Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage: Streitgegenstand, verfassungsrechtliche Grundlagen, verwaltungsprozeßrechtliche Voraussetzungen, Wirkungen [1 ed.] 9783428518043, 9783428118045

Das Bescheidungsurteil ist in einer Zeit, in der die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von Ansprüchen der Bü

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Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage: Streitgegenstand, verfassungsrechtliche Grundlagen, verwaltungsprozeßrechtliche Voraussetzungen, Wirkungen [1 ed.]
 9783428518043, 9783428118045

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Schriften zum Prozessrecht Band 197

Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage Streitgegenstand, verfassungsrechtliche Grundlagen, verwaltungsprozeßrechtliche Voraussetzungen, Wirkungen

Von Christian Bickenbach

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN BICKENBACH

Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage

Schriften zum Prozessrecht Band 197

Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage Streitgegenstand, verfassungsrechtliche Grundlagen, verwaltungsprozeßrechtliche Voraussetzungen, Wirkungen

Von

Christian Bickenbach

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Wintersemester 2004 / 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-11804-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2004 / 2005 als Dissertation angenommen und im Sommersemester 2005 mit dem Preis der Johannes Gutenberg-Universität ausgezeichnet. Ich danke besonders Herrn Univ.-Prof. Dr. Friedhelm Hufen, der die Arbeit nicht nur angeregt und betreut hat, sondern mir während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl zugleich die Rahmenbedingungen geboten hat, die wissenschaftliches Arbeiten erst ermöglichen: zeitlichen Freiraum, um Ideen entwickeln zu können, und die inhaltliche Freiheit sie auszuformulieren. Ich danke Herrn Univ.-Prof. Dr. Hans Heinrich Rupp, der das Zweitgutachten erstellt hat und mit dem ich manches Gespräch führen durfte. Seine Habilitationsschrift hat wie auf viele Generationen von Wissenschaftlern zuvor auch auf mich gewirkt. Mein Dank gilt gleichermaßen allen ehemaligen und derzeitigen Mitarbeitern am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht, die stets für ein sehr angenehmes Arbeitsklima gesorgt und damit zum Entstehen der Arbeit beigetragen haben. Hervorheben möchte ich Susanne Deuschel, Sebastian Gärtner und Dr. Martin Holle. Sie haben jeweils Teile Korrektur gelesen. Schließlich danke ich besonders herzlich meinen Eltern. Sie haben die Entstehung der vorliegenden Arbeit immer unterstützt und gefördert. Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand der Veröffentlichungen bis Juni 2005. Mainz, im Juli 2005

Christian Bickenbach

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung

19

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

1. Teil

Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

28

1. Kapitel Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

28

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

B. Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. Prozessualer Anspruch und materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

I. Der materielle Anspruch als Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

II. Der prozessuale Anspruch als Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

III. Der prozessuale Anspruch und seine materiell-rechtlichen Implikationen . . . . . . .

32

1. Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

2. Staatliche Eingriffsbefugnisse und Verfassungsrecht als materiell-rechtliche Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

D. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

I. Überblick über die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

8

Inhaltsverzeichnis 2. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . .

36

II. Verpflichtungsklage und subjektiv-öffentliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Der mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch auf Gesetzeserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

a) Der Anspruch auf Gesetzeserfüllung als materiell-rechtliche Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

b) Der prozessuale Anspruch auf Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. Der mit der Versagungsgegenklage verfolgte Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Der Antrag auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der verwaltungsgerichtlichen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

b) Rechtsnatur des Ablehnungsbescheids und seine belastende Wirkung . . . .

46

aa) Verwaltungsakteigenschaft des Ablehnungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . .

47

bb) Belastende Wirkung des Ablehnungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

cc) Fähigkeit zur formellen und materiellen Bestandskraft . . . . . . . . . . . . . .

49

c) Der Beseitigungsanspruch als materiell-rechtliche Voraussetzung . . . . . . . .

51

aa) Unterlassungspflicht und Freiheitsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

bb) Grundrechtlicher Unterlassungsanspruch und materieller Rechtsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

cc) Anspruch auf Unterlassung der Nichterfüllung positiver subjektivöffentlicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

d) Der prozessuale Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids . . . . .

59

3. Das Verhältnis von Aufhebungsanspruch und Anspruch auf Gesetzeserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

a) Objektive Klagehäufung oder gestuftes Anspruchsverhältnis . . . . . . . . . . . . .

62

b) Ergebnisrichtigkeit und Anspruchserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

4. Folgen der Streitgegenstandsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Nichteintritt der Bestandskraft von Ablehnungsbescheiden . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Analoge Anwendung von § 79 VwGO auf die Versagungsgegenklage . . . .

66

c) Die Bedeutung des Verwaltungsverfahrensrechts für Ablehnungsbescheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

III. Der Sonderfall „Untätigkeitsklage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Inhaltsverzeichnis

9

2. Kapitel Der Bescheidungsantrag

69

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

I. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

II. Terminologie: Bescheidungsantrag oder Bescheidungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

B. Statthaftigkeit eines Bescheidungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

I. Bescheidungsantrag und subjektiv-öffentliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

II. Dispositionsmaxime und Kostenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

C. Der Wechsel zwischen Verpflichtungs- und Bescheidungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

3. Kapitel Verfassungsrechtliche Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

80

A. Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG . . . . . . .

80

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

II. Normgeprägter Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

III. Leitlinien für einen wirksamen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Allgemeine Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

2. Vollständige Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . .

82

IV. Individualrechtsschutz und objektive Rechtmäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

V. Wirksamer Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

VI. Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

B. Die Gewaltenteilung im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

II. Kritik an der vorgrundgesetzlichen Sicht der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

III. Die grundgesetzliche Konstituierung der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

1. Die Gewaltenteilung als Funktionenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Die Funktionenzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

10

Inhaltsverzeichnis 3. Die Funktionenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

a) Der Verantwortungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

b) Verantwortung und Kompetenzsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

IV. Das Spannungsverhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit

96

1. Eigenständigkeit und Gleichrangigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

2. Gründe für die Diskussion über die Arbeitsteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

3. Rechtliche Grundlagen behördlicher Eigenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Unscharfer Kernbereich und unbestimmter Vorbehaltsgedanke . . . . . . . . . . . 100 b) Ermessens-, Planungs- und Beurteilungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Bedeutung der Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 V. Kommunale Selbstverwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Die Doppelfunktion der Selbstverwaltungskörperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Gesetzlicher Gestaltungsvorbehalt und Krise der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

2. Teil

Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

111

1. Kapitel Fehlende Spruchreife als Voraussetzung für ein Bescheidungsurteil

111

A. Spruchreife: Ein prozessualer, auf das materielle Recht bezogener Begriff . . . . . . . . . . 111 B. Das Herbeiführen von Spruchreife in der Praxis der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . 112 I. Beispiele aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Herbeiführen von Spruchreife und gerichtlicher Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . 114 C. Die Gründe für das Herbeiführen von Spruchreife – eine kritische Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Die Gewährleistung wirksamen subjektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Vollständige Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . 117

Inhaltsverzeichnis

11

2. Die Dauer gerichtlicher Verfahren und das Herbeiführen von Spruchreife . . . . 119 a) Sachverhaltserforschung und vorteilhafte Vorwirkungen gerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Beweisaufnahmen, Verfahrensdauer und Gerichtsausstattung . . . . . . . . . . . . 122 3. Prozeßökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und Dispositionsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und Mitwirkungspflicht der Behörde . . . 127 3. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung . . . 128 4. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und richterliche Neutralität . . . . . . . . . . . . . 128 III. Die durch die Rechtswidrigkeit verursachte Rechtsverletzung und das Herbeiführen von Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Die Trennung von Regelung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Das Herbeiführen von Spruchreife und das Nachschieben von Gründen . . . . . . 130 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 D. Die Grenzen für das Herbeiführen von Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Das Fehlen von Spruchreife aus rechtlichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Das Verwaltungsermessen als Grund für das Fehlen von Spruchreife . . . . . . . . . 135 a) Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Ermessenslehre . . . . . 135 b) Ermessen und Spruchreife in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Fachplanerische Entscheidungen und Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Planungsermessen und Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Fachplanerische Entscheidungen und Spruchreife in der Rechtsprechung 145 3. Behördliche Beurteilungsspielräume und Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Lehre vom Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Beurteilungsspielräume und Spruchreife in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . 150 4. Weitere Gründe für das Fehlen von Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Verbindliche Risikobewertung durch die Behörde und Komplexität des Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Fachbehördliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Anspruchssicherung durch Nebenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

12

Inhaltsverzeichnis II. Das Herbeiführen von Spruchreife durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen . . 157 1. Kritik am Herbeiführen von Spruchreife in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Gegenstand der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Rechtliche Grundlage der Kritik: Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Folgen der Kritik für das Herbeiführen von Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Das Herbeiführen von Spruchreife zwischen unzulässiger Sachverhaltserforschung und gerichtlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Funktionaler Zusammenhang zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Behördliche Verantwortung für die Informationssammlung und Informationsverarbeitung nach dem VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Die Informationssammlung durch die Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Sachverhaltsermittlung gemäß §§ 24, 26 VwVfG . . . . . . . . . . . (2) Die Anhörung Beteiligter gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG . . . . . . . . . . . (3) Die Mitwirkung anderer Behörden an der Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 164 165 166

bb) Die Informationsverarbeitung durch die Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Die Mitentscheidung durch andere Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Die Begründung von Verwaltungsakten gemäß § 39 VwVfG . . . . 167 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Die Verantwortung der Verwaltungsgerichte für das Herbeiführen von Spruchreife und §§ 45, 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Die Folgen einer fehlerhaften Informationssammlung durch die Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (1) Die fehlerhafte Sachverhaltsermittlung gemäß §§ 24, 26 VwVfG 169 (2) Die fehlerhafte oder fehlende Anhörung Beteiligter gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (3) Die fehlerhafte oder fehlende Mitwirkung anderer Behörden an der Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Die Folgen einer fehlerhaften Informationsverarbeitung durch die Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (1) Keine oder fehlerhafte Mitentscheidung anderer Behörden . . . . . . 171 (2) Die fehlende oder unvollständige Begründung von Verwaltungsakten gemäß § 39 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 III. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie und das Herbeiführen von Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Selbstverwaltungsgarantie und Entscheidungsspielräume beim Erlaß von begünstigenden Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Inhaltsverzeichnis

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2. Demokratische Legitimation kommunaler Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Die Planungshoheit und das Herbeiführen von Spruchreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Kapitel Die Entscheidungswirkungen von Bescheidungsurteilen

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A. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 B. Die Rechtskraft von Bescheidungsurteilen und damit verbundene Wirkungen . . . . . . . 181 I. Die Grundlagen der Rechtskraft in der VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Die formelle Rechtskraft von Bescheidungsurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Die materielle Rechtskraft von Bescheidungsurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Die Wirkungsweise der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. Gestaltungs-, Tatbestands- und Feststellungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Die Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Die Gestaltungswirkung von Bescheidungsurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Die Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Die Feststellungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 C. Reichweite und Grenzen der Bindungswirkung von Bescheidungsurteilen . . . . . . . . . . 187 I. Zeitliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Subjektive Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Objektive Grenzen: Der Streitgegenstand bestimmt den Umfang der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Die behördliche Pflicht zur Bescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Der erstrittene Verwaltungsakt und seine spätere behördliche Aufhebung . . . . 193 a) Rechtskraft und Aufhebungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Aufhebungsverbot als Kehrseite eines rechtskraftbedingten Wiederholungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Ausgangspunkt „Automarkt-Entscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Rechtskraftbedingtes Wiederholungsverbot und Anfechtung eines Zweitbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 cc) Das gerichtliche Abweichungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 dd) Wiederholungsverbot und fehlende Streitgegenstandsidentität . . . . . . . 197 c) Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und materielle Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . 198

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Inhaltsverzeichnis IV. Die Bindung der Behörde an die gerichtliche Rechtsauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Erklärungen für die Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung . . . . . . . . . . . 201 a) Bindungswirkung der Entscheidungsgründe als Ausnahme von der Regel

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b) Die gerichtliche Rechtsauffassung als Teil des Entscheidungssatzes . . . . . . 203 2. Der Streitgegenstand als Schlüssel zum Verständnis der behördlichen Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Die Rechtskraftfähigkeit der Entscheidungsgründe als Erfordernis wirksamer gerichtlicher und behördlicher Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Rechtskraftumfang und Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Rechtskraftumfang und Schutz des Entscheidungsinhalts . . . . . . . . . . . . . . . . 207 V. Die Bindung der Zivilgerichte an die verwaltungsgerichtliche Rechtsauffassung

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1. Die Bedeutung der Entscheidungsgründe für die Urteilsauslegung . . . . . . . . . . . 209 2. Die Bindungswirkung der Entscheidungsgründe bei Präjudizialität . . . . . . . . . . 210 a) Unmittelbare Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Mittelbare Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3. Historische Erklärung für die fehlende Bindungswirkung der Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Das Bedürfnis nach inhaltlichem Schutz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Abkürzungsverzeichnis 4. VwGOÄndG 6. VwGOÄndG A. A. / a. A. Abs. a. E. a. F. AGVwGO ähnl. Akz. Anm. AöR ApoBO Art. AS RP-SL AsylVG AtG AufenthG Aufl. AuslG BAföG BauGB BauNVO BauR BayVBl. BayVGH BBauG Bd. Beschl. BGB

Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung) Sechstes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze Anderer Ansicht / anderer Ansicht Absatz am Ende alte Fassung Landesgesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung ähnlich Aktenzeichen Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Apothekenbetriebsordnung Artikel Amtliche Sammlung von Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz und Saarland Asylverfahrensgesetz Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) Auflage Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz) Bundesausbildungsförderungsgesetz Baugesetzbuch Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung) Baurecht Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bundesbaugesetz Band Beschluß Bürgerliches Gesetzbuch

16 BGBl. BGH BGHZ BNatSchG BSG BVerfG BVerfGG BVerwG BVerwGE BVerwGG BVFG ca. ders. d. h. DÖV DRiZ DV DVBl. E Einl. ESVGH etc. f., ff. FG Fn. FS FStrG GaststättenG GemO Rh.-Pf. GenBeschlG GewArch. GewO GG GjS GmSOGB GS GVBl. GWB Halbs.

Abkürzungsverzeichnis Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) Bundessozialgericht Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesverwaltungsgerichtsgesetz Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) circa derselbe das heißt Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Amtliche Entscheidungssammlung Einleitung Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg et cetera folgende Seite(n) Festgabe Fußnote Festschrift Bundesfernstraßengesetz Gaststättengesetz Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz) Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gedächnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Halbssatz

Abkürzungsverzeichnis HandwO HdBStR HessVGH Hrsg. i.d.F. i.e.S. i.V.m. i.w.S. JA Jh. Jura JuS JuSchG JZ krit. LadSchlG LbVO Pol. Rh.-Pf. LbVO Rh.-Pf. LPflegeHG LSG LuftVG LWG MDR n. F. NJW Nr. NVwZ NVwZ-RR NWVBl. NZS OLG OVG PBefG PflR Rdnr. RG RGZ Rh.-Pf. RmBereinVpG S. SG 2 Bickenbach

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Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Hessischer Verwaltungsgerichtshof Herausgeber in der Fassung im engeren Sinn in Verbindung mit im weiteren Sinn Juristische Arbeitsblätter Jahrhundert Juristische Ausbildung Juristische Schulung Jugendschutzgesetz Juristenzeitung kritisch Gesetz über den Ladenschluß Laufbahnverordnung für den Polizeidienst Rheinland-Pfalz Laufbahnverordnung Rheinland-Pfalz Landesgesetz über ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegehilfen (Rheinland-Pfalz) Landessozialgericht Luftverkehrsgesetz Wassergesetz für das Land Rheinland-Pfalz (Landeswassergesetz) Monatsschrift für Deutsches Recht neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Sozialrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Personenbeförderungsgesetz Pflegerecht, Zeitschrift für Rechtsfragen in der stationären und ambulanten Pflege Randnummer Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozeß Seite Sozialgericht

18 sog. StAG StGB StVG teilw. u. a. UPR Urt. v. VerwArch. VG VGG VGH VOBl. brZ Vorb VR VVDStRL VwGO VwVfG WeinG WHG WoGG WRV ZG ZPO ZRP

Abkürzungsverzeichnis sogenannte(r) Staatsangehörigkeitsgesetz Strafgesetzbuch Straßenverkehrsgesetz teilweise und andere Umwelt- und Planungsrecht Urteil vom Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtsgesetz Verwaltungsgerichtshof Verordnungsblatt der britischen Zone Vorbemerkung Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Weingesetz Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) Wohngeldgesetz Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für Gesetzgebung Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung und Gang der Untersuchung A. Einleitung „Alles Recht verwirklicht sich im Urteil. Das Urteil ist das Ende des Rechtsstreits, die Krönung aller praktischen juristischen Arbeit und ebenso die Grundlage für die Bemühungen der Rechtstheorie. Im Urteil kommt es für den Juristen zum Schwur. Hier bestätigt sich der Meister – hier offenbart sich der Stümper. Fachkollegen und juristische Laien messen die Qualität eines Juristen an seinen Urteilen. Nirgends sonst steht er unter solcher – berechtigten – schonungslosen Kritik, nirgends sonst offenbart er so vollständig seine juristischen Fähigkeiten und Mängel wie bei der Verkündung des Urteils.“1

Hier muß er zeigen, ob er das System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes und den funktionalen Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahrensrecht verstanden hat.2 Das Zitat macht in eindrucksvoller Art und Weise deutlich, wie bedeutend (verwaltungsgerichtliche) Urteile sind. Es offenbart, warum es notwendig und lohnenswert ist, sich mit dem Streitgegenstand, den verfassungs- und verwaltungsprozeßrechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen sowie den Entscheidungswirkungen zu beschäftigen. Genauso wie ein Urteil einen Rechtsstreit beenden kann, kann es neue Spannungen erzeugen. Wie richtig und gerecht ein Urteil ist, hängt sowohl von der Qualität der Richter als auch davon ab, wie das Verfahren vor Gericht ausgestaltet ist. Ist der Richter persönlich und sachlich unabhängig, ermittelt er sorgfältig, neutral und objektiv den Sachverhalt, subsumiert er methodisch einwandfrei unter das anzuwendende Gesetz und weiß er die Wirkungen seiner Entscheidungen einzuschätzen, dann ist er Garant für ausgewogene Urteile und damit für einen funktionierenden Rechtsstaat. Was das Bescheidungsurteil von anderen verwaltungsgerichtlichen Urteilen abhebt und interessant macht, ist das zeitliche und maßstabsbezogene Wechselspiel zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Hat die Behörde den Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts abgelehnt oder unterlassen, kommt es zur gerichtlichen Entscheidung mit anschließender Reaktion durch die Behörde. Der Inhalt einer Norm wechselt vom Handlungsauftrag zum Kontrollmaßstab und wieder zum Handlungsauftrag, beeinflußt durch den Urteilsinhalt und die EntscheidungswirHattenhauer, Die Kritik des Zivilurteils, S. 13. Bezugnahme auf die grundlegende Habilitationsschrift von Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes und die Monographie von Schwarze, Der funktionale Zusammenhang von Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz. 1 2

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Einleitung und Gang der Untersuchung

kungen. Schon wenige Beispiele aus der Rechtsprechung reichen aus, um die damit verbundenen Probleme zu verdeutlichen. So hatte das Bundesverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob Nachkommen von Staatsangehörigen des Freistaats Danzig einen Anspruch auf Einbürgerung gemäß § 13 StAG haben.3 Während das Berufungsgericht die Klage für begründet hielt,4 hatte die Revision der Behörde teilweise Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht war zwar der Auffassung, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 13 StAG vorlagen, aber das Ermessen der Behörde war nicht auf Null reduziert. Dem Gericht war es daher verwehrt, gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO abschließend zu Gunsten der Kläger zu entscheiden. Es hat statt dessen die Behörde gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet, den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung neu zu bescheiden. In gleicher Weise hat es einen Rechtsstreit entschieden, in dem der Kläger eine Änderung seiner dienstlichen Beurteilung erreichen wollte.5 In diesen Fall hat die Behörde einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum.6 Das Gericht durfte daher die Bewertung der Behörde nicht durch seine eigene ersetzen. Mit den Beurteilungsspielräumen und dem Ermessen der Verwaltung sind grundlegende verwaltungsrechtliche Kategorien angesprochen, die in vielen Fällen ursächlich dafür sind, daß statt eines Verpflichtungs- ein Bescheidungsurteil ergeht. Das Gericht erläßt gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ein solches Urteil, wenn die Sache nicht spruchreif ist. Beurteilungsspielräume und Ermessen stehen der Spruchreife entgegen. Eine Verpflichtungsklage ist nur spruchreif, wenn alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung vorliegen, die die Verwaltung verpflichtet, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen.7 Das führt zu der Frage, was zu geschehen hat, wenn die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, zum Beispiel Kausalzusammenhänge in der Umwelt nicht ausreichend geklärt sind oder die Anwendbarkeit einer Vorschrift unklar ist. Für das Bundesverwaltungsgericht steht die Antwort fest: Die Gerichte sind verpflichtet, die Streitsache spruchreif zu machen, indem sie in eigener Verantwortung und mit Hilfe der Parteien alle für den Rechtsstreit relevanten Fragen aufklären.8 Die zumeist mit § 86 Abs. 1 VwGO begründete umfassende Untersuchungspflicht wirft Fragen und Probleme auf, die die Arbeitsteilung zwischen Gerichten BVerwG, Urt. v. 02. 05. 2001 – 1 C 18.99 –, DVBl. 2002, S. 47 ff. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15. 06. 1999 – 8 A 4522 / 98 –, unveröffentlicht, Volltext in Juris. 5 BVerwG, Urt. v. 13. 07. 2000 – 2 C 34 / 99-, NVwZ 2001, S. 200 f. 6 BVerwG, Urt. v. 13. 05. 1965 – II C 146.62 –, E 21, 127 (130); OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20. 05. 1992 – 2 A 12357 / 91 –, NVwZ-RR 1993, S. 420. 7 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 26 Rdnr. 19; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 838; Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 303; Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 340; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 16 Rdnr. 33. 8 BVerwG, Urt. v. 02. 05. 1984 – 8 C 94.82 –, E 69, 198 (201). 3 4

Einleitung und Gang der Untersuchung

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und Behörden betreffen. Wie verhalten sich gerichtliche Verfahren und Verwaltungsverfahren funktional zueinander? Originäre gerichtliche Sachverhaltsermittlungen könnten unzulässig sein, weil die Verwaltungsgerichte nicht mehr die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandlungen kontrollieren, sondern selbst verwalten.9 Wie wirkt sich die behördliche Untersuchungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 VwVfG auf den Umfang der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung aus und gewährleistet das Verwaltungsverfahrensrecht eine sorgfältige und umfassende Informationssammlung und -verarbeitung? Daneben ist zu fragen, ob die gerichtliche Praxis die Verfahrensdauer verlängert und welche tatsächlichen und rechtlichen Grenzen für das Herbeiführen von Spruchreife bestehen. Ermessen und Beurteilungsspielräume stehen zwar dem gerichtlichen „Durchentscheiden“ entgegen, die Gründe dafür sind aber nur verständlich, wenn die historische Entwicklung der beiden Rechtsinstitute bekannt ist. Angesprochen ist das Spannungsverhältnis von Judikative und Exekutive, das seit der Existenz einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit Wissenschaft und Praxis beschäftigt.10 Die bekannten Schlagworte lauten Rechtsschutzgarantie, Kontrolldichte, Letztentscheidungsrecht, Gewaltenteilung, Prozeßökonomie und richterliche Selbstbeschränkung. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts Ekkart Hien hat mehrfach an die Verwaltungsrichter appelliert, „sich stets dessen bewußt zu sein, daß die Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht in der objektiven Kontrolle der Verwaltung besteht, daß vielmehr der Schutz der Rechte der Bürger im Vordergrund stehen muß.“11 Er hat sich damit auf das Görlitz-Urteil des 9. Senats – der gleichzeitig der Präsidentensenat ist – zur Kontrolle von Abgabensatzungen bezogen, wonach eine ungefragte gerichtliche Fehlersuche im Zweifel nicht sachgerecht ist, sobald sie das Rechtsschutzbegehren des Klägers aus dem Auge verliert.12 So richtig dieser Appell sein mag. Er ist nicht unproblematisch. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bis in die Gegenwart hinein die Instanzgerichte zur Fehlersuche ermuntert. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat ein Jahr vor dem Görliz-Urteil im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Rüge der „Verwaltung durch die Verwaltungsgerichte“ als unbegründet angesehen: „Die Verwaltungsgerichte dürfen bei der Prüfung, ob die Verwaltung einen Sachverhalt zu Recht unter eine Norm subsumiert hat, grundsätzlich auch solche Fakten aufklären und berücksichtigen, die die Verwaltung nicht bereits selbst ermittelt hatte.“13 Sie sind nicht auf die Überprüfung dessen beschränkt, was die Behörde gemäß § 24 VwVfG ermittelt hat. Daher ist auch die Pflicht, die Streitsache in vollem Umfang Kopp, BayVBl. 1983, S. 673 (677). Siehe auch Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (146). 11 Hien, DVBl. 2003, S. 443 (445); ähnl. ders., DVBl. 2004, S. 909 (911); dazu auch Redeker, NVwZ 2003, S. 641 (643); Ehlers, VerwArch. 84 (1993), S. 139 (173 ff.). 12 BVerwG, Urt. v. 17. 04. 2002 – 9 CN 1.01 –, E 116, 188 ff. = JZ 2003, S. 93 ff. = DVBl. 2002, S. 1409 ff.; dazu Oebbecke, NVwZ 2003, S. 1313 ff. 13 BVerwG, Beschl. v. 21. 03. 2001 – 4 B 18 / 01 –, NVwZ 2002, S. 92. 9

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Einleitung und Gang der Untersuchung

spruchreif zu machen und so alle für den Rechtsstreit relevanten Fragen aufzuklären, ein Teil der gerichtlichen Fehlersuche. Wenn der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts an seine Kollegen appelliert, den subjektiven Rechtsschutz in den Vordergrund zu stellen, bezieht er sich auf das Ziel des Verwaltungsprozesses. Der Kläger will kein altruistischer Anwalt der Allgemeinheit sein und in ihrem Interesse die Rechtmäßigkeit behördlicher Entscheidungen kontrollieren. Seine Motive sind in der Regel egoistischer Natur. Der Bürger, der seine Gaststätte zum Swinger-Club ausbauen will, dies mangels Erlaubnis aber nicht darf, geht vor Gericht, weil er glaubt, ein entsprechendes subjektivöffentliches Recht zu haben.14 Er erwartet ein Urteil, das die Verwaltung gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO verpflichtet, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen. Die beklagte Behörde ist dagegen regelmäßig davon überzeugt, daß ihr Ablehnungsbescheid rechtmäßig ist. Dazwischen steht das Bescheidungsurteil gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Die vom Kläger erhoffte strikte Verpflichtung bleibt ebenso aus, wie die von der beklagten Behörde angestrebte Klageabweisung. Diese merkwürdig anmutende Konstruktion, die dem Kläger „weder Steine noch Brot“ gibt,15 hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit durch die Wissenschaft erfahren, obwohl das Bescheidungsurteil nur eine Urteilsform unter vielen ist, die am Ende eines Verwaltungsprozesses stehen kann. Das Bescheidungsurteil ist jedoch eine Schnittstelle von Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltung und berührt das Spannungsverhältnis von Judikative und Exekutive. Des weiteren hat der Gesetzgeber § 113 Abs. 3 VwGO geschaffen und wieder verstärkt auf die Notwendigkeit und den Umfang der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung aufmerksam gemacht. So haben sich in den letzten Jahren mit Marx,16 Hödl-Adick17 und Jacobj18 gleich drei Autoren mit Spruchreife, Bescheidungsklagen und -urteilen beschäftigt. Demmel19 und Piendl20 haben mit ihren Arbeiten zu § 113 Abs. 3 VwGO Neuland betreten. Die Arbeiten von Marx, Hödl-Adick und Jacobj behandeln jedoch weniger oder gar nicht den funktionalen Zusammenhang zwischen Verwaltungsprozeß und Verwaltungsverfahren. Gerade diese beiden Rechtsgebiete sind aber wichtig für den subjektiven Rechtsschutz, regeln sie doch gemeinsam den öffentlich-rechtlichen Entscheidungsprozeß.21 Dieser ist zudem ohne die Einbeziehung des ihn überwöl14 BVerwG, Urt. v. 06. 11. 2002 – 6 C 16 / 02 –, NVwZ 2003, S. 603 ff.; anders noch als Vorinstanz der BayVGH, Urt. v. 29. 04. 2002 – 22 B 01.3183 –, NVwZ 2002, S. 1393 ff. 15 A. A. Czermak, DRiZ 1964, S. 38 (40); Thierfelder, DÖV 1967, S. 300 (303) – Steine statt Brot. 16 Marx, Das Herbeiführen der Spruchreife im Verwaltungsprozeß. 17 Hödl-Adick, Die Bescheidungsklage als Erfordernis eines interessengerechten Rechtsschutzes. 18 Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand im Verwaltungsprozeß. 19 Demmel, Das Verfahren nach § 113 Abs. 3 VwGO. 20 Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung des § 113 Abs. 3 VwGO. 21 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 1 Rdnr. 2.

Einleitung und Gang der Untersuchung

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benden Verfassungsrechts nicht verständlich.22 Das Anliegen der vorliegenden Arbeit besteht daher nicht darin, eines der genannten Rechtsgebiete isoliert zu untersuchen. Sie will die geltend gemachten subjektiven Rechte, die (verfassungs-) rechtlichen Rahmenbedingungen für Bescheidungsurteile und die Zusammenhänge zwischen der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrensrechts, der gebotenen Reaktion der Verwaltungsgerichte im Verwaltungsprozeß und den Urteilswirkungen deutlich machen. Ein solcher Ansatz macht Beschränkungen erforderlich. Die vorliegende Darstellung bezieht nicht § 113 Abs. 3 VwGO ein. Angesichts der neueren Arbeiten von Demmel und Piendl und der – umstrittenen – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anwendungsbereich dieser Vorschrift23 erscheint das als hinnehmbar. Die Untersuchung soll und will kein allgemeines und uferloses Kompendium zum Verwaltungsverfahrens-, Verwaltungsprozeß- und Verfassungsrecht sein. Sie behandelt daher nur Bescheidungsurteile, die gemäß der VwGO als Ergebnis von Verpflichtungsklagen, d. h. Versagungsgegen- und Untätigkeitsklagen ergehen. Andere Verfahrensordnungen sowie Leistungs- und Feststellungsklagen wurden nicht einbezogen.24

B. Gang der Untersuchung Das Bescheidungsurteil berührt mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG grundlegende Verfassungsnormen. Es ist ohne Kenntnisse über die exekutiven Beurteilungs- und Abwägungsspielräume nicht verständlich. Bescheidungsurteile erfüllen aber vor allem einen Zweck: Sie dienen der Durchsetzung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Bürger. Diese Rechte müssen im Prozeß handhabbar sein. Das setzt voraus, daß das Gericht erkennt, welche Rechte der Bürger einklagt. Nur wenn dem Gericht klar ist, welches Begehren der Kläger verfolgt, kann es die richtigen Entscheidungen treffen und feststellen, ob und in welchem Umfang Rechte des Bürgers verletzt sind. Das Gericht muß erst den Streitgegenstand ermitteln, bevor es zur Durchsetzung und zum Schutz von subjektivöffentlichen Rechten tätig werden kann. Ausführungen zum Streitgegenstand, Bescheidungsantrag und zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen für das Herbeiführen der Spruchreife bilden daher den 1. Teil dieser Arbeit. Das Urteil schließt die richterliche Arbeit ab. Seine Grundlage bilden jedoch die vom Kläger geltend gemachten Rechte. Zunächst ist daher im 1. Kapitel die Frage zu beantworten, welche subjektiven Rechte ein Bürger überhaupt einklagen kann oder einklagen muß, damit es zu einem Bescheidungsurteil kommt. Ein solches Urteil ergeht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, wenn die Sache nicht spruchreif Hufen Verwaltungsprozeßrecht, § 1 Rdnr. 4. BVerwG, Urt. v. 06. 07. 1998 – 9 C 45.97 –, E 107, 128. 24 Ausnahme: Leistungsklage auf Neuerstellung oder Änderung einer dienstlichen Beurteilung; dazu Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, Rdnr. 473. 22 23

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ist. Es ist ein spezielles Verpflichtungsurteil und baut auf der Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO auf. Somit ist zu untersuchen, welche subjektiv-öffentlichen Rechte der Kläger mit einer Versagungsgegen- oder Untätigkeitsklage geltend macht. Angesprochen ist damit auch das Problem, ob der einer Klage vorausgehende Ablehnungsbescheid zum Streitgegenstand gehört oder für den Anspruch auf Gesetzeserfüllung unbeachtlich ist. Rechtscharakter und Wirkungen dieser Bescheide sind bisweilen unklar. Gleiches gilt für das Verhältnis von Ablehnungsbescheid und Leistungsanspruch. Um den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage anhand der eingeklagten subjektiv-öffentlichen Rechte bestimmen zu können, ist es notwendig, Art und Inhalt dieser Rechte zu kennen. Die Untersuchung basiert hier auf der von Rupp herausgearbeiteten Unterscheidung zwischen Reaktions- und Gesetzeserfüllungsanspruch.25 Sie baut auf den diesbezüglichen Ergebnissen und Thesen auf, überzeugt davon, daß alle Versuche, allein mit Hilfe des Verwaltungsprozeßrechts den Streitgegenstand zu erfassen, in eine Sackgasse und zur „Isolierung und Sterilisierung des Prozeßrechts“26 führen. Wenn die Verwaltungsgerichte die Rechte der Bürger schützen sollen, muß die Streitgegenstandslehre ihre materiell-rechtlichen Grundlagen erkennen und darf sich nicht auf den Wortlaut von § 113 VwGO fixieren. Sie sollte sich auf die geltend gemachten Ansprüche konzentrieren.27 Der Streitgegenstand ist zweigliedrig aufgebaut und besteht aus Klagegrund und Klageantrag. Letzterer ist das prozessuale Mittel, den geltend gemachten Anspruch näher zu konkretisieren. Im Hinblick auf den Erlaß von Bescheidungsurteilen ist daher das 2. Kapitel dem Bescheidungsantrag gewidmet. Dieser hat eine Doppelfunktion. Zum einen ist er prozessuale Voraussetzung für ein Bescheidungsurteil, wenn der Kläger seinen Antrag entsprechend formuliert. Das Verwaltungsgericht darf dem Bürger nicht mehr zusprechen, als dieser beantragt. Zum anderen ist er ein Ausschnitt aus dem Streitgegenstand der Verpflichtungsklage. Der Kläger kann mit einem Bescheidungsantrag den prozessualen Anspruch beschränken, wenn er merkt oder das Gericht zu erkennen gibt, daß ein Antrag auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts nicht erfolgreich sein wird. Noch wichtiger ist jedoch, daß ein Bescheidungsantrag dazu dient, den Anspruch des Bürgers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung der Verwaltung durchzusetzen. Das subjektiv-öffentliche Recht formt nicht nur den Streitgegenstand im Verwaltungsprozeß. Es verbindet den prozessualen Anspruch mit der Aufgabe der Verwaltungsgerichte: dem individuellen Rechtsschutz. Mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hat sich der Verfassungsgeber für den subjektiven Rechtsschutz entschieden, ohne objektiv-rechtliche Kontrollelemente zu verbieten. Inhaltlich ist der Schutzbereich Rupp, Grundfragen, S. 153 ff. und S. 262 ff. Rupp, Grundfragen, S. 160. 27 Der von Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 110 ff., konstatierte bisher fehlende Widerhall des anspruchszentrierten Ansatzes unterstreicht nur die Notwendigkeit, diesen Ansatz zu unterstützen. 25 26

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dieses Grundrechts wesentlich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt. Wichtig für die Verwaltungsgerichte ist die immer wieder vom Verfassungsgericht betonte Pflicht, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich vollständige Prüfung vorzunehmen. Daher ist Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eine der im 3. Kapitel untersuchten verfassungsrechtlichen Grundlagen für das Herbeiführen von Spruchreife. Subjektiver Rechtsschutz und objektive Überprüfung der Verwaltungstätigkeit hängen eng zusammen. Die gerichtliche Kontrolle wirkt dabei auch präventiv und hat nicht nur eine nachvollziehende Funktion. Sie läuft jedoch Gefahr, das Prinzip der Gewaltenteilung zu durchbrechen. Ob das Herbeiführen von Spruchreife durch die Verwaltungsgerichte geeignet ist, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zu verletzen, ist umstritten und davon abhängig, wie die Gewaltenteilung inhaltlich zu bestimmen ist. Die im Grundgesetz verankerte Gewaltenteilung entspricht nicht dem klassischen staatstheoretischen Ideal mit seinen Maximen der materiellen Gewaltentrennung und -hemmung. Das Grundgesetz normiert vielmehr eine Arbeits- und Funktionenteilung, die die bürgerlichen Freiheiten sichert und eine möglichst optimale Aufgabenwahrnehmung gewährleisten soll. Dementsprechend sind Verfahren, Strukturen, Handlungsweisen und Selbstverwaltung die materiellen Grundlagen einer eigenständigen Exekutive. Der 2. Teil der Arbeit baut auf den verwaltungsprozeß- und verfassungsrechtlichen Grundlagen auf und beschäftigt sich mit dem Herbeiführen von Spruchreife und den Wirkungen von Bescheidungsurteilen. Das 1. Kapitel ist der Frage gewidmet, ob erstmalige gerichtliche Sachverhaltsermittlungen der grundgesetzlichen Funktionenordnung entsprechen oder den Funktionsbereich der Verwaltung verletzen. Neben Beispielen aus der Rechtsprechung und einer Darstellung dessen, was Herbeiführen von Spruchreife für den gerichtlichen Prüfungsumfang bedeutet, steht zunächst die Frage im Mittelpunkt, warum die Verwaltungsgerichte bestrebt sind, alle für den Rechtsstreit relevanten Fragen in eigener Verantwortung aufzuklären. Die Antwort baut auf den verfassungsrechtlichen Vorgaben auf. Die Pflicht, wirksamen subjektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, läßt die Verwaltungsgerichte über den Stand der behördlichen Sachverhaltsermittlungen hinausgehen. Der für den Verwaltungsprozeß gemäß § 86 Abs. 1 VwGO geltende Untersuchungsgrundsatz ist die einfachgesetzliche Grundlage für das Herbeiführen von Spruchreife. Auch der Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit eines ablehnenden Bescheids und einem bestehenden Anspruch auf Gesetzeserfüllung führt zum „Durchentscheiden“ der Verwaltungsgerichte. Dem Herbeiführen von Spruchreife sind aber Grenzen gesetzt. Die vorliegende Abhandlung trennt zwischen den Fällen, in denen das Gericht wegen der Struktur der Anspruchsnorm die Verwaltung nicht zum Erlaß des beantragten Verwaltungsakts verurteilt und den Fällen, in denen es das Verwaltungsverfahren (nicht) durch Sachverhaltsermittlungen „ersetzt“. Besteht auf der Tatbestandsseite der Norm, die dem Bürger einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung vermittelt, ein gerichtlich nur

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Einleitung und Gang der Untersuchung

begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum oder auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessensspielraum der Behörde, fehlt die Spruchreife. Dieser Ausschluß des gerichtlichen Letztentscheidungsrechts ist historisch zu erklären, im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG aber rechtfertigungsbedürftig. Während das Verwaltungsermessen auf der Basis der normativen Ermächtigungslehre heute weitgehend anerkannt ist, hat das Bundesverfassungsgericht die Lehre vom Beurteilungsspielraum nur in einigen Fällen aus funktionalen Gründen akzeptiert. Seit langem ist umstritten, ob das Herbeiführen von Spruchreife durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen zulässig ist, wenn der Kläger Anspruch auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts hat, die Behörde zuvor aber den Antrag wegen mangelhafter Tatsachenaufklärung oder unrichtiger Rechtsanschauung abgelehnt hat. Die gängige Kritik an der gerichtlichen Praxis, Spruchreife herzustellen, läßt sich in die Schlagworte „Verwaltung durch die Verwaltungsgerichte“ und „Gesetzesvollzug durch Gerichte“ fassen und formuliert einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip. Die Kritik ist jedoch meist undifferenziert und postuliert einen diffusen Kernbereich der Exekutive. Ausgehend von der Annahme, daß Gewaltenteilung unter der Geltung des Grundgesetzes Funktionenteilung bedeutet, untersucht die vorliegende Arbeit, ob das Herbeiführen von Spruchreife als Prozeß der Informationssammlung und -verarbeitung deshalb nicht in den Verantwortungsbereich der Verwaltungsgerichte fällt, weil diese Aufgabe durch die VwVfGe den Behörden zugewiesen ist. Dabei sind die §§ 45, 46 VwVfG und die vergleichbaren Landesvorschriften von besonderer Bedeutung, weil sie die Pflicht der Verwaltung zur Informationssammlung und -verarbeitung zumindest normativ stark relativieren. Die Einsatz der Gerichte für den Rechtsschutz der Bürger wäre umsonst, wenn der Abschluß eines Prozesses nicht fortwirken würde und die Verwaltungstätigkeit unbeeinflußt ließe. Das 2. Kapitel beschäftigt sich daher mit den Wirkungen von Bescheidungsurteilen. Diese leiten den Blick zurück zum Streitgegenstand und den subjektiv-öffentlichen Rechten der Bürger sowie dem funktionalen Zusammenhang von Verwaltunsprozeß und Verwaltungsverfahren. Ein Bescheidungsurteil verpflichtet die Verwaltung, den Kläger erstmals oder erneut zu bescheiden. Die Rechtsauffassung des Gerichts bestimmt maßgeblich, ob die Behörde nun antragsgemäß entscheidet oder (erneut) einen ablehnenden Bescheid erläßt. Das Erfordernis der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns zwingt aber die Verwaltung, darüber zu wachen, ob die Voraussetzungen auch für eine gerichtlich erstrittene Leistung, Begünstigung oder Genehmigung weiterhin bestehen. Ein generelles Aufhebungsverbot ist ungeeignet, die materielle Rechtskraft von Bescheidungsurteilen und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung schonend auszugleichen. Vielmehr hat der Gesetzgeber diese Form praktischer Konkordanz insbesondere durch § 49 VwVfG hergestellt. Den Schluß der Untersuchung markiert eine Besonderheit der Bescheidungsurteile: die Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung. Die Arbeit untersucht die unterschiedlichen Möglichkeiten, diese Bindung zu erklären. Die Begründung

Einleitung und Gang der Untersuchung

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einer gerichtlichen Entscheidung gilt gemeinhin als ein Element, das nicht an der Rechtskraft teilnimmt. Diese tradierte Lehre stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist aus funktionalen Erwägungen auf verwaltungsgerichtliche Urteile und Beschlüsse nicht übertragbar. Die Entscheidungsgründe erweitern den Umfang der Rechtskraft und gewährleisten den notwendigen Inhaltsschutz. Die Bindungswirkung der Gründe kompensiert den Umstand, daß Streitgegenstand im Verwaltungsprozeß nach hier vertretener Auffassung nur die prozessualen Ansprüche sind.

1. Teil

Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen 1. Kapitel

Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage A. Einführung Den Streitgegenstand einer Klageart zu bestimmen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben, die man sich selbst stellen kann.1 Literatur und Rechtsprechung zu diesem Problem sind fast unüberschaubar. Die Arbeit von Detterbeck hat zwar dazu beigetragen, die Diskussion zu strukturieren,2 aber von einer geschlossenen und einheitlichen Streitgegenstandslehre ist das Öffentliche Recht noch weit entfernt. Ursächlich dafür sind die unterschiedlichen methodischen Ansätze. Zum einen ist es möglich, den Streitgegenstand konstruktiv-formal zu bestimmen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dann die Frage, ob der Streitgegenstand nur aus dem Klageantrag besteht oder der vom Kläger vorgetragene Lebenssachverhalt ein weiterer Teil ist. Zum anderen ist es denkbar, den Streitgegenstand inhaltlich und damit nach der Art der verfolgten Ansprüche zu charakterisieren. Das Diktum von Eckart Hien3 regt dazu an, den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage anhand der vom Bürger verfolgten subjektiven öffentlichen Rechte zu bestimmen. Ein solches Vorgehen entspricht der in der verwaltungsprozeßrechtlichen Literatur geführten Diskussion darüber, ob der Streitgegenstand strikt prozessual zu verstehen ist, oder ob die materiell-rechtlichen Besonderheiten des Öffentlichen Rechts zu berücksichtigen sind.4 Während im Zivilprozeßrecht viele Jahre lang die konstruktiv-formale Seite des Streitgegenstands umstritten war, haben die Verwaltungsgerichte und die Literatur zum Verwaltungsprozeßrecht die Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand übernommen. Fraglich ist jedoch, ob das Verwaltungsprozeßrecht allein den Streitgegenstand 1 2 3 4

Diese 50 Jahre alte Feststellung von Menger, System, S. 158 ist noch immer zutreffend. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht. Hien, DVBl. 2003, S. 443 (445). Schmid, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 88 Rdnr. 8 f.

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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erfassen und erklären kann. Nach einer kurzen Darstellung der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand und Aussagen zu den Implikationen zwischen prozessualem Anspruch und materiellem Recht soll dieser Frage unter Einbeziehung der mit der Verpflichtungsklage verfolgten subjektiven öffentlichen Rechte nachgegangen werden.

B. Zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff Der Streitgegenstand ist im Verwaltungsprozeß ein zentraler und von der VwGO vorausgesetzter Begriff.5 Die VwGO enthält wie die ZPO keine Legaldefinition. Es ist jedoch möglich und notwendig, auf das Zivilprozeßrecht und seine Begriffsbildungen zurückzugreifen. Der Rückgriff ist möglich, weil die wichtigsten zivilprozeßrechtlichen Prinzipien – Parteiprozeß, Dispositionsmaxime, Herstellung von Rechtsfrieden durch Rechtskraft – mit denen des Verwaltungsprozeßrechts übereinstimmen.6 Er ist zudem notwendig, weil das Zivilprozeßrecht älter ist als das Verwaltungsprozeßrecht und viele Begriffe und Rechtsfiguren, die die VwGO verwendet oder voraussetzt, aus dem Zivilprozeßrecht stammen. Im Zivilprozeßrecht war lange umstritten, ob sich der Streitgegenstand nur nach dem Antrag des Klägers bestimmt (eingliedrig) oder zu seiner Konkretisierung auch der ihn tragende Lebenssachverhalt notwendig ist (zweigliedrig). Die Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstand stellt nur auf den Antrag ab,7 weil es den Kläger im Ergebnis nur interessiert, ob das Gericht ihm entspricht oder nicht. Stützt er seinen Antrag auf einen anderen Lebenssachverhalt oder Anspruch, ist das keine Klageänderung, die an § 263 ZPO scheitern kann. Den Umfang der Rechtskraft kann allerdings auch die Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstand nur mit Hilfe des Lebenssachverhalts bestimmen. Unbillige Ergebnisse versucht sie über rechtskraftfremde Präklusionsregeln oder durch die Zulässigkeit einer neuen Klage zu vermeiden, obwohl der gleiche Antrag des Klägers rechtskräftig abgewiesen wurde und daher einer erneuten Klage streng genommen der Einwand der Rechtskraft entgegenstünde.8 Die Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand vermeidet derartige Widersprüche, weil sie den Lebenssachverhalt als weiteren Teil des Streitgegenstands begreift. Sie führt zwar im Prozeß häufiger zu Klageänderungen oder Klagehäufungen, weil ein neu vorgetragener Lebenssachverhalt einen weiteren Streitgegenstand in den Prozeß einführt. Sie kann aber den Umfang der Rechtskraftwirkung ohne großen argumentativen Aufwand begründen. Diese Vorteile haben dazu beigetraDetterbeck, Streitgegenstand, S. 50. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 22. 7 Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß. 8 BGH, Urt. v. 03. 04. 2003 – I ZR 1 / 01 –, NJW 2003, S. 2317 (2318); Detterbeck, Streitgegenstand, S. 37 f. 5 6

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

gen, daß sich im Zivilprozeßrecht die Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand durchgesetzt hat.9 Der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff ist von der verwaltungsprozeßrechtlichen Literatur und den Verwaltungsgerichten fast vollständig übernommen worden.10 Der Streitgegenstand „wird nach dem ganz herrschenden zweigliedrigen Verständnis durch den Klageantrag und den diesem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt gebildet“.11 Für das Bundesverwaltungsgericht ist der Streitgegenstand „identisch mit dem prozessualen Anspruch, der seinerseits durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist.“12 Es besteht das praktische Bedürfnis, den Streitgegenstand mittels des Sachverhalts so genau wie möglich zu bestimmen, damit die Reichweite der Rechtskraft klar umrissen ist. Der Lebenssachverhalt ist im Verwaltungsprozeß für die verwaltungsaktbezogenen Klagearten durch die angegriffene, abgelehnte oder unterlassene Verfügung bestimmt und zudem durch den meist vorhandenen Widerspruchsbescheid eingegrenzt.13

C. Prozessualer Anspruch und materielles Recht Im Verwaltungsprozeßrecht ist umstritten, was Inhalt des Klageantrags ist und welcher Art die Rechte sind, die der Kläger geltend macht. Das kann zum einen der Anspruch sein, dessen Bestehen er behauptet, zum anderen kann der Kläger vortragen, die behördliche Handlung oder Unterlassung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.14 Der Lebenssachverhalt gehört nach beiden Alternativen zum Streitgegenstand. Das folgt aus der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand. Nicht mehr umstritten ist auch, daß die angegriffene Handlung oder Unterlassung, also zum Beispiel der erlassene oder erstrebte Verwaltungsakt, nicht alleiniger Streitgegenstand ist.15 Die Parteien streiten regelmäßig nicht darüber, ob oder in welcher Form die Behörde gehandelt hat, sondern darüber, ob sie handeln mußte oder handeln durfte.16 9 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 92 III 2; Rimmelspacher, JuS 2004, S. 560 (561); Detterbeck, Streitgegenstand, S. 24 Fn. 83. 10 Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 206. 11 Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 31 Rdnr. 7; siehe auch Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 245; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 604; Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 56; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rdnr. 23. 12 BVerwG, Urt. v. 10. 05. 1994 – 9 C 501.93 –, E 96, 24 (25). 13 So auch Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 209. 14 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 10 Rdnr. 7. 15 Eine Darstellung dieser älteren, auf die Anfechtungsklage bezogenen Auffassung findet sich bei Demmel, Das Verfahren nach § 113 Abs. 3 VwGO, S. 73. 16 Schmid, in: Sodan / Ziekow, § 88 Rdnr. 12; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 10 Rdnr. 8.

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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I. Der materielle Anspruch als Streitgegenstand Der Kläger führt in vielen Fällen einen Verwaltungsprozeß, um eine Amtshandlung aus der Welt zu schaffen oder zu erzwingen. Ihn interessieren seine Rechte, die er mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen will. Es wäre daher naheliegend, den vor Gericht verfolgten Anspruch mit dem eingeklagten materiellen Recht gleichzusetzen. Wenn ein Kläger denselben Anspruch aufgrund mehrerer Anspruchsgrundlagen geltend machen würde, zum Beispiel aus Gesetz und aus öffentlich-rechtlichem Vertrag, dann würden auch zwei Streitgegenstände existieren. Den Streitgegenstand ausschließlich materiell-rechtlich zu bestimmen, führt jedoch zu ungerechten und unhaltbaren Ergebnissen. Im Fall einer Anspruchskonkurrenz könnte der Kläger nacheinander in verschiedenen Prozessen das gleiche Recht einklagen. Dem Beklagten wäre es unmöglich, sich auf die Rechtskraft der vorherigen Entscheidung zu berufen.17 Würde der Kläger zwei inhaltlich gleiche Ansprüche gleichzeitig einklagen und erweist sich nur einer als begründet, dann würde er teilweise unterliegen, obwohl er sein Prozeßziel erreicht. Diese Ergebnisse sind nicht gerecht und schließen die Kongruenz von prozessualem und materiellem Anspruch aus. Ein solches Gleichsetzen wäre zudem nur möglich, wenn der Kläger einen Anspruch geltend macht. Mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO will der Kläger aber keinen Anspruch durchsetzen, sondern das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses feststellen lassen.18 Es ist nicht ersichtlich, inwieweit er damit einen materiellen „Feststellungsanspruch“ durchsetzen will. Auch aus diesem Grund ist der Streitgegenstand nicht ausschließlich materiell-rechtlich bestimmbar. II. Der prozessuale Anspruch als Streitgegenstand Der auf Erlaß eines Verwaltungsakts klagende Bürger wendet sich an das Gericht als neutralen Dritten. Sein Anspruchsgegner bleibt zwar die Verwaltung, aber das Gericht wird zur entscheidenden Instanz. Der verfolgte Anspruch unterliegt dem gerichtlichen Verfahren. Dadurch ist es möglich, das vom Kläger geltend gemachte Recht als prozessualen Anspruch zu definieren und von den zu ungerechten Ergebnissen führenden materiell-rechtlichen Bindungen zu lösen. Mehrere materielle Ansprüche können zu einem prozessualen Anspruch zusammengefaßt werden, womit auch der Streitgegenstand der Feststellungsklage leichter zu erklären ist. Detterbeck versteht den Streitgegenstand als prozessualen Anspruch und greift möglichst wenig auf das materielle Recht zurück.19 Aus der strukturellen Gleichheit von Zivil- und Verwaltungsprozeß, die er mit der in beiden Verfahrensordnun17 18 19

Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 158. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 158. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 50 ff.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

gen geltenden Dispositionsmaxime begründet, leitet er den prozessualen Charakter her. „Allzuviel ist mit der Charakterisierung des Streitgegenstands als Institut des Prozeßrechts indes nicht gewonnen,“20 denn auch ein prozessualer Anspruch muß materiell-rechtlich konkretisiert werden. Detterbeck geht es darum, Prozeßrecht und materielles Recht zu trennen, um die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen widerspruchsfrei begründen zu können und parallel zum Zivilprozeßrecht ein möglichst geschlossenes System aufzubauen. Diese stark prozessuale Sichtweise trennt in bezug auf die Rechtskraft die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm von der Rechtsfolge. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile nur soweit, wie über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Wenn der Streitgegenstand der vom Kläger verfolgte prozessuale Anspruch ist, die Tatbestandsvoraussetzungen aber ein Teil des materiellen Rechts sind und bleiben, dann gehören die Rechtswidrigkeit und die dadurch erfolgte Rechtsverletzung des Kläger gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO nicht zum Streitgegenstand. Über sie wird daher auch nicht rechtskräftig entschieden.21

III. Der prozessuale Anspruch und seine materiell-rechtlichen Implikationen 1. Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung Der vom Kläger verfolgte prozessuale Anspruch läßt sich wegen § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO nicht ohne Rückgriff auf das materielle Recht bestimmen.22 Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen das Gericht einer Klage stattgeben darf. Ob die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts aus formellen oder materiellen Gründen rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hängt von der materiell-rechtlichen Lage ab.23 Die gerichtliche Entscheidungsbefugnis ist bedingt durch den vorgetragenen Sachverhalt und den gestellten Antrag.24 Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage ist danach die Rechtsbehauptung des Klägers, die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.25 Das ist der Grund, warum einige Vertreter dieser Auffassung für sich in Anspruch nehmen, den Streitgegenstand nicht prozessual, sondern materiell zu bestimmen.26 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 55. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 156. 22 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 10 Rdnr. 9; ähnl. für den Zivilprozeß Rimmelspacher, JuS 2004, S. 560 (561 f.); Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 215 f. 23 Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 58 f. 24 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 154, sieht in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Regelung über die Voraussetzungen einer Entscheidung. 25 Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 113. 26 Siehe die Nachweise bei Detterbeck, Streitgegenstand, S. 51 Fn. 7. 20 21

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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Den Streitgegenstand auf diese Art und Weise mit dem materiellen Recht zu verbinden, hat zur Folge, daß Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung nicht nur materiell-rechtliche Vorfragen für den prozessualen Anspruch sind. Sie nehmen vielmehr an der Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung teil. Das ist gewollt und verhindert nach Erlaß eines Urteils neuen Streit über Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung, weil darüber bereits rechtskräftig entschieden worden ist.27 Insbesondere die Zivilgerichte sind so in einem nachfolgenden Amtshaftungsprozeß an das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gebunden. Aus dem prozessualen wird dadurch aber kein materieller Anspruch. Das zeigt die von Schenke vertretene Ansicht, den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage bilde „die subjektive Rechtsverletzung des Klägers durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts sowie der Anspruch auf dessen Erlaß.“28 Er kombiniert die vertretenen Auffassungen miteinander, denn das primäre Ziel der Verpflichtungsklage sei die Verpflichtung der Behörde zur Vornahme der beantragten Amtshandlung. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO und § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO sei jedoch auch über die subjektive Rechtsverletzung und damit über die Rechtswidrigkeit zu entscheiden.29

2. Staatliche Eingriffsbefugnisse und Verfassungsrecht als materiell-rechtliche Anknüpfungspunkte Prozessualer Anspruch und materielles Recht können im Verwaltungsprozeß nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Das Verhältnis der Beteiligten untereinander ist typischerweise anders als im Zivilprozeß. Die vor den ordentlichen Gerichten streitenden Parteien stehen zueinander regelmäßig in einem Verhältnis der Gleichordnung. Die am Privatrechtsverkehr teilnehmenden Personen können zwar wirtschaftlich gesehen unterschiedlich stark sein, sind aber grundsätzlich nicht befugt, einseitig verbindliche Aussagen ohne Zustimmung der anderen Partei zu treffen. Selbst wenn die Parteien nicht über ein vertragliches, sondern über ein gesetzliches Schuldverhältnis streiten, ist eine einseitige Bestimmung der Leistungspflichten grundsätzlich nicht möglich. Die Ausgangssituation einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ist in den meisten Fällen eine ganz andere. Der Bürger ist mit einer von der Behörde einseitig getroffenen und für ihn verbindlichen Entscheidung über seine Rechte und Pflichten nicht einverstanden und möchte mit gerichtlicher Hilfe eine Korrektur erreichen. Auch wenn die Subordination des Bürgers heute nicht mehr das prägende Merkmal im Verhältnis zu hoheitlicher Gewalt ist, ändert das nichts daran, daß die Verwaltung in vielen Fällen weiterhin klassisch ordnungsrechtlich und damit eingreifend 27 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 10 Rdnr. 9; Schmid, in: Sodan / Ziekow, § 88 Rdnr. 12 f. 28 Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 611. 29 Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 610.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

agiert. Auch im Bereich der Leistungs- und Strukturverwaltung ist Kooperation nur bedingt möglich, denn die Behörde muß verbindlich und gesetzeskonform entscheiden. Die Verwaltung drängt den Bürger damit in die Klägerrolle.30 Er muß behördliche Anordnungen zunächst befolgen, wenn er nicht mit Zwangsmaßnahmen konfrontiert werden will. Das unterscheidet ihn von der Vertragspartei, die sich im Recht glaubt und aus diesem Grund nicht leistet. Ihr kann die andere Vertragspartei auch nicht die Bestandskraft ihrer Entscheidung entgegenhalten. Das kann nur die Verwaltung, weil sie für sich in Anspruch nimmt, durch Verwaltungsakt verbindlich entschieden zu haben. Der Verwaltungsprozeß unterscheidet sich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Zivilprozeß. Der Verwaltungsrichter entscheidet zwar wie der Zivilrichter als neutraler und unabhängiger Dritter über einen Rechtsstreit. Anders als im Zivilrecht beeinflussen aber die Grundrechte das Verwaltungsrecht unmittelbar und wirken damit viel stärker auf den Verwaltungsprozeß ein. Art. 1 Abs. 3 GG und der Grundrechtekatalog machen ein Verwaltungsgericht weit mehr als ein Zivilgericht zum Adressaten von verfassungsrechtlich begründeten Ansprüchen des Klägers. Es entscheidet nicht nur über „fremde“ Angelegenheiten, sondern unterliegt noch stärker materiell-rechtlichen Bindungen.31 Insbesondere grundrechtlich begründeten Ansprüchen darf es nicht ausweichen.

IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß der Kläger im Verwaltungsprozeß einen prozessualen Anspruch geltend macht, der aufgrund der verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen nur eingeschränkt mit dem Streitgegenstand im Zivilprozeß vergleichbar ist.32 Die Bestimmung des Streitgegenstands der Verpflichtungsklage muß diesem Umstand Rechnung tragen.

Rupp, AöR 85 (1960), S. 301 (311). A. A. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 66. 32 A. A. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 7 ff. (50); Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 161. 30 31

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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D. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage I. Überblick über die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur 1. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1967 den prozessualen Anspruch des Klägers auf Erlaß des Verwaltungsakts als Streitgegenstand der Verpflichtungsklage angesehen: „Im Falle einer Verpflichtungsklage ist als ,Streitgegenstand‘ der prozessuale Anspruch anzusehen, der sich aus dem Begehren ergibt ( . . . ), die Beklagte zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsaktes zu verurteilen. Ergeht auf eine solche Klage ( . . . ) ein formell rechtskräftiges Urteil, durch das die Beklagte verpflichtet wird, den im Streit befindlichen Verwaltungsakt vorzunehmen, so steht rechtskräftig fest, daß der Kläger einen Anspruch auf Vornahme dieses Verwaltungsaktes hat.“33

Seine Rechtsprechung war jedoch in der Folgezeit nicht einheitlich. In einem Verfahren aus dem Jahre 1986 hat es auf den Wortlaut von § 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO a. F. abgestellt. Streitgegenstand der Verpflichtungsklage sei „die Rechtsbehauptung des Kl., er sei durch die rechtswidrige Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt.“34 Der Kläger könne nach rechtskräftiger Abweisung einer Verpflichtungsklage bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage nicht mit Erfolg geltend machen, daß ihm entgegen einer früheren gerichtlichen Entscheidung der Anspruch auf den abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt dennoch zustehe. Das Gericht hat daher die Klage wegen rechtskräftiger Entscheidung in der gleichen Sache als unzulässig abgewiesen.35 In einer Entscheidung aus dem Jahre 1990 hat das Bundesverwaltungsgericht wieder allein auf den prozessualen Anspruch auf Erlaß des Verwaltungsakts abgestellt,36 kurz darauf aber aus zweierlei Gründen Anlaß zu Spekulationen darüber gegeben, ob Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung nicht doch zum Streitgegenstand gehören. Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung gemäß § 47 PBefG hatte. Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erteilte ihm die beklagte Behörde die zunächst verweigerte Taxikonzession. Den Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheides festzustellen, wies das Gericht zurück, denn sein Ge33 BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1967 – VIII C 2.67 –, E 29, 1 (2); siehe auch BVerwG, Urt. v. 21. 05. 1976 – IV C 80.74 –, E 51, 15 (24 f.). 34 BVerwG, Urt. v. 05. 11. 1985 – 6 C 22.84 –, NVwZ 1986, S. 293 (294). 35 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 23 Rdnr. 8. 36 BVerwG, Beschl. v. 16. 02. 1990 – 9 B 325.89 –, NVwZ 1990, S. 1069.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

genstand sei ein anderer als der der ursprünglichen Versagungsgegenklage zum Zeitpunkt ihrer Erledigung.37 Damit hat das Gericht zum einen den prozessualen Anspruch mit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt verbunden,38 zum anderen ausgeführt, Streitgegenstand der Versagungsgegenklage sei nicht die Feststellung, daß der Ablehnungsbescheid rechtswidrig sei, „sondern die Feststellung, daß die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung“ verletze.39 Die Weigerung kann die Rechtsordnung aber nur verletzen, wenn sie rechtswidrig ist.40 Daher dient die Entscheidung als Beleg für eine Änderung der Rechtsprechung aus dem Jahre 1967.41 Die Verbindung von Streitgegenstand und Beurteilungszeitpunkt ist jedoch in der Literatur kritisiert worden.42 Daß das Gericht die Rechtsverletzung und damit die Rechtswidrigkeit zu Bestandteilen des mit der Versagungsgegenklage geltend gemachten prozessualen Anspruchs gemacht hat, ist kaum beachtet worden, obwohl es damit seine Entscheidung aus dem Jahre 1986 indirekt bestätigt hat. Insgesamt ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einheitlich. Sie trägt daher nicht dazu bei, den Streitgegenstand der Versagungsgegenklage klar zu bestimmen. Sie nimmt auf praktische Bedürfnisse Rücksicht und orientiert sich am Einzelfall. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Hinsicht auf dogmatische Genauigkeit und begriffliche Klarheit verzichtet.

2. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage in der Literatur Die in der Literatur vertretenen Auffassungen zum Streitgegenstand der Versagungsgegenklage – als die häufigste Form der Verpflichtungsklage – sind bereits oben angedeutet worden.43 Streitgegenstand ist danach entweder die Rechtsbehauptung des Klägers, er habe einen Anspruch auf Erlaß des Verwaltungsakts bzw. auf Neubescheidung,44 oder die Ablehnung des Verwaltungsakts sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.45 Er habe daher einen Anspruch auf Vornahme der Amtshandlung.46 BVerwG, Urt. v. 24. 02. 1992 – 7 C 24.91 –, E 89, 354 (355 f.). Krit. zu dieser Entscheidung daher Redeker, DVBl. 1992, S. 1225 (1226) und Detterbeck, Streitgegenstand, S. 54. 39 BVerwG, Urt. v. 24. 02. 1992 – 7 C 24.91 –, E 89, 354 (356). 40 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 54. 41 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rdnr. 28. 42 Redeker, DVBl. 1992, S. 1225 (1226). 43 Siehe oben C. III. 1.; Überblick auch bei Wehr, Jura 1998, S. 575 (576). 44 So zum Beispiel Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 63; Detterbeck, Streitgegenstand, S. 206. 45 So zum Beispiel Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rdnr. 28. 37 38

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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Hält man allein den prozessualen Anspruch auf Erlaß des Verwaltungsakts für erheblich, dann ist die (Verletzungs-)„Vorgeschichte“47 unwesentlich. Die Bedeutung des Ablehnungsbescheids erschöpft sich dann darin, daß er bestandskräftig werden kann und damit den Anspruch auf Erlaß des Verwaltungsakts blockiert.48 Ob der Verwaltungsakt erlassen werden muß, hängt nicht davon ab, ob die Behörde den Antrag beschieden hat, oder ob sie dies in fehlerhafter Weise getan hat.49 Der Ablehnungsbescheid wäre demnach nicht Teil des Streitgegenstands der Versagungsgegenklage. Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung werden durch die gerichtliche Entscheidung nicht rechtskräftig festgestellt, weil sie nicht zum Streitgegenstand gehören. Die Gegenauffassung, die nicht (allein) auf den prozessualen Anspruch, sondern (auch) auf die behauptete Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung abstellt, ist sich über die Einbeziehung des Ablehnungsbescheids in den Streitgegenstand der Versagungsgegenklage nicht einig. So zählt ein Teil der Literatur den vorangehenden Bescheid nicht zum Streitgegenstand, weil das klägerseitige Begehren durch seinen Antrag und nicht durch dessen Ablehnung individualisiert werde.50 Die Klage richte sich nicht gegen die Versagung, sondern auf die Verpflichtung zu einer Leistung. Die Versagungsgegenklage enthalte nicht teilweise eine Anfechtung, sondern sei ausschließlich eine Verpflichtungsklage, obwohl in der Regel die Aufhebung des ablehnenden Bescheids und gegebenenfalls des Widerspruchsbescheids im Tenor ausgesprochen werde.51 Ule galt als ein Vertreter der Ansicht, die den Ablehnungsbescheid in den Streitgegenstand einbezieht: 52 „Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung des Klägers, er werde durch die Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt.“53 Damit muß jedoch keine ausdrückliche Einbeziehung des Ablehnungsbescheids in den Streitgegenstand gemeint gewesen sein, weil sich Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf den Ablehnungsbescheid oder auf den geltend gemachten Anspruch beziehen können. Eine Sonderstellung nimmt die von Schenke vertretene Ansicht ein, den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage bilde „die subjektive Rechtsverletzung des 46 Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 611, der beide Ansichten miteinander kombiniert. 47 Weyreuther, FS für Menger (1985), S. 681 (686); Detterbeck, Streitgegenstand, S. 209. 48 Weyreuther, FS für Menger (1985), S. 681 (686). 49 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 63. 50 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rdnr. 30. 51 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 15 Rdnr. 3; Groschupf, DVBl. 1962, S. 627 (629). 52 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 63 Fn. 270 und Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rdnr. 30, beziehen sich auf Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 II 4, § 59 II 2. 53 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 59 II 2.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

Klägers durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts sowie der Anspruch auf dessen Erlaß.“54 Schenke überträgt damit seine Auffassung zum Streitgegenstand der Anfechtungsklage auf die Versagungsgegenklage. Es sei nicht möglich, den Streitgegenstand der Anfechtungsklage auf den Aufhebungsanspruch zu beschränken, weil ansonsten der Unterschied zum Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht deutlich werde. Der Rechtsschutz über die Anfechtungsklage bleibe sonst in systemwidriger Weise hinter dem einer Fortsetzungsfeststellungsklage zurück, deren Streitgegenstand (auch) die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sei.55 Einer uneinheitlichen Rechtsprechung zum Streitgegenstand steht somit ein vielstimmiger Chor von Literaturmeinungen zur Seite, der keine einheitliche Auffassung zum Streitgegenstand der Versagungsgegenklage aufkommen läßt. Die Diskussion ist geprägt von Rechtskrafterwägungen und unterschiedlichen theoretischen Ausgangspunkten. Prozeßrechtliche und materiell-rechtliche Kategorien sind nicht voneinander getrennt.56 Letztlich ist sachlich und terminologisch unklar, worauf sich Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO beziehen, weil dafür die materiell-rechtlichen Anhaltspunkte fehlen. Das macht es notwendig, den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage auf die Grundstrukturen des Öffentlichen Rechts zurückzuführen.

II. Verpflichtungsklage und subjektiv-öffentliche Rechte Die meisten Unklarheiten und Mißverständnisse über den Streitgegenstand verwaltungsgerichtlicher Klagen sind entstanden, weil das Verwaltungsprozeßrecht hinsichtlich dieser Frage zu wenig mit dem materiellen Recht verknüpft ist.57 Der Wortlaut von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ändert daran nichts, weil er nicht von dem spricht, was der Kläger mit einer Versagungsgegenklage durchsetzen will:58 Einen aus dem materiellen Recht erwachsenden Leistungsanspruch.59 Eine gerichtliche Klage ist kein Selbstzweck und führt nicht ein vom materiellen Recht losgelöstes Eigenleben. Die Lektüre einschlägiger Urteile und Literatur erweckt allerdings zuweilen den gegenteiligen Eindruck.

Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 611. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 610. 56 Anders mit Recht Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 782 ff., für den Beurteilungszeitpunkt. 57 Rupp, FS für Badura, S. 995 (996); ders., Grundfragen, S. 147 und S. 159 f. 58 Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (684); Faber, Verwaltungsrecht, § 28 I; a. A. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 207, in bezug auf das von § 113 VwGO ausgehende Typisierungspotential. 59 Menger, System, S. 119. 54 55

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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Es ist daher empfehlenswert, sich an den Appell von Eckart Hien zu erinnern und den Schutz der Rechte der Bürger nicht nur in der Praxis,60 sondern auch in der Theorie in den Vordergrund zu stellen. Der Verfassungsgesetzgeber hat mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eine Grundentscheidung für eine auf den subjektiven Rechtsschutz ausgerichtete Verwaltungsgerichtsbarkeit getroffen. Aufgabe der Verwaltungsrichter ist nicht vorrangig die objektive Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltung, sondern der Schutz und die Durchsetzung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Bürger. Daher sollten auch die subjektiv-öffentlichen Rechte das Fundament für den Streitgegenstand der Versagungsgegenklage sein.61 Ganz allgemein ist ein subjektives öffentliches Recht „die dem einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene Rechtsmacht, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können.“62 Es handelt sich um eine Rechtsbeziehung zwischen zwei rechtsunterworfenen Rechtssubjekten, die dadurch geprägt ist, „daß das eine Rechtssubjekt gegenüber dem anderen Rechtssubjekt konkrete rechtliche ,Einwirkungsimpulse‘ erlangt.“63 Im folgenden werden darunter Ansprüche im Sinne von § 194 BGB verstanden,64 also subjektive Rechte, die es erlauben, „von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.“ Die Untersuchung orientiert sich terminologisch und hinsichtlich der Einteilung der subjektiven öffentlichen Rechte an der von Rupp eingeführten Unterscheidung zwischen Beseitigungsansprüchen (negative subjektiv-öffentliche Rechte) und Ansprüchen auf Gesetzeserfüllung (positive subjektiv-öffentliche Rechte). Ein Anspruch auf Gesetzeserfüllung liegt vor, wenn „der einzelne einen subjektiven öffentlichen Rechtsanspruch darauf hat, daß die Verwaltung eine ihr vom Gesetz aufgetragene Aufgabe“ erfüllt.65 Ein Beseitigungsanspruch liegt vor, wenn der einzelne einen subjektiven Reaktionsanspruch wegen der Verletzung seines Freiheitsbereichs hat.66 Ansprüche auf Gesetzeserfüllung unterscheiden sich in ihrer Rechtsstruktur komplett von den Abwehrrechten, die aus Verletzungen des (grund-)rechtlichen Freiheitsbereichs hervorgehen.67 Sie stellen keine Beseitigungsansprüche dar, die aus der Verletzung einer Erfüllungspflicht entstehen.68 Vielmehr ist es das Gesetz 60 Hien, DVBl. 2003, S. 443 (445); dazu schon Ehlers, VerwArch. 84 (1993), S. 139 (173 ff.). 61 Rupp, Grundfragen, S. 160. 62 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 2; zur Entstehung der Begriffsmerkmale Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 76 ff. 63 Rupp, Grundfragen, S. 147. 64 Für das Denken in Anspruchskategorien auch Faber, Verwaltungsrecht, § 28 I; stärker unterscheidend Bachof, GS für Jellinek, S. 287 (293). 65 Rupp, Grundfragen, S. 262. 66 Rupp, Grundfragen, S. 249 f. 67 Somló, Juristische Grundlehre, S. 450 ff. 68 Rupp, Grundfragen, S. 262; ders. S. 264, wonach der Anspruch auf Pflichterfüllung nicht aus der Pflichtverletzung entsteht; Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 130.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

und der in ihm enthaltende Vollziehungsanspruch selbst, der die Verwaltung zwingt, ihrer dem Anspruch des Bürgers korrespondierenden Pflicht nachzukommen.69 1. Der mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch auf Gesetzeserfüllung a) Der Anspruch auf Gesetzeserfüllung als materiell-rechtliche Voraussetzung Voraussetzung für einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung ist eine die Verwaltung treffende Rechtspflicht, die ihrerseits auf einem objektiven Rechtssatz beruht.70 Im Bereich der Leistungs- und Strukturverwaltung sind aufgrund der heute bestehenden Regelungsdichte eine Vielzahl von Rechtssätzen in Form von Gesetzen vorhanden. Die Frage nach der Reichweite des Gesetzesvorbehalts steht daher (leider) nicht mehr im Mittelpunkt der Diskussion.71 Die Verwaltung ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden und zum Vollzug der Gesetze verpflichtet. Inwieweit eine Norm auch die Interessen einzelner Bürger schützt und daher ein subjektives Recht enthält, ist jeweils im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich dafür sind zum Beispiel der gesetzlich bezweckte Interessenschutz72 oder ob ein Erlaubnis- oder Befreiungsvorbehalt vorliegt.73 Zu den subjektiven öffentlichen Rechten zählen auch Ansprüche auf beurteilungs- oder ermessensfehlerfreie Entscheidungen.74 Materiell-rechtlich gesehen sind sie Rechte auf Gesetzeserfüllung.75 Die Verwaltung hat allerdings entweder einen Beurteilungsspielraum, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines solchen Rechts vorliegen, oder ihr kommt ein Ermessensspielraum zu, ob und wie sie den Anspruch des Bürgers erfüllt. Daß es sich dabei aber um subjektive öffentliche Rechte handelt, ist nicht mehr zu bezweifeln, seit die Ermessensausübung der Verwaltung unter dem Druck der Verfassung als einzige Quelle staatlicher Macht nicht mehr jenseits des Gesetzesvorbehalts beginnt, sondern nur auf gesetzlicher Grundlage möglich ist.76 Rupp, Grundfragen, S. 263. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 6; Bachof, GS für Jellinek, S. 287 (289); zur Rechtspflicht schon Somló, Juristische Grundlehre, S. 444 und S. 451. 71 Anders noch bei Rupp, Grundfragen, S. 266 ff. und wieder bei Lepsius, JZ 2004, S. 350 (351). 72 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 8 f.; Rupp, Grundfragen, S. 267; ders., DVBl. 1982, S. 144 (147); ders., FS für Badura, S. 995 (1006); Rode, § 40 VwVfG, S. 127 ff. 73 Faber, Verwaltungsrecht, § 28 II a. 74 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 135; BVerwG, Urt. v. 13. 07. 2000 – 2 C 34 / 99 –, DÖV 2001, S. 293 (294). 75 Rupp, Grundfragen, S. 267. 76 Rupp, Grundfragen, S. 181 f. und S. 206; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 171. 69 70

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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Ausgangspunkt ist auch hier eine die Verwaltung treffende Rechtspflicht, beurteilungs- oder ermessensfehlerfrei zu entscheiden. § 40 VwVfG wiederholt und konkretisiert diese aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Pflicht für die Ermessensausübung ausdrücklich. Ein Anspruch auf beurteilungs- oder ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht jedoch wiederum nur dann, wenn die Rechtsnorm auch dem Interesse des betroffenen Bürgers zu dienen bestimmt ist. Auch im Bereich der vormals freien Verwaltung ist es also das Gesetz und der in ihm enthaltende Vollziehungsanspruch, der die Behörden zwingt, ihrer dem Anspruch des Bürgers korrespondierenden Pflicht nachzukommen.77 b) Der prozessuale Anspruch auf Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts Ein (behaupteter) materieller Anspruch auf Gesetzeserfüllung ist die Grundlage für den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage. Der materielle und der prozessuale Anspruch können aus den oben genannten Gründen nicht gleichgesetzt werden.78 Der prozessuale Anspruch baut jedoch auf dem materiellen Recht auf, weil dem Bürger vom Gericht gemäß § 88 VwGO nicht mehr zugesprochen werden darf, als ihm zusteht. Der prozessuale Anspruch kann daher nicht über den materiellen Anspruch hinausgehen. Zugleich darf er aber nicht hinter diesem zurückbleiben, weil ansonsten Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG teilweise wirkungslos wäre und leerlaufen würde. Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist daher der prozessuale Anspruch auf Erlaß des begehrten begünstigenden Verwaltungsakts79 und nicht die Rechtsbehauptung des Klägers, die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts sei rechtswidrig und verletze ihn dadurch in seinen Rechten. Dieses Ergebnis ist entgegen der Ansicht von Detterbeck, nicht allein mit dem Wortlaut von § 42 Abs. 1 VwGO zu begründen.80 Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift ist nicht eindeutig. Sie enthält nicht zwingend eine Aussage zum Streitgegenstand. § 42 Abs. 1 VwGO regelt zunächst einmal nur, daß die VwGO zwei verwaltungsaktbezogene Klagearten kennt: die Anfechtungsklage gegen belastende Verwaltungsakte und die Verpflichtungsklage, mit der der Erlaß von Verwaltungsakten (als eine spezielle Form von Amtshandlungen) erstritten werden kann. § 42 Abs. 1 VwGO wäre dann eine rein formale Regelung zur Abgrenzung der Statthaftigkeit von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Überzeugend argumentieren läßt sich mit dem Wortlaut von § 42 Abs. 1 VwGO in bezug auf den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage nur, wenn die prozeßrechtliche Hülle einen materiell-rechtlichen Inhalt erhält. Das Verwaltungsprozeßrecht kommt an dieser Stelle nicht ohne das materielle Recht aus.81 77 78 79 80

Rupp, Grundfragen, S. 263. Siehe oben C. I. So auch Detterbeck, Streitgegenstand, S. 207. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 156, für die Anfechtungsklage.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

Wortlaut und Regelungsgehalt von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO sprechen nicht dagegen, den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage als prozessualen Anspruch auf Erlaß des begehrten begünstigenden Verwaltungsakts zu begreifen. Aus der Vorschrift geht nur hervor, daß die Behörde – und nicht etwa das Gericht – den beantragten Verwaltungsakt erläßt und damit Adressat des geltend gemachten Anspruchs ist. Der Norm ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, ob Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung zum prozessualen Anspruch gehören oder materiell-rechtliche Vorfragen sind. Da der Wortlaut von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht auf das verfolgte Begehren, sondern auf die (Verletzungs-)„Vorgeschichte“ abhebt,82 spricht wenig dafür, diese als Teil des prozessualen Anspruchs anzusehen. Die (Verletzungs-)„Vorgeschichte“ beinhaltet die Pflichtverletzung der Verwaltung, die mit der Nichterfüllung des geltend gemachten Anspruchs zusammenfällt83 und gehört zum materiellen Recht. Dies spricht dagegen, sie zum prozessualen Anspruch zu zählen. Die hier vertretene Auffassung mit Blick auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und den Streitgegenstand der Anfechtungsklage anzugreifen, ist nicht überzeugend. Nach überwiegender Ansicht in der Literatur ist Streitgegenstand der Anfechtungsklage die Rechtsbehauptung des Klägers, der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.84 Dem Wortlaut und dem Regelungsgehalt von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann der Streitgegenstand der Anfechtungsklage jedoch nicht entnommen werden. Aus der Vorschrift geht prozessual gesehen nur hervor, daß das Gericht und nicht die Behörde die Befugnis besitzt, den angegriffenen Verwaltungsakt aufzuheben. Auch spricht § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vom Gegenstand des Prozesses,85 sondern regelt nur, unter welchen materiell-rechtlichen Voraussetzungen eine Anfechtungsklage begründet ist. Detterbeck ist darin zuzustimmen, daß es möglich ist, vom Entscheidungsinhalt – Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsakts – auf den Inhalt des Streitgegenstands – (prozessualer) Aufhebungsanspruch – zu schließen.86 Das Gericht hebt zwar den angegriffenen Verwaltungsakt auf, regelungstechnisch ist es aber denkbar, dem von der VwGO vorausgesetzten Reaktionsanspruch des Klägers dadurch nachzukommen, daß das Gericht die Verwaltung zum Tätigwerden verurteilt, allerdings nicht zum Erlaß, sondern zur Aufhebung eines Verwaltungsakts.87 Die Aufhebung 81 Instruktiv zum Verhältnis von Prozeß- und materiellem Recht Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (683). 82 Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (684). 83 Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (685). 84 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 10 Rdnr. 9; ähnl. Tettinger / Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 12 Rdnr. 5; Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 246; siehe auch BVerwG, Urt. v. 08. 12. 1992 – 2 C 12.92 –, E 91, 256 (257). 85 Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (684). 86 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 154; Remmert, VerwArch. 88 (1997), S. 112 (135 Fn. 100). 87 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 155; Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 2; Rupp, Grundfragen, S. 255 f.; Weyreuther, Verhandlungen,

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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durch das Gericht ist daher nur eine Folge der Entscheidung über den Streitgegenstand. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und die dadurch bedingte Rechtsverletzung sind dafür nur notwendige Voraussetzungen.88 Anders ausgedrückt: Ob das Verwaltungsgericht oder die Verwaltung den Anspruch des Klägers „erfüllt“, ist zunächst zweitrangig. Entscheidend ist das gerichtliche Urteil über das Bestehen des Anspruchs.89 Aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO läßt sich somit kein Argument herleiten, das dagegen spricht, den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage als prozessualen Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts zu definieren.90 Daher ist auch die Ansicht von Schenke zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage nicht überzeugend.91 Sie basiert auf der Prämisse, daß die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zum Streitgegenstand einer Klage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gehört. Ist diese Annahme zutreffend und die Fortsetzungsfeststellungsklage nur eine amputierte Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, dann spricht viel dafür, Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung als vom Streitgegenstand einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage umfaßt anzusehen.92 Nach der hier vertretenen Meinung ist das unzutreffend, insoweit § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufbaut und die Rechtswidrigkeit und die dadurch verursachte Rechtsverletzung gerade nicht zum Streitgegenstand gehören. Der über eine Anfechtungsklage erreichbare Rechtsschutz bleibt auch nicht systemwidrig hinter dem einer Fortsetzungsfeststellungsklage zurück. Mit ersterer verfolgt der Kläger einen noch bestehenden Aufhebungsanspruch, mit letzterer will er festgestellt wissen, daß er einen solchen Anspruch einmal hatte.93 Diese Argumentation ist dem Einwand ausgesetzt, daß sie den Wortlaut von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO außer Acht läßt, zumal der Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage kaum umstritten ist.94 Im Ergebnis spricht dieser Umstand aber nicht gegen die hier vertretene Auffassung zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage. Die Fortsetzungsfeststellungsklage kann wie die Nichtigkeitsfeststellungsklage eine spezielle Feststellungsklage sein,95 mit der, obwohl es S. B 46; Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 107 f.; Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 51. 88 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 155. 89 Sehr deutlich Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (686), der den mißverständlichen Wortlaut von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „übersetzt“. 90 Dazu auch Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (616 Fn. 109). 91 Siehe oben C. III. 1. 92 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 290, weist darauf mit Recht hin. 93 Für die Feststellungsfähigkeit eines solchen Rechtsverhältnisses Sodan / Kluckert, VerwArch. 94 (2003), S. 3 (22); Wehr, DVBl. 2001, S. 785 (787 f.). 94 BVerwG, Beschl. v. 31. 8. 1990 – 7 B 115.90 –, NVwZ 1991, S. 160: Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage sei die Frage, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig war; daher sind Sodan / Kluckert, VerwArch. 94 (2003), S. 3 (22), für eine analoge Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Fälle der Erledigung vor Klageerhebung. 95 BVerwG, Urt. v. 14. 07. 1999 – 6 C 7.98 –, E 109, 203 (207).

