeit der vielfachen Intensivierung von CaringPraktiken in der lebendigen Nachbarschaft zu nennen. Aber auch die Ausgrenzung in

7. Modallogik der Utopie

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der stationären Altenhilfe, von der oben kurz die Rede war, gehört zu dieser facettenreichen Welt zwischen Durchschnitt und Streuung der Konstellationen, angeordnet in einer Soziologie der Formen: Gehen die Menschen den Weg in die Kultur eines desinteressiert-toleranten Nebeneinanders? Gehen sie den Weg eines gelingenden sozialen Miteinanders, in der das personale Selbst-Sein seine daseinswahre Form im Modus des sozialen Mit-Seins der solidarischen Ermöglichung der sozialen Freiheit findet? Oder kommt es zur Praxis der sozialen Form des Gegeneinanders? Gewinnt der homo abyssus das hegemoniale Übergewicht im Ringen (Schulz-Nieswandt 2021e) der Ideen der Würde (als Ermöglichung der personalen Autonomie im Modus der Teilhabe) und der Demütigung (als Praxis der Ausgrenzung)? Die Frage nach der Post-Corona-Zeitenwende ist in einem praxeologischen Sinne demnach die Frage nach der geschichtlichen Weichenstellung als kollektive Wahl – „Schlussendlich müssen wir entscheiden, welche Art von Menschen wir sein möchten, als Individuen ebenso wie als Kollektiv.“ (Geuss 2023) – des Regimes des Zusammenlebens: Welche Idee als objektiver Geist der Einschreibung in die Subjekte wird dominieren: die Idee der inkludierenden Würde oder die Idee der exkludierenden Demütigung? c) Der Mensch in der Geschichte verschachtelter Zeitlichkeiten Diese ontologischen Überlegungen zur Rechtsphilosophie und Ethik der sozialen Formen des Zusammenlebens führen uns nun in die erfahrungswissenschaftliche Vermessung der Welt. Dabei müssen wir die Zeitlichkeitsverschachtelungen beachten: Die höchst individuellen, dennoch sozial überformten und kulturell codierten Lebensläufe sind in die gesellschaftliche Zeitgeschichte einer Epoche eingelassen. Dann verstehen wir die Kohorten-Effekte ebenso wie die intra-individuelle und interindividuelle Varianz der vielen Gesichter des Alterns (Schulz-Nieswandt/Köstler/ Mann 2022). Diese Vielfalt der psychodynamisch unterschiedlich aufgestellten Subjekte, die mitgliedschaftlich die Gesellschaft als Figuration – als Aufstellungsordnung – prägen, hat auch die Bewältigung der Corona-Krise geprägt. Einerseits gab es dynamische Kulturen sozialer Praktiken der Solidarität und des sozialen Engagements, andererseits die Zunahme des rechtspopulistischen homo abyssus. d) Hoffnung ohne Romantik Die Frage der Weichenstellung in der Wahl der „Kulturseele“ einer geschichtlich konkreten Gesellschaft – dies ist der historistische (Rüsen 1993) Blick der Analyse – ist demnach nicht die nach einer romantischen Homogenität, sondern die nach der regierungsfähigen demokratischen Mehrheitsbildung. Aber dazu passt nicht der Rechtsruck des – ohnehin nicht linkskatholischen (Schulz-Nieswandt 2018c) – Konservatismus (Biebricher 2023), der die (sozialstrukturell bröckelnde) Mitte (Mau 2012; Roloff 2023) verlässt. Die destruktive Qualität einer knappen 51 %-Mehrheitskultur konnte man in der Brexit-Krise beobachten: Es kam zur Spaltung der

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

Generationen. Neo-Nationalismus und Rechtspopulismus (und auch Rechtsextremismus) sind ja nicht nur deutsche Phänomene, sondern spiegeln eine weltweite (Menzel 2023) Fragilitätsdynamik der liberalen Demokratien (Frankenberg/Heitmeyer 2022). Man schaue sich die Entwicklung in Polen und in Ungarn, in Frankreich und in Italien an, wo rechte Politik mehrheits- und somit regierungsfähig wird. Die AfD (Ruhose 2023) wird auf lokaler Ebene bereits in Regierungsrollen tätig. 8. Modallogik der Regression zum homo abyssus Worum geht es? Es geht nun um den Kipp-Effekt der positiven Utopie in die regressive Dystopie, was in der conditio humana von Anbeginn mit angelegt ist. Historistisch betrachtet ist die wachsende Kluft zum utopischen Maßstab der Progression in der Praxis der kollektiven Entwicklungsaufgabenbewältigung durchaus zu beobachten.

Die Frage der humangerechten Gestaltwahrheit einer nachhaltigen signifikanten demokratischen Mehrheit findet seine normativ-rechtliche Verankerung. a) Soll-Werte: das Mehr-Ebenen-System der Rechtsregime Die Spuren des überpositiven Rechts (in Bezug auf den „Geist der Gesetze“, die auf der objektiven Idee der „inherent dignity“ aufbauen) sind auf allen Ebenen in den Rechtsregimen zu finden. Man schaue sich die UN-Grundrechtskonventionen und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union oder auch das Zusammenspiel des Ewigkeits-Artikel 1 GG und dem Art. 2 GG mit Blick auf die Idee des sozialen Rechtsstaates im Ewigkeits-Artikel 20 GG an. Man schaue sich vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund den § 1 SGB I an. Dort ist explizit von sozialer Gerechtigkeit die Rede. Ist hiermit eine solidarische („geschwisterliche“ Bojanowski 2023) Gerechtigkeit gemeint? Die Idee der personalen Autonomie im Modus der inkludierenden Teilhabeordnungen der Sozialraumentwicklung (Heerdt/SchulzNieswandt 2022) prägt das System der Sozialgesetzbücher bis hinein in die Wohnund Teilhabegesetze der Länder. b) Ist-Werte (I): die negative Freiheit des Besitzrechtsindividualismus In rechtsphilosophischer Hinsicht (Menke 2018) muss die Dominanz eines Besitzrechtsindividualismus als epochale Charakterneurose verstanden werden. Die Idee der negativen Freiheit (Taylor 1992; 1996) dominiert, die Idee der sozialen Freiheit als genossenschaftsartige (Blome-Drees u. a. 2023; kulturgeschichtlich: Schulz-Nieswandt 2018a; Schulz-Nieswandt/Moldenhauer 2023) Miteinanderfreiheit in Miteinanderverantwortung wiederum prägt nicht Weichen-stellend die Entwicklung der „Kulturseele“ der modernen Gesellschaft der Individuen. Die Bewahrung des ökonomischen Wohlstandes wird in diesem Kontext nicht angemessen nur als formale Voraussetzung von Lebensqualität begriffen, sondern als

9. Metamorphosen in konzentrischen Kreisen

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hinreichender substantieller Kern der Lebensqualität. Die psychoanalytische Kritik an diesem „Haben statt Sein-Typus“ des Sozialcharakters ist u. a. aus dem Werk von Erich Fromm (2005) bekannt. Die empirische Sozialforschung der Soziologie und Sozialpsychologie konnte dagegen die Hypothese mit Evidenz validieren, dass die Einbettung in gelingende soziale Beziehungen von wesentlicher Bedeutung ist. c) Ist-Werte (II): die skotomisierte Idee des Wohlstandes Diese Fixierung der Wahrnehmung, die sich zur „Skotomisierung“ (definiert als krankhafte Blickverengung) steigern kann, führt mit Blick auf die ausstehenden, aber notwendige Transformationen in eine öko-soziale Post-Wachstumsgesellschaft auch dazu, die notwendige Nachhaltigkeit (Adloff u. a. 2020) im Anthropozän nicht hinreichend im Denken und im Tun der Menschen – republikanisch (Heidenreich 2023) – verankern zu können (vgl. ferner Blühdorn 2023). Philipp Lepenies (2022) untersucht die Ursprünge dieser eingeübten Fundamentalopposition gegenüber einer Neu-Codierung von Wohlstand: Er führt sie auf die neoliberale Haltung zurück, die im Staat einen Gegner sieht und individuelle Konsumentscheidungen über moralische und ökologische Bedenken stellt. Dieser Geist falsch verstandener Freiheit hat allerdings eine Politik des Unterlassens hervorgebracht, die sich scheut, das Offensichtliche auszusprechen: dass eine sozialökologische Transformation ohne Verbot und Verzicht nicht gelingen wird. 9. Metamorphosen in konzentrischen Kreisen Worum geht es? Du musst Dein Leben ändern, um zu einem ontologisch wahren Weltverhältnis zu kommen. Dies ist wiederum prozessdynamisch als Selbsttranzendenzaufgabe, als ein Werden der Person in wachsenden Ringen (oder im Bild der konzentrischen Kreise einer Ausdehnung) im Medium der Zeitlichkeit, die diese Geometrie der Bewegung posteuklidisch verstehen lassen muss, zu sehen.

Zwei Anleihen an die daseinsthematisch tiefe Lyrik von Rainer Maria Rilke werden hier in verknüpfender Weise gemacht: Du musst Dein Leben ändern! Und: Werde in wachsenden Ringen! Rilkes Denken soll hier nicht vertiefend aufgegriffen und erörtert werden. Ich habe die Theorie der Selbsttranszendenz im Modus der Responsität als aktive Passivität (Hueck 2023) angesichts epiphanischer Ereignisse (Pirktina 2023) als Erlebniserfahrungsgeschehen in zwei literarischen Fallstudien applizierend dargelegt (Schulz-Nieswandt 2023k; 2023l). a) Das Commoning der Gemeinwirtschaft Beide Impulse verweisen uns auf die notwendige Steigerung der Bedeutungsrolle der Gemeinwirtschaft (Schulz-Nieswandt 2021h; 2020a; 2021i, 2022e) und des Commonings in der privatwirtschaftlich dominierten Gesellschaft (Schulz-Nieswandt/Thimm 2023a; Schulz-Nieswandt/Thimm 2023b) und damit auf die not-

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

wendige Transformation auf dem Weg in eine Post-Wachstums-Kultur (Mohammed 2023). Die Wohlstandsrisse in der Post-Corona-„Zeitenwende“ erschweren die Mehrheitsbildung als Wille zum kollektiven (Schroth 2022) Erlernen einer Gemeinwohlökonomik. b) Ziel und Weg: Soziales Lernen Genau diese Prozesse des sozialen Lernens – nicht als Revolution (Menke 2022) – einer Metamorphose der Kulturseele der modernen Gesellschaft können im Rahmen einer Ontologie von drei Stufen bzw. in drei interdependenten Dimensionen des Wandels des Weltverhältnisses verstanden werden. Dabei ist der Weg vom Individuum über die nationale Gesellschaft hin zur inkludierenden „Weltgesellschaft“ wiederum nur integrierter Teil des Weges hin zum Allzusammenhang der Natur. Die prinzipielle Plastizität des Menschen als homo creator ermöglicht diese mutative Entwicklung als Funktion der prinzipiellen Fähigkeit zur Metareflexion aus der Einnahme der „exzentrischen Positionalität“ heraus. Es geht um eine selbsttranszendierende Metamorphose (1) im personalen Innenraum, sodann (2) im Raum der – konvivialistisch (Adloff/Caillé 2022) anzudenkenden – sozialen Mitwelt und (3) im Raum der Natur als Allzusammenhang. An diesem Allzusammenhang arbeitet Malte Möbius (2020; 2023) in seiner work-in-progress-Dissertation. c) Der status quo: die narzisstische Hybris des ikarischen Prometheus Achtsame Selbstbesinnung (im Raum der Psychodynamik des Subjekts: Maiwald 2023) ist die Basis für die Wende zur empathischen Offenheit hin zum Gelingen des sozialen Miteinanders. Es geht um den Geist der sittlichen Demut als Vermeidung des destruktiven Narzissmus der prometheischen (Sloterdijk 2023) Hybris, die im Fall des Ikarus (Koerner 1983) ausmündet. Diese Überwindung der neurotischen Verstiegenheit des (gegenüber der Konzeption bei Hannah Arendt, um an deren [eine andere ist die in der Tradition von Oswald Sprengler: Fink/Rollinger 2018; Engels 2021] Kulturmorphologie anzuknüpfen, reduzierten) homo faber der instrumentellen Vernunft betrifft die Warenform als Denkform, die nicht nur den Mitmenschen zur Ressource der eigenen Zufriedenheit macht, sondern auch die Natur (Türcke 2021). d) Fazit zur Polyphonie der Corona-Krise Die Corona-Krise hat eine polyphone Welt hinterlassen: Einerseits wurde das Erlebniserfahrungsgeschehen der pandemischen Dependenzordnung progressiv verarbeitet in Form von Solidarität im Geben und im Nehmen. Andererseits nahm die Wut und die Hasskultur der Diskriminierungen zu, Verschwörungstheorien, apotropäischer Dämonenabwehrzauber (Schulz-Nieswandt 2020c) aus Angst und Ekel vor dem Mitmenschen, aber auch Empathie-arme Ignoranz, Erosion des Systemvertrauens, individualistischer Liberalismus als Vorrangpräferenz des Privatismus

10. Die Einsamkeit des ptolemäischen Subjekts in der kopernikanischen Epoche

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der Freiheit gegenüber dem Staat und gegenüber der Erwartung öffentlicher Tugenden der Selbstbindung, der Achtsamkeit und der Rücksichtnahme verstärkten sich. Diese Haltung schlägt um in einen „libertären Autoritarismus“ (Amlinger/ Nachtwey 2022). Im Zuge der Ukraine-Krieg-Entwicklung (instruktiv zur europaweit unterschiedlichen kollektiven Verarbeitung: Kuisz/Wigura 2023; Nußberger u. a. 2022) und der damit verbundenen Energiekrise und Inflationsentwicklungen entwickelt sich diese Polyphonie der Kultur der Post-Corona-Gesellschaft als duale Spaltung mit Räumen hybrider Übergänge zwischen den beiden Polen fort. 10. Die Einsamkeit des ptolemäischen Subjekts in der kopernikanischen Epoche Worum geht es? Es soll uns nun um ein kulturdiagnostisches Fazit gehen, um das man sich mühen muss: Die neueren Resonanzdiskurse erweisen sich eigentlich als Variation der alten Theorie der Entfremdung als transzendentale Obdachlosigkeit.

