Das Institut für Griechisch-Römische Altertumskunde [Reprint 2021 ed.] 9783112582565, 9783112582558


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German Pages 168 [163] Year 1958

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Das Institut für Griechisch-Römische Altertumskunde [Reprint 2021 ed.]
 9783112582565, 9783112582558

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D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N SCHRIFTEN

DER

SEKTION

FÜR

ALTERTUMSWISSENSCHAFT

8

DAS INSTITUT FÜR GRIECHISCH-RÖMISCHE ALTERTUMSKUNDE PROTOKOLL DER

ERÖFFNUNGSTAGUNG

VOM 23.-26. O K T O B E R

1955

1957

A K A D E M I E - V E R LA G •

BERLIN

Zum Druck angenommen auf Beschluß der Institutsleitung vom 5. Januar 1956

Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktor dieses Bandes: Berthold Häsler

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin W 8, Mohrenstraße 39 Lizenz-Nr. 202-100/434/57 6atz u n d Druck: IV/2/14-VEB Werkdruck Gräfenhainichen-661 Bestell- und Verlagsnummer: 2067/8 Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS

I. Begrüßungsansprachen

5

Präsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

7

Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde . . . .

11

L. U T T S C H E N K O , Delegierter der Akademie der Wissenschaften der UdSSR

17

Leiter der Delegation der Polnischen Akademie der Wissenschaften

19

SALAÖ, Leiter der Delegation der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften

20

WALTER FRIEDRICH,

FRIEDRICH ZUCKER,

SERGEJ

KAZIMIERZ MICHAIOWSKI,

ANTOOTN

IMRE TRENCSISNYI-WALDAPFEL,

Akademie der Wissenschaften

Delegierter der Ungarischen

Leiter der Delegation der Rumänischen Akademie der Wissenschaften

24

P. D I M I T R O V , Leiter der Delegation der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften

26

Leiter der Delegation der Chinesischen Akademie der Wissenschaften

28

E M I L CONDURACHI,

DIMITER

TSCHEN Y Ü LÜ,

II. Vorträge WERNER HARTKE:

29 Der Weg des Hör az zu den Göttern

. . . .

31

Die Behandlung der Perspektive an attischen Reliefs der Parthenonzeit

44

: Verantwortung in Denken und Sprache der Griechen und Römer

54

CARL B L Ü M E L :

F R I E D R I C H ZUCKER

l*

22

4

Inhaltsverzeichnis

I I I . Berichte der Arbeitsgruppen des Instituts für

griechisch-römische

Altertumskunde

71

GÜNTHER KLAFFENBACH

: Inscriptiones Graecae

73

Corpus Inscriptionum Latinarum,

KONRAD SCHUBRING:

Prosopographia Imperii Romani

79

WOLFGANG M Ü L L E R :

Papyruskunde

87

ARNO M A U E R S B E R G E R

: Polybios-Lexikon

94

KARL DEICHGRÄBER:

Corpus Medicorum Graecorum

OTTO L U S C H N A T : K U R T ALAND

Hellenistisch-römische Philosophie

. . . .

104

. . . .

118

: Kommission für spätantike Religionsgeschichte

123

JOHANNES IRMSCHER:

Byzantinistik

141

JOHANNES SCHNEIDER

: Mittellateinisches Wörterbuch

148

JOHANNES IRMSCHER:

Publikationen

159

WALTER FRIEDRICH

Präsident der Devischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Ich habe die Ehre, Sie im Namen des Präsidiums der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und auch persönlich heute hier in Berlin in den Räumen unserer Akademie willkommen zu heißen, und freue mich, daß Sie unserer Einladung in so großer Zahl Folge geleistet haben. Mein besonderer Gruß gilt den Fachgenossen aus der westdeutschen Bundesrepublik, welche durch ihr Erscheinen die Unteilbarkeit der deutschen Wissenschaft manifestieren, und er gilt weiter den Gästen aus dem Auslande, die durch ihre Anwesenheit Zeugnis ablegen von der völkerverbindenden Kraft der Wissenschaft. Der Tagung, die wir heute beginnen, kommt im Leben unserer Akademie besondere Bedeutung zu, soll doch mit dieser Konferenz eine umfassende Pflegestätte für ein Wissenschaftsgebiet eröffnet werden, das in der Berliner Akademie seit je eine hervorragende Rolle gespielt und in erheblichem Maße zu ihrem internationalen Ansehen beigetragen hat. Die Sammlungen der griechischen und lateinischen Inschriften, die Ausgabe des Aristoteles und seiner Erklärer, das Corpus der griechischen Ärzte, die Editionen der griechischen christlichen Schriftsteller und andere Sammlungen von Texten und Monumenten sind bleibende Ruhmestitel dieser Akademie und zugleich Dokumente echter internationaler Kooperation; Namen wie A U G U S T BÖCKH, THEODOR MOMMSEN, H E R M A N N D I E L S , A D O L F H A R NACK,

ULRICH VON

WILAMOWITZ-MOELLENDOREF

sind m i t

der

Ge

schichte der Akademie unlösbar verbunden. Wir wissen indes, daß auch die Arbeits- und Organisationsformen der Wissenschaft nicht unwandelbar sind. Wenn in früheren Jahrhunderten der einzelne Gelehrte Träger der Forschungsarbeit war, an der er allenfalls seinen Schülerkreis teilnehmen ließ, so wird er heute selbst immer mehr in das Kollektiv des Forschungsinstitutes einbezogen, in dem ihm der Rat der Fachgenossen ebenso zur Verfügung steht wie die Unterstützung durch Hilfskräfte. Die Naturwissenschaften sind auf diesem Wege vorangegangen, doch auch die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften konnten sich ihm auf die Dauer nicht verschließen. Unmittelbar nach der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit faßte die Deutsche Akademie der Wissen-

8

Begrüßungsansprachen

schaften in ihrem Institut für Orientforschung alle von ihr geleiteten Arbeiten dieses weitgespannten Fachgebietes zusammen, und ähnliches geschah 1952 für die zahlreichen germanistischen Unternehmungen durch die Gründung des Instituts für deutsche Sprache und Literatur — um nur einige Beispiele zu nennen. Der Gedanke, die altertumskundlichen Forschungseinrichtungen der Akademie in einem Großinstitut zusammenzufassen und damit eine bessere Basis für die umfassende Förderung dieses für unsere Akademie so gewichtigen Wissenschaftzweiges zu schaffen, wurde zuerst von meinem Amtsvorgänger Johannes S t r o u x geäußert; seine schwere Erkrankung und sein so früher Tod hinderten ihn jedoch daran, diese Pläne zu verwirklichen. Die Kommission für griechisch-römische Altertumskunde, die größte der in dem neuen Institut aufgehenden Forschungseinrichtungen, machte sich indes seine Konzeptionen zu eigen und traf gemeinsam mit der Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst die Vorbereitungen für die neue Gründung, der das Präsidium der Akademie am 24. September 1955 seine Ordnung gab. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen die Grundgedanken dieser Ordnung kurz erläutere und Sie dadurch zugleich mit der Struktur des neuen Instituts vertraut mache. Das Institut führt Untersuchungen auf allen Gebieten der griechisch-römischen Altertumswissenschaft durch. Es veröffentlicht die Ergebnisse seiner Forschungen, Materialien an Texten und Monumenten und Hilfsmittel für die Forschung. Es gibt ferner altertumswissenschaftliche Publikationsorgane heraus und läßt sich die Förderung einschlägiger Arbeiten und Veröffentlichungen angelegen sein. Das Institut besteht aus dem Wissenschaftlichen Rat, der Institutsleitung, den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen, der Bibliothek und der Verwaltung. Dem Wissenschaftlichen Rat obliegt es, die Perspektive des Instituts festzulegen, seine Forschungspläne zu prüfen und über die Ergebnisse seiner Arbeit zu diskutieren. Um eine enge Verbindung zur Praxis zu gewährleisten, gehören dem Wissenschaftlichen Rat neben Fachgelehrten je ein Vertreter der Schulund Hochschulverwaltung an. Die Leitung des Instituts wird in kollektiver Form von drei Direktoren ausgeübt. Das Präsidium der Akademie beruft einen ersten Direktor und einen geschäftsführenden Direktor; der geschäftsführende Direktor muß sein Amt hauptberuflich ausüben; ihm obliegt die Geschäftsführung des Wissenschaftlichen Rates und die Durchführung der Beschlüsse der Institutsleitung. Die Leiter der wissenschaftlichen Arbeitsgruppen arbeiten selbständig und sind für ihren Bereich voll verantwortlich; der Wissenschaftliche Rat des Instituts kann ihnen ständige Kommissionen als beratende Gremien zur Seite stellen. Die Ordnung des Instituts nennt im einzelnen die zur Zeit bestehenden wissenschaftlichen Arbeitsgruppen; sie sieht ferner die Wiederaufnahme früher tätiger Arbeitsgruppen sowie die Bildung neuer Arbeitsgruppen vor.

Begrüßungsansprachen

9

Das Präsidium der Akademie hat in seiner Sitzung vom 24. September 1955 das Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Nationalpreisträger Professor Dr. FRIEDRICH ZUCKER, zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Rates berufen. Dem Wissenschaftlichen Rat gehören ferner an die Akademiemitglieder Prof. Dr. HERMANN GRAPOW, Berlin, Professor Dr. MATTHIAS G E L Z E R , F r a n k f u r t , P r o f e s s o r D r . W O L F G A N G SCHADEWALDT,

Tübingen, Professor D r . ERNST HOHL, Berlin, Professor D r . WILHELM WISSMANN, M ü n c h e n , Professor D r . GÜNTHER KLAFFENBACH, Berlin, P r o f e s s o r D r . CARL BLÜMEL, B e r l i n , P r o f e s s o r D r . W E R N E R

HARTKE,

Berlin, sowie als außerakademische Mitglieder Professor D. KURT ALAND, Halle, Professor Dr. ERNST GRUMACH, Berlin, Professor Dr. JOHANNES

IRMSCHER, Berlin. Zu Direktoren am Institut für griechisch-römische Altertumskunde bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin wählte das Plenum der Akademie in seiner Sitzung vom 13. Oktober 1955 das Akademiemitglied Professor Dr. WERNER HARTKE, das Akademiemitglied Professor Dr. GÜNTHER KLAFFENBACH u n d Professor D r . JO-

HANNES IRMSCHER. Zum ersten Direktor wurde Akademiemitglied Professor Dr. HARTKE, zum geschäftsführenden Direktor Professor Dr. IRMSCHER b e r u f e n .

Der Ministerpräsident der Deutschen Demokratischen Republik hat am 20. Oktober 1955 folgendes Schreiben an mich gerichtet: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bestätige hiermit die vom Plenum der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin beschlossene Gründung des Institutes für griechisch-römische Altertumskunde bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, welche gemäß den Empfehlungen des Ministerrates vom 18. 5.1955 zur weiteren Entwicklung und Verbesserung der Arbeit der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin erfolgt. Der Gründungstagung des neuen Instituts am 23. 10. 1955 wünsche ich einen guten Verlauf, den Arbeiten des neugebildeten Institutes vielen Erfolg. Mit vorzüglicher Hochachtung O. Grotewohl

10

Begrüßungsansprachen. Meine Damen und Herren!

Damit ist das Institut für griechisch-römische Altertumskunde bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin eröffnet. Ich beglückwünsche den Vorsitzenden und die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates und ich beglückwünsche die Direktoren am Institut zu den an sie ergangenen ehrenvollen Berufungen. Ich beglückwünsche ferner die Mitarbeiter, die an dieser neuen Pflanzstätte deutscher Wissenschaft tätig sein dürfen und spreche die Erwartung aus, d a ß Sie das Ihnen mit dieser Gründung bekundete Vertrauen der Akademie rechtfertigen werden.

FRIEDRICH ZTJCKER

Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde Herr Präsident! Verehrte Gäste! Verehrte Kollegen und Mitarbeiter in der Deutschen Akademie der Wissenschaften! Meine D a m e n und Herren! Quod bonum felix faustum fortunatumque

sit!

Nachdem der Herr Präsident die Hauptmomente der Struktur des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde bekannt gegeben hat, habe ich als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates des Instituts die Ehre, zunächst in Ergänzung der Mitteilungen des Herrn Präsidenten v o m Statut oder, wie die amtliche Bezeichnung lautet, von der Ordnung des Instituts Kenntnis zu geben.

ORDNUNG der Aufgaben und der Arbeitsweise des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin v o m 24. September 1955. Die klassische Altertumswissenschaft gehört seit mehr als einem J a h r h u n d e r t zu den von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin besonders gepflegten Gebieten. N a m e n wie August Böckh, Theodor Mommsen, Adolf H a r n a c k , Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff sind unlösbar m i t der E n t w i c k l u n g der Akademie verbunden. Werke wie die Inscriptiones Graecae, das Corpus Inscriptionum Latinarum, die Aristoteles-Ausgabe, das Corpus Medicorum Graecorum haben das hohe internationale Ansehen der Akademie begründet. U m diese großen Traditionen bewahren u n d an den neuen Aufgaben unserer Gegenwart zu bewähren, h a t die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin ein I n s t i t u t f ü r griechisch-römische Altertumskunde errichtet. I n diesem I n s t i t u t werden die bisherigen Einrichtungen dieses Fachgebietes vereinigt u n d können neue Arbeiten begonnen werden.—Auf G r u n d v on § 24 des S t a t u t s der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 17. J u n i 1954 (GBL. S. 609) h a t das Präsidium der Akademie folgende Ordn u n g f ü r das I n s t i t u t f ü r griechisch-römische Altertumskunde beschlossen:

12

Begrüßungsansprachen

Zuordnung §1 Das Institut für griechisch-römische Altertumskunde ist eine auf Beschluß des Plenums der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 21. April 1955 gegründete Forschungseinrichtung mit dem Sitz in Berlin. E s ist der Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst zugeordnet. Aufgaben §2 Das Institut führt Untersuchungen auf allen Gebieten der griechischrömischen Altertumswissenschaft durch. Es veröffentlicht die Ergebnisse seiner Forschungen, Materialien an Texten und Monumenten und Hilfsmittel für die Forschung. E s gibt altertumswissenschaftliche Publikationsorgane heraus und fördert altertumswissenschaftliche Arbeiten und Publikationen. Struktur § 3 1. Das Institut besteht aus dem wissenschaftlichen R a t , der Institutsleitung, den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen sowie der Bibliothek und der Verwaltung. 2. E s bestehen zur Zeit a) Arbeitsgruppe b) Arbeitsgruppe c) Arbeitsgruppe d) Arbeitsgruppe e) Arbeitsgruppe f) Arbeitsgruppe g) Arbeitsgruppe h) Arbeitsgruppe i) Arbeitsgruppe k) Arbeitsgruppe 1) Arbeitsgruppe m) Arbeitsgruppe Die Arbeiten der folgenden Arbeitsgruppen ruhen zur Zeit: a) Arbeitsgruppe Corpus Inscriptionum Etruscarum b) Arbeitsgruppe Formae Orbis Antiqui c) Arbeitsgruppe Griechische Münz werke d) Arbeitsgruppe Rhetores Graeci e) Arbeitsgruppe Vocabularium Iurisprudentiae Romanae. 3. Auf Vorschlag des wissenschaftlichen Rates können durch das Präsidium der Akademie neue Arbeitsgruppen gebildet, die Tätigkeit früherer Arbeits-gruppen wieder aufgenommen sowie bestehende Arbeitsgruppen nach Erfüllung ihrer Aufgaben aufgelöst werden. Der Wissenschaftliche R a t §4 Das Präsidium der Akademie beruft für das Institut einen Wissenschaftlichen R a t . E r hat die Aufgabe, die wissenschaftliche Perspektive des In-