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

sich nicht um ein Rechtsverhältnis handelt, die Rechtswidrigkeit einer behördlichen Verfügung festgestellt werden kann.96 Sie ist jedenfalls kein Unterfall der Anfechtungsklage, weil das Urteil keine gestalterische Wirkung hat und die Klagearten insofern nicht vergleichbar sind.97 Die herrschende Auffassung zum Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist zumindest überprüfungsbedürftig, weil sie im Hinblick auf den Streitgegenstand der Anfechtungsklage von unzutreffenden Prämissen ausgeht. c) Zwischenergebnis Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist der prozessuale Anspruch auf Erlaß des begehrten begünstigenden Verwaltungsakts. Seine Grundlage ist ein (behauptetes) subjektiv-öffentliches Recht auf Gesetzeserfüllung. § 42 Abs. 1 VwGO gibt dem Bürger daher die Möglichkeit, eine Verpflichtungsklage zu erheben, um seine Rechte auch gerichtlich durchsetzen zu können. Der Streitgegenstand der Versagungsgegenklage läßt sich nicht § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO entnehmen, da die Norm nicht auf das verfolgte Begehren, sondern auf die (Verletzungs-)„Vorgeschichte“ abhebt. Detterbeck ist daher im Ergebnis zuzustimmen, wenngleich die von ihm angeführten Gründe nicht überzeugen können.

2. Der mit der Versagungsgegenklage verfolgte Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids Der Bescheid, mit dem die Behörde den Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts ablehnt, führt in Rechtswissenschaft und Gerichtspraxis fast ein „Schattendasein“. Lediglich Überlegungen zur Statthaftigkeit der isolierten Anfechtungsklage lassen Rechtscharakter und Wirkungen interessant erscheinen. Seine Auswirkungen auf den mit der Verpflichtungsklage verfolgten Anspruch auf Gesetzeserfüllung sind nur wenig erforscht. Die Unsicherheiten beginnen in Klausuren – Ablehnungsoder Anspruchaufbau – und enden in der Struktur von Verpflichtungsurteilen sowie Fragen zur Reichweite der materiellen Rechtskraft. Der Schlüssel für die diesbezüglichen Antworten ist der prozessuale Anspruch. Streitgegenstand der Versagungsgegenklage ist möglicherweise nicht nur der prozessuale Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts, sondern auch der prozessuale Anspruch auf Aufhebung des Ablehungsbescheids.98 Die Kategorien der subjektiv-öffentlichen Rechte legen die Frage nahe, ob die Verletzung eines Anspruchs auf Gesetzeserfüllung durch Erlaß eines rechtswidrigen Ablehnungsbescheids einen Beseitigungsanspruch hervorbringt, den der KläDetterbeck, Streitgegenstand, S. 290 f.; Laubinger, VerwArch. 82 (1991), S. 459 (487). Zur Zulässigkeit einer Klageänderung Detterbeck, S. 293 ff. 98 Dagegen Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 81 und S. 130; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 239. 96 97

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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ger mit einer Versagungsgegenklage (un-)gewollt mit geltend macht. Bisher existiert keine befriedigende Antwort, obwohl in der Literatur umstritten ist, ob der Ablehnungsbescheid zum Streitgegenstand der Versagungsgegenklage gehört.99 Ursächlich für die fehlende dogmatische Durchdringung dürfte die „Selbstgenügsamkeit des Verwaltungsprozeßrechts“ sein, die in der schon beklagten geringen Verknüpfung mit dem materiellen Recht zum Ausdruck kommt,100 sowie eine unterstellte praktische Bedeutungslosigkeit des Ablehnungsbescheids. Das überrascht angesichts der Antragspraxis, der gängigen Tenorierung und der Wirkungen von Ablehnungsbescheiden. a) Der Antrag auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids in der verwaltungsgerichtlichen Praxis Hat die Behörde einen Ablehnungsbescheid erlassen, beantragt die Klägerseite in der Praxis üblicherweise „die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom ( . . . ) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ( . . . ) zu verpflichten, über ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.“101 Ist die Sache spruchreif, stellt der Kläger einen strikten Verpflichtungsantrag, beantragt jedoch ebenfalls die Aufhebung des Ablehnungsbescheids. Das Verwaltungsgericht ist zwar gemäß § 88 VwGO nicht an den Wortlaut des Klageantrags gebunden. Ein derartiger Antrag enthält aber das Begehren, den Ablehnungsbescheid aufzuheben. Daran ist das Gericht aufgrund der im Verwaltungsprozeß geltenden Dispositionsmaxime gebunden. So lautet dann auch der Tenor (hier eines Berufungsurteils): „Unter teilweiser Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ( . . . ) ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts ( . . . ) wird der ablehnende Bescheid der Bezirksregierung ( . . . ) vom ( . . . ) aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers ( . . . ) vom ( . . . ) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.“102

Angesichts dieser Antrags- und Tenorierungspraxis müßte der Ablehnungsbescheid wegen des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs ein Teil des vom Kläger geltend gemachten prozessualen Anspruchs sein. Das Bundesverwaltungsgericht mißt jedoch dem Aufhebungsbegehren keine selbständige Bedeutung zu. In einem Fall hatten die Kläger einem Antrag auf Planergänzung gestellt. Dieses gerade nicht auf die Beseitigung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete, sondern seinen Bestand voraussetzende Begehren gab der Klage den Charakter einer VerSiehe oben D. I. 2. Siehe oben D. II. 101 OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30. 11. 1993 – 7 A 12014 / 92 –, Umdruck S. 1, insoweit nicht veröffentlicht in UPR 1994, S. 273. 102 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10. 11. 1998 – 7 A 12844 / 97 – unveröffentlicht, Umdruck S. 1; siehe auch SG Speyer, Urt. v. 26. 05. 1997 – S 13 P 63 / 97 –, Umdruck S. 2; Kopp / Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 179. 99

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pflichtungsklage. Das daneben aufrechterhaltene Aufhebungsbegehren habe nicht mehr die gänzliche oder teilweise Beseitigung des Planfeststellungsbeschlusses zum Ziel, sondern richte sich allein gegen die in ihm ausdrücklich oder stillschweigend enthaltene Versagung der begehrten Schutzanordnung als das bei Verpflichtungsklagen übliche unselbständige Aufhebungsbegehren.103 Dieser Ansicht hat sich die Literatur weitgehend angeschlossen.104 Der Versagungsbescheid gehöre zur Vorgeschichte des Anspruchs. Seine Aufhebung diene nur der Klarstellung105 und der Rechtssicherheit.106 Es bestehe kein praktisches Bedürfnis, das vorangegangene behördliche Verhalten in den Streitgegenstand einzubeziehen. Die rechtskräftige Entscheidung stelle das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts bindend fest. Das Rechtsverhältnis der Beteiligten sei damit hinreichend geklärt.107 Die ausdrücklich oder konkludent begehrte Aufhebung des ablehnenden Bescheides gehöre daher nicht zum Streitgegenstand. Die Aufhebung durch das Gericht sei ein unselbständiger Anfechtungsannex, der im Interesse der Rechtsklarheit üblicherweise mitentschieden und tenoriert werde.108 Der Streitgegenstand werde dadurch nicht geändert.109 Die gerichtliche Praxis kommt so zu vertretbaren Ergebnissen. Dogmatisch befriedigend sind diese jedoch nicht, weil die Anträge der Kläger regelmäßig auch das Aufhebungsbegehren beinhalten. Zudem gehört der Ablehnungsbescheid zum Lebenssachverhalt. Damit ist zwar noch nicht gesagt, daß er auch zum Klagegrund gehört. Der Antrag des Bürgers auf Erlaß eines Verwaltungsakts, das Verwaltungsverfahren und der Bescheid bauen aber aufeinander auf und gehören daher zusammen. Die behördliche Entscheidung verbindet das Verwaltungsverfahren mit dem gerichtlichen Verfahren, weil sie für den Bürger im wahrsten Sinne des Wortes den „Anlaß zur Klage bietet.“ b) Rechtsnatur des Ablehnungsbescheids und seine belastende Wirkung Einen Grund zur Klageerhebung hat der Bürger, soweit ihm durch die ablehnende oder von seinem Antrag abweichende Bescheidung ein Nachteil droht oder 103 BVerwG, Urt. v. 21. 05. 1976 – IV C 80.74 –, E 51, 15 (23); auch BVerwG, Urt. v. 22. 5. 1987 – 4 C 77.84 –, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 5. 104 Überblick bei Schröder, FS für Menger, S. 487 (498). 105 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 64; Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (686). 106 Schröder, FS für Menger, S. 487 (498). 107 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 64. 108 Kilian, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 121 Rdnr. 51; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 378, begründet dieses Ergebnis mit § 43 Abs. 2 VwVfG – Erledigung des Ablehnungsbescheids. 109 Kopp / Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 179.

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entsteht und sich die Behörde für den Fall eines erneuten Antrags auf ihre erste Entscheidung berufen kann. Der Bürger hat somit Anlaß zur Klage, wenn der Bescheid, mit dem die Behörde den Antrag ablehnt, ein belastender Verwaltungsakt ist, der bestandskräftig werden und sich in der Zukunft für ihn nachteilig auswirken kann.110 aa) Verwaltungsakteigenschaft des Ablehnungsbescheids Menger hat schon 1954 „die ausdrückliche Ablehnung oder Versagung eines bestimmten Verwaltungsaktes,111 einer im Gesetz vorgesehenen Genehmigung, Bewilligung oder dergleichen“ als einen Verwaltungsakt angesehen.112 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Ansicht angeschlossen. Es liegt eine Regelung im Sinne von § 35 VwVfG vor, weil „die Maßnahme der Behörde hinsichtlich der Rechtsbeziehungen zwischen ihr und dem von der Maßnahme Betroffenen unmittelbare Rechtswirkungen hat. Dies erfordert, daß durch die Maßnahme entweder subjektive Rechte des Betroffenen begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte verbindlich abgelehnt wird“113 und ein Ablehnungsbescheid auch die übrigen Merkmale eines Verwaltungsakts aufweist.114 Lehnt die Behörde den Antrag des Bürgers ab oder erläßt sie eine abweichende Regelung, so steht zumindest aus ihrer Sicht fest, daß bestimmte subjektive öffentliche Rechte nicht oder nur in modifizierter Form bestehen. In der Literatur war lange unstreitig, daß ein ablehnender oder vom Antrag auf Erlaß einer begünstigenden Verfügung abweichender Bescheid als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist.115 Gerhardt vertritt allerdings seit einigen Jahren die Auffassung, die behördliche Versagung enthalte nur eine negative Regelung. Sie habe bei gebundenen Ansprüchen für die Begründetheit einer Verpflichtungsklage keine Bedeutung. In den Fällen von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO sei sie nicht als Regelung, sondern als – grundsätzlich nicht abschließende – Manifestation der behördlichen Abwägung von Interesse.116 Die Bezeichnung „negative Regelung“ suggeriert, es handele sich um einen Verwaltungsakt 2. Klasse. Gerhardt kann sich zwar auf Menger berufen, der von eiKracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 111 ff. Hervorhebung nicht im Original; zur Ablehnung schlicht hoheitlichen Handelns Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 111 Fn. 179. 112 Menger, System, S. 195; dieses Zitat findet sich auch bei Laubinger, FS für Menger, S. 443 (450). 113 BVerwG, Urt. v. 19. 7. 1984 – 3 C 12.83 –, E 69, 374 (377). 114 Laubinger, FS für Menger, S. 443 (451), der auch auf die Entstehungsgeschichte der VwGO verweist. 115 Bestritten wurde das Vorliegen einer Regelung von von Wedel, MDR 1975, S. 96 (98). 116 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 64; siehe auch Fraenkel-Haeberle, DÖV 2004, S. 861 (864). 110 111

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nem „negativen Verwaltungsakt“ spricht.117 Das ändert aber nichts daran, daß § 35 Satz 1 VwVfG nicht nach verschiedenen Regelungen unterscheidet. Verwaltungsakte derart zu qualifizieren, ist mangels gesetzlicher Grundlage nicht möglich. Menger konnte dies 1954 nur tun, weil es noch keine § 35 VwVfG entsprechende Norm gab. Auch durch Verfügungen, die auf behördlichen Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen beruhen, werden subjektive Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte verbindlich abgelehnt. Ein Ablehnungsbescheid ist eine abschließende Manifestation der behördlichen Abwägung. Eine andere Auffassung würde den von Bachof gegenüber der Verwaltungsgerichtsbarkeit geäußerten Vorwurf der Beckmesserei und Besserwisserei bestätigen, weil sie die funktional notwendigen Kompetenzen der Exekutive nicht beachten würde.118 Festzuhalten ist daher: Der Bescheid, der über den Antrag auf Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts entscheidet, ist selbst Verwaltungsakt.119 bb) Belastende Wirkung des Ablehnungsbescheids Ein Verwaltungsakt wirkt belastend, wenn er dem Adressanten eine Verpflichtung auferlegt, von ihm ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangt oder ein dem Adressaten zustehendes Recht beschränkt oder entzieht.120 Dazu zählt auch die Entscheidung, mit der die Behörde den Antrag auf Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts ablehnt,121 denn dadurch verweigert sie die verbindliche Begründung oder Feststellung von subjektiven Rechten. Lehnt sie den Antrag aus materiellrechtlichen Gründen ab oder trifft sie eine abweichende Regelung, so steht fest, daß bestimmte subjektive Rechte nicht oder nur in modifizierter Form bestehen.122 Die Behörde bestimmt, was für den Bürger „Rechtens sein soll“123 und ist selbst an ihre Regelung gebunden.124 Die Regelungswirkung erschöpft sich nicht in einem schlichten „Nein“ der Behörde, sondern enthält eine präjudizielle Incidentfeststellung der maßgeblichen materiellen Rechtslage.125

Menger, System, S. 195. Bachof, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 179 – Diskussionsbeitrag. 119 Nicht jeder Ablehnungsbescheid ist unbedingt ein Verwaltungsakt, siehe dazu Laubinger, FS für Menger, S. 443 (451 f.). Umstritten ist insbesondere die Rechtsnatur von Bescheiden, mit denen die Behörde den Erlaß eines Rechtssatzes oder eines Realakts ablehnt. 120 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rdnr. 18 und § 61 Rdnr. 26. 121 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rdnr. 18. 122 Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 114. 123 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. 1, S. 93. 124 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 6. 125 Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 114 f. 117 118

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cc) Fähigkeit zur formellen und materiellen Bestandskraft Die Regelungs- und Bindungswirkung steht im Zusammenhang mit der Bestandskraft von Verwaltungsakten.126 Der Ablehnungsbescheid kann wie jeder andere Verwaltungsakt bestandskräftig werden. Das Verwaltungsrecht kennt die formelle und die materielle Bestandskraft. Formelle Bestandskraft tritt ein, wenn Rechtsbehelfe nicht existieren oder der Rechtsweg erschöpft ist, der Betroffene wirksam auf alle Rechtsbehelfe verzichtet hat oder alle Fristen abgelaufen sind.127 Die damit einhergehende Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts ist unumstritten. Wesentlich problematischer ist die materielle Bestandskraft von Verwaltungsakten. Sie betrifft die Problematik, ob und inwieweit die Verwaltung an ihre eigenen Entscheidungen gebunden ist, denn im Gegensatz zu den Gerichten kann sie unter den in §§ 48 ff. VwVfG festgelegten Voraussetzungen auch einen formell bestandskräftigen Verwaltungsakt zurücknehmen, widerrufen, auf Antrag aufheben oder ändern.128 Die Frage nach der materiellen Bestandskraft von Ablehnungsbescheiden ist kein theoretisches Problem. So hatte das Bundesverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, ob die Bestandskraft einer Genehmigungsversagung für eine Blockhütte im Außenbereich die materielle Baurechtswidrigkeit auch für ein späteres Widerspruchsverfahren gegen eine Abrißverfügung verbindlich feststellt.129 Der Eigentümer einer als Wochenendhaus genutzten Blockhütte wollte diese nachträglich genehmigen und damit legalisieren lassen. Sein Antrag wurde abgelehnt. Der Widerspruch war erfolglos. Mit Unanfechtbarkeit des Widerspruchsbescheids stand für die Baubehörde die materielle Illegalität der Blockhütte fest, mit dem Ergebnis, daß sie in der Folgezeit gegenüber dem Eigentümer den Abriß verfügte. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde auch unter Hinweis auf die bestandskräftige Genehmigungsversagung zurückgewiesen.130 Während das Berufungsgericht wegen einer möglichen unangemessenen Privilegierung von Schwarzbauten und dem Umfang der Bestandskraft von ablehnenden Bescheiden das Ergebnis für praxisnah und gerecht hielt,131 hat das Bundesverwaltungsgericht dem Ablehnungsbescheid nur eine eingeschränkte Wirkung zugemessen. Begründet hat es seine Auffassung mit der sich aus Art. 14 GG ergebenden Baufreiheit und den Unterschieden zwischen der Bestandskraft von Bescheiden und der Rechtskraft gerichtlicher Urteile. Die Auffassung des Berufungsgerichts führe dazu, daß der Antragsteller nicht nur seinen Anspruch auf Baugenehmigung in das Verfahren einzubringen brauche, sondern die Bebaubarkeitsqualität seines Badura, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rdnr. 47. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 4. 128 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 56 Rdnr. 5. 129 BVerwG, Urt. v. 06. 06. 1975 – IV C 15.73 –, E 48, 271. 130 Zur bestandskräftigen Ablehnung und zum Antrag auf erneute Sachentscheidung Laubinger, FS für Seok, S. 65 (95 ff.). 131 OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09. 01. 1973 – VII A 1141 / 71 –, DÖV 1973, S. 717. 126 127

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

Grundstücks als solche.132 Das den gerichtlichen Urteilen vorbehaltene Institut der materiellen Rechtskraft entspreche der den Gerichten übertragenen Aufgabe, in besonderen Verfahren über Streitigkeiten endgültig zu entscheiden, damit in dem gebotenen Umfang Rechtsfrieden eintrete. Die Funktion von Verwaltungsverfahren sei in der Regel eine andere. Sie seien „typischerweise durch Elemente der ,Gestaltung‘, der Zweckmäßigkeitserwägung, der nicht eigentlich streitentscheidenden Gewährung oder Vorenthaltung geprägt.“133 Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts überzeugt nicht.134 Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt. Dazu zählen auch das BauGB (damals BBauG) und die Landesbauordnungen. Wenn die Baubehörde in einem Verfahren prüft, ob einem Vorhaben baurechtliche Vorschriften entgegenstehen, steht nicht die Bebaubarkeit als solche auf dem Spiel. Prüfungsgegenstand im Genehmigungsverfahren ist nur die bauliche Anlage für die ein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung vorliegt. Daher stand mit Abschluß des Verfahrens nur fest, daß die Blockhütte nicht genehmigungsfähig war. Über sonstige auf dem Grundstück möglicherweise zulässige Vorhaben, hatte die Baubehörde gar nicht zu entscheiden. Entsprechend hat sie auch keine weitere Inhaltsbestimmung von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorgenommen. Die Reichweite der materiellen Bestandskraft einer Genehmigungsversagung bestimmt sich nach dem Verfahrensgegenstand. Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens, das den Erlaß eines Verwaltungsakts zum Ziel hat, ist die durch einen konkreten Sachverhalt in Verbindung mit einem Antrag oder einer amtlichen Einleitungsentscheidung näher abgegrenzte Verwaltungsrechtssache, wobei dieser Begriff dem des Streitgegenstands im Prozeßrecht entspricht.135 Maßgeblich für den Verfahrensgegenstand ist das materielle Recht.136 In der zitierten Entscheidung hätte das Bundesverwaltungsgericht also zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der maßgebliche Sachverhalt – die bestehende Blockhütte im Außenbereich – sowie die entscheidende baurechtliche Vorschrift – § 35 BBauG – im Genehmigungsund im Beseitigungsverfahren identisch waren. Erlangt ein Ablehnungsbescheid formelle Bestandskraft, dann erreicht er ein Maß an Rechtsbeständigkeit, das eine Bindung der Gerichte im Sinne der Rechtssicherheit rechtfertigt. Anderenfalls fehlt nicht nur der Verwaltung eine verläßliche Handlungsgrundlage,137 sondern auch Dritte können nicht auf den Bestand ihrer BVerwG, Urt. v. 06. 06. 1975 – IV C 15.73 –, E 48, 271 (273 f.). BVerwG, Urt. v. 06. 06. 1975 – IV C 15.73 –, E 48, 271 (276). 134 Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 114 f.; Laubinger, VerwArch. 75 (1984) S. 55 (74 Fn. 57); skeptisch auch Krebs, VerwArch. 67 (1976), S. 411 (416); offengelassen in BVerwG, Urt. v. 17. 10. 1989 – 1 C 18.87 –, E 84, 11 (14 f.); zurückhaltend Christonakis, Rechtsschutzinteresse, S. 294 Fn. 19. 135 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 9 Rdnr. 24; str., siehe Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 9 Rdnr. 98. 136 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 9 Rdnr. 25. 137 Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 43 Rdnr. 116. 132 133

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Rechtspositionen vertrauen. Dieses Argument gewinnt zusätzlich an Gewicht, weil aus Gründen der Rechtssicherheit auch ein verfassungsrechtliches Interesse an der formellen Bestandskraft von Verwaltungsakten besteht.138 Die bloße Unanfechtbarkeit wäre aber eine Hülle ohne Inhalt, wenn nicht auch eine materielle Bindung eintritt. c) Der Beseitigungsanspruch als materiell-rechtliche Voraussetzung Voraussetzung für einen mit der Erhebung einer Versagungsgegenklage behaupteten prozessualen Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids wegen Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf Gesetzeserfüllung ist ein subjektivöffentlicher Reaktionsanspruch, mithin ein materieller Anspruch. Das Bestehen dieses subjektiven öffentlichen Rechts wird in der Literatur im Zusammenhang mit der Anfechtungsklage diskutiert. § 46 VwVfG und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzen ein solches Recht voraus, ohne es selbst zu normieren.139 Daß mit der Anfechtungsklage ein Aufhebungsanspruch verfolgt wird, ist unbestritten, aber seine Bezeichnung, rechtlichen Grundlagen und Tatbestandsvoraussetzungen sind bis heute umstritten und unklar.140 Der Bescheid, mit dem die Verwaltung den Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts ganz oder teilweise ablehnt, ist ein den Antragsteller belastender Verwaltungsakt. Es liegt daher nahe, daß ein solcher Ablehnungsbescheid die gleiche Reaktion auslöst wie ein normaler belastender Verwaltungsakt, mit dem die Behörde in die Rechte des Bürgers eingreift. Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Bürger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hat er einen Anspruch auf Aufhebung. Ob ein rechtswidriger Ablehnungsbescheid einen derartigen Anspruch zur Folge hat, hängt davon ab, welche Pflichten das vom Kläger mit der Versagungsgegenklage verfolgte subjektiv-öffentliche Recht auf Gesetzeserfüllung für die Verwaltung mit sich bringt. Auch wenn sich Ansprüche auf Gesetzeserfüllung komplett von Beseitigungsansprüchen unterscheiden, ist die Antwort auf die Frage, ob die Verletzung eines positiven subjektiv-öffentlichen Rechts ein negatives subjektiv-öffentliches Recht hervorbringen kann, nur verständlich, wenn die Grundlagen für das Entstehen eines Beseitigungsanspruchs hinreichend klar sind. Ein subjektives öffentliches Recht setzt eine auf einem objektiven Rechtssatz beruhende Rechtspflicht der Verwaltung voraus. Zu fragen ist daher zunächst nach dem Bestehen einer Rechtspflicht, die jeden Hoheitsträger zu gesetzmäßigem Verhalten verpflichtet, denn nur BVerfG, Beschl. v. 20. 04. 1982 – 2 BvL 26 / 81 –, E 60, 253 (270). Faber, Verwaltungsrecht, § 21 III a; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rdnr. 25. 140 Übersicht bei Faber, Verwaltungsrecht, § 21 III a; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 293 ff. 138 139

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pflicht- und damit rechtswidrige Handlungen können Grundlage eines Beseitigungsanspruchs sein.141 aa) Unterlassungspflicht und Freiheitsstatus Das Bestehen von Rechtspflichten hat insbesondere Rupp in Auseinandersetzung mit der Statuslehre von Georg Jellinek und der Stufenlehre der Wiener Rechtsschule herausgearbeitet.142 Er kommt zu den Ergebnis, daß das im Grundgesetz verankerte Gesetzmäßigkeitsprinzip ein Verwaltungsrechtsverhältnis mit Rechten und Pflichten für Bürger und Verwaltung hervorgebracht hat, dessen wesentliches Merkmal die bereits erwähnten positiven und negativen subjektiven öffentlichen Rechte sind.143 Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ist für ihn Folge der Verletzung einer Rechtspflicht, die zur Entstehung subjektiver öffentlicher Rechte führt.144 Die subjektive Seite des Gesetzmäßigkeitsprinzips läßt Abwehr- oder Beseitigungsrechte entstehen. Diese dienen dem Schutz des dem Individuum durch Gesetz zugeordneten Freiheitsbereichs (status) vor Verletzungen durch ungesetzlichen Zwang.145 Dieser Freiheitsstatus darf nach Auffassung von Rupp nicht mit verfolgbaren subjektiven öffentlichen Rechten verwechselt werden, da diese anderenfalls uferlos und nur vage Schlagworte seien.146 Auch der status selbst sei in Wahrheit ein durch ein Bündel normativer Enthaltungspflichten der Verwaltung gesetzlich umrissener Zustand, der als solcher kein subjektives Recht sei, sondern bestenfalls bei Verletzung ein solches erzeuge.147 Der menschliche Freiheitsbereich / status ist nach dieser Konzeption strikt vom subjektiv-öffentlichen Recht auf Beseitigung einer Statusverletzung zu unterscheiden148 und von der staatlichen Pflichtenseite her zu denken.149 Das subjektiv-öffentliche Recht auf Aufhebung des statusverletzenden Verwaltungsakts ist demnach ein anderes jus, als das in § 42 Abs. 2 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO genannte verletzte Recht. Rupp untersucht den materiell-rechtlichen Entstehungsgrund für den Reaktionsanspruch und fragt nach Inhalt und Tatbestandsmerkmalen. 150 Er verwirft die TheoRupp, Grundfragen, S. 176 f. Siehe Rupp, Grundfragen, S. 161 und S. 164 f. 143 Rupp, Grundfragen, S. 147. 144 Rupp, Grundfragen, S. 14. 145 Rupp, FS für Badura, S. 995 (1003); zum status negativus Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 125 ff. 146 Rupp, Grundfragen, S. 161 f. 147 Rupp, Grundfragen, S. 162; zustimmend Laubinger, VerwArch. 80 (1989), S. 261 (291); krit. Alexy, Grundrechte, S. 237 Fn. 40. 148 Siehe auch Weyreuther, Verhandlungen, S. B 78, der sich auf Rupp bezieht. 149 Rupp, Grundfragen, S. 169 und S. 171. 150 Rupp, Grundfragen, S. 172. 141 142

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rie von Bachof, nach der allein aus Verletzungen des Gesetzmäßigkeitsprinzips durch die Verwaltung ein Reaktions-, d. h. ein Aufhebungsanspruch folgt.151 Dieses Prinzip verpflichte die Verwaltung nur dazu, den Freiheitsstatus des Bürgers nicht zu verletzen, sage aber nichts darüber aus, ob, und wenn ja, welche Rechtsfolgen eine Verletzung auslöse.152 Er kritisiert auch den von Menger gemachten Versuch, aus einem Vergleich mit den Grundsätzen der Staatshaftung einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Wiedergutmachungsanspruch zu entwickeln,153 weil die Staatshaftung kein Staatsunrecht sanktioniere, sondern eine Haftungsübernahme durch den Staat für Rechtsverletzungen durch einzelne Organwalter sei.154 Rupp setzt vielmehr beim Gesetzmäßigkeitsprinzip und dem von Jellinek entwickelten „status libertatis“ an, dessen subjektive Komponente dieser ist, verwirft jedoch die Selbstverpflichtungslehre als Ausdruck eines verfehlten Dogmas vom Staat als Rechtspersönlichkeit. Er ist jedoch der Auffassung, daß sich aus der Verletzung der Verwaltungspflicht zu rechtmäßigem Verhalten kein Rechtssatz ableiten lasse, der den Reaktionsanspruch beinhalte.155 Dazu müßte dieser allgemeinen Unterlassungspflicht ein allgemeiner Unterlassungsanspruch gegenüberstehen.156 Dies lehnt Rupp ab, weil der subjektive status nur den Schutz vor ungesetzlichem Zwang bedeute, aber keinen Schutz vor zukünftigen ungesetzlichen Maßnahmen biete.157 Im Ergebnis läßt Rupp den materiell-rechtlichen Entstehungsgrund für den Aufhebungsanspruch offen und schließt aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG sowie der Existenz der Anfechtungsklage als actio für den Aufhebungsanspruch, daß es auch ein entsprechendes jus geben müsse.158 Er sieht in der Anfechtungsklage den prozessualen Ausdruck von subjektiven Rechten,159 weil das objektive Gesetzmäßigkeitsprinzip in bestimmten Fällen auch einen personalen status des einzelnen begründe.160 Dies ist – vereinfacht gesagt – der Fall, „wenn ein Gesetz als Schutz eines Einzelinteresses aufzufassen ist,“ also „zumindest auch dem Schutz bestimmter Individualinteressen zu dienen bestimmt ist.“161 Bachof, Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, S. 98 ff. Rupp, Grundfragen, S. 173; ähnl. Weyreuther, Verhandlungen, S. B 28; Schenke, FS für Maurer, S. 723 (734). 153 Menger, GS für W. Jellinek, S. 347 (350). 154 Rupp, Grundfragen, S. 174; ders., JZ 2004, S. 157 (159). 155 Rupp, Grundfragen, S. 173. 156 Zu diesem Problem schon Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 63 f. 157 Rupp, Grundfragen, S. 164. 158 Rupp, Grundfragen, S. 174; ders., JZ 2004, S. 157 (159); zur Verbindung von Aufhebungsanspruch und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 116 f. 159 Rupp, Grundfragen, S. 174. 160 Rupp, Grundfragen, S. 175. 161 Rupp, Grundfragen, S. 246; siehe zur Schutznormtheorie auch Bauer AöR 113 (1988), S. 582 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 127 ff. 151 152

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bb) Grundrechtlicher Unterlassungsanspruch und materieller Rechtsstatus Unter der Geltung des Grundgesetzes ist es naheliegend, mit Hilfe der Grundrechte Unterlassungspflichten und -ansprüche zu begründen, denn „der ,status negativus‘ ( . . . ) ist ein rein formaler, sekundärer gegenüber der Grundform des ,status subjektionis‘: die ,Person‘ der der ,status negativus‘ zukommt, ist nicht der Mensch oder der Bürger in seiner Lebenswirklichkeit, sondern das abstrakte Individuum in der Reduktion auf seine Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein ( . . . ). Die Freiheit, die der ,status negativus‘ gewährleistet, ist nicht auf bestimmte konkrete Lebensverhältnisse bezogen, sondern eine allgemeine und abstrakte Freiheit von ungesetzlichem Zwang. Und der Adressat der Ansprüche aus dem ,status negativus‘, die staatliche Gewalt, ist nicht durch eben jene Freiheit von vornherein begrenzt, sondern im Prinzip unumschränkte Gewalt, die sich lediglich durch Gewährung jener Freiheit selbst gebunden hat ( . . . ).“162

Dieses Verständnis der menschlichen Freiheit ist nicht mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 GG vereinbar. Das Grundgesetz enthält mehr als eine „bloß formale Garantie der Fähigkeit, ,Träger von Rechten und Pflichten‘ zu sein, ( . . . ).“163 Der Mensch tritt dem Staat nicht als Objekt hoheitlicher Regelungsmacht gegenüber, sondern als schon mit Rechten versehenes Individuum. Die im Grundgesetz normierten Grundrechte begründen und gewährleisten dem einzelnen einen materiellen Rechtsstatus, über den die staatliche Gewalt nicht unbegrenzt verfügen kann.164 Der subjektive status ist daher nicht allein durch die Schranke des Gesetzes konstituiert.165 Der Freiheitsstatus im Öffentlichen Recht ist insofern nicht vergleichbar mit dem zivilrechtlichen oder im Grundgesetz genannten Eigentumsbegriff,166 weil Eigentum als rein rechtliches Konstrukt nur zwischen Rechtssubjekten gedacht werden kann. Die menschliche Freiheit ist nicht nur eine „brennpunktartige Bündelung von Rechtspflichten, die den Anschein erweckt, als sei der Gegenstand des Brennpunktes selbst die eigentliche Lichtquelle,“ 167 weil sie als geistige Größe über die Freiheit von gesetzlichem Zwang hinausgeht. Als solche ist sie nicht ausschließlich intersubjektiv und pflichtbezogen, sondern ein menschlicher Urzustand – ein ursprüngliches Recht.168 Der so umschriebene materielle (Grund-)Rechtsstatus169 liefert die Grundlage für die für das Entstehen eines Unterlassungsanspruchs notwendige Unterlassungs162 163 164 165

Hesse, Grundzüge, Rdnr. 281; differenzierter Alexy, Grundrechte, S. 247. Hesse, Grundzüge, Rdnr. 281; krit. auch Rupp, Grundfragen, S. 109. Alexy, Grundrechte, S. 244; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 280. So jedoch Rupp, Grundfragen, S. 164; Kritik bei Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt,

S. 93. 166 167 168 169

A. A. Rupp, Grundfragen, S. 171, S. 222 und S. 240. So aber Rupp, Grundfragen, S. 225; siehe auch S. 238 Fn. 425, S. 240 und S. 242. Zu diesem von Kant benutzten Begriff Hruschka, JZ 2004, S. 1085 (1090 f.). Alexy, Grundrechte, S. 244 f. spricht vom negativen grundrechtlichen Status.

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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pflicht der Verwaltung.170 Der Freiheitsstatus des Bürgers ist geprägt durch die einfachen Gesetze, die Grundrechte und das natürliche Freiheitsrecht jedes Menschen.171 Die Gesetze gestalten und formen den Freiheitsbereich eines jeden Bürgers. Erst in den Beziehungen der Menschen untereinander gewinnt das Recht als Sozialordnung Wirklichkeit, können subjektive Rechte und Pflichten wirken.172 Aber die „grundrechtliche Freiheit wird durch den Staat nicht konstituiert, sondern liegt ihm, rechtlich gesehen, voraus.“173 In diesem Rechtsgefüge hat Weyreuther die Bedeutung der Grundrechte für den materiellen status und für das Entstehen von Beseitigungsansprüchen hervorgehoben.174 Der Reaktionsanspruch entsteht durch die Verletzung (grund-)rechtlich begründeter Unterlassungsansprüche.175 Diese korrespondieren mit den beschriebenen Unterlassungspflichten der Verwaltung.176 Der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG ist in seiner seit dem Elfes-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestehenden Positivität für den Unterlassungsanspruch besonders bedeutend.177 Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist in Art. 20 Abs. 3 GG festgeschrieben und verpflichtet die Behörden, Gesetzesverstöße zu unterlassen. Art. 20 Abs. 3 GG ist zugleich ein Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG.178 Die Unterlassungspflicht ist damit eingebettet in den Freiheitsbereich der Bürger, dessen negative Seite ein latent vorhandener Unterlassungsanspruch179 ist, der bei einer Rechtsverletzung als Sanktionsnorm einen Reaktionsanspruch als subjektiv-öffentliches Recht hervorbringt. Art. 2 Abs. 1 GG wird so zur grundrechtlichen Klammer um das Verwaltungsrecht und führt zur 170 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 298 ff.; a. A. Laubinger, VerwArch. 80 (1989), S. 261 (291). 171 Zumindest bezüglich letzterem ist es richtig von einer naturrechtlich begründeten Primogenitur der subjektiven Rechte gegenüber dem objektiven Recht zu sprechen; krit. Rupp, Grundfragen, S. 175. 172 Anders, aber konsequent Rupp, Grundfragen, S. 175 und 224, der nicht auf das Wirken, sondern auf das Entstehen abstellt. 173 Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 221 (225), zugleich zum grundrechtstheoretischen Hintergrund. 174 Weyreuther, Verhandlungen, S. B 78 ff.; dazu auch Schenke, FS für Maurer, S. 723 (734); differenzierend Wahl, DVBl. 1996, S. 641 (650). 175 Weyreuther, Verhandlungen, S. B. 83 f. und S. B 90; Naumann, GS für W. Jellinek, S. 391 (398 f.); M. Rupp, Klagebefugnis gegen verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakte, S. 45; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 299; Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 124; gegen diese ,Umwandlung‘ Rupp, JA 1979, S. 506 (509); ders., JZ 2004, S. 157 (159). 176 Weyreuther, Verhandlungen, S. B 82; Schenke, DÖV 1986, S. 305 (313 f.). 177 BVerfG, Urt. 16. 1. 1957 – 1 BvR 253 / 56 –, E 6, 32 (36); a. A. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 97. 178 So sinngemäß Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 112 und S. 126; M. Rupp, Klagebefugnis gegen verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakte, S. 143; Hufen, DVBl. 1988, S. 69 (71 / 73); ders., Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 570. 179 Dieser ist das jus, das hinter der vorbeugenden Unterlassungsklage als actio gegen den Erlaß eines belastenden Verwaltungsakts steht.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

Subjektivierung von Art. 20 Abs. 3 GG.180 Der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts kann daher mit einer Anfechtungsklage eine weitgehende Gesetzmäßigkeitskontrolle erzwingen. Objektive Rechtskontrolle und subjektiver Rechtsschutz nähern sich stark an.181 Wenn die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Grundlage für die Unterlassungspflicht in den Freiheitsbereich eingebettet sein soll, dann stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, nach der Beziehung zwischen Grundrechten und Gesetz.182 Verfassung und Gesamtrechtsordnung sind nicht identisch und gelten als voneinander getrennt, weil ansonsten das Grundgesetz seine Funktion als Maßstabsnorm verlieren würde. Jedoch, so wenig die Schutzbereiche der einzelnen Grundrechte zur Disposition des Gesetzgebers stehen, so sehr ist der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG vom einfachen Recht abhängig. Dieses wiederum ist die Grundlage für hoheitliche Maßnahmen. Die Handlungsfreiheit des Bürgers ist daher auch an die Rechtmäßigkeit behördlicher Einzelakte gebunden.183 Art. 2 Abs. 1 GG derart zu interpretieren, daß die Freiheit von verfassungsrechtswidrigem Zwang auch die Freiheit von verwaltungsrechtswidrigem Zwang bedeutet, ist zwar nur schwer mit dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu vereinbaren184, weil die Anfechtungsklage zumindest für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts zu einem umfänglichen Beanstandungsinstrument wird. Eine derartige Interpretation entspricht aber am ehesten der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 GG. Die Vorschrift ist in Verbindung mit dem einfachen Recht zu lesen.185 Der Bürger hat in jedem Fall ein Interesse daran, daß in seinen Freiheitsbereich nur aufgrund verfassungsmäßiger Gesetze und durch ein mit diesen übereinstimmenden staatlichen Akt eingegriffen wird, er also nicht ungesetzlich ausgeübtem Zwang ausgesetzt ist.186 180 Dazu Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 152 Rdnr. 17; Kube, JuS 2003, S. 111 (112); zu dieser Argumenation und zur Klagebefugnis des Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes Gurlit, DV 28 (1995), S. 449 (451). 181 Skeptisch daher Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 122; Rupp, Grundfragen, S. 236 Fn. 421 a. E.; Remmert, VerwArch. 88 (1997), S. 112 (117 Fn. 24). 182 Dazu Rupp, DÖV 1974, S. 193 (194). 183 Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 121 ff., weist zwar mit Recht darauf hin, daß der aus der Verletzung eines subjektiven Rechts folgende Aufhebungsanspruch auch ohne Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG begründbar ist. In bezug auf Verfahrensnormen ist dies aber (leider) nicht durchweg anerkannt. 184 Diekötter, Auswirkung von Verfahrensfehlern, S. 130 f.; Krebs, FS für Menger, S. 191 (204 f.); ablehnend auch Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 152 Rdnr. 18 f.; für ein weites Schutzbereichsverständnis Kube, JuS 2003, S. 111 (112); Rupp, JZ 2004, S. 157 (159), sieht in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ein Indiz für einen materiell-rechtlichen Reaktionsanspruch. 185 Ähnl. Rupp, JA S. 506 (510), der jedoch in einem Rekurs auf Art. 2 Abs. 1 GG keinen Sinn sieht, weil es auf den Schutznormcharakter der einfachgesetzlichen Regelung ankomme; ders. DVBl. 1982, S. 144 (148); dazu ders., FS für Badura, S. 995 (1004); wie hier Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 95.

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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Das Entstehen des Aufhebungsanspruchs wegen der Verletzung von Verfahrensrecht (formelles Recht) ist daher nicht von Kausalitätserwägungen in bezug auf das materielle Recht abhängig. Wenn die Verwaltung gesetzwidrig und somit pflichtwidrig187 handelt, also gegen eine objektive Rechtsnorm verstößt, die zumindest auch im Interesse des einzelnen erlassen worden ist, dann verletzt sie zugleich den Unterlassungsanspruch des Bürgers. Ob die pflichtwidrige Handlung trotzdem zu einem sachlich richtigen Ergebnis (Verwaltungsakt) führt, ist irrelevant, weil § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO keinen allein auf das materielle Recht bezogenen Rechtswidrigkeitsbegriff statuieren.188 Das alternative oder kumulative Vorliegen eines Gesetzesverstoßes oder einer Verletzung in Grundrechten ist entscheidend für die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme.189 Der „Erfolg“ eines Verfahrensfehlers im Sinne einer darauf beruhenden rechtswidrigen Entscheidung und einer damit einhergehenden Verletzung materiellen Rechts bilden daher gerade nicht das auslösende Moment für einen Beseitigungsanspruch.190 Der Wortlaut von § 46 VwVfG ändert daran nichts, weil die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Verfassungsgebot nicht derart zur Disposition des Verfahrensgesetzgebers steht.191 Die Verletzung formellen Rechts durch einen Verfahrensfehler begründet daher auch den mit der Anfechtungsklage verfolgbaren Beseitigungsanspruch, soweit die verletzte Norm einen subjektiven status für den Bürger beinhaltet, mithin dem Schutz seiner Interessen dient.192 Es kommt nicht darauf an, ob der Verfahrensfehler auf das materielle Recht „durchschlägt“. Entgegen einer verbreiteten Meinung kann somit der ausschließliche Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift zu einer Rechtsverletzung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen und dem Kläger einen Aufhebungsanspruch geben.193 Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts 186 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 548, 567 und 570; ders., DVBl. 1988, S. 69 (71);Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 112 und S. 126; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 135; Naumann, GS für Jellinek, S. 391 (398); Faber, Verwaltungsrecht, § 21 III b; dagegen Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 357 f. 187 Die Kritik von Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 72 ff., ist insoweit berechtigt, als die Verwaltung auch dann pflichtwidrig handelt, wenn sie Grundrechte (insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG) beeinträchtigt. 188 Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 174 f. Fn. 691; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 398. 189 Ähnl. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 75. 190 So auch Bey, Begleitende Verwaltungskontrolle, S. 88 f.; a. A. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 157; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, S. 489 (491 f.); BVerfG, Beschl. v. 22. 03. 2000 – 1 BvR 1370 / 93 –, NVwZ-RR 2000, S. 477 (478). 191 Anders Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 105 und S. 406. 192 Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 105 f.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 552; das verkennt Groschupf, DVBl. 1962, S. 627 (631). 193 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 567; ders., DVBl. 1988, S. 69 (73); Schenke, FS für Maurer, S. 723 (741); Rupp, JA 1979, S. 506 (510); Faber, Verwaltungsrecht, § 28 I; widersprüchlich Diekötter, Auswirkung von Verfahrensfehlern, S. 123 und S. 168 f.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

und die Rechtsverletzung sind somit tatbestandliche Voraussetzungen für den Aufhebungsanspruch und bedingen die Begründetheit einer Anfechtungsklage.194 Sie gehören nicht, wie die herrschende Meinung annimmt, zum Streitgegenstand.195 cc) Anspruch auf Unterlassung der Nichterfüllung positiver subjektiv-öffentlicher Rechte Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Gesetzeserfüllung erfüllt die Voraussetzungen, die notwendig sind, damit aus seiner Verletzung auch ein negatives subjektivöffentliches Recht, d. h. ein Aufhebungsanspruch entsteht. Das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Gesetzmäßigkeitsprinzip zwingt die Verwaltung, die Nichterfüllung gesetzlich garantierter Ansprüche zu unterlassen. Ein gesetzlicher Leistungsanspruch verpflichtet die Verwaltung, es zu unterlassen, den so begründeten Rechtszustand zu verletzen, indem sie von ihrer Verpflichtung abweicht.196 Daß das Verbot von der Verpflichtung abzuweichen mit dieser zusammenfällt, ändert daran nichts, weil die gesetzliche Pflicht zur Leistungserfüllung nicht aus der Pflichtverletzung entsteht.197 Der schon bestehende Anspruch auf Gesetzeserfüllung wird erst durch die Ablehnung oder Unterlassung verletzt.198 Der Anspruch auf Gesetzerfüllung beinhaltet daher eine Unterlassungspflicht der Verwaltung.199 Ein subjektives Recht auf Gesetzeserfüllung begründet nicht nur eine Unterlassungspflicht der Verwaltung, sondern auch einen Unterlassungsanspruch des Bürgers, aus dem sich nach Erlaß eines rechtswidrigen Ablehnungsbescheids ein Beseitigungsanspruch ergibt. Der objektive Rechtsverstoß durch die Verletzung der Unterlassungspflicht ist jeweils spezifisch auf einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung bezogen,200 der selbst Teil des allgemeinen staatsbürgerlichen status ist.201 Dieser wird durch die Grundrechte, die ihm auch einen abwehrenden Charakter einerseits und S. 172 andererseits; a. A. Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 357 und S. 371 ff. 194 Weyreuther, Verhandlungen, S. B 78; ders., FS für Menger, S. 681 (687), zur Entbehrlichkeit des Wortes „dadurch“ in § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. 195 Exemplarisch für die auf Rechtskrafterwägungen zurückgehende herrschende Meinung Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 215 ff.; siehe auch Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 76. 196 Rupp, Grundfragen, S. 264; ähnl. schon Bachof, GS für Jellinek, S. 287 (289). 197 Daher wird hier nicht bestritten, was Rupp, Grundfragen, S. 264 herausstellt: Der Anspruch auf Pflichterfüllung wurzelt nicht einer Verletzungshandlung. 198 Weyreuther, FS für Menger, S. 681 (685). 199 Dazu Alexy, Grundrechte, S. 240; unklar Remmert, VerwArch. 88 (1997), S. 112 (120 und 122 f.), in bezug auf Auflagen zu begünstigenden Verwaltungsakten. 200 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 156. 201 Nicht überzeugend daher Weyreuther, Verhandlungen, S. B 93, der allein auf die Freiheitsgrundrechte abstellt und daher in einer Leistungsversagung keine Verletzung eines Unterlassungsanspruchs sieht.

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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geben, und durch die Gesetze bestimmt. Er „umschließt konkrete, inhaltlich bestimmte und begrenzte Rechte und Pflichten, in deren Aktualisierung und Erfüllung die rechtliche Ordnung des Gemeinwesens Wirklichkeit gewinnt.“202 Ohne die Einräumung von subjektiven Rechten auf Gesetzeserfüllung, deren Einhaltung der Bürger auch einklagen kann, können sich die grundrechtlich garantierten Freiheiten nicht in dem Maße aktualisieren, das notwendig ist, um ein funktionierendes Gemeinwesen zu konstituieren.203 Die menschliche Freiheit und die Grundrechte haben nicht nur Abwehrcharakter, sondern bedürfen auch der Aktualisierung durch die Möglichkeit einer freien und selbstverantwortlichen Lebensgestaltung jedes einzelnen.204 Wer dieses Ergebnis als nicht tragfähige Konstruktion und den staatsbürgerlichen status als form- und inhaltslose Kategorie eines übersteigerten materiellen Verfassungsdenkens ansieht, muß sich mit Rupp auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG fragen lassen, welches jus der Kläger mit der isolierten Anfechtungsklage als actio geltend macht. Hält man eine solche Klage gegen einen Ablehnungsbescheid mangels einer entsprechenden Verfahrenskonkurrenzregelung205 und wegen § 88 VwGO für statthaft und nur das Rechtsschutzbedürfnis für begründungsbedürftig,206 dann ist sie das Indiz für die Existenz eines subjektiven öffentlichen Rechts, das die Aufhebung des Ablehnungsbescheids zum Inhalt hat. Woraus soll dieses Recht erwachsen, wenn nicht aus der Verletzung eines dem Antragstellers zugeordneten Freiheitsbereichs, der hier als staatsbürgerlicher status bezeichnet worden ist? Jede andere Sicht macht den Bürger wieder zum Untertan und zum Objekt einer „policeylichen“, auf Wohlfahrt und menschliche Unselbständigkeit bedachten Verwaltung. d) Der prozessuale Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids Für den prozessualen Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids gilt das zum prozessualen Anspruch auf Erlaß eines Verwaltungsakts Gesagte.207 Der Streitgegenstand der Versagungsgegenklage darf nicht den subjektiven öffentlichen Rechten des Klägers nachstehen, weil ansonsten Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt wäre. Wenn der Bürger einen materiellen Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids hat, muß es ihm auch möglich sein, diesen vor Gericht durchzusetzen. Streitgegenstand der Versagungsgegenklage ist daher der prozessuale Anspruch auf Erlaß des begehrten begünstigenden Verwaltungsakts und der Anspruch 202 203 204 205 206 207

Hesse, Grundzüge, Rdnr. 280. Hesse, Grundzüge, Rdnr. 288. Hesse, Grundzüge, Rdnr. 288. A. A. Schenke Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 282, 570. Dazu Stein, Die Sachentscheidungsvoraussetzung, S. 137 ff. Siehe oben D. II. 1. b).

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids. Das Bundesverwaltungsgericht versucht daher erfolglos, das Aufheben des Ablehnungsbescheids zum unselbständigen Annex des Anspruchs auf Gesetzeserfüllung zu erklären.208 Dem trägt eine Mindermeinung in der Literatur auch Rechnung, gemäß der die Versagungsgegenklage neben dem Verpflichtungsantrag zunächst ein Aufhebungsbegehren enthält, sie also eine Kombination von Gestaltungs- und Leistungsklage ist.209 Macht der Kläger einen Leistungsanspruch geltend, begehrt er damit (un-)bewußt auch, die Versagung aufzuheben.210 Da der allgemeine staatsbürgerliche status durch die Grundrechte und die Gesetze bestimmt ist und die Verwaltungsgerichte an Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG gebunden sind, sind auch sie Adressaten dieses Anspruchs und müssen über ihn entscheiden.211 Der in der Praxis übliche Antrag auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids ist daher nicht erforderlich für den entsprechenden Urteilstenor. Das gemäß § 88 VwGO maßgebliche Klagebegehren ist auch so deutlich. Der richterliche Ausspruch der Aufhebung ist jedoch zwingend, weil das Gericht über den Beseitigungsanspruch entscheiden muß.212 Soweit Detterbeck die Rechtswidrigkeit der Ablehnung und die dadurch erfolgte Rechtsverletzung des Klägers wegen des Wortlauts von §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu den materiellen Voraussetzungen des prozessualen Erlaßanspruchs zählt, macht er den Fehler, den Anspruch auf Pflichterfüllung aus dem Anspruch aus Pflichtverletzung entstehen zu lassen.213 Auch das Argument, die VwGO setze die ausdrückliche und selbständige Aufhebung des ablehnenden Bescheids nicht zwingend voraus,214 überzeugt nicht, denn es baut auf der Prämisse auf, daß ausschließlich das Prozeßrecht über den Inhalt des Streitgegenstands entscheidet. Das ist nach hier vertretener Ansicht nicht zutreffend, weil nur das materielle Recht bestimmte Ergebnisse erklären kann, ohne dabei aber aus dem prozessualen einen materiellen Anspruch zu machen. Es ist daher unerheblich, daß der Wortlaut von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht die Aufhebung des Ablehnungsbescheids beinhaltet.215 BVerwG, Urt. v. 21. 05. 1976 – IV C 80.74 –, E 51, 15 (23). Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 16 Rdnr. 5; ähnl. Kopp, FS für Menger, S. 693 (705), der aber auf die materiellen Voraussetzungen des Aufhebungsanspruchs Bezug nimmt; siehe auch Rupp, DVBl. 1982, S. 144 (147). 210 Krit. Wehr, Jura 1998, S. 575 (579); wie hier Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 263, 851. 211 So auch Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 16 Rdnr. 6; a. A. in bezug auf die Anfechtungsklage M. Rupp, Klagebefugnis gegen verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakte, S. 45. 212 So auch Menger, VerwArch. 54 (1963), S. 198 (202); a. A. Bettermann, NJW 1960, S. 649 (651), der zwar die Aufhebung des Ablehnungsbescheids für notwendig hält, aber nicht einen entsprechenden Tenor. 213 Dagegen Rupp, Grundfragen, S. 264 f. 214 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 210. 215 A. A. Czermak, NJW 1962, S. 776 (777); Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 130 f; Wehr, Jura 1998, S. 575 (576). 208 209

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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Auch aus der Lehre zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachund Rechtslage im Rahmen einer Anfechtungklage216 ergibt sich kein überzeugendes Argument gegen die hier vertretene Auffassung zum Streitgegenstand der Versagungsgegenklage. Erstens ist bis heute nicht geklärt, ob der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgebend ist. Es spricht viel dafür, daß für das Bestehen eines Aufhebungsanspruchs unabhängig von der Klageart der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ausschlaggebend ist, weil der prozessuale Anspruch von dem durch den Kläger geltend gemachten subjektiven öffentlichen Recht abhängig ist.217 Behauptet der Kläger einen Aufhebungsanspruch zu haben, hat das Gericht zu prüfen, ob dieser im Zeitpunkt der Entscheidung besteht oder nicht.218 Anerkennt man zweitens das Bestehen eines Aufhebungsanspruchs als Folge der verletzten Pflicht, Ansprüchen auf Gesetzeserfüllung nachzukommen, dann ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend, weil das Urteil über beide Ansprüche einheitlich erfolgt. Detterbeck ist der Ansicht, es sei undenkbar, zwei selbständige prozessuale Ansprüche, den Aufhebungs- und den Erlaßanspruch, zu einem einzigen Streitgegenstand zusammenzufügen. Jeder prozessuale Anspruch bilde einen selbständigen Streitgegenstand.219 Der Aufhebungsanspruch könne daher nicht Teil des Streitgegenstands der Versagungsgegenklage sein. Auch dieses Argument überzeugt nicht, weil es vorstellbar ist, daß der Gesetzgeber die Versagungsgegenklage inhaltlich als eine „Art objektive Klagehäufung“ in Form einer Klage ausgestaltet hat.220 Dieses Ergebnis ist auch mit der Systematik der Klagearten vereinbar. Es erklärt, warum die Versagungsgegenklage im Verhältnis zur isolierten Anfechtungsklage nicht die speziellere Klageart ist.221 Will der Kläger einen Anspruch geltend machen, muß er die Anfechtungsklage erheben, will er beide Ansprüche geltend machen, steht ihm die Versagungsgegenklage zur Verfügung.

216 Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 122 f.; zur Rechtsprechung Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (610 f.). 217 Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 790, 795; Laubinger, VerwArch. 89 (1998), S. 145 (167); Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (615); a. A. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 24 Rdnr. 7. 218 Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 782 ff.; Sauthoff, FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 (617). 219 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 210. 220 Pietzner / Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 52 Rdnr. 7. 221 Laubinger, FS für Menger, S. 443 (453 f.); zustimmend Demmel, Das Verfahren nach § 113 Abs. 3 VwGO, S. 30.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

3. Das Verhältnis von Aufhebungsanspruch und Anspruch auf Gesetzeserfüllung a) Objektive Klagehäufung oder gestuftes Anspruchsverhältnis Dieses Ergebnis wirft Fragen auf. Die Versagungsgegenklage in den Kontext der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) zu stellen, würde bedeuten, daß der Kläger mehrere prozessuale Ansprüche gegen den gleichen Beklagten im Rahmen eines Verfahrens mit einer einzigen Klage geltend machen müßte.222 Mit Ausnahme der erstgenannten Voraussetzung sind diese Bedingungen erfüllt. Beantragt der Kläger, wie in der Praxis weithin üblich, den Ablehnungsbescheid aufzuheben und die Behörde zu verpflichten, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, so hat das Gericht über zwei Anträge und daher gemäß der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand über zwei prozessuale Ansprüche zu entscheiden. Hält man einen solchen Antrag für nicht zwingend notwendig, weil das Verpflichtungsbegehren den Aufhebungsantrag einschließt, liegen die formalen Voraussetzungen für eine objektive Klagehäufung nicht vor. Unterstellt, die Versagungsgegenklage verbindet mehrere Klagebegehren im Sinne von § 44 VwGO, so wäre eine Einordnung als objektive Klagehäufung jedoch nur möglich, wenn der Kläger seine Begehren kumulativ, eventuell oder stufenweise formuliert.223 Die Versagungsgegenklage als eventuelle Klagehäufung zu begreifen, verbietet sich, weil der Kläger, falls sein Aufhebungsbegehren unzulässig oder unbegründet ist, nicht hilfsweise die Verurteilung zur Vornahme der beantragten Amtshandlung begehrt. Für eine kumulative Klagehäufung müßte der Kläger Aufhebungs- und Verpflichtungsanspruch nebeneinander und für eine Stufenklage nacheinander einklagen. Ersteres wäre möglich, wenn beide Ansprüche in ihren Entstehungsgründen unabhängig voneinander sind. Letzteres setzt voraus, daß das mit dem Verpflichtungsanspruch verfolgte Recht auf Gesetzeserfüllung auf dem Aufhebungsanspruch aufbaut. Subjektiv-öffentliche Rechte auf Gesetzeserfüllung entstehen nicht aus der Verletzung einer Erfüllungspflicht, sondern beruhen auf objektiven Rechtssätzen, an deren Erfüllung auch der einzelne Bürger ein Interesse hat.224 Daraus folgt, daß der Ablehnungsbescheid, mit dem ein Antrag als unbegründet zurückgewiesen wird, weder „rechtshindernd“ noch „rechtsvernichtend“ wirken kann, weil das Recht als abstrakt genereller Anspruch vorhanden ist. Es muß lediglich durch eine individuelle Regelung gegenüber dem Bürger konkretisiert werden, damit es für diesen nutz- und durchsetzbar ist.225 Mit einem ablehnenden Bescheid hemmt die Verwaltung den gesetzlichen Anspruch, der damit auf seiner abstrakten Ebene verbleibt. Mit Eintritt der formellen Bestandskraft ist diese hemmende Wirkung bei 222 223 224 225

Kopp / Schenke, VwGO, § 44 Rdnr. 1. Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 44 Rdnr. 3 und 10. Siehe oben D. II. Naumann, GS für W. Jellinek, S. 391 (398).

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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gleichbleibender Sach- oder Rechtslage von Dauer.226 Der Kläger macht daher einen Aufhebungsanspruch geltend, der das Gericht zwingt, die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids als materielle Vorfrage zu prüfen.227 Die Versagungsgegenklage ist somit kein gesetzlicher Fall einer kumulativen Klagehäufung. Der Aufhebungsanspruch und der Anspruch auf Gesetzeserfüllung sind nicht unabhängig voneinander und können folglich auch nicht nebeneinander geltend gemacht werden. Sie ist jedoch auch keine klassische Stufenklage, weil der Kläger den Verpflichtungsantrag gerade nicht für den Fall eines erfolgreichen Aufhebungsantrags stellt, sondern es ihm primär auf den begehrten Verwaltungsakt ankommt. Die Versagungsgegenklage kann aber nur erfolgreich sein, soweit das Gericht den Ablehnungsbescheid aufhebt.228 Der Kläger erreicht die 2. Stufe nicht, ohne die 1. Stufe genommen zu haben. Daher ist es gerechtfertigt, von einem gestuften Anspruchsverhältnis zu sprechen, gleichwohl die Versagungsgegenklage weder eine Stufenklage noch eine objektive Klagehäufung im Sinne von § 44 VwGO ist. b) Ergebnisrichtigkeit und Anspruchserfüllung Das Verhältnis von Aufhebungsanspruch und Anspruch auf Gesetzeserfüllung ist von den behördlichen Entscheidungsspielräumen bestimmt. Die Struktur einer Leistungsnorm, die der Verwaltung keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum einräumt, macht die Ergebnisrichtigkeit des Ablehnungsbescheids ausschlaggebend für den Eintritt der Sperrwirkung.229 Der Bürger hat neben den eher theoretischen Fällen von originären Teilhaberechten nur Anspruch auf die öffentlichen Leistungen, die ihm ein Gesetz (zum Beispiel §§ 11 ff. BAföG, § 2 WoGG) gibt. Mit einem strikten Verpflichtungsantrag behauptet der Kläger, einen bestimmten Anspruch zu haben. In der Praxis prüfen daher die Verwaltungsgerichte den ablehnenden Bescheid unter allen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten230 und stellen Spruchreife her. Ob die damit verbundenen Feststellungen durch die Gerichte erfolgen müssen, ist umstritten und im Verlauf der vorliegenden Untersuchung zu klären. Hier ist nur die Bedeutung der Ergebnisrichtigkeit hervorzuheben, weil weder die Verwaltung noch die Verwaltungsgerichte dem Bürger etwas zusprechen dürfen, auf das er keinen Anspruch hat. Subjektiv-öffentliche Rechte auf beurteilungs- oder ermessensfehlerfreie Gesetzeserfüllung unterscheiden sich strukturell von gebundenen Ansprüchen. Im Fall von gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielräumen, hat die Be226 Laubinger, FS für Seok, S. 65 (97); Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 581, spricht von „Sperrwirkung“. 227 A. A. Wehr, Jura 1998, S. 575 (577). 228 Bettermann, NJW 1960, S. 649 (651). 229 So im Ergebnis auch Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 131. 230 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1966 – VIII C 30.66 –, E 25, 357 (361).

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

hörde darüber zu entscheiden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm gegeben sind. Das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale führt bei einer Ermessensnorm gerade nicht zur einer bestimmten Rechtsfolge. Diese Unterschiede wirken sich auf das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Gesetzeserfüllung und dem aus seiner Verletzung entstehenden Aufhebungsanspruch aus, denn sie machen den ablehnenden Bescheid fehleranfälliger.231 Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften führen häufiger zu einem durchsetzbaren Aufhebungsanspruch, weil § 46 VwVfG i.d.F. des GenBeschlG bei verfassungskonformer Auslegung in diesen Fällen wenig Wirkung entfaltet.232 Die materielle Ergebnisrichtigkeit der behördlichen Entscheidung darf vom Verwaltungsgericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO nicht geprüft werden. Positive subjektiv-öffentliche Rechte, die einen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum der Verwaltung beinhalten, geben dem Bürger zwar keinen bestimmten Erfüllungsanspruch, dafür dringt er mit seinem Beseitigungsanspruch aber schon bei Verletzung einer seine Interessen schützenden Verfahrensnorm durch, selbst wenn der Verstoß nicht auf das materielle Recht durchschlägt.233 Eine Verpflichtungsklage ist nicht nur erfolgreich, soweit der Kläger einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat, sondern auch dann, wenn der Verwaltung Beurteilungsoder Ermessensfehler unterlaufen sind.234

4. Folgen der Streitgegenstandsbestimmung Die hier vertretene Auffassung, daß der Streitgegenstand einer Versagungsgegenklage aus dem prozessualen Anspruch des Klägers auf Erlaß des beantragten Verwaltungsakts und aus dem gegen den Ablehnungsbescheid gerichteten prozessualen Aufhebungsanspruch besteht, bleibt nicht ohne Auswirkungen. Gemeint sind damit an dieser Stelle nur die unmittelbaren, sich im wesentlichen auf theoretische Fragestellungen beziehenden Folgen. An anderer Stelle ist auf die wichtigste und praktisch höchst bedeutsame Konsequenz einzugehen:235 Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung sind keine Elemente des prozessualen Anspruchs, sondern Vorfragen für die Existenz materieller Rechte. Sie nehmen daher nicht an der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen teil. Mit Bestehen der prozessualen Ansprüche stehen Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung jedoch präjudiziell fest, weil insoweit ein zwingender Sinnzusammenhang besteht.236 So auch Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 380 f. Gegen die Anwendung von § 46 VwVfG auf Ermessensverwaltungsakte Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 122, S. 148 f.; siehe auch Hufen, JuS 1999, S. 313 (318); ders., NJW 1982, S. 2160 (2165 ff.). 233 A. A. Czermak, NJW 1962, S. 776 (777). 234 Faber, Verwaltungsrecht, § 28 I. 235 Siehe unten 2. Teil 2. Kapitel C. III. 236 Siehe dazu Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 42 ff. 231 232

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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a) Nichteintritt der Bestandskraft von Ablehnungsbescheiden Der Aufhebungsanspruch gehört zum Streitgegenstand der Versagungsgegenklage und macht begreiflich, warum Ablehnungsbescheide während eines gerichtlichen Verfahrens nicht bestandskräftig werden können. Hat ein Antragsteller beispielsweise gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO von einer obersten Bundesoder Landesbehörde einen Ablehnungsbescheid erhalten und stellt er beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO, so ist dieser nur zulässig, wenn auch die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Hauptsacheverfahren vorliegen. War der Ablehnungsbescheid zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht schon bestandskräftig oder wurde er es danach, so ist (wird) der Antrag unzulässig.237 Der Antragsteller muß daher zumindest das Hauptsacheverfahren durch Klageerhebung innerhalb der Frist von § 74 VwGO einleiten. Gleiches gilt, wenn der Kläger direkt Klage erhebt. Das Erheben einer Versagungsgegenklage verhindert, daß der ablehnende Bescheid bestandskräftig wird.238 Das ist im Ergebnis unstreitig. Eine Erklärung dafür liefern Rechtsprechung und Literatur jedoch nicht. Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu in dem bereits erwähnten Urteil zur Planfeststellung nur aus, das Leistungsbegehren der Verpflichtungsklage schließe die Anfechtung der Leistungsversagung ein und verhindere dadurch den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses im streitbefangenen Umfang.239 Eine dogmatisch belastbare Begründung sieht anders aus. Begründen läßt sich dieses Ergebnis mit der hier vertretenen Ansicht, nach der der mit einer Versagungsgegenklage geltend gemachte prozessuale Anspruch auch einen Aufhebungsanspruch umfaßt und damit verhindert, daß der Ablehnungsbescheid formell bestandskräftig wird. So ist auch der Widerspruch vermeidbar, den Streitgegenstand der Versagungsgegenklage als prozessualen Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts zu definieren, gleichzeitig aber den Aufhebungsanspruch zum unselbständigen Bestandteil des Erlaßanspruchs und damit doch zu einem Teil des mit der Versagungsgegenklage geltend gemachten prozessualen Anspruchs zu machen.240

237 Kopp / Schenke, VwGO, § 123 Rdnr. 18; Schoch, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 106. 238 Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 581. 239 BVerwG, Urt. v. 21. 05. 1971 – IV C 80.74 –, E 51, 15 (21). 240 So Detterbeck, Streitgegenstand, S. 212.

5 Bickenbach

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

b) Analoge Anwendung von § 79 VwGO auf die Versagungsgegenklage Den Streitgegenstand der Versagungsgegenklage als eine Verbindung von Aufhebungs- und Erlaßanspruch zu definieren, hat den weiteren Vorteil, daß § 79 VwGO auf Verpflichtungsklagen analog anwendbar ist. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 79 Abs. 1 VwGO gilt die Vorschrift nur für Anfechtungsklagen. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur befürworten jedoch eine analoge Anwendung auf Versagungsgegenklagen.241 Die Gegenansicht lehnt dies ab, weil die negativen Bescheide nicht selbständige Angriffsgegenstände seien.242 Sie stützt sich dabei auf den Wortlaut von § 79 Abs. 1 VwGO. Dieses Argument ist angesichts der hier vertretenen Auffassung zum Streitgegenstand der Versagungsgegenklage nicht haltbar. Für den Wortlaut von § 79 Abs. 1 VwGO gilt das zu § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO Gesagte. Prozeßrechtliche Vorschriften können die materielle Rechtslage nicht umgestalten. Die Selbstgenügsamkeit des Verwaltungsprozeßrechts erweist sich einmal mehr als dogmatischer Irrweg. Auch hier führt nur die Betrachtungsweise zum richtigen Ergebnis, die die materiell-rechtlichen Grundlagen berücksichtigt. c) Die Bedeutung des Verwaltungsverfahrensrechts für Ablehnungsbescheide Die Verknüpfung des Aufhebungs- mit den Erlaßanspruch stärkt das Verwaltungsverfahrensrecht. Wenn für das Bestehen eines Anspruchs auf Gesetzeserfüllung ausschließlich die Ergebnisrichtigkeit des ablehnenden Bescheids bedeutend ist, spielt das Verwaltungsverfahren eine geringe Rolle, weil nur die materielle Rechtmäßigkeit der getroffenen Regelung von Interesse ist. Hat das Gericht aber auch über das Bestehen eines Aufhebungsanspruchs zu entscheiden, gewinnt das Verfahren an Bedeutung, weil auch die Verletzung von subjektiven Verfahrensrechten einen Beseitigungsanspruch auslöst.243 Der Kläger dringt zwar nicht mit seinem Erlaßanspruch durch, er kann aber seinen Antrag auf eine isolierte Anfechtungsklage umstellen, um einen neuen verfahrensfehlerfreien Bescheid zu erhalten.244 Da es selbst bei sogenannten gebundenen Verwaltungsakten nicht nur eine 241 VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 06. 10. 1983 – 11 S 1437 / 83 –, DÖV 1984, S. 214; BayVGH, Urt. v. 02. 08. 1988 – 5 B 88.1024 –, BayVBl. 1989, S. 757 (758); Kopp / Schenke, VwGO, § 79 Rdnr. 3; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 79 Rdnr. 1, ist für eine analoge Anwendung von § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; Detterbeck, Streitgegenstand, S. 213. 242 Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 79 Rdnr. 3; Brenner, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 79 Rdnr. 14; Redeker / von Oertzen, § 79 Rdnr. 1; von Wedel, MDR 1975, S. 96 (97); Czermak, NJW 1962, S. 776 (777); Brück, NJW 1960, S. 2271 (2273). 243 A. A. Groschupf, DVBl. 1962, S. 627 (628). 244 Laubinger, FS für Menger, S. 443 (456); dazu auch Christonakis, Rechtsschutzinteresse, S. 297 f.