Die „kopernikanische Wende“ ist ein ambivalentes Erlebniserfahrungsgeschehen des modernen Menschen. Es führt einerseits zu einer Kränkung des ptolemäischen Menschen, der im Mittelpunkt einer ihn umgebenden, ihn zugleich einbettenden Welt stand. a) Verschiebung: von der Kränkung zur überreaktiven Kompensation Nun ist der Mensch de-zentriert hin zur Position der Responsität einer aktiven Passivität (Schulz-Nieswandt 2023a; Schulz-Nieswandt/Micken/Moldenhauer 2022a). Von dieser Kränkung (Schmidbauer 2018) geprägt neigt er zur Überkompensation und nutzt andererseits das cartesianische Erkenntnisprogramm der modernen rationalen Wissenschaft der instrumentellen (Schulz-Nieswandt/Chardey/ Möbius 2023; Schulz-Nieswandt 2019a) Subjekt-Objekt-Beziehung zur epistemischen und praktischen (ökonomischen und technischen) Kolonialisierung der Welt, in der er – zunehmend wie in der Idee des sog. stählernen Gehäuses der modernen Fellachenkultur bei Max Weber – eingestellt ist. b) Die Diagnose der transzendentalen Obdachlosigkeit Indem die Natur im Anthropozän nun zur Ressource des Menschen wird (Wesche 2023; Bourgeois-Gironde 2023), verliert der Mensch seine (heimatliche: Schmid 2022; Cassin 2023) Lebenswelt der sozialen Mitmenschlichkeit und erleidet nochmals eine doppelte „transzendentale Obdachlosigkeit“ (Dannemann/Meyzaud/ Weber 2018; zu Georg Lukács [2022] auch Lauschke 2023) der Entfremdung (Henning 2020) seines Daseins von der Seinsgeborgenheit in Bezug auf seine Polis und in Bezug auf den Kosmos des Allzusammenhangs der Natur (Schauer 2023). Der Mensch ist ja nicht nur in seiner Körperlichkeit verletzbar, auch seelisch ist er vulnerabel, denn es dürstet ihn nach wertschätzender Anerkennung. Geistig offen-

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

bart er seine Vulnerabilität, wenn er freie Zeit zur leeren unerfüllten Zeit verrinnen lässt. c) Die Diagnose des Resonanzmangels und die destruktive Folge Gewiss ist er hier nicht nur Täter der Daseinsverfehlung, sondern auch Opfer seiner fehlenden Befähigung zum Tätigsein jenseits des Designings der animistischen Dinge in ihrer Warenform. Seine – nur defizitär erfüllt erlebte – Bedürftigkeit nach Resonanz (Rosa 2019), die seine Wahrnehmung des eigenen Selbst im Weltverhältnis als Schwinden eines salutogenetisch wirksamen Kohärenzgefühls prägt, hat als Rückkoppelung in der Form negativer externer Effekte als Diffusion sozialer Kosten tiefe Risse in der sozialen Kohäsion aufgeworfen und verstärkte diese Risse in der kumulativ-zirkulären Kausalität von Mensch und Umwelt, die längst keine soziale Mitwelt ist, sondern als funktionale Ressource Ego-zentriert instrumentalisiert wird. 11. Die Modallogik des eidgenössischen Bundes im neoplexianischen Zeitalter Worum geht es? Es geht uns nun um die Mühen eines Ausblicks: Konstatiert werden soll der Bedarf eines eidgenössischen Bundes in der kommunikativen Anerkennungsgesellschaft.

Aus der Rivalität konkurrierender Zwecksetzungen im Modus von Interessen könnten Lösungen resultieren, die nicht einfach nur Kompromisse (Zanetti 2022; Korte/Scobel/Yildiz 2022) sind. Was wäre die Voraussetzung hierzu? a) Heilige Personalität und eidgenössischer Bund Der kulturgrammatische Baustein, der den sozialen Zusammenhalt einer modernen Gesellschaft als ein gelingendes Miteinander in der Einheit der gemeinsamen Freiheit und der gemeinsamen Verantwortung transzendental verbürgt, ist ein eidgenössischer Bund (Schulz-Nieswandt 2022a) über den Glauben an die personale Würde im Sinne der post-religiösen, aber eben auch post-säkularen Heiligkeit (soziologisch: Rosa 2022; psychoanalytisch: Gröller 2022; theologisch: Sass 2022; philosophisch: Dworkin 2014) der naturrechtlichen Personalität des Menschen (Schulz-Nieswandt 2023i). b) Was zu ernten wäre Nur dergestalt ist es möglich, die neurotische Verstiegenheit der Pleonexia des besitzrechtsindividualistischen Menschen (Schulz-Nieswandt 2022b; Davies 2022) – womit der homo oeconomicus in einer gewissen psychoanalytischen Tiefe verstanden wird, wobei die Warenform der Welt der Objekte zur Denkform wird, auf

12. Lokale Polis

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die hin sich die aneignende Objektbesetzung, in der Landnahme verkörpertes klassisches Strukturprinzip des Kapitalismus (Dörre 2021), als Ausdrucksgestalt epistemischer und auch struktureller Gewalt der instrumentellen Zweckrationalität erweist (Rosa 2018) – zu überwinden und kulturell neu einzubetten, um ihn für ein gelingendes Miteinander als Form der sozialen Verkettung zu befähigen. Das ist immer auch ein Thema der Pädagogik (Steffel 2022; Schimang 2023). 12. Lokale Polis Worum geht es? Sozialraumbildung im infrastrukturellen Raum regionaler Teilhabemobilität ist die Chance der lebensweltlichen Überwindung der transzendentalen Obdachlosigkeit.

Ziel der weiterhin ausblickenden Betrachtung soll es sein, ein Verständnis für die Aufgabe der Daseinsvorsorge (Schulz-Nieswandt 2019b) im Kontext des komplexen sozialen Wandels der Bundesrepublik Deutschland zu entwickeln. Das Leitbild ist die Idee des inkludierenden Sozialraums (Vgl. auch Schulz-Nieswandt 2017a). a) Daseinsvorsorge als Sozialraumbildung Dabei wird die Schnittfläche zwischen der kommunalen Daseinsvorsorge und einer Sozialraum-orientierten Sozialpolitik (Heerdt/Schulz-Nieswandt 2022) hervorzuheben sein. Der Befähigungs-orientierte Ansatz der Sozialpolitik (SchulzNieswandt/Köstler/Mann 2021c) der Möglichkeitsräume (kritisch zur Chancengleichheit in der Wettbewerbsgesellschaft: Rendueles 2022; Allen 2022) zielt auf die Förderung der Lebenslagen im Lebensverlauf ab. Es geht hierbei um die Frage, welche Form der Gleichheit (G) in der transzendentalen Wirkungskette von 1789 (Jacob 2023) zwischen Solidarität (S) und Freiheit (F) geschaltet werden muss: S ! G ! F.

Es geht – im Spannungsfeld zwischen Würde und Verletzbarkeit (Schulz-Nieswandt 2021k) – um die Sorge (Schulz-Nieswandt 2015) des Netzwerkmenschen (Schulz-Nieswandt 2018d). Mit einem Fokus z. B. auf die Daseinsthemen Altern und Wohnen können die Handlungsfelder der medizinischen Versorgung (Schulz-Nieswandt 2010b; SchulzNieswandt 2023e) und der Langzeitpflege (Schulz-Nieswandt 2016d; SchulzNieswandt/Köstler/Mann 2021b) akzentuiert werden (Schulz-Nieswandt 2016b). b) Das Recht der Befähigung Dabei wird – als Capability-Approach – das Zusammenspiel von Kompetenzen (Abilities) und Infrastrukturen (Capacities) in das Zentrum gerückt. Die normativen Vorgaben (Rechtsphilosophie und Ethik als „Geist der Gesetze“) aus den Rechts-

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

regimen vom Völkerrecht, über Europarecht, Verfassungsrecht, System der Sozialgesetzbücher bis hin zu Wohn- und Teilhabegesetzen und Verordnungen der Länder muss man dabei beachten (Schulz-Nieswandt 2016a). c) Das Commoning des genossenschaftlichen Weges Am Ende muss sich diese Perspektive in der Blase der Sozialsphäre von Mensch und Mitmensch dem Thema der Gemeingüter (Commons) zuwenden, wobei der Fokus auf dem Prozessgeschehen des „Commonings“ als soziales Lernen liegt. Commons in lokaler Selbstverwaltung müssen gebildet, entwickelt und nachhaltig gepflegt werden. Dabei rückt deutlich die genossenschaftliche Idee (Schulz-Nieswandt 2023d) in den Vordergrund der Diskussionen. Hierzu werden Bausteine aus der Psychodynamik und aus der systemischen (Lutterer 2021) Theorie des Lernens und der Organisationsentwicklung in die Analyse und Diskussionen einzupflegen sein. d) Polis als gelebte Sorgekultur Diese lokale Welt der Polis ist das Experimentalfeld des partizipativ-involvierenden Lernens als Praxis des Tuns und nicht nur der politischen Artikulation in der (Sphäre neuartiger diskursformativer: Fürwitt 2022) Protestformation der Zivilgesellschaft. Dort zündet eine neo-dadaistische Avantgarde (Geldmacher 2015) ohnehin nicht. Es geht hier um alternatives Leben in der möglichen Einheit von Wirtschaften, Wohnen und Konsumieren (Bröcher 2021) in regionalen Kreisläufen vernetzter Sorgekulturarbeit. Zum Commoning sollen noch einige kurze (Schulz-Nieswandt 2021i; 2023j) gemeinwohlökonomische Überlegungen angestellt werden. 13. Commoning Worum geht es? Die These ist: Eine Praxis der Gemeinwohlökonomik und die Ganzheit der Nachhaltigkeit (Einheit von Person, Polis und Kosmos) muss kollektiv gelernt werden.

Dazu braucht es regional eingebettete lokale (nachbarschaftliche) Felder leiblicher Erfahrung alternativer Daseinsführung. Dieses lebendige – bauende und einwohnende – Vorwegnehmen einer besseren Welt in praxi ist eine präfigurative Politik (Sörensen 2023). Es ist keine revolutionäre Mehrheit als konstitutive Macht (Negri 2023). a) Geometrie der Skalierung Denn sie träumt eher von einem transzendentalen transformativen Recht, das der soziale Rechtsstaat zur Verfügung stellen könnte und die Inseln der Gemeinwirt-

13. Commoning

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schaft zu vertikalen (Größe) und dezentral-horizontalen Skalierungen (diffundierende Ausweitungen) führen könnte: „Und wieder wehte der Klangteppich der Zikadenserenade über alles hin und verwischte die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit.“ (Kadelbach 2001: S. 54) b) Lernen als Werkstatt Was ist dieses Lernen (Garcés 2022)? Lernen ist eine Daseinsmetaphorik (Schlögl 2014), begrifflich verknüpft mit dem Leben: eine Tautologie. Bildung ist die Werkstatt des Zusammenlebens, um auf mögliche neue – sinnvolle und daher gewollte – Lebensformen vorbereitet zu werden. Bildung ist mehr als Wissen: Denn was nützt Wissen, wenn wir nicht wissen, wie wir leben wollen? Wie könnte man denn überhaupt lernen, wenn wir uns die Zukunft nicht vorstellen können? Das ist die Frage, die sich eine Gesellschaft, die sich selbst im Spiegel betrachtet, stellen muss. Wir alle sind Lernende in der Werkstatt, in der mögliche Lebenswege erprobt werden. Edukative Bildung nun ist die Kunst, das Dasein willkommen zu heißen, das Bewusstsein zu entwickeln und die Zukunft gestaltend zu bestreiten. Bildung ist das offene Eingehen auf das Risiko des gemeinsamen Lernens, und dies gegen die Kräfte der eigenen Zeit, die uns pfadabhängig machen wollen. Lernen (L) ist eingebettet (Plankert 2019) zwischen Entwerfen (E) und Gestalten (G): L (Lernen) ! E (Geist) ! G (Tun).

Dabei geht es weniger um das Lernen in der politischen Praxis sozialer Bewegungen (Truman 2013; Hoeft 2021), sondern um alternatives Leben als lebensweltliche Alltagspraxis der Sorge und des Wirtschaftens. c) Gesinnung und Verantwortung Dabei (Schulz-Nieswandt 2023n) werden auch Fragen der Kompetenzentwicklung u. a. im Kontext zivilgesellschaftlichen Widerstandes aufgeworfen. Die aktuelle Entwicklung in diesem Feld des zivilgesellschaftlichen Widerstands der selbst ernannten letzten Generation kann man der täglichen öffentlichen Berichterstattung entnehmen. Dort kann man erkennen, dass grundlegende verantwortungsethische Probleme einer reinen Gesinnungsethik aufgeworfen werden, aber auch eine Differenz zu einer strategischen Klugheit, die eher eine achtsame systemische Resonanz in der Bevölkerung beabsichtigen würde. d) Der Dämonenabwehrzauber der Wohlstands-Kleinbürger In der historischen Situation, in der einer Fragilität des ökonomischen Wohlstandes zur rechtspopulistischen und sogar extremistischen Erosion der liberalen Demokratie führt, muss sich eine transformative zivilgesellschaftliche Diskurspo-

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

litik, die sich auf den Umbau des Wachstumsmodells in der Formbestimmtheit der Logik seines Akkumulationsregimes bezieht, deliberativ anders aufstellen, um die Pfadabhängigkeit der hegemonialen Ordnung zu überwinden. Denn die vielen alltäglichen – das Spiel mitspielendenden – Menschen sind selbst infolge einer gouvernementalen Einschreibung der Dispositiv-Formation der am Wachstumsfetischismus gebundenen Warenform als Denkform – dort, wo die Wunschmaschine der Nachfrageseite auf die Gottmaschine der Angebotsseite trifft – in „Verblendung“ (im Sinne von Adorno) gefangen. Man wird die Menschen also in ihrer Psychodynamik der Kastrations-Ängste, der Identitäts-Kränkungen und des apotropäischen Dämonenabwehrzaubers gegenüber Alteritäten anders abholen und auf die Reise mitnehmen müssen. e) Die Bedeutung des Überbaus als praxeologischer Unterbau Falls man etwas von Marx (oder Engels: Rapic 2022) lernen kann, dann die Einsicht, dass eine Kritik der Politischen Ökonomie (wie später bei Adorno und Horkheimer) nicht ohne eine psychoanalytische Sicht auf die dispositive Ästhetik des gouvernementalen Kapitalismus in den Köpfen des Mainstream-Alltagsmenschen möglich ist. Marx war aber – was innerhalb der Diskussion verschiedener marxistischer Strömungen kontrovers ist – primär ein Ökonom, kein Soziologe. Es mögen sich immer verschiedene Sätze bei Marx (Schmidt 2016; Saito 2016) und Engels finden lassen, um hier komplexe – z. B. naturphilosophische (Schmied-Kowarzik 2022) – Erweiterungen der ökonomischen Theorie zu basteln. Manches ist aber eher eine Wunsch-getriebene dekonstruktive Hermeneutik. Seine Anthropologie der Arbeit wurde erst später in einer Philosophie und Psychologie verschiedener Modi des Tätig-Seins differenziert. f) Hermeneutische Achtsamkeit der Dialogizität Die Transformation nicht als Revolution, sondern als soziales Lernen zu verstehen, setzt achtsam voraus, die Menschen systemisch abzuholen und mitzunehmen auf den Weg der Metamorphosen. Dies ist die Kunst, im Dialog sich selbst und die Mitmenschen durch hermeneutische Achtsamkeit gegenüber dem Phänomen der Macht (Schulz-Nieswandt 2010a) zu entwickeln. Es geht demnach nicht nur um die Wertevorstellungen im Rahmen einer Ethik des Zieles, sondern auch um eine rechtsphilosophisch fundierte Ethik der Art und Weise. Kritische Theorie verfährt in ihrer negativen Dialektik trotz aller modallogischen Blickweisen auf die geschichtliche Endogenität des Wandels nicht nach dem Muster eines paternalistischen Arzt-Patienten-Modells. Ihre Normativität ist Teil der sozialen Wirklichkeit (Jaeggi 2013) und nicht ihre Externität (Boltanski 2010). Diese Normativität aufzugreifen und zu folgen, ist durch eine Erziehungsdiktatur nicht zu erzwingen. Der Wandel muss von einer breiten Bevölkerungsmehrheit mitgetragen werden. Die Arbeit des

14. Der metaphysische Wesenskern der vorliegenden Abhandlung

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Sisyphos ist das Prinzip dieser Sorge um den Wandel. Dass die Menschen daran scheitern (Pèpin 2017) können, ist wiederum Teil der conditio humana. 14. Der metaphysische Wesenskern der vorliegenden Abhandlung Was soll nun nochmals betont werden? Die Frage, wann ein Fortschritt ein wirklicher (im Sinne von: eigentlicher) sozialer Fortschritt ist, erfordert eine metaphysisch fundierte, epistemologisch problematisierte Auffassung von Wirklichkeit und Eigentlichkeit.