Begrüßungsansprachen

13

s t i t u t s festzulegen, die Forschungspläne zu p r ü f e n u n d zu den grundsätzlichen M a ß n a h m e n ihrer D u r c h f ü h r u n g Stellung zu nehmen. E r diskutiert Berichte über Forschungsergebnisse. §5 1. Der Wissenschaftliche R a t besteht a u s V e r t r e t e r n der klassischen Altertumswissenschaft in der Akademie. E s k ö n n e n ferner Akademiemitglieder v e r w a n d t e r F ä c h e r , die a n den Arbeiten des I n s t i t u t s in besonderem Maße Anteil n e h m e n , sowie außerakademische Mitglieder, v o n deren Mitarbeit eine besondere F ö r d e r u n g der Interessen des I n s t i t u t s zu e r w a r t e n ist, ber u f e n werden. Die Zahl der Mitglieder des Wissenschaftlichen R a t e s soll 12 nicht übersteigen. U m eine enge V e r b i n d u n g zur P r a x i s zu gewährleisten, gehören i h m ferner je ein Vertreter des Staatssekretariats f ü r Hochschulwesen u n d des Ministeriums f ü r Volksbildung an. 2. D e n Vorsitz im Wissenschaftlichen R a t f ü h r t ein ordentliches Mitglied der Akademie, das v o m P r ä s i d i u m der Akademie berufen wird. 3. Der Wissenschaftliche R a t k a n n zu b e s t i m m t e n F r a g e n Sachverständige hinzuziehen. 4. Der Wissenschaftliche R a t k a n n zur B e r a t u n g einzelner wissenschaftlicher Arbeitsgruppen ständige Kommissionen einsetzen. § 6 Der Wissenschaftliche R a t t r i t t mindestens halbjährlich auf B e r u f u n g des Vorsitzenden zusammen. E r ist verpflichtet, auf A n f o r d e r u n g des P r ä s i d i u m s der Akademie b e s t i m m t e F r a g e n zu b e h a n d e l n u n d dazu Stellung zu n e h m e n . Die L e i t u n g des I n s t i t u t s § 7 1. Die L e i t u n g des I n s t i t u t s liegt in den H ä n d e n v o n drei Direktoren, die die Dienstbezeichnung „Direktor a m I n s t i t u t " f ü h r e n . Sie werden auf Vorschlag der zuständigen Klasse durch das P l e n u m der Akademie b e r u f e n ; zwei von ihnen müssen ordentliche Mitglieder der Akademie sein. Die Direktoren arbeiten nach d e m G r u n d s a t z der kollektiven L e i t u n g zus a m m e n . Sie sind f ü r die Festlegung des Arbeitsplanes u n d f ü r seine Durchf ü h r u n g sowie f ü r die Aufstellung des H a u s h a l t p l a n e s verantwortlich. 2. D a s P r ä s i d i u m der Akademie b e r u f t einen E r s t e n Direktor u n d einen ges c h ä f t s f ü h r e n d e n Direktor. Der g e s c h ä f t s f ü h r e n d e Direktor ist f ü r die D u r c h f ü h r u n g der Beschlüsse der I n s t i t u t s l e i t u n g , f ü r die F ü h r u n g der laufenden Geschäfte des I n s t i t u t s u n d die D u r c h f ü h r u n g des H a u s h a l t s planes verantwortlich. Die F u n k t i o n des g e s c h ä f t s f ü h r e n d e n Direktors m u ß als H a u p t a m t a u s g e f ü h r t werden. 3. Die I n s t i t u t s l e i t u n g ist verpflichtet, d e m Wissenschaftlichen R a t ü b e r die Tätigkeit des I n s t i t u t s zu berichten. D e m g e s c h ä f t s f ü h r e n d e n Direktor obliegt die Erledigung der m i t der G e s c h ä f t s f ü h r u n g des Wissenschaftlichen R a t e s u n d der I n s t i t u t s l e i t u n g z u s a m m e n h ä n g e n d e n Arbeiten. 4. Die I n s t i t u t s l e i t u n g t r i t t vierzehntägig auf B e r u f u n g des E r s t e n D i r e k t o r s zu Sitzungen zusammen. 5. Der I n s t i t u t s l e i t u n g u n t e r s t e h e n als nächste leitende Mitarbeiter die Leiter der im § 3 g e n a n n t e n Arbeitsgruppen u n d Einrichtungen. 6. Die I n s t i t u t s l e i t u n g hält Arbeitsbesprechungen m i t den Leitern der im § 3 g e n a n n t e n Arbeitsgruppen u n d E i n r i c h t u n g e n ab.

Begrüßungsansprachen

14

§8

Die Leiter der i m § 3 g e n a n n t e n A r b e i t s g r u p p e n a r b e i t e n u n t e r d e r l e i t u n g u n d K o n t r o l l e der I n s t i t u t s l e i t u n g s e l b s t ä n d i g u n d sind f ü r i h r e n reich v e r a n t w o r t l i c h . I m R a h m e n der gesetzlichen B e s t i m m u n g e n sowie W e i s u n g e n d e r D e u t s c h e n A k a d e m i e d e r W i s s e n s c h a f t e n zu B e r l i n u n d I n s t i t u t s l e i t u n g s i n d sie in i h r e m Bereich w e i s u n g s b e f u g t .

AnBeder der

Vertretungsbefugnisse §9 1. D a s I n s t i t u t w i r d i m G e s c h ä f t s v e r k e h r d u r c h d e n g e s c h ä f t s f ü h r e n d e n D i r e k t o r u n d hinsichtlich der V e r w a l t u n g s g e s c h ä f t e a u f der G r u n d l a g e der A n l e i t u n g u n d K o n t r o l l e seitens des g e s c h ä f t s f ü h r e n d e n D i r e k t o r s d u r c h den Verwaltungsleiter vertreten. 2. Die I n s t i t u t s l e i t u n g k a n n leitende M i t a r b e i t e r b e v o l l m ä c h t i g e n , d a s I n s t i t u t i m G e s c h ä f t s v e r k e h r in E i n z e l f r a g e n z u v e r t r e t e n . D i e V o l l m a c h t e n hierzu sollen m ö g l i c h s t so e r t e i l t w e r d e n , d a ß jeweils zwei l e i t e n d e Mita r b e i t e r g e m e i n s a m h a n d e l n u n d zeichnen. 3. Die B e g r ü n d u n g v o n V e r p f l i c h t u n g e n usw. f ü r d e n H a u s h a l t des I n s t i t u t s sowie die V e r f ü g u n g ü b e r Z a h l u n g s m i t t e l b e d ü r f e n g e m ä ß H a u s h a l t s b e a r b e i t e r - V e r o r d n u n g v o m 6. D e z e m b e r 1951 ( G B L . S. 1134) i n j e d e m Falle d e r M i t w i r k u n g b z w . M i t z e i c h n u n g des H a u s h a l t s b e a r b e i t e r s des I n stituts. Schlußbestimmungen § 10 1. D a s P r ä s i d i u m der A k a d e m i e k a n n diese O r d n u n g ä n d e r n . 2. Diese O r d n u n g t r i t t m i t W i r k u n g v o m 24. S e p t e m b e r 1955 in K r a f t . Berlin, den 24. S e p t e m b e r 1955 D e u t s c h e A k a d e m i e der W i s s e n s c h a f t e n zu Berlin Der Präsident gez. : W . F r i e d r i c h

D e r wissenschaftliche D i r e k t o r gez. : H a n s W i t t b r o d t

I m Augenblick der Eröffnung d e s I n s t i t u t s für griechisch-römische Altert u m s k u n d e , dieser b e d e u t s a m e n Gründung, darf die B e s i n n u n g auf d i e Verg a n g e n h e i t der i m I n s t i t u t z u s a m m e n g e f a ß t e n U n t e r n e h m u n g e n nicht fehlen. W e n n m a n die A u f z ä h l u n g der Arbeitsgruppen überblickt, so drängt sich eine w o h l b e k a n n t e Gruppierung a u f : Instituta antiqua, recentiora, recentissima. W i e der Herr Präsident s c h o n erwähnt h a t , ist die ä l t e s t e i m I n s t i t u t e n t h a l t e n e U n t e r n e h m u n g die älteste der A k a d e m i e ü b e r h a u p t , u n d ich darf w o h l b e i d i e s e m u n d d e m n ä c h s t ä l t e s t e n ehrwürdigen U n t e r n e h m e n — beide m i t glänzendsten N a m e n der philosophisch-historischen K l a s s e verk n ü p f t — ganz kurz a n D a t e n der Gründungsgeschichte erinnern. A m 24. 3 . 1 8 1 5 stellte AUGUST BÖCKH a n die G e s a m t a k a d e m i e d e n A n t r a g ,

Begrü ßungsonsprachen

15

einen alle Inschriften des griechisch-römischen Altertums umfassenden Thesaurus zu schaffen; der Antrag wurde am 12. Mai 1815 vom Ministerium genehmigt. Es sollte mit den griechischen Inschriften begonnen werden, und nach sieben Jahren konnte BÖCKH die Sammlung und Ordnung als im wesentlichen abgeschlossen betrachten und in der Notitia Corporis Inscriptionum, Oraecarum sumptibus Academiae Borussicae edendi vom 15. 7. 1822 bekannt geben. Drei Jahre später, 1825, erschien Fase. I. 40 Jahre nach BÖCKHS Antrag, am 1.1. 1855, kündigte die epigraphische Kommission der Akademie das Corpus Inscriptionum Latinarum an. Mit dem Plan eines CIL war bereits 1836 der Däne OLAV KELLERMANN hervorgetreten ; er erhielt dafür finanzielle Unterstützung, starb aber leider bereits 1838. THEODOR MOMMSEN, der wirkliche Begründer, nahm den Plan 1844 wieder auf, und 1853/54 ist als Gründungsjahr anzusehen. 1862 erschien CIL, Band I. Bereits zu den recentiora, zur Mittelgruppe, wird man die 1874 begründete Prosopographia Imperii Romani rechnen, die für alle Arbeit an der Geschichte der römischen Kaiserzeit unentbehrlich ist. 1891 wurde die Herausgabe „aller in griechischer Sprache geschriebenen christlichen Schriften bis Eusebius (einschl.)" beschlossen mit Ausnahme der neutestamentlichen Schriften. Die Ausführung dieses großen Unternehmens, das ohne ADOLF HABNACK nicht zu denken ist, unterstand und untersteht einer Kommission, deren ursprünglicher Name ,Kirchenväterkommission' seit den dreißiger Jahren in .Kommission für spätantike Religionsgeschichte' umgeändert ist. Nach zehn Jahren folgte, woran HERMANN DIELS ein Hauptverdienst hat, die Begründung des Corpus

Medicorum Graecorum, an dessen Herausgabe auch die Akademien zu Kopenhagen und Leipzig beteiligt sind. Die Zahl der recentissima macht mehr als die Hälfte der jetzt tätigen Arbeitsgruppen aus. 1946 wurde durch die Initiative des um die Umgestaltung der Preußischen zur Deutschen Akademie der Wissenschaften hochverdienten Präsidenten JOHANNES STROUX das Institut für hellenistischrömische Philosophie gegründet. 1949 wurde das für die Kenntnis der hellenistischen Sprache grundlegend wichtige Polybioslexikon von der Akademie übernommen, für das in Leipzig bereits erhebliche Arbeit geleistet worden war. 1950 zog die gewaltige internationale Unternehmung des Mittellateinischen Wörterbuches, an dem seit 1939 auch deutsche Mitarbeiter beteiligt waren, mit einer Arbeitsstelle in die Akademie ein. Was es mit der 1951 gegründeten, mir selbst unterstehenden Arbeitsstelle für Papyruskunde für eine Bewandtnis hat, möchte ich meinen Mitarbeiter in seinem Bericht erklären lassen, weil ich sonst zu ausführlich werden müßte. Überhaupt beschränke ich mich in diesem historischen Überblick auf das Notwendigste, um den Einzelberichten nichts vorwegzunehmen. Aller-

16

Begrüßungsansprachen

neueste Gründungen sind die aus der Kommission für spätantike Religions geschichte erwachsenen Arbeitsgruppen für Byzantinistik und Publikationen. Die Gründung des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde ist eine Verwaltungsmaßnahme; die Selbständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit der einzelnen, jetzt Arbeitsgruppen genannten Forschungseinrichtungen bleibt bestehen. Eine Verwaltungsmaßnahme: sie bedeutet innerhalb des Komplexes der Unternehmungen eine jedenfalls wünschenswerte Verbesserung insofern, als die Stellung der bisherigen K o m m i s s i o n für griechisch-römische Altertumskunde rechtlich — wenn der Ausdruck nicht etwas zu anspruchsvoll ist — nicht klar begrenzt war, denn ein Teil der Unternehmungen war in ihr zusammengeschlossen, andere aber nicht, so daß bei besonderen Anlässen Zweifel entstehen konnten, ob die Kommission im Fall der letzteren ein Recht beanspruchen konnte, sich irgendwie mit deren Angelegenheiten zu beschäftigen. Also die Beseitigung der Unklarheit ist zu begrüßen. Auch für die Finanzgebarung ist der Zusammenschluß zweifellos ein großer Vorteil. In hohem Grad aber bedeutsam ist, daß die Geisteswissenschaften durch Zusammenschluß verwandter Unternehmungen zu größeren und großen Instituten Gewicht bekommen gegenüber der gewaltigen Präponderanz der mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Fächer in der Akademie und daß jetzt auch die griechisch-römische Altertumswissenschaft, statt sich in der Vereinzelung ihrer Unternehmungen zu verlieren, in Gestalt eines stattlichen, stolzen Instituts repräsentativ und gewichtig im Kreis der Gebilde der Akademie dasteht. Ich beehre mich deshalb, an dieser Stelle im Namen des Instituts, ich darf sagen im Namen der klassischen Altertumswissenschaft, dem Präsidium der Akademie und der Staatsregierung den Dank für die bedeutsame Neugründung auszusprechen. Die wissenschaftliche Selbständigkeit der einzelnen Arbeitsgruppen wird nicht angetastet. Es ist aber natürlich und beabsichtigt, daß der verwaltungsmäßige Zusammenschluß einen lebhafteren Kontakt mit sich bringt, von dem die Wissenschaft Gewinn haben wird. Möge unserer Arbeit im neuen Institut erhalten bleiben, was das Ansehen und den Ruhm der Leistungen der klassischen Altertumswissenschaft in der Berliner Akademie begründet und gesichert hat. Möge fruchtbares Neues in den alten und in den jungen Arbeitsgruppen sich entwickeln. Studiorum humaniorum in Academia Berolinensi laudes propagentur volurrrns ad sempiternam gloriam.

S. L . UTTSCHEXKO

Delegierter der Akademie der Wissenschaften der UdSSR Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, Ihnen vor allem im Namen der sowjetischen Altertumsforscher die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem Pesttag, zur Eröffnung des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu überbringen. Gleich allen sowjetischen Historikern freue ich mich aufrichtig darüber, daß in der letzten Zeit die Verbindungen zwischen den sowjetischen und den deutschen Gelehrten enger werden. Wir in Sowjetrußland schätzen und achten die deutsche Altertumskunde. Wir wissen, welch enormen Beitrag die deutsche Wissenschaft und ihre Vertreter zum Studium der Antike geleistet h a b e n . Die N a m e n A. BÖCKH, TH. MOMMSEN, E . MEYER, U . VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF,

E . NORDEN,

A. WILHELM u n d

vieler

anderer großer Vertreter der deutschen Altertumswissenschaft sind bei uns wohlbekannt. Gewiß, wir marxistischen Historiker, ob Russen oder Deutsche, können manche Konzeptionen dieser Gelehrten nicht widerspruchslos hinnehmen noch ihre Weltanschauung teilen, doch zollen wir ihnen die gebührende Achtung und wissen ihre wissenschaftlichen Großtaten zu schätzen. Betrachten Sie es nicht als Überheblichkeit, wenn ich versuche, in buchstäblich zwei bis drei Sätzen konkret zu kennzeichnen, worin nach meiner Auffassung der unschätzbare Beitrag besteht, den die deutschen Gelehrten zur Altertumsforschung geleistet haben. Ich betrachte es als eins der größten Verdienste der deutschen Wissenschaft, daß ihre besten Vertreter als erste die Quellenkritik auf eine gebührende Höhe gebracht haben; kritische Einstellung zu den Quellen aber ist auch heute noch die wichtigste Voraussetzung jeder Altertumsforschung. Als größtes Verdienst der deutschen Wissenschaft betrachte ich ferner den Umstand, daß ihren besten Vertretern glänzende Musterbeispiele organischer Verbindung philologischer Analyse mit historischer Forschung zu verdanken sind. Diese Verknüpfung ist aber auch heute noch unerläßliche Voraussetzung jeglicher Erforschung der Antike. Sorgfältiges und kritisches Quellenstudium, ausgezeichnete philologische Analyse, verknüpft mit historischen Schlußfolgerungen und Zusammenfassungen — das sind die lebendigen, fruchtbaren Traditionen der 2

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Begrüßungsansprachen

deutschen Wissenschaft. Gestatten Sie mir, der Überzeugung Ausdruck zu verleihen, daß die Altertumsforscher in der Deutschen Demokratischen Republik den theoretischen Reichtum, den uns die marxistisch-leninistische Lehre von der Gesellschaft bietet, dazu verwenden werden, die ruhmreichen Traditionen der fortschrittlichen deutschen Wissenschaft in glänzender Weise zu entwickeln und zu mehren. Ich begrüße das neue Institut als Mittelpunkt der in der Deutschen Demokratischen Republik tätigen deutschen Altertumsforscher. Ich begrüße die enge Verbundenheit der sowjetischen Historiker und ihrer deutschen Kollegen. Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen Erfolg bei Ihrer Arbeit, bei allem, was Sie zum Wohle des Friedens, der Demokratie und der Wissenschaft unternehmen.

