Darstellung, Methode und Struktur (German Edition) 3787315039, 9783787315031

Zur Methode des Zitierens - Einleitung A. Problemstellung. I. Die Problematik der Darstellung - II. Die Problematik der

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German Pages 360 [357] Year 1981

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Darstellung, Methode und Struktur (German Edition)
 3787315039, 9783787315031

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Copyright © 1981. Felix Meiner Verlag. All rights reserved.

Hegel-Studien In Verbindung mit der Hegel-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von Friedhelm Nicolin und Otto Pöggeler

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Beiheft 10

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Darstellung, Methode und Struktur Untersuchungen zur Einheit der systematischen Philosophie G.W.F. Hegels

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von L. Bruno Puntel

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Inhaltlich unveränderter Print-on-Demand-Nachdruck der 2. Auflage von 1981, erschienen im Verlag H. Bouvier und Co., Bonn.

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN: 978-3-7873-1503-1 ISBN eBook: 978-3-7873-3092-8 ISSN: 0073-1578

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2016. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de/hegel-studien

VORBEMERKUNG Dieses Buch stellt die stilistisch überarbeitete und durch einige Anmerkungen sowie einen Exkurs erweiterte Fassung einer Arbeit dar, die im Sommersemester 1971 von der Philosophischen Fakultät I der Ludwig-MaximiliansUniversität München als Habilitationsschrift angenommen wurde. Herrn Prof. Dr. Max Müller möchte ich an dieser Stelle für seine stete Förderung dieser Arbeit aufrichtig danken. München, im Dezember 1971 L. B. P.

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ZUR 2. AUFLAGE

Der anhaltenden Nachfrage nach diesem Buch soll durch eine unveränderte Auflage Rechnung getragen werden. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1973 hat die Hegelforschung eine stürmische Entwicklung genommen. Der hier unternommene Interpretationsversuch war daran nicht unbeteiligt. Inzwischen habe ich meine Hegelinterpretation in mehreren Arbeiten weiter präzisiert und vertieft, wobei auch Korrekturen unumgänglich waren. Im Laufe der letzten Jahre ist mir immer deutlicher geworden, worin die wichtigste Aufgabenstellung einer Neuinterpretation und Aktualisierung der „Wissenschaft der Logik” zu erblicken ist, nämlich in dem Versuch, dieses Werk zur modernen formalen Logik und Wissenschaftstheorie in Beziehung zu setzen. Dazu habe ich programmatische Überlegungen angestellt in meinem Vortrag „Was ist ,logisch’ in Hegels ,Wissenschaft der Logik’?” (erschienen in; Die Logik des Wissens und das Problem der Erziehung. Nürnberger Hegel-Tage 1981. Hrsg, von W. R. Beyer [Hamburg 1982]). München, im November 1981 L. B. P.

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INHALTSVERZEICHNIS Zur Methode des Zitierens Einleitung

13

A. Problemstellung

29

I.

II.

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1. 2. 3. 4.

Die Problematik der Darstellung Hegels systematische Werke 29 Darstellung und spekulativer Satz 32 Hegels Einschätzung seiner Darstellungen 35 Darstellung und enzyklopädisdies System: die Problematik der „drei Schlüsse“ 40 a) Phänomenologie des Geistes, System und Enzyklopädie 40 b) Die „drei Schlüsse“ 45

Die Problematik der Logik als Methode und Ganzen 47 1. Die Logik als Methode und Struktur 47 2. Identität (Koextensität) von Logik und Ganzem ... 50 3. Differenz von Logik und Ganzem (die Logik als „formelle Wissenschaft“) 52

B. Logik und Realsystematik I. Die Autarkie der Logik nach Th. Litt

61 61

II. Die Verwandlung der Metaphysik und der Ansatz zur Logik 63 1. Die Logik und die Aufhebung der „Subjekte der Vorstellung“ 63 2. Das „höhere logische Geschäft“ 66 III.

Die ursprünglich-grundsätzliche Identität von Realsystematik 72 1. Die Einheit der Logik und des Absoluten als des Ganzen aller realsystematischen Sphären 72

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Inhaltsverzeichnis

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2. Die Bedeutung der „Beispiele“ und „Hinweise“ in der Wissenschaft der Logik 77 3. Das „Vernünftige (Logische)“ und das „Wirkliche“: die Benennung der nichtlogischen Dimension 84 4. Die Einheit von Logik und Realsystematik und das Problem der Geschichte 90 5. Hegels Logik als Theologik? 101 a) Diskussion mit I. Hjins Interpretation der Logik Hegels 102 b) Die methodische Stellung des „ontologischen Gottesbeweises“ in der Wissenschaft der Logik 109 IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik und die Frage nach dem Aufbauprinzip der Logik 118 1. Die Entsprechungen zwischen logischen Bestimmungen und realsystematischen Sphären 118 a) Keine totale Entsprechung zwischen logischem Verlauf und realsystematischem Strukturganzen 119 b) Das Bild der Vertikale und der Horizontale . . . . 126 2. Ungenügende Erklärungen des Aufbauprinzips der Wissenschaft der Logik 127 a) Rein innerlogisches Aufbauprinzip? 128 b) Das Absolute als Aufbauprinzip? 130 3. Das Aufbauprinzip der Logik und die Strukturentsprechung zwischen Logik, Phänomenologie und Noologie . . 132 a) Die Sonderstellung oder der transzendentale Charakter der phänomenologischen und der noologischen Sphäre 132 b) Die Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie 135 a) Die großen „Achsentexte“ 136 ß) Sinn und Problematik der Gleichursprünglichkeit . 139 C. Die Elementar Struktur der Philosophie Hegels: Logik - Phänomenologie — Noologie 145 Vorbemerkung: Die Bedeutung des Ausdrucks „Elementarstruktur“

145

I. Phänomenologie und Noologie 146 1. Allgemeiner Zusammenhang zwischen Phänomenologie und Noologie 146 2. Unterschiedenheit von Phänomenologie und Noologie . . 150 a) Das unterscheidend Phänomenologische 150 b) Das unterscheidend Noologische 153

Inhaltsverzeichnis

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c) Das Noologische als Wahrheit des Phänomenologisdien 156 a) Die Problematik ß) Die unterschiedliche Gegenwart der Vernunft in den einzelnen Stufen 158 y) Folgerungen 163 aa) Gegenseitige Implikation von Phänomenologie und Noologie hinsichtlich der Darstellung . . 163 ßß) Der genauere Sinn der Gleichursprünglidikeit 164 3. Die Entsprechungseinheit von Phänomenologie und Noologie 165 a) Die Entsprechungen innerhalb des Noologischen . . . 166 b) Die Entsprechungen innerhalb des Phänomenologischen 169 c) Abschließende Darstellung der Entsprediungseinheit von Phänomenologie und Noologie 172 II. Detaillierter Aufweis der Elementarstruktur als Entsprechungseinheit von Logik und Phänomenologie bzw. Noologie 173 1. Die Entsprechungseinheit und der Sinn der Logik . . . 174 a) Untersdhiedenheit von Phänomenologie und Logik . . 174 b) Unterschiederiheit von Logik und Noologie . . . . 177 a) Das Logische am Anfang und am Ende des enzyklopädischen Systems 177 ß) Der Standort des Noologischen und der Vollsinn des Logischen 180 2. Die Entsprechungseinheit im Bereidi der objektiven Logik 181 a) Die Bedeutung der Einteilung der Wissenschaft der für die Entsprechungsproblematik 181 b) Das Verhältnis zwischen dem Denken und seinen phänomenologischen bzw. noologischen Vorstufen . . . 183 a) Ein Einwand: Entsprechung zwischen dem reinen Denken und seinen Vorstufen? 183 ß) Grundsätzliche Überlegungen 185 aa) Das Denken als Aufhebung und Wahrheit der Vorstufen 186 ßß) Das Allgemeine (das Denken) als Form und Gehalt 186 yy) Das Verhältnis zwischen den Vorstufen und den Unterstufen des Denkens 191 c) Die Entsprechungen im einzelnen 195 d) Die drei „Stellungen des Gedankens zur Objektivität“ 197

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Inhaltsverzeichnis

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3. Die Entsprechungseinheit im Bereich der subjektiven Logik: Begriff und vernünftiges Denken 200 a) Grundsätzliches 200 a) Die Struktur des Begriffs: die „Herleitung des Reellen“ und das dialektische Verhältnis der Gegenläufigkeit 202 ß) Die genaue Bedeutung der „Realisierung“ des Begriffs und die Einteilung der subjektiven Logik . . 203 b) Die Entsprechungen in den Sphären des „inadäquaten Begriffs“ 206 a) Die Subjektivität 206 ß) Die Objektivität 207 c) Die Entsprechungen im Bereich der Idee 212 a) Von der Idee des Lebens zur absoluten Idee: die Dialektik der Sphäre der Idee 212 ß) Die Entsprechungseinheit von Idee und Phänomenologie bzw. Noologie 218 III. Elementarstruktur und Methode 224 1. Die absolute Idee als Methode und Struktur 224 a) Die Bestimmung der Idee als Methode 224 a) Die Idee und ihre Bestimmtheit (die Idee als Form und Inhalt) 224 ß) Von der absoluten Idee als der unendlichen Form zur Idee als Methode 226 y) Einheit und Unterschiedenheit von Methode und Struktur 229 b) Die Struktur der Methode 231 a) Die Momente der Methode 231 ß) Die Problematik der bestimmten Negation oder der Positivität der dialektisdaen Methode 236 y) Die „Erweiterung“ der Methode zum logischen System 238 ö) Die Methode als Einheit von Rückgang (Begründen) und Fortgang (Weiterbestimmen): die logische Kurzformel der Elementarstruktur 242 2. Die Methode und das enzyklopädisdie logisch-reale System 245 a) Die Fragestellung 245 a) Die Frage der Dimensionen (Elemente) der Methode 245

Inhaltsverzeichnis

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ß) Die Frage der „Deduktion“ der realsystematischen Sphären 247 b) Das Begreifen als Einheit von Denken und Erfahrung 248 c) Die „Deduktion“ der „weiteren“ Sphären: das Unmittelbare als das Empirische und als der geschichtlich vermittelte Inhalt 251 Exkurs: Zu W. Beckers Hegelinterpretation und -kritik . . . . 258 D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807 und die Problematik der Einheit und der Darstellung des Systems 267

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I. Die Bedeutung der Elementarstruktur für die Interpretation der Phänomenologie des Geistes 267 1. Allgemeines über die Interpretation der Phänomenologie des Geistes 267 2. Zur Diskussion über Entstehungsgeschichte, Idee und Komposition der Phänomenologie des Geistes 270 3. Die Struktur der Phänomenologie des Geistes und die Logik 272 II. Die phänomenologische Methode 285 1. Das Bewußtsein und der Maßstab 286 2. Die Erfahrung als dialektische Bewegung 287 3. Der neue Gegenstand, die bestimmte Negation und „unsere Zutat“ 293 4. Phänomenologische Methode und Voraussetzungslosigkeit 296 5. Methode und Struktur: der Sinn des phänomenologischen „Gegenstandes“ 303 III.

Die Stellung der Phänomenologie des Geistes i die Problematik der Darstellung 308 1. Die Phänomenologie des Geistes und das „spätere“ System 308 2. Die Lehre von den „drei Schlüssen“ und die Problematik der Darstellung 322

Schlußbetrachtung: Die Einheit der systematischen Philosophie Hegels und das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens 335 Literaturverzeichnis 347 Personenregister 353 Sachregister 356

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ZUR METHODE DES ZITIERENS

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Die Erklärung der beim Zitieren der wichtigsten Werke Hegels verwendeten Siglen und Abkürzungen findet sich im Literaturverzeichnis. Wenn nicht anders vermerkt, stammen die Einfügungen in eckigen Klammern von mir. Eine Ausnahme bilden lediglich die Zitate aus den Vorlesungen über die Philosophie der Religion: die in diesen Zitaten vorkommenden einfachen eckigen Klammern gehen auf den Herausgeber (G. LASSON), die doppelten auf mich zurück. Hervorhebungen im Original werden nur teilweise übernommen; eigene Hervorhebungen werden immer angezeigt. Die jeweilige Schreibweise der benutzten Ausgabe wird beibehalten.

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EINLEITUNG

Wer es heute unternimmt, die Philosophie Hegels zu interpretieren oder sich mit ihr auseinanderzusetzen, sieht sich mit einer sehr komplexen Problemlage konfrontiert: (1) Nur wenige Philosophien haben eine so wechselreiche Interpretations- und Wirkungsgeschichte gehabt wie die Hegelsche: von der glanzvollen Zeit ihrer beherrschenden Stellung in den letzten Lebensjahren des Philosophen über den um 1835 einsetzenden Prozeß ihrer Zersetzung in sich radikal bekämpfende Richtungen (Rechts- und Linkshegelianer) bis zum lautlosen Sturz in gänzliche Bedeutungslosigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; dann wieder von der Entdeckung des jungen Hegel am Anfang des 20. Jahrhunderts über sich wiederholende Hegelrenaissancen verschiedener Prägung bis zum heutigen kaum auf einen eindeutigen und gemeinsamen Nenner zu bringenden „Interesse“ an Hegel, nenne man es Hegel-Forschung, Hegel-Aneignung, Diskussion mit Hegel oder wie immer. Diese lange Geschichte hat tiefe Spuren hinterlassen; sie wirkt weiter nach, am nachhaltigsten dort, wo man in hartnäckiger Vorbestimmtheit sich weigert, sie zur Kenntnis zu nehmen, oder in schlichter Naivität meint, ihrem Einfluß entrinnen zu können. Über ein Jahrhundert lang wurde Hegels Philosophie auf die eine oder andere Weise expliziert, diskutiert, verteidigt, abgelehnt; Fronten haben sich gebildet, Begriffe wurden fixiert und bis zur Unverständlichkeit und Bedeutungslosigkeit wiederholt. Verwendet man heute die zentralen Termini der Hegelschen Philosophie wie „Begriff“, „Idee“, „Denken“, „Vernunft“, „Geist“, „Absolutes“, „Freiheit“, „Wahrheit“, „Methode“, „Dialektik“, „Logik“, „System“ und dgl., so verfällt man einer Illusion, wenn man meint, man gebrauche sie unabhängig und unbeeinflußt von jenem Ballast, der diesen Termini während der langen Geschichte des Hegelianismus aufgeladen wurde. Jeder Versuch einer anderen, neuen, angemessenen Interpretation Hegels kann daher nur als Korrektur und Wiederentdeckung unternommen werden. Mißverständnisse traten schon zu Lebzeiten Hegels auf; so beklagt er sich mehrmals über die „Unrichtigkeiten“ und „Verkehrungen“, denen seine Philosophie ausgesetzt wurde^. Aber die wirklich großen und schicksalhaf‘ Vgl. BSchr. 347, 352, 357.

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Einleitung

ten Verkehrungen kamen erst nach dem Tod des Philosophen auf. Die Spaltung der Hegel-Schule in Rechts- und Linkshegelianer ließ Interpretationsklischees entstehen und sich verfestigen, die m verhängnisvoller Weise die ganze Wirkungsgeschichte des Hegelschen Denkens bestimmten. Auf der einen Seite wurde die Philosophie Hegels als das unaufhebbare vollständige spekulativ-absolute System betrachtet und verteidigt, was bald dazu führte, daß die großen Worte und Begriffe dieser Philosophie, wie „Geist“, „Idee“, „Vernunft“, „Absolutes“ usw., überhaupt nicht mehr verstanden, sondern nur wie hypostasierte Größen einer abstrakten oder jenseitigen („idealistischen“) Welt angesehen oder wie rätselhafte und leere Formeln weiter tradiert und wiederholt wurden. Auf der anderen Seite war man der Meinung, bei Hegel stehe die Dialektik „auf dem Kopf“; die Aufgabe bestehe darin, ihren „rationellen Kern in der mystischen Hülle zu entdecken“; man unterzog daher die Dialektik einer totalen „Umkehrung“ oder „Umstülpung“, indem man sie vom Kopf auf die Füße, vom Reich der Ideen oder Abstraktionen auf den Boden der „festen“ Wirklichkeit — worunter man die geschichtlich-gesellschaftliche Welt der revolutionären Praxis oder (später) einfach die sinnlich-materielle Natur verstand — transponierte^. Man war sich dabei nicht bewußt, daß man damit in Wirklichkeit nur jene fixierte und fixierende Interpretation Hegels, die man sonst bekämpfte, bestätigte und von ihrer Einseitigkeit lebte: man trat nur für die andere, die umgekehrte Seite einer Karikatur ein. Auf die eine oder andere Weise bestimmt dieses doppelseitige Interpretationsschema noch heute das Hegel-Verständnis. Freilich sind inzwischen auch andere Schemata hinzugetreten, manche ganz neueren Datums, wie z. B. die für die Kennzeichnung des Hegelschen Denkens als ganzen besonders von HEIDEGGER und anderen von ihm direkt oder indirekt inspirierten Interpreten und Kritikern gern verwendeten Schemata der „Metaphysik der Subjektivität“ und der „Onto-theo-logik“. (2) Ein weiterer Aspekt der Komplexität, die für die Interpretationslage kennzeichnend ist, rührt von der Breite und Universalität der von Hegel behandelten Thematik her. Unbestreitbar ist Hegel ein Universaldenker, der alle großen Themen der philosophischen Tradition des Abendlandes erörtert hat. Nur wenige Denker wußten sidi dieser Tradition so verpflichtet wie er; er ist andererseits einer der wenigen, von denen gesagt werden kann, daß sie diese Tradition nicht nur nicht auf eine Schmalspur einengten, sondern sie dem breiten Strom der durch die Neuzeit sich stellenden Fragen öffneten. Als besonders erhellendes Beispiel kann Hegels Einbeziehung der Erkenntnisse der neuzeitlichen Politischen Ökonomie in seine Darstellung der bür^ Vgl. K. Marx: Das Kapital. Nachwort zur 2. Auflage. Bd 1. Hrsg, von H.-}. Lieber und B. Kautsky. Darmstadt 1962. XXXI.

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Einleitung

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gerlichen Gesellschaft in der Rechtsphilosophie genannt werden. Die Feststellung des französischen Philosophen M. MERLEAU-PONTY kann nicht als übertrieben angesehen werden: „Hegel est ä l’origine de tout ce qui s’est fait de grand en philosophie depuis un siede ... On pourrait dire Sans paradoxe que donner une interpretation de Hegel, c’est prendre position sur tous les problemes philosophiques, politiques et religieux de notre siede. Außer Politik und Religion — zwei Bereichen, in denen sich Hegels Einfluß zweifelsohne am nachhaltigsten gezeigt hat - wären auch andere nichtphilosophische Gebiete zu nennen, in denen seine Wirkung nicht geleugnet werden kann. Die Breite und Universalität des Hegelschen Denkens haben aber oft zur Folge, daß die Einheit des Ganzen nur noch selten oder überhaupt nicht mehr gesehen, ja nicht einmal mehr erörtert wird. Nicht mehr der ganze Hegel, sondern nur jener Teil seiner Philosophie, der dem Konzept einer bestimmten Richtung gemäß als „aktuell“ erscheint, steht meistens oder ausschließlich im Mittelpunkt des Interesses. Zwei Teile der Hegelschen Philosophie sind in dieser Hinsicht besonders hervorzuheben: die Rechtsphilosophie und die Religionsphilosophie. Theologisch und politisch orientierte Interpreten pflegen allzuoft das sie interessierende Gebiet für sich zu betrachten und zu untersuchen, unbekümmert um die Zusammenhänge dieser Sphären mit dem Ganzen des Systems. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die für manche Kreise charakteristische Haltung der Aneignung einiger als besonders wertvoll oder anregend empfundener „Elemente“ der Hegelschen Philosophie. Beispiele dafür sind etwa Hegels dialektische Methode im allgemeinen, die Dialektik von Herr und Knecht, gewisse Aussagen über den Geist usw. In dieser Hinsicht erweist sich Hegels Philosophie zweifellos als ein sehr ergiebiger Steinbruch für alle, die auf der Suche nach „wertvollen Ansichten“ sind. (3) Aus den beiden bisher kurz gestreiften Aspekten ergibt sich auf eine vielfältige und nicht immer ganz überschaubare Weise ein weiterer Gesichtspunkt, der am hintergründigsten und damit am nachhaltigsten die Komplexität der Problemlage hinsichtlich einer Hegel-Interpretation charakterisieren dürfte. Es handelt sich um die teils offen, teils stillschweigend vertretene Auffassung, daß der Systemcharakter der Hegelschen Philosophie einen unvollziehbaren Gedanken oder einen endgültig widerlegten An® Uexistentialisme chez Hegel. — In: Sens et Non-Sens. Paris 1948. 109—121; zit. St. 109-110. Ähnlich Th. \P. Adorno: „Kaum ein theoretischer Gedanke von einiger Tragweite heute wird wohl der Erfahrung des Bewußtseins, und wahrhaft nicht des Bewußtseins allein, sondern der leibhaften der Menschen gerecht, der nicht Hegelsche Philosophie in sich aufgespeichert hätte“ (Aspekte der Hegelschen Philosophie. Frankfurt/M. 1957. 9; jetzt auch in: Drei Studien zu Hegel. 3. Aufl. Frankfurt/M. 1969. 11-65; vgl. 14).

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Einleitung

Spruch darstellt. Diese Überzeugung artikuliert sich in verschiedenen Formen: Es wird etwa darauf hingewiesen, daß ein absolutes Wissen, das sich zur Darstellung bringen will, nicht denkbar sei; oder es wird die apriorische Konstruktion vor allem der Wissenschaft der Logik und der Naturphilosophie hervorgehoben; vielen erscheint der Zusammenhang der Teile der systematischen Gesamtdarstellung als unschlüssig und erkünstelt usw. Alle diese Gesichtspunkte lassen sich in dem Einwand zusammenfassen: Indem die Hegelsche Philosophie den Anspruch auf vollständige systematische Abgeschlossenheit erhebt, räumt sie der menschlichen Erfahrung, der geschichtlichen Praxis und der Zukunftsoffenheit keinen Platz mehr ein. Daraus wird - offen oder stillschweigend - gefolgert: Insofern das Hegelsche Denken eine Philosophie der Totalität und Absolutheit sein will bzw. als eine solche interpretiert wird, gehört es endgültig der Vergangenheit an. Eine solche Überzeugung sei hier durch zwei Beispiele illustriert, die absichtlich in zwei ganz verschiedenen Richtungen des heutigen Philosophierens und der heutigen Hegel-Interpretation oder der Hegel-Aneignung gesucht werden. Der anerkannte Hegel-Forscher O. PöGGELER faßt seine Einstellung zur Hcgelschen Philosophie folgendermaßen zusammen: „. . . die von Hegel behauptete Erfahrung des Absoluten als der Subjekt-ObjektIdentität kann kaum unsere Erfahrung sein, und so kann sie auch nicht als Leitfaden unserer heutigen Hegel-Aneignung dienen. Das aber heißt, daß uns Hegels Systemkonzeption [in Jena] kaum zugänglich werden kann vom System des späteren Hegel her, das nichts ist als die Selbstentfaltung des Absoluten.Für PöGGELER gibt es im späteren Hegelschen System, das er als total in sich abgeschlossen interpretiert, keinen Raum mehr für eine im Sinne HEIDEGGERS verstandene Geschichtlichkeit des Denkens. - Von einer ganz anderen philosophischen Warte her und in ganz anderer Intention interpretiert TH. W. ADORNO das Denken Hegels als Totalsystematik, die eine endgültige Versöhnung aller Gegensätze und damit ein integriertes Universum präsentieren will. Das Wesentliche seines Hegel-Verständnisses formuliert ADORNO folgendermaßen: „Hat Hegel, vermöge seiner KANxkritik, das kritische Philosophieren großartig über das [sic!] formale Bereich hinaus erweitert, so hat er in eins damit das oberste kritische Moment, die Kritik an der Totalität, am abschlußhaft gegebenen Unendlichen, eskamotiert. Selbstherrlich hat er dann doch den Block weggeräumt, jenes fürs Bewußtsein Unauflösliche, an dem KANTS transzendentale Philosophie ihre innerste Erfahrung hat, und eine vermöge ihrer Brüche bruchlose Einstimmigkeit der ^ Hegels Jenaer Systemkonzeption. - In: Philosophisches Jahrbuch 71 (1964), 286-318; zit. St. 312.

Einleitung

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Erkenntnis stipuliert, der etwas von mythischem Blendwerk eignet. Die Differenz von Bedingtem und Absolutem hat er weggedacht, dem Bedingten den Schein des Unbedingten verliehen. Damit hat er schließlich doch der Erfahrung Unrecht getan, von der er zehrt. Mit dem Erfahrungsrecht seiner Philosophie schwindet zugleich ihre Erkenntniskraft. Der Anspruch, mit dem Ganzen das Besondere aufzusprengen, wird illegitim, weil jenes Ganze selber nicht, wie der berühmte Satz der Phänomenologie es will, das Wahre, weil die affirmative und selbstgewisse Bezugnahme auf jenes Ganze, als ob man es sicher hätte, fiktiv ist.“® (4) Die Folge einer solchen Überzeugung ist bei sehr vielen Interpreten eine Abkehr von den systematischen Formen der späteren Philosophie Hegels und eine Zuwendung zum „lebendigen Denken“ des jungen Hegel. Es ist kein Zufall, daß es gerade DILTHEY war, der zum Entdecker und Interpreten der Jugendschriften Hegels wurde: dies geschah nämlich nach dem Zeugnis H. FALKENHEIMS „dank seiner [= DILTHEYS] geringen Kenntnis der Hegelschen Logik“®. Der erneuten intensiven Beschäftigung mit den Jugendschriften seit etwa zwei Jahrzehnten liegt im allgemeinen eine in den mei® Erfahrungsgehalte der Hegelschen Philosophie. - In: Archiv für Philosophie 9 (1959), 67-89; zit. St. 88-89; jetzt auch in: Drei Studien zu Hegel. 3. Aufl. Frankfurt/M. 1969. 67-104; zit. St. 103. Wie Adorno jene Erfahrung konzipiert, von der er sagt, daß Hegel von ihr zehre und ihr schließlich doch Unrecht getan habe, zeigt die Fortsetzung des Zitats: „Diese Kritik läßt sich nicht mildern, aber selbst sie sollte mit Hegel nicht summarisch verfahren. Noch dort, wo er der Erfahrung, auch der seine Philosophie selbst motivierenden, ins Gesicht schlägt, spricht noch Erfahrung aus ihm. Ist jenes Subjekt-Objekt, zu dem seine Philosophie sich entwickelt, kein System des versöhnten absoluten Geistes, so erfährt der Geist doch die Welt als System. Sein Name trifft den unerbittlichen Zusammenschluß aller Teilmomente und Teilakte der bürgerlichen Gesellschaft durch das Tauschprinzip zu einem Ganzen genauer als irrationalere wie der des Lebens, selbst wenn dieser der Irrationalität der Welt, ihrer Unversöhnthelt mit den vernünftigen Interessen einer ihrer selbst bewußten Menschheit, besser anstünde. Nur ist die Vernunft jenes Zusammenschlusses zur Totalität selber die Unvernunft, die Totalität des Negativen. ,Das Ganze ist das Unwahre“, nicht bloß weil die These von der Totalität selber die Unwahrheit, das zum Absoluten aufgeblähte Prinzip der Herrschaft ist. Die Idee einer Positivität, die alles ihr Widerstrebende zu bewältigen glaubt durch den übermächtigen Zwang des begreifenden Geistes, verzeichnet spiegelbildlich die Erfahrung des übermächtigen Zwanges, der allem Seienden durch seinen Zusammenschluß unter der Herrschaft innewohnt. Das ist das Wahre an Hegels Unwahrheit. Die Kraft des Ganzen, die sie mobilisiert, ist keine bloße Einbildung des Geistes, sondern die jenes realen Verblendungszusammenhangs, in den alles Einzelne eingespannt bleibt. Indem aber Philosophie wider Hegel die Negativität des Ganzen bestimmt, erfüllt sie zum letztenmal das Postulat der bestimmten Negation, welche die Position sei. Der Strahl, der in all seinen Momenten das Ganze als das Unwahre offenbart, ist kein anderer als die Utopie, die der ganzen Wahrheit, die noch erst zu verwirklichen wäre“ (ebd. 89 [bzw. 103-104]). • Vgl. H. Glöckner: Hugo Falkenheim. - In: Beiträge zum Verständnis und zur Kritik Hegels. Bonn 1965 (Hegel-Studien. Beiheft 2) 477-509; vgl. 486. Glöckner erwähnt auch Diltheys spöttische Bemerkung: „Hegels Logik war ein schlechterdings unverdauliches Zeug“ (ebd. 485).

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Einleitung

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steil Fällen nie in Frage gestellte Interpretation des späteren Systems zugrunde, die es als tot ansieht^. Andere Forscher wenden sich der Aufschlüsselung der Entwicklungsgeschichte der Hegelschen Philosophie zu, besonders in ihrer Jenaer Periode. Freilich ist diese Zuwendung zur Jenaer Zeit zunächst auch dadurch veranlaßt, daß diese ganze Periode historisch und philologisch bis jetzt nur wenig und nur sehr unzureichend untersucht worden ist, während heute auf Grund der Arbeiten zur neuen Edition der Gesammelten Werke Hegels sich ganz neue Forschungsaufgaben von selbst ergeben haben. Aber dieser äußere Anlaß ist jedenfalls bei vielen Forschern mit einem bestimmten Verständnis der späteren Hegelschen Philosophie gekoppelt, das in ihr die Aufgabe und Verstellung der lebendigen Problematik des jungen Hegel erblickt’^. So glaubt O. PöGGELER in der Phänomenologie des Geistes von 1807 den bedeut^ Vgl. dazu J. Derholav: Über die gegenwärtigen Tendenzen der Hegelaneignung in Deutschland. - In; Hegel-Studien 5 (1969), 267-291. Vgl. auch die Literaturberichte von W.Kern: Neue Hegel-Bücher. Ein Literaturbericht für die Jahre 1958-1960. - In: Scholastik 37 (1962), 85-114, 550-578; 38 (1963), 62-90. Ders.: Hegel-Bücher 1961-1966. Ein Auswahlbericht. - In: Theologie und Philosophie 42 (1967), 79-88, 402-418; 44 (1969), 245-267. Nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit erschien das wichtige Buch von H. Kimmerle: Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. Hegels ,System der Philosophie' in den Jahren 1800-1804. Bonn 1970. (Hegel-Studien. Beiheft 8). Dieses Werk ist der erste als gut fundiert anzusehende Versuch einer zusammenhängenden Erfassung und Darstellung von Hegels Jenaer Systemkonzeption(en), und zwar sowohl in ihrer Bedeutung als auch in ihren spezifischen Inhalten. Aber dieses Werk bestätigt aufs genaueste, was in dieser Einleitung über die heutige Problemlage der Hegel-Forschung und -Interpretation ausgeführt wurde. Die mit bewundernswerter textlich-philologischer und historischer Akribie durchgeführten Untersuchungen stehen von vornherein und in aller Ausdrücklichkeit unter dem Vorzeichen eines Vorverständnisses der späteren Philosophie Hegels, das in ihr nichts anderes zu sehen vermag als die vollendete Form eines in sidi selbst vollkommen abgeschlossenen Denkens. Die ganze Jenaer Zeit wird dementsprechend interpretiert „als Entwicklung zur Abgeschlossenheit des Denkens in sich selbst“ (285). Was Kimmerle unter Abgeschlossenheit des Denkens versteht, kommt in einigen für die ganze Interpretationslage der Hegelschen Philosophie sehr bezeichnenden Formulierungen zum Ausdruck; „Der Bezug auf etwas, das nicht Denken ist, wird auf diese Weise [= durch die Abgeschlossenheit] unterbrochen. Das Denken wird als in sich zurückgehender Kreis entwickelt, ln dem von Anfang an vorauszusetzen ist, was werden soll, und in dem nichts anderes wird, als was in der Voraussetzung bereits enthalten ist“ (286). „Das Denken bleibt nur bei sich selbst, d. h. es vermag sich keine Rechenschaft darüber abzulegen, wie es als Denken der Einheit zur Überwindung der wirklichen Entzweiung führen soll“ (287). Man fragt sich, was solche Formeln überhaupt besagen sollen. Wie und in welchem Sinne werden denn hier „Denken“ und „Wirklichkeit“ entgegengesetzt oder jedenfalls getrennt? Eine so verstandene-genauer: nur behauptete und sonst in einem völligen Dunkel belassene - „Abgeschlossenheit“ des Denkens kann nach Kimmerle nur überwunden werden, wenn auch der Horizont des systematischen Philosophierens selbst überschritten wird (vgl. 294). Kimmerle versucht diesen Sachverhalt zu klären auf Grund einer Herausarbeitung dessen, was er die menschlich-geschichtliche Welt nennt und in der er die Ausgangsfrage Hegels sieht. Nach ihm sucht Hegel im Laufe der Systematisierung seines Denkens eine Antwort auf diese Frage „jenseits der Geschichte in

Einleitung

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Samen, im Rahmen des späteren Systems nicht mehr anzutreffenden und auch nicht mehr denkbaren Versuch einer Vermittlung von Metaphysik und Geschichte zu entdecken. In dieser Idee der Phänomenologie des Geistes sieht er den Grund dafür, daß schöpferische Denker immer wieder auf dieses Werk zurückgreifen und daß auch „die Geschichte der Deutung der Phänomenologie von erregender Aktualität [ist]“®. Immerhin ist PöGGELERS Bemühen um die Phänomenologie des Geistes durch die Einsicht gekennzeichnet, daß die Idee dieses Werkes erfaßt werden muß. Nicht so verfahren andere, die entweder einen isolierten Aspekt herausgreifen oder von einem einzigen Aspekt her das ganze Werk deuten wollen®. (5) Im Rahmen der vielfältigen Bemühungen um Hegel macht sich eine neue Tendenz immer stärker bemerkbar, die eine ganz andere Einstellung zur Frage und zur Aufgabe einer Hegel-Interpretation an den Tag legt. Soweit sich diese Tendenz schon heute charakterisieren läßt, zeichnet sie sich durch drei Merkmale aus: Erstens weist sie eine betont kritische Einstellung zur ganzen Geschichte der Hegel-Interpretation auf; zweitens hält sie es für unumgänglich und wagt es auch, die Problematik der großen Zusammenhänge des systematischen Denkens bzw. der systematischen Werke Hegels erneut und auf geklärter Basis aufzurollen; drittens entwickelt sie ein Interpretationsverfahren, für welches die genaue Analyse des Hegelschen Textes die grundlegende Regel und die wichtigste Aufgabe darstellt: diese Tendenz versucht, Hegel zu „buchstabieren“. Freilich kann heute vermutlich noch kein Werk genannt werden, in dem sich die beschriebene Tendenz ihrer ganzen Breite nach, d. h. mit allen ihren Merkmalen dokumentieren läßt. Aber es gibt eine Reihe von Arbeiten, in denen ein teils ausdrückliches, teils — und zwar meistens - hintergründiges Problembewußtsein festgestellt werden einem ,System der Ideen', das der Wirklichkeit der Geschichte den Spiegel ihres .wahren Seins' vorhält“ (296). Kimmerles ganzes Vorverständnis der späteren Philosophie Hegels kommt im folgenden Satz zum Ausdruck, in dem er ebenfalls seine Kritik zusammenfaßt: „Die Frage Hegels nach der Überwindung der Entzweiung ist zwar nur durch das Denken, durch Philosophie, aber nicht nur im Denken, in der Philosophie, als einem in sich abgeschlossenen System zu beantworten“ (294-295). Die vorliegende Arbeit wird zeigen, daß die stereotype Wiederholung solcher und ähnlicher Formeln an der Problematik des Hegelschen Denkens vorbeigeht. ® Zur Deutung der Phänomenologie des Geistes. - In: Hegel-Studien 1 (1961), 255-294; vgl. 294. * Das berühmteste Beispiel einer solchen Deutung findet sich im Werk von A. Kojeve: Introduction d la lecture de Hegel. Lefons sur la Phenomenologie de l’Esprlt. 2. Aufl. Paris 1968. (Eine deutsche Teilausgabe erschien unter dem Titel: Hegel. Versuch einer Vergegenwärtigung seines Denkens. Stuttgart 1958.) Zu erwähnen ist hier auch M. Heideggers Versuch einer Deutung der Phänomenologie des Geistes ausschließlich an Hand eines Kommentars zur „Einleitung“, also ohne ausdrückliches Eingehen auf das Werk als solches: Hegels Begriff der Erfahrung. - In: Holzwege. Frankfurt/M. 1950. 105-192.

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kann, das sich als die oben beschriebene Tendenz artikulieren läßt und sich in sehr verschiedener Weise hinsichtlich des tatsächlich erreichten Interpretationsertrags auswirkt. Zu nennen wären hier einige Arbeiten von H. F. Fulda^^, P.-J. Labarrihe^^, J. Gauvin^^, A. Chapelle^^, I. FetscheA^ u. a. Die vorliegende Arbeit reiht sich unter die im Sinne der letzten Tendenz unternommenen Bemühungen um das Denken Hegels ein. Sie will die Problematik der Einheit der systematischen Philosophie Hegels untersuchen, und zwar in kritischer Abhebung von den in der Geschichte der Hegel-Interpretation vertretenen Auffassungen. Damit sind die beiden ersten Merkmale der zuletzt analysierten Tendenz angegeben. In diesem Zusammenhang ist etwas ausführlicher auf das dritte Merkmal, das Buchstabieren Hegels, einzugehen, da von hier aus Zielsetzung und Verfahrensweise der vorliegenden Untersuchungen näher gekennzeichnet werden können. Insofern mit dem Ausdruck „das Buchstabieren Hegels“^® gesagt und gefordert wird, daß sich der Interpret an den genauen Text Hegels halten und ihn explizieren soll, kann es keinen Zweifel geben, daß darin die grundlegende Regel der HegelInterpretation zu erblicken ist. Aber die sich in diesem Ausdruck aussprechende „buchstäbliche“ Treue zum Denken Hegels kann in das Gegenteil ihrer eigentlichen Intention Umschlägen, wenn sie vor lauter Buchstaben nicht mehr den wahren und wirklichen Text zu Gesicht bekommt. Damit soll folgendes gesagt werden: Die sich nicht voll begreifende Einstellung des Buchstabierens kann sehr leicht dazu führen, daß ein bestimmter Text völlig isoliert, d. h. nur auf sich beschränkt und nur in sich ausgelegt wird. Die grundsätzliche Erage ist hier, was unter einem Text Hegels zu verstehen ist. Dies kann nicht auf Grund eines rein quantitativ-literarischen Kriteriums entschieden werden, so daß etwa gesagt wird: als ein Text Hegels ist ein Absatz, ein Abschnitt, ein Paragraph, ein Kapitel, überhaupt jede literarische Einheit anzusehen. Auch genügt es nicht zu sagen, ein Text sei dann gegeben, wenn eine Sinneinheit sich zeige; dies ist zwar nicht falsch, bleibt Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik, Frankfurt/M. 1965. ** Structures et mouvement dialectique dans la Phenomenologie de l’Esprit de Hegel. Paris 1968. Le sens et son phenomene. - In: Hegel-Studien 3 (1965), 263-275; Plaisir et necessite.In; Archives de Philosophie 28 (1965), 483-509; 29 (1966), 237-267. Vgl. auch HegelStudien. Beiheft 3 (1966), 155-180. Hegel et la religion. I: La problematique. Paris 1964. II: La dialectique. Paris 1967. Annexes: Les textes theologiques de Hegel. Paris 1967. Hegels Lehre vom Menschen. Kommentar zu den §§ 387 bis 482 der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften. Stuttgart 1970. Dieser Ausdruck stammt von H.-G. Gadamer. Vgl. Hegel-Studien. Beiheft 1 (1964), 337.

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aber noch völlig unbestimmt. Diese ganze Problematik kann — wie die vorliegende Arbeit zeigen wird - nur dann grundsätzlich geklärt werden, wenn eingesehen wird, daß alle „Texte“ Hegels in eine ursprünglich elementarstrukturale Sinnehene eingebettet sind, deren ständige Berücksichtigung und Vergegenwärtigung die grundlegende Bedingung der Möglichkeit für die Erschließung auch der kleinsten literarischen Einheit ausmacht. Das Buchstabieren Hegels kann daher nicht nur und nicht primär dahingehend verstanden werden, daß eine beliebige „Stelle“ - anstatt nur flüchtig angeführt zu werden — Wort für Wort erklärt wird, sondern: das Buchstabieren Hegels besagt grundsätzlich, daß der Sinn jedes Wortes, jeder Stelle, jedes „Textes“ erst im Rahmen der zur Ausdrücklichkeit erhobenen Elementar- und Gesamtstruktur des Hegelschen Denkens ermittelbar ist. Freilich ist sofort hinzuzufügen, daß die hier zur Diskussion gestellte Tendenz der HegelInterpretation die Notwendigkeit der genauen und detaillierten Analyse — eben des „Buchstabierens“ - der Hegelschen Texte zu Recht betont, hat sich doch die bisherige Hegel-Interpretation weitgehend damit begnügt, nur allgemeine Darstellungen, Gesichtspunkte, Analysen und dgl. vorzulegen. Aber die notwendige Korrektur eines Extrems sollte nicht in das entgegengesetzte Extrem führen. Erst von dem angedeuteten Verständnis des HegelBuchstabierens her kann auch die leidige Frage des Hegel-Zitierens grundsätzlich gelöst werden. Nimmt man die „normale“ Verfahrensweise der meisten Hegel-Bücher und die gewöhnliche Art der Bezugnahme auf Hegel in anderen Werken genau unter die Lupe, so muß man B. HEIMANN zustimmen, wenn sie scheinbar übertreibend sagt: „Hegel zitieren heißt ihn mißverstehen und ihn mißbrauchen.“^® In diesen Worten wird nur das ausgesprochen, was oben die elementarstrukturale Sinnebene, in die jeder Text eingebettet ist, genannt wurde. Das hier artikulierte und geforderte Verständnis des Hegel-Buchstabierens sei an dieser Stelle durch zwei kurze Hinweise näher illustriert. Erstens: Es gibt bei Hegel eine Reihe von Texten, die von ihrer literarischen Gestalt und von ihrer Stellung in einem bestimmten Zusammenhang her überhaupt nicht auffallen; trotzdem erweist sich das in ihnen Ausgesprochene als die Achse, um die sich das ganze Denken Hegels dreht. Solche „Achsentexte“ sollen in der vorliegenden Arbeit genauestens untersucht und ausgelegt werden^’^. Zweitens: Wie komplex sich das Verfahren des sich in seiner ganzen Breite und in seinem wahren Sinne verstehenden Hegel-Buchstabierens hin-

** B. Heimann: System und Methode in Hegels Philosophie. Leipzig 1927. XXL Vgl. unten B IV b (136 ff).

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sichtlich eines bestimmten Hegel-Textes erweist, kann am Beispiel des Buches von A. CHAPELLE über die Religionsphilosophie Hegels gezeigt werden^®. Dieses Werk will die Hegelsche Religionsphilosophie buchstabieren. Dabei sieht sich der Verfasser ständig genötigt, durch sich häufende Hinweise und Anmerkungen auf die großen und wesentlichen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens, vor allem auf die Logik, aufmerksam zu machen, um den religionsphilosophischen Text richtig zu interpretieren. Dabei fragt man sich ständig, warum der Verfasser die in seinen eigenen Ausführungen implizierte Interpretation der großen Zusammenhänge - also der Einheit der systematischen Philosophie Hegels - nicht im voraus vorgelegt hat. Dieses Beispiel zeigt, daß eine angemessene Interpretation auch des kleinsten Einzeltextes auf die großen Strukturzusammenhänge der Philosophie Hegels angewiesen ist, und ferner, daß die Klärung dieser wesentlichen Zusammenhänge immer noch eine fundamentale und dringende Aufgabe der HegelInterpretation bleibt. Auf der Grundlage der angegebenen allgemeinen Zielrichtung ist es möglich, Haupttitel und Untertitel sowie Einteilung der vorliegenden Arbeit kurz zu erläutern. Was hier unter systematischer Philosophie Hegels verstanden wird, kann einleitend nur in chronologischer und literarischer Hinsicht angegeben und abgegrenzt werden. „Systematische Philosophie“ besagt hier jene Gestalt der Hegelschen Philosophie, die von Hegel selbst systematisch genannt wird und die in Werken enthalten ist, die der sogenannte spätere Hegel ausdrücklich oder auch in problematischer Form als zum (späteren) System gehörend betrachtete. Konkret gesprochen wird also unter systematischer Philosophie Hegels jene Philosophie verstanden, die Hegel in seinen großen Werken - angefangen von der Phänomenologie des Geistes von 1807 bis zu seinem Tod im Jahre 1831 - zur Darstellung gebracht hat. Mit diesem Gebrauch des Terminus „systematische Philosophie Hegels“ wird die Tatsache nicht geleugnet und auch nicht unberücksichtigt gelassen, daß Hegel zwischen 1807 und 1831 eine in den großen Werken selbst dokumentierte bedeutsame Entwicklung hinsichtlich der Systemkonzeption durchmachte. Darauf wird in dieser Arbeit noch einzugehen sein. Es wird sich allerdings zeigen, daß die eigentliche Problematik der sogenannten Änderung der Systemkonzeption nicht darin liegt, daß eine Systemkonzeption von einer anderen abgelöst wird, sondern darin, daß dieser ganzen Entwicklung die Frage nach der Möglichkeit und Notwendigkeit von mehr als einer Darstellung des Ganzen zugrunde liegt. Auf diesen, wie sich zeigen wird.

** Vgl. oben Anm. 13.

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fundamentalen Sachverhalt will die vorliegende Arbeit die Problematik konzentrieren^®. Im Untertitel der Arbeit ist von der Einheit der systematischen Philosophie Hegels die Rede. Diese Formulierung, die das eigentliche Anliegen der hier vorgelegten Untersuchungen ausspricht, enthält eine doppelte Problematik. Die erste ist spekulativer Natur und kommt zum Vorschein, sobald gefragt wird: Besagt die Formulierung „Einheit der systematischen Philosophie Hegels“ nicht eine Tautologie? Meint nicht „systematische PhilosoGegen die vorgelegte Bedeutungsabgrenzung des Ausdrucks „systematische Philosophie Hegels“ ließe sich einwenden, daß auch die meisten von Hegel in Jena verfaßten, aber nicht veröffentlichten Schriften einen eindeutigen Systemcharakter tragen, waren sie doch als Versuche konzipiert, das „System der Philosophie“ darzustellen. Dies kann nicht in Abrede gestellt werden; es ist aber zu beachten, daß durch diesen Hinweis die vorgelegte Bedeutung des Ausdrucks „systematische Philosophie Hegels“ nicht erschüttert werden kann, da die Bedeutung dieses Ausdrucks durch ein zweites Merkmal abgegrenzt wurde (die Einschätzung durch den späteren Hegel), das in den erwähnten Jenaer Schriften nicht gegeben ist. Freilich kann man demgegenüber fragen, ob die hier eingeführte und vorausgesetzte Bedeutung des Ausdrucks „systematische Philosophie Hegels“ nicht als willkürlich anzusehen ist. Entspricht es nicht eher dem „wirklichen“ Hegel, wenn man nur zwischen dem vorsystematischen Hegel (d. h. dem Hegel der „Jugendschriften“) und dem systematischen Hegel (ab 1800) unterscheidet? So verfährt z.B. H. Kimmerle in seinem in der Anmerkung 7a zitierten Buch. Kimmerle wendet sich im übrigen gegen „ein erdichtetes Hegel-Bild“ und versucht, „den wirklichen Hegel in den Blick zu bekommen“ (22 Anm. 16). Dazu hält er es für erforderlich, innerhalb der systematischen Periode Hegels folgende Stufen zu berücksichtigen: (1) das System von 1800-1804, (2) das „System der Wissenschaft“ (a) Jenaer Realphilosophie von 1805/06 und Phänomenologie von 1807, (b) Logik von 1812/16, (3) Enzyklopädie von 1817 (und spätere Auflagen) und Rechtsphilosophie von 1820, (4) die systematischen Implikationen der Berliner Vorlesungen (vgl. ebd.). Dazu ist folgendes zu sagen: Sinn und Berechtigung einer bestimmten Terminologie hängen vom Kriterium ab, das dem Gebrauch eines bestimmten Ausdrucks oder Terminus zugrunde gelegt wird. Es ist sicher richtig, daß unter einem rein entwicklungsgeschichtlichen Gesichtspunkt auch die Jenaer Schriften, auf die sich Kimmerle bezieht, als systematisch zu bezeichnen und die von Kimmerle aufgezählten Stufen in der Entwicklung Hegels zu unterscheiden sind. Es fragt sich aber,ob in dieser rein entwicklungsgeschichtlichen Perspektive der „wirkliche“ Hegel ermittelt werden kann. Es wurde schon in der Anmerkung 7a auf Kimmerles völlig unaufgeklärtes und bloß formelhaft wiederholtes Verständnis des „späteren“ Hegel hingewiesen: das der entwicklungsgeschichtlichen Perspektive des Buches von Kimmerle zugrundeliegende Verständnis des systematischen Hegel wird sich, wie diese Arbeit zeigen soll, als höchst fragwürdig enthüllen. Hinsichtlich der Jenaer Schriften ist jedenfalls zu sagen, daß sie nicht auf eine Stufe mit den späteren Werken Hegels gestellt werden können; denn der Umstand, daß Hegel selbst sich auf diese von ihm nicht veröffentlichten Schriften später überhaupt nicht bezieht, muß doch eine Bedeutung haben. Im übrigen betrachtet Kimmerle selbst „Hegels erstes System [= in Jena] als Weg ins System ...,auf dem die Voraussetzungen des systematischen Philosophierens überhaupt sichtbar werden . . .“ (284; Hervorhebung von mir). Wenn also der Ausdruck „systematische Philosophie Hegels“ in dieser Arbeit in einem strengen Sinn als Bezeichnung für das Hegelsche Denken seit 1807 verwendet wird, so handelt es sich nicht um eine willkürliche Festsetzung; damit wird vielmehr die endgültige Einheit dieses Denkens thematisiert und aufgezeigt. In einem weiteren Sinn sind auch die einschlägigen Jenaer Schriften Hegels als „systematisch“ zu bezeichnen, und zwar im Sinn von Systementwürfen, Wegen ins System usw.

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phie“ schon die Einheit der Philosophie oder die Philosophie als Einheit? Genau mit dieser „Tautologie“ will sich diese Arbeit befassen. Gerade sogenannte Tautologien sind alles andere als selbstverständlich. Zwar ist auf die gestellte Trage zunächst zu antworten, daß nicht jede Philosophie, die sich als Einheit versteht oder Einheit beansprucht, auch als systematische Philosophie bezeichnet werden kann. Umgekehrt aber muß gesagt werden, daß jede systematische Philosophie notwendigerweise Einheit besagt bzw. beansprucht, was aber in sehr verschiedener Weise und „Intensität“ geschehen kann, denn eine systematische Philosophie - dies kann jedenfalls nicht a priori ausgeschlossen werden - kann verschiedene Grade oder Stufen der Einheit aufweisen. In welchem Sinne, in welchem Maße und auf Grund welcher Voraussetzungen muß dem systematischen Denken Hegels Einheit zugesprochen werden? Die genaue Herausarbeitung und die ausführliche Erörterung dieser Problematik bilden die zentrale Thematik der vorliegenden Untersuchungen. Was unter dem Einheitscharakter der Philosophie Hegels zu verstehen ist, kann in der Einleitung nur ganz allgemein und abstrakt durch andere Ausdrücke näher umschrieben werden. So könnte gesagt werden, daß das Begreifen des Einheitscharakters die Explikation der wesentlichen Zusammenhänge, des grundlegenden Zusammenhalts des Ganzen, des Prinzips der Einteilung der Philosophie in verschiedene Teilwissenschaften usw. besagt. Diese Art der Umschreibung durch andere, ebenfalls allgemeine Ausdrücke ist aber für das Verständnis der Sache selbst unergiebig. Erst die Ausführung kann den eigentlichen und vollen Sinn des Ausdrucks „Einheit der systematischen Philosophie Hegels“ klarstellen. - Die zweite in der Eormulierung des Untertitels enthaltene Problematik bezieht sich auf die Entwicklung des Hegelschen Denkens. Wenn sich bei Hegel mehrere Phasen seines systematischen Denkens unterscheiden lassen, so drängt sich für eine spekulative Deutung dieses Denkens sofort die Präge auf, ob sich in diesen Phasen eine Einheit zeigt und wie sie - im Falle einer bejahenden Antwort — zu begreifen ist. Diese zweite - die historische — Problematik wird sich in dieser Arbeit als ein Aspekt der ersten — der im strengen Sinne spekulativen — Problematik erweisen. Diese allgemeine Aufgabe wird unter die leitenden Stichworte „Darstellung“, „Methode“ und „Struktur“ gestellt. Mit dem Terminus „Darstellung“ ist hier nicht eine zusammenfassende Wiedergabe der Inhalte oder Teile der Hegelschen Philosophie gemeint; vielmehr soll in diesem Terminus die Problematik der Darstellungs/orwCenj der systematischen Philosophie Hegels zur Sprache gebracht werden. Die Darstellungsform wird eine strenge Korrelation zum Einheitscharakter der Hegelschen Philosophie aufweisen, so daß sich daraus die Einsicht ergeben wird: Weil es verschiedene Grade der

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Einheit gibt, sind auch verschiedene Formen der Darstellung anzunehmen. Die Ausdrücke „Methode" und „Struktur“ gehören unzertrennlich zusammen. Zwar kommt der Terminus „Struktur“ bei Hegel nicht vor; wohl aber finden sich bei ihm entsprechende Ausdrücke wie „Bau“, „Gerüst“ u. ä. Man könnte fragen, ob es sinnvoll ist, diesen heute schon zur Mode gewordenen Terminus im Haupttitel einer Arbeit über Hegel zu gebrauchen. Doch dazu ist zu sagen, daß die strenge Herausarbeitung des genauen und ursprünglichen Sinnes von „Struktur“ durchaus als Korrektiv des modischen Gebrauchs dieses Terminus betrachtet werden kann^®. „Methode“ und Der Terminus „Struktur“ wird heute in allen Bereichen des Wissens verwendet. Auch zur Bildung eines ,,-ismus“ wird er schon beansprucht („französischer Strukturalismus“). Darauf ist hier nicht einzugehen. Angebracht erscheint hingegen an dieser Stelle eine kurze Bemerkung über den - seinem Anliegen und seinem Anspruch nach — vielleicht bedeutendsten Versuch, dem Terminus „Struktur“ eine in fundamentalphilosophischer Hinsicht schlechterdings zentrale Bedeutung bzw. Stellung zuzuweisen, nämlich auf H. Kombachs Versuch in seinem Werk: Substanz System Struktur. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft. 2 Bde. Freiburg-München 1965-1966. Nach Rombach kennzeichnen „Substanz“, „System“ und „Struktur“ einen jeweils grundverschiedenen Seinstypus. War „Substanz“ das Grundwort der alten Ontologie, so charakterisieren „System“ und „Struktur“ die neuzeitliche bzw. neue Ontologie (I 11). Es soll hier nicht zur sachlichen Position Rombachs Stellung genommen werden; in Betracht kommt hier einzig die Weise, wie er die von ihm anvisierte Sache benennt, und die darin implizierte Interpretation bestimmter Denker, vor allem Hegels. Rombach begreift System folgendermaßen: „Die Verfassung des Systems ist gleichsam starr, ist von außen gedacht, wie aus einer tyrannischen Setzung entstanden. Hier ist alles dem ,Gesetz‘ unterworfen, ohne daß deutlich werden könnte, woher ein solches Gesetz kommen kann und soll; das System weist jede Beeinflussungsmöglichkeit aus einem anderen Bereich ab, da es das Ganze der Beeinflussungsmöglichkeiten in der Kontinuität seines schlüssigen Zusammenhanges selber ist. - Die Verfassung des Systems hat zwei schwache Punkte: einmal den soeben erwähnten einer transzendenten Gesetzlichkeit, die nicht mehr in den Zusammenhang des Systems selbst gehört und dieses gleichsam von Außen zuwegebringt, zum anderen die Vorgegebenheit des Seienden, das in die Ordnung des Systems gestellt wird und das System gleichsam erleidet. System ist System von etwas. Es können beliebige Inhalte systematisiert werden und sie bleiben auch noch als Inhalte des Systems Dinge, die in ihrer reinen WasBeschaffenheit und Vor-Gegebenheit jenseits der Kompetenz des Systems stehen“ (II 501-02). Man fragt sich, wo in der Geschichte der Philosophie ein solches „System“ anzutreffen ist. Rombach meint, die Ontologie des Systems sei „bei Spinoza in sehr entschiedener Weise durchgeführt“ (II 501). Aber Rombach nennt auch Hegel und zitiert folgenden Satz, ohne allerdings die Stelle bei Hegel anzugeben (es handelt sich um Phän. 23): „Unter mancherlei Folgerungen, die aus dem Gesagten fließen, kann diese herausgehoben werden, daß das Wissen nur als Wissenschaft oder als System wirklich ist...“ Von „diesem“ System hebt Rombach die „Struktur* ab. Im Hinblick auf Hegel schreibt er: „Wohl kann noch eine Struktur wie das ,System‘ entworfen und konstruiert werden; Hegel ist der Beleg dafür. Keinesfalls kann aber ein System der Struktur erdacht werden ...“ (II 503; Hervorhebung von mir). Aber „konstruiert“ nicht Rombach selbst einen ihm eigenen Begriff von „System“? Man fragt sich, ob ein solches Verfahren nicht im Banne jener Fixierungen und „Verkehrungen“ steht, von denen in dieser Einleitung die Rede war. Aber Rombach meint noch zu Hegel: „Hegels Philosophie bleibt ... fast im selben Maß, wie er es selbst vermein-

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„Struktur“ zeigen zunächst die Problematik des Sinnes und der Stellung der Logik im System Hegels an. Die Frage nach dem Sinn der Logik wird sich als die Frage heraussteilen: Wie ist die Logik die Methode und die Struktui des „Ganzen“? Die Entfaltung dieser Problematik wird zur Erschließung des ursprünglichen Sinnes der Methode und zur Herausstellung der Elementarstruktur der Philosophie Hegels führen. Erst damit stößt man auf jene grundlegenden Elemente, die eine wahrhaft fundierte Einsicht in die Einheit der systematischen Philosophie Hegels ermöglichen. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Untersuchungen auf. In der Untersuchung A wird die Problematik der Einheit der systematischen Philosophie Hegels herausgearbeitet, wobei schon einige der wichtigsten Gesichtspunkte der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung zur Sprache kommen. Die Untersuchung B versucht, die Problematik des Verhältnisses von Logik und Realsystematik zu klären. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist die fundamentale Einsicht, daß die Logik nur dann als die Methode und die Struktur des Ganzen betrachtet werden kann, wenn sie in Gleichursprünglichlceit mit der Phänomenologie und der Noologie (= „Psychologie“ in der Sprache Hegels, d. h. der Lehre vom Geist als solchem) als die Elementarstruktur des Ganzen begriffen wird. Der genaue Sinn und der detaillierte Aufweis dieser zentralen These bilden den Gegenstand der Untersuchung G. te, Philosophie des Systems, doch enthält sie fast alle Motive des Strukturalismus als ihre innere Verpflichtung in sich“ (II 508). Wie Rombach dies versteht, zeigen die Stichworte, deren er sich bedient, um „Struktur“ zu charakterisieren (vgl. II 504 ff): „Struktur ist offenes System“, sie ist „nach außen“, „nach oben“, „nach innen offen“; „Strukturlehre ist Dynamik“, ihr eignet „Geschehenscharakter“; „Struktur ist Selbstkonstitution“; „Strukturlehre ist Philosophie der Konkretion“; „Strukturlehre vollzieht sich als Phänomenologie“ usw. Hier ist nur noch eine Bemerkung zu diesem Gebrauch des Terminus „Struktur“ zu machen. Ist es sinnvoll, die von Rombach gesehene „Sache“ so ausschließlich als „Struktur“ zu bezeichnen? Bedenken melden sich besonders im Hinblick auf den Dynamik-, Geschehens- oder Genesischarakter, den Rombach der Struktur zuweist (vgl. eine Aussage Rombachs in einer anderen Arbeit: „Der von uns angesetzte Strukturbegriff ist gegenüber dem des [französischen] ,Strukturalismus‘ genetisch, ohne Vorentscheidungen über die konkreten Ausformungen, dafür aber an Ranggesichtspunkten formaler Art Interessiert. Der ,Strukturalismus“ bleibt in der Nähe dessen, was wir ,System‘ nennen, außengesetzlich, nur geringfügig modifikabel ...“ [Die 'Wissenschaft und die geschichtliche Selbstbestimmung des Menschen. Anthropologie auf strukturaler Basis. - In: Philosophisches Jahrbuch 75 (1967), 166-185; zit. St. 171 Anm. 5; Hervorhebung von mir]). Ist aber vom Wort her nicht zu sagen, daß „Struktur“ eher die „Ausformungen“, „Ausgestaltungen“ oder „Bestimmtheiten“ eines Geschehens, einer Dynamik, einer Genesis bezeichnet - nicht aber das Geschehen als solches, die Dynamik bzw. Genesis als solche? Die vorliegende Arbeit jedenfalls wird zeigen, daß die Unterscheidung von „Methode“ und „Struktur* - als „Bewegung“ bzw. „Bestimmtheit“ - sowohl für die Interpretation des Hegelschen Denkens unentbehrlich als auch für eine Erhellung der fundamentalphilosophischen Problematik als solcher von zentraler Bedeutung ist. - Nach Abschluß der vorliegenden Arbeit erschien H. Rombachs „systematisches“ Werk: Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit. Freiburg-München 1971.

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In der Untersuchung D wird schließlich auf Grund der in den drei ersten Untersuchungen erzielten Ergebnisse die Problematik der Darstellung erneut erörtert, und zwar im Rahmen eines Deutungsversuchs der Stellung der Phänomenologie des Geistes von 1807 im sogenannten „späteren“ System Hegels. Zur richtigen Einschätzung der in dieser Einleitung vorgelegten Erklärungen über Titel und Einteilung der Arbeit ist abschließend auf eine beachtenswerte Bemerkung Hegels in der Einleitung in die Wissenschaft der Logik hinzuweisen: . die Überschriften und Einteilungen . . . sollen für sich keine andere Bedeutung haben als die einer Inhaltsanzeige. Außerdem aber muß die Notwendigkeit des Zusammenhangs und die immanente Entstehung der Unterschiede sich in der Abhandlung der Sache selbst vorfinden, denn sie fällt in die eigene Fortbestimmung des Begriffes.

21 \VL I 37.

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I. Die Problematik der Darstellung

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A. PROBLEMSTELLUNG

I. DIE PROBLEMATIK DER DARSTELLUNG

1. Hegels systematische^ erke

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Im Frühjahr 1807 wurde Hegels erstes großes systematisches Werk unter dem endgültigen Haupttitel „System der Wissenschaft. Erster Teil, die Phänomenologie des Geistes“ und unter dem endgültigen Zwischentitel „I. Wissenschaft der Phänomenologie des Geistes“ veröffentlicht^. Ein halbes Jahr später, am 28. Oktober 1807, erschien Hegels Selbstanzeige, die die Phänomenologie des Geistes als den ersten Band des Systems der Wissenschaft bezeichnete und einen zweiten Band ankündigte, der „das System der Logik als spekulativer Philosophie, und der zwei übrigen Teile der Philosophie, die Wissenschaften der Natur und des Geistes enthalten“® sollte. Dieser Plan wurde durch den großen Umfang, den die in den Jahren 1812, 1813 und 1816 veröffentlichte Wissenschaft der Logik annahm, zunächst „erweitert“; der Wissenschaft der Logik als der „ersten Folge zur Phänomenologie des Geistes“ sollten „späterhin“ die beiden anderen „realen Wissenschaften der Philosophie“ folgen®. Stattdessen erschien aber im Jahre 1817 die Enzyklo* Hegel hatte zuerst dem Werk den Zwischentitel „Erster Teil. Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins“ gegeben. Dieser Zwischentitel war ein fester Bestandteil des Bogens, der als erster des ganzen Werkes ausgedruckt wurde; er wurde durch den endgültigen Zwischentitel nicht während des Druckvorgangs, sondern auf Anweisung der Druckerei erst vom Buchbinder ersetzt. Doch wurde diese Anweisung nicht in allen Exemplaren durchgeführt. So erklärt sich das bis vor kurzem rätselhafte Vorhandensein von dreierlei Typen von Originalausgaben der Phänomenologie des Geistes: in einigen Exemplaren finden sich beide Zwischentitel, in anderen Exemplaren je einer der Zwischentitel. Und so erklären sich auch die verwirrenden Unterschiede in der langen Geschichte der Ausgaben dieses Werkes. Diese Zusammenhänge hat im dargelegten Sinn jetzt F. Nicolin endgültig geklärt: 2um Titelproblem der Phänomenologie des Geistes. - In: Hegel-Studien 4 (1967), 113-123. - Es sei hier angemerkt, daß in der vorliegenden Arbeit der hervorgehobene Titel Phänomenologie des Geistes (oder einfach Phänomenologie) immer das Werk von 1807 bezeichnet. Eine andere Fassung der „Phänomenologie“ ist nur dann gemeint, wenn dies ausdrücklich vermerkt wird (vgl. unten 306 Anm. 96). Wird der Terminus „Phänomenologie“ ohne nähere Angaben verwendet, so bezeichnet er die phänomenologische Dimension im Hegelschen Denken. * Phän. XXXVIII. » Vgl. WL I 8.

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A. Problemstellung

pädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, die der Phänomenologie des Geistes keinen systematischen Platz mehr zuwies und die die Logik, die Naturphilosophie und die Philosophie des Geistes als die drei Teile der Wissenschaft behandelte. Bis zu seinem Tod im Jahre 1831 veröffentlichte Hegel nur noch eine größere systematische Arbeit, die Grundlinien der Philosophie des Rechts, ein Lehrbuch, das „eine weitere, insbesondere mehr systematische Ausführung derselben Grundbegriffe, welche über diesen Teil der Philosophie in der ... Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften .. . bereits enthalten sind“^, bieten wollte. Ähnlich wie dieses Lehrbuch setzen die nach Hegels Tod auf Grund von Manuskripten und Kollegnachschriften herausgegebenen Vorlesungen den systematischen Rahmen der Enzyklopädie voraus®. Schon auf Grund dieser kurzen Übersicht ist es möglich, auf einige Probleme hinzuweisen, die sich unmittelbar aus der literarischen Gestalt der Philosophie Hegels ergeben. An erster Stelle muß das Schicksal des ersten großen systematischen Werkes, der Phänomenologie des Geistes, erwähnt werden. Wenn auch der spätere Hegel dieses Werk nicht zurücknahm®, so ließ er doch die Stellung des Werkes im System im unklaren. Zwar sagt er am Anfang der Wissenschaft der Logik, daß die Logik „die Wissenschaft des erscheinenden Geistes zu ihrer Voraussetzung“ hat, insofern die Phänomenologie „die Notwendigkeit und damit den Beweis der Wahrheit des Standpunkts, der das reine Wissen ist, wie dessen Vermittelung überhaupt, enthält und aufzeigt“^. Aber in der Enzyklopädie (seit der 2. Auflage) schickt er der Logik und damit dem System nicht die Phänomenologie des Geistes, sondern eine Betrachtung über die Stellungen des Denkens zur Objektivität voraus. Zwar kommt im Corpus der Enzyklopädie auch eine „Phänomenologie des Geistes“ vor (zweiter Abschnitt der Abteilung „Der subjektive Geist“); aber diese Phänomenologie enthält nur die drei ersten Gestalten der Phänomenologie des Geistes von 1807, nämlich Bewußtsein, Selbstbewußtsein und Vernunft, wobei die Vernunft nicht ausführlich dargestellt, sondern nur als Ergebnis der Dialektik des Bewußtseins und des Selbstbewußtseins bestimmt wird. Im § 25 A der Enzyklopädie (in der 2. und 3. Auflage) wird das Werk von 1807 ausdrücklich erwähnt und sein Inhalt bzv/. seine Grundidee kurz * GPhR 3; vgl. Enz. § 487 A. * Damit soll nur gesagt werden, daß die Vorlesungen kein neues System ankündigen und in diesem Sinne auf den systematischen Rahmen der Enzyklopädie verweisen. Nicht aber soll damit gesagt werden, daß die Vorlesungen sich bruchlos in den systematischen Rahmen der Enzyklopädie einfügen lassen. * Noch in seinem Todesjahr hatte Hegel damit begonnen, den Erstdruck des Werkes für eine Neuauflage zu korrigieren (vgl. Phän. 577 f). " WL I 53; vgl. auch I 7 und 29.

I. Die Problematik der Darstellung

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angegeben; wenn auch diese Erwähnung nicht im Sinne einer Zurücknahme des Werkes interpretiert werden kann, so ist es andererseits offenkundig, daß Hegel die Phänomenologie in ihrer Gestalt von 1807 in das enzyklopädische System nicht zu integrieren vermag. Bei der Korrektur der Wissenschaft der Logik für die 2. Ausgabe fügt Hegel noch im Jahre 1831 die Bemerkung an, daß er der 2. Ausgabe der Phänomenologie des Geistes, „die auf nächste Ostern erscheinen wird“, den Titel „erster Teil des Systems der Wissenschaft“ nicht mehr beigeben werde®. Ein anderes klassisches Problem der Hegel-Interpretation ergibt sich aus der Einteilung der Philosophie bzw. der Wissenschaft in die Logik und „die beiden realen Wissenschaften der Philosophie, die Philosophie der Natur und die Philosophie des Geistes“®. Wie verhält sich die Logik als erste und letzte Wissenschaft^® zur „Realität“ bzw. zu den „realen Wissenschaften“? Man hat dieses Verhältnis als eine uneingestandene und unbewältigte „Zweigleisigkeit“ aufgefaßt^^. Für die klassische Hegel-Interpretation taucht dieses Problem besonders beim berühmten Übergang der logischen Idee in die Natur auf; dieser Übergang erschien als schlechthin unverständlich und daher unvollziehbar. Ein drittes Problem ist noch zu erwähnen: das Problem der Darstellung des Systems, üngeachtet der in der Geschichte der Hegel-Interpretation stereotyp wiederholten Behauptung, die Philosophie Hegels sei ein in sich abgeschlossenes, jede Offenheit sowohl für eine andere Darstellung als für weitere Denkmöglichkeiten ausschließendes „absolutes“ System, hat man auf die eine oder andere Weise immer wieder empfunden, daß die von Hegel * Vgl. WL I 53 Anm. Aus Hegels Anmerkung ist nicht deutlich zu entnehmen, ob er den ganzen Titel, wie er ihn an dieser Stelle bringt, nämlich „erster Teil des Systems der Wissenschaft“, oder nur „erster Teil“ oder auch „erster Teil des Systems“ auslassen wollte. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, daß der Titel „erster Teil des Systems“ herausbleiben sollte, so daß der neue Haupttitel der Phänomenologie des Geistes „Wissenschaft der Phänomenologie des Geistes“ gewesen wäre. Dies scheint einerseits daraus hervorzugehen, daß Hegel im Kontext der zitierten Stelle von der „Beziehung der Wissenschaft, die ich Phänomenologie des Geistes nenne, zur Logik“ spricht, und andererseits aus dem Umstand, daß Inzwischen das System seine Darstellung in den drei Tellen der Enzyklopädie gefunden hatte. Damit wird die Frage der Beziehung der Phänomenologie des Geistes zur Enzyklopädie noch schwieriger. Daß diese Bemerkung keine sinnlosen Spitzfindigkeiten beinhaltet, wird sich im Laufe dieser Arbeit erweisen, und zwar bei der Frage nach der Problematik der Darstellung des Systems. » WL I 7. ■» Vgl. WL II 437. ” So z. B. Th. Litt: Hegel. Versuch einer kritischen Erneuerung. 2. Aufl. Heidelberg 1961. 246. Eine eigentümliche Variation erfährt diese Interpretation bzw. Kritik bei W. Becker: Hegels Begriff der Dialektik und das Prinzip des Idealismus. Stuttgart 1969. Becker spricht von einer .„Verwechslung' von Kategorie und Gegenstand“ (42), von einer „unzulässigen Erschleichung“ (103) der nichtlogisdicn Dimension bei Hegel usw. Vgl. Exkurs unten 258-265.

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A. Problemstellung

vorgelegte Darstellung seiner Philosophie nicht jene Abgeschlossenheit und Vollständigkeit aufweist, die man gerne von ihr behauptet. Die einzige vollständige Gestalt seiner Philosophie hat Hegel in der Gestalt einer £nz;y^/opädie, eines Grundrisses, vorgelegt. Ist die der Enzyklopädie zugrundeliegende Gestalt des Systems die angemessene, die endgültige, die einzig mögliche? Schon die literarische Gestalt der Philosophie Hegels mahnt hier zur Vorsicht. Was wäre aus der enzyklopädischen Darstellung des Systems geworden, wenn jeder Teil so ausgeführt worden wäre wie die Wissenschaft der Logik, die Philosophie des Rechts und die verschiedenen Vorlesungen? Zwar ist es möglich, die Schriften Hegels in einen gewissen Zusammenhang einzuordnen, den man dann „System“ nennen mag; immer jedoch, wenn die genaue literarische Gestalt dieser Schriften berücksichtigt wurde, erwies sich ein solches Verfahren als dem Denken Hegels nicht angemessen.

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2. Darstellung und spekulativer Satz Dem Denken Hegels wäre es von vornherein unangemessen, wollte man die eingangs geschilderte äußere (literarische) Gestalt seiner Werke für mehr oder weniger zufällig halten. Es bleibe dahingestellt, inwiefern in diesem Bereich überhaupt von einer Zufälligkeit oder Unbedeutendheit die Rede sein kann. Für das Denken Hegels jedenfalls kann dies nicht zutreffen, da sein Denken eine radikale Einheit von Sache, Methode und Darstellung impliziert. Hegels Äußerungen über diese ursprüngliche Einheit oder Mitte seines Denkens finden sich zerstreut in allen seinen Werken; nirgends aber ist er auf diesen Sachverhalt in so klarer und für das Verständnis und die Einschätzung seiner Werke so aufschlußreicher Weise eingegangen wie bei der Behandlung des spekulativen Satzes am Ende der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes. Hegel zeigt, daß die Philosophie die Wahrheit zwar in Sätzen darstellt, daß aber der Inhalt des philosophischen Satzes die „Zerstörung“ der Form des Satzes oder „des gewöhnlichen Verhältnisses des Subjekts und Prädikats und des gewohnten Verhaltens des Wissens“impliziert. „Der Satz soll ausdrücken, was das Wahre ist, aber wesentlich ist es Subjekt; als dieses ist es nur die dialektische Bewegung, dieser sich selbst erzeugende, fortleitende und in sich zurückgehende Gang.“^® Was Hegel hier zur Sprache zu bringen versucht, ist sozusagen das Gesetz oder die Formel seines ganzen Denkens. Die philosophische Wahrheit verlangt also die Aufhebung der Form des Satzes. Nun macht Hegel die wichtige Bemerkung, ** Phän. 52.

Phän. 53.

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I. Die Problematik der Darstellung

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daß diese Aufhebung nicht nur auf unmittelbare Weise, d. h. „nicht durch den bloßen Inhalt des Satzes“geschehen, sondern daß sie auch ausgesprochen, daß die die Form des Satzes sprengende dialektische Bewegung auch zur Darstellung gebracht werden muß; denn nur das Aussprechen der dialektischen Bewegung ist spekulative Darstellung. Von hier aus erhebt Hegel die Forderung: „Die Darstellung muß, der Einsicht in die Natur des Spekulativen getreu, die dialektische Form behalten und nichts hereinnehmen, als insofern es begriffen wird und der Begriff ist.“^® Bevor auf die Bedeutung dieser Ausführungen näher eingegangen wird, muß eine wichtige Bemerkung gemacht werden. Hegels Auffassung von der Darstellung bezieht sich nicht nur auf den Satz als einzelnes Gebilde der Sprache, sondern ebenso und erst recht auf die Gesamtheit der Sätze, das heißt auf die Wissenschaft und auf alle ihre Teile bzw. Gliederungen. Die Wissenschaft ist ja nach Hegel ein Kreis von Kreisen, d. h. ein Satz von Sätzen „. . . jedes einzelne Glied, als Beseeltes der Methode, ist die Reflexionin-sich, die, indem sie in den Anfang zurückkehrt, zugleich der Anfang eines neuen Gliedes ist. Bruchstücke dieser Kette sind die einzelnen Wissenschaften .. .“^® Es wird von hier aus sofort ersichtlich, daß das „äußere“ Verhältnis der systematischen Werke und der einzelnen Teile und Gliederungen zueinander eine eminent spekulative Bedeutung hat, die es herauszuarbeiten gilt. Hegel ist sich durchaus bewußt, daß die „Zerstörung“ der Form des Satzes und des gewohnten Verhältnisses der Teile der Wissenschaft zueinander eine „Schwierigkeit“^^ enthält. In der Explikation dieser Schwierigkeit sind einige der wertvollsten Hinweise auf das adäquate Verständnis der Hegelschen Werke enthalten. Diese Schwierigkeit entspringt nämlich aus der „Vermischung der spekulativen und der räsonnlerenden Weise . . ., wenn einmal das vom Subjekte Gesagte die Bedeutung seines Begriffs hat, das andere Mal aber auch nur die Bedeutung seines Prädikats oder Akzidens“*®. Der Satz als Satz ist die sprachliche Form des Unterschieds von Subjekt und Prädikat, daher ist „die Form des Satzes oder bestimmter des Urteils ungeschickt, das Konkrete - und das Wahre Ist konkret — und Spekulative auszudrücken; das Urteil ist durch seine Form einseitig und insofern falsch“*®. Durch das spekulative Denken bzw. durch die spekulative Darstellung aber wird der durch die Form des Satzes ausgedrückte Unterschied nicht vernichtet, sondern aufgehoben gemäß der dialektischen Bedeutung dieses Terminus, d. h. hier: in die Einheit des Begriffs zurückgeführt. Insofern nun die Phän. 52. WL II 504; vgl. unten 251 ff. Ebd.

Phän. 54. ” Phän. 52. Enz. § 31 A; vgl. auch WL II 495.

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A. Problemstellung

spekulative Darstellung den Unterschied berücksichtigt - und sie muß ihn berücksichtigen muß sie durch das Medium des Satzes hindurchgehen, d. h. sie muß sich durch jene sprachliche „Äußerlichkeit“ vermitteln, die, indem sie die Negation der spekulativen Begriffseinheit ist, eben diese Einheit hervorgehen läßt. Die genannte Schwierigkeit besteht nun, näher betrachtet, darin, daß die spekulative Darstellung ständig auf die Form des Satzes, d. h. auf das nichtspekulative Denken, angewiesen ist, um überhaupt das Wahre als das Konkret-Spekulative artikulieren zu können - aber so, daß die spekulative Darstellung dennoch der Form des Satzes nicht verfallen darf. Wie die spekulative Darstellung, indem sie sich durch die nichtspekulative Form der Sprache vermitteln muß, spekulativ bleibt: darin liegt das ganze Problem der Darstellung bei Hegel. Er sagt: „In der Tat hat auch das nicht spekulative Denken sein Recht, das gültig, aber in der Weise des spekulativen Satzes nicht beachtet ist.“-® Diese Nichtbeachtung des nichtspekulativen Denkens ist im Sinn des Ausgeführten zu verstehen: sie bedeutet nicht, daß die nichtspekulative Form des Satzes überhaupt außer Betrachtung gelassen wird, sondern daß diese Form hinsichtlich des spekulativen Denkens bzw. der spekulativen Darstellung nicht das Bestimmende, sondern das Vermittelt-Vermittelnde ist. Hegel hat ein sehr waches Bewußtsein der mehr oder weniger intensiven Weise, wie dies geschehen kann. Er macht darauf aufmerksam, daß „das Hindernis, das in der Gewohnheit liegt, das spekulative Prädikat nach der Form des Satzes, nicht als Begriff und Wesen zu fassen, durch die Schuld des philosophischen Vortrags selbst vermehrt und verringert werden“^^ kann. Er stellt fest: „. .. erst diejenige philosophische Exposition würde es erreichen, plastisch zu sein, welche strenge die Art des gewöhnlichen Verhältnisses der Teile eines Satzes ausschlösse.Hegel redet hier im Konjunktiv - offenbar weil er sich bewußt ist, daß dies kaum oder nur schwer erreicht werden kann. Er sagt weiter: „Als Satz ist das Spekulative nur die innerliche Hemmung und die mchidaseiende Rückkehr des Wesens in sich. Wir sehen uns daher oft von philosophischen Expositionen an dieses innere Anschauen verwiesen und dadurch die Darstellung der dialektischen Bewegung des Satzes erspart, die wir verlangten.“^® Als Lösung bleibt ein ständiges Hin und Her zwischen spekulativem Verständnis und gewöhnlicher Meinung: „... die Meinung erfährt, daß es [das Verhältnis des Subjekts und Prädikats] anders gemeint ist, als sie meinte; und diese Korrektion seiner Meinung nötigt das Wissen, auf den Satz zurückzukommen und ihn nun anders zu fassen.“®^ 2» Phän. 52. *1 Phän. 54. 22 Phän. 52. 2j phän. 53. 2^ Phän. 52 (Hervorhebung von mir).

I. Die Problematik der Darstellung

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J. Hegels Einschätzung seiner Darstellungen Betrachtet man die Philosophie Hegels unter dem Gesichtspunkt ihrer Darstellung, so taucht die Frage auf, wie sie sich selbst im Lichte dieser Ausführungen versteht und einschätzt. Ist Hegel eine im geschilderten Sinn wahrhaft spekulative Darstellung gelungen? Zunächst sollen seine eigenen Aussagen hierüber berücksichtigt werden. Im allgemeinen ist zu sagen, daß Hegel nichts von großen Intuitionen und Gedanken hält, die nur im Inneren bleiben, die nicht zur Dar-stellung kommen. Er wiederholt immer wieder, daß „Etwas, das nur erst ein Inneres ist, eben darum nur ein Äußeres“^® bleibt. Diese fundamentale Einsicht drückt sich bei ihm in einigen großen Texten in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes aus^®. Entsprechend der in diesen Texten formulierten Auffassung über den Begriff ist zu erwarten, daß Hegel sich über das Nichtgelingen oder auch nur Unzureichende seiner Darstellungen nicht sehr häufig und sehr breit äußert. In der Tat sind seine Aussagen über diesen Punkt sehr spärlich. Einige seien angeführt. Beim Erscheinen der Phänomenologie des Geistes schrieb er an SCHELLING: „Das Hineinarbeiten in das Detail hat, wie ich fühle, dem Ueberblick des Ganzen geschadet; dieses aber selbst ist, seiner Natur nach, ein so verschränktes Herüber- und Hinübergehen, daß es selbst, wenn es besser herausgehoben wäre, mich noch viele Zeit kosten würde, bis es klarer und fertiger dastünde. - Daß auch einzelne Partien noch mannigfaltiger Unterarbeitung, um sie unterzukriegen, bedürften, brauche ich nicht zu sagen . . In der Vorrede zur 2. Ausgabe der Wissenschaft der Logik heißt es: „An diese neue Bearbeitung der Wissenschaft der Logik . . . bin ich wohl mit dem ganzen Bewußtsein sowohl der Schwierigkeit des Gegenstandes für sich und dann seiner Darstellung, als der Unvollkommenheit, welche die Bearbeitung desselben in der ersten Ausgabe an sich trägt, gegangen; so sehr ich nach weiterer vieljähriger Beschäftigung mit dieser Wissenschaft bemüht gewesen, dieser Unvollkommenheit abzuhelfen, so fühle ich, noch Ursache genug zu haben, die Nachsicht des Lesers in Anspruch zu nehmen.“^® Am Ende dieser Vorrede finden sich die letzten philosophischen Sätze, die Hegel schrieb: „So . . . mußte der Verfasser, indem er es [das Werk] im Angesicht der Größe der Aufgabe betrachtet, sich mit dem begnügen, was es hat werden mögen, unter den Umständen einer äußerlichen Notwendigkeit, der unabwendbaren Zerstreuung durch die Größe und Vielseitigkeit der Zeitinteressen, sogar unter dem Zweifel, ob der laute Lärm des Tages und die betäubende Geschwätzigkeit der Einbildung, die auf denselben sich 25 WLII152. 2’ Briefe I 161.

25 Vgl. bes. Phän. 57. 28 WL I 9.

A. Problemstellung

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zu beschränken eitel ist, noch Raum für die Teilnahme an der leidenschaftslosen Stille der nur denkenden Erkenntnis offen lasse. Was bedeuten diese Aussagen? Sie bringen zweifellos Hegels Auffassung zum Ausdruck, daß die Darstellung einen gewissen Spielraum von Möglichkeiten voraussetzt, insofern sie mehr oder weniger vollkommen oder adäquat sein kann. Der vollendete Ausdruck dieser Auffassung findet sich in einem Satz über die Methode: „Wie würde ich meinen können, daß nicht die Methode, die ich in diesem Systeme der Logik befolge, - oder vielmehr die dies System an ihm selbst befolgt, - noch vieler Vervollkommnung, vieler Durchbildung im einzelnen fähig sei; aber ich weiß zugleidi, daß sie die einzige wahrhafte ist.“®® Es erhebt sich hier die Frage, wie dieser Spielraum von Möglichkeiten näher zu verstehen ist. Ist er nur dahingehend zu verstehen, daß ganz äußerliche, mehr oder weniger zufällige Umstände eine vollkommenere Darstellung verhindern, oder ist er darüber hinaus im Sinne jener oben referierten Überlegungen Hegels zu interpretieren, wonach nur diejenige philosophische Darstellung als plastisch zu betrachten wäre, die streng „die Art des gewöhnlichen Verhältnisses der Teile eines Satzes“®* bzw. eines Werkes ausschließen würde? Diese Problematik muß noch weiter vertieft werden. Dazu seien einige bedeutsame Aussagen Hegels über die „plastische Darstellung“ in der Vorrede zur 2. Ausgabe der Wissenschaft der Logik herangezogen. Der Gegenstand der Logik, so führt Hegel aus, wäre wie kein anderer geeignet, „so streng ganz immanent plastisch zu sein“, ist dessen Darstellung doch „die der Entwicklung des Denkens in seiner Notwendigkeit“, worin die Logik sogar die Mathematik übertreffen müßte. Wie Hegel dies versteht, drückt er so aus: „Solcher Vortrag erforderte, wie dies in seiner Art in dem Gange der mathematischen Konsequenz vorhanden ist, daß bei keiner Stufe der Entwicklung eine Denkbestimmung und Reflexion vorkäme, die nicht in dieser Stufe unmittelbar hervorgeht, und aus den vorhergehenden in sie herübergekommen ist.“ Und nun folgt ein Satz, der für das Verständnis der Werke Hegels von großer Bedeutung ist: „Allein auf solche abstrakte Vollkommenheit der Darstellung muß freilich im Allgemeinen Verzicht getan werden . . .“®® Und Hegel erklärt dies durch einige sehr aufschlußreiche Hinweise: eine solche reine Darstellung müßte z. B. am Anfang der Wissenschaft nur die „ganz einfachen Ausdrücke des Einfachen ohne allen weiteren Zusatz irgendeines Wortes“ zulassen. Hegels weitere Bemerkungen über dieses Problem in diesem Passus der Vorrede scheinen auf den ersten Blick den Kern der Sache nicht zu erreichen, denn sie scheinen nur auf einige Aspekte der praktischen WL I 22. Phän. 52.

»» WL I 36. « WL I 19.

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I. Die Problematik der Darstellung

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Undurchführbarkeit aufmerksam zu machen. Bei einer „streng ganz immanent plastischen“ Darstellung, so argumentiert Hegel, wären „negierende Reflexionen“ anzustellen, „die das abzuhalten und zu entfernen sich bemühten, was sonst die Vorstellung oder ein ungeregeltes Denken einmischen könnte“. Und Hegel bemerkt weiter: „Solche Einfälle in den einfachen immanenten Gang der Entwicklung sind jedoch für sich zufällig, und die Bemühung, sie abzuwehren, wird somit selbst mit dieser Zufälligkeit behaftet.“^® Was meint Hegel hier mit „Zufälligkeit“? Kann man annehmen, daß Hegel ausgerechnet in einer Vorrede zur Wissenschaft der Logik eine für eben diese Logik so wichtige Kategorie wie „Zufälligkeit“ gedankenlos oder nach der „gewöhnlichen“ Bedeutung gebraucht? Nach Hegels Modalitätslogik ist die Notwendigkeit vermittelt durch die Zufälligkeit®^; darauf aber geht Hegel an dieser Stelle nicht ein. Stattdessen fährt er in seiner pragmatischen Argumentation fort: „. . . ohnehin ist es vergeblich allen solchen Einfällen, eben wie sie außer der Sache liegen, begegnen zu wollen, und wenigstens wäre Unvollständigkeit das, was hiebei für die systematische Befriedigung verlangt würde. Aber die eigentümliche Unruhe und Zerstreuung unseres modernen Bewußtseins läßt es nicht anders zu, als gleichfalls mehr oder weniger auf naheliegende Reflexionen und Einfälle Rücksicht zu nehmen.“®® Hegel gibt noch zu bedenken, daß ein plastischer Vortrag „einen plastischen Sinn des Aufnehmens und Verstehens“ erfordert und fügt hinzu: „... aber solche plastische Jünglinge und Männer, so ruhig mit der Selbstverleugnung eigener Reflexionen und Einfälle, womit das 5e/^sr-denken sich zu erweisen ungeduldig ist, nur der Sache folgende Zuhörer, wie sie PLATO dichtet, würden in einem modernen Dialoge nicht aufgestellt werden können; noch weniger dürfte auf solche Leser gezählt werden.“®® Um diese Überlegungen angemessen zu deuten, ist zu beachten, daß Hegel hier von der Darstellung der Logik spricht, die, wie noch zu zeigen sein wird, nichts mehr und nichts weniger als die Methode des philosophischen Denkens selbst ist. Diese Darstellung ist daher nicht ohne weiteres mit der Darstellung weiterer Teile der Philosophie gleichzusetzen. Damit taucht schon die ganze Problematik des Sinns der Hegelschen Logik auf. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß der unmittelbare oder naheliegende Sinn der zuletzt referierten Überlegungen Hegels vor allem den Anfang der Lo» Ebd. Vgl. z. B. WL II 174; „Diese absolute Unruhe des Werdens dieser beiden Bestimmungen [Möglichkeit und Wirklichkeit] ist die Zufälligkeit. Aber darum weil jede unmittelbar in die entgegengesetzte umschlägt, so geht sie in dieser ebenso schlechthin mit sich selbst zusammen, und diese Identität derselben, einer in der andern, ist die Notwendigkeit.“ »= WL I 19-20. « WL I 20.

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A. Problemstellung

gik betrifft, der nichts anderes sein kann als eben Anfang. Dies bedeutet: der Anfang enthält die abstraktesten und einfachsten Kategorien, die nicht anders zu begreifen sind als gerade durch die weitere Entwicklung der logischen Darstellung. Die Forderung einer vor jedem weiteren Schritt vorzulegenden Begründung des Anfangs erweist sich als eine falsche „Gründlichkeit“, da die Begründung gerade im Fortgang besteht^^. Dies wird von Hegel hier durch den Hinweis erhärtet, daß diese bewußtlose Gründlichkeit, indem sie den ersten Schritt isoliert für sich betrachten und erweisen will, auf Voraussetzungen, d. h. hier Kategorien, zurückgreifen muß, die überhaupt nicht untersucht und begriffen worden sind. Gerade in der strengen Darstellung dieses methodischen Ganges, d. h. in der Untersuchung der Kategorien und Denkbestimmungen besteht die Aufgabe der Logik. Deshalb folgert Hegel: „. . . diese Bildung und Zucht des Denkens, durch welche ein plastisches Verhalten desselben bewirkt und die Ungeduld der einfallenden Reflexion überwunden würde, wird allein durch das Weitergehen, das Studium und die Produktion der ganzen Entwicklung verschafft. Aber auch wenn man diesen unmittelbaren Sinn der Ausführungen Hegels beachtet, muß die Frage gestellt werden, ob hier nicht eine tiefere Problematik vorliegt. Dies aufzuzeigen, wird die Aufgabe der ganzen Arbeit sein. Hier ist darauf nur in vorläufiger und vorbereitender Hinsicht einzugehen. Die Frage kann so gestellt werden: Wenn die der Sache äußerlichen Einfälle und Reflexionen „für sich zufällig“ sind, wie ist diese Zufälligkeit zu deuten? Es wurde schon darauf aufmerksam gemacht, daß im Rahmen des Hegelschen Denkens die Kategorie der Zufälligkeit nicht einfach beiseite geschoben werden kann. Dieser ganze Zusammenhang zeigt sich sofort in einem anderen Licht, wenn an die Ausführungen über den spekulativen Satz und die spekulative Darstellung erinnert wird: die spekulative Darstellung ist vermittelt durch die gewöhnliche Form des Satzes. In einer anderen Dimension oder in einem anderen Element der Betrachtung®* kann dasselbe so ausgedrückt werden: das begreifende (spekulative) Denken ist immer vermittelt durch die Anschauung und Vorstellung, denen die Einfälle und Reflexionen entspringen. Noch anders ausgedrückt: was das begreifende Denken erfaßt, ist nichts anderes als gerade der Gesamtprozeß oder die Einheit von Anschauung, Vorstellung und Denken. Dabei sind Anschauung und Vorstellung das „Dasein“ oder „Medium“ des sich, d. h. den ganzen Prozeß erfassenden Denkens. Die Einfälle und Reflexionen liegen zwar „außer der Sache“ in dem Sinne, daß sie den Prozeß der sich begreifenden Wahrheit Vgl. unten 231 £F. WL I 21. ” Was diese anderen „Dimensionen“ oder „Elemente“ der Betrachtung sind, wird sich noch ausführlich zeigen.

I. Die Problematik der Darstellung

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nicht vom Standpunkt des begreifenden, d. h. des der Wahrheit allein angemessenen oder „innerlichen“, sondern nur des anschauenden und vorstellenden Denkens „betrachten“ und somit den Prozeß als solchen nicht erfassen. Aber die Einfälle und Reflexionen liegen „innerhalb der Sache selbst“, insofern sie das Dasein und Medium des Begriffs oder des begreifenden Denkens ausmachen. Wie von hier aus die Logik und das ganze Denken Hegels zu interpretieren sind, wird noch ausführlich zu zeigen sein. Zunächst dürfte jedenfalls ein erstes Verständnis der in den Ausführungen Hegels enthaltenen Problematik gewonnen sein. Es erhellt nämlich, daß die spekulative Darstellung sich in verschiedener Weise im Medium der Anschauung bzw. Vorstellung „aufhalten“ und auf die in diesem Medium entstehenden Einfälle und Reflexionen einlassen kann. Was allerdings diese verschiedenen Weisen der Vermittlung durch die Anschauung bzw. Vorstellung bedeuten, ist damit noch nicht gesagt. Dies aufzuzeigen, ist eben die Aufgabe. Zunächst aber ist die Einsicht gewonnen, daß hinsichtlich der Darstellung der Philosophie Hegels auf einen Spielraum zu achten ist, der in erster Linie nicht das Ergebnis von „zufälligen Umständen“ im vulgären Verstand, sondern Ausdruck der Mitte und der Breite des spekulativen Denkens selbst ist. Die obigen Überlegungen lassen sich in einigen Punkten zusammenfassen: (1) Hegel ist sich durchaus bewußt, daß seine Darstellungen wegen äußerer Umstände unvollkommen sind. (2) Von der Sache selbst her besteht ein Spielraum von Möglichkeiten oder Arten der Darstellung, die dem spekulativen Begriff mehr oder weniger angemessen sind. (3) Daß Hegel die Form des Satzes als inadäquaten und sogar falschen Ausdruck des Wahren betrachtet, kann für ihn nicht bedeuten, daß er die Unmöglichkeit oder auch Unfähigkeit der Darstellung der Wahrheit behauptet oder auch nur empfindet. Für ihn ist das Wahre nur in seiner Darstellung^®. (4) Für den Interpreten der Werke Hegels ergibt sich die Einsicht, daß sein Weg von der Meinung zum Begriff führt. Als Interpretationsregel muß ihm gelten: „... die Meinung erfährt, daß es anders gemeint ist, als sie meinte; und diese Korrektion seiner Meinung nötigt das Wissen, auf den Satz zurückzukommen und ihn nun anders zu fassen.“^' In bezug auf diesen Punkt besteht eine radikale Differenz zwischen Heidegger und Hegel. Es ist charakteristisch für Heidegger, auf das „Schwierige, das aus der Sprache kommt“ {Identität und Differenz. Pfullingen 1957. 72), zu verweisen. ** Phän. 52.

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A. Problemstellung

4. Darstellung und enzyklopädisches System: die Problematik der „drei Schlüsse“

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Auf Grund der bisherigen Ausführungen ist es möglich, die Problematik der Darstellung hinsichtlich der Werke Hegels und seines Systems in vertiefter Weise erneut aufzugreifen und zu entfalten. a) Phänomenologie des Geistes, System und Enzyklopädie Es dürfte von vornherein klar sein, daß hinsichtlich der enzyklopädischen Darstellung des Systems die Phänomenologie des Geistes eine Sonderstellung einnimmt. Ursprünglich als Einleitung ins System und gleichzeitig als erster Teil des Systems konzipiert, ist sie in ihrer endgültigen Gestalt in einer Hinsicht das ganze System, also die Darstellung des Ganzen. Gibt es also bei Hegel mehr als eine Darstellung des Ganzen? Ist das Problem schon durch die Versicherung oder gar Feststellung gelöst, daß der spätere Hegel sein Systemkonzept geändert hat? In der Tat wird diese Auffassung von sehr vielen Interpreten vertreten, zuletzt noch von H. F. FULDA in seiner bedeutsamen Arbeit Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik^^, wenn er auch im Unterschied zu anderen Interpreten ausdrücklich und eingehend nach der Stellung des Werkes von 1807 im späteren System fragt und eine Antwort darauf zu geben versucht. Ist aber sein Lösungsversuch, demzufolge der Phänomenologie des Geistes im späteren System die Funktion einer systemexternen Beglaubigung der Wissenschaft zufällt*®, überhaupt haltbar? Was kann ein System bedeuten, das auf eine systemexterne Darstellung des Ganzen angewiesen ist? Drängt sich hier nicht die Frage nach Sinn, Möglichkeiten und Weisen der Darstellung auf? Hegel hat sein System in der Form einer Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse zum erstenmal 1817 vorgelegt und diese Darstellungsform, trotz einer beträchtlichen Erweiterung einzelner Partien, nicht mehr geändert**. Ist jedoch diese Darstellungsform dem Begriff angemessen? Wie ist aber überhaupt die Frage nach einer anderen Darstellungsform zu stellen? Diese Problematik kann durch einen Hinweis auf den Anfang und auf das Ende der Enzyklopädie präzisiert werden. Frankfurt/M. 1965. Vgl. Fulda a.a.O. 300. “ Kurz vor seinem Tode im Jahre 1831 bemerkte Hegel in der neubearbeiteten Fassung der Wissenschaft der Logik zu seinem Plan von 1807: „An die Stelle des im folgenden erwähnten Vorhabens eines zweiten Teils, der die sämtlichen andern philosophischen Wissenschaften enthalten sollte, habe ich seitdem die Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften ... ans Licht treten lassen“ (WL I 7; Anm. von 1831). Es ist zu beachten: die Enzyklopädie ist an die Stelle des früheren Planes getreten. Eine Darstellung des Ganzen in der Gestalt einer Phänomenologie des Geistes, der spekulativen Philosophie (d. h. Logik) und der Wissenschaften der Natur und des Geistes wurde also von Hegel nicht mehr ins

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I. Die Problematik der Darstellung

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Es ist zuerst zu fragen, wie Hegel das Verhältnis von System und Enzyklopädie auffaßt und angibt. Daß die Wissenschaft die Gestalt des Systems haben muß, steht für Hegel außer Frage. Doch wäre es falsch zu sagen, daß diese Annahme eine oder gar die Voraussetzung des Hegelschen Systems bildet, solange jedenfalls unter „Voraussetzung“ ein mehr oder weniger willkürliches oder unbewiesenes Prinzip verstanden wird. In Wirklichkeit ist diese „Annahme“ bei Hegel der allgemeine Ausdruck, nicht einer nur angekündigten oder behaupteten, sondern der tatsächlich ausgeführten Wissenschaft. Der Grund für den notwendigen Systemcharakter der Wissenschaft liegt für Hegel darin, daß „das Wahre als konkret nur als sich in sich entfaltend und in Einheit zusammennehmend und -haltend, d. i. als Totalität ist, und nur durch Unterscheidung und Bestimmung seiner Unterschiede die Notwendigkeit derselben und die Freiheit des Ganzen sein kann“^®. Man redet an der Sache vorbei, wenn man nicht den Sinn des Systemscharakters des Hegelschen Denkens genauestens beachtet. „System“ hat bei Hegel nichts zu tun mit apriorisch-deduktiver Konstruktion der Wirklichkeit; dies zu zeigen, wird eine der Aufgaben dieser Arbeit sein. „System“ bei Hegel bedeutet schlicht folgendes: „Ein Inhalt hat allein als Moment des Ganzen seine Rechtfertigung, außer demselben aber eine unbegründete Voraussetzung oder subjektive Gewißheit.. .“*® Die These von der notwendigen Systemgestalt besagt also, daß die Wahrheit des Einzelnen nur im Gesamtzusammenhang, nur auf der „Ebene“ des Ganzen aufgehen kann. Dies bedeutet keine Einengung der Wahrheit oder Wirklichkeit; darin liegt im Gegenteil die Forderung, jede Einseitigkeit zu überwinden, und die Aufforderung, das Eigene eines jeden Einzelnen aufzuzeigen. Denn das Eigene oder die Wahrheit des Einzelnen ist nur im „Raum“ der Freiheit des Ganzen möglich und wirklich. Das Ganze als System ist somit der unbedingte Freiheitsraum. Es ist klar, daß alle diese Ausdrücke und Formulierungen nur allgemeine Einsichten enthalten, die erst durch die konkrete Darstellung sich als wahr im Sinne dessen, was sie selbst „bedeuten“, erweisen können. Daß die Wissenschaft notwendigerweise die Gestalt des Systems hat, besagt weiter, daß sie notwendigerweise die systematische Darstellungsform verlangt. Es ist nun denkbar, daß diese systematische Darstellungsform wieAuge gefaßt. Was folgt daraus? Jedenfalls dies: Wissenschaft der Logik, Philosophie der Natur und Philosophie des Geistes bilden einen selbständigen, nicht mehr auf die Phänomenologie des Geistes angewiesenen „Zusammenschluß“ des Ganzen. Was wird aber aus dem phänomenologischen Zusammenschluß des Ganzen, der doch im Werke von 1807 versucht wurde? Wie immer man dieses Problem lösen mag, eines muß dabei gezeigt werden: wie die einmal für möglich gehaltene und versuchte phänomenologische Darstellung des Ganzen zu erklären ist. « Enz. § 14. « Enz. § 14 A.