„Sozialer Fortschritt“ meint in Bezug auf die Faktizität des status-quo etwas „Ganz Anderes“. Und die Entfaltung dieser Alterität der heutigen Form der Modernität der alten Mythen muss skizziert und erörtert werden im Rahmen eines – uno actu: ontologischen, anthropologischen und historistischen – Denkens des Werdens als Wachstum in konzentrischen Kreisen der Ausdehnung als personalistisch definierte Abfolge von Stufen der Selbsttranszendenz. In dem Moment, in dem die Prädikation des Wandels als Fortschritt im Sinne einer Normativität des besseren Guten erfolgt, muss es dem Kriterium der Humangerechtigkeit als Beitrag und Ertrag in der Progression des Telos der Personalisierung hinreichend genügen. Gemessen am status quo des obdachlosen Menschen in seiner Entfremdung muss sich eben dieses Weltverhältnis der cartesianisch-prometheischen Gewalt – die epistemische Gewalt der cartesianischen Subjekt-Dominanz der Warenform-analogen Denkform gegenüber dem Objekt – sowie die pragmatische Gewalt der prometheischen Gewalt der Subjekt-Dominanz und seiner Praktiken instrumenteller Vernunft gegenüber dem Objekt grundlegend ändern. Das Objekt ist einerseits der Mitmensch, andererseits die Natur. Die instrumentelle Vernunft ist die Logik des Denkens, Wahrnehmens und Tuns der Alpha-Linie des aprioristischen Subjekts in der linearen Direktionalität und appropriativen Intentionalität gegenüber dem Objekt. Es ist eine Homunculus-Mutante des Husserlschen phänomenologischen Subjekts in der Herr-Rolle gegenüber dem Knecht-Status des Anderen. Im Prinzip ist es ein Pan-Kolonialismus. a) Die Sphären-Lehre Dabei geht es (1) um den Mikro-Kosmos als Sphäre (I) des Subjekts als Einheit von Geist, Seele und Körper auf dem Weg zur inneren Ausdrucksgestaltwahrheit, (2) um den Meso-Kosmos als Sphäre (II) der zwischenmenschlichen Polis als soziale Mitwelt, in der das vergesellschaftete Subjekt seine kulturellen Verankerungen und sozialen Verkettungen findet, und (3) um den Makro-Kosmos als Sphäre (III) der Natur als Allzusammenhang. Das Werden kann im Rahmen einer responsiven Phänomenologie aktiver Passivität in der Alpha-Linie I ! II ! III

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II. Die dynamische Dialektik der Polaritätsstruktur der Wirklichkeit

transzendentallogisch gedacht werden, ohne damit das Subjekt zum Akteur einer Ego-zentrierten Intentionalität cartesianischer Phänomenologie zu machen. Denn das Subjekt steht zwar in der Mitte des Geschehens, ist aber de-zentriert, weil das Werden in wachsenden Ringen oder sich ausdehnenden Kreisen auch umgekehrt transzendentallogisch gelesen werden kann in der Omega- Linie II

!

!

I

III.

Obwohl sich – darauf ist nochmals zurückzukommen – die cartesianische Wissenschaftslogik im Zeitalter infolge der kopernikanischen Revolution entfalten konnte, bleibt der lebensweltliche Mensch des Alltags einem ptolemäischen Weltbild verhaftet. b) Die Konvergenz der Alpha-Linie und der Omega-Linie Der Mensch steht im Mittelpunkt, obwohl er schicksalshaft in den Allzusammenhang eingebunden, eingelassen, eingestellt ist. Doch heute wird dieses Schicksal, das einst im Sinne der Omega-Linie als Walten des Götterapparates von den Höhen des Olymps aus der pathosophischen Perspektive des tragischen Helden begriffen wurde, „Wahn-haft verdrängt“ und die Angst „verschoben“ auf die Wissenschaft und ihre Forschung. Die Selbsttranszendenz, die hier als technisch verkürzte Alpha-Linie angedacht wird, ist der Griff nach den Sternen. Dabei sollten die Sternenbilder, über die Schadewaldt (1956) so schön gehandelt hat, unser Schicksal doch mythisch ausdeuten helfen. Natürlich gibt es auch andere symbolische Sterne, vor allem den „Stern der Erlösung“ (Rosenzweig 1988), doch soll hier nicht weiter in die jüdisch geprägte Philosophie phänomenologischer Mystik eingestiegen werden. Aber auch dieser Stern ist aus der Perspektive der Omega-Linie gedacht. c) Die „Kehre“ des Weltverhältnisses als Folge der Konvergenz „Sozialer Fortschritt“ ist dann humangerecht, wenn er den Menschen in der Transgression der Sphäre I zur Sphäre II als Metamorphose personalisierend einstellt (\) in die weitere Metamorphose und wenn diese Sozialblase (I \ II) wiederum eingestellt wird in die Naturblase III: III \ (I \ II) \ III,

die dann – paradoxal – eine Weltimmanenz ohne Externität darstellt. Man mag die Metaphysik dieser ontologischen Überwindung der transzendentalen Obdachlosigkeit des modernen Menschen als Variation der Philosophie von Pierre Teilhard de Chardin (1959; 1961) verstehen mögen. Doch kommen wir hier an die „Grenzsituationen“ des vorliegenden Themas und seiner Problematisierung. Diese Grenzsituation zu durchdenken, ist nicht mehr der daseinsthematische Wesenskern der vorliegenden Problemsichtung der Moderne unter dem Eindruck der Corona-Krise und der nachfolgenden „Zeitenwende“ als kollektive Selbstproblematisierung des

14. Der metaphysische Wesenskern der vorliegenden Abhandlung

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Menschen angesichts der anstehenden großen Weichenstellungen. Wird die notwendige Selbsttranszendenz-Kette ptolemäisch als Alpha-Linie gedacht, so erlebt der Mensch sie als eine „Kehre“, als Geschehenserlebniserfahrung und wird plötzlich – eben infolge des (allerdings post-theistischen) epiphanischen Ereignisses – die Omega-Linie erkennen und verstehen. Das „apriorische“ Subjekt erfährt sich als „aposteriorisches“ Wesen des Staunens und der ehrfurchtsvollen Dankbarkeit angesichts des panlogischen Lebens als Allzusammenhang. Diese Kehre macht aus der Unwahrheit des eingebildeten Subjekts Subjekt ! Objekt

ein aufgeklärtes personales Subjekt in einer daseinswahren Form: {([I] II) III}.

Hier fallen Alpha-Linie und Omega-Linie zusammen. Das Subjekt bleibt in der Mitte erhalten, ist aber ein personales (mitmenschliches) und spirituelles Subjekt, gereift bis hin zur staunenden Ehrfurcht vor dem Leben. d) Die Emergenz der Rechte der Natur Beide Blasen – die Sozialblase und die Naturblase – werden wie die alte Binärik von Kultur und Natur integriert. Das personale Subjekt in der Mitte ist ebenso eine durch ihre Metamorphosen veränderte Subjektblase. In ihrer Psychosomatik kommt es zur „harmonischen Polarität“, also zu schwingenden Balancen im Entwicklungskorridor der Daseinspolaritäten. Die Polaritäts-Balancen in der Subjektblase führen zu kulturgrammatischen Balancen N ! M / Gfl.

in der Sozialblase. Durch den Niedergang des ikarischen Wahns der prometheischen Charakterneurose des Objektbesetzungs-Fetischismus (Gfl), kann sich das personale Subjekt in der M-Form des sozialen Mit-Seins öffnen zum Allzusammenhang der Natur, den er responsiv in seiner Bedingtheit der aktiven Passivität bestaunen und folglich achten kann. Der Mensch als „Naturwesen mit Geist“ kommt in die Lage, auf einer hohen Stufe der kohärenten Einheit der kognitiven und moralischen Entwicklung – sozusagen ein Piaget/Kohlberg-Gleichgewicht (Garz 2015) – sein Weltverhältnis dergestalt rechtsphilosophisch und ethisch zu problematisieren, dass er der Natur als Subjekt eigener Art Rechtsstatus zuschreibt (Entitlement als Sprechakt: Krämer 2001), so „als ob“ der Natur diese Rechte von Natur aus zukommen.

III. Ausgangspfade Die Zugangspfade des Abschnittes A führten uns in das Labyrinth des Abschnittes B, wo wir Polaritätsstrukturen des menschlichen Daseins in dialektischer Weise auf der Spur waren. Dort ging es im Rahmen einer idealtypischen Bipolarität von Progression und Regression (auf kollektivseelischer und – beides zur Korrelation bringend – auf individualseelischer Ebene) um die zivilisatorische Weichenstellung des homo ludens/viator zwischen dem homo donans und dem homo abyssus. Ich will nun einen Ausblick in drei Schritten wagen, um dann mit einem Nachwort die Abhandlung, die ja auch ein Vorwort hat, abzuschließen. 1. Ausblick (I): Vermessung des Fortschritts im Modus eidgenössisch gebundener Deliberation Hier nun wird es ausblickend darum gehen, die Subjekt-Objekt-Drehung als Kehre der idealistischen Alpha-Linie zur kosmischen Omega-Linie dergestalt zu skizzieren, dass diese kosmische Omega-Linie zur transzendentalen Voraussetzung der Aktualgenese der menschlichen Person wird.

Da nun aber – wie jede Analyse der narrativen Biographie einer Transkription eines biographischen Interviews zeigen kann – die Geschichte eines individuellen Lebenslaufes im Kontext der gesellschaftlichen Zeitgeschichte mit den Geschichten anderer Mitmenschen verstrickt ist, also die Dependenzgrammatik der individuellen Biographie zum Ausdruck kommt, stellt sich aus der Perspektive gerechter Freiheit die Frage der zwischenmenschlichen Kompatibilität der Sinnentwürfe: Wie kann man sich gemeinsam sinnhaft frei entfalten? a) Abhängigkeit, Anerkennung, Versöhnung Wir sind mitten in der rechtshermeneutischen Auslegung des Art. 2 GG angelangt, sofern man anthropologisch vom personalen Charakter des menschlichen Wesens ausgeht und erkennt, wie die verborgene Hegelsche Idee der gegenseitigen funktionalen Abhängigkeit zu einer Idee der gegenseitigen Anerkennung führt. Diese Phänomenologie des Subjekts ist demnach zugleich eine Rechtsphilosophie der (dialogischen: Grätzel 2018) Versöhnung, die nicht auf einen Vertrag zu reduzieren ist, sondern ein moralisches Motiv benötigt, das die Sittlichkeit der sozialen Beziehungen letztendlich begründet. Deshalb bedarf – und hier gehen wir bereits Bahnen über die Linien konzentrischer Kreise hinweg, die über Hegel hinwegführen mögen – die sittliche Einbettung der Freiheit des Subjekts die Eidgenossenschaft

1. Ausblick (I): Vermessung des Fortschritts

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eines heiliges Bundes, der sich auf die Würde im Art. 1 GG beziehen muss. Hier verknüpft sich die biologische Transzendentalie der komplexen Spiegelneuronen mit der kulturellen Transzendentalie der „Paideia“ der prosozialen Richtungsgebung dieser emphatischen Blickweise sowie mit der Idee der nicht-vertraglichen Grundlagen einer Vertragsgesellschaft, die die deliberative Anerkennungspraxis der Interessen durch den eidgenössischen Bund der heiligen Idee der Personalität einbettet. Soll die Idee die Vereinbarkeit der Interessen in gegenseitiger Anerkennung im Sinne einer Strukturation durch Einbettung bahnen, so muss der Vertrag in einen Bund eingebettet werden. b) Politische Philosophie und Naturrechtsphilosophie der Natur Diese Überlegungen resultieren allein aus dem Ausgangspunkt der Annahmen, der Mensch versuche angesichts seines Wissens um die Endlichkeit, seinem Leben und seinem Verlauf einen Sinn zu geben, denn der Mensch muss sein Dasein gestalten, was die anthropologischen Überlegungen weiterführt zur politischen Philosophie der Freiheit, die sich wiederum als Aufgabe der Miteinanderfreiheit infolge der angeführten Dependenzgrammatik erweist. Der Weg solcher Gedanken und Reflexionen der Folgen solcher Gedanken führt uns sodann weit über die parochiale, mitunter neo-nationalistische Ethik segmentierter Solidargemeinschaften und über das daraus resultierende Freund-FeindDenken hinaus in die völkerrechtliche Idee des sozialen Friedens, der durch die soziale Gerechtigkeit einer Weltgenossenschaft verbürgt werden müsste. Und der Weg führt uns mit dieser räumlichen Ausdehnung zum Selbsterkennen des Allzusammenhangs der Natur, in der diese politische Philosophie eingebettet ist. Gerade jetzt im Anthropozän wird sich diese Selbsttranszendenz der negativen zur sozialen Freiheit der sozialen Mitwelt – einen fundamentalen transzendentalen Schritt weitergehend – nochmals einzubetten haben in die allumfassende transzendentale Ordnung der Natur. Die soziale Miteinanderverantwortung der Ordnung der sozialen Freiheit, die im externalitätstheoretischen Sinne auch die Würde zukünftiger Generationen berücksichtigen muss, als ein gelingendes Miteinander erfordert eine Erweiterung der advokatorischen Verantwortung in Richtung auf die Rechte der Natur, eingebettet in die staunende Demut aus der Haltung der Ehrfurcht vor dem Leben heraus. c) Sinnfindung als gemeinsame Freiheit Die gemeinsame Sinnentfaltung der Menschen bedarf also diesen Zauber der durchaus daseinsheiteren Erfahrung der Aura dieser mehrschichtigen transzendentalen Einbettung. Freiheit muss eben geordnet werden (Tschuschke 2023). Es geht also um die Idee des Projekts der Befreiung des Moralischen aus der Sphäre des Privaten und für die Bildung der Akzeptanz allgemein verbindlicher positiver Werte

