Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes: Band 1 Allgemeiner Teil. Recht der Schuldverhältnisse I (allgemeiner Teil) [7., unveränd. Aufl., Reprint 2021] 9783112600665, 9783112600658


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German Pages 642 [651] Year 1930

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Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes: Band 1 Allgemeiner Teil. Recht der Schuldverhältnisse I (allgemeiner Teil) [7., unveränd. Aufl., Reprint 2021]
 9783112600665, 9783112600658

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Das

Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung

der Rechtsprechung des Reichsgerichts erläutert von

Dr. Busch, Erler, Dr. Lobe, Michaelis, Oegg, Sayn, Schliewen und Seyffarth Reichsgerichtsräten und Senatspräsidenten am Reichsgericht

Siebente, unveränderte Auslage

I. Band: Allgemeiner Teil. Recht der Schuldverhältnisse I (allgemeiner Teil) bearbeitet von Dr. Busch, Oegg, Sayn (Allgemeiner Teil) Michaelis (Recht der Schuldverhältnisse)

Berlin und Leipzig 1929.

Walter de Grnyter & Eo. vormals G. 3- Göschen'sche Verlagshandlung — 3 Euttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl 3- Trübner — Veit & Somp.

Roßberg'sche Duchdruckerei, Leipzig.

Vorwort zur ersten Auflage Die vorliegende Bearbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist vornehmlich den Bedürfnissen der Praxis gewidmet. Sie will in gedrängter Darstellung Sinn und Zusammenhang der einzelnen Vorschriften aufdecken, aus die bereits gesicherten Ergebnisse der Rechtsprechung, namentlich der höchstrichterlichen,

aufmerksam machen, aber auch selbständig zur Lösung der vielfachen noch be­ stehenden Streitfragen und Zweifel beitragen. Hierbei mußten die gesetz­ geberischen Vorarbeiten und die ältere Rechtsentwicklung zurücktreten.

Be­

sonderes Gewicht wurde aus möglichst erschöpfende Berücksichttgung der Recht­ sprechung des obersten Gerichtshofs mit Einschluß nicht veröffentlichter Ent­ scheidungen gelegt. Rur ausnahmsweise sind Entscheidungen der Oberlandes­ gerichte von grundlegender Bedeutung aus den gangbarsten Sammlungen herangezogen worden. Literaturangaben wurden nur dann für erforderlich erachtet, wenn sich die Meinung der Herausgeber mit gewichtigen Stimmen der Wissenschaft in Widerspruch setzte. Doch beruht das Werk auf um­ fassender Prüfung der zur Auslegung des Gesetzes dienlichen Hilfsmittel. Die Größe der Aufgabe brachte die Notwendigkeit mit sich, die Arbeit zu teilen. Von den Herausgebern bleibt jeder nur für den von ihm bearbeiteten Teil des Ganzen verantwortlich. Alle waren aber bemüht, nach einheitlichen Ge­ sichtspunkten zu verfahren und Meinungsverschiedenheiten auszugleichen... Das Einführungsgesetz ist im Anhang abgedruckt mit kurzen Verweisungen aus die Stellen, wo im Hauptwerk selbst daraus näher eingegangen ist. Die Ansührungsroeise entspricht den Vorschlägen des deutschen Zuristentags.

Leipzig, Pfingsten 1910.

Vorwort zur sechsten Auslage Bei der neuen Bearbeitung wurde an den bisherigen bewährten Richt­ linien sestgehalten und das Erläuterungsbuch unter Verwertung der weiteren Ergebnisse vornehmlich der Rechtsprechung aus den neuesten Stand gebracht. Die nach der fünften Auslage infolge des Währungsverfalls eingetretene

Gesetzgebung und die damit verbundenen Aufwertungsfragen erforderten in den einschlägigen Rechtsgebieten vielfache Umgestaltungen und Erweiterungen des Erläuterungsstoffes. Auch sonst hat das Werk entsprechend seinem Zweck, in erster Linie den Bedürfnissen der Praxis zu dienen und in dieser Hinsicht möglichst Vollständiges zu bieten, eine beträchtliche Vermehrung des Inhalts der Erläuterungen erfahren. Infolgedessen ist das Werk der Handlichkeit

wegen nicht wie bisher in drei, sondern in fünf Bände geteilt worden. Der Gleichmäßigkeit halber ist die Bearbeitung bis auf einzelne Nachträge mit dem 1. Juli 1927 abgeschlossen.

Von den ursprünglichen Mitherausgebern ist der Reichsgerichtsrat a. D. Brückner nach der ersten, der Reichsgerichtsrat a. D. Dr. Ebbecke nach der fünften Auflage von der Mitarbeit ausgeschieden und sind uns zu unserm tiefen Bedauern durch den Tod entrissen worden nach der zweiten Auflage die Reichsgerichtsräte Burlage, Hoffmann, Schmitt und nach der fünften Auf­ lage die Aeichsgerichtsräte a. D. Kiehl und Schaffeld. An ihre Stelle find getreten seit der dritten Auflage die Herren Dr. Lobe, Dr. Mansfeld, Micha­ elis, Oegg, Schliewen, Seyffarth, von denen aber Senatspräsident Dr. Mansfeld nach der fünften Auslage wieder ausgeschieden ist, und nach der fünften Auslage Reichsgerichtsrat Sayn.

Nunmehr haben bearbeitet:

Band 1 (Allgemeiner Teil; Recht der Schuldverhältnisse I (allgemeiner

Teils):

88 88

1-89: RGR Sayn, 90—103: RGR a. D. Dr. Busch,

88 104—240: Senatspräsident O egg, 88 241—432: RGR a. D. Michaelis.

Band 2 (Recht der Schuldverhältnisse II (einzelne Schuldverhältnisses):

88 433—534: Senatspräsident Dr. Lobe, 88 535—606: Senatspräsident Oegg, 88 607—610: RGR Seyffarth,

Borwort zur sechsten Auflage

§§ §§ §§ 88 88 88 8 88

5

611—661: Senatspräsident Oegg, 662—687: Senatspräsident Dr. Lobe, 688—704: RGR Schliewen, 705—740: RGR Sayn, 741—764: Senatspräsident Oegg, 765—822: Senatspräsident Dr. Lobe, ausgenommen 779 (Vergleich): RGR Schliewen, 823—853: Senatspräsident Oegg.

Band 3 (Sachenrecht): 88 854—872: RGR Schliewen, 88 873—928: RGR a. D. Dr. Busch, 88 929—1011: RGR Schliewen, Erbbaurecht, 88 1018—1203: RGR a. D. Dr. Busch, 88 1204-1296: RGR Schliewen. Band 4 (Familienrecht):

88 1297—1588: RGR a. D. (Erler, 88 1589—1921: RGR Sayn.

Band 5 (Erbrecht): 88 1922—2063: RGR st. D. Michaelis, 88 2064—2385: RGR Seysfarth. Das Sachverzeichnis hat Landgerichtsrat Rudolf Erl er bearbeitet. Leipzig, im November 1927.

Die Herausgeber.

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch.

Allgemeiner Teil

@dte

§§

1—89

14—97

§§ §§

1—20 21—89

14—36 36—97

§§ §§ §§ §

21—54 55—79 80-88 89

40—74 74—85 86—94 94—97

Zweiter Abschnitt. Sachen

§§

90—103

97—133

Dritter Abschnitt.

§§ 104—185

133—312

Erster Abschnitt.

Personen

Erster Titel. Natürliche Personen Zweiter Titel. Juristische Personen L Vereine. 1. Allgemeine Vorschriften 2. Eingetragene Vereine II. Stiftungen III. Juristische Personen des öffentlichen Rechtes

....