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A. Problemstellung

der in verschiedener Weise konkretisiert werden kann. Hegel hat eine einzige Darstellung des ganzen Systems vorgelegt: die enzyklopädische. Er charakterisiert folgendermaßen den enzyklopädischen Charakter der Darstellung: „Als Enzyklopädie wird die Wissenschaft nicht in der ausführlichen Entwicklung ihrer Besonderung dargestellt, sondern ist auf die Anfänge und die Grundbegriffe der besonderen Wissenschaften zu beschränken.“^^ Daß hier von den Anfängen und Grundbegriffen der besonderen Wissenschaften die Rede ist, bedeutet nicht, daß die Einheit der Wissenschaft verkannt oder gar geleugnet wird, denn Hegel bemerkt gleich anschließend: „Das Ganze der Philosophie macht ... wahrhaft Eine Wissenschaft aus, aber sie kann auch als ein Ganzes von mehreren besondern Wissenschaften angesehen werden.“^® Aber eine andere Frage ist, ob und wie diese Einheit der Wissenschaft in der enzyklopädischen Gestalt des Systems zur Darstellung kommt. Daß sie auch in der Enzyklopädie in irgendeiner Weise behauptet und aufgezeigt wird, steht außer Frage, da sonst jeder Zusammenhang unter den drei „besonderen“ Wissenschaften geleugnet werden müßte. Zwar schließt der enzyklopädische Gharakter der Darstellung, so betont Hegel, eine erschöpfende Ausführung der Ideen ihrem Inhalte nach aus und „beengt“ vor allem „die Ausführung ihrer systematischen Ableitung, welche das enthalten muß, was man sonst unter dem Beweise verstand, und was einer wissenschaftlichen Philosophie unerläßlich ist“^®. Aber Hegel betont ebenfalls, daß diese „Beengung“, so groß sie auch sein mag, nicht so weit geht, daß das „Methodische des Fortgangs“ oder die „durch den Begriff zu geschehende Vermittlung“ nicht „hinreichend“ zur Darstellung käme®®. Wäre dies nicht so, so könnte nicht mehr von einer philosophischen Enzyklopädie die Rede sein; denn in diesem Fall hätte man es mit einer bloßen Sammlung von Kenntnissen zu tun, deren Einheit eine bloß äußerliche, empirische, nicht eine begriffene wäre. Hegel geht noch einen Schritt weiter, indem er den in der Enzyklopädie „hinreichend“ dargelegten Fortgang des Begriffs von jener „in philosophischen Gegenständen gewöhnlich gewordenen Manier“ unterscheidet, die ein fertiges Schema voraussetzt und auf alle „Materien“ in äußerlicher Weise anwendet.Enzyklopädische Darstellung bedeutet also nicht unwissenschaftliche Darstellung. Aber damit ist die oben gestellte Frage nach der Einheit der Wissenschaft in der enzyklopädischen Darstellung des Systems nur zum Teil beantwortet. Es ist nämlich zu beachten, daß Hegel sich sehr verschlüsselt ausdrückt: das Ganze der Philosophie mache wahrhaft Eine Wissenschaft aus, aber sie « Enz. § 16. Vorrede zur 1. Ausgabe der Enz. 20. 51 Vgl. Enz. 20-21.

■** Enz. § 16 A. 5» Vgl. ebd.

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I. Die Problematik der Darstellung

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könne auch als ein Ganzes von mehreren besonderen Wissenschaften angesehen werden. Vergleicht man mit dieser Aussage das oben über die Phänomenologie des Geistes Gesagte, daß sie nämlich in einer Hinsicht die Darstellung des Ganzen ist, und bedenkt man, daß es sich um die Wissenschaft der Phänomenologie des Geistes (und zwar um eine Wissenschaft) handelt, so wird sofort klar, daß die Einteilung der Enzyklopädie in mehrere besondere Wissenschaften ein Darstellungsproblem aufwirft. Ist es möglich oder gar notwendig, die die Philosophie ausmachende Eine Wissenschaft in ihrem Einheitsc\i3.Takxer anders darzustellen als dies in der Enzyklopädie geschieht? In der enzyklopädischen Darstellung zerfällt die Wissenschaft in drei Teile, die nacheinander dargestellt werden®^. Sie sind nur Bestimmungen der Idee selbst, so daß „diese es nur ist, die sich in diesen verschiedenen Elementen darstellt“®®. Das Ganze der Wissenschaft ist somit das Ganze der Darstellung der Idee; die Einheit der Wissenschaft ist die Einheit der Idee. Wie kommt diese Einheit in der Einteilung, in der dreite?7igen Darstellung zum Ausdruck? Ist eine solche Frage von vornherein gegenstandslos? Ist nicht einfach darauf hinzuweisen, daß das Ganze eben nur durch die Darstellung seiner Teile zur Darstellung zu bringen ist, womit die gestellte Frage sich von selbst erledigt? Dies ist in der Tat die allgemeine Auffassung der Hegel-Interpreten. Dennoch kann das hier vorliegende Problem nicht ohne weiteres aus der Welt geschafft werden. Es ist nämlich zu bedenken, daß in der Enzyklopädie die Einheit der Wissenschaft bzw. der Idee unter die logischen Bestimmungen Teil-Ganzes subsumiert wird. Nun gehören diese Bestimmungen zur logischen Sphäre des Wesens (der Reflexion, des Verhältnisses), nicht zur Sphäre des Begriffs. Schon von daher kann nicht gesagt werden, daß nach der immanenten Konsequenz des Hegelschen Denkens die enzyklopädische Darstellung als die adäquate Darstellung der (Einheit der) Wissenschaft bzw. der Idee angesehen werden kann. Aber nicht nur dies: Wie aus späteren Überlegungen hervorgehen wird®^, wird die Höhe des Begriffs, d. h. hier: die Höhe der Einheit einer Totalität, nicht nur an den dabei verwendeten Kategorien oder Denkbestimmungen selbst „gemessen“, sondern sie Aufgrund der hier entfalteten Problematik erhält jetzt der Ausdruck „enzyklopädische Darstellung des Systems“ einen neuen Sinn, der für die weiteren Ausführungen der einzige relevante sein wird: dieser Ausdruck bezeichnet jetzt jene Darstellungsform des Systems, der die Aufgliederung der Einen Wissenschaft in drei Teile - und zwar in der Reihenfolge Logik-Natur-Geist - zugrunde liegt. Dieser Bedeutung zufolge wäre auch dann von einer enzyklopädischen Darstellung des Systems bei Hegel zu sprechen, wenn er jeden dieser Teile nach der genannten Reihenfolge ausführlich (also nicht „enzyklopädisch“ gemäß der ersten Bedeutung dieses Ausdrucks) dargestellt hätte. Enz. § 18 A. Vgl. unten 221 f.

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A. Problemstellung

hängt auch, und zwar entscheidend, von der Weise ab, wie diese Kategorien oder Bestimmungen selbst begriffen werden. Im Hinblick auf den gegenwärtigen Zusammenhang unserer Überlegungen bedeutet dies: Wenn hier die Verhältnisbestimmungen Teil-Ganzes verwendet werden, so ist damit noch nicht gesagt, daß diese Bestimmungen auch ihrem eigenen, immanenten Begriffsgehalt gemäß begriffen und dementsprechend verwendet werden. Dasjenige Denken, welches solche Bestimmungen verwendet, kann sich noch durchaus auf einer niedrigeren Ebene des Begriffs, nämlich in der Sphäre der Se/nsbestimmungen, „halten“. Letzlich entscheidend sind also nicht die verwendeten Denkbestimmungen, entscheidend ist die Weise ihrer Verwendung®®. Von hier aus ist erneut die Frage zu stellen: Wie wird in der enzyklopädischen Darstellung die Einheit der Wissenschaft bzw. der Idee begriffen und aufgezeigt? Bei der Angabe der Teile der Wissenschaft bemerkt Hegel, die Vorstellung der Einteilung habe „das Unrichtige, daß sie die besondern Teile oder Wissenschaften nebeneinander hinstellt, als ob sie nur ruhende und in ihrer Unterscheidung substantielle, wie Arten, wären“®®. Gleich zu Anfang also wehrt Hegel ein unangemessenes Verständnis ab®^. Aber was besagt dieses Abwehren? Jedenfalls kann es nicht verhindern, daß die Teile der Wissenschaft, wenn nicht gerade nebeneinander hingestellt, so doch nacheinander dargestellt werden. Dies läßt die Frage auftauchen: Wenn die Vorstellung der Einteilung überwunden werden muß, heißt das nicht, daß auch diese Ebene der Darstellung zu überwinden ist? Zur Verdeutlichung dieser Fragestellung muß auf die Logik verwiesen werden. Auch hinsichtlich der Kategorien des Seins und der Reflexionsbestimmungen des Wesens gilt es, daß die Vorstellung überwunden werden muß; denn diese Kategorien bzw. Bestimmungen müssen begriffen werden, d. h. ihre Dialektik muß aufgezeigt und dargestellt werden. Dies hat nun zur Folge, daß man nicht auf der Ebene dieser Denkbestimmungen stehenbleiben darf, sondern zu einer “ Dies gilt allerdings nur in einer Richtung; eine niedrige Verwendung oder ein niedriges Begreifen aller (logischen) Bestimmungen ist möglich; in strenger Konsequenz zu den fundamentalen Einsichten der Hegelschen Philosophie kann aber nicht gesagt werden, daß ein „höheres“ (d. h. hier: ein dem Begriff als Begriff angemessenes) Denken nur mit Kategorien oder Denkbestimmungen der unteren logischen Sphäre operieren kann; wohl aber kann gesagt werden, daß dieses höhere Denken sich darauf beschränken kann, „nur* die unteren logischen Sphären als seinen Gegenstand zu betrachten: eben dies geschieht in der Logik des Seins und des Wesens. Enz. § 18 A. ” Wie sidi später zeigen wird (unten 191 ff), ist das, was Hegel hier - wie sonst oft „Vorstellung“ nennt, nicht nur als eine Vorstufe, sondern ebenfalls als eine Unterstufe des Denkens (vorstellendes oder reflektierendes Denken) aufzufassen. Im übrigen ist zu bemerken, daß „Vorstellung“ oft von Hegel verkürzt auch für „Anschauung“ genommen wird.

I. Die Problematik der Darstellung

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höheren Sphäre, zum Begriff, fortschreiten muß, was ja schon dadurch geschieht, daß von dieser höheren Sphäre aus eben das Begreifen jener unteren Sphären erfolgt. Gilt nun nicht dasselbe von der enzyklopädischen Darstellung bzw. von der Aufforderung, die Vorstellung der Einteilung zu überwinden? Die Überwindung der Vorstellung der unteren Stufen oder Sphären des Begriffs impliziert in der Tat auch die Überwindung dieser Sphären selbst.

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b) Die „drei Schlüsse“ Hat sich Hegel über diese Zusammenhänge seines Denkens explizit geäußert? Hegels zentrale Aussagen über die hier aufgerollte Problematik finden sich in den drei letzten Paragraphen der ersten und dritten Ausgabe der Enzyklopädie, in denen er die Lehre von den „drei Schlüssen“ vorlegü®. Erst die bisherigen Überlegungen eröffnen den Zugang zum Sinn und zur zentralen methodischen Bedeutung dieser Lehre. In ihr legt Hegel drei Stufen des (Zusammen-)Schlusses des Ganzen dar. Der erste Schluß hat das Logische zum Grund und Ausgangspunkt: die Natur bildet die Mitte, die den Geist mit dem Logischen zusammenschließt. „Das Logische wird zur Natur, und die Natur zum Geiste.“®® In diesem Schluß hat „die Vermittlung des Begriffs .. . die äußerliche Form des Übergehens, und die Wissenschaft die des Ganges der Notwendigkeit, so daß nur in dem einen Extreme die Freiheit des Begriffs als sein Zusammenschließen mit sich selbst gesetzt ist“®®. Der zweite Schluß steht auf dem Standpunkt des Geistes und der geistigen Reflexion: der Geist ist die Mitte, die die Natur voraussetzt und mit dem Logischen zusammenschließt. Mit dem dritten Schluß wird der Standpunkt der Idee der Philosophie erreicht: die Mitte ist die sich wissende Vernunft, die sich in Geist und Natur entzweit. Die Aufschlüsselung dieser Lehre ist eine der schwierigsten Aufgaben der Hegel-Interpretation. Sie ist aber auch eine der wichtigsten Aufgaben, denn von einem Verständnis dieser Paragraphen hängt die Interpretation des ganzen Hegelschen Denkens in entscheidender Weise ab. Noch sind wir an dieser Stelle nicht in der Lage, eine Interpretation dieser Lehre vorzulegen. Aufgabe dieser ersten üntersuchung ist es zunächst, in angemessener Weise zu dieser Fragestellung hinzuführen. Hier ist nur noch einiges anzumerken, was sich aus den bisherigen Überlegungen für eine Interpretation der drei Schlüsse unmittelbar ergibt. HEnz. §§ 475-477; Enz. §§ 575-577. Merkwürdigerweise sind diese drei letzten Paragraphen in der 2. Ausgabe der Enzyklopädie nicht enthalten. An ihrer Stelle bringt Hegel ein Zitat aus der Metaphysik des Aristoteles, das auch in der 3. Ausgabe beibehalten wird. =» Enz. § 575. «« Ebd.

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A. Problemstellung

Es dürfte zunächst einleuchten, daß in der Lehre der drei Schlüsse die Problematik der Darstellung des Systems zur Sprache kommt. Darüber, daß Hegel im ersten Schlüsse den - jedenfalls äußeren — Gang der enzyklopädischen Darstellung beschreibt, dürfte kein Zweifel bestehen. Was bedeuten bzw. bezwecken aber die beiden anderen Schlüsse? Wie sind sie zu interpretieren: als abschließende methodologische Erwägungen Hegels über diö in der Enzyklopädie abgehandelten drei philosophischen Disziplinen oder als Angaben weiterer einzelner philosophischer Disziplinen oder schließlich als Andeutungen anderer Darstellungsweisen des Ganzen®^? Hier sei nur auf einen zentralen Gesichtspunkt hingewiesen, der nichts anderes als die Zusammenfassung aller bisherigen Überlegungen ist. Die drei Schlüsse sind jedenfalls „Reflexionen“ über den Zusammenschluß des Ganzen und seiner Teile. Sie legen andererseits drei Weisen dieses Zusammenschlusses dar, die nicht gleichgültig aufeinander bezogen sind, sondern sich als die jeweils angemessenere Weise des Zusammenschlusses erweisen (äußerliches Übergehen — Reflexion - Entwicklung). An genau diesem Punkt nun ist auf die schon einmal zitierte Stelle über den spekulativen Satz zu verweisen, wo es heißt: „Daß die Form des [gewöhnlichen] Satzes aufgehoben wird, muß nicht nur auf unmittelbare Weise geschehen, nicht durch den bloßen Inhalt des Satzes. Sondern diese entgegengesetzte Bewegung des Satzes muß ausgesprochen werden; sie muß nicht nur jene innerliche Hemmung [die das Denken erfährt, indem es in der spekulativen Bewegung des Satzes den festen Halt am Subjekt verliert], sondern dies Zurückgehen des Begriffs in sich muß dargestellt sein. Diese Bewegung ... ist die dialektische Bewegung des Satzes selbst. Sie allein ist das wirkliche Spekulative, und nur das Aussprechen derselben ist spekulative Darstellung.“^^ Die heute fast ausschließlich®® vertretene Auffassung, derzufolge die drei Schlüsse nur als eine nachträgliche meDie Frage darf nicht darauf reduziert werden, ob der zweite Schluß den Flinweis auf andere Werke Hegels enthält; denn auch wenn der zweite Schluß nicht als Hinweis etwa auf die Phänomenologie des Geistes von 1807 interpretiert werden könnte, so wäre dies noch kein Beweis für die These, daß die drei Schlüsse als Selbstinterpretation der enzyklopädischen Darstellung des Systems zu verstehen sind. Es könnte nämlich sein, daß der zweite und dritte Schluß Überlegungen über andere Darstellungsmöglichkeiten enthalten, ohne daß Hegel dabei an ein schon ausgeführtes Werk konkret gedacht hätte. Phän. 52-53 (Hervorhebung im letzten Satz von mir). Diese These wird heute vor allem von H. F. Fulda verfochten (vgl. sein oben 40 Anm. 42 zitiertes Budi 284 ff), dem aber andere bedeutende Hegel-Forsdier beipflichten, wie z. B. J. Gauvin, der sogar meint: „Ä mon avis, une teile interprAation devrait devenir classique et balayer une fois pour toutes [!] les interpretations qui voient dans ces textes une Orientation que Hegel donnerait vers des ceuvres autres que VEncyclopedie elle-meme“ (Hegel-Studien 4 [1967], 247). Mit dieser Auffassung, die sowohl Grund als auch Folge der von Fulda versuchten Deutung der Stellung der Phänomenologie des Geistes im späteren System ist, wird sich diese Arbeit noch ausführlich auseinandersetzen (vgl. unten 326 ff).

I. Die Problematik der Darstellung

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thodologische Reflexion über die enzyklopädische Darstellung des Systems zu deuten sind, dürfte es schwer haben, dem zitierten Text einen plausiblen Sinn abzugewinnen bzw. zu zeigen, daß der Text ohne Bedeutung für die Problematik der drei Schlüsse ist. Es ist nämlich zu beachten, wie schon oben gezeigt wurde, daß „Satz“ bei Hegel in einem sehr weiten Sinn zu nehmen ist, so daß darunter auch jede Sphäre, jeder Teil, jede einzelne Wissenschaft und schließlich das ganze System zu verstehen ist. Wenn es nun feststeht, daß der erste Schluß den Gang der enzyklopädischen Darstellung kennzeichnet, und wenn dieser Gang als die äußerliche Vermittlungsform des Übergehens bezeichnet wird, muß dann nicht gesagt werden, daß dieser Gang als ein noch nicht spekulativer (oder als ein nur unmittelbar spekulativer) „Satz“ aufzufassen ist? Entspringt andererseits nicht daraus die Forderung, das Spekulative dieses Ganges auszusprechen, es zur angemessenen Darstellung zu bringen? Nun ist aber eine nachträgliche rückblickende bzw. zusammenfassende Reflexion noch kein Aussprechen, keine Darstellung des Ganzen, da der Gang als solcher nur nachträglich, gleichsam äußerlich, nicht in sich selbst zur spekulativen Ebene erhoben wird. Mit anderen Worten: Die dialektische Bewegung als das wirkliche Spekulative muß eben das Ganze als solches „innerlich“ durchziehen. Was ist dies anderes als eine andere, weitere Darstellung des Ganzen? II. DIE PROBLEMATIK DERLOGIK ALS METHODE UND STRUKTUR DES GANZEN

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1. Die Logik als Methode und Struktur Wie immer man Hegels Werke hinsichtlich ihrer jeweiligen Stellung im systematischen Ganzen einschätzen mag, eines dürfte dabei von Anfang an außer Diskussion stehen: die mit keiner anderen (Teil-)Wissenschaft vergleichbare Stellung und Bedeutung der Wissenschaft der Logik. Wie Ist aber die Logik Hegels zu interpretieren? An den Anfang der folgenden Überlegungen soll ein Zitat gestellt werden, in dem Hegel in kurzer und bündiger Formulierung einige wesentliche Zusammenhänge seines Denkens zur Sprache bringt. Er schreibt in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes: „Von der Methode dieser Bewegung oder der Wissenschaft könnte es nötig scheinen, voraus das Mehrere anzugeben. Ihr Begriff liegt aber schon in dem Gesagten, und ihre eigentliche Darstellung gehört der Logik an oder ist vielmehr diese selbst. Denn die Methode ist

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A. Problemstellung

nichts anderes als der Bau des Ganzen in seiner reinen Wesenheit aufgestellt.Zunächst sei darauf hingewiesen, daß Sinn und Rechtfertigung des zweiten und dritten Ausdrucks im Haupttitel dieser Arbeit („Methode“ und „Struktur“) in diesem Zitat enthalten sind. Der Terminus „Struktur“ kommt bei Hegel nicht vor, wohl aber finden sich bei ihm entsprechende Ausdrücke, wie zum Beispiel hier der Ausdruck „Bau“ oder an anderen Stellen der Ausdruck „Gerüst“®®. Die Herausarbeitung des genauen Sinnes von „Struktur“ bei Hegel ist eine der Hauptaufgaben dieser Arbeit®®. Über die Methode Hegels ist unübersehbar viel geschrieben worden. Es liegt nicht in der Absicht dieser Arbeit, auf diese immense Literatur einzugehen und zu ihr explizit Stellung zu nehmen. Die Frage der Methode bei Hegel kann auf sehr unterschiedlichen Ebenen des Verstehens und der Problematik gestellt und behandelt werden. Für die Absicht dieser Arbeit ist es geboten, nicht bei Vorfragen oder bei unwesentlichen Fragen stehenzubleiben, sondern möglichst rasch zum Kern der Sache vorzudringen. Diesen Kern der Problematik spricht Hegel im angeführten Zitat aus der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes an. Was die unwesentlichen Fragen um die Methode angeht, so werden sie von Hegel knapp geklärt, und man muß sich wundern, wie eine beinahe unübersehbare Literatur die „dialektische Methode“ Hegels zu behandeln vorgibt, ohne den wesentlichen Punkt zu erreichen. Es sei hier nur auf einen solchen Aspekt kurz hingewiesen: auf die Versuche, Hegels Methode als formalistisch gefaßte Triplizität zu erklären bzw. zu kritisieren. Hegel hat seine Methode nie als dialektischen Dreitakt von Thesis, Antithesis und Synthesis ausgelegt®^. In der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes wendet er sich unmißverständlich gegen den Formalismus im Gebrauch der Triplizität, „durch den wir sie zum leblosen Schema, zu einem eigentlichen Schemen, und die wissenschaftliche Organisation zur Tabelle herabgebracht sehen“®®. Und am Ende der Wissenschaft der Logik liefert Hegel im voraus eine Kritik aller falschen und unangemessenen Behandlungen und Auffassungen seiner Methode, eine Kritik, die man nicht Phän. 40. Vgl. z. B. folgende für die Problematik dieser Arbeit sehr ergiebige Stelle, auf die noch öfters zurückzukommen sein wird: „Die reinen Bestimmungen von Sein, Wesen und Begriff machen . . . auch die Grundlage und das innere einfache Gerüste der Formen des Geistes aus...“ (WL II 224). Vgl. unten 229 ff. Auszunehmen ist eine einzige Stelle in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, an der Hegel aber nur referiert, wie Kants „Instinkt“ das „geistlose Schema der Triplicität“ anwendet und „allenthalben Thesis, Antithesis und Synthesis“ aufstellt (Werke. Bd 15. 610). Vgl. dazu G. E. Mueller: The Hegel legend of „thesis-antithesis-synthesis“. In: Journal of the History of Ideas 19 (1958), 411-414. Phän. 41.

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II. Die Logik als Methode und Struktur

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genug betonen kann: „Der Formalismus hat sich zwar der Triplizität gleichfalls bemächtigt und sich an das leere Schema derselben gehalten; der seichte Unfug und das Kahle des modernen philosophischen sogenannten Konstruierens, das in nichts besteht, als jenes formelle Schema ohne Begriff und immanente Bestimmung überall anzuhängen und zu einem äußerlichen Ordnen zu gebrauchen, hat jene Form langweilig und übel berüchtigt gemacht.“®* Bei solchen falschen oder unzureichenden Auffassungen der Hegelschen Methode wird sich diese Arbeit nicht aufhalten. Andererseits ist wenig getan, wenn andere bekannte Formulierungen Hegels immer nur wiederholt werden, ohne daß deren Sinn erschlossen wird, so z. B. die eminent wichtigen Aussagen über die Methode als „immanente Seele der Sache“, über die Identität von Methode und Sache und dgl. Es ist keineswegs zufällig, daß der systematische Ort, an dem Hegel die wesentlichen Elemente seines Verständnisses der Methode in gedrängter Form expliziert, das letzte Kapitel der Wissenschaft der Logik ist. Denn die Frage der Methode bei Hegel ist die Frage nach dem Sinn der Logik: „Diese Natur der wissenschaftlichen Methode, teils von dem Inhalte ungetrennt zu sein, teils sich durch sich selbst ihren Rhythmus zu bestimmen, hat... in der spekulativen Philosophie [= in der Logik] ihre eigentliche Darstellung.“^® Erst auf dieser Ebene ist die Frage nach der Methode adäquat formuliert. Hier beginnen die Probleme. Wenn die eigentliche Darstellung der Methode der Logik angehört und sogar diese selbst ist, dann fragt sich sofort, wie Hegel eine Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins bzw. eine Phänomenologie des Geistes als Hinführung zum Standpunkt der Logik ins Auge fassen konnte. Wie immer es um diese Problematik in allen ihren Aspekten bestellt sein mag, wichtig in diesem Zusammenhang ist die Feststellung, daß Hegel die eigentliche Darstellung der Methode in der Logik sieht und gleichzeitig den Standpunkt der Logik als Ergebnis einer anderen Wissenschaft betrachtet’^'. Was kann hier „Methode“ bedeuten? Wie ist jene Wissenschaft selbst methodisch konstituiert, die den Standpunkt der Logik als der eigentlichen Darstellung der Methode erst hervorbringen muß? Mit anderen Worten: Wie ist das Verhältnis zwischen Phänomenologie des Geistes und Wissenschaft der Logik zu deuten? Wir erreichen hier auf einer

«9 WL II 498. Phän. 47. 9* Jedenfalls in der Wissenschaft der Logik ist die Phänomenologie des Geistes die notwendige Voraussetzung des logischen Standpunkts; in der Enzyklopädie wird die Phänomenologie in ihrer Gestalt von 1807 nur noch als ein früher unternommener Aufweis des Standpunkts der Wissenschaft erwähnt (vgl. unten 308 ff).

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A. Problemstellung

neuen Basis eines der eingangs erwähnten klassischen Probleme der HegelInterpretation^^. Die Identifizierung der Darstellung der Methode mit der Logik läßt aber nicht nur das Problem von Möglichkeit und Sinn der Phänomenologie des Geistes entstehen; sie läßt auch und vor allem den Sinn der Hegelschen Logik selbst verschärft zum Problem werden. Als erklärende Begründung für diese Identifizierung schreibt Hegel: „Denn die Methode ist nichts anderes als der Bau des Ganzen in seiner reinen Wesenheit aufgestellt.“^® Hegels Begründung ist also eine Wesensaussage über die Methode. Sagt man statt „Bau“ „Struktur“, so werden in dieser Aussage Mediode und Struktur identifiziert. Ferner werden beide auf das Ganze bezogen, und zwar in einer doppelten Hinsicht: einmal im Sinne einer Identität (Koextensität) von Methode bzw. Struktur und Ganzem, zum anderen im Sinne einer Differenz von Methode bzw. Struktur und Ganzem^^. Es handelt sich also jetzt darum, diese Problematik der Koextensität und der Differenz von Logik (= Methode bzw. Struktur) und Ganzem näher herauszuarbeiten.

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2. Identität (Koextensität) von Logik und Ganzem Es ist wichtig zu beachten, daß die Koextensität von Logik und Ganzem zunächst negativ bestimmt wird, und zwar als Resultat der Überwindung jener Standpunkte, die nicht zum Begreifen der Währheit-an-und-für-sich gelangen. Im allgemeinen wird dieses Resultat als die Befreiung des „Gegensatzes des Bewußtseins“ gekennzeichnet: als die Erhebung „über diesen ängstlichen, unvollendeten Standpunkt“, auf welchem eine Betrachtung der Denk- (d. h. Wahrheits-)Bestimmungen, „wie sie an und für sich, ohne eine solche Beschränkung und Rücksicht, das Logische, das Rein-Vernünftige Der verdiente Hegelforscher /. Hyppolite schreibt: „Comment ... s’op^re le passage de la Phenom^nologie au Savoir absolu? Cette question est la question h^g^lienne par excellence ...“ {Logique et existence. Essai sur la Logique de Hegel. Paris 1961. 31). Aber Hyppolite rollt das Problem des Verhältnisses von Phänomenologie und Logik nicht in der in dieser Arbeit angestrebten Breite und Perspektive auf. Phän. 40. Wie die hier ausgesprochene Identifizierung von Methode und Struktur selbst näher zu verstehen ist, sagt Hegel an dieser Stelle nicht. Es wird sich aber nach weiteren ausgedehnten Untersuchungen zeigen, daß die Identität von Methode und Struktur selbst noch zu differenzieren ist: die Methode wird sich als die Bewegung, die Struktur als die Bestimmtheit der Idee erweisen. Erst durch die Herausarbeitung dieser allerletzten Differenz wird sich der volle Sinn der wahrhaft ursprünglichen Identität von Methode und Struktur bei Hegel aufweisen lassen (vgl. unten 229 ff). Bis zur Erreichung dieses Ergebnisses werden „Methode“ und „Struktur“ nicht näher differenziert.

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II. Die Logik als Methode und Struktur

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sind“^®, nicht möglich ist. Hegel beschreibt und kritisiert den auf der vorausgesetzten Trennung von Form (Gewißheit) und Inhalt (Wahrheit) beruhenden „bisherigen Begriff der Logik“^®, die undurchdachte Scheidung von Denken und Gegenstand, Subjekt und Objekt usw. Die neue Gestalt der Logik überwindet diese Dualismen, indem sie die Darstellung der reinen Wissenschaft ist. Diese „ist daher so wenig formell, sie entbehrt so wenig der Materie zu einer wirklichen und wahren Erkenntnis, daß ihr Inhalt vielmehr allein das absolute Wahre, oder wenn man sich noch des Worts Materie bedienen wollte, die wahrhafte Materie ist, - eine Materie aber, der die Form nicht ein Äußerliches ist, da diese Materie vielmehr der reine Gedanke, somit die absolute Form selbst ist.“” Hegels Kritik aller dieser „dualistischen“ Standpunkte, die er etwa in der Einleitung zur 'Wissenschaft der Logik und im Vorbegriff der Logik der Enzyklopädie vorlegt, ist nur eine andere, verkürzte Form jener Wissenschaft, die die Überwindung des Gegensatzes des Bewußtseins zum Gegenstand hat. Die Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins oder die Phänomenologie desGeistes ist ja die kritischwissenschaftliche Darstellung der untergeordneten, der reinen Wissenschaft noch äußerlichen Standpunkte^®. Koextensität von Logik und Ganzem, als Resultat einer Überwindung inadäquater Standpunkte bestimmt, besagt also die Erreichung jenes Standpunktes, auf dem allererst eine Betrachtung der Wahrheit-an-und-für-sich des Ganzen möglich ist. Von hier aus kann nun positiv gesagt werden, wie die Logik als Methode bzw. Struktur des Ganzen zu begreifen ist. Hegel hat für diesen Sachverhalt Sätze geprägt, in denen hauptsächlich Ausdrücke wie „Gedanke“, „Sache“, „Begriff“, „Wahrheit“, „Sein“ u. ä. Vorkommen. Damit der Sinn dieser Sätze zum Problem wird, sollen sie zuerst in extenso angeführt werden. Der Haupttext lautet: „Sie [die reine Wissenschaft] enthält den Gedanken, insofern er ebensosehr die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, insofern sie ebensosehr der reine Gedanke ist. Als Wissenschaft ist die Wahrheit das reine sich entwickelnde Selbstbewußtsein und hat die Gestalt des Selbsts, daß das an und für sich Seiende gewußter Begriff, der Begriff als solcher aber das an und für sich Seiende ist ... Die Logik ist sonach als das System der reinen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens zu fassen. Dieses Reich ist die Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist.'”® An einer anderen wichtigen Stelle zeigt Hegel, daß durch die Einführung des Inhalts in die logische Betrachtung nicht die Dinge selbst zum Ge” WLI 32. ” WL I 31. ™ WL I 30-31.

7« Vgl. m. 124. Vgl. dazu die Untersuchung C (bes. 296 ff, 319 ff).

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A. Problemstellung

genstand werden; was thematisiert wird, ist vielmehr „die Sache“, die Hegel hier den „Begriff der Dinge“®® nennt. Auf dem jetzigen Stand unserer Fragestellung ist es noch nicht möglich, bestimmter anzugeben, wie der positive Sinn der Koextensität von Logik und Ganzem, d. h. wie die Logik als Methode und Struktur des Ganzen zu begreifen ist. Der noch unausgeführte Begriff der Logik als Methode und Struktur des Ganzen kann zwar durch immer weitere allgemeine Formulierungen irgendwie näher umschrieben werden. Solche Formulierungen finden sich auf Schritt und Tritt bei Hegel; solange man aber auf dieser Ebene der allgemeinen Betrachtung, d. h. nur beim „Begriff“ der Logik stehenbleibt, ist diese Kunst der Formulierungen für ein Verständnis der Sache selbst unergiebig.

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3. Differenz von Logik und Ganzem (die Logik als „formelle Wissenschaft’’) Die Koextensität von Logik und Ganzem wird von Hegel nicht undifferenziert behauptet. Schon äußerlich gesehen zeigt sich eine Differenz von Logik und Ganzem darin, daß die Wissenschaft der Logik nicht schlechthin mit dem ganzen System gleichzusetzen ist, da sie - jedenfalls nach der enzyklopädischen Darstellung des Systems - „nur“ der erste Teil der Wissenschaft oder des Systems ist. Lfm die in dieser Differenz von Logik und Ganzem enthaltene Problematik sichtbar zu machen, sei zunächst eine Stelle zitiert, die für die Interpretation dieses Sachverhaltes von fundamentaler Bedeutung ist. Im Kontext einer Betrachtung des Verhältnisses „des Begriffs und seiner Wissenschaft zur Wahrheit selbst“ in der Einleitung in die subjektive Logik finden sich die bedeutsamen Sätze: „Indem es zunächst hier die Logik, nicht die Wissenschaft überhaupt ist, von deren Verhältnisse zur Wahrheit die Rede ist, so muß ferner noch zugegeben werden, daß jene als die formelle Wissenschaft nicht auch diejenige Realität enthalten könne und solle, welche der Inhalt weiterer Teile der Philosophie, der Wissenschaften der Natur und des Geistes, ist. Diese konkreten Wissenschaften treten allerdings zu einer reellem Form der Idee heraus als die Logik .. .“®^ Es sei zunächst bemerkt, daß es für Hegels Denk- und Formulierungsstil auffallend ist, wie er hier redet: es müsse zugegeben werden ... Sodann scheint Hegel sich selbst zu widersprechen, wenn er hier die Logik als formelle Wissenschaft bezeichnet: wird dadurch nicht alles, was er früher über die Logik als Einheit von Form und Materie, über die Einführung des Inhalts in die logische Betrachtung 8» WL 118.

8‘ WL II 230-231.

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II. Die Logik als Methode und Struktur

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usw. ausgeführt hatte, wieder zunichte gemacht? Hegels allgemeine Antwort auf diese Frage könnte etwa so formuliert werden: Die „weiteren Teile der Philosophie“ haben eine noch nicht in der Logik enthaltene „Realität“ (Inhalt) in dem Sinne, daß diese weiteren Teile mit ihrer Realität (Inhalt) eine Intensivierung oder Steigerung jener grundlegenden Identität von Form und Inhalt (Realität), die das Logische „schon“ ist, darstellen. Die Ausdrücke „Intensivierung“ und „Steigerung“ stammen nicht von Hegel; bei ihm finden sich Ausdrücke wie „Realisierung“, „Erfüllung“, „Erweiterung“ u. ä., und zwar in Zusammenhängen, die im Verlauf dieser Arbeit noch genau zu analysieren sein werden. Die grundsätzliche Identität von Form und Inhalt (Realität) wird nicht mehr aufgegeben, sondern nur erweitert und entwickelt. Es ist aber die Frage, wie diese „Erweiterung“ zu fassen ist. Die oben zitierte Stelle ist deshalb so bedeutsam, weil darin genau dieselben Termini, die zur Kennzeichnung der nichtlogischen Wissenschaften dienen, nämlich „Realität“ und „Inhalt“, auch zur Bestimmung des Logischen als solchen verwendet werden. Hegel führt nämlich weiter aus, daß die Logik formelle Wissenschaft ist im Sinne der „Wissenschaft der absoluten Form, welche in sich Totalität ist und die reine Idee der Wahrheit selbst enthält. Diese absolute Form hat an ihr selbst ihren Inhalt oder Realität; der Begriff, indem er nicht die triviale, leere Identität ist, hat in dem Momente seiner Negativität oder des absoluten Bestimmens die unterschiedenen Bestimmungen; der Inhalt ist überhaupt nichts anderes als solche Bestimmungen der absoluten Form, - der durch sie selbst gesetzte und daher auch ihr angemessene Inhalt.“®^ Wie ist diese doppelte Verwendung derselben Termini zu erklären? Diese Frage kann nur durch die ganze Arbeit eine angemessene Antwort erhalten. An dieser Stelle ist darauf zu achten, wie die Frage des Verhältnisses von Logik und Realwissenschaften genau zu stellen und zu formulieren ist. Zunächst läßt sich dazu folgendes sagen: Wenn von einem „Inhalt“ oder einer „Realität“ die Rede ist, die nicht Gegenstand der logischen Wissenschaft, die also nicht rein innerlogisch gemeint ist, so kann dies in keinem Fall im Sinne einer „Umwendung“®® oder Rückkehr zur „Realität“ verstanden werden, so wie sie auf dem Standpunkt des noch nicht überwundenen Gegensatzes des Bewußtseins begegnete und dementsprechend aufgefaßt wurde. Die in der Logik als „formeller Wissenschaft“ implizierte Differenz von Form und Inhalt (Realität) ist von einer schon grundsätzlich erreichten und konsequent durchzuführenden Identität von Form und Inhalt (Realität) her zu fassen, nicht erst „diesseits“ dieser grundsätzlichen Identität oder WL II 231 (Hervorhebung von mir).

85 Vgl. ebd.

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A. Problemstellung

erst im Hinblick auf sie. Die Differenz ist also der Index einer Steigerung (oder auch: einer Einholung, eines Sichzeigens) der ursprünglich-grundsätzlichen Identität von Form und Inhalt (Realität). Freilich wird noch zu zeigen sein, wie dies näher zu verstehen und auszuführen ist. Jedenfalls ist damit die Problemstellung präziser formuliert worden. Um also die Kennzeichnung der Logik als formeller Wissenschaft richtig zu verstehen, ist zu beachten, daß diese Form „von ganz anderer Natur [ist], als gewöhnlich die logische Form genommen wird“®^. Diese Feststellung aber wirft weitere Probleme auf. Warum, so ist zuerst zu fragen, gebraucht Hegel dennoch dieselben Termini, die „gewöhnlich“ auf anderen Ebenen der Betrachtung und des Verständnisses verwendet werden? Darauf läßt sich im Sinne Hegels antworten, daß es jenen spekulativen Sinn zu enthüllen gilt, den ein gegebener Terminus enthält und der dem „gewöhnlichen“ Verständnis des Terminus verborgen bleibt. So findet man im Zusatz zu § 160 der Enzyklopädie folgende Bemerkung über den Terminus „Begriff“: „Dabei muß man . .. den Begriff in einem andern und höhern Sinne auffassen, als solches in der Verstandeslogik geschieht, welcher zufolge der Begriff bloß als eine an sich inhaltslose Form unseres subjektiven Denkens betrachtet wird.“®® Dabei wird die Frage aufgeworfen, „warum, wenn in der spekulativen Logik der Begriff eine so ganz andere Bedeutung hat, als man sonst mit diesem Ausdruck zu verbinden pflegt, dieses ganz Andere hier gleichwohl Begriff genannt und dadurch Veranlassung zu Mißverständnis und Verwirrung gegeben wird?“®® Hegels Antwort ist von eminent hermeneutischer Bedeutung: „Auf solche Frage wäre zu erwiedern, daß wie groß auch der Abstand zwischen dem Begriff der formellen Logik und dem spekulativen Begriff seyn mag, bei näherer Betrachtung es sich doch ergiebt, daß die tiefere Bedeutung des Begriffs dem allgemeinen Sprachgebrauch keineswegs so fremd ist als dies zunächst der Fall zu seyn scheint.“®^ Die Logik Hegels kann in dieser Hinsicht als der Versuch betrachtet werden, den im „gemeinen Sprachgebrauch“ enthaltenen und dem gewöhnlichen Verständnis verborgenen spekulativen Sinn und die spekulative Stellung einer jeder Denkbestimmung aufzuzeigen®®. Wenn nun also einerseits der Sinn von „Form“ bei der Kennzeichnung der Wissenschaft der Logik ganz anders zu nehmen ist als die „logische Form“ gewöhnlich genommen wird und wenn andererseits dieser andere Sinn denEbd. 'ä Werke. Bd 6. 316. *• Ebd. 8’ Werke. Bd 6. 316 f. Zur Frage der Genauigkeit philosophischer Begriffsunterschiede sowie des Verhältnisses der philosophischen Terminologie zur „Sprache des gemeinen Lebens“ ist die wichtige Stelle WL II 356 ff zu beaditen.

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II. Die Logik als Methode und Struktur

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noch die spekulative Explikation des im gewöhnlichen Sprachgebrauch dieses Terminus verborgenen Sinnes ist, so ist daraus zu folgern, daß die Verwendung des Terminus „Form“ zur Kennzeichnung der Logik eine noch tiefere Bedeutung in sich birgt. Diese Verwendung ist dann nämlich nicht zufällig oder „ortlos“; im Gegenteil: sie ist gerade von der Logik her auszulegen und zu situieren. Es muß nämlich daran erinnert werden, daß Hegel die unerbittliche Forderung an die Philosophie stellt, die in unserem Sprechen und Denken implizierten Kategorien zur Ausdrücklichkeit der philosophischen Kritik und Betrachtung zu erheben. Hegel wendet sich mit radikaler Strenge gegen jene, „welche nicht die einfache Reflexion machen mochten, daß ihre Einfälle und Einwürfe Kategorien enthalten, welche Voraussetzungen sind und selbst erst der Kritik bedürfen, ehe sie gebraucht werden“®*. Und er klagt über die unglaublich weite Bewußtlosigkeit in diesem Punkt*®. Es ist von daher nicht denkbar, daß Hegel bei der Kennzeichnung der Logik als formeller Wissenschaft einem bewußtlosen, d. h. einem von der strengen logischen Betrachtung unbeeinflußten oder von ihr unabhängigen Gebrauch von Denkbestimmungen erlegen ist. Zu fragen ist daher, wie die Logik selbst angesichts ihres eigenen Anspruchs bestimmt werden muß, oder anders: welches ihr Selbstverständnis und ihr Standort im Lichte ihrer eigenen Selbstaussage ist. Hier nun enthüllen sich sofort überraschende Zusammenhänge: die Kategorien, mit deren Hilfe Hegel das „höhere logische Geschäft“®^ zu bestimmen und zu erläutern versucht, erhalten innerhalb der Logik selbst eine bestimmte Stelle. Mit anderen Worten: um die Logik als ganze zu de-finieren, rekurriert Hegel auf gewisse Kategorien der Logik selbst. Dies gilt in ganz besonderer Weise für die Kategorien „Form“, „Inhalt“, „Realität“, „Allgemeinheit“, „Besonderheit“. Bedenkt man nun, daß jede Denkbestimmung zu einer bestimmten logischen Sphäre gehört, die ihrerseits einen bestimmten philosophischen Standpunkt ausmacht®*, so ist zu folgern, daß die Wissenschaft der Logik als formelle Wissenschaft auf einem bestimmten philosophischen Standpunkt beruht, und weiter, daß dieser Standpunkt nicht der höchste ist, da die Form noch zur Sphäre der Reflexion (des Wesens, des Verhältnisses, also der Dualität) gehört. Dieser Sachverhalt mutet zunächst sehr befremdlich an; kein Wunder, daß in der Geschichte der Hegel-Interpretation kaum darauf geachtet wurde. Und doch ergibt sich dieser Sachverhalt aus dem einfachen Versuch, die Hegelschen Aussagen miteinander in WL I 20. »» Vgl. ebd. WL I 16. Vgl. z. B. Hegels Einschätzung des „Standpunkts der Substanz“ (Spinoza): dieser Standpunkt ist zwar ein notwendiger, nicht aber der höchste (vgl. WL II 217 ff). Im übrigen vgl. unten 197 ff.

A. Problemstellung

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Verbindung und in Einklang zu bringen, d. h. sie in ihrer Einheit zu begreifen. Indem Hegel die Logik als formelle Wissenschaft versteht und darlegt, formalisiert er die Idee (d. h. hier vorläufig gesagt: die Sache der Philosophie), d. h. er subsumiert die Idee unter die Reflexionsbestimmungen der Form und des Inhalts. Das Unternehmen der Logik ist selbst diese Formalisierung der Idee. Das Verhältnis der Logik zu ihrem Anderen, d. h. zu den „realen“ („inhaltlichen“, „konkreten“) Wissenschaften, stellt sich somit als Verhältnis von Form und Inhalt dar. Es ist daher offenkundig, daß die Eine Wissenschaft, als die Hegel die Philosophie auffaßt®® — und zwar auf der Grundlage einer Einteilung in Logik und Realwissenschaften —, eine Einheit auf der „Höhe“ oder in der „Intensität“ des Reflexionsverhältnisses von Form und Inhalt ist. Wie also die Wissenschaft der Logik als die Methode und Struktur des Ganzen, d. h. wie die Einheit der Wissenschaft aufzufassen ist, dies ist aus der Dialektik und aus der Sprache der Reflexionsbestimmungen FormInhalt zu entnehmen. Wenn man im folgenden Text aus der Logik der Enzyklopädie, in welchem Hegel am klarsten die Dialektik von Form und Inhalt darlegt, den Terminus „Form“ durch „Logik“ bzw. „Methode“ oder „Struktur“ und den Terminus „Inhalt“ durch „realsystematisches Ganzes“ bzw. „konkrete Wissenschaften“ ersetzt, so erhält man eine vollendete Beschreibung der Einheit der Wissenschaft, wie sie sich aus der Bestimmung der Logik als formeller Wissenschaft ergibt: „Bei dem Gegensätze von Form und Inhalt ist wesentlich festzuhalten, daß der Inhalt nicht formlos ist, sondern ebensowohl die Form in ihm selbst hat, als sie ihm ein Äußerliches ist. Es ist die Verdopplung der Form vorhanden, die das einemal als in sich reflektiert der Inhalt, das anderemal als nicht in sich reflektiert die äußerliche, dem Inhalte gleichgültige Existenz ist. Än-sich ist hier vorhanden das absolute Verhältnis des Inhalts und der Form, nämlich das Umschlagen derselben ineinander, so daß der Inhalt nichts ist als das Umschlagen der Form in Inhalt, und die Form nichts als Umschlagen des Inhalts in Form. Dies Umschlagen ist eine der wichtigsten Bestimmungen.“•* Das absolute Verhältnis, von dem hier die Rede ist, hat die drei „Stufen“: das Ganze und die Teile, die Kraft und ihre Äußerung, Inneres und Äußeres. Hegel gebraucht alle diese Verhältnisbestimmungen, um die Einheit der Wissenschaft bzw. das Verhältnis von Logik und Ganzem (bzw. besonderen Wissenschaften) zu

Vgl. oben 41 ff.

Enz. § 133 A.

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II. Die Logik als Methode und Struktur

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charakterisieren®®. Von großer Bedeutung für den Sinn der Logik als formeller Wissenschaft ist auch das Verhältnis von Form und Materie in der Nürnberger Wissenschaft der Logik^^. Wenn man auch hier die Termini wie oben angegeben ersetzt, kann man in diesem Text eine genaue Formulierung des Standortes der Logik erblicken. Der Text lautet: „Weil die Form selbst die absolute Identität mit sich ist, also die Materie in sich enthält, ebenso weil die Materie in ihrer reinen Abstraktion oder absoluten Negativität die Form in ihr selbst hat, so ist die Tätigkeit der Form auf die Materie und das Bestimmtwerden dieser durch jene vielmehr nur das Aufheben des Scheines ihrer Gleichgültigkeit und Unterschiedenheit. Diese Beziehung des Bestimmens ist so die Vermittlung jeder der beiden mit sich durch ihr eigenes Nichtsein, - aber diese beiden Vermittlungen sind Eine Bewegung und die Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Identität, - die Erinnerung ihrer Entäußerung.“®^ „Verdoppelung“, „Umschlagen“, „Aufheben des Scheines der Unterschiedenheit“, „Eine Bewegung“, „Wiederherstellung der ursprünglichen Identität“: in diesen Bestimmungen legt sich die Logik als Methode (bzw. Struktur) des Ganzen selbst aus. Die Frage ist, ob diese Selbstauslegung oder dieses Sichbegreifen nicht notwendigerweise eine entsprechende Darstellung verlangt. Was wäre aber eine Darstellung der Logik als Methode (bzw. Struktur) des Ganzen, die das herausgearbeitete Verhältnis ausdrücklich aufzeigen und bewahrheiten würde? Hegels Bestimmung der Wissenschaft der Logik geschieht nicht nur auf der Grundlage der Verhältnisbestimmungen Form-Inhalt. Hegel setzt nämlich „Form“ nicht aussdiließlich in Verhältnis zu „Inhalt“, sondern auch zu „Materie“ und vor allem zu „Realität“, wie die bisher zitierten Texte zeigen. Wenn Hegel aber ganz allgemein und ohne nähere Präzisierung vom Verhältnis der logischen Idee zur nichtlogischen „Dimension“ spricht, so nennt er diese Dimension häufig „absolutes Anderssein", „absolute Unmittelbarkeit“®®, „Anderssein“®®, „die Seite der vollständigen Objectivität der Idee“^®®. Auf die Problematik der Nennung dieses Anderen wird noch ausführlich einzugehen sein*®^. Vgl. für das zweite und dritte Verhältnis z. B. WL II 486 (die Methode ist äußerliche und innerliche Weise, die unendliche Kraft ...); für das erste Verhältnis z. B. WL II 231, 505 (Totalität). In der Nürnberger Wissenschaft der Logik bildet das Verhältnis von Form und Materie zusammen mit dem Verhältnis von Form und Wesen (erste Stufe) und von Form und Inhalt (dritte Stufe) die Dialektik des absoluten Grundes (WL II 66 ff). In der Logik der Enzyklopädie ist von Materie und Form im Rahmen der Dialektik des Dinges die Rede (§§ 125-130). WL II 71-72. »8 Vgl. WL II 231. M WL II 485. 1»» HEnz. § 17 A. Vgl. unten B III 3 (84 ff).

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A. Problemstellung

Neben der Bestimmung der Logik als formeller Wissenschaft findet sich bei Hegel eine andere bedeutsame Kennzeichnung, die für die Problematik der Logik als Methode (bzw. Struktur) des Ganzen sehr aufschlußreich ist. Im Kapitel über die absolute Idee am Ende der Wissenschaft der Logik will Hegel zeigen, wie die absolute Idee „der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie“ ist. Dazu erläutert er die Zusammenhänge zwischen der logi: sehen Wissenschaft und den anderen Wissenschaften. Einziger Gegenstand und Inhalt der Philosophie, so führt Hegel aus, ist die absolute Idee dadurch, daß „sie alle Bestimmtheit in sich enthält“; indem sie nämlich der Prozeß ihrer Selbstbestimmung und Besonderung ist, „hat sie verschiedene Gestaltungen“. Der Ausdruck „Gestalt“ (bzw. „Gestaltung“) ist bei Hegel charakteristisch für die konkreten oder realen Wissenschaften. Als solche Gestaltungen nennt Hegel hier die Natur und den Geist, die Kunst, die Religion und die Philosophie. Natur und Geist sind verschiedene Weisen, das Dasein der absoluten Idee darzustellen, während Kunst, Religion und Philosophie als die Weisen, wie sich die absolute Idee erfaßt, angesehen werden. Auf diese konkreten Gestaltungen der Darstellung des Daseins bzw. der Selbsterfassung der absoluten Idee wird noch einzugehen sein. Hier soll zuerst die allgemeine Problematik des Standortes der Logik und der Bestimmung ihres Verhältnisses zu den realen Wissenschaften überhaupt herausgearbeitet werden. Indem Hegel den Terminus „Weise“ einführt, um zu erklären, wie die Idee „der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie“ ist, sieht er sich vor die Frage gestellt, ob auch das Logische als eine Weise der absoluten Idee aufzufassen ist. Dies scheint zwingend zu sein, da ja die Logik im Rahmen der enzyklopädischen Darstellung des Systems nur den ersten Teil der Wissenschaft ausmacht. Der Versuch, dieses Problem zu klären, bietet Hegel Gelegenheit, den Sinn des Logischen als Form zu präzisieren. Die „Weise“, sagt Hegel, bezeichnet eine „besondere Art, eine Bestimmtheit der Form“. Und nun führt er zur weiteren Klärung die Bestimmungen „Allgemeinheit“ und „Besonderheit“ ein: während die Erkenntnis der besonderen Weisen der absoluten Idee „das fernere Geschäft der besonderen philosophischen Wissenschaften“ ausmacht, ist „das Logische dagegen die allgemeine Weise, in der alle besondern aufgehoben und eingehüllt sind“^®*. Hier greift also Hegel auf andere Begriffsbestimmungen zurück, um das Verhältnis von Logik und realen Wissenschaften zu erklären. Das Allgemeine und das Besondere sind Bestimmungen des unmittelbaren oder subjektiven Begriffs, gehören also zur Sphäre der subjektiven Logik. Unter dem •»* WL II 484.

‘»ä WL II 484-485.

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II. Die Logik als Methode und Struktur

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Gesichtspunkt also der verwendeten Bestimmungen erhebt sich damit das Selbstverständnis der Logik zu einer höheren Stufe. Aber es ist zu beachten, daß diese höheren Bestimmungen noch grundlegend von der Sphäre der Formalität her ausgelegt werden, was sich daraus ergibt, daß Hegel die Weise als eine Bestimmtheit der Form kennzeichnet*“^. Wenn aber das Verständnis der Logik als formeller Wissenschaft bei Hegel bestimmend bleibt, ist es sehr aufschlußreich zu fragen, wie die Selbstinterpretation der Logik, also die Einheit und die Differenz von Logik (= Methode und Struktur) und Ganzem oder die Einheit der Philosophie bzw. der Einen Wissenschaft auf der Ebene oder Höhe der Begriffsbestimmungen „Allgemeinheit“ und „Besonderheit“ aussieht. Darüber hat sich Hegel mit beachtenswerter Klarheit an einer Stelle der Einleitung zur Wissenschaft der Logik geäußert, einer Stelle, deren tiefer Sinn und ganze Tragweite erst im Licht der in dieser ersten Untersuchung aufgerollten Problematik offenbar werden können. Es heißt dort: „Erst aus der tiefem Kenntnis der andern Wissenschaften erhebt sich für den subjektiven Geist das Logische als ein nicht nur abstrakt Allgemeines, sondern als das den Reichtum des Besondern in sich fassende Allgemeine. ... So efhält das Logische erst dadurch die Schätzung seines Werts wenn es zum Resultate der Erfahrung der Wissenschaften geworden ist; es stellt sich daraus als die allgemeine Wahrheit, nicht als eine besondere Kenntnis neben anderem Stoffe und Realitäten, sondern als das Wesen alles dieses sonstigen Inhalts dem Geiste dar.“*“® Der Sinn der Bestimmung des Logischen als Form und Allgemeinheit enthüllt sich ganz erst am Ende der logischen Entwicklung selbst, wenn das Logische „zu sich kommt“, d. h. wenn alle logischen Bestimmungen sich geklärt haben, indem sie in die höchste logische Einheit „zusammengegangen“*®® sind: in die absolute Idee. Diese als die unendliche Form und als die allgemeine Idee ist nichts anderes als die Methode bzw. Struktur. Diese Zusammenhänge werden noch im einzelnen zu explizieren sein. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Darstellungsfrage kurz Bezug zu nehmen. Diese Frage stellt sich hier so dar: Wie steht es um das Logische bzw. was wird aus dem Logischen, wenn es adäquat wird, d. h. wenn es nicht subsumiert wird unter Bestimmungen, die der Idee noch unangemessen sind? Ist nicht zu sagen, daß auf der Ebene des adäquaten Begreifens das Logische sich als das Logische selbst aufhebt? Was folgt daraus für die Frage der Darstellung, der Einen Wissenschaft, der Philosophie als System? 104 Ygj (J35 oben 43 f Bemerkte über das Begreifen der verwendeten Denkbestimmungen. Vgl. auch unten 221 f. >»5 WL I 40. »«» Enz. § 236.

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A. Problemstellung

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Wenn auf Grund der bisherigen Erörterungen einiges geklärt wurde, so muß andererseits gesagt werden, daß das Rätsel der Hegelschen Logik nur noch größer geworden ist. Warum hat Hegel überhaupt eine Logik geschrieben? War er sich bewußt, daß er damit das philosophische Begreifen auf einen der konkreten Wahrheit noch unangemessenen Standpunkt stellte? Wenn dies zu bejahen ist, so wird die Frage nach dem Sinn der Logik nur noch drängender. Aber diese Frage stellen, heißt, nach der Einheit des Hegelschen Denkens fragen. Den folgenden Untersuchungen sei ein Text Hegels vorangestellt, der die fundamentale Einsicht in die zu explizierenden Zusammenhänge enthält: „Der wichtigste Punkt für die Natur des Geistes ist das Verhältnis nicht nur dessen, was er an sich ist, zu dem was er wirklich ist, sondern dessen, als was er sich weiß; dieses Sichwissen ist darum, weil er wesentlich Bewußtein [ist], Grundbestimmung seiner Wirklichkeit.In dieser Aussage findet sich das ganze Denken Hegels in ungemein konzentrierter Form. Sie enthält vor allem den Ansatz zum Verständnis des Logischen: das Sichwissen des Geistes. Dieser Problematik soll in der folgenden Untersuchung an Hand des Verhältnisses von Logik und Realsystematik nachgegangen werden.

WL I 16 (eckige Klammern von Lassen).

I. Die Autarkie der Logik nach Litt

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B. LOGIK UND REALSYSTEMATIK In der ersten Untersuchung wurde die allgemeine Problematik der Einheit der systematischen Philosophie Hegels unter den leitenden Gesichtspunkten Darstellung, Methode und Struktur aufgezeigt. Als schlechthin fundamental erwies sich dabei die Stellung der Wissenschaft der Logik im System. Die weitere Erörterung der Problematik der Einheit des Hegelschen Denkens muß daher hier ansetzen. Dabei besteht die erste Aufgabe darin, das Verhältnis der Wissenschaft der Logik zu den realen Wissenschaften im einzelnen zu untersuchen. Auf diese Weise wird sich der Sinn der Logik ermitteln lassen, wodurch sich auch die Problematik der Einheit der Philosophie Hegels um ein Beträchtliches vertiefen wird. Der Ausdruck „Realsystematik“ soll das Ganze der nichtlogischen Dimension im Rahmen der enzyklopädischen Darstellung der beiden realen Wissenschaften bezeichnen.

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I. DIE AUTARKIE DER LOGIK NACH TH. LITT Gleichsam als Auftakt zu den folgenden Ausführungen sei eingangs auf TH. LITTS Interpretation des Verhältnisses zwischen der Wissenschaft der Logik und der Realsystematik bei Hegel kurz eingegangen^. Diese Interpretation, die zugleich „ein Versuch einer kritischen Erneuerung“ sein will, kann geradezu als charakteristisch für jenes Hegel-Verständnis gelten, das die ursprünglich-grundsätzliche Einheit der Philosophie Hegels aus dem Auge verloren hat. LITT läßt sich bei seiner Interpretation vom Grundgedanken der Autarkie der Logik leiten. Nach LITT hat die Logik Hegels „einen Inhalt, der vollkommen In sich selbst ruht und aus sich selbst begriffen sein will. Was uns in der Logik dargeboten wird, das hat es nicht nötig, von einer jenseits ihrer gelegenen Stufe her und aus der Kraft eines ihr selbst überlegenen Wissens ausgelegt und eingeordnet zu werden. Sie bietet uns nicht ein ,Ansich‘, das ,für uns' ein Anderes und Mehreres bedeutete als für den noch bei diesem Ansich Verweilenden. Sie bietet uns das ,innere einfache Gerüste'^, dem gegenüber der wei' Th. Litt: Hegel. Versuch einer kritischen Erneuerung. 2. Aufl. Heidelberg 1961. ^ WL II 224. Es sei dazu bemerkt, daß Hegel gerade in diesem „Achsentext“ (vgl. unten 136 ff) einige der großen Entsprechungen zur Sprache bringt. Das aber wird von Litt übersehen. Was dies für eine Hegel-Interpretation bedeutet, wird sich bald zeigen.

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B. Logik und Realsystematik

ter hinausliegenden Realität nichts weiter zu tun bleibt als die ,Hülle' zu liefern, die dieses Gerüste umkleidet, ohne an ihm selbst irgendwelche Veränderungen vorzunehmen.“® Die Logik ruht vollkommen in sich selbst, sie ist der Hilfeleistung der weiter hinausliegenden Systemteile überhaupt nicht bedürftig. Als Inhalt der Logik kann nichts anderes erwartet werden „als die Selbstdarlegung eines Logos, der in jeder Hinsicht in sich selbst ruht, für sich selbst einsteht und aus sich selbst begründet ist! Denn was uns Hegel in der Naturphilosophie so gut wie in der Philosophie des Geistes zu zeigen bemüht war, das war ja gerade die bedingungslose Überordrmng des Logos über die Folge der Gestalten, in denen er sich konkretisiert. Wenn der Logos die einzig bestimmende Macht sein soll für den Aufbau der Wirklichkeit, dann kann es ja nicht anders sein, als daß seine Linienführung sich ganz und gar aus sich selbst bestimmt und folglich sich auch in einer besonderen Disziplin exponieren läßt, die es sich ersparen kann, über ihn selbst hinaus nach der Weise seiner Verwirklichung zu fragen.“^ Aus dieser Verselbständigung der Logik ergibt sich nach LITT eine fatale Konsequenz: die auf sich selbst gestellte Logik droht, aus dem System herauszufallen, insofern der Zusammenhang mit den anderen Teilen — d. h. mit der Realsystematik - nicht mehr einsehbar gemacht werden kann. Und LITT verdeutlicht diese fatale Konsequenz am Problem des Übergangs der Logik zur Natur. Er meint, es lasse sich „nicht in Abrede stellen, daß dieser Übergang unmöglich die Gestalt haben kann, die der dialektischen Fortbewegung sonst eigentümlich ist“®. Hegels kurzen Hinweis auf den Sinn des Übergehens zur Natur, daß nämlich „die Idee sich selbst frei entläßt, ihrer absolut sicher und in sich ruhend“®, nennt LITT eine „Auskunft, zu der Hegel seine Zuflucht nimmt, um den gleichwohl erfolgenden Fortgang der Dialektik plausibel zu machen .. . Dieser ,nächste Entschluß der reinen Idee, sich als äußerliche Idee zu bestimmen'^ ist nichts anderes als der Auftritt eines deus ex machina, der eingreifen muß, damit die stockende Bewegung wieder in Fluß komme.“® ® Litt a.a.O. 240. * Ebd. 241. ® Ebd. 242. Schon hier muß die Bemerkung angefügt werden: als ob Hegel dies nicht gewußt und ausdrücklich ausgesprochen hätte! Gerade die von Hegel betonte Andersartigkeit dieses Übergangs wird von Litt nicht begriffen. Es ist im übrigen charakteristisch für die Geschichte der Hegel-Interpretation, wenn Litt behauptet, Hegels Erläuterung des Übergangs habe „bei keinem seiner Kritiker Gnade gefunden“ (ebd. 242). • WL II 505. ^ WL II 506. Beim Zitieren dieses Textes sind Litt gleich drei Fehler unterlaufen: er läßt das Adjektiv „reiner“ vor „Idee“ weg (was alles andere als irrelevant für die Deutung von „Idee“ in diesem Text ist); statt „äußerliche“, wie es bei Hegel steht, bringt er „äußere“; schließlich gibt er fälschlicherweise Seite 505 an (statt richtig: 506). ® Litt a.a.O. 242.

II. Der Ansatz zur Logik

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In diesen Ausführungen LITTS kommen alle wesentlichen Elemente der „klassischen“ Hegel-Interpretation sowie die wichtigsten Einwände gegen das so ausgelegte Denken Hegels zum Ausdruck. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, eine solche Interpretation auf Grund einer erneuten Erörterung der wesentlichen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens radikal in Frage zu stellen. Dies kann nur durch ein jeden Schritt sorfältig prüfendes Verfahren erreicht werden. Zuerst muß die Problematik der Logik in ihrem Verhältnis zur sogenannten Realphilosophie im Detail geklärt werden®. II. DIE VERWANDLUNG DER METAPHYSIK UND DER ANSATZ ZUR LOGIK

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1. Die Logik und die Aufhebung der „Subjekte der Vorstellung“ Einen guten Einstieg in die Problematik des Verhältnisses von Logik und Realsystematik bieten Hegels Aussagen über die Beziehung seiner Logik zur Metaphysik und speziell zur Unterscheidung von „metaphysica generalis“ (Ontologie) und „methaphysica specialis“ (mit ihren drei Teilen: rationelle Psychologie, Kosmologie und natürliche oder rationelle Theologie). In der Einleitung in die Wissenschaft der Logik schreibt Hegel: „Die objektive Logik tritt... an die Stelle der vormaligen Metaphysik, als welche das wissenschaftliche Gebäude über die Welt war, das nur durch Gedanken aufgeführt sein sollte. - Wenn wir auf die letzte Gestalt der Ausbildung dieser Wissenschaft Rücksicht nehmen, so ist [es] erstens unmittelbar die Ontologie, an deren Stelle die objektive Logik tritt, - der Teil jener Metaphysik, der die Natur des Ens überhaupt erforschen sollte; - das Ens begreift sowohl Sein als Wesen in sich, für welchen Unterschied unsere Sprache glücklicherweise den verschiedenen Ausdruck gerettet hat. - Alsdann aber begreift die objektive Logik auch die übrige Metaphysik insofern in sich, als diese mit den reinen Denkformen die besondern, zunächst aus der Vorstellung genommenen Substrate, die Seele, die Welt, Gott zu fassen suchte, und die Bestimmungen des Denkens das Wesentliche der Betrachtungsweise ausmachten, “i® * Die Auseinandersetzung mit Litt wird in spezieller Welse bei der Erörterung der Problematik der Benennung der niditloglsdien Dimension erfolgen. Vgl. unten 84 ff. WL 46-47 (eckige Klammern von Lasson). In der Enzyklopädie spricht Hegel von den vier Teilen der „vormaligen Metaphysik“, wobei er die „metaphysica generalis“ oder Ontologie als ersten Teil bezeichnet (vgl. Enz. §§ 33-36).

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B. Logik und Realsystematik

Es sei zuerst an den Zusammenhang zwischen der rationalistischen Metaphysik (Ontologie) des 18. Jahrhunderts, der Transzendentalphilosophie KANTS und der Logik Hegels kurz erinnert^^. Der Zusammenhang ist eine fortsdireitende Aufhebung; KANT deutet die „metaphysica generalis“ (Ontologie) in Transzendentalphilosophie um, Hegel hebt beide in seine spekulative Logik auf. Dieser fortschreitende Aufhebungsprozeß wird als Prozeß erst von Hegel begriffen. Was die Metaphysik anbelangt, so findet ihre Aufhebung bei Hegel ihren Ausdruck in seiner Kritik an den „Substraten, den Subjekten der Vorstellung“^^. Hegels Kritik ist eine Kritik an der Vorstellung einer Anwendung, worin schon ein wichtiger Hinweis auf die Unmöglichkeit zu erblicken ist, das Verhältnis der Hegelschen Logik zur Realsystematik als eine Anwendung aufzufassen. Ein als Anwendung aufgefaßtes Verhältnis setzt eine Grundlage, eben ein Sub-jekt oder Sub-strat voraus, das von sich aus als außerhalb des Verhältnisses stehend und damit in seinem Eigensein nicht erreichbar vor-gefunden wird. Durch die Anwendung wird dieses Subjekt zwar in ein Verhältnis gebracht, aber dieses der Anwendung entspringende Verhältnis bleibt ihm äußerlich, da ja dadurch das Subjekt als solches nur von außen oder nachträglich an-gegangen oder an-geprochen wird. Hegel drückt sich in diesem Zusammenhang sehr prägnant aus, wenn er sagt: „. . . die Metaphysik nahm sie [die Subjekte oder Substrate SeeleWelt-Gott] aus der Vorstellung auf, legte sie als fertige gegebene Subjekte, bei der Anwendung der Verstandesbestimmungen darauf, zu Grunde .. „Fertige gegebene Subjekte“ sind für die Metaphysik und in ihr die Gegenstände als die „Totalitäten“*^ Seele-Welt-Gott, insofern sie-auf dem Boden der Anwendung von allgemeinen Bestimmungen - in ihrer eigentlichen, eigenen Sphäre oder in ihrer Eigenbestimmung nicht erreicht werden; oder anders: sie sind „fertige Subjekte“ nicht in dem Sinne, daß sie schon zur Sprache oder zur Darstellung gekommen wären, sondern im Gegenteil in dem Sinne, daß sie außerhalb der Sphäre der (Selbst-)Auslegung belassen und so „aufgenommen“ werden. Hegels Kritik fällt im Grunde mit der schon in der Untersuchung A herausgearbeiteten Kritik an dem „gewöhnlichen Verhältnis“ von Subjekt und Prädikat im Satz zusammen*®. Erst im gegenwärtigen Zusammenhang aber

Die Zusammenhänge zwischen dem metaphysischen Denken des Thomas von Aquin, der rationalistischen Metaphysik des 18. Jahrhunderts und der Kantischen Infragestellung des metaphysischen Denkens werden im einzelnen analysiert im Buch des Verfassers: Analogie und Geschichtlichkeit. I: Philosophiegeschichtlich-kritischer Versuch über das Grundproblem der Metaphysik. Freiburg-Basel-Wien 1969. Vgl. bes. 320 ff. WL I 47. Enz. § 30. Ebd. Vgl. oben 32 ff.

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II. Der Ansatz zur Logik

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kommen der eigentliche Sinn und die Tragweite dieser Kritik ans Licht. Denn in dieser Kritik ist der philosophiegeschichtlich vermittelte Ansatz zum ganzen Unternehmen der Logik und damit auch der Schlüssel zur Deutung dieser Wissenschaft enthalten. Hegel präzisiert in sehr klaren Formulierungen seine Kritik, indem er das der Metaphysik zugrundeliegende Sprach- und Prädikationsverständnis aufdeckt und in Frage stellt: „Jene Metaphysik setzte überhaupt voraus, daß die Erkenntnis des Absoluten in der Weise geschehen könne, daß ihm Prädikate beigelegt werden, und untersuchte weder die Verstandesbestimmungen ihrem eigentümlichen Inhalte und Werte nach, noch auch diese Form, das Absolute durch Beilegung von Prädikaten zu bestimmen.“^® Die Metaphysik unterstellt also, daß die Erkenntnis des Wahren sich in der Weise einer Anwendung von Gedankenbestimmungen im Sinn einer Beilegung von Prädikaten erreichen lasse. Dabei wird das Subjekt als ein „fester Halt“i^ genommen, an dem dieses metaphysische Denken „den Maßstab, ob die Prädikate passend und genügend seien oder nicht“hatte. Hegels Kritik an dieser Auffassung gründet in der Einsicht, daß solche „fertigen“ Subjekte der Vorstellung nicht bestimmt sind oder — was dasselbe ist - in ihrer tatsächlich behaupteten und angenommenen Bestimmtheit nicht erkannt werden: sie „bedürfen ... es vielmehr, erst durch das Denken die feste Bestimmung zu erhalten“^®. Erhärtet wird diese Einsicht wiederum durch den Hinweis auf die Struktur des Satzes: da in dem Satz „erst durch das Prädikat (d. i. in der Philosophie durch die Denkbestimmung) angegeben werden soll, was das Subjekt, d. i. die anfängliche Vorstellung sei“®*. Zusammenfassend läßt sich Hegels Kritik an der vormaligen Metaphysik so formulieren: diese Metaphysik untersuchte nicht, „ob solche Prädikate an und für sich etwas Wahres seien, noch ob die Form des Urteils Form der Wahrheit sein könne“®i. Wird nun der Satz spekulativ begriffen, so heißt das, daß die Einseitigkeit und sogar Falschheit seiner gewöhnlichen Form überwunden wird. Aber dies wiederum bedeutet jetzt: es verschwindet das Subjekt (Substrat) der Vorstellung, oder genauer: das Subjekt (Substrat) als anfängliche Vorstellung. Heißt das aber, daß vom Subjekt (Substrat) bzw. von den Totalitäten (Ge-

*• Enz. § 28. „Das Absolute“, von dem Hegel in diesem Text spricht, kann in diesem Zusammenhang als zusammenfassender Ausdruck für die „Gegenstände“ oder „Totalitäten“ der Metaphysik genommen werden. Der genauere, differenziertere Sinn des Absoluten bei Hegel wird sich im Lauf der weiteren Ausführungen heraussteilen. Vgl. unten 72 ff, 109 ff. ” Vgl. Enz. § 31. >8 Enz. § 30. •»Enz. §31. »» Ebd. »• Enz. § 28 A.

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B. Logik und Realsystematik

genständen) der Metaphysik nicht mehr die Rede ist bzw. sein kann?^^ Hier liegt der Ansatz zur logischen Betrachtung oder zum „höheren logischen Geschäft“^®.

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2. Das „höhere logische Geschäft“ Die oben herausgearbeiteten Zusammenhänge stellen sich so dar: Hegels Kritik an der vormaligen Metaphysik ist eine Kritik an den Subjekten der Vorstellung; daß Hegel die Logik an die Stelle der vormaligen Metaphysik treten läßt, bedeutet zunächst, daß die Subjekte der Vorstellung aufgehoben werden. Was besagt aber genau diese Aufhebung der Substrate (Subjekte)? Was hat diese Aufhebung mit der Logik zu tun? Besagt die Aufhebung der metaphysischen Subjekte, daß die Prädikate logisch, d. h. als Denkbestimmungen, betrachtet werden? Dies kann in dieser Weise nicht behauptet werden, denn eine Aufhebung des „Subjekts der Vorstellung“ geschieht bei Hegel in jeder philosophischen Disziplin, insofern es darum geht, das Wahre überhaupt spekulativ zu erfassen und zu artikulieren. Wie ist aber dann jene Aufhebung der „Subjekte der Vorstellung“ zu deuten, die zur logischen Betrachtung bzw. Wissenschaft führt, d. h. zur Betrachtung und Kritik der Prädikate als reiner Denkbestimmungen? Dazu ist zunächst zu sehen, wie Hegel sich in der Wissenschaft der Logik ausdrückt. Anders als die vormalige Metaphysik, die die „besonderen“ Totalitäten Seele, Welt und Gott mit Hilfe der reinen Denkformen zu fassen suchte - wobei „die Bestimmungen des Denkens das Wesentliche der Betrachtungsweise ausmachten“ -, betrachtet die Logik, so formuliert Hegel, „diese Formen frei von jenen Substraten, den Subjekten der Vorstellung, und ihre Natur und Wert an und für sich selbst“^^. Überraschenderweise erläutert nun Hegel die logische Betrachtung als eine „vorgängige“ kritische Untersuchung: „Jene Metaphysik unterließ dies und zog sich daher den gerechten Vorwurf zu, sie [die Denkformen] ohne Kritik gebraucht zu haben, ohne die vorgängige Untersuchung, ob und wie sie fähig seien, Bestimmungen des Dings-an-sidi, nach KANvischem Ausdruck, - oder vielmehr des Vernünftigen, zu sein. - Die objektive Logik ist daher die wahrhafte Kritik ** Um einem Mißverständnis vorzubeugen, sei angemerkt, daß „Subjekt“ in diesem Zusammenhang im Sinne von „Substrat“, nicht im Sinne von „Selbst“ zu nehmen ist. Das Aufzeigen der Notwendigkeit der Entwicklung des Substrat(Substanz)-Subjekts zum SelbstSubjekt ist ja das Programm der Philosophie Hegels. Vgl. dazu Phän. 19: „Es kommt nach meiner Ansicht . .. alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz [= Substrat], sondern eben so sehr als Subjekt [= Selbst] aufzufassen und auszudrücken.“ WL I 16. “ WL I 47.

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II. Der Ansatz zur Logik

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derselben, — eine Kritik, die sie nicht nach der abstrakten Form der Apriorität gegen das Aposteriorische, sondern sie selbst in ihrem besondern Inhalte betrachtet."^® Auf Grund dieser Formulierungen könnte man versucht sein, die Logik Flegels als ein transzendentalkritisches Unternehmen zu deuten. Dem steht aber der letzte Satz des Zitats entgegen, der sich in aller Deutlichkeit gegen ein transzendentales Verständnis der logischen Betrachtung wendet^®. Die von Hegel unternommene Kritik der Denkformen geschieht nämlich nicht auf jener Ebene, die die Grundlage oder Grundvoraussetzung der transzendentalen Fragestellung ausmacht und die Hegel hier kurz als die Trennung der abstrakten Apriorität gegen das Aposteriorische kennzeichnet. Es bleibt aber bestehen, daß Hegel von einer Kritik als einer vor gängigen Untersuchung spricht. Wie ist dies zu deuten? Hegel denkt nicht an irgendeine partielle oder einseitige Kritik, sondern er will die objektive Logik als „die wahrhafte Kritik" verstanden wissen. Um den Sinn dieser wahrhaften Kritik zu ermitteln, muß man den genauen Zusammenhang beachten, in dem Hegel hier überhaupt von Kritik spricht^^. Hegel findet den Vorwurf, daß die Metaphysik die Denkformen ohne Kritik gebraudite, „gerecht“ — womit er zweifellos an erster Stelle KANTS transzendentale Kritik meint, deren Einseitigkeit er aber andererseits deutlich genug herausstellt. Der Mangel an Kritik bedeutet nun für Hegel das Unterlassen einer Betrachtung der Kategorien „an ihnen selbst“^®. Weder die „vormalige Metaphysik“ noch KANTS Transzendentalphilosophie haben sich in dieser Hinsicht zum Standpunkt der spekulativen logischen Betrachtung erhoben. Das „höhere logische Geschäft“ aber „betrachtet diese Formen frei von jenen Substraten, den Subjekten der Vorstellung, und ihre Natur und Wert an und für sich selbst“^®. Die ganze Problematik um den Sinn des logischen Unternehmens konzentriert sich also auf diesen Punkt: Was besagt das Freisein von den Substraten? Dieses Freisein könnte zunächst besagen, daß von den Substraten abgesehen wird, daß sie also außer Betracht bleiben. Auf den ersten Blick scheint dies für die logische Betrachtungsweise zuzutreffen, da in der Wissenschaft der Logik weder die Natur noch der endliche und absolute Geist behandelt werden. Allein diese Interpretation ist noch vordergründig, da entgegen dem Ebd. Inwiefern man dennoch von einem „transzendentalen“ Charakter der Logik (sowie der Phänomenologie und der Noologie [= „Psychologie“ bei Hegel]) sprechen kann, wird sich in einem vertieften Zusammenhang zeigen (vgl. unten 132 ff). Dies ist angesichts der in allen Werken Hegels konstant gebliebenen Ablehnung jeder vorgängigen kritischen Untersuchung der Erkenntnis sehr zu beachten. Vgl. z. B. Phän. 63 ff. 2» WL I 46. 2» WL I 47.

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B. Logik und Realsystematik

ersten Anschein der Sinn des Außer-Betracht-Lassens alles andere als eindeutig ist. Es kann nämlich besagen, daß die Substrate (Totalitäten, Inhalte) nicht mehr, überhaupt nicht oder noch nicht erörtert werden. Es dürfte nun im Lichte des bisher Ausgeführten klar sein, daß die Logik die Substrate oder Totalitäten der Metaphysik nicht mehr in der Weise erörtert, wie sie in der Metaphysik behandelt werden. Heißt das aber, daß sie überhaupt nicht erörtert werden? Keineswegs! Denn dies würde bedeuten, daß die Substrate oder Inhalte der Metaphysik keiner Kritik unterzogen werden, oder umgekehrt: daß die „vorgängige Kritik“ der Denkformen jene Substrate (Inhalte) überhaupt nicht erreicht, sie sozusagen unberührt als immer schon „fertige gegebene“ Subjekte (Inhalte) in ihrem (welchem?) „Bereich“ beläßt. Das ganze „höhere logische Geschäft“ hätte in diesem Fall gar keine Bedeutung für diese Inhalte oder für die Wirklichkeit; höchstens könnte man sagen, daß die in der Logik untersuchten Denkbestimmungen auf irgendeine Weise (welche?) auf diese Substrate (Inhalte) oder auf die Wirklichkeit „angewendet“ werden, wobei man aber fragen müßte, welchen Sinn eine solche äußerliche Anwendung haben könnte, wenn die Substrate (Inhalte) ohnehin - d. h. auch unabhängig von dieser Anwendung - schon „das sind, was sie sind“. In dieser Weise kann Hegel das Lreisein, das Außer-Betracht-Lassen nicht verstanden haben; denn er will gerade die Bestimmtheit der Substrate (Inhalte) untersuchen (also „das, was sie sind“). Und doch ist zu sagen, daß das Lreisein von den Substraten (Inhalten) auch ein Außer-Betracht-Lassen besagt, denn die logische Darstellung ist nicht identisch mit der realsystematischen Darstellung. In der Erläuterung dieses Sachverhaltes besteht das erste große Problem, das Hegels Wissenschaft der Logik aufwirft. Auf Grund der bisherigen Überlegungen kann dazu schon so viel gesagt werden: Die Substrate (Inhalte) müssen „in“ der logischen Betrachtung in einer Weise enthalten sein, die sich sowohl von der äußerlich-unspekulativen Behandlung dieser Substrate (Inhalte) in der Metaphysik als auch von der realsystematischen Darstellung in den einschlägigen Partien der Enzyklopädie unterscheiden läßt. Das Lreisein der logischen Betrachtung von den Substraten ist zuerst und grundsätzlich jedenfalls so zu Interpretieren, daß die spekulativ-logische Betrachtung die ungedachte Unhaltbarkeit jener aus der Vorstellung genommenen Substrate aufzeigt und damit überwindet: das Lreisein besagt hier nicht ein Absehen, sondern das Befreitsein von einem untergeordneten, noch nicht zur Klarheit über sich selbst gekommenen Standpunkt, wobei das Befreitsein dialektisch im Sinne dessen, was Aufhebung bedeutet, zu verstehen ist. In dieser ersten Hinsicht ist also das Freisein ein nicht mehr: jene „Totalitäten“ (Inhalte) werden nicht mehr als Substrate betrachtet. Aber In dem Freisein ist als zweites ein

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II. Der Ansatz zur Logik

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noch nicht impliziert und anvisiert: die Totalitäten werden noch nicht als realsystematische Gegenstände, Inhalte oder Sphären dargestellt®®. Solche allgemeinen Formulierungen tragen sicherlich zu einer Klärung der Problematik bei; es darf aber dabei nicht sein Bewenden haben, denn es ist noch nicht aufgezeigt worden, wie in positiver Weise die Inhalte in der Logik enthalten sind. Bis jetzt war nur von einem nicht mehr und einem noch nicht die Rede. Der Terminus „Substrat“ (bzw. „Subjekt“ in diesem Sinne) kann jetzt fallen gelassen werden; es handelt sich nur noch darum, zu verstehen, wie die realsystematischen Inhalte (Sphären) in der Logik enthalten sind, obwohl sie in der Logik nicht dargestellt werden. Um dies zu zeigen, ist davon auszugehen, daß das Subjekt des Satzes erst durch das Prädikat bestimmt oder ausgesagt, d. h. zur Sprache oder Auslegung gebracht wird. Das bedeutet, daß das Subjekt nichts anderes „ist“ als dasjenige, als was es sich in der Prädikation offenbart. Damit aber kann die Prädikation nicht mehr als die Weise genommen werden, wie einem wie immer vorausgesetzten Subjekt Bestimmungen als Prädikate zugeschrieben (Flegel sagt: beigelegt) werden. Das Subjekt ist die spekulative Bewegung seiner Selbstbestimmung. Will man also wissen, was das Subjekt ist, so sind die Bestimmungen (die Prädikate) zu untersuchen. Diese spekulative Untersuchung kann sich aber nicht mehr am Subjekt als einem festen Halt orientieren. Andererseits muß sich diese kritisch-spekulative Untersuchung mit dem ganzen Bereich der Prädikabilität, der Bestimmtheiten oder der Sprachlichkeit (Ausgesagtheit, Ausgelegtheit) befassen. Heißt dies aber, daß eine solche kritische Untersuchung in der Weise der Hegelschen Logik zu bewerkstelligen ist, in der die Bestimmtheiten als logische Bestimmtheiten, als Denkformen betrachtet werden? Müßte nicht eine wahrhafte Kritik der metaphysischen Kategorien so Vorgehen, daß konkret aufgezeigt wird, wie die jeweiligen Subjekte oder Totalitäten (Inhalte) Seele-Welt-Gott aufgehoben, d. h. aus der Unbestimmtheit und Unbedachtheit der Vorstellung in die ausgelegte Bestimmtheit des Denkens erhoben werden? Mit anderen Worten: Sollte die kritische Untersuchung sich nicht ausdrücklich auf die aufzuhebenden Subjekte beziehen, also eine kritische Darstellung dieser „realen“ InHegel benutzt diese Termini, um die „Themen“, „Themenkreise“ oder „Regionen“ der Realsystematik zu bezeichnen. Besonders ist auf den Ausdruck „Sphäre“ zu achten, den Hegel sowohl in der Logik (Sphäre des Seins, des Wesens, des Begriffs . . .) als auch in der Realsystematik mit auffallender Häufigkeit verwendet. In realsystematischer Hinsicht spricht er von der „Sphäre der Natur“ (Enz. § 250), von der „Sphäre des subjektiven Geistes“ (Enz. § 444), von der Sphäre des formellen Rechts (Enz. § 529); die Religion wird die „höchste Sphäre“ im Bereich des absoluten Geistes genannt (Enz. § 554). In den Grundlinien der Philosophie des Rechts werden Staat, Kunst, Religion, Erkenntnis, Wissenschaft usw. „Sphären" genannt (vgl. § 270 Fußnote S. 222).

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B. Logik und Realsystematik

halte (Sphären) sein, anstatt die Kategorien als Denkformen „an und für sich“ zu betrachten? Es muß ohne Zweifel gesagt werden, daß ein solches Verfahren möglich und, besonders in kritisch-polemischer Hinsicht, empfehlenswert und sogar unentbehrlich ist. Es wird ja angewandt in den realsystematischen Partien der Enzyklopädie und in den Vorlesungen. Aber worauf es dabei im Grunde allein ankommt, das ist die Kritik der Bestimmungen an und für sich selbst; alles andere ist nicht entscheidend. Außerdem muß man bedenken - und dies ist von fundamentaler Bedeutung -, daß ein solches konkretes Verfahren jeweils bei jedem Gegenstand diese Kritik wiederaufnehmen müßte; dabei wäre die universale Kritik der Bestimmtheiten nicht in Angriff genommen. Schließlich ist noch ein letzter Gesichtspunkt zu beachten, der sich allerdings erst später in seiner ganzen Tragweite erweisen wird: eine kritische Betrachtung der Bestimmungen ausschließlich in der Weise einer Betrachtung der realsystematischen Sphären kann überhaupt nicht den ganzen Spielraum oder die ganze Bedeutungsbreite der betrachteten Bestimmungen zu Gesicht bekommen, weil damit nur die jeweilige Bedeutung der Bestimmung zur Sprache kommen könnte®^. Es ergibt sich also die Forderung, daß die Betrachtung der Prädikabilität als solcher oder die Darstellung des Systems der logischen Bestimmungen in Angriff genommen werden muß. Dies scheint Hegel in einem unscheinbaren Satz in der Anmerkung zu §31 der Enzyklopädie sagen zu wollen. Nachdem er den Satz „Gott ist ewig usw.“ kommentiert und gezeigt hatte, daß erst im Prädikat „ewig“ ausgesagt wird, was dieses Subjekt (Gott) ist, fährt er fort: „Es ist deswegen im Logischen, wo der Inhalt ganz allein in der Form des Gedankens bestimmt wird, nicht nur überflüssig, diese Bestimmungen zu Prädikaten von Sätzen, deren Subjekt Gott oder das vagere Absolute wäre, zu machen, sondern es würde auch den Nachteil haben, an einen andern Maßstab, als die Natur des Gedankens selbst ist, zu erinnern.“ Man könnte hier einwenden, Hegel setze schon die Legitimität und den Sinn des Logischen voraus, so daß erst auf der Ebene dieser Voraussetzung jene Überflüssigkeit und jener Nachteil, wovon im Zitat die Rede ist, sich ergeben. Doch dazu ist zu sagen, daß diese “Voraussetzung“ nichts anderes ist als der Versuch einer universalen Betrachtung oder einer universalen kritischen Untersuchung der in der Sprache im allgemeinen und in der metaphysischen Betrachtungsweise im besonderen implizierten Kategorien. Diese Voraussetzung ist dadurch „gerechtfertigt“ wenn man ohne nähere Prüfung diese Frage als sinnvoll ansehen will -, daß Auf diesen Gesichtspunkt soll noch ausführlich und detailliert eingegangen werden. Vgl. unten B III 2: Die Bedeutung der „Beispiele“ und der „Hinweise“ in der Wissenschaft der Logik (77 ff).

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II. Der Ansatz zur Logik

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sie sich aus einer Dimension der Wirklichkeit des Geistes selbst ergibt, nämlich aus der Dimension des Sichwissens oder des Wissens überhaupt. Daß der Geist denkt, daß er universal-kritisch denkt, daß er also eine „Logik“ als das systematische, d. h. geordnete Ganze der kritischen „Gesichtspunkte“ seines Wissens oder Erkennens „dessen, was ist“, enthält und somit auch darstellen kann, ist nichts anderes als jener „wichtigste Punkt für die Natur des Geistes“, von dem Hegel in der Vorrede zur 2. Ausgabe der Wissenschaft der Logik spricht®^. Die Aufgabe ist, klarzumachen, wie die realsystematischen Sphären in dieser universal-kritischen Betrachtung eingeschlossen und nicht nur irgendwie äußerlich darauf bezogen sind. Auf Grund des Sichwissens des Geistes eröffnet sich eine Dimension, in der alles enthalten ist - aber eben unter dem Vorzeichen dieser Dimension. Das Sichwissen ist eine Dimension des Geistes; wird sie isoliert, so verliert sie ihren Sinn und ihren Standort. Dann allerdings würde man mit Recht von einer „Logisierung“ der Wirklichkeit oder gar von einem „Panlogismus“ sprechen müssen; aber soldie Einwände treffen das Denken Hegels nicht, sie treffen nur die falschen und unzureichenden Interpretationen dieses Denkens. Daß die realsystematischen Sphären in der Logik enthalten sind, bedeutet, daß sie in der logischen Betrachtung ständig im Blick behalten werden. Indem alle Denkformen kritisch-spekulativ an und für sich untersucht und dargestellt werden, sind alle Sphären des realsystematischen Ganzen in der Logik „anwesend“; denn gerade diese untersuchten und dargestellten Denkformen „durchziehen“ alle diese realsystematischen Sphären und sind die Offenbarkeitsbestimmungen eben dieser Sphären selbst. Man kann — und muß daher wohl auch — von einer ursprünglich-grundsätzlichen Identität von Logik und Realsystematik sprechen®®. Wie sie näher aufzufassen ist, dies zu zeigen, ist die Aufgabe des nächsten Abschnitts (III).

ää WL 116. Es ist dabei daran zu erinnern, daß Hegel von der „ursprünglichen Identität“ der gegenseitigen Vermittlung von Form und Materie spricht und daß in diesem Sachverhalt bzw. in diesem Ausdruck sich die Selbstinterpretation der Wissenschaft der Logik artikuliert (vgl. oben 55 ff).

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B. Logik und Realsystematik

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III. DIE URSPRÜNGLICH-GRUNDSÄTZLICHE IDENTITÄT VON LOGIK UND REALSYSTEMATIK 1. Die Einheit der Logik und des Absoluten als des Ganzen aller realsystematischen Sphären Es ist jetzt zu untersuchen, wie das realsystematische Ganze in der Logik enthalten ist. Dieses Enthaltensein wird im Verlauf der logischen Darstellung von Hegel ausdrücklich ausgesprochen in der Weise von Beispielen, Hinweisen, kritischen Bemerkungen zum Gebrauch der Denkbestimmungen usw. Solche „Hinweise“ gehören, streng gesprochen, nicht zur logischen Darstellung als solcher. Es sind Unterbrechungen, die jenes früher®^ analysierte Ineinanderumschlagen von Form und Inhalt, d. h. hier: von Logik und Realsystematik, anzeigen. Der fundamentalste und häufigste Hinweis bezieht sich auf das Absolute. Dies ist einleuchtend, denn wenn irgendetwas von den realsystematischen Sphären auszusagen ist, dann jedenfalls dies, daß sie Sphären einer absoluten Totalität, des Absoluten, sind. Freilich wird sich der Sinn dieser Totalität, des Absoluten, noch differenzieren; zunächst aber ist das Absolute einfach als das Ganze der realsystematischen Sphären zu nehmen. Nun schreibt Hegel: „Das Sein selbst sowie die folgenden Bestimmungen, nicht nur des Seins, sondern die logischen Bestimmungen überhaupt, können als Definitionen des Absoluten, als die metaphysischen Definitionen Gottes angesehen werden . . .“^® Man könnte nun versudit sein, Hegels Aussagen über das Absolute nicht als „Hinweise“ auf die realsystematische Dimension, sondern rein innerlogisch zu interpretieren; man würde also diese Aussagen auf dieselbe Ebene wie die Ausführungen über die rein logischen Bestimmungen stellen und man hätte damit ein „rein innerlogisches“ Absolutes. Doch dies wäre ein verhängnisvolles Mißverständnis, wie die weiteren Ausführungen dieser Arbeit zeigen werden. An dieser Stelle sei nur auf einiges Wenige hingewiesen, um dem genannten Mißverständnis vorzubeugen. Erstens: Die Hinweise auf das Absolute in der Logik gehören nicht zum streng logischen Fortgang, sondern zu jenen „Unterbrechungen“, die das Logische entweder - in kritischer Intention - auf die Ebene der „Subjekte der Vorstellung“®® oder - in „antizipatorischer“ Absicht - auf die in den anderen Teilen der Wissenschaft darzustellende spekulativ-realsystematische „Dimension“ beziehen. Diese Hinweise sollen im folgenden analysiert werden. Es ist in diesem ZusamVgl. oben 56 ff. Enz. 5 85. So z. B. schreibt Hegel in der Heidelberger Enzyklopädie: „Uebrigens entsteht die Form der Definition: Das Absolute ist das Seyn, oder ist die absolute Indifferenz, ganz allein dadurch, daß ein Substrat der Vorstellung, hier unter dem Nahmen des Absoluten, vorschwebt . . ." (HEnz. § 39 A).

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III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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menhang wichtig, zu bemerken, daß das Kapitel „Das Absolute“ in der Nürnberger Wissenschaft der Logik (2. Buch, 3. Abschnitt, 1. Kapitel) in der späteren Logik der Enzyklopädie einfach weggelassen wurde. Die Erklärung ist leicht: Dieses Kapitel enthielt nichts anderes als eine Darstellung und Kritik der Philosophie SPINOZAS, war also mehr eine philosophiegeschichtliche als eine logische Darstellung®^. Zweitens: Wenn man einmal annimmt, daß die in der Logik enthaltenen „Hinweise“ auf das Absolute rein innerlogisch - im strengen Sinne, also im Gegensatz zur Realsystematik - gemeint sind, so gibt es keine Möglichkeit mehr, aus der Logik „auszubrechen“, um zum „realsystematischen“ Absoluten zu gelangen. Dann ist Hegels mehrfach während der logischen Darstellung vorgelegte Auffassung des ontologischen Beweises sinnlos und schlechterdings unverständlich®®. In Wirklichkeit braucht man überhaupt nicht aus der Logik auszubrechen, weil man nie in einer rein in sich selbst abgekapselten Logik eingeschlossen ist. Der Index der ursprünglich-grundsätzlichen Identität von Logik und Realsystematik oder der Ort, wo sich das Ineinanderumschlagen der beiden „Dimensionen“ enthüllt, sind gerade die erwähnten „Hinweise“. Die Aufgabe besteht jetzt darin, die genaue Weise dieser Identität herauszuarbeiten. Das Ganze (das Absolute) ist in der Logik in der Weise enthalten, daß die jeweilige Stufe seiner Offenbarheit, d. h. seiner Bestimmtheit, begriffen und dargestellt wird®*. Insofern die jeweilige Stufe dem Vollsinn der Offenbarkeit des Absoluten noch unangemessen ist, hebt sie sich in die nächste höhere auf. Die „wahrhafte Kritik“ (in der objektiven Logik) besteht in nichts anderem als im Aufzeigen der Inadäquatheit der „objektiven“ Denkbestimmungen. „Vorgängig“^® ist eine solche Untersuchung nicht in dem Sinne, daß sie vor dem wirklichen Erkennen angestellt wird, sondern in dem Sinne, daß das wirkliche Erkennen sich über die Inadäquatheit eines bestimmten Standpunkts oder - was dasselbe ist - einer Manifestation des Absoluten auf Grund dieser Denkbestimmungen (Sphäre des Seins und des Wesens) Klarheit verschafft. ” Vgl. dazu E. Fleischmann: Die Wirklichkeit in Hegels Logik. - In: Zeitschrift für philosophische Forschung 18 (1964), 3-29; Ders.: La Science universelle ou la Logique de Hegel. Paris 1968. 199 ff. Vgl. darüber unten 109 ff. Es seien hier einige der wichtigsten Stellen aus der Logik der Enzyklopädie angegeben: „Jede folgende Bedeutung, die sie [die Denkbestimmungen] erhalten, ist darum nur als eine nähere Bestimmung und wahrere Definition des Absoluten anzusehen ..." (§ 87 A); „Das Absolute ist das Wesen ..." (§112) ; „... die Definition des Absoluten ist nunmehr, daß es der Schluß ist .. .“ (§ 181 A); „das Absolute ist das Objekt“ (§ 194 A); schließlich: „Die Definition des Absoluten, daß es die Idee ist, ist nun selbst absolut. Alle bisherigen Definitionen gehen in diese zurück“ (§ 213 A). *0 Vgl. WL I 47.