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III. Ausgangspfade

(Michéa 2014). M. E. führt dies in eine metaphysische Fundierung der Verbundenheit (in der Begegnung: Pèpin 2022) in der liberalen Gesellschaft, die den Individualismus der liberalen Gesellschaft zu einer personalistischen Gesellschaftslehre führt. Damit würde eine progressive Metamorphose der wenigen, damals grundlegenden, aber nie wirksam werdenden sozialkonservativen (linkskatholischen) Entwürfe einer Metaphysik gemeinschaftlich fundierter Gesellschaft in der Nachkriegszeit (SchulzNieswandt 2018c) bewirkt werden können. Das wäre eine ganz neue, weil humanistische „linke“ Philosophie. Dies würde auch die Versuche, Foucault weiter zu denken (Rainsborough 2018), durch eine gewisse Fundamentalverschiebung nochmals erweiternd verändern. Und Sinn entfaltet sich nur in einer gemeinsamen Geschichte des Menschen als ein Naturwesen, dessen Geist ein Stern der Überwindung der (vom Mitmenschen wie von der Natur entfremdeten) transzendentalen Obdachlosigkeit ist. Der Alltagsmensch ahnt mitunter um die Möglichkeiten einer doch schon längst messianisch aufgeladenen geschichtlichen Jetzt-Zeit. Eingelassen in das universale Kontingenzerlebnis, dass sich alles in der Welt wandelt, sucht der Mensch sich selbst, sich in einer bestimmten Auffassung von tholemäischer Monade begreifend, in der sich alles als Entität einerseits im kopernikanischen Raum verdichtet, die sich aber andererseits nach einem die Sicht öffnenden Fensters zur Welt – manche auch ikonisch zur Ewigkeit (Kadelbach 2001: 48 bis 51) hin – hin sehnt. Denn dadurch mag er wieder teilhaben können an dem Sein, von dem er sich in seiner geschichtlichen Form des seienden Seins bis hin zur ontologischen Obdachlosigkeit entfremdet hat. Die Sinnfindung ist nun jedoch angesichts der Eskalation der Möglichkeiten kompliziert geworden. Ewig gibt es Neues als etwas Neues. Aber Heimat findet der Mensch nicht. Einsamkeit prägt ihn inmitten der Welt, in der er ja eigentlich zu Hause ist. Sein Weltverhältnis ist gestört. Es ist eine Persönlichkeitsstörung, aber eben auch eine Störung der „Kollektivseele“ der Sozialgebilde, die der Mensch eingeht (in Oikos, Polis, Nation) und die sodann sein Naturverhältnis betrifft, denn das Subjekt der narzisstischen Persönlichkeitsstörung betrachtet die Natur, die uns eigentlich heilig sein sollte, als Objekt seiner instrumentellen Besetzungsmanie. Manisch ist dieses narzisstische Subjekt, weil es Nietzsches Prognose der Bedürftigkeit eines „Übermenschen“, der die ontologische Lücke füllen soll, verkürzt auf die negative Freiheit des Besitzrechtsindividualismus, der um das sittliche Weltverhältnis nicht mehr wissen will und auch die Fähigkeit zum Staunen angesichts der Aura göttlicher Landschaften verloren hat, wenn er auf die abenteuerlichen Reisen1 seines Lebens geht, dabei aber vergisst, dass Odysseus, das Epos psychoanalytisch gelesen, immer ein finales Telos hatte: die Rückkehr in die Heimat, wo seine Liebe ist. Auch Orpheus, den göttlichen Zauber seiner Musik einsetzend, trieb die Liebe in den Hades, um seine Eurydike nicht endgültig verloren zu haben. Das dies nicht gelang, macht 1

Dazu auch den philosophischen Reisebericht in Briefform an den Sohn von Wehrli 1954.

1. Ausblick (I): Vermessung des Fortschritts

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den Mythos zur Hymne auf den Menschen als tragischen Helden als Ausdrucksgestalt der conditio humana. Der moderne Mensch irrt Telos-los herum. Er selbst ist da im faden Lichte der Meinungsforschung anderer Meinung: Es sei schöpferisch im Modus der innovativen Kreativität „for a better world“. Wohlstand für alle war die BruttoinlandsproduktPhilosophie der konservativen sozialen Marktwirtschaft der (wie es Hölderlin schon als unschönen Erfahrungserlebnis formulierte) „bleiernen“ Nachkriegszeit. Was ist Wohlstand? Wohlstand für was? Wohlstand für wen? So fragte schon die Soziologie in der Nachkriegszeit kritisch nach. Heute wissen wir um den unzureichenden Charakter des Postulates der Maximierung des BIP als hinreichender Indikator für Wohlstand. Wonach streben wir, wenn wir uns treiben lassen zur triebartigen Art und Weise des Herumirrens im Reich der Möglichkeitsräume unendlicher Weite? Vertrieben aus der transzendentalen, die Personalität konstituierenden Seinsgeborgenheit, die uns also verloren gegangen ist, sind wir Getriebene des Haben-Wollens in unserer Existenzbewältigung, die nicht mehr Daseinsgestaltung ist. c) Zur Philosophie humangerechter Innovativität von Innovationen Das Thema des vorliegenden Essays war ja die Frage nach der Möglichkeit, den sozialen Wandel am Maßstab rechtsphilosophischer und ethischer Überlegungen dergestalt mit einer Prädikation zu skalieren, dass der Begriff des Wandels mit der Eigenschaft der humangerechten Fortschrittlichkeit sinnvoll verknüpft werden kann. Diese Normativität einer wissenschaftlichen Betrachtung beruht einerseits auf einer neu-kantianischen Wissenschaftslehre, die (1) die Position der südwestdeutschen Schule und der Position der Marburger Schule mischt, also einerseits transzendentale Werte von hoher Kulturbedeutsamkeit mit (2) der Position einer rechtsethischen Kritik der Faktizität andererseits verknüpft, jedoch die Kritik nicht als einen kruden (diastatisch codierten) dualistischen Soll-Ist-Vergleich modelliert, sondern das Soll (3) als endogenen modallogischen Teil der faktischen Ist-Welt zu verstehen beabsichtigt. Dabei soll der modallogische Charakter des Soll-Maßstabes als Idealtypus aus geltenden Strukturen des überpositiven Rechts auf der Grundlage onto-anthropologisch reflektierter Bezugnahmen zur conditio humana destilliert werden. Dann kann als Kritik der instrumentellen Vernunft (Schulz-Nieswandt/Chardey/ Möbius 2023; Schulz-Nieswandt 2021q) eine Kritische Theorie zum Zuge kommen, die mit dem Todestrieb der ewigen Innovationsschübe als Marktzyklen des Aufstiegs und Niedergangs des Neuen bricht. Mit dem Begriff der Innovation (Schulz-Nieswandt 2023q; vgl. auch meine einleitenden Bemerkungen in Rehner [2023] vor dem Hintergrund von SchulzNieswandt, Rehner u. a. 2023) treffen wir den Lebensnerv der modernen Gesellschaft, über die man jedoch nicht vollumfänglich angemessen diskutieren kann, wenn man nicht bereit ist, ihre kapitalistische Formbestimmtheit als Wesenskern zu berücksichtigen. Das anvisierte Thema, die Frage betreffend, wann denn eine In-

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III. Ausgangspfade

novation als innovativ prädikativ klassifiziert und somit normativ skaliert wird bzw. werden kann, ordnet sich in diese paradigmatische Frage nach der epistemischen Sichtweise aus einem bestimmten Erkenntnisinteresse heraus ein. Innovation ist ein ideologisches Mega-Thema des Diskurses über sozialen Wandel und als kollektiv geteilte Denkform immer mit Blick auf Entwicklungen und Zukunftsthemen fixiert. Innovation ist kein oberflächliches Modethema. Es ist integrierter Teil der DNA des Codes des Strickmusters des Gewebes der Wirklichkeit. Innovation ist als eine konstitutive Kategorie des Weltverhältnisses der Menschen fundierend für die Art des Wirtschaftens. Und es durchdringt als gouvernementales Dispositiv alle Lebensbereiche. Es ist also nicht nur eine Kategorie der ökonomischen Basis, auch wenn dieser Todestrieb der Innovatonen aus der Logik des kapitalistischen Akkumulationsregimes resultiert. Es ist zu einem konstitutiven Fundamental-Baustein im kollektiven Stil des Wirtschaftens geworden und ein Funktionskomplex von Angebot und Nachfrage, von Gottmaschine und Wunschmaschine als (un)heilige Allianz von Herr und Knecht in ihrer reziproken funktionalen Dependenzgrammatik, wie sie in der Tradition von Hegels Phänomenologie des Geistes tradiert ist (Kojève 1975). Innovation ist die Triebkraft eines Systems, das sich – in seiner prometheischen Hybris – als permanente Schöpfung versteht. Das System verändert seine Ausdrucksgestalt auf einer immer mehr beschleunigten Art und Weise. Die Lebensqualität in Warenform des immer „neuen Neuen“ zu denken, ist selbst zur Denkform geworden. Diese Turbo-Ökonomik – die nach den ökologischen Folgen im Anthropozän fragen lässt und nun im digitalen Zeitalter im Übergang zur Künstlichen Intelligenz noch weitgehend unabsehbare Diskurse zur post- oder transhumanen Mutation aufwirft – erfasst nun zunehmend auch den Sozialsektor in Form sog. sozialer Investitionen. Es geht – gefördert durch vielerlei institutioneller Subjekte des politischen Systems, die das Spiel des kollektiv geteilten Dispositivs „Wir müssen kreativ sein“ fördern und antreiben – nicht nur um neue Projekte und neue Prozesse, neue Konzepte und neue Geschäftsmodelle, sondern immer darum, neue Märkte zu schaffen. Nun wird man aber die Frage zu beantworten haben, was denn wirklich neu sei am Neuen, was vom Neuen bedürfen wir Menschen wirklich, was denn unbedingt notwendig sei, was wohl möglich überflüssig sei, was – letztendlich auf den Punkt gebracht – das Leben hin zu einem sog. guten Leben verbessern mag. Oder mögen Innovationen das Leben sogar schädigen oder gar gefährden? Mit diesen Fragen sind wir bereits in der Mitte der Kontroverse. Wer hat mit welchen Gründen das Recht und sodann die guten Gründe, die hinreichend dafür sind, solche Fragen zu stellen und Antwortversuche zu generieren? Denn die ablehnende Haltung gegenüber solchen fundamentalkritischen Nachfragen ist bekannt und immer schnell artikuliert: Der Markt entscheide doch als Demokratie der Märkte im Modus des Kauf- und Nutzungsverhaltens. Die Demokratie des Marktes ist der Mechanismus der Abstimmung durch den Konsum. Wir kennen diese Souveräni-

1. Ausblick (I): Vermessung des Fortschritts

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tätslehre als Monarchie der Massensubjekte aus dem schlichten normativen Individualismus, der das Geschwisterchen des methodologischen Individualismus der Zweckrationalität des Subjekts der Indifferenzkurven ist. Zwar mag die Einkommensverteilungsfrage ein Problem sein, wie zugegeben wird. Damit treten wir jedoch in die Machtsphäre der „meritokratischen“ Logik der Leistungsgesellschaft ein. Wer arbeitet und leistet, kann sich sodann auch selbst etwas leisten. Ein unbedingtes Grundeinkommen gilt hier wohl als Verrat an dieser Logik der quasi-forensischen Leistungsgerechtigkeit. Verteilungsfragen seien aber Gegenstand der Politik und in der Ökonomie als Wissenschaft von der Allokationseffizienz ebenfalls nur Fragen privater Präferenzen. Meist wird daher die Diskurs-bedürftige Frage „Wie nützlich ist das Nützliche?“ ausgeklammert. Hierbei dienen oftmals Paternalismus-Vorwürfe der vorschnellen Beendigung der Diskussion. Doch ist dieser Vorwurf berechtigt? Demokratie bedeutet doch: Der Wille muss – im Diskurs kommunikativer Verständigung – gebildet werden? Wie sieht dieser deliberative Bildungsprozess aus? Welche Menschenbilder, welche Vorstellungen von einem guten Leben, welche Werte, auch in Bezug auf die grundrechtlichen Vorgaben des modernen Naturrechts des menschenrechtskonventionell verankerten Rechtsstaates, leiten diesen Diskurs, wenn es zutrifft, dass sich das Innovations-Dispositiv schon längst wie ein Pneuma in die Strukturschichtung von Geist, Seele und Körper der Menschen eingeschrieben hat? Innovativität ist bereits zu einer zwanghaften Idee geworden und modisches Design und kreatives Designing unserer Welt haben sich zu einem heiligen Paradigma des Weltverhältnisses der Menschen entwickelt. Das Wort grenzt grundlegend orientierte kritische Nachfragen aus: Wer will denn nicht kreativ – also modern – sein? Wer will Technik-feindlicher Verweigerer einer besseren Welt sein? „Innovation for a better world!“ Die – unterstellte – Verweigerung von Innovationen wäre sogar moralisch verwerflich, denn man verbaut mit Blick auf zukünftige Generationen – und damit kommen wir auch in das Feld von Wissenschaft und Forschung hinein – die Wohlfahrtschancen der Zukunft. Freiheit bedeutet die Erweiterung der Welt als Möglichkeitsräume. Individuell kann man sich ja – als sog. souveräner Konsument – entscheiden, ob man die Möglichkeiten wahrnimmt oder nicht. d) Die Humanisierung der ökonomischen Innovationsidee Die ökonomische Theorie thematisiert die Idee der Innovation im Rahmen von konjunkturell schwankenden Wachstumspfaden des BIP. Dort wird u. a. differenziert zwischen Produkt-Innovationen (P*) und Prozess-Innovationen (P), zwischen Konzept-Innovationen (K) und Geschäftsmodell-Innovationen (G) und der MegaTyp-Idee der Sprunginnovationen, durch die ganz neue Märkte (NM) entstehen. Im Feld sozialer Innovationen ist im Rahmen einer innovativen Produktionsfunktion sozialer Wohlfahrt (SWF) das Produkt die Lebensqualität eines guten Lebens der Menschen. Prozesse sind hier performative Konstruktionen dieser Le-

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III. Ausgangspfade

bensqualität (LQ) durch kulturell codierte soziale Praktiken (sozP). Unter Konzepten verstehen wir hier die Programmcodes (PC) eben dieser Praktiken. Geschäftsmodelle meinen die Modelle der Sorgearbeit (S) als Stil des Wirtschaftens (StdW) der Gemeinwohlökonomie. G) & SWF = LQ

!

!

P (K

sozP (PC

!

!

P*

S [StdW]).

Von Sprung-Innovationen sprechen wir hier im Sinne von Kulturstufen-Innovationen (FsozM) als Formen des sozialen Miteinanders in gemeinsamer Verantwortung dieser Freiheitsordnung. Mit Blick auf die Entwicklungssprünge ist festzuhalten: D BIP & FsozM.

Die kapitalistische Funktionslogik des Akkumulationsregime führt nun dazu, dass @ LQ / @ BIP + O

umkippt zu @ LQ (FsozM)/ @ BIP < 0.