KAZIMIERZ

MICHALOWSKI

Leiter der Delegation der Polnischen Akademie der Wissenschaften Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hochverehrte Kollegen! Ich betrachte es als eine große Ehre und eine äußerst angenehme Mission, heute in einem so ehrwürdigen Kreise im Namen der Polnischen Akademie der Wissenschaften sprechen zu dürfen. Unsere Anwesenheit bei dieser feierlichen Eröffnung des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin darf nicht als bloßer Ausdruck der regen Zusammenarbeit unserer beiden Akademien angesehen werden. — Die traditionellen Verbindungen unserer Wissenschaftler mit den Vertretern der deutschen klassischen Philologie, der klassischen Archäologie und anderer Fachwissenschaften der Altertumskunde bringen es mit sich, daß die heutige Eröffnung eines Studienzentrums der Antike ebenso für uns die hier Anwesenden, wie auch für unsere Kollegen daheim von besonderem Interesse ist. Wir hegen keine Zweifel, daß das neu eröffnete Institut die fortschrittlichsten Traditionen der deutschen Altertumswissenschaft auferwecken wird, daß die durch das Institut geleiteten Forschungen nicht nur unser Wissen über die antike Welt vertiefen und bereichern werden, sondern auch die im breitesten und edelsten Sinne aufgefaßte internationale, kulturelle Zusammenarbeit fördern werden. In der Zeit des Kampfes um die Verbreitung der Kultur, um die Schaffung eines neuen, freien Menschen müssen wir die großen, immer lebendigen und uns allen gemeinsamen kulturellen Werte zu Hilfe ziehen. Und wir wissen gut, wie viele von diesen unvergänglichen Werten in der Kunst der Antike ruhen. Für uns, die wir uns der Erforschung der antiken Welt gewidmet haben, liegt die Pflicht vor, die Ursachen der steten und unvergänglichen Aktualität, welche den Errungenschaften der Menschen der Antike im ideologischen Aufbau anhaftet, zu erforschen. Von diesem Geiste durchdrungen melden wir polnischen Wissenschaftler die freudige und volle Bereitschaft, die engste Mitarbeit mit den deutschen Gelehrten des neuen Instituts aufzunehmen, und bringen ihm unsere Wünsche für die besten Erfolge im edlen, wissenschaftlichen Wettkampf dar. 2»

ANTONiN SALAÖ Leiter der Delegation der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften Werte Versammlung! Genossinen!

Meine Damen und Herren,

Genossen

und

Gestern haben wir — dank der Liebenswürdigkeit der Deutschen Akademie der Wissenschaften — eine Rundfahrt durch die Stadt Berlin genießen können. Von den alten Ruinen, von den neuen Straßen und prachtvollen Alleen haben wir einen starken Eindruck mitgebracht, den Eindruck des Aufbaus, eines emsigen, einträchtigen, planmäßigen Aufbaus. Auch die Gründung des Instituts für die griechisch-römische Altertumskunde gehört in die Gedankenreihe dieses Aufbaus. Berlin ist immer ein klassischer Boden der klassischen Studien gewesen. Es ist hier wenigstens eines Mannes, eines der größten, zu gedenken, der den Begriff der Altertumswissenschaft in dem damals weitesten Sinne des Wortes geprägt hat, AUGUST BÖCKHS. Heutzutage sind noch weitere Zweige unserer Wissenschaft zuzurechnen, die Papyrologie, die Byzantologie und die lateinischen Studien des Mittelalters. Bisher hat die Deutsche Akademie der Wissenschaften speziellen Kommissionen spezielle Aufgaben zugeteilt; jetzt hat man alle Kräfte in einem Institut versammelt, wo man mit Hilfe des jungen Nachwuchses an einem emsigen, einträchtigen, planmäßigen Aufbau arbeiten kann. Unsere Arbeit ist eine Friedensarbeit. Wir denken an diejenigen, die unsere Wissenschaft im letzten Kriege beiderseits verloren hat — die Vorrede des Kollegen IBMSCHER über die Schicksale der Ausgabe der pseudoklementinischen Homilien kann man nicht ohne Erschütterung lesen. Wir kommen, werte Versammlung, von einem Lande, dessen Volk im letzten Weltkriege wehrlos ans Kreuz geschlagen wurde; am Fuße dieses Kreuzes haben Söldner gesessen, die sich unser Hab und Gut verteilten. Und doch haben wir auch unter den deutschen Altertumsforschern gute Freunde, denen wir auch in den apokalyptischen Jahren des zweiten Weltkrieges wortlos, aber fest die Hand drücken konnten. Und in der Zukunft sehen wir ein einheitliches, mächtiges, friedliches und demokratisches Deutschland. Die Wissenschaft im allgemeinen, sie ist der Dienst einer Göttin, die uralt und doch immer neu und jung, streng und unerbittlich, aber dabei segensreich ist, der letzten Göttin, die der Menschheit noch geblieben ist, die Wahrheit.

Begrüßungsansprachen

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Die Altertumsforschung ist eine Arbeit an dem Erbe der Alten, an dem gemeinsamen Grund und Boden der menschlichen Kultur; die Altertumswissenschaft baut eine Brücke, die Brücke zur Verständigung und Einigung der ganzen Kulturwelt. So betrachten wir die Arbeit an unserer Wissenschaft als einen Dienst der Menschlichkeit, an dem sich alle friedlichen, menschheitsliebenden, demokratischen Elemente der ganzen Welt beteiligen können und müssen, bei dem auch wir nach unseren Kräften mitarbeiten wollen. So wünschen wir dem neuen Institut der Deutschen Akademie der Wissenschaften vollen Erfolg in'seiner Tätigkeit.

IMRE

TRENCSÜNYI-WALDAPFEL

Delegierter der Ungarischen Akademie der Wissenschaften Hochverehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und aller ungarischen Altertumsforscher begrüße ich die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin und die deutschen Fachgenossen anläßlich der Eröffnung ihres neuen, vielverheißenden Instituts. Ich möchte gleichzeitig unseren innigsten Dank für die ehrende Einladung und für die freundliche Aufnahme aussprechen. Die ungarische klassische Philologie, deren schöne Traditionen mit einer auoh von ERASMUS ROTERODAMUS anerkennend erwähnten Seneca-Ausgabe beginnen, und die nach der Befreiung des Landes und durch eine nähere Bekanntschaft mit der hochentwickelten sowjetischen Altertumswissenschaft unter Aneignung neuer Methoden wieder im Aufblühen steht, wurde des öfteren auch mit Anregungen durch die deutsche Gelehrtenwelt befruchtet. Es genüge ein kurzer Hinweis auf den Praeceptor Germaniae, PHILIPP MELANCHTHON, der zugleich in Wittenberg ein persönlicher Praeceptor zahlreicher ungarischer Bahnbrecher der philologischen Wissenschaft und gleichzeitig des ungarischen nationalen Selbstbewußtseins wurde, und auf den Altmeister HEYNE, dessen Einfluß aus Göttingen parallel mit den literarischen Richtungen der Goethe-Zeit in meinem Vaterlande aufgenommen wurde. Ich nenne noch aus den vielen großen und wichtigen diesbezüglichen Tatsachen hervorhebend den hochverehrten Namen THEODOR MOMMSEN, der Ungarn eben in Angelegenheit des Corpus Inscriptionum Latinarum besuchte und der damit nicht nur das großartige Unternehmen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, sondern auch die klassische Altertumswissenschaft in Ungarn bedeutend förderte. Natürlich können wir auch in diesem Falle, wie bei jeder echten Wirkung, von einer Wechselwirkung sprechen. Diesbezüglich erwähne ich als Beispiel nur den ungarischen Gelehrten GEORG HENISCH, der mit der Bearbeitung der Hesiodos-Schoben am Ende des 16. Jahrhunderts auch für die deutsche Wissenschaft Wichtiges geleistet hat. Oder aus der näheren Vergangenheit ETJGENIUS ABEL, dessen Orphica für Jahrzehnte auch in der deutschen Wissenschaft als unentbehrlich galten.

Begrüßungsansprachen

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Was aber noch wichtiger ist: ich glaube an der Geschichte der Altertumskunde die Gesetzmäßigkeit feststellen zu können, daß sie die großen Epochen ihrer Entwicklung immer dann erlebte, wenn ihre Forschungstätigkeit tief in den Zielsetzungen einer wahrhaftigen Humanität wurzelte, wo also das nationale Selbstbewußtsein und die Verantwortlichkeit für den internationalen Fortschritt der gesamten Menschheit unzertrennbar verbunden waren. Wir können getrost behaupten, daß es in der Weltgeschichte kaum einen anderen Zeitabschnitt gab, wo das Bewußtwerden der gemeinsamen historischen Grundlagen der gesamten menschlichen Kultur, das höchste Ziel unserer wissenschaftlichen Tätigkeit, mehr eine Sache des Volkes, mehr eine Sache aller friedensliebenden Völker gewesen wäre, als in unseren Tagen. Das eröffnet vor unserer alten und immer sich verjüngenden Wissenschaft eine weite und glänzende Perspektive, überträgt auf sie neue und edle Aufgaben, bei deren Lösung das heute eröffnete Institut mit der gesamten deutschen Altertumswissenschaft ihren großen Traditionen gemäß einen mächtigen Teil auf sich nimmt. Die Verantwortlichkeit der Wissenschaft war in jeder Hinsicht nie so lebhaft in meinem Vaterlande empfunden worden, wie seit der Befreiung des ungarischen Volkes, dementsprechend wurde auch die Wissenschaft nie von dem ganzen Volke so hoch geschätzt wie heute. Es versteht sieh also von selbst, daß sowohl wir, die Altertumsforscher der Ungarischen Volksrepublik, die anläßlich der gegenwärtigen Tagung hier mit unseren deutschen Fachgenossen und mit den Vertretern vieler Länder und Nationen beisammen zu sein die Ehre haben, als auch die, die uns mit ihrer Botschaft beauftragt haben, mit aufrichtiger Freude, mit der größten und berechtigten Erwartung, mit den besten Wünschen die Eröffnung des Instituts begrüßen, dessen Ziele unsere Ziele sind, dessen Erfolge als die Erfolge der Humanität heranwachsen sollen. So wird das Institut für griechisch-römische Altertumskunde bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ein neues Movaslov sein, ein Heim der Musen, jener Musen, die schon einmal zur Zeit des Pythagoras den Bürgern von Kroton die Eintracht und Versöhnung verbürgt haben, und die jetzt auf der Seite der weltgeschichtlich wirksamen Kräfte der Völker dem Einverständnis und der Eintracht aller Völker den Weg zu bahnen noch immer geeignet sind!

E M I L CONDURACHI

Leiter der Delegation der Rumänischen Akademie der Wissenschaften Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Präsidium der Akademie der Rumänischen Volksrepublik hat mir die ehrenvolle Aufgabe übertragen, dem Institut für griechisch-römische Altertumskunde zur Eröffnungstagung seine Grüße zu übermitteln. Das Institut für griechisch-römische Altertumskunde, die Frucht einer so alten Kulturtradition, wird in den Reihen der Fachgelehrten unserer Akademie seine volle Würdigung finden und kann auf den lebhaften Wunsch unsererseits rechnen, auch auf diesem Gebiet die kulturellen Beziehungen zu erneuern und sie immer enger und freundschaftlicher zu gestalten. Diese Beziehungen haben in unserem Lande schon eine alte Vergangenheit. Vom Fürsten der Moldau DIMITRIE CANTEMIR, einem Mitglied der Berliner Akademie, der er sein bedeutendes Werk „Descriptio Moldaviae", das anfangs des 18. Jahrhunderts erschien, gewidmet hat, bis heute waren die Bande zwischen uns zahllos. Die auf Veranlassung der Rumänischen Arbeiterpartei und der Regierung unseres Landes gegründete und geförderte Akademie der Rumänischen Volksrepublik hat das kulturelle Erbe unserer Vergangenheit übernommen und beabsichtigt, diese Bande unserer alten Kulturbeziehungen noch fester zu knüpfen. Sie wird sich auf jedem nur denkbaren Wege für alles einsetzen, was dem Fortschritt und der Demokratie, dem Gedanken- und Güteraustausch dient, und so zum Aufbau einer neuen Welt beitragen, in der die Wissenschaftler aller Fachrichtungen ihre ganze Arbeits- und Schaffenskraft zum Wohle ihres Volkes und zum Besten der gesamten Menschheit voll entfalten können. Anknüpfend an die reiche humanistische Tradition der deutschen Kultur, wird Ihr Institut natürlicher weise zur Wiedergewinnung und zur Festigung der Einheit des ganzen deutschen Volkes beitragen. Was uns Rumänen betrifft, so freue ich mich, in diesem Institut, von dem wir alle soviel zu lernen haben werden, sagen zu können, daß unsere Akademie der Altertumsforschung in unserem Lande einen ungewöhnlichen großen Auftrieb gegeben hat. Die ehrwürdige Geschichte des rumänischen Volkes hat in einer ganzen Anzahl von Problemen, die bis vor kurzem noch völlig unbekannt oder nur unzureichend bekannt waren, festere Umrisse angenommen. Nicht weniger als acht Jahre archäologischer Forschungen sowie das Studium ihrer Ergebnisse im Museum für Altertumskunde und im Institut

Begrüßungsansprachen

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für Geschichte der Akademie der Rumänischen Volksrepublik, unter Leitung der Sektion für Geschichtswissenschaft der Akademie, haben von den rumänischen Forschern große Anstrengungen erfordert. Ausgerüstet mit der wissenschaftlichsten Auffassung von der Welt und dem Leben, der Auffassung des historischen Materialismus, haben die rumänischen Archäologen Fortschritte erzielt, auf die unsere Akademie heute stolz sein kann. Die griechisch-römische Epoche war hierbei durch die Ausgrabungen von Kallatis und Capidava vertreten, besonders aber durch die sieben Campagnen, die in der milesischen Kolonie Istros oder Histria durchgeführt wurden und an denen einige von uns Tag für Tag teilgenommen haben. Unser Kollektiv, das mit reicheren Mitteln die Forschungen wiederaufgenommen hat, die vor vier Jahrzehnten von dem ehemaligen Schüler der Berliner Universität V. P a r v a n begonnen worden waren, hat bereits den ersten Band einer Reihe unter dem Titel „Histria" veröffentlicht. Einige Exemplare dieser Sammlung sowie hundert Aufnahmen von unseren jüngsten Ausgrabungen übergeben wir Ihrem Institut als Geschenk, in der festen Hoffnung, daß unser Kontakt von nun an noch enger und noch häufiger werde. Ich kann dieses Grußwort der Akademie der Rumänischen Volksrepublik, das gleichzeitig ein Grußwort der rumänischen Archäologen ist, nicht besser schließen als dadurch, daß ich der Leitung und den Mitarbeitern des Instituts wünsche, daß unsere Zusammenkünfte und unsere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, auf dem die Berührungspunkte zwischen unseren Forschungsgebieten so zahlreich sind, so viel wie möglich verstärkt werden. Dadurch werden wir Archäologen und Historiker auf dem Gebiet der Altertumsforschung auch einen Beitrag zu dem großen Werk der Annäherung zwischen den Menschen, zum Besten aller, zur Festigung des Friedens, der unerläßlichen Voraussetzung für die Entwicklung der Wissenschaft, leisten. Die Akademie der Rumänischen Volksrepublik hat sich von Anbeginn ihrer Tätigkeit an vorgenommen, die volle Arbeitskraft ihrer Mitglieder und Mitarbeiter auf dieses hohe Ziel zu richten, dem auch das neue Institut der Deutschen Akademie der Wissenschaften, dem wir erfolgreiche Arbeit bei der Erfüllung der vor ihm stehenden großen Aufgaben wünschen, in vollem Maße dient.