Rechtsgeschäfte

Erster Titel. Geschäftsfähigkeit §§ Zweiter Titel. Willenserklärung §§ Dritter Titel. Berttag.................................................................. §§ Vierter Titel. Bedingung. Zeitbestimmung §§ Fünfter Titel. Vertretung. Vollmacht......................................§§ Sechster Titel. Einwilligung. Genehmigung §§

104—115 116—144 145—157 158—163 164—181 182—185

138—151 151—242 242—268 268—278 278—306 306—312

§§ 186—193

312—316

§§ 194—225

316—346

Sechster Abschnitt. Ausübung der Rechte. Selbstverteidigung. Selbsthilfe.......................................................................................... §§ 226—231

346—354

Siebenter Abschnitt. Sicherheitsleistung

354—357

Vierter Abschnitt.

Fristen.

Termine

Fünfter Abschnitt. Verjährung

Zweites Buch. Erster Abschnitt.

Recht der Schuldverhältnisse

Inhalt der Schuldverhältnisse

Erster Titel. Verpflichtung zur Leistung Zweiter Titel. Verzug des Gläubigers

Zweiter Abschnitt.

§§ 232—240

Schuldverhältnisse auS Verträgen....

§§ 241—304

358—487

§§ 241—292 §§ 293—304

359—481 482—487

§§ 305—361

Erster Titel. Begründung. Inhalt des Berttags §§ Zweiter Titel. Gegenseittger Berttag..........................................§§ Dritter Titel. Versprechen der Leistungan einen Dritten . §§ Vierter Titel. Draufgabe.Berttagsstrafe..................................... §§ Fünfter Titel. Rücktritt..................................................................§§

305—319 320—327 328—335 336—345 346-361

487^566 487—512 512—537 537-^546 547—555 555-566

Inhaltsverzeichnis Dritter Abschnitt.

Erlöschen der Schuldverhältuisse. . .

Erster Titel. Erfüllung Zweiter Titel. Hinterlegung Dritter Titel. Aufrechnung Vierter Titel. Erlaß....................................................................

7 §§ 362—897

Seite 566-598

§§ §§ §§ §

862—371 372—386 387—396 397

566-577 577-585 585-596 596-698

Vierter Abschnitt.

Übertragung der Forderung

§§ 398-413

598-618

Fünfter Abschnitt.

Schuldübewahme

88 414-419

618-629

Sechster Abschnitt.

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern

88 420—432

629-642

Abkürzungen (Nach den Vorschlägen des Deutschen Juristentags.

AG ... . Ausführungsgesetz. ALR . . . Allgemeines Landrecht für die Preußi­ schen Staaten v. 6. 2. 1794. AnfG . . . Gesetz, betr. die Anfechtung von Rechts­ handlungen eines Schuldners außerhalb d. Konkursverfahrens 9.21.7.79/20.6.98. ArbGG . . ArbeitSgertchtSgefetz v. 28. 12. 26. AufwG . . Gesetz v. 16. 7. 26 über die Aufwertung von Hypotheken und anderen An­ sprüchen. BayObLG. Sammlung von Gntscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Gegenständen des Zivilrechts. BayRpflZ . Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. DIZ . . . Deutsche Juristen-eitung. VG . . . . EinführungSgesetz -um Bürgerlichen Gesetzbuch. QI.... Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Bearbeitung der I. Kommission. Q II ... Derselbe Entwurf in der Bearbeitung der II. Kommission. FGG . . . Gesetz über die Angelegenheiten der freiwllligen Gerichtsbarkeit v. 17. 6.98. GBO . . . Grundbuchordnungv.24.8.97/20.5.98. GenG. . . Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirt­ schaft-genossenschaften 9.1.6.89/20.6.98. GewGG . . Gewerbegerichtsgesetz v. 29.9.01. GewO. . . Gewerbeordnung. GmbHG. Gesetz bett, die Gesellschaften mit be­ schränkter Haftung v. 20.4.92/20.6. 98. Gruch . . . Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot. SBG . . . GertchtSverfasfungSgesetz. HGB . . . Handelsgesetzbuch. JFG ... Jahrbuch für Entscheidungen in Ange­ legenheiten der freiwilligen Gericht-rtchtSbarkeit und des Grundbuchrechts. JRdfch . . Juristische Rundschau. IMBl. . . Justi-minifterialblatt. IW... . Suristische Wochenschrift. IWG . . Iugendwohlfahrtgesetz v. 9.7. 22. KfmGG . . Gesetz betreffend Kaufmannsgerichte v. 6. 7.04. KGI . . . Jahrbuch für Entscheidungen des KammergertchtS in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. KO ... . Konkursordnung v. 10. 2. 77/20. 6.98. LZ ... . Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht. M................. Motive zu dem von der erste« Kommis­ sion auSgearbeitetenEntwurfe des BGB. OLG . . . Rechtsprechung der OberlandeSgertchte auf dem Gebiete des Zivilrechts, heraus­ gegeben von Falkmann und Mugdan. P oder Prot Protokolle der Kommission für die -weite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, herausge­ geben von Achilles, Gebhard und Spahn. PStG . . Gesetz über die Beurkundung des Per­ sonenstandes und der Eheschließung v. 6. 2. 76/11. 6.20. RAO . . . Rechtsanwaltsordnung v. 1. 7. 78.

Zweite Ausgabe.

Berlin 1910)

RBG . . . Gesetz, betr. die Rechtsverhältnisse der Reich-beamten, v. 18.6.07. Recht . . . Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand. RFinH . . Sammlung von Entscheidungen und Gutachten des ReichSfinanzhofS. RG . . . . Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofs. — Die nicht in dieser Sammlung, sondern in anderen Zeitschriften veröffentlichten Entscheidungen sind mit dem Zusätze „81®“ aus 1. der Juristischen Wochen­ schrift, 2. Warneyers Jahrbuch, s. unten Warn, 8. GruchotS Beitrügen, 4. Seufferts Archiv, 6. Leipziger Zeit­ schrift für deutsches Recht, 6. „Das Recht", in der angegebenen Reihenfolge, mehrfach abgedruckte Entscheidungen aber nur einmal angeführt. Andere Sammlungen sind nur ausnahmsweise berücksichtigt. Die bisher überhaupt noch nicht abgedruckten Entscheidungen sind mit „R0“ nebst Datum und Akten­ zeichen angeführt. RGSt . . Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. RGBl. . . Reich-gesetzblatt. RIA . . . Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, -usammengestellt im Reichsjustizamt, jetzt RetchSjustizministertum. ROHG . . Entscheidungen des Reichsoberhandels. gertchtS RBerf . Berfassung deS Deutschen Reich» v. 11. 8. 19. RBO . . . Reichsversicherungsordnung v. 19.7.11/ 16.12. 24. SeuffA . . SeuffertS Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten StGB . . Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. StPO . . Strafprozeßordnung. UnlWG . . Gesetz gegen den unlauteren Wettbe­ werb v. 7. 6. 09. UWG . . . Gesetz über den Unterstützungswohnsitz v. 80. 6. 08. LerlG . . Gesetz über das Berlagsrecht v. 19.6. oi. BersBG. . Gesetz über den LersicherungSvertrag V. 80. 6. 08. «f - - . . Verfügung. BO. . . . Verordnung. Warn . . . Warneyers Jahrbuch der Entscheidun­ gen, ErgänzungSband 1908 ff., von 1919 ab Rechtsprechung des Reichsgerichts. WO . . . Wechselordnung. ZPO . . . Zivilprozeßordnung. ZBG . . . Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung v. 24. 8. 97/ 20. 6. 98.