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B. Logik und Realsyscematik

Das Enthaltensein des Absoluten - d. h. des Ganzen der realsystematischen Sphären - in der Logik ist noch auf eine andere Weise zu erläutern. Wenn Hegel sagt, die Kategorien bzw. Denkbestimmungen werden in der Logik an und für sich betrachtet, so ist dies eine andere Formulierung desselben Sachverhalts, daß sie nämlich als Bestimmungen des Absoluten begriffen werden. Die Betrachtung der Bestimmungen an und für sich ist ihre absolute Betrachtung. Das bedeutet: sie werden weder als rein formale d. h. in bezug auf einen ihnen fremden Inhalt - noch als rein transzendentale - d. h. nur in der ihnen allen gleichen Relation auf das Ich^^ -, noch nur als Bestimmungen eines bestimmten Seienden oder einer bestimmten Sphäre, sondern „absolut“, d. h. hier als die Ausgelegtheiten des Ganzen betrachtet. Diese „abstrakte“ Betrachtung bedeutet nicht eine Trennung oder gar Isolierung der Bestimmungen von der „Wirklichkeit“, sondern besagt im Gegenteil eine noch tiefere „Einsenkung“ in das realsystematische Ganze: daß die Denkbestimmungen von jeder Einseitigkeit oder Partikularität „befreit“, daß sie an und für sich, absolut betrachtet werden, heißt, daß sie eben die „Begriffe“ des befreiten Ganzen oder die Artikulationen der „Freiheit des Ganzen“^* sind. Bevor der differenziertere Sinn des Absoluten bei Hegel ermittelt wird, muß noch auf die Bedeutung des Unterschieds zwisdhen objektiver und subjektiver Logik im Hinblick auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden. Hegels objektive Logik hat eine kritische Funktion; ihr Verhältnis zum Ganzen, zum Absoluten, ist daher ein überwiegend negatives, insofern sie die enthüllende Darstellung der unvollkommenen oder inadäquaten Bestimmungen (Definitionen) des Absoluten enthält. Dies wird dadurch erreicht, daß die äußerlichen, historischen Umstände und Gesichtspunkte, unter denen sich die „Substrate der Vorstellung“ in ihrer Unbegriffenheit präsentieren, nicht geschildert werden, sondern nur die innere Bewegtheit ihrer sprachlichen Artikulation dargelegt wird. Durch die objektive Logik als die „wahrhafte Kritik“ wird die subjektive Logik ermöglicht: diese legt jene Bestimmungen des Absoluten dar, die die adäquate Weise seiner Offenheit ausmachen. Der negativ-kritische Zug der objektiven Logik rührt daher, daß die logischen Sphären des Seins und des Wesens schon unter das Maß des Begriffs gestellt, d. h. vom Begriff her betraditet werden. Hinsichtlich des Verhältnisses zum realsystematischen Ganzen unterscheiden sich daher die objektive und die subjektive Logik in einer grundlegenden Hinsicht^®. « Vgl. WL I 46. « Enz. § 14 A. Dieser Unterschied wird noch ausführlich zu analysieren sein. Vgl. unten B III 4: Die Einheit von Logik und Realsystematik und das Problem der Gesdiichte (90 ff).

III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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Hegel redet nicht undifferenziert vom Absoluten. Dies geht aus seiner näheren Erläuterung der angeführten Aussagen hervor, wonach die logischen Bestimmungen als Definitionen des Absoluten angesehen werden können. Er fährt nämlich fort; „... näher jedoch immer nur die erste einfache Bestimmung einer Sphäre, und dann die dritte, als welche die Rückkehr aus der Differenz zur einfachen Beziehung auf sich ist. Denn Gott metaphysisch definieren, heißt dessen Natur in Gedanken als solchen ausdrücken; die Logik aber umfaßt alle Gedanken, wie sie noch in der Form von Gedanken sind. Die zweiten Bestimmungen, als welche eine Sphäre in ihrer Differenz sind, dagegen sind die Definitionen des Endlichen.“^* Das Absolute (Gott) wird hier also vom Endlichen abgehoben. Innerhalb der logischen Darstellung findet dies seinen Ausdruck darin, daß die Eigenbestimmungen des Absoluten jeweils in der ersten und dritten „Phase“ der Dialektik einer logischen „Sphäre“ zu erblicken ist, da die zweite „Phase“ (Bestimmung) den Bereich der Differenz ausmacht^®. Daß das Absolute in der ersten und dritten Bestimmung „angesetzt“ wird, heißt nichts anderes, als daß die Identität und die Differenz des Absoluten und der endlichen Sphären zum Ausdruck gebracht werden^®. Das Verhältnis der drei Bestimmungen, die die Identität und die Differenz des Absoluten und der endlichen Sphären artikulieren, ändert und vertieft sich von logischer Sphäre zu logischer Sphäre; denn die Selbstbestimmung des Anfangs oder des Allgemeinen in den drei logischen Sphären ist eine jeweils andere: dieses Verhältnis bzw. diese Selbstbestimmung heißt in der Sphäre des Seins Übergehen, in der Sphäre des Wesens Scheinen (Refle** Enz. § 85. Es seien dazu noch folgende wichtige Texte herangezogen: Über die Bestimmung des Daseins schreibt Hegel: „Die Formen des Daseins fallen aus in der Reihe der Bestimmungen, die für Definitionen des Absoluten angesehen werden können, da die Formen jener Sphäre für sich unmittelbar nur als Bestimmtheiten, als endliche überhaupt, gesetzt sind“ (WL I 125); „Das Dasein ist . . . die Sphäre der Differenz, des Dualismus, das Feld der Endlichkeit“ (WL I 147). Vom Urteil (also von der zweiten Bestimmung des „subjektiven“ Begriffs) heißt es: „Der Standpunkt des Urteils ist die Endlichkeit, und die Endlichkeit der Dinge besteht auf demselben darin, daß sie ein Urteil sind, daß ihr Dasein und ihre allgemeine Natur (ihr Leib und ihre Seele) zwar vereinigt sind; sonst wären die Dinge Nichts; aber daß diese ihre Momente sowohl bereits verschieden als überhaupt trennbar sind“ (Enz. S 168). “ Wenn daher oben das Absolute das Ganze der realsystematischen Sphären genannt wurde, so differenzierte diese Formulierung zwar nicht zwischen dem Absoluten als solchem und den endlichen Sphären, aber diese Formulierung ist nicht falsch, da sie die Differenz nicht leugnet. Es ist immer darauf zu achten, wie Hegel in seiner Rezension zu C.F. Göscheis „Aphorismen ...“ bemerkt, „daß dieselbe [die Identität], wie sie im spekulativen Erkennen vor kommt, den Unterschied nicht ausschließe; vielmehr hat sie denselben wesentlich in ihrer Bestimmung“ (BSchr. 312). Wie im spekulativen Erkennen Identität und Differenz hinsichtlich des Absoluten „zusammengehören“, zeigt gerade Hegels Bemerkung über die erste und dritte Bestimmung einer Sphäre: das Absolute wird dargestellt in seiner

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B. Logik und Realsystematik

xion), in der Sphäre des Begriffs* Entwicklung*’’. In jeder dieser Sphären stellt sich das Absolute somit anders dar; immer aber handelt es sich um den Prozeß des Sichselbstbestimmens und der Rückkehr zu sich als erfüllter Einheit. Je vollendeter diese Selbstbestimmung ist, desto deutlicher kommen die Differenz und die Differenten (die Endlichkeit und die Endlichen) zum Vorschein. Darüber finden sich sehr klare Aussagen bei Hegel. Es seien hier zwei bedeutsame Stellen aus dem zweiten (vorletzten) und dritten (letzten) Abschnitt des dritten Buches der Wissenschaft der Logik angeführt. Der zweite Abschnitt enthält die Darstellung der Sphäre des Objekts (in der Nürnberger Logik: Objektivität). In der Enzyklopädie wird diese Sphäre neben anderen Bemerkungen folgendermaßen eingeleitet: „Ferner ist das Objekt überhaupt das Eine noch weiter in sich unbestimmte Ganze, die objektive Welt überhaupt, Gott, das absolute Objekt. Aber das Objekt hat ebenso den Unterschied an ihm, zerfällt in sich in unbestimmte Mannigfaltigkeit (als objektive Welt), und jedes dieser Vereinzelten ist auch ein Objekt, ein in sich konkretes, vollständiges, selbständiges Dasein.“^® Die zweite Stelle ist aus der Anmerkung zur Definition der Idee entnommen: „Das Absolute ist die allgemeine und Eine Idee, welche als urteilend sich zum System der bestimmten Ideen besondert, die aber nur dies sind, in die Eine Idee, in ihre Wahrheit zurückzugehen. Aus diesem Urteil ist es, daß die Idee zunächst nur die Eine, allgemeine Substanz ist, aber ihre entwickelte, wahrhafte Wirklichkeit ist, daß sie als Subjekt und so als Geist ist.“^® Dieser Sachverhalt kann kurz so ausgedrückt werden: jede logische Sphäre ist Ausdruck des erfüllten Ganzen, des Absoluten und der realen endlichen Sphären. Sowohl das Absolute als solches als auch die „Differenten“ oder die „Vereinzelten“ erhalten den „Charakter“ (die Bestimmtheit) der jeweiligen logischen Sphäre. Bedenkt man nun, daß diese Selbstoffenbanoch abstrakten Identität mit dem Endlichen (in der ersten Bestimmung), in seiner ebenso abstrakten Differenz zum Endlichen (durch Abhebung des Endlichen vom Absoluten ln der zweiten Bestimmung) und in seiner durch die Differenz vermittelten und dadurch erfüllten Identität mit dem Endlichen (ln der dritten Bestimmung). So definiert Hegel das Absolute als „Identität der Identität und der Nichtidentität“ - eine Definition, von der Hegel sagt, sie könnte „als die erste, reinste, d. i. abstrakteste, Definition des Absoluten angesehen werden; - wie er [dieser Begriff, diese Definition] dies in der Tat sein würde, wenn es überhaupt um die Form von Definitionen und um den Namen des Absoluten zu tun wäre" (WL I 59). Genauer gesprochen ist dk angeführte Definition die reflektiertere Form ln bezug auf den aus der Analyse des Anfangs sich ergebenden „Begriff der Einheit des Seins und des Nichtseins“ (ebd.). Aber Hegel differenziert hier nicht genau. Streng gesprochen ist die Definition „Identität der Identität und der Nichtidentität“ nicht die erste und abstrakteste, da diese Bestimmungen schon zur Sphäre des Wesens (der Reflexion) gehören. Vgl. dazu u. a. Enz. §§ 161, 240, 244 u. ö. Enz. § 193 A. « Enz. § 213 A.

III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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rung (Selbstbestimmung) des erfüllten Ganzen ein Prozeß ist, so ist zu sagen: das Ganze offenbart sich immer mehr als solches und diese Manifestation besagt in einem die radikalste Identität (die Eine Idee) und die radikalste Differenz (die besonderen Ideen). Jede Interpretation, die in der Philosophie Hegels einen wie immer gearteten oberflächlichen Monismus erblickt, begreift überhaupt nicht, worum es ihm eigentlich geht: um ein Begreifen und Aufzeigen der Selbstdarstellung des in sich differenzierten Ganzen - ein Begreifen und Aufzeigen, das zugleich eine radikale Kritik jener untergeordneten Standpunkte ist, die dem jetzigen „Standort“ des Ganzen unangemessen sind. Der dem Absoluten, d. h. dem in sich differenzierten Ganzen angemessene Standpunkt oder die dem Absoluten angemessene logische Sphäre ist die des adäquaten Begriffs, d. h. der Idee. Erst auf dieser letzten Stufe gelangen die Differenten, die Vereinzelten in ihr wahrhaftes Eigenes, in ihre wahrhafte Eigenbestimmung - nicht obwohl, sondern weil sie in der Einheit der Einen Idee begriffen werden. Auf dieser Stufe gilt nämlich: „Das wahrhafte, unendliche Allgemeine . . . bestimmt sich frei; seine Verendlichung ist kein Übergehen, das nur in der Sphäre des Seins statthat...“®® Daß auf der Stufe des Begriffs oder der Idee das Absolute sich frei bestimmt, besagt, daß die Differenten die frei Entlassenen sind. In der Sphäre des Seins und des Wesens findet hingegen nur ein äußerliches Übergehen in ein Anderes bzw. ein Scheinen in dem Entgegengesetzten statt, wobei weder das Absolute als solches noch die „Differenten“ ihre Eigenbestimmung erlangen®*. Erst auf der Ebene der Idee wird „die Freiheit des Ganzen“®^, d. h. das Ganze als Freiheitsgeschehen erreicht. 2. Die Bedeutung der „Beispiele“ und „Hinweise“ in der Wissenschaft der Logik Die Logik ist ursprünglich-grundsätzlich identisch mit der Realsystematik. Aber dies wird von Hegel in der Wissenschaft der Logik nicht im einzelnen gezeigt, denn Hegel führt nicht aus, wie die realsystematischen Sphären auf Grund der jeweiligen logischen Sphäre sich darstellen; er legt also nicht dar, wie Natur, Geist, Recht, Sittlichkeit, Religion ... auf der jeweiligen logischen Sphäre bestimmt sind. 5» WL II 244. Streng genommen kann auf dieser letzten und höchsten Stufe nicht mehr von „Differenten“ gesprochen werden. Wie soll man dann das Absolute und eben diese „Differenten“ in ihrer jeweiligen Eigenbestimmung nennen? Erst wenn man diese Zusammenhänge eingesehen und herausgestellt hat, ist man imstande, in angemessener Weise nach Hegels Auffassung von „Gott“ zu fragen. 52 Enz. § 14 A.

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B. Logik und Realsystematik

Aber in der Wissenschaft der Logik finden sich überall verstreute Hinweise auf das Verhältnis zwischen den logischen und den realsystematischen Sphären. Wie schon früher bemerkt, zeigen diese Hinweise jenes Umschlagen an, das der Ausdruck des genannten Verhältnisses ist®®. Darauf soll jetzt im einzelnen eingegangen werden. (1) Die Hinweise erscheinen in der Wissenschaft der Logik am häufigsten in der Form von Beispielen. Von manchen logischen Bestimmungen ist alles ein Beispiel. So ist es nach Hegel nicht schwer, die „Einheit von Sein und Nichts in jedem Beispiele, in jedem Wirklichen oder Gedanken aufzuzeigen“®^. Ebenso ist der Widerspruch „in aller Erfahrung .. ., in allem Wirklichen wie in jedem Begriffe“®® zu finden. Oder es wird gesagt: „... alle Dinge sind ein Urteil“®®, „Alles ist ein Schluß“®^, „alle Dinge sind der Schluß“®®. Von manchen logischen Bestimmungen werden von Hegel einzelne Beispiele angeführt. So sind „bestimmtere Beispiele der reinen Quantität, wenn man deren verlangt“, Raum und Zeit, Materie überhaupt, Licht, selbst das Ich, insofern „es ein absolutes Anderswerden, eine unendliche Entfernung oder allseitige Repulsion zur negativen Freiheit des Fürsichseins ist, aber welche schlechthin einfache Kontinuität bleibt ...“®® Das dialektisch begriffene Verhältnis des Inneren und Äußeren bietet sich dar „in aller natürlichen, wissenschaftlichen und geistigen Entwicklung überhaupt“®®. Als Beispiele nennt Hegel das Verhältnis der Kraft und ihrer Äußerung, des Ganzen und der Teile, oder die Sphäre des Seins und des Wesens oder auch „konkrete Gegenstände“ wie den Keim der Pflanze, das Kind und schließlich auch Gott.. .®i Am häufigsten geht Hegel zu einem oder mehreren Beispielen über, ohne sie als Beispiele zu kennzeichnen. So etwa, wenn er von der Schranke spricht, nennt er unmittelbar den Stein, die Pflanze, die Vernunft, das Denken . ..®® Oder wenn er erläutert, wie die Kategorien des Fürsichseins und des Für-eines-Seins auf Ich, Geist überhaupt oder Gott zutreffen .. .®* In diesem Fall werden gewöhnlich die großen realsystematischen Sphären erwähnt: Natur, Leben, Ich, Geist, Gott.. .®* (2) Bedeutsam sind Hegels häufige kritische Bemerkungen über den Gebrauch von Kategorien und Denkbestimmungen. Hier spielen vor allem die Kategorien des Endlichen eine wichtige Rolle. Hegel stellt fest: „Die wahrVgl. oben 56 ff. “ WL II 59. " Enz. § 181 A. WL I 182. '1 Vgl. WL II 154. Vgl. WL I 149 f.

=« “ 58 5» »2 “

WL I 69. Enz. S 167. WL II 314. WL II 153. Vgl. WL I 122 f. Vgl. z. B. WL II 244, 260, 266, 430 u. ö.

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III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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hafte Kritik der Kategorien und der Vernunft ist gerade diese, das Erkennen über diesen Unterschied zu verständigen und dasselbe abzuhalten, die Bestimmungen und Verhältnisse des Endlichen auf Gott anzuwenden.“®® Im einzelnen kritisiert Hegel besonders die Anwendung der Kategorien des Seins und des Wesens auf Verhältnisse des Lebens und des Geistes. So wendet er sich scharf gegen „die in der Philosophie geschehene Einmischung von Formen des Quantitativen in die reinen qualitativen Formen des Denkens“®®. Zu KANTS „Widerlegung des MENDELSSOHNSchen Beweises der Beharrlichkeit der Seele“®^ bemerkt Hegel: „Was ist nun diese Widerlegung anders als die Anwendung einer Kategorie des Seins, der intensiven Größe, auf den Geist? — einer Bestimmung, die keine Wahrheit an sich hat und im Begriffe vielmehr aufgehoben ist.“®® Wie Hegel diese Aufhebung versteht, sagt er an einer anderen Stelle, wo er ebenfalls den KANTischen „eigentümlichen Gebrauch von der Anwendung der Bestimmtheit des intensiven Quantums auf eine metaphysische Bestimmung der Seele“ kritisiert: „Dem Geiste kommt allerdings Sein zu, aber von ganz anderer Intensität, als die des intensiven Quantums ist, vielmehr einer solchen Intensität, in welcher die Form des nur unmittelbaren Seins und alle Kategorien desselben als aufgehoben sind.“®* Diesem unkritischen und unbewußten Gebrauch von unangemessenen Kategorien liegt die Vorstellung der Seele als Ding zugrunde^®. Kritisiert wird ebenfalls „die unstatthafte Anwendung des Kausalitätsverhältnisses auf Verhältnisse des physisch-organischen und des geistigen Lebens“^^. Nicht unwichtig für das Verständnis der Logik ist auch eine Bemerkung in einer Berliner Rezension: „. . . im dritten Teile der Logik, welche von dem Begriffe und der Idee handelt, sind wahrere Formen an die Stelle der Kategorien von Substanz, Kausalität, Wechselwirkung, die daselbst kein Gelten mehr haben, getreten.“'^® Es geschieht sogar, daß Hegel von einer gewissen Analogie im Gebrauch der Kategorien spricht. So sagt er von dem Medium, das im chemischen Prozeß die Extreme zusammenschließt: „.. . im Körperlichen hat das Wasser die Funktion dieses Mediums; im Geistigen, insofern in ihm das Analogon eines solchen Verhältnisses stattfindet, ist das Zeichen überhaupt, und näher die Sprache dafür anzusehen.Auch vom Kausalitätsverhältnis sagt Hegel im Hinblick auf den Geist (im Bereich der Geschichte): insofern es, “5 WL I 75; vgl. auch 335. •• WL I 333. Vgl. Kritik der reinen Vernunft. Hrsg, von R. Schmidt. 2. Aufl. Leipzig 1930 (Neudruck Hamburg 1965). Ausg. B (1787). 413 ff. «8 WL II 434. •» WL I 220-221. Vgl. WL II 121f. WL II 193. BSchr. 351 (Hervorhebung von mir). WL II 379.

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„obwohl in uneigentlichem Sinne, zugelassen wird“, kann die Wirkung nicht größer sein als die Ursache^^. (3) Auf zwei allgemeine methodologische Bemerkungen Hegels über den Gebrauch der Gedankenformen muß noch eingegangen werden. Im Rahmen einer kritischen Betrachtung über die KANxischen synthetischen Sätze a priori der Anschauung schreibt Hegel: „Die Unterscheidung der Sphären, in welche eine bestimmte Form des Begriffs gehört, d. h. als Existenz vorhanden ist, ist ein wesentliches Erfordernis zum Philosophieren über reale Gegenstände, um nicht das Äußerliche und Zufällige durch Ideen in seiner Eigentümlichkeit zu stören, wie diese Ideen durch die Unangemessenheit des Stoffes zu entstellen und formell zu machen.“^® Die Folgerung, die Hegel in diesem Satz aus der geforderten Einsicht in die Unterscheidung der (logischen) Sphären zieht, scheint zunächst etwas ungewöhnlich zu sein; denn normalerweise geschieht das Gegenteil, daß nämlich ungeeignete Kategorien für einen „höheren“ Stoff verwendet werden. Aber die genannte Folgerung ist aus dem Zusammenhang zu verstehen, in dem der Satz steht. An einem „äußerlichen Stoff“, wie etwa der Zahl und dem Zählen^®, ist ein „Fortgang des Begriffs“ nicht als eine immanente Entwicklung, sondern nur als eine äußere „Oberfläche Synthese“^^ .aufzufassen. Der unkritische Gebrauch von Denkbestimmungen besteht hier darin, daß auf einen solchen Stoff höhere Denkbestimmungen, d. h. „eigentliche“ Begriffe (Ideen) angewandt werden. Aber aus Hegels allgemeiner Aussage über die Notwendigkeit einer Unterscheidung der logischen Sphären muß auch eine Folgerung in entgegengesetzter Richtung gezogen werden: die Denkbestimmungen aus den unteren (untergeordneten) logischen Sphären sind zum Begreifen eines „höheren“ Stoffes untauglich. Gerade auf diesen Gesichtspunkt geht Hegel in einer anderen methodologischen Bemerkung ein: „Die Philosophie bedarf solcher Hilfe [der Symbolik] nicht, weder aus der sinnlichen Welt, noch aus der vorstellenden Einbildungskraft, auch nicht aus Sphären ihres eigentümlichen Bodens, welche untergeordnet sind, deren Bestimmungen daher nicht für höhere Kreise und für das Ganze passen.“^® Wie sind die „untergeordneten Sphären“, die „höheren Kreise“ und das „Ganze“ zu verstehen? Die Sphären sind jedenfalls primär als logische Sphären zu deuten, dann aber auch als realsystematische Sphären in dem Sinne, daß gewisse logiscJie Bestimmungen ihre eigentümliche WL II 194. Ähnlich: „Ein eigentliches Schicksal hat nur das Selbstbewußtsein . . .“ (WL II 370); „Im Geistigen nimmt das Zentrum und das Einssein mit demselben höhere Formen an ...“ (WL II 372). ” WL I 207. ” Vgl. WL I 204. ” Ebd. I 334-335.

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„Realisierung“ in bestimmten realsystematischen Sphären haben™. Die „höheren Kreise“ sind ebenfalls sowohl höhere logische als auch höhere realsystematische Sphären. Dies wird an den erklärenden Beispielen ersichtlich, die Hegel gleich anfügt: „. . . die geläufigen Bestimmungen von Kraft, oder Substantialität, Ursache und Wirkung usf. sind ... nur Symbole für den Ausdruck z. B. lebendiger oder geistiger Verhältnisse, d. i. unwahre Bestimmungen für dieselben, so noch mehr die Potenzen des Quantums und gezählte Potenzen für dergleichen und für spekulative Verhältnisse überhaupt.“®* Wenn Hegel schließlich im Kontext der kommentierten Stelle die Anwendung von „Kategorien des Endlichen auf das Unendliche“ kritisiert, so hat diese Kritik das sowohl logisch wie auch realsystematisch zu deutende „Ganze“ im Blick. Hegels Aussagen über den kritischen, unstatthaften und analogen Gebrauch von Denkbestimmungen, die von ihm angeführten Beispiele, die ausdrücklichen und ständigen Hinweise auf die realsystematischen Sphären und schließlich seine methodologischen Bemerkungen über die logischen Bestimmungen müssen vor einem schwerwiegenden Mißverständnis, dem ein erheblicher Teil der Hegel-Interpreten und -Kritiker erlegen ist, bewahrt werden. Hegels Bemerkungen verleiten nämlich leicht dazu, die logischen Bestimmungen so aufzufassen, daß sie „auf anderswoher hereinkommenden Stoff“®^ - d. h. auf die vor-liegende, als „fertige“ vorausgesetzte „Welt“ oder „Wirklichkeit“ oder wie immer man das dem Denken vorgegebene „Ganze“ näher bezeichnen mag - angewendet werden. Das Verhältnis der Logik als formeller Wissenschaft zum realsystematischen „Inhalt oder „Stoff“ wäre ein äußerliches Verhältnis: der Stoff wäre als eine schon fertige Welt vorausgesetzt, an die die logischen Bestimmungen nachträglich herantreten. Dieses Mißverständnis dürfte auf Grund aller Überlegungen Vgl. dazu z. B. folgende Stelle: „Es mag hiebei dies überhaupt bemerkt werden, daß die verschiedenen Formen, in welchen sich das Maß realisiert, auch verschiedenen Sphären der natürlichen Realität angehören. Die vollständige, abstrakte Gleichgültigkeit des entwickelten Maßes, d. i. der Gesetze desselben kann nur in der Sphäre des Mechanismus statthaben, als in welchem das konkrete Körperliche nur die selbst abstrakte Materie ist . . .“ (WL I 341; Hervorhebung von mir). Vgl. auch: „Noch weniger ... findet im Reich des Geistes eine eigentümliche, freie Entwicklung des Maßes statt“ (WL I 342; Hervorhebung von mir). 8® WL I 335. Strenggenommen könnten diese „lebendigen oder geistigen Verhältnisse“ auch als rein logische Sphären interpretiert werden, da ja in der Wissenschaft der Logik die „loglsdie Ansicht des Lebens“ (WL II 414 ff) und die „logische Idee des Geistes“ (WL II 437) behandelt werden, und zwar in Abhebung vom „Naturleben“ (WL II 415) und von den „konkreten Wissenschaften des Geistes“ (WL II 435). Aber die hier kommentierte Stelle muß im Zusammenhang mit anderen ähnlichen (z. T. oben zitierten) Stellen gelesen werden, die unzweideutig nicht (nur) logisch, sondern (auch) realsystematisch gemeint sind. 81 WL II 469.

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dieser Arbeit als ausgeschlossen gelten. Es genüge hier, darauf hinzuweisen, daß eine solche „äußerliche“ Interpretation weder bedenkt, was überhaupt Anwendungsverhältnis ist®^, noch begreift, daß das Verhältnis von Logik und Realsystematik - im Lichte der Selbstaussage der Logik - als ein Ineinanderumschlagen und als eine „ursprüngliche Identität“ zu fassen ist®®. Die Bedeutung der in diesem Abschnitt untersuchten Hinweise, Beispiele, Bemerkungen usw. liegt darin, daß sie die konkrete Anzeige der ursprünglich-grundsätzlichen Identität von Logik und Realsystematik sind. Das „Beispielhafte“ - wie man alle diese Hinweise und Bemerkungen kurz nennen kann — in der Logik ist nicht Hinweis auf einen „anderswoher hereinkommenden Stoff“®^, sondern ist der Index des in der Logik präsenten oder enthaltenen, aber unausgeführten, nicht dargestellten realsystematischen Ganzen®®. Die realen oder konkreten Sphären, auf die sich die Beispiele beziehen, stehen nicht außerhalb der logischen Denkformen oder der logischen Sphären, sondern zeigen nur an, daß in der Logik das wahrhafte Ganze in einer unausgeführten Weise enthalten ist. Anders gesagt: die vollständige Ausführung dessen, was die Beispiele fragmentarisch anzeigen, ist nichts anderes als der ausgeführte oder dargestellte Aufweis der ursprünglich-grundsätzlichen Identität oder des Ineinanderumschlagens von Form und Inhalt, Vgl. oben 64. Vgl. oben 56 ff. WL II 469. An vielen Stellen seiner Werke sagt Hegel, daß reale Gegenstände und sogar ganze Wissenschaften Beispiele der Methode, d. h. des logischen Verlaufs sind. Einige Stellen seien angeführt. In der Einleitung zur Wissenschaft der Logik schreibt Hegel: „Ich habe in der Phänomenologie des Geistes ein Beispiel von dieser Methode [d. h. von der Methode, die, wie Hegel in diesem Kontext erläutert, „allein die wahrhafte Methode der philosophischen Wissenschaft sein kann“ und deren Exposition „in die Abhandlung der Logik selbst“ fällt] an einem konkretem Gegenstände, an dem Bewußtsein, aufgestellt“ (WL I 35). In der 2. Ausgabe fügt Hegel die Bemerkung an; „Später an den anderen konkreten Gegenständen und resp. Teilen der Philosophie“ (ebd.). In der Religionsphilosophie heißt es: „Die mit der Natur des Begriffs schon bekannt [sind], werden dies [[d.h. das Durchlaufen der Bestimmtheiten der Religion oder die Grundzüge der Geschichte der Religionen]] näher verstehen, die andern hieran ein Beispiel der absoluten, immanenten Methode der Wissenschaft sehen, aus ihr die Natur des Prozesses, der Bewegung des Begriffs erhalten“ (Rel. II 18 [Ms]). Es kommt aber bei Hegel auch vor, daß die Logik das Beispiel für eine realsystematische Sphäre oder einen realsystematischen Sachverhalt abgibt. So sagt Hegel in seiner Kritik des unmittelbaren Wissens, es sei „als faktisch falsch aufgezeigt worden, daß es ein unmittelbares Wissen gehe .. .“ und fügt hinzu: „Von dem Faktum aber solchen [Vermittlung enthaltenden] Erkennens, das weder in einseitiger Unmittelbarkeit noch in einseitiger Vermittlung fortgeht, ist die Logik selbst und die ganze Philosophie das Beispiel“ (Enz. § 75; vgl. auch WL II 495). Häufig versteht Hegel „Beispiel“ als das „Beiherspielende“, so z.B. in der Phänomenologie des Geistes: „An dem reinen Sein aber, welches das Wesen dieser [sinnlichen] Gewißheit ausmacht und welches sie als ihre Wahrheit aussagt, spielt, wenn wir Zusehen, noch vieles andere beiher. Eine wirkliche sinnliche Gewißheit ist nicht nur diese reine Unmittelbarkeit, sondern ein Beispiel derselben“ (Phän. 80). Etwas weiter heißt es: „Der Reichtum des sinnlichen Wissens gehört der Wahrnehmung, nicht der unmittelbaren Gewißheit an, an der er nur das Beiherspielende war . . .“ (Phän. 90).

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Logik und Realsystematik. Diese vollständige Ausführung des Beispielhaften als der Vollsinn des Logischen ist in Hegels Wissenschaft der Logik immer impliziert, anvisiert und vorausgesetzt. Für ein adäquates Verständnis des Hegelschen Denkens kommt es entscheidend darauf an, diese wesentlichen Zusammenhänge einzusehen und im Blick zu behalten. Im einzelnen besagt dies: Von jeder logischen Sphäre — als der jeweiligen Bestimmung des Ganzen - muß das „entsprechende“ jeweilige realsystematische Ganze angegeben werden können. Also: man muß angeben können, wie die realsystematischen Sphären: Natur, Geist, Staat, Kunst, Religion, Philosophie . . . etwa „in“ der logischen Bestimmtheit des Seins „aussehen“, d. h. wie sie, sich in dieser logischen Bestimmtheit auslegend, sich darstellen. Nichts anderes besagt eine auf den ersten Blick so bedeutungslose Bemerkung wie die folgende: „Im Moralischen, insofern es in der Sphäre des Seins betrachtet wird, findet derselbe Übergang des Quantitativen ins Qualitative statt... Es ist ein Mehr und Weniger, wodurch das Maß des Leichtsinns überschritten wird und etwas ganz anderes, Verbrechen, hervortritt, wodurch Recht in Unrecht, Tugend in Laster übergeht.“®® Wie hier das Moralische, so können und müssen alle anderen realsystematischen Sphären in der logischen Bestimmtheit des Seins betrachtet und dargestellt werden. Eine solche Betrachtung und Darstellung ist, wie sich noch zeigen wird, nichts anderes als die Betrachtung und Darstellung der Geschichte. Das Problem der Ausführung des in der Logik bzw. in jeder Sphäre der Logik enthaltenen realsystematischen Ganzen macht gerade das Problem der anderen Teile der Philosophie aus. Diese anderen Wissenschaften sind nämlich nur der Versuch, die Logik selbst auszuführen, den Vollsinn des Logischen aufzuzeigen. Erst von hier aus läßt sich der Sinn des berühmten und bis zur Lächerlichkeit un- und mißverstandenen Übergangs der logischen Idee in die Natur verstehen und richtig interpretieren. Es dürfte etwas deutlicher geworden sein, was Hegel meint, wenn er betont, daß die Logik „als die formelle Wissenschaft nicht auch diejenige Realität enthalten könne und solle, welche der Inhalt weiterer Teile der Philosophie, der Wissenschaften der Natur und des Geistes, ist“, und daß diese konkreten Wissenschaften „zu einer reellem Form der Idee“®'^ heraustreten. Dies bedeutet nicht, daß eine mehr oder weniger phantastisch vorgestellte „reale“ Entwicklung der Idee von einem Zustand in einen anderen stattfindet®®, wobei dann unlösbare Probleme entstehen, sondern dies bedeutet schlicht folgendes: die Logik als Ausdruck (Ausgelegtheit, Abbreviatur) des Ganzen wird ausgeführt, dargestellt; statt nur Bei-spiele wird das ganze „Spiel“ entfaltet. Man kann dies WL I 384 (Hervorhebung von mir). WL II 230-231. Vgl. unten die Auseinandersetzung mit der Hegel-Interpretation von /. Il'jin (127 ff).

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auch so ausdrücken: die Logik ist die ursprüngliche Ausgelegtheit des Ganzen, in der sich das Denken immer schon bewegt, oder genauer: die das Denken selbst ausmacht®®. Abschließend ist noch zu bemerken, daß Hegel diese ursprüngliche Ausgelegtheit nicht nur - wie manche hermeneutischen Richtungen - behauptet, sondern auch den konkreten Versuch unternimmt, sie in ihrem reinen Element, d. h. als Logik, vollständig darzustellen.

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3. Das „Vernünftige (Logische)“ und das „Wirkliche“: die Benennung der nichtlogischen Dimension An dieser Stelle drängt sich eine Frage auf, die in der Hegel-Interpretation meist nicht gestellt oder aber als dunkel und unlösbar angesehen wird: die Frage nach der Benennung (Bezeichnung) der nichtlogischen, also der realsystematischen „Dimension“ im ganzen und der nichtlogischen bzw. realsystematischen Sphären im einzelnen. Diese Problematik soll hier an Hand einer Interpretation des geschichtsträchtigen Spruches aus der Vorrede zur Philosophie des Rechts entfaltet werden: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig“^'^; dabei sollen in besonderer Weise Hegels Überlegungen über diesen Spruch im § 6 der Enzyklopädie berücksichtigt werden. Im übrigen soll diese Interpretation auf das am Anfang dieser Untersuchung referierte Hegel-Verständnis TH. LITTS wieder eingehen und dessen Unhaltbarkeit aufweisen. Daß „vernünftig“ in diesem Spruch auf das Logische zu beziehen ist, entspricht nicht nur dem unmittelbaren Sinn des Spruches (Einheit mit bzw. Gegensatz zu „wirklich“) und dem im Haupttext des erwähnten Paragraphen der Enzyklopädie Ausgeführten, sondern wird bestätigt durch § 214 der Enzyklopädie, wo gesagt wird, daß die (logische) Idee als die Vernunft zu fassen ist und wo die Bemerkung angefügt wird: „. . . dies ist die eigentliche philosophische Bedeutung für Vernunft.In seinen Erläuterungen des Vgl. dazu WL I 14: „Sonach können wir . . . viel weniger dafür halten, daß die Denkformen, die sich durch alle unsere Vorstellungen . . . hindurchziehen, uns dienen, daß wir sie, und sie nicht vielmehr uns im Besitz haben; was ist uns übrig gegen sie, wie sollen wir, ich mich als das Allgemeinere über sie hinausstellen, die selbst das Allgemeine als solches sind?“ 9» GPhR 14. 9^ Vgl. auch WLII 408-409: „Indem sich . . . das Resultat ergeben hat, daß die [logische] Idee die Einheit des Begriffs und der Objektivität, das Wahre, ist, so ist sie nicht nur als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzunähern sei, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe, sondern daß alles Wirkliche nur insofern ist, als es die Idee in sich hat und sie ausdrückt . . . Wenn gesagt wird, es finde sich in der Erfahrung kein Gegenstand, welcher der Idee vollkommen kongruiere, so wird diese als ein subjektiver Maßstab dem Wirklichen gegenübergestellt; was aber ein Wirkliches wahrhaft sein solle, wenn nicht sein Begriff in ihm, und [wenn] seine Objektivität diesem Begriffe gar nicht angemessen ist, ist nicht zu sagen; denn es wäre das Nichts“ (Hervorhebung von mir; eckige Klammern von Lasson)

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Spruches in der Anmerkung zum § 6 der Enzyklopädie macht Hegel darauf aufmerksam, daß er „Wirklichkeit“ in jenem präzisen Sinne verwendet, wonach sie vom Zufälligen, von der Existenz, dem Dasein und anderen Bestimmungen genau zu unterscheiden ist. Hegel verweist auf die Wissenschaft der Logik, gibt aber auch hier eine ausgezeichnete Charakterisierung dessen, was „Wirklichkeit“ bedeutet: Die Philosophie muß darüber verständigt sein, „daß ihr Inhalt kein anderer ist als der im Gebiete des lebendigen Geistes ursprünglich hervorgebrachte und sich hervorbringende, zur Welt, äußern und innern Welt des Bewußtseins gemachte Gehalt, — daß ihr Inhalt die Wirklichkeit ist“®^. Hegel führt weiter aus, daß die Übereinstimmung der Philosophie mit der Wirklichkeit und Erfahrung notwendig ist, und fügt den wichtigen Satz hinzu: „Ja diese Übereinstimmung kann für einen wenigstens äußern Prüfstein der Wahrheit einer Philosophie angesehen werden, so wie es für den höchsten Endzweck der Wissenschaft anzusehen ist, durch die Erkenntnis dieser Übereinstimmung die Versöhnung der selbstbewußten Vernunft mit der seienden Vernunft, mit der Wirklichkeit hervorzubringen.“®® Die Wirklichkeit ist also die seiende Vernunft, die Wissenschaft die selbstbewußte Vernunft. Bezeichnend ist hier, daß von Versöhnung die Rede ist, und zwar nicht im Sinne einer Angleichung, der Wirklichkeit an die (selbstbewußte) Vernunft, sondern im Sinne einer durch die Erkenntnis der Übereinstimmung der Philosophie mit der Wirklichkeit erst aufzuzeigenden Versöhnung. Die Wirklichkeit wird hier hervorgehoben, wenn auch nicht gesagt werden kann, daß sie etwa den „Primat“ vor der (selbstbewußten) Vernunft habe. Wissen und Wirklichkeit, selbstbewußte und seiende Vernunft sind nach Hegel immer schon in ursprünglicher Einheit: sie sind Dimensionen ein und desselben. Hier aber drängt sich die sehr wichtige Frage auf: Ist nicht der Unterschied von Wissen und Wirklichem, von Logischem und Wirklichem, von selbstbewußter und seiender Vernunft selbst logikimmanent? Ist nicht „Wirklichkeit“ eine logische Kategorie, die andere logische Kategorien voraussetzt und die selbst von anderen logischen Bestimmungen aufgehoben wird? Was kann daher die Unterscheidung bzw. die Einheit von Logischem und Wirklichem bedeuten? Handelt es sich nicht ausschließlich um einen innerlogischen Unterschied zwischen einer unteren und einer höheren logischen Bestimmung? Diese Problematik wird in charakteristischer Weise als unlösbare Schwierigkeit von jener oben kritisierten Auffassung empfunden, die zuerst die Logik vollkommen verabsolutiert und isoliert und die dann konsequenterweise 9= Enz. § 6.

95 Ebd.

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aus der Logik nicht mehr „auszubrechen“ vermag. Aber diese Interpretation hat sich schon als verkehrt enthüllt: sie begreift nämlich überhaupt nicht, wie der Ansatz der Logik gemacht wird. Mit diesem Hinweis aber ist die hier anstehende Problematik noch nicht hinreichend geklärt. Wie ist dieser Sachverhalt positiv zu deuten? Es muß zunächst unbedingt daran festgehalten werden, daß alle in der Wissenschaft der Logik untersuchten Kategorien oder Denkbestimmungen ausnahmslos logisch gemeint sind. Dies bedeutet: alle gehören zu jener von vornherein und von Anfang an de-finierten und durch den ganzen logischen Verlauf streng eingehaltenen Dimension des „reinen Denkens“. Dies muß mit aller Radikalität gegen Versuche betont werden, wie den von LITT, der die Logik von vornherein mißversteht, indem er meint, in der Anlage der Logik sei „das in der Realphilosophie heimische Wissen uneingestandenerweise doch mit im Spiele“®^. Es ist bezeichnend, in welchem Sinn LITT diesen „Verdacht“®® versteht und wie er ihn zu erhärten sucht: Er verweist auf „solche Begriffe, deren Benennung genügt, um uns die ,Reinheit‘ ihrer logischen Selbsterzeugung zweifelhaft zu machen“®®, wie die Begriffe „Wirklichkeit“, „Existenz“, „Dasein“ u. ä. Ferner meint LITT, eine „Vermengung von Logik und Realphilosophie“ feststellen zu können, und zwar in jenen Begriffen, „die sowohl in der Logik als auch in der Realphilosophie begegnen, deren eigentliche Bedeutung uns aber sehr viel besser einleuchtet, wenn wir sie im Zusammenhang der Realphilosophie aufsuchen, als wenn wir sie als rein logische ,Gedankenbestimmungen' zu verstehen uns bemühen“®^. Als Beispiele solcher Begriffe nennt LITT U. a. die Termini „Ansich“, „Fürsich“, „Setzen“ und „Voraussetzen“, „Reflexion“ und „Manifestation“. Nach LITT „haben wir keine Mühe, uns den Sinn dieser gedanklichen Wendungen an den uns geläufigen inneren Erfahrungen zu verdeutlichen“; lassen wir uns aber von dieser Erfahrung des realen bewußten Geistes belehren, „so ist es um die ,Reinheit‘ der logischen Entwicklung geschehen“®®. Deutlicher kann man die unausweichlichen Folgerungen aus einem falschen Verständnis der Hegelschen Logik nicht aussprechen, wenn auch hinzuzufügen ist, daß LITT durchaus um einen echten Problemkern kreist, den er aber nicht herauszuarbeiten vermag. Im schärfsten Widerspruch zu solchen und ähnlichen Versuchen muß der radikal rein logische Charakter der in der Logik behandelten Bestimmungen betont werden. Was mit diesem rein logischen Charakter gemeint ist, wurde schon in mehreren Anläufen zu zeigen versucht. Im gegenwärtigen Kontext *■' Th. Litt: Hegel. Versuch einer kritischen Erneuerung. 2. Aufl. Heidelberg 1961. 246. 85 Ebd. 247. 8« Ebd. 248. 8^ Ebd. 8B Ebd. 249.

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besagt er, daß alle Kategorien denselben „dimensionalen“ Sinn haben. Das heißt: Keine der Denkbestimmungen hat gegenüber anderen eine größere „Nähe“ zu dem, was LITT „Wirklichkeit“ oder „Erfahrung“ nennt. Was kann das angeblich „unbefangene Denken“ und dessen „Hinweis auf in der Wirklichkeit sich präsentierende Befunde“®® überhaupt besagen? Das angeblich unbefangene Denken ist ganz und gar in Kategorien und Denkbestimmungen befangen - soll es überhaupt etwas begreifen und aussprechen können. Andererseits: Was können „in der Wirklichkeit sich präsentierende Befunde“ bedeuten? Präsentieren sie sich etwa sozusagen als „nackte Tatsachen“ oder, wie Hegel sagt, als „fertige Subjekte“? Aber diese Präsentation impliziert schon Kategorien und Denkbestimmungen: dies ist ein Faktum, wie Hegel im Hinblick auf das „unmittelbare Wissen“ feststellt^®® — ein Faktum allerdings, das in seiner Notwendigkeit begriffen wird, denn es handelt sich um das Faktum des Begreifens selbst. Die Frage lautet jetzt: Ist eine Betrachtung des „reinen“ Denkens, der Kategorien oder Denkbestimmungen „an und für sich“, in der sich streng definierenden Dimension des Sichwissens oder der reinen Ausgelegtheit, möglich, sinnvoll oder gar notwendig? Dazu ist zu sagen, daß dieses Unternehmen deshalb möglich, sinnvoll und notwendig ist, weil es diese Dimension des Geistes „gibt“. Mindestens als Faktum sollte man sie also anerkennen - ein Faktum aber, das, wie soeben gesagt, in seiner Notwendigkeit begriffen wird. Ferner ist zu sagen, daß dieses Unternehmen nur glücken kann, wenn es wirklich radikal durchgeführt wird, d. h. wenn die Dimension des Sichwissens nicht nur irgendwie behauptet, sondern streng eingehalten und vollständig dargelegt wird. Man mag noch so „nackt“, so „neutral“, so „sachgerecht“ reden wollen: immer sagt man etwas in einer bestimmten Weise, d. h. man „gebraucht“ oder „impliziert“ eine Kategorie. Bestes Beispiel dafür ist in diesem Zusammenhang gerade die Unmöglichkeit, die „in der Wirklichkeit sich präsentierenden Befunde“ überhaupt zu bezeichnen: „Wirklichkeit“ ist nämlich auch eine Kategorie, die nicht dasselbe „sagt“ wie ähnliche Kategorien, etwa „Sein“, „Dasein“, „Existenz“, „Realität“, „Objektivität“ . . . Aber gerade weil - nicht obwohl — wir in dieser totalen Sprachlichkeit leben, weil, um es mit Hegel zu sagen, das Logische unsere „eigentümliche Natur selbst“^®^ aus9» Ebd. 248. 100 Ygi dazu unten 198 f. •9' Der ganze Satz bei Hegel lautet: „In alles, was ihm [dem Menschen] zu einem Innerlidhen, zur Vorstellung überhaupt, wird, was er zu dem Seinigen macht, hat sich die Sprache eingedrängt, und was er zur Sprache macht und in ihr äußert, enthält eingehüllter, vermischter, oder herausgearbeitet, eine Kategorie; so sehr natürlich ist ihm das Logische, oder vielmehr dasselbe ist seine eigentümliche Natur selbst“ (Vorrede zur 2. Ausg. der Wissenschaft der Logik: WL I 10).

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macht, ist eine Exposition dieser totalen Sprachvermitteltheit in ihrer Reinheit möglich, ohne daß jener Boden, auf dem das Denken selbst beheimatet ist und den Hegel die „Wirklichkeit des Geistes“ nennt*'’^, in irgendeiner Weise verlassen, geschweige denn geleugnet wird. Grundlage ist immer jene anfängliche Definition, die im Ansatz selbst des logischen Unternehmens stehen muß. Dann erst ist es möglich, das Logische zu relativieren, d. h. in seiner Bezüglichkeit zum Ganzen, oder genauer: in seiner ursprünglichgrundsätzlichen Identität mit dem Ganzen und somit in seinem Vollsinn zu begreifen. Erst von hier aus ist zu verstehen, daß und wie Hegel die „andere“ Dimension mit einer Kategorie bezeichnet, die selbst einen Platz innerhalb der logischen Darstellung hat. Wird das oben Ausgeführte streng eingehalten, so kann sich die Frage eines „Ausbrechens“ aus der Logik überhaupt nicht stellen, jedenfalls nicht in der von LITT versuchten Weise. Daß die „andere“ Dimension mit einer logischen Kategorie bezeichnet wird, ist nicht nur nicht verwunderlich, sondern ganz und gar konsequent. Nur muß begriffen werden, was damit geschieht. Berücksichtigt man den Ansatz der Logik, so ergibt sich: gerade indem die Bestimmungen der Logik als „rein“ und „logisch“ — d. h. als einer sich selbst de-finierenden und somit sich als ein-seitig verstehenden Dimension angehörend — dargestellt werden, haben sie diese Reinheit bzw. Ein-dimensionalität immer schon aufgehoben. Dies kann der Vollsinn des Logischen genannt werden. Nun kann dieser Vollsinn in zwei Weisen dargestellt bzw. zum Vorschein gebracht werden. Die eine ist die Darstellung im Rahmen des enzyklopädischen Systems: danach wird zunächst die Logik dargestellt, streng als solche und vollständig, und erst dann die Realsystematik, nämlich die Philosophie der Natur und des Geistes. Die andere Weise wäre die gleichzeitige Darstellung des rein Logischen und der Aufhebung seiner Ein-dimensionalität, also die sofortige Darstellung des Vollsinns des Logischen; diese andere Weise erscheint bei Hegel nur beiher-spielend, als das Beispielhafte in der Logik. Wie früher^®^ bemerkt wurde, hat diese sofortige Darstellung des Vollsinns des Logischen den Nachteil, daß sie praktisch undurchführbar ist, da der Vollsinn einen nicht bestimmbaren Spielraum einschließt. Wird das eingesehen, so ist es nicht mehr schwer, das Problem der Benennung (Bezeichnung) der „anderen“, nichtlogischen Dimension zu einer Klärung zu führen. Es muß nämlich in strenger Konsequenz gesagt werden: Wenn Hegel vom Sichwissen und vom Wirklichen, von der Logik (Vernunft) und der Wirklichkeit, von der logischen und der „anderen“ Dimen'»2 Vgl. WL I 16.

KW Vgl. oben 70 f.

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sion spricht, so bedeutet dies weder, daß er in einer abstrakten Logikimmanenz verbleibt, noch daß er die Logik auf eine sozusagen logisch nackte Dimension bezieht; vielmehr geschieht in einer solchen Aussage das Ineinanderumschlagen von Logik und Realsystematik, also von logischer und nichtlogischer Dimension, oder anders ausgedrückt: in dieser Aussage geschieht die Selbstaufhebung der Reinheit (Ein-dimensionalität) des Logischen und somit der „Übergang“ zum Vollsinn des Logischen. Daraus folgt nun, daß das „Andere“ des Logischen immer in einer bestimmten Weise, auf Grund einer bestimmten Kategorie benannt bzw. ausgesagt wird. Damit kann abschließend der eingangs angeführte Spruch gedeutet werden: In diesem Spruch besagt „vernünftig“ den Inbegriff des rein Logischen, während „wirklich“ nicht im rein logischen Sinn, sondern im Vollsinn des Logischen - und bestimmter: im Vollsinn der Kategorie „Wirklichkeit“ — genommen wird, also als Bezeichnung für jenes Ganze, dessen eine Dimension das rein Logische ist, aber so, daß dieses Ganze hier in einer bestimmten „Höhe“ seiner Selbstausgelegtheit - eben als „Wirklichkeit“ ausgesprochen wird. Dieses Ganze wird also nicht als „Sein“, „Existenz“, „Objektivität“ usw., sondern eben als „Wirklichkeit“ ausgesagt. Warum dies? Weil für das gegenwärtige geschichtliche Bewußtsein des Menschen das Ganze schon - normalerweise - diese Stufe seiner Selbstausgelegtheit „erreicht“ hat: das Ganze ist wirklich, d. h. ist „der im Gebiete des lebendigen Geistes ursprünglich hervorgebrachte und sich hervorbringende, zur Welt, äußern und innern Welt des Bewußtseins gemachte Gehalt“i®^. Das Ganze hat also für das heutige Bewußtsein nicht nur die Bedeutung (die Höhe) von „Erscheinung“, sondern die Bedeutung von dem, „was in sich wahrhaft den Namen der Wirklichkeit verdient“^®®. Daß Wirklichkeit in diesem Sinn und Vernunft im Sinn des Logischen eins sind, besagt also nichts anderes, als daß die Vernünftigkeit die volle Explikation der Wirklichkeit, und die Wirklichkeit der Vollsinn der Vernünftigkeit ist. „Heute“ zeigt in diesem Zusammenhang den geschichtlichen Standort des Bewußtseins oder Geistes an^®®. Enz. § 6. 1»* Ebd. Auf diesen Sachverhalt soll noch einmal in einem weiteren Zusammenhang eingegangen werden (vgl. unten 251 ff). — Die obigen Ausführungen beabsichtigen nicht, eine vollständige und allseitige Interpretation des genannten Spruches aus der Vorrede zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts zu bieten. Sie wollen lediglich seine grundsätzliche methodisch-systematische Stellung im Denken Hegels verdeutlichen. Aber schon aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß der Vorwurf einer totalen Rationalisierung der Wirklichkeit oder einer totalen Sanktionierung des Bestehenden - ein Vorwurf, den man nur allzuoft aus Hegels Spruch herausgelesen hat - auf einer falschen Deutung beruht. Weder behauntet er eine perfekte oder abgeschlossene Einheit von Vernunft und Wirklichkeit, noch schließt er die Möglichkeit oder sogar die Notwendigkeit einer Veränderung des Bestehenden aus.

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4. Die Einheit von Logik und Realsystematik und das Problem der Geschichte

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Die ursprünglich-grundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik wäre ohne die Dimension der Geschichte nur unvollständig behandelt; denn die logischen Sphären als Definitionen des Absoluten ausführen, d. h. in ihrem Vollsinn begreifen und darstellen, heißt nichts anderes als angeben,-wie das Ganze der realsystematischen Sphären zur Darstellung gekommen ist. Die Vergangenheitsform ist deshalb notwendigerweise gegeben, weil die Definitionen des Absoluten eine Reihe oder einen Prozeß in dem Sinne bilden, daß die ersten Definitionen von anderen, weiteren, höheren und wahreren aufgehoben werden bzw. wurden^®^. Wenn man sagt, bei Hegel bilden Geschichte und System eine Einheit, so ist diese Behauptung eine wahre, wenn auch noch abstrakt-allgemeine Formel, die es zu begreifen und zu explizieren gilt. An der gegenwärtigen Stelle unserer Untersuchungen ist es nun möglich und auch geboten, Hegels Ansatz zur Behandlung der Geschichte herauszuarbeiten. Die Geschichte ist nach Hegel der Gang der Selbstauslegung des Absoluten als des Ganzen der realsystematischen Sphären. Eine solche Formulierung ist aber rein abstrakt; es muß gezeigt werden, was sie bedeutet. Die Zum besseren Verständnis des Spruches kann ein Satz von K. Marx herangezogen werden: „Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form“ {K. Marx: Frühe Schriften. Bd 1. Hrsg, von H.-J. Lieber und P. Furth. Darmstadt 1962. 448). - Zur Interpretation des Hegelschen Spruches vgl. die guten Bemerkungen von M. Theunissen in seinem Literaturbericht: Die Verwirklichung der Vernunft. Zur Theorie-Praxis-Diskussion im Anschluß an Hegel. Tübingen 1970. (Philosophische Rundschau. Beiheft 6.) Es ist aufschlußreich zu bemerken, daß zwischen der Nürnberger Wissenschaft der Logik und der Heidelberger Enzyklopädie einerseits und der Berliner Enzyklopädie andererseits ein auffallender Unterschied festgestellt werden kann: die spätere Logik weist ganz deutlich die Tendenz auf, die Vergangenheitsform zu akzentuieren. Es seien einige Beispiele aus Parallelstellen angeführt. Wo die Heidelberger Enzyklopädie sagt: „. . . die Vermittlung ist ein Hervorgehen aus Unterschiedenen“ (§ 39 A), formuliert die Berliner Enzyklopädie: „. . . die Vermittlung ist ein Hinausgegangensein aus einem Ersten zu einem Zweiten und Hervorgehen aus Unterschiedenen“ (§ 86 A). In der Berl. Enz. heißt es auch: „Denn Vermittlung ist ein Anfängen und ein Fortgegangensein zu einem Zweiten, so daß dies Zweite nur ist, insofern zu demselben von einem gegen dasselbe Andern gekommen worden ist“ (§ 12 A; diese Stelle hat keine Entsprechung in der Heidelh. Enz.). Weitere Beispiele: Beim Übergang zum Wesen heißt es in der Heidelb. Enz.: „... daß das Uebergehen .. . sich aufhebt“ (§63), in der Berl. Enz. dagegen: „... übergegangen .. .“ (§111). Das zweite Moment der Methode wird in Heidelberg so angegeben: „Der Fortgang ist das Urtheil der Idee“ (§ 186), in Berlin dagegen: „Der Fortgang ist das gesetzte Urteil der Idee“ (§ 239; Hervorhebung von mir). Von der synthetischen Methode heißt es in Heidelberg: „. . . als in diesem [Begriff] dieser Unterschied [der Idee] noch nicht gesetzt ist“ (§ 186; Hervorhebung von mir), in Berlin dagegen: „. .. weil in diesem Begriffe dieser Unterschied noch nicht gesetzt war“ (§239 A; Hervorhebung von mir). Man könnte die Liste der Beispiele noch beliebig fortsetzen.

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Selbstauslegung des Absoluten als die Bewegung der Definitionen des Absoluten ist in der Wissenschaft der Logik in der Form von Hinweisen enthalten, aber nicht ausgeführt; das heißt: sie wird als die Bewegung der realsystematischen Gestaltung des Ganzen (Absoluten) nicht dargestellt; die Logik ist nur die „Abbreviatur“ dieser „Gestaltung“^®®. Weil, wie ausführlich gezeigt wurde, das realsystematische Ganze in der Logik - auf unausgeführte Weise — enthalten ist, so ist die Geschichte als die Bewegung der Gestaltung nicht eine „Dimension“, die schlechterdings außerhalb der Logik wäre oder schlechterdings von „außen“ an die Logik heranträte. Zwar gebraucht auch Hegel diese Termini, um die Dimension der Geschichte zu benennen; aber es ist sehr zu beachten, daß diese Kategorien nicht auf der Ebene des vorstellenden, sondern des dialektischen Denkens ihre Wahrheit offenbaren Das bedeutet: das „Außen“ ist nicht abstrakt, isoliert, sondern dialektisch zu verstehen. Dies soll gezeigt werden. Faßt man das Logische als den beisichseienden, sichaufsichbeziehenden, also gleichsam sich „immanenten“ oder „inneren“ Gedanken, also den Gedanken in seiner reinen Innerlichkeit*®®, so ist zu sagen, daß die Geschichte - hier zunächst: der Philosophie - die „andere“ Dimension, nämlich die Äußerlichkeit, darstellt. So sagt denn auch Hegel in diesem Sinn: „Dieselbe Entwicklung des Denkens, welche in der Geschichte der Philosophie dargestellt wird, wird in der Philosophie selbst dargestellt, aber befreit von jener geschichtlichen Äußerlichkeit, rein im Elemente des Denkens.Im Lichte früherer Überlegungen hat der Gebrauch der Reflexionsbestimmungen Inneres-Äußeres zur Benennung des Verhältnisses von Logik und Geschichte nichts Befremdendes an sich, denn darin kommt nur die konsequent entwickelte Bestimmung der Logik als formeller Wissenschaft zum Ausdruck. Nur ist dann aber beim Problem der Geschichte wieder konsequenterweise die strenge Dialektik von Form und Inhalt, Innerem und Äußerem nicht aus dem Blick zu verlieren. Wird die Logik als das nur Innere und die Geschichte als das nur Äußere verstanden und bezeichnet, so wird das Verhältnis der beiden Dimensionen Logik und Geschichte nur in seinem ersten Moment, also noch ganz abstrakt aufgefaßt. Es gilt auch hier, „daß der Inhalt [hier: die Geschichte] nicht formlos [hier: gedankenlos] ist, sondern ebensowohl die Form [= das Logi108 Yg( phän. 28. 109 Yg[ dazu Enz. § 23 A: „In dem Denken liegt unmittelbar die Freiheit, weil es die Tätigkeit des Allgemeinen, ein hiemit abstraktes Sichaufsichbeziehen, ein nach der Subjektivität bestimmungsloses Bei-sich-sein ist, das nach dem Inhalte zugleich nur in der Sache und deren Bestimmungen ist.“ Enz. § 14. Unter „Philosophie selbst“ ist die logische Wissenschaft zu verstehen, wie aus der näheren Präzisierung „rein im Elemente des Denkens“ sowie aus der Berliner Niederschrift der Einleitung in die Geschichte der Philosophie (EGPh 34) hervorgeht.

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sehe] in ihm [= in der Geschichte] selbst hat, als sie [hier: das Logische] ihm [hier: der Geschichte] ein Äußerliches ist“*^^. Aus dieser Dialektik von Form und Inhalt bzw. Innerem und Äußerem’^- ergibt sich, daß das Logische, insofern es als „befreit von jener geschichtlichen Äußerlichkeit, rein im Elemente des Denkens“'^'^^ aufgefaßt wird, ebenso nur äußerlich ist: erst wenn die beiden Dimensionen Logik und Geschidite ineinander Umschlagen, wenn die jeweilige Vermittlung der beiden sich als „Eine Bewegung“ durch „Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Identität“ erweist, wenn „die Erinnerung ihrer [jeweiligen] Entäußerung“^^* aufgezeigt wird, erst dann enthüllt sich die Wahrheit, der Sinn des Verhältnisses von Logik und Geschichte. Die nähere Weise des Verhältnisses von Logik und Geschichte ist eines der am wenigsten untersuchten Probleme bei Hegel, ungeachtet, oder eher gerade wegen des ganzen Geredes über die Identifikation von Logik und Geschichte bei ihm. Es liegt auch nicht in der Möglichkeit dieser Arbeit, diese Aufgabe im einzelnen zu bewältigen. Hier geht es darum, den Ansatz zu einer Lösung und damit zu weiteren Untersuchungen herauszuarbeiten. Es sollen dazu nur einige wenige Überlegungen angestellt werden, und zwar so, daß die Sphären des realsystematischen Ganzen „von oben nach unten“, d. h. angefangen von der „Sphäre“ der Philosophie bis zur „Sphäre“ der Natur, durchgegangen werden. In der Enzyklopädie wird die Geschichte nur sehr knapp abgehandelt. Dies ist grundsätzlich dadurch zu erklären, daß die Wissenschaft in der enzyklopädischen Darstellung „auf die Anfänge und die Grundbegriffe der besondern Wissenschaften zu beschränken“**® ist. Was nun die Philosophie selbst angeht, so heißt es am Ende der Enzyklopädie: „Diese Bewegung, welche die Philosophie ist, findet sich schon vollbracht, indem sie am Schluß ihren eigenen Begriff erfaßt, d. i. nur auf ihr Wissen zurücksieht.“^'^^ Über die Philosophie als diese schon vollbrachte Bewegung wäre sehr viel zu sagen**^; berücksichtigt man aber dabei nicht die wesentlichen Zusammenhänge der Philosophie Hegels, so läuft man Gefahr, an der Sache vorbeizureden. Es handelt sich an erster Stelle um das Ineinanderumschlagen von Logik und Geschichte. Wie dieses Ineinanderumschlagen zu verstehen ist, wird von Hegel in gedrängter Form an einer Stelle der Berliner NiederEnz. § 133 A. Vgl. WL II 152: „So ist Etwas, das nur erst ein Inneres ist, eben darum nur ein Äußeres. Oder umgekehrt, etwas, das nur ein Äußeres ist, ist eben darum nur ein Inneres.“ Enz. § 14. m WL II 72. Enz. § 16. Enz. § 573. Vgl. dazu u. a. den interessanten Interpretationsversuch von H. F. Fulda in seinem Buch: Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik. Frankfurt/M. 1965. 175-271. 112

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Schrift der Einleitung in die Geschichte der Philosophie „behauptet“. Er schreibt; „Nach dieser Idee behaupte ich nun, daß die Aufeinanderfolge der Systeme der Philosophie in der Geschichte dieselbe ist, als die Aufeinanderfolge in der logischen Ableitung der Begriffsbestimmungen der Idee. Ich behaupte, daß, wenn man die Grundbegriffe der in der Geschichte der Philosophie erschienenen Systeme rein, dessen entkleidet, was ihre äußerliche Gestaltung, ihre Anwendung auf das Besondere und dergleichen betrifft, [behandelt], so erhält man die verschiedenen Stufen der Bestimmung der Idee selbst in ihrem logischen Begriffe. Umgekehrt, den logischen Fortgang für sich genommen, so hat man darin nach seinen Hauptmomenten den Fortgang der geschichtlichen Erscheinungen; aber man muß freilich diese reinen Begriffe in dem zu erkennen wissen, was die geschichtliche Gestalt enthält.Die Selbigkeit von Logik und Geschichte ist also nichts anderes als das Enthaltensein des realsystematischen Ganzen in der Logik, soweit es sich um die ausgelegten Gestalten des Ganzen handelt, die in der gegenwärtigen Zeit (in der Zeit Hegels) als aufgehoben gelten. Zu dieser Selbigkeit aber ist zu bemerken, daß sie nicht einfach als ein totaler „linearer“ Parallelismus von Zeitfolge und logischer Folge verstanden werden kann. Hegel betont dies ausdrücklich an der zitierten Stelle, wenn er fortfährt: „Ferner unterscheidet sich allerdings auch nach einer Seite die Folge als Zeitfolge der Geschichte von der Folge in der Ordnung der Begriffe.“ Was aber diese Seite sei, sagt Hegel an dieser Stelle nicht und vermerkt es ausdrücklich: „Wo diese Seite liegt, dies näher zu zeigen, würde uns aber von unserem Zwecke zu weit abführen.“^^® Es wird sich bald die Gelegenheit bieten, ein Beispiel dieses „Unterschieds“ anzuführen, nämlich bei der Erörterung der Geschichte in der Philosophie des objektiven Geistes^®®. Was die beiden anderen Sphären des absoluten Geistes, die Religion und die Kunst, angeht, so wird deren konkrete Geschichte in der Enzyklopädie nur fragmentarisch erwähnt. Von der Religion wird nur ihre wahrhafte, geoffenbarte oder absolute Form behandelt. Von der Kunst erwähnt Hegel deren symbolische, klassische und romantische Gestalt. Aber Hegel hat ausführliche Vorlesungen über Religion und Ästhetik gehalten, in denen die EGPh 34 (eckige Klammern von Hoffmeister). Ebd. 34-35. 120 Ygi unten 96 ff. Es sei auch auf eine Stelle aus den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie hingewiesen: „Die Entwickelung der Philosophie in der Geschichte muß entsprechen der Entwickelung der logischen Philosophie; aber es muß in dieser Stellen geben, die in der Entwickelung in der Geschichte wegfallen. Wollte man z. B. das Daseyn zum Princip machen, so wäre es das, was wir im Bewußtseyn haben: Es sind Dinge, diese sind relativ, sie sind da, sind endlich, und haben eine Relation zu einander; - es ist dies die Kategorie unseres gedankenlosen Bewußtseyns“ (Werke. Bd 13.368).

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Geschichte eine in jeder Hinsicht fundamentale Stellung einnimmt. Dies sei hier im Hinblick auf den gegenwärtigen Zusammenhang unserer Untersuchungen in aller Kürze aufgezeigt. Die Darstellung der religiösen Sphäre in den Vorlesungen über die Philosophie der Religion hat drei Teile: I. Begriff der Religion; II. Die bestimmte (endliche) Religion; III. Die vollendete oder offenbare, die absolute Religion. Auch hier bildet die Geschichte die Mitte der Darstellung. Zuerst werden der Begriff und - in vorläufiger, antizipatorischer Hinsicht - seine Momente (Bestimmtheiten) dargelegt. Dann wird die Entwicklung des Begriffs, d. h. der Fortgang seiner Bestimmtheiten oder Momente, und zwar als realer oder geschichtlicher Fortgang dargelegt: dieser Teil (II) „enfhält die Grundzüge zur Geschichte der Religionen“; er behandelt die „endlichen“ Religionen, die den Begriff der Religion „nur in Momenten derselben, [in] Beschränkungen“ und insofern „den Weg“^®^ zur „Vollendung der Bestimmung des Begriffs“^^^ darstellen. Dieser vollendete oder realisierte Begriff kommt in der absoluten Religion zur Darstellung (III. Teil). Der zweite Teil hat nach der Gliederung des Hegelschen Manuskripts drei Abschnitte: 1. die unmittelbare Religion (Naturreligion) [= die orientalischen Religionen]; 2. Die Religion der Erhabenheit und der Schönheit [= die jüdische bzw. griechische Religion]; 3. Die Religion der Zweckmäßigkeit [= die römische Religion]*^®. Dies bedeutet nicht, daß nur die „endliche“ Religion eine Geschichte hat, sondern daß der Geschichte der absoluten Religion ein anderer Gharakter eignet. Im übrigen ist dieses Problem nur ein Teilaspekt jenes umfassenderen Zusammenhangs, der gewöhnlich unter dem Titel des angeblich von Hegel behaupteten „Endes der Geschichte“ behandelt wird. Wie nun Logik und Geschidhte ursprünglich zusammengehören, hat Hegel vielleicht am deutlichsten im Fall der Religion gezeigt. Er gibt nämlich genau an, wie die Stufen der Religionsgeschichte, also die verschiedenen Religionen, mit den logischen Sphären Zusammenhängen. Die unmittelbare Religion oder die Naturreligion ist „die Religion in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit oder des Seins, bloß in ihrer Substanzialität sich haltende Religion“, während die Religion der Erhabenheit bzw. der Schönheit als „die '21 Rel. II 18-19 (Ms). 122 Rel. I 64 (Ms). 122 Auf Grund der Kollegnachschriften ist anzunehmen, daß Hegel seit 1824 zu einer Zweiteilung dieses zweiten Teiles übergegangen ist. Lassen legt die Zweiteilung seiner Ausgabe der Vorlesungen zugrunde (vgl. Rel. III 246) und gliedert diesen Teil folgendermaßen auf: 1. Kapitel: Die unmittelbare Religion oder die natürliche, die Naturreligion (Rel. II); 2. Kapitel: Die Religionen der geistigen Individualität (= die Religionen der Erhabenheit, der Schönheit und der Zweckmäßigkeit) (Rel. III). Für alle diese Fragen sei verwiesen auf das große, noch unvollendete Werk von Albert Chapelle: Hegel et la religion (vgl. oben 20 Anm. 13).

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Religion in der Bestimmtheit des Wesens“^^^ bezeichnet wird; die dritte endliche Religion, die Religion der Zweckmäßigkeit, wird begriffen als „die Religion in der Bestimmtheit des Begriffs, aber des noch endlichen, selbst im Gegensätze begriffenen, noch nicht als Idee, Begriff als für den Begriff unendlicher Begriff [entwickelten], sondern [als] Objektivität, Äußerlichkeit [vorhandenen], daher [er] unmittelbar in sich abstrakt oder in sich bestimmt, Selbständigkeit [ist], — aber des beschränkten Begriffes, der bezogen als endlicher auf Äußerlichkeit zugleich objektiv sein soll, - Totalität der Entwicklung, Zweckbestimmung, Stufe der äußerlichen Zweckmäßigkeit“^^^. An dieser Stelle bezieht sich Hegel nicht auf die absolute Religion, aber es dürfte klar sein, daß diese als die Religion „in der Bestimmtheit“ des „adäquaten Begriffs“, d. h. der Idee, auszulegen ist*^®. Auch die Ästhetik gliedert sich in drei Teile auf: I. Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal; II. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen (symbolische, klassische und romantische Kunstform); III. Das System der einzelnen Künste (Architektur, Skulptur, die romantischen Künste: Malerei, Musik, Poesie). Die Bestimmungen des Begriffs der Kunst und die Stufen ihrer geschichtlichen Entwicklung „entsprechen“ einander^^^. Den Zusammenhang zwischen den Kunstformen und den einzelnen Künsten begreift Hegel folgendermaßen: „Wie nun die besonderen Kunstformen, als Totalität genommen, in sich einen Fortgang, eine Entwickelung des Symbolischen zum Klassischen und Romantischen haben, so finden wir einer Seits auch in den einzelnen Künsten den ähnlichen Fortgang, insofern es eben die Kunstformen selber sind, welche durch die einzelnen Künste ihr Dasein erhalten. Anderer Seits jedoch haben die einzelnen Künste auch, unabhängig von den Kunstformen, welche sie objektiviren, in sich selbst ein Werden, einen Verlauf, der in dieser seiner abstrakteren Beziehung allen gemeinschaftlich ist.“i^® In der enzyklopädischen Darstellung des Systems behandelt Hegel ausdrücklich nur die Weltgeschichte, und zwar als letzten Teil der Philosophie des objektiven Geistes. Doch enthält die Enzyklopädie nicht mehr als eine Angabe und Erläuterung der Stellung der Weltgeschichte im enzyklopädischen System. Schon in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, in denen Hegel, wie er in der 2. und 3. Ausgabe der Enzyklopädie bemerkt, „dieRel. II 19 (Ms). Der Sinn des Ausdrucks „in der Bestimmtheit des Seins (Wesens, Begriffs)“ wird sich im Rahmen der Überlegungen über die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik genau herausstellen. Vgl. unten 118 ff. ‘25 Rel. II 20 (Ms). 12» Ygj II 237. Dies geht im übrigen aus vielen anderen Stellen hervor. Vgl. z. B. Rel. IV 34-35 (Ms). Vgl. Werke. Bd 10/1. 94 u. ö. ‘2“ Werke. Bd 10/2. 244.

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sen Teil der Philosophie [= den objektiven Geist] . .. ausgeführt“!^® hat, finden sich eine ausführlichere Darstellung des Begriffs der Weltgeschichte, eine kurze Erwähnung der vier Prinzipien, nach denen sich der Weltgeist zu seinem Selbstbewußtsein gestaltet, und eine gedrängte Beschreibung der diesen vier Prinzipien entsprechenden vier welthistorischen Reiche^®®. Aber die eigentliche ausführliche Darstellung bieten erst die Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte. Wie Hegel die ursprünglich-grundsätzliche Identität von Logik und Weltgeschichte auffaßt, kommt in gedrängter Form in einem Passus aus dem Originaltext der Einleitung in die Philosophie der Weltgeschichte aus dem Jahre 1830 besonders deutlich zum Ausdruck: „Die Weltgeschichte stellt nun den Stufengang der Entwicklung des Prinzips dar, dessen Gehalt das Bewußtsein der Freiheit ist. Stufen hat diese Entwicklung nicht nur, insofern [hier] nicht die Unmittelbarkeit des Geistes, sondern überhaupt Vermittelung, jedoch seiner mit sich selbst ist; sondern sie ist als Teilen, Unterscheiden des Geistes in sich selbst an ihr unterschieden. Die nähere Bestimmung dieser Stufen ist in ihrer allgemeinen Natur logisch, in ihrer konkretem aber in der Philosophie des Geistes anzugeben . . Freilich könnte nur die detaillierte Analyse der einzelnen Schritte zeigen, wie diese Einheit von Logik und Geschichte ausgeführt wird. Daß die Einheit von Logik und Geschichte hinsichtlich der Darstellung einer bestimmten realsystematischen Sphäre besondere Probleme aufwirft, geht aus einer sehr bedeutsamen methodologischen Bemerkung Hegels über die Darstellung der Philosophie des objektiven Geistes hervor. Er legt dar, daß die Bestimmungen in der Entwicklung des Begriffs wieder Begriffe sind, die aber zugleich als Gestaltungen auftreten, und bemerkt dazu: „In spekulativerem Sinn ist die Weise des Daseins eines Begriffes und seine Bestimmtheit eins und dasselbe. Es ist aber zu bemerken, daß die Momente, deren Resultat eine weiter bestimmte Form ist, ihm als Begriffsbestimmungen in der wissenschaftlichen Entwickelung der Idee vorangehen, aber nicht in der zeitlichen Entwickelung als Gestaltungen ihm vorausgehen. So hat die Idee, wie sie als Familie bestimmt ist, die Begriffsbestimmungen zur Voraussetzung, als deren Resultat sie im folgenden dargestellt werden wird. Aber daß diese inneren Voraussetzungen auch für sich schon als Gestaltungen, als Eigentumsrecht, Vertrag, Moralität u. s. f. vorhanden seien, dies ist die andere Seite der Entwickelung, die nur in höher vollendeter Bildung es zu diesem eigentümlich gestalteten Dasein ihrer Momente gebracht hat.“^®® Hier lie‘2» Enz. § 487 A. Vgl. GPhR §§ 341-360. 131 YQ J55 (eckige Klammern von Hoffmeister und Hervorhebung von mir; vgl. auch 167). 132 GPER § 32 A (letzte Hervorhebung von mir).

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gen noch völlig ungeklärte Probleme, deren Erörterung aber die Einsicht in die wesentlichen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens voraussetzt. Es sei an dieser Stelle nur die Richtung einer Antwort gegeben. Die „wissenschaftliche“ Entwicklung der Idee, von der in Hegels Anmerkung die Rede ist, und das Aufzeigen der Gestaltungen (des Daseins der Bestimmungen der Idee) werfen ein Problem der Darstellung auf. Es geht um das Problem des Verhältnisses von Methode bzw. Struktur (= Logik) und Geschichte. Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich, daß dieses Verhältnis als Ineinanderumschlagen zu deuten ist. Was nun bei der gegenwärtigen Problematik zum Vorschein kommt, ist nichts anderes als die Breite des Spielraums dieses Ineinanderumschlagens. Zwar kann weder die Struktur noch die Geschichte eine schlechthinnige Priorität beanspruchen, da die Wahrheit der beiden Dimensionen nur im Verhältnis liegt, so daß zu sagen ist: die Struktur artikuliert die Geschichte, die Geschichte läßt die Struktur zur Erscheinung (zum „Dasein“, zur konkreten Gestalt) kommen; aber es ist zu fragen, wie dieses dialektische Verhältnis als die ursprüngliche Identität der beiden Dimensionen aufgewiesen und dargestellt werden kann. Dieses Verhältnis kann nämlich nicht in jedem Schritt als diese Identität aufgewiesen werden, da der Aufweis selbst die Reihe der Bestimmungen oder Momente durchlaufen muß. Was damit gemeint ist, soll hier mit zwei Hinweisen angedeutet werden. (1) Was sich als zeitliche Folge entwickelt, ist nicht ein isoliertes Moment (eine isolierte Bestimmung), sondern die „Sphäre“ als ganze. Die Sphäre als Totalität aber ist schon ein „Zusammenschluß“ von Momenten (Bestimmungen). Schon daraus ergibt sich, daß von einer „Entwicklung“ in doppelter Hinsicht die Rede sein muß: Einmal ist die Entwicklung der Prozeß, wodurch die die Sphäre als Totalität konstituierenden Momente (Bestimmungen) auf gezeigt und dargestellt werden; diese Entwicklung, bei der sich „selbst Begriffe“^®® ergeben, könnte man die „strukturale Entwicklung“ nennen (Hegel spricht von der „wissenschaftlichen Entwicklung der Idee [= Totalität] “1®^). Erst wenn die Sphäre als Totalität (ihrer Momente oder Bestimmungen) aufgezeigt wurde, kann auch begriffen werden, was Geschichte ist: die Entwicklung der ganzen Sphäre, der Sphäre als Totalität; dies ist die Entwicklung in einer zweiten Hinsicht (= geschichtliche Entwicklung). Bildlich ausgedrückt könnte die erste Entwicklung „vertikal“, die zweite „horizontal“ genannt werden^^®. Diese Zusammenhänge wären in ganz besonderer Weise im Rahmen einer Interpretation der Phänomenologie des Geistes aufzuhellen. Es sei hier auf 133 GPhR § 32. 134 GPhR 32 A. 133 Dasselbe Bild wird unten 126 verwendet, um die Entsprechung zwischen der Logik und der Realsystematik zu verdeutlichen.

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die zentrale Aussage Hegels über dieses Problem kurz hingewiesen. In der Einleitung in das Kapitel über die Religion will Hegel zeigen, wie die Religion als das Resultat der vorhergehenden Gestalten aufzufassen ist^^®. Er schreibt: „Die Religion setzt den ganzen Ablauf derselben [Gestalten] voraus und ist die einfache Totalität oder das absolute Selbst derselben. - Der Verlauf derselben ist übrigens im Verhältnis zur Religion nicht in der Zeit vorzustellen. Der ganze Geist nur ist in der Zeit, und die Gestalten, welche Gestalten des ganzen Geistes als solchen sind, stellen sich in einer Aufeinanderfolge dar; denn nur das Ganze hat eigentliche Wirklichkeit, und daher die Form der reinen Freiheit gegen anderes, die sich als Zeit ausdrückt. Aber die Momente desselben, Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Vernunft und Geist, haben, weil sie Momente sind, kein voneinander verschiednes Dasein, Aber Hegel geht noch mehr ins einzelne und faßt jedes der genannten „Momente“ als ein „besonderes Ganzes“ auf: „Jedes jener Momente sahen wir nämlich wieder an ihm selbst sich in einem eignen Verlaufe unterscheiden und verschieden gestalten; wie z. B. am Bewußtsein die sinnliche Gewißheit [und die] Wahrnehmung sich unterschied. Diese letztem Seiten treten in der Zeit auseinander und gehören einem besondern Ganzen an“^®® — welches „besondere Ganze“ als solches, so ist hinzuzufügen, sich nicht geschichtlich entwickelt, denn es ist ja die Artikulation der Geschichte selbst. Freilich muß genau gefragt werden, als was diese „besonderen Totalitäten“ zu verstehen sind. Dies aber führt zur grundlegenden Frage nach der „ursprünglichen Struktur“ oder „Elementarstruktur“ der Philosophie Hegels, einer Frage, mit der sich die Untersuchung C dieser Arbeit ausführlich befassen wird. Erst dann kann auch gesagt werden, wie die beiden „Hinsichten“ bzw. „Entwicklungen“ (bzw. „Bewegungen“) ursprünglich „zusammenfallen“. (2) Der zweite Hinweis hat es direkt mit dem Spielraum der Darstellung zu tun. Eine Totalität, als ursprüngliche Identität von Struktur und Geschichte, kann auf verschiedene Weise zur Darstellung gebracht werden. Vom Spielraum des Ineinanderumschlagens von Struktur und Geschichte her gesehen hat die Darstellung grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Geschichte als sich begreifender Stufengang dargestellt und auf diesem Weg die Struktur als die jeweilige geschichtliche Stufe oder Bestimmtheit „erreicht“ und expliziert; oder der Ausgangspunkt wird bei der 136 pijf gjjjg gm fundierte Interpretation dieser Texte im strukturalen Gesamtzusammenhang der Phänomenologie des Geistes vgl. das ausgezeichnete Werk von P.-J. Laharriere; Structures et mouvement dialectique dans la Phenomenologie de l’Esprit de Hegel. Paris 1968. Vgl. bes. 148-161. Phän. 476. Phän. 476-477 (eckige Klammern von Hoffmeister).

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Struktur als einer je-weiligen Stufe oder Bestimmtheit der Geschichte gemacht und auf diese Weise gezeigt und dargelegt, daß die Struktur sich in ihrem Sinn — d. h. hier: als je-weilige Bestimmtheit - nur begreifen kann, wenn sie sich in den geschichtlichen Prozeß „aufhebt“ oder „vertieft“. Hegel bezieht sich auf diese zwei Seiten oder Möglichkeiten, wenn er in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes von der Bildung spricht und schreibt: „Die Art des Studiums der alten Zeit hat diese Verschiedenheit von dem der neuern, daß jenes die eigentliche Durchbildung des natürlichen Bewußtseins war. An jedem Teile seines Daseins sich besonders versuchend und über alles Vorkommende philosophierend, erzeugte es sich zu einer durch und durch betätigten Allgemeinheit. In der neuern Zeit hingegen findet das Individuum die abstrakte Form vorbereitet; die Anstrengung, sie zu ergreifen und sich zu eigen zu machen, ist mehr das unvermittelte Hervortreiben des Innern und abgeschnittne Erzeugen des Allgemeinen als ein Hervorgehen desselben aus dem Konkreten und der Mannigfaltigkeit des Daseins. Jetzt besteht darum die Arbeit nicht so sehr darin, das Individuum aus der unmittelbaren sinnlichen Weise zu reinigen und es zur gedachten und denkenden Substanz zu machen, als vielmehr in dem Entgegengesetzten, durch das Aufheben der festen bestimmten Gedanken das Allgemeine zu verwirklichen und zu begeisten.“^®® Ein sehr erhellendes Beispiel dieser „zwei Seiten“ bietet die Phänomenologie des Geistes selbst, und zwar beim Übergang des vernünftigen Selbstbewußtseins in die sittliche Substanz^*'^. Auch hier spricht Hegel von den zwei Seiten und sagt, daß jene Seite „unsern Zeiten . .. näher liegt, in welcher sie [= die Momente] erscheinen, nachdem das Bewußtsein sein sittliches Leben verloren und es suchend jene Formen wiederholt .. .“^^1 Für eine angemessene Interpretation der Darstellung des objektiven Geistes in den Grundlinien der Philosophie des Rechts ist die Berücksichtigung dieser Zusammenhänge von schlechthin entscheidender Bedeutung. Wir fahren fort im Aufzeigen der Problematik des Ineinanderumschlagens von Logik und Geschichte in den verschiedenen Sphären im Rahmen der enzyklopädischen Darstellung des Systems. Hat auch die Sphäre des subjektiven Geistes eine Geschichte? Es wird sich im nächsten Abschnitt zeigen, daß diese Sphäre (genauer: die Phänomenologie und die Noologie [bei Hegel = „Psychologie“]) eine Sonderstellung einnimmt, die sich in ihrem gleichursprünglichen Verhältnis zum Logischen als die Elementarstruktur der Hegelschen Philosophie erweisen wird. Hier genügt es zu sagen, daß Phän. 30 (Hervorhebung von mir). Phän. 261.

140 Ygj_

Phän. 260 ff.

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diese Sphäre jenes „besondere Ganze“ ist, das sich als das schlechthin Ursprüngliche enthüllen wird. Es bleibt noch ein Wort zur Naturphilosophie zu sagen. Nach Hegel hat die Natur keine Geschichte^^^. Hegel polemisiert auch gegen eine „evolutionistische“ Theorie^^®, was allerdings einer genauen Interpretation bedarf. Was Hegel ablehnt, ist eine naive „genetische“ Erklärung, oder, wie er sagt, die „ungeschickte Vorstellung ..., die Fortbildung und den Übergang einer Naturform und Sphäre in eine höhere für eine äußerlich-wirkliche Produktion anzusehen, die man jedoch, um sie deutlicher zu machen, in das Dunkel der Vergangenheit“^^^ zurücklegt. Aber Hegel redet auch ausdrücklich von einem „Stufengang“ der Natur^^®, der darin besteht, daß die Natur „die Unterschiede auseinanderfallen und sie als gleichgültige Existenzen auftreten“^^® läßt. Den Unterschied von Natur und Geist in diesem Zusammenhang begreift Hegel folgendermaßen: „Die konkrete Natur des Geistes bringt für die Betrachtung die eigentümliche Schwierigkeit mit sich, daß die besondern Stufen und Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs nicht zugleich als besondere Existenzen zurück und seinen tiefem Gestaltungen gegenüber bleiben, wie dies in der äußern Natur der Fall ist . . Erst wenn man begriffen hat, was bei Hegel „Auseinanderfallen der Unterschiede“, „Zurückbleiben“ oder „Auftreten“ als besondere Existenzen, „Stufengang“ und ähnliche Ausdrücke bedeuten, ist man imstande, an eine angemessene Interpretation der Naturphilosophie heranzugehen. Der Sinn dieser Ausdrücke und der in ihnen implizierten Zusammenhänge ist aber nicht erst im Rahmen der Natur (bzw. Naturphilosophie), sondern früher zu ermitteln. Es ist daher sinnlos, den Versuch einer Interpretation der Hegelschen Naturphilosophie unternehmen zu wollen, solange diese „früheren“ Zusammenhänge nicht aufgehellt wurden. Für den gegenwärtigen Punkt unserer Überlegungen ist nur festzuhalten, daß auch im Fall der Natur sich die Frage der „Entwicklung“ stellt, und zwar sowohl hinsichtlich der Entwicklung des Begrifjs^^^ als auch hinsichtlich der Entwicklung der Momente des Begriffs zum „Dasein“, zur „Existenz“ oder „Gestaltung“^^®. Nach dieser kurzen Erörterung der geschichtlichen Dimension in den realsystematischen Sphären drängt sich die Frage nach der Einheit dieser verschiedenen „Geschichten“ auf. Wie hängen diese Geschichten mit der Ge»2 Vgl. Phän. 563. Vgl. Enz. § 249. Enz. § 249 A. Vgl. Enz. § 251. Enz. § 249 A. Enz. § 380. 148 Yg[ dazu: der dialektische Begriff, der die Stufen fortleitet, ist das Innere derselben“ (Enz. § 249 A). 149 Ygj_ dazu: „Die Natur ist als ein System von Stufen zu betrachten, deren eine aus der andern notwendig hervorgeht und die nächste Wahrheit derjenigen ist, aus welcher sie resultiert . . (Enz. § 249).

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schichte zusammen? Darauf ist im allgemeinen zu sagen, daß das Verhältnis der Geschichten zu der einen Geschichte kein anderes ist als das Verhältnis der „besonderen Totalitäten“ zu der einen, d. h. zu der absoluten Totalität. Es stellt sich also die Frage nach der realsystematischen Struktur des Ganzen. Freilich kann auf diese Frage hier noch nicht eingegangen werden, denn ihre Erörterung setzt schon ein Verständnis des eigentlichen Sinnes der „Deduktion“ der realsystematischen Sphären voraus^®®. Aber in einer anderen Hinsicht, ist an dieser Stelle ein weiterführender Hinweis durchaus angebracht, nämlich in der Hinsicht des Woher und des Wie der Einheit der Geschichte(n). Darüber findet sich ein hoch bedeutsamer Satz bei Hegel in der Einleitung des Abschnitts über die Weltgeschichte in den Grundlinien der Philosophie des Rechts. Hegel schreibt: „Das Element des Daseins des allgemeinen Geistes, welches in der Kunst Anschauung und Bild, in der Religion Gefühl und Vorstellung, in der Philosophie der reine, freie Gedanke ist, ist in der Weltgeschichte die geistige Wirklichkeit in ihrem ganzen Umfange von Innerlichkeit und Äußerlichkeit.“^®* Das „Dasein“ des Geistes bedeutet hier die konkrete Gestaltung oder Weise des Geistes. Hegel unterscheidet also Elemente der Gestaltung des Geistes; jedem dieser Elemente „entspricht“ eine realsystematische Sphäre, und zwar so, daß die Geschichte dieser Sphäre die geschichtliche Entwicklung dieses Elements ist. Die Weltgeschichte, näher betrachtet, hat kein besonderes „Element“, sondern ist die geistige Wirklichkeit selbst in ihrem ganzen Umfang von Innerlichkeit und Äußerlichkeit, d. h. ist der Geist selbst als Einheit seiner „Elemente“. Worauf deuten nun diese Elemente hin? Gibt es bei Hegel so etwas wie eine ursprüngliche Elementarstruktur als die einfache Einheit „des“ Geistes — eine Elementarstruktur, deren „ganzer Umfang“ den Namen „Geschichte“ hätte? Diese Problematik soll in den nächsten Abschnitten weiter entfaltet und geklärt werden.

5. Hegels Logik als Theologik? Zur Vertiefung der ganzen Problematik um die Stellung und den Sinn der Logik im Denken Hegels muß noch auf die Frage eingegangen werden, ob und in welchem Sinn die Logik Hegels als Theo-logik zu fassen ist. Damit soll eine Problematik aufgegriffen werden, die die ganze Wissenschaft der Logik teils ausdrücklich, teils hintergründig durchzieht und die in der Ge150 Vgl. unten 247ff., 251ff.

>51 GPhR § 341.

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schichte der Hegel-Interpretation ein seltsames Schicksal aufweist, insofern sie entweder zur zentralen Aussage der Wissenschaft der Logik erhoben oder aber vollständig ignoriert bzw. verschwiegen wird. Die Erörterung dieser Problematik soll hier in zwei Schritten geschehen: zuerst wird die in vieler Hinsicht bedeutendste „theologische“ Interpretation der Hegelschen Logik (sowie der ganzen Hegelschen Philosophie), nämlich die von I. ILJIN^®^, kurz dargestellt und kritisiert (a); dann wird die für diese ganze Probleniatik zentrale Frage nach der methodischen Stellung des „ontologischen Gottesbeweises“ in der Wissenschaft der Logik erörtert (b).

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a) Diskussion mit I. Iljins Interpretation der Logik Hegels Nach ILJIN hat der logische Prozeß bei Hegel eine dreifache Bedeutung: eine theologisch-religiöse, eine wissenschaftlich-systematische und eine kosmologische. Von zentraler Bedeutung für ILJINS Interpretation sind einige theologische Texte, vor allem die berühmte Stelle aus der Einleitung in die Wissenschaft der Logik: „Die Logik ist . . . als das System der reinen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens zu fassen. Dieses Reich ist die Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist. Man kann sich deswegen ausdrücken, daß dieser Inhalt die Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist.“^®® ILJIN führt noch viele andere Texte an, meistens undifferenziert, und in verkürzter Form, wie: Die Logik ist „die Wissenschaft nur des göttlichen Begriffs“^®* und: „jener logische Verlauf“ ist „die unmittelbare Darstellung der Selbstbestimmung Gottes zum Sein .. Weiter zitiert ILJIN die im Abschnitt III 1 dieser Untersuchung angeführten und kommentierten Texte, denen zufolge die logischen Bestimmungen überhaupt als Definitionen des Absoluten angesehen werden können. Schließlich bringt ILJIN einige Stellen aus dem Kapitel „Das Absolute“^®®, etwa: Das Darstellen des Absoluten „ist die Auslegung und zwar die eigene Auslegung des Absoluten und nur ein Zeigen dessen, was es ist“^®^; „In der Tat... ist das Auslegen des Absoluten sein eigenes Tun . . .“i®® ILJINS Deutung dieser Texte ist ein geradezu klassisches Beispiel für eine ganze Tradition innerhalb der Geschichte der Hegel-Interpretation — eine Tradition, die nicht nur nicht ausgestorben ist, sondern weiterhin, vor allem I. Iljin: Die Philosophie Hebels als kontemplative Gotteslehre. Bern 1946.

»5SWLI31. 155 WL II 356. 151 WL II 157.

i5^WLII 505. 158 ^5yL II 157-169. 158 WL II 160. Vgl. Iljin a.a.O. 208.

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in theologischen Kreisen, fraglos akzeptiert wird^®*. ILJINS Formulierungen seien hier im vollen Wortlaut angeführt: „Somit enthält der logische Prozeß als solcher das wahre Gewebe des göttlichen Wesens; und der Philosoph, der sein schauendes Denken der ,Bewegung‘ der logischen Kategorien hingegeben hat und seine Denkkraft durch diese ,Bewegung' absorbieren läßt, - ist tatsächlich von der Gegenwart Gottes erfüllt. Allerdings gibt es bei der ersten Offenbarung Gottes noch kein menschliches Bewußtsein; die Welt und der endliche Geist sind noch nicht geschaffen; kein Mensch, kein subjektives Selbstbewußtsein stehen dieser ersten Offenbarung empfangsbereit ,gegenüber*. Gott lebt und vollzieht seine Selbstbestimmung, oder, was dasselbe ist, er schafft und entfaltet den reichen Inhalt seines Urwesens im klaren und schlichten Elemente der vorweltlichen ,Einsamkeit‘, in einem metaphysischen Apriori-Zustande, gleichsam ,ohne Hülle'^®“. Seine Substanz ist noch frei ,von aller sinnlichen Konkretion“!®^; sie schwebt noch im Elemente ,des reinen Begriffes“ und dieser Begriff ist ,der absolute, göttliche Begriff 159 yyjg problemlos gewisse Theologen an Hegel Herangehen und wie vorbehaltlos sie sich dann gewissen Interpretationen ausliefern, zeigt in mustergültiger Weise das große HegelBuch des Theologen H. Küng: Menschwerdung Gottes. Eine Einführung in Hegels theologisches Denken als Prolegomena zu einer künftigen Christologie. Freiburg-Basel-Wien 1970. Küng übernimmt Iljins Hegelinterpretation und -kritik, ohne sich der Mühe zu unterziehen, selbst nach dem Sinn der Logik Hegels zu fragen (vgl. bes. 317 ff, 327 ff). Titel wie „Gott vor der Welt“ (305), „Christus aufgehoben im Sein“ (318), „Christus aufgehoben im System“ (345), „Christus aufgehoben im Recht“ (364) u. ä. verraten schon die stereotype und nutzlose Wiederholung von unverstandenen Allgemeinplätzen. Küng wehrt sich gegen eine „Übernahme von Hegels geistesmonistlschera System und dessen ontisch-noetischen Zwängen“ (555), gleichwohl aber behauptet er, daß sich ihm „Hegels philosophisches Denken . . . als besonders . . . geeignet erwiesen [hat], jenem Anliegen des Alten wie des Neuen Testaments zum Ausdruck zu verhelfen, das man heute als Geschichtlichkeit Gottes bezeichnen kann“ (557). Gerade an diesem Punkt der „Geschichtlichkeit“ Gottes aber kann kurz gezeigt werden, wie wenig Küng in Hegels Denken eingedrungen ist. Die Hauptaporie der klassischen Gotteslehre und Christologie sieht Küng in der Frage der Unveränderlichkeit und des Werdens Gottes (549 ff). Er konzentriert die ganze Fragestellung auf diese Aporie, die er sehr ausführlich erörtert. Nur eines tut Küng nicht: nicht einmal andeutungsweise bezieht er sich auf Hegels wiederholte und eindringliche Aussagen und Erläuterungen über die Stellung und den Sinn der Kategorie des Werdens. Küng ignoriert vollständig, daß die Kategorie des Werdens zur logischen Sphäre des Seins gehört und daß diese Sphäre die erste ist, d. h. daß sie nur den „Begriff an sldi“, nicht den Begriff als Begriff darstellt, noch anders: daß in dieser Sphäre der „Fortgang“ nur ein „äußerliches Übergehen“ ist (unten 190). Deutet man die Inkarnation im christlichen Sinn mit Hilfe der Kategorien dieser logischen Sphäre, so erreicht man nur die abstrakteste „Definition“, d. h. Auslegung des Absoluten. Geschichtlich gesehen bleibt man auf der Ebene der „Naturreligion“ stehen, ist doch diese nach Hegel „die Religion in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit oder des Seins“ (Rel. II 19 [MS]; vgl. oben 94 f). Von einer kritischen Funktion der Kategorien der objektiven Logik weiß Küng so gut wie nichts. WL I 31. WLI41.

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selbst'^®^, der in jeder logischen Kategorie als ihre Seele oder ihre Seinsform gegenwärtig ist.“^®* ILJIN führt weiter aus: . da die Logik das göttliche Leben noch vor der Erschaffung der Natur und des Menschen darstellt, und da also das menschliche Bewußtsein sich an diesem Denken noch nicht beteiligen kann, so folgt daraus mit Evidenz, daß das Denken dem Begriff auch unabhängig vom Menschen zusteht: der Prozeß des lebendigen Logos geht in der Gottheit vor sich auch dann, wo es weder Natur noch Menschen gibt. Gott denkt sich selbst außerhalb der Welt, unabhängig von ihr, vor ihrer Entstehung .. .“^®^ Hegels Bemerkung, daß die Gestalten des selbstbewußten Geistes in der Wissenschaft der Logik nicht dargestellt werden und daß der Begriff in dieser Wissenschaft „nicht als Aktus des selbstbewußten Verstandes“^®® aufzufassen ist, versteht ILJIN dahingehend, daß damit der spekulative Gharakter des logischen Begriffs nicht verloren geht, denn „der Gedanke lebt und schafft in spekulativen Formen schon vor der Erschaffung der Welt und des Menschen“^®®. ILJIN versucht zu zeigen, daß Hegels Logik in wissenschaftlich-systematischer Hinsicht auf eine wesentliche Schwierigkeit stoßen muß: . die Logik muß den gesamten Inhalt der Naturphilosophie und der Geistesphilosophie in sich aufnehmen, denn die besonderen Gebilde können .. . nur als lebendige, organische Teile der allgemeinen Gattungssphäre bestehen“; dies aber würde nach ILJIN bedeuten, „daß es überhaupt nur eine einzige allumfassende Wissenschaft gibt, nämlich die Logik. Die Naturphilosophie und die Geistesphilosophie wären dann in der Logik restlos aufgegangen, gleichsam von ihr verschlungen; sie wären dann mit der Logik identisch.“*®^ Dies aber würde nach ILJIN Hegels grundlegende Auffassung des Absoluten zerstören, da die wissenschaftlich-systematische Identifizierung von Naturund Geistesphilosophie mit der Logik „der Logik ihren reinen, ursprünglichgöttlichen Charakter benehmen und alle ,Epochen‘ und ,Etappen‘ des göttlichen Lebens durcheinander bringen müßte“^®*. ILJIN meint feststellen zu müssen, daß hierbei der Hegelsche spekulative Begriff „seiner eigenen spekulativen Ordnung und Lebensweise untreu“ wird, da die Natur und der Geist „inhaltlich“^®® in den Begriff nicht aufgenommen werden. Ein dritte Bedeutung weist ILJIN noch der Logik zu: die kosmologischkosmogonische. Danach ist die Logik das „Apriori des Weltalls“der „Entwurf des künftigen Weltalls“„eine ontologische Prophetie über die künftige Welt“^"^^. Diese Zukunft aber bezieht sich nach ILJIN nicht auf unsere WL II 356. WL II 224. ii's Ebd. 217. i’i Ebd. 219.