Im Grunde handelt es sich um eine negative System-Externalität, denn es entstehen soziale Kosten psycho-sozio-ökologischer Komplexart, also uno actu im Modus einer Verschachtelung {NR (SR [IR] SR) NR}

den Innenraum (IR) des Menschen, den mitmenschlichen Sozialraum (SR) und den Naturraum (NR) betreffend. e) Gemeinsame Aktualgenese als Wesenskern eines humangerechten sozialen Fortschritts Man wird sich die Dramatik des Themas verständlicher machen können, wenn man die Frage aus der Perspektive einer daseinsanthropologisch fundierten humanistischen Psychologie der „Aktualgenese“ des personalen Erlebniserfahrungsgeschehens begreift. In der raumtheoretisch (Ernst 2018; Illies 2020) fundierten neueren Architekturtheorie z. B. haben sich phänomenologisch-hermeneutische Ansätze (Hahn 2017; 2022; Hasse 2016; 2023) herausgebildet, die nun nochmals besser verstehen lassen, was mit und in dem Menschen (als Einheit von Geist, Seele und Körper) im Zuge seiner Responsität in und durch die Umwelten, in die er eingestellt ist, passiert, wenn er diesen Umwelten als Erfahrungserlebnisraum als Geschehensprozess ausgesetzt ist. Wann generiert sich in solchen Settings der MenschUmwelt-Interaktion ein epiphanes Erleben von Licht, Farben, Musik (auch als „Musik der Stille“), damit – um an Rainer Maria Rilke anzuknüpfen (Kruse 2014; 2017; 2023) – ein weiteres Werden im Lebenszyklus der vulnerablen Persönlichkeit

1. Ausblick (I): Vermessung des Fortschritts

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des Menschen in wachsenden Ringe angesichts seiner Fähigkeit zur schöpferischen Plastizität möglich wird. Dieser Diskurs über die herausfordernde Frage, wann ein Wandel (von S in T1 aus) einen Fortschritt (als soziale Wohlfahrt SW in der Zeit T definiert) verkörpert und somit das Neue (S in T2) auch das Bessere (SW [S in T2] > SW [S in T1]) ist, muss nicht in einem grundlagenwissenschaftlichen Raum der Erörterungen bleiben. Man kann – achtsam und ohne Vermessenheit – auch Wege der Vermessung gehen. Dabei wird die auf den Nutzen (U) der Individuen (i) formalistische Inhaltsleere einer normalen sozialen Wohlfahrtsfunktion (SWF) SWF = SWF (Ui) + 0 für alle i = 1 … n ! max!

in Verbindung mit dem Pareto-Kriterium verlassen. Denn die Nutzenfunktionen U=U() *

sind leer ( ). Sie können aber auch nicht hinreichend mit monadischen Elementen gefühlt (z. B. Y als Einkommen) werden, sondern müssten die Sinn-orientierten Lebensentwürfe aus *

(1) den Diskursformationen (D), die aus der Erfahrungserlebnisverarbeitung (EEV) der Dependenzgrammatik (DG) resultieren, im Sinne (2) einer deliberativen, eidgenössisch verankerten Verständigungspraxis (devV) gegenseitiger Anerkennung (gA), (3) strukturiert über die Ordnungsfunktion der Ideen sozialer Freiheit mit dem Telos (T) des Bundes sozialer Freiheit (BsozF) gegenüber den Interessen privater (negativer) Freiheit im Rahmen der gebändigten politischen Agonalität (jenseits des entfesselten narzisstischen Prometheus des Besitzrechtsindividualismus) modellieren. Die Leere der Nutzenfunktion wird gefüllt durch den gouvernementalen Formations-Mechanismus zwischen der Performativität (P), der Herausforderung (H) und dem generativen Antwort-Mechanismus (G) *

)

G = ( gA [devV]

! !

P=([]

!

!

T = BsozF

H = {D (DG [EEV])},

was als „T-P-G-H-Approach“ eine Praxeologie kultureller Codierung sozialer Definitionen des „guten Lebens“ im Sinne eines sozialen Konstruktivismus darstellt, der mehr ist und meint als eine mikroökonomische Theorie von schwacher mittlerer Reichweite über Präferenzformationen in Bezug auf singuläre Parameter negativer Freiheit des Individuums in der Nutzenfunktion. Die in einem universalistischen Sinne inkludierende SW bezieht sich demnach auf das kollektiv geteilte Telos (T): SWF = SWF (BsozF) ! max für alle i

der Miteinander-Gesellschaft unter der Bedingung, dass der Bund in einem zweiten Schritt der Selbsttranszendenz auch das post-cartesianische Natur-Welt-Verhältnis

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III. Ausgangspfade

als Bund der Ehrfurcht vor der heiligen Natur (BdEhN) einschließt, womit aus der SW-Funktion eine psycho-sozio-öko-logische Wohlfahrts-Funktion (psöWF) wird: psöWF = psöWF (BsozF + BdEhN) ! max für alle i + N.

Dies würde aber gegenüber einer komparativen (S1 ! S2) Statik eines Gleichgewichtspunktes (SW im Pareto-Nutzenmöglichkeitsraum) epistemologisch einen Approach-Wechsel erfordern, der der Logik einer dynamischen Prozessontologie der Kultur des Sozialen als soziale Konstruktionsleistung eingebetteter Figurationen sozialer Verkettungen entsprechen würde. Es geht dann nicht mehr um den Formalismus einer beweismathematischen Fixierung einer modelltheoretisch möglichen eindeutigen Gleichgewichtslösung. Es geht um das Prozessverstehen der deliberativen, aber im eidgenössischen Bund kulturell eingebetteten Genese kollektiv geteilten Imagination von einem „guten Leben“, wobei der Natur nicht mehr die Eigenschaft zukäme, eine Ressource in der Maximierung der SW zu sein, sondern infolge eines eigensinnigen Rechtsstatus, jenseits der prometheischen Hybris der narzisstischen Objektbesetzungs-Manie, in die SW-Konstruktion eingeht. f) Die pragmatische Wende hin zu Vermessung ohne Vermessenheit: Reflexive Fragebatterien statt Kennziffer-Fixierung Ausdruck eines solchen holistischen, semantisch vieldimensionalen, Wertefundierten und für kommunikative Validationen in einer deliberativen Verständigungspraxis offenen Idee der normativen Prädikation von Veränderungen ist ein Index der Vermessung der Innovativität von Innovationen. Denn: Das dynamische Entwicklungsfeld der Innovationen zwingt dazu, nach der Methode der Beurteilung der „Innovativität der sozialen Innovationen“ zu fragen: Wann, wie und warum/ wieso, auch wo, und für wen ist eine Innovation innovativ? Diese kritische Nachfrage kann mit Hilfe eines Index der Messung der Innovativität dergestalt entfaltet und durchgeführt, dass in der Folge sodann auch eine fachwissenschaftlich fundierte Urteilsfindung möglich wird. Die methodische Grundlage dazu resultiert aus einem Entwicklungsprojekt des KDA, das infolge eines entsprechenden Projektantrages vom DHW der Deutschen Fernsehlotterie genehmigt wurde und in den Jahren 2021 und 2022 umgesetzt worden ist. Es wurde ein komplexer, mehrschichtiger und vieldimensionaler, Indikatoren-gestützter „Index für Innovation“ bzw. als „Index Soziale Innovationen für das Altern“ entwickelt. Ein solcher Index für die Messung von Innovativität als Methode wird im Rahmen einer breiteren theoretischen und normativ-rechtlichen Herleitung in Form einer umfänglichen Darlegung und Erläuterung der gesamten Logik, Architektur, Funktionsweise und Nutzungsperspektive an anderer Stelle expliziert (Schulz-Nieswandt/Rehner u. a. 2023). Der Index wird nun augenblicklich in einem zweiten Projekt (2023 – 2024) bis hin zur praktischen Nutzbarkeit implementiert. Der Index kann auch auf alle Phasen des Lebenszyklus angepasst werden, und er kann ferner sogar dabei behilflich sein, die Organisationskultur institutioneller

2. Ausblick (II): Sozialtheorie als Ästhetik der wahren Form

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Akteure selbstreflexiv zu evaluieren. Der Index wird als „Commoning“ bedeutsam als zugängliches Gemeingut, da die Methode später in die öffentlich bedeutsame Nutzungspraxis – und vielleicht auch in eine Veränderung der Sichtweisen und Denkwege und somit der Kultur der sozialen Praktiken – eingehen kann. Was nun jedoch besonders wichtig ist, ist die Tatsache der Deduktion der prädikativen Normativität der Skalierung aus dem „objektiven Geist“ der Gesetze der Rechtsregime. Hier wird deutlich, dass die Methode zur Beurteilung der Innovativität von Innovationen auf einer Werte-orientierten Grundlage beruht. Diese Werte entsprechen dem Menschenbild und dem Leitbild des solidarischen und inkludierenden sozialen Miteinanders der Grundrechtskonventionen des UN-Völkerrechts, der Europäischen Grundrechtscharta, dem bundesdeutschen Grundgesetz, dem System der Sozialgesetzbücher und den WTG-Regimen der Bundesländer sowie den Zielen in weltweit anerkannten Programmen (der WHO, der UN etc.) zur Förderung von Lebensqualität. Der Index schafft es, diese Maßstäbe in einem mehrschichtigen bzw. mehrstufigen System von Bereichen, Dimensionen und Merkmalen zu Fragebatterien als Items der Indikatoren zu konkretisieren, damit die Frage nach der Innovativität von Innovationen einer Beantwortung zugeführt werden kann. 2. Ausblick (II): Sozialtheorie als Ästhetik der wahren Form und die doppelte, zweistufige Einbettung des Menschen Hier wird es darum gehen, einen Ausblick auf die Perspektive einer Kritischen Sozialtheorie als eine Ästhetik der Form der Kultur des Sozialen zu skizzieren. Es sind nur fragmentierte Bausteine. Sie werden an anderer Stelle (Schulz-Nieswandt 2024a) zu einem Gewebe verstrickt.

Ein akademisches Werk und die Entwicklung der Persönlichkeit des Menschen, der dieses Werk zu verantworten hat, sind nicht zu trennen, wenn Wissenschaft mehr ist als die Schaffung von Tatsachenbefunden des Empirismus, zu denen man sodann in positivistischer Manier keine Stellung nimmt. Hier ist eine gemeinsam wachsende Korrelation anzunehmen. Erst dann wird ein Werk auch eine Gestalt, eine Ausdrucksgestalt. Des Pudels Kern kann hier eine schöne Gestalt annehmen. Die Frage ist, von welchem Geist das Werk geprägt und getragen wird. Ein wissenschaftliches Werk, das von Anbeginn an das Verstehen von Strukturen, Prozessen und Wirkungen mit der Wahrnehmung des Schönen zu verbinden in der Lage war, ist das von Adolf Portmann (Schulz-Nieswandt 2023b), dem seine Berufung zugleich Daseinsfreude eröffnet hat. Die methodologisch kontrollierte Distanz verbindet sich mit dem Staunen angesichts der Natur, zu der der Mensch mit seinem Geist zählt. Man sieht – bekanntlich – eben nur mit dem Herzen gut.

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III. Ausgangspfade

a) Die katathym-imaginative Arbeit an der eigenen Paideia So erweist sich meine „jemeinige“ Paideia (Schulz-Nieswandt 2019d) weiterhin – wie sollte es auch onto-anthropologisch anders sein können – als unabgeschlossen, als ein weiteres Werden des Noch-Nicht. Der Allzusammenhang der Natur selbst ist die universale Transzendentalie, meine Responsität aktiver Passivität ist eine sekundäre, wenngleich schöpferische, weil katathym-imaginative (Steiner 2022; Ullmann 2017) und in diesem Sinne eine transzendentale Leistung. b) Formale Soziologie und Sozialtheorie als Ästhetik der Suche nach der wahren Form Die formale Soziologie als Soziologie der sozialen Formen ist eine typologische und klassifikatorische Arbeit kulturgrammatischer Art. Sie ist in Bezug auf die Aufstellung2 der Individuen relationaler Art und generiert so eine Grammatik der Figurationen. Ihre soziale Geometrie entwickelt sich im Lichte der Zeitlichkeit als ontologische Kategorie mit Blick auf das geschichtliche Werden des Menschen aber zu einer post-euklidischen Methodologie der sozialen Morphologie, weil mit ihr eben nicht nur die Struktur der sozialen Gebilde zum Thema wird, sondern die SinnFrage der Daseinsführung des Menschen im Rahmen seiner Existenzbewältigung. Dann aber, wenn sich die Form-Frage mit der Sinn-Frage verknüpft, geht der Formalismus der sozialen Geometrie der Figurationen zur Wahrheitsfrage der Ausdrucksgestalt des Lebens über. Die Frage lautet nun: Was ist die „wahre“ Form des Menschen in seinem sozialen Leben? Wann nimmt die Form die Qualität der Gestalt an, die Gestaltwahrheit verkörpert? Die Soziologie wird dann zur Sozialtheorie als eine Ästhetische Theorie der Wahrheit der Form, in der der Mensch zum Ausdruck kommt. Diese Neu-Formulierung der Kritischen Theorie als eine Wissenschaft des Gestalt-wahren seienden Seins wird noch an anderer Stelle entfaltet werden müssen. Das Problem ist nur modallogisch angemessen zu fassen, weil in der Erfahrungswelt immer die Differenz zur Möglichkeit des Noch-Nicht der wahren Form der Menschen in ihrem Weltverhältnis – als Telos der Sinn der Geschichte – mitzudenken ist. Der so oft verhandelte soziale Wandel als Fortschritt erhält eine Perspektive, die es ermöglicht, Sinn-voll, weil Telos-artig, von der Zukunft zu sprechen. Der Weg dorthin ist von Metamorphosen geprägt. Die Gesamterzählung ist die Idee einer Entelechie. Die onto-anthropologisch reflektierte Meta-Erzählung ist die Ästhetik als Gestaltlehre der Suche des Menschen nach seiner wahren Form. Diese Ästhetik der sozialen Wirklichkeit ist in Vorbereitung (Schulz-Nieswandt 2024a): Sie handelt von der Kritischen Theorie (KT) der Entelechie der Person (EdP) als Ästhetik der Form (ÄdF): KT = ÄdF ! EdP. 2

Vgl. die wunderbare Schilderung „Stuhl-Choreographie“ bei Kadelbach 2001: S. 85 – 87.

2. Ausblick (II): Sozialtheorie als Ästhetik der wahren Form

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Ihr geht es dergestalt um die Wahrheit (W) der Person (P), das Gute (G) der Sozialpolitik (Sopo) und die Schönheit (S) der Genossenschaft (Geno). Es soll eine Trinitätslehre (T) der humangerechten Kultur (hgK) werden: T = (W; G; S) = (W [P]; G [Sopo]; S [Geno]).

Hierbei haben G und S als eigenwertige Ziele eine dienende tranzendentale Rolle gegenüber dem Meta-Telos P. P wird als wahre Form zur Ausdrucksgestalt der Genossenschaft als Gebilde, die zugleich die soziale Gerechtigkeit der Sozialpolitik inkorporiert. Die lebenslagenbezogene Auslegung des Förderauftrages des § 1 GenG könnte demnach im Lichte von § 1 SGB I insofern in Kompatabilität mit meiner Auslegung der Miteinanderfreiheit als Miteinanderverantwortung (Schulz-Nieswandt 2022a) stehen, als es immer um das von mir spezifisch, nämlich auf die bedarfsdeckende Gabe hin motivisch ausgelegte Strukturprinzip solidarischer (und insofern re-distrubutiver) Reziprozität geht. c) Die Auslegungsordnung der Werte von 1789 Damit repliziere ich nochmals meine Auffassung von einer transzendentallogischen, also auf Ermöglichung (tE) hin angelegten Sequenzanordnung der drei normativen Sterne von 1789: Solidarität ! tE1! Gleichheit ! tE2 ! Freiheit.