Bürgerliches Gesetzbuch. Vom 18. August 1896. (Reichs-Gesetzblatt 1896, S. 195 ff.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen usw. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

Erstes Buch

Allgemeiner Teil

1. Die RechtSregel enthält ihrem Wesen nach entweder eine Gebots- oder Verbotsbestimmung und gibt dementsprechend auf privatrechtlichem Gebiete entweder ein Recht auf Leistung oder ein Recht auf Unterlassung (Untersagungsrecht). Letzteres kann auch die Gestalt eines gegen jedermann wirksamen Ausschließungsrechts annehmen. Die Befreiung von einer Gebots- oder Berbotsbestimmung, woraus sich das Recht ergibt, etwas nicht zu tun zu brauchen oder etwas tun zu dürfen (Recht auf Duldung), stellt sich als Be­ grenzung der Gebots- oder Berbotsbestimmung dar. Der Form nach ist die Rechtssatzung regelmäßig derart gestaltet, daß an einen gewissen Tatbestand eine gewisse Rechtsfolge geknüpft ist. Doch gibt es auch Rechtssatzungen, die sich nur befassen mit der Erläute­ rung eines in mehreren Rechtsregeln vorkommenden Tatbestandes (begriffsentwickelnde Rechtssätze, wie über Begriff des Wohnsitzes, des Besitzes) oder mit der Bestimmung der mehreren Rechtsregeln gemeinsamen Rechtsfolgen (Anspruch auf Wiederherstellung, Schadensersatz) oder einen aus Tatbestand und Rechtsfolge zusammengesetzten Teil aus mehreren Rechtsregeln ausscheiden und für sich behandeln, wie die Bestimmungen über den im all­ gemeinen Teile des BGB dargestellten Vertrag, der als solcher im Rechtsleben niemals geschlossen wird, sondern nur als schuldrechtlicher Vertrag, dinglicher Vertrag usw. vor­ kommt. Oft wird im Gesetz ausgesprochen, daß die gleiche Rechtsfolge eintreten soll, wie wenn ein anderer Tatbestand vorläge (Unterstellung, daß die Handlungen des Vertreters Handlungen des Vertretenen seien, Unterstellung der RüMehung); dies ist jedoch nur ein Mittel zur vereinfachten Darstellung des Rechtes, für die Erkenntnis des inneren Recktsgehalts aber ohne Wert. 2. Die Geltung des Rechtes beruht entweder auf der Anerkennung durch freie bewußte Tätigkeit des Staates (im Wege der Gesetzgebung, des Staatsvertrags oder der Verord­ nung — GefetzeSrecht, wozu auch die vom Träger der Staatsgewalt erteilten Privilegien gehören, RG IW 1911, 98927 und hinsichtlich der Regalrechte 94, 86) oder auf der durch gefestigte Übung sich kundgebenden Anerkennung der Volksgenossen (Gewohnheitsrecht). Über das Zustandekommen und das Inkrafttreten eines Gesetzes sind, da dies dem öffent­ lichen Recht angehört, in das BGB keine Bestimmungen ausgenommen (s. wegen des In­ krafttretens der Reichsgesetze Art 71 RVerf v. 11. 8.19 und in Abstimmungsgebieten RG 108, 235 sowie bezüglich der Gesetze in den früheren Konsulargerichtsbezirken und Schutz­ gebietsbezirken § 30 KonsGG v. 7. 4.00 und § 3 des SchutzgebG in der Fassung v. 10.9.00). Ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz ist auf Entschließung des Reichspräsidenten, auf

14

Allgemeiner Teil

Personen

Erster Abschnitt Personen

Erster Titel Natürliche Personen

8 1

Die Rechtsfähigkeit*) des Menschen») beginnt mit der Bollendung der Geburt»)«). E I S II 1; M 1 28 ff.; P 1 4; 6 106, 107.

1. Die allgemeine Rechtsfähigkeit, d. i. die Fähigkeit, auf dem Gebiete des bürger­ lichen Rechtes Träger von Rechten und Verbindlichkeiten zu sein, kommt einem jeden Menschen zu. Damit ist von dem BGB, das in dieser Beziehung ausschließliche Geltung beansprucht (Art 30 EG), soweit deutsche Gerichte entscheiden — nicht auch, soweit in den Schutz­ bezirken die besondere Gerichtsbarkeit über Eingeborene bestehen geblieben war (§ 4 SchutzgebG in der Fassung v. 10.9.00, § 2 VO v. 9.11.00 u. BO v. 3.6.08) —, auch die Rechtsfähigkeit des Sklaven anerkannt. Die Bestimmung des PrGes v. 9.3.57, daß Sklaven mit Betreten des preußischen Gebiets frei werden, ist vom BGB nicht übernommen. Aus der Nichtanerkennung der Sklaverei folgt nicht, daß zugleich alle Wirkungen des Dienstver­ hältnisses beseitigt wären (vgl. die zur Vorbereitung der Abschaffung der Haussklaverei in Deutsch-Ostafrika ergangene BO des RK v. 29. 11. 01). Nicht ausgeschlossen ist durch § 1 die Beschränkung der Rechtsfähigkeit hinsichtlich einzelner Rechte. Ein Unterschied zwischen Inländer und Ausländer findet jedoch in dieser Beziehung nicht statt. So ist der Schutz des Art 131 RVerf dem Ausländer nicht zu versagen (RG 111, 378). Nur ist durch Art 88 EG der Landesgesetzgebung, soweit nicht vom Reich geschlossene Staatsverträge entgegenstehen, gestattet, den Grundstückserwerb der Ausländer von staatlicher Genehmi­ gung abhängig zu machen (so Art 25 AG für Hamburg — wegen dessen Geltung gegenüber dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk s. RG 111, 40 — und Art 15 AG für Hessen). Be­ züglich Art 86 EG und Art 7 § 2 PrAG vgl. Vordem 4 vor § 21. Auch die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses begründet keinen Unterschied, unbeschadet der Befugnis der Landesgesetzgebung nach Art 87 EG, für Mitglieder religiöser Orden oder ordensähnlicher Bereinigungen die staatliche Genehmigung zu unentgeltlichem Erwerb unter Lebenden oder von Todes wegen zu fordern, von welcher Befugnis einzelne kleinere Bundesstaaten Gebrauch gemacht haben. Die Rechts- und Erwerbsfähigkeit wird durch das von den Mönchen oder Nonnen abgelegte Gelübde der Armut nicht aufgehoben, wie auch die Handlungsfähigkeit dieser Personen durch das Gelübde des Gehorsams nicht beseitigt wird (RG 97, 124; vgl. über die vermögensrechtliche Bedeutung des Klostergelübdes Brünneck in Gruch 45, 193). — Die Geschlechter sind nach dem Programmsatz des Art 109 Abs 2 RVerf in bezug auf die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten einander grundsätzlich gleichgestellt. Ebenso sind durch Art 128 Abs 2 das. auf dem Gebiete des Beamtenrechts alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte beseitigt (RG 106, 154; 110, 190). Nach BGB bestehen noch Ver­ schiedenheiten in der Stellung von Mann und Frau als Ehegatten und als Eltern, §§ 1354, 1358, 1363, 1443, 1519, 1549, 1627, 1634, 1684, 1687, 1697. — Die besondere Rechtsfähigkeit, die Frage, ob jemand ein bestimmtes Recht erwerben oder ausüben kann, ist nach den Gesetzen zu beurteilen, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgebend sind. 2. Rechtsfähig ist nur der lebende Mensch. Doch wirkt das Recht der Persönlichkeit auch nach dem Tode insofern fort, als der Leichnam bestattet werden und die in den Kirchhofs­ ordnungen bestimmte Ruhezeit eingehalten werden muß (vgl. Raußnitz im Recht 03 S. 593 bis 595). Die Hinterbliebenen (nach verwaltungsrechtlichen Vorschriften auch öffentliche Krankenhäuser, wenn kein Angehöriger des im Krankenhause Verstorbenen sich meldet) können über den Leichnam in gewissem Umfange verfügen, können ihn abbilden oder sezieren lassen. Dies Berfügungsrecht beruht auf Gewohnheitsrecht (Josef in Gruch 65, 304ff.). Einen Gegenstand sachenrechtlicher Herrschaft bildet der Leichnam (vgl. jedoch § 168 StGB) nur ausnahmsweise, wenn er zu wissenschaftlichen Präparierungszwecken einer Anatomie usw. überlassen ist. Zu einer solchen Überlassung sind die Angehörigen nur aus besondern Gründen befugt. Vgl. hierüber Gareis, Recht am menschlichen Körper, in der Festgabe für Schirmer S. 59ff., Johnsen, Die Leiche im Privatrecht S. 63ff., v. Blume im ArchZivPr 112, 367ff., Oertmann in LZ 1924, 511. Das den Hinterbliebenen zustehende Recht der Verfügung über den Leichnam beruht auf privatrechtlicher Grundlage, und es ist deshalb bei Streitig­ keiten hierüber (soweit nicht besondere landesrechtliche Vorschriften eingreifen) der Rechts-