DIMITER P . DIMITROV

Leiter der Delegation der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! In meiner Eigenschaft als Leiter der Delegation der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und der Universität zu Sofia, bitte ich Sie, mir zu gestatten, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um Ihnen die herzlichsten Grüße und aufrichtigsten Wünsche des Präsidiums unserer Akademie und der Universität sowie des gesamten Kollektivs der bulgarischen Archäologen und Altertumsforscher zu übermitteln. Gleichzeitig möchten wir hiermit unsere Zuversicht für weitere gute Erfolge der deutschen Altertumswissenschaft zum Ausdruck bringen. Wir bulgarischen Archäologen und Altertumsforscher verfolgen mit regem Interesse Ihre weite wissenschaftliche Forschungsarbeit auf allen Gebieten der Altertumskunde und schätzen die wissenschaftlichen Werke unserer deutschen Kollegen hoch ein, die sich als ein bemerkenswerter Beitrag für die Schatzkammer der Wissenschaft überhaupt erweisen. Die deutsche und bulgarische Altertumswissenschaft sind eng verbunden durch die gemeinsamen Probleme, die ihnen zur Lösung aufgegeben sind und die bedingt werden durch das gemeinsame Ziel unserer beiden Völker, die einen neuen Weg, den Weg des Sozialismus beschreiten. Diese gemeinsamen Aufgaben werden wir nur dann bewältigen können, wenn wir unsere Bemühungen und Kräfte vereinigen und sie an die Bemühungen der Gelehrten der Sowjetunion und der anderen nahen oder entfernten Länder anschließen. In dieser Hinsicht erhält die gegenwärtige Tagung anläßlich der Gründung des neuen Instituts für griechisch-römische Altertumskunde an der Deutschen Akademie der Wissenschaften eine besondere Bedeutung. Sie wird nicht nur, wie es aus dem Programm ersichtlich ist, zeigen, wie weit die deutsche Wissenschaft gelangt ist, und zweifellos einen günstigen Einfluß auf ihre Weiterentwicklung ausüben, sondern die gegenwärtige Tagung wird auch die Möglichkeit schaffen, die gemeinsamen Probleme zu verzeichnen, welche die Geschichte des griechisch-römischen Altertums betreffen, und den Weg zu weisen, auf dem sich unsere gemeinsame Arbeit in der Zukunft bewerkstelligen wird. Der Erfolg in dieser Hinsicht ist zweifellos, da die

Begrüßungsansprachen

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bulgarische und deutsche Altertumswissenschaft schon auf den Grundlagen der marxistisch-leninistischen Methodik aufgebaut sind. Es lebe und gedeihe -die deutsche Altertumswissenschaft! Es lebe die Freundschaft der deutschen und bulgarischen Archäologen und Altertumsforscher, die mit ihren Entdeckungen und Errungenschaften ihren Beitrag zum Kampfe der fortschrittlichen Menschheit, mit der Sowjetunion an der Spitze, für Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern der ganzen Welt liefern!

TSCHEN Y ü



Leiter der Delegation der Chinesischen Akademie der Wissenschaften Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zuerst im Namen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften einige Geschenke zu überreichen. Mit diesen bescheidenen Geschenken möchten wir die Gründung des Instituts für griechisch-römische Altertumskunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften herzlich beglückwünschen und die Hochachtung der chinesischen Wissenschaftler für die kulturelle und wissenschaftliche Tradition des deutschen Volkes und für die deutschen Wissenschaften zum Ausdruck bringen. Diese Geschenke umfassen unter anderem: Werke von chinesischen marxistischen Geschichtswissenschaftlern über die chinesische Geschichte, Geistesgeschichte, Geschichte der einzelnen Dynastien und über die Erforschung spezieller Themen; einiges wertvolles Material über die alte und neue chinesische Geschichte; archäologische Berichte, paläographische Forschungen, Abbildungen der chinesischen Skulptur und Malerei, sowie einige Zeitschriften aus dem Gebiet der Geschichte, der Philosophie und Archäologie. In China gibt es ein Sprichwort, es lautet: „Die Geschenke sind zwar wenig, jedoch ihre Bedeutung ist groß." Deshalb bitte ich die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, unsere Geschenke, die zwar sehr wenig sind, jedoch unsere tiefe Freundschaft ausdrücken, entgegenzunehmen.

Der Weg des Horaz zu den Göttern WERNER

HARTKE

Kaiser Augustus hat in seinem Leistungsbericht der Welt mitgeteilt, er habe in seinem 6. Konsulat, d. h. im Jahre 28, auf Grund eines Beschlusses des römischen Senats 82 Göttertempel wiederhergestellt. Die Restauration der zusammengefallenen oder durch Brandkatastrophen vernichteten Bauwerke hat damals weithin Aufsehen erregt. Der Prinzeps, der in anderer Hinsicht negativ erklärte, nichts nagä rä naxQia e&t], gegen die mores maiorum tun zu wollen, verband damit Maßnahmen, die die wiederhergestellten Tempel auch mit dem alten religiösen Leben füllen sollten. Er setzte neue Priester ein und erhöhte ihre gesellschaftliche Stellung. Alte allmählich in Abgang geratene Kulte und Riten hat der Kaiser wieder eingeführt, so die unbestritten zum ersten Male im 3. Jh. gefeierten ludi saeculares, die Jahrhundertfeiern, und das am 13. Februar zu veranstaltende Fest der Lupercalia, eines in die älteste Zeit der Stadt hineinreichenden Abwehr- und Segensritus. Augustus hat sich hierbei keineswegs nur restaurativ verhalten; er änderte Einzelheiten der Tradition durchaus ab. Neben die Unterweltsgottheiten der alten Saekularspiele setzte er z. B. andere Göttergestalten, die zu seinen Absichten für die neue gesellschaftliche Ordnung Roms Beziehungen hatten, vor allem den Apollo. Die Verehrung dieses Gottes und seiner göttlichen Schwester Diana war seit Aktium und seit der Weihung des Tempels auf dem Palatin im Jahre 28 mit dem Kaiserhause auch offiziell eng Verbunden. Dem Fortschritt der Gesittung trug er klug Rechnung, wenn er die Teilnahme an den urtümlich lasciven Riten für die Jugend einschränkenden Bestimmungen unterwarf. Auf der anderen Seite konnte man nicht die alten Kulte, um deren Erhaltung es ging, völlig entleeren. Wollte man den flamen Dialis, der auch bei den Lupercalia mitzuwirken hatte, behalten, mußte man ihm die Einhaltung der alten komplizierten Sakralordnung schon zumuten, die den Priester als Person, mit seinem Hause, seinen Angehörigen Tag und Nacht beanspruchte. Da gab es Kleiderordnungen für den Priester und seine Gattin, die Vorschrift, daß er am Feiertage nicht einmal sehen darf, wie ein anderer arbeitet, daß er von bestimmten Dingen wie der Ziege, der Bohne, dem Efeu nicht einmal sprechen darf u. a. m. Die sechs Vestalinnen, die in der religiösen Ideologie als Hüter des heiligen Zentralfeuers im ältesten Tempel der Stadt, dem Rundtempel der Vesta, eine besonders

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wichtige Rolle spielten, mußten schon im Alter von 6—10 Jahren in das Priestertum eintreten und ihm 30 Jahre angehören. Sie unterlagen in dieser Zeit dem Keuschheitsgebot und einer strengen Klausur in dem ihnen zugewiesenen Amtsgebäude. Ihr Tag und Nacht andauernder Dienst im Tempel war gewiß auch physisch anstrengend. Augustus übersah diese Schwierigkeiten nicht. Er vermehrte die Privilegien, die seit alters auf diesen priesterlichen Funktionen lagen. Der Abneigung der oberen Kreise der römischen Gesellschaft, die ihnen der Ordnung nach zukommenden Bindungen zu übernehmen, trat er mit dem Einsatz seiner Person und Familie entgegen; er verpflichtete sich etwa, auch weibliche Angehörige seines Hauses im entsprechenden Alter Vestalin werden zu lassen. Der Kaiser hat sich seine religiösen Maßnahmen erhebliche Mittel kosten lassen. Er nennt selbst einmal für fünf Tempel in Rom — neben Jupiter sind es die Schutzgötter des Kaiserhauses — die Summe von 100 Millionen allein an Geschenken. Diese Maßnahmen waren ihm also jedenfalls ein wichtiger Bestandteil seiner gesamten Politik. Neben dieser gemäßigten Restauration begegnen in der Epoche des Augustus aber auch für Rom und Italien ganz neue religiöse Elemente. Der Leistungsbericht des Kaisers geht nur am Rande darauf ein, wenn er einige Male Anordnungen über die im Jahre 29 geweihte aedes divi Iuli erwähnte. Der Beiname des Vergöttlichten, der wohl im Jahre 42 staatsrechtlich festgelegt wurde, weist auf das heikle Eindringen von Vorstellungen eines Persönlichkeitskultus. Dieser Persönlichkeitskultus hatte sich bereits im Osten der alten Welt entwickelt, als die hellenische Gesellschaft in einem bestimmten Entwicklungszustand mit den despotischen Gesellschaftsordnungen des Orients zusammentraf. Die antike Welt um das Mittelmeer ist gekennzeichnet durch die große Verschiedenheit des gesellschaftlichen Entwicklungszustandes der einzelnen Gebiete, und es ist eine interessante Frage, wie man sich die Auswirkung solcher Unterschiede auf die Geschichte vorzustellen hat. Die Frage, ob die im Osten unter bestimmten Bedingungen entstandene Form des Persönlichkeitskultus um die Mitte des letzten Jahrhunderts der römischen Republik zum damaligen Zustand der römischen Gesellschaft bereits paßte, diese Frage hat die Geschichte Caesars, des Dictators, verneint. Das wußte Augustus, er wußte gewiß aber auch, daß man hier nicht mehr zu den alten römischen Vorstellungen allein zurückkehren konnte. Cicero wechselte im Jahre 45 mit seinem intimen Freunde und Ratgeber Atticus mehrere Briefe, als er in tiefer Erschütterung über den Tod der geliebten Tochter Tullia, wie er schreibt, sig an.o&ecoaiv ein Heiligtum, kein gewöhnliches Grabmal zu errichten strebte, um ihr bei der Nachwelt religio zu sichern. Cicero hat in diesem allerdings besonderen Augenblick der Toten in gewissem Sinne ein Überleben zugebilligt, er, der sonst, auch im Jahre 45, sich dem Tode gegenüber durchaus agnostizistisch,

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der Apotheose gegenüber, wenn sie politischen Anstrich erhält, scharf ablehnend einstellt. Augustus waren sicher solche psychischen Schwankungen in den oberen Schichten der römischen Gesellschaft bebannt, sicher sah der Kaiser auch nach seinen und seiner Standesgenossen Erfahrungen, die sie in den östlichen Gebieten des Reiches machen konnten, die großen Möglichkeiten, die Person des Prinzeps, seine Familie und das ganze System der neuen Ordnung mit der Gesellschaft fest zu verbinden. Wie uns die überlieferten Nachrichten zeigen, hat sich Augustus im Rahmen seiner großen Neuordnung auch mit diesen neuen religiösen Problemen eingehend und entschieden beschäftigt. Im Osten verehrt er zwar Alexanders Leichnam, aber von den hellenistischen Ptolemäern wendet er sich mit wirksamer Formulierung ab: Einen König will ich sehen, keine Toten! östlichen Gebieten konzediert er, daß sie ihm, dem Lebenden, Tempel errichten; für Römer, die in diesem Gebiete leben, gibt es aber schon Einschränkungen. Und in Rom selbst findet Augustus ganz neue Formen: Neben dem Divus Julius läßt er die Gottheiten des Juliergeschlechts Venus und Mars, später auch Apollo verehren als seinen eigenen Schutzgott. Der herrliche Bau des Apollotempels mit seiner Bibliothek oben auf dem Palatin, der am 24. Oktober 28 geweiht wurde, hat sicher die Gemüter der Römer mächtig bewegt, ebenso wie das im Jahre 13 errichtete Bauwerk des Altares der Pax Augusti. Die Verehrung des Kaisers und seiner Bedeutung für Staat und Gesellschaft im Bilde solcher Abstraktionen gehörte auch zu diesen neuen religiösen Formen. Ich erinnere an die religiösen Assoziationen, die mit dem Beinamen Augustus verknüpft waren. Sehr nahe an die Vergottung des Kaisers heran führt schließlich die Bestimmung, die etwa im Jahre 14/13 getroffen wurde, von den Hausgöttern des Kaisers, Genius, Vesta, Penaten und Laren, den Genius Augusti in den Staatskult und die Eidesformel aufzunehmen. Auf den Münzen trug der Genius Augusti nun jedenfalls die Züge des Kaisers wie nach einer Nachricht früher der Apollo vom Tempel auf dem Palatin. Augustus hat sich mit diesen zahlreichen Problemen des religiösen Kultus sicher nicht um ihrer selbst willen so genau beschäftigt. Sie waren wichtige Teile aller Pläne, die er für die neue Ordnung des Reiches faßte und verwirklichte. Das politische System, das Augustus anstrebte, lief, abgesehen von persönlichen Und familiären Interessen, auf einen Kompromiß zwischen den verschiedenen Gruppen der römischen Gesellschaft und der Gesellschaft der Reichsgebiete hinaus. Die Widersprüche zwischen diesen Gruppen waren im Laufe des letzten Jahrhunderts vor Chr. so stark geworden, daß die Existenz der Gesellschaft der Alten Welt ernsthaft von innen und von außen bedroht wurde. Ein Hauptwiderspruch war folgende Tatsache: Nach dem Ende der Königszeit mit ihren gentilen Ordnungen und der Abschüttelung der hemmenden etruskischen Fremdherrschaft hatten sich in der Stadt Rom 3

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für die neue Gesellschaftsordnung neue staatliche, rechtliche usw. Formen gebildet. Aber die im Verhältnis zur griechischen Welt des 5. Jahrhunderts ganz unentwickelte römisch-italische Region durchlief unter dem fördernden Einfluß griechischer Nachbarn nun eine Periode reißender, geradezu sprunghafter Entwicklung auf allen Gebieten. Schließlich waren die griechischen Lehrmeister eingeholt. Ich denke, man müßte diese Probleme einmal unter den Gesichtspunkten betrachten, die sich uns in der Gegenwart aus der Wirkung hochkapitalistischer oder gar sozialistischer Gesellschaften auf Gebiete mit noch feudaler Ordnung ergeben haben und ergeben, vor allem nach ihrer Emanzipation. Jedenfalls überholte die Entwicklung der römischen Gesellschaft, ihre wirtschaftliche und politische Expansion, sehr bald die stadtrömischen Formen. Um die Anpassung dieser alten Formen an die neue Realität ging es. Das war freilich ein kompliziertes Problem. Wie weit war etwa die herrschende stadtrömisch-italische Gruppe bereits dazu reif, auf ihre aus der Stadtrepublik herrührenden Vorrechte zugunsten eines einzelnen zu verzichten oder sie mit entsprechenden Gruppen aus den entwickelten Provinzen des Reiches zu teilen! Dieser Punkt war um das Jahr 45 noch nicht erreicht, argwöhnisch achtete man vielmehr darauf, wo immer Programme, die solche Absicht erkennen ließen, in irgendeiner Form auftauchten. Ein Programm dieser Art hätte man damals z. B. dadurch veröffentlichen können, daß man das Porträt eines Mannes im Habit des hellenistischen Gottkönigs, der über alle anderen Menschen weit erhaben war, auf Münzen aus recht kostbarem Metall prägte. Der Numismatiker kennt solche Regierungsprogramme auf den Münzen. Jeder Angehörige der herrschenden römischen Gruppen las also aus den Maßnahmen des Augustus ab, welches seine Absichten ihnen gegenüber waren, daß jedenfalls keine ganz grundlegenden Änderungen der gesellschaftlichen Ordnung auf seinem Programm standen. Ja, gerade die religiösen Maßnahmen, die Wiederherstellung des alten Kultes mußte für die Zukunft besonders überzeugend wirken. Hob der Kaiser doch gerade dadurch das Moment der Dauer, der Ewigkeit hervor, das den religiösen Vorstellungen an sich schon anhaftete. Auch Cicero wollte durch die Apotheose Tullias erreichen ut posteritas habeat religionem. Augustus hat vor der Geschichte im Endergebnis einen vollen Erfolg gehabt. Vorübergehend war die bestehende Ordnung im Innern, vor allem auch gegenüber den Massen der eigentlichen Produzenten in den Provinzen und der Klasse der Unfreien, und nach außen gegen die feindlichen Angriffe gesichert worden. Bis ans Ende des 5. nachchristlichen Jahrhunderts liefen die Luperci in Rom ihren Umlauf. Der Papst eiferte gegen die vom Standpunkt der Kirche aus unsittlich erscheinenden Bräuche und setzte schließlich auf den Tag ihres Festes ein Fest der Maria. Aber, was wichtiger ist als solche Einzelheiten, Augustus hoffte nach seinen eigenen Worten, die Fun-