Iljin a.a.O. 208-209. >0' Iljin a.a.O. 227. 1®» Ebd. 218. Ebd. 222.

Ebd. 227. Ebd. 216. Ebd.

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III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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(des Menschen) Gegenwart, sondern besagt nur, daß der Weltbau „schon vor seiner Erschaffung, in Gott verborgen“ liegt, und zwar mit der Bedeutung des „potentiellen Weltalls“^'®. Darin glaubt ILJIN eine Art „Kompromiß“ zu entdecken, wodurch Hegel die spekulativen Schwierigkeiten „zu verschleiern“ suche: „Dieser Kompromiß besteht darin, daß der logische Prozeß die Bedeutung einer schöpferischen ,Voraus-schaffung‘ der Welt erhält. “1^4 ILJINS Interpretation ist vollständiger als die TH. LITTS, da sie vor allem die theologische Perspektive wesentlich einbezieht. Im Grunde aber unterscheiden sich beide Interpretationen kaum hinsichtlich des Verständnisses der Logik; in ihnen sind in charakteristischer Weise die wichtigsten Gesichtspunkte der klassisch gewordenen Hegelinterpretation und -kritik enthalten (bei LITT mehr wissenschaftstheoretisch, bei ILJIN mehr theologisch). ILJINS Interpretation soll hier einer ausführlichen Kritik unterzogen werden; es soll gezeigt werden, daß sie ein Mißverständnis darstellt, und zwar im Sinne jener „Verkehrungen“, über die sich schon Hegel selbst in einer Berliner Rezension beklagt^^^. Zuerst ist auf den von ILJIN ständig praktizierten und von Hegel so oft gerügten „bewußtlosen“ Gebrauch von Kategorien hinzuweisen^^®. ILJINS Verständnis der zitierten „theologischen“ Stellen aus der Wissenschaft der Logik ist geradezu ein Musterbeispiel einer solchen Bewußtlosigkeit. Es handelt sich dabei vor allem um die Ausdrücke „[Gott] in seinem ewigen Wesen, vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes“. Was bedeutet die Präposition „vor“? In einer kritischen Erläuterung der Ausdrücke „Gott in dem Menschen, der Mensch in Gott“ erinnert Hegel in seiner Rezension von G. F. GöSCHELS „Aphorismen über Nichtwissen und absolutes Wissen .. .“ an die Gewohnheit „in Präpositionen zu philosophieren, statt die Kategorien, die in jenen nur enthalten sind, wirklidh auszudrücken, ... eine Manier, die, indem sie recht bestimmt zu sein, die Bestimmtheit auf das Letzte, das Einfachste der Präpositionen, hinauszutreiben das Ansehen hat, den Blick vielmehr im Unbestimmten und Trüben läßt und das Bewußtsein abhält, über die Kategorien, in denen der Verstand steckt, wach werden und sich darüber wach erhalten zu können“^”. Der iLjiNSchen Interpretation fehlt das „Wadisein über die Kategorien“^^® ganz und gar. ILJIN achtet nicht darauf, daß die Kategorien, mit deren Hilfe die Logik interpretiert wird, innerhalb der Logik selbst ihre Erörterung finden. In der Präposition „vor“ wird eine Andersheit oder Differenz ausgesagt, aber auf der Ebene des noch ganz und gar äußerlichen Übergangs bzw. Verhältnisses, d. h. geEbd. 221. 178 Vgl. WL I 20.

218. 177 BSchr. 311.

Vgl. BSchr. 347. "s Ebd.

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B. Logik und Realsystematik

maß den Bestimmungen der logischen Sphäre des Seins, höchstens des Wesens. Diese Präposition wird außerdem hier mit dem Ausdruck „Erschaffung“ verbunden, der ein Wort der Vorstellung, nicht des begreifenden Erkennens ist, wie Hegel immer wieder betont^'^®. Auf der Ebene der Vorstellung bleibt das Denken in den fixierten Bestimmungen stecken, unfähig, sie zusammenzubringen. In dem zur Diskussion gestellten Text unterstreicht Hegel diesen Vorstellungscharakter des Ausgesagten in unzweideutiger Weise, indem er so formuliert: „Man kann sich deswegen ausdrücken, daß . .“180 Diese Aussage „wörtlich“, d. h. hier: vorstellungsmäßig, nehmen, heißt, die Zusammenhänge des Hegelschen Denkens außer Acht lassen, heißt, Hegels Aussagen unspekulativ deuten. Es wird damit ein absolutes Subjekt, Gott, irgendwie und irgendwo in einem unbestimmten Jenseits bzw. in einer nebulösen Vor-zeit vor-gestellt; ihm wird das Prädikat einer „ersten Offenbarung“ beigelegt, wobei die Welt und der endliche Geist als noch nicht erschaffen vor-gestellt werden. Man kann - und muß - die berechtigte Frage stellen, warum Hegel selbst sich so ausdrückt. Wenn man allerdings behauptet, es sei unbestreitbar, daß Hegel selbst, um die Eigenart der Logik zu erläutern, auf die Vorstellung der Schöpfung rekurriert, so ist darauf zu erwidern: daraus folgt nicht, daß man bei der Vorstellung stehenbleiben und noch weniger, daß man aus ihr den Angelpunkt der ganzen Logikinterpretation machen kann. Wird dies eingesehen, so ist zu sagen: die Logik ist nicht „die erste spekulative ,Epoche‘ des göttlichen Lebens“^®^, sie ist nicht „das reale [!?] ,Zuerst‘, dessen Entwicklung in das reale [!?] ,Nachher‘ der Natur übergeht, um in dem realen [!?] ,Zuletzt‘ des menschlichen Geistes den Abschluß zu finden“; Gott ist in dieser Weise nicht identisch mit dem logischen Prozeß der (logischen) Idee: Logik-Natur-Geist sind nicht „Epochen“ oder „Phasen“ in einer „geschichtlichen Reihenfolge"^^^^. Wohl ist im Sinne Hegels von einer Entwicklung, von einer wachsenden Selbstoffenbarung, ja sogar von einer Geschichtlichkeit Gottes zu sprechen, aber es wäre naiv, sich vorzustellen, daß diese Geschichtlichkeit wie ein „realer“ Prozeß abläuft und die „Etappen“ Logik-Natur-Geist durchläuft. 17» Vgl. z. B. Phän. 536: „Er [d. h. der nur ewige oder abstrakte Geist] erschafft also eine Welt. Dieses Erschaffen ist das Wort der Vorstellung für den Begriff selbst nach seiner absoluten Bewegung ..." In den Vorlesungen über die Philosophie der Religion heißt es: „So ist z. B. die Erschaffung der Welt eine Vorstellung. Gott selbst ist diese Vorstellung, Gott dies Allgemeine überhaupt, das auf mannigfache Weise in sich bestimmt ist. Aber in der Form der Vorstellung ist er in dieser einfachen Weise: wir haben da einerseits Gott und andererseits die Welt“ (Rel. 1113 [Vorlesung von 1827]). Darauf achtet Iljin überhaupt nicht. Hegels Formulierung hätte im übrigen um so mehr auffallen müssen, als es nicht zu seinem Formulierungsstil gehört, sich nur „annähernd“ auszudrücken; Hegel kennt nicht, wie etwa Heidegger, die „Not der Sprache“. Iliin a.a.O. 203. Ebd. 224.

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III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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Gott ist nie nur logische Idee (bzw. logisches Sein, logisches Wesen, logischer Begriff . ..), sondern von Gott kann bei Hegel - streng genommen - nur realsystematisch, oder genauer: in „Verbindung“ mit der Realsystematik gesprochen werden, wobei aber dann die Realsystematik nicht getrennt oder isoliert von der Logik, sondern als deren Ausführung zu verstehen ist. Will man streng spekulativ reden, so muß man sagen: die Entwicklung (Geschichtlichkeit) Gottes besagt, daß die „realsystematische“ Sphäre, genannt „Gott“^®®, verschiedene Stufen ihrer (Selbst-)Offenbarung oder (Selbst-) Auslegung durchschreitet, welche Stufen ihren begrifflichen Index in einer jeweils anderen logischen Sphäre haben. „Gott“ ist immer eine bestimmte logische Sphäre realsystematisch ausgeführt, oder umgekehrt: „Gott“ ist immer der absolute realsystematische „Inhalt“ „in“ einer bestimmten logischen Sphäre. Gott ist nicht irgendein absolutes Subjekt „vor“ der Logik oder mit der Logik in dem Sinn zusammenfallend, daß die Logik die erste „Epoche“ seines Lebens wäre . . . Will man von „Epochen“ bei Gott reden — was durchaus im Sinne Hegels wäre -, so wäre dies so zu begreifen, daß „Epochen“ die Stufen des vielgestaltigen Ganzen darstellen, wobei dann dieses „vielgestaltige Ganze“ weder nur das logische noch nur das realsystematische Ganze, sondern die Einheit der beiden ist. Es kann und muß gesagt werden, daß „Gott“ mit dem logischen Prozeß „zusammenfällt“ - nur muß man den logischen Prozeß in seiner ursprünglich-grundsätzlichen Identität mit dem „realsystematischen“ Ganzen begreifen. Die „Epochen“ Gottes haben ihren rein begrifflichen Ausdruck in der Logik und ihren „realen“ bzw. „geschichtlichen“ Verlauf in der Religionsgeschichte bzw. -philosophie. Diese Unterscheidung ist zwar zu machen, sie ist aber nur dann richtig und sinnvoll, wenn sie als nachträglich im Hinblick auf die ursprünglich-grundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik bzw. Geschichte verstanden wird. Die „realen“ oder „geschichtlichen“ „Epochen“ Gottes sind jene (Selbst-)Auslegungen oder Manifestationen des Göttlichen, die Hegel im II. und III. Teil der Religionsphilosophie darlegt: der geschichtliche Weg vom „abstrakten“ Gott der orientalischen Religionen bis zum „konkreten“ Gott des Christentums. Wie sich die Logik zu diesem geschichtlichen Fortgang 183 lyie Frage, wie diese realsystematische Sphäre (oder dieser realsystematische Inhalt), genannt „Gott“, in die begreifende Betrachtung „eintritt“, wird noch in einem weiteren Zusammenhang dieser Arbeit ausführlich zu erörtern sein (vgl. unten 251 ff). Die von M. Heidegger im Rahmen einer Interpretation der Hegelschen Wissenschaft der Logik gestellte Frage: „Wie kommt der Gott in die Philosophie?“ (vgl. M. Heidegger: Identität und Differenz. Pfullingen 1957. 70) muß zuerst auf der Grundlage der aufgehellten fundamentalen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens beantwortet werden, sollen die großen Worte über die „onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik“ (ebd. 35-73) einen sich ausweisenden und daher vertretbaren Sinn beanspruchen können.

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B. Logik und Realsystematik

verhält, oder genauer: in welcher Weise dieser geschichtliche Fortgang die „Ausführung“ der Wissenschaft der Logik ist, wurde oben kurz gezeigt^®^. Was die vielen einzelnen von ILJIN zugunsten der in seinem Sinn gemeinten „theologischen“ Interpretation der Logik angeführten Texte angeht, so sollen sie im nächsten Abschnitt im Rahmen einer Erörterung des ontologischen Gottesbeweises in der Logik ins rechte Licht gerückt werden. Hier noch eine kurze Bemerkung über einen Text aus dem Ende der Wissenschaft der Logik: „Zweitens ist diese Idee noch logisch, sie ist in den reinen Gedanken eingeschlossen, die Wissenschaft nur des göttlichen Begriffs.“^®® Hegel will hier zeigen, daß die Wissenschaft der Logik über sich hinausführen muß, da die rein logische Darstellung der Idee „zwar selbst eine Realisation [der Idee], aber innerhalb derselben [logischen] Sphäre gehalten“'®®, ist. Diese Differenz der Logik von der realsystematischen Ausführung drückt er so aus, daß die Logik die Wissenschaft nur des göttlichen Begriffs ist. Zweifellos ist diese Formulierung, isoliert genommen, ausgesprochen „theologisch“; interpretiert man sie aber im Zusammenhang mit dem kommentierten Text aus der Einleitung in die Wissenschaft der Logik und mit anderen im nächsten Abschnitt noch zu deutenden Texten, so dürfte sie - zumal wenn man sie als elliptische und daher mißverständliche Formulierung ansieht - grundsätzlich im Sinne aller dieser Texte zu deuten sein'®^. Zu den beiden anderen Bedeutungen, die ILJIN in Hegels Wissenschaft der Logik zu entdecken glaubt, ist nur noch Weniges zu sagen. Die von ihm behauptete Aporie, wonach die Natur- und Geistesphilosophie, also die Realsystematik, einerseits in der Logik aufgehen müßte - so daß es dann nur eine einzige Wissenschaft gäbe: die Logik -, andererseits aber inhaltlich in die Logik nicht aufgenommen werden kann - was dann die „Untreue“ des spekulativen Begriffs gegenüber seinem eigenen Anspruch beweisen würde -, diese Aporie entspringt aus dem Nichtbeachten und Nichtbegreifen der Weise, wie die Realsystematik in der Wissenschaft der Logik „enthalten“ ist. Dieser Sachverhalt wurde in dieser Arbeit schon ausführlich dargelegt. Hier ist zu ILJIN noch folgendes hinzuzufügen: Die Behauptung, daß bei konsequenter Interpretation des Hegelschen Denkens eine einzige allumfassende Wissenschaft anzunehmen wäre, enthält eine zutiefst wahre und fundamentale Einsicht - eine Einsicht aber, die in ihrem Sinn bei ILJIN wieder völlig verdeckt und verkehrt wird. Es ist nämlich die Einsicht, daß die Philosophie Vgl. B III 4 (90 ff, bes. 94 ff). 185 WL II 505; ähnlich WL II 506. 18» WL II 505. *8^ Was die aus dem Kapitel „Das Absolute“ (WL II 157-169) entnommenen Stellen anbelangt, sei auf das unter B III 1 über dieses Kapitel Bemerkte verwiesen (oben 73).

III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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Eine Wissenschaft ist, daß also Logik und Realsystematik eine originäre Einheit bilden, in der die Differenz der beiden gründet. Die „einzige allumfassende Wissenschaft“ wäre nicht die Wissenschaft der Logik im Gegensatz zu den realen Wissenschaften oder gar unter „Aufgehen“ dieser in der Logik, sondern die Wissenschaft als die Einheit dieser „Dimensionen“. Die in dieser Arbeit immer wieder gestellte Frage ist dann, ob diese Eine Wissenschaft nicht auch eine angemessene „einzige allumfassende“ Darstellung haben muß. Der andere Teil des iLjiNSchen Dilemmas, daß nämlich die Naturund Geistesphilosophie inhaltlich in die Logik nicht aufgenommen werden kann, basiert auf einem ungenügenden und sogar falschen Verständnis dessen, was „Inhalt“ bei Hegel bedeutet^*®. Schließlich ist noch zu der von ILJIN behaupteten kosmologisch-kosmo^ gonischer Bedeutung der Logik, wonach diese den Entwurf des künftigen Weltalls enthalten soll, schlicht zu sagen, daß nach Hegel die Aufgabe der Philosophie im Begreifen dessen, was ist, besteht, „denn das, was ist, ist die Vernunft“ ^89. b) Die methodische Stellung des „ontologischen Gottesbeweises“ in der Wissenschaft der Logik

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Aus den Ausführungen des vorhergehenden Abschnitts geht hervor, daß Hegels Logik auch als Theologik zu interpretieren ist, nicht aber in der Bedeutung, die dieser Ausdruck bei ILJIN und anderen Interpreten hat^®“. Es bleibt 188 Yg2 unten 186 ff, 224 ff. GPhR Vorrede 16; vgl. auch sonst, z. B. VG 25. 190 ]3er Ausdruck Onto-Theo-Logik ist zu einem Schlagwort geworden, besonders seitdem Heidegger darin die Artikulation des „Grundzuges der Metaphysik“ zu erblicken begann (vgl. M. Heidegger: Identität und Differenz. Pfullingen 1957. 56). Um die abgegriffenen Titel „Ontologie“, „Theologie“ und „Onto-Theologie“ wieder „in ihrem eigentlichen Schwergewicht [zu] erfahren“ (ebd. 55), versucht Heidegger zu zeigen, daß in der so verstandenen Metaphysik das Sein des Seienden als der gründende Grund vorausgedacht wird. „Daher ist alle Metaphysik im Grunde vom Grund aus das Gründen, das vom Grund die Rechenschaft gibt, ihm Rede steht und ihn schließlich zur Rede stellt“ (ebd.). Und so deutet Heidegger die Logik, vor allem wie sie in vollendeter Form von Hegel verstanden werde, „als den Namen für dasjenige Denken, das überall das Seiende als solches im Ganzen vom Sein als dem Grund (Xöyog) her ergründet und begründet. Der Grundzug der Metaphysik heißt Onto-Theo-Logik“ (ebd. 56). Dazu sei hier die folgende Bemerkung gestattet: Solche Überlegungen sind in einer wesentlichen Perspektive durchaus zutreffend; insofern sie aber Hegel betreffen und insofern sie immer in dieser undifferenzierten Allgemeinheit stehenbleiben, sind sie zu jener Bewußtlosigkeit im Gebrauch und im Verständnis der Kategorien zu rechnen, über die sich Hegel beklagt (vgl. WL I 20). Es findet sich nämlich bei Heidegger nicht einmal die Andeutung, daß Hegel die Reflexionsbestimmung „Grund“ sehr wohl untersucht und ihr einen genau bestimmten Platz in der Logik zuweist. Anstatt nur allgemeine Behauptungen zu wiederholen, sollte man „die Anstrengung des Begriffs“ auf sich nehmen

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B. Logik und Realsystematik

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aber ein letzter, und zwar zentraler Punkt zu klären. Es könnte scheinen, daß Hegels im Verlauf der logischen Darstellung häufig wiederkehrende Aussagen über den „ontologisöhen Gottesbeweis“ eine theologische Interpretation der Logik im Sinn von ILJINS „göttlicher Logik“ oder „spekulativer Theologie“ oder in einem ähnlichen Sinn beweisen oder zumindest nähelegen. Denn Hegel sagt ausdrücklich: „Es efhellt von selbst, daß dieser letztere Übergang [d. h. der Übergang vom Begriff zur Objektivität] seiner Bestimmung nach dasselbe ist, was sonst in der Metaphysik als der Schluß vom Begriffe, nämlich vom Begriffe Gottes auf sein Dasein, oder als der sogenannte ontologische Beweis vom Dasein Gottes vorkam. ünd etwas später heißt es: „... bei der Exposition des reinen Begriffes ist ... angedeutet worden, daß derselbe der absolute, göttliche Begriff selbst ist, so daß in Wahrheit nicht das VeAältnis einer Anwendung stattfinden würde, sondern jener logische Verlauf die unmittelbare Darstellung der Selbstbestimmung Gottes zum Sein wäre.“^®® üm diese und ähnliche Texte richtig zu deuten, ist es unumgänglich, auf Hegels Hinweise auf den ontologischen Beweis im ganzen Verlauf der logiund sich mit Hegels genauen Ausführungen befassen. So wäre hier Hegels hoch bedeutsamer Hinweis auf Gott im Rahmen der Reflexionsbestimmung „Grund“, nämlich die Dialektik von „Grund“ und „Abgrund“ zu betrachten (vgl. WL II 104 f). Heidegger beachtet nicht, daß - um in seiner Sprache zu reden - der Bezug von Sein und Seiendem von Hegel nicht schlechthin als Grund-Beziehung gedacht wird, ist doch „Grund“ eine Reflexionshestimmung, die also noch zur Sphäre des Wesens gehört und die deshalb durch „wahrere Formen [= Bestimmungen]“ (vgl. BSchr. 351) aufgehoben werden muß. Daß Heidegger undifferenziert und simplifizierend denkt, kann an folgendem ersehen werden. Eine der zentralen Aussagen seines großen Vortrages „2eit und Sein“ aus dem Jahre 1962 lautete: „Es galt, Sein im Durchblick durch die eigentliche Zeit in sein Eigenes zu denken - aus dem Ereignis ohne Rücksicht auf die Beziehung des Seins zum Seienden“ {M. Heidegger: Zur Sache des Denkens. Tübingen 1969. 25). Der Verfasser der vorliegenden Arbeit hatte in seiner unter dem Titel Analogie und Geschichtlichkeit I (Freiburg-Basel-Wien 1969) veröffentlichten Münchner Dissertation auf die Zweideutigkeit dieser Aussage Heideggers hingewiesen und betont, mit der von Heidegger geforderten und anvisierten Unbezüglichkeit (von Sein und Seiendem) dürfte der Ausschluß einer Begründungsheziehung gemeint sein (vgl. 506 f). Diese Interpretation findet jetzt ihre Bestätigung im erst 1969 veröffentlichten Protokoll zu einem im Jahre 1962 gehaltenen Seminar über den Vortrag „Zeit und Sein“. Darin heißt es: „Sodann wurde die Wendung ,dns Sein ohne das Seiende denken' erläutert. Sie ist - ebenso wie der . . . Ausdruck ,ohne Rücksicht auf die Beziehung des Seins zum Seienden' - die verkürzte Fassung für: ,das Sein ohne die Rücksicht auf eine Begründung des Seins aus dem Seienden denken'“ (Heidegger a.a.O. 35). Aber Heidegger behauptet weiterhin, daß die abendländische Metaphysik, deren „Vollendung“ er ln Hegel und näherhin in Hegels Logik sieht, die Beziehung des Seins zum Seienden als Begründungsheziehung aufgefaßt hat. Insofern diese Behauptung auch das Denken Hegels betreffen soll, ist sie falsch, denn eine Grund-Beziehung ist nach Hegel eine logische Bestimmung, die zur logischen Sphäre der Reflexion oder des Wesens gehört und damit dem reflektierenden oder vorstellenden Denken eigentümlich ist (vgl. unten 191 ff); in der höheren logischen Sphäre des Begriffs und damit für das vernünftige oder begreifende Denken hat sie „kein Gelten mehr“ (BSchr. 351). WL II 353. 1»» WL II 356.

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sehen Darstellung kurz einzugehen. Die Einleitung in den Abschnitt „Die Objektivität“, aus dem die oben zitierten Stellen entnommen sind, ist der eigentliche spekulative Ort des ontologischen Beweises; um diesen „Ort“ angemessen zu begreifen, müssen aber auch die von Hegel im Rahmen der vorangegangenen logischen Sphären gemachten Bemerkungen über diesen Beweis berücksichtigt werden. Es sei aber betont, daß es sich in unseren Überlegungen nicht darum handelt, die Problematik des ontologischen Beweises allseitig zu behandeln; es soll vielme'hr nur der Sinn der im Verlauf der logischen Darstellung gemachten Bemerkungen Hegels herausgearbeitet werden, und zwar im Hinblick auf die Problematik des Verhältnisses von Logik und Realsystematik^®®. Aus diesem Grund werden hier nur die einschlägigen Stellen aus der Wissenschaft der Logik, nicht aber aus den anderen Werken kommentiert. Es finden sich in der Logik Bemerkungen über den ontologischen Beweis in jeder logischen Sphäre; daß dies konsequent ist, geht schon aus den früher angeführten und kommentierten Aussagen Hegels über die logischen Bestimmungen als Definitionen des Absoluten hervor. In der Sphäre des Seins bezieht sich Hegel an zwei Stellen auf den ontologischen Beweis. Die erste Stelle findet sich in einer Anmerkung über den Gegensatz von Sein und Nichts in der Vorstellung; in diesem Zusammenhang kommt Hegel auf Kants Kritik des ontologischen Beweises zu sprechen, wobei er auf die völlige Ungeklärtheit des KANxischen Verhältnisses von Sein bzw. Existenz („was hier [d. h. bei KANT] für glaidibedeutend gilt“^®^) und Begriff aufmerksam macht. Das Spezifische dieser Kritik liegt an dieser Stelle in der Ausarbeitung oder in der spekulativen „Situierung“ des Unterschieds von Begriff und Sein: „Es ist die Definition der endlichen Dinge, daß in ihnen Begriff und Sein verschieden, Begriff und Realität, Seele und Leib, trennbar, sie damit vergänglich und sterblich sind; die abstrakte Definition Gottes ist dagegen eben dies, daß sein Begriff und sein Sein ungetrennt und untrennbar sind.“^®®. Die zweite Stelle ist eine „Erwähnung“^®® des ontologischen Beweises im Rahmen einer Bemerkung über die Kategorie der Realität. Hier zeigt Hegel, daß Gott, als „Inbegriff aller Realitäten“ bestimmt, in Wahrheit nichts anderes ist als „dasselbe Bestimmungs- und Gehaltlose, was das leere Absolute, in dem Alles Eins ist“^®^. Diese Kritik ergibt sich daraus, daß in über den ontologischen Gottesbeweis bei Hegel vgl. besonders: D. Henrich: Der ontologische Gottesbeweis. 2. Aull. Tübingen 1967; 'W. Albrecht: Hegels Gottesbeweis. Eine Studie zur „Wissenschaft der Logik“. Berlin 1958; K.Domke: Das Problem der metaphysischen Gottesbeweise in der Philosophie Hegels. Leipzig 1940; H. Ogiermann: Hegels Gottesbeweise. Rom 1948. Zu dieser Literatur wird hier nicht Stellung genommen; in dieser Arbeit sollen die vor-gängigen Fragen erörtert werden. WL I 71. WL I 75. 1»« Vgl. WL I 99.

WL I 100.

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der „Realität“, streng nach ihrer logischen Bedeutung gefaßt, das Moment der Negation wesentlich enthalten ist. Aus diesen beiden Stellen ist zu entnehmen, daß die Hinweise auf den ontologischen Beweis „Erwähnungen“ im Sinne des Ineinanderumschlagens von Logik und Realsystematik sind. In der logischen Sphäre des Wesens bezieht sich Hegel ebenfalls an zwei Stellen auf den ontologischen Beweis. Er bemerkt — erstens - im Rahmen einiger Ausführungen über den Satz vom Widerspruch, daß die Bestimmung „Gott als der Inbegriff aller Realitäten“ den Widerspruch nicht nur .nicht ausschließt, sondern sich zum absoluten Widerspruch in sich selbst entwikkelt^®®. Während Hegel an dieser Stelle noch die Bestimmung Gottes in der Sphäre des Seins bzw. der Realität im Auge hat, macht er an einer zweiten Stelle^®* eine wichtige methodologische Bemerkung über die Gottesbeweise und geht dabei auf die Bestimmung Gottes als absolutes Wesen bzw. Existenz ein. Der Sinn der Hegelschen Bemerkung ergibt sich aus der Weise, wie die Überlegungen eingeleitet werden: „Insofern die Beweise von der Existenz Gottes hier erwähnt werden können ...“ Hegel macht darauf aufmerksam, daß jede Stufe der Unmittelbarkeit — als solche nennt er hier: Sein, Existenz und Objektivität - „ihre eigene Art der Vermittlung [hat]; so wird auch die Natur des Beweisens in Ansehung einer jeden verschieden“®®®. Der ontologische Beweis ist jene Art von Vermittlung, „welche Schluß ist“®®^ und die erst später, beim Übergang vom (subjektiven) Begriff in die Objektivität, ihren eigentlichen logischen Ort hat. Auf Grund dieser kurzen Hinweise ist es möglich, Hegels Ausführungen über den ontologischen Beweis im Abschnitt „Die Objektivität“ richtig zu deuten. Der logische Übergang vom subjektiven Begriff in die Objektivität ist der eigentliche logische Ort, wo die dem ontologischen Beweis eigentümliche Vermittlung ihren angemessenen logisch-systematischen Begriff findet. Die vorausgehenden Formen bzw. Formulierungen des ontologischen Beweises waren noch unvollkommen, inadäquat - daher bewiesen sie nicht streng, was sie zu beweisen Vorgaben. Die eigentliche Beweiskraft des im Laufe der philosophischen Tradition immer wieder versuchten und in verschiedener Weise formulierten „ontologischen Beweises“ wird erst beim logischen Übergang vom subjektiven Begriff in die Objektivität artikuliert, woraus folgt, daß erst dieser Übergang auch die adäquate Darstellung dieses Beweises ist®®®. Vgl. WL II 61 f. >»» WL II102 fl. *»» WL II 103. Ebd. Vgl. WL II 354: „Den wesentlichen Gegenstand jenes [d. h. des ontologischen] Beweises, den Zusammenhang des Begriffes und des Daseins, betrifft ... die ... Betrachtung des Begriffs und des ganzen Verlaufs, durch den er sich zur Objektivität bestimmt.“ Vgl. auch HEnz. § 139 A. 202

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Einige Überlegungen Hegels an dieser Stelle müssen noch einer sorgfältigen Analyse unterzogen werden, da sie leicht Anlaß zu Mißverständnissen geben. Hegel geht auf einen möglichen Einwand ein, den er so formuliert: „Wenn es nun scheinen möchte, als ob der Übergang des Begriffs in die Objektivität etwas Anderes sei als der Übergang vom Begriff Gottes zu dessen Dasein, so wäre .. .“^®* Wie ist die hier genannte „Andersheit“ zu fassen? Diese Frage beantworten heißt, den Sinn jener vom Einwand in Frage gestellten Selbigkeit von Übergang (des Begriffs in die Objektivität) und ontologischem Beweis angeben. Besagt diese Selbigkeit, daß die logische Darstellung schlechthin identisch ist mit einer theologischen Darstellung, d. h. mit einer Darstellung Gottes in der ersten „Epoche“ seiner Offenbarung (wie I. ILJIN behauptet), so will der Einwand sagen, daß der Übergang vom Begriff in die Objektivität offensichtlich kein „theologischer Prozeß“ ist. Dieser Sinn der Selbigkeit ist aber schon auf Grund aller früheren Überlegungen dieser Arbeit auszuschließen. Vielmehr ist die vom Einwand kritisierte Selbigkeit so zu verstehen, daß der Übergang des subjektiven Begriffs in die Sphäre der Objektivität jene logische Bestimmung oder jene logische Ebene oder Höhe der Vermittlung darstellt, die auch dem ontologischen Beweis eigentümlich ist. So sagt denn auch Hegel, daß dieser „Übergang seiner Bestimmung nach“^^^ mit jenem Gedankengang identisch ist, der in der Metaphysik „ontologischer Beweis“ genannt wird. Dies geht aber auch eindeutig aus der ersten Antwort Hegels auf den Einwand hervor: er sagt nämlich, es „wäre einerseits zu betrachten, daß der bestimmte Inhalt, Gott, im logischen Gange keinen ünterschied machte und der ontologische Beweis nur eine Anwendung dieses logischen Ganges auf jenen besondern Inhalt wäre“^®®. Der erste Teil dieser wichtigen Aussage besagt zweifellos, daß der realsystematische Inhalt, genannt „Gott“, keine logische Sonderstellung einnimmt (wie wäre im übrigen eine logische Sonderstellung überhaupt denkbar, da ja die Wissenschaft der Logik - jedenfalls ihrem Anspruch nach - die Prüfung bzw. Darstellung aller logischen Bestimmungen bzw. aller Vermittlungsarten enthält); daß also der realsystematische Inhalt „Gott“ im logisdien Gang keinen ünterschied macht, bedeutet, daß „auch“ die Ausgelegtheit dieses Inhalts in der Logik zu finden ist. Der Sinn von „Anwendung“ in der zweiten Hälfte der Antwort wird bald im Zusammenhang mit weiteren Ausführungen Hegels zu klären sein. In einer zweiten Antwort („auf der andern Seite“) erinnert Hegel an die in dieser Arbeit mehrmals kommentierte Einsicht, daß das Subjekt erst durch die Prädikate Bestimmtheit und Inhalt erhält. Hier präzisiert Hegel WL II 354. WL II 354.

204

II 353 (Hervorhebung von mir).

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diese Einsicht dahingehend, daß die Bestimmung durch Prädikate nidht nur als ein „subjektives“ Geschehen - d. h. hier: als Bestimmung in der Sphäre des bloß „subjektiven“ Begriffs sondern auch und wesentlich als „Realisation“ und Objektivierung des Begriffs zu verstehen ist. Dies bedeutet nun, daß die „Bestimmung“ des Begriffs nichts anderes ist als der in der Logik dargestellte Gang. Im Hinblick auf Gott heißt das, daß Gott „nur in seinem Tun erkannt“^®® wird: der Begriff Gottes oder Gott als Begriff ist Tun, Wirken. Der Übergang von Gott „in“ seinem Tun und Wirken - d. h. hier: in seinem „bloßen“ Begriff - ist der Übergang vom Begriff Gottes zum Sein Gottes. Aufschlußreich ist Hegels Erläuterung dieses Zusammenhangs an dieser Stelle: „Das Sein als die ganz abstrakte, unmittelbare Beziehung auf sich selbst ist nichts Anderes als das abstrakte Moment des Begriffs, welches abstrakte Allgemeinheit ist, die auch das, was man an das Sein verlangt, leistet, außer dem Begriff zu sein; denn sosehr sie Moment des Begriffs ist, ebensosehr ist sie der ünterschied oder das abstrakte ürteil desselben, in dem er sich selbst sich gegenüberstellt.Der ontologische Beweis ist demnach nichts anderes als die hinsichtlich des realsystematischen Inhalts „Gott“ ausgeführte und diesem Inhalt angemessene logische Darstellung der „Beziehung des Begriffes auf das Sein“: in dieser „Aufgabe“ efhält dieser „schwierigste Punkt der Philosophie“ seine „größte Bedeutung“^®®. Hier wird diese Beziehung wahrhaft bewiesen, indem sie sich als notwendiger Übergang von der Einseitigkeit des subjektiven Begriffs in die schon darin enthaltene Dimension oder Sphäre des Seins als des objektiven Begriffs erweist^®®. Aber auch mit diesem Übergang ist der realsystematische Inhalt „Gott“ noch nicht voll expliziert. Dies führt uns zu einer Analyse weiterer Überlegungen Hegels über die in der ersten Antwort erwähnte „Anwendung“. Schon früher wurde dargelegt, daß das Verhältnis zwischen Logik und Realsystematik nicht als Anwendungsverhältnis interpretiert werden kann®^®. Hier nun erhält diese Interpretation eine wichtige Bestätigung. Hegel versteht nämlich den Hinweis auf die „Anwendung“ nicht etwa als die angemessene, sondern nur als eine minimale Deutung, die sich selbst aufheben müßte: wenn nämlich, so argumentiert er, „zugegeben wird, daß das Logische als das Formale die Form für das Erkennen jedes bestimmten Inhalts ausmache, so müßte wenigstens jenes Verhältnis [der Anwendung] zugestanden werden, wenn nicht überhaupt eben bei dem Gegensätze des Begriffes gegen die Objektivität, bei dem unwahren Begriffe und einer ebenso unwah2«» Ebd. 2or II 355. 2»* Vgl. HEnz. § 139 A. Ygl_ Jazu (Jie späteren Ausführungen über die Logik (206 ff). 210 Ygl oben 64. 200

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ren Realität als einem Letzten ste'hengeblieben wird“^^^. Aber Hegel erinnert sofort an das, was früher „weiter" angedeutet worden war, daß nämlich der reine Begriff „der absolute, göttliche Begriff selbst ist, so daß in Wahrheit nicht das Verhältnis einer Anwendung stattfinden würde, sondern jener logische Verlauf die unmittelbare Darstellung der Selbstbestimmung Gottes zum Sein wäre“^^^. Die „weiteren“ Andeutungen beziehen sich offensichtlich auf einige Ausführungen im Rahmen des allgemeinen Begriffs, wo es z. B. heißt: das Allgemeine ist „die freie Macht ... die freie Liebe und schrankenlose Seligkeit .. oder besonders: „Insofern Leben, Ich, endlicher Geist wohl auch nur bestimmte Begriffe sind, so ist ihre absolute Auflösung in demjenigen Allgemeinen, welches als wahrhafter absoluter Begriff, als Idee des unendlichen Geistes zu fassen ist, dessen Gesetztsein die unendliche, durchsichtige Realität ist, worin er seine Schöpfung und in ihr sich selbst anschaut.“^^^ Aus diesen „weiteren“ Andeutungen soll hervorgehen, daß der ontologische Beweis nicht als eine Anwendung des logischen Verhältnisses der Objektivierung des Begriffs zu fassen ist. Dieser logische Verlauf ist als die unmittelbare Darstellung der Selbstbestimmung Gottes zum Sein zu betrachten. Wie ist das zu verstehen? Auf Grund des bisher Ausgeführten und der Korrektur, der Hegel den zitierten Satz anschließend unterzieht, ist zu sagen: das Verhältnis von logischer Bestimmung und dem Inhalt „Gott“ ist deshalb nicht als Anwendung zu deuten, weil „Gott“ nicht ein „Stoff“ ist, der irgendwie an die Logik von außen herantreten könnte. Positiv gewendet: alle logischen Bestimmungen sind ursprünglich-grundsätzlich Definitionen des realsystematischen „absoluten Inhalts“, genannt „Gott“, und in diesem Sinne sind sie unmittelbare Darstellungen Gottes. Konsequenterweise ist zu sagen: War die Definition Gottes in der Sphäre des allgemeinen Begriffs die „freie Macht“ usw., so ist der Übergang des Begriffs in die Objektivität, ausgeführt an dem realsystematischen absoluten Inhalt, „die unmittelbare Darstellung der Selbstbestimmung Gottes zum Sein“. Dazu macht Hegel eine durch ein „aber“ eingeleitete korrigierende Bemerkung: auch auf dieser Ebene oder „Höhe“ der logischen Entwicklung ist der vollständige Begriff des Inhalts „Gott“ noch nicht erreicht; denn der vollständige Begriff - d. h. die vollständige logische Bestimmung - ist derjenige, der „schon in die Idee aufgenommen ist“^^®. Der realsystematische Inhalt „Gott“ ist adäquat und vollständig expliziert erst WL II 355-356 (Hervorhebungen von mir). WL II 356. WL II 242-243. WL II 244. Vgl. auch: das Allgemeine ist „schöpferische Macht“ (244-245); „das Schaffen des Begriffs“ (245). WL II 356.

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in der Sphäre der logischen Bestimmung der Idee, d. h. des adäquaten Begriffs. Dadurch werden die obigen Ausführungen über den Übergang des (subjektiven) Begriffs in die Objektivität als den eigentlichen logischen Ort des ontologischen Beweises nicht zurückgenommen, denn der ontologische Beweis ist zwar der „adäquate“ Beweis des Inhalts „Gott“, aber als Beweis ist er nur der Anfang der adäquaten Explikation dieses Inhalts. Man kann dies auch so ausdrücken: Die weitere, vollständige Bestimmung des Inhalts „Gott“ in der logischen Sphäre der Idee (des adäquaten Begriffs) ist nichts anderes als die weitere, vollständige Ausführung des ontologischen Beweises - kurz: der adäquate ontologische Beweis^*®. In seinem Buch: Differenz und Versöhnung (Gütersloh 1967) legt T. Koch „eine Interpretation der Theologie G. W. F. Hegels nach seiner ,Wissenschaft der Logik'“ (Untertitel) vor. Trotz einiger beachtenswerter Klarstellungen gelingt es Koch nicht, die grundsätzliche Frage des Verhältnisses von Logik und Theologie bei Hegel aufzuhellen. Ihm zufolge bringt „ein Verständnis der Hegelschen ,Wissenschaft der Logik' als Gotteslehre, als Denken der absoluten Wahrheit, . . . keineswegs einen nur speziellen Aspekt zum Ausdruck . . . Hegels Logik als ,metaphysiche Theologie' [Beweise 86] hat im Blick auf das Seiende in Natur und endlichem Geist schlechthin hermeneutisch-aufschließende Kraft“ (17 Anm. 24). Wie Koch diese Formulierungen näher versteht, wird zunächst an seinem Kommentar zu einer Stelle aus dem Vorwort zur 3. Auflage der Enzyklopädie ersichtlich, an der Hegel sich gegen den Vorwurf einer Gleichsetzung von menschlichem Individuum und Gott wehrt; „Wir sahen, daß Hegel das Denken der Logik und der Philosophie überhaupt - nicht als das Tun des immer beschränkten, endlichen Subjekts versteht; und doch wird vom absoluten System her, das schließlich ja von dem Menschen Hegel geschrieben ist, erklärlich, wie dieser ,Vorwurf einer falschen Konsequenz' [Enz. 24] entstehen konnte. Denn im absoluten Wissen gibt es nichts mehr, was Mensch und Gott trennen könnte“ (21). In einer Anmerkung macht Koch darauf aufmerksam, „daß diese Identität im absoluten Wissen - und nur in ihm - erreicht ist“ (21 Anm. 33). Diese anscheinend so klaren Formulierungen sind alles andere als eindeutig. Was heißt es, wenn gesagt wird, im absoluten Wissen gäbe es nichts mehr, was Mensch und Gott trennen könnte, diese Identität aber sei „nur“ im absoluten Wissen erreicht? Wie verhält sich in diesem Fall das absolute Wissen zur „anderen“ Wirklichkeit des Menschen? Ist diese „andere“ Wirklichkeit dem absoluten Wissen äußerlich? Man tut gut daran, die angebliche Eindeutigkeit solcher Formulierungen in Frage zu stellen. - Wie Koch die schlechthinnige Identität von Mensch und Gott im absoluten Wissen versteht, kommt in seiner Interpretation der Hegelschen Logik als der „Wissenschaft der absoluten Form“ (WL II 231) zum Ausdruck. Er schreibt: „Die logische Form ist . . . darum ,dle reine Wahrheit', ,die Darstellung Gottes ... in seinem ewigen Wesen' (WL I 31), weil die absolute Form ihren Inhalt selbst setzt, der so hervorgebrachte Inhalt um des Gesetztseins durch die Form willen - dieser gemäß, mit ihr übereinstimmt (vgl. WL II 232 f), identisch ist“ (63). Koch glaubt, daraus folgern zu können: „Dieser Gedanke impliziert doch unausweichlich, daß die absolute Form als Subjekt zuvor bekannt und erkannt ist, um ihr jene hervorbringende Wirksamkeit zuschreiben zu können ... Die Konsequenz ist unumgänglich; Damit ist eine Priorität der Form gegenüber dem Inhalt ausgesagt, die in ihrem Prae vor dem Inhalt auch gedacht werden soll . . .“ (63; erste Hervorhebung von mir). Koch hat nun leichtes Spiel, die Unhaltbarkeit dieser Priorität der Form zu demonstrieren: „Aber der eine Begriff ist nie ohne Inhaltsbestimmung, er ist ohne das, ,was als Inhalt erscheint', überhaupt nicht denkbar“ (63). Wie unproblematisch und undifferenziert nun Koch die Gleichsetzung von Logik und Theologie unterstellt, zeigt die weitere Argumentation gegen Hegel; „Daß die Form nie und nichts ohne Inhaltsbestimmung ist, das zeigt nicht die Macht, sondern die

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III. Die Identität von Logik und Realsystematik

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Olimacht des Denkens, zeigt, daß auch das logische Denken endliches Denken und nicht das Denken Gottes selbst ist“ (64). Dies erklärt Koch dahingehend, daß „die sich einstellende Differenz als notwendiges Geschick unsres endlichen Redens und Denkens zu erkennen [ist]. Weil dem so ist, muß gesagt werden: Im Denken der absoluten Einheit wird diese um der Endlichkeit unseres Denkens willen - zu einer Bestimmtheit verkehrt. Das Auftreten der Bestimmtheit, und damit die Differenz, kann nicht mit der These vom ,Setzen“ der einen absoluten Eorm begründet werden, sondern geschieht als Verkehrung der absoluten Form“ (66). - Kochs Ausführungen sind ein bezeichnendes Beispiel für jene Interpretationen, die es versäumen, die elementaren Zusammenhänge des Hegelschen Denkens vor der Interpretation eines einzelnen Aspektes herauszuarbeiten. Eine begründete und angemessene Kritik an dieser Hegelinterpretation und -kritik kann nur die vorliegende Arbeit als ganze bieten. Hier sei nur auf einiges hingewiesen. Die Frage nach dem Verhältnis von Logik und Theologie wird von Koch nicht radikal genug aufgeworfen. Dies zeigt sich besonders an seiner Unbekümmertheit, Zitate ohne Berücksichtigung ihres methodisch-systematischen Kontextes anzuführen und zentrale Ausdrücke wie „reine Wahrheit“, „absolute Form“, „absolutes Wissen“ u. ä. uninterpretiert zu verwenden. Insbesondere wird von Koch der methodische Ort des Schemas „Form-Inhalt“ hinsichtlich des Verständnisses der Logik überhaupt nicht herausgearbeitet (vgl. oben 52 ff). Inwieweit eine methodisch geführte Interpretation der Selbstbestimmung der Form und damit des Sinnes der absoluten Form zu einem ganz anderen Ergebnis führt, werden die weiteren Ausführungen zeigen (unten C III). Der zentrale Punkt in Kochs Argumentation, nämlich die These, Hegel behaupte eine Priorität der Form und sei daher „der Meinung, anfänglich von Gott ohne Bestimmtheit zu wissen“ (70), verkennt den dialektischen Charakter des Hegelschen Denkens bzw. der logischen Bestimmungen. Eine solche Priorität der Form wird gerade nicht vom dialektischen, sondern vom metaphysischen, d. h. vom Verstandesdenken behauptet (vgl. Enz. §§ 28 ff; zu Kochs Interpretation vgl. die treffenden Bemerkungen von L. Eley in seiner Rezension, in: HegelStudien 6 [1971], 267-283]). - Aufgrund seiner Kritik an Hegel gelangt Koch zu einer Gotteslehre, die er folgendermaßen formuliert: „. . . dem Denken [ist] die Aufhebung der Differenten aufgegeben. Deren Aufhebung in die Synthesis ist zu denken, auf die sie angewiesen sind und ohne die sie nie sein könnten . . . die Synthesis macht sich in der Differenz geltend, indem das Differente über sich hinaus zu seiner es gründenden Einheit treibt. Sie ist den Differenten transzendent . . .“ (173). Diese Aufgabe des Denkens bestimmt Koch folgendermaßen: „Im Denken dieser versöhnenden Einheit als des Absoluten . . . bricht eine letzte, unaufhebbare Differenz auf, die von logischem Denken, das immer in Bestimmtheiten sich vollzieht, und der ihm aufgegebenen Sache. Denn das versöhnende Eine ist nur gedacht, wenn es das über alle differente Bestimmtheit Erhabene ist. Indem das Denken diese letzte Differenz erträgt, gibt sich ihm das Absolute zu erkennen, vermittelt sich ihm dieses in seiner unbegreiflichen Absolutheit“ (174). Koch will die absolute Einheit denken, behauptet aber dann eine unaufhebbare Differenz zwischen logischem Denken und der ihm aufgegebenen Sache. Was kann dies überhaupt bedeuten? Wo Denken ist, ist auch Logik. Welchen Begriff von Denken hat denn Koch Im Auge bzw. schreibt er Hegel zu? Auf Grund welchen Denkens kann Koch die Differenz zwischen „logischem Denken“ und der ihm aufgegebenen Sache behaupten - und damit eben denken? - Das erst nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit erschienene große Werk von M. Theunissen: Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat (Berlin 1970) kann hier nicht mehr berücksichtigt werden.

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B. Logik und Realsystematik IV. DIE ENTSPRECHUNGEN ZWISCHEN LOGIK UND REALSYSTEMATIK UND DIE FRAGE NACH DEM AUFBAUPRINZIP DER LOGIK

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1. Die Entsprechungen zwischen logischen Bestimmungen und realsystematischen Sphären Wie die Realsystematik in der Logik enthalten ist, ist nodh nicht vollständig geklärt. Die bisherigen Überlegungen gingen von der Logik aus und versuchten auf dieser Grundlage das Problem des Verhältnisses von Logik und Realsystematik anzugehen. Bedenkt man nun, daß das Verhältnis dieser zwei Dimensionen als ein Ineinanderumschlagen aufzufassen ist, so ergibt sich, daß man genauso bei der Realsystematik ansetzen könnte, um zur Logik als der „Abbreviatur“ des Ganzen zu gelangen. Dies soll hier aber nicht geschehen. Vielmehr soll in diesem letzten Abschnitt dieser zweiten Untersuchung die Problematik des Verhältnisses von Logik und Realsystematik weiter vorangetrieben werden durch die Herausarbeitung der Entsprechungen zwischen den beiden Dimensionen. „Entsprechung“ wird sich nämlich als die nähere Bestimmung des herausgearbeiteten Ineinanderumschlagens erweisen. Zwar gebraucht Hegel das Wort „Entsprechung“ relativ selten; indes: nicht um das Wort geht es, sondern um die Sache. Diese ist aber klar: Entsprechung besagt hier im weitesten Sinn, daß eine bestimmte realsystematische Sphäre eine Beziehung zu einer bestimmten logischen Sphäre oder Bestimmung aufweist. Diese Beziehung kann aber verschiedene Stufen der Bestimmtheit haben. Sie kann zuerst nicht näher oder nicht speziell bestimmt sein: in diesem allgemeinen Sinn weisen alle realsystematischen Sphären eine Entsprechung zu irgendeiner logischen Sphäre oder Bestimmung auf; denn eine solche Beziehung ist die minimale Bedingung dafür, daß überhaupt von einem Enthaltensein der realsystematischen Sphären in der Logik die Rede sein kann. Aber die Beziehung kann näher und sogar sehr genau bestimmt sein, sowohl negativ als positiv: negativ, indem gewisse logische Bestimmungen sich für das Begreifen gewisser realsystematischer Sphären als untauglich (unangemessen) erweisen; positiv, indem gewisse logische Bestimmungen in näherer „Affinität“ zu gewissen realsystematischen Sphären stehen oder sogar eine strenge Parallelität mit gewissen realsystematischen Sphären aufweisen. Dieser ganze Sachverhalt soll jetzt genau herausgearbeitet werden. Erst dann wird es möglich sein, die Frage nach dem Aufbauprinzip der Logik zu stellen.

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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a) Keine totale Entsprechung zwischen logischem Verlauf und realsystematischem Struktur ganzen Zuerst muß eine zentrale Feststellung getroffen und erhärtet werden: die Entsprechungen zwischen der logiscihen Systematik und der Realsystematik können nicht so verstanden werden, daß ein Schlechthinniger Zusammenfall oder eine vollkommene Deckung von logischer und realsystematischer Darstellung oder von logischer Reihenfolge und realsystematischer Reihenfolge behauptet wird. Es drängt sich aber dann sofort die Frage auf: Wie kann in diesem Fall die früher behauptete und aufgezeigte ursprünglich-grundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik aufrechtefhalten werden? Behauptet wird also einerseits der Nichtzusammenfall von logischer und realsystematischer Reihenfolge und andererseits die Identität von Logik und Realsystematik. Lassen sich beide Thesen in Einklang bringen? Es muß zuerst genau untersucht werden, wie Hegel die Entsprechungen im einzelnen auffaßt. Daß die logische und die in der Enzyklopädie dargelegte realsystematische Reihenfolge sich nicht einfach decken, geht aus zwei fundamentalen Überlegungen hervor. (1) Die realsystematisdhe Darstellung der Sphären wiederholt nicht einfach den Gang der logischen Bestimmungen: mechanische, physische und organische Natur einerseits, subjektiver, objektiver und absoluter Geist andererseits sind nicht etwa die realsystematische „Kehrseite“ der logischen Bewegung der Bestimmungen Sein-Wesen-Begriff (Idee). Die realsystematische Natur stdht nicht nur in Entsprechung etwa zur logischen Sphäre des Seins, das realsystematische Leben nicht etwa nur zur logischen Sphäre des Wesens, der realsystematische Geist nicht etwa nur zur logischen Sphäre des Begriffs. Eine solche Entsprechungskonstruktion würde der alles und nichts beweisenden Handhabung eines rein formalen Schemas gleichkommen. (2) Daß die logische und realsystematische Reihenfolge nicht zusammenfallen, ergibt sich auch aus dem noch genau aufzuhellenden Umstand, daß die logischen Bestimmungen sich — wenn auch in „verkürzter“ Form — innerhalb aller realsystematischen Sphären wiederholen. Die eigentliche Erklärung dieses Sachverhalts - die allerdings erst am Ende dieser Arbeit voll einsichtig sein wird - liegt darin, daß der „logische Gang“ Methode bzw. Struktur besagt und daß diese in jedem realsystematischen Gegenstand als dessen eigene Methode bzw. Struktur „wiederholt“ wird. Um diesen Sachverhalt nicht von vornherein zu mißdeuten, ist auf ein Doppeltes zu achten. Erstens: Alle realsystematischen Sphären, von der anorganischen Natur bis zum absoluten Geist, werden vom Standpunkt der Idee aus, näherhin als Realisationen der Idee begriffen und dargestellt. Dies ist ja der Sinn des Übergangs der logischen Idee in die Natur. Von hier aus

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ist zu sagen, daß es - solange die Geschichte ausgeklammert wird - keine strenge Entsprechung zwischen einer realsystematischen Sphäre und einer von der Idee noch nicht „durchdrungenen“, d. h. an der Idee noch nicht „gemessenen“ logischen Bestimmung gibt. Also: „reines“ Sein, „reines“ Wesen als noch nidit begriffenes, d. h. zur Ebene des Begriffs (bzw. des „adäquaten Begriffs“, der Idee) erhobenes Sein bzw. Wesen hat keine „Realisation“ - unter der Voraussetzung, daß der Standpunkt der Idee schon erreicht wurde. Es ist aber - zweitens — zu beachten, daß der Begriff (die Idee) der Inbegriff, die Zusammen-fassung aller früheren logischen Bestimmungen ist. Dies besagt aber, daß der Begriff (die Idee) durch diese Bestimmungen als Momente vermittelt ist. Nun ist es in diesem Zusammenhang von fundamentaler Wichtigkeit, auf eine Aussage Hegels in der Einleitung zur Philosophie des Geistes in der Enzyklopädie zu achten: „Die konkrete Natur des Geistes bringt für die Betrachtung die eigentümliche Schwierigkeit mit sich, daß die besondern Stufen und Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs nicht zugleich als besondere Existenzen zurück und seinen tiefem Gestaltungen gegenüber bleiben, wie dies in der äußern Natur der Fall ist .. Darin steckt ein Hinweis auf die schwierige Frage, wie es realsystematische Stufen der Idee geben kann. Wenn das Strukturganze der realsystematischen Sphären sich nicht mit dem Strukturganzen der logischen Sphären deckt, wie ist dann der Stufenbau des Ganzen der Idee zu fassen? Wie immer man dies erklären mag, eines darf dabei nicht aus dem Blick verloren werden: jede „Stufe“, so niedrig sie auch hinsichtlich des realsystematischen Stufenbaus gedacht werden mag, wird begriffen, d. h. in ihr wird der Begriff (die Idee) gesucht. Ist nun die Idee, wie sich noch zeigen wird, die Bewegung des Sichzusammenschließens, so muß in irgendeiner Weise diese Bewegung in jeder Stufe nachweisbar sein; anders ist ein „realer“ Gegenstand nicht begreifbar. Jede Bestimmung, jede Stufe, so „arm“ sie auch sein mag, „wiederholt“ die Idee, auch wenn dies in der negativen Weise der 'Hichtexistenz, d. h. der Nichtmanifestation der Idee als Idee geschieht. Wenn eine „besondere Bestimmung“, die in einer höheren Totalität nur ein Moment dieser Totalität (z. B. Geist) ist, in einer niedrigeren Ebene zu einer besonderen „Existenz“ oder „Gestaltung“ heraustritt oder „zurückbleibt“, so ist das so zu verstehen: im Hinblick auf die „vertikale“, eine höhere Totalität bildende Bewegung ist diese Bestimmung eine besondere, ein „einzelnes“ Moment; mit anderen Worten: wenn gesagt wird, daß besondere Bestimmungen einer höheren Totalität (z. B. des Geistes) außerhalb dieser Totalität als besondere Enz. § 380.

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IV. Die Entsprediungen zwischen Logik und Realsystematik

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„Existenzen“ „Zurückbleiben“, so wird hier vom Gesichtspunkt der höheren Totalität gesprochen, von wo aus gesehen dann die in Frage stehende Bestimmung als eine „besondere“ (einseitige) angesehen wird. Aber diese selbe Bestimmung wird als eine bestimmte Stufe der Idee betrachtet, wenn sie in sich selbst begriffen wird: in dieser Hinsicht zeigt sich diese Bestimmung nicht als ein besonderes Moment im soeben erklärten Sinn, sondern als eine bestimmte Höhe der „Realisation“ der Idee, als eine bestimmte Art des Sichzusammenschließens, ist also selbst eine Totalität von Momenten. Zum Beispiel: Innerhalb der Totalität des subjektiven Geistes bildet die Seele (erste Stufe) die Bestimmheit des Seins, der Unmittelbarkeit; „in sich selbst“ betrachtet erweist sich die Seele - in der anderen („horizontalen“) Perspektive - wieder als eine Totalität, die eine bestimmte Stufe der Idee darstellt. Wie zentral für Hegel dieser Sachverhalt ist, wird an folgendem ersichtlich: Obwohl Hegel behauptet, daß das Sichzeigen des Begriffs erst auf der realsystematischen Stufe des Lebens erfolgt, spricht er dennoch auch im Hinblick auf die niedrigeren - d. h.: dem Leben noch vorausgehenden — Stufen von Begriff. Freilich ist gleich hinzuzufügen, daß diese niedrigeren Stufen den Begriff als Begriff (d. h. die Idee als Idee) noch nicht zur Erscheinung kommen lassen; insofern sie aber gerade begriffen werden, muß sich in ihnen — wenn auch in negativer Weise — der Begriff zeigen. So drückt sich Hegel z. B. in der Einleitung des Abschnitts „Absolute Mechanik“ in der Naturphilosophie folgendermaßen aus: „Die Gravitation ist der wahrhafte und bestimmte Begriff der materiellen Körperlichkeit, der zur Idee realisiert ist.“^^® Hier wird also eine Totalität (die Mechanik) begriffen, d. h. diese Totalität erweist sich als Zusammenschluß von Momenten oder Bestimmungen; aber die Totalität als solche, insofern sie mit anderen, höheren realsystematischen Totalitäten in Verbindung gebracht wird, erweist sich noch nidht als Begriff im eigentlichen Sinn, d. h. sie läßt den Begriff als Begriff noch nicd|t zur Erscheinung kommen. Von hier aus ist es möglich, der Frage nach den einzelnen Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik nachzugehen. In schematischer Form kommen einige der großen Entsprechungen hinsichtlich des ganzen enzyklopädischen Systems und innerhalb der großen Sphären der Natur und des subjektiven Geistes in einem erläuternden Diktat Hegels zum § 37 der Heidelberger Enzyklopädie zum Ausdruck: „3te Erläuterung. Die drey logischen Stufen 1) das unmittelbare Seyn 2) das Insichgegangene und damit auf das erste als auf ein relatives bezogene Seyn, das Wesen und 3) der Begriff, als das in der Vermittlung freye, haben ihr concretes Daseyn als 1) die all«« Enz. § 269.

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B. Logik und Realsystematik

gemeine logische Idee selbst 2) Natur in welcher sie nur als Wesen ist und 3) als Geist. Die freye Idee, der für sich existirende Begriff. Ebenso ist ferner für sich die Naturidee als Seyn die mechanische Natur, 2) als Wesen oder Sphäre der Reflexion die unorganische und 3) als Begriff die organische Natur. Der Geist ist als Seyn die Seele, 2) als Wesen oder Stufe der Reflexion Bewußtseyn 3) als Begriff der Geist als solcher. Die erste, das ganze enzyklopädische System, also auch die Wissemchaft der Logik als ersten Teil des Systems, einbeziehende Entsprechung mag auf den ersten Blick erstaunen; denn hier wird die Logik selbst als ganze in Entsprechung zu einer innerhalb ihrer selbst behandelten logischen Sphäre, nämlich der Sphäre des Seins, gesetzt. Bedenkt man aber, was früher^^® über die Logik als formelle Wissenschaft ausgeführt wurde, so wird ersichtlich, daß es sich in beiden Fällen um dieselbe Grundproblematik, nämlich um die Stellung der Logik im Ganzen bzw. um ihre eigene Selbstinterpretation handelt. Dort wurde die Logik subsumiert unter die Reflexionsbestimmungen Form-Inhalt und somit abgehoben von den „inhaltlichen“ (konkreten, realen) Wissenschaften; hier wird die Logik subsumiert unter die logische Kategorie des Seins (wobei dieses „Subsumieren“ nichts anderes meint als „InEntsprechung-Setzen“). Hier wird also die Logik als ein „Moment“ (oder eine „Stufe“) der vollständigen systematischen Totalität angesetzt: innerhalb dieser Totalität oder im Hinblick auf diese Totalität ist die Logik nur die „erste“, „abstrakte“, noch „unausgeführte“, rein unmittelbare Wissenschaft, d. h. also: die Wissenschaft „in der Bestimmtheit“ der logischen Sphäre des Seins. Bei der zweiten großen Entsprechungsreihe werden die drei logischen Sphären in Verbindung mit den drei Teilen der Naturphilosophie gebracht^^^. Der Angelpunkt, um den sich dieses Entsprechungsverhältnis dreht, ist das Leben. „Das Leben oder die organische Natur ist diese Stufe der Natur, auf welcher der Begriff hervortritt; aber als blinder, sich selbst nicht fassender, d. h. nicht denkender Begriff; als solcher kommt er nur dem Unveröffentlichte Diktate aus einer Enzyklopädie-Vorlesung Hegels. Eingeleitet und herausgegeben von F. Nicolin. - In: Hegel-Studien 5 (1969), 9-30; zit. St. 21-22. Wie Nicolin nadiweist, ist „mit Sidierheit“ anzunehmen, daß diese Diktate sidi auf eine Vorlesung Hegels in Heidelberg im Sommersemester 1818 beziehen (ebd. 10 f). Vgl. aber unten die Anmerkung 221. Vgl. oben A II 3 (52 ff). 221 Yg[ auch die Zusätze zu folgenden Paragraphen der Berliner Enzyklopädie: § 271 (Werke. Bd7/1. 126); §274 (Werke. Bd7/1. 129); § 275 (Werke. Bd7/1. 133). In den in der Anm. 219 erwähnten „Diktaten“ gibt Hegel im Diktat zu §§ 196 ff der Heidelberger Enzyklopädie eine „systematische Übersicht der Naturphilosophie“ und nennt die drei Teile nicht nach der Anordnung der Heidelberger Enzyklopädie, sondern in der Reihenfolge und in der Terminologie der 2. und 3. Ausgabe der Berliner Enzyklopädie.

IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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Geiste In der Wissenschaft der Logik ergibt sich die „logische Ansicht des Lebens“^^® als das erste Hervortreten des adäquaten Begriffs oder der Idee aus der Dialektik des subjektiven und des objektiven Begriffs. Die Idee des Lebens, die Idee des Erkennens und die absolute Idee bilden die drei letzten Kapitel des letzten (dritten) Abschnitts der Wissenschaft der Logik. Im zweiten Abschnitt wird der objektive Begriff mit seinen Stufen Mechanismus, Chemismus und Teleologie behandelt. Die Entsprechungen zur Naturphilosophie sind schon auf den ersten Blick ersichtlich: In der Naturphilosophie wird nämlich das Leben als dritte Abteilung („Organik“) behandelt; ihr gehen die „Mechanik“ als erste und die „Physik“ (und als ihr Resultat „der chemische Prozeß“) als zweite Abteilung voraus. Schon rein äußerlich und terminologisch betrachtet, sind die Entsprechungen zwischen dem zweiten Abschnitt der Logik (Die Objektivität: Mechanismus, Chemismus, Teleologie) und dem ersten Kapitel des dritten Abschnittes (Die Idee: Das Leben) einerseits und dem Aufbau der Naturphilosophie andererseits unbestreitbar^^^. Es zeigt sich aber jetzt, daß die realsystematische Sphäre der Natur eine doppelte Entsprechung zur Logik aufzuweisen scheint: einmal zu den drei logischen Sphären überhaupt (wie im angeführten „Diktat“), dann aber zu Teilen der subjektiven Logik allein (Objektivität und Leben). Widersprechen sich nun die beiden Entsprechungsrichtungen? Dies ist nicht der Fall, denn logischer Mechanismus und logischer Chemismus sind in der logischen Sphäre der Objektivität des Begriffs - d. h. in jener Sphäre, die dem adäquaten Begriff oder der Idee unmittelbar vorausgeht - die höher entwickelten Momente des Seins bzw. des Wesens. Freilich kann hier der genaue Sinn dieser höheren Entwicklung „früherer“ oder „unterer“ logischer Momente noch nicht eingesehen und erklärt werden; dazu sind Überlegungen über die 222 jj 224. Dieser zentrale Punkt wird von Hegel an vielen Stellen seiner Werke, besonders in der Enzyklopädie, hervorgehoben. Vgl.: Zusatz zu § 248 (Werke. Bd 7/1. 30); § 251 und Zusatz (Werke. Bd 7/1. 39); § 335 und Zusatz (Werke. Bd 7/1. 418 f); Zusatz zu § 336 (Werke. Bd 7/1. 422); § 337 u. ö. *23 WL II 414. *2* Unklar Ist dabei nur die Stellung der Teleologie. Zwei Zusätze im Rahmen der Naturphilosophie geben darüber nähere Auskunft. Im Zusatz zu § 337 heißt es: „War der erste Theil der Natur-Philosophie Mechanismus, das Zweite in seiner Spitze Chemismus, so ist dies Dritte [Organik] Teleologie“ (Werke. Bd 7/1.426). An dieser Stelle wird verwiesen auf Zusatz 2 zu § 194, in dem Hegel das Objekt in logischer Hinsicht erörtert. Hier heißt es: „Die dritte Form der Objektivität, das teleologische Verhältnis, ist die Einheit des Mechanismus und des Chemismus. Der Zweck ist wieder wie das mechanische Objekt, in sich beschlossene Totalität, jedoch bereichert durch das im Chemismus hervorgetretene Princip der Differenz und so bezieht sich derselbe auf das Ihm gegenüberstehende Objekt. Die Realisierung des Zweckes ist es dann, welche den Uebergang zur Idee bildet“ (Werke. Bd 6. 367 [Hervorhebung von mir]).

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B. Logik und Realsystematik

Einteilung der Logik in objektive und subjektive Logik erforderlich, was erst später geleistet werden kann^^®. Hier kann nur kurz auf die Tatsache der höheren Entwicklung oder der Aufhebung - und damit auch der Aufbewahrung - der unteren Kategorien hingewiesen werden. In der Wissenschaft der Logik begreift Hegel den Mechanismus als jene logische Sphäre, in der der Begriff „sich noch nicht von der Unmittelbarkeit dieser [d. h. der objektiven] Totalität [des Begriffs] abgeschieden hat“^^®; hingegen stellt der Chemismus das Moment des Urteils oder der Differenz in der Sphäre der Objektivität dar’^^. Nun sind diese Ausdrücke nichts anderes als Ausdrücke für das Sein bzw. das Wesen in der Sphäre des noch objektiven Begriffs. In dieser objektiven Sphäre ist das „Sein“ das Reich der selbständigen Objekte, d. h. in der Sprache Hegels: der Objekte, insofern sie eine rein äußerliche Verbindung zueinander unterhalten (Zusammensetzung, Vermischung, Haufen^^®), während das „Wesen“ dasselbe Reich der Objekte ist, mit dem einen Unterschied aber, daß diese jetzt betrachtet werden, insofern sie die erste Negation der gleichgültigen Beziehung oder der Äußerlichkeit enthalten229.

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Es ist noch zu den Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik im Bereich der Natur zu bemerken, daß Hegel in der Logik nicht die Absicht verfolgt, eine Art Skizze oder formale Struktur dieser realsystematischen Sphäre(n) zu geben. Zwar kann besonders das Kapitel über das Leben in der Wissenschaft der Logik als eine Onto-logie, d. h. im gegenwärtigen Kontext; als eine realsystematische Darstellung gelesen werden, was sich schon darin zeigt, daß Hegel die „logische Ansicht des Lebens“ vom „Leben der Natur“23o jjyj. unter Hinweis auf die allgemeine Intention der Logik unterscheiden kann; in der konkreten Darstellung kommt der Parallelismus der beiden Dimensionen beinahe zur vollkommenen Deckung-®^. Dieser strenge Parallelismus wird sich auch und noch stärker zeigen hinsichtlich der zweiten Stufe der logischen Idee, nämlich der „Idee des Erkennens“, die im folgenden kurz analysiert werden soll. Der tiefe Grund für diese strenge Entsprechung wird sich am Ende dieser Untersuchung und in der folgenden Untersuchung als die Problematik der Elementarstruktur der Philosophie Hegels herausstellen. Was die logische Sphäre der Objektivität angeht, so macht Hegel ausdrücklich darauf aufmerksam, daß diese logischen Kategorien nicht auf die realsystematische „Mechanik“ bzw. „Physik“ einzuschränken 225 Vgl. unten 181 ff. *2« WL II 360. 222 Vgl. WL II 3 76 . 228 Vgl. WL II 360. 22» Vgl. WL II 377, 382. 230 Vgl. WL II 413 ff. 222 Ähnliches geschieht bei der ersten Behandlung des Lebens in der Phänomenologie des Geistes von 1807: vgl. Phän. 135-138.

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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sind. So heißt es im Zusatz zu § 195 der Enzyklopädie: „So entschieden ... einerseits die mechanische Betrachtungsweise, da wo dieselbe mit der Prätension auftritt, die Stelle des begreifenden Erkennens überhaupt einzunehmen und den Mechanismus als absolute Kategorie geltend zu machen, von der Hand gewiesen werden muß, so ist doch auch andererseits dem Mechanismus ausdrücklich das Recht und die Bedeutung einer allgemeinen logischen Kategorie zu vindiciren und derselbe demgemäß keineswegs bloß auf jenes Naturgebiet zu beschränken, von welchem die Benennung dieser Kategorie entnommen ist. Es ist somit nichts dawider einzuwenden, wenn auch außerhalb des Bereichs der eigentlichen Mechanik, so namentlich in der Physik und in der Physiologie das Augenmerk auf mechanische Aktionen .. . gerichtet wird; nur darf dabei nicht übersehen werden, daß innerhalb dieser Gebiete die Gesetze des Mechanismus nicht mehr das entscheidende sind, sondern nur gleichsam in dienender Stellung auftreten . .. Auch im Gebiet der geistigen Welt hat der Mechanismus seine, jedoch gleichfalls nur untergeordnete Stelle. Im selben Sinn äußert sich Hegel über den Chemismus^^®. Es bleibt aber bestehen, daß das „eigentliche Dasein“ der logischen Kategorie des Mechanismus bzw. des Chemismus die Mechanik bzw. die Physik ist. Was die Entsprechungen hinsichtlich der anderen realsystematischen Sphären anbelangt, so seien nur einige Bemerkungen gemacht. Im oben angeführten „Diktat“ geht Hegel von der Natur unmittelbar zu den Entsprechungen innerhalb der Sphäre des Geistes über. Doch in der Wissenschaft der Logik wird vorher noch eine andere „vertikale“ Entsprechung innerhalb der Idee als solcher behauptet: das Leben ist die unmittelbare Idee (Entsprechung zu „Sein“)^®^; die Idee des Erkennens ist die Idee in ihrem Urteil oder als Reflexion (Entsprechung zu „Wesen“)^®®; die absolute Idee ist, wie Hegel sich bezeichnenderweise ausdrückt, „der Begriff der Idee“®®®. Die Entsprechungen innerhalb der Sphäre des subjektiven Geistes werden in der Enzyklopädie in derselben Weise angegeben wie im zitierten „Diktat“®®^. Doch hier enthüllen sich Zusammenhänge ganz eigentümlicher und fundamentaler Art: die Phänomenologie und die Noologie („Psychologie“ in der Terminologie Hegels) nehmen eine mit anderen realsystematischen Werke Bd 6.369-370. Vgl. WL II 377. «4 Vgl. z. B. WL II 412. “5 WL II 429. Enz. § 236 (Hervorhebung von mir); vgl. auch § 244. i37 Vgl. § 287 (Einteilung der ganzen Abteilung „Der subjektive Geist“); §412 Zusatz: „Durch diese Reflexion-in-sich vollendet der Geist seine Befreiung von der Form des Seyns, gibt er sich die Form des Wesens, und wird zum Ich“ (Werke. Bd 7/2. 247); § 414 (Phänomenologie als Sphäre des Wesens); § 439 (die Vernunft als der für sich existierende reine Begriff ist der Geist); § 441 (Geist als der Begriff) usw.

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B. Logik und Realsystematik

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Sphären nicht vergleichbare Sonderstellung ein. Darauf soll noch in dieser Untersuchung ausführlich eingegangen werden^^®. Auch in der Sphäre des objektiven Geistes werden die logischen Bestimmungen „wiederholt“. Die Philosophie des objektiven Geistes ist die Darstellung der Idee des an und für sich freien Willens: zuerst ist der Wille nur unmittelbar (abstraktes Recht), dann in sich reflektiert (Moralität), schließlich ist er die Einheit dieser Momente, der Wille als realisierte Idee .(Sittlichkeit). Dazu bemerkt Hegel ausdrücklich, daß der Wille an sich „die Gestalt der Unmittelbarkeit oder des Seins hat...; ein anderes ist der Begriff, der in der Form des Begriffs für sich ist; dieser ist nicht mehr ein Unmittelbares“ ^*9. Was schließlich die Sphäre des absoluten Geistes angeht, so ist es in diesem Zusammenhang hinreichend, auf die Religion hinzuweisen, auch aus dem Grund, weil Hegel diese ganze „höchste Sphäre im allgemeinen“ als Religion bezeichnet^^®. Nun wurde früher im Rahmen der Problematik des Verhältnisses von Logik und Geschichte dargelegt, daß Hegel die Entwicklung dieser Sphäre am Leitfaden der logischen Bestimmtheiten des Seins, des Wesens und des Begriffs spekulativ erläutert®^^. Somit dürfte die am Anfang dieses Abschnitts getroffene Feststellung bewiesen sein, daß die Reihenfolge der logischen Sphären und die Reihenfolge der realsystematischen Sphären nicht einfachhin zusammenfallen; es hat sich andererseits gezeigt, daß die logischen Bestimmungen alle realsystematischen Sphären „durchdringen“, indem sie in jeder Sphäre bzw. Totalität „wiederholt“ werden. Dieses Ergebnis sei im folgenden mit Hilfe des Bildes der Vertikale und der Horizontale näher erläutert. b) Das Bild der Vertikale und der Horizontale Stellt man sich die realsystematischen Sphären als verschiedene nacheinander gereihte Punkte auf einer vertikalen Linie vor, so repräsentieren in bezug darauf die logischen Sphären verschiedene Punkte auf jeder von jedem „vertikalen“ Punkt in horizontaler Richtung gezogenen Linie^*^. Die eine 238 Ygj unten 132 ff. 239 GPhR § 33. Wichtig für die Entsprechungsfrage sind noch folgende Stellen aus den Grundlinien der Philosophie des Rechts: Zusatz zu § 32 (Werke. Bd 8. 67 f); Zusatz zu § 34 (Werke. Bd 8.73); §§ 108, 142, 181, 256 A, 259 usw. 2“ Enz. § 554. ^41 Vgl. oben 94 ff. Ein solches Bild ist nur teilweise geeignet, den anstehenden Sachverhalt zu illustrieren. In einer anderen Hinsicht könnte man sich nämlich den Fortlauf der logischen Bestimmungen genauso als eine sich in vertikaler Richtung ausdehnende Linie vorstellen. Doch in einer sehr wichtigen Hinsicht eignet sich die Vertikale eher für die realsystematischen, die Hori-

IV. Die Entsprediungen zwischen Logik und Realsystematik

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Koordinate unterscheidet sich von der anderen hinsichtlich ihrer jeweiligen „linearen“ Riditung, und doch fallen sie notwendigerweise zusammen (oder „entsprechen“ sich) hinsichtlich der Ortung eines bestimmten Punkts; denn ein bestimmter Punkt innerhalb des Koordinatensystems ist nur angebbar durch die Koinzidenz der Vertikale und der Horizontale. Ein bestimmter Punkt ist also — hier — immer eine bestimmte realsystematische Stufe (repräsentiert auf der vertikalen Linie) ausgelegt durch eine bestimmte logische Sphäre (repräsentiert auf der horizontalen Linie). Was früher gezeigt wurde, daß nämlich das Ganze der fundamentalen realsystematischen Sphären nicht erst in der Zeit hervortritt, erhält hier seine Erklärung: dieses Ganze ist immer gegenwärtig, indem es sich weiter expliziert oder bestimmt, d. h. indem es die Reihe der logischen Bestimmungen als seine Selbstdefinitionen durchläuft. 2. Ungenügende Erklärungen des Aufbauprinzips der Wissenschaft der Logik

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Das Ergebnis der vorhergehenden Ausführungen wirft zwei Fragen auf. Hinsichtlich der Logik ist zu fragen: Welches ist das Aufbauprinzip der Logik oder, um einen Ausdruck KANTS ZU gebrauchen: was ist „der Leitfaden der Entdeckung“^^® der logischen Bestimmungen? Im Hinblick auf die Realsystematik aber lautet die Frage: Wie gelangt die Philosophie zur Betrachtung der realsystematischen Sphären? Oder umgekehrt: Wie gelangen die realsystematischen Sphären in die philosophische Betrachtung? Hegelisch gesprochen: Wie werden diese Sphären „deduziert“, KANTisch gesprodien: was ist „der Leitfaden der Entdeckung“ und der Systematisierung der realzontale für die logischen Sphären: das Ganze der realsystematischen Inhalte hat nämlich eine durch die verschiedenen logischen Sphären signalisierte Entwicklung, die nichts anderes ist als die Geschichte; da die Geschichte bildlich eher als horizontaler Verlauf vorgestellt wird, ist der eingeführte Sprachgebrauch in etwa gerechtfertigt. Damit soll aber keineswegs einer naiv horizontalen Geschichtsinterpretation das Wort geredet werden. Wie Hegel selbst mit solchen Bildern umging, zeigt eine instruktive Stelle aus der Einleitung in die Geschichte der Philosophie: „Wenn wir uns diesen Fortgang [der Idee in der Geschichte] bildlich vorstellen wollen, so können wir sagen: Das Denken ist der Raum überhaupt. Zuerst erscheinen die abstraktesten Raumbestimmungen, Punkte, Linien; dann ihre Verbindung zu einem Dreieck. Dies ist zwar schon konkret, aber noch im abstrakten Elemente der Fläche; es entspricht dem, was wir vovg nannten. Dann folgt, daß die drei es umschließenden Linien zu ganzen Figuren werden; d. i. Realisierung der Abstraktion, der abstrakten Seiten des Ganzen. Das Dritte ist, daß sich diese drei Flächen, Seitendreiecke zu einem Körper, zur Totalität zusammenschließen. So weit geht die griechische Philosophie“ (EGPh 243 [ = Nachschrift der Vorlesung vom Wintersemester 1825/26]). 243 Yg] Xritik der reinen Vernunft a.a.O. Ausg. A 66, B 91.

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B. Logik und Realsystematik

systematischen Sphären? Diese zweite Frage kann erst später beantwortet werden, und zwar im Rahmen einer Erörterung der Methode^^^. Zuerst muß der ersten Frage nachgegangen werden.

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a) Rein innerlogisches Aufbauprinzip? Wiederholt die in der Enzyklopädie dargestellte realsystematische Reihenfolge nicht einfachhin den Verlauf der logischen Bestimmungen in der Wissenschaft der Logik, so kann das Aufbauprinzip der Logik nicht am realsystematischen Strukturganzen abgelesen werden. Wo ist aber dann das Prinzip zu suchen? Die erste, für die meisten Flegel-Interpreten selbstverständliche Antwort auf diese Frage wäre, daß, wenn überhaupt, so doch nur von einem rein immanenten, innerlogischen Aufbauprinzip der Logik gesprochen werden kann: das Prinzip wäre das reine Wissen, der Aufbau der Logik die immanente, autarke Entfaltung dieses reinen Wissens. Muß auf Grund einer solchen Antwort die aufgeworfene Problematik nicht als erledigt betrachtet werden? Um diese Auffassung zu erhärten, könnte man auf drei Gesichtspunkte hinweisen. Es wäre - erstens — auf Hegels häufige und von ihm nie in Zweifel gezogene Aussagen über den immanenten Duktus der logischen Bestimmungen zu verweisen, wie z. B. auf folgende charakteristische Aussagen: „Die Darstellung keines Gegenstandes wäre an und für sich fähig, so streng ganz immanent plastisch zu sein, als die der Entwicklung des Denkens in seiner Notwendigkeit . . oder: „In diesem Wege hat sich das System der Begriffe überhaupt zu bilden, - und in unaufhaltsamem, reinem, von außen nichts hereinnehmendem Gange sich zu vollenden.“^*® Zugunsten einer rein innerlogischen Erklärung des Aufbauprinzips der Logik könnte man - zweitens - das Wie und das Warum der logischen Entwicklung genau angeben. Hegel erörtert nämlich in aller nur wünschenswerten Klarheit die Frage, wie der logische Fortgang „zu gewinnen“ sei: „Das Einzige ... ist die Erkenntnis des logischen Satzes, daß das Negative ebensosehr positiv ist, oder daß das sich Widersprechende sich nicht in Null, in das abstrakte Nichts auf löst, sondern wesentlich nur . . . die Negation der bestimmten Sache, die sich auflöst, somit bestimmte Negation ist, daß also im Resultate wesentlich das enthalten ist, woraus es resultiert; - was eigentlich eine Tautologie ist, denn sonst wäre es ein Unmittelbares, nicht ein Resultat.Man könnte - drittens - den Versuch unternehmen, auf noch detailVgl. unten 245 ff. WL I 19. WL I 36. WL I 35-36. Auf die von diesem Text aufgeworfenen Fragen soll später bei der Erörterung der Methodenproblematik ausführlich eingegangen werden. Vgl. unten 236 ff.

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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lierterer Basis den immanenten Leitfaden der Entdeckung der logischen Bestimmungen anzugeben. So glaubt z. B. W. ALBRECHT, diesen Leitfaden in Hegels Urteilslehre zu entdecken^*®. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Hegel aufs deutlichste betont, die Logik sei als „unaufhaltsamer, reiner, von außen nichts hereinnehmender Gang“^^® aufzufassen. Kann eine totale „Autarkie“ der Logik noch unmißverständlicher behauptet werden? Wird dadurch nicht jede in irgendeiner Weise auf Nichtlogisches Rücksicht nehmende Interpretation aufs entschiedenste zurückgewiesen? Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß an der Weise, wie dieser Sachvethalt verstanden und erklärt wird, sich die grundsätzliche Richtung jeder Hegel-Interpretation entscheidet. Hegels Auffassung ist aber vielleicht nicht so leicht zu ermitteln, wie die angeführten Texte es zunächst zu besagen scheinen und wie es beinahe die ganze Tradition der Hegel-Interpretation angenommen hat und annimmt. Was besagt die Autarkie der Logik? Frühere Überlegungen über diese Frage fortsetzend, ist dazu zu sagen: Der Sinn der Logik kann nicht darin gesehen werden, daß die Logik beziehungslos oder ortlos wäre, denn die Logik wird von Hegel genau „situiert“. Hier sei kurz an die Hauptbeziehungen der Logik erinnert. Nach Hegels Aussage in der Wissenschaft der Logik hat die Logik die Phänomenologie des Geistes zu ihrer Voraussetzung®®®. Bei der Darstellung der logischen Idee des Geistes im dritten Buch der Wissenschaft der Logik bemerkt Hegel, daß die Logik einerseits als die erste, andererseits als die letzte Wissenschaft betrachtet werden muß, je nachdem ob sie den Gang der konkreten Wissenschaften vor sich oder hinter sich hat®®^. Es ist weiter zu bedenken, daß auf Grund des Ineinanderumschlagens von Form (= Logik) und Inhalt (= Realsystematik) die Logik die ganze Realsystematik auf beispielhafte oder unausgeführte Weise in sich enthält. Daraus ist zu folgern, daß eine Autarkie der Logik im Sinne jenes W. Albrecht: Hegels Leitfaden der Entdeckung der Kategorien. — In: Zeitschrift für philosophische Forschung 14 (1960), 102-106. Die Frage ist allerdings, wie das Urteil selbst zu erklären ist. Man muß nämlich bedenken, daß alle höheren logischen Sphären die unteren „aufheben“ und damit auch „enthalten“ oder „aufbewahren“; es gibt auch innerhalb der Logik selbst ein EntsprechungSYet\i3.h.ms. So sagt Hegel z. B.: „Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelnheit [= die Stufen des subjektiven Begriffs] sind abstrakt genommen dasselbe, was Identität, Unterschied und Grund [= Bestimmungen der Reflexionssphäre]“ (Enz. § 164). Über das Urteil sagt Hegel: „. . . das Urteil selbst ist nichts als der bestimmte Begriff. In Beziehung auf die beiden vorhergegangenen Sphären des Seins und Wesens sind die bestimmten Begriffe als Urteile Reproduktionen dieser Sphären, aber in der einfachen Beziehung des Begriffs gesetzt“ (Enz. § 171 A). Will man also den logischen Verlauf von einem bestimmten Punkt Innerhalb dieses Verlaufs her erklären, so hat man eigentlich nichts erklärt, denn der Punkt selbst wäre nicht geklärt. 2^9 Vgl. WL I 36. 25» Vgl. WL I 29, 53. »»i Vgl. WL II 437.

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B. Logik und Realsystematik

„reinen, von außen nichts hereinnehmenden Ganges“ nicht eine Isolierung der Logik von dem anderen Inhalt der Philosophie besagen kann. Der logische Gang ist ein von außen nichts hereinnehmender Gang, weil die Logik in einer ursprünglich-grundsätzlichen Hinsicht kein Außen hat, d. h. weil sie mit dem realsystematischen Ganzen ursprünglich zusammenfällt, ohne daß dies eine Differenz auf einer nachträglichen Ebene der Betrachtung ausschlösse. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß die Logik Hegels alles andere als ein isoliertes, „autarkes“, d. h. in einem vulgären Verständnis abstraktes, formales, beziehungsloses und ortloses „System der Begriffe“ ist. Steht dies einmal fest, so ist die Frage nach dem Aufbauprinzip der Logik erneut auf einer breiteren Basis, nämlich auf der Basis der streng eingehaltenen Einsicht in die ursprünglich-grundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik, zu stellen. Denn der „immanente Duktus“ des logischen Fortgangs muß mit dem realsystematischen Ganzen etwas zu tun haben, sonst wäre das Verhältnis von Logik und Realsystematik als ein nachträgliches, äußerliches Anwendungsverhältnis zu deuten; daß eine solche Deutung aber das Denken Hegels nicht erreicht, wurde in dieser Arbeit ausführlich gezeigt.

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b) Das Absolute als Aufbauprinzip? Wird die Frage nach dem Aufbauprinzip der Logik auf der Grundlage der Einsicht in die Identität von Logik und Realsystematik gestellt, so scheint eine einzige Lösung denkbar zu sein: das Aufbauprinzip der Logik fällt mit der Struktur des Absoluten (als der Totalität aller realsystematischen Sphären) zusammen, denn die logischen Bestimmungen werden von Hegel als Definitionen des Absoluten angesehen. Dies würde also bedeuten, daß das logische Strukturganze und das realsystematische Strukturganze streng zusammenfallen, nur wäre das realsystematische Strukturganze hier nicht unter dem Gesichtspunkt der einzelnen realsystematischen Sphären, sondern streng unter dem Gesichtspunkt seines Absolutheitscharakters als solchen zu betrachten. In dieser zweiten Hinsicht würde sich also die Frage nach dem Zusammenfall der logischen und der realsystematischen Reihenfolge der Sphären nicht stellen. Wollte man das Absolute selbst bei Hegel von einer anderen Struktur her auslegen, hätte man nicht die Hegelsche Grundthese der Selbstauslegung des Absoluten — eine These, die wie ein hintergründiger Leitfaden den ganzen logischen Gang durchzieht - verlassen? In der Tat muß man sagen, daß die Struktur der Logik die Struktur des Absoluten selbst ist; an dieser fundamentalen Einsicht darf nicht gerüttelt werden. Allein eine solche Aussage

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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bzw. Formulierung ist ganz allgemein und es ist keineswegs ausgemacht, wie sie zu verstehen ist. Daß eine solche Formulierung einfach wiederholt wird, ohne daß ihr genauer Sinn auf gezeigt wird, gehört zu jenen fixen und festen Gewohnheiten der Fiegel-Interpretation, die zum großen Teil für die Diskreditierung des Fiegelschen Denkens verantwortlich zu machen sind. Daß das Absolute Flegels nicht leicht zu interpretieren ist, wurde schon an verschiedenen Stellen dieser Arbeit, vor allem bei der kritischen Diskussion der iLjiNschen Hegel-Interpretation, deutlich. Die Frage ist, wie das Absolute selbst innerlich strukturiert ist. Um darauf zu antworten, ist die Darstellung des absoluten Geistes in der Enzyklopädie zu untersuchen. Die innere Struktur dieser höchsten realsystematischen Sphäre ergibt sich in aller Deutlichkeit aus den Entsprechungen der drei Stufen dieser Sphäre, nämlich Kunst-Religion-Philosophie, zu den drei Stufen des „Geistes als solchen“ (in theoretischer Hinsicht): Anschauung-Vorstellung-Denken^®^; in anderer Hinsicht ist die höchste Sphäre auf Grund der Entsprechung zu den Stufen des erscheinenden Geistes, nämlich Bewußtsein-Selbstbewußtsein-Vernunft, strukturiert. Auf die nähere Analyse dieser Entsprechungen kann im gegenwärtigen Zusammenhang nicht eingegangen werden; hier ist überhaupt nur wichtig zu beachten, daß das Absolute bei Hegel nicht irgendwie auf Grund einer „jenseitigen“ oder „göttlichen“ oder wie immer vorgestellten Struktur, sondern schlicht durch „Wiederholung“ der Struktur des subjektiven Geistes ausgelegt wird. Was bedeutet diese Wiederholung einer Struktur auf einer höheren, hier auf der absoluten Sphäre? Dabei ist zu beachten, daß diese Wiederholung nicht nur - gemäß der oben eingeführten bildlichen Rede - in vertikaler, sondern auch in horizontaler Richtung stattfindet. Das heißt hier: sowohl die drei „vertikalen“ Stufen der absoluten Sphäre als auch die jeweiligen horizontalen Entwicklungsstufen — und damit die Sphäre selbst als Totalität - werden nach dem Strukturprinzip des Geistes als solchen und des erscheinenden Geistes, also des „subjektiven Geistes“, dargelegt^®*. Es ergibt sich also folgendes: die These, wonach das Aufbauprinzip der Logik die Struktur des Absoluten selbst ist, ist zwar richtig, sagt aber sehr wenig, denn es fragt sich, wie das Absolute selbst innerlich strukturiert ist; dabei zeigt sich aber, daß die Selbstauslegung des Absoluten auf die Struktur des subjektiven Geistes verweist.

2“ Vgl. Enz. §§ 556, 563, 565, 571 ff. Es wird hier vorerst nur global von Entsprechung zum subjektiven Geist gesprochen; es wird aber im Laufe der nächsten Ausführungen zwischen dem „Geist als solchem“ bzw. dessen Stufen und dem „erscheinenden Geist“ bzw. dessen Stufen genau zu differenzieren sein.

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B. Lxjgik und Realsystematik

3. Das Aufbauprinzip der Logik und die Strukturentsprechung zwischen Logik, Phänomenologie und Noologie a) Die Sonderstellung oder der transzendentale Charakter der phänomenologischen und der noologischen Sphäre

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Wenn die Struktur der Logik die Struktur des Absoluten ist und wenn die Struktur des Absoluten an der Struktur des subjektiven Geistes abgelesen wird, so fragt sich, ob die Logik etwas zu tun hat mit Anschauung-Vorstellung-Denken bzw. Bewußtsein-Selbstbewußtsein-Vernunft. In der Tat soll in dieser Arbeit gezeigt werden, daß die Struktur der Logik an der Struktur des subjektiven Geistes abzulesen ist. Dieses „Ablesen“ muß, wie sich bald herausstellen wird, im Sinne einer Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie verstanden werden^®*. Zwar erscheinen innerhalb der enzyklopädischen Darstellung des Systems die phänomenologische und die noologische Stufe des Geistes als zwei SphäDie Abteilung „Der subjektive Geist“ in der Enzyklopädie hat drei Stufen: Anthropologie, Phänomenologie des Geistes und Psychologie. Wenn im Text vom „subjektiven Geist“ gesprochen wurde, so war das eine verkürzte Formulierung für „Phänomenologie“ und „Psychologie“; wie sich noch zeigen wird, stehen diese beiden „Stufen“ in einem gleichursprünglichen Verhältnis zueinander. An Stelle des von Hegel gebrauchten Terminus „Psychologie“ wird in dieser Arbeit der Ausdruck „Noologie“ verwendet. Hegels Terminologie ist in der Tat irreführend und inkonsequent; er nennt nämlich den Gegenstand der „Anthropologie“ die Seele und den Gegenstand der „Psychologie“ den Geist als solchen. Warum aber gebraucht Hegel diese Bezeichnungen? In diesem zwiespältigen Sprachgebrauch kommt Hegels Kritik an der damaligen Psychologie zum Ausdruck; die Aufgabe dieser Wissenschaft wäre es gewesen, den Geist zu begreifen: „Der Name Seele wurde sonst vom einzelnen endlichen Geiste überhaupt gebraucht, und die rationale oder empirische Seelenlehre sollte so viel bedeuten als Geisteslehre“ (WL II 435). Die in diesem Text ausgesprochene auffallende gleichzeitige Identifizierung und Unterscheidung von „Seele“ und „Geist“ ist letzten Endes auf Aristoteles zurückzuführen, dessen Werk „Über die Seele“ Hegel in der Einleitung zur Philosophie des Geistes so beurteilt: „Die Bücher des Aristoteles über die Seele . . . sind . . . noch immer das vorzüglichste oder einzige Werk von spekulativem Interesse über diesen Gegenstand. Der wesentliche Zweck einer Philosophie des Geistes kann nur der sein, den Begriff in die Erkenntnis des Geistes wieder einzuführen, damit auch den Sinn jener aristotelischen Bücher wieder aufzuschließen“ (Enz. § 378). Warum aber hat Hegel die Bezeichnung „Psychologie“ für die den Geist als Geist behandelnde Disziplin beibehalten? Dies dürfte auf den Sprachgebrauch der Zeit und auf die Bezeichnung des philosophischen Unterrichtsstoffes an den Gymnasien und Universitäten zurückzuführen sein. Vgl. dazu Hegels Gutachten über den Unterricht in der Philosophie auf Gymnasien vom 23. X. 1812 (NSchr. 434-438, bes. 435 und 437) und vom 16. IV. 1822 (BSchr. 543-556, bes. 548) sowie vor allem sein Gutachten über den Vortrag der Philosophie auf Universitäten vom 2. VIII. 1816 (NSchr. 448-457, bes. 450 und 456). - Zu bemerken ist noch, daß in der 1. Ausgabe der Enzyklopädie der 3. Abschnitt des subjektiven Geistes nur als „C. Der Geist“ angegeben wird; im einleitenden Paragraphen wird gesagt, im 3. Abschnitt werde „der fürsidiseyende Geist, oder er als Subject; - der Gegenstand der sonst so genannten Psychologie“ (HEnz. § 307) behandelt. In der 2. und 3. Ausgabe wird der 3. Abschnitt mit „C. Die Psychologie“ überschrieben; darunter steht „Der Geist“.

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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ren unter anderen Sphären, mit einem Vor und einem Nach. Doch in dieser enzyklopädischen Reihenfolge erschöpft sich keineswegs die Bedeutung bzw. Tragweite dieser beiden Sphären. Dies aufzuzeigen, wird die Aufgabe der ganzen Untersuchung C dieser Arbeit sein. Hier ist ihre Sonderstellung mehr in der Art eines vorbereitenden Aufweises hervorzuheben. Die Sonderstellung der phänomenologischen und der noologischen Sphäre besagt nichts anderes, als daß diese beiden Stufen - in Gleichursprünglichkeit mit der Logik - der zentrale Bezugspunkt aller anderen realsystematischen Sphären sind. Dies geht zum einen daraus hervor, daß der objektive und der absolute Geist als die „Erweiterung“ oder „Erfüllung“ der „erst abstrakten oder formellen“^®® Struktur (Hegel sagt: Wissen) des Geistes, d. h. also des subjektiven Geistes, aufgefaßt werden, wobei zu beachten ist, daß diese Erweiterung (Erfüllung) die „Momente“ (Stufen) des subjektiven Geistes auf jeder höheren Sphäre des Geistes wiederholt. Zum anderen ergibt sich die Sonderstellung der Phänomenologie und der Noologie aus dem Sinn der Naturphilosophie (bzw. der Anthropologie [= Abschnitt A des subjektiven Geistes]): dieser Sinn liegt in der Aufgabe dieser Wissenschaft(en), das Hervortreten des Begriffs aufzuzeigen und darzustellen. Der Begriff erscheint erst auf der Stufe des Lebens, aber zunächst nur „als blinder, sich selbst nicht fassender, d. h. nicht denkender Begriff; als solcher kommt er nur dem Geiste zu“^®®. — Der Geist - worunter zunächst der „subjektive“ Geist zu verstehen ist — ist somit der schlechthinnige Bezugspunkt oder „Schnittpunkt“ aller realsystematischen Sphären. In Entsprechung dazu sa-gtHegeVinderWissenschaftder Logik, daß mit der logischen Idee des Geistes der freie Begriff, „der Begriff als seine Idee“^®^ erreicht wird. Zwar fügt Hegel gleich hinzu, daß „auch in dieser Gestalt.. . die Idee noch nicht vollendet“^®* ist, da diese Gestalt noch mit dem Charakter der Endlichkeit behaftet ist; es ist aber zu bedenken, daß die „Vollendung“ der Idee des Geistes, sowohl in der Wissenschaft der Logik als absolute Idee als auch in der Enzyklopädie als absoluter Geist, nichts anderes ist als die im oben dargelegten Sinn zu verstehende „Erweiterung“ und „Erfüllung“ der auf der Ebene des subjektiven Geistes zuerst nur „abstrakt oder formell“^®® sich enthüllenden Struktur. Wegen dieser methodischen Sonderstellung der Phänomenologie und der Noologie ist man berechtigt, von einem transzendentalen Charakter dieser beiden Stufen zu sprechen. Zwar ist beim Gebrauch des Terminus „transzendental“ große Vorsicht geboten, nicht nur weil dieser Terminus heutzutage überstrapaziert wird, so daß in den meisten Fällen dessen genaue Bedeutung 255 Vgl. Enz. § 442. 257 WL II 437-438. 259 Vgl. Enz. § 442.