Natürliche Personen

§ 1

15

weg nicht ausgeschlossen (RG 71, 20; 100, 172; 108, 219; IW 1913, 65218). Vorschriften darüber, wer berechtigt ist, über die Art der Beisetzung zu bestimmen, sind im BGB, das in den §§ 1968,1360 Abs 3,1615 Abs 2 nur die Pflicht zur Tragung der Begräbniskosten regelt, nicht gegeben. Maßgebend ist in erster Linie die von dem Erblasser selbst getroffene Anordnung, mit der aus § 138 folgenden Beschränkung, daß die Anordnung nicht wider die guten Sitten verstoßen darf, wozu auch ein Verstoß gegen die gute Familiensitte zu rechnen ist (RG 100, 173; IW 1912, 54019; Warn 1913 Nr 303; vgl. auch § 22 des Kunstschutzges. v. 9. 1. 07). In zweiter Linie werden nach Maßgabe der landesgesetzlichen Vor­ schriften (Art 133 EG; vgl. für Preußen ALR I111 §§ 455, 460) über die Art der Beisetzung die nächsten Familienangehörigen, der Hinterbliebene Ehegatte (SeuffA 62 Nr 88), sodann die großjährigen Kinder, äußerstenfalls die Eltern oder Großeltern zu befinden haben, so jedoch, daß die Bestattungsart keine unangemessene sein darf (vgl. LZ 1920, 666*) und daß der Erbe nicht zur Tragung unangemessen hoher Begräbniskosten verpflichtet werden kann (die in IW 1912, 54018 als naheliegend bezeichnete Ansicht, daß derjenige, welcher die Kosten der Be­ erdigung zu tragen habe, auch den Ort und die Art der Beerdigung bestimmen dürfe, ist in der späteren Rechtsprechung des Reichsgerichts nicht auftecht erhalten). Kommt eine Einigung über die Begräbnisstätte (oder den Aufbewahrungsraum für die Aschenurne) nicht zustande, so wird diejenige Meinung den Vorzug verdienen, welche den persönlichen Anschauungen des Verstorbenen am meisten Rechnung trägt (vgl. RG SeuffA 59 Nr 808). Schließt der Erblasser einen Familienangehörigen als Erben aus, so ist dies im Zweifel dahin zu verstehen, daß ihm zugleich das Bersügungsrecht über die Beerdigung hat entzogen werden sollen (a.M. Josef in Gruch 65, 308). Durch die Anordnung des Erblassers können die Angehörigen ver­ pflichtet werden, die von ihm vorgeschriebene Bestattungsart, auch die Bestimmungen über Zuweisung des Leichnams an eine Anatomie, sofern die Anordnung mit der guten Sitte vereinbar ist, zur Ausführung zu bringen. Die Klage hierauf kann auch von den Erben und von dem Testamentsvollstrecker erhoben werden. Wegen der Klage der Witwe auf Ge­ währung eines ehrlichen Begräbnisses für ihren Mann nach preußischem Recht s. RG 106,188. Aus dringenden Gründen können die Angehörigen auch die Wiederausgrabung und ander­ weite Beerdigung (Umbettung der Leiche oder Beisetzung der Ascheurnen an einem andern Ort) verlangen (RG 71, 22; 108, 220; IW 1925, 212514; SeuffA 80 Nr 95). Über das durch die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung eingeschränkte Eigentum der Gemeinde am Friedhof s. RG 100, 213. Zur Vornahme der Feuerbestattung ist nach 8 7 Nr 8 des PrGes. v. 14. 9.11 die Anordnung des Verstorbenen erforderlich. Der Besuch der Grabstätte der Mutter kann dem Kinde von dem Vater, auf dessen Grundstück die Grabstätte belegen ist, nicht unbeschränkt untersagt werden (RG 72, 251). S. Vollendet ist die Geburt mit der Trennung des Kindes vom Mutterleibe, nicht schon mit dem Beginne des Austritts. Dieser Zeitpunkt ist nur straftechtlich für das Verbrechen der Kindestötung (§ 217 StGB) von Bedeutung. Nicht nötig ist die vollständige Aufhebung des Zusammenhangs mit der Mutter durch Lösung der Nabelschnur. Auch Lebensfähigkeit ist nicht erforderlich. Vorschriften darüber, inwieweit das Kind menschliche Gestalt aufweisen muß, sind nicht gegeben, da derartige Mißbildungen nur der Sage angehören. Die Regeln über Vollendung der Geburt haben ihre Hauptbedeutung auf dem Gebiete des Erbrechts. Maßgebend ist deshalb das für die Beerbung des Erblassers geltende Recht (Artt 24, 25 EG). 4. Die Leibesfrucht kann Rechte nur haben für den Fall der Geburt. Die ihr anfallende Erbschaft und der ihr anfallende Bermächtnisanspruch ist ein durch die Geburt bedingtes Recht (88 1923 A 2, 2108, 2043 Abs 1). Schon vor der Geburt hat sie in der Person der Mutter ein Recht auf Unterhalt aus dem Erbteil (§ 1963, vgl. § 1716). Das für den Fall der Geburt ihr zu­ stehende Unterhaltsrecht kann durch Tötung des Unterhaltspflichttgen verletzt werden (8 844). Die vor der Gebutt des Kindes von dem Unterhaltspflichttgen zur Vereitlung des Unterhalts­ anspruchs vorgenommenen Rechtshandlungen können nach Maßgabe des Anfechtungsgesetzes angefochten werden (a. A. RGSt 44, 251). Der Leibesfrucht kann ferner durch Berttag zugunsten eines Dritten eine Zuwendung gemacht werden (§ 331 Abs 2). Zur Wahrung ihrer Rechte ist die Bestellung eines Pflegers zulässig (§ 1912, § 38 JWG. v. 9. 7. 22). Aber auch der noch nicht erzeugten Nachkommenschaft können für den Fall der Geburt Rechte zugewandt werden, sofern ein Dritter vorhanden ist, dem die diesem Rechte entsprechende Ver­ bindlichkeit auferlegt wird. Dies kann geschehen durch Vertrag zugunsten eines Dritten, durch Einsetzung als Nacherbe oder Hinterlassung eines Vermächtnisses — wobei jedoch für die Regel ein Schwebezustand von längerer als 30jähriger Dauer nicht geschaffen werden darf —(§§ 2101, 2109, 2162 Abs 2, 2163, 2178), durch Eintragung einer Nachkommenschaftshypothek (RG 61, 355) usw. (vgl. RG 65, 277, welches Urteil anscheinend hinsichtlich der Zulässigkeit von Zuwendungen noch weiter geht und ebenso wie RG IW 1911, 36210 der noch nicht erzeugten Nachkommenschaft geradezu eine gewisse [fingierte] Rechtspersönlichkeit beilegen will). Zur Wahrung der Rechte der Nachkommenschaft kann ein Pfleger bestellt werden (81913). Die Rechtsfähigkeit der Leibesstmcht oder Nachkommenschaft ist aber hierdurch nicht zur

Allgemeiner Teil

Personen

Anerkennung gebracht. Es wird nur ein der Rechtsfähigkeit ähnlicher Zustand dadurch erreicht, daß ihnen Rechte Vorbehalten werden können. Auch die Bestellung eines Pflegers führt nicht dazu, daß über ihre Rechte eine über den Zweck der Sicherung hinausgehende Verfügung getroffen werden kann. Der Pfleger der als Nacherben eingesetzten künftigen Nachkommenschaft kann die Verwaltung des Nachlasses niemals beanspruchen (RG LZ 1919, 124728). Eine un­ erlaubte Handlung kann gegen das neugeborene Kind nicht dadurch begangen werden, daß behufs Ausschließung des Unterhaltsanspruchs (§ 1717) eine zweite Person zur Beiwohnung in der Empfängniszeit veranlaßt wurde (vgl. Aufsätze in IW 1911 S. 696 u. 960; 1912, 555, s. auch § 1717 A 4). Über die in der Entstehung begriffene Stiftung s. 8 60 A 3.