Diese erfordert sodann im Zusammenspiel von Staat und Zivilgesellschaft ein spezifisches Rollen-Kompetenz-Gefüge. d) Die Rolle des Wohlfahrtsstaates Hier könnte auch die Rolle des Wohlfahrtsstaates (Betzelt/Fehmel 2022) verankert werden, denn er muss als tE1-Akteur in seiner re-distributiven Rolle mit Blick auf die Gleichheit als universalisierte (de-kommodifizierte) re-distributive Moralökonomik verstanden werden, die wiederum auf die Idee der inkludierenden Freiheit bezogen ist und diese ermöglichen soll. e) Die Rolle der Zivilgesellschaft Die Rolle der Zivilgesellschaft ist es nun, (1) diese Sternenwelt im Lichte von Art. 1 GG zu verankern in einem transzendentalen eidgenössischen heiligen Bund, damit die Freiheit als Telos nicht auf den besitzrechtsindividualistischen (SchulzNieswandt 2022b) Modus der negativen Freiheit als Ausdruck einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung verkürzt wird, sondern stattdessen und vielmehr mit Blick auf die notwendige empathische Pro-Sozialität im Art. 2 GG sittlich als soziale Freiheit codiert wird.

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III. Ausgangspfade

Die Rolle der Zivilgesellschaft ist sodann (2), die genossenschaftliche Idee der solidarischen Reziprozität aus der Idee der responsiven Gabe (Schulz-Nieswandt 2023a) heraus im Rahmen der öffentlichen Gewährleistungsaufgabe der Sicherstellung der Infrastruktur als Commons der regionalen Daseinsvorsorge die lokale Sozialraumbildung und nachhaltige und effektive Sozialraumentwicklung als Caring Communitys genossenschaftsartig zu gestalten. Dabei kann diese genossenschaftsartige Gemeindeordnung selbst wiederum genossenschaftliche Einzel(wirtschafts) gebilde mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zwecken modular enthalten und diese wiederum auch in ihrer Dachorganisation genossenschaftlich organisieren und zu regionalen Kreisläufen integrativ verknüpfen. f) Ästhetik des doppelten Formprinzips Beachtet werden muss, dass die genossenschaftliche Form (gF) im Sinne des Lebens als soziales Lernen sowohl generativen (GEN) als auch performativen (PER) Charakter hat: Die gF = gF (GEN; PER) ist demnach eine Ausdrucksgestalt, in der sich P performiert hat, aber eben in und durch die gF generiert wird. Die hylemorphe Auffassung ist hierbei also die Zuweisung einer aktiven und passiven Doppelrolle der Form. Die Form hat P zum Wesenskern-Inhalt. Indem diese Form P generiert, aber P zugleich dergestalt zum Ausdruck bringt, hebt sich hier der Streit zwischen Jean-Paul Sartres existentialistischer Ontologie, wonach der Akt dem Sein vorausgeht und der klassischen Ontologie, wo sich das Sein im Akt entfaltet, auf. Das solidarische Miteinander sozialer Freiheit ist ein Tun, das einerseits dergestalt praxeologisch als performative Praxis (PER) der Hervorbringung (GEN), andererseits aber auch als Telos mit Blick auf P zu verstehen ist. Die genossenschaftliche Idee als Miteinanderfreiheit im Geiste von P als heiliger Wesenskern des Bundes ist der Gegenstand einer Sozialtheorie als Ästhetik der wahren Form des Menschen in der Geschichtlichkeit seines Daseins als seiendes Sein, als liebende Sorge in der Existenzbewältigung, mit der er sich wohnend einbaut in den großen Allzusammenhang der Natur. g) Der Naturzusammenhang und das doppelte „Embeddedness“ des Menschen Die Miteinanderverantwortung, die das Korrelat der Miteinanderfreiheit darstellt, lässt in dieser genossenschaftlichen Polis-Ordnung nicht nur die Möglichkeit des Lernens zu, diese Idee der Dependenzgrammatik des Seins völkerrechtlich zu einer Weltgenossenschaft auszudehnen, sondern ermöglicht es auch, den sozialen Frieden dieser Ordnung auf den Frieden mit der einbettenden Natur auszudehnen. Um das „Entitlement“ der Rechte der Natur post-cartesianisch und daher eben nicht wieder im ikarischen Wahn im prometheischen Habitus der Hybris zu verstehen, ist die Haltung der staunenden Ehrfurcht vor dem Leben in den ganz großen heiligen Bund des selbsttranszendenten Menschen notwendig.

2. Ausblick (II): Sozialtheorie als Ästhetik der wahren Form

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Denn der Mensch ist von einer doppelten „Embeddedness“-Erfahrung seiner sozialen Dependenzgrammatik zutiefst geprägt. Aus der psychodynamischen Bindungsforschung wissen wir (1) um die Bedürftigkeit kultureller Einbettung im Zuge dessen, was wir gelingende, weil personalisierende Vergesellschaftung nannten. Unsere psychoanalytische Grundierung der Sozialtheorie lässt uns die Bedeutung der Paideia nun als eine lebenslange zweite Geburt als extrauterine Ontogenese verstehen. Aber der Mensch muss (2) seine kosmische Dependenzordnung erkennen und seine angemessene Selbst-Einfügung in diesem Allzusammenhang erlernen. Beide Dependenzordnungen – um den Dualismus von Kultur und Natur zu problematisieren – sind als Erfahrungserlebnisgeschehnisse natürliche Schicksalserfahrungen. h) Die ontologische Doppelung von Einbettung und Obdachlosigkeit So repliziert sich diese doppelte Einbettungsbedürftigkeit als Kehrseite der Möglichkeit der doppelten ontologischen Obdachlosigkeit (O). Dort, wo sich (im Oikos) vulnerable Prekarität als ein Komplex von Brüchigkeit, Ambiguität und Ambivalenz der Bindungserfahrungen entfaltet, sind die Wurzeln einer fehlenden Kohäsion (der Polis) aus dem Mangel einer Befähigung der Menschen zum eidgenössischen Bund zu beobachten und es kommt zur Entfremdung 1. Ordnung (E1) zwischen Mensch und Mitmensch als ontologische Obdachlosigkeit 1. Stufe (O1). Dort, wo (in der Polis) der soziale Frieden im Lichte sozialer Gerechtigkeit nicht nachhaltig und effektiv gelingt, entwickelt sich nicht jene personale Reifung, die sodann auch zur Entfremdung 2. Ordnung (E2) zwischen Mensch und Natur (im Kosmos) als ontologische Obdachlosigkeit 2. Stufe (O2) führt: Oikos ! E1 (O1) ! Polis ! E2 (O2) ! Kosmos.

Die Daseinsführungsproblematik von E2 (O2) hängt in ihrer gelingenden Bewältigung deshalb von der Erfahrung der gelingenden Bewältigung von E1 (O1) ab, weil die ontologische Obdachlosigkeit der Entfremdung 1. Ordnung auf der tiefgreifend ausgebildeten Charakterneurose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (dazu auch in Schulz-Nieswandt 2023g) des besitzrechtsindividualistischen Habitus der Objektbesetzungs-Manie beruht: Wo die Warenform zur Denkform geworden ist, dort also, wo die Welt eine Welt aneignungsfähiger Objekte der Ökonomik der Begierde geworden ist, dort, wo sich eine „Haben statt Sein“-Dispositivordnung gouvernemental im Sinne einer Subjektformation in alle Subjekte tief eingeschrieben hat. i) Soziale Pathologie, negative Dialektik und Ästhetik der Entelechie der wahren Form Die Modallogik der negativen Dialektik Kritischer Sozialtheorie expliziert demnach die endogene Potentialität der weiteren Metamorphosen einer Entelechie

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III. Ausgangspfade

der wahren Form des Menschen. Die Kulturdiagnostik der Kritischen Theorie bezieht sich auf die soziale Pathologie von E1 (O1). Aufgrund der Subjektivierungsformierungen des warenästhetischen Kapitalismus, der die ökonomische Basis der Produktionsweise selbst zum Überbau einer Praxis eines Unterbaus gemacht hat, der die ganze Strukturschichtung von Geist, Seele und Körper zum Gegenstand seiner pneumatischen Durchdringung nimmt, ist diese pathogene Dynamik von einem malignen Charakter. In diesem Rahmen ist Theodor W. Adornos Frage, wie ein wahres Leben in einer solchen unwahren Welt denn möglich sein soll, zu verstehen. Doch die negative Dialektik wäre keine modallogische Geschichtsphilosophie des Noch-Nicht und die Entelechie keine modallogische Idee einer dynamischen Prozessontologie, wenn es keine Hoffnung auf eine Befreiung aus diesem „stählernen Gehäuse“ gäbe. Die Verblendung in der Totalität der gesellschaftlichen Verhältnisse kann nie hoffnungslos selber zum Sein werden, ist also immer nur ein geschichtliches Phänomen des seienden Seins. Dies hat Adorno erkannt, als er selbst erkennen musste, dass er sein Diktum, nach Auschwitz wäre nie wieder Poesie möglich, in seiner Apodiktik entschärfen musste. Denn der Mensch, angelegt auf liebende Sorge im Miteinander, geprägt von ontognetischer Plastizität und befähigt zur Möglichkeit der kritischen Meta-Reflexion der exzentrischen Positionalität, entwicklungsfähig zu einer post-konventionellen, deliberativen kognitiven Stufe moralischen Urteilens, kann den heiligen Bund des eidgenössischen Miteinanders eingehen und aus diesem sozialen Frieden heraus auch den Frieden mit der Natur finden. Um mit Rainer Maria Rilke zu enden, mit dem die Abhandlung (schon im Titel) ihren Ausgangspunkt nahm, kann der Mensch sein Leben ändern. Und er kann dazu in wachsenden Ringen reifen, werden zu dem, was der Mensch im Prisma konkreter Utopie immer schon war, aber eben noch nicht ist. Wenn Adorno in Minima Moralia der Kunst die magische Rolle zuschrieb, zu bewirken, dass die Lüge auf dem Jahrmarkt der Meinungen nicht mehr als Wahrheit verkauft wird, so kann (1) die Möglichkeit deutlich werden, dass diese magische Rolle der Kulturdiagnostik Kritischer Wissenschaft zukommen kann. Sodann wird (2) deutlich, dass Adorno hier unter Wahrheit nicht nur das Ergebnis einer richtigeren/besseren empirischen Befundelage meint, sondern die Wahrheit im Sinne einer wahren Form des Menschen, der wieder bei sich (Überwindung von E1 [O1]) ist, und, wenn man einen Schritt weitergeht im Prozess des Werdens in wachsenden Kreisen, auch wieder in seiner Natur zu Hause ist (Überwindung von E2 [O2]). Dieses Wieder-zu-Hause-Sein als Metamorphose ist das, was Ernst Bloch mit „Heimat“ meinte. Hierzu muss der selbsttranszendente Mensch alle Übergänge vom Oikos zur Polis und zum Kosmos – werdend und wachsend, also reifend auf den Fluchtpunkt P hin – durchlaufen.

3. Ausblick (III): Zur Psychodynamik einer Werkwachstums-Entelechie

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j) Sozialtheorie als Ästhetik der Form Wenn Wissenschaft als magische Kunst – quasi als magischer Realismus – zu begreifen ist, die eine auf die modallogischen Möglichkeiten der Überwindung der malignen Totalität abstellende kritische Rekonstruktion der Wirklichkeit ist, Wissenschaft also eine Poetik der kritischen Nacherzählung ist, die auf die Veränderung der erzählten Wirklichkeit abstellt, dann ist diese Wirklichkeitswissenschaft eine negative Dialektik, eine modallogische Ästhethik der endogenen Entelechie der wahren Form. Dies – nur knapp skizziert in den letzten Paragraphen dieses Abschnittes des Ausblicks – wird Gegenstand einer noch ausstehenden Abhandlung (Schulz-Nieswandt 2024a) sein. Im nachfolgendem Paragraphen wird eine zentrale Perspektivität nochmals betont, die Rainer Maria Rilke im Lichte eines Philosophems seiner Poetik aufgreift: k) Die aktive Passivität der Alpha-Linie als responsive Phänomenologie der Omega-Linie Der Mensch muss sich von den Dingen her verstehen lernen, denn er ist immer schon in deren Vorgängigkeit eines Gegeben-Seins eingestellt. Und diese Welt der Dinge – animistisch anmutend formuliert – mag in ihrer Aura epipahnische Ereignisse eröffnen, wenn das responsive Subjekt die Haltung eines achtungsvollen Staunens einnimmt. Wenn diese Entwicklung des Subjekts den Eindruck macht, aus der Alpha-Linie heraus zu denken, so ist dies dem ptolemäischen Standpunkt auch des kopernikanischen Menschen geschuldet. Die Problematisierung der ganzen Problematik ist aus der Omega-Linie heraus gedacht. „Bedeutungsperspektive“: „Vielleicht haben wir durch die konsequente Anwendung der Zentralperspektive das Maß für wirkliche Größe verloren. Dazuhin kommt die perspektivische Verzerrung, die unbeirrt davon ausgeht, man selbst stehe immer im Mittelpunkt.“ (Kadelbach 2001: S. 53).

Denn das achtungsvolle Staunen ist nicht vom Ego her als intentionale Direktionalität angemessen zu verstehen: Das Subjekt ist aus der Sicht des Menschen immer die Mitte des Daseins, aber nicht der Ausgangspunkt der Welt und daher auch nicht ausgestattet mit dem – alttestamentlich wohl missverstandenen – appropriativen Recht, sich die ganze Welt im Modus der Gewalt untertan zu machen. Dies gilt für sein soziales wie für sein kosmisches Weltverhältnis. 3. Ausblick (III): Zur Psychodynamik einer Werkwachstums-Entelechie Ich versuche nun, ansatzweise zu skizzieren, wie sich in der vorliegenden Abhandlung auch eine gewisse Metamorphose meiner eigenen Werkwachstumsbiographie als Signatur ab-

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III. Ausgangspfade zeichnet. Diese Metamorphose ist kein Bruch (im Sinne von Frühwerk und Spätwerk), weil der Personalismus als roter Faden mit signifikanter Kontinuität wirksam (und erkennbar) ist. Die Metamorphose ist eine Wandlung durch Erweiterung, vor allem im Bezug zur Naturphilosophie. Die dazu notwendige responsive Phänomenologie hat sich in den letzten Jahren herauskristallisiert, sowohl in der Gabe-Forschung als auch in der Rechtsphilosophie und Ethik der genossenschaftlichen Form der Personalität.