258 WL II 224. II 438.

258

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B. Logik und Realsystematik

nicht mehr ermittelt werden kann, sondern auch weil Hegels „Aufhebung“ des KANxischen Denkens zu deutlich ist, als daß man sie in Frage stellen könnte. Es bleibt aber andererseits bestehen, daß „Aufhebung“ bei Hegel nicht einfachhin „Zerstörung“, sondern auch und wesentlich „Aufbewahrung“ besagt^®®. Die Frage ist dann, was eine aufgehobene Transzendentalität bei Hegel genau bedeutet. Eine angemessene und vollständige Antwort auf diese Frage kann nur die Arbeit als ganze geben. An dieser Stelle ist nur Weniges darüber zu sagen, in der Absicht, zu der nächsten Untersuchung überzuleiten und möglichen Mißverständissen vorzubeugen. In einer ersten grundlegenden Hinsicht ist von einem transzendentalen Charakter der phänomenologischen und der noologischen Sphäre in dem Sinn zu sprechen, daß diese Sphären, als Bezugs- und Schnittpunkt aller realsystematischen Sphären (Gegenstände, Inhalte), die Bedingungen der Möglichkeit für das Begreifen aller dieser realsystematischen - und, wie sich noch zeigen wird, auch der logischen - Sphären ausmachen. Außerhalb der Beziehung auf Phänomenologie und Noologie^®^ kann nach Hegel nichts begriffen werden. Eine berühmte Formulierung KANTS variierend, könnte man dies so ausdrücken: Phänomenologie und Noologie sind jener „höchste Punkt“, „an dem“ man alles Begreifen aller Sphären, selbst die ganze Logik und das ganze System, „heften muß“, ja diese Sphären sind der Begriff selbst^®^. In einer zweiten Hinsicht - die die erste nur weiter expliziert - erweisen sich die Phänomenologie und die Noologie als transzendental nicht nur in dem Sinn, daß jedes Begreifen auf sie als auf den ursprünglichen Bezugsund Schnittpunkt angewiesen ist, sondern auch und wesentlich in dem Sinn, daß sie jene Struktur ausmachen, die alle realsystematischen Gegenstände (Inhalte, Sphären) „informiert“ oder „durchdringt“, und isich somiit in diesem Sinn in jedem realsystematischen Gegenstand „wiederholt“, erweitert“ und „erfüllt“. In der Weise, wie diese „Informierung“ bzw. „Erweiterung“ der phänomenologisch-noologischen Struktur näher verstanden und „angewendet“ wird, unterscheidet, ja trennt sidi Hegel kompromißlos von KANT. Der „Stoff“ (Inhalt), den die Hegelisch verstandene „transzendentale“ 2«o Vgl. dazu Hegels Anmerkung in der Wissenschaft der Logik: „Der Ausdruck: Aufheben“ (I 93-95). Im gegenwärtigen Zusammenhang können beide Sphären noch als Einheit genommen werden; in der nächsten Untersuchung (C) wird sich auch die Differenz der beiden Sphären genau heraussteilen. Kants Formulierung bezieht sich auf die synthetische Einheit der Apperzeption und lautet: „Und so ist die synthetische Einheit der Apperzeption der höchste Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik, und, nach ihr, die TranszendentalPhilosophie heften muß, ja dieses Vermögen ist der Verstand selbst“ {Kritik der reinen Vernunft a.a.O. Ausg. B 134).

IV. Die Entsprediungen zwisdien Logik und Realsystematik

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Struktur „informiert“ und der diese Struktur „erweitert“ und „erfüllt“, bleibt bei Hegel dieser Struktur selbst nicht äußerlich und fremd, sondern wird in sie in dem Sinn radikal „einbezogen“, daß sich diese Struktur als die eigene Struktur jedes realsystematischen Gegenstandes (Stoffes, Inhaltes) enthüllt. Freilich ist damit sehr viel behauptet, was im jetzigen Kontext dieser Arbeit weder vollkommen verständlich ist, noch als erwiesen betrachtet werden kann. Die restlose Aufhellung dieser Zusammenhänge kann erst im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgen. Hier ist noch im Anschluß an frühere Überlegungen zu sagen: die phänomenologisch-noologische Struktur als die „abstrakt-formelle“ Struktur des Geistes ist mit dem Ganzen koextensiv: es gibt kein grundsätzliches Jenseits oder Außerhalb der Reichweite dieser geistigen Struktur (in dieser Hinsicht lehnt Hegel die KANxisehe Transzendentalität radikal ab); es gibt nur ein vorläufiges Jenseits oder Außerhalb, und zwar hinsichtlich des bloß „formellen oder abstrakten“ Charakters der geistigen (phänomenologisch-noologischen) Struktur (in dieser Hinsicht wird bei Hegel die Transzendentalität aufbewahrt). Kurz: Der „subjektive“ Geist als phänomenologisch-noologische Struktur ist nicht nur subjektiv, sondern ist noch subjektiv, denn „insofern das Wissen mit seiner ersten Bestimmtheit behaftet, nur erst abstrakt oder formell ist, ist das Ziel des Geistes, die objektive Erfüllung und damit zugleich die Freiheit seines Wissens hervorzubringen“^^^.

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b) Die Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie Was sich als Sonderstellung der phänomenologischen und der noologischen Sphäre innerhalb der realsystematischen Darstellung des Systems in der Enzyklopädie enthüllte, was also der transzendentale Charakter dieser Sphären genannt wurde, bietet den Schlüssel zur Lösung der aufgeworfenen Frage nach dem Aufbauprinzip der Logik. Der Ausdruck „Aufbauprinzip“ muß allerdings zuerst „aufgdhoben“ werden, um den hier obwaltenden Sachverhalt zu treffen. Es muß zuerst von einer Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie gesprochen werden; erst auf dieser Basis kann gezeigt werden, daß und in welchem Sinn das Aufbauprinzip der Logik in der Phänomenologie und in der Noologie zu suchen ist. Es ist nämlich auch umgekehrt zu sagen: das Aufbauprinzip der Phänomenologie und der Noologie ist in der Logik zu suchen. In Wirklichkeit handelt es sich um ein strenges gleichursprüngliches Entsprechungsverhältnis dieser drei „Dimensionen“. Enz. § 442.

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Daß aber der Schlüssel zur Lösung der Frage nach dem Aufbauprinzip der Logik in der phänomenologisch-noologischen Sphäre enthalten ist, ergibt sich aus dem ganzen Gang der bisherigen Überlegungen: die Logik hat sich nämlich mit dem realsystematischen Ganzen koextensiv gezeigt; diese Koextensität kann aber nicht als ein Schlechthinniger Zusammenfall von logischem Verlauf und realsystematischer Reihenfolge gedeutet werden; andererseits enthüllte sich die phänomenologisch-noologische Sphäre als transzendental in dem Sinn, daß sie in der Weise einer „Erweiterung“ oder „Erfüllung“ ebenfalls mit dem Ganzen koextensiv ist. Die Annahme liegt nun nahe, daß zwischen Logik, Phänomenologie und Noologie ein Gleichursprünglichkeitsverhältnis besteht, von dem aus sich die großen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens entscheidend aufdecken lassen.

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a) Die großen „Achsentexte“ Diese Annahme findet in der Tat ihre Bestätigung und ihren Ausdruck in einigen Texten, die wegen ihrer zentralen Bedeutung für das Problem der Einheit des Hegelschen Denkens „Achsentexte“ genannt werden können. In ihnen bringt Hegel die wesentlichen Zusammenhänge seines Denkens zur Sprache. Es ist eigentlich erstaunlich, wie wenig man sich in der HegelInterpretation auf solche Texte bezieht. Die größeren Texte finden sich in der Wissenschaft der Logik und in der Enzyklopädie, kleinere Texte sind in allen Werken zu finden, müssen aber auf die größeren Texte bezogen werden. Es seien hier drei der wichtigsten Achsentexte in vollem Wortlaut angeführt. Der erste Achsentext findet sich in der Einleitung zum dritten Buch der Wissenschaft der Logik im Rahmen einer kritischen Bezugnahme auf die Position KANTS. Hegel ist an dieser Stelle bemüht, den „Begriff des Begriffs“^®* zu erläutern. Dazu bezieht er sich u. a. auf den „wesentlichen Satz“ der KANTischen Transzendentalphilosophie, „daß die Begriffe ohne Anschauung leer sind und allein als Beziehungen des durch die Anschauung gegebenen Mannigfaltigen Gültigkeit haben“2®®. Hegels kritischer Kommentar zu diesem Satz und seine weiteren Ausführungen sind von fundamentaler Bedeutung für die Frage der Einheit seines Denkens. Dieser Achsentext sei deshalb in seiner ganzen Länge aufgeführt: „Was nun .. . jenes Verhältnis des Verstands oder Begriffs zu den ihm vorausgesetzten Stufen betrifft, so kommt es darauf an, welches die Wissenschaft ist, die abgehandelt wird, um die Form jener Stufen zu bestimmen. In unserer Wissenschaft, als der reinen Logik, sind diese Stufen Sein und Wesen. In der Psychologie [= Noologie] sind es das Gefühl und die WL II 219.

WL II 223.

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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Anschauung, und dann die Vorstellung überhaupt, welche dem Verstände vorausgeschickt werden. In der Phänomenologie des Geistes als der Lehre vom Bewußtsein wurde durch die Stufen des sinnlichen Bewußtseins und dann des Wahrnehmens zum Verstände aufgestiegen. KANT sdiickt ihm nur Gefühl und Anschauung voraus. Wie unvollständig zunächst diese Stufenleiter ist, gibt er schon selbst dadurch zu erkennen, daß er als Anhang zu der transzendentalen Logik oder Verstandeslehre noch eine Abhandlung über die Reflexionsbegriffe hinzufügt, - eine Sphäre, welche zwischen der Anschauung und dem Verstände oder dem Sein und Begriffe liegt. — Über die Sache selbst ist vors erste zu bemerken, daß jene Gestalten von Anschauung, Vorstellung und dergleichen dem selbstbewußten Geiste angehören, der als solcher nicht in der logischen Wissenschaft betrachtet wird. Die reinen Bestimmungen von Sein, Wesen und Begriff machen zwar auch die Grundlage und das innere einfache Gerüste der Formen des Geistes aus; der Geist als anschauend, ebenso als sinnliches Bewußtsein ist in der Bestimmtheit des unmittelbaren Seins, so wie der Geist als vorstellend, wie auch als wahrnehmendes Bewußtsein sich vom Sein auf die Stufe des Wesens oder der Reflexion erhoben hat. Allein diese konkreten Gestalten gehen die logische Wissenschaft so wenig an als die konkreten Formen, welche die logischen Bestimmungen in der Natur annehmen, und welche Raum und Zeit, alsdann der sich erfüllende Raum und Zeit als unorganische Natur, und die organische Natur sein würden. Ebenso ist hier auch der Begriff nicht als Aktus des selbstbewußten Verstandes, nidht der subjektive Verstand zu betrachten, sondern der Begriff an und für sich, welcher ebensowohl eine Stufe der Natur als des Geistes ausmacht . . In diesem Text wird außerordentlich viel gesagt; doch dies kann erst allmählich ermittelt werden. Grundsätzlich könnte man immer noch versudhen, diesen Text nicht im Sinne eines gleichursprünglichen Verhältnisses zwischen Logik, Phänomenologie und Noologie, sondern im Sinne einer „Abkünftigkeit“ von Phänomenologie und Noologie gegenüber der Logik zu deuten: Phänomenologie und Noologie wären dann Sphären, die auf Grund der grundsätzlichen Identität von Logik und Realsystematik in Entsprechung zur Logik zu setzen wären, aber dieses Entsprechungsverhältnis wäre grundsätzlich nicht verschieden vom Entsprechungsverhältnis zwischen der Logik und jeder anderen realen Sphäre, denn auch in diesem „gewöhnlichen“ Fall sind die logischen Bestimmungen „das innere, einfache Gerüste“ dieser realen Sphären. Doch würde schon eine genaue Analyse des Textes eine solche Deutung ausschließen. An Stelle einer solchen Analyse sei gleich ein zweiter Text angeführt, der jeden Zweifel hinsichtlich des gleichursprünglichen Verhältnisses von Logik, 2»» WL II 223-224.

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Phänomenologie und Noologie beseitigt. In einer Anmerkung über das Denken am Ende der Darstellung des theoretischen Geistes in der Enzyklopädie schreibt Hegel: „In der Logik ist das Denken, wie es erst an sich ist und sich die Vernunft in diesem gegensatzlosen Elemente entwickelt. Im Bewußtsein kommt es gleichfalls als eine Stufe vor (s. § 437 Anm.®®^). Hier [= in der Noologie] ist die Vernunft als die Wahrheit des Gegensatzes, wie er sich innerhalb des Geistes selbst bestimmt hatte. - Das Denken tritt in diesen verschiedenen Teilen der Wissenschaft deswegen immer wieder hervor, weil diese Teile nur durch das Element und die Form des Gegensatzes verschieden, das Denken aber dieses eine und dasselbe Zentrum ist, in welches als in ihre Wahrheit die Gegensätze zurückgehen. Noch ein dritter Text sei angeführt. In der Einleitung in die Logik des Begriffs heißt es: „Der jetzige Standpunkt, auf welchen diese Entwicklung geführt hat, ist, daß die Form des Absoluten, welche höher als Sein und Wesen, der Begriff ist. Indem er nach dieser Seite Sein und Wesen, wozu auch bei andern Ausgangspunkten Gefühl und Anschauung und Vorstellung gehören, und welche als seine vorangehenden Bedingungen erschienen, sich unterworfen und sich als ihren unbedingten Grund erwiesen hat, so ist nun noch die zweite Seite übrig, deren Abhandlung dieses dritte Buch der Logik gewidmet ist.. Diese und andere, kleinere Texte sollen in der nächsten Untersuchung ausführlich kommentiert werden. Hier sollen nur noch einige abschließende Bemerkungen über Sinn und Problematik der herausgestellten Gleichursprünglichkeit gemacht werden. Diese Stelle lautet: „Die Vernunft als die Idee (§ 213) erscheint hier [d. h. am Ende der Dialektik des Bewußtseins und des Selbstbewußtseins] in der Bestimmung, daß der Gegensatz des Begriffs und der Realität überhaupt, deren Einheit sie ist, hier die nähere Form des für sich existierenden Begriffs, des Bewußtseins und des demselben gegenüber äußerlich vorhandenen Objektes gehabt hat“ (Enz. § 437 A). Enz. § 467 A. Ein Vergleich mit dem Text der Heidelberger Enzyklopädie ist sehr aufschlußreich. Hier heißt es u. a.: „In der Logik ist das Denken, wie es erst an sich ist, dann wie es für sich und wie es an und für sich, - als Seyn, Reflexion und Begriff und dann als Idee betrachtet worden“ (HEnz. § 386 A). Hier ist also der Ansich-Charakter des Denkens dem logischen Fortgang immanent: das Ansich des Denkens wird bezogen auf das logische Fürsich und auf das logische Anundfürsich; das „erst an sich“ ist also die erste logische Stufe. In der Berliner Enzyklopädie ist das „erst an sich“ des Denkens die Charakterisierung der ganzen Logik: das „erst an sich“ kennzeichnet also das „logische“ Denken in Bezug auf das Denken in der Phänomenologie, in der Noologie und im allgemeinen in der Realsystematik. Die Heidelberger Enzyklopädie spezifiziert entsprechend die Stufen des Denkens (anslch-fürsich-anundfürsich) als Sein-Reflexion-Begriff (Idee). Es heißt hier weiter: „In der Seele ist es [= das Denken] die wache Besonnenheit; im Bewußtseyn kommt es ebenso als eine Stuffe vor . . .“ Die Erwähnung des Denkens in der Anthropologie (= Seele) fehlt in der Berliner Enzyklopädie, was sehr bezeichnend ist, da ein gleichursprüngliches Verhältnis eben „nur“ zwischen Phänomenologie, Noologie und Logik obwaltet. 20» WL II 229 (erste und zweite Hervorhebung von mir).

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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ß) Sinn und Problematik der Gleichursprünglichkeit Der behaupteten Gleichursprünglichkeit steht zuerst die Tatsache entgegen, daß der Logik bei Hegel unzweideutig eine Vorrangstellung zuzufallen scheint, denn Hegel scheint die transzendental-phänomenologische und die transzendental-noologische Sphäre von der logischen Bestimmheit her zu begreifen. Heißt es nicht bei ihm, daß die reinen Bestimmungen „die Grundlage und das innere einfache Gerüste des Geistes“ ausmachen, und weiter, daß die konkreten Formen des Geistes in einer logischen Bestimmtheit sind? Und umgekehrt: Werden diese Formen des Geistes nicht als „Dasein“ der logischen Bestimmungen angesehen? Es wurde zwar schon oben bei der Anführung der Achsentexte darauf hingewiesen, daß diese scheinbare Schwierigkeit gegen die These der Gleichursprünglichkeit auf Grund einer Analyse der Texte selbst gelöst werden kann. Es bleibt aber noch zu erklären, wie Hegels Ausdrucksweise so eindeutig auf eine Vorrangstellung der Logik hinzuweisen scheint. Dazu ist zu sagen, daß diese Aussagen und Formulierungen nichts anderes zum Ausdruck bringen als jenen Gang der Darstellung des Systems, der seinen literarischen Niederschlag in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse gefunden hat. In diesem Grundriß nimmt die Wissenschaft der Logik die Stellung des ersten, allgemeinen Teiles der Wissenschaft ein, während die beiden anderen Teile als „reale“ oder „konkrete“ Wissenschaften verstanden werden. Diesem Gang der Darstellung entsprechend werden alle Schritte bzw. Gestalten oder Sphären der Realsystematik auf die Logik als auf die allgemeine Weise der Idee bezogen; in dieser Hinsicht und im Rahmen dieser enzyklopädischen Darstellung kommt der Logik unzweideutig der Vorrang zu. Deshalb denkt Hegel auch konsequent, wenn er in diesem Rahmen die konkreten Stufen der phänomenologisch-noologischen Sphäre von den reinen, d. h. logischen Bestimmungen her auslegt. Und so erklärt sich auch Hegels Ausdruckweise. Nun hat diese Arbeit deutlich gezeigt, daß das Denken Hegels ein eindringliches und fundamentales Problem der Darstellung aufwirft; es wurde auch gezeigt, wie der Ansatz der Logik gemacht wird und welche Stellung dieser Wissenschaft im Ganzen des Systems zuzuweisen ist. Erst die Berücksichtigung aller dieser Elemente und Gesichtspunkte führt zur These der Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie bzw. ermöglicht ein Verständnis dieser These. Es wäre nun ein verhängnisvolles Mißverständnis, wollte man die ausgesprochene These im Sinne jener philosophischen Richtung interpretieren, die in der Geschichte der Philosophie den Namen Psychologismus trägt. Hegels Auffassung von der Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie schließt jeden Psy-

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diologismus, gleichviel welcher Variante, aus; denn die Eigenart des Psychologismus in allen seinen Spielarten besteht in der Verkennung der Dimension des Logischen, oder genauer: in der Vermengung bzw. Nichtunterscheidung von logischem und psychischem Bereich. Es ist hier interessant zu bemerken, daß die meisten anderen Auffassungen, die den Psychologismus zu bekämpfen vorgeben, in die genau gegenteilige Einseitigkeit verfallen: sie behaupten nämlich eine Geltung des Logischen in einer Sphäre der totalen Abstraktion und Isolation (etwa als „Gesetze an sich“, „Sätze an sich“ u. dgh). Charakteristisch für diese Auffassungen ist das Unvermögen, die Einheit und damit auch den Sinn der Unterschiedenheit dieser Dimensionen zu begreifen^^®. Die These der Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie läßt eine weitere wichtige Frage entstehen: die Frage nach der Weise, wie auf dieser Basis die Ausführung der Logik zu konzipieren ist. Wie ist die Logik aufgebaut? Es wurde gezeigt, daß die Logik die reine Ausgelegtheit des Geistes im Element des reinen Wissens ist; ferner wurde auf Flegels Erläuterungen über die innere Antriebskraft bei dem Fortgang des Logischen, nämlich die Negation, hingewiesen: danach gehen die logischen Bestimmungen eine dialektische Bewegung ein, indem sie sich als bestimmte Von erhellender philosophischer Bedeutung wäre ein eingehender Vergleich zwischen der Logik Hegels, der Lehre des Psychologismus und den den Psychologismus bekämpfenden Auffassungen. Hier sei nur kurz auf M. Heideggers Dissertation hingewiesen: Die Lehre •vom Urteil im Psychologismus. Ein kritisch-positiver Beitrag zur Logik. Leipzig 1914. Aufschlußreich ist dabei nicht Heideggers Bemühen, das Logische vom Psychologischen abzuheben, sondern die Art, wie er die Unterschiedenheit der beiden Dimensionen zu bezeichnen versucht. Er faßt das Logische als Sinn und den Sinn als jene „Wirklichkeitsweise“ auf, die das verum genannt wird. Er bemerkt, daß die Erörterung der Frage nach dem Sinn des Sinnes über eine nähere Umschreibung nicht hinauszukommen vermag; „Vielleicht stehen wir hier bei einem Letzten, Unreduzierbaren, darüber eine weitere Aufhellung ausgeschlossen ist, und jede weitere Frage notwendig ins Stocken gerät“ (95). Im übrigen verweist Heidegger noch darauf, daß die Frage nach der Ausgliederung der Wirklichkeitsweise des Sinns, des verum, vor der fundamentalen Aufgabe der Philosophie steht, die er hier so formuliert: den „Gesamtbereich des ,Seins“ in seine verschiedenen Wirklichkeitsweisen“ (108) zu gliedern. Es ist höchst aufschlußreich zu beobachten, wie Heidegger mit den Kategorien umgeht; Um das Logische vom Nichtlogischen abzuheben, muß er auch das Nichtlogische benennen. Wie geschieht das? Was heißt es, wenn der Sinn, das Logische, als eine Wirklichkeitsweise des Seins bezeichnet wird? Es zeigt sich, wie fundamental die Überlegungen über die Benennung der nichtlogischen Dimension (vgl. oben 84 ff) waren. Als was aber ist jenes Letzte, Unreduzierbare zu deuten, auf das Heidegger mit Recht hinweist? Auf diese Frage wird die nächste Untersuchung über die Elementarstruktur der Philosophie Hegels vielleicht eine Antwort geben können, die bisher von der Hegel-Interpretation übersehen wurde. Was das Denken Heideggers selbst angeht, so wäre es sehr aufschlußreich zu untersuchen, ob sein weiteres Bemühen um den „Sinn“ oder die „Wahrheit“ eine Klärung der anstehenden Problematik erbracht hat. - Auf die Frage des Psychologismus wird noch einmal einzugehen sein im Zusammenhang mit einem Einwand, den O. Pöggeler gegen Th. Haerings Interpretationsversuch der Entstehungsgeschichte der Phänomenologie des Geistes erhoben hat. Vgl. unten 275 f Anm. 15.

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IV. Die Entsprechungen zwischen Logik und Realsystematik

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erweisen, d. h. indem sie sich negieren und so zu einer neuen, reicheren Bestimmung führen. Wenn nun aber die Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie berücksichtigt wird, muß sich dann nicht die phänomenologisch-noologische „Komponente“ in der Darstellung des logischen Prozesses zeigen? Wenn dem nicht so wäre, welchen Sinn hätte dann die aufgestellte These des gleichursprünglichen Entsprechungsverhältnisses von Logik, Phänomenologie und Noologie? Sollte man dann die Logik nicht ganz anders lesen lernen als man es bisher getan hat? In dieser Frage konzentriert sich die ganze Problematik der vorliegenden Arbeit. Man kann die Fragestellung in die Form eines Dilemmas kleiden: Behauptet man eine phänomenologisch-noologische Komponente in der Logik, so ist es um die Reinheit und Stichhaltigkeit des logischen Prozesses geschehen; leugnet man diese Komponente, so macht man aus der Logik ein isoliert-abstraktes Gebäude, dessen Sinn nicht mehr zu verstehen ist. In Wirklichkeit handelt es sich nur um ein scheinbares Dilemma. Dies zu erläutern, ist eine dringende Aufgabe der Hegel-Interpretation. Man muß nämlich daran erinnern, daß das Logische eine Dimension des Geistigen ist; von einer Dimension aber kann nur die Rede sein, wenn auch das Ganze des Geistes oder der Geist als das Ganze im Blick behalten wird. Die Dimension hat ihre Eigentümlichkeit und ist gleichzeitig relativ zum Ganzen. Die Frage, ob die Dimension des Logischen nur „von sich her“ entwickelt werden kann und muß, ist daher so zu präzisieren: es besteht hier ein breiter Spielraum von Möglichkeiten; die Darstellung kann sich mit größerer oder geringerer Intensität auf die Reinheit oder Eigentümlichkeit der Dimension „einlassen“; ist sie strengstens auf die Reinheit der Dimension bedacht, so werden etwa Fragen über den Sinn der Dimension selbst weder gestellt noch erörtert; im allgemeinen werden Fragen, Gesichtspunkte, Einwände und dgl., die von außerhalb der Dimension erhoben werden, als äußerliche Einfälle und „zufällige“ Reflexionen abgewiesen. Eine solche Darstellung ist möglich, weil eine solche Reinheit der Dimension eine Möglichkeit des Geistes ist; es muß aber gesehen werden, daß die strenge Einhaltung einer solchen Dimension bzw. die strenge Durchführung einer solchen Darstellung eben ein-dimensional ist: in dieser Darstellung wird nur auf das geachtet, was eben dieser Dimension eigentümlich ist. Wie Hegel immer wieder betont, „ist dies [d. h. das Eigentümliche des Logisdhen] eine Bedeutung, welche nicht erst innerhalb der Logik zu rechtfertigen ist, sondern mit der man vor derselben im reinen sein muß“^^'. Die Frage z. B., ob die Ableitung der Kategorien eine Beweiskraft beanspruchen kann oder nicht, kann mehrere BeWL II 224 (erste Hervorhebung von mir).

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B. Logik und Realsystematik

deutungen haben: man kann darunter eine Beweiskraft im rein logischen oder aber in einem weiteren Sinn — etwa als Ausweis durch die Erfahrung, als Übereinstimmung mit der „Wirklichkeit" usw. - verstehen. Man kann etwa der Forderung nach einem „phänomenologischen Ausweis“ - wenn man „phänomenologisch“ hier in einem allgemeinen Sinn, etwa im Sinne der HussERLSchen Phänomenologie, nimmt - nicht auf Grund einer „rein logischen“ Argumentation gerecht werden. Die allermeisten Fragen bzw. Einwände an die Adresse der Logik Hegels sind nicht logisch gemeint und können daher auch nicht logisch beantwortet werden. Hegel ist aber sehr bedacht auf die Reinheit einer jeden Dimension: er stellt jede Dimension vollständig dar und dann erst geht er zur anderen Dimension über. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der „Übergänge“ bei Hegel, besonders des berühmten Übergangs der logischen Idee in die Natur. Von dieser Sicht aus wäre die Logik Hegels ganz neu zu lesen und zu interpretieren. Von der entwickelten Sicht aus ist es auch zu erklären, daß man Hegels „Begriff“ oder „Geist“ wie eine formale Struktur oder ein formales Schema nehmen und „auf alles anwenden“ kann. Diese Formalisierung ist eine Möglichkeit des Geistes (des Begriffs), deren Sinn aber sofort verfälscht wird, wenn sie nicht mdhr als Formalisierung, d. h. in ihrer Relativität zum Ganzen des Geistes, verstanden wird. Schließlich ist noch einmal kurz auf die „Transzendentalität“ der Entsprechungsstruktur zwischen Logik, Phänomenologie und Noologie zurückzukommen. Es wurde gezeigt, daß diese Struktur nicht nur subjektiv, sondern noch subjektiv („abstrakt und formell“) ist. Es wäre ein Mißverständnis, wollte man dies so deuten, daß Hegel von einem „subjektiven Standpunkt“ aus denkt. Daß das Strukturprinzip der Logik an der Struktur des .subjektiven Geistes abgelesen wird, bedeutet keineswegs, daß aus dem subjektiven Geist ein „Standpunkt“ gemacht wird, und zwar weder im Hinblick auf die Logik noch im Hinblick auf das realsystematische Ganze, üm möglidhst jedes Mißverständnis auszuräumen, könnte man diesen Sachverhalt so formulieren: der subjektive Geist ist der „Ort“, an dem der „Begriff“ als Begriff zur Erscheinung oder zur Existenz kommt^^^ und - hinsichtlich des realsystematischen Ganzen - an dem das Absolute in der Weise des da272 Vgl. dazu folgende Stelle aus den Vorlesungen über die Philosophie der Religion: „Man muß . . . beim Begriff überhaupt es aufgeben zu meinen, er sei so etwas, das wir nur haben, in uns machen. Der Begriff ist die Seele, der Zweck eines Gegenstandes, des Lebendigen. Was wir Seele heißen, ist der Begriff, und im Geiste, im Bewußtsein kommt der Begriff als solcher zur Existenz, als freier Begriff . . .“ (Rel. I 220 [Nachschrift der Vorlesung von 1827]).

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seienden Inbegriffs gegenwärtig ist. Die hier angedeutete „Kehre“ ist im Grunde das Problem der Darstellung der Philosophie Hegels. Als Zusammenfassung der obigen Überlegungen sei eine Stelle aus den vermutlich im Herbst 1805 gehaltenen Vorlesungen^^* über Realphilosophie in Jena angeführt und kurz gedeutet. Auf der letzten Seite heißt es: „Sie [= die Philosophie] ist. .. Mensch überhaupt; und wie der Punkt des Menschen ist, ist die Welt, und wie sie ist, ist er: ein Schlag erschafft sie beide.“*^“* „Mensch überhaupt“ ist im Licht der Ausführungen dieser Arbeit Geist als freier - d. h. sich als solcher zeigender, erscheinender — Begriff, also als Vernunft und Denken, wobei auch und besonders das Logische als „seine [ = des Menschen] eigentümliche Natur selbst“*^® einzubezidhen ist. „Welt“ dürfte im Zitat für „das Ganze“ stehen, insofern es vom Menschen abhebbar ist. Der „Punkt“ wäre demnach die Einheit beider, vom Menschen her ausgesprochen. „Der Punkt des Menschen“ ist sicher ein genitivus explicativus: der Punkt als Mensch, der Mensch als Punkt*^®; der Punkt des Menschen wäre somit der Mensch als Geist (Denken, Vernunft, Begriff), d. h. als koextensiv mit dem Ganzen, als Inbegriff des Ganzen, als „quodammodo omnia“. Mit dem Ausdruck „Schlag“ wird die Einheit des Menschen und der Welt (= des Ganzen) näher gekennzeichnet. Bringt man „Schlag“ und „Erschaffen“ zusammen*’L so ist zu sagen, daß im Zitat der Zusammenschluß des Menschen mit dem „Ganzen“ und des „Ganzen“ mit dem Menschen ausgesprochen ist: dieser Zusammenschluß ist einerseits ein schlechthin ur273 Vgl. dazu: H. Kimmerle: 2ur Chronologie von Hegels Jenaer Schriften. — In: HegelStudien 4 (1967), 125-176, bes. 145, 168 f. Realphil. II 273. =75 WL I 10. =75 Hegel gebraucht sehr oft diese Redewendung. So z. B.: „Der Mensch ist ewiges Bewußtsein, weil er denkt, Geist ist. Der Punkt des Geistes entfaltet sich zu vielfachen Gebilden“ (Rel. I 1 [Nachschrift der Vorlesung von 1824-1827]). Ferner: „Ich als einfach, allgemein, als Denken, bin Beziehung überhaupt . . . Den Gedanken, Vorstellungen, die ich mir zu eigen mache, gebe ich die Bestimmung, die ich selber bin. Ich bin dieser einfache Punkt . . .“ (Rel. I 22 [Vorlesung von 1827]). =77 Schwierig wird allerdings eine Interpretation von „erschaffen“, wenn man „Welt“ als „das Ganze“ deutet. Diesbezüglich aber sind einige bemerkenswerte Ausführungen in einer Nachschrift der Vorlesung über die Religion der Erhabenheit zu beachten: „Wäre die göttliche Subjektivität als Resultat, als sich selbst erschaffend bestimmt, so wäre sie als konkreter Geist gefaßt. Denn auf der hohem Stufe, wenn Gott als Geist bestimmt wird, ist er der, der nicht aus sich heraustritt, und so ist er dann auch das Resultat, das sich selbst Erschaffende . . . Diese Bestimmung haben wir hier [= in der jüdischen Religion] noch nicht, nur die, daß das absolute Subjekt das schlechthin Anfangende, das Erste ist . . . Es muß aber, da Gott schlechthin das Erste ist, sein Erschaffen nicht unter der Weise des menschlichen Produzierens gedacht werden“ (Rel. III 62 [Vorlesung von 1824-1827]; Hervorhebungen von mir). Auf der letzten Seite der Jenaer Realphilosophie (II) heißt es auch: „Diese Entzweiung ist das ewige Erschaffen, d. h. das Erschaffen des Begriffes des Geistes, diese sich und ihr Gegenteil selbst tragende Substanz des Begriffes“ (Realph. II 273).

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B. Logik und Realsystematik

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sprüngliches, d. h. auf eine weitere Ebene nicht reduzierbares, andererseits ein in sich differenziertes und differenzierendes, d. h. das Differente ermöglichendes und hervorbringendes Selbst-Verhältnis. Wenn es im Text „ein Schlag“ heißt, so dürfte damit die Ein-maligkeit, die je-weilige Bestimmtheit des Sidhmitsichzusammenschließens, des Selbst-Verhältnisses angezeigt sein^'^®. Freilich haben solche Formulierungen nur dann einen Sinn, wenn sie als das Ergebnis der detaillierten „Arbeit des Begriffs“^^® verstanden und gewagt werden.

Zu „Punkt“, „Schlag“, „Augenblick“ vgl. die Ausdrücke „qualitativer Sprung“ (Phän. 15 u. ö.), „Blitz“ (Phän. 16) usw. Phän 57.

I. Phänomenologie und Noologie

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C. DIE ELEMENTARSTRUKTUR DER PHILOSOPHIE HEGELS: LOGIK - PHÄNOMENOLOGIE - NOOLOGIE

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Vorbemerkung: Die Bedeutung des Ausdrucks „Elementarstruktur“ Die vorhergehende Untersuchung führte zur These, daß zwischen Logik, Phänomenologie und Noologie ein gleichursprüngliches Entsprechungsverhältnis besteht. Beweis, Sinn und Tragweite dieser These bilden den Gegenstand der vorliegenden dritten Untersuchung. Einleitend ist der das gleichursprüngliche Entsprechungsverhältnis von Logik, Phänomenologie und Noologie näher kennzeichnende Ausdruck Elementarstruktur zu erläutern. Wie schon in der allgemeinen Einleitung und in der ersten Untersuchung bemerkt wurde, wird sich der genaue Sinn von „Struktur“ bei Hegel erst im Rahmen der Ausführungen über die Methode endgültig klären^. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Sinn von „Elementar“ im Ausdruck „Elementarstruktur“ kurz anzugeben. Im Ausdruck „Element“ sind zwei Bedeutungen zu unterscheiden, die ursprünglich eine Einheit bildeten, deren Auseinanderhaltung aber gerade für das Denken Hegels von großer Relevanz ist. Zum einen wird „Element“ verstanden als „Dimension“ (wie dieser Ausdruck in der vorliegenden Arbeit schon oft gebraucht wurde), „charakteristisches“ oder „eigentümliches Milieu“, das einer Sache „Gemäße“, das „Worin“ einer Sache; in diesem Sinne spricht Hegel vom Element des Denkens, des Geschichtlichen und dgl. Zum anderen hat Element die Bedeutung von „Grundbestandteil“, „einfachster Bestandteil“, „Urbestandteil“, „Urkomponente“, „Grundlage“, „Rohstoff“. Gemäß der ersten Bedeutung machen das Logische, das Phänomenologische und das Noologische drei Elemente (= Dimensionen) aus, die aber in einem gleichursprünglichen Entsprechungsverhältnis zueinander stehen; gemäß der zweiten Bedeutung bilden diese drei Elemente oder Dimensionen als Einheit dieselbe Urkomponente oder denselben Urbestandteil aller realsystematischen Sphären und in diesem Sinn die f/rstruktur des Ganzen. Erst die Einheit der beiden Bedeutungen läßt die ganze Breite und Schärfe der Problematik der Einheit des Hegelschen Denkens zum Vorschein kommen. ' Vgl. unten 229 ff.

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C. Die Elementarstruktur I. PHÄNOMENOLOGIE UND NOOLOGIE 1. Allgemeiner Zusammenhang zwischen Phänomenologie und Noologie

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In der vorhergehenden Untersuchung wurden Phänomenologie und Noologie undifferenziert als Einheit genommen, handelte es sich doch zunächst bloß darum, die Erage nach der Elementarstruktur aufzuwerfen und den Ort einer solchen Elementarstruktur im allgemeinen zu bestimmen. Eine restlose Klärung der Elementarstruktur des Hegelschen Denkens verlangt aber, daß der genaue Zusammenhang dieser zwei Sphären herausgearbeitet wird, denn erst auf dieser geklärten Basis kann das gleichursprüngliche Entsprechungsverhältnis von Phänomenologie, Noologie und Logik im einzelnen aufgezeigt werden. Es ist zunächst an die fundamentale Tatsache zu erinnern, daß beide Sphären in mehr als einer Hinsicht sowohl zusammengenannt werden als auch eine gleichrangige Rolle spielen. Daß sie zusammengenannt werden, ergibt sich schon in aller Deutlichkeit aus den am Ende der zweiten Untersuchung zitierten Achsentexten. Daß sie eine gleichrangige Rolle als Elementarstruktur spielen, kann an Hand einer Einzelanalyse des von Hegel in seinen Werken angewandten konkreten Verfahrens leicht aufgewiesen werden. Hier möge der Hinweis genügen, daß Hegel, um einen bestimmten Sachverhalt oder eine bestimmte realsystematische Sphäre darzustellen, sowohl phänomenologische als auch noologische Termini und Gesichtspunkte „verwendet“^. ^ Hier einige Beispiele: In der Philosophie des Rechts definiert Hegel den Staat wie folgt; „Der Staat ist als die Wirklichkeit des substantiellen Willens [noologisch], die er in dem zu seiner Allgemeinheit erhobenen besonderen Selbstbewußtsein [phänomenologisch] hat, das an und für sich Vernünftige“ (GPhR § 258). Bei der Erörterung der Rechtspflege heißt es: „Es gehört der Bildung, dem Denken als Bewußtsein des Einzelnen in Form der Allgemeinheit, daß Ich als allgemeine Person aufgefaßt werde, worin Alle identisch sind. Der Mensch gilt so, weil er Mensch ist . . . Dies Bewußtsein, dem der Gedanke gilt, ist von unendlicher Wichtigkeit . . .“ (GPhR §209 A; vgl. auch §211: Gedanke-Bewußtsein-Vorstellung). Wichtig in diesem Zusammenhang sind vor allem die Vorlesungen über die Philosophie der Religion, die von erhellender methodologischer Bedeutung sind, insofern in diesen Vorlesungen die großen „Momente“ der phänomenologischen und der noologischen Elementarstruktur (Bewußtsein-Selbstbewußtsein-Vernunft, Anschauung-Vorstellung-Denken bzw. der praktische Geist) eine schlechthin zentrale Rolle spielen. Man vergleiche z. B. folgende aus dem Manuskript Hegels entnommene Stellen, in denen die Momente der beiden Sphären nebeneinander erscheinen: „Religion [ist] das Bewußtsein des an und für sich Wahren. Die Philosophie ist ihrer Bestimmung nach dieses Bewußtsein — der Idee, und ihr Geschäft [ist], alles als Idee zu fassen. Die Idee aber ist das Wahre im Gedanken, nicht in Anschauung, Vorstellung“ (Rel. I 153 [Ms]); „Die Religion selbst als solche ist . . . als dies Spekulative: sie ist das Spekulative gleichsam als Zustand des Bewußtseins. Aber [sie hat] den Gegenstand und alles in konkretem Formen der Vorstellung“ (Rel. I 154 [Ms]).

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Es ist nun zu fragen, wie Hegel die Eigenart jeder dieser Sphären und die Differenz der beiden bestimmt. In diesem Abschnitt soll der allgemeine Zusammenhang aufgezeigt werden. In den drei Auflagen der Enzyklopädie bemängelt Hegel den „höchst schlechten Zustand“® der Psychologie, d. h. der Noologie; in der Philosophie des Rechts bemerkt er, daß sich „nicht leicht eine philosophische Wissenschaft in so vernachlässigtem und schlechtem Zustande befindet als die Lehre vom Geiste, die man gewöhnlich Psychologie nennt“^. Schon im Jahre 1811 hatte Hegel den Plan gefaßt, ein Werk über die Psychologie (= Noologie) zu veröffentlichen®; im Jahre 1820 wiederholte er noch einmal sein Vorhaben®, aber der Plan wurde nie verwirklicht^. Was die Phänomenologie angeht, so wurde schon in der ersten Untersuchung das Schicksal des Werkes von 1807 erwähnt. Diese Hinweise mögen hier genügen. Denn es liegt nicht in der Absicht dieser Untersuchungen, der entstehungsgeschichtlichen Seite der Hegelschen Phänomenologie und Noologie nachzugehen. Von hohem Wert für die Problematik des Zusammenhangs von Phänomenologie und Noologie sind Hegels knappe, aber sehr präzise Aussagen in der Nürnberger „Bewußtseinslehre und Logik für die Mittelklasse“ von 1808-1809: „Die Geisteslehre betrachtet den Geist nach den verschiedenen Arten seines Bewußtseins und nach den verschiedenen Arten seiner Tätigkeit. Jene Betrachtung kann die Lehre von dem Bewußtsein, diese die Seelenlehre genannt werden.“® Hier werden die beiden Sphären nur unterschieden, nicht in eine einheitliche Sicht eingeordnet; entwickelt wird aber nur die Lehre vom Bewußtsein, das mit präzisen Formulierungen als Wissen von einem Gegenstand gekennzeichnet wird, und zwar in der Weise, daß das ® HEnz. § 367 A; 2. und 3. Ausg. § 444 A. * GPhR § 4 A. ® In einem Brief vom 10. 10. 1811 an Niethammer schrieb Hegel: „Meine Arbeit über die Logik hoffe ich nächste Ostern ans Licht treten lassen zu können; späterhin wird dann meine Psychologie folgen“ (Briefe I 389). “ „Die Grundzüge [der Psychologie] . . . habe ich in meiner Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften (Heidelberg, 1817) dargestellt und hoffe, deren weitere Ausführung dereinst geben zu können“ (GPhR § 4 A). Zu bemerken ist hier, daß auf dem Titelblatt der Grundlinien der Philosophie des Rechts das Erscheinungsjahr 1821 angegeben wird, während das Buch schon im Oktober 1820 ausgegeben wurde (vgl. dazu die in der folgenden Anmerkung angeführte erste Arbeit von F. Nicolin [S. 10 Anm. 4]). ’’ F. Nicolin wies nach, daß Hegel in den folgenden Jahren einen konkreten Versuch zur Verwirklichung dieses Vorhabens unternommen hat. Vgl.: Ein Hegelsches Fragment zur Philosophie des Geistes. Eingeleitet und herausgegeben von F. Nicolin. - In: Hegel-Studien 1 (1961), 9-48. Nach Nicolin gehört das Fragment dem Zeitraum von 1822-1825 an. Heranzuziehen ist auch der gut dokumentierte Aufsatz desselben Verfassers: Hegels Arbeiten zur Theorie des subjektiven Geistes. — In: Erkenntnis und Verantwortung. Festschrift für Th. Litt. Hrsg, von J. Derbolav und F. Nicolin. Düsseldorf 1960. 356-374. ® NSchr. 14.

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C. Die Elementarstruktur

Bewußtsein verschieden ist „nach den verschiedenen Gegenständen, die es hat“®. In der späteren Enzyklopädie werden die beiden Sphären als zwei Stufen oder Momente der „Entwicklung“ oder „Fortbestimmung“ des Geistes oder auch „seines Sich-zu-sich-selbst-Hervorbringens, seines Zusammenschließens: mit sich“^® aufgefaßt - und zwar so, daß die Noologie die Wahrheit der Phänomenologie ausmacht. Dieser Bezug der beiden Sphären ist zu klären. Er wird im allgemeinen von Hegel folgendermaßen angegeben: Der subjektive Geist ist: „B. Für sich oder vermittelt, noch als identische Reflexion in sich und in Anderes; der Geist im Verhältnis oder Besonderung; Bewußtsein, — der Gegenstand der Phänomenologie des Geistes. C. Der sich in sich bestimmende Geist, als Subjekt für sich, der Gegenstand der Psychologie.“^^ Der Phänomenologie und Noologie geht die Anthropologie voraus, d. h. die Sphäre, auf der der Geist erst „an sich oder unmittelbar“, als „Seele oder Naturgeist“ ist. Vergleicht man die drei Stufen oder Momente des Sich-mitsich-Zusammenschließens des Geistes, so ist es unschwer einzusehen, daß von der Anthropologie zu den zwei weiteren Stufen eine unverkennbare Entwicklung im Begriff des Geistes stattfindet. Die Differenz zwischen der ersten und der zweiten Stufe ist nämlich sehr leicht anzugeben: Die Seele verliert ihre Unmittelbarkeit, d. h. sie hört auf, „Seele“ oder „Naturgeist“ zu sein, sobald sie „ihr Sein sich entgegengesetzt, es aufgehoben und als das ihrige bestimmt hat“^®. Wie ist aber die dadurch hervorgegangene höhere Stufe zu begreifen und zu bezeichnen? An diesem Punkt (Übergang) erhält man einen ersten Einblick in die Problematik des Zusammenhangs von Phänomenologie und Noologie. Es fällt nämlich auf, daß Hegels Charakterisierung des Resultats der „anthropologischen“ Dialektik als anfängliche Charakterisierung sowohl der phänomenologischen als auch der noologischen Sphäre gedeutet werden kann: die wirkliche Seele — d. h. das letzte Moment der Anthropologie - ist nämlich „an sich die für sich seiende Idealität ihrer Bestimmtheiten, in ihrer Äußerlichkeit erinnert in sich und unendliche Beziehung auf sich“. Dieses Ergebnis wird von Hegel anschließend so bestimmt: „Dies Fürsichsein der freien Allgemeinheit ist das höhere Erwachen der Seele zum Ich, der abstrakten Allgemeinheit, insofern sie für die abstrakte Allgemeinheit ist, welche so Denken und Subjekt für sich [ist].“^® Eine solche Bestimmung nun ist sowohl der Phänomenologie als auch der Noologie eigentümlich. Erst im Anschluß an die soeben zitierte Stelle gibt Hegel das spezifisch Phänomenologische an: » Ebd. 15. Enz. § 412.

Enz. § 387 A. Ebd.

” Enz. § 387.

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. und zwar bestimmt Subjekt seines Urteils ist, in welchem es die natürliche Totalität seiner Bestimmungen als ein Objekt, eine ihm äußere Welt, von sich ausschließt und sich darauf bezieht, so daß es in derselben unmittelbar in sich reflektiert ist, - das Bewußtsein.“^* Diese bezeichnenden Stellen sind sehr wichtig, um die Problematik der Einheit und der Unterschiedenheit der beiden Sphären in den Blick zu bekommen und um Hegels systematische Einordnung der beiden Sphären in die enzyklopädische Darstellung des Systems zu beurteilen. Wodurch unterscheiden sich beide Sphären? Sind sie schon adäquat erfaßt und dargestellt, wenn die eine als der anderen untergeordnet dargelegt wird? Bevor auf die konkrete Analyse der Eigenart jeder Sphäre eingegangen wird, ist noch auf einen weiteren wichtigen Punkt hinzuweisen. Das am Ende der Anthropologie erreichte Ergebnis kann nicht nur als Kennzeichnung sowohl der phänomenologischen als der noologischen Sphäre verstanden werden, sondern das jeweilige Ergebnis dieser beiden Sphären selbst erweist sich als identisch; denn Hegel kennzeichnet das Ergebnis der phänomenologischen Dialektitk als „Vernunft, den Begriff des Geistes“^®, und das Ergebnis der noologischen Dialektik als „formelle Vernunft“^® und „freien Geist“^^. Zwar verweist Hegel auf den veschiedenen Gang, aus dem das jeweilige Ergebnis hervorgeht; dieses Ergebnis bestimmt sich aus der Eigenart der jeweiligen Sphäre und ihrer Entwicklungsstufen; aber dennodh — und das ist das Bezeichnende - koinzidieren diese Sphären und deren Stufen im Resultat. Dies spricht übrigens Hegel ausdrücklich im zweiten oben zitierten Achsentext aus^®. Danach ist das Denken als Vernunft das Resultat der Logik, der Phänomenologie und der Noologie, und zwar im Sinn von Zentrum, bezüglich dessen sich diese Sphären als unterschieden und als identisdi erweisen. „Denken“ (Vernunft) wird also weder nur als logische noch nur als phänomenologische noch auch nur als noologische Dimension, sondern als die Einheit dieser Dimension begriffen. Dieses Denken ist jene Elementarstruktur, die den Schlüssel zum Begreifen der Einheit der Philosophie Hegels bietet. Die Herausarbeitung dieser Elementarstruktur muß Schritt für Schritt vollzogen werden, soll sie wirklich aufgewiesen und verstanden werden. Zuerst soll die Unterschiedenheit des phänomenologischen und des noologischen „Elementes“ herausgearbeitet werden: Inwiefern handelt es sich um zwei Sphären und inwiefern und in welchem Sinn erweist sich das Noologische als die Wahrheit des Phänomenologischen? Ebd. 1« Enz. § 467. Vgl. oben 137 f.

Enz. § 417. ” Enz. § 481.

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C. Die Elementarstruktur 2. Unterschiedenheit von Phänomenologie und Noologie

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a) Das unterscheidend Phänomenologische Die Phänomenologie ist die Sphäre, in der der Geist als Erscheinung (Reflexion, Verhältnis) auftritt und dargestellt wird. In der Enzyklopädie hat Hegel verhältnismäßig wenig Mühe, die „Deduktion“ dieser Sphäre aufzuzeigen. Es darf in diesem Zusammenhang nie aus dem Auge verloren werden, daß die enzyklopädische Darstellung jener „Zusammenschluß“ des Ganzen ist, „welcher das Logische zum Grunde als Ausgangspunkt und die Natur zur Mitte hat, die den Geist mit demselben zusammenschließt. Das Logische wird zur Natur, und die Natur zum Geiste.“^® Der Geist wird hier als aus der Natur herkommend, als gewordene „Wahrheit der Natur“®® betrachtet; die Darstellung dessen, was der Geist ist, schließt also von vornherein das Andere des Geistes mit ein. So ist der „gewordene Geist“®^ zunächst Seele und diese „ist nicht nur für sich immateriell, sondern die allgemeine Immaterialität der Natur, deren einfaches ideelles Leben“®®. Der Aufwels des Übergangs zum Bewußtsein und damit die Deduktion des Phänomenologischen liegt in der Notwendigkeit der Erhebung der Seele als einer nur unmittelbaren Identität mit dem „Anderen“ zu einer höheren, „ideellen“, d. h. vermittelten Identität, die dadurch „reine ideelle Identität mit sich“ ist bzw. wird, daß das Andere in diesen Kreis der „für sich seienden Reflexion“ einbezogen und somit Gegenstand wird: „Die reine abstrakte Freiheit für sich entläßt ihre Bestimmtheit, das Naturleben der Seele, als ebenso frei, als selbständiges Objekt, aus sich, und von diesem als ihm äußern ist es, daß Ich zunächst weiß, und ist so Bewußtsein. Ich als diese absolute Negativität ist an sich die Identität in dem Anderssein . . .“®®^ Also: sowohl auf der Ebene des Anthropologischen (des „Naturgeistes“) als des Phänomenologischen ist das Ganze als die Einheit des Unterschieds (von Seele-Natur, Ich-ObjektiEnz. § 575. § 388. 2» Ebd. Enz. § 389. Im selben Paragraphen heißt es noch: „Aber in dieser noch abstrakten Bestimmung ist sie [die Seele] nur der Schlaf des Geistes . . .“ In der zweiten und dritten Auflage der Enzyklopädie fügt Hegel noch die Worte hinzu: „ — der passive Nus des Aristoteles, welcher der Möglichkeit nach Alles ist.“ Dieser philosophiegeschichtliche Verweis ist sehr wichtig, um die von Hegel geleistete „Arbeit des Begriffs“ (Phän. 57) in ihrer quellenmäßigen und geschichtlichen Beziehung verstehen und einschätzen zu können. Ober die Bedeutung des De anima des Aristoteles für Hegels Denken vgl. die beiden vorzüglichen Arbeiten von W. Kern: Eine Übersetzung Hegels aus De anima III, 4-5. Mitgeteilt und erläutert von Walter Kern. - In: Hegel-Studien 1 (1961), 49-88 [vgl. bes. 63]; und: Aristoteles in Hegels Philosophiegeschichte: eine Antinomie. - In: Scholastik 32 (1957), 321-345. 22« Enz. § 413.

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vität) „da“, „gegenwärtig“: „in“ der Seele, oder genauer: als Seele ist diese Gegenwart des Ganzen noch gänzlich unmittelbar, unvermittelt, im Sinn von „un-bewußt“, „un-begriffen“; in der Sphäre des Phänomenologischen ist das Ganze als Bewußtsein, d. h. als Erscheinung, als Beziehung-auf-einAnderes, gegenwärtig. Dieser Übergang ist für die weiteren Überlegungen sehr zu beachten. Er macht nämlich deutlich, daß Hegel in jeder Sphäre - in der Logik und in der Realsystematik, besonders aber in der Sphäre des subjektiven Geistes — immer das Ganze vor Augen hat und zur Sprache bringt. Negativ formuliert, besagt dies: er beschreibt nie eine etwa im KANxischen Sinne „nur“ transzendentale Struktur, d. h. eine Struktur, die auf der unüberbrückbaren Dualität von Subjekt-Objekt, der Transzendentalität und dem Anderen beruht^®. Für Hegel ist eine solche Dualität von Anfang an überwunden; für ihn handelt es sich darum, das jeweilige Ganze auf der jeweiligen Stufe seiner Bestimmtheit zu erfassen und darzulegen^^. Erst auf dieser Ebene des Verständnisses läßt sich die Frage nach der Einheit und ünterschiedenheit der Dimensionen des Logischen, Phänomenologischen und Noologischen adäquat stellen und behandeln. In jeder dieser Dimensionen ist das Ganze immer präsent. Dies bedeutet hier: die Frage nach dem „Anderen“ stellt sich nicht nur auf der Ebene des Phänomenologischen, sondern auch hinsichtlich des Noologischen, des „freien“ Geistes, allerdings in anderer Weise und Hinsicht. Gerade dies ist jetzt herauszuarbeiten. Wesentlich für die Bestimmung des Phänomenologischen in Abhebung vom Noologischen ist der Bezug von „Ich“ und „Bewußtsein“: Ich ist das Subjekt des Bewußtseins, damit ist es wesentlich Bezug auf das Objekt. Worin ist aber der spezifisch phänomenologische Charakter dieses Bezugs zu erblicken? Es ist davon auszugehen, daß die Fortbestimmung des Bewußtseins sich als der Index der Veränderung dieses Bezugs und damit auch der beiden Bezogenen erweist: „Das Bewußtsein erscheint daher verschieden bestimmt nach der Verschiedenheit des gegebenen Gegenstandes und seine Fortbildung als eine Veränderung der Bestimmungen seines Objekts. Ich, das Subjekt des Bewußtseins, ist Denken, die logische Fortbestimmung des Objekts ist das in Subjekt und Objekt Identische, ihr absoluter ZusammenFür eine Interpretation von Kants Transzendentalphilosophie, die besonders diesen Aspekt im Auge hat, vgl. das Buch des Verfassers: Analogie und Geschichtlichkeit I. Freiburg-Basel-Wien 1969. Vgl. bes. 303-364. Über diese jeweilige Weise der Bestimmtheit der Einheit (d. h. des Ganzen) vgl. die lange und sehr erhellende Anmerkung zu § 573 der Enzyklopädie über das Verhältnis der Philosophie zur Religion und über die Bestimmung des Gottesbegriffs (bes. die Seiten 459 ff).

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C. Die Elementarstruktur

hang, dasjenige, wonach das Objekt das Seinige des Subjekts ist.“^® Bemerkenswert in diesem Text ist die klare Formulierung des Bezugs von Subjekt und Objekt und die nähere Präzisierung des in diesem Bezug implizierten Identischen „in“ Subjekt und „in“ Objekt, d. h. das beide umfassende und einbeziehende Identische: dieses ist nichts anderes als das oben angesprochene immer gegenwärtige Ganze. Bemerkenswert ist ferner die nähere, die eigentlich phänomenologische Bestimmung dieses Identischen oder dieses „absoluten Zusammenhangs“ als „dasjenige, wonach das Objekt das Seinige des Subjekts ist“. Was diese letzte Wendung bedeutet, wird im nächsten Paragraphen erläutert: „Die Existenz, die er [der Geist] im Bewußtsein hat, hat darin ihre Endlichkeit, daß sie die formelle Beziehung auf sich, nur Gewißheit ist; weil das Objekt nur abstrakt als das Seinige bestimmt oder er in demselben nur in sich als abstraktes Ich reflektiert ist, so hat diese Existenz noch einen Inhalt, der nicht als der seinige ist.“^® Hier wird das spezifisch Phänomenologische ausgesprochen: der Geist als Erscheinung ist das Identische in Subjekt und Objekt, der absolute Zusammenhang beider, aber dies ist er nicht an und für sich, sondern nur wie er in Beziehung auf ein Anderes ist. Weder das Subjekt (Ich) noch das Objekt (das Andere) werden hier an und für sich begriffen, d. h.: der phänomenologische absolute Zusammenhang läßt die beiden in-Beziehung-Stehenden noch nicht in ihrem Anundfürsichsein, d. h. in ihrem Eigenen oder in ihrer Efgenbestimmung, „aufgehen“. Aufschlußreich ist die von Hegel in diesem Zusammenhang vorgelegte Kritik an KANT und FICHTE: er wirft ihnen vor, sie hätten den Geist nur als Bewußtsein aufgefaßt und verwendeten „nur Bestimmungen der Phänomenologie, nicht der Philosophie desselben [= des Geistes] Zu beachten ist hier die sonst bei Hegel nicht vorkommende Entgegensetzung von Phänomenologie und Philosophie - eine Entgegensetzung, die das Ungenügende der KANTischen und FiCHTEschen Position hervorheben soll. Im angeführten und kommentierten § 416 wird das nur phänomenologisch betrachtete Objekt bzw. Subjekt so charakterisiert, daß das Objekt nur abstrakt als das Objekt des Subjekts und das Subjekt „nur in sich als abstraktes Ich reflektiert“ zur Darstellung kommen. Daß der erscheinende oder nur in-Beziehung-stehende Geist noch einen Inhalt hat, „der nicht als der seinige ist“, besagt, daß der Geist hier noch nicht als jene Totalität oder als jener Ermöglichungsraum erreicht wurde, in dem alles und jedes so zum Geist gehört d. h. so das „Seinige des Geistes“ ist -, daß dies nicht eine Einengung, sondern das Kommen zum eigenen Selbst oder Anundfürsichsein bedeutet. Das Phänomenologische ist der Bereich der Erscheinung als die Darstellung des “ Enz. § 415.

2» Enz. § 416.

27

§ 415 A.

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Geistes-in-Beziehung, wobei dieses In-Bezieliung-Stehen im strengen Gegensatz zum Geist in seinem Anundfürsichsein zu nehmen ist. Als Erscheinung ist der Geist in Beziehung, ohne dabei sein Selbst-in(als)-Beziehung erfassen oder begreifen zu können.

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b) Das unterscheidend Noologische Demgegenüber ist der „Geist als solcher“ - d. h. der Geist in noologischer Betrachtung - die Wahrheit des Bewußtseins, in dem Sinne, daß jetzt ein Wissen erreicht ist, das „als unendliche Form von jenem Inhalt nicht beschränkt, nicht im Verhältnisse zu ihm als Gegenstand steht, sondern Wissen der substantiellen, weder subjektiven noch objektiven Totalität ist“^®. Wenn hier gesagt wird, der Geist als Bewußtsein werde vom Inhalt beschränkt, so bedeutet dies eine Präzisierung der schon kommentierten Aussage, daß der „phänomenologische“ Geist nur als auf-ein-Anderes-in-Beziehung-stehend betrachtet wird; oder anders gesagt: der Inhalt oder das Andere hat für den Geist noch den Charakter des Gegenstandes, in der ganzen Kraft der etymologischen Bedeutung dieses Terminus: was gegew-stdht, ist (noch) nicht in seinem Anundfürsichsein aufgegangen. Diese Zusammenhänge sind schlechthin zentral für die Bestimmung des Standortes des Hegelschen Denkens. Man kann sich kaum vorstellen, wie man Hegel als einen Philosophen deuten kann, der noch im nicht in Frage gestellten Rahmen des Subjekt-ObjektSchemas denkt. Es ist also streng festzühalten: das Charakteristische der noologischen Betrachtung ist die Erfassung des Anundfürsichseins des Geistes als der substantiellen, d. h. weder subjektiven noch objektiven Totalität. Es ist aber zu fragen, was dies genau bedeutet. Unmittelbar nach der zuletzt zitierten Stelle findet sich ein Satz, der zunächst im Widerspruch zum Ausgeführten zu stehen scheint: „Der Geist fängt daher nur von seinem eigenen Sein an und verhält sich nur zu seinen eigenen Bestimmungen.“^® Besagt dieser Satz nidht, daß der Geist hier — d. h. in der Noologie - nur als subjektive Totalität betrachtet wird? Und dennoch ist dieser Satz eine Folge („daher“) des vorhergehenden Satzes, demzufolge der noologisch betrachtete Geist das „Wissen der substantiellen, [d. h. für Hegel: der] weder subjektiven noch objektiven Totalität“ ist. Im nächsten Paragraphen sagt Hegel, daß der „noologische“ Geist endlich ist, insofern er „eine Bestimmtheit in seinem Wissen hat, nämlich durch seine Unmittelbarkeit und, was dasselbe ist, dadurch, daß er subjektiv oder als der Begriff ist“®®. Es wird an diesem anscheinend mehrdeutigen Gebrauch von „subjek28 Enz. § 440.

2» Ebd.

2* Enz. 5 441 (Hervorhebung von mir).

C. Die Elementarstruktur

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tiv“ ersichtlich, mit welcher Vorsicht man jeden Satz und jedes Wort bei Hegel interpretieren muß, um nicht das genaue Gegenteil seiner Auffassung herauszulesen. In Wirklichkeit besteht zwischen den Aussagen Hegels kein Widerspruch. Daß der Geist nur von seinem eigenen Sein anfängt und sich nur zu seinen eigenen Bestimmungen verhält, ist eine Aussage, die Hegel unter dem Blickwinkel der Herkunft aus der — und damit in Unterscheidung zu der — phänomenologischen Sphäre macht. Noologisch betrachtet fängt der Geist nicht beim Anderen an in dem Sinne, daß er sich zu ihm als zu einem Gegenstand - in der oben herausgearbeiteten Bedeutung - verhielte; wenn nun weiter gesagt wird, daß in der Noologie vielmehr die allgemeinen Tätigkeitsweisen des Geistes als solchen betrachtet werden, so wird durch diese „Reduktion“ nicht eine „subjektive“ Totalität gesetzt in dem Sinn, daß das Andere (der Inhalt) vergessen oder gar in den Bereich des Unerkennbaren und Unerreichbaren verlegt würde, sondern es wird jene Ebene erreicht, auf der jedes in seinem Anundfürsichsein, in seiner Eigenbestimmung, auf gehen kann: diese Ebene - der Geist als solcher - ist weder eine nur subjektive noch eine nur objektive, sondern die Ebene der alle Differenzen umgreifenden und ermöglichenden Totalität. „Subjektiv“ ist diese Totalität, der Geist als solcher, in dem Sinn, daß sie noch unmittelbar, d. h. unausgeführt ist: das Augenmerk richtet sich hier auf das Ganze der realsystematischen Sphären und der logischen Bestimmungen, und zwar insofern beide „Bereiche“ auf Grund der noologischen Betrachtung des Geistes in ihrer Wahrheit noch nicht dargestellt sind. Aber mit der noologischen Betrachtung ist jener Standpunkt erreicht, von dem her die Wahrheit-an-und-fürsich eines jeden Einzelnen aufgezeigt und ausgeführt werden kann. Deshalb bemerkt Hegel, daß die noologische Betrachtung nicht als „eine willkürliche Abstraktion“ verstanden werden kann, denn der Geist „ist selbst dies, über die Natur und natürliche Bestimmtheit, wie über die Verwicklung mit einem äußerlichen Gegenstand, d. i. über das Materielle überhaupt erhoben zu sein; wie sein Begriff sich ergeben hat“®^. Damit wird der Geist nicht in einem vulgären Sinn „abstrakt“, denn sein Sich-auf-sich-Zurückziehen ist die Erreichung des „Begriffs seiner Freiheit“^^, d. h. die Erhebung zur Ebene jener Betrachtung, auf der das Verhältnis zum Anderen keine Beschränkung, sondern die Befreiung jedes Einzelnen ins Eigene besagt. Es lassen sich zum Beweis und zur näheren Erläuterung der vorgelegten Interpretation eine Reihe von sehr aufschlußreichen Stellen anführen. In der enzyklopädischen Darstellung der Phänomenologie findet sich eine kleine, aber für die vorliegende Problematik wichtige Bemerkung über die sinnliche Gewißheit in der Phänomenologie des Geistes von 1807: „Die räumliche und Enz. § 440 A.

^2

Vgl. ebd.

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I. Phänomenologie und Noologie

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zeitliche Einzelnheit, Hier und Jetzt, wie ich in der Phänomenologie des Geistes S. den Gegenstand des sinnlichen Bewußtseins bestimmt habe, gehört eigentlich dem Anschauen an. Das Objekt ist hier [ = in der Phänomenologie] zunächst nur nach dem Verhältnisse zu nehmen, welches es zu dem Bewußtsein hat, nämlich ein demselben Äußerliches, noch nicht als an ihm selbst Äußerliches oder als Außersichsein bestimmt zu sein.“®^ Das Anschauen ist eine Stufe des Geistes als solchen. Phänomenologisch gesehen ist also das „Andere“ auf der Stufe des sinnlichen Bewußtseins ein-dem-Bewußtsein-Äußerliches, noologisch auf der entsprechenden Stufe der Anschauung ein-an-ihm-selbst-Äußerliches. Damit übereinstimmend heißt es bei der Darstellung der Anschauung: „Die Intelligenz bestimmt . . . den Inhalt der Empfindung als außer sich Seiendes, wirft ihn in Raum und Zeit hinaus, welches die Formen sind, worin sie anschauend ist. Nach dem Bewußtsein ist der Stoff nur Gegenstand desselben, relatives Anderes; von dem Geiste aber erhält er die vernünftige Bestimmung, das Andre seiner selbst zu sein . . .“^® Zu bemerken sind hier die bezeichnenden Ausdrücke „hinauswerfen“, „erhalten“, „relatives [= beschränktes] Anderes“, „vernünftige Bestimmung“: das noologisch aufgezeigte „an-ihm-selbst“ des „Stoffs“®® bedeutet keineswegs Bezuglosigkeit, sondern es impliziert im Gegenteil den höchsten und tiefsten Bezug als das Sein-lassen („hinauswerfen“) seiner Eigenbestimmung, das Freilassen („erhalten“) in sein Eigenes (die „vernünftige Bestimmung“). Daß dadurch der Stoff „das Andere seiner selbst“ wird, besagt die Aufhebung seiner Einseitigkeit, d. h. jeder nur beschränkten und beschränkenden Relativität und damit Andersheit. Wie Hegel das unterscheidend Noologische auffaßt, kann an vielen einzelnen Beispielen gezeigt werden. So z. B. die Weise, wie er Begierde und Trieb unterscheidet. Von der Begierde ist in der Phänomenologie, vom Trieb in der Noologie die Rede. Im Zusatz zu § 473 heißt es: Indem die Begierde dem Selbstbewußtsein angehört, steht sie „auf dem Standpunkt des noch nicht überwundenen Gegensatzes zwischen dem Subjectiven und dem Objectiven. Sie ist etwas Einzelnes und sucht nur das Einzelne zu einer einzelnen, augenblicklichen Befriedigung. Der Trieb hingegen, - da er eine Form der wollenden Intelligenz ist, - geht von dem aufgehobenen Gegensätze des Subjectiven und des Objectiven aus, und umfaßt eine Reihe von Befriedigungen, somit etwas Ganzes, Allgemeines . . .“®^ In der in dieser Arbeit benutzten Ausgabe von Hoffmeister 81 ff. Enz. §. 418 A. 35 £nz. § 448 A. 3* Es ist bezeichnend, daß Hegel hier ehen nicht „Objekt“ sagt, da Objekt ein „relatives [= sein Eigenes noch nicht offenbarendes] Anderes“, also das Andere in der phänomenologischen Dimension ist. 3^ Werke. Bd 7/2. 368. Allerdings ist hinzuzufügen, daß Hegel den so bestimmten Unter-

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C. Die Elementarstruktur

Auf eine letzte Stelle in der Phänomenologie des Geistes von 1807 sei noch kurz hingewiesen. Auf der vorletzten Seite bezieht sich Hegel auf die Notwendigkeit, daß sich die Wissenschaft des Begriffs entäußere und wieder in das sinnliche Bewußtsein übergehe, was er als „die höchste Freiheit und Sicherheit seines [= des Geistes] Wissens von sich“ bezeichnet. Und dann heißt es: „Doch ist diese Entäußerung noch unvollkommen; sie drückt die Beziehung der Gewißheit seiner selbst auf den Gegenstand aus, der eben darin, daß er in der Beziehung ist, seine völlige Freiheit nicht gewonnen hat.“®® Freilich ist hier anschließend nicht von einer noologischen Betrachtung die Rede, da Hegel gleich auf die Entäußerung des Geistes in Natur und Geschichte eingeht. Aber die Charakterisierung der phänomenologischen Dimension als jene Dimension, auf der der Gegenstand noch nicht „an ihm selbst“ — d. h. in seiner Freiheit - aufgeht, ist eine bedeutsame Bestätigung der bisher vorgelegten Interpretation. c) Das Noologische als Wahrheit des Phänomenologischen

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a)

Die Problematik der Aussagen Hegels

Bis jetzt wurde der Unterschied von Phänomenologie und Noologie herausgearbeitet. Nun sagt Hegel ausdrücklich, daß das Noologische die Wahrheit des Phänomenologischen ist®®. In dieser Behauptung liegt eine für die Aufhellung der Einheit des Hegelschen Denkens sehr wichtige Problematik, die es nun herauszustellen gilt. Es ist nicht schwer einzusehen, in welcher bestimmten Hinsicht Hegels Behauptung zutrifft. Die Ausführungen über den Unterschied von Phänomenologie und Noologie machten es nämlich klar, daß die phänomenologische Sphäre sozusagen „in der Schwebe“ liegt, insofern sie so abgegrenzt wird, daß sie (noch) nicht das Anundfürsichsein des Geistes darstellt; da sie also nur die Erscheinung oder das Verhältnis des Geistes zum Ausdruck bringt, hat sie in sich selbst ihre eigene Selbstaufhebung in die höhere, wahrere Sphäre des Anundfürsichseins, d. h. in die Noologie. Aber damit ist nicht alles gesagt. Es ist nämlich zu beachten, daß der Übergang von der phänomenologischen in die noologische Sphäre nicht ohne weiteres in Analogie zu den anderen Übergängen innerhalb der logischen und der realsystematischen Darstellung gebracht werden kann. Bei diesen Übergängen ist schied von Begierde und Trieb nicht streng durchhält, da er im Rahmen der phänomenologischen Darstellung den Ausdruck „Trieb“ (Enz. §§ 425, 427, 430) und im Verlauf der noologischen Darstellung den Ausdruck „Begierde“ (Enz. § 440) verwendet. Phän. 563 (erste Hervorhebung von Hegel; die übrigen von mir). Vgl. z. B. Enz. § 440.

I. Phänomenologie und Noologie

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nämlich leicht einzusehen, daß und wie die höhere Bestimmung oder Sphäre die Wahrheit der vorhergehenden ist^®; hingegen hat der Übergang von der Phänomenologie in die Noologie das Besondere an sich, daß er zwar einen Fort-schritt einschließt, daß er aber andererseits eine solche Entsprechungseinheit zwischen den beiden Sphären aufweist, wie sie weder bei den Übergängen innerhalb der Logik noch bei den Übergängen innerhalb der Realsystematik vorkommt. Es drängt sidi die Frage auf: Wie kann eine strenge, gleichursprüngliche*^ Entsprechungseinheit zwischen den beiden Sphären behauptet werden, wenn gleichzeitig daran festgehalten wird, daß die eine Sphäre die Wahrheit der anderen ist? Dies ist also das Problem. Es muß versucht werden, diesem Problem auf den Grund zu gehen, denn von ihm her sind sehr widitige Aufschlüsse für die Aufhellung der fundamentalen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens zu erwarten. Ausgegangen wird von der Feststellung, daß beide Sphären die Vernunft als Ergebnis haben. Die Phänomenologie wird verstanden als Erhebung der Gewißheit zur „an und für sich seienden Wahrheit“, d. h. zur Vernunft^^. Eine „Erhebung“ zur Vernunft aber findet auch in der Noologie statt^®; ferner spricht Hegel davon, daß „die sogenannten Vermögen des Geistes in ihrer Unterschiederiheit nur als Stufen dieser Befreiung [= des Geistes oder des Begriffs zu sich] zu betrachten“^^ sind. In beiden Sphären findet also eine Erhebung, eine Befreiung statt. Nun aber sagt Hegel von der noologischen Betrachtung: „Der Gang dieser Erhebung ist selbst vernünftig und ein durch den Begriff bestimmter, notwendiger Übergang einer Bestimmung der intelAllerdings dürfen die „Übergänge“ bei Hegel nicht auf eine Ebene nivelliert werden. Der berühmte Übergang der logischen Idee in die Natur etwa kann ebenfalls nicht mit anderen Übergängen gleichgesetzt werden. Auf diese Problematik wird noch öfters zurückzukommen sein. Es ist zu beachten, daß eine „Entsprechung“ auch bei den logischen Bestimmungen stattfindet. So entsprechen sich z. B. die sich aufhebenden Bedeutungen der ünmittelbarkeit (vgl. z. B. Enz. § 142 A; WL II 169, 356 u.ö.). Diese Entsprechung innherhalb der logischen Entwicklung wird von Hegel mit vielen Ausdrücken gekennzeichnet; Die Bestimmungen „entsprechen“ sich (z. B. Enz. § 114 A); in der höheren Sphäre kommen dieselben Bestimmungen vor als in der unteren Sphäre, aber in reflektierter Form (Enz. § 114 A); die höhere Sphäre ist Reproduktion der vorhergehenden (Enz. § 171 A); ein bestimmter Übergang ist mit dem Übergang auf einer anderen Sphäre zu vergleichen (Enz. § 193 A); eine höhere Bestimmung ist Wiederherstellung einer niedrigeren (Bestimmung der ünmittelbarkeit: Enz. § 122) usw. Eine genaue und detaillierte Analyse aller dieser Arten von Entsprechung ist ein dringendes Desiderat der Hegel-Forschung. Für unseren jetzigen Zusammenhang ist aber zu beachten, daß alle diese Entsprechungen nicht im Sinne jener Gleichursprünglichkeit zu deuten sind, die zwischen dem Phänomenologischen und dem Noologischen (und, wie sich noch zeigen wird, dem Logischen) obwaltet. Der Sinn der innerlogischen Entsprechungen wird sich im übrigen im Lauf der Ausführungen dieser dritten Untersuchung klären. 85 Enz. § 38 A. >8> Vgl. Enz. § 50 A. >8» Vgl. Enz. § 54.

>s» Enz. § 420 A. >8» Vgl. Enz. § 48 A.

II. Aufweis der Elementarstruktur

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einer solchen Existenz gedidhen ist, welche selbst frei ist, ist nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtsein. Ich habe wohl Begriffe, das heißt, bestimmte Begriffe; aber Ich ist der reine Begriff selbst, der als Begriff zum Dasein gekommen ist.“^®® Wie in dieser Arbeit bereits gezeigt wurde, bedeutet der Ausdruck „zum Dasein kommen“ - und zwar des Begriffs oder überhaupt einer logischen Bestimmung - die Entsprechung. Hier erweist sich die Entsprechung zwischen dem Begriff und dem Ich bzw. dem Selbstbewußtsein als ursprünglich im Sinne der in dieser Arbeit 'herausgearbeiteten Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie. Dabei ist besonders an die früheren Ausführungen über das Selbstbewußtsein und den praktischen Geist zu erinnern^®i. Die dort aufgezeigte Zwei-seitigkeit oder -poligkeit hat im Bereich des Logischen ihre Entsprechung im Übergang von der objektiven in die subjektive Logik. So bezidht sich Hegel in der Einleitung in das dritte Buch der Wissenschaft der Logik ausdrücklich auf die zwei Seiten: „Der jetzige Standpunkt, auf welchen diese Entwicklung geführt hat, ist, daß die Form des Absoluten, welche höher als Sein und Wesen, der Begriff ist. Indem er nach dieser Seite Sein und Wesen, wozu auch bei andern Ausgangspunkten Gefühl und Anschauung und Vorstellung gehören, und welche als seine vorangehenden Bedingungen erschienen, sidh unterworfen und sich als ihren unbedingten Grund erwiesen hat, so ist nun noch die zweite Seite übrig, deren Abhandlung dieses dritte Buch der Logik gewidmet ist, die Darstellung nämliCh, wie er die Realität, welche in ihm verschwunden, in und aus sich bildet.“^®® Diese Zusammenhänge sind nun im einzelnen zu explizieren^®®. WL II220. 191 Ygj oben 172 ff. 192 II 229 (erste Hervorhebung von mir). Es ist aufschlußreich zu bemerken, daß in der Logikdarstellung der Enzyklopädie die Einteilung in objektive und subjektive Logik nicht mehr erwähnt und daß auch kaum Bezug auf das Selbstbewußtsein genommen wird. Diese Änderung darf wohl als Anzeichen einer in der zweiten und dritten Ausgabe klar erkennbaren Tendenz gedeutet werden, die Logik noch ausgeprägter für sich - d. h. als einen selbständigen Teil der Einen Wissenschaft darzustellen, wobei dann Phänomenologie und Noologie endgültig in den enzyklopädischer^ Rahmen der Realsystematik eingeordnet werden. Diese Verselbständigung der Logik hat für den inneren logischen Gang die Folge, daß die logische Entwicklung in prägnanter Weise als Selbstentwicklung des logischen Begriffs (der logischen Idee) erscheint, während in Nürnberg die Erhebung zum Begriff (zur Idee) oder die Genesis des Begriffs (der Idee) mehr in den Vordergrund gestellt wird, woraus sich auch die schärfere Trennung von objektiver und subjektiver Logik und konsequenterweise der radikaler herausgehobene Übergang in den Begriff erklären. Die größten inhaltlichen Unterschiede zwischen der Nürnberger und der Berliner Logik betreffen die Lehre vom Wesen, speziell den Teil über die Erscheinung. In Nürnberg stand die Nähe zu Kant bzw. die Auseinandersetzung mit Kant mehr im Vordergrund.

C. Die Elementarstruktur

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a) Die Struktur des Begriffs:

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Die „Herleitung des Reellen“ und das dialektisdie Verhältnis der Gegenläufigkeit Mit dem Auftreten des Begriffs setzt jene gegenläufige Bewegung ein, die Hegel ausspricht, wenn er sagt, daß der Begriff „die Realität, welche in ihm verschwunden, in und aus sich bildet“ Diese Bildung der Realität nennt Hegel auch „Herleitung des Reellen aus ihm [d. h. dem Begriff], wenn man es Herleitung nennen will“^*®. Dieser Bildung bzw. Herleitung eignet eine ganz eigentümliche Struktur: sie besteht darin, daß der Begriff sich setzt, indem er sich als „das Voraussetzen des Unmittelbaren“^^^ erweist. Wie beim Selbstbewußtsein und beim praktischen Geist handelt es sich um eine Setzung als Einholung des Anderen, um ein Sichselbstbestimmen als Negation seiner selbst bzw. als Setzung des Andersseins. Die Negation und das Anderssein müssen streng als Negation und als Anderssein des Begriffs genommen werden, wobei der Begriff in der Negation und im Anderssein schlechthin identisch mit sich bleibt. Soll aber Negation bzw. Anderssein kein leeres Wort, sondern ein wahres Moment des Begriffs besagen, so heißt dies, daß der Begriff die Negativität seiner selbst oder sein Anderssein setzt, indem er diese Negativität bzw. dieses Anderssein voraussetzt - oder, von der anderen Seite her gesehen: indem das Unmittelbare als ein Moment des Begriffs erfaßt wird. Der Begriff enthält also all das, was die vorausgehenden Stufen waren, denn diese Stufen werden in der höheren Sphäre wiederholt und eingeholt: der Ausgangspunkt wird nicht mehr bei einer einzelnen Stufe gemacht, sondern beim Selbst, das sich dadurch setzt, daß es die vorausgehenden Stufen als seine Momente begreift. Man kann diese Struktur auf vielerlei Weise formulieren, indem man einmal mehr die eine, sodann mehr die andere Seite oder Hinsicht herausstellt. Wesentlich ist dabei immer die Einheit dieser Seiten und Hinsichten, also das, was man das sich explizierende dialektische Verhältnis der Gegenläufigkeit nennen könnte: die Herleitung des Reellen als das Sichsetzen des Begriffs ist das Hereinholen des Unmittelbaren, oder: das Sichentwickeln des Begriffs ist das Begrifflichwerden des „Anderen“; oder auch: das Setzen des Anderen ist dessen Voraussetzen. Hier drängt sich die Frage auf, ob es möglich ist, nach einer Erklärung für diese Struktur des Begriffs zu suchen. Dies hängt davon ab, was man unter „Erklärung" versteht. Jedenfalls kann es sich nicht darum handeln, daß die Struktur des Begriffs auf etwas anderes als auf den Begriff selbst zurückgeführt wird. Die Struktur der Gegenläufigkeit ist nichts anderes als der weitere, genauere Ausdruck für das, was bisher „Elementarstruktur“ geWL II 229.

WL II 230.

Enz. § 159 A.

II. Aufweis der Elementarstruktur

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nannt wurde; diese ist ihrerseits der weitere Ausdruck für die gleichursprüngliche Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie. Die beiden Koordinaten der Elementarstruktur sind die beiden „Seiten“: objektive und subjektive logische Bestimmungen, Bewußtsein und Selbstbewußtsein, Theorie und Praxis. Der Begriff ist die Einheit beider Seiten oder Bewegungen, das Selbst aufgefaßt als die Identität von Objekt und Subjekt, Bewußtsein und Selbstbewußtsein, Theorie und Praxis^®^. Dies ist, wenn man will, das Rätsel der Philosophie Hegels. Die Ein-seitigkeit der beiden Dimensionen wird beim alles entscheidenden Übergang in die absolute Idee explizit ans Licht treten: die beiden Seiten werden sich dort als die Idee des Wahren — das Theoretische bzw. das Bewußtsein — und als die Idee des Guten - das Praktische bzw. das Selbstbewußtsein - enthüllen; die Aufhebung ihrer jeweiligen Ein-seitigkeit ist das Hervortreten ihrer ursprünglichen Einheit, der Hegel den Namen „absolute Idee“ gibt. ß) Die genaue Bedeutung der „Realisierung“ des Begriffs und die Einteilung der subjektiven Logik

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Die „Herleitung des Reellen“ aus dem Begriff nennt Hegel meistens die „Realisierung“ (auch „Realisation“) des Begriffs. Auf die genaue Bedeutung dieses Ausdrucks ist sehr zu achten. Die hier angesprochene Realisierung besagt in gar keinem Fall, daß die Dimension des Logisdhen verlassen wird; die Realisierung, von der In der Wissenschaft der Logik die Rede ist, verbleibt „innerhalb derselben [= der logischen] Sphäre“^®®. Dabei sind drei Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Erstens; Die logische Darstellung der Realisation ist noch nicht identisch mit der realsystematischen Darstellung; diese wird erst In den konkreten Wissenschaften geboten, die „zu einer reellem Form der Idee“^®® heraustreten. Zweitens: Noch weniger besagt die Dieses Selbst, das hier als Identität der beiden Seiten angesprochen wurde, ist nicht schlechthin identisch mit dem Selbst des 5e/I>stbewußtseins, insofern dieses noch als eine Seite erscheint. Es wurde schon früher (vgl. oben 170) gezeigt, daß das Selbstbewußtsein sich in die Vernunft aufhebt und damit als ein-seitige Dimension verschwindet. Allerdings ist es von fundamentaler Bedeutung zu bemerken, daß Hegel dann wieder vor allem den Ausdruck „Selbst“ verwendet, um die ursprüngliche Identität der beiden Seiten zu bezeichnen. Dieses „ursprüngliche“ Selbst muß also als das die beiden Seiten übergreifende Selbst verstanden werden. Hegel selbst spricht von der „übergreifenden Subjektivität“ (Enz. § 215 A) oder auch vom übergreifenden Ich, wie z. B. im folgenden bedeutsamen Text: „. . . Ich ist es selbst und greift über das Objekt als ein an sich aufgehobenes über, ist Eine Seite des Verhältnisses und das ganze Verhältnis; - das Licht, das sich und noch Anderes manifestiert“ (Enz. § 413). Vgl. auch Phän. 134: „. . . Ich ist der Inhalt der Beziehung und das Beziehen selbst; es ist es selbst gegen ein anderes und greift zugleich über dies andre über, das für es ebenso nur es selbst ist.“ Von hier aus kann man mit einer gewissen Berechtigung - wenn auch mit Vorsicht - von einem Primat des Praktischen bei Hegel sprechen. WL II 505. »oä WL II 231.

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C. Die Eiementarstruktur

Realisation des Begriffs in der Logik eine Rückkehr oder einen „Rückfall“ in jene „vermeintliche“ Realität, die als eine schon fertige und gefundene dem Begriff gegenübertritt und in ihn nicht eingeholt wird^®®; diese Realität wurde mit der Erhebung des Bewußtseins zur Wissenschaft „aufgegeben“^®L Drittens: Die Realisierung des Begriffs bedeutet auch keine einfache Rückkehr „zum Gebrauch von Formen, wie die Kategorien und Reflexionsbestimmungen sind, deren Endlichkeit und UnwahAeit sich in der Logik dargestellt hat“®®®. Die beiden ersten Möglichkeiten einer Mißdeutung der „Realisation“ dürften auf Grund des in der Untersuchung B Ausgeführten als ausgeschlossen gelten. Hier ist besonders auf die dritte Möglichkeit eines Mißverständnisses zu achten. Die Aufbewahrung oder genauer die Wieder(ein)holung der früheren logischen Bestimmungen in der Sphäre des Begriffs kann nicht dahingehend verstanden werden, daß jene Bestimmungen einfach „wieder gebraucht“ werden, gleichsam als ob inzwischen nichts geschehen wäre. Dies würde eine Verkennung des ganzen logischen Prozesses der Aufhebung der logischen Bestimmungen bedeuten. Den Sinn der „Wieder(ein)holung“ der früheren Bestimmungen drückt Hegel so aus: „Der Begriff ist das Konkrete und ReiChste, weil er der Grund und die Totalität der frühem Bestimmungen, der Kategorien des Seins und der Reflexionsbestimmungen ist; dieselben kommen daher wohl auch an ihni hervor. Aber seine Natur wird gänzlich verkannt, wenn sie an ihm noch in jener Abstraktion festgehalten werden .. .“®®* Und Hegel gibt gleich ein Beispiel: „... wenn der weitere Umfang des Allgemeinen so genommen wird, daß es ein Mehreres oder ein größeres Qluantum sei als das Besondere und Einzelne . . .“®®^ Es stellt sich aber dann die Frage: Warum sagt Hegel „Realisierung“? Dazu ist zu sagen, daß Hegel damit jenes „erste“ oder „anfängliche“ Unmittelbare bezeichnen will, das der Begriff „einholen“ muß, um sich als Begriff — d. h. als Einheit aller Momente - zu erweisen. Wie Hegel an einer anderen Stelle erläutert, ist das Sein oder die Realität jene abstrakte Allgemeinheit, „die auch das, was man an das Sein [bzw. an die Realität] verlangt, leistet, außer dem Begriff zu sein; denn sosehr sie Moment des Begriffs ist, ebensosehr ist sie der Unterschied oder das abstrakte Urteil desselben, in dem er *»» Vgl. WL II 230. WL II 231. Daß diese Realität aufgegeben wird, besagt aber nicht, daß Hegel das Unmittelbare, das Gefundene oder Gegebene nicht kennt oder nicht berücksichtigt. Die Aufgabe - d. h. das Verabschieden - dieser Realität ist nichts anderes als die Erreichung jenes Standpunkts, von welchem her die „Realität“ als das Unmittelbare (Gegebene, Vorgefundene) allererst begriffen, d. h. in den Begriff als dessen Moment erhoben werden kann. Dies hat ganz und gar nichts zu tun mit apriorischer Deduktion oder Konstruktion und dgl. Auf diesen Sachverhalt wird noch ausführlich bei der Erörterung der Methode einzugehen sein. WL II 231. 2»» WL II 258. Ebd.

II. Auf weis der Elementarstruktur

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sich selbst sich gegenüberstellt“^“®. Die „Realisierung“ des Begriffs besagt also die Einholung der ganzen Breite des Logischen, oder: das Aufzeigen, daß alle logischen Bestimmungen im Begriff als dessen Momente enthalten sind. Hat Hegel nicht die ganze Breite des Logischen im Auge, so spricht er von der „Unterscheidung" des Begriffs (also auf der Höhe der zweiten logischen Sphäre), von der Objektivierung des Begriffs (gemäß der dritten logischen Sphäre) usw. Die Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie im Bereich der subjektiven Logik kann jetzt genau herausgearbeitet werden. Die erste Aufgabe ist, den Sinn der Einteilung der subjektiven Logik in die Abschnitte: 1. Die Subjektivität, 2. Die Objektivität, 3. Die Idee, zu klären. Betrachtet man diese Einteilung von der philosophischen Tradition her, so könnte man sagen, daß der erste Abschnitt mit dem Inhalt der traditionellen Logik (Begriff-Urteil-Schluß) zusammenfällt, während im zweiten und dritten Abschnitt der hierarchische Stufenbau des Kosmos — von der anorganischen Natur (Mechanismus-Chemismus-Teleologie) über das Leben bis zum Geist als der Einheit von Erkennen und Wollen — dargestellt wird®”®. Man muß sagen, daß der Hegel-Interpretation immer noch die Aufgabe gestellt ist, über ein solches unangemessenes Verständnis der Logik hinauszuge-

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hen^®^.

Subjektivität-Objektivität-Idee sind die Stufen der Realisierung des Begriffs, d. h. die Stufen der vollständigen .Se/^st-aussage des Begriffs. Der Begriff ist ja das „reine Selbst“ des Geistes^®®. Die Logik des Begriffs enthält die Darstellung des ganzen Verlaufs, d. h. aller Stufen oder Momente des Selbst. An dieser Stelle ist ein wichtiger Gesichtspunkt hervorzuheben. In diesen Stufen (Momenten) legt sich immer der „ganze" oder „totale“ Begrifp”^ aus - aber nicht auf totale Weise. Dies besagt: Innerhalb der jeweiligen Stufe (Sphäre, Bestimmung) geschieht immer die vollständige Selbstaussage des Begriffs, so daß hinsichtlich des Begriffs in der Immanenz der WL II 355. Es sei hier auf einen sinnstörenden Fehler in Lassons Ausgabe der 'Wissenschaft der Logik hingewiesen. Noch der Nachdruck 1966 der zweiten Auflage von 1934 bringt im Inhaltsverzeichnis als Titel des 3. Kapitels des 2. Abschnitts im 3. Buch fälschlicherweise „Ideologie“ statt „Teleologie“. Noch in einem der neuesten Kommentare zur Wissenschaft der Logik wird gesagt, die drei Etappen der subjektiven Logik seien nichts anderes als die drei regulativen Vernunftideen der Kantischen transzendentalen Dialektik (Seele-Welt-Gott): So E. Fleischmann: La Science universelle ou la Logique de Hegel. Paris 1968. 241; vgl. auch vom selben Verfasser: Objektive und subjektive Logik bei Hegel. — In: Hegel-Studien. Beiheft 1 (1964), 45-54, bes. 50 ff. Wenn auch diese Behauptung in gewisser Weise eine richtige Einsicht ausspricht, so wird sie in keiner Weise dem vollen Sinn der „Science universelle“ gerecht. 208 Vgl. WL II 259. 209 Vgl. WL II 260; 143 u. ö.

C. Die Elementarstruktur

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Stufe oder Sphäre von einer Einseitigkeit oder Unvollständigkeit nicht die Rede sein kann. Was aber noch einseitig, was dem ganzen Begriff noch unangemessen ist, ist die Stufe als Stufe: diese ist nämlich eine noch beschränkte Selbst-aussage des Begriffs. Der genauere Sinn und die Tragweite dieser Aussagen werden sich im Laufe der weiteren Ausführungen herausstellen. b) Die Entsprechungen in den Sphären des „inadäquaten Begriffs“

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a) Die Subjektivität Die erste Stufe der Selbstentwicklung des Begriffs ist der Begriff in seiner Unmittelbarkeit oder in seiner Subjektivität. Warum ist hier „Unmittelbarkeit“ gleich „Subjektivität“? Weil der Begriff eben Selbst, Selbstbewußtsein, Ich ist. Die Subjektivität des Begriffs ist das noch unmittelbare oder abstrakte Bei-s/cÄ-sein, die noch bei-sic/7-seiende und -bleibende Selbst-aussage. Der Begriff ist somit hier nur Inneres und deswegen nur ein Äußeres, „ein subjektives Denken, eine der Sache äußerliche Reflexion“^^®. Alle diese Ausdrücke versuchen, die Sphäre der reinen — d. h. einseitigen - Subjektivität zu charakterisieren und sind nur verständlich, insofern sie schon im Hinblick auf die andere Seite, die Objektivität, gebraucht werden. Die Sphäre der Subjektivität des Begriffs ist zwar einseitig hinsichtlich der ganzen Entwicklung des Begriffs, „in sich“ selbst betrachtet aber ist sie die Darstellung des ganzen Begriffs. Diese Sphäre ist so etwas wie die subjektive oder noch abstrakte Kurzformel des Begriffs. An dieser Stelle nun ist die Entsprechungsfrage anzuschneiden. Zunächst ist im allgemeinen zu sagen, daß die ganze Entwicklung der Logik des Begriffs nichts anderes beinhaltet als die immer adäquatere Ausgelegtheit des Begriffs (der Vernunft, des Denkens, des Geistes). Die Subjektivität des Begriffs enthält nur die ersten Formulierungen dieser Selbstausgelegtheit, die sich - zunächst innerhalb der subjektiven Sphäre selbst - „aufheben“, d. h. vertiefen und erweitern. Wenn man als die kürzeste Formel des Begriffs den Zusammenschluß-mit-sich angibt, so kann gesagt werden, daß die ganze Sphäre des subjektiven Begriffs eine erste - im Hinblick auf das Ganze des Begriffs noch einseitige Artikulation dieser Begriffsformel darstellt. Innerhalb dieser Sphäre besagen die einzelnen Momente (Begriff-UrteilSchluß) wieder kleinere, sich weiter spezifizierende „Totalitäten“, d. h. Zusammenschlüsse-mit-sich. Der „Begriff“ — insofern er als erstes Glied in der Totalität: Begriff-Urteil-Schluß genommen wird - ist der erste, abstrakte Zusammenschluß-mit-sich und als solcher dirimiert er sich, „wird“ Ur-teil und kehrt als Schluß zu seinem sich dann in dieser Sphäre erfüllt zeigenden 2'» WL II 236.

II. Aufweis der Elementarstruktur

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Selbst zurück. Aber auch jede einzelne Stufe dieser Totalität realisiert auf ihre Weise den Begriff, d. h. ist eine Artikulation der Begriffsformel: der Begriff - als Bezeichnung für die erste Stufe dieser ganzen Sphäre — durchläuft die Momente der Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit; das Urteil die Momente des Daseins (der Unmittelbarkeit), der Reflexion, der Notwendigkeit und des Begriffs; der Schluß ebenfalls die Momente (Stufen) des Daseins, der Reflexion, der Notwendigkeit. Immer handelt es sich darum, auf der jeweiligen Stufe oder im jeweiligen Moment die Kurzformel der Elementarstruktur des Begriffs zu artikulieren. Es wird hier ersichtlich, auf welch originelle Weise Hegel die traditionelle Logik uminterpretiert; und es muß gesagt werden, daß diese gründliche Uminterpretation in ihrem Sinn und in ihrer Tragweite von der Hegel-Interpretation auch nicht annähernd erschlossen wurde. Für die Erschließung der Logik ist es von der größten Bedeutung, folgenden Gesichtspunkt hervorzuheben. Wenn auch Hegel den Begriff auf der ersten Stufe seiner Realisierung den „formellen Begriff“®^^ nennt, so kann dies keineswegs im Sinn der traditionellen „formalen Logik“ verstanden werden, denn bei Hegel ist auch der Begriff in seiner Subjektivität koextensiv mit dem Ganzen, also Struktur des Ganzen - nur ist eben der Begriff hier eine noch unmittelbare, abstrakte, eben „formelle“ Struktur. So sagt Hegel ausdrücklich: „Alles ist Begriff, und sein Dasein ist der Unterschied der Momente desselben, so daß seine allgemeine Natur durch die Besonderheit sich äußerliche Realität gibt und hiedurch und als negative Reflexion-in-sich sich zum Einzelnen macht. - Oder umgekehrt, das Wirkliche ist ein Einzelnes, das durch die Besonderheit sich in die Allgemeinheit erhebt und sich identisch mit sich macht“^^^. Und ebenso sagt Hegel: „Alle Dinge sind ein Urteil“2i3; unö schließlich: „Alles ist ein Schluß. Die Subjektivität des Begriffs ist die abstrakte Formulierung oder Artikulation des Begriffs. Die Entsprechungen zur phänomenologisch-noologischen Sphäre erweisen sich hier in der Weise, daß der subjektive Begriff nur unmittelbar-abstrakt jene in sich gegenläufige Bewegung artikuliert, die die Elementarstruktur des erscheinenden und des ansichseienden Geistes ist. Kurz: die logische Sphäre der Subjektivität des Begriffs ist nur die erste, noch anfängliche reine Ausgelegtheit des Geistes. ß) Die Objektivität Wie ist der Übergang von der Subjektivität in die Objektivität zu deuten? Hegel selbst bezeichnet diesen Übergang als „fremdartig auf den ersten An2“ Ebd.

Enz. § 181 A.

213 Enz. § 167.

21'* Enz. § 181 A.

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C. Die Elementarstruktur

blick“ in Wirklichkeit ist dieser Übergang überaus charakteristisch für Hegels Denkstil und Darstellungskunst. Das Resultat der Sphäre der Subjektivität des Begriffs ist „eine Unmittelbarkeit, die durch Aufheben der Vermittlung hervorgegangen, ein Sein, das ebensosehr identisch mit der Vermittlung und der Begriff ist, der aus und in seinem Anderssein sich selbst hergestellt hat. Das Sein ist daher eine Sache, die an und für sich ist, - die Objektivität.“^^® Deutlicher drückt sich Hegel aus, wenn er die verschiedenen Formen der Unmittelbarkeit - Sein, Dasein, Realität; Existenz, Wirklichkeit, Substantialität; abstrakte Allgemeinheit, jetzt Objektivität - vergleicht und schreibt: „Die Objektivität endlich ist die Unmittelbarkeit, zu der sich der Begriff durch Aufhebung seiner Abstraktion und Vermittlung bestimmt. Leuchten solche Formulierungen unmittelbar ein? Dies wird man kaum sagen können. Und doch: Der Übergang in die Objektivität kann einleuchtend gemacht werden. Dazu muß man bedenken, daß der Einstieg in die Logik schon die grundsätzliche Überwindung jedes nicht aus der Vernunft begriffenen oder zumindest begreifbaren Gegensatzes von Subjekt und Objekt, „Begriff“ und Realität usw., voraussetzt. Die Logik des Seins und Wesens ist die Darstellung des Weges zu dieser Identität, während die Logik des Begriffs die Darstellung dieser grundsätzlichen Identität selbst in einer dem Begriff bzw. der Identität angemessenen Weise ist. Auf der Ebene der Logik des Begriffs also wird der Begriff als die grundsätzliche Identität - und das heißt als die Totalität der aufgehobenen und der einzüholenden Momente - ausdrücklich erfaßt und dargestellt. Wenn nun der Begriff am Anfang seiner Selbst-Darstellung sich als subjektiv begreift, so heißt das, daß er sich ausdrücklich als sich in einer einseitigen Sphäre darstellend begreift; in der Totalität - die er ist und als die er sich begreift - ist damit der ausdrückliche Bezug auf die andere Seite, die Objektivität, enthalten. Daß die Subjektivität also sich zur Objektivität „bestimmt“, wie Hegel sagt, ist eine Formulierung, die den Sachverhalt nicht nur genau trifft, sondern auch einleuchten läßt. Das Sichbestimmen des Begriffs heißt hier nämlich: der Begriff stellt sich im ersten Moment nur in seiner Subjektivität dar; weil aber der Begriff Totalität ist, bedeutet diese erste Darstellung eine nur subjektive, d. h. ein-seitige Selbstbestimmung des Begriffs; die weitere, von der Totalität des Begriffs geforderte Selbstbestimmung geschieht durch Einholung oder Berücksichtigung jenes Moments der Totalität, von dem sich das erste Moment abgrenzt und auf das es daher bezogen ist. Die Einholung des anderen Moments ist somit Enz. § 193 A. WL II 352; ähnlich Enz. § 193. WL II 357.