§ 2

Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung*) des einundzwanzigsten Lebensjahrs ein2)* E I 25 H 11; M 1 52, 58; P 1 45 ff.

1. Vollendet ist daS 21. Lebensjahr nach der Berechnungsweise des § 187 Abs 2 Satz 2 mit dem Ablauf des letzten Tages des 21. Lebensjahrs, so daß der Tag der Geburt bei Berechnung des Jahres als voller Tag eingerechnet wird. Die Volljährigkeit ist privatrechtlich in vielen Beziehungen — unbeschränkte Geschäftsfähigkeit § 106, Ehemündigkeit des Mannes § 1303, Zulässigkeit der Bestellung als Vormund oder Testamentsvollstrecker §§ 1781 Nr 1,2201, Beendigung der elterlichen Gewalt, der Vormundschaft usw. — von Bedeutung und wird deshalb im allgemeinen Teile behandelt. Bedeutungsvoll ist außerdem die Vollendung des 7. Lebensjahrs (Erlangung der beschränkten Geschäftsfähigkeit nach §§ 106 ff.), des 14. Lebensjahrs nach §§ 1728 Abs 2, 1827 Abs 1 und § 59 FGG, des 16. Lebensjahrs nach §§ 1303, 2229 (vgl. auch §§ 1650 Abs 3,1658 Abs 2 RBO und 8 7 Abs 2 RuStAngG v. 22. 7. 13), des 18. Lebensjahrs nach §§ 3, 828 Abs 2, 1827 Abs 2 und des 21. Lebensjahrs (unabhängig von der Volljährigkeit) nach § 1305 Abs 1, 1726 Abs 1, 1747. 2. Wer unter früherem Recht die Volljährigkeit erlangt hat, soll in seiner Rechtslage, wennschon diese nicht als ein wohlerworbenes Recht sich darstellt, durch Einführung des BGB nicht verschlechtert werden. Es verbleibt ihm deshalb die Volljährigkeit, die nach BGB ihm nicht zustehen würde, während ihre Wirkungen unter der Herrschaft des BGB sich lediglich nach diesem bestimmen (Art 153 EG). Aus gleichem Grunde ist, was die örtliche Herrschaft deS Gesetzes betrifft, von dem allgemeinen Grundsätze, daß sich die Volljährigkeit nach dem Recht der Staatsangehörigkeit richtet, die Ausnahme zugelassen, daß der Ausländer, der die Reichsangehörigkeit erwirbt, die nach bisherigem Recht ihm zustehende Rechtsstellung eines Volljährigen beibehält (Art 7 Abs 1 u. 2 EG). Im Interesse der Verkehrssicherheit ist die weitere Ausnahme gemacht, daß sich der im Jnlande ein Rechtsgeschäft abschließende Ausländer für dieses Rechtsgeschäft, soweit dies für den Bestand des Geschäfts günstiger ist, die Be­ urteilung seiner Geschäftsfähigkeit nach inländischem Recht gefallen lassen muß (Art 7 Abs 3). Auf Rechtsgeschäfte des Pamilienrechts oder Erbrechts und auf Rechtsgeschäfte über ausländische Grundstücke ist diese Ausnahme, da hier das Berkehrsinteresse zurücktritt, nicht aus­ gedehnt. Über die Prozeßfähigkeit des Ausländers s. 8 55 ZPO.

§ 8

Ein Minderjähriger, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet Ijat1), kann durch Beschluß des Bormnndschaftsgerichts für volljährig erklärt werden2)2). Durch die Volljährigkeitserklärung erlangt der Minderjährige die rechtliche Stellung eines Volljährigen«). E I 26, 27 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 II 12, 13 Abs 1 Satz 1; M 1 53 ff.; P 1 49 ff.; 6 882.

1. Das 18. Lebensjahr ist vollendet mit Beginn des 19. Geburtstages (vgl. 8 2 A 1). 2. Dem Vormundschaftsgericht ist die Befugnis gegeben, die Mnderjährigkeit im ge­ gebenen Falle dadurch abzukürzen, daß es den Minderjährigen für volljährig erklärt, womit nicht eine einzelne gesetzesgleiche Rechtsvorschrift (durch Erteilung eines Privilegs) erlassen, sondern eine Berwaltungshandlung vorgenommen wird (a. A. namentlich Enneceerus 8 43 12). Der Beschluß wird wirksam mit der Rechtskraft (88 56 Abs 2,60 Nr 6,22 FGG). Beschwerdeberechtigt ist nach 8 20 das. — die Vorschrift des 8 57 Abs 1 Nr 9 kommt wegen Abs 2 und 8 60 Nr 6 hier nicht zur Anwendung —, wer durch die Volljährig, keitserklärung in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Hauptsächlich kommen hierbei in Betracht der für volljährig Erklärte, da dieser ein Recht auf Fortbestehen des Vormundschaftlichen Schutzes bat, sein gesetzlicher Vertreter in persönlichen Angelegenheiten sowie