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damente der staatlich-religiösen Ordnung, die er als pontifex und princeps gelegt hat, würden dauern. Diese Hoffnung hat in gewissem Umfang bis in unsere Gegenwart hinein nicht getäuscht. Die Wirkung einer ordnenden Tatkraft solchen Maßes, die ihre Spontaneität zugleich doch unterordnete den notwendigen Forderungen der realen menschlichen Verhältnisse, solche Wirkung auf die Zeitgenossen ist kaum abzuschätzen. Wir lesen diese Wirkung aus der Literatur ab, besonders der Literatur derjenigen Epoche, die das Werden des Prinzipats erlebte. Mit der Einkehr verhältnismäßig widerspruchsfreier gesellschaftlicher Verhältnisse und einer friedlichen Ordnung blühten die Künste allgemein auf. Der unmittelbare Eindruck der Aktionen des Prinzeps auf die Künstler war verschieden. Manche entzogen sich ihm fast ganz wie Asinius Pollio und Tibull, andere wie Ovid aus der schon etwas jüngeren Generation betrachteten ihn mit kühlerem Rationalismus. Nun, des mächtigen Herrn Haus hatte viele Kammern, und warum er Ovid in eine der entferntesten davon verbannte, wir wissen es nicht genau genug. Andere ergaben sich dem Kaiser williger, Properz, Vergil, Livius und Horaz. Bei den drei Dichtern erlaubt es die Gunst des Philologenschicksals, die Schritte der Annäherung zu verfolgen. Wenn sich auch die drei im Stande einer gewissen Abhängigkeit von den großen Männern Roms befanden, wenn diese Großen auch als Auftraggeber für die Kunst auftraten, so blieb die Art und Weise der Annäherung Sache einer freien Wahl und inneren Sympathie. Aber doch unterlagen alle vier, jeder in seiner Art, dem Phänomen Augustus und haben durch ihre Kunst schließlich den Zielen des Kaisers gedient. Durch alle Verschiedenheit der Literaturgattungen und der Individualität hindurch schimmert darum das politisch-religiöse Anliegen der Zeit. In den letzten drei Jahrzehnten hat die Forschung diese Zusammenhänge zunächst bei Vergil entscheidend geklärt, dann folgte Livius. Properz wird von den Philologen seit längerer Zeit noch nicht wieder frequentiert. Seit 20 Jahren ist aber Horaz in den Vordergrund getreten. Die Forschung hat versucht, in dem Werk des Horaz aus der Vielfalt von Themen und Bezügen die Einheit zu ermitteln. In den Gedichten der frühen und mittleren Periode von 42—23 fand man sie in dem Formwillen, der edles menschliches Maß durch Lehre und als eigene Form geistigen Daseins verwirklichen will. Diese Deutung endet mit der Odendichtung. Sie läßt unbeachtet die überraschende Rückkehr zu älteren Formen und Themen der Dichtung in den Plaudereien der Briefe bis zum Jahre 20 und die ebenso überraschende Wiederaufnahme der Odendichtung nach dem kaiserlichen Auftrag für das Festlied der Saecularspiele vom Jahre 17. Unbeachtet bleibt die Labilität, die in den Briefen zutage tritt: 1, 1, 97ff.: „Wie? wenn nur im Kampfe steht mit sich selbst das Herz, was es gesucht, wegwirft, zurückholt, was es eben verwarf, wogt, in seiner 3«

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ganzen Lebensführung unharmonisch ist, einreißt, aufbaut, Viereckiges mit Rundem tauscht, wie das Sprichwort geht, so hältst du (gemeint ist des Dichters Schutzherr Maecenas) mich für einen Narren und findest nichts Lächerliches darin und schickst mich nicht zum Arzt usw." und besonders 1, 8, 4: Ich lebe nicht wohl und nicht vergnügt, und zwar nur aus dem Grunde (v. 7 ff.), „weil ich krank am Geiste, obwohl körperlich mir nichts fehlt; nichts anhören will ich noch erfahren, was lindert die Krankheit. Ich ärgere mich über gutmeinende Ärzte, zürne den Freunden. Warum eilen sie so, mich der ertötenden Indolenz zu entziehen. Ich will suchen, was mir geschadet hat, will fliehen, was ich glauben würde, daß es nütze. Unstet sehne ich mich in Rom nach Tivoli, in Tivoli wieder nach Rom." Diese seelische Labilität und Brüchigkeit möchte mir an Horaz wesentlicher erscheinen als die Harmonie des Maßes, die man zu finden glaubte. Der junge Horaz war auf der Hochschule in Athen von Brutus, dem Cäsarmörder, für das republikanische Heer geworben worden. Als Tribun nimmt er an der unglücklichen Schlacht von Philippi teil. Die Katastrophe bringt auch ihn um sein Vermögen, wenn er auch für seine Person amnestiert wird und nach Italien in den Machtbereich des Oktavian zurückkehren darf. Aber dort in Italien herrschen wüste Zustände. Da schreibt Horaz etwa als sein erstes Gedicht den Iambus 16: „Schon die zweite Generation verzehrt sich im Bürgerkrieg und Roma von eigener Kraft selbst bewältigt sinkt," Rom, das so viele Gegner überwältigte. Bald werden die Barbaren in den Straßen stehen! Und es folgt der Ratschlag: Wie die Phokäer wollen wir gehen, wohin die Füße uns tragen, wohin übers Meer die Winde uns rufen und schwören, nie zurückzukehren, sondern zu bleiben auf den Inseln der Seligen, wo alle Not ein Ende hat. Wie man gesehen hat, stellt Horaz bei der Herausgabe der Iamben dieses Gedicht an exponierte Stelle. Drei Jahre später schreibt er in neuen literarischen Formen die Ode 3, 3, von dem „gerechten und an seinem Ziel festhaltendem Manne": si fractus inlabatur Orbis, inpavidum ferient ruinae. Wenn geborsten der Erdkreis einstürzt, treffen die Trümmer einen Unerschrockenen. Da läßt Horaz pindarisierend Juno eine Rede halten, die vom Berufe Roms handelt, die Weltordnung und gottgewollten Grenzen zu wahren. Hineingelegt ist eine Andeutung der einstmaligen Absicht Caesars, Rom zu verlassen und die Hauptstadt nach Alexandria oder Troia zu verlegen. Sie wird jetzt abgelehnt. Zwischen dem Jahre 41 und 27 liegen entscheidende Ereignisse, vor allem die Schlacht bei Aktium und der Untergang des Antonius. Ein politisches

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Gedicht aus 41 mußte anders aussehen als ein gleiches aus 27. Aber daß Horaz nach Aktium noch bei der Herausgabe den pessimistischen Jambos hervorhob, zu einer Zeit, als er den Zyklus der augusteischen Römeroden, in den die Ode 3, 3 schließlich gehörte, begann, auch das zeigt nur, daß Horaz die Wechselhaftigkeit seiner Stimmungen, die Widersprüchlichkeit durchaus nicht verbarg. Glücklicherweise stehe ich mit dieser Ansicht nicht ganz allein gegen eine Front ausgezeichneter Philologen. LOTHAB WICKERT veröffentlichte 1947

einen Aufsatz über Horaz und Augustus1). Da werden weiter Beispiele herangetragen für die Brüche in der Welt des Horaz, Mir kommt es darauf an, wahrscheinlich zu machen, daß ein Stimmungen zugänglicher, geselliger Mensch wie Horaz — nicht gesund und an Magen und Augen leidend, begabt, wie es Goethe etwa beurteilt, mit einem brutalen Realismus - augenblicklichen Impressionen um so mehr verfällt, je mehr kräftig sie treffen. Diesen Menschen Horaz stellen wir uns in der Nähe einer so mächtig kraftvollen Person wie Augustus vor, er nimmt das Erlebnis der Maßnahmen des Prinzeps auf dem religiösen und politischen Gebiet in sich auf. Wir dürfen so auch eine Reaktion in einem Bereich erwarten, der für das Verständnis des Dichters von großer Bedeutung ist, in den religiösen Vorstellungen. Auch ihr Bild will bisher nicht recht in das Schema derer hineinpassen, die nach der Einheit im Werke des Horaz suchen. So warnt man davor, die Hin- oder Abwendung zu den Göttern biographisch zu deuten und beruft sich auf die Dichtart, die den Dichter mit „bestimmten Bereichen der Wirklichkeit in Beziehung" setzt. 2 ) Allerdings die Wahl der Dichtart mit ihren neuen Beziehungen hänge doch eben von dem verwandelten Dasein des Dichters ab. Nicht ganz weit entfernt steht solche Meinung von der Behauptung, Horaz sei irreligiös gewesen. Religiöse Themen gehörten zur Gattung, die Horaz einführen wollte, darum fänden sich in den Oden Lieder in Gebetform an die Leier und die Weinamphore. D i e 1929 ausgesprochene Forderung RICHARD HEINZES, die Religiosität

des Horaz zu untersuchen, beginnt sich zu erfüllen. Vor wenigen Wochen lag mir ein Aufsatzmanuskript HANSLIKS über dieses Thema vor, das in der Zeitschrift ,Das Altertum' erscheinen wird.3) Auch HANSLIK stellt fest, daß Horaz' Äußerungen über sich selbst in diesen weltanschaulichen Dingen nicht einheitlich sind. Ich will hier nun kühl und ohne jeden mystischen Hintersinn, an den Assoziationen aus der Formulierung des Themas ungewollt denken lassen könnten, die Bewegungen des Horaz zu den Göttern hin und von ihnen weg 1

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F . KLING NEE,

Horaz und Augustus, Würzb. Jahrb. 1947, 158 ff. Römische Geisteswelt 2 , Wiesbaden o. J . , 2 6 0 . 3 Der Aufsatz von R. H A N S L I K , Die Religiosität des Horaz, wurde in 'Das Altertum' 1 (1955) 230ff. veröffentlicht. Dort auch weitere Literatur angaben. WICKEBT,

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betrachten im Zusammenhang mit seinen persönlichen Dispositionen und den Verhältnissen seiner Umwelt. Die religiösen Vorstellungen des Horaz leiten sich aus drei Quellen her: 1. Horaz hat in seiner Jugend einen religiösen Einfluß erfahren. In der ansehnlichen Landstadt Venusia mit ihrer bäuerlichen Bevölkerung, wo ihm der Vater die Lebensregeln more maiorum lehrte, mag er manche volkstümliche Begehung gesehen haben, wie er auch später darauf achtete. Man sieht, wie Horaz auf der Reise nach Brundisium s. 1, 5 in Tarracina und Gnatia auf allerdings weitbekannte Stätten alter Bräuche einen Blick wirft. Die Satire vom Bauern Ofellus 2, 2 gibt Gelegenheit, im Vorübergehen von einem Ceresopfer unteritalischer Bauern zu sprechen. An anderer Stelle bezieht sich Horaz wohl auf ein örtliches Junofest in Falerii (s. 1, 3, 10), auf den Jahweglauben und Riten der Juden, Aberglauben an den compita, den Wegkapellen. Mercurius und Hercules erscheinen, hier noch unbelastet als Patrone bestimmter einfacher Menschengruppen, Laverna, die Diebsgöttin, Nox und Diana, die Zaubergehilfinnen, und der dreiste Priapus. Selbst auf höherer literarischer Ebene Ode 3, 18 ist Faunus in einem allerdings sehr beziehungsreichen Gedicht, das Horaz für sein eigenes Landgut geschrieben hat, noch die einfache Gottheit der Bauern, und die im übrigen nach dem Vorbild des Bakchylides erzählende Ode 3, 27 beginnt mit volkstümlichen Motiven des augurium privatum, wie es auf dem Lande gehalten wird. In Ode 2, 7, 17, der Ode, die an die Errettung aus den Gefahren der Schlacht von Philippi erinnert, zitiert der Dichter das Speiseopfer an Jupiter zu Beginn der Frühjahrsbestellung. 2. Horaz beschäftigte sich in Athen mit der Philosophie Piatons, wie sie Antiochos von Askalon vertrat. Die Lehren dieser Schule standen durchaus positiv zur Religion. In volle Verzweiflung stürzten den Horaz aber die Erlebnisse von 42. In dem 7. Jambus werden die acerba fata Roms auf das sakrale Vergehen des Brudermordes zurückgeführt, den Romulus begangen hatte. Die heillose Verdammnis führte Horaz damals zu Epikur. 3. In den frühen Gedichten, den Satiren und Jamben, erscheinen die Götter und religiösen Themen in volkstümlicher Formulierung oder als traditionelle Formeln, die Vorgängern entlehnt sind. Daneben stehen epikureische Sätze, die die Götter aus der Welt verbannen. Ein merkwürdiger Kontrast findet sich in der zeitlich unbestimmten Sat. 2, 2. Da trägt der Bauer Ofellus über Diät, über tenuis victus vor. Dieser Vortrag harmoniert aufs beste mit der epikureischen Polemik gegen magnificentia et sumptus epularum. Nun aber empfiehlt Horaz demjenigen, der so reich ist, daß er glaubt unbesorgt schlemmen zu dürfen, er möge seinen Überfluß in würdigerer Weise anwenden: Warum darbt unverdient jemand, du Reicher da? Warum stürzen zusammen die alten Tempel der Götter? Warum gönnst du der Heimat nicht ein wenig vom unendlichen

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Haufen? Die Verpflichtung zur Wohltätigkeit lehrt auch wieder Epikur, aber er denkt da nur an den Nächsten. Andere griechische Vorbilder ziehen den Kreis ebensoweit wie Horaz: Freunde, Götter, Staat sind zu bedenken. Solche Munifizenz gegen den Staat gehört zu den Pflichten des reichen Herren. Dieser Gedanke an die Sorge um die Götter in epikureischer Umgebung ist der eine Pfeiler, der die Brücke stützt, die zu einer neuen Auffassung in neuer Umgebung und in anderer Form hinüberführt. Die letzte, aber früheste, wohl 30 erschienene der Römeroden4) beginnt: „Der Ahnen Frevel büßest du, schuldlos selbst, Bis, Römer, neu die Tempel du hergestellt, Der Götter altersmorsche Häuser, Ihre vom Rauche geschwärzten Bilder, dis te minorem quod geris, imperas. Weil du dich beugst den Göttern, gebietest du. Da liegt der Anfang, da auch das Ende stets. Viel Leid verhängten sie, mißachtet, Über Hesperien, das drob trauert". (Übersetzung

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Die Zeile, die ich lateinisch zitierte, enthält die religiöse Formel, die das besondere Wesen der augusteischen Ordnung ausdrückt. Hier haben wir einen Übergang gefunden, der den Horaz zu den Göttern führte. Aber was trieb ihn dazu an? Ich denke, wir können uns das von einer der spätesten aus dem Spätherbst 31 stammenden Satiren sagen lassen und deren Analogen in den Oden: Sat. 2, 6 behandelt das Verhältnis zu Maecenas, mit dem der seit Philippi in knappen Verhältnissen lebende Horaz etwa im J. 38 bekannt gemacht wurde. Etwa im J. 33 erhielt Horaz von ihm das berühmte Landgut Sabinum. Das Entzücken über dieses Geschenk hört man immer wieder in den Gedichten, die zeitlich nach diesem Jahr liegen. In s. 2, 6 klingt der Dank — aber nicht der Name des Maecenas fällt, obwohl Horaz ihn später als den Spender durchaus preist. Die Satire beginnt mit einem Gebet an den Schutzpatron Merkur. Natürlich wußte jeder, wer der Schenker des Gutes war: Der patronus war in Wahrheit Maecenas. Von hier ist der Übergang zur Odendichtung zu gewinnen. Ode 1, 17 führt uns wieder in die Umgebung des Gutes. Das ist jetzt der Bezirk des Faunus und Pan; leise Ironie hat man hier gespürt, wenn die Ziegen „des böse 4 F. D O B N S E I F F , Verschmähtes zuVergil, Horaz und Properz, Berichte über d. Vhdlgn. d. Sachs. Ak. d. Wissenschaften zu Leipzig 97, 6 (1951) 82ff. datiert c. 3,6 auf 27 oder 26, denn es könne „Begleitliteratur" zu dem Edikt von 28 über die Wiederherstellung der Tempel sein. Die Analogie (Augusteische Epoche-Faschismus), mit der diese Möglichkeit begründet werden soll, ist in diesem Falle ein durchaus falscher Modernismus. Ich vermag auch nicht zu sehen, daß die Kultgedichte in c. 3 geradezu „oppositionell gegen die staatlichen Kulte" gehalten sind.