Werkbiographisch – ohne nochmals umfänglich auf meine diesbezüglich relevantesten Studien zu verweisen – ist die Beobachtung zu beachten, dass der Personalismus (P) immer, früh schon in meinen ersten Publikationen Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahren angelegt, der fundamental-konstitutive rote Faden über alle Wandlungen hinweg blieb. Nun sollen meine Metamorphosen nochmals aufgegriffen und paraphrasiert werden. a) Wachstumsringe und Kehren Ich selbst habe Metamorphosen durchlaufen, die als Signaturen in den Publikationen erkennbar sind. Diese meine Selbstdeutung ist nochmals geschärft worden, als ich ein zweites Mal „Wiederholungstäter. Ein Leben zwischen Istanbul, Wien und Athen“ von Petros Markaris (2008) während des ost-kretischen Aufenthaltes las. Dort unterscheidet er (mit Blick auf die Typen des Kriminalromans und seiner Wandlungen) in Anlehnung an Sören Kierkegaard3 zwischen existenziellen und nicht-existenziellen Schriftstellern: „Nichtexistenziell sind nach Kierkegaard diejenigen Schriftsteller, deren Werk sich von ihnen unabhängig macht. Im Gegensatz dazu verarbeiten existenzielle Schriftsteller Elemente ihrer Autobiographie und thematisieren ihre eigene, die menschliche Existenz betreffenden Fragen.“ (Markaris 2008: S. 25 f.) Ich zähle mich zu diesem Typ der existenziellen Selbstverstrickung in den Prozess einer metamorphotischen Werkwachstumsgeschichte. Dies wurde mir überaus deutlich, als ich meine bisherige Selbstausgrenzung der naturphilosophischen Überlegungen angesichts der Probleme im Anthropozän aufgeben musste. Die bis dahin im Zentrum meiner Entwicklung stehende Korrelation von kritizistischer und kritischer Theorie, die Entwicklung nicht nur einer anthropologischen, sondern auch ontologischen Fundierung sowie die Öffnung hin zu rechtsphilosophischen und ethischen Spiegelungen des sozialen Dramas der Wirklichkeit in den empirischen Befundelandschaften einerseits mit der Arbeit an der Erinnerung der Erfahrung von Ereignissen in meiner Kindheit und Jugend und der Verlaufsprägung meiner weiteren Entwicklung als Erwachsender andererseits hat sich in meine Persönlichkeit wie in eine Wachstafel eingeschrieben. Die Publikationen im Kontext von Forschung und Lehre sowie meine vielen öffentlichen Vorträge im Kontext der Transferaufgabe einer Universität in öffentlicher Trägerschaft sind dann sozusagen die gebrannten 3 Kierkegaard zählt ja zu den Begründern des Existenzialismus. Seine Betonung der Problematik der Selbstwahl und der Selbstwerdung verweist uns auf die moderne Existenzphilosophie und entsprechende Fundierungen der Psychiatrie und Psychotherapie. Vgl. auch Rathgeb 2022; Böhmer 2021.

3. Ausblick (III): Zur Psychodynamik einer Werkwachstums-Entelechie

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Tontafeln, die die Dokumentationen dieser Korrelationsstruktur der existenziellen Autorschaft darstellen. In diesem Sinne hat Markaris Recht, wenn er sich auf Goethe bezieht (Markaris 2008: S. 27): „Alles, was im Subjekt ist, ist im Objekt, und noch etwas mehr. Alles, was im Objekt ist, ist im Subjekt, und noch etwas mehr.“4 So spiegelt die kleine vorliegende Abhandlung meine Metamorphosen als Abfolge – wenn wir den Querschnitt durch einen Baumstamm metaphorisch als Grundlage des Verstehens der Wachstumsringe nehmen wollen – Rinden-förmiger Erweiterungen, definiert als 1. Wachstumsring (1. WR), vom Kritizismus (K*) durch die Metaphysik moderner Naturrechtslehre auf onto-anthropologischer Grundlage als eine erste große Kehre (K1), die Rolle der Explikation einer zweiten Kehre (K2), hin zur Öffnung des Lehrgebäudes, definiert als 2. Wachstumsring (2. WR), angesichts der dringenden Anliegen einer Natur(rechts)philosophie. Herauskristallisiert hat sich die Renaissance einer erweiterten Aufklärungsidee (Pelluchon 2021). Aber schon K* hatte eine große Bedeutung durch die erkenntniskritische Fundierung meiner Kritik des simplen/trivialen Präferenzliberalismus der Neoklassik. Der mich ursprünglich konstituierende Kritizismus hat mich vor dem Ökonomismus als epistemisch verkürzt verstandene „Ökonomisierung“ (Niephaus 2018; Graf 2019; Vaudt 2022) bewahrt. Diese Dynamik K* (P) ! 1. WR ! K1 (P) ! 2. WR ! K2 (P)

wurde durch verschiedene thematische Veränderungen erwirkt. b) Veränderungen in den Gegenstandsfeldern Verschiedene thematische Verschiebungen im Sinne von Gegenstandsfeldern dürfen hier nun als signifikant hervorgehoben werden. (1) Sozialpolitik: Das Kreisen um sozialpolitische Fragen (insbesondere der Versorgungsforschung im Kontext von Care [Langzeitpflege] und Cure [Geriatrie] im Prozesses des Alter([n]s) auf lebenslagenwissenschaftlicher Grundlage habe ich seit ca. 2016 etwas schwächer akzentuiert und wurde in vielen Punkten weitgehend für mich abgeschlossen (Schulz-Nieswandt 2023e). (2) Formen des Wirtschaftens: Und ich habe sodann etwas stärker die Genossenschaftsforschung im Schnittbereich zur Gemeinwirtschaftslehre zum Thema gemacht, insbesondere auch, weil sich eine andere Form des Wirtschaftens als für mich weitgehend abgeschlossen debattiert erweist, auch wenn sich das „Handbuch Öffentliche Wirtschaft“ vor der Edition einer 2. Aufl. befindet. (3) Forschung zur Öffentlichen Wirtschaft: Dieses Gegenstandsfeld (im Kontext der in ihrer Rolle weiterhin für mich bedeutsamen kommunalen Daseinsvorsorge) ist 4 Der Satz ist den naturwissenschaftlichen Schriften von Goethe zu entnehmen. Zu Goethe als Naturforscher vgl. auch Bollmann 2022.

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im engeren Sinne also als weitgehend abgeschlossen (Schulz-Nieswandt 2023f) zu betrachten, auch, weil sich seit einigen Jahren die europarechtlich codierte politische Landschaft in der EU diesbezüglich nicht gravierend weiterentwiekelt bzw. verändert hat. (4) Sozialraumforschung als Schnittbereich der Gegenstandsfelder: Dabei kristallisierte sich ein signifikanter Schnittbereich zwischen Sozialpolitik und Gemeinwirtschaftslehre durch die intensiver behandelten Fragen der Sozialraumbildung und der nachhaltigen und effektiven Sozialraumentwicklung heraus (SchulzNieswandt 2023d). c) Die Emergenz und ihre treibenden Motive einer naturphilosophischen Klammer Und nun bildete sich allmählich eine neue naturphilosophische Rinde meines daseinsthematischen Wachstumsprozesses im Lehrgebäude heraus, eine Wachstumsentwicklungsrinde, die bislang eher ausgeklammert war. Verschiedene, eng zusammenhängende Gründe – abgesehen von der Zunahme und der Intensivierung der gesellschaftlichen Diskurse um die Klimakrise und die damit verbundenen Fragen einer Post-Wachstums-Gesellschaft – sind hierfür verantwortlich. (1) Die Sichtung der Themenlandschaft führte zu einem Aufgreifen der Commons-Debatte, weil sich Fragen der Applikation des genossenschaftlichen Formprinzips ergaben. (2) Dahinter wirkte auch eine Forschungsakzentuierung in unserem Kölner Seminar für Genossenschaftswesen, weil wir dort im Rahmen von Drittmittelprojekten zunehmend die Frage der Diffusion der Genossenschaftsidee in neue soziale Felder problematisierten. (3) Die Gemeinwohlökonomie und das Commoning als praxeologische Fragestellung gewannen an Bedeutung, auch, weil die „Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen“ (ZögU) konzeptionell um-codiert wurde in die „Zeitschrift für Gemeinwirtschaft und Gemeinwohl“ (Z’GuG). Weiterhin mitgeprägt durch meine federführende Herausgeberrolle wurden nicht nur epistemische Horizonte verschoben in Richtung auf eine nochmals höhere Ebene der Interdisziplinarität, sondern auch das Themenspektrum – vor allem mit Blick auf gemeinwohlökonomische Diskurse – erweitert. Die neue komplementäre Schriftenreihe „Gemeinwirtschaft und Gemeinwohl“ greift die wichtigen, aber eher traditionellen Themen der ZögU ebenso auf wie die neuen, stärker heterodoxen Themen der Z’GuG. (4) Und hier treten mit der Gemeinwohlökonomie immer mehr auch Fragen der naturphilosophischen Erörterung des Allzusammenhangs, in den wir als Menschen eingefügt sind, in den Sichtungsbereich der Theoriebildung.

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(5) Ethische Positionierungen, erwachsend aus rechtsphilosophischen Reflexionen der Mehr-Ebenen-Architektur des substantiellen objektiven Geistes der Rechtsregime (Völkerrecht, Europarecht, Verfassungsrecht, Sozialrecht bis hin zu der eigengesetzlichen Ebene der Bundesländer und ihren Umsetzungsverordnungen), gewannen seit 2017 eine dynamisch anwachsende Bedeutung. Doch noch kreiste alles weitgehend nur um die Idee der Personalität und deren moderne naturrechtliche Metaphysik sowie um die sozialontologischen Folgefragen der Thematisierung zur genossenschaftlichen Form. (6) Zugleich – mich von meinen ganz frühen ideen- bzw. dogmengeschichtlichen Studien fortwendend und mich eher kulturgeschichtlichen Studien zuwendend (beginnend mit Schulz-Nieswandt 2003) – gewann die Methodologie der sozialen Morphologie eine wachsende Bedeutung und wurde stärker ausgearbeitet. (7) Diese methodologische Orientierung entfaltete sich auch unter Eindruck meiner Beiträge zur Theorie der qualitativen Sozialforschung zwischen Strukturalismus, Hermeneutik und Phänomenologie (im Rahmen einer Poetik der Sozialforschung: Schulz-Nieswandt 2023p). (8) Jüdisch geprägte Beiträge zur post-cartesianischen theoretischen wie praktischen Philosophie trieben die Idee des vorgängigen Gegeben-Seins des Anderen aber auch sodann zur Idee der Natur als das immer schon „da“-seiende Andere als Allzusammenhang. (9) Explizit post-theistisch orientiert, trat eine post-säkulare Atmosphäre (der Spiritualität: Leidhold 2008; Pan 2023; Wetz 2015) in meine Theoriebildung ein. Der Weg von der „Sakralität der Person“ bzw. des Prinzips der Personalität hin zur „Ehrfurcht vor dem Leben“ war geöffnet, und sodann wurde der Gang entlang des Weges gebahnt. (10) Dabei spielte die Ideenentwicklung meines Freundes und Kollegen Wolfgang Leidhold (2023) in den jahrelangen gemeinsamen interdisziplinären Vorlesungen und Seminaren (Schulz-Nieswandt 2021p) zur „Religion im Streit der Wissenschaften“ und sodann zu „Identität und Kultur“ eine antreibende Rolle. (11) Infolge meiner psychomotorischen Reise-Sehnsucht nach Griechenland (Schulz-Nieswandt 2019d), die zu meinen Griechenland-Monographien – vgl. auch meine Göran Schildt-Studie (Schulz-Nieswandt 2021o sowie nochmals SchulzNieswandt 2021n) – führte, wurde mir eben dieser Naturzusammenhang immer signifikanter. Diese Landschaftsmetaphysik werde ich demnächst (Schulz-Nieswandt 2024c zu Sizilien als Parallele zu meiner „Göttlichkeit griechischer Landschaften“ und Schulz-Nieswandt 2024d zum Griechenlandbild von Eva Jantzen als Parallele zu meiner Schildt-Studie) auch nochmals etwas vertiefen. „Begeisterung der Materie“ (Kadelbach 2001: S. 22):

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III. Ausgangspfade „Der Mond wirft einen Schatten des im Wind tanzenden Akazienzweiges auf die Wand des Nachbarhauses. Ein flatternder Schmetterling. Ein schwebender Engel. Schwerelose Figur eines Schattenspiels. Das Gesetz der Gravitation ist jenseits der Wirklichkeit. Das All nimmt keine Notiz davon.“ So beginnt die kurze imaginierte Wachtraumerzählung (vgl. auch Schulz-Nieswandt 2024e). Mond, Wind und Akazie gehen ein figuratives Spiel ein. Kosmos, Meterologie und Natur spielen ein „Fest“ zusammen. „Begeisterung der Materie erst entfacht das Wesen.“ „Der Schatten lädt die Sinne zum Mittanzen. Der Wind weht der Atmosphäre einen Hauch von Glück zu. Der Mond überschüttet die nächtliche Feier mit seinem Silberregen. Der Duft der Akazie betört.“ Die Assoziationen von Kadelbach gehen weiter und lassen nach dem transzendentalen Zusammenhang fragen: „Ohne Mond, Wind und Akazie wäre der Schatten nicht da. Ohne Wind würde er nicht tanzen. Ohne Tanz würde er nicht die Seele berühren. Ohne Seele würde das Spiel unerlebt zerstieben.“ Für Kadelbach ist es die Seele, die die Sprache des Schauspiels zu verstehen mag. „Die Sinne übersehen und überhören das Wesentliche. Aber sie helfen der Seele Nahrung zu finden.“ Sinne und Seele spielen so zusammen, dass Mond, Wind und Akazie – „Unbegreifliches Fest der Dreieinigkeit.“ – ein Schattenspiel an der Wand spielen. Die Offenheit der Seele ermöglicht es den Sinnen, an diesem Fest teilzuhaben.

(12) Die deutliche Herausbildung der Psychodynamik in meiner onto-anthropologischen Theorie der Kulturgrammatik (Schulz-Nieswandt 2023g) und in der Arbeit an der Bedeutung der Psychoanalyse – ich verweise auf meine Federer-Studie (Schulz-Nieswandt 2020g) – in meiner wieder deutlicheren Hinwendung zu klassischen Positionen der Kritischen Theorie eröffneten mir im Rahmen einer responsiven Phänomenologie, erwachsend aus meiner langjährigen interdisziplinären, grundlagentheoretisch wie anwendungsorientiert betriebenen Gabe-Forschung (auch der sozialen Selbsthilfe: Schulz-Nieswandt 2019c; Schulz-Nieswandt/Micken/Moldenhauer 2022b), den Zugang zur Analyse des personalen Erlebniserfahrungsgeschehens epiphanischer Ereignisse, die ich in mehreren Büchern (SchulzNieswandt 2023k; 2023l) verarbeitete. Hierbei reiht sich die soeben angedeutete Sizilien-Studie ein. (13) Hinzu kamen – aus einer gewissen Tiefe wirksam – meine mythopoetischen Erkenntnisinteressen des epistemischen Programms der Arbeit an der daseinsthematischen Wahrheit der klassischen Mythen, mitunter auch, metaphorologisch gedreht, im Kontext meiner Theoriebeiträge zur re-konstruktiven Logik qualitativer Sozialforschung. „O heilige Metamorphose!“ (Kadelbach 2001: S. 43): „Und überhaupt sei es mit der Mythologie wie mit dem Kochen. Wenn man da nicht manchmal mal ein bißchen variiere und mit Gewürzen und Zutaten abwechsle, dann sei das Leben nicht nur langweiliger, sondern es würde im Gleichmaß erlahmen.“ „Mythologie sollte nicht aufgewärmt, sondern jeweils neu gekocht werden.“ (Kadelbach 2001: S. 45).