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§§ 1—4

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der Gewalthaber auch bann, wenn seine Einwilligung zur Volljährigkeitserklärung nach § 4 nicht erforderlich ist. Diesen Personen ist daher — mit Ausnahme des Gewalthabers, gegen den das Ruhen der elterlichen Gewalt nach § 1677 von dem Vormundschaftsgericht festgestellt ist (KGJ 37 A 51) — der Beschluß zuzustellen (§ 16 Abs 1 FGG). Nicht beschwerdeberechtigt ist der zur Ausführung der Zwangserziehung verpflichtete Kommunal­ verband (KGJ 34 A 72). Die Verwandten können ein Beschwerderecht nicht darauf stützen, daß sie bei Volljährigkeitserklärung nach dem Testament des Erblassers schlechter gestellt sind (RIA 13, 74). Auf einen späteren Zeitpunkt als den der Rechtskraft des Beschlusses kann die Wirksamkeit der Bolljährigkeitserklärung nicht hinausgeschoben werden (a. A. HölderAl). Ist die Volljährigkeitserklärung (vgl Art 147 EG) einer Zentralbehörde übertragen, wie dem Justizminister in Bayern und Sachsen, so tritt die Bolljährigkeitserklärung, da eine Beschwerde tticht stattftndet, sofort mit der Bekanntmachung an den Minderjährigen in Wirksamkeit (§ 196 FGG). Die Volljährigkeitserklärung ist nur zulässig, wenn die vom Gesetz für unbedingt wesentlich erachteten Voraussetzungen des § 3 Abs 1 u. § 4 vorliegen. Ihr Fehlen hat zur Folge, daß die Bolljährigkeitserklärung als ungültig aufgehoben werden muß (a. A. Planck A 5, Staudinger A 4, Ortmann A 2), wodurch jedoch die Gültigkeit der bisher von dem Minder­ jährigen oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte (Rechtshandlungen) nicht beeinträchtigt wird (§ 32 FGG). Die Aufhebung kann nur von dem Vormundschaftsgericht oder dem übergeordneten Gericht, nicht im Prozeßwege ausgesprochen werden. Nur eine Sollvorschrift enthält § 56 Abs 1 FGG, welcher zur Volljährigkeitserklärung den Antrag des Minderjährigen oder seines gesetzlichen Vertreters in persönlichen Angelegenheiten (vgl. § 1631A1) erfordert. Über das Vorhandensein der Voraussetzung des § 5 hat das Vormundschaftsgericht nach pflichtmäßigem Ermessen zu befinden; ein Anspruch des Minder­ jährigen besteht nicht (streitig). S. Die Bolljährigkeitserklärung eines Deutschen steht ausschließlich der deutschen Behörde zu. Der Beschluß der ausländischen Behörde würde für deutsche Gerichte keine Wirksamkeit haben. Gleicherweise hat die deutsche Behörde sich der Bolljährigkeitserllärung des A«SläNders zu enthalten, falls nicht das Recht des Heimatsstaats die Wirksamkeit des Beschlusses anerkennt. 4. Der für volljährig Erllärte hat auf dem Gebiete des Privatrechts die gleiche Rechts­ stellung wie der Volljährige, auch hinsichtlich der Ehemündigkeit (§ 1303), die der Mann vor Vollendung des 21. Lebensjahrs nur durch die Bolljährigkeitserllärung erreichen kann. Zur Verheiratung des Kindes ist ausnahmsweise die elterliche Einwilligung nach § 1305 bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs erforderlich. Einschränkungen in bezug auf die Wirkung der Bolljährigkeitserklärung können im Beschlusse nicht festgesetzt werden. Ist durch Privat­ willenserklärung der Erwerb von Rechten von der Vollendung des 21. Lebensjahrs ab­ hängig gemacht, so ist zu untersuchen, ob nach dem Willen des Erklärenden die Bolljährigkeitserllärung dem gleichsteht. Auch für das öffentliche Recht hat 8 3 Abs 2 an sich keine Geltung, falls nicht die einzelne Vorschrift die Volljährigkeit im Sinne des bürgerlichen Rechts versteht. Nach dem RuStAngG v. 22. 7. 13 kann, was die Wirkung der Aufnahme, der Einbürgerung oder des Verlustes der Staatsangehörigkeit auf die Kinder betrifft, ein Zweifel in dieser Be­ ziehung nicht mehr aufkommen, da das Ges. in §§ 16, 29 von den kraft elterlicher Gewalt ge­ setzlich vertretenen Kindern spricht.

§ 4

Die Bolljährigkeitserklärung ist nur zulässig, wenn der Minderjährige seine Einwilligung erteilt*). Steht der Minderjährige unter elterlicher Gewalt, so ist auch die Ein­ willigung des Gewalthabers erforderlich, es sei denn, daß diesem weder die Sorge für die Person noch die Sorge für das Vermögen des Kindes zusteht?). Für eine minderjährige Witwe ist die Einwilligung des Gewalthabers nicht erforderlich^). E I 27 II 13 Abs 1; M 1 55 ff.; P 1 49 ff.

1. Der durch die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit dem Minderjährigen gewährte Schutz soll ihm ohne seine Einwilligung nicht entzogen werden dürfen. Die Einwilligung hat der Minderjährige persönlich zu erteilen, und zwar in solcher Weise, daß die Absicht, sie zur Kenntnis des Bormundschaftsgerichts gelangen zu lassen, hieraus erhellt (a. A. Dernbürg I § 61 II 1, der Erklärung gegenüber dem Vormundschaftsgericht fordert, wenn auch die Erllärung durch einen Dritten übermittelt werden könne, ähnlich Hölder A 1, während Planck A 1 und andere von jeder Beschränkung absehen wollen). Die Einwilligung kann bis zur Rechtskraft des die Bolljährigkeitserklärung aussprechenden Beschlusses widerrufen BGB, Kommentar von Reichsgerichtsräten. I. Bd. 7. Aufl. (Sayn.) 2

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werden, was durch Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluß geschehen kann. Die nur für Rechtsgeschäfte geltenden Bestimmungen der §§ 182, 183 können hier nicht zur Anwen­ dung kommen. 2. Dem Gewalthaber ist das Recht der Einwilligung nicht im Interesse des Kindes, sondern im eigenen Interesse gegeben. In der Verweigerung der Einwilligung kann deshalb niemals ein Mißbrauch der elterlichen Gewalt gefunden werden. Nicht nötig ist die Einwilligung, wenn der Gewalthaber die Sorge für die Person und das Vermögen verloren hat, und zwar auch in dem Falle nicht, daß das Recht zur Vertretung des Kindes ihm verblieben sein sollte (vgl. § 1627 AI — abw. Planck A 3 Abs 5). Das Recht der Einwilligung stellt sich nicht als eine Vertretungshandlung dar, sondern hat in dem Recht der Sorge für die Person und das Vermögen seine sachliche Grundlage. Das Recht der Sorge für das Vermögen fehlt nicht etwa schon dann, wenn tatsächlich das Kind kein Vermögen besitzt (OLG 9, 445). Darüber, wann die elterliche Gewalt der Mutter zusteht, vgl. § 1684. Einwilligungsberechtigt ist die Mutter, nicht der Vater, wenn sie nach § 1685 zur Ausübung der elterlichen Gewalt berechtigt ist. Auch in dem Falle des § 1676 Abs 2, wenn die elterliche Gewalt des Vaters wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit usw. unter Belassung des Rechtes der Sorge für die Person des Kindes ruht, hat die Mutter die Einwilligung zu erteilen, da in diesem Falle bei Meinungsverschieden­ heiten der Eltern die Meinung der Mutter vorgeht. Trotz des Verlustes des Einwilligungs­ rechts verbleibt dem Inhaber der elterlichen Gewalt das Recht der Beschwerde nach § 20 FGG gegen den auf Volljährigkeitserklärung lautenden Beschluß. Das Recht der Beschwerde ge­ bührt auch der Mutter wegen des nach § 1635 ihr zukommenden Personensorgerechts. 3. Durch die Verheiratung der Tochter geht dem Gewalthaber das Recht der Vertretung in ihren persönlichen Angelegenheiten nicht verloren (§ 1633). Die Sachlage ist aber, wenn die Tochter einmal verheiratet war, regelmäßig eine solche, daß es unbillig sein würde, die von ihr erstrebte Volljährigkeitserklärung an dem Widerspruch des Gewalthabers scheitern 511 lassen. Die hier zugunsten der minderjährigen Witwe getroffene Bestimniung darf auf die minderjährige geschiedene Ehefrau ausgedehnt werden (a. A. Planck A 4, Oertmanu A 2 b).

§ 5 Die Bolljährigkeitserklärung soll nur erfolgen, wenn fie das Beste des Minderjährigen befördert*). E I 27 II 13 Abs 2; M 1 55 ff.; P 1 51, 52.

1. Dem Vormundschaftsgericht ist hierdurch die selbstverständliche Pflicht eingeschärft, vor Entscheidung über die Bolljährigkeitserklärung eine Prüfung eintreten zu lassen, ob sie zum Besten der Minderjährigen (gereicht. Dabei ist nicht bloß auf das wirtschaftliche Wohl des Kindes, sondern auf die gesamten Lebensverhältnisse Rücksicht zu nehmen. Auch sittliche Rück­ sichten können von Bedeutung sein, z. B. der Umstand, daß der Minderjährige Gelegenheit erhält, die von ihm Geschwängerte zu ehelichen und dem zu erwartenden Kinde die Rechte eines ehelichen Kindes zu verschaffen, dadurch aber einer sittlichen Pflicht §11 genügen (OLG 9, 441, 443).