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riechenden Gatten Frauen" genannt sind. Geborgenheit vor allem spürt der Dichter durch die K r a f t des Gottes, die lateinischen Worte defendit, tutum, nec metuunt heben es dreifach hervor. Alle drohenden Begriffe dienen nur als Relief: „Die Götter behüten mich, den Göttern liegt mein frommer Sinn und meine Muse am Herzen". In der Ode 3, 4 aus dem Jahre 28/27, dem Musengedicht, wird in weiter gespanntem Rahmen der Dank für das Sabinum auf die Musen übertragen, die zugleich dem Dichter Bewahrer und Förderer seiner Kunst sind. Zwar nennt Ode 3, 4 später nur den Augustus, aber dem Dichter mag vorgeschwebt haben, wie KLINGNER ausführte, daß die Gabe der Musen nicht nur Ordnung im Kunstwerk gewährt, sondern auch im Leben eine Schutzzone um den Menschen ziehen kann. Dahinter steht das entscheidende Erlebnis, daß Horaz Freunde wie Vergil und Maecenas erwarb. So entwickelt sich vor dem Hintergrund eigener äußerer Widrigkeiten in aller ihrer Unberechenbarkeit die religiöse Vorstellung bei Horaz aus den allgemeinen religiösen Maßnahmen der Zeit des Augustus und noch wesentlicher und zeitlich früher aus dem Schutzpatronat des Maecenas, dem Horaz das Sabinum vor allem verdankte. So wie Augustus die ihm geltende Verehrung von sich ab auf andere Gottesvorstellungen überleitete, so treten bei Horaz stellvertretend für Maecenas ein Merkur, Faunus und die Musen. Die gesamte erste Periode der Odendichtung bis zum Jahre 23 und die zweite Periode hindurch herrschen bei Horaz die Götter, teils in altbackener Art, teils erweitert durch stoische Vorstellungen, die dem Heroenkult nicht entgegenstanden. Warum fällt Horaz in der Zeit des ersten Epistelbuches 23—20 wieder ab ? Der Dichter sagt dazu selbst einiges in der letzten Ode vor dem Übergang zu den Episteln 3, 29. Man setzt die Ode, weil auf eine verantwortungsvolle Funktion des Maecenas angespielt wird, in die Jahre Jahre 26/25, während Augustus in Spanien war. Zwingend kann man das aber nicht beweisen. Im zweiten Teil gibt das Gedicht eine Art Glaubensbekenntnis des Dichters über seine Stellung zu Welt, Gott und Mensch, wie es dann die Episteln zeigen. Dieser Teil zeigt temperierten Epikureismus, aber Stoisches klingt an, wie v. 55, virtute me involvo, die Idee des %ixo)V rfjc aQSTfjQ. Zu beachten ist demgegenüber v. 49 Fortuna saevolaeta negotio, 43 vixi: Ich habe das Leben genossen. Die Ode ist als Vorbereitung des Epistelbuches ein Appell, der Politik Valet zu sagen. Ähnlich spricht Horaz in der 1. Epistel des 1. Buches: aetas und mens wollen nicht mehr die alte Form. Ich will mich freihalten, bald mit der Stoa tätig sein und mich dem Staat widmen, bald mit Aristipp mir die Welt, nicht mich der Welt unterordnen. Mihi res non me rebus subiungere conor. Ich bin aber indisponiert, das auch zu tun, was allen gleichermaßen nutzt.

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Wir finden schon in diesen Worten jene unentschlossene Labilität, von der wir gesprochen haben. Mir scheint Horaz in den beiden zitierten Gedichten vor allem auf eine politisch bedingte Unlust anzuspielen. Augustus wird in den Episteln auch nicht mehr angeredet. Augustus hatte aber über dem Tore gestanden, durch das Horaz zu den Göttern geschritten war. Augustus, das hatte aber damals bedeutet: Der tatkräftige, erfolgreiche Ordner der Welt. Wie stand es damit im Jahre 23 ? Ich gebe tabellarisch eine Übersicht: 23 Sehr schwere Erkrankung des Augustus, der den Tod erwarten zu müssen glaubt; eine daraus urplötzlich entstandene kritische Lage zwingt zur Absetzung des einen ordentlichen Consuls Terentius Licinius Murena, mit dem Horaz bekannt war. Teuerung und Seuche in Italien. Tod des Marcellus, des präsumptiven Nachfolgers des Kaisers. 22 Ernste Verschwörung des Murena und Fannius; ihre Hinrichtung 5 ). Teuerimg und Seuche. Drohungen der Massen zwingen Senat zum Angebot der Diktatur; Augustus lehnt ab. 21 Schwere Wahlunruhen in Rom. 20 I m Zeichen unblutiger außenpolitischer Erfolge im Osten sorgt Agrippa in Rom für Ruhe, aber als er sich nach Gallien und Spanien begeben muß, kommt es 19 zu neuen Krawallen und der gefährlichen Verschwörung des Egnatius Rufus. 18 Augustus greift durch einige wichtige Gesetze und neue Konstituierung des Senats in die immer noch gespannte Lage mit ordnender Hand ein. 17 Augustus kann die Säkularfeier als Zeichen des glücklichen Friedens begehen lassen. Es dauert von da an wieder eine ungestörte Stabilität des Prinzipats. Wie mit einem Donnerschlag aus heiterem Himmel offenbarte sich im Jahre 23/2 eine tiefe Krise des Systems der augusteischen Ordnung. Ja, auch die zweite Säule, auf der die eigene Lebensordnung des Horaz beruhte, Maecenas, war getroffen; war doch Murena eben im Jahre 23 der Schwager des Maecenas geworden. Hatten doch die Ereignisse auch zu einer Verstimmung zwischen dem Kaiser und Maecenas geführt, weil letzterer das Staatsgeheimnis der aufgedeckten Verschwörung seiner Gemahlin erzählt hatte. Wie entsetzt der sensible Horaz über diese Desillusionierung seiner Vorstellungen von gesellschaftlicher Geborgenheit war — das zeigt der Übergang von dem selbstsicheren „Denkmal, ewiger als E r z " der drei ersten 6 R. H a n s l i k , Rh. Mus. 96 (1953) 282ff., hat die Chronologie der Murenaverschwörung untersucht. Seine Lösung habe ich angenommen. Meine Untersuchung der Nachwirkung des Ereignisses auf Horaz stützt seine Darlegungen.

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Odenbücher, die er Maecenas gewidmet hatte, auf den schwankenderen Boden des ersten Epistelbuches. Zugleich mußte das ein Abschied von den Göttern sein. Er dauerte genau so lange, wie die Krise dauerte. Darum ließ sich im Jahre 17 Horaz wieder überreden, den Festhymnus für die Götter der Säkularfeier zu dichten. So schließen sich unmittelbar bis zum Jahre 13 an die 15 Oden des 4. Buches, auch sie als Auftrag des Kaisers. In der Gegenwärtigkeit des Kaisers und dem Frieden, den sie garantiert, fühlt sich Horaz jetzt geborgen. So findet er auch wieder den Weg zu den Göttern, den gütigen. Offiziöser ist jetzt allerdings ihre Gestalt,' und sie beginnen sich bei und wohl auch für Horaz mit Augustus zu vereinigen. Der Weg des Horaz zu den Göttern, dem wir nachgegangen sind, hat über das eigentliche Ziel hinaus uns einige interessante Aussichten geöffnet. Die kritische Bedeutung der Periode von 23-17 für die Geschichte des Augustus stellt sich vielleicht jetzt etwas anders dar als bisher. — Das literarische Schaffen des Horaz erscheint nun in einer ähnlichen Abhängigkeit von der Entwicklung der römischen Gesellschaft zu stehen, wie man es bei Vergil schon lange wußte. Vergil hatte vor 29 den Plan gefaßt, in einem Epos die kriegerischen Taten Oktavians bei der Errichtung des Weltreiches zu preisen. Aber nach dem Ende des Bürgerkrieges war von Kriegen nicht mehr die Rede. Ein Reich des Friedens sollte vielmehr begründet sein, das war der Sinn aller Akte des Kaisers bis zu dem symbolischen Bau des berühmten Friedensaltars in Rom im Jahre 13. So wurde aus dem geplanten Epos die Aeneis, in der von Kämpfen des Oktavian nur auf Aktium angespielt ist. — Solche labile Abhängigkeit der Literaten von den jeweiligen historischen Konstellationen findet sich zuerst bei Cicero. Im Gegensatz zu Vergil haben Cicero wie Horaz aber rasch und nervös auf das Schwanken der Zustände reagiert. Schließlich zeigt der Weg des Horaz zu den Göttern das Problem der Religiosität und ihrer Sprache von zwei Seiten: Es ist notwendig, die religiöse Sprache methodisch zu interpretieren. Auch sie spiegelt die Wirklichkeit, wenn sie es ihrem Wesen nach auch nicht exakt kann. Andererseits wären ja exakt eindeutige Formeln, mögen sie auch in einer Gleichung aus drei Buchstaben die Ordnung eines Universums umfassen, für eine ehrwürdige künstlerische Gestaltung unbrauchbar. Würden sie doch der Individualität der Künstler und der Kulturen keinen Raum mehr lassen. Und übrigens war in der Antike die exakte Erkenntnismöglichkeit tatsächlich sehr beschränkt. Horazens Religiosität, die man aus seiner religiösen Sprache erkennen kann, besitzt eine eng gezogene Grenze. Sie braucht nämlich das Klima einer widerspruchsfreien Wohlanständigkeit und gesellschaftlichen Ordnung, einer aristokratischen Illusion. Aber die Wirklichkeit hat vielmehr bedrohliche Spannungen oder fürchterliche menschliche Rätsel gebracht; dem

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auch hierin Horaz sehr ähnlichen Cicero z. B. vor dem Grabe der über alles geliebten Tochter. Angesichts solcher gesellschaftlichen Unsicherheit oder physischen Auflösung hielt diese Religiosität für den Sohn des Freigelassenen Horaz wie den des ritterlichen Tuchfabrikanten Cicero nicht mehr stand. 6 ) So brauchte die Geschichte jetzt eine neue anthropologische Religiosität und religiöse Sprache, gültig auch für iXa%ictxoi aöefapoi, die verkündete: „Er hat unsere Schwachheiten auf sich genommen, und unsere Seuchen hat er getragen"; es mußte das Christentum kommen. 6 Auch ich kann c. 1, 34 v o n dem Blitz aus heiterem Himmel und seiner Wirkung auf den Dichter nicht als historische Schilderung des Anlasses seiner sog. Bekehrung zu den Göttern verstehen. Trotzdem enthält es eine Wahrheit über die Religiosität des Horaz.

Die Behandlung der Perspektive an attischen Reliefs der Parthenonzeit1) CARL BLÜMEL

Um die Wende vom sechsten zum fünften Jahrhundert kämpften die Griechen den großen Befreiungskampf ihrer Geschichte. In den führenden Stadtstaaten ging die Herrschaft der Tyrannenhöfe endgültig ihrem Ende entgegen und nach durchgreifenden Reformen konnten Demokratien entstehen, die dem kleinen Griechenland einen solchen Kräftezuwachs brachten, der es ihm ermöglichte, den fast übermenschlichen Abwehrkampf gegen das mächtige Perserreich siegreich zu bestehen. In dieser Zeit kam es auch in der bildenden Kunst zu Vorstößen in ganz neue Bereiche. Durch die Erfindung der Körperperspektive und ihre langsame Weiterentwicklung bis zu einer Art von Raumperspektive schufen die griechischen Maler und Bildhauer Werke, die sich von allem, was vorher von Ägyptern, Babyloniern, Persern und archaischen Griechen geschaffen worden war, grundsätzlich abhoben. Die strengen Bindungen einer vorstelligen archaischen Kunst werden überwunden, und die Körper beginnen sich nicht nur in den Werken aus Stein und Erz, sondern auch im Bild frei zu drehen und kommen damit zu einer Weite und Vielfältigkeit des Ausdrucks, die es vorher niemals gegeben hatte. In diesen weltgeschichtlich bedeutenden Jahrzehnten wurde das Fundament gelegt für die gesamte abendländische bildende Kujist. Die Neuerungen, die sich in Malerei und Plastik bereits in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts überall durchgesetzt hatten, kamen im griechischen Relief, das ja eine eigenartige Zwischenstellung zwischen Malerei und Plastik einnimmt, erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zur vollen Auswirkung. Wie diese Entwicklung in Attika verlief und welche kunsthistorischen Rückschlüsse man aus ihrer Klarstellung gewinnen kann, möchte ich Ihnen an einigen charakteristischen Beispielen zeigen. Sie kennen alle das schöne attische Relief eines Kriegers, der im Knielauf zu Tode erschöpft zusammenbricht. Es ist eine Arbeit aus der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts vor Chr., sein Schöpfer weiß noch nichts von einer Körperperspektive. Der Kopf mit Helm ist im Profil gesehen, die 1 Der Vortrag wird später in erweiterter Form mit Abbildungen gesondert erseheinen.