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II. Aufweis der Elementarstruktur

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ein Sichbestimmen des bisher nur subjektiv dargestellten Begriffs zur Sphäre der Objektivität®^®. Wie ist nun die Objektivität selbst „in sich“ zu deuten? Zunächst sei an Hegels charakteristisches Darstellungsverfahren erinnert: eine bestimmte Sphäre (Dimension, Stufe usw.) wird in ihrer strengen Eigentümlichkeit eingehalten und dargestellt - und zwar vollständig - und erst danach wird der Übergang in die andere, weitere Sphäre vollzogen. Auf Grund dieses Verfahrens gelingt es Hegel, alle Momente oder Schritte einer Sphäre zu durchlaufen und zur Sprache zu bringen. Im gegenwärtigen Zusammenhang zeigt sich dieses Verfahren daran, daß die Sphären der Subjektivität und Objektivität streng auseinandergehalten werden: erst wenn die erste vollständig dargelegt worden ist, wird die Ableitung der zweiten in Angriff genommen. Von diesen Überlegungen her dürfte es zunächst klar sein, was Objekt allgemein besagt: es besagt hier nicht mehr bloß „ein abstraktes Seiendes, oder existierendes Ding, oder ein Wirkliches überhaupt.. ., sondern ein konkretes, in sich vollständiges Selbständiges; diese Vollständigkeit ist die Totalität des Begriffs“^^^, das heißt: die Totalität des Begriffs eben als Objektivität, also in der Einseitigkeit der Subjektlosigkeit. Hegel verweist darauf, daß „für die Objektivität die gedoppelte Bedeutung [erscheint], dem selbständigen Begriffe gegenüberzustehen, aber auch das An- und Fürsichseiende zu sein“®®®. Der ersten Bedeutung gemäß steht das Objekt dem Selbst (Ich) gegenüber und ist „die mannigfaltige Welt in ihrem unmittelbaren Dasein, mit welcher Ich oder der Begriff sich nur in den unendlichen Kampf setzt, um durch die Negation dieses an sich nichtigen Andern der ersten Gewißheit seiner selbst die wirkliche Wahrheit seiner Gleichheit mit sich zu geben“®®^. In dieser ersten Hinsidht bedeutet also Objektivität ein Etwas überhaupt für eine Handlung des Subjekts (des Selbst oder Ich). Der zweiten Bedeutung gemäß wird etwas objektiv genannt, insofern es „ohne Beschränkung und Gegensatz .. ., frei und über aller Zufälligkeit . . ., frei von Zutat subjektiver Reflexion“®®® ist - so wie etwa vernünftige Grundsätze objektiv heißen. Die Objektivität als die zweite Sphäre der Logik des Begriffs hat zunächst die Bedeutung des An- und Fürsichseienden oder der vom Begriff ganz durdhdrungenen Unmittelbarkeit; „ferner“®®® hat Objektivität die *** Der Sinn der von Hegel in diesem Kontext gemachten Aussage, daß dieser Übergang „seiner Bestimmung nach dasselbe ist, was sonst in der Metaphysik ... als der sogenannte ontologische Beweis vom Dasein Gottes vorkam“ (WL II 353), wurde bei der Erörterung des Verhältnisses von Logik und Realsystematik ausführlich dargelegt (oben 109 ff). Enz. § 193 A. 220 IJJTL 358, 221 g^d. *22 gbd. 22» WL II 359.

210

C. Die Elementarstruktur

Bedeutung des gegen den Begriff Anderen, des Negativen, und damit des durch die Tätigkeit des Begriffs - als Subjekt = Ich = Selbst - zu Bestimmenden. Wie ist aber diese doppelte Bedeutung als einheitliche Bedeutung zu fassen? Was Hegel hier sagt, ist ganz und gar konsequent. Denn indem der Begriff Totalität als Selbstentwicklung ist, ist er in jeder Stufe der Selbstentwicklung zugleich der ganze Begriff und der einseitige Begriff; ganz ist der Begriff, weil er in Wahrheit die Struktur des Begriffs darstellt; einseitig ist der Begriff, weil er diese Struktur auf beschränkte Weise darstellt. Aber beide Aspekte dürfen nicht nur unterschieden, sie müssen auch als Einheit begriffen werden. Diese Einheit besteht in folgendem: Indem die Objektivität ein Moment in der Totalität des Begriffs ist, hat sie 5egn//scharakter oder Begriffsstruktur, ist also Begriff an sich; da sie aber das Andere der Subjektivität des Begriffs ist, ist sie dem Begriff in seinem Fürsichsein — in seiner Subjekthaftigkeit oder Selbstheit - entgegengesetzt. In der Enzyklopädie macht Hegel auf die Unfähigkeit einer unspekulativen Ausdrucksweise aufmerksam, dieses „wahrhafte Verhalten darzustellen“^^^. Er selbst drückt sich so aus; „Jenes Ansich ist ein Abstraktum und noch einseitiger als der Begriff selbst [= der subjektive Begriff], dessen Einseitigkeit überhaupt sich darin aufhebt, daß er sich zum Objekte, der entgegengesetzten Einseitigkeit, aufhebt. So muß auch jenes Ansich durch die Negation seiner sich zum Fürsichsein bestimmen. Die Sphäre der Objektivität durchläuft drei Stadien: Mechanismus, Chemismus, Teleologie. Sie entsprechen den Stufen der Unmittelbarkeit oder des Seins^^®, des Urteils oder der Reflexion^^^ und des Schlusses^^®; sie stellen damit die Erhebung des Objekts zur Ebene des Selbst des Begriffs dar. Auf die wichtigsten Fragen, die diese Einteilung aufwirft, wurde schon eingeganCopyright © 1981. Felix Meiner Verlag. All rights reserved.

gen^^®.

Zuletzt sind noch die Entsprechungen zur phänomenologisch-noologischen Sphäre zu erörtern. Wie im Fall der Subjektivität des Begriffs handelt es sich auch hier um eine Einseitigkeit des Begriffs, und zwar um die entgegengesetzte. Die zweite Sphäre des Begriffs ist der noch abstrakte Gegenstand, so wie die erste Sphäre das noch abstrakte Subjekt war. Diese beiden Sphären machen die extremen Seiten einer Totalität aus, die erst durch die Aufhebung der beiden extremen Seiten als solcihe zum Vorschein kommt. Die Entsprechung zur phänomenologisch-noologischen Sphäre ist darin zu sehen, daß die Struktur des Bewußtseins und Selbstbewußtseins bzw. des theoretischen und praktischen Geistes in der Weise eines äußerlichen und subjektlosen Geschehens „auftritt“. Bewußtsein und Selbstbewußtsein bzw. 2« Enz. § 193 A. Vgl. WL II 376.

Ebd. “8 Vgl. WL II 390.

*2« Vgl. WL II 360. Vgl. oben 122 ff.

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II. Aufweis der Elementarstxuktur

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theoretischer und praktischer Geist „befinden“ sich auf der „anderen“ Seite des Selbst - in der Äußerlichkeit^^^, in der das Selbst (Subjekt, Ich) sich in negativer Weise zeigt: nämlich dadurch und darin, daß diese Sphäre sich in ihrer Subjektlosigkeit aufhebt und sich damit allererst zum Selbst entwikkelt. Die Objektivität kann nicht als Ende oder Ziel der philosophischen Betrachtung verstanden werden, da sie die Einseitigkeit als die Äußerlichkeit des Begriffs darstellt. Sie ist der noch unfreie Begriff, der Begriff, der noch nicht als Begriff auftritt. Sie ist die äußerlichste Artikulation der Strukturformel des erscheinenden bzw. ansichseienden Geistes. In der Phänomenologie wird weder die rein abstrakte Subjektivität noch die rein abstrakte Objektivität eigens dargestellt. Dies ist konsequent, da die Phänomenologie erst das Verhältnis der beiden „Seiten“, d. h. den Prozeß der Aufhebung der jeweiligen Einseitigkeit darlegt. Die reine Subjektivität als „die bewegungslose Tautologie des: Ich bin Ich“^*^ wird in dieser Einseitigkeit nicht dargestellt, sondern sie wird sofort gefaßt als der Trieb, sich selbst zu setzen, und das heißt, das Objekt als ein äußeres aufzuheben. Umgekehrt wird in der Phänomenologie auch das Objekt nicht in seiner abstrakten Äußerlichkeit, sondern erst in seiner Aufhebung als Ob-jekt dargestellt. Hinsichtlich des noologisch betrachteten Geistes ist zu sagen, daß er sowohl in seiner reinen Subjektivität wie in seiner reinen Objektivität begriffen und dargestellt werden kann. Dies bedeutet, daß diese „Sphären“ als „Möglichkeiten“ — und zwar als rein abstrakte Innerlichkeit bzw. als rein abstrakte Äußerlichkeit - in ihm enthalten sind. Mit anderen Worten: Die Struktur des ansichseienden (also des „noologischen“) Geistes erhält in den Sphären der logischen Subjektivität bzw. der logischen Objektivität eine rein abstrakt-innerliche bzw. abstrakt-äußerliche Artikulation oder Formulierung. Auf eine sich hier aufdrängende Frage sei kurz eingegangen. Besagt die vorgelegte Auffassung nicht, daß alles und jedes auf Logik-Phänomenologie-Noologie, d. h. auf Begriff und Geist „reduziert“ wird? Wird damit das „Eigene“ der „Seienden“ nicht gewaltsam unterdrückt, indem diese unter die Herrschaft einer logisch-geistigen Elementarstruktur gebracht werden? Dazu ist zu sagen, daß eine solche „Reduzierung“ in Wahrheit nichts anderes besagt als die Eröffnung der Möglichkeit des Sichzeigens gerade des Eigenen eines jeden „Seienden“. Denn: Als was soll das „Eigene“ eines jeden „Seienden“ aufgehen? „Seiendes“ selbst ist schon eine „Bestimmung“, eine eröffnete Hinsicht, eben eine Kategorie. Die Elementarstruktur ist nichts Vgl. WLII411.

«1 Phän. 134

C. Die Elementarstruktur

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anderes als die Elementarformel der universalen Ausgelegtheit, des universalen Aufgehens von allem und jedem. Wenn also z. B. die anorganische Natur „gemäß“ den Begriffsbestimmungen der Objektivität (Mechanismus, Chemismus, Teleologie) begriffen wird, so bedeutet dies nicht etwa, daß die Natur, statt in ihrer Eigenbestimmung, nur in einer ihr von der Logik oder dem Geist aufgezwungenen Eremdbestimmung „begriffen“ wird. Daß die Natur begriffen wird, besagt gerade, daß versucht wird, in ihr den Begriff zu finden und aufzuzeigen oder sie am Begriff zu „messen“. Wenn sich dabei zeigt, daß die Natur den Begriff nur in der Einseitigkeit der Objektivität ausdrückt, so heißt dies nicht, daß sie nicht „an sich“ erfaßt worden wäre, sondern es heißt, daß das Ansich der Natur nur eine bestimmte, beschränkte, einseitige Weise des Begriffs, nicht aber den Begriff als Begriff zur Darstellung (zum Sichzeigen) bringt. c) Die Entsprechungen im Bereich der Idee Die Einheit von Subjektivität und Objektivität nennt Hegel Idee. Dabei bemerkt er ausdrücklich, daß die Idee nicht nur den allgemeinen Sinn der Einheit von Begriff und Realität, sondern den bestimmteren Sinn der Ein'heit von subjektivem Begriff und Objektivität hat. Es ist zu sehen, was eigentlich Idee besagt und wie sich auf dieser letzten und höchsten Sphäre des Logischen die Entsprechungsfrage stellt.

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a) Von der Idee des Lebens zur absoluten Idee: die Dialektik der Sphäre der Idee Die unmittelbare Idee ist das Leben. Hegel gibt sich viel Mühe, um klarzumachen, wie ein so „konkreter“ und „reeller Gegenstand“^®^ wie das Leben die Sphäre der Logik nicht überschreitet. Seine Argumentation ist für die Problematik der Entsprechung von Logik, Phänomenologie und Noologie sehr erhellend. Merkwürdigerweise beruft er sich zunächst „auf die auch sonst anerkannte Notwendigkeit, den konkreten Begriff des Erkennens hier [d. h. in der Logik] abzuhandeln“^^®. Diese Berufung ist deshalb merkwürdig, weil Hegel sonst das „gewöhnliche“ Verständnis von Erkennen scharf kritisiert. Aber Hegel erläutert seinen Gedankengang durchaus in eigener Konsequenz. Das Erkennen wird nämlich in der Logik nicht etwa als Operation (Tätigkeit) eines Subjekts, d. h., wie Hegel hier sagt, nicht nach dessen „Erscheinung“ - was „die anthropologische und psychologische [ = noologische] Seite des Erkennens“^®^ ausmacht —, sondern als Idee und näherhin als Sicherfassen der Idee betrachtet. Und Hegel verweist schon hier auf den Vgl. WL II 413.

233 WL II 414.

23‘ Ebd.

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II. Aufweis der Elementarstruktur

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großen, gleichursprünglidaen Entsprediungszusammenhang. Der Begriff hat Voraussetzungen auf mehreren Ebenen: in der Logik sind es Voraussetzungen des reinen Begriffs, also in der Form von reinen Gedanken, nämlich Sein und Wesen; auf den anderen Ebenen sind es Voraussetzungen, „die in psychologischer [= noologischer], anthropologischer und sonstiger Form sich darstellen“^*®. Hegel stellt hier diese Voraussetzungen nicht im einzelnen dar, aber der Hinweis auf den Entsprechungszusammenhang ist klar. „Ebenso“^*® ist nun vom Erkennen zu sagen: auf „die andern Gestalten seiner Voraussetzung“®®^ ist zwar zu verweisen, aber in der Wissenschaft der Logik werden eben nur die logischen Voraussetzungen berücksichtigt und dargestellt. Da nun das Erkennen - logisch betrachtet - die Idee in ihrem Urteil ist, so ist die Voraussetzung des Erkennens die Idee in ihrer Unmittelbarkeit: das Leben. Dieser Zusammenhang ist nun näher aufzuzeigen. Hält man konsequent an der Dimension der logischen Betrachtung fest, so ergibt sich folgender Gang der Selbstbestimmung des Begriffs: In seiner Subjektivität betrachtet, stellt sich der Begriff „für sich“ dar: er ist „seine reine Identität mit sich, welche sich so in sich selbst unterscheidet, daß das Unterschiedene nicht eine Objektivität, sondern gleichfalls zur Subjektivität oder zur Form der einfachen Gleichheit mit sich befreit, hiemit der Gegenstand des Begriffes, der Begriff selbst ist“®®®. Das entgegengesetzte Moment des Begriffs ist dann die Objektivität, der Begriff in seiner subjektlosen bzw. sich erst zur Subjekthaftigkeit erhebenden Form. Die erste Einheit beider Momente ist die Idee des Lebens; aber diese erste Einheit ist noch unmittelbar, denn in ihr ist der Begriff „zwar von seiner äußerlichen Realität unterschieden und für sich gesetzt, doch dies sein Fürsichsein hat er nur als die Identität, welche eine Beziehung auf sidh als versenkt in seine ihm unterworfene Objektivität oder auf sich als inwohnende, substantielle Form ist“®®*. Die Idee des Lebens ist für die logische Idee des Erkennens deshalb die Voraussetzung, weil die Idee des Erkennens nichts anderes bedeutet als das Urteil der unmittelbaren Idee, und zwar im Sinne eines doppelten Urteils, genauer: einer Verdoppelung der Idee®^®. Wie ist aber die Idee des Erkennens als Verdoppelung zu verstehen? Von Anfang an war der Begriff als Totalität gefaßt worden. In den inadäquaten Sphären des Begriffs — also in den Momenten der Subjektivität und Objektivität - zeigte sich dieser Totalitätscharakter als der „Trieb“ des Begriffs, sich als den ganzen Begriff zu setzen. Das Auftreten nun des ganzen oder adäquaten Begriffs, d. h. der Idee, enthält diese früheren Momente, wenngleich als aufgehobene. Nun 235 Ebd. 237 Ebd. 23» Ebd.

23« Ebd. 238 WL II 429. 2^» Vgl. WL II 429 f; Enz. §§ 223 ff.

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C. Die Elementarstruktur

aber ist die Aufhebung dieser Momente in der Idee des Lebens eine erst unmittelbare, noch nicht explizierte, oder, um mit Hegel zu sprechen, noch nicht bewährte Aufhebung: in dieser Idee und als diese Idee kommt die Wahrheit des vorhergehenden Momentes der Subjektivität nicht zu ihrer Geltung, da in der Idee des Lebens der Begriff seine Begriffsform - d. h. die Form der Allgemeinheit - noch nicht erlangt hat. In der Tat ist in der Idee des Lebens das Moment der Allgemeinheit nur als Gattung, als Inneres, als substantielle Form, noch nicht in ihrer Eigentümlichkeit als Form der Allgemeinheit. Kurz: Das Leben ist noch nicht die Idee, insofern diese, indem sie „sich zu sich als Idee verhält, das Allgemeine [ist], das die Allgemeinheit zu seiner Bestimmtheit und Dasein hat“®^^. Dieses Selbstverhältnis der Idee als Prozeß wird als die Idee des Erkennens aufgefaßt. Es erweist sich zunächst als die Verdoppelung der Idee oder als das Doppelurteil der Idee. Um diesen Sachverhalt richtig zu deuten, muß zuerst der genaue Text Hegels in der Enzyklopädie angeführt werden: „Ihre [d. h. der Idee] zur Allgemeinheit bestimmte Subjektivität ist reines Unterscheiden innerhalb ihrer, - Anschauen, das sich in dieser identischen Allgemeinheit hält. Aber als bestimmtes Unterscheiden ist sie das fernere Urteil, sich als Totalität von sich abzustoßen, und zwar zunächst sich als äußerliches Universum vorauszusetzen. Es sind zwei Urteile, die an sich identisch, aber noch nicht als identisch gesetzt sind.“*^^ Das erste Ur-teil als Sidiunterscheiden der Idee innerhalb ihrer selbst ist nichts anderes als das Moment des subjektiven Begriffs, das jetzt ausdrücklich wieder auftaucht, aber als aufgehobenes Moment, d. h. also in der Sphäre der Idee: als das Sichunterscheiden der Idee in sich selbst. Daß das Moment der Subjektivität hier wieder erscheint, aber als aufgehobenes, wird daran ersichtlich, daß das Urteil hier ein Urteil der Idee ist, d. h. jener Totalität, die in sich ausdrücklich das andere Moment, die Objektivität, einschließt. Dies wird so ausgedrückt, daß jetzt dieses Sichunterscheiden der Idee sich bestimmt als die „fernere“ Unterscheidung, die ein Sichvonsichabstoßen als Voraussetzen einer objektiven Welt ist. Erst dadurch sind die beiden früheren Momente des Begriffs aufgehoben, denn erst jetzt kommen sie zu ihrer Wahrheit, zu ihrem Sichzeigen. Aus diesen zwei Urteilen bzw. aus dieser Verdoppelung der Idee ergeben sich konsequenterweise zwei Ideen: die subjektive und die objektive Idee. Diese Ausdrücke sind in ihrem genauen Sinn zu nehmen: „Idee“ besagt schon die Identität von Subjekt und Objekt; subjektive Idee besagt daher die Subjekt-Objekt-Identität in ihrer subjektiven Seite, objektive Idee die Subjekt-Objekt-Identität in ihrer objektiven Seite. Auf der Grundlage der 2“ WL II 429.

2« Enz. § 223.

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II. Aufweis der Elementarstruktur

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Untersclieidung von subjektiver und objektiver Idee gelangt Hegel zur Unterscheidung zwischen der Idee des Wahren oder der theoretischen Idee und der Idee des Guten oder der praktischen Idee - einer Unterscheidung, die für die Problematik der Elementarstruktur von schlechthin fundamentaler Bedeutung ist. Diese ganze Sphäre der in die zwei genannten einseitigen Ideen unterschiedenen Idee bzw. den Prozeß der Aufhebung der einseitigen Ideen nennt Hegel „die Idee des Erkennens“^*®. Die Idee des Erkennens stellt sich als der Prozeß der Aufhebung einer doppelten Einseitigkeit dar: der Subjektivität und der Objektivität der Idee. Dieser Prozeß der Aufhebung ist jene voll explizit gewordene gegenläufige Bewegung, die früher^^^ als die Struktur des Begriffs herausgearbeitet wurde. Dies bedeutet jetzt, daß die Aufhebung der beiden Ein-seitigkeiten von den beiden Seiten her geschieht: als Bewegung von der Objektivität in die Subjektivität und als Bewegung von der Subjektivität in die Objektivität. Die Idee als die erste Bewegung ist die Idee des Wahren oder die theoretische Idee, die Idee als die zweite Bewegung ist die Idee des Guten oder die praktische Idee (genauer: die praktische Tätigkeit der Idee). Insofern diese beiden Bewegungen als noch unterschieden und getrennt betrachtet werden, bleibt die Idee noch der Endlichkeit verhaftet oder ist noch „endliches Erkennen“^^®. Es ist nun zu sehen, wie die Überwindung dieser doppelten Einseitigkeit vor sich geht. Die theoretische Idee ist die Idee als Bewegung der Aufnahme der seienden — d. h. der Vorgefundenen, gegebenen - Welt in die Subjektivität, also die Erhebung der seienden oder objektiven Welt als des Anderen in die Ebene des Begriffs, des Allgemeinen. Da der Begriff Totalität ist, bedeutet diese Erhebung der Objektivität in die Sphäre der Subjektivität, daß diese einen Inhalt bekommt: das Innerlich- oder Allgemeinwerden der seienden oder objektiven Welt ist zugleich die Erfüllung der Subjektivität. Die prakEs ist auffallend, daß Hegel die Idee des Wahren und die Idee des Guten dem Erkennen unterordnet. Freilich bezeichnet er dann die theoretische Idee als Erkennen als solches (vgl. z. B. Enz. § 225). Der Grund für die erwähnte Unterordnung dürfte darin zu sehen sein, daß diese ganze Sphäre zunächst von der Sphäre des Lebens her bestimmt wird, wobei dann jene oben (vgl. 212) gestreifte Frage nach dem logisdien Charakter des Lebens eine Rolle spielt: Hegel dürfte die hier erörterte Sphäre „Erkennen“ genannt haben, um hervorzuheben, daß es sich um einen „Gegenstand“ handelt, der berechtigterweise seinen Platz in der Logik hat. Ob allerdings die Berüdcsiditigung dieses Gesichtspunktes ein hinreichender Grund für den sehr mißverständlichen Sprachgebrauch Hegels ist, kann man mit Recht bezweifeln. Hinsichtlich der Sache selbst darf es aber keinen Zweifel geben, daß es sich bei Hegel nicht um irgendwelche „Theoretisierung“ oder gar „Panlogisierung“ und dgl. handelt. Im Gegenteil: Man kann mit Recht von einem Primat des Praktischen bei Hegel sprechen (vgl. oben 203 Anm. 197). 244 Vgl. oben 202 ff. 2« Vgl. WL II 438, 440 f, 491 u. ö.

C. Die Elementarstruktur

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tische Idee „hat das umgekehrte Verhältnis gegen die Idee des Wahren”^*^: sie geht von der Subjektivität als dem Zweck des Guten aus und für sie ist die objektive Welt zuerst nur „ein Schein, eine Sammlung von Zufälligkeiten und an sich nichtigen Gestalten“^“*^. Das Praktische ist nicht das Aufnehmen gegebener Bestimmungen, sondern das Aufheben der äußerlichen, seienden Welt durch die Setzung der eigenen Bestimmungen, d. h. durch die Verwirklichung des Zwecks oder des Guten. Die Selbstbestimmung der Subjektivität ist die Realisierung des Guten; indem diese Realisierung der Trieb ist, die objektive Welt „durch das Innere des Subjektiven ... zu bestimmen und ihr dieses einzubilden“^^®, besagt die Selbstbestimmung der Subjektivität das Innerlichmachen und damit die „Erfüllung“ der objektiven Welt. Bevor auf die Entsprechungsfrage und damit auf den „Ort“, von dem aus dieser Sachverhalt näher zu erschließen ist, eingegangen wird, ist noch kurz auf Hegels Darstellung des Übergangs der theoretischen und praktischen Idee in die absolute Idee hinzuweisen. Im Beweis, d. h. im vollzogenen synthetischen Erkennen^*®, gelangt das endliche Erkennen zur Ebene der Notwendigkeit, d. h. zu einem Begreifen, das alle Momente einer Sache miteinander in Verbindung setzt. Damit hat sich die seiende bzw. objektive Welt erinnert, d. h. die Ebene des rein Gegebenen wurde aufgehoben und die Ebene des Allgemeinen, des Begriffs, erreicht. Aber damit ist der Begriff in seinem Vollsinn noch nicht erfaßt; denn indem sich die seiende bzw. objektive Welt nur bis zur Ebene der Notwendigkeit erhoben hat, zeigt sie sich noch nicht in ihrer Freiheit, d. h. in ihrem Eigenen, oder noch anders: in der Dimension der theoretischen Idee wird die seiende bzw. objektive Welt nur zu einer abstrakten Allgemeinheit®*® erhoben: „In der theoretischen Idee steht der subjektive Begriff als das Allgemeine, an und für sich Bestimmungslose, der objektiven Welt entgegen, aus der er sich den bestimmten Inhalt und die Erfüllung nimmt.“®*^ Was bedeutet das? Wir haben es hier mit einem ursprünglichen und irreduktiblen Sachverhalt zu tun. Man kann versuchen, ihn folgendermaßen zu explizieren: die theoretische Erhebung der seienden bzw. objektiven Welt in die Ebene des Begriffs, der Allgemeinheit, besagt ein immanentes Sicheröffnen oder Sichzeigen, was wieder eine immanente Selbstunterscheidung und damit Selbstentfernung einschließt. In diesem Sinne besagt die theoretische Bewegung ein Außersichgehen, insofern das Allgemeinwerden des Gegebenen noch nicht als das eigene Allgemeinwerden des Gegebenen erscheint. Faßt man die theoretische Bewegung oder das Allgemeinwerden als Sich-von-sich-C7nterscheiden, so fehlt darin noch die umgekehrte Bewegung des /«szc^gehens, Enz. § 233. 2« Vgl. unten 222 f.

250

Enz. § 225. Vgl. WL II 478.

Ebd. 251

II 477.

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II. Aufweis der Elementarstruktur

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der „Vertiefung in sich“, des Sich-von-sichAJntcrscheidens, der Selbstverwirklichung. Andererseits aber kann auch diese „zweite“ Bewegung, die praktische Tätigkeit der Idee, als einseitige Bewegung aufgefaßt und dargestellt werden. In diesem Fall ist sie „der Widerspruch, daß in den selbst widersprechenden Bestimmungen der objektiven Welt der Xweck des Guten ebenso ausgeführt wird als auch nicht, daß er als ein unwesentlicher so sehr als ein wesentlicher, als ein wirklicher und zugleich als nur möglicher gesetzt ist. Dieser Widerspruch stellt sich als der unendliche Progreß der Verwirklichung des Guten vor, das darin nur als ein Sollen fixiert ist.“*®^ Das heißt also: Auch in dieser einseitigen Bewegung erreicht der Begriff nicht seine Freiheit, d. h. seinen verwirklichten Inhalt, sein Seihst. Im Sinne des oben verwendeten Bildes formuliert: Der Zweck, das Gute oder das Innere als die Bestimmung der Subjektivität kann sich nicht verwirklichen, d. h. kann sich nicht als die Eigenbestimmung der seienden bzw. objektiven Welt erweisen, weil sie jene „Eröffnung“ ignoriert, die von der theoretischen Bewegung hervorgebracht wird. Bildlich gesprochen: Die einseitige praktische Bewegung ist ein Insichgehen, das das darin eingeschlossene Außersichgehen (Allgemeinwerden) ignoriert; sie „geht“ dadurch den Widerspruch „ein“, daß sie das Innere (das Selbst) sucht, ohne es finden zu können, da sie nicht durch jenen „Raum“ hindurchgeht, in dem allererst ein Inneres (das Selbst) eröffnet wird. Wieder mit Hegel gesprochen: Werden die beiden Richtungen einseitig, jede für sich und getrennt von der anderen betrachtet, so ergibt sich einerseits eine Objektivität als abstrakte Allgemeinheit, andererseits eine Subjektivität als Unwirklichkeit des unausgeführten Zwecks (Guten). Die Überwindung dieser allerletzten und allergrößten Einseitigkeit ist die gegenseitige bzw. gegen-läufige „Ergänzung“ der beiden Ideen bzw. Bewegungen: „Der Wille steht . .. der Erreichung seines Ziels selbst im Wege dadurch, daß er sich von dem Erkennen trennt und die äußerliche Wirklichkeit für ihn nicht die Form des wahrhaft Seienden erhält; die Idee des Guten kann daher ihre Ergänzung allein in der Idee des Wahren finden.“^®* Die beiden Bewegungen sind komplementär, denn sie sind die beiden Aspekte oder, wie Hegel sagt, „die doppelte als verschieden gesetzte Bewegung des Triebs“^®h der die Idee als Prozeß und als Totalität ist. Sie erweisen sich dadurch als komplementär, daß die praktische Idee den endlosen und unwirklichen Prozeß des bloßen Sollens abbricht, und zwar durch „die Erinnerung an die Voraussetzung des theoretischen Verhaltens ..., daß das Objekt das an ihm Substantielle und Wahre sei“*®®. Mit anderen Worten: Die theoretisch aufgenommene, d. h. zum Allgemeinen erhobene Welt wird der wahrhafte Inhalt oder die wahrhafte Bestimmung der subjektiven bzw. Enz. § 234.

25* WL II 481.

255 Enz. § 225.

255 Enz. § 234.

218

C. Die Elementarstruktur

praktischen Idee: damit hebt sich die Bestimmung des Guten als eines bloß subjektiven Zwecks auf, das Gute wird Wirklichkeit, indem es die seiende oder objektive Welt bestimmt; andererseits wird die in der theoretischen Idee nur abstrakt bleibende Allgemeinheit durch die Setzung der praktischen Idee mit der wirklichen Welt „zusammengeschlossen“, d. h. sie erweist sich als die Allgemeinheit der wirklichen Welt. Es ergibt sich: „Die Idee des an und für sich bestimmten Begriffs ist hiemit gesetzt, nicht mehr bloß im tätigen Subjekt, sondern ebensosehr als eine unmittelbare Wirklichkeit^*®, und umgekehrt diese, wie sie im Erkennen ist, als wahfhaftseiende Objektivität zu sein ... In diesem Resultate ist hiemit das Erkennen hergestellt und mit der praktischen Idee vereinigt; die Vorgefundene Wirklichkeit ist zugleich als der ausgefü'hrte absolute Zweck bestimmt, aber nicht wie im suchenden Erkennen bloß als objektive Welt ohne die Subjektivität des Begriffes, sondern als objektive Welt, deren innerer Grund und wirkliches Bestehen der Begriff ist.“^*’ Diese letzte Identität ist die absolute Idee, der „vernünftige Begriff“^*®. Diese ganze Dialektik der Sphäre der Idee ist jetzt im Hinblick auf die Entsprechungsproblematik noch einmal im einzelnen zu erörtern. Damit wird sich der Sinn dieser zentralen Aussagen der Hegelschen Philosophie aufhellen lassen.

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ß) Die Entsprechungseinheit von Idee und Phänomenologie bzw. Noologie Das Kapitel „Die Idee des Erkennens“ wird von Hegel mit einer ausführlichen Diskussion über die Metaphysik des Geistes und über die logische Idee des Geistes und deren Gestalten in der Logik bzw. in den „konkreten Wissenschaften des Geistes“^*® eingeleitet. Schon daran wird ersichtlich, daß diesem Kapitel eine im Hinblick auf die Entsprechungsfrage zentrale Bedeutung zukommt. Hegels zentrale Aussage über diesen Sachverhalt lautet: „Denken, Geist, Selbstbewußtsein sind Bestimmungen der Idee, insofern sie sich selbst zum Gegenstand hat und ihr Dasein, d. i. die Bestimmtheit ihres Seins ihr eigener Unterschied von sich selbst ist.“®®® Mit „Denken“, „Geist“, „Selbstbewußtsein“ wird offensichtlich auf die Logik, die Noologie und die Phänomenologie angespielt. Zuerst befaßt sich Hegel mit der „vormaligen Metaphysik“ der Seele und mit der Kritik, der sie KANT unterzog. Dann charakterisiert er die drei Teildisziplinen der Philosophie des subjektiven Geistes nach der Stellung, die sie in der enzyklopädischen Darstellung des Warum sagt Hegel in diesem Kontext meistens „Wirklichkeit“? Dazu sei auf die früher angestellten Überlegungen über den Sinn und den Gebrauch des Ausdrucks „Realisierung“ verwiesen (oben 203 ff). WL II 483. WL II 484. *5» WL II 435. »•* WL II 430.

II. Auf weis der Elementarstruktur

219

Systems einnehmen, also als Stufen des Ganges, den der Geist von seinem Hervorgehen aus der Natur bis zu seiner Selbsterfassung als freier Geist durchläuft. Hegel hebt hervor, daß der Geist in der Logik als außerhalb dieses Ganges stehend oder, wie er sich auch ausdrückt, ohne die „Verwicklung“^®^ in die jeweilige Bestimmtheit der Sphären des subjektiven Geistes betrachtet wird. Dieses Außerhalb bedeutet sowohl ein Diesseits als auch ein Jenseits, je nachdem ob die Logik als erste oder als letzte Wissenschaft genommen wird: diesseits des konkreten Ganges und damit erste Wissenschaft ist die Logik, insofern sie die Darstellung des Sicherfassens der Idee vor deren Übergang in die Natur ist; jenseits des Ganges und damit letzte Wissenschaft ist die Logik, insofern sie die ganze Entwicklung des realsystematischen Ganzen als durchlaufen voraussetzt und sich dadurch wieder in ihr eigenes Element erhoben hat®®^. Daß die logische Idee des Geistes „außerhalb“ — also „diesseits“ bzw. „jenseits“ — des konkreten Ganges des Geistes betrachtet wird, bedeutet für Hegel positiv, daß sie als „schon innerhalb der reinen Wissenschaft“^®® stehend dargestellt wird. Diese Ausführungen Hegels scheinen auf den ersten Blick nur das zu besagen, was schon der äußerlichen Anordnung und Einteilung der Enzyklopädie zu entnehmen ist. In Wirklichkeit aber besagen sie viel mehr, schon allein deshalb, weil sie überhaupt an dieser Stelle der logischen Entwicklung anzutreffen sind; denn dieser „Umstand“ bedeutet, daß zwischen Phänomenologie bzw. Noologie und logischer „Idee des Erkennens“ nicht nur eine gewisse Verwandtschaft, sondern eine gleichursprüngliche elementarstrukturale Entsprediungseinhelt obwaltet. Dies ist der eigentliche Sinn der HeVgl. WLII 437. Ygj gj,2. § 574. Allerdings wäre das Logische in diesem zweiten Fall das Logische als das Geistige (vgl. oben 179). Hier taudit in aller Schärfe die in dieser Arbeit mehrmals angeschnittene Frage der Darstellung des Systems wieder auf. Das „jenseits“ des realsystematischen Ganzen angesetzte Logische Ist das Logische als das Geistige, d. h. das bewährte Logische. Ist das Logische „mit der Bedeutung, daß es die Im konkreten Inhalte [d.h. in den realsystematischen Inhalten oder Sphären] als in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit“ (Enz. § 574) schlechthin Identisch mit dem Logischen gemäß der „Gestalt“, die es in der Wissenschaft der Logik hat? Dies kann nicht gesagt werden; denn sonst hätte die hier angesprochene Bewährung nichts zu bedeuten. In Wirklichkeit ist dieser Zusammenhang folgendermaßen zu deuten: Die enzyklopädische Darstellung führt zum Logischen als dem Geistigen, dem bewährten Logischen, und das heißt zur Idee der Philosophie. Wenn man nun die Darstellung des Systems schlechterdings mit der enzyklopädischen Darstellung gleichsetzt, so ist folgende Konsequenz unausweichlich: das Ganze als kreishafter Zusammenschluß muß so gedeutet werden, daß „nach“ Abschluß der realsystematischen Darstellung wieder zum Anfang der enzyklopädischen Darstellung - also zur Wissenschaft der Logik - zurückgekehrt wird. Nun ist es leicht einzusehen, daß diese Deutung die Doppelbedeutung des Logischen überspringt und daher eine unbewältigte Zwel-deutigkeit enthält. Mit anderen Worten: In dieser Deutung wird der Sinn bzw. die Stellung der Logik im Ganzen des Systems nicht begriffen. WL II 437.

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C. Die Elementarstruktur

gelschen Aussage, daß Denken, Geist und Selbstbewußtsein Bestimmungen der Idee sind. Im Hinblick auf die in dieser Arbeit berausgearbeitete Elementarstruktur ist noch zu bemerken, daß dieses Kapitel nicht als irgendein Teil neben anderen Teilen, sondern als die Konvergenzsphäre, auf die die ganze vorausgehende Entwicklung zusteuert, zu verstehen ist (das letzte Kapitel „Die absolute Idee“ legt nur das Resultat der Dialektik der „Idee des Erkennens“ dar). Der Begriff in dieser Sphäre seiner Entwicklung ist in einer mit anderen Stufen des logischen Ganges nicht vergleichbaren Weise der In-begriff des logischen Ganzen, das Letzte als die dem ganzen logischen Verlauf zugrundeliegende Einheit im Sinne der ursprünglichen Elementarstruktur. Um die Entsprechungsfrage zu klären, müssen die Hauptlinien des Kapitels nachgezeichnet werden. Der Ausdruck „Die Idee des Wahren“^®^ hat bei Hegel eine doppelte Bedeutung: Er meint einerseits das endliche Erkennen^^^ in Abhebung vom spekulativen^^^ oder absoluten^^'^ Erkennen, andererseits das Erkennen als solches im Unterschied zum Wollen. Als „analytisches“ und „synthetisches“ Erkennen ist das endliche Erkennen nichts anderes als der logische Ausdruck für jene Elementarstruktur, die phänomenologisch Bewußtsein (bis zum Anfang der Gestalt des verständigen Bewußtseins) und noologisch theoretischer Geist (bis zur zweiten Unterstufe des Denkens) heißt; die „Idee des Guten“ entspricht dem Selbstbewußtsein bzw. dem praktischen Geist. Dazu muß noch folgendes bemerkt werden: „Die Idee des Erkennens“ ist ein Teil der Logik des Begriffs, aber dies ist so zu verstehen, daß in dieser Idee in ausdrücklicher Weise die logischen Sphären des Seins und des Wesens wiederaufgenommen und neuinterpretiert werden. Die oben aufgestellten Entsprechungen besagen also nicht nur keinen Widerspruch zu den früheren Ausführungen, denen zufolge die Entsprechungen zum Bewußtsein bzw. zum theoretischen Geist in der Logik des Seins und des Wesens zu sehen sind, sondern dies liegt streng in der Konsequenz jener Ausführungen selbst. Insofern die logischen Sphären des Seins und des Wesens dem Begriff vorausgehen, werden sie noch als isolierte einzelne Stufen der Genesis des Begriffs aufgefaßt; innethalb der Sphäre des Begriffs selbst kommen diese Stufen erneut vor, nur nicht mehr als Vorstufen, sondern ausdrücklich als Entwicklungsmomente des Begriffs. Analytisches und synthetisches Erkennen sind in diesem Sinne als Momente des Begriffs aufzufassen: sie sind 264 Ygj

II 439-477; in der Enzyklopädie ist dieser Abschnitt nur mit „a) Das

Erkennen“ (§§ 226-232) überschrieben. 2«» Vgl. Enz. § 226; WL II 440, 451, 491 u. ö. 26» Vgl. WLII 441. 2" Vgl. WL II 441, 505.

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II. Aufweis der Elementarstruktur

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Prämissen „in dem Schlüsse, wodurch sich die subjektive Idee ... mit der Objektivität zusammenschließt“^®®. Dies ist nun im einzelnen zu zeigen. Das analytische Erkennen ist die erste „bestimmende Tätigkeit des Begriffs auf das Objekt“, aber dies in dem Sinne, daß die gesetzte Bestimmung sich hier darstellt „als eine nur gefundene Voraussetzung, als ein Auffassen eines Gegebenen, worin die Tätigkeit des Begriffs vielmehr nur darin bestehe, negativ gegen sich selbst zu sein, sich gegen das Vorhandene zurückzühalten und passiv zu machen .. Kurz gesagt: Diese erste eigene Bestimmung des Begriffs ist die Bestimmung „des“ Seins, d. h. die Bestimmung als Sein. Aber dies muß richtig verstanden werden. Diese erste Stufe des sich betätigenden Begriffs, das unmittelbare Erkennen, bedeutet nicht etwa, daß in ihr nur die Kategorien der 5einssphäre „vorhanden“ wären. Indem nämlich die Analyse Erkennen ist, ist sie die Auflösung des Gegebenen in die Begriffsbestimmungen; denn sie besteht darin, „das gegebene Konkrete aufzulösen, dessen Untersdhiede zu vereinzeln und ihnen die Form abstrakter Allgemeinheit zu geben“®^®; kurz: das analytische Erkennen ist „die Verwandlung des gegebenen Stoffes in logische Bestimmungen“^^^. Nun können sich solche logischen Bestimmungen prinzipiell mit den Bestimmungen aller logischen Sphären decken, sie können also Bestimmungen des Seins, des Wesens und des Begriffs sein. Aber in dieser Hinsicht erscheinen die logischen Bestimmungen nur als Erzeugnisse der Analyse, also als Erzeugnisse des Denkens (wenngleich eines bestimmten Denkens). Dieselben Bestimmungen sind aber nicht nur Erzeugnisse des analytischen Denkens, sondern sie sind auch für das analytische Denken: in dieser - hier einzig relevanten — Hinsicht erscheinen alle logischen Bestimmungen als vereinzelte, beziehungslose, d. h. als gegebene, Vorgefundene oder „fertige“ Bestimmungen^^^. Diese das analytische Erkennen kennzeichnende Weise des Auffassens der Bestimmungen stellt also nur die erste Stufe des Begriffs - die Unmittelbarkeit, also die Stufe der Seinssphäre bzw. des unmittelbaren Bewußtseins bzw. der Anschauung - dar. Die Bedeutung dieses unmittelbaren Erkennens kann in besonderer Weise hinsichtlich jener Bestimmungen gezeigt werden, die in sich und von sich aus schon ein Ver'hältnis besagen, wie z. B. Ganzes und Teile, Ursache und Wirkung und dgl.: für das analytische, d. h. unmittelbare Erkennen sind diese Bestimmungen „so fertige Verhältnisse, daß die eine Bestimmung an die andere wesentlich geknüpft vorgefunden wird“^^®. Obwohl also diese Denkbestimmungen „in sich“ etwas Synthetisches („wesentlich WL II 442. 2»» Ebd. 270 £nz. § 227. 2’* WL II 444. Die zwei hier angesprochenen Hinsichten entsprechen dem Allgemeinen als Form bzw. als Gehalt. Vgl. oben 186 ff. 22» WL II 445. 222

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C. Die Elementarstruktur

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geknüpft“) besagen, „ist dieser Zusammenhang für das analytische Erkennen ebensosehr nur ein Gegebenes als anderer Zusammenhang seines Stoffes und gehört daher nicht seinem eigentümlidhen Geschäfte an“^^^. Alle Denkbestimmungen werden also hier von der Stufe oder dem Standpunkt der Unmittelbarkeit des Begriffs (des Bewußtseins, des Geistes) her betrachtet. Der Übergang vom analytischen zum synthetischen Erkennen wird von Hegel ausdrücklich gekennzeichnet als der Übergang „von der Form der Unmittelbarkeit zur Vermittlung, der abstrakten Identität zum Unterschiede“, und dieser Übergang wird noch näher präzisiert als der Übergang „von der abstrakten Identität zum Verhältnisse oder vom Sein zur Reflexion “275 Damit sind die großen Entsprechungsvefhältnisse in aller Deutlichkeit ausgesprochen. Das synthetische Erkennen ist also die Tätigkeit des Begriffs, insofern er sich auf der Stufe des Wesens bzw. der Wahrnehmung, der Vorstellung, des vorstellenden oder reflektierenden Denkens „hält“. In dieser Perspektive wird „das Verschiedene als solches bezogen“^^®. Es handelt sich aber noch nidht um die „absolute Reflexiondie nur dem Begriff als solchem eignet; denn in dieser Stufe wird nur jene Einheit der Verschiedenen erreicht, die als Notwendigkeit - also in der Sphäre des Wesens -, nicht als freier Begriff erscheint. Die detaillierte Explikation dieser Zusammenhänge müßte auf den Übergang von der Sphäre des Wesens — die in ihrer höchsten Spitze Notwendigkeit heißt — in die Sphäre des Begriffs eingehen. Darauf weist Hegel im übrigen ausdrücklich hin^^®. Die sachliche Notwendigkeit des Übergangs zum synthetischen Erkennen liegt darin, daß die vom analytischen Erkennen festgehaltenen Bestimmungen eben Bestimmungen sind, d. h. sie sind „von dieser Natur, daß sie sich auf ein Anderes beziehen“^^®. Als nähere Momente des synthetischen Erkennens werden von Hegel die Definition, die Einteilung und der Lehrsatz (in der Enzyklopädie: das „Theorem“) angegeben und erörtert. Diese Momente werden den Bestimmungen des Begriffs: Allgemeinheit-Besonderheit-Einzelheit unter- bzw. zugeordnet. Nun ist audh hier zu beachten, was oben über das analytische Erkennen gesagt wurde: zwar gehören diese Bestimmungen, „in sich“ betrachtet, der Begriffssphäre an, sie werden aber vom synthetischen Erkennen nicht „begrifflich“, sondern eben nur „synthetisch“ erfaßt®®». Ebd.; vgl. auch 450. WL II 450. Ebd. Ebd. Vgl. WL II 477. «» WL II 450. *8® Über den Terminus „Synthesis“ sagt Hegel im Kontext einer Kritik an Kant; „Schon der Ausdruck: Synthesis leitet leicht wieder zur Vorstellung einer äußerlichen Einheit und bloßen Verbindung von solchen, die an und für sich getrennt sind“ (WL II 227).

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II. Aufweis der Elementarstruktur

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Hegels Ausführungen über die drei Momente des synthetischen Erkennens können hier nicht im einzelnen verfolgt werden. Für das Ziel dieser Arbeit sind die Strukturzusammenhänge von Wichtigkeit. Es sei nur nodh auf Hegels Bemerkungen über die Grenzen dieser synthetischen Methode hingewiesen, da darin noch einmal die großen Zusammenhänge zum Vorschein kommen. Wenn schon für die Geometrie und Algebra diese Methode ihre Grenze bekundet, „so zeigt sidh die synthetische Methode für andere Wissenschaften von Anfang an um so ungenügender, am ungenügendsten aber bei der Philosophie“®®^, und zwar deshalb, weil in ihr die Voraussetzungen oder Grundlagen keiner wahrhaften Prüfung unterzogen werden. Und Hegel faßt zusammen: „Indem das Prinzip der Philosophie der unendliche freie Begriff ist und aller ihr Inhalt allein auf demselben beruht, so ist die Methode der begrifflosen Endlichkeit nicht auf jenen passend.“®®® Die währe Methode der Philosophie ist weder die analytisdhe noch die synthetische, sondern die absolute. Doch bevor darauf eingegangen wird, muß noch die Entsprechungsfrage hinsichtlich der Idee des Guten oder des Praktischen erörtert werden. Im Lichte der bisherigen Ausführungen dürfte diese Frage nicht mehr schwer zu beantworten sein, um so mehr als Hegel ausdrücklidh darauf eingeht. Er schreibt nämlich: „Die Idee tritt ... hier in die Gestalt des Selbstbewußtseins und trifft nach dieser einen Seite mit dessen Darstellung zusammen.“®®® In strikter Folgerichtigkeit zu den in diesem Abschnitt herausgearbeiteten Entsprechungen bemerkt er, daß der praktischen Idee das Moment des Bewußtseins fehlt, und fügt hinzu: „Dieser Mangel kann auch so betrachtet werden, daß der praktischen Idee noch das Moment der theoretischen fehlt.“®®^ Wenn man noch die darin mitgemeinte Entsprechung zum praktischen Geist (Noologie) hinzunimmt, so rundet sich der ganze Kreis der gleichursprünglichen Entsprechungen vollkommen ab. Daß die absolute Idee der phänomenologisch erreichten Vernunft und dem noologisch aufgezeigten freien Geist entspricht, ergibt sich daraus, daß Hegel gleich anschließend die absolute Idee den vernünftigen, freien Begriff nennt®®®. Damit dürfte erwiesen sein, daß Logik, Phänomenologie und Noologie eine gleichursprüngliche Entsprechungseinheit bilden. In welchem genaueren Sinn diese gleichursprüngliche Entsprechungseinheit die Elementarstruktur der Philosophie Hegels bildet, ist noch zu zeigen.

28» WL II 473. 282 WL II 476. 288 WL II 480. 285 Ebd. 285 Vgl. WL II 484.

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C. Die Elementarstruktur III. ELEMENTARSTRUKTUR UND METHODE 1. Die absolute Idee als Methode und Struktur

Beim Versuch, den Sinn der absoluten Idee zu erschließen, sollte sich der Interpret an Hegels Worte erinnern: „Wenn von der absoluten Idee gesprochen wird, so kann man meinen, hier werde erst das Rechte kommen, hier müsse sich Alles ergeben. Gehaltlos deklamiren kann man allerdings über die absolute Idee, in das Weite und Breite; der wahre Inhalt ist indes kein anderer als das ganze System, dessen Entwicklung wir bisher betrachtet haben.“^®® Zum gehaltlosen Deklamieren gehört auch das stereotype Wiederholen von unverstandenen und unerschlossenen Formulierungen Hegels. Worum es hier im Grunde geht, kann so formuliert werden: Wie ist Hegels Charakterisierung der absoluten Idee als der wahrhaften oder absoluten Methode zu deuten? Ferner: In welchem Sinne ist die absolute Idee auch als Struktur zu fassen? a) Die Bestimmung der Idee als Methode

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a) Die Idee und ihre Bestimmtheit (die Idee als Form und Inhalt) Das Kapitel „Die absolute Idee“ in der Wissenschaft der Logik beginnt mit der Charakterisierung der absoluten Idee als der Identität der theoretischen und der praktischen Idee (erster Absatz), wobei mehrere Formulierungen, auf die in dieser Arbeit schon Bezug genommen wurde, Vorkommen. Der außerordentlich konzentrierte zweite Absatz^®^ erläutert den Sinn der absoluten Idee erstens hinsichtlich des realsystematischen Ganzen und zweitens hinsichtlich des logischen Ganzen. Auf die erste Hinsicht wurde schon im Zusammenhang der Problematik des Verhältnisses von Logik und Realsystematik eingegangen®®®. Die zweite Hinsicht betrifft einen logikimmanenten Sachverhalt: die Bestimmung der absoluten Idee als Rück-sicht auf das Ganze der Logik, auf das logische Ganze. In dieser Bestimmtheit enthüllt sich die absolute Idee als Methode. Dieser Sachverhalt ist nun auf das genaueste herauszuarbeiten. Die Bestimmung der absoluten Idee als Methode wird von Hegel auf der Grundlage des Schemas Form-Inhalt erarbeitet. Hegels zentrale Aussage lautet: „Die logische [d. h. hier: die absolute] Idee hat somit sich als die unendliche Form zu ihrem Inhalte . . .“®®® Wie sind nun Form und Inhalt in der Dimension des Logischen sowohl identisch als auch unterschieden? Es ist Enz. § 237 Zusatz (Werke. Bd 6. 409). WL II 484-485. Vgl. oben 52 ff. 28» II 485. Ähnlich Enz. § 237: „Für sich ist die absolute Idee, weil kein Übergehen noch Voraussetzen und überhaupt keine Bestimmtheit, welche nicht flüssig und durchsichtig wäre, in ihr ist, die reine Form des Begriffs, die ihren Inhalt als sich selbst anschaut.“

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III. Elementarstruktur und Methode

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davon auszugehen, daß der Begriff oder die Idee keine „triviale, leere“^*®, sondern eine dialektische, d. h. sich mit sich zusammenschließende, damit sich bestimmende — d. h. Bestimmungen setzende - Identität ist. Und nun sagt Hegel: „ ... der Inhalt ist überhaupt nichts anderes als solche Bestimmungen der absoluten Form, — der durch sie selbst gesetzte und daher auch ihr angemessene Inhalt.Absolute oder unendliche Form ist von Bestimmung nicht zu trennen, und doch ist die unendliche Form als absolute Idee nicht schlechthin identisch mit den Bestimmungen. Dies wird von Hegel so angegeben: „Die Methode ist ... nicht äußerliche Form, sondern die Seele und der Begriff des Inhalts, von welchem sie nur unterschieden ist, insofern die Momente des Begriffs [d. h. hier des adäquaten Begriffs = der Idee] auch an ihnen selbst in ihrer Bestimmtheit dazu kommen, als die Totalität des Begriffs zu erscheinen.Zwischen der Methode als der unendlichen Form bzw. absoluten Idee und den Bestimmungen besteht zwar keine Trennung, wohl aber eine Differenz der Inadäquatheit in dem Sinn, daß im Selbstbestimmungsprozeß der absoluten Form oder Idee die jeweilige Bestimmtheit (also Differenz!) in aller Wahrheit die Bestimmtheit der Idee (also Identität!), d. h. die Totalität der Idee ist. Bestimmtheit der Idee besagt demnach die Offenbarkeit der Idee, und dies besagt wieder, daß die Idee als ganze sich offenbart und de-finiert. Das Entscheidende ist also die Einsicht, daß die Bestimmtheit eben Bestimmtheit der Idee, und zwar der Totalität der Idee besagt. Dies wird von Hegel immer wieder hervorgehoben, so wenn er sagt, daß die Bestimmtheiten des subjektiven Begriffs „an ihnen selbst der totale Begriff sind“^®®. Es bestdht also eine je-weilige Identität zwischen der Idee als Form und der Bestimmtheit: die Bestimmtheit ist die jeweilige Idee. Aber eben dadurch und darin ist eine Differenz zwischen der Idee und der Bestimmtheit ausgesprochen, denn die Idee hat nicht nur eine Bestimmtheit, sondern ist ein System von Bestimmtheiten. Die je-weilige Bestimmtheit der Idee als die jeweilige Idee nennt Hegel in der Logik den Inhalt (der Idee) als von der Form (der Idee) unterschieden. Die Totalität dieser Bestimmtheiten oder dieser Inhalte ist demnach das System des Logischen®®^. ä«» WL II 231. Ebd. Vgl. auch Enz. § 243: „. . . diese Bestimmtheit oder der Inhalt . . .“ Enz. § 243; vgl. auch § 237. 293 II 260. Zu vergleichen sind auch folgende wichtige Stellen: „.. . jedes jener Momente [Allgemeinheit-Besonderheit-Einzelheit] [ist] so sehr ganzer Begriff als bestimmter Begriff und als eine Bestimmung des Begriffs“ (WL II 239); „... daß die dem Unterschiede angehörigen Bestimmungen selbst jede die Totalität ist“ (WL II 262). 294 YgJ_ Enz. § 237. In einem ungemein konzentrierten Satz drückt Hegel diese Identität bzw. Differenz so aus; „Indem diese Bestimmtheit oder der Inhalt sich mit der Form zur Idee zurückführt, so stellt sich diese als systematische Totalität dar, welche nur Eine Idee

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C. Die Elementarstruktur

Erst von hier aus kann gesagt werden, was Hegels Aussage bedeutet, daß die absolute Idee sich als die unendliche Form zu ihrem Inhalt hat. Damit wird zunächst zum Ausdruck gebracht, daß die Idee wesentlich Bestimmtheit (Inhalt) besagt, dann aber auch, daß auf der „Höhe“ der Absolutheit oder Unendlichkeit der Idee es sich nicht mehr um eine je-weilige Bestimmtheit, Sonden um Bestimmtheit überhaupt handelt. Hier erfaßt sich die Idee nicht mehr nur als die so oder so bestimmte, mit diesem oder jenem Inhalt, sondern sie erfaßt sich überhaupt als Idee: sie ist für sich selbst die Bestimmtheit oder der Inhalt geworden^®®. Sie erfaßt sich als die absolute oder unendliche Form in dem Sinne, daß sie vom Inhalt nicht nur nicht absieht, sondern alle Bestimmtheit oder allen Inhalt in sich einschließt, insofern sie sich als die Form (die Methode) jeder Bestimmtheit bzw. jedes Inhalts erweist. Indem die Idee oder Form sich zu sich selbst befreit, entfernt sie sich nicht von der Konkretheit der Bestimmtheit, sondern senkt sich noch tiefer in diese Konkretheit ein. ß) Von der absoluten Idee als der unendlichen Form zur Idee als Methode

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Wie ist nun der letzte große in der Wissenschaft der Logik dargelegte .Schritt, nämlich der Schritt von der Identität bzw. Differenz von Form (Idee) und Inhalt zur Bezeichnung der unendlichen Form bzw. absoluten Idee als Methode, zu verstehen? Die Überleitung wird von Hegel in der Wissenschaft der Logik folgendermaßen formuliert: Indem die Idee sich selbst zum Inhalt hat, so heißt das, „daß die Idee hiernach als die schlechthin allgemeine Idee ist. Was also hier noch zu betrachten kommt, ist somit nicht ein Inhalt als solcher [= eine jeweilige Bestimmtheit], sondern das ist, deren besondere Momente ebensowohl an sich dieselbe sind, als durdi die Dialektik des Begriffs das einfache Fürsichsein der Idee hervorbringen“ (Enz. § 243). Hier zeigt sich: Der jeweiligen Bestimmtheit, insofern sie Inhalt genannt wird, steht die Form gegenüber, und zwar in dem Sinn, daß die Form auf diese Bestimmtheit nicht reduzierbar, wenngleich wesentlich darauf bezogen ist. Dies und nichts anderes ist der Sinn des folgenden Satzes aus der Wissenschaft der Logik, der sonst schlechterdings unverständlich erscheint; die Form macht „insofern den Gegensatz zum Inhalt [aus] . . ., als dieser die in sich gegangene und in der Identität aufgehobene Formbestimmung so ist, daß diese konkrete Identität gegenüber der als Form entwickelten [d.h. gegenüber der absoluten Idee] steht; er hat die Gestalt eines Andern und Gegebenen gegen die Form, die als solche schlechthin in Beziehung steht und deren Bestimmtheit zugleich als Schein [d. h. in einem als selbständiges Anderes und als nichtiges Anderes] gesetzt Ist“ (WL II 485). 295 Ygj auch WL II 485: „. . . für sich . . . hat sie [die absolute Idee] sich als dies gezeigt, daß die Bestimmtheit nicht die Gestalt eines [jeweiligen] Inhalts hat, sondern schlechthin als Form [ist].“ Man kann diesen Sachverhalt mit der Heidelberger Enzyklopädie auch so ausdrücken: „Der Unterschied von Form oder Methode und Inhalt macht sich hierin selbst verschwinden“ (HEnz. § 190). Doch diese Formulierung ist insofern einseitig, als sie nicht zum Ausdruck bringt, daß die absolute Idee als unendliche Form nicht vom Inhalt absieht, sondern allen Inhalt in sich faßt.

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Allgemeine seiner Form, - d. i. die Methode.Zunächst ist zu beachten, daß die Allgemeinheit, von der hier die Rede ist, innerlogisch gemeint ist; sie ist also auf die logischen Bestimmtheiten oder Inhalte bezogen, die die jeweilige Konkretisierung der logischen Idee ausmachen. Ferner ist zu beachten, daß im selben Absatz in der Wissenschaft der Logik vom Logischen als von der allgemeinen Weise der Idee im Unterschied von den realsystematischen Sphären als den besonderen Gestaltungen der Idee die Rede ist. Es ist nun klar, daß die absolute Idee als Methode - d. h. als die hinsichtlich der logischen Bestimmtheiten allgemeine Form — auch hinsichtlich der realsystematischen Gestaltungen allgemein zu nennen ist, wenngleich hinzuzufügen ist, daß diese zweite Allgemeinheit nicht nur der absoluten Idee, sondern allen logischen Bestimmungen zukommt, charakterisiert doch diese Allgemeinheit das Logische als solches und als ganzes. Wenn nun die absolute Idee als die Methode das Allgemeine der Form des Inhalts genannt wird, so heißt dies, daß sie die alle Bestimmtheiten und Inhalte durchdringende und durchziehende innere Bewegtheit ist. Sie ist also in jeder Bestimmtheit gegenwärtig, indem sie mit jeder Bestimmtheit zusammenfällt und gleichzeitig jede Bestimmtheit übersteigt. Im dritten und vierten Absatz bringt Flegel eine weitere allgemeine Charakterisierung der Methode, indem er besonders zwei Gesichtspunkte hervorhebt. Erstens hat die Methode als absolute Idee den Standpunkt der äußeren Reflexion oder Form überwunden. Es handelt sich also nicht mehr darum, „daß ein gegebenes Objekt die Grundlage sein könnte, zu der sich die absolute Form nur als äußerliche und zufällige Bestimmung verhielte _ “297 ErEärtet wird die Unwahrheit dieses äußerlichen Standpunkts durch den Hinweis auf den Grundbegriff des Logischen und im einzelnen auf den Verlauf des Logischen, „worin alle Gestalten eines gegebenen Inhalts und der Objekte vorgekommen sind“^®®. Dies bedeutet alles andere als eine oberflächlich aufgefaßte Idealisierung der Gegenstände oder ein die Erfahrung ignorierendes „absolutes System“; vielmehr bedeutet dies, daß es keine „fertigen“ Objekte gibt, daß die Erfahrung wesentlich Vermittlung einschließt. Diesen Aspekt hebt Hegel besonders hervor, indem er noch einmal auf das endliche Erkennen eingeht. Für dieses Erkennen ist die Methode nur Werkzeug und Mittel, wodurch Subjekt und Objekt zusammengeschlossen werden; aber in diesem Zusammenschluß bleiben die Extreme noch „verschiedene, weil Subjekt, Methode und Objekt nicht als der eine identische Begriff gesetzt sind“^®®. Der eine identische Begriff wird erst vom „spekulativen“ oder „wahrhaften Erkennen“ erreicht, in dem „die Methode nicht nur eine »« TjfTL II 485; vgl. auch Enz. § 237. Ebd.

2

2" WL II 486. 29» WL II 487.

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C. Die Elementarstruktur

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Menge gewisser Bestimmungen [ist], sondern das an und für sich Bestimmtsein des Begriffs, der die Mitte nur darum ist, weil er ebensosehr die Bedeutung des Objektiven hat, das im Schlußsätze daher nicht nur eine äußere Bestimmtheit durch die Methode erlangt, sondern in seiner Identität mit dem subjektiven Begriffe gesetzt ist“®““. Daß also die absolute Methode nicht als subjektives Tun, als äußerliche Reflexion über ein Objekt aufzufassen ist, besagt nicht, daß die Dimension der Subjektivität ignoriert wird, so daß etwa einer einseitigen objektivistisch-metaphysisch-ontologischen Methode das Wort geredet würde; dies widerspräche der in dieser Arbeit aufgezeigten Elementarstruktur, die das „Subjektive“ im Sinne des Transzendentalen als ein unabdingbares Moment einschließt. „Der eine identische Begriff“ ist in aller Stringenz als der Zusammenschluß der Momente „Subjekt“ und „Objekt“ zu verstehen®“^. Daß die „subjektive“ oder „transzendentale“ Dimension nicht ignoriert wird, bedeutet andererseits nicht im geringsten, daß damit die Methode auf hört, etwas anderes zu sein als „die eigene Methode jeder Sache selbst“®“®. Hier erweist sich die ganze Originalität und die wahre Tragweite der Elementar Struktur der Philosophie Hegels. Dies führt uns zum zweiten von Hegel herausgehobenen Gesichtspunkt®“®, nämlich zur genaueren Charakterisierung der Methode. Sie ist die „Bewegung des Begriffs .. . die allgemeine absolute Tätigkeit, die selbst bestimmende und selbst realisierende Bewegung ist“®“^. Hegel verwendet andere ähnliche Ausdrücke, um die Eigentümlichkeit der Methode zu bezeichnen: sie ist „die schlechthin unendliche Kraft“, „die höchste Kraft oder vielmehr die einzige und absolute Kraft der Vernunft . . .“®“® Der so verstandenen Methode kann kein Objekt Widerstand leisten, sofern es sich in seiner Wahrheit zeigen soll; denn von Wahrheit kann nur die Rede sein, insofern etwas „der Methode vollkommen unterworfen ist“®“®. s»» Ebd. Vgl. 206 ff. Im übrigen erläutert Hegel den „wahrhaften Sinn“ der Allgemeinheit der Methode unter dem ausdrücklichen Hinweis auf die subjektiv-objektive Struktur: wird die Allgemeinheit nur im Sinn der Ae/lexfonjallgemeinheit genommen, so ist sie „nur als die Methode für alles genommen; nach der Allgemeinheit der Idee aber ist sie sowohl die Art und Weise des Erkennens, des subjektiv sich wissenden Begriffs, als die objektive Art und Weise oder vielmehr die Substantialität der Dinge . . .“ (WL II 486). »»2 WL II 486. Bei Hegel steht dieser Gesichtspunkt an erster Stelle. Hegel bringt die Kritik an der Methode als äußerlicher Reflexion getrennt von der Kritik am suchenden Erkennen. WL II 486. Ebd. Ebd. Diese absolute Herrschaft der Methode und der Vernunft ist der Punkt, an dem sich der größte Unterschied zwischen Hegel und Heidegger zeigt. Jede von Heidegger inspirierte Philosophie ist geneigt, in den Aussagen Hegels die denkbar größte „Vergessenheit“ der ursprünglichen Wahrheit des Seins zu erblicken. Eine solche in allen denkbaren

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y) Einheit und Unterschiedenheit von Methode und Struktur Damit ist der Punkt bezeichnet, an dem es möglich ist, den genauen Sinn der Einheit und Unterschiedenheit von Methode und Struktur anzugeben. Aus dem Dargelegten ergibt sich nämlich: Wenn Methode als die Bewegung des Begriffs (der Idee) aufzufassen ist, so ist unter Struktur die Bestimmtheit dieser Bewegung der Idee zu verstehen. Methode und Struktur sind demnach identisch und unterschieden in genau derselben Weise, wie absolute Idee und Bestimmtheit identisch und unterschieden sind. Es kann auch gesagt werden, daß die Methode die Struktur-in(als)-Bewegung oder die Bewegung-derStruktur und daß die Struktur die Bestimmtheit oder Konkretheit der Bewegung bzw. Methode ist. In der absoluten Idee fallen Methode und Struktur schlechterdings zusammen; denn die absolute Idee ist nichts anderes als die Selbigkeit von Bewegung und Bestimmtheit: sie ist die Bewegung des Sichbestimmens, genauer die Bewegung als Sichbestlmmen und als Selbstbestimmtheit. Die absolute Idee ist die allgemeine Struktur (= Bestimmtheit), die „alle Bestimmtheit [= Struktur] in sich enthält“®®^; denn allgemeine Struktur (= Bestimmtheit) besagt Bewegung-als-Bestlmmen. Faßt man also die Hegelsche „Bestimmtheit“ als „Struktur“ auf, so ist von Struktur überall dort zu sprechen, wo Bestimmtheit vorkommt. Im einzelnen wäre zu sagen: (1) Im Ausdruck „Elementarstruktur“ besagt der Terminus „Struktur“ die auf eine ursprünglichere oder „einfachere“ Bestimmtheit nicht weiter reduzierbare und allen weiteren Bestimmtheiten zugrundeliegende Urhestimmtheit: die ursprüngliche Definition der Idee (des Denkens, des Begriffs, der Vernunft, des Geistes), oder anders gesagt: die einfache Gestalt des Sinnes. Alle weiteren Bedeutungen und „Gestalten“ von Struktur enthüllen sich als die weiteren „Spezifikationen“®®® dieser ursprünglich-grundsätzli-

Variationen vorgebrachte Kritik trifft aber das eigentliche Denken Hegels nicht nur nicht, sondern bleibt selbst bei der Behauptung einer abstrakten Wahrheit stehen. Bei Hegel ist die Unterwerfung unter die Methode bzw. die Vernunft nichts anderes als der konkrete Weg der Befreiung zum Eigenen, zur „Freiheit des Ganzen“ (vgl. Enz. § 14), das der „Raum“ ist, in dem allererst Freiheit möglidi und wirklidi ist. Vgl. oben 211 f. 3»’ WL II 484. Dieser Terminus wird von Hegel in einem für den hier erörterten Sachverhalt wichti-t gen Text auf das Denken angewendet: „Das Denken, wie es die Substanz der äußerlichen Dinge ausmacht, ist auch die allgemeine Substanz des Geistigen. In allem menschlichen Anschauen ist Denken; ebenso ist das Denken das Allgemeine in allen Vorstellungen, Erinnerungen und überhaupt in jeder geistigen Thätigkeit, in allem Wollen, Wünschen usf. Dies alles sind nur weitere Specificationen des Denkens“ (Enz. § 24 Zusatz 1 [Werke. Bd 6. 46]).

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chen Bedeutung*®*. Unter Voraussetzung der enzyklopädischen Darstellung des Systems lassen sich die weiteren Bedeutungen von Struktur folgendermaßen angeben: (2) Struktur innerhalb des Logischen besagt die logische Bestimmtheit (den logischen Inhalt) der absoluten Idee (als der absoluten Form)*^®. (3) Struktur innerhalb der Realsystematik besagt die realsystematische Gestalt (Sphäre) als die je-weilige (realsystematische) Gestalt(ung) oder den je-weiligen (realsystematischen) Inhalt der Idee*“. Es ist hierbei zu bemerken, daß die Elementarsfr»^t»r sowohl als eine Bestimmtheit (= Urbestimmtheit) wie auch als eine Totalität von Bestimmtheiten - also einerseits als die Idee (die Vernunft, das Denken, der Geist), andererseits als die Totalität der logischen! Bestimmtheiten bzw. der phänomenologisch-noologischen Stufen - aufgefaßt werden kann. Doch ist diese Betrachtung, insofern sie nur bei der Unterscheidung bleibt, eine begrifflose Verstandesreflexion. Vernünftig-spekulativ gesehen stellt sich dieser Sachverhalt so dar: Die einzelnen Bestimmtheiten - im obigen Sinn - sind nur der Ausdruck der Urbestimmtheit; denn außerhalb dieser Urbestimmtheit sind sie überhaupt nicht faßbar und angebbar. - Will man aber diese Problematik auf die Spitze treiben, so kann man hier folgenden Einwand erheben: Gerade weil die einzelnen Bestimmtheiten die einzelnen Momente der Idee bzw. der Vernunft bzw. des Geistes ausmachen, wären sie im eigentlichen Sinne als das Elementare, als die Elementarstruktur anzusehen. Doch dazu läßt sich ein Doppeltes sagen. Erstens: Die erwähnten einzelnen Bestimmtheiten haben nur „Sinn“ - d. h. sind eben Bestimmtheiten - in jener Urbestimmtheit, die die Idee, die Vernunft, der Geist genannt wurde; diese Urbestimmtheit ist das Ursprünglichere, aus dem jene Bestimmtheiten als Bestimmtheiten allererst „entspringen“; nicht diese einzelnen Bestimmtheiten, sondern jene Urbestimmtheit muß man also Elementarstruktur im eigentlichen Sinne nennen. Zweitens: Zwar ist unbedingt daran festzuhalten, daß — wie diese Arbeit gezeigt hat - die einzelnen Bestimmtheiten als unterschiedene Momente aufzufassen sind; denn sie machen ebenso viele Stufen des Begriffs und ebenso viele Standpunkte des Begreifens aus; aber diese unterschiedenen Bestimmtheiten sind eben Stufen der Urbestimmtheit, das heißt also: sie sind die jeweilige Urbestimmtheit, aber doch die ganze Urbestimmtheit (also der je-wellige Begriff, aber doch der ganze Begriff: vgl. oben 205). Der schlechthin erste und ursprüngliche Bezugspunkt ist also immer die Urbestimmtheit als „Idee-Vernunft-Geist“. Diese Urbestimmtheit ist also mit Recht als die Elementarstruktur anzusehen. Terminologisch könnte man die logischen, phänomenologischen und noologlschen Momente bzw. Stufen die infrastrukturalen Bestimmtheiten der elementarstrukturalen (Ur-)Bestimmtheit „Begriff-Idee-VernunftGeist“ nennen. 3t» Diese logische Struktur ist gemeint in einem Satz wie dem folgenden: „Ihr [der Idee] ideeller Inhalt ist kein anderer als der Begriff in seinen Bestimmungen . . .“ (Enz. § 213). »’t In diesem Sinn wäre von der Struktur einer bestimmten realsystematischen Sphäre, etwa der Natur, des subjektiven Geistes, des Rechts, der Religion usw. zu sprechen. Struktur bedeutet hier die jeweilige Bestimmtheit, die die Idee in dieser Sphäre oder als diese Sphäre erlangt. Dabei ist an das zu erinnern, was in der Untersuchung B über die ursprünglichgrundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik, über den Vollsinn des Logischen, über das Ineinanderumschlagen der logischen und der realsystematischen Dimension usw. ausgeführt wurde. Erst dann kann folgender Text verstanden werden, der unmittelbar an den in der vorhergehenden Anmerkung zitierten Text anschließt: „. . . ihr [der Idee] reeller Inhalt [ = reelle Struktur] ist nur seine [d. h. des Begriffs] Darstellung, die er sich in der Form äußerlichen Daseins [also realsystematisch] gibt und diese [realsystematische] Gestalt in seiner Idealität eingeschlossen, in seiner Macht, so sich in ihr erhält“ (Enz. § 213).

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(4) Struktur hinsichtlich der „Gestalt“ des Gesamtsystems bedeutet die jeweilige Darstellungsa.xt oder -dimension der Idee: in diesem Sinn wäre von der enzyklopädischen, der phänomenologischen, der spekulativ-vernünftigen usw. Struktur des Systems zu sprechen. (5) Es kann auch von der Struktur eines bestimmten Werkes gesprochen werden, also von der Struktur der Wissenschaft der Logik, der Phänomenologie des Geistes usw. Struktur bedeutet hier die nähere literarische Bestimmtheit oder Form der Darstellung der Idee auf der Grundlage oder innerhalb des durch die Bedeutungen (1), (2), (3) und (4) schon bestimmten Rahmens. b) Die Struktur der Methode

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a) Die Momente der Methode Nach den allgemeinen Ausführungen über die absolute Idee als Methode betrachtet Hegel „das, was die Methode ausmacht, .. . die Bestimmungen des Begriffes selbst und deren Beziehungen, ... in der Bedeutung als Bestimmungen der Methode“®^^. Hegel spricht auch von den „Momenten der spekulativen Methode“®!®, anderen Worten: Er erörtert jetzt die Struktur, d. h. die Bestimmtheit der Methode als der Bewegung des Begriffs. Was Hegel als Struktur bzw. Bestimmtheit der Methode vorlegt, ist nichts anderes als die ganze Struktur bzw. Bestimmtheit der Logik selbst, der Inbegriff, die allgemeine Struktur bzw. Bestimmtheit, in die alle anderen — die je-weiligen - Bestimmtheiten bzw. Strukturen „zusammengegangen sind“®'^. Damit ist gesagt, daß die Momente der Methode die Kurzformel der Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie ausmachen. Auf diese Seite der Struktur der Methode ist in dieser Exposition besonders zu achten. Die Bestimmtheit bzw. Struktur der Methode enthüllt sich als Triplizität (bzw. Quadruplizität). Wie in dieser Arbeit schon mehrmals hervorgehoben wurde, ist Hegel sehr bemüht, das Mißverständnis abzuwehren, es handele sich um ein rein formales Schema. Erst im gegenwärtigen Zusammenhang wird der Sinn dieser Kritik voll ersichtlich. Wenn man aufzählen will, so kann man drei Momente angeben: (1) Anfang oder abstrakte Unmittelbarkeit, (2) Vermittlung, (3) konkrete (wiederhergestellte) Unmittelbarkeit. In welchem Sinne man ebenfalls von einer Quadruplizität sprechen kann, wird sich in der Betrachtung des Vermittlungsmomentes ergeben. (1) „Von höchster einfacher Natur“®*® ist das erste Moment, der Anfang, denn es hat keine andere Bestimmtheit bzw. Strukturiertheit als die des WL II 487.

313 Enz. § 238.

Enz. § 236.

WL II 488.

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C. Die Elementarstruktur

abstrakten und einfachen Allgemeinen. Auf welcher Ebene oder Sphäre man immer anfangen mag — also auf der Ebene des Seins, des Wesens, des Begriffs ... es handelt sich zuerst immer um ein Aufgenommenes, Vorgefundenes oder Assertorisches; denn in jedem Fall besagt der Anfang ein Unmittelbares. Daß der Anfang das Unmittelbare ist, dies geschieht „für sich aus dem einfachen Grunde, weil er der Anfang ist“®^®. Die Frage des Anfangs hatte Hegel ausführlich im Kapitel „Wie muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?“ am Anfang der Wissenschaft der Logik erörtert. Dabei hatte sich gezeigt, daß der Anfang „als ein Nichtanalysierbares, in seiner einfachen unerfüllten Unmittelbarkeit, also als Sein, als das ganz Leere zu nehmen“®^^ ist. Was nun am Anfang der Logik sich als Anfang erwies, dies wird am Ende der Logik wiederholt, und zwar auf der Ebene der absoluten Idee, als Moment der Methode: hier erweist sich der Anfang als begriffener Anfang, als vom Begriff (von der Idee) ausdrücklich bestimmter Anfang: „Von der spekulativen Idee aus ... Ist es [= das Unmittelbare oder Sein] ihr Selbstbestimmen, welches als die absolute Negativität oder Bewegung des Begriffs urteilt und sich als das Negative seiner selbst setzt. Das Sein, das für den Anfang als solchen als abstrakte Affirmation erscheint, ist so vielmehr die Negation, Gesetztsein, Vermitteltsein überhaupt und Vora«5gesetztsein. Aber als die Negation des Begriffs, der In seinem Anderssein schlechthin identisch mit sich und die Gewißheit seiner selbst ist, ist es der noch nicht als Begriff gesetzte Begriff oder der Begriff an sich.“^^^ Es ist sehr wichtig, den in diesem Text ausgesprochenen Sachverhalt genauestens zu erfassen. Der Anfang als das Sein Ist ein Unmittelbares, ein Vorgefundenes, Behauptetes, Vorausgesetztes; aber weil das Unmittelbare das Unmittelbare des Begriffs ist, so ist das Sein als das Vorausgesetzte ebensosehr das Sein als das vom Begriff Gesetzte: auf dieser ersten, anfänglichen Ebene setzt sich der Begriff in der Weise des Sichvoraussetzens, der Begriff ist er selbst in der Weise der Negation seiner selbst, kurz: der Begriff ist hier erst Begriff an sich. Das Erste, der Anfang, wird also hier vom Letzten, vom Ende, bestimmt, d. h. wörtlich: begriffen, als Begriff qualifiziert. So schreibt Hegel: „Dies Sein [= das Sein als Anfang, als Unmittelbares] ist darum als der noch unbestimmte, d. i. nur an sich oder unmittelbar bestimmte Begriff ebensosehr das Allgemeine.Das Sein als der Anfang ist also eine Unmittelbarkeit, die allgemein, und eine Allgemeinheit, die unmittelbar ist®^®. Es ist aufschlußreich, darauf hinzuweisen, daß Hegel diesen spekulativen Anfang als die Aufhebung der beiden Anfänge des endlichen Erkennens 31» Enz. § 238. »n ^5{rL I 60. »>» Enz. § 238. »i» Ebd. »3» Vgl. die früheren Ausführungen oben 202 ff.

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III. Elementarstruktur und Methode

nämlich der analytischen und der synthetischen Methode - deutet. Würde das Sein als „reine“, d. h. hier nichtallgemeine Unmittelbarkeit genommen, so wäre es der Anfang im Sinne der analytischen Methode; würde aber der Anfang als bloße Allgemeinheit genommen, so wäre es der Anfang im Sinne der synthetischen Methode. Die analytische Methode sieht nicht ein, daß das Unmittelbare selbst, das Sein, schon allgemein, d. h. der Begriff an sich ist, daß also das Allgemeine nicht erst das Ergebnis einer Abstraktion vom „gegebenen Konkreten“®^^ ist; kurz: sie bringt die Unmittelbarkeit mit der Allgemeinheit nicht zusammen. Umgekehrt sieht die synthetische Methode nicht ein, daß das Allgemeine selbst, bei dem sie den Anfang macht, zunächst nur Unmittelbarkeit - also nur Sein, nur Begriff an sich besagt; kurz: sie bringt die Allgemeinheit mit der Unmittelbarkeit nicht zusammen. Dazu Hegel: „Da aber das Logische unmittelbar ebenso Allgemeines als Seiendes, ebenso von dem Begriffe sich Vorausgesetztes als unmittelbar er selbst ist, so ist sein Anfang ebenso synthetischer als analytischer Anfang.“®®® In der spekulativen oder absoluten Methode sind also die Anfänge der beiden Methoden des endlichen Erkennens aufgehoben, damit aber auch aufbewährt. Es wird noch zu sehen sein, was dies im einzelnen bedeutet. (2) Das zweite Moment der absoluten Methode ist das Moment der Reflexion, der Vermittlung, „das Hervortreten der Differenz, das Urteil, das Bestimmen überhaupt“®®®. Mit diesem Moment ist nichts anderes gemeint als die Bestimmung des unmittelbaren Allgemeinen. Die Setzung dieser Bestimmung ist nur das Explizieren dessen, was im unmittelbaren Allgemeinen schon enthalten ist; denn unmittelbare Allgemeinheit besagt schon den Ansatz oder Anstoß zu einer weiteren Bestimmung; diese ist also in der unmittelbaren Allgemeinheit in der Weise schon enthalten, daß sie sich zugleich von dieser unterscheidet. Anders ausgedrückt: Im Ersten (Anfang) ist der Unterschied als Negation an sich enthalten, wobei sich diese Negation als der Antrieb des Fortgehens erweist. Konsequenterweise ist der Fortgang sowohl als analytischer wie auch als synthetischer Prozeß aufzufassen: „Dieser Fortgang ist ebensowohl analytisch, indem durch die immanente Dialektik nur das gesetzt wird, was im unmittelbaren Begriffe enthalten ist, - als synthetisch, weil in diesem Begriffe dieser Unterschied noch nicht gesetzt war.“®®^ Nur ist zu beachten, wie Hegel ausdrücklich hervorhebt, daß diese Termini jetzt eine „völlig“®®® andere Bedeutung haben als auf der Ebene des endlichen Erkennens. Die großen Entsprechungszusammenhänge liegen auf der Hand; denn sie werden schon in den hier verwendeten Termini „Vermittlung“, „Reflexion“,

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321 Vgl. Enz. § 227. 323 Enz. § 239 A.

222 325

g^z. § 238 A. Vgl. WL II 491.

323 WL II 490.

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C. Die Elementarstruktur

„Urteil“, „Verhältnis“, „Unterschied“ usw. ausgesprochen. War das Denken im ersten, genauer als erstes Moment reines Anschauen oder anschauendes Denken, so ist es im zweiten bzw. als zweites Moment reflektierendes, urteilendes, vermittelndes, vorstellendes Denken. Dieses zweite Moment der Methode wird nun von Hegel als das eigentlich dialektische Moment expliziert. Indem das unmittelbare Allgemeine sich bestimmt, erweist es sich als vermittelt, als bezogen auf Anderes und somit als Anderes seiner selbst: „Das Zweite, das hiedurch entstanden, ist ... das Negative des Ersten .. Warum ist aber das Fortgehen bzw. die Vermittlung als Negation zu begreifen? Hegel versucht, auf vielerlei Weise diesen Sachverhalt begreiflich zu machen. Das Entscheidende ist im folgenden zu sehen: Das Fortgehen besagt die Bewegung einer Bestimmtheit; so unmittelbar und abstrakt-allgemein auch das erste Moment sein mag, es beinhaltet immer eine gewisse Bestimmtheit, denn das „Sein ist . .. als der noch unbestimmte, d. i. nur an sich oder unmittelbar bestimmte Begriff ebensosehr das Allgemeine“Nun ist es leicht einzusehen, daß jedes Anderswerden hinsichtlich einer Bestimmtheit ein Nicht dieser Bestimmtheit einschließt®^®. Jenes Denken, das dieses negativ-dialektische Moment nicht wesentlich berücksichtigt, ist kein bestimmtes Denken; denn es begreift die „Sache“ nicht in ihrer wahrhaften Bestimmtheit. Indem nun das Negative nicht unbestimmt, sondern bestimmt als das Negative des Ersten oder Unmittelbaren ist, ist es das Andere als das Vermittelte, das heißt: es ist kein leeres Nichts, sondern enthält die Bestimmung des Ersten in sich. Wie Hegel eindringlich hervorhebt, macht diese Positivität „das Wichtigste im vernünftigen Erkennen“®^® aus. Weil es aber Positivität besagt, ist das Negative als das Vermittelte auch das Vermittelnde. Hegel spricht vom ersten oder formellen Negativen (dem analytischen Aspekt des Dialektischen) und vom zweiten Negativen (dem synthetischen 52» WL II 494. 5” Enz. §238. Vgl. auch WL II 501: „. .. die Unbestimmtheit, welche jene logischen Anfänge [Sein, Wesen, Allgemeinheit] zu ihrem einzigen Inhalte haben, ist es selbst, was ihre Bestimmtheit ausmacht...“ 52» Diese Grundeinsicht drückt Hegel in der denkbar einfachsten Weise aus, wenn er sich in einer Berliner Rezension folgendermaßen mit einem Gegner auseinandersetzt: „Wie er [der Verfasser des rezensierten Werkes] das Verneinen im dialektischen Fortgange darstellt, in diese Verworrenheiten sich einzulassen, ist nicht möglich. Die Bewußtlosigkeit über die Negation in einem Fortgange geht ins Weite; S. 53 versichert er z. B. mit seiner gewöhnlichen Emphase: ,Der Übergang vom gewöhnlichen Denken zum spekulativen ist kein verneinender, sondern ein Erheben zu höherer Einsicht.' Getroffen! Geschieht denn nun aber ein Erheben ohne Weggehen, ist ein Höheres ohne ein Nicht? — Ist also nicht ein Weglassen, Verneinen, Abstrahieren darin enthalten?“ (BSchr. 3641. 52» WL II 495.

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III. Elementarstruktur und Methode

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Aspekt des Dialektischen), dem Negativen des Negativen oder der „absoluten Negativität“®^®. Es ist zu sehen, in welchem Sinne das Negative „den Wendungspunkt der Bewegung des Begriffes“®®* bildet. Diese Wendung „geschieht“ in dem durch die Negation des Unmittelbaren entstandenen Anderen, denn dieses Andere ist „das Andre an sich selbst, das Andre eines Andern“^^^. Dies bedeutet: Indem die Bewegung der Bestimmung bzw. der Negativität an diesem Punkt anlangt, negiert sie sich als formelle Negativität - d. h. als „herkunftslose“ Bewegung -, wendet sich also zurück in ihre eigene Herkunft, d. h. in den Anfang, in das Erste: „In diesem Wendepunkt der Methode kehrt der Verlauf des Erkennens zugleich in sich selbst zurück.“®®® Damit ist die absolute Negativität, die Negation der Negation, „die Herstellung der ersten Unmittelbarkeit, der einfachen Allgemeinheit“®®^ d. h. das dritte Moment der Methode erreicht. (3) Dieses zweite, erfüllte Unmittelbare stellt das dritte Moment der Methode dar - „wenn man überhaupt zählen will“®®®. Die Methode hat somit die abstrakte Form der Triplizität. Man kann aber im geschilderten Verlauf vier Momente sehen und entsprechend von der abstrakten Form der Quadruplizität sprechen: in diesem Fall hätte man das dialektische Moment der Negation als eine Zweiheit aufgefaßt und im ganzen Verlauf als zweites und drittes Moment angesetzt. Hegel betont immer wieder, daß das Aufzählen der Momente — also die Form der Triplizität bzw. Quadruplizität - „ganz nur die oberflächliche, äußerliche Seite der Weise des Erkennens“®®® ausmadit, was ihn allerdings nicht hindert, den von KANT „in bestimmterer Anwendung“ vorgelegten Aufweis dieser Form als „ein unendliches Verdienst“ anzusehen®®^. Der nähere Sinn des dritten Momentes, der erfüllten Unmittelbarkeit, wird im nächsten Abschnitt im Rahmen der Problematik um die Erweiterung der Methode zum logischen System zu erörtern sein. Hier ist noch eine Frage anzuschneiden, die auf vielerlei Weise im Laufe dieser Arbeit immer wieder auf getaucht ist: die Frage nach der Möglichkeit oder Erklärung der bestimmten Negation, also der Positivität der dialektischen Methode.

3»« WL II 497. TJJTL II 496. 332 Ebd. 333 WL II 497. 334 Ebd. 335 Ebd. 33« WL II 498. 333 Ebd. Hegel bemerkt, es sei „immer hoch zu schätzen, daß zunäciist auch nur die unbegriffene Gestalt des Vernünftigen aufgefunden worden“ (WL II 498). Sinn und Tragweite dieser Bemerkung sind aus dem in dieser Arbeit über die Dimensionen des Geistes Ausgeführten zu deuten: die Formalisierung der logischen Dimension ist eine Möglichkeit des Geistes; deren Sinn allerdings wird ganz verdeckt, wenn sie nicht als Formalisierung - also in ihrer Relativität zu jenem Ganzen, in dem sie wurzelt - verstanden wird.

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C. Die Eiern entarstruktur

ß) Die Problematik der bestimmten Negation oder der Positivität der dialektischen Methode Warum führt die Negation nicht zum leeren Nichts? Hegels zentrale Aussage darüber wurde schon früher in einem anderen Zusammenhang zitiert: „Das Einzige, um den wissenschaftlidien Fortgang zu gewinnen, ... ist die Erkenntnis des logischen Satzes, daß das Negative ebensosehr positiv ist, oder daß das sich Widersprechende sich nicht in Null, in das abstrakte Nichts auflöst, sondern wesentlich nur in die Negation seines besondern Inhalts, oder daß eine solche Negation nicht alle Negation, sondern die Negation der bestimmten Sache, die sich auflöst, somit bestimmte Negation ist, daß also im Resultate wesentlich das enthalten ist, woraus es resultiert; - was eigentlich eine Tautologie ist, denn sonst wäre es ein Unmittelbares, nicht ein Resultat.“®®® Ist die von Hegel behauptete Evidenz dieses Satzes wirklich gegeben? Handelt es sich gar um eine Tautologie? Auf diese Frage nach dem Aufweis der Möglichkeit der bestimmten Negation - eine Frage, die in gewisser Hinsicht die fundamentale Frage des Hegelschen Denkens ist - kann auf Grund der Ausführungen dieser Arbeit eine kurze und fundierte Antwort gegeben werden. Hegel behauptet also, daß die dialektisch verstandene Negation deshalb als bestimmte Negation zu fassen ist, weil sie Negation der bestimmten Sache ist, oder: weil das Resultat der Negation das enthält, woraus es resultiert. Ist diese Behauptung einsichtig? Der springende Punkt liegt in der behaupteten Notwendigkeit der Rückwendung der Denk- oder Begriffsbewegung in das Erste oder Unmittelbare. Diese Notwendigkeit kann folgendermaßen aufgezeigt werden: Wird die Negation nicht als ein abstrakter oder isolierter Schritt des Denkens, sondern als ein Moment im Denkproze^ aufgefaßt, so impliziert die Negation notwendigerweise den Bezug auf das vorhergehende Moment; dieser Bezug aber ist konsequenterweise ein Riickbezug; denn die Negation war eine Bewegung des Weg- oder Weitergehens. Der Rückbezug aber bedeutet dann, daß die Negation als Bewegung nicht ins Leere verläuft, sondern die anfängliche Sache wieder „erfaßt“, d. h. wiederherstellt oder erfüllt, kurz: bestimmt. Damit erweist sich die Negation als eine bestimmte. Ist damit die Notwendigkeit der Bestimmtheit der Negation aufgewiesen? Darauf kann weder mit einem eindeutigen Ja noch mit einem eindeutigen Nein geantwortet werden; denn die Qualifikation, d. h. die Angemessenheit oder Unangemessenheit der Antwort hängt von der Intention der Frage ab. Insofern die Fragestellung noch weiter radikalisiert werden kann, ist zu 338 WL I 35-36.

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III. Elementarstruktur und Methode

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sagen, daß die vorgelegte Erklärung ungenügend bzw. unangemessen ist. Und in der Tat kann die Frage noch radikalisiert werden: Warum muß der die Bestimmtheit der Negation begründende und enthaltende Rückbezug überhaupt berücksichtigt werden? Anders gefragt: Wie kann jener Bedingungssatz selbst aufgewiesen werden, an dem die ganze obige Erklärung hängt, nämlich der Satz: Wird die Negation nidht als ein abstrakter oder isolierter Schritt des Denkens, sondern als ein Moment im Denkprozeß aufgefaßt, so . . .? Anders formuliert: Warum kann die negative Denk- oder Begriffsbewegung nicht aufgefaßt werden als eine Reihe von leeren „Stellen“ oder isolierten Punkten - eine Reihe, die weder nach vorwärts noch nach rückwärts einen bestimmten, d. h. zusammenhängenden Bezug einschließt? Eine Antwort auf diese Frage muß auf den Prozeß-, d. h. auf den Totalitätscharnkter des Denkens bzw. des Begreifens hinweisen. Der Prozeß ist nämlich eine zusammenhängende Totalität, die sich selbst in allen ihren Momenten „gegenwärtig“, also mit sich zusammengeschlossen ist. Die Negation kann deshalb nicht als isolierter Punkt gesehen werden, weil sie als Bewegungsmoment in diesem Prozeß bzw. in dieser Totalität immer schon eingeschlossen und damit mit dem Prozeß bzw. der Totalität zusammengeschlossen ist. Was ist aber mit diesem Prozeß bzw. dieser Totalität gemeint? Sicher ist damit auch das Logische gemeint. Kann aber der Prozeß- oder Totalitätscharakter rein logisch aufgewiesen werden? Genau an diesem Punkt kommt die fundamentale Bedeutung und Tragweite der These der gleichursprünglichen Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie zum Vorschein. Zu der zuletzt aufgeworfenen Frage ist nämlich zu sagen, daß sie nicht rein logisch beantwortbar ist, da sie sich auf den Sinn der rein logischen Dimension selbst richtet. Ihre Beantwortung setzt voraus, daß die Dimension des rein Logischen schon definiert wurde, so daß schon feststeht, wie und als was logische Totalität bzw. logischer Prozeß — als Grundlage für den Aufweis der Notwendigkeit der bestimmten Negation — aufzufassen ist. Aber eben dies kann nicht rein logisch gezeigt werden; denn die De-finition des rein Logischen impliziert dasjenige, wovon es ab-gehoben wird. Man kann hier die Dinge drehen wie man will: Man kommt immer zu jenem Prozeß oder zu jener Totalität, die sich als gleichursprüngliche Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie erweist. Erst diese drei-dimensionale Elementarstruktur bietet den Schlüssel zur Beantwortung der in letzter Radikalität gestellten Frage nach der Möglichkeit und Notwendigkeit der bestimmten Negation; denn erst diese drei-dimensionale Elementarstruktur erweist sich als jene ursprüngliche Totalität, in der sich die Negation als immer schon in bestimmter Weise aufgehoben oder zumindest aufhebbar zeigt.

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C. Die Elementarstruktur

Damit ist die grundsätzliche Antwort auf die Frage nach dem Aufweis der bestimmten Negation gegeben*®^. Die Negation ist deshalb bestimmt, weil sie ein Moment jener Totalität ist, die „Denken“, „Vernunft“, „Geist“ genannt \drd. Diese Elementarstruktur ist der ursprünglidhste und einfachste „Fall“ von Dialektik, genauer: sie ist die Dialektik selbst. Alles Weitere sind nur Spezifikationen dieses ursprünglichen „Falles“. Freilich ist noch zu zeigen, wie diese Er-weiterung zu erklären ist. Diese Aufgabe ist jetzt in Angriff zu nehmen®^®.

y) Die „Erweiterung“ der Methode zum logischen System

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Hegels weitere Ausführungen am Ende der Wissenschaft der Logik betreffen 339 £)je vorgelegten Überlegungen über die Bestimmtheit der Negation stellen in teilweise anderer Form eine Grundeinsicht dar, die schon mehrmals in dieser Arbeit formuliert wurde. Vgl. besonders oben 182 Anm. 125 und 230 Anm. 309. In diesem Zusammenhang ist ein kurzer Hinweis auf die von Th. W. Adorno entwikkelte „negative Dialektik“ und die darin enthaltene Interpretation und Kritik der Hegelschen Dialektik angebracht. Seinen Haupteinwand gegen Hegels Philosophie - daß sie nämlich in allem die Versöhnung suche und das nun eben Bestehende sanktioniere, indem sie es als das verwirklichte Vernünftige erkläre - untermauert Adorno mit einer kritischen Strukturanalyse der Hegelschen Dialektik. Das Kennzeichnende und zugleich Unannehmbare der Hegelschen Dialektik erblickt Adorno in ihrem Identitäts- oder Positivitätscharakter: die Negation, der Widerspruch, das Nichtidentische seien bei Hegel durch Identität bzw. Positivität geglättet, woran sich zeige, daß Hegel den eigentlichen Sinn und das Gewicht des Negativen ignoriere (vgl. Th. W. Adorno: Negative Dialektik. Frankfurt/M. 1966. 160). „Die Gleichsetzung der Negation der Negation mit Positivität ist die Quintessenz des Identifizierens, das formale Prinzip auf seine reinste Form gebracht. Mit ihm gewinnt im Innersten von Dialektik das antidialektische Prinzip die Oberhand, jene traditionelle Logik, welche more arithmetico minus mal minus als plus verbucht“ (ebd. 159). Und Adorno führt weiter aus: „Indem, auf der jeweils neuen dialektischen Stufe, von Hegel wider die intermittierende Einsicht seiner eigenen Logik das Recht der vorhergehenden vergessen wird, bereitet er den Abguß dessen, was er abstrakte Negation schalt: abstrakte - nämlich aus subjektiver Willkür bestätigte - Positivität. [.. .] Die Negation der Negation macht diese nicht rückgängig, sondern erweist, daß sie nicht negativ genug war; sonst bleibt Dialektik zwar, wodurch sie bei Hegel sich integrierte, aber um den Preis ihrer Depotenzierung, am Ende indifferent gegen das zu Beginn Gesetzte. Das Negierte ist negativ, bis es verging. Das trennt entscheidend von Hegel“ (ebd. 160). - Dazu seien hier einige Bemerkungen gemacht. Erstens: Es ist mißverständlich und irreführend, von der Dialektik bei Hegel zu sprechen, wie Adorno es tut. Man läuft dabei Gefahr, die Dialektik zu einem hypostasierten universalen Gesetz zu machen, dessen Unhaltbarkeit man dann leicht demonstrieren kann. Von Dialektik aber - dies hat diese Arbeit gezeigt - kann in fundierter Welse nur dann die Rede sein, wenn man das Elementarstrukturale der Hegelschen Philosophie herausgearbeitet hat. Zweitens: Beachtet man das Elementarstrukturale als den methodischen Ort „der“ Dialektik nicht, so ist die von Adorno mit Recht aufgeworfene Frage nach dem Sinn der Negation bzw. des Widerspruchs weder nach der einen noch nach der anderen Seite rational entscheidbar. Von woher soll denn sonst entschieden werden, ob „die“ Dialektik „negativ“ oder „positiv“ aufzufassen oder — sozialpolitisch und historisch gewendet - ob ein sich dialektisch nennendes Denken als ein progressiv-revolutionäres oder als ein regressiv-konservatives Denken einzustufen ist? Anders formuliert: Die Frage, ob dem Identi-

III. Elementarstruktur und Methode

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die Erweiterung der Methode zum (logischen) System®^‘. Bisher wurden nur die abstrakten Momente der Methode erörtert. Die so aufgefaßte Methode ist im strengen Sinne die Struktur oder Bestimmtheit der absoluten Idee, also des Resultats oder des Inbegriffs der logischen Entwicklung. Was Hegel die Erweiterung der Methode zu einem System nennt, das ist an erster Stelle ein weiteres Begreifen der logischen Entwicklung selbst. Zwar ist die Angabe der Momente der Methode bzw. der absoluten Idee schon ein weiteres Begreifen der logischen Entwicklung, aber zunächst nur als zusammenfassendes Resultat. Jetzt wird dieses Begreifen der logischen Entwicklung bestimmter dargestellt, indem gezeigt wird, daß und wie die absolute Idee bzw. Mefhode als die unendliche Bewegung des Begriffs sich zu einem „System der Totalität“^'*^ der logischen Bestimmtheiten erweitert. Dieses Aufzeigen besteht in der erneuten Betrachtung des Inhalts oder der Bestimmtheit. Es handelt sich um eine Fortsetzung und Vertiefung jenes Sachverhalts, der schon bei der Ermittlung des Sinnes der absoluten Idee erörtert wurde. Durch die dialektische Bewegung erhält das anfängliche Allgemeine einen Inhalt, eine Bestimmtheit. Indem diese Bestimmtheit Resultat sehen oder dem Nichtidentischen der „Primat“ einzuräumen ist, kann auf der Ebene, auf der Adorno diese Frage stellt und erörtert, überhaupt nicht entschieden werden. Drittens: Vom Elementarstrukturalen als dem methodischen Ort „der“ Dialektik her ist zu sagen, daß sowohl die Negation als auch die Negation der Negation - als die wiederhergestellte oder erfüllte Unmittelbarkeit - wesentliche Momente des dialektischen Verlaufs sind. Wie diese allgemeine dialektische Struktur näher zu bestimmen ist, kann allein im Zuge dessen, was Hegel die Erweiterung der Methode nennt, ausgemacht werden. Der darin enthaltenen Problematik soll noch in den weiteren Ausführungen dieser dritten Untersuchung nachgegangen werden. Wie „hartnäckig“ oder weitreichend die Negation aufzufassen, wie und wann die Negation der Negation einzuführen ist, dies kann auf der Ebene der allgemeinen Rede von Dialektik überhaupt nicht ermittelt werden; darin ist vielmehr das in der Hegelschen Dialektik enthaltene, von ihr vorausgesetzte und sie tragende Moment des - man muß das Wort sagen - unverfügbar Geschichtlichen zu erblicken, jenes Moment, das nicht apriori, sondern allein „in“ der jeweiligen geschichtlichen Situation begriffen — d. h. als Gestalt einer bestimmten dialektischen Totalität aufgezeigt - werden kann. Freilich beruht diese Auffassung auf einer bestimmten Interpretation der Erweiterung der Methode und speziell des Moments der Unmittelbarkeit (vgl. unten 251 ff). Dabei ist für eine Kritik an Adornos „negativer Dialektik“ in besonderer Weise folgendes zu beachten: Um einerseits eine rein abstrakte Positivität (= Versöhnung) - als Resultat einer abstrakten Theorie „über“ die Wirklichkeit - und andererseits einen blinden, inhaltsleeren und rein destruktiven perennierenden revolutionären Prozeß - als ebenso abstraktes Ergebnis einer sich durch vernünftige Theorie nicht vermittelnden reinen Praxis (= reines „Sollen“) - zu vermeiden, ist auf zwei fundamentale Gesichtspunkte der in der vorliegenden Arbeit entwickelten Auffassung zu achten: zum einen auf die Bestimmtheit der Idee als die jeweilige - und zwar „ganze“ oder „totale“ - Idee, zum anderen auf die „Weise“, wie diese Bestimmtheit als die jeweilige Idee zustande kommt, nämlich die gegenseitige Ergänzung der beiden Teil-Ideen, der Idee des Wahren (= Theorie) und der Idee des Guten (= Praxis). 3« Vgl. WL II 500. ä« WL II 502.