1. Kap.: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage

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richtige oder rechtmäßige Entscheidung gibt,245 kann diese prozessuale Möglichkeit für den Kläger sehr bedeutend sein. Konsequenterweise ist § 46 VwVfG auf Ablehnungsbescheide anzuwenden, weil der Kläger die Aufhebung dieses ihn belastenden Verwaltungsakts erreichen will.246 Aus rechtsstaatlichen Gründen ist aber der Begriff „offensichtlich“ restriktiv zu interpretieren.247 Selbst bei gebundenen Entscheidungen ist nicht immer offensichtlich, ob ein Verstoß gegen Verfahrens-, Form oder Zuständigkeitsvorschriften die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat, weil eine einzig richtige Entscheidung zumindest norm- und erkenntnistheoretisch nicht existiert. III. Der Sonderfall „Untätigkeitsklage“ Der mit einer Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO verfolgte prozessuale Anspruch wirft im Vergleich mit dem Streitgegenstand einer Versagungsgegenklage keine besonderen Fragen auf,248 weil er nicht auf einer eigenständigen Klageart aufbaut. Der Bürger, der mit gerichtlicher Hilfe sein subjektives Recht auf Gesetzeserfüllung durchsetzen will, macht wie jeder andere Kläger auch einen prozessualen Anspruch auf Erlaß eines Verwaltungsakts geltend. Für Anfechtungs-, Verpflichtungs- und sonstige Klagen, für die ein Vorverfahren vorgeschrieben ist, eröffnet § 75 VwGO unter bestimmten Voraussetzungen abweichend von §§ 68 ff. VwGO die Möglichkeit der Klageerhebung.249 Wenn die Ausgangsbehörde einen Ablehnungsbescheid erlassen und nur die für den Widerspruch zuständige Stelle keine abschließende Entscheidung getroffen hat, ergeben sich zum Normalfall keine Unterschiede. Gemäß § 75 Satz 1 VwGO kann der Kläger aber auch das Verwaltungsgericht anrufen, wenn schon die Ausgangsbehörde untätig geblieben ist. Der Unterschied zur Versagungsgegenklage besteht dann darin, daß mangels eines ablehnenden Bescheids kein Aufhebungsanspruch existieren kann. Der Leistungsanspruch des Klägers ist unabhängig von der (Un-)Tätigkeit der Verwaltung. Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO können daher nicht ein subjektives Recht auf Gesetzeserfüllung begründen,250 sondern nur tatbestandliche Voraussetzungen für einen aus der Verletzung des Unterlassungsanspruchs entstehenden Aufhebungsanspruch sein. Rupp, FS für Bachof, S. 151 (163); Bey, Begleitende Verwaltungskontrolle, S. 143. Anders die herrschende Meinung, siehe Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rdnr. 12; H. Meyer, in: Knack, VwVfG, § 46 Rdnr. 15. 247 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, Nachtrag Rdnr. 66; Hufen, JuS 1999, S. 313 (318). 248 So auch Detterbeck, Streitgegenstand, S. 208. 249 Kopp / Schenke, VwGO, § 75 Rdnr. 1. 250 Das unterstreicht die Richtigkeit der Ansicht von Rupp, Grundfragen, S. 263, nach der nicht die Normvollziehungsverweigerung (der ablehnende Bescheid) den im Gesetz gewährten Anspruch entstehen läßt. 245 246

5*

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

E. Zusammenfassung Die Verpflichtungsklage gibt dem Bürger die Chance, seine Ansprüche auf Gesetzeserfüllung gegenüber der Verwaltung durchzusetzen. Dieser Umstand ist bei der Bestimmung des Streitgegenstands zu berücksichtigen, ohne dabei den prozessualen Charakter dieses Rechtsinstituts zu vernachlässigen. Der Streitgegenstand ist wie im Zivilprozeß zweigliedrig aufgebaut und nicht mit dem materiellen Anspruch identisch. Der Wortlaut von § 113 Abs. 5 VwGO und das weiterhin im wesentlichen hoheitlich bestimmte Verhältnis zwischen Staat und Bürger erlauben es jedoch nicht, Ergebnisse der Zivilprozeßrechtslehre unreflektiert zu übernehmen. Im Verwaltungsprozeß läßt sich daher der Streitgegenstand nicht ausschließlich prozessual bestimmen. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage erklären sich daraus, daß das Verwaltungsprozeßrecht wegen der Ablehnung subjektiv-öffentlicher Rechte durch die traditionelle Staatsrechtslehre im 19. Jahrhundert lange Zeit ohne ein materiell-rechtliches Fundament auskommen mußte. Obwohl sich aufgrund der Positivierung von Grundrechten und Ansprüchen auf Gesetzeserfüllung ein Perspektivwechsel anbietet, dauert die Fixierung auf das Prozeßrecht bis heute an. So ist zu erklären, warum das Bundesverwaltungsgericht in einigen Entscheidungen und Teile der Literatur in der Rechtsbehauptung des Klägers, die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten, den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage zu erkennen glauben. Der Wortlaut von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO enthält keine Aussage zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage. Aus ihm ergibt sich nur, daß nicht das Gericht, sondern die Behörde verpflichtet ist, den Verwaltungsakt zu erlassen. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO enthält nur die Vorgeschichte dessen, was den Kläger wirklich interessiert: seinen Anspruch auf Gesetzeserfüllung prozessual durchzusetzen. Daher ist Streitgegenstand der Verpflichtungsklage der prozessuale Anspruch auf Erlaß des bei der Behörde beantragten Verwaltungsakts. Zum Streitgegenstand gehört auch der prozessuale Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids. Ein positives subjektiv-öffentliches Recht verpflichtet die Verwaltung, seine Nichterfüllung zu unterlassen. Verstößt die Behörde durch eine rechtswidrige Antragsablehnung gegen diese Pflicht, erwächst daraus ein Beseitigungsanspruch, den der Kläger zusammen mit dem Leistungsanspruch durchsetzen kann. Die beiden prozessualen Ansprüche stehen zueinander in einem Stufenverhältnis. § 44 VwGO erfaßt diese Konstellation nicht, weil der Kläger den Verpflichtungsantrag nicht für den Fall eines erfolgreichen Aufhebungsantrags stellt, sondern es ihm primär darauf ankommt, seinen Leistungsanspruch durchzusetzen. Während die Beseitigung des ablehnenden Bescheids für ihn nur eine Durchgangsstation ist, ist sie für das Verwaltungsgericht bedeutend. Das Gericht darf dem Kläger nichts zusprechen, was diesem nicht zusteht. Es muß daher prüfen, ob die Behörde den Antrag auf Erlaß des Verwaltungsakts im Ergebnis zu Recht abgelehnt

2. Kap.: Der Bescheidungsantrag

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hat. Im Fall eines gebundenen Anspruchs steht mit der Fehlerhaftigkeit der behördlichen Entscheidung zugleich fest, daß der Bürger die begehrte Verfügung beanspruchen kann. Verbleibt der Verwaltung ein Entscheidungsspielraum, so ist die Klage erfolgreich, soweit der Ablehnungsbescheid den Kläger in seinen Rechten verletzt und er daher eine erneute Bescheidung beanspruchen kann. Den Streitgegenstand der Versagungsgegenklage als prozessualen Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts und Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu begreifen, hat rechtsdogmatische Vorteile. Die Konstruktion verdeutlicht, warum der Ablehnungsbescheid während eines gerichtlichen Verfahrens nicht bestandskräftig werden kann. Den Ablehnungsbescheid hervorzuheben, hat den weiteren Vorzug, daß die Bedeutung des Verwaltungsverfahrensrechts für die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen stärker hervortritt. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Verwaltung Entscheidungsspielräume bleiben und daher ein Verfahrensfehler ausreicht, um einer Bescheidungsklage zum Erfolg zu verhelfen.

2. Kapitel

Der Bescheidungsantrag A. Einführung Die Untersuchung hat bisher ergeben, daß der Bürger seine Ansprüche auf Gesetzeserfüllung mit der Verpflichtungsklage durchsetzen kann. Neben dem Aufhebungsanspruch – soweit ein Ablehnungsbescheid ergangen ist – ist Streitgegenstand dann der prozessuale Anspruch auf Erlaß eines Verwaltungsakts, den der Bürger zuvor erfolglos von der Behörde eingefordert hat. Im Fall von nicht gebundenen Verwaltungsentscheidungen führt das dazu, daß der Bürger zwar bei der Behörde einen bestimmten Verwaltungsakt beantragen kann, das Verwaltungsgericht aber daran gehindert ist, die Behörde zu dessen Erlaß zu verurteilen, weil es in Ermessens- und Beurteilungsspielräume der Exekutive nicht eingreifen darf. Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verurteilt es die Behörde dazu, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden. Die VwGO enthält jedoch keinen Hinweis darauf, ob ein solcher Ausspruch auf einen entsprechenden Antrag vor Gericht zurückgehen muß, ob also der Bürger die erneute oder im Fall von § 75 VwGO die erstmalige Bescheidung seines bei der Behörde gestellten Antrags1 verlangen muß, wenn er nicht eine Teilabweisung riskieren will. In § 42 Abs. 1 VwGO ist eine Bescheidungsklage nicht geregelt.2 Auch § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO erwähnt nicht ausdrücklich einem Bescheidungsantrag.3 So in wünschenswerter Klarheit schon Bettermann, NJW 1960, S. 649 (650 f.). Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 101; Czermak, BayVBl. 1981, S. 427 (428). 3 Schröder, FS für Menger, S. 487. 1 2

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

I. Rechtliche Grundlagen Grundvoraussetzung für einen Bescheidungsantrag ist die Möglichkeit, vor den Verwaltungsgerichten den Erlaß von begünstigenden Verwaltungsakten erstreiten zu können. Gemäß § 42 Abs. 1 VwGO kann durch eine Klage die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. Der Wortlaut der Vorschrift schließt nicht aus, mit gerichtlicher Hilfe eine erstmalige oder erneute Bescheidung eines bei der Behörde gestellten Antrags zu erreichen, denn der Kläger erstrebt in jedem Fall den Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts.4 Dies ist das Ziel jeder Verpflichtungsklage, unabhängig davon, ob der Kläger die Neu- oder Erstbescheidung verlangt.5 § 42 Abs. 1 VwGO stellt nur auf die Rechtsform Verwaltungsakt, nicht auf seine Bestimmtheit ab. Der „Erlaß eines Verwaltungsakts“ ist ein neutraler Begriff, der keine nähere inhaltliche Aussage enthält,6 zumal im Falle der Unterlassung ein gemäß § 75 VwGO zu erstreitender günstiger Verwaltungsakt nicht vorgezeichnet ist.7 Diese Vorschrift schließt eine Rechtsschutzlücke, denn die Untätigkeit einer Behörde ist nicht anfechtbar.8 § 75 VwGO normiert keine eigenständige Klageart.9 Welche Form der Untätigkeitsklage vorliegt, hängt von der Beschwer und dem Begehren des Klägers ab.10 Die VwGO unterscheidet in § 42 Abs. 1 VwGO und § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zwischen der Ablehnung und der Unterlassung eines Verwaltungsakts. In beiden Fällen kann ein Verpflichtungsurteil ergehen, durch das die Behörde zum Erlaß der beantragten Verfügung gezwungen wird. Aus § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ergibt sich jedoch, daß das Gericht die Behörde auch verpflichten kann, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden, soweit die Sache nicht spruchreif, gleichwohl entscheidungsreif ist.11 Dann muß es dem Kläger aber gestattet sein, vor Gericht einen Bescheidungsantrag zu stellen. Er darf nicht gezwungen werden, die Verurteilung zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts beantragen zu müssen, wenn er erkennt, daß die begehrte Regelung im behördlichen Ermessen steht. Anderenfalls müßte er einen zu weitgehenden Klageantrag formulieren, denn das Verwaltungsgericht darf in diesem Fall nur zur (Neu-)BeSchenke, DÖV 1996, S. 529 (538 f.). Detterbeck, Streitgegenstand, S. 220. 6 Sodan, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 42 Rdnr. 34. 7 Brunn, Bescheidungsklage, S. 2. 8 Dolde, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 75 Rdnr. 2. 9 Czermak, BayVBl. 1981, S. 427 (428); BVerwG, Beschl. v. 23. 7. 1991 – 3 C 56.90 –, NVwZ 1991, S. 1180; Pietzner / Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 10 Rdnr. 7. 10 Bettermann, NJW 1960, S. 1081 (1088); Kopp / Schenke, VwGO, § 75 Rdnr. 1; Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 306; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 15 Rdnr. 30. 11 Zu dieser Unterscheidung schon Bettermann, NJW 1960, S. 649 (653); Schröder, FS für Menger, S. 487 (488). 4 5

2. Kap.: Der Bescheidungsantrag

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scheidung verurteilen und muß die Klage im übrigen abweisen.12 Das partielle Unterliegen mit einer entsprechenden Kostenfolge kann der Kläger durch einen Bescheidungsantrag vermeiden.13 Die eigentliche Grundlage für einen Bescheidungsantrag ist daher die den Verwaltungsprozeß beherrschende Dispositionsmaxime.14 Danach steht die Herrschaft über das Verfahren und dessen Gegenstand den Parteien zu, die über Einleitung, Umfang und Ende zu entscheiden haben.15 Ein Verwaltungsprozeß wird nicht von Amts wegen eröffnet, sondern der Bürger erhebt gemäß § 81 Abs. 1 VwGO Klage bei Gericht. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muß die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Der Bürger muß kennzeichnen, worum es ihm geht16 und einen Rahmen setzen, den das Gericht erforschen soll.17 Der Antrag, den der Kläger laut § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO stellen soll, dient dazu, das Klagebegehren zu verdeutlichen. Er ist aber für die Klageschrift nicht zwingend vorgeschrieben.18 Enthält diese keinen bestimmten Antrag, liegt trotzdem eine wirksame Klageerhebung vor.19 Die Klage wird erst dann unzulässig, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein bestimmter Antrag vorliegt.20 In Übereinstimmung mit § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat daher der Vorsitzende (oder der Berichterstatter) den Kläger zu Ergänzungen aufzufordern. Gemäß § 86 Abs. 3 VwGO hat der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung dafür zu sorgen, daß sachdienliche Anträge gestellt werden.21 Die Ausgestaltung der gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaften Verpflichtungsklage erfolgt somit insbesondere durch die §§ 81, 82 und 88 VwGO. Es reicht aus, wenn der Kläger in der Klageschrift darlegt, welchen Verwaltungsakt er bei der Behörde beantragt hat, wie diese reagiert hat und er sich damit nicht zufriedengeben will.22 Dem Gericht ist es dann möglich, das Geschehen rechtlich zu beurteilen. Der Kläger braucht einen eindeutigen Antrag erst während der mündlichen Verhandlung zu stellen, wenn sich abzeichnet, wie das Gericht das Begehren des Klägers beurteilt. Der Antrag ist ausreichend bestimmt, sobald er sich auf den bei Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 267. Bettermann, NJW 1960, S. 649 (656); Pietzner / Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 10 Rdnr. 8. 14 Berg, FS für Menger, S. 537 (540 f.); Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 538 f. 15 Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 30 Rdnr. 2. 16 Kopp / Schenke, VwGO, § 82 Rdnr. 7; Detterbeck, Streitgegenstand, S. 77. 17 Aulehner, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 82 Rdnr. 19. 18 Ortloff, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 82 Rdnr. 7. 19 OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17. 9. 1991 – 2 L 103 / 91 –, NVwZ 1992, S. 385 f.; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 72. 20 Kopp / Schenke, VwGO, § 82 Rdnr. 10. 21 BVerwG, Urt. v. 14. 5. 1963 – VII C 40.63 –, E 16, 94 (98); zur Hinweispflicht Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 36 Rdnr. 13. 22 Brunn, Bescheidungsklage, S. 12. 12 13

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

der Verwaltung gestellten bezieht und zum Beispiel das Begehren auf eine erneute oder erstmalige ermessensfehlerfreie Entscheidung beinhaltet.23 II. Terminologie: Bescheidungsantrag oder Bescheidungsklage Im wissenschaftlichen Schrifttum ist oft der Begriff „Bescheidungsklage“ zu lesen.24 Diese Bezeichnung ist unschädlich und man kann sich auf den Standpunkt stellen, zwischen Klageart und Antrag zu unterscheiden, sei akademisch und nur terminologisch interessant.25 Eine solche Argumentation ist jedoch nicht nur ungenau, sie verkennt vielmehr auch die gesetzliche Trennung zwischen den Klagearten und dem Klagebegehren gemäß § 88 VwGO.26 Der Klageantrag ist Ausdruck der Dispositionsmaxime. Es ist Sache des Klägers, sich für das Begehren zu entscheiden, das er im Verwaltungsprozeß durchsetzen will. Er hat das Initiativrecht und legt den Umfang des Gerichtsverfahrens fest.27 Dem Initiativrecht und der Verfügungsbefugnis des Klägers stehen die gesetzlich geregelten Klagearten gegenüber. Der Gesetzgeber entscheidet darüber, mit welchen Klagearten er den Erfordernissen von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nachkommen und lückenlosen Individualrechtsschutz gewährleisten will, soweit er dadurch nicht wieder ein verdecktes Enumerationsprinzip einführt.28 Solange keine Rechtsschutzlücke besteht und die Verwaltungsgerichte mit den gesetzlich geregelten Klagearten den Rechtsschutz der Bürger sicherstellen können, gehört es nicht zu den richterlichen Aufgaben, neue Klagearten zu kreieren.29 Der Begriff „Bescheidungsklage“ steht daher genaugenommen für den vom Kläger im Rahmen einer Verpflichtungsklage zu formulierenden Bescheidungsantrag.30

Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 104. Pietzner / Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 10 Rdnr. 8, Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 264 / 267; ders., DÖV 1996, S. 529 (538); Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 321; Bettermann, NJW 1960, S. 649 (656); Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rdnr. 8. 25 So Pietzner / Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 10 Rdnr. 8 Fn. 28. 26 A. A. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 219. 27 Schmidt-Aßmann, FS für Menger, S. 107 (109). 28 Abzulehnen daher BVerwG, Urt. v. 26. 01. 1996 – 8 C 19.94 –, E 100, 262 ff. – Mietspiegel. 29 Schröder, FS für Menger, S. 487 (490); Schmidt-Aßmann, FS für Menger, S. 107 (115). 30 Schröder, FS für Menger, S. 487 (492 ff.); Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 15 Rdnr. 15; Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 303; Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 102; Sodan, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 42 Rdnr. 34; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 579 Fn. 154; Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 219; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 258. 23 24

2. Kap.: Der Bescheidungsantrag

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B. Statthaftigkeit eines Bescheidungsantrags Die Statthaftigkeit eines Bescheidungsantrags ergibt sich schon daraus, daß es dem Bürger möglich sein muß, die Verwaltung zu zwingen, auf seinen Antrag zu reagieren und ihn zu bescheiden. Dazu ist die Behörde verpflichtet, weil durch einen wirksamen Antrag ein Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis mit entsprechenden Betreuungspflichten der Behörde entsteht.31 Erfolgt keine Bescheidung in der Sache, muß der Bürger eine solche erzwingen können. Gleiches gilt für den Fall, daß nicht die Ausgangs-, sondern die Widerspruchsbehörde untätig bleibt. Gegenstand eines Bescheidungsantrags ist dann der Erlaß eines Widerspruchsbescheids.32 In der Vergangenheit ist jedoch immer wieder die Statthaftigkeit eines Bescheidungsantrags – oder ungenauer: einer Bescheidungsklage – bestritten worden. Ein solcher Antrag könne nicht zulässig sein, weil der Kläger kein subjektives Recht auf Rückverweisung der Rechtssache an die Exekutive habe.33 Des weiteren sei ein Bescheidungsantrag unnötig und ungerecht, weil der Kläger mit einem Verpflichtungsantrag sein Rechtsschutzziel erreiche und keine kostenpflichtige Teilabweisung riskiere, wenn er sich zwischen Verpflichtungs- und Bescheidungsantrag entscheiden müsse.34

I. Bescheidungsantrag und subjektiv-öffentliche Rechte Ein Bescheidungsurteil verpflichtet die Behörde, über den Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung erneut oder erstmals zu befinden. Die Entscheidung wird gleichsam an sie zurückgegeben. Diesen Vorgang hat Czermak mit einer Zurückverweisung innerhalb der Gerichtsbarkeit durch ein Berufungs- oder Revisionsgericht verglichen, weil in beiden Fällen die Vorinstanz zu einer Entscheidung verpflichtet werde und dabei an die Auffassung der höheren Instanz gebunden sei.35 Die endgültige Streitentscheidung bleibe offen.36 Er schließt daraus, daß ein Bescheidungsantrag unzulässig sein müsse, weil die VwGO kein auf die bloße Zurückverweisung beschränktes Rechtsmittel enthalte. Die Zurückverweisung erfolge von Amts wegen und unabhängig 31 Laubinger, FS für Seok, S. 65 (77); ausführlich zum Bescheidungsanspruch Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 36 ff. 32 Bettermann, NJW 1960, S. 1081 (1088); Kopp / Schenke, VwGO, Vorb § 68 Rdnr. 13 und § 75 Rdnr. 5; Schenke, DÖV 1996, S. 529 ff.; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 313 ff.; dazu umfassend Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 296 ff. 33 Czermak BayVBl. 1981, S. 427 (428). 34 Brunn, Bescheidungsklage, S. 37 ff. 35 Czermak, BayVBl. 1981, S. 427 (428). 36 Stüer, FS für Menger, S. 779 (795).

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von Anträgen der Prozeßbeteiligten. 37 Es gebe keinen mit einem Bescheidungsantrag verfolgbaren Anspruch. Der Kläger könne sich daher nicht auf einen solchen Antrag beschränken. Für ein Bescheidungsbegehren bleibe kein Raum mehr. Zum einen verkennt Czermak, daß ein Bescheidungsurteil mit einer Zurückverweisung in eine untere Instanz nicht vergleichbar ist, weil die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen unterschiedlich sind. Ein Obergericht, das ein Urteil aufhebt und zur erneuten Verhandlung zurückverweist, agiert immer im Rahmen der rechtsprechenden Gewalt. Dagegen berühren das Herbeiführen von Spruchreife und die behördliche Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung das Gewaltenteilungsprinzip,38 weil das Gericht mit der Ermittlung des Sachverhalts möglicherweise Aufgaben der Exekutive wahrnimmt und den Entscheidungsspielraum der Behörde einengt. Ähnliche Gefahren bestehen für eine untere Gerichtsinstanz nicht, weil sie ebenfalls Teil der Judikative ist. Zum anderen ist seine Argumentation ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man das Verwaltungsprozeßrecht zu sehr vom materiellen Recht loslöst. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf die Zurückverweisung, weil diese regelmäßig auf fehlenden Befugnissen der Revisionsgerichte zur Tatsachenermittlung beruht. Der Kläger hat aber nicht nur einen Anspruch auf Bescheidung seines wirksamen Antrags, sondern auch ein subjektives Recht auf ermessens- oder beurteilungsfehlerfreie Entscheidung. Czermak verneint letztlich die Existenz derartiger Ansprüche auf Gesetzeserfüllung und macht das Verwaltungsermessen wieder zum Element des objektiven Rechts. Gerade das Bestehen solcher subjektiv-öffentlichen Rechte39 und ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit sind jedoch angesichts der historischen Wurzeln des Verwaltungsermessens40 gar nicht hoch genug einzuschätzen. Das Fehlen einer prozessualen Möglichkeit für den Bürger, eine Bescheidung seines auf einen materiellen Anspruch gestützten Antrags zu erzwingen, wäre mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht vereinbar. Das subjektive Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung wäre nicht durchsetzbar.41 Es verbietet sich daher, ein Bescheidungsurteil als „Notbehelf“ zu bezeichnen42 und damit den Bescheidungsantrag zu negieren.

Czermak, BayVBl. 1981, S. 427 (428). Stüer, FS für Menger, S. 779 (795); Schröder, FS für Menger, S. 487 (489). 39 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 15; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 85; Pietzcker, JuS 1982, S. 106 ff. 40 Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 7 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 177 ff. 41 Schenke, DÖV 1996, S. 529 (539). 42 So aber Brunn, Bescheidungsklage, S. 43. 37 38

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II. Dispositionsmaxime und Kostenfolgen Der Anspruch des Bürgers auf Gesetzeserfüllung wirkt sich auf das Verfahrensrecht aus. Der im Verwaltungsprozeßrecht geltende Verfügungsgrundsatz erlaubt es dem Kläger, einen Bescheidungsantrag zu stellen, wenn er zu der Ansicht gelangt, daß er mit einer Klage auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts nicht durchdringen kann. Gleichzeitig zwingt die Dispositionsmaxime den Kläger aber zu einem solchen Antrag. Anderenfalls riskiert er eine Teilabweisung, die gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu einer Kostentragungspflicht führen kann, weil ein Bescheidungsurteil gegenüber dem beantragten Verpflichtungsurteil ein minus darstellt.43 Der Kläger steht damit vor dem Problem, abschätzen zu müssen, inwieweit das Gericht bereit oder in der Lage ist, Spruchreife herzustellen. Selbst wenn er sich anwaltlich beraten läßt, ist ein solche Prognose oft nur schwer möglich.44 Der Zwang, zwischen Verpflichtungs- und Bescheidungsantrag wählen zu müssen, könnte Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzen, wenn der Bürger aus Furcht vor unkalkulierbaren Kostenfolgen seine Rechte nicht mehr geltend macht.45 Der Kläger muß Sachentscheidungsvoraussetzungen beachten und erfüllen, die von ihm nicht beeinflußt werden können.46 Um das zu verhindern, ist vorgeschlagen worden, auf einen Bescheidungsantrag zu verzichten.47 Dem Kläger würde dann nur die Klageabweisung im Ganzen drohen, wenn der von ihm geltend gemachte Anspruch unter keinen Umständen besteht.48 Er soll nicht das Prozeßrisiko tragen müssen, das zwischen dem Obsiegen in Form eines Verpflichtungstenors und einem Bescheidungsurteil liegt, weil die Behörde „näher am Schaden“ ist, wenn sie untätig war oder den Antragsteller ohne ausreichende Prüfung abschlägig beschieden hat.49 Diese Argumentation überzeugt nicht, denn sie beachtet nicht die in der VwGO verankerte Dispositionsmaxime.50 Ein Verwaltungsgericht wird nur auf Antrag tätig. Es obliegt dem Bürger, seine Chancen einzuschätzen. Die Gefahr der kostenpflichtigen Teilabweisung ist vom Gesetzgeber gewollt. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG 43 Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 103; Sodan, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 42 Rdnr. 34; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 263; BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1970 – VI C 48.69 –, E 37, 57 (61). 44 Brunn, Bescheidungsklage, S. 31; zu den praktischen Schwierigkeiten auch Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 101. 45 Dazu Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1023; Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569 (2572); BVerfG, Beschl. v. 6. 2. 1979 – 3 K 1519 / 74 –, E 50, 217 (231); BVerfG, Beschl. v. 2. 12. 1987 – 1 BvR 1291 / 85 –, E 77, 275 (284). 46 Brunn, Bescheidungsklage, S. 32. 47 Czermak, BayVBl. 1981, S. 427 ff. 48 Brunn, Bescheidungsklage, S. 39. 49 Brunn, Bescheidungsklage, S. 37. 50 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 218; Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 229; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 43.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

gewährleistet subjektiven Rechtsschutz. Niemand kann zu einer Klage gezwungen werden. Das ist verfahrensrechtlicher Ausdruck des Menschenbilds im Grundgesetz. Danach besteht zwar kein schrankenloser Individualismus, der Mensch ist in die Gemeinschaft eingebunden und hat entsprechende Bindungen zu beachten.51 Klagerecht und -bestimmungspflicht sind aber Zeichen seiner Individualität und Persönlichkeit. Sie stehen einer „Vergesellschaftung“ von Prozeßrisiken entgegen. Daß der Kläger das Kostenrisiko im Fall der (partiellen) Klageabweisung in einem der Dispositionsmaxime unterliegenden Verfahren trägt, ist systemimmanent. Daher ist § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO anzuwenden, soweit der Kläger beantragt hat, die Behörde zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts zu verpflichten, das Gericht jedoch nur ein Bescheidungsurteil erläßt.52 Der Zwang, vor Gericht einen Antrag formulieren zu müssen, verletzt nicht Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber hat einen Gestaltungsspielraum, wie er den Zugang zu den Verwaltungsgerichten regelt.53 Verfassungsrechtlich ist ein Mindeststandard gewährleistet, der nicht durch unzumutbare, sachlich nicht mehr gerechtfertigte Zugangshindernisse unterschritten werden darf.54 Der Kläger ist permanent dazu gezwungen, Sachentscheidungsvoraussetzungen zu beachten, die er nicht beeinflussen kann. Wäre ein Bescheidungsantrag im Rahmen einer Verpflichtungsklage unzulässig, weil der Erlaß eines Verwaltungsakts immer dem Begehren des Klägers entspricht, würde man damit sogar die Rechtsschutzmöglichkeiten verringern. Der Kläger wäre nicht beschwert, weil er das bekommt, was er beantragt hat: einen Verwaltungsakt.55 Es wäre ihm nicht mehr möglich, Rechtsmittel mit der Begründung einzulegen, er habe Anspruch auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts.56 Das mit einem Verpflichtungsantrag verbundene Kostenrisiko ist bei entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO nicht unbillig.57 Danach können Kosten, die eine Prozeßpartei verschuldet hat, dieser auferlegt werden. Ein solches Verschulden liegt vor, wenn ein Beteiligter bei Handlungen oder Unterlassungen vor oder während des Prozesses diejenige Sorgfalt außer Acht läßt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Beteiligten geboten ist und ihm nach den Umständen des Falles zuzumuten war und er das so entstandene Ergebnis zu vertreten hat.58 Ergeht daher trotz eines Antrags 51 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 116; BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983 – 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484 / 83 –, E 65, 1 (44). 52 Kopp / Schenke, VwGO, § 155 Rdnr. 2; Olbertz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 155 Rdnr. 3; BVerwG, Urt. v. 16. 12. 1970 – VI C 48.69 –, E 37, 57 (61); HödlAdick, Bescheidungsklage, S. 227. 53 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 60; Krüger / Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 139. 54 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 14. 55 Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 230. 56 Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 102. 57 Zur Kostenverteilung ausführlich Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 275 ff.

2. Kap.: Der Bescheidungsantrag

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des Klägers, die Behörde zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts zu verurteilen, kein Verpflichtungs-, sondern ein Bescheidungsurteil, kann das Gericht gemäß § 155 Abs. 4 VwGO der beklagten Behörde die Kosten auferlegen, wenn diese Ermittlungen unterlassen oder Erwägungen fehlerhaft vorgenommen hat, die man erwarten durfte.59 Somit verliert das Argument, der Kläger solle nicht das durch ein Bescheidungsurteil entstehende Kostenrisiko tragen, weil die untätige oder schlecht arbeitende Behörde „näher am Schaden“ ist,60 viel von seiner Überzeugungskraft. § 155 Abs. 4 VwGO ist nicht – auch nicht analog – anwendbar, wenn ein Bescheidungsurteil ergeht, weil dem Gericht aufgrund von behördlichen Ermessensoder Beurteilungsspielräumen die Kompetenz zur endgültigen Sachentscheidung fehlt. Die Tatbestände sind nicht vergleichbar, denn für ihre Letztentscheidungsrechte muß sich die Exekutive nicht „entschuldigen.“61 Das Kostenrisiko des Klägers wird gemildert durch die dem Vorsitzenden gemäß § 86 Abs. 3 VwGO obliegenden Pflichten.62 Der Vorsitzende muß den Kläger darauf aufmerksam machen, daß dieser etwas beantragt, was ihm rechtlich nicht zusteht oder vom Gericht nicht zugesprochen werden darf. Soweit der Kläger nicht erkennen kann, daß das Herbeiführen von Spruchreife nicht möglich ist oder das Gericht sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht festlegen will und er daher seinen Vornahmeantrag nicht auf einen Bescheidungsantrag umstellt, hat die Behörde gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten zu tragen. In diesen Fällen erscheint es unbillig, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO anzuwenden und dem Kläger einen Teil der Kosten aufzubürden.

C. Der Wechsel zwischen Verpflichtungsund Bescheidungsantrag Im Prozeß kann es zu einer Situation kommen, in der der Kläger erkennt oder nach einem Hinweis des Vorsitzenden gemäß § 86 Abs. 3 VwGO erkennen muß, daß der von ihm gestellte Antrag nicht erfolgreich sein wird, etwa weil das Gericht einen Beurteilungsspielraum der Behörde anerkennt. Er muß sich dann entscheiden, ob er seinen Klageantrag ändert. Der Übergang vom Verpflichtungszum Bescheidungsantrag oder umgekehrt ist nach allgemeiner Auffassung eine quantitative Klagebeschränkung oder Klageerweiterung, keine Klageänderung 58 Kopp / Schenke, VwGO, § 60 Rdnr. 9 und § 155 Rdnr. 21; Redeker / von Oertzen, VwGO, § 60 Rdnr. 3 und § 155 Rdnr. 5; Olbertz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 155 Rdnr. 25. 59 In bezug auf Gutachten, Broß, VerwArch. 75 (1984), S. 425 (435). 60 Brunn, Bescheidungsklage, S. 37. 61 So auch Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 228; a. A. Brunn, Bescheidungsklage, S. 43. 62 Dazu Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 395 ff.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

(aliud).63 Über § 173 VwGO kommt § 264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Anwendung, die Antragsbeschränkung gilt als teilweise Klagerücknahme und ist damit von der Einwilligung des Beklagten abhängig.64 Die Zustimmung des Beklagten ist nicht erforderlich, wenn man durch eine teleologische Reduktion den Anwendungsbereich von § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf die Fälle beschränkt, in denen die Gegenseite ein schützenswertes Interesse daran hat, eine umfassende Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch zu erlangen.65 Die auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts verklagte Behörde hat ein solches Interesse jedenfalls nicht, wenn der Kläger seinen Vornahmeantrag auf einen Bescheidungsantrag umstellt. Die Abweisung eines Bescheidungsbegehrens führt genauso zur endgültigen Entscheidung, wie die Abweisung eines Vornahmeantrags, weil jeweils feststeht, daß der Kläger nicht die Aufhebung des Ablehnungsbescheids verlangen kann.66 Die beklagte Behörde hat auch kein schützenswertes Interesse, den Kläger daran zu hindern, einen Bescheidungsantrag zu stellen, wenn dieser nur einen Anspruch auf ermessens- oder beurteilungsfehlerfreie Entscheidung hat. Auch in diesen Fällen fällt das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Möglichkeiten ein umfassendes Urteil. Das Zustimmungserfordernis ließe sich allerdings auch vermeiden, wenn man in einem Bescheidungsantrag im Verhältnis zu einem Verpflichtungsantrag nicht ein minus, sondern ein aliud sieht. Der Wechsel vom Verpflichtungs- zum Bescheidungsantrag oder umgekehrt wäre dann keine (zustimmungsbedürftige) Klagerücknahme, sondern eine Klägeänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO, die unabhängig von der Einwilligung des Beklagten sachdienlich ist, weil der vorhandene Prozeßstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und der Kläger nicht selten erst auf Anregung des Gerichts seinen Antrag umstellen wird. Eine rasche und umfassende Klärung zusammenhängender Streitfragen durch die Justiz wäre weiterhin gewährleistet. In einen Bescheidungsantrag ein aliud zu sehen, erscheint aber letztlich nicht sachgerecht. Die Verwaltung soll zwar nicht dazu verurteilt werden, eine bestimmte Regelung zu treffen, der Kläger strebt aber weiterhin den Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts an. Der vor dem Verwaltungsprozeß bei der Behörde gestellte Antrag verändert sich nicht dadurch, daß der Bürger in seiner Rolle als Prozeßbeteiligter sein Verpflichtungs- auf ein Bescheidungsbegehren umstellt. Der behauptete materielle Anspruch auf Gesetzeserfüllung wird durch eine Änderung 63 Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 103; Schröder, FS für Menger, S. 487 (498); Kopp / Schenke, VwGO, § 91 Rdnr. 9; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 261; für das Revisionsverfahren BVerwG, Urt. v. 18. 11. 2004 – 1 C 23 / 03 –, NVwZ 2005, S. 601. 64 Beachte den durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. 08. 2004 (BGBl. I, S. 2198) eingefügten § 92 Abs. 1 Satz 3 VwGO; zur Parallelvorschrift § 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO Schifferdecker, NVwZ 2003, S. 925 ff. 65 Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 292; Kopp / Schenke, VwGO, § 92 Rdnr. 12. 66 Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 292 f.; Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 21a.

2. Kap.: Der Bescheidungsantrag

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des Klageantrags nicht derart modifiziert, daß die Annahme eines aliuds gerechtfertigt erscheint. Hat der Kläger einen bestimmten Verwaltungsakt eingeklagt, stellt dann aber vor Gericht seinen Antrag um, verändert sich der Anspruch auf Gesetzeserfüllung nicht.

D. Zusammenfassung Ein Bescheidungsantrag erlaubt es dem Kläger, den geltend gemachten prozessualen Anspruch zu beschränken. Auch wenn ein solcher Antrag in der VwGO nicht ausdrücklich vorgesehen ist, so ergibt sich seine Statthaftigkeit indirekt schon aus § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Seine eigentliche Grundlage ist die den Verwaltungsprozeß beherrschende Dispositionsmaxime, die dem Kläger das Recht gibt, über Einleitung, Umfang und Ende des gerichtlichen Verfahrens zu bestimmen. Der Bescheidungsantrag hat sein materiell-rechtliches Pendant im gegenüber der Behörde bestehenden Bescheidungsanspruch des Bürgers, soweit dieser den Erlaß eines Verwaltungsakts beantragt hat. Der Bescheidungsantrag ist erforderlich, um das subjektiv-öffentliche Recht auf eine ermessens- oder beurteilungsfehlerfreie Entscheidung durchzusetzen, da in diesen Fällen das Verwaltungsgericht die Behörde nicht zum Erlaß des beantragten Verwaltungsakts verurteilen darf. Die Freiheit des Klägers, sich für einen Bescheidungs- oder Verpflichtungsantrag entscheiden zu können, birgt das Risiko einer kostenpflichtigen Teilabweisung. Das Kostenrisiko wird jedoch durch die gemäß § 86 Abs. 3 VwGO bestehende Hinweispflicht des Vorsitzenden gemindert. Des weiteren kann der Kläger einen Verpflichtungsantrag auf einen Bescheidungsantrag umstellen und umgekehrt. Entgegen § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine Zustimmung des Beklagten nur dann notwendig, wenn dieser ein schützenswertes Interesse an einer umfassenden Entscheidung hat. Ein solches besteht hier nicht, weil sowohl mit einem Verpflichtungs- als auch mit einem Bescheidungsurteil – im Rahmen der gerichtlichen Möglichkeiten – alle Streitfragen geklärt werden können.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

3. Kapitel

Verfassungsrechtliche Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen A. Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG I. Einführung Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage und die Statthaftigkeit eines Bescheidungsantrags bauen auf subjektiv-öffentlichen Rechten auf, die unter der Geltung des Grundgesetzes das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung bestimmen. Die Existenz derartiger Rechte ist oftmals umstritten und der Bürger kann sie trotz der Gesetzesbindung der Verwaltung häufig nur mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen. Die Verwaltungsgerichte sind dabei wie die Exekutive an die Grundrechte und an Recht und Gesetz gebunden. Sie haben über die gleichen subjektiv-öffentlichen Rechte zu befinden wie die Behörden. Eine Arbeitsteilung zum Wohle der Bürger ist somit unumgänglich. Daher gehört das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit „zu den dauernden Problemstellungen im gewaltenteiligen Rechts- und Sozialstaat moderner, verwaltungsstaatlicher Prägung.“1 Die Arbeitsteilung zwischen Behörden und Gerichten ist wesentlich durch die Funktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmt. Die maßgebliche Norm für die gerichtlichen Aufgaben ist Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.2 Der dort verbürgte Schutz gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt ist zwar nicht nur, aber in der Hauptsache Schutz durch die Verwaltungsgerichte.3 Grundrechtlich gewährleistet ist individueller Rechtsschutz des einzelnen,4 auf den Schutz seiner Rechte müssen sich die Richter konzentrieren. Der Bürger ist nicht nur „Stichwortgeber“5 für eine objektive Rechtskontrolle. Jedermann, den die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt hat, steht gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der Rechtsweg offen. Die Vorschrift gewährleistet jedem Bürger eine volle Rechts- und Tatsacheninstanz gegen Akte der Verwaltung.6 Der Bürger soll sich gegen selbstherrlich und willkürlich handelnde Behörden wehren können.7 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (146). Hufen, DV 32 (1999), S. 519 (542). 3 Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einleitung Rdnr. 2. 4 Pitschas, in: Blümel / Pitschas, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, S. 27 (52). 5 Ronellenfitsch, FS für Blümel, S. 497 (515). 6 BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988 – 1 BvR 520 / 83 –, E 78, 214 (226); zum Rechtsschutz gegen den Richter Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 ff.; Schenke, JZ 2005, S. 116 ff. 7 P. M. Huber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 349. 1 2

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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damit ein wesentlicher Bestandteil des im Grundgesetz verankerten Rechtsstaatsprinzips.8 Im gleichen Maße wie dieses zur Ausgestaltung und Konturierung des Schutzbereichs von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beiträgt, wird es von anderen den Rechtsstaat kennzeichnenden Prinzipien – Gewaltenteilung, allgemeiner Gesetzesvorbehalt, Justizgewährungspflicht, Grundrechte – strukturiert und bestimmt.9 II. Normgeprägter Schutzbereich Der Schutzbereich von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist normgeprägt.10 Der Bürger kann den Rechtsweg erst beschreiten und seine Rechte durchsetzen, wenn der Gesetzgeber entsprechende Gerichtsverfassungs- und Verfahrensgesetze geschaffen hat.11 Es liegt im legislativen Ermessen, Zulässigkeitsvoraussetzungen zu bestimmen, soweit sie sachlich begründet sind.12 Die Ausgestaltung des Schutzbereichs darf aber nicht in einen Grundrechtseingriff umschlagen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet einen Mindeststandard, den der Gesetzgeber und die Verwaltungsgerichte nicht unterschreiten dürfen.13 Die notwendige Kontrolle und die Herausbildung von Leitlinien14 ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts. Genügt das vom Gesetzgeber geschaffene Rechtschutzsystem nicht den grundgesetzlichen Anforderungen, ist es Sache des Bundesverfassungsgerichts, Verfahrensnormen verfassungskonform auszulegen, Übergangsregelungen zu formulieren15 oder den Gesetzgeber zum Tätigwerden aufzufordern.16

8 BVerfG, Beschl. v. 30. 04. 2003 – 1 PBvU 1 / 02 –, DVBl. 2003, S. 932; siehe dazu die Besprechung von Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 ff. und die Folgeentscheidung BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 2003 – 1 BvR 10 / 99 –, NJW 2003, S. 3687. 9 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 15; zu diesem Wirkungsmechanismus in bezug auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 73 und S. 170. 10 Siekmann / Duttge, Staatsrecht I: Grundrechte Rdnr. 710; Pieroth / Schlink, Grundrechte Rdnr. 1007. 11 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 42. 12 BVerfG, Beschl. v. 30. 04. 2003 – 1 PBvU 1 / 02 –, DVBl. 2003, S. 932 (936); Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 60. 13 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 79; Hufen, DV 32 (1999), S. 519 (524), keine Einführung eines neuen Enumerationsprinzips durch die Hintertür „Rechtsschutz nach Maßgabe der Klagearten“; Brunner, Kontrolle, S. 211 f. 14 Siekmann / Duttge, Staatsrecht I: Grundrechte, Rdnr. 709. 15 BVerfG, Beschl. v. 27. 10. 1999 – 1 BvR 385 / 90 –, E 101, 106 (132). 16 BVerfG, Beschl. v. 30. 04. 2003 – 1 PBvU 1 / 02 –, DVBl. 2003, S. 932 (938).

6 Bickenbach

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

III. Leitlinien für einen wirksamen Rechtsschutz 1. Allgemeine Aussagen Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder betont, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiere effektiven Rechtsschutz17 und setzt dabei „effektiv“ mit „wirksam“ gleich.18 Damit bringt es erstens zum Ausdruck, daß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG einer überlangen Verfahrensdauer entgegensteht: Rechtsschutz durch die Gerichte muß in angemessener Zeit erreichbar sein.19 Zweitens gehören zum Kernbestand eines effektiven Rechtsschutzes die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen sowie die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen,20 und drittens haben die Gerichte die Pflicht, eine vollständige Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorzunehmen.21

2. Vollständige Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Die Pflicht der Verwaltungsgerichte, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Prüfung vorzunehmen, ist für die vorliegende Untersuchung besonders bedeutend. Die in der Einleitung zu dieser Untersuchung beispielhaft aufgeführten gerichtlichen Entscheidungen stehen nicht wegen neuer rechtlicher Erkenntnisse im Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses, sondern weil sie repräsentativ sind für die Neigung der Verwaltungsgerichte, den Sachverhalt erschöpfend zu ermitteln und auf dieser Basis die behördliche Entscheidung detailliert zu kontrollieren. Genau das macht das Herbeiführen von Spruchreife aus. 17 BVerfG, Beschl. v. 07. 04. 2003 – 1 BvR 2129 / 02 –, NVwZ 2003, S. 856 (857); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1019; Gallwas, Grundrechte, Rdnr. 694; J. Ipsen, Staatsrecht II, Rdnr. 838. 18 BVerfG, Beschl. v. 16. 05. 1995 – 1 BvR 1087 / 91 –, E 93, 1 (13); BVerfG, Beschl. v. 30. 04. 1997 – 2 BvR 817 / 90 u. a. –, E 96, 27 (39 f.). 19 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 262; Schlette, Anspruch auf gerichtliche Entscheidung, S. 24 f.; Ziekow, DÖV 1998, S. 941 ff.; BVerfG, Beschl. v. 02. 03. 1993 – 1 BvR 249 / 92 –, E 88, 118 (124); dazu Caesar, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 17 (23): „Nur schnelles Recht ist gutes Recht.“; krit. Merten / Jung, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 31 (34), die vor „kurzen Prozessen“ warnen. 20 Krüger / Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rdnr. 148; BVerfG, Beschl. v. 25. 10. 1988 – 2 BvR 745 / 88 –, E 79, 69 (74); BVerfG, Beschl. v. 26. 08. 2004 – 1 BvR 1446 / 04 –, NVwZ 2005, S. 438. 21 BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 1529 / 84 u. a. –, E 84, 59 (77); BVerfG, Beschl. v. 27. 10. 1999 – 1 BvR 385 / 90 –, E 101, 106 (123); Krüger / Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rdnr. 145 f.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 183; Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorb. § 113 Rdnr. 19; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 61; Grupp, FS für Blümel, S. 139 (143).

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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Das Postulat einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständigen Prüfung verpflichtet die Verwaltungsgerichte dazu, angefochtene Verwaltungsakte – dazu gehören nach hier vertretener Auffassung auch Ablehnungsbescheide – umfassend zu überprüfen. Eine Bindung an die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr müssen sich die Gerichte gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen die notwendigen Kenntnisse verschaffen, um kontrollieren zu können, ob die Behörden die normativen Vorgaben beachtet haben.22 Der im Verwaltungsprozeß geltende Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet die Gerichte dazu, die tatsächlichen Grundlagen der angegriffenen Behördenentscheidung zu ermitteln und eine Rechtsauffassung zu gewinnen und zu begründen.23 § 86 Abs. 1 VwGO unterscheidet nicht zwischen dem im Verwaltungsverfahren ermittelten Sachverhalt und Feststellungen, die erst während des Prozesses durch die Beteiligten oder das Gericht getroffen worden sind. Die Vorschrift schützt das Interesse der Parteien an einer neutralen und unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit und sichert zugleich die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.24

IV. Individualrechtsschutz und objektive Rechtmäßigkeitskontrolle Schon bald nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG als formelles Hauptgrundrecht bezeichnet.25 Die Norm legt ihrem Wortlaut nach großes Gewicht auf die Sicherung der Individualrechte. Sie steht aber anderen Schutzaufträgen als dem individual-rechtlichen nicht entgegen, sofern objektive Rechtsschutz- und Kontrollverfahren die Verwaltungsgerichte quantitativ nicht überlasten und qualitativ nicht überfremden26 und damit in die Rolle von Oberbehörden drängen.27 Das belegen § 17 Abs. 1 rh.-pf. AGVwGO, §§ 8 Abs. 4, 12 HandwO28 und § 61 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. Davon zu unterscheiden ist die Kontrolle der objektiven Rechtmäßigkeit von behördlichen Entscheidungen durch die Verwaltungsgerichte, die mit dem individual-rechtlichen Schutzauftrag untrennbar verbunden ist.29 Daß IndividualrechtsBVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 1529 / 84 u. a. –, E 84, 59 (77 f.). Zur Reichweite der richterlichen Sachaufklärung BVerfG, Beschl. v. 08. 12. 2004 – 2 BvR 52 / 02 –, NJW 2005, S. 1344 (1345 f.). 24 Kropshofer, Untersuchungsgrundsatz, S. 53. 25 F. Klein, VVDStRL 8 (1950), S. 67 (88). 26 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 9; ders., FS für Menger, S. 107 (110). 27 Pitschas, in: Pitschas / Blümel, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, S. 27 (54); Krebs, FS für Menger, S. 191 (197). 28 Dazu Krebs, Kontrolle, S. 62. 29 Brunner, Kontrolle, S. 153; Masing, NVwZ 2002, S. 810 (814). 22 23

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

schutz und objektive Rechtmäßigkeitskontrolle im Verwaltungsprozeß miteinander verknüpft sind, zeigt der Wortlaut von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und Abs. 5 Satz 1 VwGO.30 Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen haben Erfolg, soweit das Handeln oder Unterlassen der Verwaltung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist. Über den Wortlaut von § 113 VwGO hinaus erschließt sich dieser Zusammenhang auch aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Ein Rechtsbehelf hat Erfolg, wenn Rechte des Klägers verletzt sind.31 Das setzt die Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns voraus. Die Gerichte haben eine objektive Kontrollfunktion, die mehr ist als ein notwendiger Zwischenschritt oder eine erwünschte Nebenfolge.32 Erst recht handelt es sich dabei nicht um eine unbedeutende Reflexwirkung.33 Die Verwaltungsgerichte erfüllen somit eine Doppelfunktion, indem sie Individualrechtsschutz und objektive Rechtskontrolle gewährleisten.34 Auch wenn sie im Ergebnis die subjektiven öffentlichen Rechte der Bürger durchzusetzen helfen, bleibt die objektive Rechtskontrolle in diesem Zusammenhang eine Funktion der Rechtsprechung.35 Darin spiegelt sich wider, daß „subjektives und objektives Recht ein gutes Stück gemeinsamen Weges gehen.“36 Sachverhaltsermittlungen über den Stand im Verwaltungsverfahren hinaus und das Austauschen der Rechtsgrundlage von Verwaltungsakten sind keine Relikte administrativ-juristischen Gebarens, sondern gewährleisten als Zwischenstationen wirksamen Individualrechtsschutz. Dem Dualismus von objektiver Rechtskontrolle und subjektivem Rechtsschutz trägt die VwGO Rechnung. Für die Einleitung und Beendigung gerichtlicher Verfahren gilt der Verfügungs-, für die Durchführung der Untersuchungsgrundsatz. Ersterer macht es dem Bürger möglich, ja zwingt ihn dazu, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er Rechtsschutz in Anspruch nehmen will.37 Der Untersuchungsgrundsatz stellt dagegen sicher, daß die Gesetzmäßigkeit jeglichen staatlichen Handelns gewährleistet bleibt. Das Herbeiführen von Spruchreife durch 30 Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 144; Ehlers, VerwArch. 84 (1993), S. 139 (174 f.). 31 Schmidt-Aßmann, FS für Menger, S. 107 (109); Ausnahme: Normenkontrolle nach § 47 VwGO. 32 Krebs, FS für Menger, S. 191 (193). 33 So auch Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 9; P. M. Huber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 357. 34 A. A. Ronellenfitsch, NVwZ 1999, S. 583 (587). 35 Krebs, Kontrolle, S. 60; Berg, FS für Menger, S. 537 (542), unter Bezugnahme auf das BVerfG, Beschl. v. 20. 04. 1982 – 2 BvL 26 / 81 –, E 60, 253 (290); von Mutius, FS für Menger, S. 575 (586). 36 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (235); siehe auch Becker, VVDStRL 14 (1956), S. 96 (114); Bachof, VVDStRL 14 (1956), S. 177 – Diskussionsbeitrag; Masing, NVwZ 2002, S. 810 (814). 37 Berg, FS für Menger, S. 537 (542); siehe oben 2. Kapitel B. II.

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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die Verwaltungsgerichte „heilt insofern Fehler der Behörden bei der Sachverhaltsermittlung.“38 Das ist unbedenklich, solange eine wirksame behördliche Selbstkontrolle durch Verwaltungsverfahren nicht gefährdet wird. Objektive Rechtskontrolle und Untersuchungsgrundsatz sorgen für die von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geforderte und gewährleistete Waffengleichheit im Verwaltungsprozeß. Sie gleichen aus Sicht der Bürger die Ermittlungsmöglichkeiten und den Informationsvorsprung der Behörden teilweise aus.39 V. Wirksamer Rechtsschutz Wirksamer Rechtsschutz darf nicht mit effektivem Rechtsschutz gleichgesetzt werden. Die Unschärfe eines auf dem Gedanken der Effektivität aufbauenden Prinzips ist ebenso groß wie seine argumentative Anziehungskraft. Existenz, Inhalt und Bedeutung eines Effektivitätsprinzips sind umstritten und unklar.40 Bezieht man Effektivität auf eine auf rechtsstaatlichen Grundsätzen basierende Staatsordnung, so läßt sich diese als leistungsfähige, durchsetzbare, mithin Geltung beanspruchende Verhaltensordnung begreifen.41 Dieser in jeder Rechtsordnung enthaltende Gedanke ist aber nicht durch ein Effektivitätsprinzip abzusichern, sondern das Verfahrensrecht ist entsprechend auszugestalten. Das bedeutet, daß die gesetzgeberische Umsetzung die eigentliche Effektuierung darstellt.42 Der Inhalt von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG kann nur um den Preis von Zirkelschlüssen aus dem Effektivitätsgedanken ermittelt werden. Dieser hat aus sich heraus keinen Inhalt, sondern setzt ihn voraus43 und ist daher ungeeignet, die Bedeutung einer Norm hervorzubringen.44 Wie das Bundesverfassungsgericht schon früh festgestellt hat, gewährt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG keine Rechte, sondern setzt die zu schützenden materiellen Rechte voraus.45 Ein subjektives öffentliches Recht setzt eine Rechtspflicht der Verwaltung voraus, die zumindest auch im Interesse der Bürger besteht. Der Gesetzgeber kann schon durch die Gesetzesabfassung beeinflussen, ob und inwieweit Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 148. Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 541. 40 Lorenz, AöR 105 (1980), S. 623 (633 ff.); Lücke, Begründungszwang, S. 85; Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 253. 41 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 8 I 1, § 9 I 1; Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569 (2572). 42 Krit. zum Effizienzgedanken im Zusammenhang mit Art. 19 Abs. 4 GG auch Hufen, DV 32 (1999), S. 519 (520). 43 Arndt, Effektivität, S. 139; Lorenz, AöR 105 (1980), S. 623 (637). 44 Anders Demmel, Das Verfahren nach § 113 Abs. 3 VwGO, S. 57, die sowohl die Wirksamkeit als auch die Effekitivtät gerichtlichen Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankert sieht. 45 BVerfG, Beschl. v. 05. 02. 1963, – 2 BvR 21 / 60 – E 15, 275 (281); dazu auch Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 189. 38 39

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

subjektive öffentliche Rechte entstehen. Der Maßstab für wirksamen Rechtsschutz muß daher aus den zu schützenden Rechten ermittelt werden. Auf den Punkt gebracht heißt das: Effektiver Rechtsschutz bedeutet Effektivität des materiellen Rechts durch Rechtsschutz.46 Dem Gleichsetzen von effektiv mit wirksam ist noch aus einem anderen Grund kritisch zu begegnen. Die Wörter „effektiv“ und „wirksam“ werden oft synonym gebraucht. Jedoch lassen sie sich auf verschiedene Maßstäbe beziehen. Das Wort „Effektivität“ läßt die Frage nach einem Vergleich zwischen dem Verhältnis von eingesetzten Mitteln und dem erzielten Ergebnis aufkommen,47 während mit „Wirksamkeit“ eine finale Ausrichtung verbunden ist. Es findet weniger ein Vergleich statt, als vielmehr eine Zielbestimmung. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bezieht sich auf das materielle Recht. Wirksamer Rechtsschutz setzt subjektive Rechte voraus, bringt diese aber nicht hervor. Das Fordern von effektivem Rechtsschutz ist deshalb geeignet, Machbares mit Wünschbarem zu verwechseln, den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz vom materiellen Recht und von gesetzgeberischen Grundentscheidungen und damit letztlich von den Grundrechten loszulösen.48 Damit soll die Geltung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht relativiert, sondern gestärkt werden, indem sich die Verwaltungsgerichte auf den Schutz der Rechte der Bürger konzentrieren. Die Tatsache, daß es erstmals in der deutschen Geschichte möglich ist, gegen jeden Akt der öffentlichen Gewalt gerichtlichen Schutz zu erlangen,49 ist es wert, als „Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaates“50 bezeichnet und als solcher gegen Anfeindungen verteidigt zu werden. Anläßlich der deutschen Standortdebatte und leerer öffentlicher Kassen fanden und finden diese auf einer Gewährleistungsebene von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG statt: dem Verfahrensrecht. Vor diesem Hintergrund sind das GenBeschlG,51 das 6. VwGOÄndG,52 Äußerungen von Politikern53 und weitere Pläne54 zu sehen. Das Bundesverfas46 Lorenz, AöR 105 (1980), S. 623 (638 f.); so auch Demmel, Das Verfahren nach § 113 Abs. 3 VwGO, S. 51. 47 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 56. 48 Daher mit Recht krit. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 4; ders., FS für Menger, S. 107 (116); zur unmittelbaren Geltung der Grundrechte Hufen, DV 32 (1999), S. 519 (534 ff.); Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 52, plädiert für ein rechtsstaatliches Optimum an Verwaltungskontrolle, nicht für ein verwaltungsgerichtliches Maximum. 49 Brunner, Kontrolle, S. 211. 50 Thoma, Recht, Staat, Wirtschaft, Bd. 3 (1951), S. 9. 51 Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz – GenBeschlG) vom 12. 9. 1996, BGBl. I, S. 1354. 52 Sechstes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. 11. 1996, BGBl. I, S. 1626. 53 Kanther, NVwZ 1998, S. 922 ff. 54 Schmitz, NJW 1998, S. 2866 ff.; wie kurzatmig diese Änderungen waren, zeigt das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozeß (RmBereinVpG) vom

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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sungsgericht tut gut daran, die volle rechtliche und tatsächliche Kontrolle, die Vollstreckbarkeit von Entscheidungen sowie die Erreichbarkeit vorläufigen Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu verankern und zu verteidigen.55 Das gilt auch gegenüber Plänen der Politik, die Arbeit der Justiz weit stärker als bisher an ökonomischen Maßstäben zu messen.56

VI. Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dient dem Schutz von subjektiven öffentlichen Rechten. Der subjektive Charakter von Rechten verhindert eine umfassende Kontrolle am Maßstab der gesamten Rechtsordnung.57 Schützt eine Norm nicht auch die Interessen des einzelnen, sondern besteht sie ausschließlich zum Wohle der Allgemeinheit, greift die Rechtsschutzgarantie nicht ein. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert nicht einen möglichst umfassenden Rechts-, sondern „nur“ einen lückenlosen Individualrechtsschutz.58 Des weiteren können die Verwaltungsgerichte behördliche Maßnahmen nicht vollständig überprüfen, denn gerichtliche Kontrolle ist Kontrolle am Maßstab und mit Methoden des Rechts. Das schließt politische, wirtschaftliche oder sonstige zweckorientierte Argumentationsmuster weitgehend aus.59 Mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG hat sich das „süddeutsche Modell“ gegenüber der „norddeutschen“ oder „preußischen“ Lösung durchgesetzt – ohne diese völlig zu überspielen.60 Die mit der richterlichen Arbeit verbundene objektive Rechtskontrolle ist weiterhin von erheblicher Bedeutung. Die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte beeinflußt nicht nur die vollziehende Gewalt, sondern strahlt auch auf die Arbeit der Parlamente aus. Die Funktionen von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und die in Art. 20 Abs. 3 GG festgeschriebene Bindung an Recht und Gesetz zeigen den für die Ordnung des Grundgesetzes typischen Zusammenhang „von individuellem Status und objektiver Ordnung.“61 Subjektive Statusordnung und objektive Funktionsordnung62 sind verbunden im Doppelauftrag der Gerich20. 12. 2001, BGBl. I, S. 3987, das nichts anderes ist als ein Reparaturgesetz zum 6. VwGOÄndG. 55 Hufen, DV 32 (1999), S. 519 (542), keine „Luxusgüter des Rechtswegestaates.“ 56 Dazu Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 169 ff. 57 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 214; Krebs, FS für Menger, S. 191 (194). 58 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1958 – 2 BvL 4 / 56 u. a. –, E 8, 274 (326); BVerfG, Beschl. v. 30. 04. 1997 – 2 BvR 817 / 90 u. a. –, E 96, 27 (39). 59 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 12. 60 Zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 2; Rüfner, FS für Menger, S. 3 ff. 61 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 202. 62 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 46.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

te, den Rechtsschutz des einzelnen und die Kontrolle der anderen Gewalten zu gewährleisten.63

B. Die Gewaltenteilung im Grundgesetz I. Einführung Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG steht zusammen mit der in Art. 93 GG hervorgehobenen Verfassungsgerichtsbarkeit und Art. 100 GG für eine gerichtsgeprägte Gewaltenteilung. 64 Eine starke Verfassungsgerichts- und eine drei Instanzen umfassende Verwaltungsgerichtsbarkeit geben der Judikative eine nicht zu unterschätzende Funktion im System der Gewalten. Durch vielschichtige Verbindungen, Kontrollen und Ausgleichsmechanismen, zum Beispiel durch Bescheidungsurteile, besetzen die Verwaltungsgerichte eine Schlüsselposition, durch die sie das Gleichgewicht zwischen den Gewalten wahren, ohne dabei eine umfassende, alles beherrschende Kontrollinstanz zu sein.65 Die Gewaltenteilung ist somit der zweite für die Untersuchung wichtige verfassungsrechtliche Leitbegriff. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist im Grundgesetz nur indirekt erwähnt. Die vom Volk ausgehende Staatsgewalt wird gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG durch Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Ausübung der Staatsgewalt durch besondere Organe enthält das Gebot der Trennung der Gewalten und macht eine Ausbalancierung notwendig. Darin manifestiert sich der alte Gedanke der Machtmäßigung durch Machtteilung.66 In einer parlamentarischen Demokratie und Republik stehen sich nicht mehr ein sich auf das Gottesgnadentum berufender Monarch und eine gewählte Volksvertretung antagonistisch gegenüber. Vielmehr stehen Regierung sowie die sie stützende Fraktion und die Opposition im Parlament im Widerstreit miteinander. Gewaltenteilung bedeutet unter demokratischen Vorzeichen und in einer für den Bürger komplizierten Wirtschafts- und Sozialordnung nicht mehr nur Machtteilung, sondern auch freiheitermöglichende und freiheitsicherende Arbeitsteilung.67 Die vielfältigen staatlichen Aufgaben sind nur durch sinnvolles Zusammenwirken der einzelnen Organe erfüllbar.

Hesse, Grundzüge, Rdnr. 202. Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, Abschnitt V Rdnr. 59; dazu auch Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, S. 2 f. 65 Anders P. M. Huber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 352, der von einem „tendenziellen Übergewicht“ gegenüber der Exekutive spricht. 66 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 63. 67 Lerche, in: Isensee, Gewaltenteilung heute, S. 75 (76). 63 64

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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II. Kritik an der vorgrundgesetzlichen Sicht der Gewaltenteilung In Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG sind drei Funktionen genannt, die von besonderen Organen wahrgenommen werden sollen. Das Wort „Gewaltenteilung“ ist ebensowenig enthalten, wie eine Aussage über die Balancierung, d. h. zum Verhältnis der Gewalten untereinander.68 Das wäre unschädlich, wenn das Prinzip der Gewaltenteilung dem Grundgesetz als Idealbild vorausläge.69 Eine solche Idealisierung muß sich aber negativ auf die normative Geltungskraft des Grundgesetzes auswirken, da viele Regelungen Durchbrechungen enthalten oder zulassen und zu Gewaltenverschränkungen führen.70 So gesehen, widerspricht die im Grundgesetz vorgesehene Gewaltenteilung permanent dem Ideal. Das führt zu überflüssigem Rechtfertigungsdruck und bringt die grundgesetzliche Ausgestaltung des Prinzips um seine Konturen.71 Die Gewaltenteilung muß geradezu konturlos bleiben, solange nicht die reale Verfassungsordnung formgebend wirkt.72 Daher ist es notwendig, die konkrete Verfassungsordnung als Argumentationsbasis heranzuziehen, nicht ein vorgegebenes Gewaltenteilungsschema. 73 Die frühe bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist ein Abbild dieser Problematik. So hat das Bundesverfassungsgericht zwar das Gewaltenteilungsprinzip und den darin enthaltenen Trennungsgedanken als tragende Säulen im grundgesetzlichen Staatsgebäude bezeichnet. Nur wenige Zeilen später war es aber zu dem Eingeständnis gezwungen, daß das Prinzip „nirgends rein verwirklicht“ sei.74 Es ist daher nicht verwunderlich, wenn mangels ausgeprägter Konturen des Gewaltenteilungsprinzips im Grundgesetz schnell der Ruf nach Absicherung von Kernbereichen ertönt. Ihm folgt aber immer das Echo der mangelnden Bestimmtheit.75 68 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 477; dazu Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, S. 10 f.; krit. auch Achterberg, Funktionenlehre, S. 109 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 47; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, Abschnitt V Rdnr. 37, spricht treffend davon, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG mache nicht den Eindruck einer „Vollregelung“, geht aber in Rdnr. 11 von systemimmanenten Abweichungen im Rahmen der Gewaltenteilung, also auch von einem vorrausliegenden Prinzip aus. 69 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 98 Rdnr. 2; Meyer-Teschendorf, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 9 (18); anders Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 175. 70 Zum Beispiel Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 80 Abs. 1 GG, Art. 119 GG, das fehlende Verbot, daß Bundesminister nicht gleichzeitig auch Abgeordnete sein dürfen; dazu Peters, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung, S. 78 (85 ff.); Brunner, Kontrolle, S. 39; Achterberg, Funktionenlehre, S. 116 ff., S. 136 ff., S. 154 ff. 71 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 477. 72 Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (448); dazu auch Ossenbühl, DÖV 1980, S. 545. 73 Rupp, Grundfragen, S. 126. 74 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1953 – 1 BvL 106 / 53 –, E 3, 225 (247); zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Achterberg, Funktionenlehre, S. 180 ff.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

Ein Spannungsverhältnis zwischen einem dem Grundgesetz vorausliegenden Begriff der Gewaltenteilung und der tatsächlichen Verwirklichung des Prinzips entsteht vor allem durch die Forderung nach wechselseitiger Kontrolle. Wenn das Bundesverfassungsgericht davon spricht, daß sich die Organe der drei Gewalten gegenseitig kontrollieren und begrenzen,76 dann ist das bis zu einem gewissen Grad richtig, der Gesichtspunkt der realen Verhältnisse fehlt aber in dem so erdachten Kontrollmodell.77 Eine wirksame Machtbalance entsteht aber nur unter Einbeziehung der vorhandenen Verhältnisse.78 Staatliche Gewaltenteilung ist weitgehend offen und kein Dogma,79 solange zwei Maximen keinen Schaden nehmen: die bürgerliche Freiheit und eine funktionsangemessene Arbeitsteilung.

III. Die grundgesetzliche Konstituierung der Gewaltenteilung 1. Die Gewaltenteilung als Funktionenteilung Kritik an einer vorgrundgesetzlichen Sicht der Gewaltenteilung in Form eines zeitlosen Dogmas, das die Gewaltentrennung hervorhebt, bedeutet nicht, den Einfluß der historischen Grundlagen samt Entwicklung der Gewaltenteilung auf das Grundgesetz zu leugnen.80 Ohne Kenntnis der geschichtlichen Wurzeln ist es nicht möglich, ein modernes, auf die heutige Verfassung bezogenes Verständnis der Gewaltenteilung zu entwickeln.81 Insofern ist es richtig, auf die ursprünglich machthemmende und -teilende Funktion hinzuweisen. Aber nur wenn es gelingt, das Prinzip auf die jeweils existierende Ordnung mit ihren realen Kräfteverhältnissen zu übertragen, gewinnt es die Konturen und Schärfe, die es braucht, um rechtlich wirksam zu sein.82 75 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 478; krit. auch Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, S. 45 f; Hain, Grundsätze, S. 358; Achterberg, Funktionenlehre, S. 200 f.; Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (439 f.). 76 BVerfG, Urt. v. 27. 04. 1959 – 2 BvF 2 / 58 –, E 9, 268 (279); BVerfG, Beschl. v. 20. 06. 1967 – 2 BvL 10 / 64 –, E 22, 106 (111). 77 Starck, in: ders., Der demokratische Verfassungsstaat, S. 15; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 479; Zippelius, in: Merten, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 27 (29), im Hinblick auf die Parteien und ihre Kontrolle über die Parlamentsmehrheit und die Regierung. 78 Ossenbühl, DÖV 1980, S. 545 (546); Brunner, Kontrolle, S. 39 ff. 79 Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (454); Pitschas, in: Blümel / Pitschas, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, S. 27 (43); von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 49; Ossenbühl, DÖV 1980, S. 545 (546). 80 Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (454 f.); zur Geschichte Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, S. 22 ff. 81 Die Idee der Gewaltenteilung ist daher in vielen Rechtsordnungen wirkmächtig; dazu Ossenbühl, DÖV 1980, S. 545 (546); zur Gewaltenteilung im Grundgesetz Zippelius, in: Merten, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 27 (29). 82 Im Hinblick auf Art. 21 Abs. 1 GG Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, S. 42.

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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Die Rechtsordnung in einem Staat ist nicht a priori vorhanden, sondern muß durch die Verfassung hergestellt und erhalten werden.83 Es ist daher nicht möglich, die Gewaltenteilung als nachträgliche Einschränkung dessen zu verstehen, was sie als verfassungsrechtliches Grundprinzip konstituieren und organisieren soll: die Ordnung menschlichen Zusammenlebens. Diese Aufgabe setzt dem Verständnis der Gewaltenteilung als ausschließlich teilendes und hemmendes Prinzip nicht nur Grenzen,84 sondern schließt es ein.85 Im Vordergrund stehen die Bestimmung von staatlichen Funktionen und die Zuordnung zu den dafür am besten geeigneten Organen, so daß eine verantwortungsvolle Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben gewährleistet ist.86 Die Gewaltenteilung funktionell-rechtlich zu betrachten und ihren Zweck mit ihrer Wirkung zu verbinden, ist mehr als nur „eine Maxime kluger (Verfassungs-) Politik.“87 Das Gebot funktioneller Richtigkeit ist zur Verfassungsauslegung geeignet, weil es im Verfassungsgesetz fehlende Kompetenzzuweisungen und Maßstäbe durch die Inblicknahme der Rechtsordnung und der realen Verhältnisse ausgleichen kann. Daher ist auch der Vorwurf der Zirkelschlüssigkeit,88 das Gebot könne als verfassungsimmanente Regel die Verfassungsauslegung nicht steuern, weil sich sein Inhalt erst aus der Auslegung der Verfassung ergebe, nicht gerechtfertigt. Gewaltenteilung bedeutet richtigerweise Funktionenteilung.89 Funktion ist die rechtlich determinierte Wahrnehmung bestimmter staatlicher Aufgaben durch dafür besonders geeignete Organe.90 Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG unterscheidet die Funktionen der Gesetzgebung, der Vollziehung und der Rechtsprechung. Diese Unterscheidung ist notwendig, um die vielfältigen und komplizierten Aufgaben zu bewältigen, die unerläßlich sind, damit das menschliche Zusammenleben in einem modernen, demokratisch und sozial ausgerichteten Gemeinwesen friedlich verläuft. Die so begründete und beschriebene funktionale Gewaltenteilung hat auch 83 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 482; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 199; zum Rechtsgewinnungsverständnis dieser Form von Verfassungskonkretisierung Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 141. 84 A. A. Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 458, der Machtmäßigung und Kontrolle in den Mittelpunkt stellt. 85 Möstl, in: Demel / Hausotter / Heibeyn u. a., Funktionen und Kontrolle der Gewalten, S. 53 (58). 86 Küster, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, S. 1 (6 f. / 9); Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 50; zu dieser von Hesse beeinflußten Sicht der Gewaltenteilung Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (448); Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, S. 54 ff.; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 177. 87 A. A. Jestaedt, DVBl. 2001, S. 1309 (1314). 88 Jestaedt, DVBl. 2001, S. 1309 (1314). 89 Stern, Staatsrecht II, S. 522; so auch Brunner, Kontrolle, S. 42, der mit Recht die traditionelle Gewaltenteilungslehre als Grundlage für eine Funktionenlehre ablehnt; Achterberg, Funktionenlehre, S. 112, spricht von Funktionenordnung. 90 Brunner, Kontrolle, S. 34, versteht unter Funktion einen Prozeß, eine Reihe von zweckgerichteten Tätigkeiten.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

Eingang in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefunden.91 Das Grundgesetz normiere eine organisatorische und funktionale Unterscheidung und Trennung der Gewalten, die der Verteilung von politischer Macht und Verantwortung diene und eine Richtigkeitsgewähr der Entscheidungen bieten wolle.92 2. Die Funktionenzuordnung Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG weist die Funktionen bestimmten Organen zu, die die Aufgaben wahrnehmen und ausgestalten. Dem Ganzen ist ein Optimierungsdruck immanent. Jede Aufgabe muß möglichst sachgemäß und der Rechtsordnung entsprechend erfüllt werden, da sonst die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens leidet.93 Die Organe und ihre Arbeitsweise, Struktur, Zusammensetzung, Besetzung und das ihnen zur Verfügung stehende Entscheidungsverfahren müssen daher funktionsgerecht sein.94 Die Verbindung von Funktion und Organstruktur beinhaltet ein prinzipielles Verbot, organstrukturell fremde Tätigkeiten wahrzunehmen oder zuzuweisen.95 Die Aufgaben eines modernen Gemeinwesens machen ihre rechtliche Ordnung notwendig. Der Staat könnte die an ihn gestellten Anforderungen nicht erfüllen, wenn alle Konflikte ungeordnet ausgetragen würden. Eine Gewähr für Ordnung bietet die Unterscheidung der drei Funktionen in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und ihre Wahrnehmung durch dafür besonders geeignete Organe. Die staatlichen Funktionen zu konstituieren, zuzuordnen und im Gleichgewicht zu halten, macht Inhalt und Tragweite des Gewaltenteilungsprinzips in der grundgesetzlichen Ordnung aus96 und gibt den Blick frei auf einen für diese Untersuchung äußerst bedeutsamen Punkt: Das stellvertretend für das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit97 stehende Herbeiführen von Spruchreife ist aufgrund einer funktionalen Gewaltenteilung geprägt vom Selbstverständnis der Funktionsträger. Erforderlich ist eine verantwortliche und aufeinander abgestimmte Wahrnehmung der jeweiligen Funktion.98 Gewaltenteilung wird so zur GewaltenBVerfG, Urt. v. 14. 07. 1998 – 1 BvR 1640 / 97 –, NJW 1998, S. 2515 (2520). BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1984 – 2 BvE 13 / 83 –, E 68, 1 (86); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 66; von Danwitz, Der Staat, 35 (1996), S. 329 (345); Kuhl, Kernbereich, S. 134; krit. zu diesem Wandel in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Reinhardt, Konsistente Jurisdiktion, S. 48 ff. 93 So für die Aufgabe der Sicherheitsgewährleistung Möstl, in: Demel / Hausotter / Heibeyn u. a., Funktionen und Kontrolle der Gewalten, S. 53 (58). 94 Stern, Staatsrecht II, S. 536; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 63; Ossenbühl, DÖV 1980, S. 545 (551). 95 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 489; Pitschas, in: Blümel / Pitschas, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, S. 27 (42). 96 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 50. 97 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 63. 98 Hesse, FS für H. Huber, S. 261 (265); Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 70 Rdnr. 22. 91 92

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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verantwortung99 und für die grundgesetzliche Funktionenteilung stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung dieser Funktionenverantwortung. 3. Die Funktionenverantwortung a) Der Verantwortungsbegriff Verantwortung als Rechtsbegriff meint und umfaßt die durch die Rechtsordnung zugewiesene Verpflichtung zur gewissenhaften Aufgabenerfüllung. Sie bezieht sich nicht auf die abstrakten Funktionen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Vollziehung, sondern auf die Organe,100 denen die Funktionen zugewiesen sind, d. h. auf die Funktionsträger. Die gesamte Rechtsordnung101 mit der Verfassung an der Spitze erfüllt dabei die Doppelfunktion der Aufgabenzuweisung und der Rahmensetzung. Jener Doppelfunktion entspricht, daß Verantwortung nicht nur zur gewissenhaften Aufgabenerfüllung verpflichtet, sondern daß ein Überschreiten des Handlungsrahmens auch zu einer Einstandspflicht für eventuell negative Folgen führt.102 Voraussetzung dafür sind Handlungs- und Ermessensspielräume der Funktionsträger, die eine eigenständige Entscheidung möglich und notwendig machen.103 Verantwortung ist daher in einem ersten Schritt ein heuristisch-deskriptiver Begriff, der die Zuordnung von Befugnissen zu den einzelnen Gewalten verdeutlicht.104 Er dient dazu, Erkenntnisse über das Verhältnis der Gewalten untereinander zu gewinnen. Als Scharnier stellt er die Verbindung her zwischen der Eigenständigkeit und Kontrollunterworfenheit der Gewalten.105 Der „beobachtende Blick“ geht vom Verfassungsrecht zum einfachen Recht, ohne daraus Befugnisse für Organe einer Gewalt zu begründen. Insofern kann von einem Überspielen der Unterscheidung zwischen Aufgabe und Befugnis keine Rede sein.106 In einem zweiten Schritt mit dem Verantwortungsbegriff die Übertragung von Kompetenzen zu begründen, ist problematischer. Die ubiquitäre Verwendung, die (vermeintlich) fehlende dogmatische Anschlußfähigkeit107 und die Vieldeutigkeit Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 50. Nach Stern, Staatsrecht II, S. 522 f., handelt es sich um Organgruppen. 101 Dagegen Hain, Grundsätze, S. 364. 102 Wilke, DÖV 1975, S. 509 (512); Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 241; Röhl, DV Beiheft: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, S. 33 (35). 103 Wilke, DÖV 1975, S. 509 (512); BVerfG, Urt. v. 27. 04. 1959 – 2 BvF 2 / 58 –, E 9, 268 (281 f.). 104 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1975), S. 221 (228); Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 158; anders Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 241 ff., der Verantwortung als Rechtsbegriff und Befugnisquelle ansieht. 105 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1. Aufl. 1998, S. 158; so nicht mehr enthalten in der 2. Aufl. 2004, S. 181; Lerche, in: Isensee, Gewaltenteilung heute, S. 75 (80 Fn. 23). 106 Dazu Möllers, VerwArch. 93 (2002), S. 22 (43). 107 Möllers, VerwArch. 93 (2002), S. 22 (43). 99

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

des Begriffs fordern Kritik geradezu heraus.108 Diese ist teilweise berechtigt, weil der Begriff auf alle Rechtsverhältnisse zwischen Staat und Gesellschaft, Bund und Ländern etc. anwendbar ist. Genannt seien nur die Stichworte staatliche Letztverantwortung und Privatisierung, sowie Aufgaben- und Ausgabenverantwortung. Hervorzuheben ist daher, daß hier der Verantwortungsbegriff auf das Verhältnis zwischen Judikative und Exekutive – also auf die horizontale Gewaltenteilung – beschränkt bleibt. Er erfaßt mit der Sachverhaltsermittlung durch Behörden und Verwaltungsgerichte als Teil des Vorgangs „Herbeiführen von Spruchreife“ nur einen kleinen Ausschnitt der Rechtsordnung. Verantwortung als heuristischer Begriff muß an rechtliche Kompetenzzuweisungen anknüpfen. Gewaltenteilung kann nur zur Gewaltenverantwortung werden, wenn die Funktionen von Organen mit entsprechenden Kompetenzen wahrgenommen werden.109 Befugnisse und Zuständigkeiten ergeben sich in einem Rechtsstaat nicht aus sich heraus, sondern müssen durch Gesetze geregelt sein. Fehlt eine gesetzliche Zuweisung, ermöglicht es der Verantwortungsbegriff, größere Teile der Rechtsordnung in den Blick zu nehmen und so die Kompetenz für eine Aufgabe zuzuordnen. Er dient damit der Kompetenzsteuerung im Rechtsstaat und „zur normativen Bewältigung tatsächlicher Lagen oder Gefährdungen.“110 Insofern verwandelt sich der heuristische Verantwortungsbegriff in einen normativen. Im Ergebnis geht es hier darum, unter teleologischen und systematischen Gesichtspunkten zu ermitteln,111 wer die Kompetenz für das Herbeiführen von Spruchreife hat. b) Verantwortung und Kompetenzsteuerung Den Verantwortungsbegriff derart zu interpretieren, macht es möglich, die Kompetenz für das Herbeiführen von Spruchreife zu ermitteln. Es kommt darauf an, ob eine Zuordnung zu einem bestimmten Verantwortungsbereich möglich ist. Allgemein lassen sich diese folgendermaßen beschreiben: Der Verantwortungsbereich der Gesetzgebung als Wirklichkeitsgestaltung durch Gesetz und die Entscheidungsverantwortungen von Rechtsprechung und Verwaltung.112 Auffällig ist das Bestehen von zwei Entscheidungsverantwortungen. Maßstäbe für diese sind Rechtsvorschriften in ihrer unterschiedlichen Funktion, Handlungsanweisungen für die Verwaltung, Kontrollmaßstäbe für die Rechtsprechung.113 Bezüglich der 108 Besonders deutlich Röhl, DV Beiheft: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, S. 33 (55), der den Verzicht für die beste Lösung hält; krit. auch R. Schmidt, VerwArch. 91 (2000), S. 149 (157). 109 Der Begriff der Kompetenz liefert die Verbindung zwischen Aufgabe und Handlungsmandat, Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 158; so nicht mehr enthalten in der 2. Aufl. 2004, S. 181. 110 Röhl, DV Beiheft: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht, S. 33 (36 / 47). 111 Jestaedt, DVBl. 2001, S. 1309 (1315). 112 Terminologie übernommen von Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 329 ff., S. 341 ff. und S. 369 ff.