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Brust mit den Armen ganz in Vorderansicht und der Unterkörper mit den Beinen wieder in reiner Seitenansicht. Der Bildhauer wechselt dreimal den Blickpunkt. Kopf, Oberkörper und Beine, jeden Teil zeigt er in einer besonders charakteristischen Ansicht. Dabei kommt es dann zu dem gewaltsamen Übergang von der unteren Bauchpartie zum Oberkörper. Nicht weniger gewaltsam ist die Verbindung vom Kopf zum Oberkörper, wenn sie auch nicht so stark in Erscheinung tritt, weil der Hals, der hier den Übergang bilden mußte, vom Gesicht und Haar verdeckt wird. Bei dem Diskuswerfer des Panaitiosmalers aus dem letzten Jahrzehnt des sechsten Jahrhunderts vor Chr. auf einer Schale im Museum von Boston ist der entscheidende Schritt zur Körperperspektive getan. Der Maler hält einen einzigen Blickpunkt für den gesamten Körperumriß fest. Das ist das Entscheidende, und damit gelingt es ihm, den Körper des jungen Athleten in der Drehung beim Diskuswurf überzeugend darzustellen. Die Verbindung mit älteren Darstellungen ist noch nicht restlos überwunden, er zeigt uns noch die Beine und den Kopf in der charakteristischen Profilansicht wie auf dem Kriegerrelief; aber der Übergang vom Unterkörper zu dem breiten Rücken über den Hals zum Profil des Gesichts ist mit den neuen Mitteln der Perspektive bewältigt. Ganz frei im Raum bewegt sich dann ein etwas jüngerer Diskuswerfer desselben Künstlers von einem Gefäß aus Würzburg. Er zeigt den jungen Athleten fast in reiner Rückenansicht, und er kann jetzt auch schon auf die Profilansicht des Gesichtes verzichten. Man sieht nur den Hinterkopf mit einem kleinen Stück der rechten Wange. Hier ist der eine Blickpunkt für den gesamten Körperumriß beibehalten und das Problem der Körperperspektive gelöst. Für viele der griechischen Künstler bleibt es bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts bei diesem ersten Vorstoß zur perspektivischen Darstellung des einzelnen Körpers. Auf einem griechischen Vasenbild des Niobidenmalers, das eine Versammlung griechischer Helden der Heroenzeit mit Athena und Herakles in der Mitte zeigt und uns eine Anschauung der Gemäldekompositionen des Polygnot geben kann, sind die Helden alle in den verschiedensten Drehungen und Wendungen, auch sitzend und liegend, dargestellt. Die Beherrschung der Körperperspektive ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Aber wie Statuen stehen die Körper alle in derselben Größe neben- und übereinander. Sie sind klar gegliedert, nichts wird verdeckt. Jeder Umriß hebt sich zum Greifen scharf von dem dunklen Hintergrund, der nur von einzelnen Geländestreifen durchzogen ist, ab. Es ist ein Nebeneinander gleichartiger Gebilde, die nur die gemeinsame Bildfläche zu einer Einheit verbindet. Aber zu derselben Zeit gibt es auch schon Bildkompositionen mit den ersten Versuchen zu einer Art von Raumperspektive. Auf dem Vasenbild mit einer Amazonenschlacht eines Kraters des Metropolitanmuseums reitet

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eine Amazone direkt auf uns zu. Man sieht sie mit ihrem Pferd ganz von vorn. Diese Darstellung wird nur möglich durch starke perspektivische Verkürzungen. Auch die übrigen Kämpfenden sind räumlich angeordnet, sie stehen nicht einfach nebeneinander, sondern auch hintereinander. Sie überschneiden sich und verdecken sich zum Teil. Das Kampfbild ist beim ersten Eindruck ein wirres Knäuel von Leibern, die man erst bei längerem sorgfältigen Betrachten entwirren kann. Von der Klarheit des Argonautenkraters ist nichts geblieben. Dafür sind die vielen Gestalten des Vasenbildes zu einer neuen Einheit zusammengewachsen, in der jede Gestalt sich dem Gesamteindruck unterordnen muß und in ihm aufgeht. Die Unterschiede zwischen Argonautenkrater und dem Gefäß mit der Amazonenschlacht liegen klar zutage und konnten niemals übersehen werden. Ganz ähnliche Unterschiede lassen sich an attischen Reliefs der Parthenonzeit aufzeigen. Sie sind bisher wenig beachtet worden und haben bei wichtigen kunsthistorischen Fragen, wo sie schwer hätten ins Gewicht fallen müssen, bisher so gut wie keine Rolle gespielt. Es gibt in dieser Zeit Reliefs, die bei der Körperperspektive stehen bleiben und andere, die darüber weit hinausgehen und zu kühnen raumperspektivischen Lösungen vorstoßen. Diese beiden Gruppen möchte ich Ihnen, scharf voneinander getrennt, in charakteristischen Beispielen vorführen und einige kunstgeschichtliche Überlegungen daran anschließen. An der Ost- und Westseite des Theseion spielen sich die dargestellten Kämpfe wie auf einer flachen Bühne ab. Man könnte diese Gruppen und Einzelfiguren auch als lebendes Bild vor eine glatte Wand stellen. Jeder Krieger, Gott oder Kentaur und jede Kampfgruppe steht so isoliert wie eine Skulptur vor dem Hintergrund. Aus jeder von ihnen könnte noch eine Rundskulptur werden, wenn sie ein Bildhauer von dem Hintergrund löste. Wir werden in diesen Reliefs vergeblich nach Verkürzungen suchen, es sind eigentlich Rundskulpturen, die nach bestimmten Gesetzen der Symmetrie nebeneinander als gleichwertige Glieder aufgereiht wurden. Im Ostfries wird eine größere Kampfdarstellung eingerahmt durch zwei Gruppen von je drei sitzenden Göttern, die ihren Platz über den Anten des Tempels haben. Zwei Gefallene liegen über den Säulen des Tempeleingangs und dazwischen findet die Mitte des Frieses ihre starke Betonung durch eine zum Stoß weit ausholende Kriegergestalt in wehendem Mantel. Von diesem Mittelpunkt aus entwickelt sich die Komposition nach beiden Seiten in zwei stark bewegten Kampfgruppen von je drei Männern, es folgen je eine ruhigere Zweikampfgruppe und dann hinter den zuschauenden Göttern je fünf weniger fest gruppierte Gestalten, die erst in den Kampf eintreten sollen. Ebenso klar ist das Kompositionsprinzip der Kentaurenschlacht des Westfrieses. Es gibt fast in der Mitte die beherrschende pyramidenförmig

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gebaute Gruppe des Kaineus und weiter sieben Zweikampfgruppen von je einem Lapithen und Kentauren lose aneinander gereiht. Nur dreimal wird ein Einzelkrieger als Verbindungsglied eingeschoben. Auch für einige Friesplatten des Nikefrieses mit Perserkämpfen ist dieselbe Strenge in Raumverteilung und Gruppenaufbau charakteristisch. Jede Platte wird mit einer in sich abgeschlossenen Komposition gefüllt. Auf der Mittelplatte 0 des Südfrieses breitet sich zu beiden Seiten der Mitte je eine räumlich vollkommen gleichwertige Dreifigurengruppe mit besonderer Hervorhebung der Mitte durch zwei pyramidenförmig breit in der Reliefebene aufgerichtete nackte Griechen aus. Eingerahmt werden diese Mittelgruppen durch zwei genau entsprechende Zweikampfdarstellungen, die in ihrem Bau vollkommen metopenartig wirken. Auf der anschließenden Platte E steigt die Komposition von einem rücklings am Plattenabschluß hockenden Perser staffeiförmig zu zwei laufenden und einem berittenen Perser an, um mit einem hohen, weit in Ausfallstellung angreifenden nackten Griechen die Mitte der Platte zu erreichen. Auch hier haben wir, wie bei einer Giebelkomposition, vom Plattenrand beginnend eine allmählige Zugipfelung mit starker Betonung der Mitte. Auf der Ostseite des Nikefrieses, in der Götterversammlung mit ihren vielen, ruhig stehenden und sitzenden Gottheiten, bei einer Darstellung, in der eigentlich nichts geschieht, ist die bis ins einzelne abgewogene und berechnete Symmetrie das Hauptelement des Zusammenhalts. Auch hier sind die Götter und Heroen wie auf einer flachen Bühne nebeneinander aufgestellt. Keiner scheint sich um seinen Nachbar besonders zu kümmern, vielmehr wendet sich der größte Teil in mehr oder weniger statuenhafter Pose direkt an den Beschauer. Aber alles ist in dieser Komposition genau berechnet. Aus einiger Entfernung gesehen gewinnt der Ostfries fast die Strenge eines Ornamentes, weil immer wieder in scharf bemessenen Abständen in dem horizontalen Friesstreifen durch die nebeneinander stehenden Gestalten die Vertikale der schlanken Säulen aufgenommen wird. Diese attischen Friese am Theseion und am Niketempel haben mit den leicht flüssig komponierten Bildstreifen in Jonien, die in erster Linie eine farbige Unterbrechung einer Wandfläche waren, so gut wie nichts gemein. Der viel ältere Nordfries vom Schatzhaus der Siphnier in Delphi aus der Zeit um 525 mit den Kämpfen gegen die Giganten bringt eine fortlaufende Erzählung mit einer ausgesprochenen Bildkomposition. Hier gibt es keine isolierte Einzelfigur oder Gruppe, hier fehlt jede Symmetrie innerhalb der einzelnen Friesplatten. Der Reliefgrund ist keine feste Wand, vor der die Kämpfer agieren. Man vergißt an manchen Stellen fast, daß überhaupt ein Reliefgrund da ist. Die Figuren überschneiden sich, keine läßt sich aus dem Bildganzen herauslösen. Aus keiner Gestalt ließe sich eine Rundskulptur oder Gruppe machen wie an den Friesen vom Theseion oder Niketempel.

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Die Modellierung des Reliefs ist vor allem dazu da, den farbigen Gestalten einer Bildfeomposition eine stärkere Licht- und Schattenwirkung zu geben. Hier wird eine Bilddarstellung zu einem Relief verarbeitet, ebenso gut hätte aus dieser Komposition ein griechisches Gemälde werden können. Ganz anders ist das am TheSeion- und Nikefries. Die Bildhauer dieser Friese haben ihr Leben lang für dorische Tempel die ganz oder fast rundplastischen Giebel- undMetopenfiguren geschaffen. Sie übertragen nun diese plastischen Kompositionen auf ihre Friese, indem sie Metopen- und Giebelfiguren symmetrisch aufreihen und nebeneinanderstellen. Unter ihren Händen ist aus dem jonischen Fries etwas ganz anderes geworden. Malerische Elemente mit starker Verkürzung und Überschneidung kommen überhaupt nicht vor, weil hier im Grunde genommen nur Rundskulpturen vor einer festen Wand nebeneinander gestellt sind. So kann man abschließend sagen, daß die Friesfiguren am Theseionfries, am Ost- und Südfries des Niketempels und am Erechtheionfries in ihrer Entstehung sich nicht von Giebel- oder Metopenfiguren unterscheiden. Die Körper sind wohl in den verschiedensten Bewegungen und Drehungen dargestellt, die Körperperspektive ist kein Problem mehr. Es fehlen aber alle stärkeren Überschneidungen und alle Verkürzungen, wie sie in der gleichzeitigen und auch älteren Malerei schon gang und gäbe sind. Das ist aber nur eine Gruppe von Friesreliefs in der attischen Kunst dieser Zeit. Daneben gibt es in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts eine andere Gruppe, die wohl ungefähr gleichzeitig entstanden, aber in ihrem Wesen ganz anders geartet ist. Dafür möchte ich auch einige besonders charakteristische Beispiele anführen. Im Nationalmuseum in Athen steht «ine besonders stattliche marmorne Grablekythos mit einer Reliefdarstellung, die von dem üblichen Schema nicht abweicht. (CONZE, Die attischen Grabreliefs I I Nr. 1073). Zwei junge Krieger mit Lanze, Schild und Helm auf dem Kopf stehen sich gegenüber und reichen einander die Hände und hinter ihnen ist ein dritter junger Athener zu Pferde dargestellt. Es ist aber nicht dieses Relief, das uns hier interessiert, vielmehr ist es eine kleine Reliefskizze, die hinter dem Reiter in kleinerem Format nur eben angedeutet wurde. Dargestellt ist eine Frau, die auf einem Stuhl sitzt und hinter ihr steht ein junges Mädchen, das die linke Hand auf die Schulter der Frau legt und mit der rechten auf eine Person oder einen Gegenstand deutet, der nicht mehr dargestellt ist. Es ist, als ob das Mädchen zu der Frau spricht und sie auf etwas aufmerksam machen möchte. Diese beiden Gestalten sind schräg in das Bild gesetzt. Alles ist nur eben angedeutet, weiter nach unten verschwindet die Zeichnung ganz, obwohl hier von dem Künstler der Pferdeschweif für die Darstellung der beiden Mädchen weggemeißelt wurde. Ganz fein sind die Umrisse in den Marmor eingegraben. Die Faltengebung läßt sich am besten mit einem ganz unregelmäßigen

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Wellengekräusel vergleichen. Bald dicht, dann wieder breit und flächig sind ineinander verschlungene Faltengebilde entstanden, die so ganz auf das feinste Wechselspiel von Licht und Schatten gestellt sind, daß dieses zarte Relief in seiner Wirkung einer weichen Kohlezeichnung nahekommt. Nirgends findet sich eine scharf begrenzte Falte oder Form. Bei dieser kleinen Gruppe sieht man, wie zunächst das Ganze mit einem flotten Kontur umrissen ist und wie der Künstler dann langsam zu den Einzelheiten vordringt, ängstlich besorgt, auch schon in diesem ersten Stadium einen Gesamteindruck zu haben, dem sich alles ein- und unterordnet. Langsam wird er dann im Laufe der weiteren Arbeit den Reliefgrund mehr und mehr zurücktreten lassen und die Wölbungen seines Reliefs verstärken. Aber mit der Modellierung der einzelnen Formen will er nur das erreichen, was ein Maler oder Zeichner mit der mehr oder weniger starken Schattierung in seinem Bild oder seiner Zeichnung anstrebt. Hier entsteht ein Relief, bei dem der Bildhauer nicht mehr von einem plastischen Gebilde wie bei den vorher betrachteten attischen Reliefs, sondern von einer Zeichnung ausgeht. So macht es ihm auch keine Schwierigkeiten, seine Gruppe schräg in den Raum zu stellen. Der Hintergrund spielt hier keine Rolle mehr; es gibt keine Wand mehr, vor 'der die Mädchengruppe gestellt wird. Er arbeitet mit einer malerischen Raumperspektive. Von diesen sitzenden Mädchen gibt der Bildhauer nur eine Schrägansicht genau wie ein Maler. Die wirklichen Körperrundungen sind in abgeflachte übersetzt und geben doch dem Auge den Eindruck einer gewissen Körperlichkeit. Diese Umsetzung entzieht sich jeder theoretischen Berechnung, sie ist einzig Sache des Gefühls. So liegt die rechte Hand vorn am Oberschenkel genau in derselben Reliefhöhe wie die erhobene linke Hand und die rechte Gesichtshälfte. Aus einem solchen Relief könnte von dem Bildhauer niemals eine Rundskulptur gemacht werden. Auch die Gruppe der sitzenden Götter im Parthenonfries in ihrer leichten unbekümmerten Haltung, die wohl den ankommenden Zug der Panathenäen aufmerksam betrachtet, aber zugleich zu einer Gruppe zusammengeschlossen ist, die in jedem Moment ein angeregtes Gespräch beginnen könnte, ist nur aus einem solchen malerischen Entwurf heraus zu verstehen. Hier ist nichts mehr von' der steifen Isolierung der Götter aus dem Nikeoder Theseionfries zu bemerken. Hier ist die Zeichnung für ein Gemälde zu einer Reliefdarstellung verarbeitet worden. Diese Figuren sind mit den Mitteln der Perspektive schräg in den Raum geschoben und nicht wie die Götter am Nikefries als Skulpturen vor eine Wand gestellt. Man hat gelegentlich gefragt, wie wohl die Gips- oder Stuckmodelle ausgesehen haben, nach denen die Steinmetzen am Parthenonfries ihre Arbeit ausführten. So sicher, wie wir sogar aus Inschriften wissen, daß für die rundplastischen Friesfiguren des Erechtheionfrieses Modelle angefertigt worden 4

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sind, so sicher kann man sagen, d a ß es für die Friesreliefs des Parthenonfrieses keine Modelle dieser Art gegeben hat. Wie ein gemaltes Band zogen sich diese flachen Reliefs oben um die Zellamauer des Tempels herum. Aber dieser Entwurf war eine Art Zeichnung, die, wie bei dem kleinen Bildchen an der Lekythos, auf die Friesplatten übertragen und dann in mehr oder weniger flachem Relief ausgeführt wurde. Es läßt sich noch nachweisen, d a ß die Reliefs der beiden Schmalseiten in Ost und West zuerst und zwar nicht am Tempel, sondern im Atelier ausgeführt wurden. Ihr Relief zeigt eine stärkere Wölbung. An den Längsseiten h a t man sich die Arbeit dann leichter gemacht. Hier ist das Relief stellenweise ganz flach, die Zeichnung bleibt ganz an der Oberfläche, und der Bildhauer verläßt sich stark auf den Farbauftrag, den seine Relieffiguren bekamen. Die Modellierung in Stein setzte die einzelnen Gestalten leicht gegeneinander ab und gab ihnen durch die Wirkung von Licht und Schatten eine gewisse Rundung. Da aber diese Reliefs oben im Halbdunkel unmittelbar unter dem Dach entlangliefen, konnte man sie wahrscheinlich von unten nur als ein lebhaft bewegtes farbiges Band erkennen. Diese Reliefs sind nun etwas ganz anderes als die Friese am Theseionoder Nikefries mit ihren vollplastischen isolierten Gestalten und Kampfgruppen in ihrem symmetrischen Aufbau. Auch am Parthenonfries gibt es in den ruhigen Abschnitten am West- und Ostfries einige Einzelgestalten, die sich vom Reliefgrund abheben, aber dann kommt Bewegung in diesen feierlichen Zug. Die Gestalten überschneiden sich und ballen sich zu Massen zusammen. Wer könnte hier noch die einzelnen Figuren oder Gruppen zählen? Manchmal schieben sich zwei, drei und vier Reihen von Reitern ineinander. Der Reliefgrund verschwindet ganz, die Fläche ist von oben bis unten gefüllt mit einem Auf und Ab der verschiedensten Gestalten, die in ganz verschiedener Reliefhöhe gegeneinander abgesetzt sind. Da gibt es Pferdeköpfe, die nur eine Reliefhöhe von wenigen Millimetern besitzen und uns doch die Tiefe von vier hintereinander gestaffelten Tieren vortäuschen. Hier ist die Einzelgestalt nichts mehr, sie geht völlig auf in dem bewegten Fluß eines bunten Zuges von Fahrzeugen, Tieren und Menschen. Mit diesem Parthenonfries, der ohne einen einheitlichen Entwurf nie h ä t t e entstehen können, ist etwas ganz Neues in die attische Kunst hineingekommen. Die sich ewig wiederholenden Motive der verschiedenen Kampffriese mit ihren Giganten, Amazonen, Kentauren und Niobiden, in denen immer wieder dieselben Ausfallstellungen der Kämpfer, das Zusammensinken der Getroffenen zu Fuß und zu Pferde dargestellt wurde, sind verschwunden. Hier ist ein Künstler mit vielen Helfern am Werk, der die Welt mit neuen Augen sieht und die unendliche Mannigfaltigkeit von Eindrücken, die ihm die N a t u r bietet, in seiner Kunst zu verarbeiten versteht. Natürlich lassen sich auch bei seiner Arbeit, die sich bestimmt über Jahre erstreckt h a t , Entwicklungs-