8 6 Entmündigt*) kann werden: 1. wer infolge von Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche?) seine Angelegenheiten nicht z« besorgen vermag?); 2. wer durch Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Not­ standes aussetzt^); 3. wer infolge von Trunksucht?) seine Angelegenheiten nicht z« besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet. Die Entmündigung ist wiederauszuheben?), wenn der Grund der Ent­ mündigung wegfällt?). E I 28, 29, 1739 ll 14; M 1 60 ff.; P 1 31 ff.; 4 839 ff.; 6 112, 121.

1. Die Entmündigung darf bei Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen trotz des Ausdrucks „kann" nicht etwa nach Ermessen des Gerichts wegen Fehlens eines Bedürf­ nisses abgelehnt werden. Sie wird wirksam mit Zustellung des Beschlusses an den Entmündig­ ten, im Falle der Entmündigung wegen Geisteskrankheit mit Zustellung an den gesetzlichen Vertreter in persönlichen Angelegenheiten (vgl. § 1631 A 1) oder, wenn ein solcher fehlt, mit

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Bestellung des Vormundes (§§ 661, 683 ZPO). Wird die Entmündigung ausgesprochen, so hat dies rechtsgestaltende Wirkung (RG 21. 10. 07 IV 88/07). Sollte selbst die Entmündigung zu Unrecht erfolgt sein, so bleibt sie bis zur Wiederaufhebung in Kraft. Das Ent­ mündigungsverfahren ist durch §§ 645 ff. ZPO geregelt. Das Verfahren findet nur aus Antrag statt. Das Gericht ist aber an den Antrag nicht in der Weise gebunden, daß es, wenn die Entmündigung wegen Geistesschwäche beantragt ist, verhindert wäre, die Entmündigung wegen Geisteskrankheit zu beschließen (RG IW 00,867; 1915, 1263°; a. A. Staudinger v 2, Planck A 5). Ebensowenig ist das Prozeßgericht gehindert, an Stelle der im Entmündigungs' verfahren festgestellten Geistesschwäche Geisteskrankheit anzunehmen (RG 21.10.07 IV 88/07). Antragsberechtigt ist bei Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche auch die Staatsanwaltschaft (§ 646 Abs 2) — über die ihr zu machende Anzeige von der Aufnähme in eine Irrenanstalt vgl. AVf des PrJM v. 28. 11. 99 —, bei Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht nach Maßgabe landesgesetzlicher Bestimmungen (§ 680 Abs 5) auch die Gemeinde und der Armenverband, nicht aber die Aufsichtsbehörde (RG 28. 2. 07 IV 429/06). Der Beschluß kann binnen Monatsfrist, welche Frist sür den Entmündigten erst von Kenntnis des Entmündigungsgrundes läuft (s. hierüberRG 68,402; 107,28; LZ 1923,398; Wiedereinsetzung unzulässig RG Warn 1918 Nr 91), durch Klage angefochten werden, falls die Voraussetzungen der Entmündigung zur Zeit des Erlasses des Entmündigungsbeschlusses nicht gegeben waren. Prozeßgegner des Entmündigten (der für den Prozeß als prozeßfähig gilt) ist der Staatsanwalt des Landgerichts, der die Beklagtenrolle für die folgenden Instanzen beibehält, so daß ihm die Rechtsmittelschrift zugestellt werden darf (RG IW 1915, 1263°), bei der Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht der Antragstellet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er zur Stellung des Antrags berechtigt war und ob die Berechtigung später weggefallen ist (RG 30.10. 07 IV 303/07). Das im Anfechtungs­ prozeß ergangene Urteil wirkt für und gegen alle (RG 108, 133; Gruch 58, 1066). Das Ent­ mündigungsverfahren kann aus den in § 6 Nr 1—3 angeführten Gründen auch gegen einen Minderjährigen eingeleitet werden, damit nach Vollendung des 21. Lebensjahrs keine Unter­ brechung der Fürsorge eintritt (vgl. § 646 ZPO). Stellt sich heraus, daß die wegen Geistes­ krankheit angeordnete Entmündigung nur wegen Geistesschwäche, wegen Verschwendung oder Trunksucht gerechtfertigt ist, so kann die Aufhebung der Entmündigung und die neue Entmündigung in demselben Verfahren beschlossen werden (vgl. RG Gruch 47, 897). Ebenso ist es zulässig, den wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche gestellten Entmündigungs­ antrag im Laufe des Verfahrens mit einem solchen wegen Verschwendung zu verbinden (RG 108, 308). Über die Verwendbarkeit der Beweisverhandlungen des amtsgerichtlichen Entmündigungsverfahrens für den Anfechtungsprozeß s. RG 81, 193. 2. Die Unterscheidung zwischen Geisteskrankheit und Geistesschwäche beruht nicht auf einer Verschiedenartigkeit der Krankheitsform, sondern hat in praktischen Rücksichten ihren Grund. Die Fähigkeit, sich durch vernünftige Beweggründe leiten zu lassen, ist bei dem Geisteskranken infolge krankhafter Vorstellungen oder Triebe so gering, daß er einem Kinde gleich­ steht (vgl. § 104 Nr 2), während diese Fähigkeit bei einem Geistesschwachen noch so weit vor­ handen ist, daß er einem Minderjährigen gleichgestellt werden kann (§ 114). Geisteskrankheit und Geistesschwäche sind somit nur dem Grade nach voneinander verschieden (RG 50, 203). Geistesschwäche ist nicht bloß vorhanden im Falle angeborenen oder später durch Entwicklungs­ hemmung erworbenen Schwachsinns. Cie kann auch trotz vorhandenen Intellekts bei einer auf psychopathischer Grundlage beruhenden Entartung des Charakters (des Gefühls- und Trieblebens) vorhanden sein (RG IW 1925, 937°). Das Vorliegen einer Geisteskrank­ heit oder Geistesschwäche setzt voraus, daß nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft eine Störung der Geistestätigkeit festzustellen ist, worüber der Richter nach §§ 655, 671 ZPO nur nach Anhörung von Sachverständigen entscheiden kann. Erst auf dieser Grundlage kann die Entscheidung ergehen, inwieweit die Geschäftsfähigkeit beeinflußt wird, ob Geisteskrankheit oder ob Geistesschwäche anzunehmen ist (RG Warn 1917 Nr 233). Die letztere Frage ist eine Rechtsfrage, über welche dem Richter selbständig die Entscheidung zusteht, ohne daß er an den Ausspruch der als Sachverständigen gehörten Ärzte gebunden ist (RG Gruch 49,882). Durch das Bestehen lichter Zwischenräume wird das Vorhandensein der Geisteskrankheit im Sinne des § 6 nicht ausgeschlossen. Auch im übrigen deckt sich der Begriff der Geisteskrankheit des § 6 nicht mit dem der krankhaften Störung der Geistestätigkeit im Sinne des § 104 Nr 2, welche Vorschrift weitergehend auch die Geistesschwäche umfaßt (RG IW 09, 411°; 1911,1791). Die Geschäfts­ unfähigkeit einer Person kann für ein bestimmtes Rechtsgeschäft nach 8104 Nr 2 angenommen werden, obschon sie in Rücksicht auf ihre allgemeinen geistigen Fähigkeiten nach § 6 nur wegen Geistesschwäche entmündigt werden könnte. Der Prozeßrichter wird übrigens dadurch, daß die Entmündigung nur wegen Geistesschwäche ausgesprochen ist, nicht gehindert, das Vor­ handensein von Geisteskrankheit festzustellen. Besondere Voraussetzungen hinsichtlich der Geisteskrankheit gelten nach g 1569 für die Scheidung der Ehe. An die Geistesschwäche schließt sich als leichtere Form die geistige Gebrechlichkeit (geistige Unbeholfenheit u. dgl.) an, 2*