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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Spruchreife ist danach zu fragen, wer über das Herbeiführen oder über das Bestehen entscheiden darf oder muß. Wenn die Funktionen im Rechtsstaat jeweils durch geeignete Organe wahrgenommen werden müssen, ist es naheliegend, nach dem für das Herbeiführen von Spruchreife geeignetsten Organ zu suchen, weil der dort vermutete Sachverstand und die dort vorhandenen prozeduralen Strukturen die besten Voraussetzungen für eine rechtmäßige Entscheidung erwarten lassen.114 Die Problematik bildet so einen Ausschnitt aus dem klassischen Thema „Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit.“115 Es geht um die Verteilung funktionsadäquater Verantwortung in der Bundesrepublik Deutschland. Als Verwaltungsverantwortung werden „diejenigen Verantwortungen und Verfahren, Zuständigkeiten und spezifischen Handlungsspielräume“ verstanden, „die das System öffentliche Verwaltung rechtlich und politisch verfassen.“116 Verfahrensmäßig aufgeschlüsselt ist Verwaltungsverantwortung eine fortlaufende Informationssammlung und -verarbeitung. Es handelt sich um einen Entscheidungsprozeß.117 Eine solche Sicht gestattet es zum Beispiel, die vielfältigen Maßstäbe der Verwaltungstätigkeit hervorzuheben und abzugrenzen.118 Auch ist es möglich, auf den für die Bewältigung der Aufgaben notwendigen Sachverstand zu schließen und gegebenenfalls als in den unterschiedlich besetzten und ausgestatteten Behörden vorhanden anzusehen. Diese haben darüber zu entscheiden, ob und wenn ja wie sie auf bestimmte Situationen reagieren. Zur Verwaltungsverantwortung gehört das Lösen von Problemen in einem entsprechenden Verfahren. Der verfahrensrechtliche Rahmen der Entscheidungsfindung darf daher nicht außer Betracht bleiben. Verwaltungsverantwortung ist zu trennen von der politischen Verantwortung. Letztere kommt in erster Linie Regierungen zu. Ihre Aufgabe ist die Staatsleitung. Der Behördenaufbau und die damit verbundenen Weisungsrechte begründen keine unmittelbare politische Verantwortung der Verwaltung. Zudem liegt der Gesetzesvollzug aufgrund des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik nicht immer in einer Hand. Die politische Verantwortung kann nicht ohne weiteres weitergegeben wer113 Beide lassen sich auf den Vorbehalt des Gesetzes zurückführen, siehe Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 498. 114 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1984 – 2 BvE 13 / 83 –, E 68, 1 (86); Pitschas, in: Blümel / Pitschas, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, S. 27 (44). 115 Scholz und Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 145 ff. und S. 221 ff; Hoppe, DVBl. 1975, S. 684 ff. 116 Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (149); Wilke, DÖV 1975, S. 509 ff; diese Definition übernehmend Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 10; dazu auch Schuppert, DV 31 (1998) S. 415 (419). 117 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 46 ff.; Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (149 f.); in bezug auf Ermessen und Ermessenskontrolle Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 151 f. 118 Zum Problem außerrechtlicher Maßstäbe Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (152); Krebs, Kontrolle, S. 76 f. und S. 79.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

den. Sie zu betonen, ist zudem geeignet, die Gesetzesbindung der Verwaltung zu lockern. Das würde jedoch gegen Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verstoßen. Was politische Verantwortung rechtlich bedeutet, ist unklar. Das Bundesverfassungsgericht erkennt aber mit guten Gründen eine „political question doctrine“ nicht an. Es betont den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, schränkt die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten aber kaum ein.

IV. Das Spannungsverhältnis zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Eigenständigkeit und Gleichrangigkeit Eine funktionale Sicht der Gewaltenteilung ist nicht primär auf den Gedanken der Machtmäßigung ausgerichtet, sondern auf eine zur optimalen Aufgabenerfüllung führende Arbeitsteilung.119 Dafür müssen die handelnden Organe ihren Funktionen entsprechend strukturiert sein. Sind Funktion und Organstruktur aneinander gekoppelt, so führt dies zu einem Verbot, solche Funktionen wahrzunehmen oder zuzuweisen, die der Organstruktur und der wahrzunehmenden Funktion nicht entsprechen.120 Angesichts einer so begründeten Gewaltenteilung, die wegen der vielfältigen staatlichen Aufgaben nicht ohne Verschränkungen und Verknüpfungen von Funktionen und Organen auskommt,121 stellt sich unweigerlich die Frage nach der Eigenständigkeit der Gewalten. Die Gewaltenteilung sichert auch die menschliche Freiheit.122 Sie könnte ihre Funktion als organisatorisches Grundprinzip nicht erfüllen, würde man den Teilungsgedanken und die damit verbundene notwendige Eigenständigkeit der Gewalten vernachlässigen. Es ist schwer vorstellbar, daß der Verfassungsgeber in einer für einen Rechtsstaat derart zentralen Norm wie Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG mit der Verwaltung eine Funktion geschaffen haben sollte, der kein eigener Arbeitsbereich zukommt. Was diesen Bereich ausmacht, bestimmt aber im wesentlichen der Gesetzgeber durch die Normstruktur der zu vollziehenden Gesetze.123 Art. 79 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen, solange der Gesetzgeber bei der Zuordnung der Aufgaben machthemmend und -teilend vorgeht und so die Freiheit der Bürger sichert. Die Gewaltenteilung und der Aufgabenkreis der Verwaltung stehen damit nicht unter einem 119 Schmidt-Aßmann, FS für Menger, S. 107 (114), spricht von „funktionsadäquater Organisation staatlicher Willensbildung.“ 120 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 489. 121 Beispiele bei Hesse, Grundzüge, Rdnr. 493; dazu auch Stern, Staatsrecht II, S. 539 f., der aber das Prinzip der Gewaltenteilung eher in seiner hemmenden und mäßigenden Funktion sieht und die Verschränkungen als Mittel dazu begreift. 122 Brunner, Kontrolle, S. 35 f.; Zippelius, in: Merten, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 27. 123 A. A. Hain, Grundsätze, S. 364.

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„allgemeinen Gesetzesvorbehalt“ und können auch nicht beliebig verändert oder ausgehöhlt werden. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zählt die durch besondere Organe wahrzunehmenden staatlichen Funktionen lediglich auf, ohne eine bestimmte Rangfolge festzulegen oder einer Funktion den Vorrang einzuräumen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Demokratieprinzip. 124 Die verfassungsmäßige Verankerung einer parlamentarischen Demokratie führt gegenüber den anderen Gewalten nicht zu einem die konkrete Kompetenzordnung überspielenden Auslegungsgrundsatz. Darin enthalten ist die Absage an einen aus dem Demokratieprinzip hergeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts.125 Das Prinzip der Gewaltenteilung kann in seiner grundgesetzlichen Ausformung die freiheitssichernde und funktionsgarantierende Wirkung nur entfalten und bewahren, wenn eine Balance, d. h. ein vorrangausschließendes Gleichgewicht zwischen den Gewalten besteht.126 Die verschiedenen Organe der drei Gewalten können die Staatsmacht nur kontrollieren und begrenzen, wenn die Gewichte dauerhaft gleich verteilt sind. Eine Gewalt darf nicht ein Übergewicht gegenüber den anderen erhalten, indem diesen die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben durch Zuständigkeits- und Kompetenzentzug oder übermäßige Determination ihrer Handlungen unmöglich gemacht wird.127 Keine Gewalt darf zum Hilfs- oder Vollzugsorgan einer anderen herabgesetzt werden.128 Verschränkungen zwischen den Gewalten führen zwar zu sachgerechten und richtigen Entscheidungen und sind um der staatlichen Machthemmung willen im System angelegt und daher keine Ausnahmeerscheinungen. Umstritten ist aber das Maß ihrer Zulässigkeit.129 Entscheidungszusammenhänge auf mehrere Funktionsträger aufzuteilen, ist eine solche Verschränkung.130 Der hier interessierende Entscheidungszusammenhang ist das Herbeiführen von Spruchreife. Das im Bescheidungsurteil angelegte Wechselspiel zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit macht die Probleme und Gefahren in doppelter Hinsicht deutlich. Verurteilt das Gericht die Behörde gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 124 BVerfG, Beschl. v. 08. 08. 1978 – 2 BvL 8 / 77 –, E 49, 89 ff; BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1984 – 2 BvE 13 / 83 –, E 68, 1 ff.; Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (455 f.). 125 BVerfG, Beschl. v. 08. 08. 1978 – 2 BvL 8 / 77 –, E 49, 89 (124). 126 Für ein Übergewicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 458; krit. dazu Sendler, DÖV 2000, S. 478 f.; gegen eine Gleichordnung und für ein Rangverhältnis Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 176. 127 BVerfG, Urt. v. 27. 04. 1959 – 2 BvF 2 / 58 –, E 9, 268 (279 f.); BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1997 – 1 BvR 479 / 92 u. a. –, E 96, 375 (394). 128 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 52; gegen ein Subalternisierung der Verwaltung auch von Danwitz, DVBl. 1998, S. 928 (933); dazu erstmals Forsthoff, VVDStRL 14 (1956), S. 188 – Diskussionsbeitrag. 129 Siehe dazu Achterberg, Funktionenlehre, S. 187 ff. 130 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 55.

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

VwGO dazu, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden, dann entsteht die Gefahr, daß es nur zu einem Vollzug von richterlichen Wertungen kommt und der Behörde kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt. Schon das Herbeiführen von Spruchreife und damit die Definitionsmacht über das (Nicht-)Bestehen von Spruchreife ist ein Abbild der jeweiligen Funktionenverantwortung, weil die Sachverhaltsermittlung und -beurteilung sowohl durch Behörden als auch durch Verwaltungsgerichte erfolgen kann.131 Eigenständigkeit und Gleichrangigkeit der Gewalten gebieten eine ausgeglichene und bis zu einem gewissen Grad auch sensible Aufgabenwahrnehmung, die die Belange der anderen Gewalt berücksichtigt.132

2. Gründe für die Diskussion über die Arbeitsteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit Die Probleme im Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit sind nicht neu.133 Sie sind unter dem Einfluß von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG mit der Folge der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel in § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO im System des modernen Rechtsstaats angelegt. Schon recht bald nach Entstehung des Grundgesetzes wurden der angebliche Verlust von exekutivischer Eigenständigkeit bedauert und Abhängigkeiten festgestellt.134 Die Beamtenschaft sollte – entsprechend der historischen Wahrnehmung – weiterhin die „neutrale“ Gefolgschaft des Staates bilden, die selbst am besten weiß, wie das Gemeinwohl zu verwirklichen ist, ohne dabei von Abgeordneten und Richtern ernsthaft gestört zu werden. Die Befürchtungen haben sich nicht bestätigt.135 Die Eigenständigkeit der Verwaltung gegenüber Gesetzgebung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist heute im Grundsatz unbestritten,136 zumal sich in der Rechtswissenschaft das Bild der Exekutive gewandelt hat. Sie tritt nicht mehr obrigkeitsstaatlich Untertanen gegenüber, sondern hat es mit Staatsbürgern zu tun, denen sie verpflichtet ist.137 Die vielfältigen föderalen Verflechtungen stärken die Verwaltung und schwächen die ParDazu Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 117 ff. Ähnl. Hien, DVBl. 2003, S. 443 (445). 133 Zum Verhältnis und materiellen Gehalt beider Funktionen Achterberg, Funktionenlehre, S. 98 ff. 134 Peters, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung, S. 78 (85), sah in der parlamentarischen Regierungsform eine Durchbrechung der Gewaltenteilung, da sie die Abhängigkeit der Exekutive von der Legislative bedeutet; dazu Scholz, VVDStRL 34 (1975), S. 145 (147 Fn. 5); siehe auch die Darstellung bei Achterberg, Funktionenlehre, S. 67 f. 135 A. A. Kissel, NJW 1982, S. 1777 (1781). 136 Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 129 f.; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 174 ff.; ders., DV 25 (1992), S. 137 (152); zur Verselbständigung der Verwaltung siehe auch Pitschas, in: Blümel / Pitschas, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, S. 27 (50). 137 Kischel, Die Begründung, S. 73; das macht sie jedoch nicht zum Dienstleistungsunternehmen oder Servicebetrieb; ähnl. Penski, DÖV 1999, S. 85 (94). 131 132

3. Kap.: Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen

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lamente. Die bestehenden Balanceprobleme sind konkreter Natur oder die Folge einer normativ kraftlosen Finanzverfassung. Eine funktionsadäquate Verantwortungsverteilung und die rechtliche Durchdringung, Steuerung und Kontrolle der Verwaltung stehen im Mittelpunkt der Diskussion.138 Berühmt ist der Ausspruch, die Verwaltungsgerichte hätten den ihnen über Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG „zugeschobenen vollen Becher der Verantwortung bis zur Neige geleert“ und sich manchmal „unaufgefordert nachgeschenkt.“139 Kontrolle durch Gerichte ist Rechtskontrolle am Maßstab der Gesetze. In ihrer rechtsstaatlichen Idee machen Gesetze staatliche Handlungen vorhersehbar und vermeiden behördliche Willkür. Nimmt der Umfang staatlicher Aufgaben und Tätigkeiten aufgrund der sich immer weiter verkomplizierenden Lebensbedingungen zu, steigt die Anzahl der Rechtsnormen. In einem Rechts- und Sozialstaat erschöpft sich staatliche Tätigkeit nicht in Geboten und Verboten, sondern die Versagung einer Leistung kann sich ebenfalls gravierend für den Bürger auswirken. Das Bedürfnis nach rechtlicher Regelung erweitert zwangsläufig die staatlichen Wirkungskreise.140 Die Ausdehnung der Herrschaft von Recht und Gesetz führt unter der Geltung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu mehr richterlicher Kontrolle. Die Entwicklung ist aber nicht bei der „Verbreiterung der Rechtsfläche“ durch den Gesetzgeber stehengeblieben. Parallel dazu ist es zu einer „Vertiefung der Kontrolle“ durch die Gerichte gekommen.141 Durch Art. 1 Abs. 3 GG sind die Grundrechte zum umfassenden Rechtmäßigkeitsmaßstab für staatliche Handlungen geworden.142 Dadurch wurden partiell aber spürbar traditionelle Prozeduren und Modi der Gesetzesanwendung aufgegeben oder durch unmittelbare Rückgriffe auf das Verfassungsrecht ersetzt. Das gilt im besonderen Maße für die Heranziehung von Grundrechten als Prüfungsmaßstab.143 Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Objektivierung der Grundrechte, um Maßstäbe im staatlichen Leistungs- und Organisationsbereich zu gewinnen.144 Der sich aus Grundrechten als Leistungsrechte, Zielwerte und objektive Leitlinien ergebene Optimierungsdruck145 führt insbesondere für die Tätigkeit der Verwaltung im Ermessensbereich zu einer immer größeren Anzahl von zu beachtenden Details, die ihrerseits die Verwaltungsgerichte zur verstärkten Kontrolle herausfordern.146 Um dem Verdikt einer gerichtlichen Verurteilung zu entgehen, Franßen, DVBl. 1998, S. 413 (417); Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 159 ff. Zeidler, Der Staat, 1 (1962), S. 321 (326). 140 Ossenbühl, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 9 (35). 141 Kanther, NVwZ 1998, S. 922 (924). 142 Starck, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 1 (4). 143 Papier, FS für Ule, S. 235 (239 f.). 144 Hesse, FS für H. Huber, S. 261 (270), spricht von der Tendenz zu einer „Überanstrengung“ der Verfassung. 145 Starck, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 1 (5); von Danwitz, DVBl. 1998, S. 928 (936). 138 139

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

reagiert der Gesetz- und Verordnungsgeber mit immer mehr und feineren,147 kaum noch vollziehbaren Regelungen, die nach noch mehr Kontrolle durch die Gerichte rufen. Regelungsdichte und Kontrolldichte steigern sich so gegenseitig.148 Der Gesetz- und Verordnungsgeber webt aber nicht nur ein immer feineres Regelungsnetz, um eine gerichtliche Verurteilung zu vermeiden. Er schränkt auch die Sanktionierung von Verfahrensfehlern ein, indem er sie für unbeachtlich erklärt oder weitreichende Heilungsmöglichkeiten noch während des Gerichtsverfahrens eröffnet. Formale Fehler sollen ein für richtig erachtetes Ergebnis vielfach nicht gefährden können.149 Der Zusammenhang zwischen Verfahrensausgestaltung und Entscheidungsqualität gerät dabei in Vergessenheit. Der Verlust von behördlicher (Selbst-)Kontrolle und die intensivere gerichtliche Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen sind die Folgen.150 Diese Konsequenzen sind vermeidbar, wenn die rechtlichen Grundlagen behördlicher Arbeit und Eigenverantwortung wieder mehr in das Bewußtsein von Gesetzgebern und Richtern gelangen.

3. Rechtliche Grundlagen behördlicher Eigenverantwortung a) Unscharfer Kernbereich und unbestimmter Vorbehaltsgedanke Das rechtliche Fundament behördlicher Arbeit und Selbständigkeit kann aber nur deutlich werden, wenn man die Ebene abstrakter Begriffe verläßt und diejenigen rechtlichen Instrumente hervorhebt, die der Verwaltung ein flexibeles und eigenständiges Handeln ermöglichen. In der Diskussion über das Verhältnis der Verwaltung zu den anderen Gewalten tauchen die Begriffe „Kernbereich“151 und „Verwaltungsvorbehalt“152 auf. Sie sind aber zu unbestimmt, um die Eigenständigkeit der Exekutive konkret zu gewährleisten. Der Ursprung solcher Überlegungen ist identisch: Aus Gründen der Gewaltenteilung und der Existenz von drei Gewalten, soll jeder ein absolut geschützter Bereich zukommen.153 Dieser Ansatz ist jedoch ungeeignet, praktisch verwertbare Ergebnisse hervorzubrinCaesar, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 17 (20). Zahlen dazu bei Hoffmann / Meyer-Teschendorf, ZG 1997, S. 283 (285). 148 Starck, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. (6); Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 75. 149 Zu dieser gesetzgeberischen Vorgehensweise und ihren Folgen Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 5; ders., JuS 1999, S. 313 (314). 150 Geis, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 97 (110). 151 Aus neuerer Zeit dazu Kuhl, Der Kernbereich der Exekutive. 152 Siehe dazu Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135 ff und Schnapp, VVDStRL 43 (1985), S. 172 ff; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 203 f. 153 Für die vollziehende Gewalt explizit Kuhl, Kernbereich, S. 14. 146 147

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gen.154 Die Kernbereichslehre ist nicht nur zu unbestimmt, sie setzt auch die materielle Bestimmbarkeit der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Funktionen voraus.155 Der Verwaltungsrechtswissenschaft ist es aber bis heute nicht gelungen, Verwaltung im materiellen Sinn ausreichend präzise zu definieren156 und einen „Kernbereich“ zu bestimmen.157 Das gilt auch für einen eigenständigen Verwaltungsvorbehalt. Die Vielfalt der Verwaltungstätigkeiten ist die Schwäche dieser Lehre. Eindeutige Aussagen darüber, inwieweit Verschränkungen zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltung zulässig sind, sind mit ihr kaum möglich. Zum einen ist es wenig befriedigend, auf die Antastung wesensbestimmender Merkmale oder ausschließlich vorbehaltener Wirkbefugnisse abzustellen.158 Zum anderen sind die rechtlichen Grundlagen behördlicher Eigenverantwortung nur schwer zu ermitteln, wenn die Gewaltenteilung in ihrer grundgesetzlichen Ausgestaltung kein starres System ist, sondern Spielräume läßt, um die Gewalten zu konstituieren und zu balancieren. Das Verhältnis der gesetzgebenden zur vollziehenden Gewalt ist kompetenzrechtlich bestimmt.159 Parlament und Verwaltung stehen sich gegenüber und es entsteht die Frage, wer für bestimmte Entscheidungen zuständig ist.160 Im Verhältnis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit sind nicht Sachbereiche das bestimmende Moment für die Suche nach Elementen einer eigenständigen Exekutive, sondern funktionale Gesichtspunkte wie Handlungsweisen, Verfahren und Strukturen.161 Ein Vorbehaltsbereich läßt sich daher nicht als exklusiver Raum für besondere Materien fassen. Es geht vielmehr um den Einfluß auf Inhalt und das Zustandekommen von Entscheidungen.162 Inwieweit die Behörden Maßnahmen inhaltlich beeinflussen können, ist abhängig von der Normstruktur (Tatbestand / Rechtsfolge) der anzuwendenden Vorschrift.163 Das Zustandekommen von Entscheidungen ist eng verbunden mit dem Verfahrensgedanken und dem Verwaltungsverfahrensrecht, denn ange154 Horn, AöR 127 (2002), S. 427 (438 ff., 445 f.); Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 184 f.; skeptisch auch Lerche, in: Isensee, Gewaltenteilung heute, S. 75 (81). 155 Hain, Grundsätze, S. 356. 156 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rdnr. 8. 157 Letztlich kann „von einem gefestigten Bedeutungsverständnis der Funktionen in keiner Weise die Rede sein.“, Achterberg, Funktionenlehre, S. 104, S. 200 f. 158 Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 234. 159 Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135 (138). 160 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 57. 161 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 57; ders., Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 204; Dreier, DV 25 (1992), S. 137 (154 f.); anders Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 459, der die Ergebnisse von Maurer, VVDStRL 43, (1985), S. 135 (170 f.), zum Fehlen eines Verwaltungsvorbehalts gegenüber der Gesetzgebung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit überträgt. 162 Schmidt-Aßmann, FS für Menger, S. 107 (113). 163 Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 108 ff; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 185.

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sichts vielfältiger Aufgaben, Handlungsformen und Organisationsarten ist es das Verfahren, das der Verwaltung Flexibilität und Bewegungsfreiheit gibt.164 b) Ermessens-, Planungs- und Beurteilungsspielräume Sobald eine Behörde bei der Verwirklichung von gesetzlichen Tatbeständen zwischen verschiedenen Verhaltensweisen wählen kann, kommt ihr Ermessen zu.165 Entsprechende Normen berechtigen die Verwaltung zur Rechtsfolgenbestimmung, weil an die Tatbestände nicht bestimmte Reaktionen gekoppelt sind.166 Einer Behörde kommt dann bei ihrer Tätigkeit in der Regel ein Entschließungs- und Auswahlermessen zu,167 es sei denn, sie ist zum Handeln verpflichtet, zum Beispiel zum Schutz von Leib oder Leben. Eine solche Ermessensreduzierung auf Null kann sich sogar auf das Auswahlermessen erstrecken, wenn ausnahmsweise nur eine Maßnahme in Betracht kommt. Die wichtigste Vorschrift für die Ermessensausübung ist § 40 VwVfG.168 Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Die Behörde ist verpflichtet, die Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die gerichtliche Ermessenskontrolle ist in § 114 Satz 1 VwGO geregelt. Die Vorschrift erlaubt es den Verwaltungsgerichten allerdings nur zu prüfen, ob die Behörden die rechtlichen Bindungen beachtet und rechtmäßig gehandelt haben.169 Eine Zweckmäßigkeitskontrolle ist unzulässig. Eine besondere Ermessensform ist das Planungsermessen. Planung ist nicht allein ein rechtlicher Vorgang, sondern enthält neben Prognosen auch Elemente des Erkennens, Wertens und Bewertens, mithin einen Abwägungsspielraum. Der Planungsbehörde kommt eine Gestaltungsfreiheit zu, die sich aus dem finalen Charakter der Planungsgesetze ergibt. Auch das Planungsermessen gibt der Verwaltung die Freiheit zu letztverantwortlichen und letztverbindlichen Entscheidungen.170 Der Planungsentscheidung kommt so in einer dichtbevölkerten und vorbelasteten Umwelt eine Ausgleichs- und Befriedungsfunktion zu, die das von Einzelinteressen geprägte gerichtliche Verfahren in diesem Umfang nicht haben kann. Vom Verwaltungsermessen auf der Rechtsfolgenseite einer Norm, sind die unbestimmten Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite zu unterscheiden.171 Die TatPitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 611. Bullinger, in: ders., Verwaltungsermessen im modernen Staat, S. 131 (138). 166 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 7; H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 102. 167 Starck, FS für Sendler, S. 167. 168 Dazu Rode, § 40 VwVfG, S. 114 ff.; zu den normativen Vorgaben auch Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 30 ff. 169 Zum gerichtlichen Prüfungsumfang Starck, FS für Sendler, S. 167 (176); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 19 ff. 170 Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 72. 171 Krit. zu der Unterscheidung und der Gegenüberstellung von Rechtsanwendung und Ermessensausübung Rupp, FS für Zeidler, S. 455 (459 f.) 164 165

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bestandsmerkmale einer Norm sind in mehr oder weniger bestimmte Begriffe gefaßt, die es zu konkretisieren gilt. Dabei kommt der Verwaltung kein Tatbestandsermessen zu,172 sondern es ist Aufgabe der Verwaltungsgerichte, eine Norm letztverbindlich auszulegen. Für die gerichtliche Kontrolle unbestimmter Rechtsbegriffe gibt es keine mit § 40 VwVfG oder § 114 Satz 1 VwGO vergleichbare Norm. Ebenso ist es Aufgabe der Richter zu kontrollieren, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung von zutreffenden Tatsachen ausgegangen ist. Es gibt jedoch Fälle, in denen nur die Verwaltung beurteilen kann, ob ein Sachverhalt dem Tatbestand einer Norm unterfällt. Nicht jeder unbestimmte Rechtsbegriff eröffnet den Behörden einen solchen Beurteilungsspielraum, sondern die Verwaltungsgerichte haben Fallgruppen herausgearbeitet.173 Prüfungs- und prüfungsähnliche Entscheidungen, wissenschaftliche und künstlerische Wertungen durch fachlich weisungsfreie Gremien und Ausschüsse sowie technische, wirtschaftliche und soziale Aussagen und Prognosen174 sind wertungsabhängig und für die Verwaltungsgerichte nur schwer nachzuvollziehen.175 Diese beschränken daher ihre Kontrolle darauf, ob die einschlägigen Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt vollständig ermittelt wurde,176 allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe beachtet worden sind und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.177 Den Kategorien Ermessen, Planungsermessen und Beurteilungsspielraum ist gemeinsam, daß sie im Rahmen des die ureigenste Aufgabe der Verwaltung darstellenden Gesetzesvollzugs die Herrschaft über die Alternative eröffnen.178 Die vielfältigen staatlichen Aufgaben, die schnelle technische Entwicklung und soziale sowie demographische Veränderungen zwingen den Gesetzgeber mehr und mehr zu vagen Formeln und zur Programmgesetzgebung überzugehen. Damit ist nicht unbedingt ein großer Verlust gesetzlicher Steuerungsmöglichkeiten verbunden, weil ein Gesetzesvollzug nach dem „Wenn-dann-Schema“ nur ein Idealtypus ist. Es gibt aus erkenntnistheoretischen Gründen in vielen Fällen mehrere rechtmäßige Maßnahmen. Grundlage dafür sind jeweils behördliche Kenntnisse von der Rechtslage und der tatsächlichen Situation. Bevor eine Entscheidung getroffen werden kann, sind daher die relevanten Informationen im Verwaltungsverfahren zu sammeln und zu bewerten. Je unbestimmter das einer Entscheidung zuA. A. Smeddinck, DÖV 1998, S. 370 (374). Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 37 ff.; Diekötter, Auswirkung von Verfahrensfehlern, S. 58 ff.; Bamberger, VerwArch. 93 (2002), S. 217 (218); Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 379 ff.; Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 127 ff. 174 BVerwG, Urt. v. 17. 06. 1999 – 3 C 20 / 98 –, DVBl. 2000, S. 124 (126). 175 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25 Rdnr. 45 ff. 176 BVerwG, Urt. v. 17. 06. 1999 – 3 C 20 / 98 –, DVBl. 2000, S. 124 (126). 177 Schnellenbach, Beamtenrecht, Rdnr. 477; umfassend zur Entwicklung im Prüfungsrecht Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 359 ff. (369). 178 Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 224. 172 173

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grunde liegende Gesetz ist, desto mehr muß der Verfahrensgedanke aufgewertet werden.179 c) Bedeutung der Verwaltungsverfahren „Verwaltungsverfahren sind planvoll geordnete Vorgänge der Informationsgewinnung und -verarbeitung, die in der Verantwortung eines Trägers öffentlicher Verwaltung ablaufen und der Hervorbringung administrativer Entscheidungen dienen.“180 Sie sollen gewährleisten, daß die Verwaltung ihre Aufgaben wirtschaftlich und zweckmäßig erfüllt und rechtlich stabile Entscheidungen trifft.181 Angesichts einer immer komplexer werdenden Umwelt sind dies beachtliche Herausforderungen. Je mehr Einflüssen behördliche Handlungen ausgesetzt sind, desto wichtiger ist es, sie zu ordnen, zu gewichten und zum gegenseitigen Ausgleich zu bringen.182 Damit verträgt sich nicht die – zumeist abwertend gemeinte – Vorstellung von der allein „dienenden Funktion“ des Verfahrens.183 Verwaltungsverfahren und Verfahrensrecht ersetzen zwar nicht die für eine Entscheidung notwendigen Maßstäbe. Sie wirken sich aber auf die Qualität und Akzeptanz von Maßnahmen aus184 und haben einen Eigenwert,185 den man geringschätzt, wenn man von der – selbstverständlich für den Verwaltungsrichter immer erkennbaren und durch ihn verbindlich zu treffenden – „einzig richtigen Entscheidung“186 ausgeht und Verfahren als institutionalisierte Relativierung und Herabsetzung des materiellen Rechts ansieht.187 179 Dreier, DV 25 (1992), S. 137 (149 f.); Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (565); zu diesem Zusammengang auch Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 137, S. 147. 180 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 70 Rdnr. 1. 181 Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (157); dazu auch Laubinger, in: König / Merten, Verfahrensrecht, S. 47 (54 f.). 182 Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 293; Hufen, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 114 – Diskussionsbeitrag; siehe auch Reinel, BayVBl. 2004, S. 454 (459). 183 Schmitz / Olbertz, NVwZ 1999, S. 126 (129); Seibert, FS für Zeidler, S. 469 (472); Groschupf, DVBl. 1962, S. 627 (630); krit. Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 142 ff.; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 1 Rdnr. 38 f.; ders., Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 584 ff.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 201; Schmidt-Aßmann, Das allgmeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 305; ders., in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 70 Rdnr. 34. 184 Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, S. 489; Tschentscher, in: Demel / Hausotter / Heibeyn u. a., Funktionen und Kontrolle der Gewalten, S. 165 (188); Geis, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 97 (110). 185 Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 83. 186 Dagegen Krebs, Kontrolle, S. 95; Rupp, FS für Bachof, S. 151 (163 ff.); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 115 ff.; Meyer, NVwZ 1986, S. 513 (521); anders Pietzner / Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 18 Rdnr. 26; Gerhardt, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 113 – Diskussionsbeitrag; ders., in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 413 (415 f.). 187 Zur Gefahr der Abwertung des materiellen Rechts Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 (203 f.).

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Die Eigenständigkeit der Verwaltung ist gefährdet, wenn den Behörden die Möglichkeit genommen wird, Entscheidungen zu treffen, Vorhaben zu genehmigen oder an Verfahren mitzuwirken.188 Genehmigungsfreistellungen, Anzeigeverfahren und der Abbau von Beteiligungsgeboten sind daher der gefährlichste Eingriff in den Funktionsbereich der Verwaltung, wenn und weil sie ihn schleichend aushöhlen. Ein einzelner Vorgang erscheint weder von seiner Richtung noch von seiner Tiefe her als unzulässig, aber eine Häufung potenziert die Wirkung und lähmt die Verwaltungsarbeit.189 Aufgrund des Charakters der Verwaltungstätigkeit sind Zugriffe auf Möglichkeiten der Informationsgewinnung und auf Entscheidungsabläufe besonders gefährlich,190 weil der Gesetzesvollzug verfahrensabhängig ist.191 Die Bedeutung von Verwaltungsverfahren ergibt sich aus der hohen Vollzugsbedürftigkeit jeglicher Art materiellen Verwaltungsrechts. Verwaltungsverfahren sind mit Recht als Verwirklichungsmodus des Verwaltungsrechts bezeichnet worden.192 Diese „Hervorbringungsfunktion“ macht sie so bedeutsam.193

V. Kommunale Selbstverwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit Eine wichtige – wenn nicht sogar die wichtigste – Grundlage exekutiver Eigenverantwortung ist die im Grundgesetz und in den Landesverfassungen garantierte kommunale Selbstverwaltung. Als institutionelle Garantie steht sie jedoch rechtlich nicht auf einer Stufe mit Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich zu regeln.194 Gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG haben auch Gemeindeverbände entsprechend ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs das Recht zur Selbstverwaltung. Die Gemeinden und Gemeindeverbände zählen zu den bedeutendsten Teilen der Verwaltung, weil sie staatliche Angelegenheiten wahrnehmen und im eigenen Wirkungskreis selbständig tätig werden können. Das Staatsorganisationsrecht begreift die Gemeinden als Teil der Länder und im Kontext der Gewaltenteilung oftmals als mittelbare Staatsverwaltung. Historisch gesehen waren jedoch die Gemeinden nicht Elemente der deutschen Staaten, sondern sich selbst regierende Einheiten.195 Inwieweit sie heute als Teil der StaatlichHahn, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung, S. 438 (463). Hahn, in: Rausch, Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung, S. 438 (463). 190 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 26 Rdnr. 57. 191 Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 202. 192 Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (153). 193 Dazu Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 312; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 82. 194 Dazu B. J. Scholz, Rechtsschutz der Gemeinden, S. 16 ff. und S. 126 ff. 195 B. J. Scholz, Rechtsschutz der Gemeinden, S. 12 f. 188 189

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keit angesehen werden können, ist abhängig davon, welches Vorverständnis von kommunaler Selbstverwaltung man hat. Jedenfalls rechtfertigt es Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, die Selbstverwaltung der Gemeinden gegenüber den sonstigen rechtlichen Grundlagen behördlicher Eigenverantwortung hervorzuheben, auch wenn die Kommunen letztlich im gleichen Spannungsverhältnis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit stehen wie staatliche Behörden.

1. Die Doppelfunktion der Selbstverwaltungskörperschaften Art. 28 Abs. 2 GG begründet eine besondere Stellung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften. Ihre spezifische Doppelfunktion besteht darin, als Teil der organisierten Staatlichkeit nicht komplett in den hierarchischen Verwaltungsaufbau eingebunden zu sein, sondern in einem verfassungsrechtlich garantierten Rahmen eigenständig und nur der Rechtsaufsicht unterworfen tätig werden zu können.196 So ist es möglich, die verwaltungspraktischen Vorteile einer dezentralen Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und den Bürgern Chancen der politischen Einflußnahme zu eröffnen.197 Mit dem Rastede-Beschluß hat das Bundesverfassungsgericht die politisch-demokratische Seite der Selbstverwaltungsgarantie wieder stärker betont.198 Es hat die Teilnahme der Bürger an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft – nicht die örtlichen Angelegenheiten der Gemeinschaft199 – im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Verwaltung hervorgehoben.200 Die Gemeinden sind mit eigenen Aufgaben und einer spezifisch demokratischen Funktion in das politische Gemeinwesen eingebunden.201 Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem RastedeUrteil die Bedeutung der Selbstverwaltung für den „Aufbau der Demokratie von unten nach oben“ betont.202 Das Besondere an ihr ist, daß die Entscheidungen teilweise von unmittelbar demokratisch legitimierten Organen getroffen werden.203 196 Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, S. 14; Maurer, in: Schoch, Selbstverwaltung der Kreise in Deutschland, S. 1 (11); B. J. Scholz, Rechtsschutz der Gemeinden, S. 31 und S. 80 f. 197 Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 121 (123); ders., Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 93 f. 198 BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619, 1628 / 83 –, E 79, 127 (149 / 153); zur Rückkehr des Bundesverfassungsgerichts zu einem etatistischen Selbstverwaltungsverständnis Knemeyer / Wehr, VerwArch. 92 (2001), S. 317 (322 / 331). 199 Dazu Hufen, FS für Maurer, S. 1177 (1179). 200 Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 121 (123). 201 Badura, Staatsrecht, S. 307; Schmidt-Aßmann, GS für Martens, S. 249 (251 f.). 202 BVerwG, Urt. v. 04. 08. 1983 – 7 C 2.81 –, E 67, 321 (323), unter Verweis auf Art. 11 Abs. 4 der Bay. Landesverfassung; dazu auch Knemeyer / Wehr, VerwArch. 92 (2001), S. 317 (327 f.). 203 Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 121 (125 f.).

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2. Gesetzlicher Gestaltungsvorbehalt und Krise der kommunalen Selbstverwaltung Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze.204 Die so garantierten freien Selbstverwaltungsaufgaben205 verbieten eine vollständige Durchnormierung. Der Gesetzgeber darf lediglich einen Rahmen schaffen und Ziele fixieren.206 Im übrigen handeln die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften eigenverantwortlich. Damit ist die Fähigkeit gemeint, die Aufgaben frei von Zweckmäßigkeitserwägungen anderer Verwaltungsträger wahrzunehmen.207 Der Gesetzesvorbehalt begrenzt sowohl die Allzuständigkeit als auch die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung.208 Die kommunale Selbstverwaltung in ihrer grundgesetzlichen Form bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung und Formung.209 Ein derartiger Gesetzesvorbehalt wird aber schnell zur offenen Flanke der Selbstverwaltungsgarantie, wenn ihm nicht seinerseits Grenzen setzt sind.210 Eine dogmatisch unanfechtbare und praktisch wirksame Lösung dieses Problems ist bis heute nicht gefunden worden,211 weil Art. 28 Abs. 2 GG nur als institutionelle Garantie oder Gestaltungsprinzip verstanden wird und daher grundrechtliche Argumentationsfiguren wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schranken-Schranke nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar gemacht werden können.212 Das Bundesverfassungsgericht hat als Grenze für den Aufgabenentzug den historisch gewachsenen Kern der kommunalen Selbstverwaltung angesehen, verbunden mit einem gesetzgeberischen Rechtfertigungszwang für die Überwindung des in Art. 28 Abs. 2 GG angelegten Aufgabenverteilungsprinzips durch den Gesetzgeber.213 Der Gesetzes- und Ausformungsvorbehalt in Art. 28 Abs. 2 GG birgt aber nicht nur die Gefahr des Aufgabenentzugs durch Verlagerung auf höhere Verwaltungsebenen. In jüngerer Zeit hat der Gesetzgeber den Gemeinden immer mehr Aufgaben zugewiesen, ohne ihnen die dazu notwendigen finanziellen Mittel zu geben. Da die Finanzausstattung der Aufgabenübertragung zu folgen hat, ist die eigentliDazu B. J. Scholz, Rechtsschutz der Gemeinden, S. 29. Siehe § 2 Abs. 1 Satz 1 GemO Rh.-Pf. 206 Ossenbühl, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 9 (30); Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 611. 207 Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 121 (132). 208 Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, S. 20 f. 209 BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619, 1628 / 83 –, E 79, 127 (143); Badura, Staatsrecht, S. 307. 210 Dazu Wimmer, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 49 – Diskussionsbeitrag. 211 Lecheler, FS 75 Jahre Bayerischer Gemeindetag, S. 177 (183 f.). 212 Hufen, DÖV 1998, S. 276 (278); ders., FS für Maurer, S. 1177 (1181); Knemeyer / Wehr, VerwArch. 92 (2001), S. 317 (338 f.). 213 BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988 – 2 BvR 1619, 1628 / 83 –, E 79, 127 (143). 204 205

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che Ursache für die Krise der kommunalen Selbstverwaltung schon in der Aufgabenübertragung zu sehen. Der Aufgabenentzug droht durch Aufgabenüberlastung.214 Hinzu kommt, daß die Gemeinden ebenso wie alle anderen Behörden in ein immer engeres Netz staatlicher Regelungen eingebunden sind, die ihnen den Gestaltungsspielraum nehmen.215 Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften kämpfen jedoch nicht nur mit der Aufgabenüberlastung und Finanznot, sondern auch mit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Die zusätzliche und als ungerechtfertigt empfundene Einengung der vom Gesetzgeber übriggelassenen Spielräume durch die Verwaltungsgerichte steht in der Kritik.216 Speziell betroffen sind die Bereiche, in denen den Gemeinden und Gemeindeverbänden Handlungs-, Bewertungs- und Prognosespielräume zugewiesen sind.217 Die Planungs- und Finanzhoheit sind dabei besonders sensible Gebiete. Die Vorwürfe an die Verwaltungsgerichtsbarkeit lauten von Beckmesserei und Überheblichkeit bis zu Besserwisserei, Kleinlichkeit und Formalismus.218 Besonders in der Kritik steht die Praxis der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe, in Normenkontrollverfahren übereifrig und ungefragt nach Fehlern aller Art zu suchen.219 Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Kritik in seinem Urteil zur Handelsmarktsatzung der Stadt Görlitz aufgenommen und die Instanzgerichte ermahnt, die Abgabenkalkulation eines kommunalen Satzungsgebers nicht ohne Grund einer Detailprüfung zu unterziehen.220

C. Zusammenfassung Jedermann, den die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, steht gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der Rechtsweg offen. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ist regelmäßig der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Verwaltungsgerichte sind verpflichtet, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Prü214 Hufen, DÖV 1998, S. 276 ff.; ders., FS für Maurer, S. 1177 (1182); Henneke, DVBl. 1998, S. 1158 ff. 215 Schmidt-Aßmann, FS für Sendler, S. 121 (132); Papier, FS für Ule, S. 235 (253); zur staatlichen Aufsicht, Kahl, Die Staatsaufsicht, S. 496 ff. 216 Kopp, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 146; von Danwitz, DVBl. 1998, S. 928 (933). 217 Krit. zur Vergerichtlichung der Bauleitplanung und Beitragserhebung Fechtrup / Wiedemeier, FS für Menger, S. 797 (799 ff.). 218 Bachof, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 179 – Diskussionsbeitrag; Redeker, NVwZ 1996, S. 126 (127 f.); dazu auch Papier, in: Merten, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 95; Rupp, FS für Zeidler, S. 455 (465). 219 Überblick über die Kritikpunkte bei Lecheler, FS 75 Jahre Bayerischer Gemeindetag, S. 177 f.; dazu auch Fechtrup / Wiedemeier, FS für Menger, S. 797 (799 ff.). 220 BVerwG, Urt. v. 17. 04. 2002 – 9 CN 1.01 –, E 116, 188 ff. = JZ 2003, S. 93 ff. = DVBl. 2002, S. 1409 ff.; dazu Oebbecke, NVwZ 2003, S. 1313 ff.

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fung vorzunehmen, um wirksamen Rechtsschutz zu garantieren. Sachverhaltsgrundlage und Sinngehalt von behördlichen Entscheidungen sind grundsätzlich voll überprüfbar. Mit dem Individualrechtsschutz ist die objektive Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltungstätigkeit verbunden. Individualrechtsschutz und objektive Kontrollfunktion spiegeln den im Grundgesetz bestehenden Zusammenhang von individuellem Status und objektiver Ordnung wider. Die in der Verfassung angelegten Verbindungen, Kontrollen und Ausgleichsmechanismen führen zu einer gerichtsgeprägten Gewaltenteilung und geben der Judikative eine Schlüsselposition bei der Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Gewalten. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist in seiner konkreten Ausprägung nicht Ausdruck eines der Verfassung vorgelagerten feststehenden Rechtsprinzips, sondern konstituierendes, ausgestaltendes und erhaltendes Element der rechtlichen und politischen Ordnung des Gemeinwesens. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG weist die Funktionen bestimmten Organen zu, die die staatlichen Aufgaben wahrnehmen. Eine optimale Aufgabenerfüllung und die reale Geltung des Gewaltenteilungsprinzips sind nur gewährleistet, wenn die Organe funktionsgerecht strukturiert, zusammengesetzt und besetzt sind und so eine hohe Rechtmäßigkeitsgewähr für die hoheitlichen Entscheidungen bieten. Staatliche Funktionen zu konstituieren, zuzuordnen und wahrzunehmen, erfordert einen verantwortungsvollen Umgang mit Kompetenzen. Die jeweilige Funktion beeinflußt die Organstruktur. Zusammen mit den vielfältigen wahrzunehmenden Aufgaben kommt es zu Verschränkungen und Verknüpfungen zwischen den Gewalten. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ermöglichen es den Gerichten, die Verwaltungstätigkeit zu kontrollieren. Mit zunehmender Komplexität der menschlichen Lebensbedingungen steigen das Bedürfnis nach rechtlicher Regelung und die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten. Obwohl Exekutive und Judikative eigenständig und gleichrangig sind, stehen die Verwaltungsgerichte im Verdacht, die Arbeit der Behörden übermäßig zu kontrollieren und sie dadurch zu demotivieren sowie zu lähmen. Dem läßt sich entgegenwirken, wenn die Judikative die Grundlagen behördlicher Arbeit und Eigenverantwortung wieder stärker wahrnimmt. Diese sind nicht in einem Kernoder Vorbehaltsbereich der Exekutive zu sehen, sondern spiegeln sich im Inhalt und Zustandekommen von Verwaltungsentscheidungen wider. Ermessens-, Planungs- und Beurteilungsspielräume sowie die verfahrensrechtlich gesteuerte Informationssammlung und -verarbeitung formen den Verantwortungsbereich der Verwaltung. Grundlage exekutiver Eigenverantwortung ist auch die kommunale Selbstverwaltung. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze zu regeln. Obwohl die Gemeinden heute im wesentlichen als Teil der Landesverwaltung wahrgenommen werden, stehen sie gegenüber der staatlichen Gewalt in einer Abwehrposition. Jenseits eines historisch gewachsenen Kerns ist die Stärke dieser Position abhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung der Selbstverwaltung und den vorhandenen fi-

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1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen

nanziellen Mitteln. Die bestehende Krise der kommunalen Selbstverwaltung ist zwar hauptsächlich im Mißverhältnis von Aufgabenübertragung und Ausgabenlast begründet, aber die Verwaltungsgerichte tragen durch ungefragte Fehlersuche dazu bei, die Spielräume der Selbstverwaltungskörperschaften weiter zu verkleinern.

2. Teil

Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils 1. Kapitel

Fehlende Spruchreife als Voraussetzung für ein Bescheidungsurteil A. Spruchreife: Ein prozessualer, auf das materielle Recht bezogener Begriff Eine Verpflichtungsklage ist spruchreif, wenn alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung vorliegen, die die Verwaltung zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts verpflichtet.1 „Spruchreife ist ein prozessualer Begriff, der an die materiell-rechtlichen Gegebenheiten anknüpft, diese aber nicht ändert.“2 Das Bundesverwaltungsgericht hätte auch formulieren können: Der Streitgegenstand ist ein prozessualer Begriff, der an die materiellrechtlichen Gegebenheiten anknüpft, diese aber nicht ändert. Spruchreife darf nur im Umfang der vom Streitgegenstand und damit auch vom Klageantrag abhängigen gerichtlichen Entscheidungskompetenz hergestellt werden.3 Der materielle Anspruch erhält durch den Klageantrag seine prozessuale Form. Ein Bescheidungsurteil muß selbst dann ergehen, wenn der Kläger einen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts hat, vor Gericht aber einen Bescheidungsantrag stellt.4 Ein Bescheidungsurteil ergeht jedoch meistens in Fällen, in denen das Verwaltungsgericht trotz behauptetem gebundenem Anspruch und Verpflichtungsantrag Spruchreife aus materiell-rechtlichen Gründen nicht herstellen darf. Seit langem ist umstritten, ob die Gerichte Spruchreife herbeiführen müssen, sofern ihnen nicht 1 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 26 Rdnr. 19; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 838; Schmitt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 303; Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 340. 2 BVerwG, Urt. 05. 10. 1990 – 7 C 55 und 56.89 –, E 85, 369 (379 f.). 3 Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 16 Rdnr. 35. 4 Ausführlich Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 232 ff.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

durch die Dispositionsbefugnis des Klägers sowie behördliche Ermessens-, Abwägungs- und Beurteilungsspielräume Grenzen gesetzt sind. Das ist davon abhängig, ob die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für ihre Entscheidung in eigener Verantwortung ermitteln dürfen oder die erstmalige Sachverhaltsermittlung den Behörden überlassen müssen. Betrachtet man die für die Praxis maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung, so zeigt sich, daß das Bundesverwaltungsgericht in dieser Frage früher eine zurückhaltendere Position eingenommen hat als heute. Ob das Urteil zur Görlitzer Handelsmarktsatzung zu einer Änderung der Rechtsprechung führt, bleibt abzuwarten.5

B. Das Herbeiführen von Spruchreife in der Praxis der Verwaltungsgerichte I. Beispiele aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung Das Bundesverwaltungsgericht mußte sich mehrmals mit der Rechtmäßigkeit von Bescheiden beschäftigen, die die Nichtgewährung von Wohngeld zum Inhalt hatten.6 In einem Fall hob es ein die Rechtmäßigkeit der Ablehnung bestätigendes Urteil auf. Der Rechtsstreit war aber nicht spruchreif, weil das Jahreseinkommen des Antragstellers als Bemessungsgrundlage von der zuständigen Behörde nicht richtig ermittelt worden war. Das Gericht erforschte den Sachverhalt nicht selbst, sondern hob die angefochtenen Urteile und den Bescheid auf und verpflichtete die Behörde, den Antrag des Klägers unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu bescheiden.7 Die zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Behörde eingereichten Unterlagen seien im Augenblick der gerichtlichen Entscheidung meistens überholt. Das Gericht wäre mit einer unzureichenden Ausrüstung gezwungen Berechnungen anzustellen, für die weitere Ermittlungen notwendig seien. Das verzögere das Verfahren und führe zu weiteren Unstimmigkeiten.8 Das Wohngeld zu berechnen, sei Sache der dafür besser ausgerüsteten Behörden. Das Gericht hat sich daher auf die Entscheidung der (rechtlichen)9 Streitfragen beschränkt. An dieser Ansicht hielt das Bundesverwaltungsgericht in der Folgezeit nicht fest.10 Zwar verurteilte es die beklagte Behörde wieder dazu, über den Wohngeldanspruch des Klägers unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung erneut zu entscheiden. Dies tat es aber nur, weil der Kläger angesichts der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich einen Bescheidungsantrag gestellt Ossenbühl, JZ 2003, S. 96 (97). Siehe dazu auch Demmel, Das Verfahren nach § 113 Abs. 3 VwGO, S. 9 f. 7 BVerwG, Urt. v. 30. 11. 1972 – VIII C 81.71 –, E 41, 220 (227). 8 BVerwG, Urt. v. 16. 01. 1974 – VIII C 56.73 –, E 44, 278 (283). 9 So nicht ausdrücklich im Original. 10 Zur Entwicklung der Rechtsprechung siehe auch Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 32 ff. 5 6

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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hatte. Das Gericht sei gemäß § 86 Abs. 1 VwGO gehalten, im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen und die Streitsache im vollen Umfang spruchreif zu machen.11 Es sei grundsätzlich nicht zulässig, eine an zwingendes Recht gebundene Verwaltungsentscheidung allein deshalb, weil die von der Behörde zur Stützung des Ablehnungsbescheids herangezogenen Gründe rechtlich nicht haltbar seien, aufzuheben und es der Behörde zu überlassen, alle weiteren Voraussetzungen für den in Rede stehenden Anspruch zu prüfen und festzustellen. Die für die früher vertretene Meinung maßgeblichen Gründe seien nach erneuter Überprüfung nicht tragfähig. Die Annahme, die Prüfung eines von möglicherweise wesentlich anderen Daten abhängenden Wohngeldanspruchs sei in gerichtlichen Verfahren nicht praktikabel und angesichts dessen dem Gericht nicht zumutbar, sei – ebenso wie in anderen Rechtsgebieten – nur ein Scheinargument. Die an einem Verwaltungsstreitverfahren beteiligten Behörden seien zur Mitwirkung und Prozeßförderung verpflichtet. Das Gericht könne der Pflicht, die Streitsache in vollem Umfang spruchreif zu machen, dadurch genügen, daß es der beteiligten Behörde aufgebe, die erforderlichen Berechnungen vorzunehmen und in das Verfahren einzubringen.12 Ähnlich streng ist die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Asylrechts. Hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylantrag abgelehnt, müssen die Gerichte in der Sache entscheiden. Die beklagte Behörde zu verurteilen, über den Antrag erneut zu entscheiden, ist unzulässig.13 Die Spruchreife ist selbst dann herbeizuführen, wenn der Asylsuchende einen bestandskräftigen Erstbescheid mißachtet und mit einem Folgeantrag das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG betreibt.14 Die Voraussetzungen für Asyl und Abschiebungsschutz seien ebenso wie die Tatbestandsmerkmale in § 51 Abs. 1 VwVfG Grundlagen für einen Anspruch auf Asylgewährung. Ein selbständiger Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bestehe nicht.15 Aus der gerichtlichen Praxis ist erkennbar, daß Spruchreife mit zweierlei zusammenhängt: erstens mit dem Umfang der Sachverhaltsermittlung; zweitens mit der rechtlichen Bewertung.16 An dieser Rechtsprechung und der damit verbundenen Grundhaltung hat sich bis heute nicht viel geändert. Das zeigen die in der EinleiBVerwG, Urt. v. 02. 05. 1984 – 8 C 94.82 –, E 69, 198 (201). BVerwG, Urt. v. 02. 05. 1984 – 8 C 94.82 –, E 69, 198 (201). 13 HessVGH, Urt. v. 11. 08. 1981 – X OE 634 / 81 –, ESVGH 31, 259 (265); siehe auch BVerwG, Urt. v. 20. 02. 1992 – 3 C 51.88 –, E 90, 18 (24). 14 BVerwG, Urt. v. 13. 05. 1993 – 9 C 49.92 –, NVwZ 1993, S. 788; BVerwG, Urt. v. 20. 10. 2004 – 1 C 15.03 –, DVBl. 2005, S. 317 (318). 15 BVerwG, Urt. v. 10. 02. 1998 – 9 C 28.97 –, NVwZ 1998, S. 861 (862); BVerwG, Urt. v. 06. 09. 1990 – 6 C 4.90 –, NVwZ 1991, S. 272 (273). 16 Spannowsky, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 113 Rdnr. 234; ähnl. Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 106. 11 12

8 Bickenbach

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

tung geschilderten Beispiele.17 Anderenfalls hätte sich der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts nicht veranlaßt gefühlt, seine Kollegen zu ermahnen, es mit der Fehlersuche und der damit verbundenen objektiven Kontrolle der Verwaltungstätigkeit nicht zu übertreiben.18 Beides setzt umfangreiche Tatsachenkenntnisse voraus, ohne die eine Rechtskontrolle nicht möglich ist.

II. Herbeiführen von Spruchreife und gerichtlicher Prüfungsumfang Der für die gerichtliche Praxis maßgebliche Prüfungsrahmen richtet sich nach dem Streitgegenstand. Innerhalb dieses Rahmens sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, grundsätzlich alle Umstände aufzuklären, die für die Beurteilung eines Falles entscheidend sind.19 So ist eine umfassende Kontrolle der Verwaltungstätigkeit gewährleistet. Die Verwaltungsgerichte treten an die Stelle der Behörden und entscheiden eigenständig, ohne den Inhalt eines vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens zu beachten.20 Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Ablehnungsbescheids kommt es danach nur auf seine Vereinbarkeit mit dem materiellen Recht an.21 Entsprechend sieht das Prüfprogramm der Gerichte aus: „Die Verwaltungsgerichte haben umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört ( . . . ) die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist.“22

In der Prüfung sind „alle23 rechtlichen Begründungen und Tatsachen zu berücksichtigen, die die angefochtene Festsetzung zu rechtfertigen vermögen. Das schließt die Berücksichtigung solcher Rechtsgründe und Tatsachen ein, die die Verwaltungsbehörde zur Begründung des angefochtenen Bescheids nicht (ausdrücklich) angeführt hat.“24 Das Zitat stammt aus einer Entscheidung zum Erschließungsbeitragsrecht. Das Berufungsgericht hatte ein erstinstanzliches Urteil bestätigt, das einen Erschließungsbeitragsbescheid aufgehoben hatte, weil dieser auf eiSiehe oben Einleitung A. Hien, DVBl. 2003, S. 443 (445). 19 BVerwG, Urt. v. 20. 02. 1992 – 3 C 51.88 –, E 90, 18 (24). 20 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorb § 113 Rdnr. 19; aus der Rechtsprechung siehe nur BVerwG, Beschl. v. 14. 05. 1982 – 9 B 179 / 82 –, DVBl. 1983, S. 33 (34). 21 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 20. 22 BVerwG, Urt. v. 30. 06. 1989 – 4 C 40.88 –, E 82, 185 (188); siehe auch BVerwG, Urt. v. 25. 02. 1994 – 8 C 14.92 –, E 95, 176 (183 f.). 23 Hervorhebung im Original. 24 BVerwG, Urt. v. 27. 01. 1982 – 8 C 12.81 –, E 64, 356 (358); siehe auch BVerwG, Urt. v. 27. 09. 1982 – 8 C 145.81 –, DÖV 1983, S. 469 (470). 17 18

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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ner fehlerhaften Berechnungsgrundlage beruhte. Das Gericht hatte wegen der damit verbundenen umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und Berechnungen darauf verzichtet, den Betrag zu ermitteln. Das Bundesverwaltungsgericht sah darin einen Verstoß gegen die in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründete Pflicht, die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts umfassend zu prüfen. Das Berufungsgericht sei verpflichtet zu klären, ob der angefochtene Bescheid auf der Basis einer abgeänderten Berechnungsgrundlage rechtmäßig sei. Das führe weder zu einer Wesensänderung des Bescheids noch verstoße es gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die gerichtliche Tätigkeit finde erst an der Ermessensausübung der Verwaltungsbehörden ihre Grenzen.25 Herbeiführen von Spruchreife bedeutet somit auch, den Sachverhalt unter eine andere Norm zu subsumieren26 und die Rechtsgrundlage eines Verwaltungsakts auszuwechseln, solange sein Regelungsgegenstand gleich bleibt. Die Gerichte sind an Sachverhaltsfeststellungen aus vorausgegangenen Verwaltungsverfahren nicht gebunden.27 Sie ermitteln und berücksichtigen Tatsachen, die die Verwaltungsbehörden nicht aufgeklärt oder nicht in ihre Überlegungen einbezogen haben, um Rechtsverletzungen beurteilen zu können.28 Ob die mangelhafte Ermittlungsarbeit der Behörde auf Nachlässigkeit beruht oder auf der unzutreffenden Annahme, eine Rechtsvorschrift sei nicht anwendbar, spielt keine Rolle. Das Verwaltungsgericht ermittelt und prüft unabhängig vom Stand der Sachverhaltsermittlung am Ende des Verwaltungsverfahrens die tatsächlichen Grundlagen des Falles umfassend und verurteilt die Verwaltungsbehörde zum Erlaß eines Verwaltungsakts, ohne daß diese Gelegenheit hat, den Fall noch einmal zu bearbeiten.29 Hier hat das Wort „Durchentscheiden“30 seinen Ursprung. Anderenfalls verpflichtet das Gericht die Behörde, den Kläger unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erstmals oder erneut zu bescheiden.31 Diese Praxis findet auf gebundene und auf im Ermessen der Behörde stehende Verwaltungsakte Anwendung. § 114 Satz 1 VwGO schränkt die rechtliche, nicht aber die tatsächliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsakten ein.32 Das bedeutet: Siehe dazu BVerwG, Urt. v. 25. 02. 1994 – 8 C 14.92 –, E 95, 176 (188). Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 21. 27 Schmidt-Aßmann / Groß, NVwZ 1993, S. 617 (620). 28 BVerwG, Urt. v. 05. 10. 1990, – 7 C 55 und 56.89 –, E 85, 368 (379 f.); zu der Ausnahmen im Atomrecht: BVerwG, Urt. v. 22. 10. 1987, – 7 C 4.85 –, E 78, 177 (180 f.); BVerwG, Urt. v. 09. 09. 1988 – 7 C 3.86 –, E 80, 207 (222 f.); BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 – 7 C 65.82 –, E 72, 300 (317) und im Planungsrecht: BVerwG, Urt. v. 25. 02. 1988 – 4 C 32 und 33.86 –, DVBl. 1988, S. 844 (845); BVerwG, Urt. v. 26. 07. 1989 – 4 C 35 88 –, E 82, 246 (257 f.); BVerwG, Urt. v. 08. 06. 1995 – 4 C 4.94 –, E 98, 339 (353); Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 114 Rdnr. 62. 29 P. Stelkens, NVwZ 2000, S. 155 (157). 30 Bettermann, NJW 1960, S. 649 (655). 31 BVerwG, Urt. v. 09. 05. 1986, – 1 C 39.83 –, E 74, 165 (176). 32 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25 Rdnr. 24 ff.; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 735 ff. 25 26

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Tatsächlicher und rechtlicher Prüfungsumfang sind verschieden. Nur wenn die Behörde die Tatsachen vollständig ermittelt hat, kann sie bei Ermessens- oder anderen Abwägungsentscheidungen33 alle erheblichen Belange in ihre Überlegung einbezogen haben. Defizite in der Sachverhaltsermittlung können daher in einen Ermessensfehler umschlagen.34 Erst wenn aufgrund der tatsächlichen Feststellungen eines Gerichts feststeht, daß der Behörde ein Ermessensfehler unterlaufen ist, sind weitere Sachverhaltsermittlungen unzulässig. Die Gerichte dürfen nicht durch zusätzliche Ermittlungstätigkeiten die Grundlage für eine neue Ermessensentscheidung schaffen.35 Spruchreife ist auch dann herbeizuführen, wenn sich der Ablehnungsbescheid vor Klageerhebung erledigt und der Kläger einen Feststellungsantrag stellt oder wenn er seinen Klageantrag umstellen muß, weil sich der Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat.36 Die Gerichte müssen auch zeit- und kostenintensive Aufklärungsmaßnahmen durchführen, soweit sie für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts erforderlich sind.37 Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen läßt nicht das Feststellungsinteresse des Klägers entfallen. Ohne Sachverhaltskenntnisse können die Gerichte nicht beurteilen, ob ein vom Kläger angestrebter Amtshaftungsprozeß Aussicht auf Erfolg hat, ein Rehabilitationsinteresse besteht oder Wiederholungsgefahr gegeben ist. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung, ohne das es darauf ankommt, ob das bisherige Klageverfahren schon konkrete Ergebnisse gebracht hat oder nicht.38 Die Rechtsprechung ist ergebnisorientiert.39 Der Ausdruck „Herbeiführen von Spruchreife“ hebt die Finalität der Sachverhaltsermittlung hervor. Das „Durchentscheiden“ ist die Folge. Ziel ist es, die rechtlichen oder tatsächlichen Streitfragen abschließend zu klären und den Streitgegenstand unter möglichst allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.40 Das gilt auch für die Fälle, in denen die Behörde untätig geblieben ist und keinen Ablehnungsbescheid erlassen hat. Die Behörde nur zur erstmaligen Bescheidung zu verurteilen, sei ein unvollkommener Ersatz für eine bestimmte Sachentscheidung.41 BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – 4 C 105.66 –, E 34, 301 (309). Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 136; Diekötter, Auswirkung von Verfahrensfehlern, S. 68. 35 BVerwG, Urt. v. 04. 03. 1960 – I C 43.59 –, E 10, 202 (204). 36 BVerwG, Urt. v. 27. 03. 1998 – 4 C 14.96 –, NVwZ 1998, S. 1295 (1296). 37 Zu den Grenzen dieser Pflicht: BVerwG, Urt. v. 15. 11. 1990 – 3 C 49.87 –, NVwZ 1991, S. 570 (571); VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 08. 06. 1993 – 10 S 110.92 –, NVwZ 1993, S. 709 (712). 38 BVerwG, Urt. v. 27. 03. 1998 – 4 C 14.96 –, NVwZ 1998, S. 1295 (1296). 39 Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699. 40 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 32 und S. 60, weist darauf hin, daß die Bezeichnung der Problematik im Bereich der Anfechtungsklage oft „Nachschieben von Gründen“ lautet. 41 BVerwG, Urt. v. 13. 04. 1961 – III C 183.59 –, E 12, 186 (189). 33 34

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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C. Die Gründe für das Herbeiführen von Spruchreife – eine kritische Bestandsaufnahme Das Motiv für das Herbeiführen von Spruchreife ist in dem Bestreben der Verwaltungsgerichte zu sehen, einen für den Bürger wirksamen Rechtsschutz zu sichern und zugleich eine objektive und rechtsstaatlich gebotene Kontrolle der Verwaltung zu gewährleisten.42 Für das Herbeiführen von Spruchreife sind daher Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, § 86 Abs. 1 VwGO und § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO bedeutend. Dabei ist jedoch umstritten, inwieweit die genannten Normen die gerichtliche Praxis überhaupt rechtfertigen, ob sie nicht vielmehr dem Herbeiführen von Spruchreife Grenzen setzen. Kritik an der gerichtlichen Praxis kam und kommt insbesondere aus der Wissenschaft. Kopp hat schon 1971 die Befürchtung geäußert, die Gewichte zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichten könnten durch die weitreichende Sachverhaltsermittlung und engmaschige Rechtskontrolle zu stark auf die Seite der Gerichte verschoben werden oder schon verschoben sein.43 Dieser Vorwurf ist von Marx und teilweise auch von Hödl-Adick erneuert worden.44 Vereinzelt haben sich auch Instanzgerichte der Kritik angeschlossen.45

I. Die Gewährleistung wirksamen subjektiven Rechtsschutzes 1. Vollständige Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Für die gerichtliche Praxis sprechen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und die vom Bundesverfassungsgericht immer wieder betonte Pflicht der Verwaltungsgerichte, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Prüfung vorzunehmen.46 Das schließt eine Bindung an tatsächliche Feststellungen der Verwaltung aus.47 Die Verwaltungsgerichte interpretieren diese verfassungsgerichtliche Vorgabe als ein Gebot, über die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen hinaus eigenständig den Sachverhalt zu ermitteln und rechtliche Erwägungen anzustellen. Diese Auslegung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist in der Literatur kritisiert worden. Die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung enthalte keinen HinSiehe dazu oben 1. Teil 3. Kapitel A. IV. Kopp, Verfassungsrecht, S. 267 f.; ders., BayVBl. 1983, S. 673 (676 f.). 44 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 161; differenzierend Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 154. 45 BayVGH, Urt. v. 12. 1. 1988 – Nr. 9 B 85 A.1712 – ; BayVBl. 1989, S. 148. 46 BVerfG, Beschl. v. 15. 8. 2002 – 1 BvR 1790 / 00 –, NJW 2002, S. 3691 (3692); Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 183. 47 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1997, S. 281 (283). 42 43

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

weis darauf, daß die Verwaltungsgerichte neue Ermittlungen vornehmen müßten.48 Die Pflicht der Gerichte, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassende Prüfung vorzunehmen, beziehe sich nur auf den bereits ermittelten Sachverhalt und seine rechtliche Bewertung. Anderenfalls seien die Gerichte überfordert und der Möglichkeit beraubt, sich auf den Individualrechtsschutz zu konzentrieren. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sei gewahrt und erschöpft, wenn die Verwaltungsgerichte den Ablehnungsbescheid aufheben und die Behörde zur Neubescheidung verurteilen.49 Die Vorschrift enthalte eine Absage an eine in der Tradition der Administrativjustiz stehende Rechtskontrolle durch die Verwaltungsgerichte.50 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch die Praxis der Verwaltungsgerichte indirekt gebilligt. Es hat im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle die vom vorlegenden Verwaltungsgericht gemachte Ausnahme vom Herbeiführen der Spruchreife für „zumindest vertretbar“ gehalten51 und daher die Vorlage nicht als unzulässig abgewiesen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß das Bundesverfassungsgericht das Herbeiführen von Spruchreife grundsätzlich auch über den aus dem Verwaltungsverfahren bekannten Sachverhalt hinaus für geboten und zulässig hält.52 Für eine vollständige Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht spricht schließlich auch, daß die Behörde im gerichtlichen Verfahren oft nur daran interessiert ist, ihre Entscheidung zu halten und zu rechtfertigen. In dieser Situation kommt es ihr nicht mehr unbedingt darauf an, eine richtige, den Interessen des Bürgers dienende Lösung zu finden. Den Ablehnungsbescheid aufzuheben, reicht nicht aus.53 Die Annahme, daß die Behörde im Verwaltungsverfahren immer neutral und ausgewogenen entscheidet, im Prozeß plötzlich nur ein Interesse daran hat, ihre Entscheidung zu verteidigen, nach einem Urteil aber automatisch wieder unvoreingenommen ist, ist lebensfremd und praxisfern. Dem Bürger steht zwar grundsätzlich keine übelwollende und das Verfahren verschleppende Verwaltung gegenüber,54 aber Behörden handeln nicht interessenfrei und stehen teilweise unter hohem politischen Druck.55 Bescheidungsurteile ändern daran nichts. Wirksamer verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz wird durch den Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO gesichert. Dieser gleicht das typiMarx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 143; Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 151. Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 143; Seibert, FS für Zeidler, S. 469 (482). 50 Ronellenfitsch, FS für Blümel, S. 497 (513). 51 BVerfG, Beschl. v. 01. 07. 1986 – 1 BvL 26 / 83 –, E 73, 301 (313); siehe auch BVerfG, Beschl. v. 5. 5. 1987 – 1 BvR 724, 1000, 1015 / 81; 1 BvL 16 / 82 und 5 / 84 –, E 75, 246 (261). 52 Der Beschluß des BVerfG v. 20. 04. 1982 – 2 BvL 26 / 81 –, E 60, 253 (290), ändert daran nichts, weil eine Einschränkung ausdrücklich hätte erfolgen müssen. 53 So jedoch Kopp, VerwArch. 61 (1970), S. 219 (222 ff.). 54 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 143 f. 55 Krit. zur behördlichen Sachaufklärung auch Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 119. 48 49

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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scherweise zwischen Behörde und Bürger bestehende Macht- und Informationsgefälle aus und sorgt für mehr prozessuale Waffengleichheit. Das Gericht hat daher nicht nur den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt zu würdigen, sondern muß auch selbständig tätig werden.56 Die gerichtliche Tatsachenermittlung ist zudem geboten, weil viele behördliche Maßnahmen auch Rechte Dritter berühren, die nicht am Prozeß beteiligt sind, die aber in schützenswerten Rechtspositionen betroffen sein könnten.57

2. Die Dauer gerichtlicher Verfahren und das Herbeiführen von Spruchreife a) Sachverhaltserforschung und vorteilhafte Vorwirkungen gerichtlicher Kontrolle Rechtsschutz muß in angemessener Zeit erreichbar sein, weil Rechtsunsicherheit den für einen Rechtsstaat unverzichtbaren Rechtsfrieden untergräbt.58 Rechtsunsicherheit entsteht durch lange Verfahren und durch das Risiko von Folgeprozessen. Die Aufhebung eines wegen unzureichender Sachverhaltsermittlungen rechtswidrigen Verwaltungsakts verkürzt zwar das gerichtliche Verfahren, aber nicht das Verfahren insgesamt.59 Der mit einer Verpflichtungsklage Rechtsschutz suchende Bürger soll nicht mit einem Bescheidungsurteil, das zwar den Ablehnungsbescheid aufhebt, ihn aber auf eine neue Entscheidung der Verwaltung vertröstet, „Steine statt Brot“ bekommen.60 Es ist insofern konsequent, die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen eines Falles möglichst vollständig aufzuklären und die Verwaltung zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts zu verurteilen. Das vermeidet Folgeprozesse und sorgt für Rechtsfrieden. Diese Argumentation fordert Kritik geradezu heraus. Grundlage dafür ist ein Vergleich zwischen dem gerichtlichen Aufwand für das Herbeiführen von Spruchreife mittels einer umfassenden Sachverhaltsermittlung mit dem Aufwand, den Verwaltungsbehörden dafür aufwenden müßten. Für die Kritiker der gerichtlichen Praxis geht dieser Vergleich zeitlich und qualitativ zu Ungunsten der Verwaltungsgerichte aus, weil die Behörden aufgrund ihrer Sachkunde, Erfahrung und Struktur besser für Sachverhaltsermittlungen geeignet seien.61 Die Struktur, Sachkunde und 56 Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung des § 113 Abs. 3 VwGO, S. 145, die sich jedoch gegen ein Herbeiführen von Spruchreife ausspricht, wenn die Behörde nur irrtümlich ein Tatbestandsmerkmal als nicht gegeben angesehen hat, S. 146. 57 R. P. Schenke, VerwArch. 90 (1999), S. 232 (241 f.). 58 BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 2003 – 1 BvR 901 / 03 –, NVwZ 2003, S. 334 (335); Schlette, Anspruch auf gerichtliche Entscheidung, S. 24 f.; Groschupf, DVBl. 1962, S. 627 (629). 59 Gaentzsch, FS für Redeker, S. 405 (408). 60 Czermak, DRiZ 1964, S. 38 (40); Thierfelder, DÖV 1967, S. 300 (303). 61 Kopp, VerwArch. 61 (1970), S. 219 (223); ders., BayVBl. 1983, S. 673 (676); Kissel, NJW 1982, S. 1777 (1779 / 1782); Ronellenfitsch, FS für Blümel, S. 497 (518); das ist in der

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Erfahrung erlaube es den Verwaltungsbehörden, schneller und flexibler Ermittlungen anzustellen und Feststellungen zu treffen, als dies in einem schwerfälligen gerichtlichen Verfahren möglich sei.62 Das Herbeiführen von Spruchreife verstoße daher gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.63 Eine umfassende tatsächliche Aufarbeitung der Fälle durch die Verwaltungsbehörden habe den Vorteil, daß sich die Gerichte auf die rechtliche Kontrolle, mithin auf ihre Stärke konzentrieren könnten.64 Die gerichtliche Verfahrensdauer verkürze sich ohne langwierige tatsächliche Feststellungen,65 und eine Entscheidung in der Hauptsache sei schneller erreichbar.66 Vollstreckbarkeit und vorläufiger Rechtsschutz seien auch dann gewährleistet, wenn ein angerufenes Verwaltungsgericht nur den Ablehnungsbescheid aufhebe und die Behörde nicht zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts, sondern zur Neubescheidung verurteile. Mit § 123 VwGO verfüge der Kläger über ein Mittel, um schwere Nachteile zu vermeiden.67 Der Herrschaft von Recht und Gesetz könne auch durch eine rechtsstaatlich orientierte Verwaltung Rechnung getragen werden, ohne das die Verwaltungsgerichte immer das letzte Wort haben müßten.68 Die Kritik überzeugt nicht. Gerichtliche Kontrolle ist nicht nur eine nachträgliche, auf vorhandenen Tatsachen aufbauende Tätigkeit.69 Kontrolle bezeichnet weder einen inhaltlich fest umrissenen Begriff noch eine eindeutig bestimmte Funktion. Im weitesten Sinn handelt es sich um einen vergleichenden Vorgang, in dem die Verwaltungsgerichte am Maßstab der Rechtsordnung staatliches Verhalten messen.70 Wenn die Gerichte über die anzuwendenden Rechtsnormen entscheiden, ist selbst ein Austausch der Rechtsgrundlage für einen Verwaltungsakt kein Systembruch, sondern Ausdruck der richterlichen Verantwortung für die Richtigkeit staatlicher Entscheidungen.71 Die Rechtsordnung ist der Maßstab für die gerichtliche Kontrolle, unabhängig davon, ob Verwaltungsgerichte behördliche Entscheidungen erstmals daran messen oder nicht. Rechtsprechung zum Atomrecht anerkannt, BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 – 7 C 65.82 –, E 72, 300 (317); BVerfG, Beschl. v. 08. 08. 1978 – 2 BvL 8 / 77 –, E 49, 89 (139 f.). 62 Schmidt-Aßmann, FS für Menger, S. 107 (117); Kopp, VerwArch. 61 (1970), S. 219 (226); VG Bremen, NJW 1957, S. 1207 (1208); Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 45 f. und S. 142; Püttner, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 126 (141). 63 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 137. 64 Kissel, NJW 1982, S. 1777 (1785); Kopp, VerwArch. 61 (1970), S. 219 (223 / 226). 65 Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 128. 66 Kopp, BayVBl. S. 673 (677); Kissel, NJW 1982, S. 1777 (1782). 67 Kopp, VerwArch. 61 (1970), S. 219 (226); Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 142. 68 Püttner, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 126 (132). 69 A. A. Schlink / Wieland, DÖV 1982, S. 426 (433); Schmidt-Aßmann / Groß, NVwZ 1993, S. 617 (618); Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 147. 70 Pitschas, in: Blümel / Pitschas, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, S. 27 (45); Krebs, Kontrolle, S. 52 f., 69. 71 Kropshofer, Untersuchungsgrundsatz, S. 50.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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Allein die Existenz der Verpflichtungsklage spricht gegen eine rein nachvollziehende Tätigkeit der Verwaltungsgerichte. Diese entscheiden in Verpflichtungsoder Bescheidungsurteilen nicht nur über die Rechtmäßigkeit staatlicher Handlungen, sondern zwingen die Behörden auch zum Tätigwerden. Kontrolle setzt zwar seinem Wortsinn nach einen zu kontrollierenden Gegenstand voraus, weil es sich um einen „Vergleich zwischen Phänomenen der Wirklichkeit mit den Sollens-Aussagen der Rechtsordnung handelt.“72 Das allein bestimmt aber nicht den Charakter verwaltungsgerichtlicher Tätigkeit. Die Rechtmäßigkeit hoheitlicher Akte ist an Vorschriften zu messen, die entsprechende Handlungen beeinflussen. Die Kontrollnormen der Verwaltungsgerichte sind zugleich Handlungsnormen für die Verwaltungsbehörden. Der Urteilstenor und seine Begründung sind gerichtliche Arbeiten und gehen über vorausgegangenes staatliches Verhalten hinaus.73 Das gilt insbesondere für Bescheidungsurteile, weil die gerichtliche Rechtsauffassung ein zukünftiges behördliches Tätigwerden beeinflußt. Es ist daher nicht möglich, die Arbeit der Verwaltungsgerichte auf eine Kontrolltätigkeit zu beschränken.74 Kontrolle und Korrektur hoheitlicher Akte sind durch die Bindungswirkungen und die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen gesichert. Unterlassen die Verwaltungsgerichte eigene Sachverhaltsermittlungen und stellen keine neuen rechtlichen Erwägungen an, führen sie also keine Spruchreife herbei, ist in späteren behördlichen Verfahren die Funktion der Urteile als „Handlungsanweisungen“ herabgesetzt, weil Bescheidungsurteile der Verwaltung Entscheidungsspielräume lassen. Nur im Fall von Ermessens- und Planungsentscheidungen sowie behördlichen Beurteilungsspielräumen ist das gewollt, weil das materielle Recht den Behörden entsprechende Freiräume eröffnet. Den Erlaß von Bescheidungsurteilen abhängig vom Stand der Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsverfahren zu machen, den Verwaltungsgerichten eigene und originäre Untersuchungen zu untersagen, würde die Zahl derartiger Urteile stark erhöhen. Das würde insbesondere für den Fall gelten, daß der Erlaß von Bescheidungsurteilen nicht davon abhängt, ob den Behörden ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum verbleibt. Damit wären die faktische Geltung von Urteilen inter omnes und ihre Präjudizwirkung geschwächt.75 Die Präventivfunktion gerichtlicher Entscheidungen würde abnehmen. Sie trägt jedoch dazu bei, Folgeprozesse zu vermeiden und hilft Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für zukünftige Fälle 72 Krebs. Kontrolle, S. 72 und S. 53 f.; eine gewisse Ausnahme bildet die vorläufige Unterlassungsklage, dazu Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 16 Rdnr. 10 ff.; letztlich geht es aber auch um eine richterliche Reaktion auf behördliche Tätigkeiten, Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 220 (235 Fn. 41). 73 Krebs, Kontrolle, S. 55. 74 So aber Kopp, Verfassungsrecht, S. 130 und Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 147, die beide den Begriff Kontrolle zu eng interpretieren; zur Bedeutung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen über den Einzelfall hinaus Geiger, ZRP 1998, S. 252 f. 75 Krebs, Kontrolle, S. 57 f.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

herzustellen.76 Dem theoretisch vorteilhaften, praktisch aber kaum nachweisbaren Erziehungseffekt von aufhebenden oder an die Verwaltung zurückverweisenden Urteilen stehen daher erhebliche Nachteile gegenüber.77 Urteile, die zum Erlaß von inhaltlich bestimmten Verwaltungsakten verpflichten, haben ebenfalls edukatorische Wirkung.78 b) Beweisaufnahmen, Verfahrensdauer und Gerichtsausstattung Die Kritik an der gerichtlichen Praxis überzeugt auch deshalb nicht, weil sich Beweisaufnahmen wegen ihrer relativ geringen Zahl nicht so stark auf die Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren auswirken.79 Das verwundert zunächst, weil sich die Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsprozeß trotz § 86 Abs. 1 VwGO nicht wesentlich von der im Zivilprozeß unterscheidet,80 in dem die Zahl der Beweisaufnahmen größer ist.81 Vor einem Zivilprozeß ist jedoch kein Widerspruchsverfahren durchzuführen, das zur Sachverhaltsermittlung beiträgt und die Gerichte entlastet.82 Die tatsächlichen Umstände stehen daher oft bereits nach Abschluß des Vorverfahrens fest, also schon bevor der Rechtsstreit überhaupt zu den Gerichten gelangt. Der Einwand, es komme nicht auf die Anzahl der Beweisaufnahmen an, sondern auf die Verfahrensökonomie im einzelnen Prozeß, ist unbegründet. Entweder ist das Herbeiführen von Spruchreife grundsätzlich zulässig oder nicht. Merten und Jung haben mit einer Untersuchung aus den Jahren 1997 / 98 nachgewiesen, daß die Dauer von verwaltungsgerichtlichen Verfahren in der ersten Instanz im wesentlichen von der Menge der Neuzugänge, der Anzahl der Altfälle und der Personalentwicklung abhängig ist. Gegenstand des Forschungsprojekts waren die Zahlen über die Geschäftsentwicklung der Verwaltungsgerichte.83 Ein Das übersieht Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung des § 113 Abs. 3, S. 146 f. Anders Kopp, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 246 – Diskussionsbeitrag; Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 150. 78 Krebs, Kontrolle, S. 58. 79 Ule, Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs- (Finanz) Prozesses, S. 139 ff., S. 195 ff. Die dort genannten Zahlen können heute wegen ihres Alters, der höheren Eingangszahlen und der veränderten Rechtslage keine Geltung mehr beanspruchen. Teilweise waren sie schon 1977 veraltet, weil Akten aus den Jahren 1968 – 1973 ausgewertet wurden. Für die Auswirkungen von bestimmten Handlungen auf die Verfahrensdauer im allgemeinen ist die Untersuchung aber weiterhin interessant; zu den Vorbehalten wegen zwischenzeitlicher Veränderungen siehe S. 12. 80 Berg, FS für Menger, S. 537 (539). 81 Ule, Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs- (Finanz) Prozesses, S. 139 und S. 196. 82 Stelkens / Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 79 Rdnr. 10; Oppermann, Funktionen des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens, S. 338, behandelt dieses Problem nicht, der Umfang der behördlichen Sachverhaltsermittlungen läßt aber eine Entlastung vermuten, S. 125. 83 Merten / Jung, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 31 (38). 76 77

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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wichtiges Ergebnis der Untersuchung ist die verfahrensverlängernde Spiralwirkung von höheren Neuzugangszahlen, dadurch steigender Menge von Altfällen bei gleichbleibender Richterzahl.84 Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug in Rheinland-Pfalz im Jahre 1995 wegen der geringeren Summe von Altfällen 11,9 Monate gegenüber 18,1 Monaten in Hessen.85 Rheinland-Pfalz konnte damals die erstinstanzliche Verfahrensdauer bei ca. einem Jahr stabilisieren, weil es die Anzahl der Richterstellen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit von ca. 20 im Jahre 1993 auf 37 im Jahre 1996 erhöht hat.86 Merten und Jung haben zwar nicht die Binnenprozesse – zum Beispiel Beweisaufnahmen – in den Verfahren untersucht. Aufgrund des Zahlenmaterials und der Tatsache, daß im Jahre 1996 nur 37,5% der Streitsachen durch ein Urteil abgeschlossen wurden,87 läßt sich aber sagen, daß das Herbeiführen von Spruchreife durch Beweisaufnahmen für die Verfahrensdauer weit weniger bedeutend ist, als die Kritiker der gerichtlichen Praxis annehmen. Verwaltungsgerichtliche Sachverhaltsermittlungen sind in der Regel nicht so zeitaufwendig, daß sie mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar wären.88 Sie sind daher auch in den Fällen verfassungsgemäß, in denen sie einen Sachverhalt betreffen, der noch nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens war. Soweit die Verwaltungsgerichte personell und technisch angemessen ausgestattet sind, überfordert sie das Herbeiführen von Spruchreife grundsätzlich nicht.89 Sendler hat jedoch mit Recht darauf hingewiesen, daß die Überlastung der Verwaltungsgerichte zum Teil „hausgemacht“ ist.90 Die Verfahrensdauer könnte trotz der gerichtlichen Praxis, Spruchreife durch originäre Tatsachenermittlungen herbeizuführen, verkürzt werden. Gemeint sind insbesondere die Mißachtung der 2 Wochen Frist für das Absetzen von Urteilen gemäß § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO und die „großzügige“ Interpretation von § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO durch die Verwaltungsrichter.91 Kritik an dieser verwaltungsgerichtlichen Praxis ist berechtigt. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht für das arbeitsgerichtliche Verfahren nochmals klargestellt, „daß ein Urteil, das nicht innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung in vollständiger Form unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben wird, als nicht mit Gründen versehen anzusehen ist.“92 Unabhängig davon Merten / Jung, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 31 (39). Merten / Jung, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 31 (40 f.); Zahlen auch bei Böhm, DÖV 2000, S. 990; Hien, DVBl. 2004, S. 909 (913). 86 Merten / Jung, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 31 (45). 87 Merten / Jung, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 31 (53). 88 Von einer Verkürzung der Rechtsschutzgarantie, die Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 149 f., beklagt, kann daher keine Rede sein. 89 Dazu Caesar, in: Pitschas, Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 17 (20 / 28). 90 Sendler, DVBl. 1982, S. 923 ff. 91 Siehe nur BVerwG, Beschl. v. 25. 04. 2001 – 4 B 31 / 01 –, NVwZ-RR 2001, S. 798 (799). 92 BVerfG, Beschl. v. 26. 03. 2001 – 1 BvR 383 / 00 –, NJW 2001, S. 2161. 84 85

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

wäre die durchschnittliche Verfahrensdauer wahrscheinlich deutlich kürzer, wenn § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO beachtet werden oder das Bundesverwaltungsgericht Verstöße gegen § 117 Abs. 4 VwGO insgesamt strenger ahnden würde.