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etappen in der Ausführung nachweisen. Aber das ist gegenüber dem großartig Neuen, das hier zutage tritt, unwesentlich. Unter jonischem Einfluß hat eine junge attische Künstlergeneration gelernt, die großen Errungenschaften der Malerei in ihre Friesreliefs herüberzunehmen und damit aus ihnen etwas ganz Neues zu machen. So gibt es auch am Nikefries einige Platten, die nicht in den dreißiger Jahren, sondern erst nach dem ersten Abschnitt des peloponnesischen Krieges entstanden sind. Diese Reliefs sind nun auch ganz anders als die älteren Reliefs mit Perserkämpfen oder die Priesreliefs vom Theseion. In ihnen sind die perspektivischen Errungenschaften der gleichzeitigen Malerei voll ausgewertet, und so kommt es zu denkbar kühnen Darstellungen. Das Pferd eines Persers in der Mitte des Reliefs hat sich hoch aufgebäumt und wirft seinen Reiter gerade ab. Mit der rechten Hand versucht er, am Boden Halt zu gewinnen, während er mit den Beinen sich noch an dem Leib des wild gewordenen Tieres festzuklammern versucht. Ein Gewandzipfel weht über dem Gestürzten hoch in der Luft. Wie hier nur das Vorderteil des Pferdes in stärkster Verkürzung, der hoch aufgereckte Hals des Tieres sogar in der Vorderansicht gezeigt wird, ist von einer Kühnheit, die in der griechischen Reliefkunst kaum jemals wieder versucht worden ist, weil sie eigentlich über das hinausgeht, was einem Relief an räumlicher Tiefengestaltung zugemutet werden kann. Hier ist der Reliefgrund nicht mehr eine feste Wand, vor dem sich das Geschehen abspielt. Diese Darstellung ist mit einer solchen Unbekümmertheit in die Relieffläche hineingesetzt, daß man das Mißverhältnis des Reiters zu dem verkleinerten Pferd kaum bemerkt. Unten neben dem Gewand des Persers erscheint sogar noch der linke Hinterfuß des Pferdes ohne Zusammenhang mit dem übrigen Körper des Tieres im Reliefgrund. Ich möchte nun eine Gruppe von Reliefs behandeln, die sich mit Sicherheit auf den größten Meister der attischen Kunst des fünften Jahrhunderts zurückführen lassen, nämlich auf Phidias. Und diese Reliefs wollen wir daraufhin prüfen, ob bei ihnen die Gesetze einer malerischen Reliefperspektive zur Anwendung gebracht worden sind oder nicht. In den zwanziger Jahren wurden bei Baggerarbeiten im Piräus eine große Anzahl neuattischer Reliefs gefunden, in mehr oder weniger guter Erhaltung. Manches Stück war vom Seewasser zerfressen, andere waren vorzüglich erhalten. Einige zeigten deutliche Brandspuren. Im zweiten Jahrhundert nach Chr. war ein Schiff voll beladen mit Marmorkopien nach klassischen Kunstwerken in Brand geraten und gesunken. Seine wertvolle Fracht verschwand im Schlamm des Hafens. Der größte Teil dieser Reliefs steht jetzt im Piräusmuseum; andere kamen durch den Kunsthandel in amerikanische, römische und dänische Sammlungen. Ein schönes Stück besaß auch unsere Skulpturensammlung im Alten Museum. Die Darstellung, von einem schweren 4»

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Rahmenprofil eingefaßt, zeigt einen jungen Griechen, der sich im Kampf mit einem großen Schild deckt. Es handelt sich bei diesem und den meisten der anderen Reliefs um Kampfszenen aus der Amazonenschlacht, mit der Phidias die Außenseite des riesigen Schildes des Goldelfenbeinbildes der Athena Parthenos auf der Akropolis von Athen schmückte. Auf unserem Fragment ist nur der wenig unterlebensgroße Oberkörper eines jungen griechischen Kriegers erhalten, der mit erhobenem Rundschild auf seine Gegnerin losstürmt. In der abgebrochenen rechten Hand haben wir eine Lanze zu ergänzen. Die Arbeit ist etwas trocken, aber sorgfältig bis in alle Einzelheiten. Das Stück zeigt an verschiedenen Stellen noch die schwarzen Brandspuren. Wir haben es bei diesen Reliefs sicher mit Kopien zu tun, bei denen Abgüsse von den Originalen dem Bildhauer als Modelle dienten. Besonders großartig ist das zweimal in ganz ähnlichen Fassungen erhaltene Relief eines jungen Griechen, der in der Verfolgung eine Amazone, die sich in ihrer Verzweiflung von einem Felsen herabstürzen will, bei den Haaren packt. Mit der rechten Hand greift die junge Frau nach dem Handgelenk des Jünglings, um sich von seinem Zugriff zu befreien. In diesem Relief sind die Körper der beiden jungen Menschen mit einer wunderbaren Klarheit vor uns ausgebreitet. Den Reliefgrund bildet wie am Theseion oder älteren Nikefries eine Wand, vor der die Körper der Dargestellten vollkommen isoliert fast rundplastisch agieren. Keine Überschneidung oder Verkürzung beeinträchtigt den edlen Fluß der Umrißlinien. Die Körper bleiben wie bei einer Rundskulptur in allen Teilen meßbar. Die eigenen Proportionen bleiben voll gewahrt. Dasselbe gilt von einem anderen Relief, auf dem eine Amazone in gegürtetem Chiton und mit dem Helm auf dem Kopf mit einer Lanze nach einem jungen Griechen stoßen will, der sioh nach seiner Verfolgerin umwendet und wohl gerade seinen Bogen abschießen will, nach dem die Amazone mit der linken Hand greift. Der Jüngling ist mit dem Chiton und einem Mäntelchen bekleidet und trägt hohe Schuhe an den Füßen. Der Bogen des Jünglings fehlt in dem Relief. Die Reliefkomposition entspricht in ihrer Anlage den beiden vorher genannten. Dasselbe gilt von einem weiteren Relief in Kopenhagen, auf dem eine Amazone mit großem Rundschild von links und ein junger Krieger von rechts einen kleinen Hügel emporstürmen und im Kampf aufeinanderprallen. Beide Körper sind in der üblichen Ausfallstellung in der Reliefebene ausgebreitet, fast rundplastisch, und sie heben sich in scharf geschnittener Silhouette von dem Hintergrund ab. Alles ist abgestellt auf eine letzte Klarstellung des einzelnen Körpers. Am interessantesten ist aber das Relief des sogenannten Kapaneus, das in sehr schöner Erhaltung in der Villa Albani und dann noch einmal fragmentiert im Museum von Chicago erhalten ist. Seine Zugehörigkeit zum Schild der Athena Parthenos ist jetzt durch die Arbeit von Stavbopoullos er-

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wiesen. Der mächtige nackte Krieger ist in die Knie gesunken, mit der rechten Hand greift er nach der Wunde im Nacken, mit dem linken Arm hält er noch kraftvoll den mächtigen runden Schild. Das Ganze ist eine großartige statuarische Komposition. Wieder sind alle Teile in der Reliefebene entwickelt. Allen Verkürzungen wird ängstlich aus dem Wege gegangen. Selbst auffallende Gewaltsamkeiten werden dabei mit in Kauf genommen. Man braucht sich nur den rechten Unterschenkel anzusehen, der in seiner ganzen Länge gezeigt wird, obwohl er eigentlich im Reliefgrund verschwinden müßte. Es ist eine Komposition, der auch der leiseste Ansatz zu einer malerisch perspektivischen Reliefgestaltung fehlt. So kommen wir zu der tiefgreifenden Peststellung, daß dieselbe Kluft, die zwischen Theseionfries und älterem Nikefries einerseits und dem Parthenonfries andererseits liegt, auch die Reliefs des Schildes der Athena Parthenos von dem Parthenonfries trennt. Diese Erkenntnis muß eine ausschlaggebende Rolle bei der Entscheidung der alten, immer noch stark umstrittenen Frage nach dem Anteil des Phidias an den Arbeiten des Parthenonfrieses und der Giebel spielen. Phidias war schon in der Kimonischen Epoche zwischen 470—456 ein berühmter Künstler, er muß in dem Jahrzehnt von 510—500 geboren sein. In den Jahren um 437 wurde das Goldelfenbeinbild der Athena im Parthenon aufgestellt, zu derselben Zeit müssen aber auch schon Teile des Parthenonfrieses auf den beiden Schmalseiten im Osten und Westen fertig gewesen sein. Man steht damit vor der einfachen Frage: Kann Phidias als Sechzigjähriger gleichzeitig die noch strengen Reliefs am Parthenosschild und den ganz anders gearteten Parthenonfries entworfen haben ? Das erscheint mir ganz unmöglich. Er kann nicht in der Arbeit am Panathenäenzug wie ein Jonier alle perspektivischen und malerischen Mittel souverän beherrschen und gleichzeitig an den Reliefs mit den Amazonenkämpfen auf dem Schild der Athena Parthenos von alledem noch nichts wissen. Als ein Sechzigj ähriger kann auch der größte Künstler nicht plötzlich von heute auf morgen ganz umlernen.

Verantwortung in Denken und Sprache der Griechen und Römer FRIEDRICH

ZUCKER

I. An der Stelle, an der zum ersten Mal in der europäischen Geschichte die drei Verfassungsformen der Monarchie, Oligarchie und Demokratie im Zusammenhang begegnen, in der berühmten Diskussion der drei persischen Großen bei Herodot I I I 80, 3 — wo übrigens das Substantiv „Demokratie" selbst nicht gebraucht ist (aber VI 43, 3. 131, l) 1 ) —, wird die Herrschaft eines Einzelnen als die bezeichnet: r f j e^eari äveirdvvq) noideiv ä ßovXexai „der es freisteht, nicht unter Rechenschaftsverfahren zu tun, was sie.will"; wir dürfen einstweilen die sich aufdrängende und übliche Übersetzung „ohne Verantwortung" gebrauchen, vorbehaltlich genauerer Untersuchung. Mehrere Sätze später (§ 6) heißt es vom Volke, das die Herrschaft führt, vnev-dvvov äo%rjV e%ei „unter Verantwortung führt es Herrschaft" (wörtlich: als eine verantwortliche führt es Herrschaft). Schon mehrere Jahrzehnte vorher, in der Persertragödie des Aischylos v. J . 472 v. Chr. erklärt die Königinmutter nach der Niederlage ihres Sohnes Xerxes in Kennzeichnung der Stellung des Großkönigs: xaxöjQ de nQagag ov% vnevdvvoi; nöXsi „trotz seines Mißerfolges ist er nicht verantwortlich dem S t a a t " — es ist das erste Mal, daß Begriff und Ausdruck vorkommen 2 ). Bevor wir das griechische Adjektivkompositum, das wir durch „unter Verantwortung (stehend), verantwortlich" zu übersetzen pflegen, sprachlich und bedeutungsmäßig untersuchen, bringen wir von vornherein seine Stellung in der griechischen Begriffswelt durch die Konstatierung zu Bewußtsein, daß es einen zentralen Begriff des Staatsrechts deckt und zahllose Male als entscheidendes Merkmal der Demokratie die Verantwortlichkeit der Beamten und der Bürger überhaupt kennzeichnet. In Übereinstimmung mit der besonders durch die attischen Redner vertretenen Allgemeinheit stellen unter Verwendimg des angegebenen Ausdrucks Piaton (leg. 875 b) und Aristoteles (pol. 1295a 19sqq.) die Unverantwortlichkeit des Alleinherrschers fest und lehnen sie für Beamte und Richter ab, Plat. leg. 761 c mit 1 2

ötifioxQareicr&ai Herod. IV 137, 2; VI 43, 3. Aesch. Prom. 324 ebenfalls vom /jövaQxo;.

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Beschränkung auf die oberste Instanz, 691c mit Begründung aus der menschlichen Natur 3 ), Aristoteles pol. 1271a 5sqq., vgl. u. S. 62 4 ). In umfassender Ausdehnung und mit besonderem Nachdruck hebt Aischines die Verantwortlichkeit der Beamten und der Bürger überhaupt hervor in der Anklagerede gegen Demosthenes im Prozeß um die Bekränzung § 17ff.: ev xavxrj rfj noXei OVTWC, AQ%aiq xe xal rrjhxavrtj xo fieye&og ovdeig eaxiv ävvTiev'&vvos xu>v xal OTZCOOOVV TCQOI; xä xoivä TtQoaeXrjXv&öxcov, worauf er die eine und andere Kategorie von Behörden und Gremien, an erster Stelle Priester und Priesterinnen, aufzählt und mit den Worten schließt: ävev•&vvov de xal äCtfxrjTov (ohne Untersuchung) xal äve£exaoxov ovdsv eaxiv ev xfj noXei. Zu dieser Feststellung und der im folgenden dargelegten Ausgestaltung des Prinzips wird man sich an den Satz von WILAMOWITZ, Staat und Gesellschaft der Griechen 2 105 erinnern: „Diese immer schärfer ausgestaltete Kontrolle der abgetretenen Beamten, die eine genaue Buchführung über ihre Gelder voraussetzt, ist ein wahrhaft großer Vorzug vor der entsetzlichen Verwahrlosung in Rom, wo die Kassenführung den unreifen Anfängern, den Quästoren, überantwortet war, ein Scipio die Rechnungen vernichten konnte, weil er keine Rechtfertigung schuldig war." Die eben angesagte sprachliche und bedeutungsmäßige Untersuchung ergibt einen doppelten oder genauer dreifachen Unterschied zwischen dem griechischen und dem deutschen Ausdruck. Das in den Komposita vjiev•&WOQ, ävevdvvog (überwiegend gemeingriechisch), ävvnev&vvo^ (überwiegend attisch) vorliegende Nomen ev&vva ist ein Postverbale zu ev-&vveiv5) „gerade machen, richtig machen", bedeutet daher in der Übertragung auf Nichtmaterielles primär „Berichtigung" eines Verfehlten, „Maßregelung" 6 ) und wird auch mehrfach in der Bedeutung „Strafe" gebraucht; dies wirkt sich auch, wie wir sehen werden, in der Bedeutungsentwicklung der Komposita negierenden Sinnes aus, und das Verbum trifft seiner primären Bedeutung entsprechend mit unserem „zur Verantwortung ziehen" zusammen. Verbum und Postverbale haben aber die neutrale Bedeutung der Rechenschaftsabnahme, des Rechenschaftsverfahrens gewonnen, und in den auf3 Vgl. Plat. leg. 691c: ovx etrr' — {hrjrfjg yv/fjg ogd); in der Erklärung Harpokrations wörtlich zu übersetzen : „das Abwälzen der Verantwortung für die Verfehlungen auf andere". Antiph. 5, 89 = 6,6: rovro ovx ecrciv Snoi äv ng äveveyxwv rrjv airiav äjcoXvaaixo. Lys. 22, 8: ensidij yäg ovroi (sc. oi avxonmXai) rrjv airiav eig ¿xsivovg (sc. rovg ägxovrag) ävd