C. Die Elementarstruktur

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ist, erweist sie sich als der wiederhergestellte Anfang und damit auch als „die nächste Wahtheit des unbestimmten Anfangs“®^®. Dies scheint nun in eine Aporie zu führen. Indem nämlich gesagt wird, die Bestimmtheit als Resultat sei die nächste Wahrheit des unbestimmten Anfangs, wird der Anfang „für sich“ betrachtet und von der resultierenden Bestimmtheit unterschieden. Anders gesagt: Das anfängliche Allgemeine und das erfüllte Allgemeine werden unterschieden. Damit aber zeigt sich der Anfang — das anfängliche Allgemeine - als ein Bestimmtes gegen die resultierende Bestimmtheit als das erfüllte Allgemeine. Daraus scheint nun zu folgen, daß der Anfang selbst kein Unmittelbares, sondern ein Vermitteltes und Abgeleitetes ist, was wiederum einen rückwärts gehenden unendlichen Prozeß im Beweisen und Ableiten zu implizieren scheint. Indem andererseits die resultierende Bestimmtheit als ein neuer Anfang betrachtet wird, aus dem durch den Verlauf der Methode wieder eine neue Bestimmtheit und damit wieder ein weiterer neuer Anfang hervorgeht, so scheint dies ebenfalls in einen vorwärts gehenden unendlichen Prozeß zu führen. Hegel bemerkt, es sei wiederholt gezeigt worden, „daß der unendliche Progreß überhaupt der begrifflosen Reflexion angehört“®“*^ und daß die absolute Methode nicht in eine solche Unendlichkeit führen könne. Hegels äußerst komprimierte und zum Teil dunkle Ausführungen darüber an dieser Stelle müssen hier auseinandergelegt werden; denn aus ihnen ist allererst verständlich zu machen, wie die Erweiterung der Mefhode aufzufassen ist. Der Methode will Hegel keine Grenzen setzen; in diesem Sinne schließt er keineswegs „Unendlichkeit“ aus. Wohl aber lehnt Hegel eine „schlechte Unendlichkeit“ ab, d. h. jene Unendlichkeit, die den Begriff oder die Idee also jene mit sich zusammengeschlossene Totalität, die das eigentliche Konkrete ist — überspringt. So bemüht er sich denn auch zu zeigen, daß die Methode als die dialektische Bewegung nicht zu einem unendlichen Regreß oder Progreß führt, sondern die konkrete Totalität als Ergebnis hat. Zuerst weist er nach, daß solche Anfänge wie Sein, Wesen, Allgemeinheit zwar eine Inhaltslosigkeit (Unbestimmtheit) bekunden, die sie zu „absolut ersten Anfängen“ zu machen scheint®^®, daß aber diese Inhaltslosigkeit in Wahrheit die Bestimmtheit selbst dieser Anfänge ausmacht, auf Grund deren es möglich ist, sie voneinander zu unterscheiden. Damit aber entsteht erneut die Frage nach dem Beweis oder Ableiten dieser unmittelbaren Bestimmtheit(en). Es handelt sich also darum, die beiden folgenden Einsichten in Einklang zu bringen: Einerseits macht die Inhaltslosigkeit (Unbestimmtheit) die erwähnten Anfänge nicht zu absolut ersten Anfängen, andererseits impliziert die WL II 500.

Ebd.

3« Vgl. WL II 501.

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III. Elementarstruktur und Methode

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Bestimmtheit oder der Inhalt dieser Anfänge - wie überhaupt jedes Anfangs - nicht einen unendlichen Regreß oder Progreß der Methode. Hegels Ausführungen über diesen Sachverlialt müssen genauestens beachtet werden. Es sei zuerst der wesentliche Text angeführt: „Von einer Seite ist die Bestimmtheit, welche sie [= die Methode] sich in ihrem Resultate erzeugt, das Moment, wodurch sie die Vermittlung mit sich ist und den unmittelbaren Anfang zu einem Vermittelten macht. Aber umgekehrt ist es die Bestimmtheit, durch welche sich diese ihre Vermittlung verläuft; sie geht durch einen Inhalt als durch ein scheinbares Andre ihrer selbst zu ihrem Anfänge so zurück, daß sie nicht bloß denselben, aber als einen bestimmten wiederherstellt, sondern das Resultat ist ebensosehr die aufgehobene Bestimmtheit, somit auch die Wiederherstellung der ersten Unbestimmtheit, in welcher sie angefangen. Die beiden Seiten, die Hegel hier zu erläutern versucht, scheinen folgendermaßen verstanden werden zu müssen: Die eine schließt den unendlichen Regreß, die andere den unendlichen Progreß aus. Der springende Punkt ist der Sinn der Bestimmtheit. Auf der einen Seite kann die Bestimmtheit betrachtet werden als das Resultat selbst, insofern es als Moment genommen wird, d. h. insofern es den Unterschied zum unmittelbaren Anfang als zum ersten Moment „setzt“; erst diese Bestimmtheit als Resultat aber macht den unmittelbaren Anfang zu einem Bestimmten, d. h. Vermittelten; denn diese Bestimmtheit ist nur im Gegenzug gegen die Bestimmtheit des Resultats — oder genauer: gegen die Bestimmtheit als Resultat - gegeben. Aber damit ist ein unendlich rückwärts gehender Prozeß als versuchte Demonstration oder Ableitung der anfänglichen Bestimmtheit gegenstandslos; denn die Bestimmtheit des Anfangs ist nicht schon am Anfang gegeben, sondern tritt allererst durch das Ende - also durch das Fortgehen — auf. Der Versuch also, diese Bestimmtheit durch einen immer radikaleren Regreß einzuholen, ist sinn-los und geht ins Leere, da er die Voraussetzung macht, daß die Bestimmtheit des Anfangs schon unabhängig vom weiteren Fortgehen als „fertige“ vorliegt. Durch diese erste Seite ist die Bestimmtheit des Anfangs noch nicht in ihrer vollen Wahrheit begriffen; denn damit ist nur jene Seite angesprochen, durch die ein falsches und leeres Rückwärtsgehen ausgeschlossen wird. Erst durch die andere, umgekehrte Seite wird die Bestimmtheit adäquat erfaßt und erklärt. Die Bestimmtheit ist zwar Resultat der Methode, aber sie ist dies nicht getrennt von der Vermittlung; denn die Methode läßt den Anfang nicht hinter oder außer sich, sondern im Resultat - genauer als Resultat — ist sie in aller Wahrheit die Vermittlung, d. h. die Bestimmung des Anfangs: die Bestimmtheit des Resultats bzw. als ResulWL II 501-502.

C. Die Elementarstruktur

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tat ist daher die wiederhergestellte Unmittelbarkeit als der bestimmte Anfang selbst. Aber die Bestimmtheit des Resultats ist nicht nur die wiederhergestellte Unmittelbarkeit des Anfangs, sondern sie ist „in dieser Allgemeinheit gleichfalls in die einfache Bestimmtheit zusammengegangen, welche wieder ein Anfang sein kann“^^^. Hegel sagt an dieser Stelle nicht, wie weit dieser Prozeß der neuen Anfänge — das heißt: das Fortgehen als „Fortwälzung“ des Erkennens „von Inhalt zu Inhalt“®^® - geht. Aber es dürfte klar sein, daß eine schlechte Unendlichkeit ausgeschlossen ist, und zwar dadurch, daß die Entwicklung der logischen Bestimmtheiten zur Idee, d. h. zum Sichselbsterfassen der ganzen Bewegung führt. Damit ist auch gesagt, wie früher gezeigt wurde, daß die jeweilige Bestimmtheit der „ganze Begriff“ oder die Idee in einer bestimmten Weise ist. Indem nun der unendliche Progeß als „schlechte Unendlichkeit“ das Konkrete und Bestimmte überspringt, ist er ausgeschlossen. Die Erweiterung der Methode geht also so vor sich, daß das jeweilige Resultat bzw. die jeweilige resultierende Bestimmtheit sich auf einer weiteren, höheren Ebene als neuer Anfang, also als Unbestimmtheit oder anfängliche Bestimmtheit eines neuen „Verlaufs“ oder „Zusammenschlusses“ erweist. Wie ist aber dieses Sicherweisen einer weiteren, höheren Sphäre zu verstehen? Hier muß auf die früheren Überlegungen über das Logische als Totalität — und zwar in Gleichursprünglichkeit mit dem Phänomenologischen und dem Noologischen - verwiesen werden®^®. Im Lichte jener Überlegungen wird ersichtlich, daß die Erweiterung von der allerersten Unmittelbarkeit, dem Sein, bis zur allerletzten Vollbestimmtheit, der Idee, fortschreiten muß, denn das Logische als diese Totalität ist, wenn man will, die ursprüngliche Gegebenheit selbst: sie ist die Vernunft, die, indem sie begreift, eben sich selbst auslegt. Aber eine andere Frage ist, wie die Erweiterung hinsichtlich der einzelnen Schritte innerhalb dieser großen Totalität und der Hauptmomente aufzufassen ist. Hier ist auf die Bedeutung der Unmittelbarkeit sehr zu achten; denn sie macht das Moment des Empirischen aus. Auf diesen Fragenkomplex soll ausführlich im nächsten Abschnitt (2) eingegangen werden. Die dort im Hinblick auf die Methode in realsystematischer Hinsicht angestellten Überlegungen sind entsprechend auf die Erweiterung der Methode in logischer Hinsicht zu beziehen. d) Die Methode als Einheit von Rückgang (Begründen) und Fortgang (Weiterbestimmen) : die logische Kurzformel der Elementarstruktur Es ist noch auf einen letzten Punkt einzugehen, der für die Zielsetzung dieWL II499.

3« WL II 502.

34» Ygi oben 174 ff.

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ser Arbeit von fundamentaler Bedeutung ist. Es handelt sich um das, was man die logische Kurzformel der Elementarstruktur nennen könnte. Am Ende der Wissenschaft der Logik zeigt Hegel, daß die Erweiterung der Methode als eine Bereicherung zu fassen ist; denn jeder neue, weitere Anfang enthält „die ganze Masse“*®® des vorhergehenden Inhalts, so daß durch das dialektische Fortgehen nicht nur nichts verloren geht, sondern eine wachsende Bereicherung (Bestimmung) des Begriffs erreicht wird. Hegel ist nun zum Schluß sehr darauf bedacht, die Gegenläufigkeit dieser Bewegung hervorzuheben: „Jede neue Stufe des Außersichgehens, d. h. der weitern Bestimmung ist auch ein In-sich-gehen, und die größere Ausdehnung ebensosehr höhere Intensität. Das Reichste ist daher das Konkreteste und Subjektivste, und das sidi in die einfachste Tiefe Zurücknehmende das Mächtigste und Übergreifendste.Dieses dialektische Verhältnis der Gegenläufigkeit drückt Hegel abschließend in einem Satz aus, der als die vollkommenste logische Formulierung der Elementarstruktur angesehen werden kann: „Auf diese Weise ist es, daß jeder Schritt des Fortgangs im Weiterbestimmen, indem er von dem unbestimmten Anfang sich entfernt, auch eine Rückannäherung zu demselben ist, daß somit das, was zunächst als verschieden erscheinen mag, das rückwärts gehende Begründen des Anfangs, und das vorwärts gehende Weiterbestimmen desselben ineinander fällt und dasselbe ist.“*®* Die Methode ist also der Ineinanderfall, die Selbigkeit, das Zugleich einer doppelten, in sich gegenläufigen Bewegung. Wie ist dies zu verstehen? Die Antwort darauf liegt jetzt auf der Hand; denn an dieser Stelle zeigt sich in aller Deutlichkeit die dem ganzen Denken Hegels zugrundeliegende Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie. Der Ineinanderfall der doppelten, in sich gegenläufigen Bewegung des Rückgangs und des Fortgangs ist nichts anderes als die kürzeste und genaueste Formulierung der Einheit jener zwei Dimensionen, die in der logischen, phänomenologischen und noologischen Sphäre eine jeweils andere Bezeichnung haben, und zwar in der Logik: Idee des Wahren (theoretische Idee) und Idee des Guten (praktische Idee), in der Phänomenologie: Bewußtsein und Selbstbewußtsein, in der Noologie: theoretischer und praktischer Geist. Die Einheit dieser Zweiheit wird in der Logik „absolute Idee“ (Methode), in der Phänomenologie „Vernunft“, in der Noologie „freier Geist“ genannt. Es handelt sich um dieselbe gleichursprüngliche Elementarstruktur als Idee-Vernunft-Geist. Die absolute Methode ist die logische Formel dieser Elementarstruktur. Es ist noch kurz der Sinn der obigen Formulierung der Methode zu erläutern. Will man die Einheit der beiden Bewegungsrichtungen zum Ausdruck brin““ WL II 502.

Ebd.

352 WL II 503.

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gen, so läßt sich nur dialektisch reden: das rückwärts gehende Begründen des Anfangs und das vorwärts gehende Weiterbestimmen fallen ineinander, sind dasselbe. Nennt man das unmittelbare Allgemeine das anfängliche Selbst, so ist die Selbst-Erfüllung (-Bestimmung) die Ausdehnung als die Intensität, das Außer-sich- als das In-sich-gehen. Jeder Schritt oder jedes Moment der Bewegung ist Schnittpunkt, Vereinigung, Ineinanderfall der beiden Richtungen; denn erst beide Richtungen zusammen, als Einheit, machen das Selbst als Totalität und als jeweilige Stufe aus. Deutet man das Rückwärtsgehen als die theoretische Dimension (Bewußtsein), das Vorwärtsgehen als die praktische Dimension (Selbstbewußtsein), so ist darin eine radikale Einheit von Theorie und Praxis ausgesprochen®®®. Es darf nach den langen Ausführungen dieser Untersuchung behauptet werden, daß die ungeheure Relevanz der Hegelschen Auffassung immer noch zu erschließen bleibt®®^. Erst auf der Grundlage der aufgehellten wesentlichen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens wäre das überaus aktuelle Problem des Verhältnisses von Theorie und Praxis in der Philosophie Hegels anzugehen. Wie ahnungslos die meisten Arbeiten, die sich mit diesem Problem beschäftigen, an diesen wesentlichen Zusammenhängen Vorbeigehen, könnte leicht gezeigt werden. M. Theunissen hat die meisten Arbeiten gesammelt und besprochen: Die Verwirklichung der Vernunft. Zur Theorle-Praxis-Diskussion im Anschluß an Hegel. Tübingen 1970. (Philosophische Rundschau. Beiheft 6.) Die formale Struktur der Gegenläufigkeit der logischen Bewegung wurde herausgearbeitet von U. Guzzoni: Werden zu sich. Eine Untersuchung zu Hegels ,Wissenschaft der Logik“. Freiburg-München 1963. Die Verfasserin legt ihren Untersuchungen „allein die zunächst ganz formale Feststellung zugrunde, daß das Absolute als Bewegung ist, als Selbstbewegung im Sinne einer Bewegung zu sich selbst, eines Werdens zu sich“ (7). Für sie gilt es als ausgemacht, daß das Absolute Gegenstand der Hegelschen Logik ist; sie fragt aber nicht, warum das Absolute als Selbstbewegung gedacht werde und wie es näher zu bestimmen sei (ebd.). Das Werden des Absoluten zu sich wird als eine in sich gegenläufige Einheit von Sich-Gründen und Sich-Begründen erläutert. Bei der Herausarbeitung dieser Struktur war die Absicht der Verfasserin, „Hegel nicht so sehr an ihm selbst“ zu betrachten, sondern auf ihn zu „sehen . . . von einem nicht nur bei Hegel relevanten, sondern schon der ganzen philosophischen Geschichte vor ihm zugehörigen Problem her, nämlich dem Verhältnis von Gründen und Begründen“ (7). Die unverkennbare Heideggersche Inspiration (vgl. im übrigen 78 ff) dieser Hegel-Sicht kommt in der Weise zum Vorschein, wie Hegel von dieser Absicht her eingestuft wird: „Das Verhältnis von Gründen und Begründen ist im absoluten Idealismus Hegels zu Ende gedacht“ (ebd.). - Dieses Buch ist ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie man Hegels Logik total hypostasieren kann: man spricht von ihr als von einer freischwebenden bzw. ablaufenden „absoluten Bewegung“; aus dem Absoluten wird eine Art mythologische Größe gemacht (vgl. 18 ff u. ö.). Die für eine Aufhellung der wesentlichen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens fundamentalen Fragen werden weder gestellt noch erörtert. Es wird nicht gefragt, wie das Logische selbst zu definieren sei (vgl. z. B. 13, Anm. 1: Das „Logische“ des logischen Werdens sei weder in Abgrenzung gegen ein wie auch immer geartetes „reales“ Werden noch im Unterschied etwa zu einer „ontologischen“, „historischen“ oder „erkenntnistheoretischen“ Fragestellung zu verstehen. „Mit der Bezeichnung ,loglsch“ soll vielmehr allein auf Hegels ,Wissenschaft der Logik“ Bezug genommen werden.“ Aber wie ist das Logische der Wissenschaft der Logik selbst zu de-finieren? Das Logische bei Hegel ist keine un-definierte und in diesem Sinne ab-solute Größe.) Im Lichte

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2. Die Methode und das enzyklopädische logisch-reale System a) Die Fragestellung

a) Die Frage der Dimensionen (Elemente) der Methode

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Im vorhergehenden Abschnitt (1) wurde die Methode als die nähere Bestimmung der absoluten Idee herausgearbeitet. Es handelte sich also um die Methode in der Dimension des Logischen. Bei dieser Darstellung wurde aber ständig auf die gleichursprüngliche Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie hingewiesen. Wie sieht nun die allerletzte Stufe, die in der Logik Methode genannt wird, in der Phänomenologie und Noologie aus? Wie ist die Methode in phänomenologischer und noologischer Hinsicht zu fassen? Aus der Tatsache, daß Hegel im Rahmen der enzyklopädischen Darstellung der Phänomenologie und Noologie auf die Methodenfrage nicht der Ausführungen der vorliegenden Arbeit erscheint Guzzonis Bestimmung des Verhältnisses von Logischem und Absolutem als völlig unangemessen und irreführend. Gänzlich unbedacht bleibt bei Guzzoni vor allem die fundamentale Frage nach dem Sinn und der Stellung der Bestimmung „Grund“ (bzw. „Gründen“ und „Begründen“) in der Logik und im Hinblick auf die Logik Hegels. Die Verfasserin gibt sich über ihr eigenes Verfahren keine Rechenschaft - darüber nämlich, daß sie den ganzen logischen Verlauf unter eine logische Bestimmung (Grund) subsumiert, die innerhalb des logischen Verlaufs selbst, und zwar in der Sphäre des Wesens oder der Reflexion, ihre genaue systematische Stellung einnimmt. Guzzoni bezieht das Logische auf die logische Bestimmung „Grund“ und setzt dabei stillschweigend voraus, daß diese Bestimmung (bzw. dieser Standpunkt) „absolut“ ist; in Wirklichkeit hebt die Logik selbst diese Reflexionsbestimmung bzw. diesen Standpunkt als eine (noch) unwahre Stufe des Begriffs auf (vgl. dazu das über Heideggers Interpretation der Hegelschen Logik Bemerkte [109 f, Anm. 190] und die Ausführungen unter A II 3 [52 ff]). Zwar ist es unbestreitbar, daß Hegel selbst den logischen Prozeß als den „Ineinanderfall“ oder die „Selbigkeit“ von rückwärts gehendem Begründen und vorwärts gehendem Weiterbestimmen kennzeichnet. Aber Guzzoni mißdeutet diese Texte - es handelt sich vor allem um WL I 55 und WL II 503 -, indem sie die methodische Stellung dieser Aussagen im Gesamt der Hegelschen Logik nicht beachtet. In diesen Texten wird nämlich das Logische auf jenen Standpunkt des Bewußtseins bzw. des Geistes bezogen, der eine Begründung des Anfangs fordert. An den beiden angegebenen Stellen erwähnt Hegel ausdrücklich jene „Ansicht“, die den Anfang der Philosophie bei einem hypothetischen und problematischen Wahren machen zu müssen glaubte (WL I 55 nennt Hegel ausdrücklich Reinhold). Diese Ansicht aber „hält“ sich noch in der logischen Sphäre des Wesens oder der Reflexion. Wenn nun Hegel in diesem Zusammenhang davon spricht, daß man diesem Standpunkt „Gerechtigkeit widerfahren lassen muß“ (WL I 55), so trifft dieser tiefe Ausdruck - vorausgesetzt, daß er dialektisch begriffen wird - den genauen Sachverhalt: die Bestimmung „Grund“ hat ihr Recht, insofern sie eine wahre und notwendige Bestimmung ist; sie muß aber von einem höheren Recht-und das heißt von einer höheren Wahrheit oder einer „wahreren Form“ (vgl. BSchr. 351) - „gerichtet“, d. h. aufgehoben werden. Es erhellt, daß eine Interpretation der Wissenschaft der Logik auf der Grundlage der Reflexionsbestimmung „Grund“ („Gründen“ bzw. „Begründen“) den eigentlichen, d. h. wahrhaften Sinn des Logischen nicht erreichen kann. - Wegen ihres unangemessenen, ja falschen Interpretationsansatzes kann Guzzoni auch nicht zeigen, worin der ursprüngliche („elementare“) Sinn der Gegenläufigkeit der logischen Bewegung besteht.

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eingeht, kann nicht gefolgert werden, daß es keine phänomenologische bzw. noologische Dimension der Methode gibt; denn das Fehlen einer methodologischen Betrachtung in der enzyklopädischen Darstellung der Phänomenologie und Noologie ist daraus zu erklären, daß die transzendentale Sonderstellung bzw. die elementarstrukturale Bedeutung dieser beiden Sphären in der Enzyklopädie nicht zu ihrem Recht kommt. Außerhalb der enzyklopädischen Darstellung behandelt Hegel sehr wohl die anderen Dimensionen der Methode. So wird die Methodenfrage in der Phänomenologie des Geistes von 1807 sehr ausführlich erörtert. Darauf soll im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls ausführlich eingegangen werden, und zwar in der letzten Untersuchung (D), die sich mit der Problematik des Werkes von 1807 befassen wird. Auf die Methodenfrage geht Hegel auch an anderen Stellen seiner Werke ein, vor allem in den Vorlesungen. Es wird dabei zwar immer auf die Logik verwiesen als auf jene Wissenschaft, die die eigentliche Darstellung der Methode enthält, ohne daß damit jedoch gesagt wird, daß die Behandlung der Methode in diesen anderen Werken überflüssig sei. In diesen Werken wird nämlich die Methode hinsichtlich des jeweiligen Gegenstandes erläutert und konkretisiert. Folgerichtig zu der in dieser Arbeit aufgezeigten dreidimensionalen Elementarstruktur ist zu sagen, daß alle methodologischen Erwägungen auf die logisch-phänomenologischnoologische Sphäre als auf die ursprüngliche „Elementarsphäre“ der Methode zurückzuführen sind. Dies hinsichtlich der in den Vorlesungen behandelten Themen zu zeigen, stellt ein wichtiges Desiderat der Hegel-Interpretation dar. Hier ist nur zu sagen, daß die in den Vorlesungen enthaltenen Verweise auf die Logik dahingehend zu deuten sind, daß die Logik die Darstellung der Methode in ihrer „Reinheit“ oder Einfachheit — eben in ihrer Logizität ist. Diese in den Vorlesungen enthaltenen Verweise auf die Logik können aber nicht gleichgesetzt werden mit den in der Phänomenologie und Noologie formulierten Entsprechungen zur Logik; denn das Entsprechungsverhältnis ist in beiden Fällen grundverschieden. Kurz: Zwischen der logischen, der phänomenologischen und der noologischen Erörterung der Methode besteht ein gleichursprüngliches Entsprechungsverhältnis. Da die phänomenologische Behandlung der Methode in der nächsten Untersuchung erörtert wird, ist hier zu fragen, wo die noologisch bestimmte Methode bei Hegel zu finden ist. Es wurde schon bemerkt, daß im Rahmen der enzyklopädischen Darstellung der Noologie von Methode nicht die Rede ist. Es kann aber leicht gezeigt werden, daß Hegels Bemerkungen über die Methode in der Einleitung zur enzyklopädischen Darstellung des Systems grundsätzlich in noologischer Hinsicht zu verstehen sind. Die Methode wird nämlich in der Einleitung als das Tun des Geistes, des Begriffs, als die Me-

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thode-im-Vollzug, als die „wirkliche“ Methode, kurz: als das Begreifen erörtert. Die Methode ist hier die Darstellung der Weise, wie der Geist als denkender tätig ist. Die nun folgende Erörterung wird auch diesen Rahmen insofern überschreiten, als auch andere wichtige Fragen hinsichtlich des logisch-realen enzyklopädischen Systems mitberücksichtigt werden sol-

len^ss.

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ß) Die Frage der „Deduktion“ der realsystematischen Sphären Die so abgegrenzte Aufgabe muß noch weiter präzisiert werden. Dabei ist an das anzuknüpfen, was über die Erweiterung der logisch aufgefaßten Methode zu einem logischen System gesagt wurde. Am Ende der Wissenschaft der Logik findet sich schon ein ausdrücklicher Hinweis auf die Erweiterung der Methode auch über das logische System hinaus. Hegel schreibt nämlich: „Vermöge der aufgezeigten Natur der Methode stellt sich die Wissenschaft als einen in sich geschlungenen Kreis dar, in dessen Anfang, den einfachen Grund, die Vermittlung das Ende zurückschlingt; dabei ist dieser Kreis ein Kreis von Kreisen; denn jedes einzelne Glied, als Beseeltes der Methode, ist die Reflexion-in-sich, die, indem sie in den Anfang zurückkehrt, zugleich der Anfang eines neuen Gliedes ist. Bruchstücke dieser Kette sind die einzelnen Wissenschaften, deren jede ein Vor und ein Nach hat .. „Glied“ oder „Kreis“ meint jede einzelne logische oder realsystematische Bestimmtheit oder Sphäre, jede Teilwissenschaft oder Einzelwissenschaft. Im folgenden soll vereinfachend von realsystematischen Sphären gesprochen werden. Es stellt sich also die Frage, wie sich die Methode zu den realsystematischen Sphären erweitert. Handelt es sich um eine Deduktion dieser Sphären aus dem Begriff (der Idee) oder um ein aposteriorisches Aufnehmen der verschiedenen „Regionen“ der „Wirklichkeit“ aus der Empirie oder aus der philosophischen Tradition?®” Rein äußerlich gesehen könnte Hegels enzyklopädische Darstellung des Systems sich mit der metaphysica generalis und der metaphysica specialis S55 Dabei ist folgendes zu beachten: Im Hinblick auf die in dieser Arbeit verfolgte Frage nach der Darstellung des Systems ist es keineswegs irrelevant, daß Hegel in der Einleitung zur Enzyklopädie die Methodenfrage in grundsätzlich noologischer Hinsicht behandelt. Bedenkt man nämlich, daß Methode und Sache bei Hegel eine strenge Einheit bilden - oder zumindest bilden sollen so ist zu sagen, daß der eigentliche Ort dieser methodologischen Bemerkungen die Sphäre des subjektiven Geistes ist. Daß diese methodologischen Bemerkungen vorweggenommen werden, beweist, daß in der enzyklopädischen Darstellung des Systems Methode und Sache noch nicht ihre adäquate Einheit erlangt haben. WL II 504. Dieses letzte behauptet Heidegger, wenn er schreibt: „Hegel ist so wenig wie vor ihm Kant und nach ihm der späte Schelllng der seit langem verfestigten Macht der didaktischen Systematik der Schulmetaphysik Herr geworden“ {Holzwege. Frankfurt/M. 1950. 184).

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des 18. Jahrhunderts zu decken scheinen: der metaphysica generalis entspräche die Logik, der Kosmologie die Naturphilosophie, der rationellen Psychologie die Philosophie des subjektiven Geistes, der natürlichen Theologie die Philosophie der Religion, der praktischen Philosophie die Philosophie des objektiven Geistes®®®. Doch auch wenn man von vielen Einzelheiten absieht, müssen - immer noch äußerlich betrachtet — auffallende Unterschiede festgestellt werden. So z. B. macht Hegel aus dem Unterschied von theoretischer und praktischer Philosophie kein Einteilungsprinzip für seine Philosophie; in der Philosophie des subjektiven Geistes bringt er eine Darstellung des erscheinenden Geistes (die Phänomenologie des Geistes) usw. Wichtig aber sind die tieferen Unterschiede. Es wurde schon gezeigt, daß das Verhältnis der Hegelschen Logik zu den realsystematisühen Teilen des Systems nicht dem Verhältnis von metaphysica generalis und metaphysica specialis entspricht. In diesem schon erörterten Sachverhalt liegt der eigentlich tiefgreifende Unterschied zwischen der Philosophie Hegels und der „vormaligen Metaphysik“. Von hier aus erklären sich dann die weiteren Unterschiede, vor allem der ganz andere Gang der Darstellung. Andererseits aber ist zu sagen, daß Hegel wohl aus der metaphysischen Tradition die „realen“ Gegenstände Welt-Seele-Gott bzw. die „praktischen“ Gegenstände (Recht, Moral . . .) übernimmt. Gelangen diese Gegenstände nicht rein historischempirisch als überkommene Gegenstände in die philosophische Betrachtung? Wenn dem aber so ist, was bedeutet die Erweiterung der Methode zu einem realsystematischen System? Wie soll Hegels Beharren auf einer Deduktion der realsystematischen Sphären gedeutet werden? Hegels Aussagen über die Deduktion müssen eingehend untersucht werden, soll jene Karikatur überwunden werden, die in seinem Denken ein gewaltiges apriorisch-deduktives System sieht. Diese Karikatur basiert auf einem verhängnisvollen Mißverständnis der wesentlichen Zusammenhänge und der Einheit des Hegelschen Denkens. Daß ein solches Mißverständnis aufkommen konnte, verwundert um so mehr, als Hegel präzise Aussagen über die Eigenart seines philosophischen Verfahrens gemacht hat. Aber alle Aussagen über die Sache nützen nichts, wenn die Sache selbst nicht begriffen wird. b) Das Begreifen als Einheit von Denken und Erfahrung Bei Hegel gibt es weder eine begrifflose Erfahrung (Erfahrung ohne Den358 Ygj Hegels kritische Exposition der ersten Stellung des Gedankens zur Objektivität (Enz. §§ 26 bis 36) und die Darstellung der Wölfischen Philosophie in der Geschichte der Philosophie (Werke. Bd 15. 478 f). Zu berücksichtigen sind auck Hegels Gutachten über den Philosophieunterricht (vgl. oben 132 Anm. 254).

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ken) noch den Begriff (das Denken) ohne Erfahrung. Es gibt keinen „Stoff“, der außerhalb des Prozesses seiner Aufnahme oder Erhebung in den Begriff stünde. Allerdings ist genau auf den Sinn dieses Aufgenommenwerdens zu achten. Der Rede vom Aufgenommenwerden liegt zunächst die Vorstellung zugrunde, daß zuerst ein Stoff vor-liegt, der dann in den Begriff erhoben wird. Es ist aber zu beachten, daß „Vorstellung“ nicht ein „falsches“ oder sinnloses, sondern ein notwendiges Moment (eine Stufe) der Struktur des Geistes, des Begriffs, und damit des Begreifens ist (wobei „Vorstellung“ hier auch „Anschauung“ umfaßt). Die ganze Problematik des Begreifens besteht darin, daß einerseits dieses Moment unbedingt anerkannt werden muß, daß man aber andererseits bei diesem Moment nicht stehenbleiben darf. Es geht mit anderen Worten darum, die Gestuftheit des Begriffs bzw. des Begreifens einzusehen und zu berücksichtigen. Auf der Stufe der Anschauung und Vorstellung, d. h. der Aufnahme und Erhebung des Stoffs, zeigt sich der Begriff bzw. das Begreifen noch in seiner Unmittelbarkeit bzw. Vermittlung, d. h. in den Bestimmtheiten der Sphäre des Seins bzw. des Wesens, noch nicht des Begriffs als solchen. Erst aus der Äußerlichkeit des Unmittelbaren (Vorgefundenen, Vorausgesetzten), d. h. aus der Anschauung und Vorstellung erhebt sich der Begriff zu sich selbst: das Äußerliche (Empirische) wird aufgehoben, indem es sich als zum Begriff gehörend, als Inhalt „des“ (zunächst genitivus objectivus, dann genitivus subjektivus) Begriffs erweist. Die hier in ihren allgemeinen Zügen beschriebene Struktur des Begreifens wird von Hegel in einigen Texten von außerordentlicher Klatheit und Ausdrucksstärke formuliert. Im § 12 der Enzyklopädie zeigt er, daß die Entstehung der Philosophie die Erfahrung - die hier als „das unmittelbare und räsonnierende Bewußtsein“, also als Anschauung und Vorstellung bzw. Sein und Wesen (Reflexion) gekennzeichnet wird - zu ihrem Ausgangspunkt hat. Und Hegel führt aus: Durch die Erfahrung als durch „einen Reiz erregt“, erhebt sich das Denken zu sich, d. h. zur Form der Allgemeinheit und Notwendigkeit; der durch die Erfährungswissenschaften hervorgerufene Reiz „reißt das Denken aus jener Allgemeinheit und der nur an sich gewährten Befriedigung heraus und treibt es zur Entwicklung von sich aus. Diese ist einerseits nur ein Aufnehmen des Inhalts und seiner vorgelegten Bestimmungen und gibt demselben zugleich andererseits die Gestalt, frei im Sinne des ursprünglichen Denkens nur nach der Notwendigkeit der Sache selbst hervorzugehen.“®®® Und in der Anmerkung zum selben Paragraphen heißt es: „Das Aufnehmen dieses Inhalts [d. h. des Inhalts des Besonderen, der empirischen oder besonderen Wissenschaften], in dem durch das Denken die noch Enz. § 12.

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anklebende Unmittelbarkeit und das Gegebensein aufgehoben wird, ist zugleich ein Entwickeln des Denkens aus sich selbst.“*®® Diese Formulierungen sind nichts anderes als der Ausdruck der philosophischen Methode-im-Vollzug, des Begreifens. Was die Philosophie tut, ist, das Vorgefundene, Gegebene oder Überkommene zu begreifen. Dieses Begreifen ist das Einheitsgeschehen der gegenläufigen Bewegung des Aufnehmens (des Unmittelbaren oder Gegebenen) und der gleichzeitigen „Entwicklung des Denkens von sich aus“. Das Begreifen ist der Weg zum Begriff als der Weg des Begriffs damit ist es die Bewegung und die Struktur der Sache selbst, da seine „Tätigkeit der Begriff ist“*®^. Das Unmittelbare oder Gegebene ist also zunächst das empirisch Aufgenommene; weil aber das Aufnehmen ein Tun des Begriffs ist, verwandelt sich das zunächst empirisch Aufgenommene in ein Moment des Begriffs. Dies ist eigentlich eine Tautologie, nur ist zu beachten, daß gerade Tautologien nicht selbstverständlich sind. Es muß noch einmal hervorgehoben werden: Das Begreifen einer bestimmten Sphäre ist nicht eine das Moment des Gegebenen (des Unmittelbaren oder Empirischen) überspringende oder beseitigende, aus einem Prinzip geführte apriorische Deduktion, sondern der das Apriorische (das allgemeine Denken) und das Aposteriorische (das Empirische oder Gegebene der Erfahrung bzw. der Erfahrungswissenschaften) als eine Einheit erweisende geistige Prozeß. Es erhellt aus dem Ausgeführten, daß es beim Begreifen möglich ist, jeweils an einem der beiden Momente anzusetzen: entweder am Gegebenen als dem Empirischen oder am noch abstrakten Begriff, wobei aber dann in beiden Fällen die aufgezeigte in sich gegenläufige Bewegung eintritt: das Aufnehmen des Empirischen ist das Sichentwickeln (Sichbestimmen) des Begriffs - und umgekehrt. Das bedeutet, daß das Empirische selbst sich als ein spekulatives Moment erweist: es ist nämlich der noch abstrakte, unentwikkelte, bloß ansichseiende Begriff. Auf Grund des Dargelegten ist einzusehen, wie abwegig jene Deutungen bzw. Kritiken sind, die Hegel der totalen apriorischen Deduktion und in diesem Sinn des „absoluten Systems“ zeihen. Hegel legt keine apriorische Deduktion der Wirklichkeit vor, vielmehr begreift er die Wirklichkeit. Der Begriff ist nicht irgendein apriorisches Prinzip, aus dem die Wirklichkeit hervorgezaubert wird; vielmehr erwächst er aus der Mitte des Wirklichen als die Auslegung des Wirklichen, als das ausgelegte Wirkliche. Wenn der Begriff „absolut“ genannt wird, so bedeutet dies alles andere als eine apriorische Deduktion oder Konstruktion. Es bedeutet nur - aber dies radikal -, daß kein Moment weggelassen, also die „Sache“ nicht einseitig gesehen wer3«» Enz. § 12 A. 361 WL II 486.

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den darf. Der Ausdruck „Deduktion“, den Hegel häufig im Zusammenhang des Begriffs und des Begreifens verwendet, besagt nie apriorische Deduktion; er besagt nicht mehr — aber auch nicht weniger - als das Aufzeigen des Begriffs im erläuterten Sinn, nämlich: den Weg zum Begriff als den Weg des Begriffs^®^.

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c) Die „Deduktion“ der „weiteren“ Sphären: das Unmittelbare als das Empirische und als der geschichtlich vermittelte Inhalt Hegel geht es immer darum, den Begriff zu erfassen. Wurde ein bestimmter Begriff erreicht, so erweist er sich wieder als etwas Unmittelbares im Hinblick auf den weiteren Prozeß des Begreifens und damit als neuer Anfang oder erstes Moment einer höheren Sphäre (oder eines höheren Begriffs). Es ist nun genau zu zeigen, wie diese Erweiterung zum realsystematischen System vor sich geht. Hegels zentraler Text, aus dem Auskunft über die gestellte Frage gewonnen werden kann, ist § 15 der Enzyklopädie: „Jeder der Teile der Philosophie ist ein philosophisches Ganzes, ein sich in sich selbst schließender Kreis, aber die philosophische Idee ist darin in einer besondern Bestimmtheit oder Elemente. Der einzelne Kreis durchbricht darum, weil er in sich Totalität ist, auch die Schranke seines Elements und begründet eine weitere Sphäre; das Ganze stellt sich daher als ein Kreis von Kreisen dar, deren jeder ein notwendiges Moment ist, so daß das System ihrer eigentümlichen Elemente die ganze Idee ausmacht, die ebenso in jedem einzelnen erscheint.“®®* In diesen Sätzen ist das ganze Verfahren Hegels zusammengefaßt; eine angemessene Deutung dieses Textes wäre nur dann gegeben, wenn man allen konkreten Schritten des Systems nachginge. Im voraus können nur allgemeine Erläuterungen gegeben werden, vor allem in der Absicht, Mißverständnissen vorzubeugen. Das Wichtigste dabei ist die Einsicht in die Weise, wie in dieser Erweiterung das Unmittelbare als das Empirische (Gegebene, Überkommene) zu stehen kommt. So ist nach Hegel die Phänomenologie des Geistes von 1807 „nichts anderes als die Deduktion desselben [des Begriffs der reinen Wissenschaft]“ (WL I 30). Nun wird man in gar keinem Fall sagen können, daß dieses Werk eine „apriorische Deduktion“ enthält, räumt es doch der Erfahrung einen schlechthin zentralen Platz ein. Vgl. darüber die nächste Untersuchung (D). - Hegel gebraucht häufig den Ausdruck „Deduktion“ (auch „Ableitung“) zusammen mit „Beweis“. So z. B. in der Philosophie des Rechts: „... in der philosophischen Erkenntnis [ist] die Notwendigkeit eines Begriffs die Hauptsache, und der Gang, als Resultat, geworden zu sein, sein Beweis und Deduktion“ (GPhR § 2 A). Ober den weiteren Gebrauch von „Deduktion“ („Ableitung“) bei Hegel vgl. auch: GPhR §§ 2, 4, 141 A; WL I 37, 182; II 465 f, 503 usw. Enz. § 15.

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Wenn Hegel sagt, der einzelne Kreis (der einzelne Begriff, die einzelne Sphäre oder Stufe .. .) durchbreche die Schranke seiner Bestimmtheit oder seines Elements®®^ und begründe dadurch eine weitere Sphäre (Bestimmtheit, Element), so besagt dies zunächst, daß der Kreis, indem er sich zusammenschließt, in seiner Bestimmtheit und damit auch in seiner Schranke erscheint. Darin aber ist enthalten, daß er sich als solcher negiert und über sich hinausweist. Warum aber besagt das Durchbrechen der Schranke, die Bestimmtheit als Negation das Begründen einer neuen, weiteren Sphäre? Warum führt dieses Über-sich-hinaus nicht ins leere Nichts? Diese Frage wurde in dieser Arbeit im Hinblick auf die Erweiterung der Methode zum logischen System schon erörtert®®®. Was dort gesagt wurde, gilt grundsätzlich auch für die Erweiterung der Methode zum realsystematischen System. Dies muß aber noch näher aufgezeigt werden, wobei dann auch die Problematik der logischen Erweiterung sich weiter klären wird. Auf Grund früherer Überlegungen läßt sich sagen, daß die Möglichkeit der bestimmten Negation - d. h. also der Erweiterung des Begreifens zu einer bestimmten, weiteren Sphäre oder Stufe - im Falle jener Totalitäten ohne Schwierigkeit einsehbar ist, die man genau definierte oder „überschaubare“ Totalitäten nennen könnte. Denn in diesen Totalitäten sind die Momente oder Bestimmtheiten so mit der Totalität zusammengeschlossen, daß die Negation der einzelnen Bestimmtheit (des einzelnen Moments) immer schon in der und von der sich selbst gegenwärtigen Totalität eingefangen wird. Solche Totalitäten sind die drei ursprünglichen „Elemente“ oder Dimensionen: das Logische, das Phänomenologische und das Noologische. Daß der noologisch sich darstellende Geist eine sich selbst gegenwärtige Totalität von Anschauung, Vorstellung und Denken ist, ist leicht einzusehen und wurde ausführlich gezeigt. Dies besagt nun hier, daß die Negationen innerhalb der noologischen Sphäre - also die Negationen der Anschauung, der Vorstellung, des reflektierenden Denkens usw. - deshalb nicht ins leere Nichts verlaufen, weil sie immer schon in jener Totalität eingefaßt sind, die das Denken heißt und die sich dabei selbst expliziert. Die „Deduktion“ der weiteren noologischen Stufen ist also als das Sichexplizieren des von Anfang an sich Es ist zu beachten, daß „Element“ hier ganz allgemein im Sinn von „Bestimmtheit“ oder auch „Weise“, „Gestalt“, „Sphäre“ u. dgl. genommen wird. Es handelt sich also um einen erweiterten Gebrauch von „Element“ gemäß der ersten Bedeutung, die nach der am Anfang der gegenwärtigen Untersuchung vorgenommenen Analyse diesem Terminus eignet (vgl. oben 145). „Element“ hat hier nicht die Bedeutung von „Grundbestandteil“, „Urkomponente“ u. dgl., d. h. die an der angegebenen Stelle aufgezeigte zweite Bedeutung dieses Ausdrucks. 365 Vgl. oben 236 ff.

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und den Stufen gegenwärtigen Denkens erklärbar. Entsprechendes ist von der phänomenologischen und der noologischen Totalität zu sagen. Eine solche Erklärung der bestimmten Negation - und das heißt der Deduktion der weiteren Stufen — gilt jedenfalls für die Hauptstufen dieser Totalitäten. Eine andere Frage ist, wie man alle einzelnen Stufen deduzieren kann; darauf wird noch einzugehen sein. Zunächst ist noch zu bemerken, daß - außer den angegebenen ursprünglichen oder elementaren Totalitäten des Logischen, Phänomenologischen und Noologischen — noch eine weitere Totalität in Betracht zu ziehen ist, um die Bestimmtheit der Negation zu erklären. Es handelt sich um die Totalität aller Totalitäten, um das Absolute. Auch die Deduktion des Absoluten, d. h. die Ausschließung eines letzten leeren Nichts, ist verhältnismäßig leicht aufzuweisen; denn diese Totalität aller Totalitäten ist im Denken selbst angelegt als dessen ureigenste Sache oder Selbstgegenwart, so daß die „Deduktion“ des Absoluten nur die zu Ende geführte Selbstexplikation des Denkens (der Vernunft, des Geistes) ist. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden. Was hier noch zu erörtern bleibt, ist die Frage, wie die Deduktion jener Sphären (Stufen, Bestimmtheiten) aufzufassen ist, die nicht unter die beiden erwähnten „Fälle“ von Totalität (elementare Totalitäten und absolute Totalität) fallen. Freilich muß man sich davor hüten, die verschiedenen Sphären bei Hegel allzu schematisch einzuteilen. Eine angemessene Erörterung der vorliegenden Problematik müßte die Deduktion jeder einzelnen Sphäre untersuchen. Immerhin ist es von vornherein klar, daß die verschiedenen Sphären große Unterschiede hinsichtlich ihrer methodischen Stellung und damit ihres „Begriffs“ und der Deduktion dieses Begriffs aufweisen. Hier sollen besonders jene Sphären ins Auge gefaßt werden, deren Stellung und damit Deduktion als besonders „kontingent“ erscheint. Im übrigen soll dazu nur das Grundsätzliche gesagt werden. Das Problem stellt sich so dar: Das Durchbrechen der Schranke einer bestimmten Sphäre soll zugleich das Begründen einer weiteren, genau bestimmten Sphäre sein. Es ist nun unschwer einzusehen, daß eine Sphäre durch ihre eigene immanente Bewegung sich als so und nicht anders bestimmt erweist, daß sie also auf bestimmte Weise oder als diese bestimmte Sphäre die Negation enthält. Wie ist aber zu verstehen, daß aus dieser Negation, aus dem Durchbrechen der Schranke eine andere, weitere, genau bestimmte, diese und keine andere Sphäre „hervorgehen“ soll? Die Antwort auf diese Frage muß an das anknüpfen, was oben bei der Behandlung der logisch bestimmten Methode über das Unmittelbare und den neuen Anfang ausgeführt wurde®*®. Was, logisch gesehen, das Unmittelbare heißt, ist. 3«« Vgl. oben 238 ff.

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noologisch betrachtet, das Empirische. Im erwähnten Zusammenhang wurde gezeigt, daß das wiederhergestellte oder erfüllte Unmittelbare als Resultat eines bestimmten logischen Verlaufs sich zu einem neuen Anfang, d. h. zu einem abstrakten Unmittelbaren auf einer höheren Ebene erweitert. Wie stellt sich nun dieser Sachverhalt in der gegenwärtigen Dimension der Methode, d. h. im Begreifen, dar? Indem eine Sphäre auf bestimmte Weise begriffen wird, kann gesagt werden, daß diese die Negation enthaltende Bestimmtheit rein immanent erklärbar ist, ist sie doch das Sichzeigen des Begriffs, genauer dieses bestimmten Begriffs®®^. Aber diese Negation als Resultat soll ebenfalls der neue Anfang, das erste Moment einer weiteren, bestimmten Sphäre sein. An diesem genauen Punkt tritt die Erfahrung oder das Empirische in Erscheinung. Die Negation der (ersten) Sphäre als neuer Anfang ist das neue, noch abstrakte Unmittelbare, das heißt in der Sprache der gegenwärtigen Dimension der Methode: das Empirische oder das Aufzunehmende. Dies ist im strengen Sinne zu nehmen: Wie öfters gezeigt wurde, hat das „Moment“ eine Eigentümlichkeit; denn es unterscheidet sich von der Totalität, sonst könnte nicht von einem Moment die Rede sein. Die Bestimmung (Erfüllung) der neuen, weiteren Sphäre geschieht wieder als das schon analysierte Zugleich von Aufnehmen und Sichentwickeln des Denkens, also von Erfahrung und Begriff (Denken). Konkret gesprochen heißt dies: Die „Deduktion“ der neuen, weiteren Sphäre geschieht zunächst rein unbestimmt, leer, namenlos, nämlich als Negation der vorhergehenden Sphäre. Zunächst hat die neue Sphäre keine Bestimmtheit, d. h. keine Bezeichnung, keinen Namen ... Woher kommt nun die Bestimmtheit, die Bezeichnung, der Name der neuen realsystematischen bzw. der logischen Sphäre? Anders gefragt: Wie ist die Bestimmung (das konkrete Begreifen) der neuen Sphäre zu verstehen? Wie ist das Umschlagen der Negativität in Positivität zu erklären? Die Antwort darauf lautet schlicht so: Das Umschlagen in Positivität geschieht dadurch, daß eben neu angefangen wird, das heißt: daß ein Vorgefundenes, Gegebenes oder Empirisches aufgenommen, daß es genannt und bezeichnet wird. In Natürlich ist dabei in Betracht zu ziehen, daß dieser bestimmte Begriff schon das Moment des Empirischen einschließt, da er sich durch dieses Moment vermittelt hat. Aber insofern der Begriff als Resultat des methodischen Verlaufs, des Begreifens, genommen wird, erweist er sich als jene bestimmte Totalität, in der das Moment des Empirischen schon aufgehoben wurde. In diesem Sinn könnte gesagt werden, daß die resultierende Bestimmtheit bzw. der bestimmte Begriff - in dem schon die Negation enthalten ist - immanent erklärbar ist: das Moment des Empirischen erweist sich im Resultat als Moment des Begriffs selbst. Was aber im gegenwärtigen Zusammenhang gezeigt werden muß, ist nicht der Begriff als Resultat, sondern der Begriff als Anfang.

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III. Elementarstruktur und Methode

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diesem Umschlagen liegt das Entscheidende: Die „Bezeichnung“, die „Namengebung“ (etwa „Organismus“, „Seele“, „bürgerliche Gesellschaft“ usw.) ist nichts anderes als das empirische Aufnehmen jenes „Inhalts des Besonderen“, von dem im § 12 der Enzyklopädie die Rede ist, der also nicht — man weiß nicht wie - immanent-apriorisch aus dem vorhergehenden Begriff hervorgezaubert wird, sondern einfach aus der Empirie stammt. Ohne diese Vermittlung durch die Empirie ist die Deduktion der Gesamtheit der realsystematischen bzw. logischen Sphären nicht erklärbar. Man muß daher, zumindest im Hinblick auf viele Schaltstellen der Philosophie Hegels, sagen, daß andere, weitere Zwischenstufen nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern von der Folgerichtigkeit der Methode her sogar zu erwarten sind. Diese Einsicht in die empirische Seite der Methode oder, was dasselbe ist, in das Moment der Unmittelbarkeit oder der Empirie des Begreifens und des Begriffs ist von kaum zu überschätzender Bedeutung für die Interpretation der Philosophie Hegels. Eine der wichtigsten Aufgaben wäre es jetzt, jede einzelne Sphäre in methodischer Hinsicht zu untersuchen. Die hier herausgearbeitete empirische Seite des Begreifens und des Begriffs wäre allerdings mißverstanden, wenn man sie abstrakt-isoliert auffassen wollte. Die Unmittelbarkeit bzw. die Empirie ist zwar ein wesentliches Moment des Begriffs, aber es wird, als Moment, aufgehoben, was wieder nicht bedeutet, daß es schlechterdings verschwindet, denn es wird auch aufbewahrt. Gerade diesen Sachverhalt hat Hegel im Auge, wenn er sagt, daß das Ganze sich als ein Kreis von Kreisen darstellt, „deren jeder ein notwendiges Moment ist. . .“®®® Nun ist sehr auf den genauen Sinn der Hegelschen Notwendigkeit zu achten. Daß der einzelne Kreis ein notwendiges Moment des Ganzen darstellt, besagt nicht im geringsten, daß er aus einem allgemeinen Prinzip in apriorisch-deterministischer Weise deduziert wird. Die hier — und an ähnlichen Stellen — behauptete Notwendigkeit bedeutet schlicht die ausdrücklich gemachte Einbezogenheit des einzelnen Kreises in den Zusammenhang der Aufeinanderbezogenheit aller Kreise. Das Moment der Empirie bzw. der Aufnahme bzw. der Unmittelbarkeit ist in diesem Vorgang der Einbeziehung in den Gesamtzusammenhang ein wesentliches Moment, das nicht übersprungen, sondern aufgehoben - und das heißt auch aufbewahrt — wird. Dies ist in diesem Zusammenhang nur eine andere Formulierung der grundlegenden Einsicht, daß die Notwendigkeit durch den Zufall vermittelt ist. Es ist aber hinzuzufügen, daß die Notwendigkeit eine Bestimmung der Reflexions-, nicht der Begriffs-, d. h. der Freiheitssphäre ist. Dies besagt in diesem Kontext, daß die einzelnen Kreise zwar schon als Enz. § 15 (Hervorhebung von mir).

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ausdrücklicli aufeinanderbezogen aufgefaßt werden, daß aber die Auslegung des Aufeinanderbezugs im Sinne der Reflexionsbestimmung der Notwendigkeit noch nicht die adäquate Auslegung der Bestimmtheit oder der Eigenheit der einzelnen Kreise und des Gesamtzusammenhangs der Kreise ist. Man muß allerdings fragen, warum Hegel dennoch die noch inadäquate Bestimmung der Notwendigkeit und nicht etwa nur die adäquaten Bestimmungen der Begriffs-, d. h. der Freiheitssphäre verwendet. Dazu läßt sich im Lidhte dessen, was in dieser Arbeit über den Sinn der Logik und ihres Verhältnisses zur Realsystematik ausgeführt wurde, sagen: Die Bestimmung der Notwendigkeit wird hier verwendet, weil das „gewöhnliche“, „wissenschaftliche“ und „metaphysische“ Bewußtsein®®* das Moment des LJnmittelbaren. Gegebenen oder Empirischen „in“ oder „gemäß“ der Reflexionsbestimmung des Zufalls auf nimmt und betrachtet. Die Verwendung der Reflexionsbestimmung der Notwendigkeit hat den Sinn, die in der verwendeten Bestimmung des Zufalls implizierte Dialektik zu artikulieren. Erst auf diese Weise kann begriffen, d. h. der Begriff aufgezeigt werden. Im übrigen wird sich dieser Sachverhalt durch einen letzten, noch zu erörternden Gesichtspunkt weiter klären. Die volle Bedeutung und Tragweite des Moments der Unmittelbarkeit oder Empirie ist noch nicht ganz herausgestellt worden. Der Prozeß des dialektischen Fortgangs der einen Sphäre in die andere wurde als Deduktion und diese als die Einheit von Aufnehmen-des-Unmittelbaren und Selbstentwicklung-des-Denkens erklärt. Wie ist aber das Unmittelbare bzw. Empirische noch genauer aufzufassen? Hegel bemerkt, „daß ihr [= der Philosophie] Inhalt kein anderer ist als der im Gebiete des lebendigen Geistes ursprünglich hervorgebrachte und sich hervorbringende, zur Welt, äußern und innern Welt des Bewußtseins gemachte Gehalt, - daß ihr Inhalt die Wirklichkeit ist. Das nächste Bewußtsein dieses Inhalts nennen wir Erfahrung.“^’’^ Dies besagt: Erfahrung als Bewußtsein des „gegebenen“ Inhalts trifft nicht auf ein sozusagen nacktes Unmittelbares, d. h. auf einen überhaupt noch nicht entwickelten Inhalt, sondern Erfahrung ist „Aufnehmen des Inhalts und seiner vorgelegten Bestimmungen“^'^^. Der Inhalt, d. h. eine konkrete S69 Ygj_ dazu Enz. §§ 114 A und 420 A sowie die Ausführungen darüber in dieser Arbeit: oben 197 ff. ä’» Enz. § 6. Enz. § 12 (Hervorhebungen von mir). Vgl. die wichtige Anm. zu diesem Paragraphen In einem Fragment eines Entwurfs zum Anfang des Systems aus dem Sommer 1804 heißt es: Die Realität der Glieder des Gegensatzes von Erkennen und Gegenstand „wird . . . überhaupt aus der sogenannten Erfahrung vorausgesetzt, nämlich [so], daß das Erkennen in

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Sphäre, gelangt zum Bewußtsein immer schon in einer bestimmten Stufe seiner „Entwicklung“, d. h. seines Sichzeigens oder seines Begriffs. Im § 12 A der Enzyklopädie charakterisiert Hegel diesen vom philosophischen Begreifen aufzunehmenden und schon in einer gewissen Weise bestimmten Inhalt in bezug auf die empirischen Wissenschaften folgendermaßen: diese „bleiben einerseits nicht bei dem Wahrnehmen der Einzelnheiten der Erscheinung stehen, sondern denkend haben sie der Philosophie den Stoff entgegen gearbeitet, indem sie die allgemeinen Bestimmungen, Gattungen und Gesetze finden; sie vorbereiten so jenen Inhalt des Besondern dazu, in die Philosophie aufgenommen werden zu können. Andererseits enthalten sie damit die Nötigung für das Denken, selbst zu diesen konkreten Bestimmungen fortzugehen.Was Hegel hier sagt, liegt ganz und gar in der Konsequenz seines Denkens. Man müßte allerdings diese Formulierungen erweitern und unter „empirischen Wissenschaften“ nicht nur die methodisch vorgehenden Wissenschaften, sondern auch das gewöhnliche, „vulgäre“, alltägliche Wissen verstehen. Das vom philosophischen Erkennen aufgenommene Unmittelbare bzw. Empirische ist also immer schon in gewisser Weise vermittelt, in den Prozeß des Begriffs einbezogen. Dies hat erhebliche methodische Bedeutung, insofern es der Philosophie nicht darum gehen kann, die „Wirklichkeit“ allererst zu „entdecken“, gleichsam als ob die „Wirklichkeit“ nicht immer schon in dem und für das Bewußtsein „vermittelt“ wäre. Wohl aber muß gesagt werden, daß nur die Philosophie einerseits den alltäglich, empirisch und wissenschaftlich vermittelten „Inhalt“ zum Begriff zu erheben und andererseits den ganzen „Verlauf“ dieser schon da-seienden „Begrifflichkeit“ aufzuzeigen vermag. In dieser grundlegenden Hinsicht kann nur die Philosophie einerseits den „ursprünglichen“ Sinn der „Wirklichkeit“ enthüllen, andererseits einen bestehenden Sinn (aber auch Un-sinn) aufdecken. Diese Problematik erlangt ihr wahres Gewicht, wenn sie mit Hilfe der Stichworte „Erfahrung“, „Geschichte“ und „Begriff“ formuliert wird. Daß der vom philosophischen Erkennen aufzunehmende Inhalt schon in einer gewissen Weise bestimmt ist, besagt, daß die Erfahrung als das Bewußtsein des Inhalts sidh immer schon in einem geschichtlich vermittelten Kontext oder in einer geschichtlich bestimmten Stufe der (Selbst-)Entwicklung oder einem denkenden Subjekte an und für sich, außer ihm aber der Gegenstand des Erfahrens für sich unabhängig von demselben bestehe. Allein es ist damit wie mit allem sogenannten Erfahren beschaffen; nämlich es wird nicht die reine unmittelbare Erfahrung, sondern die begriffene Erfahrung ausgesprochen; und eine Erfahrung, welche angeführt wird, daß sie e[ine]r deutlichen Erkenntnis der Philosophie widerspreche, muß nur geradezu geleugnet werden .. .“ (Fragment: „Anmerkung. 1. Die Philosophie ...“ - In: Realph. I 264-268, zit. St. 267-268; eckige Klammern von Hoffmeister, Hervorhebung von mir). 37* Enz. § 12 A.

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(Selbst-)Manifestation des jeweiligen Inhalts oder Gegenstandes „aufhält“. Denn dem Inhalt ist jene Bestimmtheit, mit der er sich „darbietet“®^®, nicht etwas Äußerliches oder Fremdes; sie ist vielmehr die schon bestimmte Weise, in der sein Begriff - oder genauer: er als Begriff — sich hier und jetzt zeigt. Die Erfahrung als das Aufnehmen des Unmittelbaren ist somit das Bewußtsein des geschichtlich bestimmten Gegenstandes oder auch, was dasselbe ist, das Bewußtsein des Gegenstandes gemäß einer jeweils anderen logischen Bestimmtheit^^“*. Exkurs: Zu W. Beckers Hegelinterpretation und -kritik

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Zu welchen sonderbaren Konsequenzen die Nichtbeachtung des Ansatzes der Hegelschen Logik fuhrt, kann man in exemplarischer Weise aus dem Buch von W. BECKER; Hegels Begriff der Dialektik und das Prinzip des Idealismus^^^ ersehen. Nach BECKER stellt die dialektische Logik Hegels „den Ausnahmefall einer Logik dar, für die die Dimensionsdifferenz von Logik und Aussagebereich einerseits und dem Bereich des Seienden, Existierenden andererseits nicht mehr als Voraussetzung bestimmend ist. So ist in ihr die mit jedem möglichen formallogischen Sinn des Wortes ,Begriff‘ verbundene Frage nach dem Verhältnis von ,Begriff‘ und dem unter diesen befaßten nichtbegrifflichen ,Seienden‘ gar nicht mehr thematisch.“*^® BECKER zufolge sind „für Hegel die Positionen von Kategorie und Gegenstand vertauschbar“, insofern Hegel eine ständige „Verwedhslung“*^^ von Kategorie und Gegenstand begeht. Hinsichtlich des Verhältnisses von Logik und Realphilosophie ergibt sich daraus für BECKER folgendes: „. .. die Kategorien der,Wissenschaft der Logik' können von Hegel nur unter der Bedingung zugleich als Kategorien der Ausführung der Realphilosophie herangezogen werden. Vgl. Enz. S 8. Diese gesdhiditliche Bestimmtheit des empirisdien Gegenstandes ist hinsichtlich des Geistes und seiner Sphären leicht, hinsichtlich der Natur aber schwer aufzuzeigen. Darauf macht Hegel selbst aufmerksam, indem er den Sinn der „Deduktion“ des Begriffs erläutert. Hegel verlangt den Aufweis des Begriffs „nicht bloß zu subjektivem Behuf und in subjektivem Sinne, wie ein geometrischer Lehrsatz bewiesen wird [nach dem Schema:] ,wenn dies so ist, so ist dies usf.‘, wo der Gang [des Beweises] nur subjektiv in uns die Erkenntnis der Notwendigkeit hervorbringt, aber nicht der Gegenstand seihst hervorgehracht wird. - Bei der Religion als Geistigem überhaupt ist es nun unmittelbar der Fall, daß sie in ihrem Dasein selbst dieser Prozeß und dies Übergehen ist. Bei natürlichen Dingen, z. B. [der] Sonne [haben wir die] unmittelbare ruhende Existenz in unmittelbarem Auffassen, und in solcher Anschauung oder Vorstellung ist nicht das Bewußtsein vorhanden eines Übergangs. Der religiöse Gedanke von Gott ist dagegen ein Wegsehen, ein Verlassen des Unmittelbaren, des Endlichen . . .“ (Rel. I 180-181 [Ms]; Hervo>-hebung von mir). Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1%9. Becker a.a.O. 15. Ebd. 42.

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daß unausgesprochen ebenso die undialektische Dimensionsdifferenz von logischer Möglichkeit und der Wirklichkeit des Existierenden wie die von Bestimmung und Bestimmten zugrunde liegen.“®’® Daher „bedeutet es eine unzulässige Erschleichung, wenn Hegel gleichwohl argumentativ sich so verhält, als stünde die Dimension des Empirischen auch seiner Dialektik so zur Verfügung, wie das für den Fall der traditionellen erkenntnistheoretischen Fragestellung gilt“®’®. Diese Formulierungen zeigen, daß BECKER den Ansatz der Hegelschen Logik mißversteht. Seine Frage nach der „Anwendung“ der logischen Kategorien auf die nichtlogische Dimension ist eine falsch gestellte Frage, da sie auf unrichtigen Voraussetzungen basiert. Dies ergibt sich aus den Untersuchungen B und C dieser Arbeit; darauf soll hier nicht mehr eingegangen werden. Aber BECKERS Kritik geht viel weiter. Auf die kurz referierte irrige Interpretation stützt er seine eigentlidhe Hegelkritik, die deswegen als eine Fehlkonstruktion erscheinen muß. Er schreibt nämlich: „Man sieht... an Hegels Fassung des Gegensatzes, daß bei ihm dasjenige, was der Lehre der klassischen Logik zufolge erst geschehen kann, wenn auf die von aller Logik vorauszusetzende Dimension des Empirischen Bezug genommen wird, bereits innerhalb der Dimension der logischen Bestimmungen selber möglich werden soll: die wechselseitige Ausschließung einander entgegengesetzter logischer Bestimmungen. Man wird demzufolge auch sagen müssen, daß die Dimensionsdifferenz von Empirizität, bzw. Faktizität und dem Reich der Bestimmungen von Hegel in die Dimension der Bestimmungen selber einbezogen wird. Nur in diesem Sinn ist die Formulierung abzuändern, nach der die dialektische Logik keinerlei Bezug zum Faktischen kennt.“®®® Dies bedeutet nach BECKER, daß der „Anwendungsbereich“ der Begriffe „in der dialektisch-logischen Dimension in verwandelter Form selber auftritt“®®’. Auf diese Weise versucht er, Hegels angeblichen Irrweg zu rekonstruieren. Sein Hauptvorwurf gegen Hegel lautet: Hegel setzt ständig einen Begriff von Gegensatz voraus, der eine Vermischung von kontradiktorischem und konträrem Gegensatz darstellt®®®. Als „prototypisch“®®® für Hegels Konzeption dialektischer Kategorien Verhältnisse betrachtet BECKER das Verhältnis von „absoluter Identität“ und „absolutem Unterschied“. Dazu schreibt er: „Als Fazit... ergibt sich, daß Hegel mit Rücksicht auf das dialektische Verhältnis von ,Identität' und ,Unterschied‘ doppelgleisig argumentiert. Er denkt auf zwei Ebenen, die nicht miteinander in Einklang gebracht werden können. Er hat einmal dasjenige im Auge, was er ,Vermittlung‘ und ,Identität' der Begriffe nennt. Um diese Identität zu konstruieren, rekurriert er auf die Ebd. 93. 381 Ebd. 25.

Ebd. 103. 383 Ebj 106.

sso g^d. 41-42. »es Ebd. 29.

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Vorstellung sowohl einer ,absoluten Identität' wie eines .absoluten Unterschieds'. Insofern beide Vorstellungen völlig inhaltsleer geraten, glaubt er gerade mit Bezug auf diese Inhaltslosigkeit - ihre Identität konstatieren zu können. Da diese Identität, in der die Begriffe als inhaltlose Worte zusammenfallen, aber selbst ganz inhaltslos bleibt - sie stellt ja nichts weiter als die Unbestimmtheit von ,absoluter Identität' und ,absolutem Unterschied' dar zieht er die Vorstellung eines möglichen Gegenstttzverhältnisses von .Identität' und .Nichtidentität', .Identität' und .Unterschied' heran, weil diese Begriffe darin einen bestimmten Gehalt gewinnen können. Beide Gedanken sind deshalb nicht miteinander zu vereinbaren, weil .. . die Ausgangsbegriffe: ,absolute Identität' und ,absoluter Unterschied', die Vorstellung eines Gegensatzverhältnisses von .Identität' und .Nichtidentität', in welchem diese Begriffe eine korrelative bzw. relationale Bestimmtheit erlangen könnten, total negieren.BECKERS Ansicht sei etwas näher erläutert. Er meint, der „Begriff einer solchen absoluten, d. h. eben ,einzigen Identität', . . . [sei] in Wahrheit ein nicht vollziehbarer Gedanke, ein Unbegriff“, da dieser Begriff „bar jeglicher unterscheidender Bestimmtheit [sei] Zwar ziehe auch Hegel das Fazit, daß „absolute Identität“ für sich genommen kein möglicher Gedanke sei, aber dies tue er in der falschen Richtung, insofern er die These von der Einheit der Entgegengesetzten „erschleiche“®®®. Den Vorwurf der Erschleichung versucht BECKER folgendermaßen zu erhärten: „. . . wenn wirklich .absolute Identität' soll gedacht werden können, dann ist keine Möglichkeit mehr, den davon differenten Gedanken eines .absoluten Unterschieds' zu vollziehen.“®®^ Den Grund dieser Unmöglichkeit erklärt BECKER so: „Dieser absolute Ausschluß von möglichem Anderen ist . .. toto genere von jedem Begriff von einem Gegensatz verschieden. Ein Gegensatz von Bestimmungen ist sinnvoll nur zu formulieren, wenn man die Bestimmung des Gegensatzes ihrerseits als eine Relationsbestimmung faßt. In einer solchen Bestimmung aber müssen die Bestimmungen - auch als entgegengesetzte — einander zulassen, v.^ell andernfalls ein solcher Gegensatz von Bestimmungen überhaupt keinen Ausdruck finden könnte.“®®® BECKERS Interpretation bzw. Kritik ist alles andere als stichhaltig. Er begeht nämlich den entscheidenden Interpretationsfehler, daß er die Bestimmung der Identität (sowie im allgemeinen jede Bestimmung) nicht als ein Moment im logischen Prozeß, sondern als eine isolierte und fixierte Bestimmung faßt. Schon Hegel hat jene Philosophen treffend kritisiert, die „an dieser unbewegten Identität festhalten, welche ihren Gegensatz an der Verschiedenheit hat“, und die deshalb nicht sehen, „daß sie hiemit dieselbe zu Ebd. 33-34. Ebd. 32.

385 Ebd. 28. 388 Ebd.

388 Ebd. 31 ff u. ö.

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einer einseitigen Bestimmtheit machen, die als solche keine Wahrheit hat“®®®. Positiv gewendet heißt dies: „Es liegt ... in der Form des Satzes, in der die Identität ausgedrückt ist, mehr als die einfache, abstrakte Identität; es liegt diese reine Bewegung der Reflexion darin, in der das Andere nur als Schein, als unmittelbares Verschwinden auftritt; A ist, ist ein Beginnen, dem ein Verschiedenes vorschwebt, zu dem hinausgegangen werde; aber es kommt nicht zu dem Verschiedenen; A ist - A; die Verschiedenheit ist nur ein Verschwinden; die Bewegung geht in sich selbst zurück.“®®® Der Sinn der „absoluten“ Identität kann nur ermittelt werden, wenn darauf geachtet wird, daß sie ein Moment im Prozeß (bzw. in der Bewegung bzw. im Ganzen) der Selbstbestimmung dieses Begriffs ist. Nun durchläuft die Bewegung der Selbstbestimmung notwendigerweise das Moment der Ab-solutheit: Indem nämlich das Denken den Versuch unternimmt, die Identität in ihrer Eigenbestimmung zu begreifen, will es sie als sie selbst, los-gelöst von allem, was sie selbst nicht ist, also eben ab-solut, erfassen. Damit erreicht das Denken zunächst eine los-gelöste, d. h. eben ab-solute Identität, die Identität als „einfache Beziehung auf sich selbst“, als „reine Identität“, die Identität mit einer Bestimmung, die „vielmehr Bestimmungslosigkeit ist“®®^. Wenn nun BECKER behauptet, diese ab-solute Identität sei ein nicht vollziehbarer Gedanke, ein Unbegriff, so übersieht er, daß diese Ab-solutheit kein — man wüßte nicht wie und woher - „fertiger“ oder „festgesetzter“ Gedanke ist, sondern schlicht nur ein Moment im Ganzen der Selbstbestimmung dessen, was der währe, d. h. vollbestimmte Begriff der Identität besagt. Erst von hier aus kann der Sinn des ausschließenden Charakters, der diesem Moment der Selbstbestimmung eignet, eingesehen werden: Die Absolutheit der Identität besagt den Ausschluß jeder anderen ebenfalls absoluten, d. h. los-gelösten Bestimmtheit. Los-gelöste, d. h. isolierte Bestimmtheit wird somit gegen andere, los-gelöste, isolierte Bestimmtheit(en) behauptet. Daß Hegel gerade an dieser Stelle den dialektischen Umschlag in die entgegengesetzte Bestimmung behauptet und vollzieht, ist keine „trickhaft anmutende ,dialektische' Wendung“®®®, keine „Erschleichung“®®®, sondern ergibt sich mit Notwendigkeit aus der Natur der Sache: da die Selbstbestimmung der Identität sich als ein Prozeß (eine Bewegung, ein Ganzes) darstellt, kann sie nicht bei dem Moment der „Ab-solutheit“ stehenbleiben, ist doch dieses Moment eine „Bestimmung“, die, wie Hegel sagt, „vielmehr Bestimmungslosigkeit ist“®®^. Das „Weitergehen“ aber ist immer schon von der Weise entschieden, in der sich der Prozeß der Selbstbestimmung zuletzt bestimmt hatte, d. h. als ab-solute Identität, als „einfache Beziehung auf sich 389 WL II 28. 392 Becker a.a.O. 31.

39» WL II 31. 393 Ebd. 31 ff.

391 WL II 23. 3=1 WL II 23.

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selbst, [als] reine Identität“®*®. Auf dieser Ebene ihrer Selbstbestimmung ist also die Identität bestimmt nur gegen andere, weitere Bestimmungen (d. h. Momente). Dieses „gegen“ aber ist der (ab-soluten) Identität nicht äußerlich, denn es konstituiert sie. Muß also der Prozeß weitergehen, so kann dies nur in der Weise geschehen, daß das in der Ab-solufheit enthaltene „gegen“ zur Ausdrücklichkeit erhoben, d. h. daß die darin eingeschlossene ent-gegengesetzte Bestimmung zum Vorschein und zur Darstellung gebracht wird. Dies und nichts anderes besagt das dialektische Umschlagen bei Hegel. In ihm kommt jenes „mehr“ zum Vorschein, von dem Hegel in einem der zuletzt zitierten Texte spricht®*®. Diese Überlegungen zeigen, daß es aussichtslos ist, einen Begriff von kontradiktorischem bzw. konträrem Gegensatz festzusetzen bzw. vorauszusetzen, um auf dieser Basis Hegels dialektisches Denken aus den Angeln heben zu wollen. Erst im Zuge des Versuchs, den wahren, d. h. vollen Begriff der Identität zu bestimmen, kann sidh zeigen, was „kontradiktorischer“ und „konträrer“ Gegensatz in Wahrheit sind und leisten. Der einzige ernst zu nehmende Einwand gegen die vorgelegten Überlegungen wäre der Versuch, den Prozeßcharakter des Denkens zu bestreiten, etwa mit der Begründung, die Momente der Selbstbestimmung des Begriffs (etwa der Identität) seien für den „objektiven“ Begriff selbst irrelevante, weil ihm äußerlich bleibende „Momente“; sie wären nur der „Weg“ der „subjektiven“ Reflexion, der als solcher nicht als Moment des „objektiven“ Begriffs genommen werden dürfe. Aber dieser Versuch muß scheitern, schon aus dem Grund, weil es dann nicht mehr einzusehen wäre, warum nicht auch die Bestimmung der „Objektivität" des Begriffs als reine subjektive Reflexion oder Leistung gefaßt werden müßte. BECKERS Vorwurf der „Verbindung und Vermischung von kontradiktorischem und konträrem Gegensatz“ steht im Mittelpunkt einer Reihe von interpretatorischen Gesichtspunkten und kritischen Einwänden, die er in seinem Buch ausführlich darlegt. Auf einen der wicihtigsten Gesichtspunkte hinsichtlich der dialektischen Struktur der Wissenschaft der Logik, auf den BECKER einen radikalen Einwand gegen Hegel stützt, muß hier noch ausführlich eingegangen werden. BECKER versucht zu zeigen, daß für die Explikation der dialektischen Logik bestimmte Begriffe als gleichsam „latent apriorische Begriffe“ fungieren, worunter er die Begriffe versteht, die „zum — impliziten — Vorverständnis der Explikation eines jeden dialektischen Begriffsverhältnisses notwendig gehören“®*'^. Als solche Begriffe nennt er die Begriffe „Gegensatz“, „Vermittlung“, „Identität“ usw., wobei er den Gegensatz als 305 Ebd.

30» WL II 31.

30’ Becker a.a.O. 87.

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das wesentliche latente Apriori betrachtet. Dabei hebt er hervor, daß die Funktion dieser Bestimmungen mit ihrer dialektischen Explikation in der Wissenschaft der Logik nicht identisch ist. Nun deutet BECKER das Verhältnis dieser Begriffe zur Entfaltung der logischen Bestimmungen als „Anwendungscharakter“ dieser Begriffe, und von hier aus versucht er nachzuweisen, daß Hegel inkonsequent verfährt, nicht nur wenn er die Kategorien der Wissenschaft der Logik auf die Realphilosophie, sondern auch wenn er die dialektische Vermittlungsstruktur auf die dialektischen Kategorienverhältnisse anwendet®®®. BECKER meint nämlich, daß diese Anwendung „unter der Bedingung einer identisch sich durchhaltenden Argumentationsstruktur steht“®®*. Ihm zufolge steht es außer Zweifel, „daß der Begriffsinhalt derjenigen Kategorien, welche durch die beschriebene ,Anwendungsfunktion' ausgezeichnet sind, von Hegel im Modus der Eindeutigkeit genommen wird“^°®. Auf Grund dieser Eindeutigkeit erweisen sich die genannten Begriffe als „indifferent“^®* gegen die Begriffsinhalte derjenigen Kategorien, auf die sie angewandt werden. Dies wird nach BECKER daran ersichtlich, daß z. B. die „Identität“ auf die Dialektik sowohl von „Form und Materie“ als auch von „Ganzem und Teil“ angewandt werde. Da nun diese Anwendung eine unvermittelte Eindeutigkeit impliziere, verstoße sie gegen das dialektische Vermittlungsprinzip: „Die dialektische Logik kann . . . ihre Absicht: die kontinuierliche dialektische Entfaltung der Kategorienverhältnisse, nur verfolgen, wenn sie in Gestalt jenes ,Anwendungscharakters' nichtthematischer Kategorien bei einem Begriffsgebrauch Anleihen macht, welcher als der der traditionellen Logik gerade ihrer Kritik unterliegen soll.“*®® Damit glaubt BECKER, von einer anderen Seite her den eingangs diskutierten Einwand erhärten zu können: Impliziert Hegels dialektische Logik die Konstanz des Gebrauchs der Begriffe, so muß Hegel auch die Voraussetzung dieser Ldhre der klassischen Logik akzeptieren: die Dimensionsdifferenz von logisch-apriorischer Möglichkeit und außerlogischer Wirklichkeit*®®. Man muß anerkennen, daß BECKER eine fundamentale Problematik aufwirft. Daß in der Wissenschaft der Logik „artikulierende“ oder „übergreifende'' Begriffe anzunehmen bzw. impliziert sind, kann nicht bezweifelt werden. Aber BECKER mißdeutet das „Verhältnis“ dieser übergreifenden Vermittlungsbegriffe auf die „Kategorienverhältnisse“: dieses Verhältnis kann nicht im Sinn einer „Anwendung“ einer sich „eindeutig“ durchhaltenden Vermittlungsstruktur auf unabhängig von ihr schon „fertige“ logische Bestimmungen verstanden werden. BECKER übersieht hier sowohl den Standpunkt der Logik Hegels als auch den Prozeßcharakter der logischen Entfalä»» Vgl. ebd. 94. Ebd. 90.

f"» Ebd. «ä Ebd.

Ebd. 88. “»s Vgl. ebd.

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C. Die Elementarstruktur

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tung. Die übergreifenden Kategorien sind den logischen Bestimmungen nicht äußerlich, da sie gerade deren sich entfaltende innere Struktur ausmachen. Indem Hegel nämlich versucht, das „System der Denkbestimmungen“ darzustellen, denkt er das reine Denken, das „Denken als solches“^®^ in seiner strukturalen Selbstentfaltung und -bestimmung. Jedes äußere „Anwendungsverhältnis“ der übergreifenden Begriffe auf die einzelnen Denkbestimmungen ist dabei aufgehoben und kommt daher nicht mehr in Betracht. Denn die übergreifenden Begriffe und die in der Wissenschaft der Logik untersuchten und dargestellten logischen Bestimmungen bilden den Prozeß des Denkens: beide gehören unzertrennlich zusammen, machen sie doch beide zusammen das eine Denken aus. Eine „Änderung“ des Denkens besagt daher notwendigerweise eine „Änderung“ sowohl der übergreifenden Begriffe (also der „apriorischen Vermittlungsstruktur“) als auch der untersuchten und dargelegten logischen Bestimmungen. BECKERS Behauptung, die übergreifenden Begriffe verhielten sich indifferent gegen die einzelnen dargestellten Kategorien, weil und insofern ihnen eine unvermittelte Eindeutigkeit zukomme, verkennt völlig die innere Wandlung, die sie im Laufe der logischen Entfaltung durchmachen. BECKER ignoriert völlig die für diese Problematik zentralen Aussagen Hegels über das „Fortgehen des Begriffs“ und seine Erläuterungen, charakteristisch für die logische Sphäre des Seins sei das Übergehen, für die logische Sphäre des Wesens das Scheinen in dem Entgegengesetzten, für die logische Sphäre des Begriffs die Entwicklung'^^^. Ferner beachtet BECKER auch nicht die Entsprechungen zwischen den Kategorien und die Wiederholungen der Kategorien innerhalb der logischen Entfaltung^®®. *0* WL I 46. «5 Vgl. Enz. §§ 161, 240 u. ö. 40« Diese fundamentalen Aspekte der Hegelschen Logik übersieht auch H. Lenk in seinem Buch: Kritik der logischen Konstanten. Philosophische Begründungen der Urteilsformen vom Idealismus bis zur Gegenwart. Berlin 1968 (über Hegel: 257-'i77). Lenk unterscheidet objektsprachliche und metasprachliche Widersprüche. Unter den ersten versteht er die Widersprüche, „die zumeist konträre Entgegensetzungen sind und die das System (als eine Theorie über ,Widersprüche‘) selbst bezeichnet, behandelt und die durch den dialektischen Fortgang überwunden werden sollen“, während die metasprachlichen Widersprüche „das deduktionslogische Verhältnis der Aussagen der Theorie zueinander betreffen, kontradiktorisch sind und durch logische Operationen aufgedeckt werden“ (276). Die metasprachlichen Widersprüche „erzeugen sich syntaktisch in der Metatheorie des Systems, die anderen sind semantisch durch Grundterme des Systems bezeichnet“ (ebd.). Lenk erhebt nun den Vorwurf, Hegel unterscheide „nicht zwischen den syntaktisch erzeugten und den semantisch-äußerlich bezelchneten ,Widersprüchen'“ (ebd.). Dazu ist aber zu sagen: Die Absolutsetzung dieser Unterscheidung bzw. ihre Anwendung auf das Denken erreicht überhaupt nicht das Denkniveau, auf dem sich Hegels Logik bewegt. Im Prozeß des sich selbst begreifenden Denkens wird eine solche Unterscheidung nicht Ignoriert, sie wird aber nicht als unantastbare Grundlage fixiert, sondern im Zuge der Selbstexplikation des Denkens aufgehoben, d. h. begriffen.

III. Elementarstruktur und Methode

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Zuletzt sei noch auf einen Aspekt der BECKERschen Hegelkritik hingewiesen, der auf den ersten Blick als sehr sonderbar erscheint, sich aber bei näherem Betrachten als eine konsequente Folgerung aus dem mißverstandenen Ansatz der Hegelschen Logik erweist. BECKER schreibt: „Wie steht es . . . mit Hegels Rede von ,uns‘ und ,unserem Denken'? Ebenso wie es sinnlos ist, von ,wir‘ als einer Bestimmung zu sprechen, die nichts als etwa sich selbst bestimmte, ist es sinnlos, von ,unserem Denken' zu sprechen, als sei damit bloß der Begriff ,unser Denken' gemeint. Der Terminus ,unser Denken' meint unbeschadet seiner begrifflichen Gestalt den Vollzug, den wir ,Denken' nennen, und der uns als die faktisch existierenden Denkenden voraussetzt. Dieser Vollzug geschieht zwar in und durch Begriffe, kann aber schlechterdings kein Begriff sein. Eine sinnvolle Verwendung der Vorstellungen von ,uns' und ,unserem Denken' müßte notwendig auf eine solche Dimension Bezug nehmen, welche von der Dimension der Begriffe different ist. Deshalb dürfte Hegel gar nicht sagen, daß ,wir' denken. Er kann eigentlich nur sagen: ,der Begriff selber denkt sich'.“^®^ Zu dieser merkwürdigen Kritik kann BECKER nur gelangen, weil er die ursprünglich-grundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik und die gleichursprüngliche Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie verkennt. Im Lichte der obigen Überlegungen erweist sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem, was BECKER „das Prinzip des Idealismus“ nennt, und mit seinen Ausführungen über das Verhältnis des Hegelschen Denkens zu FICHTE und ScHELLiNG als gegenstandslos.

Becker a..a..O. 21.

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D. DIE PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES VON 1807 UND DIE PROBLEMATIK DER EINHEIT UND DER DARSTELLUNG DES SYSTEMS I. DIE BEDEUTUNG DER ELEMENTARSTRUKTUR FÜR DIE INTERPRETATION DER PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES

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1. Allgemeines über die Interpretation der Phänomenologie des Geistes Die heutige intensive Beschäftigung mit der Phänomenologie des Geistes weist drei Tendenzen auf: Die eine Tendenz versucht, das Werk rein „in sich“ und „aus sich“ zu interpretieren; eine zweite Tendenz sieht das Werk als Ergebnis einer bestimmten Periode in der Entwicklung des Hegelschen Denkens; eine dritte Tendenz interpretiert das Werk im Hinblick auf das spätere System bzw. vom späteren System her. Diesen Tendenzen liegt — auf eingestandene oder uneingestandene Weise - ein jeweils verschiedenes Verständnis des Hegelschen Gesamtdenkens zugrunde. Entsprechend der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung über die Einheit der systematischen Philosophie Hegels wird in dieser vierten Untersuchung die Phänomenologie des Geistes grundsätzlich im Sinn der dritten Tendenz gesehen und interpretiert. Damit aber soll weder bestritten werden, daß die in der ersten und zweiten Tendenz wirksamen Momente sehr wichtig, ja bis zu einem gewissen Grad unentbehrlich sind, noch soll die gängige Ansicht über die Beziehung des Werkes von 1807 zum späteren System einfach übernommen werden. Um die Phänomenologie des Geistes angemessen zu interpretieren, darf die historisch-philologische Seite der Problematik nicht außer acht gelassen werden. Gerade der heutige Stand der Hegel-Forschung legt deutlich die Notwendigkeit, der entstehungs- und entwicklungsgeschichtlichen Problemlage Rechnung zu tragen, nahe. Bereits dadurch können unbegründete Annahmen und leere Spekulationen vermieden werden. Es gibt nämlich eine Reihe von positiven Daten, die ausschließlich auf dem historisch-philologischen Forschungsweg ermittelt werden können. Andererseits aber kann eine Interpretation des Hegelschen Denkens nicht in der Historie bzw. Philologie stehenbleiben. Die Phänomenologie des Geistes kann als ein geradezu klassi-

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

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sdhes Beiplel sowohl für die Unentbehrlichkeit als auch für die eindeutige Grenze der historisch-philologischen Methode angesehen werden. Dies zeigt sich konkret im Falle der Beschäftigung mit der Phänomenologie darin, daß manche historisch-philologische Annahme bzw. Argumentation sich als Produkt eines spekulativen Unvermögens enthüllt. Beispiele dafür werden bald anzuführen sein. Der Versudh, die Phänomenologie des Geistes rein „in sich“ und „aus sich“ zu interpretieren, ist nicht in jeder Hinsicht von der Hand zu weisen; denn die Phänomenologie des Geistes ist ein Text, der - wie jeder große Text - in sich und aus sich „spricht“. Dies ist im Falle des Werkes von 1807 um so mehr zu beachten, als dieses Werk eine mit anderen Werken aus der philosophischen Literatur kaum vergleichbare geniale Geschlossenheit aufweist; zu bedenken ist außerdem, daß die Phänomenologie des Geistes einen außerordentlich großen und bis heute in seinem Detail kaum ersdhlossenen Reichtum an konkreten Analysen und historischen Bezügen aufweist, der dem Werk eine weitgehende Selbständigkeit verleiht*. Vor allem aber ist der Umstand zu erwähnen, daß die Phänomenologie in einer noch zu klärenden * Wenn also hier die Möglichkeit einer Interpretation der Phänomenologie in sich und aus sich nicht ausgeschlossen wird, so ist damit natürlich nicht gemeint, daß diese Interpretation auf die in diesem Werk enthaltenen Verweise auf die Geschichte verzichten kann. Wollte man die Phänomenologie in dieser Weise „in sich“ interpretieren, so wäre dies allerdings ein Ding der Unmöglichkeit. Zu Recht bemerkt J. Hoffmeister in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Phänomenologie: es fehlen „für alle diejenigen, die nicht eine umfassende und genaue Kenntnis der deutschen Geistesgeschichte, besonders von der Aufklärung an, haben, die notwendigen Voraussetzungen zum Verständnis dieses Werks“ (Phän. V). Sehr charakteristisch für den heutigen Stand der Interpretation der Phänomenologie des Geistes ist der hermeneutische Ansatz von P.-J. Labarriere in seinem Buch Structures et mouvement dialectique dans la Phenomenologie de l’Esprit de Hegel. Paris 1968. Das Ziel von Labarriere ist „l’intelligence de la Phenomenologie, et prAisement celle d’une compr^hension de l’oeuvre, ut jacet, par la recherche de ses structures et du mouvement qui les anime ... Le postulat sous-jacent est que l’ouvrage, pour etre compris, ne requiert aucune connaissance prealable, et qu’il offre lui-meme, en la nAessite qui l’anime, la clef de son propre dAhiffrement. Pour penetrer en lui, 11 suffit d’Are cette conscience naive que Hegel pose d’abord dans sa certitude la plus riche et la plus pauvre . . .“ (29; Hervorhebung von mir). Diese Aussagen sind unpräzis und zweideutig. Sie wollen im Grunde sagen, daß man sich an den genauen Text Hegels halten muß (vgl. 211 Anm. 70). Diese Zielsetzung bzw. dieses Verfahren ist gerade heute unentbehrlich, soll wirklich das Werk ut jacet verstanden und gedeutet werden. Aber dies kann nicht besagen, daß das Werk „in sich“ und „aus sich“ in der von LabarriAe ausgesprochenen Weise interpretiert werden kann. Im übrigen hält sich das konkrete Verfahren LabarriAes selbst nicht an den von ihm formulierten hermeneutischen Ansatz, denn er situiert sehr wohl das Werk im Kontext des Hegelschen Denkens und der Geschichte seiner Interpretationen. Außerdem weist er mehrmals auf die begrenzte Zielsetzung der Arbeit hin (12 ff, 211 Anm. 70, 268 f). Allerdings scheint er doch wieder sagen zu wollen, daß zwar andere Methoden notwendig seien, aber innerhalb des von ihm formulierten Postulats (vgl. 268). Schließlich ist noch zu bemerken, daß die „Intelligence“ bzw. „comprehenslon“ des Werkes keine statische oder „fertige“ Größe ist; vielmehr weist sie verschiedene Grade auf.

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I. Die Bedeutung der Elementarstruktur

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Hinsicht die Darstellung des Ganzen (des Systems) ist. Aber gerade dieser letzte Zug des Werkes von 1807 zeigt andererseits, daß einer sich nur auf das Werk in sich und aus sich beschränkenden Interpretation Grenzen gesetzt sind. Dabei muß nämlich auf zwei Punkte hingewiesen werden. Das Werk von 1807 wurde - erstens — als Teil eines größeren Entwurfs konzipiert und ausgeführt; wie immer man Hegels spätere Änderung dieses Planes interpretieren mag, eines darf dabei nicht übersehen werden: Das Werk „in sich“ und „aus sich“ weist über sich hinaus; es kann daher in sich und aus sich nur verstanden werden, wenn der Sinn dieses Über-sich-hinausweisens herausgearbeitet wird. Dieses Über-sich-hinausweisen wird bereits faktisch belegt: die Entwicklung des Hegelsöhen Denkens war mit der Phänomenologie historisch noch nicht zu Ende. Zweitens: In welchem Sinne das Werk von 1807 als eine Darstellung des Ganzen zu betrachten ist, kann nur im Hinblick auf das spätere System ermittelt werden. In dieser Hinsicht kann eine isolierte Deutung der Phänomenologie den eigentlichen Sinn dieses Werkes überhaupt nicht erfassen. Diese vierte Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit befaßt sich mit dem Werk von 1807 in der Perspektive der Einheit der systematischen Philosophie Hegels. Es soll gezeigt werden, welche Stellung das Werk von 1807 - jedenfalls seiner Idee nach - im sogenannten „späteren“ System Hegels einnimmt. Diese allgemeine Perspektive umfaßt aber mehrere Fragen und Hinsichten, die zum Teil bereits angeschnitten wurden. Es wird sich nun im einzelnen herausstellen, daß erst eine Interpretation der Phänomenologie des Geistes im Hinblick auf das spätere System bzw. vom späteren System her sowohl den Sinn und die Originalität des Werkes von 1807 als auch die ganze Breite der Problematik um die Einheit der (späteren) systematischen Philosophie Hegels zu enthüllen vermag; denn einerseits kann die innere Struktur und der Standort der Phänomenologie des Geistes erst in Abhebung von der andersgearteten und anders situierten späteren enzyklopädischen Darstellung des Systems voll eruiert werden; andererseits kann an der Phänomenologie des Geistes ersehen werden, wie die großen sich hinsichtlich des späteren Systems stellenden Fragen - wie die Beziehung von Logik und Realsystematik, die methodische Stellung der Elementarstruktur im Gang des Denkens, die konkrete Weise der Erweiterung oder der „Deduktion“ der (später „real“ genannten) „Sphären“, der Sinn und die „Höhe“ des enzyklopädischen Zusammenschlusses, d. h. der enzyklopädischen Darstellung des Ganzen usw. - einer Klärung zugeführt werden können. Die vorliegende vierte Untersuchung wird folgendermaßen aufgebaut: Zuerst soll die Bedeutung der in dieser Arbeit herausgestellten Elementarstruktur für die Interpretation der Phänomenologie des Geistes aufgewiesen

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

werden (I); sodann wird der Sinn bzw. die konkrete Gestalt der phänomenologischen Methode eingehend erörtert (II); schließlich wird nach der Stellung des Werkes von 1807 im späteren System gefragt und zwar im Rahmen der allgemeinen Problematik der Darstellung der Philosophie Hegels (III).

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2. Zur Diskussion über Entstehungsgeschichte, Idee und Komposition der Phänomenologie des Geistes Der Interpret der Phänomenologie des Geistes sieht sich von Anfang an mit einer verwickelten Problemlage hinsichtlich der Entstehung, der Idee und der Komposition dieses Werkes konfrontiert. Eine allseitige Erörterung dieser Problematik liegt nicht in der Absiöht und in der Möglichkeit dieser Arbeit. Hier soll vielmehr nur die Bedeutung der herausgearbeiteten Elementarstruktur für eine Interpretation der Phänomenologie des Geistes kurz aufgezeigt werden. Bezugspunkt der neueren Diskussionen über die Phänomenologie des Geistes ist immer noch TH. HAERINGS auf dem Hegel-Kongreß in Rom (1933) vorgetragener Versucih einer reinen entstehungsgeschichtlichen Lösung der von dem Werk von 1807 aufgeworfenen Fragen. Auf Grund einer Untersuchung der Entstehungsgeschichte dieses Werkes glaubte HAERING den Nachweis liefern zu können, daß die Phänomenologie des Geistes kein einheitlich konzipiertes Werk sei: „Die Phänomenologie ist nicht organisch und nach einem sorgfältig überlegten und lange gehegten Plan in Hegel und aus seiner vorhergehenden Entwicklung heraus erwachsen, sondern als Folge eines sehr plötzlichen, unter innerem und äußerem Druck gefaßten Entschlusses, in fast unglaublich kurzer Zeit und als eine, Stück für Stück erst für den Druck zustandekommende Niederschrift, während deren die Intention nicht immer dieselbe blieb. Dies ist so sehr der Fall, daß nicht nur der Name, sondern wirklich auch der sachliche Gehalt und der Umfang des Werkes erst während der Drucklegung der heutige wurde.“^ Nach HAERINGS Ansicht sollte die Phänomenologie des Geistes ursprünglich nur bis zum Kapitel „Vernunft“ reichen; erst „unter der Hand“ hätte sie ihre endgültige Gestalt gewonnen. Die Frage nach dieser berühmten Bruchstelle beherrscht seitdem die Diskussionen über die Phänomenologie. Dies ist sehr bezeichnend, denn diese sogenannte Bruchstelle enfhüllt sich im Lichte der Ausführungen dieser Arbeit als die Anzeige der Elementarstruktur, das heißt: als jener „Punkt“, der die Elementarstruktur abgrenzt und ihre Erweiterung bezeichnet. HAERINGS ^ Th. Haering: Die Entstehungsgeschichte der Phänomenologie des Geistes. - In: Verhandlungen des 3. Hegelkongresses. Hrsg, von G. Wigersma. Tübingen-Haarlem 1934. 118-138, zit. St. 119.