3. Prozeßökonomie Das Herbeiführen von Spruchreife ist aus Sicht der Verwaltungsgerichte prozeßökonomisch, denn es hilft, zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu verhindern.93 Ein Bescheidungsurteil verpflichtet die Behörde, unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung erneut oder erstmals zu entscheiden. Gegen das Ergebnis kann sich der betroffene Bürger abermals wehren. Ein Folgeprozeß ist nicht ausgeschlossen.94 Behandelt das Gericht zudem eine Bescheidungsklage fälschlicherweise wie eine isolierte Anfechtungsklage und hebt nur den Ablehnungsbescheid auf, ist die Behörde nicht gehindert, einen gleichen oder ähnlichen Verwaltungsakt erneut zu erlassen.95 Auch eine andere rechtliche oder tatsächliche Grundlage für den neuen Verwaltungsakt ändert nichts an der weiterhin drohenden ablehnenden Entscheidung. Der Folgeprozeß ist damit vorprogrammiert, weil der betroffene Bürger schon einmal vor Gericht obsiegt hat. Die Rechtsprechung versucht daher, weitere Verfahren durch Verpflichtungsurteile zu verhindern. Das Herbeiführen von Spruchreife mag daher unter prozeßökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll sein, jedoch ist anzumerken, daß Folgeprozesse von vornherein ausgeschlossen sind, wenn es erst gar nicht zum ersten Prozeß kommt. Es ist vernünftiger, den Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und eine Entscheidung zu treffen, die die Beteiligten überzeugt und einen Rechtsstreit vermeidet.96 Je höher die Richtigkeitsgewähr einer Verwaltungsentscheidung ist, desto unwahrscheinlicher ist ein Prozeß, weil die betroffenen Rechtspositionen schon durch die Verwaltungsbehörde zum Ausgleich gebracht werden können.97 Es ist daher unklug, Genehmigungsverfahren durch den Wegfall des Vorverfahrens beschleunigen zu wollen.

93 Bettermann, FS für Menger, S. 709 (711 f.), behandelt dieses Problem unter dem Aspekt von § 46 VwVfG; Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 86 f. 94 BVerwG, Urt. v. 13. 01. 1955 – I C 59.54 –, E 1, 311 (313). 95 Gaentzsch, FS für Redeker, S. 405 (407); BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1953 – I C 51.53 –, E 1, 12 (13 f.). 96 Kopp, VerwArch. 61 (1970), S. 219 (221 f.). 97 Schlink / Wieland, DÖV 1982, S. 426 (433).

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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II. Der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO 1. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und Dispositionsmaxime Das Bundesverwaltungsgericht begründet das Herbeiführen von Spruchreife mit § 86 Abs. 1 VwGO.98 Es müsse den Rechtsstreit entscheiden und dazu die notwendigen Tatsachen ermitteln. Die im öffentlichen und im Interesse der Kläger liegende Kontrolle von Verwaltungshandlungen sei nur möglich, wenn die entscheidungserheblichen Tatsachen feststehen. Das Gericht erforscht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. 99 Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Im Gegensatz zum Verhandlungsgrundsatz, der die Parteien verpflichtet, den Streitstoff in den Prozeß einzuführen und seine Feststellung zu betreiben, müssen die Verwaltungsgerichte den Sachverhalt in eigener Verantwortung erforschen.100 Gleichwohl gilt im Verwaltungsprozeß nicht die Offizial-, sondern die Dispositionsmaxime.101 Es liegt in der Hand des Klägers, das Verfahren einzuleiten. Er hat darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will.102 Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts ist daher dem Einwand ausgesetzt, den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 88 VwGO geltenden Dispositionsgrundsatz zu mißachten.103 Der Kläger bestimme den Verfahrensgegenstand. Er lege fest, welcher Sachverhalt zu ermitteln sei.104 Das Entscheidungsrecht folge nicht der Sachverhaltsermitt98 BVerwG, Urt. v. 02. 05. 1984 – 8 C 94.82 –, E 69, 198 (201); siehe auch Bettermann, FS für Ipsen, S. 271 (280); Kropshofer, Untersuchungsgrundsatz, S. 69; von Mutius, FS für Menger, S. 575 (603); Schoch, DÖV 1984, S 401 (403); Weyreuther, DÖV 1985, S 126 (129); Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 451 f.; Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 350 ff. 99 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 219 f.; Höfling / Breustedt, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 86 Rdnr. 4; Berg, FS für Menger, S. 537 (539 f.), weist darauf hin, daß in der Praxis der Untersuchungsgrundsatz zunächst nicht in Erscheinung tritt. Die Sachverhaltsermittlung erfolgt am Anfang des Prozesses nach dem Muster der Verhandlungsmaxime. Erst wenn die Beteiligten nichts mehr zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können oder wollen, kommt der Untersuchungsgrundsatz zur Anwendung. 100 Höfling / Breustedt, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 86 Rdnr. 2; Kopp / Schenke, VwGO, § 86 Rdnr. 1; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 21; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 22; Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, S. 277. 101 Zu dem daraus entstehenden Spannungsverhältnis Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 367 ff. 102 Berg, FS für Menger, S. 537 (542). 103 Krit. daher auch Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 415 ff., die umfassende Aufklärungs- und Ermittlungspflicht vertrage sich nicht mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Parteienprozeß. 104 Schmid, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 88 Rdnr. 1.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

lungspflicht, sondern die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung dem Entscheidungsrecht. Die Feststellung der relevanten Tatsachen sei kein Selbstzweck, sondern diene der Entscheidung des anhängigen Rechtsstreits.105 Wenn der Kläger im Rahmen einer Verpflichtungsklage beantrage, die Behörde zur Neu- oder Erstbescheidung zu verurteilen, sei es dem Gericht verboten, die Behörde zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts verurteilen. Es dürfe keine diesbezüglichen Untersuchungen anstellen.106 Die richterliche Aufklärungspflicht sei auch dann begrenzt, wenn der Klageantrag über die Entscheidungsbefugnis hinausgehe.107 Das ist der Fall, wenn der Kläger den Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts begehrt und daher einen Verpflichtungsantrag stellt, das Verwaltungsgericht aber gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO die Behörde zur Neubescheidung verurteilt, weil diese einen Ermessensspielraum hat. Stehe die Rechtswidrigkeit des Bescheids fest, dürften die Verwaltungsgerichte nicht durch Sachverhaltsermittlungen die Grundlage für die neue behördliche Entscheidung schaffen.108 Der von Teilen der Literatur erweckte Eindruck, mit dem Herbeiführen von Spruchreife werde § 88 VwGO verletzt, ist unangebracht. Es existiert eine ebenso selbstverständliche wie unscharfe Grenze für die gerichtliche Untersuchungspflicht. Sie wird allerdings in den Urteilen nicht oder nur verklausuliert in Form der Worte „maßgeblich,“109 „nötig,“110 „notwendig“111 oder „erforderlich“112 erkennbar. Gemeint ist der durch die Tatbestandsmerkmale der anwendbaren Normen umrissene entscheidungserhebliche Sachverhalt.113 Dieser bildet zusammen mit dem Klageantrag den Streitgegenstand.114 Allein das Gericht entscheidet darüber, welche Normen auf den Rechtsstreit anzuwenden sind.115 Der Kläger formuliert den Klageantrag, das Gericht ist aber gemäß § 88 VwGO nicht an den Wortlaut gebunden. Es darf nur über das notfalls mit einem Hinweis gemäß § 86 Abs. 3 VwGO ermittelte Klageziel nicht hinausgehen (ne ultra petita). Der so interpretierte Antrag bestimmt den Streitgegenstand.116 Das Gericht muß Klarheit darüber Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 111. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24. 01. 1977 – 7 A 21 / 76 –, AS RP-SL 14, 368 (375). Die Klägerin hatte wegen der Ablehnung der Zuerkennung des Prädikats „Spätlese“ für einen Wein Verpflichtungsklage erhoben. Das Gericht durfte über den Bescheidungsantrag nicht hinausgehen. 107 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 113 f. 108 BVerwG, Urt. v. 09. 05. 1956 – III C 123.54 –, E 3, 279 (281); BVerwG, Urt. v. 04. 03. 1960 – I C 43.59 –, E 10, 202 (204); BVerwG, Urt. v. 14. 03. 1985 – 5 C 145.83 –, E 71, 139 (150). 109 BVerwG, Urt. v. 02. 05. 1984 – 8 C 94.82 –, E 69, 198 (201). 110 BVerwG, Urt. v. 18. 04. 1956 – V C 145.55 –, E 3, 245 (246). 111 BVerwG, Urt. v. 10. 10. 1961 – VI C 123.59 –, E 13, 99 (106). 112 BVerwG, Urt. v. 04. 03. 1960 – I C 43.59 –, E 10, 202 (204). 113 Geiger, BayVBl. 1999, S. 321 (322). 114 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel B. 115 Geiger, BayVBl. 1999, S. 321 (323). 116 Barbey, FS für Menger, S. 177 (181). 105 106

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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gewinnen, welchen Streitgegenstand der Antrag beschreibt und welche Folgen sich daraus für den Umfang der Untersuchungspflicht ergeben.117 Das ist der Grund, warum die Grenze der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung nicht immer klar erkennbar ist. Der Streitgegenstand bestimmt zwar die Reichweite der Untersuchungspflicht.118 Er ist aber selbst bestimmungsbedürftig. Da das Gericht den Klageantrag auslegt und darüber entscheidet, welche Normen anzuwenden sind, bestimmt es in einem gewissen Maße die Grenzen seiner Untersuchungstätigkeit.119

2. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und Mitwirkungspflicht der Behörde Die Behörden sind gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. VwGO zur Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen. 120 Die Parteien haben als Erforschungsgehilfen der Verwaltungsgerichte an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken.121 Den Behörden ist es aber auch unbenommen, von sich aus neue Erkenntnisse in den Verwaltungsprozeß einzubringen und so zur Wahrheitsfindung beizutragen. Eine unsichere Beweislage kann sich ungünstig auswirken. Es ist daher in ihrem Interesse, die Richter zu unterstützen.122 Die Mitwirkungspflicht123 fördert das Herbeiführen von Spruchreife und verhindert den vermehrten Erlaß von Bescheidungsurteilen aufgrund fehlender Sachverhaltsermittlungen im Verwaltungsverfahren. Mit einer solchen Vorschrift bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, daß er in behördlichen Untersuchungen, die zeitgleich zum gerichtlichen Verfahren stattfinden, keine Gefahr für die rechtlichen Interessen der Bürger und den Individualrechtsschutz sieht. Dieses Ergebnis wird durch § 94 VwGO bestätigt. Bedarf es zum Herbeiführen von Spruchreife der Entscheidung anderer Behörden oder Fachgremien, so hat das Gericht gemäß § 94 VwGO das Verfahren solange auszusetzen.124

Schmid, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 88 Rdnr. 7. Berg, FS für Menger, S. 537 (542); Kopp / Schenke, VwGO, § 86 Rdnr. 4. 119 Dazu Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 346 f. 120 Siehe dazu BVerwG, Urt. v. 02. 05. 1984 – 8 C 94.82 – E 69, 198 (201); Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 68; von Mutius, FS für Menger, S. 575 (603); dagegen Kopp, Verfassungsrecht, S. 250 Fn. 693. 121 Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, S. 278; Höfling / Breustedt, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 86 Rdnr. 108 f. 122 BVerwG, Urt. v. 2. 12. 1971 – III C 104.69 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 82; BVerwG, Urt. v. 30. 08. 1973 – II C 26.71 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 88. 123 BVerwG, Beschl. v. 16. 2. 1995 – 1 B 205.93 –, GewArch. 1995, S. 152 (154); anders BVerwG, Urt. v. 8. 5. 1984 – 9 C 141.83 –, DVBl. 1984, S. 1005 (1007) – Mitwirkungsobliegenheit. 124 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 68. 117 118

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

3. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Der Untersuchungsgrundsatz hat nicht nur wegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG einen verfassungsrechtlichen Stellenwert, sondern folgt aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.125 Dieses verpflichtet die Exekutive, Gesetzesverstöße zu unterlassen. Allein die Rechtsbindung der Verwaltung verhindert jedoch kein normwidriges Verhalten. Notwendig ist ein Kontrollmechanismus, der gewährleistet, daß die Behörden nicht die Grenzen rechtlich erlaubten Verhaltens überschreiten. Daher gehört – im Rahmen der Gewährleistung von Individualrechtsschutz – auch die objektive Rechtskontrolle zu den verwaltungsgerichtlichen Aufgaben.126 Die Gerichte kontrollieren das behördliche Handeln und sichern die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch durch die präventive Wirkung ihrer Urteile.127 Die neben dem Rechtsschutz der Bürger im öffentlichen Interesse gebotene objektive Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstreicht die Bedeutung von § 86 Abs. 1 VwGO.128

4. Gerichtlicher Untersuchungsumfang und richterliche Neutralität Der normative Gehalt von § 86 Abs. 1 VwGO erschöpft sich nicht darin, im Interesse des Klägers und der Allgemeinheit eine möglichst vollständige Sachverhaltsermittlung zu gewährleisten. Die Akzeptanz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen und das richterliche Ansehen beruhen auch auf einer nach allen Seiten hin offenen und neutralen Urteilsfindung, die weder Bürger noch Hoheitsträger bevorzugt.129 Eine solchen Ansprüchen genügende Rechtsprechung ist nur auf einer gesicherten und möglichst vollständigen Tatsachengrundlage möglich. Als Träger öffentlicher Gewalt sind die Verwaltungsgerichte dafür verantwortlich, ihre Entscheidungen auf einer verläßlichen Grundlage zu treffen130 und einen möglicherweise in der Sache rechtmäßigen Ablehnungsbescheid nicht vorschnell aufzuheben.131 Daß macht es notwendig, den für die Entscheidung erheblichen Tatsachenstoff offen und unparteiisch zu ermitteln.132 125 126 127 128

Kopp / Schenke, VwGO, § 86 Rdnr. 1. Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel A. IV. BVerfG, Beschl. v. 20. 04. 1982 – 2 BvL 26 / 81 –, E 60, 253 (290). Axmann, Nachschieben von Gründen, S. 90; Kropshofer, Untersuchungsgrundsatz,

S. 53. 129 Die durch das 6. VwGOÄndG (v. 1. 11. 1996, BGBl. I, S. 1626) eingefügte Nr. 7 in § 87 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist durch das RmBereinVpG (v. 20. 12. 2001, BGBl. I, S. 3987) aufgehoben worden; dazu Reinel, BayVBl. 2004, S. 454 (461). 130 Berg, FS für Menger, S. 537 (543). 131 Gaentzsch, FS für Redeker, S. 405 (406). 132 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 21.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

129

III. Die durch die Rechtswidrigkeit verursachte Rechtsverletzung und das Herbeiführen von Spruchreife 1. Die Trennung von Regelung und Begründung In dem erwähnten Urteil zum Erschließungsbeitragsrecht hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsgericht verpflichtet, mit einer veränderten Berechnungsgrundlage die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids zu prüfen.133 Zur Begründung hat es auf den Wortlaut von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verwiesen. Die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung sei maßgeblich dafür, ob der Bescheid rechtmäßig sei und von der Begründung zu separieren.134 Diese Trennung ermöglicht es den Verwaltungsgerichten, nach eigenen Argumenten für die Regelung zu suchen.135 Die Ergebnisorientierung der Rechtsprechung ist deutlich: Regelungskontrolle ist Ergebniskontrolle.136 Es sei grundsätzlich nicht prozeßökonomisch, einen angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben, der mit einer anderen Begründung alsbald wieder erlassen werden müsse.137 Diese Argumentation ist auf die Versagungsgegenklage übertragbar, weil mit dem Ablehnungsbescheid ein belastender Verwaltungsakt existiert. Fraglich ist aber, ob die Prämisse zutrifft, daß sich Regelung und Gründe voneinander trennen lassen. Dem Gericht müßte es erlaubt sein, eine auf einem unzutreffenden Sachverhalt oder einer verfehlten Rechtsanschauung beruhende Begründung durch eine ordnungsgemäße zu ersetzen.138 Ob es während des Prozesses gestattet ist, für eine Regelung neue Gründe zu suchen oder seitens der Behörde nachzuschieben, ist umstritten. Ein ablehnender Bescheid könnte rechtswidrig sein, soweit die angeführten Gründe die sachlich richtige Versagung nicht tragen. Insbesondere Schenke vertritt diese Meinung in bezug auf mit der Anfechtungsklage angreifbare Verwaltungsakte, weil der Bürger einen Anspruch auf eine zutreffende Begründung habe.139 Der Zusammenhang von Begründung und Regelung werde durch § 39 VwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG bestätigt. Es sei oftmals nicht möglich, 133 BVerwG, Urt. v. 27. 01. 1982 – 8 C 12.81 –, E 64, 356 (358); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 99; oben 2. Teil 1. Kapitel B. II. 134 BVerwG, Urt. v. 24. 09. 1953 – I C 51.53 –, E 1, 12 (13); Laubinger, VerwArch. 78 (1987), S. 207 (223 ff.); dazu Schenke, NVwZ 1988, S. 1 (2); Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 26 f. 135 Axmann, Nachschieben von Gründen, S. 90. 136 Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699. 137 OVG Nordrhein-Westfalen, Bescheid v. 14. 7. 1959 – VII A 1381 / 58 –, DÖV 1960, S. 144 (145); dazu auch R. P. Schenke, VerwArch. 90 (1999), S. 232 (239); Axmann, Nachschieben von Gründen, S. 90 f.; klassisch Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 57 III 1: „unerträglicher Formalismus.“ 138 Für die Anfechtungsklage strikt ablehnend Schenke, NVwZ 1988, S. 1 (11). 139 Schenke, NVwZ 1988, S. 1 (8); gute Darstellung dieser Ansichtauch bei Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 4 ff.

9 Bickenbach

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

den Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts zu ermitteln, ohne auf die Ausführungen der Behörde zurückzugreifen.140 Schenke lehnt daher das Nachschieben von Gründen durch die Behörde ab.141 2. Das Herbeiführen von Spruchreife und das Nachschieben von Gründen Die Frage, ob sich die im Ausspruch eines Verwaltungsakts enthaltene Regelung von der Begründung trennen läßt, ist oberflächlich betrachtet eine rein formale. Damit ist jedoch ein im Verwaltungsprozeßrecht bekanntes Problem angesprochen: das Nachschieben von Gründen. Dieses ist nur möglich, wenn sich ein Verwaltungsakt gedanklich teilen läßt – in Ausspruch und Begründung – und jedes Element einer isolierten Betrachtung zugänglich ist. Die gestellte Frage zu beantworten, ist jedoch schwierig, weil die Diskussion nicht nur von einer verwirrenden terminologischen Vielfalt geprägt ist,142 sondern mit Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auch unterschiedliche Streitgegenstände sowie verschiedene Prozeßsituationen angesprochen sind. Das Nachschieben von schon vorhandenen Gründen durch die Behörde darf nicht verwechselt werden mit dem Herbeiführen von Spruchreife durch gerichtliche Sachverhaltsermittlungen und ist zu unterscheiden von dem „Halten des Verwaltungsakts aus anderen Gründen“ durch das Gericht, also dem Endergebnis.143 Es wäre der sprachlichen Klarheit dienlich, wenn das Nachschieben von Gründen begrifflich allein den behördlichen Aktivitäten vorbehalten wäre, weil nur die Behörde nachträglich Gründe vorträgt. Sie hat den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen, sie hat ein Interesse an seinem Bestand.144 Das gilt für einen normalen belastenden Verwaltungsakt, gilt aber genauso für einen Ablehnungsbescheid. Der Behörde geht es jeweils darum, eine von ihr getroffene Regelung zu verteidigen.145 Der Kläger muß jeweils fürchten, daß seine Klage als unbegründet abgewiesen wird, weil die von der Verwaltung getroffene Regelung vom Gericht aus anderen als den ursprünglich angeführten Gründen gehalten wird.146 Der Schlüssel zum Verständnis der Unterscheidung ist der Streitgegenstand der Versagungsgegenklage.147 Der Anspruch auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungs140 Schenke, NVwZ 1988, S. 1 (7); Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung des § 113 Abs. 3 VwGO, S. 14. 141 Zusammenfassend Axmann, Nachschieben von Gründen, S. 93. 142 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 33; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 116; siehe auch die Unterscheidung von ex ante und ex post Gründen bei Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 182 ff. 143 Weyreuther, DÖV 1985, S. 126 (129). 144 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 60 f. 145 Die Untätigkeitsklage bleibt hier als Sonderfall außer Betracht. 146 Zu den Gemeinsamkeiten auch Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 115. 147 Dazu oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. d).

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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akts besteht nur, wenn der Ablehnungsbescheid den Kläger in seinen Rechten verletzt und dieser einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung hat. Die Frage, ob ein Vornahmeanspruch existiert, darf das Gericht erst beantworten, wenn es festgestellt hat, daß der Kläger einen Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids hat.148 Für den Erfolg der Klage ist entscheidend, ob der Ablehnungsbescheid im Ergebnis rechtswidrig ist, denn das Gericht darf dem Kläger nichts zusprechen, was ihm materiell-rechtlich nicht zukommt.149 Das Herbeiführen von Spruchreife steht für die gemäß § 86 Abs. 1 VwGO gebotenen Anstrengungen, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Gesetzeserfüllung aufzuklären.150 Mit dem Nachschieben von Gründen versucht die Behörde, das Gericht von der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids zu überzeugen. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen eine Verpflichtungsklage erfolgreich ist, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts hat und einen Bescheidungsantrag stellt. Hier kann der Kläger seinen Beseitigungsanspruch auch dann durchsetzen, wenn der Ablehnungsbescheid nur verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist und ihn in seinen Rechten verletzt.151 Das Gericht darf die Ergebnisrichtigkeit nicht feststellen, weil der Kläger einen Anspruch auf ermessens- oder beurteilungsfehlerfreie Gesetzeserfüllung hat. Daraus ergibt sich jedoch kein Argument gegen das Herbeiführen von Spruchreife und das „Halten“ des Ablehnungsbescheids in den Fällen einer gebundenen Entscheidung, weil das Verwaltungsgericht den behördlichen Ermessens- und Beurteilungsspielraum nicht ausfüllen darf, also aus rechtlichen Gründen keine Spruchreife besteht und daher auch nicht herbeigeführt werden kann. Das Herbeiführen von Spruchreife korrespondiert mit dem Streitgegenstand der Versagungsgegenklage.152 Das Recht auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids ist ein Teil des prozessualen Anspruchs. Aus diesem Grund beschäftigen sich die Verwaltungsgerichte so intensiv mit dem Ablehnungsbescheid, obwohl dieser nach Aussage des Bundesverwaltungsgerichts keine selbständige Bedeutung hat.153 Interessanterweise ist er aber umfassend darauf zu untersuchen, „ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht.“154 Dazu gehört die Prüfung, „ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist.“155 Es bleibt das Geheimnis des Bundesverwaltungsgerichts, warum es nach den tatbestandlichen VoraussetIm Ergebnis ähnl. Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 131. Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 117 ff.; Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 187. 150 Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 49 f. 151 Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 130. 152 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. d). 153 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. a). 154 BVerwG, Urt. v. 30. 06. 1989 – 4 C 40.88 –, E 82, 185 (188). 155 BVerwG, Urt. v. 30. 06. 1989 – 4 C 40.88 –, E 82, 185 (188). 148 149

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

zungen für einen Beseitigungsanspruch sucht, der angeblich keine selbständige Bedeutung hat. Der gerichtliche Prüfungsumfang unterstreicht jedenfalls die Richtigkeit des zum prozessualen Anspruch gefundenen Ergebnisses.156 Auch wenn man wegen der richterlichen Neutralität und dem Gewaltenteilungsprinzip im Nachschieben von Gründen durch die Behörde nicht die Erfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. VwGO sehen darf, so ist diese behördliche Praxis im Ergebnis zulässig. Beachtliche Gründe sprechen zwar dafür, daß der Bürger einen Anspruch auf eine zutreffende Begründung durch die Behörde haben sollte und ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, soweit er falsch begründet wurde.157 Das Nachschieben von Gründen ist im Fall von gebundenen Verwaltungsakten aber grundsätzlich möglich, weil ein subjektives öffentliches Recht auf die inhaltlich richtige Begründung mangels einer entsprechenden Unterlassungspflicht der Verwaltung nicht existiert.158 Wenn es aus erkenntnistheoretischen Gründen die einzig richtige Entscheidung nicht gibt, dann ist auch die allein zutreffende Begründung kaum denkbar. Eine behördliche Pflicht, es zu unterlassen, eine auf einem nicht vorliegenden Sachverhalt oder einer verfehlten Rechtsanschauung beruhende Begründung zu geben, ist verlockend, aber theoretischer Natur.159 Praktisch bedeutsam ist vielmehr, wer darüber zu entscheiden hat, ob eine Begründung als richtig gilt.160 Gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist das die Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Es gehört zu ihrer Entscheidungsverantwortung, verbindlich darüber zu entscheiden, ob ausreichende Gründe für ein hoheitliches Handeln vorliegen. Sie müssen die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen kontrollieren und bewerten. Das Nachschieben von Gründen geht dann im Herbeiführen von Spruchreife auf und endet im „Durchentscheiden“. 161 Damit eventuell einhergehende Beeinträchtigungen des Klägers bei seiner Rechtsverfolgung sind (verfassungs-)rechtlich zwar nicht unbedenklich,162 aber hinnehmbar. Gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG besteht nur ein Anspruch auf wirksamen, nicht auf optimalen Rechtsschutz.163 Hinsichtlich des Nachschiebens von Ermessens- oder Beurteilungserwägungen ist Vorsicht geboten. Der Behörde ist es zwar seit dem 6. VwGOÄndG gemäß Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 3. b). Siehe Schenke, NVwZ 1988, S. 1 (8 ff.); R. P. Schenke, VerwArch. 90 (1999), S. 232 (238 f.). 158 Dazu Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 9, S. 11 und S. 28 ff.; ähnl. R. P. Schenke, VerwArch. 90 (1999), S. 232 (243), der auf die fehlende Anspruchsgrundlage verweist. 159 Zur Unmöglichkeit einer inhaltlich richtigen Begründung Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 33 f. 160 Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 116. 161 Dazu allgemein Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 117 ff. 162 R. P. Schenke, VerwArch. 90 (1999), S. 232 (241); Axmann, Nachschieben von Gründen, S. 115; a. A. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 120. 163 Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel A. V. 156 157

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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§ 114 Satz 2 VwGO erlaubt, ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich eines Verwaltungsaktes noch im gerichtlichen Verfahren zu ergänzen.164 Diese Vorschrift wirft aber mehr Probleme auf, als sie löst und muß aus rechtsstaatlicher Sicht als verfehlt bezeichnet werden. Sie ist geeignet, den Anspruch des Bürgers auf fehlerfreie Ermessensausübung, in einen Anspruch auf Mitteilung von Ermessenserwägungen umzuwandeln165 und trägt nicht zur behördlichen „Entscheidungshygiene“ bei.166 Außerdem ist nicht ersichtlich, wie ein materiell rechtswidriger, weil ermessensfehlerhaft zustandegekommener Verwaltungsakt, nach den Grundsätzen der realen Fehlerheilung167 durch nachgeschobene behördliche Erwägungen ex nunc rechtmäßig werden kann.168 Abschließend ist zu § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu sagen, daß die Norm keine Befugnis zum Herbeiführen von Spruchreife beinhaltet. Daß Regelung und Begründung gesondert zu betrachten sind, folgt nicht aus § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, sondern ist eine Konsequenz aus dem mit der Versagungsgegenklage verfolgten prozessualen Anspruch. Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung sind tatbestandliche Voraussetzungen für den Beseitigungsanspruch und daher von Amts wegen durch das Verwaltungsgericht festzustellen. Es ist mißverständlich, wenn in der Literatur im Zusammenhang mit § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO von der Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte oder einer Befugnisnorm169 gesprochen wird. Die Norm erlaubt vielmehr Rückschlüsse auf den Streitgegenstand, der den richterlichen Entscheidungsmöglichkeiten die Grenzen setzt, in denen das Verwaltungsgericht nach eigener Einschätzung und Überzeugung den Sachverhalt erforschen kann und darf.

IV. Zwischenergebnis Die gerichtliche Praxis, im Verwaltungsprozeß möglichst alle Voraussetzungen eines Falles zu ermitteln, verstößt nicht gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Prüfung ist notwendig, um wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Das Herbeiführen von Spruchreife findet in § 86 Abs. 1 VwGO auch eine ausreichende einfachgesetzliche Grundlage. Macht der Kläger einen Anspruch auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts geltend, muß das Verwaltungsgericht prüfen, ob ein solches Recht im Ergebnis besteht. Die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründe rechtfertigen daher – zumindest isoliert betrachtet – das Herbeiführen von Spruchreife. 164 165 166 167 168

Dazu Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 57 f. R. P. Schenke, VerwArch. 90 (1999), S. 232 (260). Geis, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 97 (104). Dazu Hufen, NJW 1982, S. 2160 (2165 f.). Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 197 f., sieht darin einen zulässigen Neu-

erlaß. 169

In diesem Sinne zu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Krebs, FS für Menger, S. 191 (200).

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

D. Die Grenzen für das Herbeiführen von Spruchreife Wenn die Verwaltungsgerichte immer Spruchreife herbeiführen könnten, gäbe es keine Bescheidungsurteile. Eine Verpflichtungsklage ist spruchreif, wenn alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung vorliegen, die die Verwaltung verpflichtet, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen.170 Daher ist zu untersuchen, in welchen Fällen und aus welchen Gründen eine Verpflichtungsklage nicht spruchreif ist und daher die beklagte Behörde gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verurteilt wird, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung erneut oder erstmals zu bescheiden. Ausgangspunkt derartiger Überlegungen ist wiederum die Erkenntnis, daß Spruchreife ein prozessualer Begriff ist, „der an die materiell-rechtlichen Gegebenheiten anknüpft, diese aber nicht ändert.“171 Die gerichtliche Praxis zeigt, womit Spruchreife zusammenhängt: erstens mit der rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts; zweitens mit dem Umfang der Sachverhaltsermittlung.172 Bescheidungsurteile ergehen, wenn wegen der Struktur der Anspruchsnorm eine abschließende Entscheidung nicht durch das Gericht getroffen werden darf oder die Sachverhaltsermittlung faktisch oder aus rechtlichen Gründen durch die Behörde erfolgen muß. Diese materiell-rechtlichen Gegebenheiten, die das Herbeiführen von Spruchreife verhindern, entsprechen den verfassungsrechtlichen Grundlagen behördlicher Eigenverantwortung.173 Bescheidungsurteile ergehen, wenn der Behörde ein Ermessensspielraum, bei planerischem Charakter der Entscheidung ein Abwägungsspielraum oder bei unbestimmten Rechtsbegriffen ein Beurteilungsspielraum verbleibt. Die Verwaltung hat in diesen Fällen Entscheidungsrechte, die das Gericht aus Gründen der Gewaltenteilung nicht wahrnehmen darf. Die Entscheidungsverantwortung bleibt bei den Behörden. Im Gegensatz zu diesen Fällen, in denen Spruchreife aus rechtlichen Gründen fehlt, ist es den Verwaltungsgerichten gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und § 86 Abs. 1 VwGO erlaubt, durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen Spruchreife herbeizuführen, wenn der Kläger einen Anspruch auf einen bestimmten Verwaltungsakt hat. Grenzen für das Herbeiführen von Spruchreife können sich aber dann ergeben, wenn eine funktionsgerechte Arbeitsteilung zwischen Behörden und Verwaltungsgerichten nicht mehr gewährleistet ist. Daß es den Gerichten gestattet ist, originäre Tatsachenermittlungen durchzuführen, heißt noch nicht, daß diese auch in allen Fällen geboten sind.

170 171 172 173

Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel A. BVerwG, Urt. 05. 10. 1990 – 7 C 55 und 56.89 –, E 85, 369 (379 f.). Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel B. I. Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel B. IV. 3.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 117 ff.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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I. Das Fehlen von Spruchreife aus rechtlichen Gründen Behördliche Ermessens-, Abwägungs- und Beurteilungsspielräume sind anerkannte Gründe für das Fehlen von Spruchreife. Zuweilen entsteht sogar der Eindruck, daß es sich um zeitlose Kategorien handelt, losgelöst von der Entstehung des Verwaltungsrechts sowie der geschichtlichen Entwicklung der gerichtlichen Kontrolle insgesamt. Warum in diesen Fällen die Spruchreife fehlt und es nahezu unumstritten den Verwaltungsgerichten nicht gestattet ist, behördliches Ermessen durch richterliches zu ersetzen, setzt Kenntnisse von der Genese der Lehren vom Ermessen und Beurteilungsspielraum voraus.174 Nur so ist zu verstehen, weshalb in diesen Fällen keine Spruchreife besteht.

1. Das Verwaltungsermessen als Grund für das Fehlen von Spruchreife a) Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Ermessenslehre Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff sind grundlegende verwaltungsrechtliche Kategorien.175 Rechtsprechung und Literatur haben zunächst die Ermessenslehre entwickelt. Die Herausbildung von unbestimmten Rechtsbegriffen als Rechtsfigur neben dem Ermessen176 und die Lehre vom Beurteilungsspielraum177 folgten erst später. Ermessen war und ist ein Problem des Gesetzesvollzugs durch die Verwaltung und dessen gerichtlicher Kontrolle. Die Ermessensproblematik ist jedoch älter. Sie ist schon vor der Errichtung einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden.178 Sie ist ein Teil des Spannungsverhältnisses zwischen dem neuzeitlich-souveränen Staat, der die Lebensverhältnisse seiner Untertanen ordnet, und dem Recht.179 174 Für das Ermessen Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25 Rdnr. 27; Rode, § 40 VwVfG, S. 6; insgesamt Rupp, FS für Zeidler, S. 455 ff. 175 Brühl, JuS 1995, S. 249; Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 1. 176 Die Unterscheidung von Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriffen ist nicht unangefochten, siehe H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 104 ff., 172 ff.; Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 30 f; Ossenbühl, DÖV 1972, S. 401 (404); W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 150 ff.; Scholz und Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 145 (167) und S. 221 (252); Bullinger, in: ders., Verwaltungsermessen im modernen Staat, S. 131 (141); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 55; Starck, FS für Sendler, S. 167 (169); Smeddinck, DÖV 1998, S. 370 ff.; Krebs, Kontrolle, S. 95; Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 6 f., 108 ff. 177 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 31. 178 Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 7. 179 Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 8; anschaulich Faber, Verwaltungsrecht, § 14 II, die Fieberkurve der Ermessenslehre.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Der auf Macht und Gehorsam aufbauende Staat, verkörpert durch die Person des Monarchen, unterlag in seinem Handeln nur partiell rechtlichen Bindungen.180 Große Teile der staatlichen Tätigkeit lagen in seinem „Ermessen“. Das änderte sich mit der Entstehung einer säkularen Gesellschafts- und Rechtsordnung und führte zur Abtrennung der sogenannten Justizsachen von der monarchischen Richtergewalt.181 Die Ordnung der rechtlichen Beziehungen zwischen den Untertanen entzog sich mehr und mehr dem staatlichen Zugriff. Gleichzeitig blieb jedoch die Kontrolle der staatlichen Gewalt den Richtern verschlossen.182 Erst mit der konstitutionellen Entwicklung und der verfassungsrechtlich abgesicherten Mitwirkung von Volksvertretungen an der Gesetzgebung verlor der Monarch einen bedeutenden Teil seines Ermessensbereichs.183 Ihm blieb die Verwaltung als arcanum184 und damit die Ausübung des ihr eigenen Ermessens. Das ist der Ausgangspunkt für die Diskussion um die Ermessenskontrolle durch eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ermessen und Rechtskontrolle bildeten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Gegensatzpaar, einen Widerspruch in sich. Die ursprüngliche, auf dem Gottesgnadentum beruhende Staatsgewalt war nicht auf eine Verfassung gegründet, sondern wurde durch diese nur begrenzt.185 Monarch und Verwaltung standen neben der gesetzgebenden Gewalt. Hinter den Schranken der (formellen) Gesetze (dem Vorbehaltsbereich) begann das rechtsfreie Betätigungsfeld der Verwaltung zur Verwirklichung des Gemeinwohls.186 Die Rechtsbindung der staatlichen Gewalt war eine Gesetzesbindung. Die Reichweite der Gesetze (genauer: der Gesetzes- und Rechtssatzbegriff) bestimmte die Reichweite des Rechts.187 Die rechtliche Bindung staatlichen Handelns knüpfte nicht am Parlamentsgesetz an, sondern an dem aus der Gewaltenteilung entwikkelten Rechtsstaatsgedanken. So wurde die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu eiHufen, Verwaltungsprozßrecht, § 2 Rdnr. 3 f. Organisatorischer Ausdruck für die mit der Privatrechtsordnung identifizierte Rechtsordnung, Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 8; zu dieser Entwicklung Rüfner, FS für Menger, S. 3 (10 ff.); Erichsen, Grundlagen, S. 82; Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 18 ff. 182 Zur Entwicklung der Administrativjustiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 2 Rdnr. 4 ff. 183 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 4 f. 184 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25 Rdnr. 27; Rupp, FS für Zeidler, S. 455 (460); Bullinger, in: ders., Verwaltungsermessen im modernen Staat, S. 131 (132); Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 89 f. 185 Zum monarchischen Prinzip Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 112 (115 f.); Rode, § 40 VwVfG, S. 8 f. 186 Stahl, Rechtsphilosophie, Bd. II / 2, 5. Aufl. 1878, S. 607 ff., zitiert nach Rupp, Grundfragen, S. 106 Fn. 5 und ders., FS für Badura, S. 995 (1000 Fn. 12); Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 150; dazu auch Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 3. 187 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 114; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 12 ff. und S. 20. 180 181

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nem rechtsstaatlichen Grundsatz, ohne daß der Vorbehalt des Gesetzes die gesamte Tätigkeit der Exekutive erfassen mußte.188 Das Ermessen blieb vom Verfassungsrecht unberührt, weil dieses keine unmittelbare Schranke der monarchischen Tätigkeit war, sondern das demokratische Staatshandeln konstituierte. Nach damaligen Verständnis konnte die Verfassung keine Schranke für die Verwaltungstätigkeit sein, weil die monarchische Macht als rechtliche Basis für das Handeln der Verwaltung im Gottesgnadentum lag.189 Die fehlende Wahrnehmung von verfassungsrechtlichen Bindungen und das Bild vom Gesetz als bloße Schranke des Verwaltungsermessens führten dazu, daß der Vorbehalt des Gesetzes nicht als Grundlage und Grenze für Ermessenshandlungen erkannt wurde.190 Das Verwaltungsermessen wurde der Gesetzesanwendung gegenübergestellt.191 Diese zu kontrollieren war Aufgabe der Rechtsprechung. Die gesetzliche Determination von gerichtlichen Entscheidungen galt als selbstverständlich, weil die Richter lediglich den Inhalt der Gesetze zu ermitteln hatten. Nur die Verwaltung fügte dem Gesetzeswillen etwas Neues hinzu. Richterliche Entscheidungsspielräume und richterliches Ermessen waren dem Verwaltungsermessen entgegengesetzt.192 Es handelte sich nach damaligem Verständnis um zwei völlig unterschiedliche Kategorien von Ermessen.193 Hier behauptete der Satz vom Gesetz als Schranke des Verwaltungsermessens die prinzipiell freie Tätigkeit der Verwaltung gegenüber der rechtlich vorgezeichneten richterlichen Entscheidung.194 Mit dem Ende der Monarchie in Deutschland und dem Entstehen der Weimarer Republik änderte sich für die Verwaltung zunächst nicht viel. Das Bild des Kaisers wurde durch das Portrait des Reichspräsidenten ersetzt. Die Beamten hielten sich noch immer für unpolitisch und arbeiteten weiter wie bisher. Die traditionelle Ermessenslehre geriet aber aus zwei Gründen unter Druck. Zum einen war mit Blick auf die republikanische Staatsform Ermessen nicht mehr ein Bereich fortbestehender monarchischer Souveränität.195 Zum anderen enthielt die WRV in den Art. 109 bis 165 einen umfangreichen Katalog von Grundrechten und Grundpflichten. Viele Grundrechte standen jedoch unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt.196 Sie galten daher in der damaligen Staatsrechtslehre als Programmsätze Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 21 und S. 31. Rupp, FS für Zeidler, S. 455 (460); Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 169. 190 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 117; deutlich Stier-Somlo, Das freie Ermessen, S. 445 (498 f.). 191 Rupp, Grundfragen, S. 179. 192 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 30 f.; Stier-Somlo, Das freie Ermessen, S. 445 (453). 193 Rupp, Grundfragen, S. 178, faßt das dahin gehend zusammen, daß eine andere Vorstellung von der Stellung der Verwaltung gegenüber dem Gesetz bestand, als von der Stellung des Richters zum Gesetz. 194 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 117 f. 195 Bullinger, in: ders., Verwaltungsermessen im modernen Staat, S. 131 (136). 196 Ein Aufzählung findet sich bei E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, § 8, S. 98. 188 189

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

und waren gesetzgeberischen Eingriffen relativ schutzlos ausgeliefert.197 Der allgemeine Gesetzesvorbehalt wurde als eine Wiederholung des ohnehin geltenden Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wahrgenommen.198 Es verwundert nicht, daß die Diskussion über das Verwaltungsermessen und seine gerichtliche Kontrolle nicht lebhaft geführt wurde. Mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung war es möglich, an die konstitutionelle Tradition anzuknüpfen. Grundrechtliche Eingriffsverbote wurden in allgemeinen Gesetzesvorbehalten aufgelöst.199 Das Grundgesetz veränderte nochmals die Vorzeichen für die Lehre vom Verwaltungsermessen.200 Art. 1 Abs. 3 GG macht unmißverständlich klar, daß die Grundrechte keine beliebig ausfüllbaren Programmsätze, sondern unmittelbar geltendes und alle staatliche Gewalt bindendes Recht sind. In Art 20 Abs. 3 GG ist der Vorbehalt des Gesetzes für die vollziehende Gewalt festgeschrieben. Es ist nicht mehr möglich, die Verfassung auszublenden, weil sie Grundlage und Grenze jeder hoheitlichen Tätigkeit ist. Dem Gedanken vom Gesetz als Schranke der Ermessensentscheidungen ist der Boden entzogen, die Ausübung staatlicher Gewalt jenseits von Recht und Grundrechten nicht mehr denkbar.201 Das Gesetz begrenzt nicht mehr das Verwaltungsermessen, sondern es ist die Basis der Verwaltungstätigkeit. Staatliche Gewalt muß mittels gesetzlicher Regelungen ausgeübt werden. Konsequenz aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben202 ist ein „Standortwechsel“ der Ermessenslehre unter die „Glocke des Gesetzes.“203 Das der Verwaltung Freiräume eröffnende Ermessen liegt nicht mehr jenseits der Gesetze, sondern ist die durch Normen bewirkte Konkretisierung gesetzgeberischen Willens. Die Ausübung von Ermessen ist Folge der gesetzlichen Ermächtigung dazu. Die rechtlichen Bindungen der Verwaltung werden dadurch nicht gelöst, sondern nur gelokkert.204 Verwaltungsbehörden erhalten die gesetzlich begründete, begrenzte und dirigierte Aufgabe zur Rechtsfolgenbestimmung.205 Der Gedanke der Ermächtigung ist auch im Wortlaut von § 40 VwVfG enthalten: „Ist die Behörde ermächtigt, nach 197 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Zweiter Hauptteil, Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen, Anm. 7, S. 517 ff. ; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 365 f. 198 E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, § 8, S. 99; Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 159. 199 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 115. 200 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 80. 201 Gleichwohl hielt sich diese Ansicht lange, siehe Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 83. 202 Zur Verfassungsmäßigkeit Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 76 ff. 203 Rupp, Grundfragen, S. 181; Badura, FS für Bachof, S. 169 (171), spricht von der „abschirmenden Wirkung“ des Gesetzes. 204 Stern, Staatsrecht II, S. 764. 205 Ossenbühl, DÖV 1976, S. 463 (465).

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.“ Nur in diesem Rahmen findet eine gerichtliche Überprüfung von ermessensgeleiteten Maßnahmen statt. § 114 Satz 1 VwGO erweitert daher entgegen seinem Wortlaut („auch“) nicht die Kontrollmöglichkeiten, sondern beschränkt sie und gibt der Verwaltung das Recht zur Letztentscheidung. 206 Die normative Ermächtigungslehre ist die am weitesten verbreitete rechtstheoretische Erklärung für das Verwaltungsermessen.207 Sie ist in der verfassungs-208 und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt.209 Die normative Ermächtigungslehre ist allerdings nicht neu. Sie findet sich – unter dem Vorzeichen des Gesetzesvorbehalts – schon bei Otto Mayer. Nach der damals herrschenden Auffassung vom Gesetz als Grenze freier hoheitlicher Tätigkeit, brauchte die Verwaltung eine gesetzliche Ermächtigung, um im Vorbehaltsbereich das tun zu können, was sie auch sonst tat: nach jeder Richtung obrigkeitlich zu handeln.210 Die gesetzliche Ermächtigung war notwendig, um den Wirkungskreis im Vorbehaltsbereich überhaupt zu eröffnen. Die normative Ermächtigungslehre ist nicht unbestritten geblieben. Insbesondere Rupp hat sie auf der Grundlage der Merkl-Kelsenschen Stufenlehre scharf angegriffen. Eine Ermächtigung sei nur denkbar als Ermächtigung zur EinzelfallRechtserzeugung, was die deutsche Ermessenslehre aber ablehne. Es sei „eine nicht nachvollziehbare Vorstellung anzunehmen, das Recht könne kraft seiner rechtlichen Geltung sich in der Manier Münchhausens gerade seiner Rechtsqualität entäußern und kraft Rechts zum Betreten rechtsleerer Räume ermächtigen.“211 Diese Auffassung hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Die Verwaltungsgerichte haben am System Otto Mayers festgehalten und große Teile der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft haben sich auf die Abgrenzung von Einzelakt und Rechtsnorm konzentriert. 206 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 114 Rdnr. 2; Kopp / Schenke, VwGO, § 114 Rdnr. 1; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25 Rdnr. 25 ff.; Faber, Verwaltungsrecht, § 14 II; Bullinger, in: ders., Verwaltungsermessen im modernen Staat, S. 131. 207 Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rdnr. 16; Papier, DÖV 1986, S. 621 (625); Wahl, NVwZ 1991, S. 409 (410); Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 185; ders., DVBl. 1997, S. 281 (283); Badura, FS für Bachof, S. 169 (173); Starck, FS für Sendler, S. 167; Diekötter, Auswirkung von Verfahrensfehlern, S. 54 ff.; Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 22 ff.; Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (706 f.); siehe schon Ule, GS für W. Jellinek, S. 309 (315). 208 BVerfG, Urt. v. 08. 08. 1978 – 2 BvL 8 / 77 –, E 49, 89 (144); BVerfG, Urt. v. 08. 07. 1982 – 2 BvR 1187 / 80 –, E 61, 82 (111). 209 BVerwG, Urt. v. 03. 03. 1987 – 1 C 27 / 85 –, NJW 1987, S. 1435; BVerwG, Urt. v. 27. 09. 1978 – 1 C 48.77 –, E 56, 254 (259). 210 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. I, S. 73. 211 Rupp, Grundfragen, S. 182 ff., S. 204; ders. NJW 1969, S. 1273 (1274); ders., FS für Zeidler, S. 455 (459).

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Die normative Ermächtigungslehre dient dazu, die gesetzlich sanktionierte behördliche Letztentscheidung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu rechtfertigen.212 Ermessensausübung soll für mehr Gerechtigkeit im Einzelfall sorgen und der Verwaltung eine Flexibilitätsreserve verschaffen.213 Die Lehre von der normativen Ermächtigung verbindet sich an dieser Stelle mit einer funktionalen Sicht der Gewaltenteilung. Beiden gemeinsam ist die Vorstellung von der gut ausgerüsteten und sachverständigen Verwaltung, die bestimmte Entscheidungen besser treffen kann, als die nur begrenzt zur Nachvollziehung befähigten Verwaltungsgerichte.214 b) Ermessen und Spruchreife in der Rechtsprechung Die zentrale Rechtsvorschrift für die Ermessenskontrolle ist § 114 Satz 1 VwGO.215 Sie erlaubt den Verwaltungsgerichten zu prüfen, ob die Behörden die ihnen bei der Ermessensausübung durch § 40 VwVfG gezogenen Grenzen beachtet haben.216 Da Ermessen eine besondere Befugnis zur Rechtskonkretisierung im Rahmen eines vorgegebenen Normzwecks bedeutet, ist die Ermittlung des Regelungsziels wesentlich dafür, ob die Behörde rechtmäßig gehandelt hat. Der Zweck der Ermessensausübung ist gerichtlich voll überprüfbar, die Zweckmäßigkeit der Entscheidung nicht.217 Ein Bescheidungsurteil darf keine diesbezüglichen Erwägungen enthalten. Zwischen gerichtlich nachprüfbarer Ausrichtung eines Verwaltungsakts am Normzweck218 und nicht überprüfbaren Zweckmäßigkeitserwägungen zu unterscheiden, klingt einfach, setzt aber einen eindeutigen Normzweck voraus. Viele Vorschriften verfolgen jedoch mehrere Ziele, insbesondere wenn sie komplexe Lebenssachverhalte regeln und verschiedene Interessen ausgleichen sollen.219 Die Gerichte entscheiden verbindlich über die Normzwecke und ihre Gewichtung. Angesichts vieler unklarer und mehrdeutiger Regelungen ist das unvermeidbar und notwendig. Da sie die Ausrichtung der Verwaltungsentscheidung am Normzweck kontrollieren, sind die Zweckmäßigkeitserwägungen der Verwaltungsbehörden Krit. Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 178 ff. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25 Rdnr. 27; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 13; Starck, FS für Sendler, S. 167 (170). 214 Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 13; O. Bähr, Der Rechtsstaat, S. 58, S. 60 ff.; Wahl, NVwZ 1991, S. 409 (411); Rengeling, FS für Ule, S. 297 (306); krit. Rupp, Grundfragen, S. 213 ff., weil sie in letzter Konsequenz jede richterliche Kontrolle unmöglich machen würde. 215 Zu den normativen Vorgaben Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 30 ff. 216 Zum gerichtlichen Prüfungsumfang Starck, FS für Sendler, S. 167 (176); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 19 ff.; Rode, § 40 VwVfG, S. 95 ff. 217 Starck, FS für Sendler, S. 167 (175). 218 Dazu Rode, § 40 VwVfG, S. 129 ff. 219 Brühl, JuS 1995, S. 249 (252). 212 213

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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hinfällig, wenn ihre Auffassung zum Zweck einer Vorschrift nicht mit der des Gerichts übereinstimmt.220 Bescheide, mit denen die Behörde eine in ihrem Ermessen stehende Leistung ablehnt, sind daher fehleranfällig, wie einige der folgenden Beispiele zeigen. Eine Industrie- und Handelskammer hatte es abgelehnt, den Antragsteller gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO a. F. als Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle öffentlich zu bestellen. Das OVG Rheinland-Pfalz hielt das klageabweisende erstinstanzliche Urteil für rechtmäßig, weil die Beklagte den Antrag ermessensfehlerfrei abschlägig beschieden hatte. Nachdem das Gericht festgestellt hatte, daß dem Antragsteller nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zustand, ermittelte es den Zweck der den Ablehnungsbescheid tragenden Norm und bestätigte das Ergebnis der Industrie- und Handelskammer.221 Ähnlich prüfte das OVG die abgelehnte Streichung eines Sperrvermerks in einer Aufenthaltserlaubnis und gab der Berufung des beklagten Landes statt. Mittels vorhandener Verwaltungsvorschriften ermittelte es den Zweck der Rechtsgrundlage für den Sperrvermerk und verglich sein Ergebnis mit dem der Behörde. Auf dieser Basis sah es keinen Grund, den Ablehnungsbescheid zu beanstanden.222 Symptomatisch dafür, daß die unzulässige gerichtliche Überprüfung von Zweckmäßigkeitserwägungen für die Behörde auch nachteilig sein kann, wenn sie vorher nicht alle Normzwecke ermittelt hat, ist eine Entscheidung zum Apothekennotdienst gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 LadSchlG und § 5 Abs. 1 ApoBO. Der Berufungskläger und ursprüngliche Antragsteller hatte bei der Bezirksregierung beantragt, ihn in eine andere Notdienstregelung einzubeziehen, weil die örtliche Regelung ihn jedes zweite Wochenende zum Notdienst verpflichtete. Der Antrag wurde wegen der sich daraus für die Einwohner einiger Gemeinden ergebenen Entfernungen zu einer Apotheke abgelehnt. Dieser Argumentation schloß sich das VG an. Das OVG Rheinland-Pfalz hob die angefochtenen Bescheide auf und verpflichtete den Beklagten, erneut über den Antrag zu entscheiden. Es bejahte ein Ermessen der Behörde bezüglich der Ausgestaltung der Notdienstregelung, sah aber die Interessen des Apothekers im Hinblick auf dessen Berufsfreiheit als nicht ausreichend gewichtet an. Das Grundrecht verlange, die Belange des Apothekers stärker einzubeziehen. Insbesondere seien die Behörden verpflichtet, jeweils ein bestimmtes Notdienstmodell genauer prüfen.223 Das Urteil ist ein Beispiel dafür, wie genau die Verwaltungsgerichte Ermessensentscheidungen überprüfen und wie schwierig es für Behörden ist, die Zwecke eiPache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 29. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26. 3. 1985 – 6 A 101 / 83 –, GewArch. 1985, S. 195 (196 f.) 222 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25. 09. 1980 – 11 A 30 / 80 –, nicht veröffentlicht. 223 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14. 05. 1985 – 6 A 83 / 84 –, nicht veröffentlicht; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10. 07. 1984 – 6 A 141 / 83 –, AS RP-SL 19, 356 (358 f.); die Revision war erfolglos, BVerwG, Beschl. v. 15. 10. 1985 – 3 B 81.84 –, Buchholz 418.21 ApBO Nr. 6. 220 221

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ner Norm zu ermitteln und in ein vertretbares Verhältnis zueinander zu setzen.224 Soweit eine Behörde die gesetzlichen Zielvorstellungen nicht beachtet oder nicht ausreichend in ihre Erwägungen einbezieht, liegt ein Ermessensfehlgebrauch gemäß § 114 Satz 1 VwGO vor,225 der ebenso wie die Ermessensüberschreitung oder der Ermessensnichtgebrauch (Ermessensunterschreitung) einen Ablehnungsbescheid rechtswidrig macht.226 So hatte die Bezirksregierung Trier die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 54 Abs. 1 WeinG (1982)227 abgelehnt, weil sie die Voraussetzungen als nicht gegeben ansah. Eine solche Genehmigung durfte nur „zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall“ erteilt werden. Das OVG Rheinland-Pfalz sah darin ähnlich wie die Gemeinsamen Senate der Obersten Bundesgerichte in ihrer Entscheidung zu § 131 der Reichsabgabenordnung228 eine Kopplungsvorschrift, die eine einheitliche Ermessensausübung verlangt und hob den Ablehnungsentscheid wegen Ermessensnichtgebrauch auf.229 Verstößt die Behörde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, liegt ein Ermessensfehler vor, weil eine unverhältnismäßige Maßnahme ebenfalls einen Ermessensfehlgebrauch beinhaltet.230 In diesem Kontext haben die Grundrechte enorm an Bedeutung gewonnen. Nicht nur Verletzungen von Art. 3 GG sind hier zu nennen, sondern auch die Mißachtung von grundrechtlich begründeten Ansprüchen. So hob das Bundesverwaltungsgericht eine die Nichterteilung der venia legendi bestätigende zweitinstanzliche Entscheidung auf, weil Art. 5 Abs. 3 GG und Art. 12 Abs. 1 GG von der Hochschule nicht ausreichend berücksichtigt worden waren. Aus den genannten Grundrechten leitete es einen Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ab.231 Selbst dieser sehr kursorische Überblick über die verschiedenen Ermessensfehler232 zeigt, wie schwierig es für die Behörden trotz § 40 VwVfG ist, den Anforderungen der Verwaltungsgerichte an eine rechtmäßige Ermessensentscheidung zu genügen, obwohl diese gemäß § 114 Satz 1 VwGO in ihren Kontrollmöglichkeiten Krit. dazu Brühl, JuS 1995, S. 249 (253). Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 22; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21. 03. 1985 – 12 A 143 / 83 –, AS RP-SL 19, 319 (328 f.); OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11. 09. 1980 – 11 A 12 / 80 –, AS RP-SL 16, 60 (68); BVerwG, Urt. v. 04. 06. 1986 – 7 C 76.84 –, E 74, 234 (239); BVerwG, Urt. v. 09. 05. 1986 – 1 C 39.83 –, E 74, 165 (173). 226 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 20 ff. 227 BGBl. I, S. 1196. 228 GmSOGB, Beschl. v. 19. 10. 1971 – GmS-OGB 3 / 70 –, BVerwGE 39, 355 (362). 229 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21. 02. 1989 – 7 A 58 / 88 –, AS RP-SL 22, 429 (433); zum Ermessensnichtgebrauch auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14. 11. 1991 – 1 A 10016 / 90 –, NVwZ-RR 1992, S. 463. 230 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 23; Brühl, JuS 1995, S. 249 (251); zur Gefahr der Aushöhlung der Ermessensspielräume Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 30. 231 BVerwG, Urt. v. 23. 09. 1992 – 6 C 2.91 –, E 91, 24 (28). 232 Zur Ermessensfehlerlehre Rode, § 40 VwVfG, S. 86 ff. 224 225

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eingeschränkt sind. Das ein Letztentscheidungsrecht der Verwaltungsbehörden begründende Ermessen verbietet den Gerichten lediglich, eine abschließende Entscheidung zu treffen.233 2. Fachplanerische Entscheidungen und Spruchreife An der Spruchreife fehlt es, wenn die Behörde eine Abwägungsentscheidung getroffen hat oder noch treffen muß. Derartige Entscheidungen sind charakteristisch für die Planung von Infastrukturprojekten, die eine Prognose erfordern und im Ergebnis variabel sind. Während ein Streit zwischen Behörde und Bürger über die Rechtmäßigkeit einer Genehmigung für die Parteien wichtig ist, sich aber über das konkrete Rechtsverhältnis hinaus nur bedingt auswirkt, sind Entscheidungen, die ein Planungsermessen beinhalten oftmals von großer wirtschaftlicher Tragweite.234 Verpflichtungen der Behörden zur Neu- oder Erstbescheidung sind daher bei Fachplanungen bedeutend. a) Planungsermessen und Ermessen Das Bundesverwaltungsgericht hat die grundlegenden Aussagen zum Planungsermessen235 anhand des BBauG und den Regelungen zur Bauleitplanung entwikkelt und Planung ohne Gestaltungsfreiheit als Widerspruch in sich bezeichnet.236 Planung sei kein rein rechtlicher Vorgang, sondern umfasse auch Elemente des Erkennens, Wertens und Bewertens. Den Umfang der gerichtlichen Kontrolle umschrieb es noch anhand von § 114 Satz 1 VwGO, entwickelte aber seine bis heute praktizierte Rechtsprechung zu den Fehlerfiguren Abwägungsdefizit und Abwägungsausfall.237 Später übertrug es die zur Bauleitplanung ergangene Rechtsprechung auf die gerichtliche Kontrolle von Planfeststellungsbeschlüssen.238 Der Planfeststellungsbehörde stehe eine umfassende planerische Gestaltungsfreiheit zu,239 die durch das 233 Ein Sonderfall ist die Ermessensreduzierung auf Null, dazu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 24 f.; Rode, § 40 VwVfG, S. 83 ff.; siehe auch HessVGH, Urt. v. 28. 1. 1998 – 1 UE 2308 / 96 –, DVBl. 1998, S. 1089. 234 Ronellenfitsch, NVwZ 1999, S. 583 (584). 235 Hier findet der Ausdruck „Planungsermessen“ Verwendung, weil er die Ähnlichkeit von Planungsermessen und Ermessen ausdrückt; zur Terminologie auch Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 24. 236 BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105.66 –, E 34, 301 (304). 237 BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1969 – IV C 105.66 –, E 34, 301 (309); Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 25 Rdnr. 41. 238 BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21.74 –, E 48, 56 (59); zur Übertragung der Rechtsprechung auf den gesamten Bereich der Fachplanung Hoppe / Just, DVBl. 1997, S. 789 Fn. 3. 239 Dazu Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 30 ff.

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Gebot der Planrechtfertigung, gesetzliche Planungsleitsätze, fachplanungsgesetzliche Schranken und die Anforderungen des Abwägungsgebots begrenzt werde.240 Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich das Planungsermessen aus der Übertragung der Planungsbefugnis auf die Planfeststellungsbehörde241 und aus der in der Planung enthaltenen Gestaltungsfreiheit, also aus der Natur der Sache.242 Es begründet das Planungsermessen mit der normativen Ermächtigungslehre243 und verweist auf die bessere Sachkunde der Verwaltung für planerische Entscheidungen.244 Das Planungsermessen der Fachbehörden basiert auf den gleichen Grundlagen wie das Ermessen der sonstigen Verwaltungsbehörden. Wenn die rechtstheoretischen und praktischen Begründungen beider Ermessensformen im wesentlichen übereinstimmen, ist eine Unterscheidung qualitativer Art nicht zu rechtfertigen.245 Diese ist auch nicht mit dem Argument der besonderen Rechtssatzstruktur von Planungsgesetzen als Finalnormen zu begründen, weil es sich nur um eine idealtypische Unterscheidung handelt. Hinzu kommt, daß die Art der Rechtsverwirklichung und der Entscheidungsprozeß ähnlich sind. Es besteht eine qualitative Identität von Ermessen und Planungsermessen.246 Es ist daher unnötig, für das Planungsermessen eine besondere und sehr komplizierte Fehlerfolgenlehre aufrechtzuerhalten. Einfachere und einheitliche Maßstäbe247 für die Rechtmäßigkeit von Abwägungsentscheidungen sind besser geeignet, die Fehleranfälligkeit der Fachplanung zu reduzieren, als rechtsstaatlich fragwürdige und gesetzestechnisch mißlungene Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften.248 Ermessen in dem einheitlich verstandenen Sinn ist die Freiheit der Verwaltung zu letztverantwortlichen und letztverbindlichen Entscheidungen.249 240 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41 Rdnr. 4; zu den Schranken im einzelnen § 41 Rdnr. 5 ff. 241 BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998 – 11 A 1.97 –, NVwZ 1999, S. 644; BVerwG, Urt. v. 29. 01. 1991 – 4 C 51.89 –, E 87, 332 (341); ablehnend Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41 Rdnr. 11. Die für das Bauplanungsrecht entwickelten Grundsätze seien auf die Kontrolle von Planfeststellungsbeschlüssen nicht übertragbar, weil Planung nicht gleich Planung sei. Die Gemeinde plane selbst, während die Planfeststellungsbehörde über den Plan eines anderen entscheide. Der Vorhabenträger plane, ihm komme daher die Gestaltungsfreiheit zu; differenzierend Hoppe / Just, DVBl. 1997, S. 789 (791); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rdnr. 88. 242 BVerwG, Urt. v. 14. 02. 1975 – IV C 21.74 –, E 48, 56 (59). 243 So auch Badura, FS für Bachof, S. 169 (180). 244 Ronellenfitsch, NVwZ 1999, S. 583 (590). 245 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (251). 246 Rubel, Planungsermessen, S. 147, mit vorheriger umfassender Begründung; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41,Rdnr. 16; weitere Nachweise bei Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 68 ff. 247 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41, Rdnr. 16. 248 So aber Ronellenfitsch, NVwZ 1999, S. 583 (586). 249 Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 72.

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b) Fachplanerische Entscheidungen und Spruchreife in der Rechtsprechung Planfeststellungsbeschlüsse sind meistens umfangreiche Verwaltungsentscheidungen über finanziell aufwendige, wirtschaftlich bedeutende und umstrittene Infastrukturprojekte wie Autobahnen, Schienenwege oder Flughäfen. Ebenso vielfältig wie die darin enthaltenen Regelungen sind die Begehren der betroffenen Bürger vor Gericht. Nicht immer ist die Aufhebung des gesamten Planfeststellungsbeschlusses das Klageziel. Die Kläger verlangen oftmals eine Planergänzung, zum Beispiel um Schallschutzauflagen zu erzwingen. Entsprechende Verpflichtungsklagen enden mit einem Bescheidungsurteil, weil keine Spruchreife besteht. Es steht im Ermessen der Planfeststellungsbehörde, wie sie den vom Gericht als berechtigt erkannten Belangen der Betroffenen Rechnung tragen will.250 Das zeigen gerichtliche Entscheidungen zu Planfeststellungsbeschlüssen, die Flughäfen betreffen, weil verschiedene Lärmschutzmaßnahmen denkbar sind: aktiver Lärmschutz für den Tag durch Lärmkontingentierung oder sonstige Betriebsregelungen, passiver Lärmschutz für den Tag durch Erweiterung des Tagschutzgebietes oder durch Schallschutzvorrichtungen, aktiver Lärmschutz für die Nacht durch zusätzliche Betriebsregelungen, Lärmkontingentierung und nächtliche Kernzeiten, passiver Lärmschutz für die Nacht durch Bestimmung von Zumutbarkeitsgrenzen oder Schutzgebiete.251 Die Bandbreite von Möglichkeiten eröffnet den Planfeststellungsbehörden Ermssensspielräume, die die Verwaltungsgerichte nicht ausfüllen dürfen. In einem Fall hatte der Bayerische VGH die Planfeststellungsbehörde zum Erlaß einer bestimmten Schutzauflage gemäß § 9 Abs. 2 LuftVG zur Bewältigung des Fluglärms im Wege einer Lärmkontingentierung am Tage verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht sah darin einen Verstoß gegen das Planungsermessen der Behörde. Der VGH hätte ein Bescheidungsurteil erlassen müssen, weil die Planfeststellungsbehörde innerhalb der rechtlichen Grenzen über die verschiedenen Möglichkeiten des Lärmschutzes entscheidet und nicht auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt werden darf. Die Sache war daher nicht spruchreif. Der gleiche Fehler unterlief dem VGH, als er eine bestimmte Schutzauflage für den aktiven Lärmschutz in der Nacht festlegte.252 Die Verwaltungsgerichte müssen bei der Kontrolle von Planfeststellungsbeschlüssen oder anderen planerischen Maßnahmen die Prognose von der darauf basierenden und nur begrenzt nachprüfbaren Sachentscheidung trennen. Prognosen betreffen den entscheidungserheblichen Sachverhalt. Sie sind gültig, wenn sie sachgerecht und vertretbar angelegt sind, auf Tatsachen aufbauen, plausibel erscheinen und keine methodischen Fehler enthalten.253 Eine diesen Anforderungen 250 251 252 253

BVerwG, Urt. v. 05. 03. 1997 – 11 A 25.95 –, E 104, 123 (134 f.). BVerwG, Urt. v. 29. 01. 1991 – 4 C 51.89 –, E 87, 332 (340 ff.). BVerwG, Urt. v. 29. 01. 1991 – 4 C 51.89 –, E 87, 332 (344 f., 366). Badura, FS für Bachof, S. 169 (179).