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welche einen Grund zur Einleitung der Pflegschaft, nicht zur Entmündigung gibt, auch nicht eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit zur Folge hat (§ 1910). 3. Geisteskrankheit oder Geistesschwäche führt nur dann zur Entmündigung, wenn der hiervon Betroffene die Gesamtheit seiner Angelegenheiten — worunter nicht bloß die 83erMögensangelegenheiten, sondern auch die persönlichen Angelegenheiten zu verstehen sind, auch diejenigen, welche sich auf die Sorge für die eigene Person beziehen — nicht zu besorgen vermag (RG 50, 25; 52, 244; SeuffA 66 Nr 24). Beschränkt sich die Störung der Geistes­ tätigkeit auf einzelne oder einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten, so kann nur durch Einleitung einer Pflegschaft (§ 1910) geholfen werden. Die Entmündigung wird aber nicht dadurch ausgeschlossen, daß der zu Entmündigende zur Besorgung gewisser Angelegenheiten, sei es wegen ihrer Einfachheit, sei es wegen der erlangten Übung oder aus andern Gründen, befähigt bleibt (RG Warn 08 Nr 111; 1910 Nr 309). Anlaß zur Entmündigung ist insbe­ sondere gegeben in Fällen des Querulantenwahnsinns, wenn die krankhaften Vorstellungen den Geisteskranken derart beherrschen, daß dadurch seine gesamten Lebensverhält­ nisse mehr oder minder in Mitleidenschaft gezogen werden (RG 18. 3. 07 IV 399/06 — nach RG Warn 08 Nr 1 genügt es, wenn die Geisteskrankheit hauptsächlich bei der Prozeßführung und im Verkehr mit Staatsbehörden zutage getreten ist, ebenso RG 17. 5. 24 IV 532/23, wo der Entmündigte aus krankhaftem Mißtrauen und Verfolgungswahn in zahlreichen Fällen unbegründete Eingaben und Beschwerden an Behörden gerichtet, aussichtslose Rechtsstreitigkeiten geführt und sich in Konflikt mit den Strafbehörden gebracht, in solcher Weise aber seine Zeit und Kraft einer unfruchtbaren und krankhaften Tätigkeit geopfert und dadurch seine gesamten Lebensverhältnisse gefährdet hatte). Die Unfähigkeit zur Besorgung der An­ gelegenheiten braucht noch nicht die Wirkung gehabt zu haben, daß die Angelegenheiten tatsächlich in Verwirrung geraten sind. Über die Zulässigkeit einer Pflegschaft auch bei Un­ fähigkeit zur Besorgung der gesamten Angelegenheiten s. § 1910 A 1. 4. Als Verschwender ist nicht schon anzusehen, wer unverhältnismäßig große Ausgaben oder Schulden macht. Die unwirtschaftlichen Aufwendungen müssen, wie das RG IW 05, 1661 sagt, in Zusammenhang stehen mit persönlichen Eigenschaften, die, wie z. B. Leicht­ sinn, Liederlichkeit, Prunkliebe u. dgl., einen Hang zu unvernünftigen Ausgaben erkennen lassen. Ein solcher Hang wird um so eher anzunehmen sein, wenn es sich um zweck- und nutz­ lose Ausgaben handelt, was indes keine unbedingte Voraussetzung der Verschwendung bildet (a. A. Staudinger B II 2c). Der Hang kann in unangebrachter Vertrauensseligkeit begründet sein (so RG LZ 1917, 9664; in diesem Falle hatte der in hohem Alter stehende und geistig gebrechliche Mann sein gesamtes, nicht unerhebliches Vermögen an seine Wirtschafterin nur gegen die Pflicht der Unterhaltsgewährung ohne jede Sicherung weggegeben). Zum Begriff der Verschwendung ist nicht erforderlich, daß die Aufwendungen dem eigenen Vorteil des Ausgebenden dienen, und es ist ebensowenig nötig, daß der Hang zur Ver­ schwendung sich unterschiedslos einem jeden gegenüber zeigt (RG SeuffA 63 Nr 266; Warn 1911 Nr 314). Die Verschwendungssucht einer Person kann sich darin betätigen, daß sie dem Reize zum Erwerbe von Kunstgegenständen nicht widerstehen kann, obschon nach ihren Bermögensverhältnissen der Ankauf unvernünftig erscheint. Auch eine verschwenderische Ge­ schäftsführung, die auf einem Hange zu sinnloser Vergeudung beruht, kann zur Entmündigung Anlaß geben, desgleichen die auf persönlichen Eigenschaften beruhende Vernachlässigung der Wirtschaft, wenn sie einen so hohen Grad erreicht, daß hierdurch der wirtschaftliche Verderb herbeigeführt werden muß (vgl. M 1, 64, Proti,72f.). Das RG(IW 1914,862*) hat die Ent­ mündigung aus diesem Grunde in einem Falle ausgesprochen, wo der Entmündigte längere Zeit hindurch sich um die Wirtschaft nicht gekümmert hatte, die Ernte auf dem Felde hatte verkommen lassen und das Land nicht wieder bestellt, sonst aber sparsam gelebt hatte. Mit Entmündigung kann erst vorgegangen werden, wenn der Verschwender es dahin kommen läßt, daß er selbst oder seine Familie, das sind die Angehörigen, die gesetzlich ein Recht auf Unterhalt haben, der Gefahr deS Notstandes ausgesetzt sind. Die Gefahr eines Notstandes für die Familie liegt vor, wenn auch nur die Ehefrau davon bettoffen wird (RG 3. 6. 12 IV 621/11). Ist die Gefahr nach Lage der Sache nicht zu besorgen, weil er z. B. nur über einen Teil seines Vermögens verfügen kann oder ihm noch andere Hilfsquellen zu Gebote stehen, so muß die Entmündigung unterbleiben. Die Gefahr des Notstandes wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Familienmitglieder durch zweckentsprechende prozessuale Maßregeln sich würden schützen können. Auch die Beschlagnahmefreiheit eines Teiles der Einkünfte (vgl. § 850 ZPO) sichert nicht unter allen Umständen gegen die Gefahr des Notstandes. Es kann die Gefahr bestehen, daß der Verschwender die ihm hiernach zur Verfügung bleibenden Mittel ebenfalls zur Befriedigung seiner verschwenderischen Neigungen verwendet. 5. Verwandt mit dem Begriff der Verschwendung ist der Begriff der Trunksucht. Er­ forderlich ist ein derartiger krankhafter Hang zum Genuß geistiger Getränke, daß die Kraft, diesem Anreiz zu widerstehen — wobei natürlich von außergewöhnlichen Vorkommnissen

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abzusehen ist —, verlorengegangen ist (RG IW 02 Beil 280230). Ein solcher Hang ist nicht anzunehmen, wenn das Trinken auch nur aus Furcht vor der drohenden Entmündigung ein­ geschränkt ist (RG Warn 1913 Nr 1; vgl. § 681 ZPO). Notgedrungene Enthaltsamkeit z. B. infolge der Kriegsteuerung ohne innere Abkehr vom Alkohol behebt die Trunksucht noch nicht (RG Warn 1919 Nr. 129). Weiter wird erfordert, daß die Entmündigung nötig ist im In­ teresse des Trunksüchtigen oder seiner Familienmitglieder, die sonst der Gefahr des Notstandes ausgesetzt sein würden (vgl. A 4), oder im öffentlichen Interesse, weil infolge der durch die Trunksucht eingetretenen Neigung zu Gewalttätigkeiten oder rücksichtslosem Borgehen die Sicherheit anderer gefährdet wird. Das Interesse des Trunksüchtigen läßt die Entmündigung auch dann als nötig erscheinen, wenn er infolge der Trunksucht, insbesondere wegen des hierdurch herbeigeführten Rückgangs seiner geistigen Fähigkeiten, seine Angelegenheiten nicht mehr zu besorgen vermag