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d) Psychodynamische Gründe der Emergenz einer Phänomenologie und strukturalen Hermeneutik des de-zentrierten Subjekts Vielleicht sei, um die Liste der treibenden Motive abrundend zu ergänzen und zu einem Fazit zu bringen, eine selbstreflexive Erkenntnis noch eingebracht. Im Lichte der mich in meinem Leben immer wieder stark beschäftigenden vulnerablen Prekarität meiner Kindheit habe ich in meiner akademischen Laufbahn eben lange Zeit nur einen Fokus auf die Pathologie der Sozialwelt als Schicksalszusammenhang des personalen Selbst-Seins im (normativen Vermessungs-Horizont des) Modus des Mit-Seins gehabt. Diese, meine permanente „Spiegelphase“ der daseinsthematischen Bezüge der Theorieentwicklung war trotz ihrer konstitutiven Haltung des normativen Engagements geprägt von einer stark Distanz-schaffenden Methodologie der Mischung von (a) einem Strukturalismus der „de-zentrierten Verdichtungs-Mitte des vergesellschafteten Subjekts“, (b) einer rekonstruktiven Hermeneutik und (c) einer responsiven Phänomenlogie, mit der Folge einer Hinwendung zur qualitativen Sozialforschung im Sinne einer rekonstruktiven Analyse generativer Mechanismen performativer Praktiken der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit. Gegenüber dem großen Naturzusammenhang war dies sicherlich eine ausklammernde Blickverengung. Für meine eigene intellektuelle Persönlichkeitsentwicklung war diese Engführung zugleich aber ein sich öffnendes Wachstum in konzentrischen Kreise, denn der mich durchgängig treibende P-Faktor erwirkte den Übergang von K* zu K1. Die Problematik der sozialen Ungleichheit, der Ausgrenzung und der praxeologisch fassbaren Formen der Demütigung waren die Daseinsthemen meiner eigenen Übertragungs-Gegenübertragungs-Mechanismen in meiner Theoriebildung und Sozialforschung. Der melancholische Grundzug meines „Endons“ (Grundgestimmtheit als endo-kosmo-genetische Kraftquelle) bestimmte dann wohl auch die Wahl – war es eine voluntaristische Wahl? – der gerontologischen Blickweise als perspektivische Fokussierung auf den Lebenszyklus, die Betonung der sozialen Gerechtigkeit im § 1 SGB I im Lichte des Art. 2 GG immer im Hintergrund. Es war auch die frühe Beschäftigung mit der pathischen Problematik der Entfremdung (Krämer 2023; Patrinos 2016), zunächst im Kontext eines humanistischen Marxismus der Praxis, die hier als Vektor der Strukturation meiner kreisenden Bahnungen wirksam war. Die Sozialreform-orientierte Sozialpolitik bot sich damals als fruchtbare Schnittfläche einer signifikanten Interdisziplinarität an. Sozialwissenschaft wurde mir der Studiengang einer synthetischen Sicht auf den Menschen in seiner Geschichtlichkeit der sozialen Wirklichkeit. Was auf der Makro-Ebene als sozialer Wandel thematisch wurde, war auf subjektiver Mikro-Ebene die Frage des Werdens der Person. Themen der Ausgrenzung und der Vereinsamung leiteten aber die Hinwendung zur kritischen Sozialwissenschaft, die immer auch Sozialphiloso-

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phie und nicht nur empiristische Sozialforschung als werteurteilsfreier Positivismus war. Meine frühe, schon aus gymnasialer Phase resultierende Profil-Werdung (SchulzNieswandt 2023b) will ich hier nun aber nicht (nochmals) breiter thematisieren. Es war eine Entelechie von K1 über die Metamorphose von K*. Nun steht sogar ansatzweise die zweite Kehre zu K2 an. e) Psychodynamik der genotypischen Kehren und phänotypischen Wachstumsringe Die Kehren haben die DNA meiner Wissenschaftslehre verändert. Die Wachstumsringe sind dann Metamorphosen in der Ausdrucksgestalt. Vielleicht eröffnete sich zum Ende meiner akademischen Amtszeit die Möglichkeit einer Rückkehr zu meinen Erinnerungen an die vielen abendlichen Veranstaltungen, die ich als Jugendlicher im Bochumer Planetarium verbracht hatte. Damals ahnte ich, was ein Staunen angesichts des Zaubers des kosmischen Allzusammenhangs sein mag. Jetzt holt mich diese Erinnerung auf einem ganz anderen – philosophisch reflektierten, aber dennoch durchaus psychodynamisch erlebenden – Niveau wieder ein. Damals war die Sehnsucht nach den Sternen die der Flucht aus der traumatisierenden Enge familialer Armut und Bindungsambiguität, heute ist es immer noch die Arbeit an der Überwindung der ontologischen Obdachlosigkeit, nun aber aus der Position einer epistemologisch hoch entwickelten exzentrischen Positionalität der ontologischen Distanz. Doch immer noch haftet ihr atmosphärisch die psychotherapeutische Analogie an. So war meine akademische Karriere wohl auch eine „jemeinige“ Arbeit an der daseinsthematischen Arbeit des Mythos als Form der Erkenntnis. So erweist es sich für mich aus dieser meinen späten Rückansicht als positiv, dass ich mein Studium der interdisziplinären Sozialwissenschaft nie zum Positivismus des Empirismus verkommen lassen habe. Mein Zauber der Welt (Schulz-Nieswandt 2021m) ist dann nicht der des Wissenschaftlers als Privatbürger, sondern erwuchs aus der kritischen Sozialforschung, die mir die Wissenschaft immer mehr als Poetik des Alltagsmenschen (Schulz-Nieswandt 2023p) erscheinen lassen konnte, wobei dieser konkrete Mensch in seinem seienden Sein zwischen Wahrheit und Geschichte (in der pathischen Dialektik von Einheit und Differenz) eingestellt ist. Vielleicht, weil Goethes Faust ein „kulturseelisches“ Gründungswerk der Moderne überhaupt ist (Jaeger 2021; 2023), ist ein Schluss mit Markaris (2008: S. 187; kursiv auch im Original) nicht schlecht: „Nun will ich aber doch mit dem Faust schließen: Es irrt der Mensch, solange er strebt.

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So sagt ein Vers, der zum Sprichwort wurde. Ich meinem Leben habe ich wiederholt geirrt, doch niemals aufgegeben zu streben.“

Nachwort Das Nachwort soll mit assoziativen Bezügen zum Werk von Byung-Chul Han die Verlustdiagnose in Bezug auf die durch die conditio humana geregelte Humanität auf den Punkt bringen, um dergestalt nochmals zu verdeutlichen, was unter der m. E. hinreichend begründeten Notwendigkeit eines von Stufen der Selbsttranszendenz erneuerten Weltverhältnisses im Geist der sorgenden Liebe gemeint ist, wodurch die Alpha-Linie des ptolemäisch denkenden kopernikanischen Menschen von der Omega-Line zur Responsität transformiert wird.

Die Aporie der Liebe (Steinweg 2010) zur Welt besteht darin, sich dem Anderen – und dieser Andere ist im hermeneutischen Kontext unserer mehrstufigen Phänomenologie der Selbsttranszendenz der Mitmensch und die Natur, in die alles eingestellt ist – zu öffnen, ohne dabei einer narzisstischen Gewalt der übergriffigen Aneignung zuzuneigen. Es müssen hier nicht nochmals die Konzeptionen der Sorge und der Liebe bei Heidegger, Arendt und Foucault herangezogen werden, um diese Sicht mit Autoritäten des Denkens zu validieren. Die „Agonie des Eros“, von der Han (2017a) handelt, bezieht sich aus meiner Sicht nicht nur auf den Mitmenschen in den Zeiten des Terrors des Konsums, sondern immer auch auf die Natur, die als Ressource der Herstellung des Konsums dient. Verloren geht dadurch die Erfahrung des Schönen der Natur (des Anderen [Han 2016c] überhaupt) – wie Erhabenheit oder Erschütterung (Han 2015b). Der Terror des Konsums ist das Mitspielen des durchschnittlichen Alltagsmenschen an der imperialen Hegemonie einer Ökonomie, die als Kapitalakkumulationsregime durch den innovativen Todestrieb (Han 2019a) des Immer-Neuen – deshalb habe ich nochmals an einer Kritik der innovativen, weil instrumentellen Vernunft angeknüpft – getragen wird. Insofern ist die konsumfetischistische Gesellschaft eine einzige Verbrauchsmaschine, dem die koloniale Ressource der Natur zugeführt wird. Die Angebotsseite generiert daraus ungeheuerliche monetäre Vermögen, die dem Luxus zugeführt werden, die Nachfrageseite betreibt ebenso – nur auf einem relativ gesehen bescheidenerem Niveau – symbolische Identitätsarbeit durch performative Praktiken der identitären Selbst-Inszenierung: ein unglaublich effizientes replikatives Regime des Wahnsinns. So kristallisiert sich beim Alltagsmenschen – wenn er seinen internationalen reichen Fußballstars, wie einst als Inszenierung von „Brot und Spiele“ in der Antike, huldigend zujubelt – keine apotropäische Angst als Grundlage eines Dämonenabwehrzaubers dieses eigentlich (sittenwidrigen) ungeheuerlichen Luxusreichtums, dem man Glauben schenkt, obwohl er eigentlich von unglaublicher Wunderlichkeit ist, heraus. Die Feindlichkeit einer kritischen Theorie gegenüber der Unterhaltung (die Han [2017b] genealogisch

Nachwort

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dekonstruiert) gilt eben der („panoptisch“ und somit in präventiver Kontrolle [Han 2020] gesicherten: Han 2015a) Verblendungsform der Manipulation von Geist, Seele und Körper (Han 2023), die auf diesem „objektiven Geist“-Kartell basiert. Denn das Replikationsregime ist „Allesfresser“ (Fraser 2023), auch des müde werdenden (Han 2010; 2016a) Menschen, der ja selbst Teil der Natur ist. Der vom Menschen gemachte Kapitalismus frisst kannibalisch die eigenen – längst erschöpften (Han 2013a) – Kinder. Das ist der Grund, warum ich soeben vom Wahnsinn sprach. Hier ist die Sprachaktlogik der stigmatisierenden Prädikation des A-Normalen begründet im destruktiven Verlust der Normalität der conditio humana, die, bei aller Betonung der beachtenswerten Grenzen des Prometheus und des narzisstischen Cartesianismus, im Namen der Humanität insbesondere den Verlust der liebenden Sorge im Weltverhältnis beklagt. Was sich entfalten muss als Alternative zur Macht der Aneignung als Modus der Selbstentfaltung ist die Freundlichkeit (Han 2005b). Die Angst vor dem Tod (als das Ganz Andere die absolute Negativität) – den man ganz anders verstehen sollte (Han 1998) – mag die Neigung haben, sich das Andere in seinen vielen Formen insgesamt im Verlauf des Lebens anzueignen, einzuverleiben oder eben zu zerstören (Han 2022). Das Projekt der Unsterblichkeit subsummiert die Kultur unter der Macht der Dynamik der Technologien. So entsteht mitten in der Moderne ein neuer Aberglaube (Masci 2021). Der unproduktive Mensch und die Last der Hochaltrigkeit: Schon andere Diskurse (Jankélévitch 2017; Baudrillard 2022) wurden entfaltet zum „Skandal des Todes“, vor allem auch im Modus des Suizides (Ahrens 2001). Hier nun bezieht sich der Skandal nur noch auf das aktive und nachwachsende Humankapital, nicht mehr auf das hohe Alter, das – trotz und sogar angesichts von Diskursen über das engagierte Alter als zivilgesellschaftliche Reservearmee im Sinne eines produktiven Alterns voller Ambivalenzen – als unproduktiv gilt und, da noch eine Minimalethik des „sauber, satt, sicher, still“-Regimes (Schulz-Nieswandt/ Köstler/Mann 2021a) wirksam ist, noch in Institutionen „entsorgend versorgt“ wird (SchulzNieswandt 2021a; 2021b).

Diese große Erzählung der Humanität im Weltverhältnis aus dem habituellen Geist der sorgenden Liebe heraus wird heute ersetzt durch die des ubiquitären sinnleeren und desorientierenden „story-telling“ (Han 2023). Damit wird eine ontoanthropologisch fundamentale Bedürftigkeit – das Erzählen (Neumann 2013), ähnlich wie das Ritual (Han 2019b) – ideologisch instrumentalisiert. Die poetische Strategie der Werke von Han ist in der Literatur kritisiert worden. Man kann ihn auch empirisch nach hinreichender Differenzierung kritisch befragen. So ist seine Frage, wo denn in der ubiquitären Leistungsgesellschaft, die sich in die Subjekte psychopolitisch (Han 2016b) einschreibt, noch Raum sei für die vita contemplativa (Han 2022), durchaus mit Blick auf die Zunahme spiritueller Haltungen vieler Menschen problematisierbar. Ob man deshalb in der Religion den Kontenpunkt der sowohl horizontalen wie vertikalen Verankerung des Menschen – und insofern den generativen Wesenskern des Verbindenden (Serres 2021) – sehen muss, soll dahin gestellt bleiben.

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Nachwort

Hatte ich zu Beginn der Abhandlung über die Tugend der Geduld als Fähigkeit zur Offenheit für den Zauber geschrieben, so trifft Han (2014) genau dieses Problem, wenn er über den Hyperbolismus der vita activa in seiner spezifischen Geist-Bestimmtheit und die Marginalisierung der vita comtemplativa schreibt, dass die aktuelle Zeitkrise mit der Verabsolutierung der vita activa zusammenhängt. Dieser Hyperbolismus generiert einen dispositiven Imperativ der Arbeit, wodurch Menschen zu einem arbeitenden Tier (animal laborans) subjektiviert werden. Die so ausgelöste Hyperaktivität des Alltags nimmt dem menschlichen Leben im Alltag weitgehend die Kraft zum Verweilen und zur Kontemplation. Dadurch wird die Erfahrung einer sinnerfüllten Zeit effektiv eingeschränkt. Stattdessen geht es um die Hoffnung auf eine Revitalisierung der vita contemplativa und auf das erneute Erlernen der Kunst des Verweilens. Ich denke, aus den Studien von Han kann man eine fruchtbare Analytik der Umbrüche in den Lebenswelten des Alltagsmenschen als Verdichtungsraum der Kultur des gesellschaftlichen Regimes der subtilen Metamorphosen der Macht (Han 2005a) des neoliberalen Turbo-Kapitalismus entnehmen. Dazu passen auch seine Studien zur Digitalisierung, die im Lichte meiner eigenen Abhandlung zum homo digitalis (Schulz-Nieswandt 2019a) nicht vertieft aufgegriffen werden brauchen. Würde man über die Polyvalenz der Maske (Negele 2023) nachdenken, so käme man vor dem Hintergrund dieser Zeitdiagnosen zurück zur Kategorie der „Charaktermaske“ bei Karl Marx. Es ist eine vom System erwirkte de-personalisierende Subjektivierungsform, die hier zur Ausdrucksgestalt kommt.

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