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

genügende Prognose ist rechtlich nicht angreifbar.254 Die Ungewißheit der Zukunft begrenzt die gerichtliche Kontrolle. Die Gerichte dürfen eine behördliche Prognose nicht ergänzen, aktualisieren oder durch eine eigene ersetzen. Ein solches Vorgehen würde gegen § 113 Abs. 5 VwGO und § 114 VwGO verstoßen.255 Des weiteren setzt das Fachwissen der Planfeststellungsbehörden der gerichtlichen Kontrolle Grenzen. Auf dem Gebiet des Fachplanungsrechts, ist ein sachkundige und sachgerechte Entscheidung von den Verwaltungsgerichten zu akzeptieren. Eine Planungsentscheidung kann vor Gericht nur schwer vollständig nachvollzogen werden. Je nach Größe des Projekts stößt die Verwaltungsgerichtsbarkeit an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

3. Behördliche Beurteilungsspielräume und Spruchreife Das (Planungs-)Ermessen auf der Rechtsfolgenseite einer Norm, ist vom Tatbestand zu unterscheiden.256 Dieser ist in vielen Fällen in unbestimmte Begriffe gefaßt, die in ihrer abstrakten Deutung und konkreten Anwendung nicht auf ein Ergebnis festgelegt sind.257 Der Gesetzgeber darf unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden, um die Allgemeinheit der Gesetze zu gewährleisten. Gleichwohl besteht die Gefahr, daß der Bürger als Normadressat das von ihm erwartete Verhalten nicht mehr erkennen kann oder das Handeln der Verwaltung nicht mehr vorhersehbar ist. Gerichte und Behörden sind daher verpflichtet, die Begriffe zu konkretisieren.258 Dabei ist immer wieder umstritten, ob ein Sachverhalt einem unbestimmten Rechtsbegriff unterfällt und wer darüber zu entscheiden hat. Mit den Problemen, die sich daraus ergeben, beschäftigt sich die Lehre vom Beurteilungsspielraum.259 a) Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Lehre vom Beurteilungsspielraum Die Lehre vom Beurteilungsspielraum und die Ermessenslehre haben gemeinsame Wurzeln im 19. Jahrhundert.260 An der Differenzierung von Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriffen, auf der die Lehre vom Beurteilungsspielraum be254 BVerwG, Beschl. v. 05. 10. 1990 – 4 CB 1.90 –, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10; siehe aber zur mangelhaften Begründung einer Prognose BVerwG, Urt. v. 27. 10. 1998 – 11 A 1.97 –, NVwZ 1999, S. 644 (646 f.). 255 BVerwG, Urt. v. 29. 01. 1991 – 4 C 51.89 –, E 87, 332 (354 f.). 256 Dazu Schmidt-Preuß, FS für Maurer, S. 777 (787). 257 Quaritsch, in: Blümel / Bernet, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 43 (55). 258 Quaritsch, in: Blümel / Bernet, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 43 (55). 259 Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 33 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 191; Wolff, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 114 Rdnr. 286 ff.; Rode, § 40 VwVfG, S. 52 ff.; Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 135 ff. 260 Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 52.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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ruht, hat der Aufbau einer unabhängigen gerichtlichen Verwaltungskontrolle wesentlichen Anteil.261 Im Gegensatz zum heutigen § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gab es im 19. Jahrhundert keine verwaltungsgerichtliche Generalklausel.262 So war der Rechtsweg zum österreichischen Verwaltungsgerichtshof nicht eröffnet, wenn die Behörden berechtigt waren, nach freiem Ermessen zu handeln.263 Der Verwaltungsgerichtshof erklärte sich in verschiedenen Fällen für unzuständig, in denen es nach heutiger Terminologie um die Anwendung und Kontrolle von unbestimmten Rechtsbegriffen ging, indem er sie als Ermessensregelungen deutete.264 So verringerte er die Zahl der Rechtsstreitigkeiten. Hintergrund dieser Rechtsprechung, die auch in den süddeutschen Ländern bestand, war der Vorwurf der Doppelverwaltung durch die Verwaltungsgerichte und die darin begründete Angst um die eigene Existenz.265 Die Trennung von Ermessen auf der Rechtsfolgenseite einer Norm und unbestimmten Rechtsbegriffen auf der Tatbestandsseite war daher nicht nur eine rechtstheoretische Frage, sondern in vielen Ländern eine Sachentscheidungsvoraussetzung.266 Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe delegierte die Normkonkretisierung auf die Verwaltungsbehörden. Das eröffnete diesen auch bei an sich gebundenen Maßnahmen einen Entscheidungsspielraum.267 Da gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein immer dichteres Netz von Regelungen das freie Ermessen der Verwaltungsbehörden jenseits gesetzlicher Schranken mehr und mehr einschränkte, sicherte die Umdeutung von Tatbestandsmerkmalen zu Ermessensregelungen den Verwaltungsbehörden Freiräume auch diesseits der Gesetze.268 Unpräzise Regelungen führten zu einem Schluß auf eine verwaltungseigene Konkretisierungsbefugnis.269 Neben diesem Lösungsansatz, der in unbestimmten Rechtsbegriffen eine Art Tatbestandsermessen sah,270 gab es einen weiteren und bis heute fortwirkenden Versuch, die eingeschränkte Gerichtskontrolle zu rechtfertigen. Unbestimmte Faber, Verwaltungsrecht, § 14 I; Ule, GS für W. Jellinek, S. 309 (314). Zum Enumerationsprinzip in Preußen Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 222 ff. 263 Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 14; gleiches galt für das Thüringische OVG, siehe Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 224. 264 H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 75 f. 265 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 141; Bullinger, in: ders., Verwaltungsermessen im modernen Staat, S. 131 (134). 266 Königlich bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 27. 10. 1880 – Akz. unbekannt –, Sammlung von Entscheidungen Bd. 2, 140 (143). 267 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 140. 268 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 147. 269 Held-Daab, Das freie Ermessen, S. 149. 270 Diese Auffassung wird bis heute vertreten; siehe die Darstellung bei Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 62 ff.; siehe auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 34; Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (701). 261 262

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Rechtsbegriffe auszulegen und auf den Einzelfall anzuwenden war danach kein Problem der Normkonkretisierung, sondern eine Frage der Sachverhaltsfeststellung. Befähigt dazu waren nach dieser Ansicht nur die dafür ausgestatteten Verwaltungsbehörden. Von der Fähigkeit zur Sachverhaltsermittlung erfolgte der Schluß auf die mangelnden Kontrollmöglichkeiten der Gerichte.271 Die vermeintlich besseren Möglichkeiten der Verwaltung technische Fragen zu beantworten, rechtfertigte eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle.272 Das wachsende Selbstbewußtsein der Verwaltungsrichter führte dazu, daß unbestimmte Rechtsbegriffe nicht die Grundlage einer behördlichen Normkonkretisierungsbefugnis geworden sind, sondern eine Frage der gerichtlichen Tatsachenbewertung. Die Verwaltungsgerichte konnten sich Ende des 19. Jahrhunderts etablieren und veränderten das Bewußtsein für Normstruktur und -auslegung. Um den Verwaltungsrechtsweg für mehr Fälle zu eröffnen, setzte sich die Auffassung durch, daß die gesamte Tatbestandskonkretisierung ein Problem der Auslegung und Subsumtion273 und damit eine Rechtsfrage war.274 Die richterliche Kontrolle war somit nicht mehr ausgeschlossen. Allerdings erhielt die auf der Unterscheidung von Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriffen basierende Lehre vom Beurteilungsspielraum ihre entscheidenden Anstöße erst nach dem 2. Weltkrieg durch Beiträge von Bachof und Ule aus dem Jahre 1955.275 Bachof unterscheidet Auslegung und Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen. Dieser Ansatz erlaubt den Gerichten die volle Kontrolle der behördlichen Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Gleiches gilt für die Prüfung der zugrundeliegenden Tatsachen.276 Die Anwendung einer Norm auf einen konkreten Sachverhalt, also die Subsumtion, soll allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen.277 Die Verwendung von wertenden Begriffen durch den Normgeber erlaube den Schluß, daß der gesetzesanwendenden Behörde ein Beurteilungsspielraum darüber zukomme, ob ein Sachverhalt einem Begriff unterfalle oder nicht.278 Der Behörde komme auch ein Beurteilungsspielraum zu, soweit die Anwendung einer Norm von Prognosen und Erfahrungswerten abhängig sei, weil die Entscheidung in ihrer Verantwortung liege und sie am besten dafür ausgerüstet sei.279 Die Begründung eines Beurteilungsspielraums ergibt sich folglich aus der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen durch den GesetzBähr, Der Rechtsstaat, S. 58, 60 ff. Dazu Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“, S. 13. 273 H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 44 f. 274 Maßgebend Tezner, Das freie Ermessen der Verwaltungsbehörden, S. 148 f.; ders., VerwArch., IX (1901), S. 515 (582). 275 Bachof, JZ 1955, S. 97 ff.; Ule, GS für W. Jellinek, S. 309 ff. 276 Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 44 f. 277 Bachof, JZ 1955, S. 97 (99); Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 43. 278 Bachof, JZ 1955, S. 97 (100). 279 Bachof, JZ 1955, S. 97, (100). 271 272

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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geber und aus den fachlichen Fähigkeiten der Behörden. Damit sind wieder der Ermächtigungsgedanke und das Sachverstandsargument angesprochen. Zum Ergebnis einer nur begrenzt zulässigen gerichtlichen Überprüfung kommt auch Ule. Er nimmt an, der Gesetzgeber verzichte durch das Verwenden unbestimmter Rechtsbegriffe zu Gunsten der Verwaltung auf seine Konkretisierungsbefugnis.280 Unbestimmte Rechtsbegriffe sind für ihn normative, d. h. wertende und ausfüllungsbedürftige Merkmale eines Tatbestands.281 Da Wertungen subjektiv sind, kommt Ule zu den Ergebnis, daß verschiedene Ergebnisse vertretbar282 sind und die Verwaltungsgerichte daher nicht ein richtiges Ergebnis finden können. Für die Vertretbarkeit des gerade von den Verwaltungsbehörden gefundenen Ergebnisses spricht nach Ansicht von Ule ihre Sachkunde.283 Gemäß der Lehre vom Beurteilungsspielraum und der Vertretbarkeitstheorie dürfen die Verwaltungsgerichte behördliche Maßnahmen, die von der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe abhängig sind, nur eingeschränkt überprüfen und eine getroffene Entscheidung nicht durch ihre ersetzen.284 Für das Herbeiführen von Spruchreife ergibt sich daraus: Hat eine Behörde den Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts abgelehnt, weil der Sachverhalt ihrer Auffassung nach nicht unter einen unbestimmten Rechtsbegriff zu subsumieren ist, und erhebt der abschlägig Beschiedene eine Versagungsgegenklage, so darf das angerufene Verwaltungsgericht den Ablehnungsbescheid nur darauf überprüfen, ob die Behörde die Verfahrensvorschriften eingehalten hat, von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe beachtet hat und sich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.285 Die Lehre vom Beurteilungsspielraum und die Vertretbarkeitstheorie sind mit zwei Einwänden konfrontiert. Erstens ist nicht ohne weiteres zu erkennen, in welchen Fällen die Behörden einen Beurteilungsspielraum haben,286 oder das Gericht ein Ergebnis als vertretbar akzeptieren muß. Ausdrückliche Regelungen finden sich in den Gesetzen nicht.287 Entscheidend sind daher die Auslegung der Vorschrift und der Zusammenhang, in dem der fragliche Begriff steht.288 Zweitens ist wegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Existenz eines gerichtlich nur eingeschränkt Ule, GS für W. Jellinek, S. 309 (314). Ule, GS für W. Jellinek, S. 309 (318). 282 Zur Vertretbarkeitslehre Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 63 ff. 283 Ule, GS für W. Jellinek, S. 309 (326). 284 Zu den Begründungen für einen Beurteilungsspielraum auch Smeddinck, DÖV 1998, S. 370 (372). 285 BVerwG, Urt. v. 17. 12. 2003 – 2 A 2 / 03 –, DÖV 2004, S. 880; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 43; Bamberger, VerwArch. 93 (2002), S. 217 (228); Wilke, in: Merten, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 135 (138). 286 Dazu Grupp, FS für Blümel, S. 139 (144 ff.). 287 Berg, FS für Maurer, S. 529 (531); Ausnahme: § 71 Abs. 5 Satz 2 GWB. 288 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 33. 280 281

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überprüfbaren Beurteilungs- oder Wertungsspielraums umstritten.289 Das Bundesverwaltungsgericht hält die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen durch eine Behörde und die Subsumtion eines Sachverhalts unter einen Tatbestand grundsätzlich für voll überprüfbar und hat nur ausnahmsweise einen behördlichen Beurteilungsspielraum bejaht.290 Diese Zurückhaltung beruht auf der strengen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.291 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet die Gerichte dazu, die angegriffene Verwaltungsentscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen.292 Beruht eine Entscheidung auf der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, so ist deren Auslegung regelmäßig Sache der Gerichte, die die Subsumtion der Behörden uneingeschränkt nachzuprüfen haben. Für unbestimmte Rechtsbegriffe gelten nicht die Regeln der Ermessenskontrolle.293 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht ein Beurteilungsspielraum nur, wenn die Materie komplex oder schnellebig ist, ein Nachvollziehen der behördlichen Entscheidung daher sehr schwierig ist und die Verwaltungsgerichtsbarkeit an ihre Funktionsgrenzen stößt294 sowie bei prüfungsspezifischen Wertungen aus Gründen der Chancengleichheit. 295 b) Beurteilungsspielräume und Spruchreife in der Rechtsprechung Warum und inwieweit Prüfungsentscheidungen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen, zählt zu den bekanntesten Problemen im Zusammenhang mit behördlichen Beurteilungsspielräumen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ursprünglich die inhaltliche Überprüfung derartiger Entscheidungen unter Hinweis auf ihre Rechtsnatur stark eingeschränkt.296 Bewertungen hafte etwas persönliches an, das auf einem auch nicht durch Gutachten von Sachverständigen zu ersetzenden Gesamteindruck beruhe.297 Ob die Auffassung eines Prüflings richtig oder falsch sei, habe allein der Prüfer zu entscheiden.298 Zu inhaltlichen 289 Krit. Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (715) – „der Rechtsschutzgarantie vorgelagert.“ 290 Grupp, FS für Blümel, S. 139 (146). 291 BVerwG, Urt. v. 18. 03. 2004 – 3 C 24 / 03 –, DVBl. 2004, S. 1040 (1041 f.); dazu auch Bullinger, FS für Maurer, S. 565 (567). 292 Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel A. III. 2. 293 BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 419 / 81 und 213 / 83 –, E 84, 34 (49 f.). 294 BVerfG, Beschl. v. 27. 11. 1987 – 1 BvR 402 / 87 –, E 83, 130 (148); zustimmend Beaucamp, JA 2002, S. 314 (318). 295 BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 419 / 81 und 213 / 83 –, E 84, 34 (52); ablehnend Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 372 ff. 296 Dazu Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 360 ff. 297 BVerwG, Urt. v. 24. 04. 1959 – VII C 104.58 –, E 8, 272 (273). 298 BVerwG, Urt. v. 20. 09. 1984 – 7 C 57.83 –, E 70, 143 (149).

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Fragen erfolgten daher keine Nachforschungen durch die Verwaltungsgerichte. Allein eine willkürliche und unhaltbare Bewertung wurde als beanstandungsfähig angesehen.299 Diesen auf prüfungsspezifische und inhaltlich-fachliche Gesichtspunkte gestützten Beurteilungsspielraum hat das Bundesverfassungsgericht als nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar gerügt.300 Es sei „unerheblich, daß Prüfungsnoten auf fachlichen Bewertungen beruhen, die ohne spezialisierten Sachverstand nicht nachvollziehbar sind. Die daraus folgende Schwierigkeit der gerichtlichen Kontrolle läßt sich mit Hilfe von Sachverständigen überwinden und unterscheidet Prüfungsfragen nicht grundsätzlich von vielen anderen Gegenständen verwaltungsgerichtlicher Verfahren.“301 Praktische Schwierigkeiten allein seien kein ausreichender Grund, den durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutz einzuschränken.302 Das Bundesverfassungsgericht hat damit den Beurteilungsspielraum wegen der notwendigen Chancengleichheit auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt und die inhaltliche Nachprüfung von einer Willkür- zu einer fachlichen Vertretbarkeitskontrolle aufgewertet.303 Die Änderung der Rechtsprechung hatte und hat erhebliche Auswirkungen auf den Umfang der erforderlichen gerichtlichen Sachverhaltserforschung. Ob das Ergebnis einer Prüfungsarbeit richtig, falsch oder vertretbar ist, ist zu einer Sache der Richter geworden.304 Insoweit muß das Gericht Spruchreife herstellen, weil es eben nicht mehr an die im Prüfungsverfahren getroffenen Feststellungen und Wertungen gebunden ist. Die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht möglichst vollständige Prüfung, wie sie das Bundesverfassungsgericht verlangt, kann sich daher nicht auf den Sachverhalt beschränken, der schon Gegenstand des behördlichen Verfahrens war. Die Spruchreife darf das Gericht nur im Hinblick auf die Neubewertung einer Arbeit nicht herstellen, weil sich die Prüfungssituation im Prozeß nicht wiederholen läßt und damit die Vergleichbarkeit der Prüfungsleistungen nicht gewährleistet ist. Die Benotung bleibt Sache des Prüfers, bei der er aber die gerichtliche Rechtsauffassung berücksichtigen muß. Ähnlich hat sich der Beurteilungsspielraum entwickelt, den das Bundesverwaltungsgericht der Bundesprüfstelle für die Indizierung jugendgefährdender Schriften ursprünglich einmal eingeräumt hatte. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zurücknahme der richterlichen Kontrolle beanstandet, um einen schonenden Aus299 BVerwG, Beschl. v. 12. 11. 1979 – 7 B 228 / 79 –, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 121. 300 BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 419 / 81 und 213 / 83 –, E 84, 34 (49 f.); BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 1529 / 84 und 138 / 87 –, E 84, 59 (77 ff.). 301 BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 419 / 81 und 213 / 83 –, E 84, 34 (53). 302 BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 419 / 81 und 213 / 83 –, E 84, 34 (55). 303 Ähnl. Ibler, Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, S. 371; Wolff, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 114 Rdnr. 348. 304 Siehe nur BVerwG, Urt. v. 26. 03. 1997 – 6 C 7.96 –, E 104, 203 (209).

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gleich zwischen der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem Jugendschutz zu gewährleisten. Das Bundesverwaltungsgericht hatte der Bundesprüfstelle in zweifacher Hinsicht einen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum zugestanden. Ob eine Schrift gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GjS305 geeignet sei, die Jugend zu gefährden, sei eine wertend-prognostische Frage, die die Prüfstelle wegen ihrer Zusammensetzung, ihrer vermuteten Fachkenntnisse und ihrer Weisungsfreiheit beantworten müsse.306 Gleiches gelte für die Frage, ob gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS307 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eine Schrift als Kunst zu bewerten sei. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, die Wertungen der pluralistisch zusammengesetzen Bundesprüfstelle zu ersetzen.308 Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht im Mutzenbacher-Beschluß als teilweise verfassungswidrig beanstandet. Indem es den Kunstvorbehalt in § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf schwergefährdende Schriften im Sinne von § 6 GjS309 ausgedehnt hat, zwingt es Prüfstelle und Verwaltungsgerichte dazu, mittels einer Verhältnismäßigkeitsprüfung praktische Konkordanz zwischen der Kunstfreiheit und dem Jugendschutz herzustellen.310 Das Bundesverfassungsgericht hat offengelassen, ob der Bundesprüfstelle ein Beurteilungsspielraum verbleiben kann, jedenfalls dürfen die Gerichte „den Umfang ihrer Prüfung, ob die Indizierung mit der Kunstfreiheit vereinbar ist, nicht dadurch schmälern, daß sie der Bundesprüfstelle insoweit einen nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumen.“311 Den Verwaltungsgerichten ist es also untersagt, die Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz dadurch zu verhindern, daß sie die Wertung der Prüfstelle, ob eine Schrift Kunst im Sinne des Grundsetzes ist, nur einer Willkürkontrolle unterziehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraufhin seine Rechtsprechung geändert. Dabei ist aber fraglich, ob es den verfassungsgerichtlichen Vorgaben ausreichend Rechnung getragen hat.312 So hat es bei der Frage, ob ein Buch zu Recht indiziert worden ist, zwar kontrolliert, ob das Werk rechtlich als Kunst einzustufen ist und insofern einen behördlichen Beurteilungsspielraum verneint.313 Es hat aber – im Rahmen einer Anfechtungsklage – die für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung not§ 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG v. 23. 07. 2002, BGBl. I, S. 2730. BVerwG, Urt. v. 03. 03. 1987 – 1 C 16.86 –, E 77, 75 (78); krit. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 45. 307 § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG v. 23. 07. 2002, BGBl. I, S. 2730. 308 BVerwG, Urt. v. 03. 03. 1987 – 1 C 16.86 –, E 77, 75 (84 f.). 309 Soweit nicht entfallen siehe § 18 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 JuSchG v. 23. 07. 2002, BGBl. I, S. 2730. 310 BVerfG, Beschl. v. 04. 11. 1992 – 1 BvR 402 / 87 –, E 83, 130 (143); Geis, NVwZ 1992, S. 25 (28). 311 BVerfG, Beschl. v. 04. 11. 1992 – 1 BvR 402 / 87 –, E 83, 130 (148). 312 Wolff, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 114 Rdnr. 336. 313 BVerwG, Urt. v. 26. 11. 1992 – 7 C 20.92 –, E 91, 211 (213). 305 306

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wendige Abwägung zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit nicht nachgeholt, sondern der Bundesprüfstelle einen Entscheidungsvorrang eingeräumt.314 Im Fall einer Verpflichtungsklage auf Streichung eines Werks von der Liste jugendgefährdender Schriften hätte es somit keine Spruchreife herbeigeführt, sondern ein Bescheidungsurteil erlassen. Der auch für das Umweltrecht zuständige 7. Senat sieht in der Entscheidung der pluralistisch zusammengesetzten Prüfstelle eine normkonkretisierende Einzelfallentscheidung,315 die er wegen ihrer Staatsferne sowie aus Gründen der institutionellen Grundrechtsabsicherung und -optimierung nicht selbst nachholt. Anders entwickelt hat sich die Rechtsprechung zum Beurteilungsspielraum des Dienstherrn316 im Rahmen von beamtenrechtlichen Beurteilungen, die eine weitere Fallgruppe bilden.317 Das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, seine strenge Rechtsprechung zu berufsbezogenen Prüfungen auf beamtenrechtliche Beurteilungen zu übertragen.318 Allerdings beruht dieser Beurteilungsspielraum nicht auf unbestimmten gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen, denn die dienstliche Beurteilung ist in den Beamtengesetzen und Laufbahnverordnungen gar nicht oder nur sehr unvollständig geregelt.319 Die gerichtliche Kontrolle stößt jedoch an ihre funktionellen Grenzen. Dienstliche Beurteilungen enthalten persönliche Wertungen der Beurteiler, die der Richter nicht nachvollziehen kann. In einer mündlichen Verhandlung kann sich das Gericht nur einen kurzen Eindruck verschaffen, während der Beurteiler den Beamten über einen längeren Zeitraum beobachtet hat. Eine dienstliche Beurteilung ist daher ähnlich wie eine Prüfungsleistung oder ein pädagogisch-wissenschaftliches Urteil ein Akt wertender Erkenntnis.320 In der Praxis verurteilen die Verwaltungsgerichte die beklagten Dienstherrn oft dazu, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden, weil die tatsächlichen Beurteilungsgrundlagen falsch oder unvollständig waren.321 So hatte das OVG Rheinland-Pfalz folgenden Fall zu entscheiden:322 Das VG hatte das Land verpflichtet, den Kläger erneut dienstlich zu beurteilen, weil der Behördenleiter den gesetzlichen Prüfungsrahmen verkannt und die Widerspruchsbehörde die angegriffene Beurteilung nicht umfassend geprüft hatte. Im Er314 BVerwG, Urt. v. 26. 11. 1992 – 7 C 20.92 –, E 91, 211 (215 ff.); dazu Würkner / KerstWürkner, NJW 1993, S. 1446 ff. 315 Das Gericht gebraucht den Ausdruck „fachgutachterliche Äußerungen“, fühlt sich aber wie an eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift gebunden. 316 Genauer: der für den Dienstherrn handelnde Beurteiler. 317 Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 136 f. 318 BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 2002 – 2 BvR 723 / 99 –, NVwZ 2002, S. 1368; BVerfG, Beschl. v. 31. 07. 1981 – 2 BvR 321 / 81 –, DVBl. 1981, S. 1053 (1054). 319 Siehe nur §§ 114, 115 LbVO Rh.-Pf.; §§ 25,26 LbVO Pol Rh.-Pf. 320 BVerwG, Urt. v. 19. 12. 2002 – 2 C 31 / 01 –, NVwZ 2003, S. 1398 (1399); BVerwG, Urt. v. 13. 05. 1965 – II C 146.62 –, E 21, 127 (130). 321 Dazu Schnellenbach, Beamtenrecht, Rdnr. 483. 322 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20. 05. 1992 – 2 A 12357 / 91 –, NVwZ-RR 1993, S. 420.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

gebnis bestätigte das OVG das erstinstanzliche Urteil. Die Beurteilungsgrundlagen waren zwar seitens des Dienstherrn vollständig ermittelt worden, aber die guten Leistungen des Klägers im Rahmen seiner Nebentätigkeit waren zu Unrecht nicht in das Beurteilungsergebnis eingegangen. Das OVG sah in der Nichtaufnahme dieser Leistungen keine dem Dienstherrn vorbehaltene Bewertung der Befähigung und der dienstlichen Tätigkeit des Beamten, sondern als Vorstufe dazu eine unzutreffende Festlegung der tatsächlichen Beurteilungsgrundlagen. Das Gericht mußte den Sachverhalt nicht mehr ermitteln. Da es aber die aus dem Sachverhalt folgenden Wertungen nicht selbst vornehmen konnte, war es ihm nicht möglich Spruchreife herzustellen. In einem anderen Fall hob das OVG Rheinland-Pfalz ein klageabweisendes Urteil auf, weil der maßgebliche Sachverhalt durch den für die Beurteilung zuständigen Vorgesetzten nicht hinreichend ermittelt worden war.323 In dessen Abteilung arbeitete der Kläger erst seit 6 Monaten. Die Beurteilung bezog sich daher auf die in diesem halben Jahr erbrachten Leistungen. Diesen Zeitraum hielt das OVG für angemessen und ausreichend unter der Voraussetzung, daß der Beamte während des Beurteilungszeitraums in qualitativer und quantitativer Hinsicht im wesentlichen die gleichen Dienstaufgaben erfüllt hat. Nur dann sei es möglich, aus dem sich am Ende des Beurteilungszeitraums ergebenden Leistungsbild auf eine entsprechende Güte früherer Arbeitsergebnisse zu schließen. Das war jedoch nicht der Fall. Der Kläger war vorher in einer anderen Abteilung beschäftigt und hatte bereits in seiner Gegendarstellung substantiiert vorgetragen, diese aus einem desolaten Zustand herausgeführt zu haben. Das Gericht war daher der Auffassung, der beurteilende Beamte sei verpflichtet gewesen, sich beim vorherigen Vorgesetzten über den Kläger zu informieren.

4. Weitere Gründe für das Fehlen von Spruchreife In den unter 1. bis 3. genannten Fällen fehlt wegen der Struktur des subjektivöffentlichen Rechts auf Gesetzeserfüllung – der Anspruchsnorm – die Spruchreife. Auf der Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite einer streitentscheidenden Vorschrift verbleibt die Letztentscheidung bei der Behörde. In der Rechtsprechung existieren jedoch weitere Fallgruppen, in denen die Spruchreife nicht besteht. Diese in die Kategorien „Fehlen von Spruchreife“ oder „Unzulässiges Herbeiführen von Spruchreife“ einzuordnen, ist schwieriger, weil sie partiell nicht einem Ermessensoder Abwägungsspielraum ähneln, sondern die Sachverhaltsermittlung aus tatsächlichen Gründen aufwendig ist.

323 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26. 05. 1982 – 2 A 102 / 81 –, DÖV 1983, S. 125 (Leitsätze).

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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a) Verbindliche Risikobewertung durch die Behörde und Komplexität des Sachverhalts Eine abschließende gerichtliche Sachverhaltsermittlung ist nicht zulässig, wenn ein Ablehnungsbescheid eine Risikobewertung enthält, deren Grundlagen das Gericht zwar für nicht richtig hält,324 die es aber nicht durch eine eigene Einschätzung der Gefahren ersetzen darf. Eine solche Risikobewertung ähnelt den planerischen Prognosespielräumen, weil unsicher ist, wie sich eine behördliche Entscheidung zukünftig auswirkt. Das bekannteste Beispiel ist die Beurteilung von atomrechtlichen Anlagengenehmigungen. Die damit verbundenen Risiken zu ermitteln und zu bewerten, ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG Sache der Verwaltung und nicht Aufgabe der Gerichte.325 Ähnlich wie Prognosen im Fachplanungsrecht ist die Risikoabschätzung von den Verwaltungsgerichten hinzunehmen, wenn sie sachgerecht und vertretbar ist, auf den besten verfügbaren Daten aufbaut und keine methodischen Fehler enthält. Die bessere Ausrüstung und die Sachkunde der Genehmigungsbehörden rechtfertigen das Letztentscheidungsrecht der Verwaltung und die eingeschränkte gerichtliche Tatsachenkontrolle.326 In derartigen Fällen ist aber nicht immer allein die behördliche Risikobewertung ursächlich dafür, daß das Gericht kein Verpflichtungsurteil erläßt. Auch die Komplexität des Sachverhalts kann dem Herbeiführen von Spruchreife entgegenstehen.327 Hat die Behörde keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum, ist das Nichtherbeiführen von Spruchreife ein Zugeständnis der Verwaltungsgerichte an ihre Leistungsfähigkeit. Dieses ist begründungsbedürftig, denn das Bundesverfassungsgericht hat sie zum Schutz von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet, sich das erforderliche Wissen notfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu verschaffen.328 Allein wenn die Verwaltungsgerichte an ihre Funktionsgrenzen stoßen, ist die Bindung an Ergebnisse aus dem Verwaltungsverfahren nicht ausgeschlossen. Die Komplexität eines Sachverhalts rechtfertigt dann behördliche Wertungsspielräume, macht eine tatsächlich schwierige Sachverhaltskontrolle rechtlich „unmöglich“ und führt zum Fehlen der Spruchreife. b) Fachbehördliche Entscheidungen Ähnlich sind die Fälle zu beurteilen, in denen Fachbehörden den Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts negativ beschieden haben.329 Fachbehörden sind für Anderenfalls weist es die Klage als unbegründet ab. BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 – 7 C 65.82 –, E 72, 300 (316). 326 BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 – 7 C 62.85 –, E 72, 300 (317); BVerwG, Urt. v. 22. 12. 1980 – 7 C 84.78 –, E 61, 256 (263). 327 BVerwG, Beschl. v. 17. 6. 2003 – 4 B 14 / 03 –, NVwZ-RR 2003, S. 719; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 26 Rdnr. 25; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 96 f.; a. A. Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 141. 328 BVerfG, Beschl. v. 17. 04. 1991 – 1 BvR 1529 / 84 u. a. –, E 84, 59 (77 f.). 324 325

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

bestimmte Materien besonders qualifizierte und gesetzlich herausgehobene Stellen. Der Gesetzgeber berücksichtigt damit den in einer solchen Behörde vorhandenen Sachverstand. Hat eine solche Stelle einen rechtswidrigen Ablehnungsbescheid erlassen, kann das Verwaltungsgericht ausnahmsweise ein Bescheidungsurteil erlassen,330 obwohl der Kläger einen gebundenen Anspruch einklagt. Die Rechtsprechung ist aber sehr zurückhaltend darin, Behörden als besondere Fachbehörden zu qualifizieren.331 Es kommt darauf an, ob eine Art normative Ermächtigung vorliegt, verbunden mit dem Anerkenntnis der besonderen Sachkunde, die weder durch Sachverständige im gerichtlichen Verfahren noch durch das Wissen und die Erfahrung der Richter ausgeglichen werden kann. Insofern ist diese Problematik vergleichbar mit der Frage, ob ein behördlicher Beurteilungsspielraum besteht. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen nicht eine Fachbehörde den Ablehnungsbescheid erlassen hat, sondern an einem gestuften Verwaltungsverfahren (nicht) mitgewirkt hat. Es geht dann nicht um das Fehlen von Spruchreife, sondern darum, inwieweit die Verwaltungsgerichte die Spruchreife herbeiführen dürfen, indem sie den Sachverhalt selbst erforschen und die Stellungnahme der Fachbehörde ersetzen. c) Anspruchssicherung durch Nebenbestimmungen Die Spruchreife fehlt, wenn die Behörde einen Ermessensspielraum für den Erlaß von Nebenbestimmungen hat.332 Im Unterschied zu den Fällen, in denen der Hauptverwaltungsakt im Ermessen der Verwaltung steht, liegt eine Art „Ermessensakzessorietät“ vor. Gemeint sind damit Nebenbestimmungen, die gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG sicherstellen sollen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt erfüllt sind. Diese Vorschrift bezweckt den Erlaß einer begünstigenden Verfügung auch dann zu ermöglichen, wenn im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung noch nicht alle Tatbestandsvorausetzungen erfüllt oder nachgewiesen sind.333 Anderenfalls dürfte der Verwaltungsakt nicht erlassen werden. Die Beifügung einer Nebenbestimmung ist somit ein milderes Mittel. 329 Zustimmend Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 140; dazu auch Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 439 ff. 330 BVerwG, Urt. v. 20. 02. 1992 – 3 C 51.88 –, E 90, 18 (24). 331 BVerwG, Beschl. v. 14. 05. 1982 – 9 B 179.82 –, DVBl. 1983, S. 33 (34); BVerwG, Urt. v. 06. 07. 1998 – 9 C 45.97 –, E 107, 128 (129) – Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge; ablehnend in bezug auf das Gesundheitsamt BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1995 – 3 C 24.94 –, E 100, 221; anders BVerwG, Beschl. v. 04. 12. 1974 – I WB 57.74 –, E 46, 356 (359) für das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 8. 1. 1963 – 1 B 160.62 –, DVBl. 1963, S. 263 (264); ausführlich HödlAdick, Bescheidungsklage, S. 136 ff. 332 BVerwG, Beschl. v. 25. 11. 1997 – 4 B 179 / 97 –, NVwZ-RR 1999, S. 74 333 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 36 Rdnr. 42.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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Wie die Behörde ihr Ermessen ausübt, also welche Art von Nebenbestimmung und welchen Inhalt sie wählt, ist davon abhängig, ob sie sich zum Erlaß einer Nebenbestimmung entschließt. Inwieweit ihr überhaupt ein Entschließungsermessen zukommt, ist hauptsächlich durch das materielle Recht bestimmt.334 Ein Beispiel macht das deutlich. Die zuständige Behörde hatte die Erlaubnis für das Betreiben einer Spielhalle gemäß § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO nicht erteilt. § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO rechtfertigte jedoch die Versagung nicht, weil die in Frage stehende Gefährdung der Jugend durch Nebenbestimmungen zu verhindern war. Im Hinblick auf Art. 12 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtete das Gericht die Behörde zum Erlaß von Nebenbestimmungen. Das Auswahlermessen bezüglich zweckmäßiger Nebenbestimmungen blieb aber durch das Bescheidungsurteil unangetastet.335

II. Das Herbeiführen von Spruchreife durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen 1. Kritik am Herbeiführen von Spruchreife in der Literatur a) Gegenstand der Kritik Die in der Literatur geäußerte Kritik an der verwaltungsgerichtlichen Praxis, durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen Spruchreife herbeizuführen, bezieht sich auf die Fälle, in denen der Kläger einen Anspruch auf einen bestimmten Verwaltungsakt geltend macht. Sind alle Tatbestandsmerkmale einer Rechtsnorm erfüllt, die dem Bürger einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung einräumt, ist die Behörde verpflichtet, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Es kommt jedoch vor, daß sie den Antrag ablehnt, weil sie ein Tatbestandsmerkmal zu Unrecht als nicht gegeben ansieht und daraufhin die weiteren Voraussetzungen nicht mehr prüft. Für das Verwaltungsgericht stellt sich dann die Frage, ob es an den im Verwaltungsverfahren erreichten Stand der Sachverhaltsermittlung gebunden ist oder darüber hinaus eigene Untersuchungen anstellen muß. Die Antwort des Bundesverwaltungsgerichts ist eindeutig: Die Verwaltungsgerichte sind gemäß § 86 Abs. 1 VwGO zum Herbeiführen der Spruchreife verpflichtet, um einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten.336

Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 36 Rdnr. 43. OVG Rheinland-Pfalz, Urt v. 24. 10. 1990 – 2 A 10049 / 90 –, GewArch. 1991, S. 108 (110); OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11. 01. 1979 – 1 A 149 / 77 –, AS RP-SL 15, 193 ff., insoweit nicht abgedruckt. 336 Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel C. II. 1. 334 335

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

b) Rechtliche Grundlage der Kritik: Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip In der Literatur finden sich immer wieder Äußerungen, daß die verwaltungsgerichtliche Praxis gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verstößt.337 Sie gehen zurück auf die Habilitationsschrift von Kopp. Ausgangspunkt seiner Kritik ist die Annahme, daß das Prinzip der Gewaltenteilung im Grundgesetz zwar nicht streng und ausnahmslos durchgeführt ist, aber jeder Gewalt ein Aufgabenkern zukommt, der nicht von den anderen Gewalten wahrgenommen werden darf.338 Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG sei Ausdruck einer eigenständigen und gleichberechtigten Verwaltung. Das gelte auch und insbesondere gegenüber der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die sich auf ihre Kontrollfunktion zu beschränken habe.339 Das Herbeiführen von Spruchreife sei keine Kontrolle mehr, sondern ein nicht von der Kompetenz der Verwaltungsgerichte umfaßter sowie das System der Hemmung und Balancierung der Gewalten verletzender Gesetzesvollzug.340 Dieser gehöre zum Kernbereich der Verwaltung.341 Den Sachverhalt zu erforschen und die entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln, sei Sache der Verwaltung.342 Damit korrespondiere ein Verbot, der behördlichen Prüfung vorzugreifen.343 Kopp vertraut auf Sachverstand, Erfahrung und Struktur der Verwaltungsbehörden.344 Die Handlungsfunktion der Verwaltung ist danach strikt von der Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichte zu trennen.345 Jene verpflichtet die Behörden, gesetzmäßig zu handeln, diese zwingt die Gerichte, die Rechtsanwendung zu kontrollieren. Aus der Verpflichtung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu wahren, folgt das Recht, Fehler selbst zu korrigieren. So ergibt sich eine gegenüber der Verwaltungsgerichtsbarkeit selbständige und vorrangige Rechtsschutzfunktion.346 Daraus 337 Nachweise bei Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 105 ff., der seine Kritik hauptsächlich auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG stützt, weil er das Prinzip der Gewaltenteilung für zu unbestimmt hält, S. 151 ff. 338 Kopp, Verfassungsrecht, S. 234, S. 239; weitergehend Püttner, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 126 (141), der es für möglich hält, daß das Grundgesetz dem Gewaltenteilungsideal widerspricht oder ein praktisch ungeeignetes System der Gewaltenteilung geschaffen hat; H. Hill, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 236 – Diskussionsbeitrag; Kuhl, Kernbereich, S. 14, S. 128. 339 Masson, BayVBl. 1968, S. 14 (15); Kopp, Verfassungsrecht, S. 235; Seibert, FS für Zeidler, S. 469 (481). 340 Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 28; Kopp, Verfassungsrecht, S. 137 f., S. 237; in bezug auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 130. 341 Dazu Ossenbühl, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 9 (30 f.). 342 Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 130, S. 134. 343 Püttner, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 126 (141); Kopp, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 218 – Diskussionsbeitrag. 344 Kopp, Verfassungsrecht, S. 247; ders. BayVBl. 1983, S. 673 (676). 345 H. Hill, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 237 – Diskussionsbeitrag. 346 Seibert, FS für Zeidler, S. 469 (481).

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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erwächst folgende Argumentation: Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erfordere ein Verwaltungsverfahren, das eine fehlerhafte Gesetzesanwendung möglichst ausschließe und so die Rechte der Bürger wahre.347 Was nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen sei, dürfe das Verwaltungsgericht nicht im Prozeß behandeln, weil dies Gesetzesvollzug bedeute, welcher wiederum Aufgabe der Verwaltung sei.348 Eine erst während des Prozesses vorgenommene Handlung sei kein adäquater Ersatz für das Verwaltungsverfahren.349 Der Verwaltungsprozeß setze nicht die Verwaltungstätigkeit in Form der Administrativjustiz fort, sondern sei ein aliud.350 Entsprechend dieser Ansicht gehören originäre Sachverhaltsermittlungen, neue rechtliche Überlegungen oder gar der Austausch der rechtlichen Grundlage eines Verwaltungsakts nicht zu den Aufgaben der Verwaltungsgerichte.351 Die Prüfung der Sach- und Rechtslage soll sich ausschließlich am tatsächlichen und nicht am hypothetischen Handeln und Willen der Verwaltung orientieren.352 Folgerichtig kann eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO nur mit einem Bescheidungsurteil enden.353 Zudem verletze die Übernahme von Verwaltungstätigkeiten die gebotene richterliche Neutralität354 und schwäche die politische Verantwortung der Verwaltung gegenüber den Parlamenten.355 Einen Verwaltungsakt mit neuen Erwägungen aufrechtzuerhalten, durchbreche das System der politischen Zurechenbarkeit und Einstandspflicht.356

2. Folgen der Kritik für das Herbeiführen von Spruchreife Unterstellt diese Argumente wären überzeugend und von Einfluß auf die gerichtliche Praxis, würden sie das „Durchentscheiden“ in vielen Fällen verhindern. Es würde häufiger zu Bescheidungsurteilen kommen.357 Diese wären nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Den Gerichten wäre es nicht erlaubt, die Rechtmäßigkeit von Ablehnungsbescheiden umfassend zu kontrollieren, wenn nicht zuvor im Verwaltungsverfahren alle relevanten Tatsachen durch die Behörde ermittelt Kopp, Verfassungsrecht, S. 235. Hoffmann, BayVBl. 1962, S. 72 (73). 349 Seibert, FS für Zeidler, S. 469 (485 f.). 350 Kopp, Verfassungsrecht, S. 236, S. 252. 351 Menger, System, S. 199, S. 208; dazu Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (723). 352 Kopp, Verfassungsrecht, S. 240 und S. 246. 353 Hoffmann, BayVBl. 1962, S. 72 (73). 354 P. Stelkens, NVwZ 1982, S. 81 (83). 355 Kissel, NJW 1982, S. 1777 (1782). 356 Kopp, Verfassungsrecht, S. 246 f., S. 250; ders. BayVBl. 1983, S. 673 (676); Menger, System, S. 206. 357 Seibert, FS für Zeidler, S. 469 (483). 347 348

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

und geprüft worden wären. Untätigkeitsklagen dürften wegen der fehlenden behördlichen Entscheidung ausschließlich zu Bescheidungsurteilen führen.358 Mangels einer entsprechenden Kompetenz wäre es den Verwaltungsgerichten verboten, weitere Ermittlungen anzustellen, weil sie nicht erkennen könnten, welche Sachverhaltsfeststellungen die Behörden bereits getroffen haben.359 Bezugspunkt für die Spruchreife wäre nicht mehr die gerichtliche Entscheidung, sondern der ursprüngliche Antrag des Klägers bei der Verwaltung. Die Spruchreife von Verpflichtungsklagen hinge von dem im Zeitpunkt der Antragsablehnung ermittelten Sachverhalt ab. Ohne behördliche Entscheidungsreife wäre gerichtliche Spruchreife nicht denkbar.360 Diese läge nur dann vor, wenn der durch den Antrag des Bürgers bestimmte Gegenstand des Verwaltungsverfahrens die erforderlichen Verfahrensstadien passiert hat und dadurch der Sachverhalt so weit aufgeklärt ist, daß die Behörde eine Entscheidung treffen könnte.361 Für die Begründetheit von Verpflichtungsklagen wäre nicht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entscheidend, sondern der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.362 Auf den Stand des Verwaltungsverfahrens abzustellen, würde dazu führen, daß das Verwaltungsgericht bei gebundenen Entscheidungen die Behörde nicht verpflichten dürfte, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl der Kläger ein entsprechendes subjektives Recht hat. Der Stand des Verwaltungsverfahrens würde die gerichtlichen Entscheidungsmöglichkeiten bestimmen.363 Diese Betrachtungsweise würde die Gewichte zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit verschieben und den Anspruch der Bürger auf Rechtsschutz gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt verändern, weil die behördliche Selbstkontrolle an Relevanz gewinnen würde. Die Anhörung im Verwaltungsverfahren und das Widerspruchsverfahren hätten eine größere Bedeutung.364 Ein auf Trennung der Entscheidungsprozesse angelegtes System des subjektiven Rechtsschutzes würde Platz greifen, da eine Kompensation von Rechtsschutzdefiziten durch die Verwaltungsgerichte nur noch eingeschränkt zulässig wäre. Angesichts dieser tiefgreifenden Folgen, ist die Kritik von Kopp darauf zu überprüfen, ob sie von richtigen Prämissen ausgeht und die Zuordnung der Sachverhaltsermittlung zum behördlichen Verfahren richtig ist.

358 359 360 361 362 363 364

Konsequent Kopp, Verfassungsrecht, S. 242. Hoffmann, BayVBl. 1962, S. 72 (73). Bettermann, NJW 1960, S. 649 (653). Marx, Herbeiführen der Spruchreife, S. 56. Kopp, Verfassungsrecht, S. 258. Seibert, FS Zeidler, S. 469 (483). Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (724 f.).

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3. Das Herbeiführen von Spruchreife zwischen unzulässiger Sachverhaltsermittlung und gerichtlicher Verantwortung a) Funktionaler Zusammenhang zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozeßrecht Der Vorwurf von Kopp, das Herbeiführen von Spruchreife verstoße gegen das Prinzip der Gewaltenteilung, ist wenig überzeugend, weil er von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht.365 Er nimmt an, daß jeder Gewalt ein Aufgabenkern zukommt, der nicht von Organen einer anderen Gewalt wahrgenommen werden darf. Diese Auffassung ist für sich gesehen nicht ohne Reiz, führt aber nicht weiter. Sie ist Bestandteil eines in dieser Form nicht existierenden überpositiven Gewaltenteilungsdogmas und lebt von der Vorstellung, das Herbeiführen von Spruchreife durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen verletze den Kernbereich der Exekutive. Gewaltenteilung ist jedoch unter der Geltung des Grundgesetzes eine auch auf die realen Verhältnisse bezogene Funktionenteilung, deren Ausgestaltung und normative Kraft nicht von rechtlichen Kernbereichskonstruktionen mit unbestimmter Abstraktionshöhe abhängig ist.366 Die Funktionen müssen durch Organe wahrgenommen werden, die dafür möglichst geeignet sind. Daß Behörden hinsichtlich ihrer Arbeitsweise, Struktur und Besetzung originäre Sachverhaltsermittlungen durchführen können, ist unbestritten. Die vorhandene Sachkunde und Erfahrung gibt ihnen jedoch kein Erstentscheidungsrecht, das das Herbeiführen von Spruchreife durch die Verwaltungsgerichte verbietet. Regelmäßig ist in der Behörde zwar das erforderliche Wissen vorhanden,367 aber diese Aussage ist nicht derart verallgemeinerungsfähig, als das sie sich in einen ungeschriebenen Rechtssatz fassen ließe.368 Auch Behörden müssen auf externen Sachverstand zurückgreifen, wenn ihnen die notwendige Sachkunde fehlt.369 Gerade in den Bereichen technische Sicherheit und Risikovorsorge ist die Exekutive auf eine Vielzahl von Sachverständigen angewiesen.370 365 So auch Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung des § 113 Abs. 3 VwGO, S. 160; Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 453 f.; Kischel, Die Begründung, S. 82 f. 366 Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel B. III. 367 Kopp, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 218 und S. 246 – Diskussionsbeiträge; H. Hill, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 236 f. – Diskussionsbeitrag; Ronellenfitsch, FS für Blümel, S. 497 (521). 368 Krit. zur Sachkunde und Rechtstreue der Verwaltung, W. Hill, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 197 – Diskussionsbeitrag; Krause, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 208 – Diskussionsbeitrag; siehe auch Sendler, DVBl. 1982, S. 812 (819), der die zuweilen vorkommende Praxis von Behörden anprangert, von teuren Messungen oder Gutachten im Verwaltungsverfahren abzusehen; so auch Dietlein, NWVBl. 1989, S. 298 (299 f.). 369 Thieme, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 205 – Diskussionsbeitrag. 370 Lübbe-Wolff, ZG 1991, S. 219 (241).

11 Bickenbach

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Konkreter ist der Vorwurf, das Herbeiführen von Spruchreife entspreche nicht der gerichtlichen Kontrollfunktion, sondern bedeute ein Übergreifen in den Handlungsbereich der Exekutive.371 Soweit damit die Vorstellung verbunden ist, Kontrolle sei eine rein nachvollziehende Tätigkeit, ist auch diese Kritik nicht berechtigt, weil der Kontrollbegriff zu vielschichtig ist, um derartige inhaltliche Verengungen zu rechtfertigen.372 Kopp hat jedoch mit Recht auf die Handlungsfunktion der Verwaltung hingewiesen.373 Gesetze sind an die Exekutive gerichtete Handlungsanweisungen, deren Nichtbefolgung die getroffenen Maßnahmen rechtswidrig machen. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erfordert ein Verwaltungsverfahren, das eine fehlerhafte Gesetzesanwendung möglichst ausschließt. Die Handlungsfunktion der Verwaltung kann daher gegenüber der Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit an Bedeutung gewinnen, wenn das Verwaltungsverfahren eine umfassende rechtliche und tatsächliche Prüfung des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs auf Gesetzeserfüllung gewährleistet. Angesprochen sind damit der funktionale Zusammenhang zwischen behördlicher und gerichtlicher Sachverhaltserforschung und das Problem, wie sich Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz zueinander verhalten.374 Der funktionell-rechtliche Gedanke ist auf eine möglichst wirksame Aufgabenbewältigung bezogen375 und baut auf der Funktionenteilung auf. Die verwaltungsgerichtliche Praxis gewährleistet wirksamen Rechtsschutz und ist durch § 86 Abs. 1 VwGO prozeßrechtlich abgesichert.376 Ob sie auch zu einer wirksamen Funktionenteilung führt und der damit einhergehenden Funktionenverantwortung entspricht, ist abhängig von der normativen Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren.377 Das Verfahrensrecht müßte Vorschriften enthalten, die die behördliche Sachverhaltserforschung sicherstellen und gerichtliche Untersuchungen in vielen Fällen unnötig machen. Der funktionale Zusammenhang von Verwaltungsverfahren und -prozeß sichert als Teil der grundgesetzlichen Funktionenordnung nicht nur die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen, sondern schützt auch die Rechte der Bürger. Das Grund371 Kritik an der für das Herbeiführen von Spruchreife notwendigen gerichtlichen Letztentscheidungskompetenz auch bei Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (718). 372 Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel C. I. 2. a); a. A. Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (719). 373 Kopp, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 146 (149). 374 Grundlegend Schwarze, Der funktionale Zusammenhang; umfassend zur normativen Konnexität von Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßrecht Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, insbesondere S. 491 ff.; siehe auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 217; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 248 ff.; Kingreen, DÖV 2003, S. 1 (4, 8 f.); Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1286); Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 147. 375 Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 15; Ossenbühl, FS für Redeker, S. 55 (65 f.). 376 Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel C. II. 377 Pache, Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 77 f.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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gesetz enthält nicht nur formale Garantien, sondern soll den subjektiven Rechten auch Geltung verschaffen. Der Bürger muß daher seine bestehenden (Grund-) Rechte auch durch Verfahrensrechte absichern können.378 Verfahrensrechtliche Vorschriften wirken auch rechtswahrend.379 Es besteht ein Zusammenhang zwischen Verfahrensausgestaltung und Ergebnis. Das in einem Bescheidungsurteil angelegte Wechselspiel zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit zeigt, wie bedeutend Verwaltungsverfahren für die Qualität von behördlichen Entscheidungen und die notwendige gerichtliche Kontrolle sind: Je gründlicher die Exekutive arbeitet, desto weniger Ermittlungsarbeit müssen die Gerichte leisten.380 b) Behördliche Verantwortung für die Informationssammlung und Informationsverarbeitung nach dem VwVfG381 § 86 Abs. 1 VwGO gibt den Verwaltungsgerichten zumindest die Kompetenz, erstmalige Sachverhaltsermittlungen durchzuführen. Inwieweit sie dazu verpflichtet sind, hängt davon ab, ob das Verwaltungsverfahrensrecht eine umfassende Informationssammlung und -verarbeitung gewährleistet. Den Sachverhalt im behördlichen Verfahren zu ermitteln, gehört zur Verwaltungsverantwortung.382 Diese erfaßt als Zuordnungsmodell von Befugnissen die Verfahrensabläufe und Handlungsspielräume der öffentlichen Verwaltung.383 Sie auszugestalten obliegt dem Gesetzgeber, um den Behörden die Möglichkeit zu geben, fortlaufend und umfassend Informationen zu verarbeiten, Probleme zu analysieren, Lösungen zu finden und durchzusetzen.384 Im Verfahren und mit dem Verfahren sollen sich die Behörden die notwendigen Grundlagen für ihre Entscheidungen verschaffen können.385 Auch das Herbeiführen von Spruchreife durch die Verwaltungsgerichte bedeutet, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten. Darauf aufbauend folgen rechtliche Analysen und Entscheidungen. Folglich ist zu untersuchen, ob das Herbeiführen 378 Laubinger, VerwArch. 73 (1982), S. 60 (83 f.); ausführlich zum Grundrechtsschutz im / durch Verfahren Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 21 ff.; Merten, in: Sommermann / Ziekow, Verwaltungsforschung, S. 211 (217). 379 Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (160 f.); für eine weitergehende Rechtsschutzfunktion M. Rupp, Klagebefugnis gegen verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakte, S. 183 f., S. 188; krit. Laubinger, in: König / Merten, Verfahrensrecht, S. 47 (54). 380 Die Ausgestaltung des Entscheidungsprozesses ist eine der Bedingungen der Entscheidung selbst, Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 45. 381 Grundlage der Untersuchung ist das BVwVfG, da die Länder entweder im wesentlichen gleichlautende Gesetze erlassen haben oder auf die auf Bundesebene geltende Gesetzesfassung verweisen. 382 Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel B. IV. 3. c). 383 Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel B. III. 3. b). 384 Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 293. 385 Schmidt-Preuß, FS für Maurer, S. 777 (785).

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von Spruchreife in den Funktionsbereich der Verwaltung eingreift, weil das Ermitteln und Sammeln von Informationen ein Teil der Verwaltungsverantwortung ist. Der heuristische Charakter dieses Begriffs macht es möglich, Normkomplexe zu analysieren und Kompetenzen herauszuarbeiten.386 Der Verantwortungsbegriff nimmt damit den Kompetenzbegriff in sich auf.387 Vorhandene Kompetenzen lassen sich so verdeutlichen. In welchem Maße das Herbeiführen der Spruchreife zulässig ist, ergibt sich somit komplementär aus der in den Verwaltungsverfahrensgesetzen geregelten behördlichen Verantwortung für die Informationssammlung und -verarbeitung.388 aa) Die Informationssammlung durch die Behörden (1) Die Sachverhaltsermittlung gemäß §§ 24, 26 VwVfG Die Behörde ermittelt gemäß § 24 Abs. 1 VwVfG den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Sie hat gemäß § 24 Abs. 2 VwVfG alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bedient sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie darf nicht im Vertrauen auf spätere Widerspruchs- oder Klageverfahren von einer sorgfältigen Sachverhaltsermittlung absehen.389 Die behördliche Pflicht zur Sachaufklärung orientiert sich stark an dem verwaltungsgerichtlichen Untersuchungsgrundsatz und dem dort herrschenden Vollständigkeitsideal.390 Sie beruht auf dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Der Gesetzgeber hat so die Bedeutung der Sachinformation für das Entscheidungsergebnis hervorgehoben. Die Behörde muß nicht nur vorhandene Tatsachen feststellen, sondern der von ihr ermittelte Sachverhalt entsteht und wächst auch während des Verfahrensfortgangs. Die Verwaltung ist dabei kein neutraler Schiedsrichter, sondern „Mitspieler.“391 § 24 Abs. 1 VwVfG zwingt die Behörde jedoch zu einer gewissen Objektivität und sichert neben der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch die Rechte der Bürger. Dazu Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 180. A. A. Schnapp, VVDStRL 43 (1985) S. 172 (191). 388 Dazu allgemein Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 59 ff.; siehe auch Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1287 f.); ders., VVDStRL 41 (1983), S. 151 (158 f.); Geis, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 97 (106); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 210. 389 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 21 Rdnr. 2. 390 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 119. 391 Wörtlich Berg, FS für Maurer, S. 529 (536); siehe auch Holoubek, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, S. 193 (196). 386 387

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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Wie weit die Ermittlungspflicht der Behörde reicht, hängt vom Einzelfall ab.392 Jedenfalls muß sie die durch die Beteiligten angebotenen, sich aufdrängenden und leicht beschaffbaren Daten ermitteln.393 Der Umfang der Sachverhaltsermittlungspflicht ist auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit und der Bedeutung der Entscheidung.394 Ein Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von Tischen und Stühlen auf dem Gehweg vor einem Café stellt andere Anforderungen als eine Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für ein Kohlekraftwerk. Die Behörde kann verpflichtet sein, wissenschaftlichen oder / und technischem Sachverstand in Anspruch zu nehmen.395 Das gilt insbesondere für Verfahren, die technisch komplexe, wissenschaftliche oder künstlerische Fragen aufwerfen. § 26 Abs. 2 VwVfG enthält die als Pflicht formulierte Obliegenheit des Bürgers, am Verfahren mitzuwirken. Das führt nicht zu einer weitgehenden Relativierung der Sachverhaltsermittlungspflicht, weil jeder Antragsteller die Dinge aus seiner Sicht schildert und die Behörde – obwohl nicht immer neutral – die ihr gegebenen Informationen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit überprüfen muß. (2) Die Anhörung Beteiligter gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG muß die Behörde bevor sie einen Verwaltungsakt erläßt, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Er soll die Möglichkeit haben, seine Sicht der Dinge zu schildern. Die Anhörung dient daher zunächst der Gewährung rechtlichen Gehörs und ist Bestandteil eines jeden rechtsstaatlichen Verfahrens. Sie dient aber auch der Aufklärung des Sachverhalts.396 Die Behörde kann sich nur mit den Argumenten auseinandersetzen, die sie kennt. Eine Anhörung hat nicht nur zu erfolgen, bevor von Amts wegen ein belastender Verwaltungsakt ergeht, sondern auch dann, wenn die Behörde einen Antrag negativ bescheiden will.397 Das ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses aus § 28 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, aus der Beteiligtenstellung des Antragstellers und aus der Rechtsnatur des Ablehnungsbescheids als ein der Bestandskraft fähiger belastender Verwaltungsakt. Besonders bedeutend wird die Anhörung, wenn die Behörde den AnP. Stelkens / Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 24 Rdnr. 26. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 123. 394 Krit. Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 21 Rdnr. 2. 395 Di Fabio, VerwArch. 81 (1990), S. 193 (213). 396 Bonk / Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 28 Rdnr. 6; Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 162; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 124. 397 Laubinger, VerwArch. 75 (1984) S. 55 (64, 72 ff.), zumindest für die Fälle, in denen die Behörde die Antragsablehnung auf Tatsachen stützen will, die der Antragsteller nicht selbst vorgetragen hat; ders., FS für Seok, S. 65 (104); Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 181; zur Gegenansicht Bonk / Kallerhoff, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 28 Rdnr. 27. 392 393

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

trag aus dem Bürger unbekannten Ermessenserwägungen ablehnen will,398 also potentiell in den Fällen, in denen der Antragsteller später nur auf Neubescheidung klagen kann. Die Anhörung ist – gerade bei offen formulierten Normen und Entscheidungsspielräumen der Verwaltung – ein Mittel, um Alternativen zu finden. Die in § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG geregelten Ausnahmen vom Anhörungsgebot gefährden diese Funktion nicht, denn sie beziehen sich größtenteils auf Fälle, in denen eine Suche nach Alternativen zeitlich nicht möglich oder wirtschaftlich sinnlos ist. (3) Die Mitwirkung anderer Behörden an der Sachverhaltsermittlung Zur Informationssammlung gehört auch die Mitwirkung anderer Behörden an der Sachaufklärung. Jede der einbezogenen Behörden hat die Möglichkeit, ihren Standpunkt darzustellen und den vorhandenen Sachverstand einzubringen. Die federführende Behörde ist gerade in komplizierten Fällen auf externes Wissen angewiesen. Das VwVfG schweigt weitgehend dazu, ob und wann andere Behörden an der Sachaufklärung mitwirken können oder müssen. Lediglich in §§ 71d, 73 Abs. 2 VwVfG ist mit der Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange ein Ausschnitt aus der Problematik geregelt. Angesichts der immer komplizierteren Lebensverhältnisse und den weitreichenden Folgen von Fehlentscheidungen ist das ein Regelungsdefizit.399 bb) Die Informationsverarbeitung durch die Behörden (1) Die Mitentscheidung durch andere Behörden Die Verwaltungsverantwortung umfaßt nicht nur die Pflicht, Informationen zu sammeln, sondern diese auch zu verarbeiten. Ähnlich wie die Mitwirkung an der Sachaufklärung, sind die Modalitäten für die Mitentscheidung anderer Behörden im VwVfG nicht geregelt worden.400 § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG regelt die Folgen, die eine unterbliebene Mitwirkung für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts hat und zeigt so sehr deutlich, wie stark das VwVfG auf das Verfahrensergebnis ausgerichtet ist.401 Lediglich einzelne Fachgesetze weisen entsprechende Regelungen auf.402

Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 24 Rdnr. 2. Dazu Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 144 f. 400 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 271. 401 Krit. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 257 f. 402 Siehe zum Beispiel § 9 Abs. 2 FStrG, § 36 Abs. 1 BauGB, § 14 Abs. 3 WHG, § 8 Abs. 2 Satz 2 AtG. 398 399

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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(2) Die Begründung von Verwaltungsakten gemäß § 39 VwVfG Wie die Behörde die gesammelten Informationen verarbeitet, zeigt sich für den Bürger insbesondere in der Begründung eines Verwaltungsakts. Gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG ist ein schriftlicher oder schriftlich bestätigter Verwaltungsakt zu begründen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Das Begründungsgebot dient der Gewährleistung von rechtlichem Gehör. Der Bürger muß erkennen können, ob ein Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hat oder nicht, ob für ihn die Möglichkeit des Obsiegens vor Gericht besteht.403 Behördliche Maßnahmen, die einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sind, müssen daher begründet werden.404 Kennt der Bürger die Gründe für eine behördliche Entscheidung, so ist er eher geneigt, diese zu akzeptieren, weil ihm Zusammenhänge und Probleme bewußt werden, die er nicht kannte oder erkennen konnte. Die Behörden können ihrer Begründungspflicht aber nur nachkommen, wenn sie vorher den Sachverhalt ermittelt und einer rechtlichen Würdigung unterzogen haben. Die Begründung kann aber nicht nur den betroffenen Bürger überzeugen, sondern auch die Widerspruchsbehörde oder das zur Überprüfung der Entscheidung angerufene Verwaltungsgericht. Jede Behörde, die einer Kontrollinstanz unterworfen ist, ist darauf bedacht, in ihrem Ergebnis nicht korrigiert zu werden, damit die von ihr als richtig angesehene Entscheidung Bestand hat. Dazu muß sie zunächst „sich selbst überzeugen“. Die Begründung dient daher auch der Selbstkontrolle der Verwaltung.405 Die Ausnahmen vom Begründungsgebot erfassen insbesondere die Fälle, in denen eine Begründung für den Bürger sinnlos oder zu aufwendig ist. § 39 Abs. 2 VwVfG gefährdet die Informationsverarbeitung der Behörden jedoch nicht nennenswert, weil die Vorschrift wegen der großen verfassungsrechtlichen Bedeutung des Begründungsgebots eng zu interpretieren ist. cc) Zwischenergebnis Obwohl das VwVfG Regelungsdefizite hinsichtlich der Mitwirkung und Mitentscheidung anderer Behörden aufweist, ergibt eine kursorische Analyse der Normen, die die Informationssammlung und -verarbeitung betreffen, daß der Exekutive eine erhebliche Verantwortung für die Sachverhaltserforschung zu403 Kischel, Die Begründung, S. 88 und S. 222 ff.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 294. 404 Lücke, Begründungszwang, S. 53 / 56; Kopp, Verfassungsrecht, S. 159. 405 Kischel, Die Begründung, S. 40 ff.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 300.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

kommt. Die Verwaltung ist beachtlichen rechtlichen Pflichten unterworfen, die sie zwingen, vor der Entscheidung über den Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts die relevanten Tatsachen zu ermitteln. Die Verwaltungsgerichte könnten daher trotz § 86 Abs. 1 VwGO auf umfangreiche und erstmalige Sachverhaltsermittlungen verzichten, weil die §§ 24, 26, 28, 39 VwVfG die Verwaltungsverantwortung für die Informationssammlung und -verarbeitung ausgestalten und gewährleisten. c) Die Verantwortung der Verwaltungsgerichte für das Herbeiführen von Spruchreife und §§ 45, 46 VwVfG Das Herbeiführen von Spruchreife verletzt jedoch nicht den Funktionsbereich der Verwaltung, weil der Gesetzgeber nicht nur die Informationssammlung und -verarbeitung, sondern auch die Folgen von diesbezüglichen Fehlern im VwVfG geregelt hat.406 Die Normierung der Fehlerfolgen wirkt sich auf den funktionalen Zusammenhang von behördlicher und gerichtlicher Sachverhaltsermittlung aus und beeinflußt die Verantwortungsteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit.407 Je gefahrloser verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften mißachtet werden können, desto geordneter und gründlicher muß das gerichtliche Verfahren ablaufen.408 Laut § 45 Abs. 1 VwVfG ist die Verletzung abschließend aufgezählter 409 Verfahrenshandlungen ex nunc410 unbeachtlich, wenn diese gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG im Widerspruchsverfahren oder bis zum Abschluß der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts – auch eines Ablehnungsbescheids – nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat.411 Daraus folgt im Umkehrschluß, daß ein verfahrens406 Gegen die Notwendigkeit gerichtlicher Sachaufklärung wegen § 46 VwVfG Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung des § 113 Abs. 3 VwGO, S. 27. 407 Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 65 f. 408 Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 68; zu den funktionalen Grenzen einer solchen Kompensation Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 148 ff. 409 Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 98; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rdnr. 2; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 597.; a. A. Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rdnr. 151. 410 Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 98; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 58 Rdnr. 16; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 613; Schenke, FS für Maurer, S. 723 (751); Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 160; a. A. Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rdnr. 18. 411 Zu § 46 VwVfG und Verpflichtungsklagen Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 101.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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rechtsfehlerhaft zustandegekommener Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die Verwaltung verpflichtet ist, gesetzmäßig zu handeln.412 aa) Die Folgen einer fehlerhaften Informationssammlung durch die Behörden (1) Die fehlerhafte Sachverhaltsermittlung gemäß §§ 24, 26 VwVfG Fehler bei der Ermittlung des Sachverhalts gemäß §§ 24, 26 VwVfG sind Verfahrensfehler,413 die einen Verwaltungsakt rechtswidrig machen und nicht gemäß § 45 Abs. 1 VwVfG geheilt werden können. Sie können jedoch gemäß § 46 VwVfG i.d.F. des GenBeschlG414 unbeachtlich sein, wenn sie die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflußt haben. Die Folgen einer unvollständigen und damit fehlerhaften Sachverhaltsermittlung werden dadurch weitgehend relativiert, weil es auf das Ergebnis und weniger auf das Verfahren selbst ankommt.415 Unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit der Norm416 und einer verfassungskonformen Auslegung wächst damit normativ die Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung den Verwaltungsgerichten zu, denn sie können nicht mehr davon ausgehen, daß die Behörde den Sachverhalt ordnungsgemäß ermittelt und insbesondere bei Ermessensentscheidungen alle relevanten Tatsachen in die Abwägung eingestellt hat. Die Norm leistet dem laxen Umgang mit Verfahrensvorschriften Vorschub und gefährdet so die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.417 Beruht ein Ablehnungsbescheid auf einer Ermessensentscheidung oder kommt der Behörde ein Beurteilungsspielraum zu, ist eine volle Ergebniskontrolle durch die Verwaltungsgerichte nicht zulässig. Die Folge ist eine Verlagerung von der Er412 Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 174, S. 247; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 96; Hufen, DVBl. 1988, S. 69 (71); teilweise a. A. Diekötter, Auswirkung von Verfahrensfehlern, S. 112 ff., der Gesetzgeber verfüge bei der Verfahrensfehlerfolgenbestimmung über einen Spielraum, weil rechtswidrige Verwaltungsakte wegen ihrer punktuellen Wirkung viel weniger belastend seien als rechtswidrige Normen (S. 91 f.). Damit bringt er die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf den Stand des 19. Jh. und betrachtet das Verwaltungsrecht als ein Gefüge objektiver Normen, denen ein Untertan als Objekt, nicht ein Bürger als Subjekt gegenübersteht; so in einem anderen Zusammenhang treffend, Rupp, Grundfragen, S. 268. 413 Die Aufzählung bei Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 135, zeigt, wie viele Fehler einer Behörde im Rahmen der Sachverhaltsermittlung unterlaufen können. 414 Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (GenBeschlG) vom 12. 09. 1996, BGBl. I, S. 1354. 415 Zu den Wurzeln dieser Sichtweise Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 586 ff. 416 Dazu Rupp, FS für Bachof, S. 151 (159, 167 f.); zur Unvereinbarkeit mit dem Europarecht Kahl, VerwArch. 95 (2004), S. 1 (26 ff.). 417 Sodan, DVBl. 1999, S. 729 (737); Bonk, NVwZ 1997, S. 320 (330); Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 311; Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung des § 113 Abs. 3 VwGO, S. 114; teilw. anders Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 30 Rdnr. 5: „funktionsgerechte Illegalität“; mit Recht krit. Pietzcker, FS für Maurer, S. 695 (698).

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gebnis- zur Verfahrenskontrolle.418 Ist auch diese mangels Sanktionsmechanismen nicht mehr gewährleistet, folgt unweigerlich eine Sachverhaltskontrolle. Der Gesetzgeber fördert so die Tendenz der Gerichte zur indirekten Kontrolle von Ermessensentscheidungen, weil diese zunächst das Abwägungsmaterial auf seine Vollständigkeit überprüfen. Fehler während der Sachverhaltsermittlung machen daher den Ablehnungsbescheid materiell rechtswidrig und führen zu einem Bescheidungsurteil. Der Gesetzgeber hat durch das GenBeschlG den vermeintlichen Teufelskreis von Verfahrensdauer und Fehlerfolgen gestärkt, obwohl er vorgegeben hat, diesen durchbrechen zu wollen.419 (2) Die fehlerhafte oder fehlende Anhörung Beteiligter gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG Die erforderliche Anhörung eines Beteiligten kann gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachgeholt werden. Ihr Zweck ist dadurch nicht gefährdet, solange sichergestellt ist, daß die Behörde die vorgebrachten Argumente noch berücksichtigen und ihrer Entscheidung zugrunde legen kann.420 § 45 Abs. 2 VwVfG a. F. hat das sichergestellt, indem eine Anhörung nur bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens nachgeholt werden konnte.421 Die zeitliche und funktionelle Zäsur zwischen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren war gewahrt. Der durch das GenBeschlG neu gefaßte § 45 Abs. 2 VwVfG hat diese Zäsur aufgehoben.422 Daran hat die Umformulierung durch das RmBereinVpG423 nichts geändert, auch wenn sie eine wünschenswerte Klarstellung gebracht hat. Die erst während eines gerichtlichen Verfahrens durchgeführte Anhörung kann nicht mehr mit ausreichender Sicherheit gewährleisten, daß die vom Antragsteller vorgebrachten Argumente in die behördliche Entscheidung einfließen. Zudem stehen sich Krebs, Kontrolle, S. 97 f., S. 104. So auch Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 152; Geis, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 97 (107); zustimmend zu den Gesetzesänderungen unter Bezugnahme auf einen angeblichen gesamtgesellschaftlichen Konsens Gerhardt, in: Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung, S. 113 f. – Diskussionsbeitrag mit Erwiderung von Hufen, S. 114. 420 Zu dieser realen Heilbarkeit Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 599; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 100; dagegen Diekötter, Auswirkung von Verfahrensfehlern, S. 100, der aber eine Auslegung contra legem mit einer verfassungskonformen Auslegung verwechselt. 421 Zur Widersprüchlichkeit dieser Norm Niedobitek, DÖV 2000, S. 761 (765); berechtigte Kritik an den geringen Anforderungen der Rechtsprechung an eine nachgeholte Anhörung bei Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (568). 422 Reinel, BayVBl. 2004, S. 454 (459); Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 287, hält § 45 Abs. 2 VwVfG insoweit für verfassungswidrig; zur Unvereinbarkeit mit dem Europarecht Kahl, VerwArch. 95 (2004), S. 1 (20 ff.); Bedenken äußert auch Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 152. 423 Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozeß (RmBereinVpG) vom 20. 12. 2001, BGBl. I, S. 3987. 418 419

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Bürger und Behörde schon als Konfliktparteien mit entsprechend verminderter Kompromißbereitschaft gegenüber. Die Neigung der Behörde, ihre Entscheidung zu revidieren, „dürfte eher gering sein.“424 Letztlich muß das Gericht kontrollieren, ob eine den verfassungs- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen genügende Anhörung stattgefunden hat oder nicht. § 45 Abs. 2 VwVfG n. F. verlagert daher weitere Aufgaben auf die Verwaltungsgerichte und schwächt die Verwaltungsverantwortung. (3) Die fehlerhafte oder fehlende Mitwirkung anderer Behörden an der Sachverhaltsermittlung § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG erfaßt nur die fehlende Mitwirkung einer anderen Behörde an der Sachentscheidung, nicht die fehlende oder fehlerhafte Mitwirkung an der Sachaufklärung. Mangels Heilbarkeit beeinflußt die Änderung von § 45 Abs. 2 VwVfG durch das GenBeschlG die in diesem Bereich normativ nur schwach ausgebildete Verwaltungsverantwortung nicht. Anders verhält es sich mit § 46 VwVfG i.d.F des GenBeschlG. Auch wenn die Mitwirkung anderer Behörden an der Sachaufklärung nur in § 71d VwVfG und § 73 Abs. 2 VwVfG geregelt ist, so ist § 46 VwVfG in seiner derzeitigen Fassung geeignet, einen Kausalitätszusammenhang zwischen Verfahrensfehler und Ergebnis zu leugnen. Unterbleibt die notwendige Mitwirkung einer anderen Stelle an der Sachaufklärung, so besteht zumindest die Gefahr, daß sich die Behörde auf den Standpunkt stellt, dieser Fehler habe ihre Entscheidung nicht beeinflußt. Das schwächt die Verwaltungsverantwortung, weil dann das Verwaltungsgericht prüfen muß, ob die Verletzung der Mitwirkungspflicht in der Sache bedeutend war oder nicht. bb) Die Folgen einer fehlerhaften Informationsverarbeitung durch die Behörden (1) Keine oder fehlerhafte Mitentscheidung anderer Behörden Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG ist die fehlende, aber erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde im Rahmen eines mehrstufigen Verwaltungsaktes425 unbeachtlich, wenn sie nachgeholt wird. Auch wenn die Modalitäten für eine Mitentscheidung anderer Behörden im VwVfG selbst nicht geregelt sind, so war es 424 Reinel, BayVBl. 2004, S. 454 (457); Sodan, DVBl. 1999, S. 729 (738); Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 616, 620 (psychologische Bestandskraft); siehe schon ders., NJW 1982, S. 2160 (2165); krit. Pietzcker, FS für Maurer, S. 695 (709), die Behörde werde ihre Entscheidung in jedem Fall als richtig erweisen wollen, eine gerichtliche Aufhebung ändere daran nichts. 425 Zum Regelungsgehalt von § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 270.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

der Zweck von § 45 Abs. 2 VwVfG a. F., andere Behörden an ihre Mitentscheidungspflichten zu erinnern. Insbesondere sollte verhindert werden, daß die zu beteiligende Behörde im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nur noch aus „Behördensolidarität“ ihre Zustimmung erteilt.426 § 45 Abs. 2 VwVfG n. F. hebt auch hier die Zäsur zwischen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf und leistet möglichem Mißbrauch Vorschub. Diese Schwächung der Verwaltungsverantwortung ist besonderes schmerzlich, weil das VwVfG selbst keine Anforderungen an eine Mitwirkung normiert. (2) Die fehlende oder unvollständige Begründung von Verwaltungsakten gemäß § 39 VwVfG Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist eine Verletzung von § 39 Abs. 1 VwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Vor Inkrafttreten des GenBeschlG konnte die Behörde die fehlende Begründung nur bis zum Ende des Vorverfahrens nachholen. § 45 Abs. 2 VwVfG n. F. hat auch diese Zäsur aufgehoben. Die erst während eines gerichtlichen Verfahrens gegebene Begründung kann ebenso wie die erst nachträglich durchgeführte Anhörung nicht mehr gewährleisten, daß die Behörde zunächst gegenüber sich selbst die beabsichtigte Regelung rechtfertigt. Des weiteren ist die Befriedungsfunktion einer nachträglich gegebenen Begründung geringer, weil der Bürger immer den Verdacht hegen kann, daß die von der Behörde vorgetragenen Gründe nicht gut überdacht sind und nur dazu dienen, vor Gericht das Gesicht zu wahren.427 Die Neufassung von § 46 VwVfG schwächt die Verwaltungsverantwortung für die Informationsverarbeitung zusätzlich, wenn eine während des gerichtlichen Verfahrens gegebene Begründung nach dem Grundsatz der realen Heilbarkeit von Verfahrensfehlern nicht ausreicht, um den Verwaltungsakt ex nunc rechtmäßig erscheinen zu lassen. Letztlich muß somit wieder das Verwaltungsgericht darüber entscheiden, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflußt hat oder nicht.428 4. Ergebnis Auch wenn Stimmen aus der Praxis zeigen, daß sich die Neufassung von § 45 Abs. 2 VwVfG und § 46 VwVfG nur wenig auf die verwaltungsgerichtliche Tätigkeit auswirkt429, hat der Gesetzgeber das Verwaltungsverfahrensrecht an wichtigen Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rdnr. 97. Gegen eine Nachholung im Prozeß auch Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 171. 428 Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, S. 97 ff., S. 127 ff., plädiert dafür, Begründungsfehler stets als beachtlich anzusehen und vom Anwendungsbereich des § 46 VwVfG auszunehmen. 429 Hufen, JuS 1999, S. 313 (314). 426 427

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

173

Stellen geändert und damit das Maß der Verwaltungsverantwortung neu bestimmt.430 Das Verwaltungsverfahren ist nach der Änderung des VwVfG mit erheblich weniger rechtsstaatlichen Garantien ausgestattet und kann nicht mehr kompensatorisch wirken.431 Das GenBeschlG hat die Verwaltungsverantwortung normativ geschwächt. Eine Stärkung ist erst zu erwarten, wenn internationales Recht432 oder das Europarecht einen verwaltungsverfahrensrechtlichen „due process“ nach Deutschland bringen.433 Das Herbeiführen von Spruchreife durch gerichtliche Sachverhaltsvermittlungen ist zur Zeit geboten und verletzt nicht die grundgesetzliche Funktionenteilung.434 Das Herbeiführen von Spruchreife ist grundsätzlich auch dann angezeigt, wenn der Kläger gemäß § 75 VwGO eine Untätigkeitsklage erhoben hat. Im einem solchen Fall ist zwar unklar, ob und inwieweit die Verwaltung den Sachverhalt ermittelt und rechtlich beurteilt hat,435 aber eine Verurteilung zur erstmaligen Bescheidung wäre oftmals nur ein unvollkommener Ersatz für eine abschließende Entscheidung in der Sache. Eine Ausnahme gilt für die Fälle, in denen die zuständige Behörde noch gar nicht entscheiden konnte, weil sie nichts von dem Fall gewußt hat.436 Die Verwaltung soll zumindest die Chance haben, sich zu äußern und ein Verfahren durchzuführen. Das ist keine Folge eines Rechts zur behördlichen Erstentscheidung, sondern ein Gebot der grundgesetzlichen Funktionenteilung. In Fällen der Ressortverwechselung und der Verbandsunzuständigkeit verbietet die Kompetenzverteilung ein Übergehen der zuständigen Behörde. Die Klagen über die Dauer von verwaltungsgerichtlichen Verfahren erledigen sich, wenn es erst gar nicht zum Prozeß kommt, eine behördliche Entscheidung also akzeptiert wird. Rechtmäßigkeit und Akzeptanz von Amtshandlungen hängen von zweierlei ab: klaren materiellen Maßstäben und einem darauf abgestimmten Verfahren. Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt offenbart sich nicht,437 ist nicht vor430 In der Terminologie von Jochum, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 73, hat Gesetzgeber die „Demarkationslinie“ zwischen Verwaltungsverfahren und -prozeß verschoben. 431 Zu diesem Gedanken im Prüfungsrecht Kingreen, DÖV 2003, S. 1 (8); ähnl. Niedobitek, DÖV 2000, S. 761 (767); Ramsauer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 699 (713). 432 Zur Aarhus-Konvention Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 (265); Kahl, VerwArch. 95 (2004), S. 1 (33). 433 Skeptisch gegenüber der dieses Ziel verfolgenden Neufassung von §§ 214, 215 BauGB Erbguth, DVBl. 2004, S. 802 (808 f.); zum Einfluß des Europarechts Kahl, VerwArch. 95 (2004), S. 1 (20 ff., 35); Ehlers, DV 37 (2004), S. 255 (260); Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1290 f.); Hufen, JuS 1999, S. 313 (315 / 320); schöner Überblick über Verfahrensfehlersanktionen in europäischen Ländern bei Pietzcker, FS für Maurer, S. 695 (698 ff.); zum amerikanischen Recht Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 29. 434 Zu diesem Zusammenhang schon Ule, DVBl. 1957, S. 597 und Bachof, DVBl. 1958, S. 6. 435 BVerwG, Urt. v. 13. 04. 1961 – III C 183.59 –, E 12, 186 (189). 436 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 26 Rdnr. 25; Marx, Herbeiführen von Spruchreife, S. 101 Fn. 27. 437 Rupp, FS für Bachof, S. 151 (164).

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

gegeben im Sinne einer feststehenden Entscheidung, die nur schnellstmöglich gefunden werden muß.438 Das Rechtsbewußtsein in der Verwaltung leidet weniger unter dem Herbeiführen von Spruchreife, als unter immer neuen Heilungsvorschriften, die das Verwaltungsverfahrensrecht entwerten und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gefährden.439 Die gesetzliche Sanktionierung von Verfahrensfehlern wirkt erzieherisch, nicht jedoch die gerichtliche Rückverweisung in einen zweifelhaften status quo.440

III. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie und das Herbeiführen von Spruchreife Am Schluß dieses Abschnitts steht die Frage, ob nicht auch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie dem „Durchentscheiden“ der Verwaltungsgerichte Grenzen setzt. Daß die Antwort nicht theoretischer Natur ist, zeigt das sog. Görlitz-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.441 Mit dieser Entscheidung schließt sich der Kreis um die Thematik subjektiver Rechtsschutz und Untersuchungsgrundsatz. Das Urteil dokumentiert aber auch, wie schwierig es ist, spezifisch selbstverwaltungsrechtliche Gründe zu finden, die dem Herbeiführen von Spruchreife entgegenstehen. Argumente könnten sich aus dem (verfassungs-)rechtlichen Tätigkeitsrahmen von Gemeinden und der demokratischen Legitimation ihrer Organe ergeben. Die kommunalen Gebietskörperschaften befinden sich in einem doppelten Spannungsverhältnis, was sich auf die von den Verwaltungsgerichten zu entscheidenden Fälle auswirkt. Zum einen treten Gemeinden und Gemeindeverbände den Bürgern wie andere Hoheitsträger auch gegenüber. Zum anderen folgt aber aus Art. 28 Abs. 2 GG und entsprechenden Vorschriften in den Landesverfassungen, daß sie im Verhältnis zu Bund und Ländern eine eigene, verfassungsrechtlich garantierte Rechtsposition haben, die inhaltlich von landesspezifischen Traditionen und Vorverständnissen geprägt ist. Diese können die kommunale Selbstverwaltung als mit438 Entgegen Ronellenfitsch, FS für Blümel, S. 497 (517), ist das Verwaltungsverfahren für das Ergebnis durchaus bedeutend. Die Antwort auf die Frage, wie die für eine Entscheidung notwendigen Informationen gewonnen und verarbeitet werden sollen, bleibt er mit einem Hinweis auf Rechtstreue und Sachverstand der Behörden (S. 521) schuldig; wie hier dagegen Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 223. 439 Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 178; Reinel, BayVBl. 2004, S. 454 (458); Sodan, DVBl. 1999, S. 729 (737); Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (566 Fn. 33), spricht treffend von einer „Ridiculisierung der Verfahrensanforderungen“. 440 Piendl, Die verwaltungsprozessuale Bedeutung von § 113 Abs. 3 VwGO, S. 165, verwechselt Ursache und Wirkung, wenn sie im Herbeiführen von Spruchreife eine Ursache für den Verlust von verwaltungsverfahrensrechtlichen Garantien sieht; gleiches gilt für Seibert, FS für Zeidler, S. 469 (485). 441 BVerwG, Urt. v. 17. 04. 2002 – CN 1 / 01 –, E 116, 188 ff. = NVwZ 2002, S. 1123 ff.; dazu Oebbecke, NVwZ 2003, S. 1313 ff.

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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telbare Staatsverwaltung, aber auch als grundrechtsähnliche Rechtsposition erscheinen lassen.442 1. Selbstverwaltungsgarantie und Entscheidungsspielräume beim Erlaß von begünstigenden Verwaltungsakten Den Selbstverwaltungskörperschaften kommen im Verhältnis zu ihren Bürgern oder Einwohnern grundsätzlich keine spezifisch selbstverwaltungsrechtlichen Ermessens- oder Beurteilungsspielräume zu, weil sie nach außen hin wie andere Behörden agieren und die Grundlagen für eine besondere normative Ermächtigung fehlen. Gleichwohl sind solche Spielräume nicht von vornherein ausgeschlossen, wie das Görlitz-Urteil zeigt, in dem das Bundesverwaltungsgericht von den Tatsachengerichten eine prozeßökonomische und an der Gewaltenteilung orientierte Anwendung von § 86 Abs. 1 VwGO fordert. Die Entscheidung läßt sich inhaltlich aber nur schwer auf Verpflichtungsklagen und das Herbeiführen von Spruchreife übertragen, weil ihr eine verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle zugrunde liegt und das kommunale Satzungsermessen betrifft. Immerhin hat das Bundesverwaltungsgericht auf seine Rechtsprechung zur eingeschränkten Überprüfbarkeit von Prognoseentscheidungen zurückgegriffen und auf die Funktionsgrenzen gerichtlicher Kontrolle hingewiesen.443 Das Görlitz-Urteil betrifft den Sonderfall einer kommunalen Gebührenkalkulation. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich auf eine Ergebniskontrolle beschränkt, weil das sächsische Kommunalabgabenrecht nur eine unangemessene Gewinnerzielung verbietet, ein Unterschreiten dieser Obergrenze aber erlaubt. Es liege im normgeberischen Ermessen der Gemeinde, ob sie die ihr rechtlich zugestandene Obergrenze voll ausschöpfe. Dieses Satzungsermessen sei kommunalpolitischer Natur und mit dem Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 28 Abs. 2 GG verbunden.444 Insofern bejaht das Gericht einen spezifisch selbstverwaltungsrechtlichen Entscheidungsspielraum. Das Gericht hat aber in seiner Begründung kaum dogmatische Erwägungen angestellt, sondern statt dessen auf das richterliche Fingerspitzengefühl verwiesen, damit verwaltungsgerichtliche Entscheidungen für den Bürger nicht zum ,Pyrrhussieg‘ werden.445 Allein der Verweis auf Art. 28 Abs. 2 GG führt nicht dazu, daß unbestimmte Rechtsbegriffe in kommunalen Satzungen stets eine normative Ermächtigung der Gemeinde zur Letztentscheidung beinhalten. Die aufgrund kommunaler Satzungen gegenüber dem Bürger getroffenen Maßnahmen sind wie alle anderen auch gerichtlich grundsätzlich voll überprüfbar.446 Nur wenn sich durch Auslegung ermitteln läßt, daß die Verwendung eines unbe442 443 444 445 446

Dazu Hufen, FS für Maurer, S. 1177 (1178 f.). BVerwG, Urt. v. 17. 04. 2002 – 9 CN 1 / 01 –, E 116, 188 (191). BVerwG, Urt. v. 17. 04. 2002 – 9 CN 1 / 01 –, E 116, 188 (192). Wörtlich BVerwG, Urt. v. 17. 04. 2002 – 9 CN 1 / 01 –, E 116, 188 (197). Papier, DÖV 1986, S. 621 (627).

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

stimmten Rechtsbegriffs einen nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum begründet oder eine Ermessensvorschrift vorliegt, scheidet ein Herbeiführen von Spruchreife aus. Satzungen unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von Rechtsverordnungen und Gesetzen. Für spezifisch selbstverwaltungsrechtliche Freiräume beim Erlaß von Verwaltungsakten fehlt der argumentative Ansatzpunkt, weil nicht erkennbar ist, welche Tatbestandsmerkmale einer kommunalen Satzung von den Verwaltungsgerichten nicht voll überprüfbar sein sollten. Daher verfängt auch das Argument der Bürgernähe oder der besonderen Kenntnisse von den örtlichen Gegebenheiten nicht, weil insofern nicht unbedingt ein Unterschied zu anderen Behörden besteht.447 Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften gehören begrifflich und ihren rechtlichen Bindungen nach zur Exekutive.448 2. Demokratische Legitimation kommunaler Organe Die von den Verwaltungsgerichten zu überprüfenden Entscheidungen werden nicht selten vom Gemeinderat oder von direkt gewählten Bürgermeistern getroffen.449 Aufgrund ihrer demokratischen Legitimation und der unmittelbaren Teilhabe der Gemeindeeinwohner an der politischen Willensbildung kommt den Gemeindeorganen jedoch keine selbstverwaltungsrechtliche Einschätzungsprärogative gegenüber den Verwaltungsgerichten zu, wie sie das Bundesverfassungsgericht dem parlamentarischen Gesetzgeber einräumt.450 Dieser ist durch das Staatsvolk unmittelbar demokratisch legitimiert und eine eigenständige Funktion im Sinne vom Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.451 Dem Parlament kommt ein „Legitimationsvorsprung“ zu.452 Die Mehrheit im Parlament hat in einer repräsentativen Demokratie das Vertrauen der Mehrheit der Bürger. Auch ein Verfassungsgericht kann gesetzgeberische Prognosen oft nur auf die Richtigkeit der Tatsachengrundlagen, evidente Wertungswidersprüche und Willkür hin überprüfen. Keine mündliche Verhandlung kann so lang und ausführlich durchgeführt werden wie ein Gesetzgebungsverfahren mit etlichen Ausschußsitzungen und Sachverständigenanhörungen. Die Stellung der demokratisch gewählten Gemeindeorgane ist mit einem Legislativorgan nicht vergleichbar.453 Staatsrechtlich gehören die Gemeinden aufgrund A. A. Schmitt, in: Dokumentation, S. 102 (114). Schmidt-Aßmann, GS für Martens, S. 249 (261). 449 Dazu B. J. Scholz, Rechtsschutz der Gemeinden, S. 88. 450 A. A. Schmitt, in: Dokumentation, S. 102 (110). 451 Dreier, in: ders., GG, Art. 20 (Demokratie), Rdnr. 109 f. 452 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (364); zur demokratischen Legitimation funktionaler Selbstverwaltung BVerfG, Beschl. v. 5. 12. 2002 – 2 BvL 5 / 98 u. a. –, NVwZ 2003, S. 974 (975 ff.); dazu Musil, DÖV 2004, S. 116 ff. 453 BVerfG, Beschl. v. 21. 06. 1988 – 2 BvR 975 / 83 –, E 78, 344 (348); Papier, DÖV 1986, S. 621 (628); für eine partielle Vergleichbarkeit dagegen B. J. Scholz, Rechtsschutz der Gemeinden, S. 86; dazu auch Kahl, Die Staatsaufsicht, S. 482, S. 485 ff. 447 448

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

177

der systematischen Einordnung von Art. 28 Abs. 2 GG in den Abschnitt „Der Bund und die Länder“ zu den Ländern.454 Selbst wenn die Gemeinden historisch gesehen niemals ein Teil des Staates waren,455 so sind sie keine eigenständige Funktion gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Gemeinden teilen zwar mit Bund und Ländern die „Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage,“456 aber sie bleiben ein Träger der Verwaltung.457 Sie gehören zur Exekutive und üben kein eigenes „gouvernement“ aus.458 Das Gemeindevolk ist nur ein kleiner Teil des Gesamtvolks und mit diesem nicht vergleichbar.459

3. Die Planungshoheit und das Herbeiführen von Spruchreife Rechtliche Grenzen für das Herbeiführen von Spruchreife bestehen ausnahmsweise dann, wenn konkrete Rechtspositionen der Gemeinden betroffen sind. Insbesondere die kommunale Planungshoheit führt immer wieder zum Erlaß von Bescheidungsurteilen.460 Ein Verpflichtungsurteil darf nicht ergehen, wenn die Gemeinde noch keine Gelegenheit hatte, zum Bauantrag Stellung zu nehmen oder die planungsrechtliche Entscheidungsreife noch nicht besteht. Es gehört zwar zu den Aufgaben der Verwaltungsgerichte, eine etwaige Versagung des gemeindlichen Einvernehmens zu kontrollieren, aber sie dürfen mit Blick auf im behördlichen Verfahren noch zu ermittelnde Tatsachen nicht eine hypothetische Erklärung der Gemeinde überprüfen und vorgreiflich ein Verpflichtungsurteil erlassen.461 Die Position der Gemeinde im Genehmigungsverfahren ist vergleichbar mit derjenigen, die eine Fachbehörde hat.462 Selbst wenn der Behörde kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum verbleibt und eine umfassende gerichtliche Kontrolle möglich ist, muß das Verwaltungsgericht das Votum einer solchen Behörde abwarten und darf nicht wie im Fall einer normalen Untätigkeitsklage die Spruchreife herbeiführen. 454 BVerfG, Urt. v. 27. 05. 1992 – 2 BvF 1, 2 / 88, 1 / 89 und 1 / 90 –, E 86, 148 (215); Schmidt-Aßmann, GS für Martens, S. 249 (258). 455 A. A. Schmidt-Aßmann, GS für Martens, S. 249 (260), „nicht vorstaatlich.“ 456 BVerfG, Urt. v. 31. 10. 1990 – 2 BvF 2, 6 / 89 –, E 83, 37 (55). 457 Schmidt-Aßmann, GS für Martens, S. 249 (259); Papier, DÖV 1986, S. 621 (628); Lotz, in: Dokumentation, S. 102 (104 f.,124). 458 Schmidt-Aßmann, in: Schoch, Selbstverwaltung der Kreise in Deutschland, S. 75 (79); weitere Nachweise zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Knemeyer / Wehr, VerwArch. 92 (2001), S. 317 (324). 459 Anders B. J. Scholz, Rechtsschutz der Gemeinden, S. 85. 460 VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 22. 10. 2002 – 3 S 1689 / 01 –, BauR 2003, S. 420 (423). 461 So im Ergebnis auch BVerwG, Beschl. v. 17. 6. 2003 – 4 B 14 / 03 –, BauR 2003, S. 1704 (1705). 462 Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel D. I. 4. b).

12 Bickenbach

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

E. Zusammenfassung Eine Verpflichtungsklage ist spruchreif, wenn alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung vorliegen, die die Verwaltung verpflichtet, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. Die Verwaltungsgerichte beschränken sich nicht darauf, einen schon vorhandenen Sachverhalt zu bewerten, sondern ermitteln die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung. Ein Ablehnungsbescheid wird umfassend auf seine Vereinbarkeit mit dem materiellen Recht geprüft. Die Behörden erhalten keine Gelegenheit, den Antrag des Bürgers nochmals zu bearbeiten. Die Verwaltungsgerichte weisen die Klage entweder als unbegründet ab oder verpflichten die Behörde, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Ziel ist das „Durchentscheiden“, die abschließende Klärung aller rechtlichen und tatsächlichen Streitfragen. Für diese Praxis spricht Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Verwaltungsgerichte sind verpflichtet, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Prüfung vorzunehmen, um wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Ihre Funktion beschränkt sich nicht darauf, vorhandene behördliche Feststellungen und Wertungen nachzuvollziehen. Kontrolle ist ein vergleichender Vorgang, der eigene Untersuchungen nicht ausschließt. Eine abschließende gerichtliche Entscheidung sorgt für mehr Rechtssicherheit als ein Bescheidungsurteil, da sie größere Vorwirkungen auf andere Verfahren entfaltet und hilft, weitere Prozesse zu vermeiden. Ein Zusammenhang zwischen der Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren und dem Herbeiführen von Spruchreife läßt sich mit dem vorhandenen Zahlenmaterial nicht nachweisen. Eine neuere Studie spricht dafür, daß die Verfahrenslänge stark von der personellen Ausstattung und der Anzahl der Altfälle abhängig ist. Für die gerichtliche Praxis spricht auch der im Verwaltungsprozeß gemäß § 86 Abs. 1 VwGO geltende Untersuchungsgrundsatz. Danach hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Es darf den Sachverhalt jedoch nur in den Grenzen des Streitgegenstands ermitteln und bewerten, da im Verwaltungsprozeß die Dispositionsmaxime gilt. Macht der Kläger einen bestimmten Anspruch geltend, verletzt das Herbeiführen von Spruchreife nicht dessen Dispositionsbefugnis, weil allein das Gericht über die anwendbaren Rechtsnormen und die vorliegenden Tatbestandsmerkmale zu entscheiden hat. Der Untersuchungsgrundsatz gleicht das zwischen Behörde und Bürger bestehende Informationsgefälle aus und gewährleistet im Rahmen des Individualrechtsschutzes die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Zugleich sichert er die Qualität und Akzeptanz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen. Eine besondere Bedeutung für das Herbeiführen von Spruchreife hat § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, obwohl die Vorschrift keine Befugnisnorm ist. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen auch auf § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO verweist, macht es damit den Zusammenhang zwischen einem im Ergebnis

1. Kap.: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung

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rechtmäßigen Ablehnungsbescheid und dem nicht vorhandenen Anspruch auf Gesetzeserfüllung deutlich. Das Herbeiführen von Spruchreife ist zu unterscheiden vom Nachschieben schon vorhandener Gründe durch die Behörde. Das Gericht darf dem Kläger nichts zusprechen, was diesem materiell-rechtlich nicht zukommt. Es muß daher prüfen, ob der Ablehnungsbescheid im Ergebnis rechtmäßig ist und dem Anspruch des Klägers auf Gesetzeserfüllung entgegensteht. Das Herbeiführen von Spruchreife auch durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen ist Voraussetzung für diese abschließende Kontrolle. Das ergebnisorientierte „Durchentscheiden“ ist unzulässig, wenn die endgültige Bewertung einer Streitigkeit in den Kompetenzbereich der Verwaltung fällt oder die Sachverhaltsermittlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durch die Verwaltungsgerichte erfolgen kann. Spruchreife besteht daher nicht, soweit die Behörde einen Ermessens-, Planungs- oder Beurteilungsspielraum hat, weil dann die Exekutive für die abschließende Entscheidung verantwortlich ist. Das Verwaltungsgericht darf gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur prüfen, ob die Behörde bei ihrer Ermessensausübung die durch § 40 VwVfG gezogenen Grenzen beachtet hat. Das gilt auch für fachplanerische Entscheidungen, die regelmäßig auf Prognosen basieren. Diese müssen die Gerichte als Sachverhaltsgrundlage akzeptieren, wenn sie auf Tatsachen aufbauen, plausibel erscheinen und keine methodischen Fehler enthalten. Dagegen ist die Kontrolle von unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich Aufgabe der Gerichte. Ein behördlicher Beurteilungsspielraum besteht nur, wenn es sich um eine komplexe oder schnellebige Materie handelt, die Entscheidung daher schwer nachvollziehbar ist und die Verwaltungsgerichtsbarkeit an ihre Funktionsgrenzen stößt sowie bei prüfungsspezifischen Wertungen. Des weiteren darf ein abschließendes Urteil nicht ergehen, soweit eine besonders qualifizierte Fachbehörde zu entscheiden hat, oder der Verwaltung ein Auswahlermessen bezüglich zweckmäßiger Nebenbestimmungen verbleibt. Macht der Kläger einen gebundenen Anspruch geltend, sind die Verwaltungsgerichte nicht an den im Verwaltungsverfahren erreichten Stand der Sachverhaltsermittlungen gebunden. Erstmalige gerichtliche Tatsachenfeststellungen verstoßen nicht gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Das Herbeiführen von Spruchreife berührt aber das Verhältnis der Handlungsfunktion der Exekutive zur Kontrollfunktion der Judikative und damit den funktionalen Zusammenhang zwischen Verwaltungsverfahren und -prozeß. Die für die Bearbeitung eines wirksamen Antrags erforderlichen behördlichen Sachverhaltsfeststellungen sind Teil der Verwaltungsverantwortung, die sich aus den gesetzlichen Regelungen zur Informationssammlung und -verarbeitung ergibt. Isoliert betrachtet, verpflichten §§ 24, 26, 28, 39 VwVfG die Behörden zur umfassenden Sachverhaltserforschung und lassen die strengen höchstrichterlichen Anforderungen an das Herbeiführen von Spruchreife als überzogen erscheinen. Die vielfältigen Möglichkeiten, behördliche Verfahrensfehler zu heilen oder als im Ergebnis unbeachtlich anzusehen, schwächen jedoch normativ die Verwaltungsverantwortung und rechtfertigen auch erstmalige Sachverhaltsermittlungen durch die Verwaltungsgerichte. 12*

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Das „Durchentscheiden“ verletzt nicht die kommunale Selbstverwaltungsgarantie. Grundsätzlich stehen weder Art. 28 Abs. 2 GG noch die demokratische Legitimation der Gemeindeorgane dem Herbeiführen von Spruchreife entgegen. Für spezifisch selbstverwaltungsrechtliche Ermessens- und Beurteilungsspielräume fehlen die gesetzlichen Grundlagen. Das in einem Verfahren gemäß § 47 VwGO ergangene Görlitz-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betrifft eine kommunale Gebührenkalkulation und nicht einen mit der Verpflichtungsklage durchsetzbaren Anspruch des Bürgers auf Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts. Das Herbeiführen von Spruchreife ist ausnahmsweise unzulässig, wenn dadurch konkrete Rechtspositionen der Gemeinden verletzt werden. Die Verwaltungsgerichte dürfen nicht der kommunalen Planungshoheit vorgreifen und die Bauaufsichtsbehörde zum Erlaß einer Baugenehmigung verpflichten, obwohl die Gemeinde noch keine Stellungnahme abgegeben hat. 2. Kapitel

Die Entscheidungswirkungen von Bescheidungsurteilen A. Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt Verwaltungsgerichtliche Urteile ergehen und entfalten ihre Wirkungen nicht um ihrer selbst willen. Im Idealfall stellen sie einen Ausgleich zwischen der Rechtssicherheit und der Gerechtigkeit her1 und sichern die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Jeder gerichtlich ausgetragene Streit zwischen zwei oder mehr Rechtssubjekten muß irgendwann enden, da sonst nicht nur das Zusammenleben der Betroffenen, sondern in einer komplizierten, von vielfältigen Abhängigkeiten geprägten Umwelt auch das Gemeinwohl leidet. Die gerichtlichen Kapazitäten sind endlich und zu wertvoll, um immer wieder mit dem gleichen Streitstoff in Anspruch genommen zu werden. Hinzu kommt die enorme volkswirtschaftliche Bedeutung vieler umstrittener Projekte, die ohne Planungs- und Rechtssicherheit nicht verwirklicht werden könnten. Gerechtigkeit und Rechtssicherheit stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, weil sie beide Ausdruck des materiellen Rechtsstaatsgedankens sind.2 Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, „daß das Prinzip der Rechtssicherheit mit der Forderung nach materieller Gerechtigkeit häufig im Widerstreit liegt und daß es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers sein muß, einen solchen Widerstreit bald nach der Seite der Rechtssicherheit, bald nach der Seite der materiellen Gerechtigkeit hin zu entscheiden.“3 Der aus der Rechtssicherheit 1 2 3

BVerfG, Beschl. v. 24. 07. 1957 – 1 BvL 23 / 52 –, E 7, 89 (92). BVerfG, Beschl. v. 25. 07. 1979 – 2 BvR 878 / 74 –, E 52, 131 (144 f.). BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1953 – 1 BvL 106 / 53 –, E 3, 225 (237).

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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folgende Rechtsfriede ist von großer Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit. Daher müssen in Einzelfällen mögliche unrichtige Entscheidungen in Kauf genommen werden.4

B. Die Rechtskraft von Bescheidungsurteilen und damit verbundene Wirkungen I. Die Grundlagen der Rechtskraft in der VwGO Gerichtlichen Entscheidungen muß eine Wirkung zukommen, die einen Rechtsstreit grundsätzlich verbindlich beendet und Rechtssicherheit sowie Rechtsfrieden gewährleistet. Diese Entscheidungswirkung ist die Rechtskraft und die von ihr ausgehende Bindungswirkung. Die Rechtskraft reicht jedoch gemäß § 121 VwGO nur so weit, wie das Gericht über den Streitgegenstand entschieden hat.5 Die verfassungsrechtliche Dimension der Rechtskraft kann nur zur Geltung kommen, wenn die Prozeßordnungen Normen enthalten, die die für rechtsbeständige Entscheidungen notwendigen Voraussetzungen konkretisieren. Gerichtliche Urteile und Beschlüsse müssen grundsätzlich Bestand haben und inhaltlich verbindlich sein,6 d. h. ihnen muß formelle und materielle Rechtskraft zukommen.

1. Die formelle Rechtskraft von Bescheidungsurteilen Ein Bescheidungsurteil ist formell rechtskräftig, wenn es nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann, weil ein solches nicht gegeben oder nach dem Ablauf der Frist nicht mehr zulässig ist.7 Die formelle Rechtskraft tritt auch ein, wenn die Partei(en) gegenüber dem Gericht darauf verzichten Rechtsmittel einzulegen8. Die VwGO enthält diesbezüglich keine ausdrücklichen Regelungen. Sie setzt vielmehr die formelle Rechtskraft in § 153 VwGO voraus und beschränkt sich auf die Festlegung von Rechtsmittelfristen. Hinzu kommt als rechtliche Grundlage § 705 ZPO, der gemäß § 173 VwGO auch für verwaltungsgerichtliche Verfahren gilt.9 Nur formell rechtskräftige Entscheidungen können inhaltlich verbindlich sein, mithin materielle Rechtskraft erlangen. Der formellen Rechtskraft fähig sind alle 4 BVerfG, Urt. v. 01. 07. 1953 – 1 BvL 23 / 51 –, E 2, 380 (403); Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5 Rdnr. 5. 5 BVerwG, Beschl. v. 16. 02. 1990 – 9 B 325 / 89 –, NVwZ 1990, S. 1069. 6 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 6. 7 Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 2. 8 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rdnr. 2; Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 11. 9 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 89.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Endurteile, Zwischenurteile gemäß §§ 109, 111 VwGO, Gerichtsbescheide und Beschlüsse.10 Bescheidungsurteile sind Endurteile, da sie das gerichtliche Verfahren abschließen. Der funktionale Zusammenhang zwischen Verwaltungsprozeß und Verwaltungsverfahren, zwischen Bescheidungsurteil und der sich anschließenden behördlichen Entscheidung ändert daran nichts.

2. Die materielle Rechtskraft von Bescheidungsurteilen Auch die materielle Rechtskraft ist in der VwGO nicht umfassend und detailliert geregelt. Soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, binden gemäß § 121 VwGO rechtskräftige Urteile die Beteiligten, ihre Rechtsnachfolger sowie im Fall von § 65 Abs. 3 VwGO die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben. § 121 VwGO enthält aber keine genaue Aussage über die Art, den Umfang und die Grenzen der Bindungswirkung von gerichtlichen Entscheidungen.11 Eine ergänzende Anwendung von § 322 ZPO führt nicht weiter, da die Vorschrift die bindende Kraft von gerichtlichen Entscheidungen nicht erwähnt. Außerdem dürfte § 322 Abs. 1 ZPO wegen der in § 121 VwGO getroffenen Regelung trotz § 173 VwGO nicht anwendbar sein.12 Die materielle Rechtskraft bindet die Beteiligten mit Eintritt der formellen Rechtskraft an die gerichtliche Entscheidung, macht diese also für die Zukunft verbindlich.13 Nicht alle formell rechtskräftigen Urteile entfalten jedoch materielle Rechtskraft. So sind Zwischenurteile unter den Parteien und zurückverweisende Urteile im Rechtsmittelverfahren nicht der materiellen Rechtskraft fähig.14 Gleiches soll aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit Zwischenurteilen, die nach § 304 ZPO ergangen sind, für Grundurteile gemäß § 111 VwGO gelten.15 Erstere sind nur für die Rechtsmittel als Endurteile anzusehen,16 weil eine Abweisung der Klage im Nachverfahren möglich bleibt.17 Bescheidungsurteile entfalten wie alle anderen Endurteile materielle Rechtskraft, obwohl die Entscheidungsfindung für den vom Kläger beantragten Verwaltungsakt noch nicht beendet ist. Der Übergang von der gerichtlichen in die behördliche Entscheidungsverantwortung 10 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 13; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 1. 11 Ähnl. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 89. 12 Anders BVerwG, Urt. v. 17. 12. 1963 – II C 20.63 –, E 17, 293 (298); a. A. auch Detterbeck, Streitgegenstand, S. 89; wie hier wohl Kopp / Schenke, VwGO, § 173 Rdnr. 4 zumindest für die entsprechende Anwendung von § 322 Abs. 2 ZPO. 13 Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 6; Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 2; allgemein Lüke, JuS 2000, S. 1042. 14 Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 17. 15 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 111 Rdnr. 10. 16 RG, Urt. v. 21. 02. 1931 – IX 478 / 30 –, RGZ 132, 16 (19). 17 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 59 IV 4c.

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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hat trotz des funktionalen Zusammenhangs eine Zäsurwirkung, weil aus dem Gesetz als Kontrollmaßstab erneut eine Handlungsanweisung wird. 3. Die Wirkungsweise der materiellen Rechtskraft Die materielle Rechtskraft wirkt ausschließlich prozessual. Rechtskräftige Entscheidungen gestalten nicht die materielle Rechtslage, schaffen nicht neue Grundlagen für die zwischen den Parteien umstrittenen Rechtsfragen (so die heute nicht mehr vertretene materiellrechtliche Rechtskrafttheorie), sondern stellen bestehende Rechtsbeziehungen lediglich fest (prozeßrechtliche Rechtskrafttheorie).18 Das ist in der verwaltungsprozeßrechtlichen und mittlerweile auch in der zivilprozeßrechtlichen Literatur anerkannt.19 Die prozeßrechtliche Rechtskrafttheorie entspricht dem Verwaltungsprozeß, der dazu dient, die subjektiv-öffentlichen Rechte der Bürger zu schützen und durchzusetzen.20

II. Gestaltungs-, Tatbestands- und Feststellungswirkung Die Bindungswirkung ist abzugrenzen von der Gestaltungs-, der Tatbestandsund der Feststellungswirkung gerichtlicher Entscheidungen. Es ist mitunter schwierig, sie von diesen Urteilswirkungen zu unterscheiden, da die Wirkungsweise der materiellen Rechtskraft nur schwer zu erfassen ist. Die Abgrenzung wird erschwert durch terminologische Unterschiede und sprachliche Unklarheiten. 1. Die Gestaltungswirkung a) Allgemeine Grundsätze Die von der materiellen Rechtskraft ausgehende Bindungswirkung, ist von der Gestaltungswirkung zu unterscheiden. Gerichtliche Entscheidungen haben Gestaltungswirkung, wenn sich durch ihren Erlaß die bestehende Rechtslage ändert.21 Im Gegensatz zu Leistungs- oder Feststellungsurteilen wirken Gestaltungsurteile rechtsändernd, d. h. sie begründen, ändern oder beseitigen ein Rechtsverhältnis. Grundlage für ein Gestaltungsurteil ist ein mit einer Klage durchsetzbares Gestaltungsrecht.22 Während im Zivilprozeßrecht jedes Gestaltungsurteil auf einer derartigen Klage beruht, ist im Verwaltungsprozeßrecht zu differenzieren. Echte 18 Zu den Theorien Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 150 II; Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 169 ff. 19 Detterbeck, Streitgegenstand S. 111; Lüke, JuS 2000, S. 1042 (1044). 20 Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 7. 21 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 91 III; Detterbeck, Streitgegenstand, S. 149. 22 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 91 I 2.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Gestaltungsklagen sind relativ selten. Praktisch relevant ist nur die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 767 ZPO.23 Die im Verwaltungsprozeßrecht als Beispiel für eine Gestaltungsklage angesehene Anfechtungsklage24 ist lediglich entsprechend „ausstaffiert ( . . . ), aber eigentlich eine verkappte Leistungsklage.“25 Der Anfechtungskläger macht kein Gestaltungsrecht, sondern einen Beseitigungsanspruch geltend.26 Die Anfechtungsklage ist daher im Grunde eine Leistungsklage. Daß das Anfechtungsurteil wegen der gerichtlichen Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsakts trotzdem Gestaltungswirkung hat,27 ist Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geschuldet. Die erst mit der formellen Rechtskraft eintretende Gestaltung der Rechtslage wirkt praktisch inter omnes,28 weil sich zum Beispiel im Fall eines Anfechtungsurteils niemand mehr auf den aufgehobenen Verwaltungsakt berufen kann.29 Das unterscheidet die Gestaltungswirkung ganz wesentlich von der Bindungswirkung, die grundsätzlich nur die Parteien des Rechtsstreits betrifft und somit inter partes wirkt.30 b) Die Gestaltungswirkung von Bescheidungsurteilen Die Gestaltungswirkung von Bescheidungsurteilen ist ausgeschlossen, wenn der Kläger eine Untätigkeitsklage erhoben hat und weder ein Ablehnungs- noch ein Widerspruchsbescheid ergangen ist. Sie wäre auch nicht denkbar, wenn die Behörde den vorhandenen Ablehnungsbescheid konkludent oder ausdrücklich aufhebt.31 Eine behördliche Aufhebung ist zwar nicht ausgeschlossen. Nach dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem werden aber angefochtene Verwaltungsakte durch die Gerichte aufgehoben. Gleichwohl ist umstritten, ob Verpflichtungs- oder Bescheidungsurteile, die auf einer Versagungsgegenklage beruhen, gestaltende Wirkung haben,32 ob der Kläger also verlangen kann, daß das Verwaltungsgericht den Ablehnungsbescheid aufhebt. So wird vertreten, mit dem Verpflichtungsurteil erledige sich der Bescheid gemäß § 43 Abs. 2 VwGO,33 oder er werde nur aus Gründen der Rechtsklarheit aufgehoben.34 Dazu Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 366 f. Siehe zum Beispiel Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 15 Rdnr. 1. 25 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 62 Rdnr. 2; Laubinger, FS für Seok, S. 65 (81 Fn. 41). 26 Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 108. 27 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 149. 28 Lüke, JuS 2000, S. 1042. 29 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 37. 30 Zu den Ausnahmen Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 25 f. 31 So Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 32 II 2. 32 Meinungsüberblick bei Detterbeck, Streitgegenstand, S. 211. 33 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 64. 23 24

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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Der Aufhebungsanspruch ist Teil des Streitgegenstands der Versagungsgegenklage.35 Das Gericht ist daher im Fall einer begründeten Klage verpflichtet, den Ablehnungsbescheid aufzuheben und dem Bescheidungsurteil gestaltende Wirkung zu geben. Die an der Rechtsprechung orientierte herrschende Meinung hält dagegen einen entsprechenden Tenor nur für deklaratorisch, aber nicht für verpflichtend.36 Diese Auffassung ist inkonsequent und widersprüchlich, weil der Kläger einen Aufhebungsanspruch hat.37 Es ist nicht ersichtlich, warum es gerade auf ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Klägers ankommen soll, ob das Gericht den Ablehnungsbescheid ex tunc, ex nunc oder nur deklaratorisch aufhebt.38 Letzteres ist wegen § 43 Abs. 2 VwVfG nicht möglich. Entweder erledigt sich der Ablehnungsbescheid durch das Verpflichtungsurteil,39 oder das Gericht hebt ihn auf und tenoriert entsprechend. Ab wann der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheids beanspruchen kann, hängt davon ab, ob dieser von Anfang an rechtswidrig war oder es später geworden ist. Das ist jedoch eine materiell-rechtliche Problematik, die der Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis vorgeht.

2. Die Tatbestandswirkung Von der Bindungs- und der Gestaltungswirkung, ist die Tatbestandswirkung zu unterscheiden. Ihr Inhalt und ihr Umfang sind unklar,40 weil nicht immer deutlich ist, ob und wie sie sich von der Bindungswirkung unterscheidet, und weil der Begriff im Verwaltungsprozeß- und im Verwaltungsrecht Verwendung findet.41 Bezüglich ihrer Wirkungsweise lassen sich Tatbestandswirkung i.w.S. und Bindungswirkung kaum unterscheiden. Die Tatbestandswirkung i.w.S. macht den Inhalt einer hoheitlichen Maßnahme für die Beteiligten und für Gerichte sowie Behörden verbindlich.42 Im Vergleich dazu bindet die materielle Rechtskraft die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger an eine formell rechtskräftige Entscheidung. Sie verhindert in einem späteren Prozeß der Beteiligten ein abweichendes gerichtliches Ergebnis bezüglich desselben prozessualen Anspruchs.43 Inhaltlich unterscheiden sich beide Wirkungen damit nur unwesentlich, jedoch weichen der Adressatenkreis 34 BVerwG, Urt. v. 22. 5. 1987 – 4 C 77.84 –, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 5; Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Rdnr. 96. 35 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. d). 36 Sodan, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 42 Rdnr. 32; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 15 Rdnr. 3; Überblick bei Schröder, FS für Menger, S. 487 (498). 37 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. d). 38 So BVerwG, Urt. v. 19. 5. 1987 – 1 C 13.84 –, DVBl. 1987, S. 1113 (1114). 39 Wehr, Jura 1998, S. 575 (579); dagegen mit Recht Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 851 Fn. 11. 40 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 150. 41 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 38. 42 Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 5. 43 Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 2.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

und der Rechtscharakter der Entscheidungen voneinander ab. Nur gerichtliche Entscheidungen erwachsen in Rechtskraft. Tatbestandswirkung i.w.S. entfalten auch Verwaltungsakte, soweit sie eine rechtsändernde konstitutive Regelung enthalten, wie sie insbesondere gestaltende Verwaltungsakte beinhalten.44 Diese Wirkung ist Grundlage der Verwaltungsaktsakzessorietät des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts. Es bietet sich an, die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten von der gerichtlicher Entscheidungen zu unterscheiden.45 Sachs schlägt daher vor, in bezug auf Verwaltungsakte von „Beachtlichkeit“ zu sprechen.46 Wenn im Zusammenhang mit gerichtlichen Urteilen oder Beschlüssen von einer Tatbestandswirkung gesprochen wird, ist damit zumeist die Tatbestandswirkung i.e.S. gemeint. Das Vorhandensein einer gerichtlichen Entscheidung ist dabei Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm.47 Der Begriff „Tatbestandswirkung“ sollte ausschließlich diesen Fällen vorbehalten bleiben. Allein die Existenz eines Urteils mit einem bestimmten Inhalt löst als Tatbestandsmerkmal die daran geknüpfte Rechtsfolge aus. Diese ist also nicht Inhalt der Entscheidung.48 Die VwGO enthält keine entsprechende Vorschrift. Immerhin verweist § 153 Abs. 1 VwGO auf § 580 Nr. 3 ZPO. Danach findet die Restitutionsklage statt, „wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat.“ Darunter fallen zum Beispiel Straftaten gemäß §§ 153 – 156 und § 163 StGB.49 Verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen und damit auch Bescheidungsurteilen kommt soweit ersichtlich keine Tatbestandswirkung i.e.S. zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat das beispielsweise in bezug auf § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG50 ausgesprochen.51

3. Die Feststellungswirkung Schließlich kann gerichtlichen Entscheidungen auch Feststellungswirkung zukommen. Anders als im Zivilprozeßrecht ist damit im Verwaltungsprozeßrecht nicht die von einer Entscheidung ausgehende Bindungswirkung im Sinne der pro44 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rdnr. 17; Faber, Verwaltungsrecht, § 20 III c mit weiteren Beispielen für die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten; Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 5; Kollmann, DÖV 1990, S. 189 (192). 45 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 38. 46 Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 43 Rdnr. 132 f. 47 BVerwG, Beschl. v. 16. 02. 1990 – 9 B 325 / 89 –, NVwZ 1990, S. 1069 (1070); Kilian, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 121 Rdnr. 8. 48 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 148 V; Lüke, JuS 2000, S. 1042 (1046). 49 Thomas / Putzo, ZPO, § 580 Rdnr. 7. 50 Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG) in der Fassung vom 02. 06. 1993, BGBl. I, S. 829. 51 BVerwG, Beschl. v. 16. 02. 1990 – 9 B 325 / 89 –, NVwZ 1990, S. 1069 (1070).

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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zeßrechtlichen Rechtskrafttheorie gemeint,52 sondern eine von bestimmten tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Bewertungen ausgehende Verbindlichkeit in einem weiteren gerichtlichen oder behördlichen Verfahren.53 Von der Tatbestandswirkung i.e.S. unterscheidet sich die Feststellungswirkung insofern, als jene an die äußere Existenz einer Entscheidung, diese an bestimmte inhaltliche Merkmale anknüpft. Sie ist zu unterscheiden, von der jeder materiell rechtskräftigen Entscheidung innewohnenden Feststellung, daß der prozessuale Anspruch besteht oder nicht.54 Die Feststellungswirkung muß gesetzlich bestimmt sein.55 Derartige Regelungen finden sich beispielsweise in § 35 Abs. 3 Satz 1 GewO, § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG oder § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG.56 Diese betreffen die Bindung der Behörde an bestimmte im Strafverfahren getroffene Feststellungen. Bescheidungsurteile haben keine derartige Feststellungswirkung, weil es – soweit ersichtlich – keine Regelungen gibt, die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen eine Feststellungswirkung geben.57 Es ist daher kaum möglich, spezifisches zur Feststellungswirkung von Bescheidungsurteilen zu sagen. Daß die Behörde verpflichtet ist, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden, wirkt sich zwar auf das behördliche Verfahren aus und ähnelt insofern der Feststellungswirkung. Gleichwohl betrifft die Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung Fragen, die mit der Bindungswirkung der Urteilsgründe zusammenhängen und daher in diesen Kontext gehören.58

C. Reichweite und Grenzen der Bindungswirkung von Bescheidungsurteilen Eine fortwährende behördliche Bindung an gerichtliche Entscheidungen würde sich auf die grundgesetzliche Funktionenteilung negativ auswirken. Verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Situation, können Rechtssicherheit und Rechtsfriede mit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und zuweilen auch mit dem Gerechtigkeitsempfinden in Konflikt geraten. Eine gerichtliche Momentaufnahme würde flexible und schnelle behördliche Reaktionen, die in einer vernetzten und komplizierten Umwelt notwendig sind, ver- oder zumindest behindern und damit dem Gemeinwohl schaden.59 Siehe oben 2. Teil 2. Kapitel B. I. 3. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 151. 54 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 151. 55 Wölfl, DÖV 2004, S. 433 (434). 56 Weitere Beispiele bei Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 39; siehe auch BVerwG, Urt. v. 12. 2. 2003 – WD 8.02 –, DVBl. 2003, S. 757. 57 Kilian, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 121 Rdnr. 7. 58 Siehe unten C. IV. 59 So schon Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 33 f. 52 53

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Die von der materiellen Rechtskraft ausgehende Bindungswirkung muß daher Grenzen haben. Die Bindungswirkung reicht gemäß § 121 VwGO nur so weit, wie das Gericht über den prozessualen Anspruch entschieden hat. Dieser setzt sich aus dem Antrag des Klägers und dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt zusammen60 und bestimmt so die Grenzen der materiellen Rechtskraft und der Bindungswirkung. Rechtsprechung und Literatur unterscheiden zeitliche, subjektive und objektive Grenzen der Rechtskraft, wobei insbesondere letztere umstritten sind.61 Während sich die subjektiven und die objektiven Grenzen hauptsächlich aus dem mit dem Antrag verfolgten prozessualen Anspruch ergeben, folgen die zeitlichen aus dem dem Antrag zugrundeliegenden Lebenssachverhalt.

I. Zeitliche Grenzen Die zeitlichen Grenzen der materiellen Rechtskraft sind gesetzlich nicht näher geregelt. § 121 VwGO enthält in dieser Hinsicht keine Aussage. Sie ergeben sich vielmehr aus dem prozessualen Anspruch. Dieser ist so strukturiert, daß der ihn tragende Lebenssachverhalt und die Gerichtsentscheidung unabhängig von der Frage nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Sach- und Rechtslage nur Momentaufnahmen sind.62 Auch wenn die verwaltungsgerichtliche Kontrolle nicht rein retrospektiv ist, sondern sich auch auf zukünftige behördliche Maßnahmen auswirkt,63 kann sie Entwicklungen nicht vorgreifen.64 Urteile können nur für Gegebenheiten gelten, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses vorlagen. Verändert sich danach der maßgebliche Lebenssachverhalt, so ist eine neue Klage nicht schon deshalb erfolglos, weil der Kläger einen im Vergleich zum Vorprozeß identischen Antrag stellt.65 Das folgt aus dem zweigliedrigen Steitgegenstandsbegriff. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zeigt, wie bedeutend die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft sind.66 Das Urteil untersagt dem Land Berlin, Mitarbeiter oder Mitglieder der Scientology Kirche Berlin e. V. durch die Gewährung oder das Versprechen von Geldzahlungen oder sonstigen vermögenswerten Vorteilen zu bestimmen, Daten und Informationen betreffend den Kläger und / oder seiner Mitglieder im Verfügungsbereich des Klägers auszuspähen und zu sammeln und dem Beklagten zu übergeben oder in sonstiger Weise zugänglich zu machen. Mangels tatRimmelspacher, JuS 2004, S. 560 (561). Detterbeck, Streitgegenstand, S. 91 spricht von einem „Dauerbrenner des deutschen Prozeßrechts.“ 62 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 100. 63 Siehe oben 2. Teil. 1. Kapitel C. I. 2. a). 64 Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 165. 65 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 71; Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 28. 66 VG Berlin, Urt. v. 13. 12. 2001 – 27 A 260.98 –, NVwZ 2002, S. 1018 ff. 60 61

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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sächlicher Anhaltspunkte für das Vorhandensein von verfassungsfeindlichen Bestrebungen darf das Land – so scheint es – keine V-Männer anwerben. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in Form von V-Männern ist gesetzlich aber nicht an Beweise für verfassungsfeindliche Bestrebungen, sondern nur an Anhaltspunkte und Verdachtsmomente geknüpft. Schon kleine Veränderungen der tatsächlichen Situation können daher eine verfassungsschutzrechtliche Neubewertung der Verdachtslage erfordern und ein Tun rechtfertigen, das unter den bisherigen Umständen rechtswidrig und daher zu unterlassen war.67 Es kann im Einzelfall sehr schwierig sein, den maßgeblichen Lebenssachverhalt zu bestimmen. Er ist zwar keine unbekannte Größe, aber letztlich ist eine trennscharfe Abgrenzung zwischen einem noch identischen und einem schon neuen Lebenssachverhalt nicht durchführbar. Möglich ist lediglich eine ungefähre Bestimmung. Dazu bietet sich zunächst eine „natürliche Betrachtungsweise“ an. Sie stellt darauf ab, ob nach allgemeiner Auffassung ein nach Ort und Zeit bestimmter Vorgang schon zu einer Veränderung des Lebenssachverhalts geführt hat, die Beteiligten des Vorprozesses also nicht mehr auf die Bindungswirkung der ergangenen Entscheidung vertrauen können. Ein Urteil steht damit aber nicht wie eine Zusicherung gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG unter dem Vorbehalt veränderter zusicherungswesentlicher Umstände, weil im Gegensatz zum Fall der clausula rebus sic stantibus68 nicht seine Bindungswirkung entfällt, sondern der neue Lebenssachverhalt nicht mehr dem entschiedenen Tatbestand unterfällt.69 Diese „natürliche Betrachtungsweise“ hat den Nachteil, nicht mit rechtlichen Kriterien zu arbeiten.70 Nur bei offensichtlichen oder wesentlichen Veränderungen liefert sie verwertbare Ergebnisse. Es ist daher notwendig, in einem zweiten Schritt juristische Erwägungen anzustellen.71 Zum maßgeblichen Lebenssachverhalt kann gehören, was den vom Kläger gestellten Antrag72 stützt, was im Tatbestand der Entscheidung erwähnt ist oder was für die begehrte Rechtsfolge von Relevanz ist. Der vom Kläger gestellte Antrag eignet sich im Verwaltungsprozeß nicht als Anknüpfungspunkt, weil das Gericht gemäß § 88 VwGO nicht an den Wortlaut gebunden ist. Die VwGO kennt im Gegensatz zur ZPO auch keine strenge Schlüssigkeitsprüfung. Der Kläger ist unbeschadet seiner Mitwirkungspflichten wegen § 86 Abs. 1 1. Halbs. VwGO nicht gehalten, die vorgetragenen Tatsachen so zu ordnen, daß das Gericht die Begründetheit der Klage allein aufgrund seines Vortrags prüfen kann.73 Es wäre möglich, den Lebenssachverhalt als maßgeblich anzusehen, den Detterbeck, Streitgegenstand, S. 102. Dazu P. Stelkens / U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 38 Rdnr. 70 ff. 69 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 74 f. 70 Krit. daher Rimmelspacher, JuS 2004, S. 560 (562); Musielak, NJW 2000, S. 3593 (3595). 71 Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 211 f. und S. 229 ff. 72 So Musielak, NJW 2000, S. 3593 (3595) für das Zivilprozeßrecht. 73 Anders im Zivilprozeß wegen § 331 Abs. 2 ZPO; dazu Musielak, NJW 2000, S. 3593 (3595). 67 68

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

das Gericht in Form von Tatsachenfeststellungen in den Tatbestand aufgenommen hat. Der gemäß § 117 Abs. 2 VwGO zum Urteil gehörende Tatbestand wäre dann nicht nur eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands, sondern ein Kriterium, das den Umfang der Rechtskraft mitbestimmt. Es besteht dann aber die Gefahr, daß der Urteilstatbestand überfrachtet wird. Dieser Ansatz würde zudem versagen, wenn die VwGO das Anfertigen eines Tatbestands nicht vorsieht. Entscheidend für das Vorliegen eines neuen Sachverhalts dürfte daher sein, daß die Veränderung die zur Rechtsfolge führenden Tatbestandsmerkmale und die unter diese zu subsumierenden Sachverhaltselemente betrifft.74

II. Subjektive Grenzen Die subjektiven Grenzen sind anders als die zeitlichen Grenzen der materiellen Rechtskraft durch § 121 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO geregelt. Danach binden rechtskräftige Urteile die gemäß § 63 VwGO Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und im Falle von § 65 Abs. 3 VwGO die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben. § 121 Nr. 1 VwGO enthält den Grundsatz der Parteienbindung, der materiellen Rechtskraftwirkung inter partes. Die Bindung der Beigeladenen ist im Interesse der Rechtssicherheit geboten. Zwischen den Parteien umstrittene Rechtsfragen sollen nicht nochmals Gegenstand eines Prozesses werden, in dem sich eine der Parteien des ersten Verfahrens und ein Beigeladener als Beteiligte gegenüberstehen.75 Aus dem gleichen Grund ist auch eine Bindung der Rechtsnachfolger notwendig. § 121 Nr. 2 VwGO ist durch das 4. VwGOÄndG76 eingefügt worden und regelt einen Spezialfall. Die Vorschrift erstreckt die Bindungswirkung auch auf vom Gericht nicht beigeladene Personen, wenn diese in einem Massenverfahren,77 trotz ordnungsgemäßer gerichtlicher Aufforderung gemäß § 65 Abs. 3 VwGO, keinen oder keinen fristgemäßen Antrag auf Beiladung gestellt haben.78 Die Regelung entspricht zwar nicht dem Sinn subjektiver Grenzen der Rechtskraft – Bindung nur bei Einfluß auf den Streitgegenstand oder Gewährung rechtlichen Gehörs79 –, sie ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit geboten und daher hinzunehmen.80

Dazu Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 231. Einzelheiten bei Detterbeck, Streitgegenstand, S. 93. 76 Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – 4. VwGOÄndG) vom 17. 12. 1990, BGBl. I, S. 2809. 77 Dazu Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 322 ff. 78 Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 32; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 22. 79 Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 166. 80 Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 32. 74 75

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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III. Objektive Grenzen: Der Streitgegenstand bestimmt den Umfang der Bindungswirkung Die wichtigste Grenze der von der materiellen Rechtskraft ausgehenden Bindungswirkung ist in § 121 VwGO nur allgemein geregelt. Die materielle Rechtskraft reicht objektiv nur so weit, wie das Gericht über den Streitgegenstand entschieden hat. Stellt der Kläger einen Bescheidungsantrag, dann ist Streitgegenstand der Versagungsgegenklage in der Regel der prozessuale Anspruch auf Erlaß eines beurteilungs- oder ermessensfehlerfreien Verwaltungsakts und der gegen den Ablehnungsbescheid gerichtete prozessuale Aufhebungsanspruch.81 Ist die Ausgangsbehörde untätig geblieben, macht der Kläger nur den Anspruch auf Gesetzeserfüllung geltend. Im Gegensatz zur erfolgreichen Anfechtungsklage, die zur gerichtlichen Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts führt, „vollzieht“ das Verwaltungsgericht den verpflichtenden Teil eines Leistungsurteils nicht selbst. Die Entscheidung enthält vielmehr den an die Behörde gerichteten Befehl, einen bestimmten oder einen von der gerichtlichen Rechtsauffassung beeinflußten Verwaltungsakt zu erlassen.82 Daneben hebt das Gericht einen vorhandenen Ablehnungsbescheid auf.83 Umstritten ist jedoch, wie der Verpflichtungstenor und die Aufhebung des Ablehnungsbescheids auf die zu erlassene Verfügung und das weitere behördliche Verhalten wirken. Das gilt insbesondere für die Frage, ob und unter welchen Bedingungen es einer Behörde gestattet ist, einen Verwaltungsakt aufzuheben, zu dessen Erlaß sie gerichtlich verpflichtet worden ist. Die Antwort berührt den funktionalen Zusammenhang zwischen Verwaltungsverfahren und -prozeß, weil sie die wirksame Aufgabenbewältigung von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit beeinflußt.84 Die objektiven Grenzen der Rechtskraft sind zugleich funktionale Grenzen.

1. Die behördliche Pflicht zur Bescheidung Ein Urteil gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen. Die Vorschrift setzt einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung voraus und verschafft ihm mit der gerichtlichen Entscheidung die notwendige Anerkennung. Ist die Behörde in ihrer Entscheidung gebunden, hat der Bürger mithin Anspruch auf einen bestimmten Verwaltungsakt, muß sie dem Urteil Folge leisten.85 Es ist ihr verboten, den beantragten Verwaltungsakt bei gleichbleiSiehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. d). Detterbeck, Streitgegenstand, S. 221. 83 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. 84 Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 15. 85 Nicht rechtskräftige Verpflichtungsurteile sind gemäß § 167 Abs. 2 VwGO nur hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. 81 82

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benden tatsächlichen und rechtlichen Umständen nicht zu erlassen.86 Kommt die Verwaltung ihrer Verpflichtung nicht nach, kann der Kläger gemäß § 172 VwGO gegen sie vollstrecken, und sie macht sich möglicherweise schadensersatzpflichtig. Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet das Gericht die Behörde, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden. Auch diese Vorschrift setzt einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung voraus. Die Behörde ist gezwungen, einen Verwaltungsakt zu erlassen, indem sie über den bei ihr gestellten Antrag erstmals oder erneut entscheidet. Gleichwohl besteht ein erheblicher Unterschied zum Verpflichtungsurteil. Die Behörde ist nicht dazu verurteilt worden, gerade den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Es steht nicht fest, ob der Kläger einen für ihn günstigen Bescheid erhält oder die Behörde es ablehnt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im allgemeinen ist eine positive Entscheidung nicht vorgezeichnet. Inwieweit ein Bescheidungsurteil eine (erneute) Ablehnung durch die Behörde ausschließt, hängt zunächst vom materiellen Recht ab. Hat der Kläger Anspruch auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts, ist es dem Gericht aber ausnahmsweise nicht möglich Spruchreife herbeizuführen, weil der Behörde ein Auswahlermessen bezüglich zweckmäßiger Nebenbestimmungen verbleibt, ist eine gänzliche Ablehnung ausgeschlossen. Anders verhält es sich, wenn der Behörde ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum für den Hauptverwaltungsakt verbleibt. Insbesondere in den Fällen, in denen die Verwaltung wegen mangelhafter Sachaufklärung den Antrag abgelehnt hat und sie weitere Untersuchungen anstellen muß, kann sich der Antragsteller nicht sicher sein, daß er einen positiven Bescheid erhält. Ob ein Bescheidungsurteil für einen Ablehnungsbescheid noch Raum läßt, ist auch von der gerichtlichen Rechtsauffassung abhängig. Im Extremfall hebt das Gericht nur die Versagungsverfügung auf und macht keine weiteren Vorgaben. Das entspricht nicht dem Streitgegenstand der Klage, kommt aber vor. So hat sich das OVG Rheinland-Pfalz in einem Verfahren über die Festlegung einer Weinlage darauf beschränkt, den Ablehnungsbescheid wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben. Seine Rechtsauffassung bezieht sich auf die Rechtswidrigkeit dieses Bescheids, nicht auf ein zukünftiges behördliches Handeln.87 Die gerichtlichen „Hinweise“ können jedoch auch zu detailliert und ausführlich sein. Behördliches Ermessen drückt sich nur noch im Gesetzestext aus, wenn zum Beispiel das OVG Rheinland-Pfalz in einem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren möglichst alle relevanten Versagungsgründe behandelt und verneint.88

Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 242. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14. 07. 1975 – 7 A 14 / 74 –, AS RP-SL 14, S. 65 (69 f.). 88 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14. 11. 1991 – 1 A 10016 / 90 –, NVwZ-RR 1992, S. 463 ff. 86 87

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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2. Der erstrittene Verwaltungsakt und seine spätere behördliche Aufhebung Hat die Behörde die für den Kläger günstige Verfügung erlassen und so die ihr gesetzlich obliegende Pflicht erfüllt, dann ist damit nicht unbedingt das letzte Wort gesprochen. Sie kann jederzeit von Amts wegen prüfen,89 ob Gründe vorliegen, den vor Gericht erstrittenen Verwaltungsakt gemäß den Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf aufzuheben.90 Eine Rücknahme kommt in Betracht, wenn der rechtmäßig erlassene Verwaltungsakt rechtswidrig geworden ist,91 und damit die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft erreicht sind. Ein Widerruf ist im Rahmen der dafür bestehenden Vorschriften möglich. Das folgt aus der begrenzten Rechtskraft von Bescheidungsurteilen und entspricht dem Erfordernis einer gesetzmäßigen Verwaltung. Eine flexible und sich an neue Verhältnisse anpassende behördliche Aufgabenwahrnehmung erfordert diese funktionale Grenze der Rechtskraft.92 Es existiert weder ein rechtskraftbedingtes Aufhebungsverbot noch läßt sich ein solches als Kehrseite eines Wiederholungsverbots begründen. Vielmehr entspricht es dem funktionalen Zusammenhang von behördlicher und gerichtlicher Aufgabenwahrnehmung, die materielle Rechtskraft von Urteilen und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung schonend auszugleichen. a) Rechtskraft und Aufhebungsverbot Jeder Kläger, der vor Gericht obsiegt hat, ist daran interessiert, daß ihm die Behörde nicht mit der einen Hand etwas nimmt, was sie ihm zuvor mit der anderen gegeben hat. Um das zu verhindern, versucht Detterbeck das Bestehen eines rechtskraftbedingten Aufhebungsverbots zu begründen.93 Dieses lasse sich dogmatisch einfach erklären, weil der Rechtsgrund für den erlassenen Verwaltungsakt das rechtskräftige Verpflichtungsurteil sei. Solange kein grundlegender Wandel der Sach- oder Rechtslage eintrete, dauere diese rechtfertigende Funktion an. Hebe die Behörde den Verwaltungsakt auf, könne der Kläger allein auf das Urteil gestützt sogleich wieder den Erlaß eines regelungsgleichen Verwaltungsakts verlangen und mit Hilfe der Verwaltungsgerichte durchsetzen. Ein Verbot, einen vor Gericht erstrittenen Verwaltungsakt wieder aufzuheben, läßt sich aber nicht überzeugend begründen. Die Argumentation von Detterbeck baut auf der Prämisse auf, Rechtsgrund und Rechtfertigung für den erlassenen Verwaltungsakt sei allein das rechtskräftige Verpflichtungsurteil. Dieses enthält zwar 89 Dazu und zur Abgrenzung von Verfahren gemäß § 51 VwVfG Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 65 Rdnr. 9. 90 Siehe aber BVerwG, Urt. v. 23. 11. 1999 – 9 C 16.99 –, DVBl. 2000, S. 1525, kein Widerruf gerichtlicher Feststellungen. 91 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rdnr. 20 ff. 92 A. A. BVerwG, Urt. v. 24. 11. 1998 – 9 C 53.97 –, DVBl. 1999, S. 544 (545). 93 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 208.

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den Erlaßbefehl, konstituiert aber nicht den maßgeblichen Anspruch auf Gesetzeserfüllung. Das Verpflichtungsurteil allein ist daher keine ausreichende Grundlage für das Fortbestehen eines begünstigenden Verwaltungsakts. Den Anspruch auf Gesetzeserfüllung zu konkretisieren, fällt in die gerichtliche Entscheidungsverantwortung, ihn zu erfüllen, und ihn in den gesetzlichen Bahnen zu halten, gehört zur behördlichen Entscheidungsverantwortung. Der funktionale Zusammenhang zwischen verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz und Verwaltungsverfahren wechselt durch ein Verpflichtungs- oder Bescheidungsurteil die Vorzeichen. Die nachträgliche aber vorgreiflich wirkende gerichtliche Überprüfung vermittelt durch das Urteil eine Handlungsanweisung, die von der Verwaltung zu vollziehen, deren Ergebnis aufgrund ihrer temporären Bedingtheit aber auch von dieser zu überwachen ist. Die gesetzliche Ausgestaltung der behördlichen Kontrolle ist nicht durch Regelungen über die Rechtskraft, sondern in den Verwaltungsverfahrensgesetzen in Form von Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten erfolgt. b) Aufhebungsverbot als Kehrseite eines rechtskraftbedingten Wiederholungsverbots Die hier vertretene materiell-rechtlich und funktional begründete Auffassung würde viel von ihrer Überzeugungskraft verlieren, falls ein Aufhebungsverbot mit einem mit der Bindungswirkung von Anfechtungsurteilen begründeten Verwaltungsaktwiederholungsverbot korrespondieren würde.94 Letzteres gehört in der neueren Literatur und Rechtsprechung zum scheinbar gesicherten Bestand verwaltungsprozeßrechtlicher Dogmatik.95 Das Bundesverwaltungsgericht hat es in seiner „Automarkt-Entscheidung“ bestätigt.96 Das Wiederholungsverbot erweist sich jedoch als petitio principii, weil es auf der nicht bewiesenen These aufbaut, daß ein neuer Verwaltungsakt mit identischem oder fast identischem Regelungsgehalt kein neuer Streitgegenstand ist. aa) Ausgangspunkt „Automarkt-Entscheidung“ „Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozeß unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen nicht einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht mißbilligten Gründen erlassen.“97 Dieser Satz stammt aus der „Automarkt-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts, in der es Wirkungen und Grenzen der Rechtskraft von An94 So Detterbeck, Streitgegenstand, S. 208; ablehnend Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 239 ff. 95 Gotzen, VR 1998, S. 109 (110); Erfmeyer, DVBl. 1997, S. 27 (28). 96 BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1992 – 1 C 12.92 –, E 91, 256 ff. 97 BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1992 – 1 C 12.92 –, E 91, 256 (258).

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fechtungsurteilen dargelegt hat. Das Gericht hatte über die Rechtmäßigkeit einer aus dem Jahre 1988 stammenden Untersagungsverfügung zu entscheiden, in der die beklagte Behörde dem Kläger verboten hatte, an Sonn- und Feiertagen seinen Automarkt durchzuführen. Anlaß für das Handeln der Behörde war ein aus dem gleichen Jahr stammendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem die Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Untersagungsverfügung gegenüber einem anderen Automarktbetreiber bestätigt wurde.98 Die Beklagte fühlte sich dadurch zu einem zweiten Versuch ermutigt, denn schon im Jahre 1977 hatte sie die Durchführung des Automarkts untersagt, war aber in zweiter und damals auch letzter Instanz unterlegen. Das Bundesverwaltungsgericht war anders als die Vorinstanz99 nicht der Auffassung, daß sich aufgrund seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 1988 die Sach- und Rechtslage im Vergleich zum Jahr 1977 geändert hatte. Es sah in der wiederholten Untersagung trotz des eigentlich rechtswidrigen Automarkts einen Verstoß gegen die Rechtskraft der auf die erste Untersagung hin ergangenen, für den Kläger günstigen gerichtlichen Entscheidung. Begründet hat es dieses Ergebnis mit „dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen.“100 Der Fortbestand einer unrichtigen Entscheidung sei geringer zu veranschlagen, als die herbeigeführte Rechtssicherheit. Die Rechtskraft wirke über den konkreten im Vorprozeß aufgehobenen Verwaltungsakt hinaus und verwehre der Behörde den Erlaß neuer Verwaltungsakte mit gleichen Rechtsfolgen.101 bb) Rechtskraftbedingtes Wiederholungsverbot und Anfechtung eines Zweitbescheids Das Urteil gilt in der Literatur als Bestätigung der Lehre vom rechtskraftbedingten Verwaltungsaktwiederholungsverbot.102 Ist die mit einer Anfechtungsklage angegriffene Verfügung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt, soll die Behörde zukünftig nicht befugt sein, bei gleicher Sach- und Rechtslage einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt zu erlassen. Grundlage für das Verbot ist somit übereinstimmend mit der Rechtsprechung die materielle Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung.103 Daher ist für die Lehre vom rechtskraftbedingten BVerwG, Urt. v. 15. 3. 1988 – 1 C 25.84 –, E 79, 118. OVG Niedersachsen, Urt. v. 18. 12. 1991 – 13 L 7687 / 91 –, DVBl. 1992, S. 782 f. 100 BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1992 – 1 C 12.92 –, E 91, 256 (258); Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 290. 101 BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1992 – 1 C 12.92 –, E 91, 256 (259 f.). 102 Dazu Detterbeck, NVwZ 1994, S. 35; ders., Streitgegenstand, S. 107 f.; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 622; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 38 Rdnr. 32; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 34; Kopp / Schenke, VwGO, § 121 Rdnr. 21; Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 81; Kilian, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 121 Rdnr. 73. 103 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 81. 98 99

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Wiederholungsverbot eine identische Zweitverfügung kein neuer Streitgegenstand, weil ansonsten die Verbindung zwischen entschiedenem Streitgegenstand und Reichweite der Rechtskraft gelöst werden würde.104 Das Verbot einer inhaltsgleichen Verfügung ist aber kein tatsächliches Hindernis für die Behörde, einen identischen Bescheid bei gleicher Sach- und Rechtslage zu erlassen. Ein Verstoß gegen das Verbot führt zudem nicht zur Nichtigkeit der neuen Verfügung.105 Aus diesen Gründen ist die Lehre vom Wiederholungsverbot gezwungen, trotz der angenommenen Streitgegenstandsidentität eine Ausnahme vom Verbot der res iudicata106 zu machen, da sich sonst die für den Kläger günstige frühere Entscheidung durch ihre Rechtskraft in rechtsstaatlich nicht hinnehmbarer Art und Weise nachteilig auswirken würde.107 Es besteht daher Einigkeit darüber, daß die Anfechtung einer neuerlichen identischen Verfügung in diesen Fällen zulässig ist, und die res iudicata ausnahmsweise kein Prozeßhindernis sein darf.108 An dieser Stelle beginnen jedoch die dogmatischen Ungereimtheiten der Lehre vom Wiederholungsverbot. Zunächst begründet das Bundesverwaltungsgericht die Reichweite der materiellen Rechtskraft von Anfechtungsurteilen und das daraus folgende Verbot von identischen Verfügungen mit dem Rechtsfrieden und dem Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts, also ersichtlich mit aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten verfassungsrechtlichen Argumenten. Sodann ist die Lehre vom Wiederholungsverbot aber ebenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen, vom Verbot der res iudicata die soeben beschriebene Ausnahme zu machen, damit sich die angenommene Streitgegenstandsidentität und die sich anschließende Bindungswirkung nicht nachteilig für den Kläger auswirken. Aus diesem Grund ist die Lehre vom rechtskraftbedingten Wiederholungsverbot in sich widersprüchlich. cc) Das gerichtliche Abweichungsverbot Die im Verwaltungsprozeßrecht 109 von Detterbeck vertretene Lehre vom gerichtlichen Abweichungsverbot versucht diesen Widerspruch aufzulösen, indem sie in der Anfechtung der Zweitverfügung keine Ausnahme vom prozeßhindernden Verbot der res iudicata erblickt, sondern trotz der rechtskräftigen Erstentscheidung ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für ein zweites, inhaltlich gleiches Urteil bejaht, weil die Verwaltung einen identischen Zweitbescheid erlasDetterbeck, NVwZ 1994, S. 35 (36). Detterbeck, Streitgegenstand, S. 109. 106 Das Verbot, „die schon entschiedene Sache“ nochmals zu entscheiden, ist Teil der nebis-in-idem Lehre; siehe Detterbeck, Streitgegenstand, S. 110. 107 Kilian, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 121 Rdnr. 75; Detterbeck, NVwZ 1994, S. 35 (37). 108 BVerfG, Beschl. v. 23. 06. 1988 – 2 BvR 260 / 88 –, NVwZ 1989, S. 141 (142) unter Bezugnahme auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. 109 Für das Zivilprozeßrecht siehe Lüke, Zivilprozeßrecht, Rdnr. 353. 104 105

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sen hat.110 Das rechtskraftbedingte Verwaltungsaktwiederholungsverbot bleibt unangetastet, eine neuerliche Klage ist zulässig und ohne erneute Sachprüfung begründet. Dieses Ergebnis nimmt Detterbeck zum Anlaß, den Streitgegenstand der Anfechtungsklage neu zu bestimmen. Kennzeichnend für den angefochtenen Verwaltungsakt sei die durch ihn getroffene Regelung. Gegen diese wende sich der Kläger. Ein äußerlich neuer Verwaltungsakt, der den Lebensvorgang im wesentlichen so regele wie der gerichtlich aufgehobene erste Verwaltungsakt, enthalte keine neue Regelung.111 Daher gehe es um den gleichen Streitgegenstand. Um eine Umgehung der rechtskräftigen Entscheidung durch die Behörde zu verhindern, müsse Streitgegenstand der Anfechtungsklage der prozessuale Anspruch des Klägers auf Aufhebung eines Verwaltungsakts dieser Art112 sein.113 Die Streitgegenstandsdefinition erweitert den Umfang der materiellen Rechtskraft und damit die Bindungswirkung von Anfechtungsurteilen. dd) Wiederholungsverbot und fehlende Streitgegenstandsidentität Die Lehren vom rechtskraftbedingten Verwaltungsaktwiederholungs- und gerichtlichen Abweichungsverbot setzen voraus, daß nach einem für den Kläger günstigen Urteil eine identische Verfügung kein anderer Streitgegenstand ist.114 Genau das ist jedoch der Fall,115 denn ein anderes Ergebnis entspricht weder dem zweigliedrigen Streitgegenstands- noch dem Regelungsbegriff in § 35 Satz 1 VwVfG noch den materiellen Voraussetzungen für den mit der Anfechtungsklage verfolgten Beseitigungsanspruch. Eine neuerliche Verfügung ist ein neuer Lebenssachverhalt,116 weil die einen Verwaltungsakt äußerlich formenden Umstände wie Erlaßzeitpunkt, äußere Wirksamkeit, Rechtsbehelfsbelehrung andere sind. Es gehört zu den Merkmalen des 110 Detterbeck, NVwZ 1994, S. 35 (37); ablehnend Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 169; Kilian, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 121 Rdnr. 74 f. 111 Detterbeck, AöR 116 (1991) S. 392 (401 f.); zustimmend Redeker / von Oertzen, VwGO, § 121 Rdnr. 5; K. Schmidt, JuS 1986, S. 35 (38). 112 Hervorhebung im Original. 113 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 158 f.; ders., NVwZ 1994, S. 35 (37); ähnl. Gotzen, VR 1998, S. 109 (110); krit. Jacobj, Streitgegenstand und Spruchreife, S. 216; Erfmeyer, DVBl. 1997, S. 27 (28). 114 Darauf weist Detterbeck, Streitgegenstand, S. 108, mit Recht hin; ders., NVwZ 1994, S. 35 (36). 115 Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rdnr. 438; Rupp, AöR 85 (1960), S. 301 (314); Kilian, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 121 Rdnr. 76 ff.; Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 22. 116 Das BVerwG hat sich nicht festgelegt; siehe BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1992 – 1 C 12.92 –, E 91, 256 (257 f.), worauf Detterbeck, Streitgegenstand, S. 158 Fn. 28 mit Recht hinweist.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs, daß Veränderungen des Antrags und / oder des Lebenssachverhalts einen neuen prozessualen Anspruch bedingen. Ein neuer Lebenssachverhalt liegt auch deshalb vor, weil die Behörde durch den Erlaß einer (fast) identischen Verfügung Rechte des Betroffenen begründet, ändert, aufhebt, feststellt oder verneint und das beabsichtigt. Ob eine neue Regelung vorliegt, ist nicht nur nach objektiven Kriterien zu bestimmen, sondern auch nach dem im Erklärungsinhalt zum Ausdruck kommenden Bindungswillen.117 Daß ein derartiger Wille vorliegt, wenn die Behörde trotz Unwirksamkeit der ersten Verfügung eine weitere erläßt, ist anzunehmen. Die Annahme einer Streitgegenstandsidentität zwischen zwei inhaltsgleichen Verfügungen überzeugt auch methodisch nicht. Herzstück jedes Verwaltungsakts ist die vom materiellen Recht bestimmte Regelung. Wer aber den Streitgegenstand rein prozessual versteht, kann nicht materiell-rechtlich argumentieren, um die Identität prozessualer Ansprüche zu begründen, ohne die selbst gewählten dogmatischen Grundlagen zu verlassen. Gleiches gilt für das an sich überzeugende Argument, der Anspruch zukünftig keinen identischen Verwaltungsakt zu erlassen, könne mit der Anfechtungsklage mangels rechtlicher Grundlage nicht verfolgt werden.118 Im vorliegenden Kontext ist das folgerichtig, denn der prozessuale Anspruch ist materiell-rechtlich abgesichert. Die Anfechtungsklage umfaßt keinen Unterlassungsanspruch,119 weil ein nur drohender Verwaltungsakt grundsätzlich keinen Grundrechtseingriff darstellt. Daher ist der Vorwurf ungerechtfertigt, wer einen neuen Streitgegenstand trotz identischer Regelung annehme, vertrete eine antiquierte Streitgegenstandstheorie.120 Nicht die neuerliche Verfügung ist Streitgegenstand, sondern der dadurch bedingte neue Beseitigungsanspruch. c) Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und materielle Rechtskraft Die Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten sind auch auf Verfügungen anwendbar, die aufgrund gerichtlicher Entscheidungen erlassen worden sind,121 da sich ein absolutes „Aufhebungsverbot“ weder mit der Rechtskraft von Verpflichtungs- oder Bescheidungsurteilen noch als Kehrseite des Wiederholungsverbots begründen läßt. Was für den Kläger zunächst ungünstig erscheint, ist näher betrachtet ein wirksamer Schutz. Mit § 49 VwVfG hat der Gesetzgeber eine Vorschrift geschaffen, die einen schonenden Ausgleich herstellt Henneke, in: Knack, VwVfG, § 35 Rdnr. 22. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 157 f. 119 Rupp, AöR 85 (1960), S. 301 (314); so auch Gotzen, VR 1998, S. 109 (111 f.), der aber der Auffassung ist, daß Anfechtungsurteile einen Unterlassungsanspruch immanent feststellen. 120 So Detterbeck, NVwZ 1994, S. 35 (38). 121 Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 240. 117 118

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zwischen dem Rechtsfrieden und Vertrauen des Klägers in den Bestand der Ergebnisse einer Verpflichtungsklage einerseits und den sich wandelnden Verhältnissen sowie den damit verbundenen Herausforderungen an die Verwaltung andererseits.122 Der Exekutive ist es nur begrenzt möglich, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu widerrufen. § 49 VwVfG zählt die Widerrufsgründe abschließend auf.123 Im Hinblick auf den herzustellenden Ausgleich ist zu unterscheiden, ob der zu widerrufende Verwaltungsakt im Zeitpunkt seiner Aufhebung rechtmäßig oder rechtswidrig (geworden) ist. § 49 VwVfG schützt das Vertrauen des Klägers in die durch den begünstigenden Verwaltungsakt entstandene Rechtslage und läßt nur unter engen Voraussetzungen einen Widerruf zu. Liegt einer der in § 49 Abs. 2 oder 3 VwVfG genannten Gründe vor, hat die Verwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob eine Aufhebung in Betracht kommt. Ist der Verwaltungsakt zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig, dient der Widerruf also maximal der Anpassung der Rechtslage an veränderte tatsächliche Verhältnisse, muß die Verwaltung bei ihrer Entscheidung bedenken, daß der Bescheid auf ein Urteil zurückgeht. Es ist zwar umstritten, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes gesondert als Ermessenserwägung zu berücksichtigen ist.124 Geht der Verwaltungsakt aber auf ein Urteil zurück, so erfährt der Vertrauensschutz gegenüber der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine enorme Stärkung, weil der Bürger wegen der richterlichen Unabhängigkeit und Neutralität auf den Bestand und die Ergebnisse gerichtlicher Entscheidungen besonderes vertrauen darf. Ein Widerruf, der bereits kurz nach dem Eintritt der formellen Rechtskraft erfolgt, ist daher regelmäßig ermessensfehlerhaft und ein auf den Widerruf hin intendiertes Ermessen kommt in diesen Fällen schon gar nicht in Betracht.125 Die Herstellung dieser Form praktischer Konkordanz muß jedoch nicht immer zu Gunsten des Bürgers ausgehen,126 weil mit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein mit dem Rechtsfrieden und dem Vertrauensschutz verfassungsrechtlich gleichrangiges Rechtsprinzip Geltung beansprucht.127 Ein ursprünglich rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt kann infolge einer Änderung der Rechts- oder Sachlage rechtswidrig werden, wenn nach seinem Erlaß rechtliche oder tatsächliche Umstände entfallen, deren beständiges Bestehen diejenige Vorschrift voraussetzt, aufgrund derer die Verfügung erlassen worden ist (Verwaltungsakte mit Dauerwirkung).128 Dies gilt auch für Bescheide, die auf ein gerichtliches Urteil zurückKopp / Kopp, NVwZ 1994, S. 1 (2). Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 63 Rdnr. 4; Ausnahme: Spezialgesetze. 124 Dafür Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 49 Rdnr. 29; dagegen Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 49 Rdnr. 34. 125 A. A. BVerwG, Urt. 24. 01. 1992 – 7 C 38 / 90 –, NVwZ 1992, S. 565 (566); krit. dazu Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 63 Rdnr. 22. 126 A. A. BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1992 – 1 C 12.92 –, E 91, 256 (261). 127 So auch Maurer, JZ 1993, S. 574; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 22. 128 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rdnr. 22. 122 123

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

gehen. Die Aufhebung rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte beurteilt sich jedenfalls in diesen Fällen nach § 49 VwVfG,129 weil der Bürger zumindest ein gewisses Maß in den Bestand der Ergebnisse des geführten Prozesses vertrauen können muß und mit der Einfügung von § 49 Abs. 3 VwVfG130 oder ähnlicher Vorschriften auf Länderebene der Grund entfallen ist, über § 48 VwVfG eine Aufhebung für die Vergangenheit zu ermöglichen.131 Da ein rechtswidriger Verwaltungsakt die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verletzt, muß die Behörde diesen Umstand bei ihrer Entscheidung stärker berücksichtigen. Ein Widerruf kann daher nicht allein deshalb ermessensfehlerhaft sein, weil der Verwaltungsakt auf ein Urteil zurückgeht. Jede Behörde, die einen Verwaltungsakt widerrufen will, der zuvor vor Gericht erstritten worden ist, ist verpflichtet, die dafür notwendigen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen genau zu prüfen. Sie muß mit einer Anfechtungsklage gegen den Aufhebungsbescheid rechnen.132 In jedem Fall trägt sie eine verstärkte Rechtfertigungslast für ihr Tun, weil sonst der Vorwurf der Willkür und damit der Amtspflichtverletzung im Raum steht. Außerdem ist der frühere Kläger gemäß § 49 Abs. 6 VwVfG für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, daß er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat. Letzteres ist regelmäßig der Fall, soweit der widerrufene Verwaltungsakt auf ein Urteil zurückgeht. § 49 Abs. 6 VwVfG erfaßt insbesondere einen Widerruf gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG und damit den Fall veränderter tatsächlicher Umstände. Im Ergebnis ist die Exekutive verfassungsrechtlich verpflichtet, zwischen dem Vertrauensschutz und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einen möglichst schonenden Ausgleich zu suchen. Diese Form praktischer Konkordanz herzustellen, ist Aufgabe einer beiden Grundsätzen verpflichteten Verwaltung, die sich einer erneuten gerichtlichen Kontrolle auch selbstbewußt stellt. Das kann sie jedoch nur, wenn sie den Sachverhalt erneut und sorgfältig ermittelt und sich ihrer Verantwortung bewußt ist. Der geringeren Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen steht die erwähnte Darlegungslast der Behörde gegenüber. Das Vertrauen der Bürger in die Beständigkeit verwaltungsgerichtlicher Urteile und die notwendige Überwachung und Gestaltung der Lebenswirklichkeit durch die Verwaltung – „die permanente Gewalt“133 – sind damit einander funktional zugeordnet. Das führt zu einer geringeren Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen und zu einem größeren Spielraum der Exekutive.134

Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 3. Eingefügt durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. 5. 1996, BGBl. I, S. 656. 131 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 11. 132 Darauf weist Erfmeyer, DVBl. 1997, S. 27 (31) mit Recht hin. 133 In Anlehnung an Ossenbühl, in: Götz / Klein / Starck, Öffentliche Verwaltung, S. 9 (32). 134 So auch Kopp / Kopp, NVwZ 1994, S. 1 ff. 129 130

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IV. Die Bindung der Behörde an die gerichtliche Rechtsauffassung Reichweite und Grenzen der Bindungswirkungen von Bescheidungsurteilen sind nicht nur die Folge verwaltungsprozeß- und verfassungsrechtlicher Grundsätze sowie entsprechender Normen, sondern auch speziell in der VwGO geregelt. Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet das Gericht die Behörde, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung (erneut oder erstmals) zu bescheiden. Dieser Ausspruch steht wegen des klaren Wortlauts der Vorschrift nicht im Ermessen der Gerichte, er ist nicht entbehrlich.135 Im verwaltungsprozeßrechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung herrscht Einigkeit darüber, daß die Behörde die gerichtliche Rechtsauffassung nicht nur zu beachten hat, sondern an sie gebunden ist.

1. Erklärungen für die Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung Für die Bindung der Behörde an die gerichtliche Rechtsauffassung gibt es mehrere Erklärungsversuche. Zunächst ist überlegenswert, ob es sich wie im Fall von § 31 Abs. 1 BVerfGG um eine nicht auf die Rechtskraft gestützte Bindungswirkung handelt. Im Hinblick auf diese Vorschrift ist zuzugeben, daß die Rechtsordnung derartige Bindungswirkungen kennt.136 § 31 Abs. 1 BVerfGG trägt aber der besonderen Stellung des Bundesverfassungsgerichts und der Bedeutung seiner Entscheidungen Rechnung und erlaubt daher keinen Rückschluß auf eine rechtskraftfremde Bindungswirkung von Bescheidungsurteilen. Zudem wirkt ein Bescheidungsurteil nur inter partes. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ändert daran nichts. Vorzugswürdig erscheint somit die von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur geteilte Auffassung, daß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO die Rechtskraft der in den Entscheidungsgründen enthaltenen gerichtlichen Rechtsauffassung herbeiführt. Dies ist notwendig, weil ansonsten die Rechtskraftfähigkeit von Entscheidungsgründen unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte von § 322 ZPO abgelehnt wird. Eine in der Literatur vertretene Gegenmeinung begründet die bindende Wirkung mit dem in diesen Fällen zweigeteilten Entscheidungssatz. Die Rechtsauffassung des Gerichts ist danach ein Teil des Tenors, der nur aus Platzmangel in die Gründe verschoben ist.

135 Schröder, FS für Menger, S. 487 (499); a. A. Kopp / Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 212; Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, § 121 VwGO Rdnr. 53. 136 Lechner / Zuck, BVerfGG, § 31 Rdnr. 28.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

a) Bindungswirkung der Entscheidungsgründe als Ausnahme von der Regel Mit Eintritt der formellen Rechtskraft eines Bescheidungsurteils steht noch nicht fest, daß der Kläger den Erlaß des von ihm beantragten Verwaltungsakts verlangen kann. Der von der Behörde zu erlassende Bescheid ist aber bei gleicher Sach- und Rechtslage rechtswidrig, wenn er mit der gerichtlichen Rechtsauffassung nicht übereinstimmt.137 Das Bundesverwaltungsgericht begründet dieses Ergebnis mit der insoweit bestehenden rechtskraftbedingten Bindungswirkung der Urteilsgründe. Die „das Urteil tragenden Entscheidungsgründe – die für das Bescheidungsurteil maßgeblich gewesene ,Rechtsauffassung‘ – grenzen die Rechtskraftwirkung im Sinne des § 121 VwGO ab und lassen sich ( . . . ) nicht allein aus dem Urteilstenor entnehmen; die Rechtskraftwirkung und ihre Grenzen sind gemäß den Urteilsgründen näher zu bestimmen.“138 Das Gericht unterscheidet damit innerhalb von Bescheidungsurteilen nach Tenor und Entscheidungsgründen.139 Die gerichtliche Rechtsauffassung bestimmt die Rechtskraft insoweit, als sie die Rechtsverletzung durch den ablehnenden Bescheid betrifft.140 Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zumindest in dieser Entscheidung aus dem Jahr 1967 (auch) den Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids als Streitgegenstand angesehen, da die Bindungswirkung von Tenor und Begründung nicht weiter reichen kann als der prozessuale Anspruch. Anderenfalls würde eine streitgegenstandsfremde Bindung bestehen oder die Gründe für die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids wären obiter dicta. In einem Beschluß aus dem Jahr 1987 hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung ergänzt und präzisiert. Die zu beachtende Rechtsauffassung lasse sich regelmäßig nicht in der Urteilsformel darstellen. Der Umfang der materiellen Rechtskraft sei daher anhand der Entscheidungsgründe zu bestimmen. „Maßgeblich für den Umfang der materiellen Rechtskraft ist in diesen Fällen somit nicht allein,141 aus welchen Gründen das Gericht den Verwaltungsakt aufgehoben hat, sondern“ (auch) „welche Rechtsauffassung es der Behörde zur Beachtung bei Erlaß des neuen Verwaltungsakts vorschreibt.“142 Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob eine aufgrund eines Bescheidungsurteils ergangene Entscheidung eines juristischen Prüfungsausschusses rechtmäßig war. Das erste Urteil143 verpflichtete BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1967 – VIII C 2.67 –, E 29, 1 (2). BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1967 – VIII C 2.67 –, E 29, 1 (2 f.). 139 BVerwG, Urt. v. 03. 12. 1981 – 7 C 30 und 31.80 –, DVBl. 1982, S. 447 (448), so auch Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 75; Kopp / Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 215; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 26 Rdnr. 29. 140 Bettermann, NJW 1960, S. 649 (651). 141 Hervorhebung nicht im Original. 142 BVerwG, Beschl. v. 22. 04. 1987 – 7 B 76 / 87 –, Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 54; ähnl. BVerwG, Urt. v. 1. 12. 1989 – 8 C 17.87 –, E 84, 157 (164). 143 VG Frankfurt, Urt. v. 24. 08. 1983, Akz. unbekannt, zitiert nach BVerwG, Beschl. v. 22. 04. 1987 – 7 B 76 / 87 –, Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 54. 137 138

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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diesen, einen zweiten Bescheid zu erlassen, weil der erste formell rechtswidrig war, nicht jedoch zu einer inhaltlichen Neubewertung. Der Prüfungsausschuß mußte daher die gerichtliche Rechtsauffassung zur inhaltlichen Richtigkeit der Bewertung beachten und nur den Verfahrensfehler vermeiden. b) Die gerichtliche Rechtsauffassung als Teil des Entscheidungssatzes Der Beschluß aus dem Jahr 1987 ist nach Auffassung von Hödl-Adick der Beleg dafür, daß die Verwaltungsgerichte in einem Bescheidungsurteil mit bindender Wirkung über das Bestehen nur bestimmter Tatbestandsmerkmale des Anspruchs auf Gesetzeserfüllung entscheiden können, und es nicht auf das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen und damit auf die Ergebnisrichtigkeit des Ablehnungsbescheids ankomme.144 Die gerichtliche Rechtsauffassung beziehe sich nur auf die Tatbestandsmerkmale, die das Gericht in der Urteilsbegründung für gegeben halte.145 Hödl-Adick sieht darin gegenüber dem Urteil aus dem Jahr 1967 eine Einschränkung der Bindungswirkung und unterstellt zugleich einen Wandel der Rechtsprechung zum Streitgegenstand der Versagungsgegenklage. Er sieht in jeder Verpflichtungsklage eine reine Leistungsklage.146 Die gerichtliche Auffassung zum rechtswidrigen Ablehnungsbescheid könne daher nicht rechtskräftig werden und die Bindungswirkung eines Bescheidungsurteils sei nicht von der Aufhebung des Versagungsbescheids her zu bestimmen.147 Eine derartige Interpretation macht es möglich, die in Bescheidungsurteilen enthaltene gerichtliche Rechtsauffassung nicht mehr als Teil der Urteilsgründe, sondern als Element des Entscheidungssatzes aufzufassen.148 Hödl-Adick lehnt es daher ab, von einer Bindungswirkung der Urteilsgründe zu sprechen. In Rechtskraft erwachse nicht, warum die Behörde verurteilt wurde, sondern wozu. Dieses „Wozu“ finde im Tenor nur keinen Platz.149

2. Der Streitgegenstand als Schlüssel zum Verständnis der behördlichen Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung Die von der Literatur und der Rechtsprechung gegebenen Erklärungen für die Verbindlichkeit der Urteilsgründe zeigen, wie wichtig der prozessuale Anspruch Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 78. Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 80. 146 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 15 Rdnr. 3; a. A. Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 16 Rdnr. 6. 147 Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 81. 148 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 53; so schon Menger, VerwArch. 52 (1961), S. 410 (423 f.). 149 Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 82 ff. 144 145

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

ist. Er ist der Schlüssel zum Verständnis der behördlichen Bindung an die in Bescheidungsurteilen geäußerte Rechtsauffassung. Der Streitgegenstand der Versagungsgegenklage setzt sich zusammen aus dem Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids – Reaktionsanspruch – und dem Anspruch auf Erlaß des begünstigenden Verwaltungsakts – Anspruch auf Gesetzeserfüllung.150 Daher sind die vom Bundesverwaltungsgericht und namentlich von Hödl-Adick vertretenen Aufassungen zur Bindung an die in Bescheidungsurteilen enthaltene Rechtsauffassung nur teilweise zutreffend. Das Urteil aus dem Jahre 1967151 orientiert sich noch an den bis zum Inkrafttreten der VwGO im Jahre 1960 bestehenden Rechtslagen. Gemäß der fast gleichlautenden und hier beispielhaft aufgezählten Vorschriften152 § 15 Abs. 3 BVerwGG,153 § 15 Abs. 2 VGG Rheinland-Pfalz,154 § 35 Abs. 2 VGG Bremen,155 § 35 Abs. 2 VGG Hessen156 und § 35 Abs. 2 VGG Bayern157 war die Verpflichtungsklage ein Unterfall der Anfechtungsklage. Angriffsgegenstand war der als „Unterlassung“ bezeichnete ablehnende Bescheid. Hielt das Gericht die Klage für begründet, so hob es zum Beispiel gemäß § 79 Abs. 3 VGG Bremen158 die Versagung auf und sprach zugleich die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen. Bettermann und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht haben daher zum einen die gerichtliche Rechtsauffassung und ihre bindende Wirkung zunächst nur auf den ablehnenden Bescheid bezogen.159 Zum anderen hat das Gericht ausgesprochen, die Aufhebung eines Ablehnungsbescheids im Rahmen einer Verpflichtungsklage sei nur möglich, wenn dieser im Ergebnis rechtswidrig sei.160 Ein Bescheidungsurteil könnte danach nur ergehen, wenn alle rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß des begünstigenden Verwaltungsakts vorliegen.161 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 2. d). BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1967 – VIII C 2.67 –, E 29, 1 ff. 152 Die Verordnung Nr. 165 der Militärregierung Deutschlands – Britisches Kontrollgebiet über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone vom 15. 9. 1948, VOBl. brZ, S. 263 enthielt keine derartigen Regelungen. 153 Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. 9. 1952, BGBl. I, S. 625. 154 Landesgesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 14. 4. 1950, GVBl., S. 103 ff. i. d. F. vom 12. 2. 1954, GVBl., S. 21. 155 Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 5. 8. 1947, GVBl., S. 171. 156 Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 30. 6. 1949, GVBl., S. 137. 157 Gesetz Nr. 39 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 25. 9. 1946, GVBl., S. 281. i.d.F. vom 30. 9. 1949, GVBl., S. 258. 158 Ähnl. § 79 Abs. 3 VGG Hessen und § 79 Abs. 3 VGG Bayern. 159 Bettermann, NJW 1960, S. 649 (651); BVerwG, Urt. v. 21. 12. 1967 – VIII C 2.67 –, E 29, 1 (2 f.). 160 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 1966 – VIII C 30.66 –, E 25, 357 (362); BVerwG, Urt. v. 15. 10. 1970 – 3 C 39.68 –, Buchholz 310 Nr. 54 § 113 VwGO. 161 Dazu Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 79. 150 151

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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Beide Aussagen sind unzutreffend, weil sie nicht den mit einem Bescheidungsantrag geltend gemachten prozessualen Ansprüchen entsprechen. Erstens verfolgt der Kläger einen Aufhebungs- und einen Gesetzeserfüllungsanspruch. Zweitens ist die fehlende Ergebnisrichtigkeit des ablehnenden Bescheids nicht zwingende Voraussetzung für ein Bescheidungsurteil, denn die Spruchreife kann aus sehr unterschiedlichen Gründen fehlen, die auch die Tatbestandsseite der Anspruchsnorm betreffen können.162 Selbst im Fall einer gebundenen Entscheidung kann das Gericht vom Herbeiführen der Spruchreife absehen.163 Richtigerweise hat daher das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung präzisiert und die Bindungswirkung von Bescheidungsurteilen auch auf die Rechtsausführungen erstreckt, die die Behörde beim Erlaß der neuen Verfügung beachten muß.164 Die neuere Rechtsprechung erweitert die Bindungswirkung der gerichtlichen Rechtsauffassung und trägt beiden mit der Versagungsgegenklage verfolgten prozessualen Ansprüchen Rechnung.165 Hödl-Adick sieht als Folge der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht eine weitergehende, sondern eine gegenüber den älteren Urteilen eingeschränkte Bindungswirkung. Er kommt zu diesem Ergebnis, weil er als Streitgegenstand der Versagungsgegenklage nur den Anspruch auf Gesetzeserfüllung ansieht. Der von ihm zum Beleg seiner Ansicht zitierte Beschluß zum Prüfungsrecht spricht jedoch für eine umfangreichere Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung. Nicht allein die Gründe, aus denen das Gericht den ablehnenden Bescheid aufgehoben hat, sind für die Behörde beachtlich. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdebegründung, „maßgeblich seien nur die Gründe, die zur Aufhebung des Prüfungsbescheids geführt haben,“ verwirft das Gericht, ohne die Bindungswirkung von Bescheidungsurteilen auf die bei Erlaß des neuen Verwaltungsakts zu beachtende Rechtsauffassung zu beschränken. Die Gründe für die Aufhebung des Ablehnungsbescheids können somit nicht zum Entscheidungssatz gehören, weil sie sich auf den Aufhebungs- und nicht auf den Gesetzeserfüllungsanspruch beziehen. Niemand vertritt die Auffassung, daß die Gründe für die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsakts ein in die Urteilsgründe verschobener Teil des Tenors sind. Für Bescheidungsurteile ergibt sich daraus eine einheitliche Bindungswirkung der Urteilsgründe. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO unterscheidet nicht danach, ob sich die gerichtliche Rechtsauffassung auf den Ablehnungsbescheid oder die erst zu erlassende Verfügung bezieht. Es ist daher nicht richtig anzunehmen, ein Teil der gerichtlichen Rechtsauffassung bestehe aus dem nach unten verschobenen Verpflichtungstenor, während der andere „echte“ Urteilsgründe darstelle. Wozu die So mit Recht Hödl-Adick, Bescheidungsklage, S. 80. Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel D. I. 4. b). 164 BVerwG, Beschl. v. 22. 04. 1987 – 7 B 76 / 87 –, Buchholz 310 § 121 Nr. 54. 165 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 85; a. A. HödlAdick, Bescheidungsklage, S. 81. 162 163

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Behörde verurteilt wird, steht mit dem Tenor fest – zur erstmaligen oder erneuten Bescheidung. Das entspricht dem möglichen materiellen Anspruch auf Gesetzeserfüllung. Mit dem „Wozu“ steht aber noch nicht unbedingt fest, ob alle tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm vorliegen oder wie die Verwaltung einen ihr zukommenden Ermessensspielraum auszufüllen hat. Von der Stuktur der Anspruchsnorm und den jeweiligen Gründen für das Fehlen der Spruchreife hängt es ab, welchen Inhalt die gerichtliche Rechtsauffassung hat. Diese bildet aber eine Einheit mit jener Begründung, die sich auf den Aufhebungsanspruch bezieht, da zwischen beiden prozessualen Ansprüchen ein Stufenverhältnis besteht, das eine isolierte Betrachtung der Urteilsgründe ausschließt.

3. Die Rechtskraftfähigkeit der Entscheidungsgründe als Erfordernis wirksamer gerichtlicher und behördlicher Aufgabenwahrnehmung Die ausnahmsweise bestehende Bindungswirkung der Entscheidungsgründe entspricht dem Wortlaut von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Die Vorschrift enthält jedoch mehr als eine Ausnahme von der Regel der fehlenden Rechtskraft von Urteilsgründen. Sie ist Abbild der gerichtlichen und behördlichen Aufgabenwahrnehmung und steht für den von normativen Vorgaben abhängigen funktionalen Zusammenhang zwischen der für den subjektiven Rechtsschutz notwendigen Begründung gerichtlicher Entscheidungen – Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit – und der neuen Verfügung – Aufgabe der Verwaltung. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO sollte daher als Ausprägung einer im Verwaltungsprozeßrecht anzustrebenden allgemeinen Bindungwirkung der Urteilsgründe gelten. a) Rechtskraftumfang und Streitgegenstand Der Umfang der Rechtskraft hängt vom Streitgegenstand ab. Diesen als prozessualen Anspruch ohne die tatbestandlichen Voraussetzungen – also nicht in Anlehnung an den Wortlaut von § 113 VwGO – zu definieren, führt dazu, daß ein rechtskraftbedingtes Aufhebungsverbot nicht besteht, und ein Widerruf der gerichtlich erzwungenen Verfügung gemäß § 49 VwVfG möglich ist. Das Verfassungsrecht und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung schützen das Urteilsergebnis und die Rechtsstellung des Bürgers. Es besteht eine horizontale zeitliche Bindung an das materielle Recht, die nicht durch prozessuale Verbote abgeschnitten wird.166 Der materiell-rechtliche Zusammenhang bleibt in Abhängigkeit von tatsächlichen oder rechtlichen Veränderungen erhalten. So wie die subjektiv-öffentlichen Rechte den prozessualen Anspruch bestimmen, so bestimmt das materielle Recht auch, wie lange der Bürger „die Früchte seines Sieges“ genießen darf. 166

Zur Terminologie Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 5.

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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Die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen ist dadurch zu Gunsten der Verwaltung und zu Lasten der Bürger sowie des Anspruchs auf wirksamen Rechtsschutz geschwächt. Für den notwendigen schonenden Ausgleich zwischen subjektivem Rechtsschutz, Rechtsfrieden und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung reicht jedoch allein das Vertrauen in die behördliche Rechtstreue nicht aus, weil Fehler menschlich und Gesetze konkretisierungsbefürftig sind. Je inhaltsärmer der Streitgegenstand ist, desto stärker muß die von den Urteilsgründen ausgehende Bindung der Exekutive sein. Das entspricht der grundgesetzlichen Konstituierung der Gewaltenteilung als gerichtsgeprägte Funktionenteilung.167 Die einzelne Entscheidung bleibt Schutzobjekt der Rechtskraft. b) Rechtskraftumfang und Schutz des Entscheidungsinhalts Eine wirksame gerichtliche und behördliche Aufgabenwahrnehmung, die zugleich die subjektiven Rechte der Bürger schützt und die Einhaltung der Rechtsordnung gewährleistet, bedarf nicht nur der funktionalen Zuordnung einer Aufgabe, sondern ist auch auf die Bindungswirkung der Urteilsgründe angewiesen. Da das materielle Recht auf der horizontalen Ebene die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung faktisch nicht ausreichend gewährleistet, ist eine vertikale prozessuale Bindung an die Urteilsgründe notwendig.168 Die gerichtliche Rechtsauffassung zu behördlichen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen gewinnt damit die Verbindlichkeit, die notwendig ist, um die verminderte Präventivwirkung von Bescheidungsurteilen auszugleichen169 und zukünftige behördliche Entscheidungen zu steuern. Die Bindungswirkung der gerichtlichen Rechtsauffassung gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist ein weiteres Element im Zusammenspiel von Verwaltungsprozeß und Verwaltungsverfahren.170 Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wird damit konkretisiert und gestärkt, ohne der Exekutive alle sozialstaatlichen, wirtschaftlichen oder planerischen Gestaltungsspielräume zu nehmen. In der Bindungswirkung der Entscheidungsgründe setzt sich der Umfang der gerichtlichen Sachverhalts- und Rechtsfeststellungen fort.171 Letztere wären entwertet und für die behördliche Aufgabenwahrnehmung verloren, wenn sie für die Bescheidung des Klägers nicht maßgeblich wären. So hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren über einen Anspruch auf Erteilung der Lehrbefugnis Hinweise zur Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und zur weiteren verfahrensmäßigen 167

Siehe oben 1. Teil 3. Kapitel B. III. und Schwarze, Der funktionale Zusammenhang,

S. 35. Dazu für den Zivilprozeß Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 5. Siehe oben 2. Teil 1. Kapitel C. I. 2. a). 170 Zur Notwendigkeit derartiger Elemente Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 22; allgemeiner Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1286). 171 Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 6 und S. 65 ff. 168 169

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

Behandlung des Streitgegenstands gegeben.172 Damit hat es den Grundrechten des Antragstellers Rechnung getragen, ohne die beklagte Universität zu stark in ihrem Entscheidungsspielraum einzuschränken. Die gerichtliche Rechtsauffassung diente der Herstellung von praktischer Konkordanz zwischen den Grundrechtsrechtspostitionen aus Art. 5 Abs. 3 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Diesem guten Beispiel gerichtlicher Aufgabenwahrnehmung mit dem Ziel, eine eigenverantwortliche, nicht unangemessen determinierte behördliche Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen, lassen sich jedoch auch Fälle gegenüberstellen, in denen sich die Gerichte ihrer Verantwortung für eine wirksame Funktionenteilung nicht bewußt waren. So hat das Sozialgericht Speyer,173 bestätigt durch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz174 und das Bundessozialgericht,175 die Stadt Speyer zur Neubescheidung über den Antrag des Klägers auf Übertragung der Trägerschaft für ein Ambulanten-Hilfe-Zentrum (AHZ) verurteilt. Die fehlende Spruchreife hat es dabei fälschlicherweise nicht auf das Planungsermessen der Beklagten gestützt, sondern nur auf die noch ausstehende Prüfung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Damit haben alle drei Instanzen gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen und die richterliche Gesetzesbindung verletzt, weil sie das der Stadt Speyer für die Aufstellung des Bedarfsplans gemäß § 3 LPflegeHG176 eingeräumte Ermessen ignoriert haben.

V. Die Bindung der Zivilgerichte an die verwaltungsgerichtliche Rechtsauffassung Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen reichen jedoch nicht immer aus, um Rechtssicherheit und -frieden zu gewährleisten. Bescheidungsurteile wirken sich nicht nur auf zukünftige behördliche Maßnahmen aus, sondern auch auf nachfolgende zivilgerichtliche Entscheidungen zur Amtshaftung. Der Kläger ist oft daran interessiert, das für ihn günstige Verfahrensergebnis als Grundlage für einen Schadensersatzprozeß zu verwenden, weil er durch die Unterlassung oder rechtswidrige Ablehnung Einbußen erlitten hat und eine Schadensersatzzahlung oft wesentlich edukatorischer wirkt, als ein für die Behörde negatives verwaltungsgerichtliches Urteil. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO bindet den Beklagten an die gerichtliche Rechtsauffassung, nicht jedoch das Zivilgericht. Dieses ist nur insoweit gebunden, als das BVerwG, Urt. v. 23. 09. 1992 – 6 C 2.91 –, E 91, 24 (42 ff.). SG Speyer, Urt. v. 26. 05. 1998 – S 13 P 65 / 97 – nicht veröffentlicht; Parallelentscheidung SG Speyer, Urt. v. 26. 05. 1998 – S 13 P 63 / 97 –, PflR 1999, S. 75 ff. 174 LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19. 08. 1999 – L 5 P 33 / 98 – nicht veröffentlicht; Parallelentscheidung LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19. 8. 1999 – L 5 P 32 / 98 –, NZS 2000, S. 93 ff. 175 BSG, Urt. v. 28. 06. 2001 – B 3 P 9 / 00 R –, E 88, 215 ff. 176 Gesetz über ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegehilfen, GVBl. 1995, S. 55. 172 173

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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Verwaltungsgericht über den Streitgegenstand entschieden hat und damit die nachfolgende Entscheidung präjudiziert.177 Da nach hier vertretener Auffassung der Streitgegenstandsbegriff nicht die Rechtswidrigkeit und die Rechtsverletzung im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO umfaßt,178 wären die Zivilgerichte an entsprechende Feststellungen der Verwaltungsgerichte nicht gebunden und könnten abweichend urteilen.179 Um dieses unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, erstrekken das Bundesverwaltungsgericht und große Teile der Literatur den Streitgegenstand auf die Tatbestandsmerkmale der geltend gemachten Ansprüche. Dieses Vorgehen ist auf Art. 34 Satz 3 GG zurückzuführen, der nicht nur auf einer überholten, die Möglichkeit staatlichen Unrechts verneinenden Vorstellung von hoheitlicher Allmacht und bloßer Haftungsüberleitung aufbaut,180 sondern der auch eine einheitliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung über Primäransprüche, Folgenbeseitigung und Schadensersatz verhindert und daher ein Fremdkörper im öffentlich-rechtlichen Entscheidungsprozeß ist. Die Frage ist somit, ob sich die als notwendig empfundene Bindung der Zivilgerichte an verwaltungsgerichtliche Entscheidungen mit der Bindungswirkung der gerichtlichen Rechtsauffassung dogmatisch besser begründen läßt als mit einem nicht den geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechten entsprechenden Streitgegenstandsbegriff. Es handelt sich letztlich um ein Problem, das nicht nur Bescheidungsurteile betrifft, sondern alle verwaltungsgerichtlichen Urteile. 1. Die Bedeutung der Entscheidungsgründe für die Urteilsauslegung Im Verwaltungsprozeßrecht ist es – anders als im Verfassungsprozeßrecht181 – nicht üblich, mit der Rechtskraftwirkung der Entscheidungsgründe zu argumentieren.182 Die Regelung in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zeigt jedoch, daß eine Bindung möglich ist und sinnvoll sein kann. Zudem läßt sich in vielen Fällen nur mit Hilfe der Entscheidungsgründe die Reichweite der Rechtskraft bestimmen. Das gilt insbesondere für klageabweisende Entscheidungen. Aus dem Tenor „Die Klage wird 177 Grundlegend BGH, Urt. v. 30. 04. 1953 – III ZR 268 / 51 –, BGHZ 9, 329 (331); BGH, Urt. v. 29. 01. 1998 – III ZR 110 / 97 –, NJW 1998, S. 1398 (1399); OLG Koblenz, Urt. v. 25. 04. 2001 – 1 U 843 / 99 –, NVwZ 2002, S. 764 (765). 178 Siehe oben 1. Teil 1. Kapitel D. II. 1. b). 179 Die Zivilgerichtsbarkeit nimmt nicht ausreichend wahr, daß die Aufhebung eines Verwaltungsakts seine Rechtswidrigkeit voraussetzt; anders noch BGH, Urt. v. 30. 04. 1953 – III ZR 268 / 51 –, BGHZ 9, 329 (331): „( . . . ) ist lediglich in den Gründen ausgeführt, daß die Aufhebung ( . . . ) wegen der Rechtswidrigkeit erfolge, so muß auch diese Begründung an der Rechtskraft des Urteilsspruchs teilhaben.“ 180 Rupp, JZ 2004, S. 157 (159); ders., Grundfragen, S. 284 ff. 181 Siehe Lechner / Zuck, BVerfGG, § 31 Rdnr. 32; BVerfG, Beschl. v. 20. 01. 1966 – 1 BvR 140 / 62 –, E 19, 377 (392); BVerfG, Urt. v. 31. 01. 1989 – 1 BvL 17 / 87 –, E 79, 256 (264). 182 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 130 benutzt den Ausdruck „verpönt“.

14 Bickenbach

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

abgewiesen“, ist nicht ersichtlich, über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat.183 Nur mit Hilfe von Tatbestand und Begründung ist zu ermitteln, welches Klagebegehren abgelehnt worden ist und damit für die Zukunft bei gleichbleibender Tatsachen- und Rechtslage nicht wieder geltend gemacht werden darf. Gleiches gilt für den Fall, daß ein Prozeßurteil ergangen ist, das Gericht also in der Sache nicht entschieden hat. Schließlich ist auch nur aus den Entscheidungsgründen ersichtlich, ob eine Anfechtungsklage wegen eines Form- oder Verfahrensfehlers zwar erfolgreich war, die Behörde aber selbst bei Annahme eines Verwaltungsaktwiederholungsverbots nicht gehindert ist, eine gleichlautende Verfügung erneut zu erlassen, weil insoweit über den Streitgegenstand nicht entschieden worden ist.184 Die Entscheidungsgründe dienen dazu, den Tenor zu rechtfertigen und der unterlegenen Partei das für sie ungünstige Ergebnis zu erklären. Im günstigsten Fall akzeptiert diese das Urteil und der Rechtsfrieden ist wiederhergestellt.185 Schlimmstenfalls beugt sie sich nur formal dem Richterspruch und sucht nach Möglichkeiten, diesen zu umgehen. Die Entscheidungsgründe nehmen nach herrschender Auffassung jedoch nicht an der Rechtskraftwirkung teil. Diesen Grundsatz hat die Verwaltungsprozeßrechtswissenschaft aus dem Zivilprozeßrecht übernommen.186 2. Die Bindungswirkung der Entscheidungsgründe bei Präjudizialität Insbesondere Detterbeck greift diesen Lehrsatz an mit Überlegungen zum Zusammenhang zwischen dem verwaltungsgerichtlichen Vorprozeß und dem Amtshaftungsprozeß. Er unterscheidet zwei Arten eines Abhängigkeitsverhältnisses: die unmittelbare und die mittelbare Präjudizialität. 187 Ein rechtskräftiges Urteil bindet dieselben Beteiligten gemäß § 121 VwGO, soweit das Bestehen oder Nichtbestehen eines prozessualen Anspruchs für einen anderen Streitgegenstand vorgreiflich, d. h. (unmittelbar) präjudiziell ist.188 Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen in den Verfahren nur die Vorfragen identisch sind, der Vorprozeß also gerade nicht für den Folgeprozeß entscheidungserheblich ist.189 BVerwG, Urt. v. 21. 09. 1984 – 8 C 4.82 –, E 70, 159 (161). Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 121 Rdnr. 22; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 19. 185 Kischel, Die Begründung, S. 55 f. 186 Siehe nur Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 167. 187 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 115 ff. und S. 165 ff.; gegen diese Unterscheidung Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 217 f. 188 BVerwG, Urt. v. 10. 05. 1994 – 9 C 501 / 93 –, NVwZ 1994, S. 1115 zur Frage, ob die Verneinung eines Anspruchs gemäß § 13 Abs. 2 AsylVG vorgreiflich ist für die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG (heute § 60 Abs. 1 AufenthG). 189 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 116 f.; der Tatbestand von § 13 Abs. 2 AsylVG hängt teilweise von den gleichen Vorfragen ab, wie § 51 Abs. 1 AuslG, BVerwG, Urt. v. 10. 05. 1994 – 9 C 501 / 93 –, NVwZ 1994, S. 1115 f. 183 184

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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a) Unmittelbare Präjudizialität Unmittelbare Präjudizialität besteht danach, „wenn über ein Tatbestandsmerkmal der im neuen Prozeß geltend gemachten Rechtsfolge im vorangegangenen Verfahren rechtskräftig entschieden wurde. Das im Folgeprozeß fragliche Tatbestandsmerkmal muß also zum Streitgegenstand des vorangegangen Prozesses gehört haben.“190 Das verwaltungsgerichtliche Verfahren und der Amtshaftungsprozeß stehen nicht in einem Verhältnis der unmittelbaren Präjudizialität zueinander, weil nach hier vertretener Ansicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts nicht Gegenstand, sondern nur Voraussetzung für den prozessualen Anspruch ist. Eine unmittelbare Präjudizialität kann sowieso nur annehmen, wer den Unterschied zwischen rechts- und amtspflichtwidrig ignoriert.191 Eine im Außenverhältnis rechtswidrige Handlung kann im Innenverhältnis weisungs- und somit amtspflichtgemäß sein.192 Das Verwaltungsgericht urteilt daher nicht über ein im zivilgerichtlichen Folgeprozeß bestehendes Tatbestandsmerkmal.

b) Mittelbare Präjudizialität Eine begründete Klage wirkt sich jedoch indirekt auf den nachfolgenden Amtshaftungsprozeß aus. Diese mittelbare Präjudizialität besteht nach Auffassung von Detterbeck, soweit der Streitgegenstand des Vorprozesses für die Beurteilung eines Tatbestandsmerkmals und der damit zusammenhängenden Vorfragen im Amtshaftungsprozeß von tatsächlicher Bedeutung ist. Dies soll bereits dann der Fall sein, wenn sich die Antwort auf die Vorfrage zwingend aus der ersten Entscheidung ergibt, ohne dabei an ihrer Rechtskraft teilzunehmen.193 Jeder „rechtslogische tatsächliche Einfluß“ reicht aus.194 Für den Amtshaftungsprozeß und das Tatbestandsmerkmal der Amtspflichtverletzung ergibt sich daraus folgendes: Mittelbar vorgreiflich ist die Frage, ob die Amtshandlung rechtswidrig ist. Ist das der Fall, und nimmt dieses Ergebnis an der Rechtskraft des Anfechtungsurteils teil, liegt unstreitig mittelbare Präjudizialität vor. In der Regel ist eine rechtswidrige zugleich eine amtspflichtwidrige Handlung. Mittelbare Präjudizialität liegt aber auch dann vor, wenn die Rechtswidrigkeit ei190 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 116; ähnl. BGH, Urt. v. 26. 06. 2003 – I ZR 269 / 00 –, NJW 2003, S. 3058 (3059); siehe auch BVerwG, Urt. v. 28. 11. 2002 – 2 C 25 / 01 –, NJW 2003, S. 1753 (1754). 191 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 118; a. A. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand, S. 217 f., der auch rechtswidrig und amtspflichtwidrig unterscheidet, aber auf die regelmäßige Übereinstimmung abstellt. 192 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 119. 193 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 117; Christonakis, Rechtsschutzinteresse, S. 285 Fn. 363; a. A. BVerwG, Urt. v. 23. 2. 1993 – 1 C 16 / 87 –, NVwZ 1993, S. 781 (782). 194 So Kopp / Schenke, VwGO, § 94 Rdnr. 4 zum Begriff der Vorgreiflichkeit in § 94 VwGO.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

ner Verfügung und damit die Frage, ob eine Rechtsverletzung vorliegt, nicht in Rechtskraft erwächst, weil sich der Streitgegenstand nicht nach dem Wortlaut von § 113 VwGO bestimmt. Grundlage für das Aufhebungsbegehren ist eine rechtswidrige hoheitliche Handlung. Besteht der Anspruch des Klägers, steht die Rechtswidrigkeit der behördlichen Handlung außer Zweifel.195 Das über einen Amtshaftungsanspruch entscheidende Zivilgericht kann daher keine rechtmäßige, sondern maximal eine amtspflichtgemäße Handlung unterstellen. Detterbeck schließt daraus, daß die den prozessualen Aufhebungsanspruch tragenden Entscheidungsgründe für das Zivilgericht bindend sind, obwohl sie nicht in Rechtskraft erwachsen. „Besteht zwischen den Streitgegenständen beider Prozesse Präjudizialität, ist das Zweitgericht insgesamt an die tragenden Entscheidungsgründe gebunden.“196 Allein dieses Ergebnis verhindere einen erneuten Streit zwischen den Parteien oder sonstigen Beteiligten und entspreche daher Sinn und Zweck der materiellen Rechtskraft am besten.197 Detterbeck kritisiert daher die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, für das Zivilgericht stehe zwar rechtskraftbedingt fest, ob eine Verwaltungsentscheidung rechtswidrig sei, die dafür gegebene Begründung sei jedoch nicht bindend.198

3. Historische Erklärung für die fehlende Bindungswirkung der Entscheidungsgründe Detterbeck ist im Ergebnis zuzustimmen. Er begründet aber nicht ausreichend, warum die tragenden Entscheidungsgründe für das Zivilgericht bindend sein sollen. Er argumentiert ergebnisorientiert mit Sinn und Zweck der Rechtskraft, statt zu untersuchen, warum die herrschende Meinung die Bindungswirkung der Entscheidungsgründe verneint und ob die dafür gegebene Begründung überzeugend ist. Gegen eine Bindungswirkung der Entscheidungsgründe spricht der Wortlaut von § 121 VwGO, der eng an § 322 Abs. 1 ZPO angelehnt ist.199 Letzteres ist entscheidend, denn § 121 VwGO ist nicht eindeutig formuliert und schließt eine Bindungswirkung der tragenden Gründe nicht aus. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. „Entschieden“ meint nach herkömmlicher Lesart den Entscheidungssatz, d. h. den vom Gericht vorgenommenen Subsumtionsschluß.200 Die Auslegung von § 121 VwGO ist 195 Ähnl. Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, § 35 Rdnr. 34; siehe auch BGH, Urt. v. 30. 04. 1953 – III ZR 268 / 51 –, BGHZ 9, 329 (331). 196 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 130. 197 Detterbeck, Streitgegenstand, S. 131. 198 BGH, Urt. v. 17. 05. 1956 – III ZR 280 / 54 –, BGHZ 20, 379 (383); BGH, Urt. v. 03. 03. 1983 – III ZR 34 / 82 –, NJW 1983, S. 2241; BGH, Urt. v. 26. 01. 1984 – ZR 179 / 82 –, BGHZ 90, 4 (12). 199 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 45. 200 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 121 Rdnr. 45.

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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geprägt von der in der Zivilprozeßrechtswissenschaft seit mehr als 125 Jahren herrschenden Auffassung, der Gesetzgeber habe § 322 Abs. 1 ZPO bewußt eng formuliert und sich damit gegen weiterreichende Standpunkte im gemeinen Recht gewandt.201 Die Feststellung von Tatsachen, präjudiziellen Rechtsverhältnissen und Einreden – Ausnahme die Aufrechnungseinrede gemäß § 322 Abs. 2 ZPO – erwächst danach nicht in Rechtskraft. Reischl hat jüngst nachgewiesen, daß diese scheinbar an der Genese von § 322 Abs. 1 ZPO orientierte Auslegung nicht dem wirklichen gesetzgeberischen Willen entspricht. Seine Untersuchung basiert auf der Lehre Savignys von der automatischen Rechtskraft der objektiven Urteilselemente. Der Rechtskraftumfang ergab sich danach aus dem privatautonom bestimmten Klageantrag und dem damit verbundenen Interessenschutz als soziales Element, war also zweigliedrig strukturiert.202 Der historische Gesetzgeber habe diese Struktur übernommen, entsprechend der damaligen Anschauung jedoch die sozial motivierte Automatik mit Hilfe von § 256 Abs. 2 ZPO gegen eine möglichst selbstbestimmte Reichweite der Rechtskraft ersetzt.203 Falls es aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich sei, Urteilsfeststellungen mit diesem prozessualen Mittel zu sichern, müsse sich die Rechtskraft automatisch auf die Urteilselemente erstrecken, soweit zusätzlich ein Bedürfnis nach Inhaltsschutz entsteht.204 Das zivilprozessuale, an das Gericht adressierte Abweichungsverbot binde die Parteien und schneide den materiell-rechtlichen horizontalen Zusammenhang zwischen zwei Entscheidungen ab. Die Reichweite der Rechtskraft sei daher als vertikale prozessuale Bindung an die Urteilsfeststellungen zu verstehen. Maßstäbe sind für den Umfang der Rechtskraft sind dann der Klageantrag und der erforderliche Inhaltsschutz.205

4. Das Bedürfnis nach inhaltlichem Schutz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen Die Lehre von der Rechtskraft der objektiven Urteilselemente ist auf das Verwaltungsprozeßrecht übertragbar. Zum einen bestimmt der Kläger gemäß § 88 VwGO das Klagebegehren. Auch wenn das Gericht nicht an den Antragswortlaut gebunden ist, es darf dem Kläger nichts zusprechen, was dieser nicht beantragt hat. Der Verwaltungsprozeß unterliegt der Dispositionsmaxime, weil er dem subjektiven Rechtsschutz dient. Allein der Bürger entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang er gerichtlichen Schutz in Anspruch nehmen will. Der Bescheidungsantrag ist dafür ein schönes Beispiel. Es muß ihn geben, weil der Bürger ein Inter201 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 152 III; BGH, Urt. v. 26. 06. 2003 – I ZR 269 / 00 –, NJW 2003, S. 3058 (3059). 202 Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 4 f. und S. 77 ff. 203 Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 5 und S. 114 ff. 204 Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 5. 205 Reischl, Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 5 f.

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2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils

esse an einer Bescheidung durch die Verwaltung hat, und er nicht gezwungen werden darf, mehr zu beantragen als ihm zusteht. Außerdem kann er daran interessiert sein, nicht „aufs Ganze“ gehen zu müssen. Zum anderen besteht aus zwei Gründen das Bedürfnis nach inhaltlichem Schutz einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Es entsteht erstens durch die historisch begründete, aber überholte Rechtswegaufspaltung gemäß Art. 34 Satz 3 GG. Eine abweichende Entscheidung der Zivilgerichte entspricht nicht dem Interesse des Klägers. Die Verwaltungsgerichte erstrecken daher den prozessualen Anspruch auf seine materiellen tatbestandlichen Voraussetzungen. Der gewünschte Umfang der Rechtskraft bestimmt damit letztlich den Streitgegenstand. Dieser wird dadurch von den Füßen auf den Kopf gestellt. Zweitens entsteht das Bedürfnis nach Inhaltsschutz, weil der Bürger ein berechtigtes Interesse daran hat, daß ihn die Verwaltung nicht erneut mit einer – identischen – rechtswidrigen Maßnahme belastet. Die Verwaltungsgerichte haben daher das zivilgerichtliche Abweichungsverbot in Form eines Wiederholungsverbots auf die Exekutive übertragen. Damit haben sie aber den über die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bestehenden materiell-rechtlichen horizontalen Zusammenhang zwischen zwei Entscheidungen abgeschnitten und die funktional notwendigen Grenzen der Rechtskraftwirkung überschritten. Nach hier vertretener Ansicht ist der horizontale Zusammenhang mangels Aufhebungs- und Wiederholungsverbot nicht abgeschnitten. Dem dadurch verstärkten Bedürfnis des Bürgers nach inhaltlichem Schutz, ist durch eine vertikale Bindung an die Urteilsgründe Rechnung zu tragen.

D. Zusammenfassung Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen dienen der (Wieder-)Herstellung von Rechtsicherheit und Gerechtigkeit. Zugleich sichern und schützen sie die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Ihnen muß eine Wirkung zukommen, die einen schonenden Ausgleich zwischen diesen mitunter in Konflikt stehenden Zielen herstellt. Die Rechtskraft von Bescheidungsurteilen schützt den individuellen status und sichert die objektive Ordnung. Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft verändert dabei nicht die Rechtslage, sondern wirkt ausschließlich prozessual, indem sie bestehende Rechtsbeziehungen feststellt. Sie ist zu unterscheiden von der Gestaltungswirkung – der Änderung der Rechtslage durch das Urteil –, der Tatbestandswirkung i.e.S. – die Entscheidung als Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm – und der Feststellungswirkung, d. h. der Verbindlichkeit bestimmter Ergebnisse in einem weiteren gerichtlichen Verfahren. Die Rechtskraft von Bescheidungsurteilen wird durch den Streitgegenstand zeitlich, subjektiv und objektiv bestimmt und begrenzt. Die zeitlichen Grenzen der Bindungswirkung sind gesetzlich nicht geregelt. Sie ergeben sich vielmehr aus der zweigliedrigen Struktur des prozessualen Anspruchs. Verändert sich der maßgebliche Lebenssachverhalt derart, daß die dem Urteil zugrundeliegende und die aktu-

2. Kap.: Die Entscheidungswirkungen

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elle Situation juristisch relevant voneinander abweichen, dann entfaltet die gerichtliche Entscheidung für die neue Sachlage keine Bindungswirkung mehr. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft sind durch § 121 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO geregelt. Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen binden die Parteien und die Beigeladenen sowie Personen, die trotz gerichtlicher Aufforderung gemäß § 65 Abs. 3 VwGO keinen ordnungsgemäßen Antrag auf Beiladung gestellt haben. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft sind ein Abbild des vom Kläger verfolgten prozessualen Anspruchs. Ein Bescheidungsurteil verpflichtet die Behörde, den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden, ohne das ein positiver Bescheid vorgezeichnet ist. Es verbietet ihr nicht nicht, die erstrittene Verfügung im Rahmen der gesetzlichen Grenzen aufzuheben. Ein solcher Unterlassungsanspruch ist weder Gegenstand einer Verpflichtungsklage noch läßt sich ein Aufhebungsverbot als Kehrseite eines rechtskraftbedingten Verwaltungsaktwiederholungsverbots begreifen, da ein solches mangels Streitgegenstandsidentität zwischen erster und erneuter Verfügung nicht besteht. Es entspricht vielmehr dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das (Fort-)Bestehen des Anspruchs auf Gesetzeserfüllung zu überwachen. Die Reichweite der Gesetzesbindung der Exekutive und die Reichweite der Rechtskraft sind ein Beispiel für den funktionalen Zusammenhang zwischen behördlicher und gerichtlicher Aufgabenwahrnehmung. Den dafür notwendigen schonenden Ausgleich zwischen Rechtsfrieden, subjektivem Rechtsschutz und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung hat der Gesetzgeber mittels § 49 VwVfG hergestellt. Die Verwaltungsbehörde ist gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO an die gerichtliche Rechtsauffassung gebunden. Die Urteilsbegründung ist dabei kein Teil des Entscheidungssatzes, der nur aus Platzgründen nicht in den Tenor aufgenommen werden kann. Die Bindung an die gerichtliche Rechtsauffassung ist der Struktur des Streitgegenstands der Versagungsgegenklage geschuldet. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO entspricht dem Bedürfnis nach inhaltlichem Schutz gerichtlicher Entscheidungen und sichert die verminderte Präventivwirkung von Bescheidungsurteilen. Die andauernde und damit als horizontal zu bezeichnende Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz und die inhaltliche – vertikale – Bindung an die Entscheidungsgründe sichern die subjektiven Rechte des Bürgers und korrespondieren mit dem funktionalen Zusammenhang von behördlicher und gerichtlicher Aufgabenwahrnehmung. Ein eigenständiger, im Ergebnis stärker am materiellen Recht orientierter öffentlich-rechtlicher Begriff des Steitgegenstands schließt es aus, unreflektiert zivilprozeßrechtliche Grundsätze zu übernehmen. Im vorliegenden Zusammenhang gilt das für den Lehrsatz von der fehlenden Bindungswirkung der Entscheidungsgründe. Dieser basiert nicht nur auf historisch umstrittenen Annahmen, sondern er genügt auch nicht dem verwaltungsprozeßrechtlichen Bedürfnis nach inhaltlichem Schutz für die Gerichtsentscheidung. Die den prozessualen Aufhebungsanspruch tragenden Entscheidungsgründe sind daher zum Beispiel für das Zivilgericht bindend, weil das verwaltungsgerichtliche Urteil und sein Inhalt für das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs mittelbar präjudiziell sind.

Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform 1. Teil: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grundlagen 1. Kapitel: Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage 1. Im Verwaltungsprozeß richtet sich der Streitgegenstand nach dem Antrag des Klägers und dem dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. 2. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage kann nicht allein aus dem Verwaltungsprozeßrecht heraus erklärt werden, weil § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf das materielle Recht Bezug nimmt. 3. Die Grundrechte beeinflussen das Verwaltungsrecht unmittelbar und wirken auf den Verwaltungsprozeß ein. Art. 1 Abs. 3 GG macht die Verwaltungsgerichte zu Adressaten von grundrechtlich begründeten Ansprüchen der Bürger. 4. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist uneinheitlich. Streitgegenstand ist danach entweder der prozessuale Anspruch auf Erlaß des beantragten Verwaltungsakts oder die Rechtsbehauptung des Klägers, die Ablehnung oder Unterlassung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. 5. Verschiedene Auffassungen zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage finden sich auch in der Literatur. Die Diskussion ist bestimmt von Rechtskrafterwägungen und unterschiedlichen Meinungen zum Verhältnis von Prozeßrecht und materiellem Recht. 6. Der Verwaltungsprozeß dient der Durchsetzung von subjektiv-öffentlichen Rechten. Der materielle Anspruch auf Gesetzeserfüllung bildet die Grundlage für den prozessualen Anspruch auf Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts. 7. § 42 Abs. 1 VwGO ist ein Indiz dafür, daß der prozessuale Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage gehört. 8. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO enthält keine Aussage zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage. Die Vorschrift hebt nur auf die materiell-rechtliche Vorgeschichte ab und setzt einen prozessual durchsetzbaren Anspruch auf Gesetzeserfüllung voraus. 9. Es entspricht nicht der Dispositionsmaxime und dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, in dem Antrag auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids nur

Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform

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das bei Verpflichtungsklagen übliche unselbständige Aufhebungsbegehren zu sehen. Der Antrag ist vielmehr Ausdruck eines mit einer Versagungsgegenklage verfolgten eigenständigen Aufhebungsbegehrens. 10. Der Ablehnungsbescheid ist ein belastender Verwaltungsakt, der formell und materiell bestandskräftig werden kann. 11. Das Recht auf Gesetzeserfüllung ist nicht nur die Grundlage für den prozessualen Verpflichtungsanspruch, sondern erfüllt auch die für das Entstehen eines Aufhebungsanspruchs notwendigen Voraussetzungen: eine Pflicht der Exekutive und ein subjektives Interesse des Bürgers an ihrer Durchsetzung. 12. Der Aufhebungsanspruch folgt aus der Verletzung des Rechts auf Gesetzeserfüllung. Er entsteht, wenn die Verwaltung es unterläßt, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Aus der objektiven Unterlassungspflicht folgt ein Aufhebungsanspruch, weil das Recht auf Gesetzeserfüllung zum allgemeinen staatsbürgerlichen status gehört. 13. Der Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids ist das materielle Recht, das der Kläger mit einer isolierten Anfechtungsklage verfolgt. 14. Der Streitgegenstand der Versagungsgegenklage setzt sich zusammen aus dem prozessualen Anspruch des Klägers auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts und dem gegen die Ablehnungsentscheidung gerichteten prozessualen Aufhebungsanspruch. 15. Die Ansprüche stehen zueinander in einem Stufenverhältnis. Das Gericht darf die Verwaltung nur zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts verurteilen, wenn der Ablehnungsbescheid im Ergebnis rechtswidrig ist. Es darf dem Bürger nichts zusprechen, worauf dieser keinen Anspruch hat. 16. Die Rechtswidrigkeit der Ablehnung erwächst nicht in Rechtskraft, weil sie zusammen mit der Rechtsverletzung nur zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Aufhebungsanspruchs gehört. 17. Verfolgt der Kläger einen Anspruch auf ermessens- oder beurteilungsfehlerfreie Entscheidung, dann ist eine Verpflichtungsklage erfolgreich, soweit ihn der Ablehnungsbescheid in seinen Rechten verletzt. Das Verwaltungsgericht darf die Ergebnisrichtigkeit der Verfügung nicht feststellen, weil es diesbezüglich kein Letztentscheidungsrecht hat. 18. Die hier vertretene Auffassung zum Streitgegenstand erklärt, warum § 79 VwGO auf Versagungsgegenklagen analog anwendbar ist und Ablehnungsbescheide nach der Klageerhebung nicht bestandskräftig werden.

2. Kapitel: Der Bescheidungsantrag 19. Die Dispositionsmaxime ist neben § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO die rechtliche Grundlage für einen Bescheidungsantrag im Rahmen einer Verpflichtungsklage.

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Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform

20. „Bescheidungsklage“ ist die ungenaue Bezeichnung für den Bescheidungsantrag im Rahmen der Verpflichtungsklage. Es handelt sich nicht um eine eigenständige Klageart. 21. Die Notwendigkeit eines Bescheidungsantrags ergibt daraus, daß der Bürger zwar einen bestimmten Verwaltungsakt beantragen kann, das Gericht die Behörde aber nur dazu verurteilen darf, den Kläger zu bescheiden. Kein Kläger darf daher gezwungen werden, einen zu weitgehenden Antrag zu stellen. 22. Der Bescheidungsantrag dient der Durchsetzung der subjektiv-öffentlichen Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung und ist kein unzulässiges Rückverweisungsbegehren an die Verwaltung. 23. Stellt der Kläger trotz eines Hinweises gemäß § 86 Abs. 3 VwGO einen Verpflichtungsantrag nicht auf einen Bescheidungsantrag um, ergeht ein Bescheidungsurteil bei gleichzeitiger Klageabweisung im übrigen. Das Prozeßkostenrisiko ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar und ist eine Folge der Dispositionsmaxime. 24. Der Wechsel zwischen Verpflichtungs- und Bescheidungsantrag ist trotz § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO ohne Zustimmung der anderen Partei möglich, soweit diese kein schützenswertes Interesse an einer umfassenden Entscheidung hat. 3. Kapitel: Verfassungsrechtliche Grundlagen für den Erlaß von Bescheidungsurteilen 25. Die Gerichte müssen gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wirksamen Rechtsschutz gewährleisten. Ihre Aufgabe, Verwaltungsentscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig zu überprüfen, ist für das Herbeiführen von Spruchreife von großer Bedeutung. 26. Individualrechtsschutz und objektive Rechtskontrolle sind miteinander verbunden und spiegeln den in der grundgesetzlichen Ordnung bestehenden Zusammenhang von individuellem status und objektiver Ordnung wider. 27. Wirksamer Individualrechtsschutz betrifft subjektive Rechte und darf ihren Schutz nicht aus den Augen verlieren. 28. Die im Grundgesetz angelegten Verbindungen, Kontrollen und Ausgleichsmechanismen geben den Gerichten eine Schlüsselposition bei der Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Gewalten. 29. Gewaltenteilung bedeutet unter demokratischen Vorzeichen und in einer komplizierten Wirtschafts- und Sozialordnung nicht mehr nur ein Verbot der Machtkonzentration, sondern auch ein Gebot der Arbeitsteilung. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG konstituiert, erhält und gestaltet die rechtliche und politische Ordnung des Gemeinwesens. 30. Die Gewaltenteilung ist im Grundgesetz als Arbeits- und Funktionenteilung ausgestaltet. Sie sichert die bürgerlichen Freiheiten und dient der staatlichen Aufgabenerfüllung.

Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform

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31. Die optimale Erfüllung staatlicher Aufgaben ist möglich, wenn die Organe funktionsgerecht strukturiert, zusammengesetzt und besetzt sind und so möglichst rechtmäßige Entscheidungen treffen. 32. Die zahlreichen staatlichen Aufgaben sowie die Koppelung von Funktion und Organstruktur verknüpfen die Gewalten untereinander und machen eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit erforderlich. Das gilt auch für das Herbeiführen von Spruchreife, das ein abgestimmtes Handeln von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit erfordert. 33. Die Rechtsordnung weist den Organen die Aufgaben zu und setzt den Rahmen für deren Wahrnehmung. So lassen sich Erkenntnisse über das Verhältnis der Gewalten untereinander und ihre Kompetenzen gewinnen. 34. Verwaltung und Rechtsprechung kommt jeweils eine Entscheidungsverantwortung zu. Rechtsvorschriften sind zunächst Handlungsanweisungen an die Behörden, dann Kontrollmaßstäbe für die Gerichte. 35. Exekutive und Judikative sind eigenständig und gleichrangig. Gleichwohl bestehen zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit Spannungen, weil viele Lebensbereiche verrechtlicht sind und damit gerichtlicher Kontrolle unterliegen. 36. Die Eigenständigkeit der Verwaltung ist nicht von kompetenziellen Kernoder Vorbehaltsbereichen abhängig, sondern bestimmt sich nach dem Einfluß, den Behörden auf den Inhalt und das Zustandekommen ihrer Entscheidungen haben. Sie ist gefährdet, wenn die Gerichte übermäßig in Informationsgewinnungsabläufe und Entscheidungszüge eingreifen. 37. Verwaltungs- und Planungsermessen sowie Beurteilungsspielräume eröffnen der Exekutive die Herrschaft über die Alternative und sichern so den Einfluß auf den Inhalt behördlicher Maßnahmen. 38. Verwaltungsverfahren dienen der Entscheidungsfindung. Das gibt der Exekutive die Möglichkeit, inhaltlichen Einfluß zu nehmen. 39. Die kommunale Selbstverwaltung ist eine der wichtigsten rechtlichen Grundlagen exekutiver Eigenständigkeit. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen geben den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. 40. Die kommunale Selbstverwaltung ist durch Aufgabenüberlastung und Finanznot, teilweise aber auch durch übermäßige gerichtliche Kontrolle gefährdet.

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Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform

2. Teil: Voraussetzungen und Wirkungen eines Bescheidungsurteils 1. Kapitel: Fehlende Spruchreife als Voraussetzung für ein Bescheidungsurteil 41. Eine Verpflichtungsklage ist spruchreif, wenn alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung vorliegen, die die Verwaltung verpflichtet, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. 42. Spruchreife ist ein prozessualer Begriff, der an die materiell-rechtlichen Gegebenheiten anknüpft, diese aber nicht verändert. 43. Spruchreife darf nur im Umfang der vom Streitgegenstand abhängigen gerichtlichen Entscheidungskompetenz hergestellt werden. 44. Die Gerichte führen derzeit grundsätzlich Spruchreife herbei, indem sie alle maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Gesetzeserfüllung ermitteln. 45. Die Verwaltungsgerichte kontrollieren, ob das materielle Recht einen ablehnenden Bescheid trägt. Dabei berücksichtigen sie auch Rechtsgrundlagen und Tatsachen, die die Verwaltung nicht angeführt oder geprüft hat. 46. Die Praxis der Verwaltungsgerichte verletzt nicht Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, denn sie entspricht der immer wieder vom Bundesverfassungsgericht betonten Pflicht, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Prüfung vorzunehmen. Der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist nicht zu entnehmen, daß sich diese Pflicht nur auf den bereits im Verwaltungsverfahren ermittelten Sachverhalt bezieht. 47. Das Herbeiführen von Spruchreife gleicht das zwischen Behörde und Bürger bestehende Macht- und Informationsgefälle aus und sorgt für prozessuale Waffengleichheit. 48. Gerichtliche Kontrolle ist nicht nur eine nachträgliche, auf vorhandenen Tatsachen aufbauende Tätigkeit, sondern wirkt auch präventiv und hilft, zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. 49. Inwieweit das Herbeiführen von Spruchreife verfahrensverlängernd wirkt, läßt sich mit den vorhandenen Zahlen nur schwer feststellen. Die verfügbaren Daten sprechen dafür, daß die Prozeßdauer im wesentlichen abhängig ist von der Menge der (Alt-)Fälle im Verhältnis zur Anzahl der (besetzten) Richterstellen. 50. Das Gericht erforscht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei darf es nicht über den zu entscheidenden Rechtsstreit hinausgehen. Der Kläger bestimmt gemäß § 88 VwGO den Streitgegenstand. 51. Das Herbeiführen von Spruchreife verletzt nicht § 88 VwGO. Das Gericht legt den Klageantrag aus, entscheidet über die anwendbaren Rechtsnormen und bestimmt damit in einem gewissen Maße die Grenzen seiner Tätigkeit.

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52. Der Untersuchungsgrundsatz sichert die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die Dispositionsmaxime findet ihre Grundlage im subjektiven status des Bürgers. 53. Die Akzeptanz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen erfordert eine gesicherte und möglichst vollständige Tatsachengrundlage. 54. Soweit die Verwaltungsgerichte durch das Herbeiführen von Spruchreife auch Rechtsgrundlagen berücksichtigen, die die Verwaltung nicht angeführt oder geprüft hat, trennen sie die in einem Verwaltungsakt enthaltene Regelung von der Begründung. 55. Das Herbeiführen von Spruchreife ist inhaltlich zu unterscheiden vom behördlichen Nachschieben von Gründen und sprachlich abzugrenzen vom gerichtlichen „Halten“ eines Verwaltungsakts aus anderen Gründen. 56. Das Herbeiführen von Spruchreife steht für die gerichtlichen Anstrengungen, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Gesetzeserfüllung aufzuklären. Mit dem Nachschieben von Gründen versucht die Behörde, das Gericht von der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids zu überzeugen. 57. Das Nachschieben von Gründen ist grundsätzlich zulässig, weil Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wirksamen, nicht aber optimalen Rechtsschutz gewährleistet, und weil der Kläger keinen Anspruch auf eine inhaltlich richtige Begründung hat. Das Gericht entscheidet darüber, ob eine Begründung als richtig gilt. 58. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist keine Befugnisnorm für das Herbeiführen von Spruchreife, sondern erlaubt Rückschlüsse auf den Streitgegenstand, welcher wiederum die richterlichen Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet und begrenzt. 59. Das auf Verpflichtung oder Klageabweisung gerichtete „Durchentscheiden“ ist nicht immer zulässig. Die Spruchreife fehlt, soweit das Gericht wegen der Struktur der Anspruchsnorm nicht abschließend entscheiden darf oder die Sachverhaltsermittlung aus faktischen oder rechtlichen Gründen durch die Behörde erfolgen muß. 60. Das Verwaltungsgericht darf die Behörde nicht zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts verurteilen, wenn dieser auf der Rechtsfolgenseite der Norm, die dem Bürger einen Anspruch auf Gesetzeserfüllung gibt, ein Ermessensspielraum verbleibt. 61. Das Verwaltungsermessen ist eine historisch gewachsene Kategorie. Es hat im Laufe der letzten 150 Jahre seine Funktion als monarchisches arcanum jenseits des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts verloren und ist heute auf der Grundlage der normativen Ermächtigungslehre die gesetzlich begründete, begrenzte und dirigierte Aufgabe zur Rechtsfolgenbestimmung. 62. Das Gericht darf zwar gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur prüfen, ob die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Ge-

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Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform

brauch gemacht hat. Die Zweckmäßigkeitserwägungen der Behörde sind aber hinfällig, wenn das Gericht eine andere Auffassung von den Zwecken einer Vorschrift hat oder diese anders gewichtet. 63. Planungs- und Verwaltungsermessen unterscheiden sich nur quantitativ, nicht aber qualitativ, weil sie die rechtstheoretischen Grundlagen teilen und aus ähnlichen praktischen Erwägungen existieren. 64. Das Gericht darf die Behörde nicht zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts verurteilen, soweit dieser ein Beurteilungsspielraum verbleibt, weil die Materie komplex oder schnellebig ist, ein Nachvollziehen der behördlichen Entscheidung sehr schwierig ist und das Verwaltungsgericht an seine Funktionsgrenzen stößt sowie bei prüfungsspezifischen Wertungen aus Gründen der Chancengleichheit. 65. Die Lehre vom Beurteilungsspielraum beruht auf unbestimmten Rechtsbegriffen im Tatbestand einer Rechtsnorm. Ursprünglich als Tatbestandsermessen und Problem der Normkonkretisierung verstanden, hat sie sich zur Frage der gerichtlichen Sachverhaltsfeststellung und Subsumtion entwickelt. Die Verwaltungsgerichte sind heute unter dem Eindruck der strengen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sehr zurückhaltend darin, einen behördlichen Beurteilungsspielraum anzuerkennen. 66. Die Verurteilung der Behörde zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsakts ist unzulässig, wenn das Verwaltungsgericht eine Risikobewertung als verbindlich hinnehmen muß, eine fachbehördliche Entscheidung aussteht oder der Behörde ein Ermessensspielraum für den Erlaß von Nebenbestimmungen verbleibt. 67. Die Kritik in der Literatur am Herbeiführen von Spruchreife durch erstmalige Sachverhaltsermittlungen ist unberechtigt, soweit sie pauschal einen Eingriff in den Kernbereich der Exekutive und damit einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung behauptet. 68. Die Antwort auf die Frage, inwieweit erstmalige gerichtliche Sachverhaltsermittlungen geboten, zumindest zulässig oder verboten sind, ist eingebettet in den funktionalen Zusammenhang zwischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßrecht. 69. Das Sammeln und Verarbeiten von Informationen gehört zum Funktionsund Verantwortungsbereich der Verwaltung, beschreibt aber auch das Herbeiführen von Spruchreife durch die Verwaltungsgerichte. 70. Obwohl das VwVfG nur wenige Regelungen dazu enthält, wie andere Behörden im Verfahren mitwirken und mitentscheiden, stellt es grundsätzlich eine ausreichende Sachverhaltsermittlung und -verarbeitung sicher. §§ 24, 26, 28 und 39 VwVfG weisen die Verantwortung für die Sachverhaltsvermittlung überwiegend der Verwaltung zu. 71. §§ 45, 46 VwVfG relativieren die gesetzliche Bindung der Verwaltung und damit die Verantwortung für die Informationssammlung und -verarbeitung jedoch

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so stark, daß ein Herbeiführen von Spruchreife durch gerichtliche Sachverhaltsermittlungen derzeit geboten ist. 72. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist durch das Herbeiführen von Spruchreife regelmäßig nicht verletzt. Eine besondere normative Ermächtigung der Gemeinden und Kreise in Form von speziellen kommunalen Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen existiert nicht. 73. Die Bürgernähe, die Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten oder die demokratische Legitimation der Organe der Selbstverwaltungskörperschaften stehen dem Herbeiführen von Spruchreife nicht entgegen. Die Kommunen und Kreise unterliegen als Teil der Exekutive den gleichen rechtlichen Bindungen wie andere Behörden auch und sind damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ausgesetzt. 74. Das Herbeiführen von Spruchreife ist ausnahmsweise unzulässig, wenn eine konkrete Rechtsposition der Gemeinde betroffen ist. So darf das Gericht nicht das gemeindliche Einvernehmen unterstellen, wenn das Baugehmigungsverfahren noch nicht entscheidungsreif ist.

2. Kapitel: Die Entscheidungswirkungen von Bescheidungsurteilen 75. Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft ist zu unterscheiden von der Gestaltungswirkung – der Änderung der Rechtslage durch das Urteil –, der Tatbestandswirkung – die Entscheidung als Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm – und der Feststellungswirkung – der Verbindlichkeit bestimmter Ergebnisse in einem weiteren Prozeß – gerichtlicher Entscheidungen. 76. Bescheidungsurteile wirken rechtsgestaltend, wenn der Kläger eine Versagungsgegenklage erhoben hat und das Gericht den Ablehnungsbescheid aufhebt. Sie entfalten mangels entsprechender gesetzlicher Vorschriften keine Feststellungsoder Tatbestandswirkung. 77. Die Bindungswirkung von Bescheidungsurteilen ist zeitlich, subjektiv und objektiv begrenzt. 78. Die zeitlichen Grenzen der Bindungswirkung ergeben sich aus dem dem Urteil zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. Als Anhaltspunkte für eine Veränderung bieten sich an eine „natürliche Betrachtungsweise“ und die zur begehrten Rechtsfolge führenden Tatbestandsmerkmale mit den unter diese zu subsumierenden Sachverhaltselementen. 79. Die subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft sind durch § 121 VwGO gesetzlich geregelt. 80. Der Streitgegenstand bestimmt den Umfang der Bindungswirkung und damit auch die objektiven Grenzen der Rechtskraft von Bescheidungsurteilen.

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Ergebnisse der Untersuchung in Thesenform

81. Inwieweit die Verwaltung durch ein Bescheidungsurteil verpflichtet ist, bei gleichbleibenden tatsächlichen und rechtlichen Umständen den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, hängt davon ab, warum das Gericht keine Spruchreife hergestellt hat und welche Rechtsauffassung es vertritt. 82. Ein Bescheidungsurteil verbietet der Verwaltung nicht, die erstrittene Verfügung im Rahmen der gesetzlichen Grenzen wieder aufzuheben. Ein Aufhebungsverbot läßt sich nicht als Kehrseite eines rechtskraftbedingten Wiederholungsverbots begründen, da dieses mangels Streitgegenstandsidentität nicht existiert. 83. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Bindungswirkung von Bescheidungsurteilen sind ein Beispiel für den funktionalen Zusammenhang zwischen behördlicher und gerichtlicher Aufgabenwahrnehmung. 84. Die gerichtliche Rechtsauffassung ist kein aus Platzmangel in die Entscheidungsgründe verschobener Teil des Tenors. Die Bindung an die Urteilsgründe gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO entspricht dem Bedürfnis nach Inhaltsschutz und sichert die Präventivwirkung von Bescheidungsurteilen. 85. Die tragenden Entscheidungsgründe sind für die Zivilgerichte bindend, weil verwaltungsgerichtliche Urteile mittelbar präjudiziell für Amtshaftungsansprüche sind. 86. Die herrschende zivilprozeßrechtliche Auffassung zur fehlenden Bindungswirkung der Urteilsgründe basiert auf historisch umstrittenen Annahmen und entspricht nicht dem Bedürfnis nach inhaltlichem Schutz verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen.

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16*

Sachwortverzeichnis Ablehnungsbescheid – Anspruch auf Aufhebung 44 ff., 51 ff., 59 ff., 131, 185, 191, 202, 217 – Bestandskraft 37, 49 ff., 65, 69, 217 – Ergebnisrichtigkeit 63 f., 114 ff., 179, 203 f. – hemmende Wirkung 62 – Klageantrag 45 f., 60, 62 – Rechtsnatur 46 ff. – Regelungswirkung 49 f. – Teil des Streitgegenstands 36 f., 45 f., 59 ff., 64, 68, 131, 202, 204, 217 – Urteilstenor 45, 60 – Verwaltungsverfahrensrecht 66 f., 69, 165 f., 168 Abweichungsverbot siehe Rechtskraft Amtsermittlung siehe Untersuchungsgrundsatz Anhörung siehe Verwaltungsakt Anspruch auf – ermessensfehlerfreie Entscheidung 40 f., 63 f., 74, 141 f., 191 – Gesetzeserfüllung 24 f., 39, 40 f., 44, 51, 58 f., 61, 62 ff., 66, 67 f., 74 f., 78 f., 131, 154, 157, 162, 179, 191 f., 194, 203 f., 205 f., 215, 216 f., 220 f. Aufhebungsanspruch siehe Reaktionsanspruch Aufhebungsverbot siehe Verwaltungsakt Automarkt-Entscheidung 194 f. Begründung siehe Verwaltungsakt Bescheidungsantrag 23 f., 69 ff., 111 f., 131, 191, 205, 213, 217 f. Bescheidungsklage – Kostenrisiko 75 ff. – Statthaftigkeit 70 f., 73 – subjektiv-öffentliche Rechte 73 f. Bescheidungsurteil – Bescheidungspflicht der Behörde 191 f.

– Bindung der Zivilgerichte 208 ff. – Feststellungswirkung 186 f. – Gestaltungswirkung 183 ff. – Inhaltsschutz 207 f., 213 f. – Rechtsauffassung des Gerichts 201 ff. – Rechtskraft 181 ff. – Tatbestandswirkung 185 f. – Tenor 45 f., 60, 185, 203, 224 Beseitigungsanspruch siehe Reaktionsanspruch Bestandskraft – formelle 49 ff.; 62 f., 65 – materielle 49 ff. Beurteilungsspielraum, Lehre vom – Fallgruppen 150 – historische Entwicklung 146 ff. – Rechtsprechung 150 ff. – Tatbestandsermessen 103, 147, 222 – unbestimmter Rechtsbegriff 102 f., 134 f., 146 ff., 222 – Vertretbarkeitstheorie 149 Beurteilungszeitpunkt 36, 61, 160, 188 Bindungswirkung siehe auch Rechtskraft – Verwaltungsakt 50 f. Dienstliche Beurteilung 20, 153 f. Dispositionsmaxime 29, 45, 71 f., 75 ff., 125 ff., 173, 178, 213, 216 f., 217 f., 221 Einvernehmen, gemeindliches 177, 223 Entscheidungsgründe siehe Rechtskraft Ermessen – Abgrenzung zum Planungsermessen 102 f., 143 f. – historische Entwicklung 135 ff. – Rechtsfolgenseite 26, 102 f., 146 f., 221 – Reduzierung auf Null 102, 143 Ermessensfehler 140 ff. Exekutive – Eigenständigkeit 96 ff.

Sachwortverzeichnis – – – –

Eigenverantwortung 100 ff. Handlungsfunktion 158, 162, 179 Kernbereich 26, 89, 100 f., 158, 161, 222 kommunale Selbstverwaltung 105 ff.

Fachbehörde 155 f., 177, 179, 222 Feststellungswirkung, Urteil siehe Bescheidungsurteil funktioneller Zusammenhang 19, 22, 26, 161 ff., 168, 179, 191, 193 f., 206, 215, 222, 224 Funktionenverantwortung 93 ff. Funktionenzuordnung 92 f. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – Amtsermittlung 164 – Kontrolle 128, 162, 173, 221 Gestaltungswirkung, Urteil siehe Bescheidungsurteil Gewaltenteilung 88 ff. Görlitz-Urteil 21, 108, 112, 174 f., 180 Handlungsfreiheit, allgemeine 55 f. Herbeiführen von Spruchreife – erstmalige Sachverhaltsermittlung 25 f., 112, 157, 161, 163, 168, 179, 222 – gerichtliche Praxis 112 ff. – gerichtliche Verantwortung 21, 25 f., 98, 112 f., 125, 161 ff., 168 ff. – gerichtlicher Prüfungsumfang 114 ff. – Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 128 – Gewaltenteilung 92, 94, 158 f. – Grenzen 134 ff. – kommunale Selbstverwaltung174 ff. – Mitwirkung der Behörde 127 – Nachschieben von Gründen 130 ff. – Prozeßökonomie 124 – rechtliche Grundlagen 117 ff. – Regelungskontrolle 129 – subjektiver Rechtsschutz 117 ff. – Untersuchungsgrundsatz 125 ff. – Verfahrensdauer 122 ff. – Verfahrensfehler, Verwaltung 168 ff. – Verwaltungsverfahrensrecht 161 ff. Hinweispflicht, gerichtliche 71, 79 Informationssammlung, behördliche 21, 26, 95, 109, 163 ff., 169 ff., 179, 222 f.

245

Informationsverarbeitung, behördliche 21, 26, 95, 109, 163 ff., 171 ff., 179, 222 f. Judikative 21 f., 88, 94, 109, 179, 219 Jugendschutz 152 f. Kernbereich siehe Exekutive Klageänderung 29, 77 ff. Klagehäufung 61 ff. Klagerücknahme 78 kommunale Selbstverwaltung siehe Selbstverwaltung Kompetenz 91, 93 f., 97, 101, 109, 158, 160, 163 f., 179, 219 f. Komplexität des Sachverhalts 155 Kontrolldichte 21, 100 Kontrolle – Begriff 120 f., 158, 162, 178, 220 – Vorwirkungen 25, 119 ff. Kontrollmaßstab – Gesetz 19, 56, 94, 99 f., 118, 121, 158, 162, 219 – Grundrechte 99 Kosten (-risiko) 71, 75 ff. Mitentscheidung anderer Behörden 166 f., 171 f. Mitwirkung anderer Behörden 166, 171, 189 Mitwirkungspflicht 113, 127, 132 Nachschieben von Gründen siehe Herbeiführen von Spruchreife Nebenbestimmungen 156 f., 179, 192, 222 negativer Verwaltungsakt siehe Verwaltungsakt normative Ermächtigungslehre 26, 138 ff., 144, 149, 156, 175, 221, 223 objektive Rechtmäßigkeitskontrolle 83 ff., 109,

39,

Planungsermessen siehe Ermessen Planungsspielräume 102 f. Präjudizialität 210 ff. prozessualer Anspruch siehe Streitgegenstand Prüfungsentscheidungen 150 f.

246

Sachwortverzeichnis

Reaktionsanspruch 38 f., 42 f., 44, 51 ff., 55 ff., 61 ff., 65 ff., 69, 131 ff., 184 f., 191, 197 f., 204, 206, 212, 215, 217 Rechtsauffassung des Gerichts siehe Bescheidungsurteil Rechtsfrieden 29, 119, 181, 195 f., 199, 207, 210, 215 Rechtskraft – Abweichungsverbot 196 f., 213 – Bindungswirkung 27, 33, 181 ff., 186 f., 187 f., 189, 190, 191 ff., 200, 201 ff., 207 ff., 210, 212, 214 f., 222 ff. – Entscheidungsgründe 201 ff. 206 f., 209 f., 212, 215, 224 – formelle 181 f. – Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 26, 180, 187, 193, 198 ff., 206 f., 208, 214 f., 224 – Grenzen 187 ff. – materielle 182 f. – Streitgegenstand 191 ff. – Tenor 191, 201 ff., 205 f., 209 f., 215, 222 – verfassungsrechtliche Grundlagen 180 f. – Wirkungsweise 183 Rechtsschutz – Effektivität 82, 85 ff. – objektive Kontrolle 25, 56, 84, 87 f., 109, 128, 178, 218 – subjektives Recht 22, 24, 39, 80, 83 f., 87 f., 109, 160, 218 – Wirksamkeit 80 ff., 85 ff., 117 ff., 132, 178, 207, 218, 221 Rechtsschutzgarantie – gerichtlicher Prüfungsumfang 82 f., 108 f. – Schutzbereich 81 – Verfahrensdauer 82, 119 ff. – vorläufiger Rechtsschutz 82 Rechtsverletzung siehe Verwaltungsakt Rechtswidrigkeit siehe Verwaltungsakt res iudicata 196 Risikobewertung, behördliche 155, 222 Sachverhaltsermittlung – behördliche 116, 148, 161, 163 ff., 179 – gerichtliche 84 f., 112 f., 116, 119 ff., 130, 155, 157 ff., 161, 179, 222 f. Selbstverwaltung – Gesetzesvorbehalt 107 f. – kommunale 105 ff.

Spruchreife – Begriff 112, 178 siehe auch Herbeiführen von status negativus siehe subjektiv-öffentliches Recht Streitgegenstand – Anfechtungsklage 42 f., 61 – Aufhebung des Ablehnungsbescheids 24, 36, 37 f., 44 ff., 68 f., 131, 184 f., 192, 202, 217 – begünstigender Verwaltungsakt 30 – eingliedrig 29 – Fortsetzungsfeststellungsklage 38, 43 f. – Identität 194, 196 ff., 215, 224 – materieller Anspruch 24, 30 ff., 39 ff., 51 ff., 216 – prozessualer Anspruch 24, 30 ff., 35, 41 ff., 59 ff. – Rechtskraft 181 f., 191 ff., 206 ff., 214 f., 223 – Untätigkeitsklage 67 – (Verletzungs-)Vorgeschichte 37, 42, 44, 68, 216 – Verpflichtungsklage 29 ff., 32, 35 ff., 44, 59 f., 68 f., 191, 204, 217 – zweigliedrig 24, 29 f., 45, 68, 216 subjektiv-öffentliches Recht – negatives 39, 51 f., 58 – positives 39, 51 f., 58 f., 64, 68 – status negativus 52 ff. – status, staatsbürgerlicher, 58 ff., 217 – Struktur 39 f. – Unterlassungsanspruch 53 ff., 58 f., 67, 198, 215 – Unterlassungspflicht 52 ff., 58 f., 132, 217 subjektiver Rechtsschutz siehe Rechtsschutz Tatbestandsermessen siehe Beurteilungsspielraum Tatbestandswirkung, Urteil siehe Bescheidungsurteil unbestimmter Rechtsbegriff siehe Beurteilungsspielraum Untätigkeitsklage 67, 70, 159 f., 173, 184

Sachwortverzeichnis Untersuchungsgrundsatz – im Gerichtsverfahren 25, 84 f., 118 f., 125 ff., 128, 178, 221 – im Verwaltungsverfahren 164 f. Urteil siehe Bescheidungsurteil Urteilswirkungen siehe Bescheidungsurteil und Rechtskraft Verantwortung, Begriff 93 f. Verfahrensdauer 82, 119 ff. Verpflichtungsklage – Anspruch auf Gesetzeserfüllung 24, 40 f., 44, 51, 60, 62 ff., 67 f., 69, 78 f., 131, 191 f., 194, 203 f., 205 f., 216 f. – Aufhebung des Ablehnungsbescheids 24, 36, 37 f., 44 ff., 59 f., 64 f., 68 f., 114, 116, 129, 131, 184 f., 191 f., 202, 204, 216 f. – Kosten(-risiko) 71, 75 ff. – Streitgegenstand 35 ff., 44 ff., 59 ff., 68 f., 191 ff., 203 f., 217 – Wechsel zum Bescheidungsantrag 77 ff. Vertretbarkeitstheorie siehe Beurteilungsspielraum, Lehre vom Verwaltungsakt – Anhörung 165 f., 170 f. – Antrag auf Erlaß 20, 24, 26, 37, 44 f., 46 ff., 49 f., 65, 68 ff., 71, 73 f., 78 f., 112 f., 141, 149, 150, 155, 160, 165 f., 168, 170, 177 ff., 191 f., 208

247

– Aufhebungsverbot 26, 193 f., 198, 206, 215, 224 – Begründung 129 ff., 167, 172 – Mitwirkung von Behörden 166, 171, 189 – negativer Verwaltungsakt 47 f., 66 – Rechtsverletzung 33, 35, 43, 57 f., 64, 129, 133, 202, 209, 212, 217 – Rechtswidrigkeit 33, 35, 43, 64, 129, 133, 209, 217 – Regelung 47 f., 129 ff., 141, 197 f., 221 – Wiederholungsverbot 193, 194 ff., 210, 214 f., 224 Verwaltungsermessen siehe Ermessen Verwaltungsgerichte – Kontrollfunktion 84, 109, 128, 158, 162, 179 Verwaltungsverantwortung 26, 95, 163 f., 166, 168, 171 ff., 179 Verwaltungsverfahren – Hervorbringungsfunktion 104 f. Verwaltungsverfahrensrecht 21, 23, 66 f., 104 f., 161 ff., 168, 172 f., 174 Verwaltungsvorbehalt 100 f. Vorwirkungen gerichtlicher Kontrolle siehe Kontrolle Wiederholungsverbot siehe Verwaltungsakt Zeitpunkt, maßgeblicher siehe Beurteilungszeitpunkt Zweitbescheid, Anfechtung 195 f.