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I. Die Bedeutung der Elementarstruktur

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Deutung blieb lange Jahre vorherrschend; sogar hervorragende HegelForscher wie J. HYPPOLITE® und J. HOFFMEISTER^ schlossen sich ihr grundsätzlich an. Erst O. PöGGELER hat überzeugend nachgewiesen, daß das Werk von 1807 nicht in der von HAERING gesdiilderten Weise entstanden ist®. Aber PöGGELER machte zugleich deutlich, daß die historisch-philologischen Probleme, vor die sich HAERING gestellt sah, einer Lösung zugeführt werden müssen. Deshalb versucht er - gestützt auf umfangreiches historisch-philologisches Material - in erster Linie das Werkschicksal zu klären, wobei er aber zugleich die Einheit des Werkes und die sachliche Problematik zu wahren sucht. Nach PöGGELER hatte die zuerst geplante „Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins“ ihre Mitte im Selbstbewußtsein gehabt. PöGGELER stützt sich auf den letzten Satz der Einleitung, der wegen seiner Bedeutung für die vorliegende Problematik angeführt sei: „Indem es [= das Bewußtsein] zu seiner wahren Existenz sich forttreibt, wird es einen Punkt erreichen, auf welchem es seinen Schein ablegt, mit Fremdartigem, das nur für es und als ein anderes ist, behaftet zu sein, oder wo die Erscheinung dem Wesen gleich wird, seine Darstellung hiemit mit eben diesem Punkte der eigentlichen Wissenschaft des Geistes zusammenfällt; und endlich, indem es selbst dies sein Wesen erfaßt, wird es die Natur des absoluten Wissens selbst bezeichnen.“® Unter der „eigentlichen Wissenschaft des Geistes“ sei die Logik als die spekulative Philosophie zu verstehen; der „Punkt“, von dem der Text spricht, sei kein Punkt in der Logik, sondern der Charakter der Logik, daß in ihr Erscheinung und Wesen gleich sind; von diesem Punkt ab sollte sich die Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins wie die Logik als die eigentliche Wissenschaft des Geistes im Element des absoluten Wissens bewegen. Darauf gestützt vermutet PöGGELER, daß Hegel ursprünglich eine längere Entwicklung des absoluten Wissens angenommen hatte. Die Kompositionssdiwierigkeiten rühren nach PöGGELER vor allem vom Vernunft-Kapitel her, das nicht nur unproportioniert lang sei, sondern sich auch nicht bruchlos in die Gliederung der Phänomenologie des Geistes einfüge. Auf Grund dieser werkgeschichtlichen Deutung wäre anzunehmen, daß Hegel den Ansatz seines Werkes während der Ausarbeitung geändert hat und daß daher die ® Vgl. sein Werk: Genese et structure de la Phenomenologie de l'Esprit de Hegel. 2 Bde Paris 1946 (Nachdrucke 1959 und 1967). ‘‘ Vgl. die Einleitung zu der von ihm herausgegebenen Phänomenologie des Geistes (Phän. V-XLII; vgl. bes. XXVIII ff). ® Vgl. seine Arbeiten; Zur Deutung der Phänomenologie des Geistes. - In: Hegel-Studien 1 (1961), 255-294; Die Komposition der Phänomenologie des Geistes. - In: Hegel-Studien. Beihefts (1966), 27-74. » Phän. 75.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

Phänomenologie kein einheitlich konzipiertes Werk ist. Doch dazu bemerkt PöGGELER: „Wenn man formulieren wollte, Hegel habe den Ansatz seines Werkes während der Ausarbeitung geändert, dann müßte man zum mindesten audh darauf hinweisen, daß der eine Ansatz aus dem anderen erwächst, ihn in sich aufnimmt, ihm eigentlich nur eine andere Nuancierung gibt. Doch statt von einer Änderung des Ansatzes zu sprechen oder gar Hegels Werk als ein uneinheitlich konzipiertes für unhaltbar zu erklären, sollte man besser zu zeigen versuchen, wie Hegel bei der einmal gestellten Aufgabe bleibt, indem er seinen Ansatz so fortentwickelt, daß er der Aufgabe gerecht werden kann.“^ Diese prägnanten Formulierungen charakterisieren sehr gut die Problemlage und weisen auf den eigentlich spekulativen Grund hin, der die entstehungsgeschichtliche Seite des Werkes von 1807 zu erklären vermag: Wird die Phänomenologie des Geistes grundsätzlich von der Elementarstruktur der Philosophie Hegels her gedeutet, so ist von vornherein ein gewisser Spielraum von Möglichkeiten gegeben. Gerade die berühmte Bruchstelle zeigt die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten an: entweder nur die Elementarstruktur als solche — und zwar in ihrer phänomenologischen Dimension — darzustellen und dann sofort den Übergang in die Wissenschaft der Logik bzw. in die Noologie als in die beiden gleichursprünglichen Dimensionen zu vollziehen, oder die phänomenologisch dargelegte Elementarstruktur in dem Sinne zu erweitern, daß auch die weiteren oder konkreten Teile® der Philosophie (die realsystematischen Sphären) unter phänomenologischem Vorzeichen dargestellt werden, wobei in diesem letzten Fall der berühmte „Punkt“ - die Gleichsetzung von Wesen und Erscheinung — erst ans Ende der ganzen Darstellung rückt (als das absolute Wissen). Hegel hat unter welchen Umständen auch immer — die zweite Darstellungsmöglichkeit durchgeführt. Ob er diese Darstellung von Anfang intendiert hatte bzw. ob ihm die ganze Breite und Bedeutung der phänomenologischen Dimension von Anfang an klar war, darüber zu streiten ist im Grunde unwichtig; wichtig ist allein die Einsicht in die innere spekulative Konsequenz des Ansatzes, aus dem ein phänomenologischer Zusammenschluß des Ganzen erwachsen ist. Diese grundlegende Einsicht ist noch zu erhärten an Hand einiger Bemerkungen über das Verhältnis der Logik zur Struktur der Phänomenologie des Geistes. 3. Die Struktur der Phänomenologie des Geistes und die Logik Die Frage nach der Bedeutung der Logik für die Interpretation der Phänomenologie des Geistes hat eine historische und eine systematische Seite. ’’ Pöggeler: Die Komposition ... 65. * Vgl. Enz. § 25 A.

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(a) Eines der in den Arbeiten O. PöGGELERS am besten fundierten und für die Interpretation der Phänomenologie wichtigsten Ergebnisse ist die Einsicht in die Unhaltbarkeit der von der „klassischen“ Hegel-Deutung und -Forschung vertretenen Auffassung, Hegels Weg zum Werk von 1807 führe nicht über die (Jenaer) Logik und Metaphysik, sondern an ihr vorbei®. Demgegenüber weist PÖGGELER Überzeugend nach, daß der Ansatz der Phänomenologie des Geistes nur aus der Entwicklung der Jenaer Logik und Metaphysik verständlich zu machen ist®“. Auf diesen ganzen Problemkomplex kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Nur auf einen zentralen Aspekt, der von PöGGELER teils undeutlich, teils unrichtig dargestellt wird, ist hier hinzuweisen. Über Hegels ursprünglichen Ansatz in seinen Jenaer Vorlesungen über Logik und Metaphysik sind wir nur durch einen Bericht von K. ROSENKRANZ unterrichtet^®. Danach faßt Hegel ursprünglich die Logik und Metaphysik als die Reinigung des Geistes von allen vorgegebenen Bindungen und aller Einseitigkeit und in diesem Sinne als die wahre Einleitung in die Philosophie auf, wobei die Logik wiederum als die Hinführung zur Metaphysik betrachtet wird. In dem von ROSENRANZ überlieferten Text Hegels heißt es: „Ich glaube, daß von dieser speculativen Seite allein die Logik als Einleitung in die Philosophie dienen kann, insofern sie die endlichen Formen als solche fixiert, indem sie die Reflexion vollständig erkennt und aus dem Wege räumt, daß sie der Speculation keine Hindernisse in den Weg legt und zugleich das Bild des Absoluten gleichsam in einem Wiederschein vorhält, da® So z. B. unterscheidet H. Glöckner zwei Richtungen bzw. Linien bei Hegel: die Linie des lebendigen Philosophierens, die von den Jugendschriften über die Jenaer kritischen Aufsätze zur Phänomenologie des Geistes führe, und die Linie des systematischen Denkens, die von den Jenaer Systementwürfen in einer Kontinuität mit der Enzyklopädie bzw. dem späteren System - das Glöckner für tot erklärt - zu sehen sei (vgl. H. Glöckner: Hegel. Bd 2. 2. Aufl. Stuttgart 1958. 347 ff). — Audi die an Marx orientierte Hegel-Interpretation zieht es nicht in Betracht, die Idee der Phänomenologie aus der Entwicklung der Jenaer Logik zu verstehen. Vgl. dazu Pöggeler: Die Komposition ... 36. Eingehend untersucht wird die Jenaer Zeit von H. Kimmerle in seinem nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit erschienenen Buch: Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens. Hegels „System der Philosophie“ in den Jahren 1800—1804. Bonn 1970. (HegelStudien. Beiheft 8.) (vgl. oben 18 f Anm. 7a). Kimmerle will zeigen, daß die bisher von der klassischen Hegel-Interpretation gestellte Frage, wie denn Hegel nach den in den Jahren 1792/93-1800 angefertigten theologisch-politisch-historischen Untersuchungen ein Jahr darauf in Jena mit einem fertigen System der Philosophie hervortreten konnte, von falschen Voraussetzungen ausgeht (vgl. 5). Kimmerles Arbeit ist im übrigen aus einer Forschungsgruppe hervorgegangen, zu der auch O. Pöggeler gehörte (vgl. 6). Hegel’s Lehen. Berlin 1844 (Nachdruck Darmstadt 1969). Zur Frage des Quellenwerts der von Rosenkranz überlieferten Texte vgl. H. Kimmerle: Die von Rosenkranz überlieferten Texte Hegels aus der Jenaer Zeit. - In: Hegel-Studien 5 (1969), 83-94.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

mit vertraut macht.Nach PöGGELER konnte der so aufgefaßten Logik und Metaphysik nicht noch einmal eine Phänomenologie als Einleitung vorangehen, da diese Logik und Metaphysik „ja ursprünglich in sich auch eine Phänomenologie, eine Erhebung des endlichen Denkens zum unendlichen Denken [war]! Hegel braucht nur diese Erhebung des Denkens für sich darzustellen, um für seine spekulative Philosophie die Zweiheit von Logik und Phänomenologie bzw. von Logik und Metaphysik einerseits und Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins andererseits zu bekommen. In diesen Aussagen PöGGELERS wird sicher ein entscheidendes Moment richtig gesehen. Aber es wird dabei nicht klar, warum überhaupt die Zweiheit von Logik und Phänomenologie entstehen konnte. Es wird sich zeigen, daß PöGGELER seinen Ausführungen ein unangemessenes Verständnis der späteren Logik zugrunde legt, was zur Folge hat, daß von dieser Sicht aus die Stellung der Phänomenologie im späteren System nicht mehr verständlich gemacht werden kann. Wenn schon die Logik bzw. Metaphysik eine Erhebung zum unendlichen Denken oder eine Reinigung des Geistes war, warum entwickelte sich daraus eine Phänomenologie? Warum wurde die Logik nicht mehr als Einleitung betrachtet? PöGGELER kann diesen Sachverhalt nicht erklären. Von welchem Verständnis der späteren Logik läßt sich der Interpret hier leiten? Für den vorliegenden Zusammenhang setzt PöGGELER richtig voraus, daß die spätere Logik ihre Voraussetzung in der Phänomenologie des Geistes hat. Aber dieser Gesichtspunkt ist nicht der einzige und in einer fundamentalen Hinsicht nicht der wichtigste. Es ist nämlich in Betrac^ht zu ziehen, daß - wie in den Untersuchungen A und B dieser Arbeit gezeigt wurde - auch die Logik, und zwar auch in ihrer endgültigen Gestalt, eine „Reinigung“ bzw. eine „EAebung“ besagt; denn sie will ja - in ihrem objektiven Teil - eine „vorgängige Untersuchung“ bzw. die „wahrhafte Kritik“ der der Idee unangemessenen Formen des Denkens sein*®. Wenn also die These aufgestellt wird, daß die Phänomenologie des Geistes — und nicht mehr die Logik - als die Einleitung bzw. Erhebung ins Auge gefaßt wurde, so kann sie nicht besagen, daß die Logik nicht mehr als Erhebung und auch Einleitung in Betracht kommt. Es ist vielmehr zu fragen, welchen Sinn die Zweiheit von Phänomenologie und Logik hat. Diese Frage aber ist nur zu lösen, wenn die in dieser Arbeit herausgearbeitete Elementarstruktur wesentlich berücksichtigt wird. Dann ist nämlich zu sagen: Die Logik kann nicht in jeder Hinsicht als Erhebung bzw. Einleitung angesehen werden, weil sie nur eine Dimension des Geistes darstellt, und zwar jene Dimension, die auf die „kri"

Rosenkranz: 'Lehen \9\. Pöggeler: Die Komposition . . . 40.

•3 Vgl. WL I 47.

I. Die Bedeutung der Elementarstruktur

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tischen“ Fragen von sich aus gar nicht eingehen kann^^. Es wird hier klar, daß die historisch-philologische Beschäftigung mit der Entstehungsgeschichte der Phänomenologie des Geistes auf der Grundlage eines des öfteren nicht adäquaten Verständnisses des späteren Denkens Hegels operiert^®. Vgl. oben 182 f, Anm. 125. Sehr bezeichnend für die heutige Interpretationslage ist O. Pöggelers Auseinandersetzung mit einer der Thesen Th. Haerings über die Entstehungsgeschichte der Hegelschen Logik und der Phänomenologie des Geistes. Haering vertrat die Ansicht, in der Geschichte der Entwicklung der Hegelschen Logik gebe es nicht nur die Linie, die von der ersten Jenaer Logik und Metaphysik zur späteren Wissenschaft der Logik von 1812/16 und zur Logik der Enzyklopädie führt; daneben könne eine andere Linie festgestellt werden, die Linie einer psychologisch-anthropologisch abgeleiteten Logik: diese Linie soll von einem frühen Berner Text (jetzt unter dem Titel „Materialien zu einer Philosophie des subjektiven Geistes“ in „Dokumente . . .“ [195-217] veröffentlicht) über die Phänomenologie des Geistes und andere Jenaer Texte bis zur Nürnberger Propädeutik führen. Diese Ansicht wird von Pöggeler scharf abgelehnt (vgl.: Hegel-Studien 1 [1961], 273 ff, 277 f; 2 [1963], 61 ff). Es ist Pöggeler zuzugeben, daß Haering schwerwiegende Interpretationsfehler begeht, indem er eine Reihe von historisch-philologischen Daten einfach übersieht oder falsch deutet. Ferner muß betont werden, daß Haerings Verständnis bzw. Erläuterung einer psychologischanthropologischen „Ableitung“ der Logik auf einem undurchdachten und oberflächlichen Psychologismus beruht (über den Psychologismus im Zusammenhang mit der Frage nach dem Sinn der Hegelschen Logik vgl. oben 139 f). Nachdem dies zugestanden bzw. klargestellt ist, muß doch gefragt werden, ob Pöggeler diesen ganzen Zusammenhang richtig deutet und seine ganze Tragweite erkennt. Er selbst scheint den Kern der Problematik zu erfassen, wenn er - mehr anhangsweise - schreibt: „Natürlich kann darüber kein Zweifel sein, daß Hegel der Auffassung war, man müsse wissen, was Denken heißt, wenn man lernen wolle, logisch zu denken. Deshalb hat er noch in Berlin für den Gymnasialunterricht Logik und Psychologie empfohlen, und zwar Psychologie als ,Einleitung in die Logik' [BSdir. 548]. Eine psychologische Ableitung der Logik aus Seelenvermögen aber ist im Werk Hegels nicht nur nicht vorhanden, sondern auch nicht denkbar - es sei denn, man fasse die ,Seele‘ als jenes ,Subjekt‘, das die Wahrheit der Substanz ist, was dann freilich nichts mehr mit der Psychologie und deren Seelenvermögen zu tun hat“ (Hegel-Studien. Bd 2. 63). Diese Formulierungen sind sehr aufschlußreich. Hier wird die Bedeutung des „Denkens“ für die Logik behauptet; allerdings scheint Pöggeler diese Bedeutung - also daß man wissen müsse, „was Denken heißt“ - auf eine propädeutische Vorbedingung zu reduzieren, die für den inneren Sinn und Aufbau des Logischen irrelevant sei. Und doch widerlegt sich Pöggeler selbst durch die Weise, wie er sich im letzten Satz ausdrückt. Zwei bedeutsame Behauptungen sind in diesem Satz enthalten: 1. Eine „psychologische“ Ableitung der Logik ist bei Hegel vorhanden bzw. denkbar, wenn man „Seele“ als jenes „Subjekt“ auffaßt, das die Wahrheit der Substanz ist; 2. Eine solche Auffassung hat mit der Psychologie und deren Seelenvermögen nichts mehr zu tun. Was zunächst die zweite Behauptung angeht, so ist sie teils zweideutig, teils falsch. Wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt wurde (vgl. oben 153 ff), ist der Geist als solcher gerade jenes Subjekt (= Geist als Subjekt), das die Wahrheit der Substanz (= Geist als Seele oder „Naturgeist“) ist. Nun ist der Geist als solcher (als Subjekt) der Giegenstand jener Disziplin, die Hegel „Psychologie“ nennt und die in dieser Arbeit „Noologie“ genannt wird. Dieser Geist - also in Pöggelers Formulierung: die „Seele" als jenes „Subjekt“, das die Wahrheit der Substanz ist - hat „sehr viel zu tun“ mit der „Psychologie und deren Seelenvermögen“: denn die Hegelsche „Psychologie“ bzw. „Noologie“ versteht sich als die spekulativ-vernünftige Betrachtung der „sogenannten Vermögen“ (vgl. Enz. §§ 442 A, 445 u. ö.) der metaphysischen Psychologie oder der Metaphysik des Geistes; spekulativ-vernünftig betrachtet erweisen sich diese „Vermögen“ als die „Tätig-

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

Geht man von einem anderen, angemesseneren Verständnis der späteren Logik aus, so kann man in den Berichten von ROSENKRANZ über die ersten Ansätze der Logik und Metaphysik bzw. der Phänomenologie des Geistes unschwer die sich anbahnende spätere Konzeption entdecken. Auf zwei Stellen sei hingewiesen. ROSENKRANZ bemerkt: „In den Einleitungen sieht man . .. das größte Bemühen, das Unternehmen [der Logik-Metaphysik] überhaupt zu rechtfertigen .. .“^® Die Rechtfertigung ist hier das zentrale Wort. Wie kann überhaupt eine Rechtfertigung gedacht werden? Im ganzen Bericht ROSENKRANZ' ist immer ausdrücklich oder stillschweigend vorausgesetzt, daß diese Rechtfertigung nicht logisch zu bewerkstelligen sei; denn die Logik selbst sei zu rechtfertigen. Bei ROSENKRANZ selbst aber findet sich ein fundamentaler Satz, der den Sinn und die Tragweite dieser Rechtfertigung ausspricht: „Die ganze neuere Philosophie war aus dem Begriff des Selbstbewußtseins entsprungen . . Und ROSENKRANZ selbst weist auf den sich hieran anschließenden Begriff der Erfahrung hin: „Er [Hegel] entwikkelte daher, zunächst in seinen Einleitungen zur Logik und Metaphysik, den Begriff der Erfahrung, welche das Bewußtsein von sich selbst macht.“^^ Dies bedeutet: Die aus der geschichtlichen Situation heraus erwachsene Notwendigkeit einer Rechtfertigung der Logik führte Hegel allererst zur Erschließung der phänomenologischen Dimension. Daraus aber ergibt sich nicht, daß die Logik aufhört, ebenfalls eine Erhebung zu sein; es ergibt sich nur, daß die Logik eine Erhebung zum (eigentlichen, vernünftigen) Denken in einer anderen Dimension des Geistes ist als in jener, in der sich die „kritischen“, d. h. eine „Rechtfertigung“ fordernden Problemstellungen „halten“. Diese Scheidung von Dimensionen bedeutete für Hegel zugleich eine Wandlung seiner Logikkonzeption in dem Sinne, daß jetzt das Logische in seiner wahren Eigentümlichkeit hervortrat. Dies wird an einer weiteren von ROSENKRANZ berichteten Stelle ersichtlich: „EICHTE’S Wissenschaftslehre so wie SCHELLING’S Transcendentalidealismus sind beides nichts anders, als Versuche, die Logik oder speculative Philosophie rein für sich darzustellen. keitsweisen“ (Enz. § 440 A) des Geistes, als „Stufen dieser Befreiung [nämlich des Geistes als solchen zu sich]“ (Enz. § 442 A) usw. Berücksichtigt man diese Zusammenhänge, so erweist sich die erste in der Formulierung Pöggelers enthaltene Behauptung als zutiefst wahr; eine „psychologische“ Ableitung der Logik ist bei Hegel vorhanden bzw. denkbar, wenn unter „Seele“ jenes Subjekt verstanden wird, das die Wahrheit der Substanz ist - mit anderen Worten: wenn unter „psychologisch“ das verstanden wird, was Hegel selbst unter diesem - zugegeben, sehr mißverständlichen - Terminus verstand. Hinzuzufügen ist allerdings noch, daß der Ausdruck „Ableitung“ ungeeignet ist, den hier vorliegenden Sachverhalt zu explizieren: das Verhältnis von Logik und Psychologie bzw. Noologle ist nicht das einer Ableitung der ersten aus der zweiten, sondern das einer elementarstrukturalen Gleichursprünglichkeit der beiden Dimensionen. Rosenkranz 2i.a..O. Ebd. 202. Ebd.

I. Die Bedeutung der Elementarstruktur

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ist bekanntlich von dem großen, aber einseitigen Standpunct des Bewußtseins, vom Ich, vom Subject ausgegangen, und dies hat ihm eine vollständige und freie Ausführung unmöglich gemacht. SCHELLING geht zwar eben davon aus, hebt zwar diesen Standpunct in der Folge auf, aber, was die speculative Philosophie selbst betrifft, so scheint bei diesen Versuchen das Bewußtsein nicht vorhanden gewesen zu sein, daß es um nichts Anderes zu thun war . . In diesem Text sind zwei für das Denken Hegels schlechthin zentrale Einsichten enthalten: zum einen wird der Standpunkt des Bewußtseins, also des Phänomenologischen, als eine wirkliche, aber doch einseitige Dimension bewertet bzw. anerkannt; zum anderen — und zwar auf der Grundlage der ersten Einsicht bzw. in Abhebung von ihr — wird die Eigentümlichkeit der logischen Dimension in aller Ausdrücklichkeit gesehen und hervorgehoben. Aus dieser kurzen Diskussion ergibt sich, daß nicht nur die entstehungsgeschichtlichen Untersuchungen das Verständnis des späteren Systems bedingen, sondern daß auch umgekehrt das Verständnis des späteren Systems die vorausgesetzte Grundlage für die Interpretation der Entwicklungsgeschichte Hegels bildet.

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FICHTE

(b) Die Bedeutung des Verhältnisses von Phänomenologie und Logik beschränkt sich keineswegs auf die entstehungsgeschichtliche Problematik; im Gegenteil: sie kommt voll zum Vorschein erst beim Versuch, die Phänomenologie des Geistes hinsichtlich ihrer Struktur und Gliederung zu deuten. Diese Problemlage wurde in der neueren Hegel-Forschung außer von O. PöGGELER vor allem — in systematischer Hinsicht - von H. F. FULDA untersucht®®. FULDA versucht, Struktur und Gliederung der Phänomenologie auf der Grundlage einer Folge logischer Grundmomente, die die Gestalten selbst und die Erfahrung des Bewußtseins organisieren, begreiflich zu machen. Er geht davon aus, daß nach Hegel jedem abstrakten Momente der Wissenschaft eine Gestalt des erscheinenden Geistes entspricht. In Betracht kommen hier vor allem zwei Stellen aus dem Kapitel „Das absolute Wissen“ und aus der Vorrede, die also erst am Ende bzw. nach der Abfassung der eigentlichen Phänomenologie entstanden sind®^. Daraus ergibt sich für FULDA die Frage, ob Hegel von Anfang an eine strenge Entsprechung zwischen den phänomenologischen Gestalten und den logischen Momenten im Auge hatte, wodurch dann sichergestellt wäre, daß die Phänomenologie ein streng konzipiertes - wenn auch nicht streng einheitlich komponiertes — Werk ist. FULDA ‘9 Ebd. 188-189. 9° Es handelt sich um das Buch: Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik. Frankfurt/M. 1965, und den Aufsatz: Zur Logik der Phänomenologie von 1807. In: Hegel-Studien. Beiheft 3 (1966), 75-101. Phän. 562 und 33.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

gibt auf diese Frage eine positive Antwort, die er auf Grund einer Interpretation des letzten Absatzes der Einleitung in die Phänomenologie zu erhärten sucht. Der erste Satz dieses Absatzes lautet: „Die Erfahrung, welche das Bewußtsein über sidi madit, kann ihrem Begriffe nach nidits weniger in sich begreifen als das ganze System desselben, oder das ganze Reich der Wahrheit des Geistes, so daß die Momente derselben in dieser eigentümlidien Bestimmtheit sich darstellen, nicht abstrakte, reine Momente zu sein, sondern so, wie sie für das Bewußtsein sind, oder wie dieses selbst in seiner Beziehung auf sie auftritt, wodurch die Momente des Ganzen Gestalten des Bewußtseins sind.“^^ Daß auch hier eine Entsprechung zwischen den logischen Momenten und den konkreten Gestalten gemeint ist, dürfte sicher sein, da Hegel ja von „abstrakten, reinen Momenten“ spricht. Was ist aber mit Geist gemeint? FULDA findet darin ausgesprochen, daß die Erfahrung des Bewußtseins auf ein Subjekt ihrer Bewegung zurückgeführt wird, das sie in sich begreift. Wie ist aber der Geist als dieses Subjekt zu verstehen? Anders gefragt: Wie weit „reicht“ der hier genannte Geist? Wie ist der Ausdruck „das ganze Reich der Wahrheit des Geistes“ zu deuten? Kurz: Wie ist die Entsprechung zwischen logischen Momenten und konkreten Gestalten des Bewußtseins bzw. des Geistes zu fassen? FULDA deutet „das ganze Reich der Wahrheit des Geistes“ als das Logische^®. Insofern hier von der „Wahrheit des Geistes“ die Rede ist, kann dies nicht bezweifelt werden. Was meint aber die „Wahrheit des Geistes“} In dieser Aussage ist jedenfalls gesagt, daß das Logische und das Geistige koextensiv sind, so daß die Entsprechung zwischen dem Logischen und dem Geistigen - und zwar in allen seinen Gestalten - total ist. Diese Koextensität kann auf Grund der Entspredhungsaussagen der Phänomenologie des Geistes und der in dieser Arbeit herausgestellten inneren Konsequenz des späteren Systems nicht in Zweifel gezogen werden. Damit ist aber noch nicht gesagt, wie diese totale Entsprechung bzw. Koextensität näher zu verstehen ist. Von der Antwort auf diese Frage aber hängt der Sinn sowohl der Logik als auch der Phänomenologie des Geistes ab. „Geist“ ist bei Hegel eine sehr verwickelte Größe; erst wenn nach dessen innerer Strukturiertheit gefragt wird, kann Klarheit über die angeschnittene Problematik erreicht werden. Es wird sich nun zeigen, daß FULDA diese Zusammenhänge nidht befriedigend zu klären vermag. In seinem Buch hatte FULDA sich weitgehend auf die Kategorien der Nürnberger Logik von 1808/09 bezogen, um die Reihenfolge jener logischen Momente aufzuzeigen, denen die Gestalten des Geistes in der Phänomenologie des Geistes entsprechen sollen. In seiner späteren Abhandlung differen22 Phän. 74-75. 22 Fulda: 2ur Logik ... 79; Das Problem ... 140 ff.

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I. Die Bedeutung der Elementarstruktur

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ziert und korrigiert FULDA seine These, indem er die dem Werk von 1807 vorausgehende Entwicklungsgeschichte der Logik genauer berücksichtigt. Sowohl FULDA als auch PöGGELER sind der Auffassung, daß es bei Fiegel keine durchgeführte Logik gibt, die der Struktur der Phänomenologie des Geistes entspricht^^. Diese Ansicht ist in einer gewissen Flinsicht — jedenfalls was das Detail der Darstellung angeht - sicher richtig; sie scheint aber — zumindest bei FULDA - auf einer falschen Voraussetzung zu beruhen, nämlich darauf, daß eine sich mit dem phänomenologischen Gang genau dekkende kontinuierliche Reihenfolge von ebenso vielen logischen Momenten anzunehmen bzw. zu erschließen ist^®. Wie wird hier die Logik aufgefaßt? Jedenfalls wird hier der grundlegende Aspekt des Elementarstrukturalen bei Hegel übersehen, das heißt: es wird nicht beachtet, daß mit dem „Denken“ (Vernunft, Geist) die Logik schon „zu Ende“, vollständig ist, so daß alles Weitere eben nur die Er-weiterung dieser logisdhen Elementarstruktur sein kann. Die Koextensität von Phänomenologie und Logik bedeutet nicht eine einfache Deckung von zwei Reihenfolgen, sondern die Koextensität ergibt sich aus der „Wiederholung“ oder „Erweiterung“ der Elementarstruktur (in ihrer logischen Dimension) „in“ den weiteren oder konkreten phänomenologischen Gestalten des Geistes. Eine Koextensität im Sinne einer einfachen Deckung der logischen und der phänomenologischen Reihenfolge ist zwar anzunehmen, aber sie reidht eben nur bis zur Vernunft (wobei, wie noch zu zeigen ist, das Vernunft-Kapitel in der Phänomenologie des Geistes nicht mehr elementarstruktural, sondern im Sinne der erwähnten Erweiterung zu deuten ist). Die hier kritisierte Logikauffassung ist weder beim „frühen“ noch erst recht beim späteren Hegel zu finden; auch kann sie nicht beim Jenaer Hegel „erschlossen“ werden, da eine solche Logik der ganzen Entwicklungstendenz der Hegelschen Logikauffassung und der inneren Struktur der Phänomenologie des Geistes widerspricht. Dies ist noch in aller Kürze zu zeigen. In den Reinschriftfragmenten zur Logik, Metaphysik und Naturphilosophie (Sommer 1804 — Winter 1804-1805^®) unterscheidet Hegel streng die Logik von der Metaphysik. Die Logik wird eingeteilt in: I. Die einfache Beziehung (Qualität-Quantität, Unendlichkeit); II. Das Verhältnis (des Seins [Substantialitätsvethältnis, Kausalitätsverhältnis, Wechselwirkung], des Denkens [Begriff, Urteil, Schluß]); III. Proportion (Definition, Einteilung, Erkennen). Die Metaphysik gliedert sich in drei Teile: I. Das Erkennen als Vgl. Pöggeler: Die Komposition ... 57; Fulda: Zur Logik ... 95 ff. Vgl. Fuldas Angabe der „logischen“ Reihenfolge: Zur Logik ... 97 ff. Zur Datierung vgl. H. Kimmerle: Zur Chronologie von Hegels Jenaer Schriften. - In: Hegel-Studien 4 D967), 125-176, bes. 144.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

System von Grundsätzen (Satz der Identität, der Ausschließung eines Dritten, des Grundes); II. Metaphysik der Objektivität (Seele, Welt, höchstes Wesen); III. Metaphysik der Subjektivität (theoretisches Ich oder Bewußtsein, praktisches Ich, Absoluter Geist). Wie hat sich nun diese Auffassung gewandelt? Was die Metaphysik anbelangt, so wurde sie in ihrem zweiten und dritten Teil jedenfalls in zwei Richtungen aufgehoben: einmal in phänomenologischer Richtung, so daß die „metaphysischen“ Inhalte in den Gang einer phänomenologischen Darstellung des Ganzen aufgenommen wurden; dann aber später in enzyklopädischer Richtung, so daß jene „metaphysischen“ Inhalte zu realsystematischen Sphären wurden, die - wie in der Untersuchung B gezeigt - mit der Logik „koextensiv“ sind. Diese Entwicklung bzw. Aufhebung der Jenaer Metaphysik ist aber nur die eine Seite der Gesamtentwicklung des Hegelschen Denkens; die andere Seite ist der Wandel der Logik selbst. Dieser Wandel kann nur verstanden und erklärt werden, wenn nach dem Schicksal der Metaphysik gefragt wird, d. h. nach dem Verhältnis zwischen logischen Inhalten und phänomenologischen bzw. realsystematischen Sphären. Das Logische hat sich so gewandelt, daß es sich sowohl vom Metaphysischen als auch vom Phänomenologischen abgehoben hat. Der wesentliche Gesichtspunkt dieses Wandels war die De-finition und die Darstellung des Logischen im Sinn der in dieser Arbeit aufgezeigten Elementarstruktur. Hinsichtlich des Verhältnisses von Logik und Phänomenologie ist die aufgestellte These noch in Auseinandersetzung mit FULDA ZU erhärten. FULDA eruiert eine Reihenfolge von logischen Grundmomenten, die den durch römische Ziffern bezeichneten phänomenologischen Stufen entsprechen sollen^^. Er glaubt von da aus, eine Kontinuität der Konzeption im Ablauf der Phänomenologie begründen zu können. Entscheidend ist dabei die Erklärung jenes „Punkts“, von dem am Ende der Einleitung die Rede ist, „wo die Erscheinung dem Wesen gleich wird“*®. Dieser Punkt ist nach FULDA der Geist, denn hier „trifft es [das Bewußtsein] das Ansich, das es für sein Bewußtsein sich selbst ist, am Element selbst an - am Element, in dem der Inhalt seines Wissens und es selbst sich befinden“^®. Dem ist durchaus zuzustimmen. Warum aber über diesen „Punkt“ hinausgegangen werden kann bzw. soll, wird von FULDA nicht mehr erklärt. Er schreibt nämlich: „. .. aber es [das Bewußtsein als Gestalt des Geistes] hört darum nicht auf, eine ” Dabei stützt er sich vor allem auf folgende Stelle am Ende der Jenaer Realphilosophie: „Spekulative Philosophie: absolutes Sein, das sich Andres (Verhältnis wird), Leben und Erkennen; und wissendes Wissen, Geist, Wissen des Geistes von sich“ (Realph. II 272). 28 Phän. 75. 2* Fulda: 2ur Logik . . . 100.

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I. Die Bedeutung der Elementarstruktur

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noch unwahre Existenz zu sein und die Erfahrung der Ungleichheit seines Ansich mit seinem Inhalt machen zu müssen, bis sein Ansich sowohl als sein Element der reine Begriff sind. Nur wird seine Darstellung von nun ab nicht mehr der in der Darstellung des Bewußtseins verkapselten Logik folgen müssen, sondern der enthüllten: der unverschachtelten logischen Struktur des Geistes und des Wissens des Geistes von sich.“^® Es ist hier zu fragen: Was kann eine „verkapselte“ bzw. eine „enthüllte“ Logik besagen? In Wirklichkeit spricht FULDA hier - allerdings, wie es scheint, ohne sich darüber im klaren zu sein — genau jenen Sachverhalt an, der in dieser Arbeit die logische Elementarstruktur genannt wurde. Die „unverschachtelte“ logische Struktur der weiteren Gestalten des Geistes ist in Wirklichkeit keine andere Logik, sondern die erweiternde Wiederholung der Logik, die — eben als Elementarstruktur - mit der Erreichung der Vernunft bzw. des Begriffs des Geistes schon vollständig „vorliegt“. Diese grundlegende Einsicht kann an Hand eines von J. HOFFMEISTER unter dem Titel „Ein Blatt zur ,Phänomenologie des Geistes'“ edierten Fragmentes bestätigt werden. Es heißt dort: „Das absolute Wissen tritt so zuerst als gesetzgebende Vernunft auf; in dem Begriffe der sittlidhen Substanz selbst ist keine Unterscheidung des Bewußtseins und des Ansichseins; denn das reine Denken des reinen Denkens ist an sich, oder sich selbst gleiche Substanz, und ebensowohl ist es Bewußtsein. Damit aber, daß eine Bestimmtheit an dieser Substanz hervortritt - und die erste ist, wie sich ergibt, daß Gesetze gegeben werden, — so tritt auch der Unterschied zwischen dem Bewußtsein und dem Ansich ein . . FULDA bemerkt ganz richtig dazu, daß hier dem Beginn des sittlichen Geistes ein Resultat vorausgeht, das nichts anderes ist als die von der Einleitung in die Phänomenologie angekündigte Ausgleichung der Erscheinung mit dem Wesen. Wie ist aber das Wiederhervortreten des Unterschieds zu erklären? Dazu FULDA: Die erwähnte Ausgleichung wäre „zugleich 2äsur einer höheren logischen Ordnung, Ende und Beginn einer übergreifenderen Sphäre, als an der endgültigen Disposition [des Werkes] in Erscheinung tritt“®*. Was kann aber hier überhaupt noch eine „höhere logische Ordnung“ besagen? Immer wieder zeigt sich die grundsätzliche Unklarheit in FULDAS Logikauffassung. Mit dem Beginn der ausführlichen Darstellung des Vernunft-Kapitels — genauer: der inhaltlichen Partien des Vernunft-Kapitels - ändert sich grundlegend der Sinn der Entsprechung zwischen logischen Momenten und phänomenologischen Gestalten, denn von diesem Punkt an handelt es sich nicht mehr Ebd. (Hervorhebung von mir). Dok. 353 (Hervorhebung von mir). Fulda: Zur Logik . . . 101 (Hervorhebung von mir).

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

um eine Entsprechung zwischen neuen, bis jetzt noch nicht vorgekommenen logischen Kategorien oder Bestimmungen und konkreten Vernunft- bzw. Geistesgestalten, sondern nur noch um eine Erweiterung der phänomenologisch-logischen Elementarstruktur: eine „höhere logische Ordnung“ im Sinne ganz neuer logischer Bestimmungen gibt es nicht. Wie ist aber in diesem Fall die Änderung in der endgültigen Disposition der Phänomenologie des Geistes — also der „Umstand“, daß das absolute Wissen bzw. das reine Denken des reinen Denkens erst am Ende des ganzen Werkes erscheint - zu erklären? Dieser Punkt ist von fundamentaler Relevanz für die Interpretation sowohl der Logik als auch der Phänomenologie des Geistes. Die Frage ist so zu präzisieren: An welcher genauen Stelle der Phänomenologie des Geistes ist das Hervortreten des Standpunkts der Wissenschaft oder das reine Denken des reinen Denkens anzusetzen? Anders gefragt: Was ist in der endgültigen Gestalt des Werkes von 1807 aus dem ersten Auftreten des reinen Denkens des reinen Denkens bzw. des absoluten Wissens geworden? Ist das Problem einfach dadurch zu lösen, daß behauptet wird, das reine Denken sei ans Ende des Werkes gerückt? Von der Lösung dieser Frage hängt die Deutung des logischen Status der dazwischenliegenden Gestalten - d. h. der Geistesgestalten - ab. Zwar ist es unbestreitbar, daß im Werk von 1807 das absolute Wissen erst am Ende der Darstellung aller Geistesgestalten auftritt. Der Standpunkt der Wissenschaft ist also nicht schon in der Mitte, sondern erst am Ende des Werks erreicht und aufgewiesen. Was bedeutet aber dies genau für die innere Struktur des Werkes und für die Frage der Entsprechung zwischen logischen Momenten und phänomenologischen Gestalten? Den Schlüssel zur Lösung dieser Frage bietet § 25 A der Enzyklopädie, wo Hegel in kurzen, aber fundamentalen Formulierungen sein erstes großes Werk interpretiert. Es heißt dort u. a.: „Es konnte hiefür [d. h. für den Aufweis der Notwendigkeit des wissenschaftlichen Standpunkts] aber nicht beim Formellen des bloßen Bewußtseins stehen geblieben werden; denn der Standpunkt des philosophischen Wissens ist zugleich in sich der gehaltvollste und konkreteste; somit als Resultat hervorgehend, setzte er auch die konkreten Gestalten des Bewußtseins, wie z. B. der Moral, Sittlichkeit, Kunst, Religion voraus.“*® In diesem Text wird Entscheidendes gesagt. Zunächst ist zu beachten, daß der Ausdruck „das Formelle des bloßen Bewußtseins“ dem entspricht, was in dieser Arbeit die phänomenologische Elementarstruktur genannt wurde; „Bewußtsein“ steht ja hier - und in ähnlichen Zusammenhängen bzw. Texten - für das Erscheinende oder das Phänomenologische; „das Formelle“ Enz. § 25 A (Hervorhebung von mir).

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I. Die Bedeutung der Elementarstruktur

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dürfte sicher das Eigentümliche oder eben Elementare „des“ Phänomenologischen meinen. Nun wird von Hegel bemerkt, der Standpunkt der Wissenschaft sei „zugleich in sich der gehaltvollste und konkreteste“. Diese Formulierung ist für die vorliegende Problematik genauestens zu beachten. Im „zugleich“ wird nämlich sowohl ein Unterschied als auch eine Identität ausgesprochen. Diesen Sachverhalt könnte man so umschreiben: Der Standpunkt der philosophischen Wissenschaft ist zu gleicher Zeit der Standpunkt im „Bereich“ des „Formellen des bloßen Bewußtseins“ - also der phänomenologischen Elementarstruktur — und der Standpunkt im „Bereich“ des voll entwickelten „Gehalts, der Gegenstände eigentümlicher Teile der philosophischen Wissenschaft“®^; oder er ist sowohl der elementar Struktur ale als auch der vollständig erweiterte, d. h. der vollständig bewährte Standpunkt. In diesem Text wird also gesagt, daß der Standpunkt der Wissenschaft sowohl in der Mitte als auch am Ende der Phänomenologie des Geistes auftritt. Gleichzeitig macht er klar, in welchem Sinne dieses doppelte Auftreten zu verstehen ist: die wirklich entscheidende Zäsur ist beim Übergang vom Formellen des bloßen Bewußtseins - also der phänomenologischen Elementarstruktur — zum „Gehalt“, d. h. zu den „Gegenständen eigentümlicher Teile der philosophischen Wissenschaft“, anzusetzen. Daraus ergibt sich, daß das oben zitierte Fragment - grundsätzlich, und nicht etwa bloß terminologisch gesehen - nicht im Widerspruch zur endgültigen Gestalt der Phänomenologie des Geistes steht. Weiter ergibt sich, daß die konkreten Gestalten des Bewußtseins bzw. des Geistes keine „höheren logischen Stufen“ darstellen, sondern nur als die inhaltliche Erweiterung oder „Erfüllung“®® des „Formellen des bloßen Bewußtseins“ — der phänomenologischen und logischen Elementarstruktur -, d. h. als „die Entwicklung des Gehalts, der Gegenstände eigentümlicher Teile der philosophischen Wissenschaft“ aufzufassen sind. Wenn man die Unterschiedenheit der „Dimensionen“ berücksichtigt, so deckt sich dieser Sachverhalt genau mit jenem anderen, früher erörterten Zusammenhang von subjektivem Geist und dem Geistigen als dem bewährten Logischen^^. Daß Hegel nun nicht beim „Formellen des bloßen Bewußtseins“ stehenblieb, sondern - unter phänomenologischem Vorzeichen - die anderen Teile der Wissenschaft darstellte, dies - und zwar grundsätzlich gesehen: nur dies - macht die Originalität des Werkes von 1807 aus. Das bedeutet, daß hier eine eben phänomenologische Darstellung des Ganzen vorgelegt wird. Es ist aber zu betonen, daß jene „weiteren“ Teile der philosophischen Wissenschaft in dieser Darstellung unter phänomenologischem Vorzeichen stehen; Ebd.

'*5 Vgl. Phän. 182.

Vgl. oben 179 f.

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D. Dk Phänomenologie des Geistes von 1807

daher ist es mißverständlich, ja falsch zu sagen, daß die Darstellung dieser Teile nicht mehr der verkapselten, sondern der unverhüllten oder der unverschachtelten logischen Struktur des Geistes folgt. Es gibt ja in dieser Darstellung überhaupt keine enthüllte logische Struktur des Geistes, da die Logik hier nicht für sich dargestellt ist; ferner ist das Wissen des sich in seinen Gestalten entwickelnden Geistes noch kein „enthülltes“, d. h. reines Wissen, da dieses - jedenfalls in der Hinsicht des „Gehalts“^^ - erst am Ende des Werkes auftritt bzw. erreicht wird. Wohl aber muß gesagt werden, daß in elementarstrukturaler Hinsicht die zweite Hälfte des Werkes - also die Darstellung der „weiteren“ Teile - schon ein enthülltes Sichwissen des Geistes impliziert, denn in diesen Teilen wird die schon erreichte Elementarstruktur eben erweitert oder erfüllt. Dies läßt aber dann das zentrale Problem der Beziehung von Elementarstruktur und Darstellung der weiteren Teile entstehen. Es ist nun aufschlußreich, daß die zweite Hälfte des Werkes in entscheidender Weise geschichtsbezogen, ja in großen Zügen eine Darstellung der Geschichte ist. Hier verschränken sich die Perspektiven: Was auf der Ebene des Elementarstrukturalen bzw. des „Formellen des bloßen Bewußtseins“ schon enthüllt wurde, muß sich auf der Ebene des Gehalts allererst entwickeln, um zur Selbstenthüllung zu gelangen. Diese Verschränkung von Perspektiven ist nichts anderes als die Problematik des Verhältnisses von Struktur und Geschichte, auf die schon in einem früheren Zusammenhang verwiesen wurde®®. Damit dürfte die schlechthin fundamentale Bedeutung und Tragweite der Elementarstruktur für die Interpretation der Phänomenologie des Geistes erwiesen sein. Freilich bedürfte es noch weitgehender und detaillierter Analysen, ja einer eingehenden Interpretation des Gesamtwerkes, um von diesem Erweis sagen zu können, daß er seinerseits nicht beim Formellen bzw. Elementarstrukturalen des Werkes stehenbleibt, sondern als „zugleich in sich der gehaltvollste und konkreteste [d. h. der voll durchgeführte]“ gelten kann*®. ” Vgl. Enz. § 25 A. Vgl. oben 96 ff. Für ein genaues und detailliertes Studium des Textes der Phänomenologie des Geistes in strukturaler Hinsicht sei hingewiesen auf das vorzügliche Werk von P.-]. Laharriere; Structures et mouvement dialectique dans la Phenomenologie de l’Esprit de Hegel. Paris 1968. In diesem Werk werden die expliziten Entsprechungen zwischen den phänomenologischen Gestalten bzw. Stufen bis ins letzte Detail festgestellt und analysiert. Für die Problematik der Erweiterung oder Erfüllung der Elementarstruktur erweist sich dieses Werk als unentbehrlich. Allerdings scheint die Elementarstruktur selbst in der in dieser Arbeit aufgezeigten Bedeutung und Tragweite nicht zu ihrer Geltung zu kommen. Bezeichnenderweise steht „Structures . . .“ im Titel des Buches. Vgl. oben 268 Anm. 1.

II. Die phänomenologische Methode

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II. DIE PHÄNOMENOLOGISCHE METHODE Die dritte Untersuchung hat gezeigt, daß auf Grund der Einsicht in die dreidimensionale Elementarstruktur der Philosophie Hegels die Methodenfrage ebenfalls dreidimensional, also logisch-noologisch-phänomenologisch, gestellt werden muß^®. Die logisch-noologische Dimension der Methode wurde schon herausgearbeitet. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß im Rahmen der enzyklopädischen Darstellung des Systems auf die Methode in phänomenologischer Hinsicht nicht eingegangen wird; auch der Grund dafür wurde genannt: im Rahmen der Enzyklopädie kommt die phänomenologische (und ebenso die noologische) Dimension nicht zu ihrer vollen Geltung. Wenn jetzt der Versuch gemacht wird, die Methode in phänomenologischer Hinsicht zu erörtern, so muß zunächst auf die Implikationen dieses Unternehmens aufmerksam gemacht werden. Dieser Versuch bedeutet nämlich, daß es bei Hegel ein Problem der Darstellung gibt, konkret: daß es fraglich ist, ob die enzyklopädische Darstellung die angemessene oder gar die einzige Darstellung des Ganzen ist oder sein kann. Die phänomenologische Methode soll hier besonders auf der Grundlage der „Einleitung“ zur Phänomenologie des Geistes untersucht werden. Freilich ist dabei immer die im vorhergehenden Abschnitt kurz aufgezeigte Struktur des Gesamtwerkes im Auge zu behalten, vor allem hinsichtlich jener 2äsur, die die phänomenologische Elementarstruktur vom weiteren Gehalt (d. h. von den weiteren Teilen) abhebt, zugleich aber mit diesem weiteren Gehalt verbindet. Die vor der Abfassung des eigentlichen Corpus des Werkes geschriebene „Einleitung“ ist auf das ganze Werk zu beziehen, auch wenn man der Auffassung beipflichtet, daß nach der ursprünglichen Konzeption Hegels - also nach jener Konzeption, die sicher noch der „Einleitung“ zugrunde lag - das Werk nur bis zum Vernunft-Kapitel hätte reichen sollen; denn auch unter Voraussetzung dieser - vom Verfasser der vorliegenden Arbeit nicht geteilten - Auffassung wäre zu sagen, daß die Erweiterung des Werkes nur die Modifizierung einer Idee war, die von vornherein diese Möglichkeit in sich barg. Freilich ist ebenfalls darauf zu achten, daß die Methode sich mit dem phänomenologischen Gang selbst ändert, ist sie doch dessen „Seele“. Die entscheidende Modifizierung der Methode geschieht beim Übergang von der phänomenologischen Elementarstruktur in die zweite Hälfte, also in die Darstellung des Gehalts, d. h. der weiteren Teile. Diese „Zäsur“ entspricht genau dem in der dritten Untersuchung analysierten Problem der „Deduktion“ der weiteren Sphären. Darauf wird in der folgenden Exposition besonders zu achten sein. Vgl. oben 245 ff.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

Auf die in den ersten Absätzen der Einleitung vorgelegten Überlegungen Hegels über den Ansatz und die Grundlage der „Darstellung des erscheinenden Wissens“ soll im nächsten Abschnitt (III 1) im Rahmen der Diskussion über den Sinn und die Stellung der Phänomenologie des Geistes im späteren System eingegangen werden.

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1. Das Bewußtsein und der Maßstab Hegels Erörterung der phänomenologischen Methode geht von der Weise aus, wie die Darstellung des erscheinenden Wissens von der Vorstellung genommen wird^^: nämlich als ein Verhalten der Wissenschaft zum erscheinenden Wissen und als Untersuchung und Prüfung der „Realität“ des Erkennens. Dieser Vorstellung zufolge scheint aber die phänomenologische Darstellung eine Voraussetzung zu implizieren. Die Ausführungen der „Einleitung“ wollen nun zeigen, daß die Darstellung des erscheinenden Wissens auf keiner Voraussetzung im Sinne eines von außen an das Bewußtsein herangetragenen Maßstabs beruht. Aber Hegel enthüllt auch den nicht mehr vorstellungsmäßigen, sondern spekulativ-vernünftigen Sinn einer in der Tat zu machenden Voraussetzung, nämlich einer Voraussetzung im Sinne des wissenschaftlichen Begreifens oder Fortgangs. Diesen allgemeinen Gedankengang der Einleitung gilt es nun im einzelnen zu explizieren. Was immer man sonst über die Voraussetzungsproblematik denken mag, im Fall der Darstellung des erscheinenden Wissens ist von vornherein klar, daß „die Natur des Gegenstandes“*^, der zu untersuchen ist, keine Voraussetzung im Sinn eines Maßstabs von außen zuläßt: „Das Bewußtsein gibt seinen Maßstab an ihm selbst, und die Untersuchung wird dadurch eine Vergleichung seiner mit sich selbst sein.“*® Freilich kann man hier sofort die Frage aufwerfen, wie dieser Anfang selbst zu rechtfertigen sei. Darauf wird im nächsten Abschnitt (III) einzugehen sein. Hier sei dazu nur so viel gesagt: Dieser Anfang ist nichts anderes als die angemessen formulierte und „situierte“ kritische Fragestellung; der Ausdruck „angemessene Formulierung und Situierung“ ist freilich sehr weit zu ndhmen, nämlich einerseits als das Ernstnehmen der kritischen Dimension, andererseits als die Aufhebung der Einseitigkeit dieser Dimension. Im Kontext der „Einleitung“ untermauert Hegel den phänomenologischen Ausgangspunkt durch die „Erinnerung“** an die Bestimmungen, wie sie an dem Bewußtsein Vorkommen oder wie sie sich unmittelbar darbieten, nämlich die Bestimmungen des Wissens (des Begriffs) und der Wähtheit (des Gegenstandes, des Ansich). Da diese Vgl. Phän. 70 („vorgestellt“). Vgl. Phän. 70.

Phän. 71.

Ebd.

II. Die phänomenologisdie Methode

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Bestimmungen in das Bewußtsein fallen, werden sie beide vom Bewußtsein begriffen im Sinn von um-griffen, so daß eine Prüfung der Realität des Erkennens nichts anderes sein wird als eine Vergleichung des Bewußtseins mit sich selbst. Da andererseits das Bewußtsein selbst das Umgreifende ist, erscheint es selbst als der Maßstab für die Vergleichung der an ihm vorkommenden Bestimmungen. Schon hier präzisiert sich der Sinn der Darstellung des erscheinenden Wissens: Die Aufgabe besteht darin, die verschiedenen Stationen oder Stufen dieses Weges der Vergleichung darzustellen. Weil aber gerade das Bewußtsein als das Umgreifende der Maßstab ist, so heißt das, daß es immer schon das Ziel und die Reihenfolge des Fortgangs in sich enthält: das Ziel „ist da, wo es [= das Wissen „des“ Bewußtseins] nicht mehr über sich selbst hinauszugehen nötig hat, wo es sich selbst findet und der Begriff dem Gegenstände, der Gegenstand dem Begriffe entspricht“*^. Das Bewußtsein kann also die Vergleichung sein, weil es der Maßstab als die ursprüngliche Gleichheit oder Entsprechung (Identität) der unterschiedenen Momente selbst ist. Es tauchen hier viele Fragen auf, die in einer grundsätzlichen Hinsicht auf folgenden Einwand zurückgeführt werden können: Wird hier die Wissenschaft - als das vollständig dargestellte Wissen - nidht auf die „Immanenz“ des Bewußtseins reduziert? Kommt aber dies nicht einer ungeheuren Verkürzung der philosophischen Aufgabe bzw. der philosophisch zu enthüllenden Wahrheit gleich? Um ein modernes Schlagwort zu gebrauchen: Ist die Darstellung des erscheinenden Wissens nicht eine radikale Philosophie der Subjektivität? Es empfiehlt sich, Hegels Vorhaben mit diesem Einwand ständig zu konfrontieren, damit das Hegelsche Unternehmen in seinem wahren Sinn erscheinen kann. 2. Die Erfahrung als dialektische Bewegung Bei der Erörterung der erwähnten Vergleichung erweist sich die Methode als Erfahrung und diese wieder als dialektische Bewegung. Die nähere Bestimmung der beiden Momente des Bewußtseins beruht auf der Einsicht, daß das Bewußtsein ein Unterscheiden und damit auch ein Beziehen einschließt: Etwas ist für das Bewußtsein. Das Für-das-Bewußtseinsein als das Für-ein-anderes-sein des Etwas nennt Hegel das Wissen oder den Begriff^®; aber das Etwas, das für das Bewußtsein ist, unterscheidet sich ebenfalls vom Für-ein-anderes-sein, d. h. vom Wissen, da es auch AnsichPhän. 69 (Hervorhebung von mir). Auf diese spezifische Bedeutung des Terminus „Begriff“ in der Phänomenologie des Geistes ist sehr zu achten.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

sein, d. h. „seiend audh außer dieser Beziehung“^^ ist: das Ansichsein nennt Hegel Wahrheit (Wahres, Wesen, Gegenstand). Wie begreift nun Hegel diese Bestimmungen in ihrer Wechselbeziehung? Grundlegend dafür ist der Satz: „An dem also, was das Bewußtsein innerhalb seiner für das Ansich oder das Wahre erklärt, haben wir den Maßstab, den es selbst aufstellt, sein Wissen daran zu messen.“^® Die beiden Bestimmungen sind also nicht einfachhin gleich-gültige Bezugspunkte, da der Maßstab in das Wahre als das Ansich verlegt wird: an dem Wahren muß sich das Wissen messen, an dem Währen muß die Entsprechung ihr Maß nehmen. Dies ist ein zentraler Punkt. Beide Momente aber fallen in das Bewußtsein, auch das Ansich als das Wahre, d. h. also das, was außer der Beziehung „steht“. Wie ist aber dies zu verstehen? Die beiden Bestimmungen fallen in das Bewußtsein; von der einen Bestimmung, vom Wahren oder Ansich, wird aber gesagt, daß sie gerade das Außerhalb der Beziehung besagt. Widerspricht sich Hegel hier? Der Widerspruch ist nur scheinbar; in Wirklichkeit bedeutet dieser Sachverhalt den Antrieb der Erfahrung, d. h. der dialektischen Bewegung des Bewußtseins. Hegel selbst führt aus: „Der Gegenstand scheint zwar für dasselbe [= das Bewußtsein] nur so zu sein, wie es ihn weiß; es scheint gleichsam nicht dahinter kommen zu können, wie er, nicht für dasselbe, sondern wie er an sich ist, und also auch sein Wissen nicht an ihm prüfen zu können.“^® Das Moment des Ansich oder der Wahrheit ist in der Tat außer der Beziehung; es scheint also, daß das Ansich oder das Wahre dem Bewußtsein entzogen bleibt, da das Wissen eben nichts anderes besagt als das Be-zogensein auf das Bewußtsein. Sind also die zwei Momente nicht gerade durch Ent-zug bzw. durch Be-zug charakterisiert? Doch Hegel fährt fort: „Allein gerade darin, daß es [ = das Bewußtsein] überhaupt von einem Gegenstände weiß, ist schon der Unterschied vorhanden, daß ihm etwas das Ansich, ein anderes Moment aber das Wissen oder das Sein des Gegenstandes für das Bewußtsein ist. Auf dieser Unterscheidung, welche vorhanden ist, beruht die Prüfung.“®® Man könnte zunächst meinen, dies sei eine rein verbale Erklärung, denn der - sonst berechtigte — Unterschied zwischen „ihm“ (dem Bewußtsein) und „für es“ (das Bewußtsein) erweise sich für die vorliegende Problematik als bedeutungslos, da in beiden Fällen die Beziehung zum Bewußtsein ausgesprochen werde. Doch es ist auf die genaue Formulierung Hegels zu aditen. Er sagt: „. .. gerade darin, daß das Bewußtsein überhaupt von einem Gegenstände weiß, ist schon der Unterschied vorhanden, daß ihm etwas das Ansich, ein anderes Moment aber das Wissen oder das Sein des Gegenstandes für das Bewußtsein ist.“ Also: In dem Wissen des Bewußtseins « Phän. 70.

“8 Phän. 71.

Phän. 72.

=» Ebd.

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II. Die phänomenologisdie Methode

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von einem Gegenstände sind die beiden Momente, Ansich und Für-ein-anderes, vorhanden. Weil beide in dem Wissen sind, so ist auch das Ansich ein solches, indem es dem Bewußtsein ein Ansich ist. Das Für-das-Bewußtseinsein des Ansich ist - um andere Termini als die Hegels zu gebrauchen — das „direkte“ oder das „thematische“ Wissen des Bewußtseins vom Ansich: auf der Ebene dieses direkten oder thematischen Wissens gibt es die Unterscheidung von Für-ein-anderes-sein und Ansichsein, so daß auf dieser Ebene das Ansich als außerhalb der Beziehung stehend aufgefaßt wird. Das Für-einanderes-sein ist also das direkte oder thematische Wissen, das das Ansich als seinen „Gegenpol“ hat. Indem aber beide in dem Bewußtsein sind, sind beide auch dem Bewußtsein, nicht aber beide für das Bewußtsein. Daß beide, zusammengenommen, also als vollbegriffene Beziehung, nicht für das Bewußtsein, sondern nur dem Bewußtsein sind, besagt, daß jenes Wissen, das diese herausgestellte wahre Beziehung und damit die wahre Bedeutung der beiden Bezugspunkte begreift, im Bewußtsein nur als indirektes oder ungegenständliches Wissen vorhanden ist. Dies ist der Sinn des Dativs „ihm“. Das so aufgefaßte Bewußtsein - also das in die beiden Momente des Fürein-anderes-seins und des Ansichseins unterschiedene Bewußtsein — gerät in Bewegung. Wie und wodurch? Einfach dadurch, daß beide Momente der Wissensbeziehung thematisiert werden, d. h. daß beide Momente sich als /«r-J^s-Bewußtsein-seiend erweisen, kurz: dadurch, daß die Beziehung selbst begriffen wird. Das erste Ansich hört auf, ein solches zu sein, d. h. sich als außerhalb der Beziehung oder als ein anderes als das Für-das-Bewußtsein-sein darzustellen; dies besagt, daß jenes durch den einfachen Dativ „ihm“ bezeichnete unfhematische Wissen jetzt thematisiert wird: das „erste“ Ansich enthüllt sich als das, was es dem Bewußtsein immer schon war, also als das, als was es unthematisch immer schon gewußt war, nämlich als ein Ansich-für-das-Bewußtsein. Damit kommt zum Vorschein, was Hegel „die Zweideutigkeit dieses Währen“®^ nennt. Es wurde angenommen, daß das Bewußtsein in Bewegung gerät, und es wurde gesagt, wie und als was diese Bewegung geschieht. Warum findet aber überhaupt eine Bewegung, eine Änderung statt? Was treibt das Bewußtsein dazu, sein „höheres“ Wissen zu thematisieren? Hegel drückt sich hier so aus: „Entspricht sich in dieser Vergleichung beides nicht, so scheint das Bewußtsein sein Wissen ändern zu müssen, um es dem Gegenstände gemäß zu machen .. .“®^ Aber wodurch taucht die Frage der Entsprechung überhaupt auf? Offensichtlich dadurch, daß im Bewußtsein eine Nichtentsprechung festgestellt wird. Wie ist aber diese Nichtentsprechung selbst zu erklären? Phän. 73.

Phän. 72.

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Die Antwort auf diese — in dieser Weise von Hegel nicht gestellte - Frage findet sich in einigen lapidaren Sätzen im achten Absatz der „Einleitung“: „Was auf ein natürliches Leben beschränkt ist, vermag durch sich selbst nicht über sein unmittelbares Dasein hinauszugehen; aber es wird durch ein anderes darüber hinausgetrieben, und dies Hinausgerissenwerden ist sein Tod. Das Bewußtsein aber ist für sich selbst sein Begriff, dadurch unmittelbar das Hinausgehen über das Beschränkte und, da ihm dies Beschränkte angehört, über sich selbst. .. Das Bewußtsein leidet also diese Gewalt sich die beschränkte Befriedigung zu verderben, von ihm selbst.“®^ Es gehört also zur „Natur des Gegenstandes“, der hier untersucht wird, daß in ihm die Nichtentsprechung von Wissen und Wahrheit und damit die weitere Bewegung der Vergleichung auftritt. Die Natur dieses Gegenstandes, d. h. des Bewußtseins, ist nichts anderes als die Erfahrung, d. h. die dialektische Bewegung des Bewußtseins. Dieser Sachverhalt ist von fundamentaler Bedeutung; er ist aber damit noch nicht voll expliziert, da es noch einen „Umstand“®^ zu bedenken gilt, der allererst die ganze und währe „Natur des Gegenstandes“, d. h. des Bewußtseins, zum Vorschein kommen lassen wird. Darüber später®®. Zunächst ist auf die nähere Weise der Nichtentsprechung bzw. der Vergleichung einzugehen. Es wurde schon festgestellt, daß der Maßstab für die Entsprechung bzw. Vergleichung das Ansich als das Wahre ist. Heißt dies nun, daß Hegel hier einem „realistischen“ oder gar „objektivistischen“ — um nicht zu sagen „ontischen“ - (Vor-)Verständnis von Wahrheit oder Realität das Wort redet? Eine oberflächliche Lektüre der Hegelschen Aussagen könnte diesem Mißverständnis verfallen. In Wirklichkeit kann davon keine Rede sein. Dies wird deutlich an der Weise, wie Hegel die Entstehung des neuen Gegenstandes erläutert: „. .. in der Veränderung des Wissens ändert sich ihm in der Tat auch der Gegenstand selbst, denn das vorhandene Wissen war wesentlich ein Wissen von dem Gegenstände: mit dem Wissen wird auch er ein anderer, denn er gehörte wesentlich diesem Wissen an.“®® Sagt Hegel hier nicht gerade das Gegenteil dessen, was er vorher erklärt hatte, daß nämlich das Ansich der vom Bewußtsein aufgestellte Maßstab sei, an dem es sein Wissen zu messen habe? Hegel schreibt nämlich jetzt: „Indem es [das Bewußtsein] also an seinem Gegenstände sein Wissen diesem nicht entsprechend findet, hält auch der Gegenstand selbst nicht aus; oder der Maßstab der Prüfung ändert sich, wenn dasjenige, dessen Maßstab er sein sollte, in der Prüfung nicht besteht; und die Prüfung ist nicht nur eine Prüfung des Phän. 69. Vgl. D II 4 (unten 296 ff).

^ Phän. 74. Phän. 72.

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Wissens, sondern auch ihres Maßstabes.“^'^ Hat sich damit der Sachverhalt nicht gerade umgekehrt? Ist in Wirklichkeit nicht das Wissen der Maßstab, dessen Änderung eine entsprechende Änderung des Gegenstandes oder der Wahrheit mit sich bringt? Doch sehen wir genauer zu. Ausgangspunkt ist die Feststellung der Nichtentsprechung von Wissen und Ansich. Um nun eine Entsprechung der beiden herbeizuführen, scheint es das Näheliegendste zu sein, daß das Bewußtsein sein Wissen ändert, um es dem Wahren oder Ansich anzugleichen. Damit wäre ein „Realismus“ gegeben. Doch gerade hier zeigt sich das Originelle der Hegel-Konzeption. Die Feststellung der Nichtentsprechung wird zwar am Gegenstände gemacht, aber was jetzt geschieht, ist nicht eine Korrektur des Wissens im Hinblick auf eine Übereinstimmung mit einem schon „fertigen“, „ansichseienden“ Gegenstand, sondern: die Nichtentsprechung besagt die Feststellung einer Änderung des Wissens, mit der Änderung des Wissens aber geht eine Änderung des Gegenstands einher. Dieser Sachverhalt muß genau expliziert werden. Warum besagt die Änderung des Wissens eine Änderung am Gegenstand oder auch des Gegenstandes? Hegels Antwort lautet: Weil das vorhandene Wissen wesentlich ein Wissen des Gegenstandes war bzw. ist. Das Wissen ist also das Für-das-Bewußtsein-sein des Gegenstandes oder des Wahren; daß von diesem Moment des Für-es noch ein Ansich unterschieden wird und daß dieses Moment des Ansich ebenfalls im Bewußtsein ist, besagt, daß das Für-es die oberflächliche, inadäquate Weise des Sichzeigens des Ansich war. Kommt das Bewußtsein dazu, beide Momente zu vergleichen, so bedeutet dies, daß das Ansich-iw-Bewußtsein sich in ein Ansich-/«rs-Bewußtsein wandelt oder sich als ein solches thematisiert. Das Ansich enthüllt sich damit in seiner tieferen, adäquateren Wahrheit. Die Änderung des Wissens ist also in einem die Änderung des Wahren oder Ansich, da das Wissen nichts anderes ist als das Sichzeigen des Währen. Alles dreht sich also um das Wahre als um das Maß, aber das Moment des Wissens ist sozusagen der Ort, wo diese Bewegung oder dieser Fortgang erscheint. Das Wahre als der Maßstab ist daher alles andere als ein statisches Maß, ein fixer und unverrückbarer „Halt“, nach dem sich das Wissen bzw. das Bewußtsein richten müßte®®. Das Wahre ist nur als Prozeß seiner Selbstenthüllung. Hegel formuliert diesen Sachverhalt folgendermaßen: „Diese dialektische Bewegung, welche das Bewußtsein an ihm selbst, sowohl an seinem Wissen als an seinem Gegenstände ausübt, insofern ihm der neue wahre Gegenstand Phän. 72-73 (Hervorhebung von mir). Die wichtige Unterscheidung zwischen 'Wahrheit und Richtigkeit wird von Hegel an vielen Stellen seiner Werke ausgesprochen und hervorgehoben. Vgl. z. B. Enz. § 213 A; Enz. § 24 Zusatz 2 (Werke. Bd 6. 51 ff); Enz. § 437 Zusatz (Werke. Bd 7/2. 286) usw.

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daraus entspringt, ist eigentlich dasjenige, was Erfahrung genannt wird.“®* Wenn in diesem Text die beiden Momente Wissen und Gegenstand durch ein „sowohl-als auch“ verbunden werden, so ist diese Formulierung noch sehr äußerlich und inadäquat. Was bedeutet aber die Rede vom Entspringen des neuen, wahren Gegenstandes? Wie die weiteren Analysen zeigen werden, bedeutet „Gegenstand“ in der Phänomenologie des Geistes nicht einen oder mehrere Gegenstände als einzelne, sondern Gegenständlichkeit als eine bestimmte Stufe oder Sphäre der Wahrheit®®. Auf die Bedeutung dieser Einsicht wird noch einzugehen sein. Hier ist zu fragen: Warum ist das Resultat der gemachten Erfahrung (der Vergleichung) ein neuer Gegenstand? Aus der Vergleichung von Wissen und Ansich ergab sich, daß das „erste“ Ansich nur inadäquat durch das „erste“ Wissen enthüllt worden war; jenes neue Wissen des Bewußtseins und im Bewußtsein, das der erfahrenen Nichtentsprechung zugrunde liegt, „scheint zunächst nur die Reflexion des Bewußtseins in sich selbst zu sein, ein Vorstellen, nicht eines Gegenstandes, sondern nur seines Wissens von jenem ersten“®*. In Wirklichkeit aber erweist sich das neue Wissen als das tiefere Erfassen bzw. das adäquatere Sichenthüllen des Wahren selbst. Der Aufweis dieses Sachverhalts ist eine der großen Glanzleistungen Hegels in der Phänomenologie des Geistes. Er läßt sich auf folgendes zurückführen: Das sich zunächst nur als subjektive Vorstellung des Bewußtseins verstehende und erweisende Wissen enthüllt sich eben darin als aus dem Anderen - dem Gegenstände, dem Wahren — in sich zurückkehrend und damit eben als Beziehung zum Anderen und wiederum damit und darin als Beziehung des (genitivus obiectivus und subiectivus!) Anderen, des Gegenstandes: eben als Wissen, Sichzeigen des Gegenstandes®-. Indem gerade das neue, sich zunächst rein subjektiv wähnende Wissen als Wissen „des“ (genitivus obiectivus und subiectivus!) Gegenstandes erweist, erhält der Gegenstand eine neue Bedeutung, wird ein „neuer“ Gegenstand, denn dieser neue Gegenstand ist nichts anderes als das neue Wissen. Warum ist aber das neue Wissen ein neuer Gegenstand? Dies ist folgendermaßen einsichtig zu machen: Solange das neue Wissen noch keine totale EntsprePhän. 73. In der Bewußtseinslehre von 1808/09 heißt es: „In der vernünftigen Betrachtung fällt . . . der bisherige Unterschied des Bewußtseins und des Gegenstandes hinweg; es ist darin ebensosehr die Gewißheit meiner selbst, als die Gegenständlichkeit enthalten“ (NSchr. 27; Hervorhebung von mir; vgl. unten 304). Phän. 73. Ein ausgezeichnetes „Beispiel“ dieses dialektischen Sachverhalts bieten Hegels Ausführungen über das Auftreten des Selbstbewußtseins. Vgl. Phän. 133 ff, insbesondere den Satz: „. . . in der Tat ist das Selbstbewußtsein die Reflexion aus dem Sein der sinnlichen und wahrgenommenen Welt und wesentlich die Rückkehr aus dem Anderssein . . .“ (134).

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chung zwischen Begriff (Wissen) und Gegenstand (Wahrheit) besagt, vollzieht sich die beschriebene Bewegung, in der das neue Wissen zunächst als rein subjektiv im angegebenen Sinne erscheint; wenn nun dieses Wissen sich begreift als Wissen — also als bezogen auf Wahrheit, als Sichzeigen der Wahrheit -, so ist damit gegeben und gesagt, daß es sich als das neue 'Wahre (= das tiefere oder angemessenere Wahre) darstellt; solange ferner dieses Währe noch nicht die totale Entsprechung besagt, ist das Entspringen des neuen Währen gleichbedeutend mit dem Entspringen einer neuen, höheren Unterscheidung bzw. Beziehung „in dem“ Bewußtsein, „dem“ Bewußtsein und zuletzt einer Beziehung „für das“ Bewußtsein; auf dieser höheren Ebene ist das neue Wahre jeweils wieder ein neues Ansich, das sich also vom Wissen als vom Für-ein-anderes-sein unterscheidet: um diese Unterscheidung zu formulieren, nennt Hegel das neue Wahre (die höhere Sphäre der Wahrheit) den „neuen wahren Gegenstand“ (= die neue wahre Gegenständlichkeit). Freilich ist damit zunächst nur die „Technik“ des dialektischen Vorgehens angegeben; noch ist damit niöht gesagt, was genauer unter dem Wahren bzw. dem Gegenstand zu verstehen ist. Darauf wird noch einzugehen sein.

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3. Der neue Gegenstand, die bestimmte Negation und „unsere Zutat“ Im fünfzehnten Absatz der „Einleitung“ bezieht sich Hegel auf ein „Moment“ oder einen „Umstand“ der Darstellung der Bewußtseinserfahrung, dessen Bedeutung für die Interpretation der Phänomenologie des Geistes im allgemeinen und für die phänomenologische Methode im einzelnen es nun herauszuarbeiten gilt. Hegel bemerkt, daß der dargelegte Begriff der Erfahrung sich von jener „Erfahrung“, die wir „sonst“ zu machen glauben, unterscheide. In dieser zeige sich die Unwahrheit eines bestimmten Begriffs nicht an einem neuen, d. h. höheren Gegenstand, sondern an einem anderen, der auf zufällige und äußerliche Weise begegnet. Während nach diesem gewöhnlichen Begriff der Erfahrung die Welt als das, was an und für sich ist, vorausgesetzt wird und nur das Erfassen dieser Welt in uns (d. h. in das Bewußtsein) fällt, zeigt sich im dialektischen Begriff der Erfahrung „der neue Gegenstand als geworden durch eine Umkehrung des Bewußtseins selbst“®®. Und nun schreibt Hegel anschließend den folgenschweren Satz: „Diese Betrachtung der Sache ist unsere Zutat, wodurch sich die Reihe der Erfahrungen des Bewußtseins zum wissenschaftlichen Gange erhebt, und welche nicht für das Bewußtsein ist, das wir betrachten.“®^ Werden durch diesen Satz nicht frühere Aussagen Flegels aufgehoben? Hatte Hegel nicht gezeigt, daß «•’ Phän. 74. Ebd. (Hervorhebung von mir).

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Begriff und Gegenstand, das zu Prüfende und der Maßstab im Bewußtsein selbst anzusetzen bzw. anzutreffen sind, woraus sich ergebe, daß nach dieser Seite „eine Zutat von uns überflüssig“®® sei? Was heißt es jetzt, wenn gesagt wird, der neue Gegenstand entstehe durch eine Umkehrung des Bewußtseins selbst — ein Moment, das nicht für das Bewußtsein sei, sondern eine Zutat von „uns“ besage? Wie ist diese dem Bewußtsein anscheinend äußerliche „Zutat“ zu begreifen? Bedeutet die Selbstprüfung des Bewußtseins, d. h. die vom Bewußtsein vollzogene Prüfung bzw. Vergleichung seiner unterschiedenen Momente nicht gerade das Entstehen des neuen Gegenstandes? Bedeutet „unsere Zutat“ etwas anderes als die Wiedereinführung jener „unserer“ Maßstäbe, Einfälle und Gedanken, von denen es geheißen hatte, daß gerade ihre Weglassung eine Betrachtung der „Sache, wie sie an und für sich selbst ist“®®, allererst ermögliche? Dieser fundamentale Sachverhalt muß genau geklärt werden. Es ist von der Frage auszugehen, wie die Entstehung des neuen Gegenstandes genau zu begreifen ist. Sind Prüfung bzw. Vergleichung der unterschiedenen Momente und Entstehung des neuen Gegenstandes nicht dasselbe? Zu erinnern ist zunächst an die frühere Aussage: In der Veränderung des Wissens ändert sich dem Bewußtsein auch der Gegenstand. Dies bedeutet, daß der neue Gegenstand sich nur dem Bewußtsein „darbietet“®^, nicht aber für das Bewußtsein Ist: der neue Gegenstand wird als solcher vom Bewußtsein nicht erfaßt. Die dialektische Bewegung der Prüfung und Vergleichung geschieht dem Bewußtsein und in dem Bewußtsein; das Resultat dieser Dialektik wird aber von ihm nicht begriffen. Dies ist genau herauszuarbeiten. In dieser Dialektik ist ein Moment der Negation eingeschlossen; denn darin, daß das erste AnsIch, das immer schon ein c/ew-Bewußtsein-Ansich Ist, sich als Ansich-für-das-Bewußtsein enthüllt, ist Impliziert, daß das erste Ansich sich als nzc^rwährhaftes Ansich zeigt, somit sich als Ansich negiert. Aber diese Negation offenbart sich im Zuge der dialektischen Erfahrung des Bewußtseins als bestimmt oder positiv, d. h. sie führt zu einem Resultat, das der neue, wahrere Gegenstand ist. Hegel verweist in diesem Zusammenhang auf den Skeptizismus im siebten Absatz der „Einleitung“: der Skeptizismus Ist jene Gestalt des unvollendeten Bewußtseins, die In der Darstellung des unwahren Bewußtseins Immer eine rein negative Bewegung sieht, die also im Resultat und als Resultat nur das reine Nichts erblickt. Im Gegensatz dazu behauptet das dialektische Denken, daß das Resultat das enthält, was der erste Gegenstand „Wahres an Ihm hat“®®. «5 Phän. 72.

e» Ebd.

Phän. 74

•8 Ebd.

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Auf die Problematik der bestimmten Negation in logischer und noologischer Hinsicht wurde schon früher eingegangen®®. Was sich im jetzigen Zusammenhang zeigt, ist nichts anderes als die phänomenologische Dimension desselben Sachverhalts. Hegel sagt ausdrücklich in der Einleitung zur Wissenschaft der Logik, er habe „in der Phänomenologie des Geistes ein Beispiel von dieser Methode an einem konkretem Gegenstände, an dem Bewußtsein, aufgestellt.. .“^® Das Spezifische der bestimmten Negation in der phänomenologischen Dimension der Methode ist darin zu erblicken, daß die Phänomenologie des Geistes die Darstellung jener Dimension ist, die der eigentümliche Ort der kritischen Frage nach Rechtfertigung des wissenschaftlichen Standpunkts ist. Wie wird hier die Bestimmtheit oder Positivität der Negation aufgewiesen? Hegel betont, daß der neue Gegenstand zwar im Bewußtsein entsteht, aber so, daß er „dem Bewußtsein, ohne zu wissen, wie ihm gesdiieht, sich darbietet“^^. Der neue Gegenstand als eine neue Gestalt des Bewußtseins wird im Zusammenhang des ganzen dialektischen Prozesses nicht vom Bewußtsein, sondern von „uns“ erfaßt. Die Betrachtung der dialektischen Bewegung als eines wissenschaftlichen Fortgangs ist unsere Zutat. „Wir“ also erfassen die Bestimmtheit oder Positivität der jeweiligen Negation, das Ergebnis der Bewegung als den jeweils neuen Gegenstand, kurz: die Notwendigkeit, d. h. den allgemeinen Zusammenhang der Gestalten des Bewußtseins. Dadurch erweist sich die Darstellung des Weges zur Wissenschaft selbst als Wissenschaft. Was ist aber mit diesem „Wir“ gemeint? „Wir“ - das sind die Darstellenden oder Betrachtenden^®, „die . .. zur Idee des Geistes vorgedrungen sind“^®. Stellung und Funktion des „Wir“ in der Phänomenologie des Geistes ist eine der fundamentalen Fragen, die sich einer angemessenen Interpretation dieses Werkes stellen. Eine angemessene Deutung des „Wir“ kann aber nur auf Grund einer detaillierten Analyse der konkreten phänomenologischen Darstellung versucht werden. Im voraus dazu lassen sich nur allgemeine einleitende Einsichten vermitteln. Es mutet etwas sonderbar an, daß Hegel sich im Rahmen der „Einleitung“ nur sehr kurz auf diesen Sachverhalt einläßt, der doch von entscheidender Wichtigkeit für das Verständnis der Idee und der Methode des Werkes ist. In Wirklichkeit aber besagt dieser Sachverhalt nichts Spezielles innerhalb des Hegelschen Gesamtdenkens, sondern ist „nur“ der Ausdruck dessen, was »» Vgl. oben 236 ff, 252 ff. ™ WL I 35. « Phän. 74. Vgl. Enz. § 413 Zusatz (Werke. Bd 7/2. 249). ’’ Vgl. Enz. § 414 Zusatz (Werke. Bd 7/2. 253).

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im Vollzug der dialektischen Idee immer geschieht bzw. impliziert ist. Es handelt sich nämlich um jenen in der dritten Untersuchung in logischnoologischer Hinsicht herausgearbeiteten Sachverhalt, den Hegel „Deduktion" nennt. Noologisch formuliert besagt dieser Sachverhalt, daß das Aufnehmen des Inhalts zugleich das Sichentwickeln des Denkens aus sich selbst ist. Freilich ist zu beachten, daß dieser Sachverhalt, die Deduktion, in der Phänomenologie des Geistes in einer der „Natur des Gegenstandes“ (nämlich des Bewußtseins) eigentümlichen Weise erscheint. Phänomenologisch gewendet, bedeutet das „Aufnehmen“ das Sicheinlassen der Wissenschaft auf die Gestalten des unwahren Wissens bzw. Bewußtseins; das Sichentwickeln der Wissenschaft besagt das Begreifen dieser Gestalten als Stufen (des Werdens) der Wissenschaft selbst, d. h. die Ausführung der Wissenschaft. Das „Wir“ ist der phänomenologische Ausdruck für den wissenschaftlichen Standpunkt, insofern er gerade die Gestalten „aufnimmt“, d. h. sich auf sie einläßt und sich dadurch entwickelt, d. h. als „wirkliches Wissen“'^^ und somit als ausgeführte Wissenschaft auftritt. Dieser Sachverhalt muß aber noch weiter vertieft werden. Dies soll unter dem Stichwort der Problematik der Voraussetzungslosigkeit geschehen.

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4. Phänomenologische Methode und Voraussetzungslosigkeit Die folgenden Ausführungen seien durch einen Einwand eingeleitet, der sich hier unmittelbar aufdrängt. Enthält der dargelegte methodische Sachverhalt nicht einen ungeheuren methodischen Zirkel, der das ganze phänomenologische Unternehmen als eine großartige Ausführung dessen, was schon von vornherein feststeht bzw. aufgestellt worden ist, erscheinen läßt? Kommt dieses Verfahren nicht einer petitio principii gleich? Eine Erörterung dieses in der Geschichte der Hegel-Kritik immer wieder und unter vielen Formen erhobenen Einwands ist sehr geeignet, den fundamentalen Standort des Hegelschen Denkens zu bestimmen. Um diesen Einwand gründlich zu erörtern, muß die Problematik der Voraussetzungslosigkeit diskutiert werden; denn der Einwand unterstellt, es müsse voraussetzungslos vorgegangen werden. Dazu seien hier einige grundsätzliche Überlegungen angestellt. Eine absolute, d. h. schlechthinnige oder allseitige Voraussetzungslosigkeit kann es in der Philosophie nicht geben. Dies bedeutet aber alles andere als Unbegründetheit, Ungenauigkeit oder Unzuverlässigkeit des philosophischen Denkens. Ein voraussetzungsloses Denken bzw. methodisches Vorgehen gibt es nur auf der Grundlage eines Ab-sehens oder Abstrahierens von jener Vermittlung, die der De-finition ( = Phän. 12.

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Eingrenzung) der eigenen Position zugrunde liegt; damit erweist sich ein solches Denken als ein definiertes Denken auf der Grundlage oder unter der Voraussetzung seiner Selbstdefinition. Nur das seine Voraussetzungen selbst methodisch einholende Denken kann - in einem ursprünglicheren Sinne - als voraussetzungslos bezeichnet werden. Auf dreifache Weise wurde bzw. wird in der Philosophie der Anspruch auf Voraussetzungslosigkeit erhoben; Entweder wird von den Gegebenheiten selbst ausgegangen, in der Meinung, dabei nur die Gegebenheiten selbst zu berücksichtigen, unter Ablehnung jedes Prinzips, jedes Vor-urteils und dgl.; oder der Ausgangspunkt wird mit einem ersten angeblich nichts voraussetzenden Prinzip oder Standpunkt gemacht, in der Absicht, von daher alles erklären zu können; oder schließlich wird der Versuch gemacht, von jeder Voraussetzung radikal abzusehen und nur kritisch vorzugehen, in der Absicht, jede Annahme oder jeden Standpunkt erst zu rechtfertigen oder zu beweisen. Man könnte die erste Voraussetzungslosigkeit die positivistische, die zweite die apriorisch-deduktive, die dritte die kritische nennen. Es ist nun leicht zu zeigen, daß in allen drei Weisen eine allseitige, wahrhafte Voraussetzungslosigkeit nicht gegeben ist. Von diesem Ergebnis aus kann dann die Position Hegels genauer erklärt werden. Die positivistisch’’^ verstandene Voraussetzungslosigkeit reduziert sich darauf, die Daten der Erfahrung zu sammeln und zu organisieren. Ein solches Verfahren aber ist alles andere als voraussetzungslos, denn dieses Vorgehen ist ein bestimmtes, hat eine bestimmte Richtung und ein bestimmtes Ziel. Woher stammt diese Bestimmfheit? Aus den Daten selbst kann sie nicht stammen, da die Daten viele sind, so daß sie erst „gesammelt“ bzw. „organisiert“ werden müssen. In Wahrheit geschieht die Sammlung bzw. Organisation auf Grund eines bestimmten „Gesichtspunkts“, „Prinzips“, „Gesetzes“ - oder wie immer man die die Sammlung und Organisation der Daten ermöglichenden und leitenden „Perspektiven“ nennen mag. Sagt man, daß diese „Perspektiven“ — in Hegels Worten; das Allgemeine — sich eben aus den Daten ergeben, so wird damit das Problem nur weiter verschoben; damit hätte man das „Sammeln“ selbst nidht erklärt, denn indem das Sammeln als Sammeln von Daten geschieht, kann es nicht wieder auf ein Datum oder auch auf das Ergebnis von Daten reduziert werden. Die hier entwickelte Argumentation ist sehr formal und allgemein. Man müßte im einzelnen etwa Zur Frage, inwieweit sich die hier beschriebene „positivistische“ Voraussetzungslosigkeit mit der philosophischen Richtung des Positivismus deckt, sei hier nur so viel gesagt: Sicher ist, daß viele positivistische Autoren (vor allem aus dem Umkreis des sogenannten „älteren“ Positivismus) diese Position einnehmen; aber man kann diese Position nicht undifferenziert allen Autoren zuschreiben, die heute als Positivisten bezeichnet werden.

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auf den Sinn der Voraussetzung in der Bedeutung des notwendigen und immer gegebenen Vor-urteils im „hermeneutischen Zirkel“^® und auf andere Aspekte eingehen. Die apriorisch-deduktive Voraussetzungslosigkeit stellt genau das andere Extrem zur positivistisch verstandenen Voraussetzungslosigkeit dar. Hier wird ein Grundsatz aufgestellt bzw. ein Standpunkt bezogen, der von nichts abhängen soll, sondern als Voraussetzung für alles zu gelten hat. Der Versuch einer solchen Voraussetzungslosigkeit kann nur so durchgeführt werden, daß am Anfang eine bestimmte Anzahl von Definitionen und Axiomen aufgestellt werden. Das weitere Vorgehen kann auf doppelte Weise geschehen: entweder wird versucht, aus den aufgestellten Definitionen und Axiomen ein sich mit dem ganzen Umfang der „Wirklichkeit“ deckendes System zu entwickeln, wie — ordine geometrico — bei SPINOZA; oder es wird mehr oder weniger darauf verzichtet, die „Wirklichkeit“ zu begreifen zugunsten eines geschlossenen Systems, das sich in seiner selbstaufgestellten immanenten Gesetzlichkeit selbst genügt, wie dies in extremer Weise in den axiomatischen Richtungen — jedenfalls zum Teil — geschieht. Von dieser zweiten Möglichkeit soll hier abgesehen werden, da es sich dabei nicht mehr um ein Bemühen um die Sache der Philosophie handelt. Was die erste Möglichkeit angeht, so ist daran zu erinnern, daß Hegel sich mit der Methode und dem Standpunkt der spinozistischen Philosophie ausführlich und eingehend auseinandersetzt. Hegels Kritik richtet sich hauptsächlich auf SPINOZAS Unvermögen, die innere oder immanente Dialektik seiner eigenen Definitionen und Axiome zu begreifen: Wird die „immanente“ Beziehung von Substanz, Attribut und Modus wirklich begriffen, so heißt das, daß diese Definitionen und Axiome sich als völlig ungenügend und inadäquat erweisen. Das Begreifen dieser Definitionen und Axiome führt zur Einsicht, daß der Standpunkt der Substanz zugunsten des höheren, umfassenderen und konkreteren Standpunkts des Subjekts oder Geistes aufgehoben wird. Anscheinend kümmert sich Hegel wenig um eine Widerlegung der von SPINOZA beanspruchten Voraussetzungslosigkeit. In Wirklichkeit aber handelt es sich um genau dasselbe Problem. Man muß nämlich fragen, wie im Sinne dieser apriorisch-deduktiven Voraussetzungslosigkeit das Prinzip oder der Standpunkt selbst bewiesen und gerechtfertigt wird. Was immer im einzelnen dazu gesagt werden mag, jedenfalls wird ein Weg beschritten, eine Vermittlung vollzogen. Die hier in Frage stehende Voraussetzungslosigkeit aber sieht von diesem Weg

Vgl. dazu H.-G. Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. 2. Aufl. Tübingen 1965. 255 ff.

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bzw. dieser Vermittlung ab: sie vergißt, daß das Prinzip überhaupt aufgestellt, daß der Standpunkt überhaupt bezogen wird. Diese Voraussetzungslosigkeit lebt in der Vergessenheit ihres eigenen „Bodens“, ihrer eigenen Her-kunft und in diesem Sinne ihrer selbst. Etwas anderes wäre es, wenn man versuchen wollte, die Voraussetzungen des Prinzips bzw. des Standpunkts einzuholen; damit aber hätte man den Sinn der beanspruchten Voraussetzungslosigkeit grundlegend geändert. Die kritische Voraussetzungslosigkeit kann auf folgende wesentliche Momente reduziert werden: Sie ist jene Einstellung, die auf die eine oder andere Weise das Denken oder Erkennen im voraus untersuchen will, um herauszufinden, ob sein Ansprudi auf Wahrheit zu Recht besteht: das voraussetzungslos vorgehende Denken wäre also jenes Denken, das vorgängig zur Aufstellung eines Prinzips bzw. zur Beziehung eines Standpunkts sich seiner Fähigkeit oder Tauglichkeit zu vergewissern sucht. An dem Selbstmißverständnis des Anspruchs auf eine so verstandene Voraussetzungslosigkeit hat Hegel in den vier ersten Absätzen der „Einleitung“ eine radikale Kritik geübt, die nichts von ihrer Treffsicherheit und Aktualität eingebüßt hat^^. Das Wesentliche kommt in folgendem Satz zum Ausdruck; „In der Tat setzt sie [= die Furcht zu irren] etwas und zwar manches als Wahrheit voraus und stützt darauf ihre Bedenklichkeiten und Konsequenzen, was selbst vorher zu prüfen ist, ob es Wahrheit sei.“^® Im übrigen ist auf diese Fragestellung noch im nächsten Abschnitt (III) einzugehen. Von keiner dieser drei Arten von Voraussetzungslosigkeit her kann gegen Hegels Einführung des „Wir“ in der Phänomenologie des Geistes ein sachlich begründeter Einwand erhoben werden. Damit ist aber die Problematik noch nicht erledigt. Es soll jetzt gezeigt werden, daß die phänomenologische Methode mit keiner der drei analysierten Arten von Voraussetzungslosigkeit gleichgesetzt werden kann, daß sie aber gleichwohl etwas - und zwar das Wesentliche - von allen drei Formen von Voraussetzungslosigkeit beinhaltet. ]. Habermas’ Bemerkungen zur „Einleitung“, die in der Behauptung kulminieren, der Phänomenologie des Geistes hafte „etwas Halbherziges“ an (vgl. Erkenntnis und Interesse. Frankfurt/M. 1968. 18), können den prinzipiellen Charakter der Hegelschen Kritik nicht widerlegen. Zu Habermas’ Ausführungen über die Hegelsche Einschätzung der Erkenntniskritik bemerkt R. Bubner treffend: „Neuerdings hat /. Habermas ... die oft geäußerte Skepsis gegen einen in der Phänomenologie dogmatisch vorausgesetzten Endpunkt eines ,absoluten Wissens“ nachdrücklich wiederholt, ohne zu bemerken, daß er eine vom Maßstab philosophischen Wissens isolierte Phänomenologie gerade der kritischen Möglichkeiten beraubt, um deretwillen er sich auf sie beruft“ (Problemgeschichte und systematischer Sinn einer Phänomenologie. - In: Hegel-Studien 5 [1969], 129-159, zit. St. 155 Anm. 62 a). Phän. 64-65.

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Daß das phänomenologische Verfahren mit keiner der drei erörterten Weisen von Voraussetzungslosigkeit gleichgesetzt werden kann, ist leicht zu zeigen. Wollte man das phänomenologische Verfahren mit der positivistisch verstandenen Voraussetzungslosigkeit identifizieren, so würde dies bedeuten, daß die Selbstprüfung oder Vergleichung des Bewußtseins der adäquate Ausdruck der phänomenologischen Methode wäre. In diesem Fall müßte der Standpunkt der Wissenschaft allein als das schledhthinnige Ergebnis der Bewegung des sich selbst und die eigene Bewegung explizierenden Bewußtseins bezeichnet werden; damit aber wäre die wesentliche und unentbehrliche Funktion des „Wir“ beseitigt oder jedenfalls unerklärlich gemacht worden. So sehr man die Phänomenologie auf diese Weise als ein konkretes und aposteriorisch verfahrendes Werk erscheinen lassen möchte - mit dieser Deutung hätte man aus ihr ein radikal anderes Werk gemacht und wäre gerade an ihrer Originalität und Genialität vorbeigegangen. - Andererseits kann in keiner Weise gesagt werden, das „Wir“ sei als ein apriorisch-deduktives Prinzip zu begreifen: dies geht schon daraus hervor, daß das Bewußtsein und seine Bewegung bzw. Erfahrung radikal ernst genommen werden: „unsere Zutat“ ist nicht ohne die eigene Tat des Bewußtseins. - Noch weniger kann die phänomenologische Methode auf eine „kritisch“ verstandene Voraussetzungslosigkeit eingeengt werden, da die Phänomenologie des Geistes von Anfang an die ungedachten und verborgenen Voraussetzungen des angeblich „kritischen“ Verfahrens aufdeckt. Dennoch ist es von fundamentaler Bedeutung, daß alle drei Formen der Voraussetzungslosigkeit in der methodischen Ausführung der Grundidee der Phänomenologie des Geistes enthalten sind. Es wäre aber grundfalsch, diesen Tatbestand im Sinne eines nachträglichen „Kompromisses“ oder einer eklektischen Kombination der analysierten Positionen zu deuten. Nichts wäre in der Tat dem Denken Hegels fremder als ein äußerliches Verknüpfen von „Gesichtspunkten“. Wenn also gesagt wird, in der Phänomenologie des Geistes seien in gewisser Weise alle drei Arten der Voraussetzungslosigkeit enthalten, so besagt dies nicht, daß in diesem Werk die drei Arten irgendwie zu einer gewissen äußeren Einheit (Synthese) gebracht werden, sondern es besagt gerade das Gegenteil, nämlich: daß die drei Arten der Voraussetzungslosigkeit Aspekte oder Momente einer ursprünglichen Einheit sind, die aber von diesen Positionen immer nur einseitig erfaßt und ausgeführt wird. Es kann leicht gezeigt werden, wie die drei Arten in der phänomenologischen Methode enthalten sind. Die positivistische Voraussetzungslosigkeit ist insofern in der Phänomenologie des Geistes enthalten, als nichts als bewiesen gelten kann, was sich nicht in der Erfahrung des Bewußtseins gezeigt und ergeben hat. Dies wird in aller Ausdrücklichkeit von Hegel selbst am Ende

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des Werkes ausgesprochen: „Es muß aus diesem Grunde gesagt werden, daß nichts gewußt wird, was nicht in der Erfahrung ist . . Von einer apriorisch-deduktiven Voraussetzungslosigkeit ist insofern zu sprechen, als das, was sich in der Erfahrung zeigt und ergibt, nichts anderes besagt als die Selbstentwicklung des Begriffs (der Wissenschaft) selbst. Schließlich ist die „kritische“ Voraussetzungsproblematik ebenfalls in der Phänomenologie in der Weise vorhanden, daß jede Gestalt des Bewußtseins, die sich als kritisch versteht, nicht ignoriert oder beiseite gelassen, sondern wesentlich in den phänomenologischen Prozeß einbezogen wird, und zwar dadurch, daß sie sich in ihrem eigenen Anspruch und Selbstverständnis darstellt und darin sich in ihrer Einseitigkeit und Unwahrheit enthüllt und aufhebt. Es muß nun versucht werden, die Einheit dieser drei Gesichtspunkte zu explizieren. Das „Wir“ in der Phänomenologie des Geistes ist der Ausdruck für das, was in der noologischen Dimension der Methode „Denken“ heißt. Das „Wir“ als das Denken wird nun in der phänomenologischen Methode vorausgesetzt: dies muß ausdrücklich hervorgehoben werden. Aber diese Voraussetzung ist nichts anderes als der Ausdruck des philosophischen Unternehmens selbst: diese Ur-Tatsache ist solcher Natur, daß sie sich selbst begreift und damit rechtfertigt. Aber auch damit ist der Sinn des „Wir“ bzw. „unserer Zutat“ noch nicht genügend geklärt. „Denken“ ist nämlich ein weitgehend unbestimmter Ausdruck, der viele Interpretationen zuläßt; es sei beispielsweise an die ganz andere Weise erinnert, in der etwa HEIDEGGER „Denken“ auffaßt. Muß daher nicht gesagt werden, daß das „Denken“ bei Hegel in einer bestimmten, schon im vorhinein entschiedenen Bedeutung genommen — und damit vorausgesetzt — wird? Dies muß in der Tat angenommen werden. Damit aber ist noch nicht ausgemacht, in welcher genaueren Bedeutung hier von Vorausgesetztheit bzw. Bestimmtheit des Denkens die Rede ist. Diese Bedeutung ist noch zu ermitteln. So allgemein auch „Denken“ überhaupt ist, es kann nie total unbestimmt sein, andernfalls wüßte man nicht, wovon man überhaupt redet. Will man nun nicht so etwas wie eine überzeitliche oder übergeschichtliche — d. h. von der Zeit und der Geschichte unberührte - Bedeutung von „Denken“ behaupten, so muß angenommen werden, daß die Bestimmtheit von Denken nur in seinem geschichtlichen Auftreten eruierbar ist. Dementsprechend hat auch das in der Phänomenologie des Geistes vorausgesetzte Denken zweifellos eine bestimmte Bedeutung; denn schon in seiner größten Allgemeinheit nämlich als „Wir“ am Anfang des Werkes - ist das Denken Bestimmung, und zwar als der „Drang“ nach Selbstentwicklung, Selbsterfüllung, Selbst79 Phän. 558.

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ausführung. Das „anfängliche“ Denken ist schon das Denken des Ganzen (genitivus obiectivus und subiectivus!), in ihm ist sdhon das Ganze enthalten, nur (noch) nicht ausgeführt. In diesem ersten und radikalen Sinn wird das Denken von Hegel vorausgesetzt. Es wäre unangemessen, wollte man eine solche Voraussetzung kritisieren, denn auch die Kritik basiert auf einer Voraussetzung: sie ist ebenfalls die Ausführung eines bestimmten - und zwar einseitigen — Denkens. Was Hegel in unvergleichlich-einmaliger Weise tut, ist, diesen Sach- oder genauer: Denk-verhalt darzustellen, zur formulierten Sprachlichkeit zu bringen. Wie kein anderer Denker gibt er sich Rechenschaft über seine Voraussetzungen. Gerade dies führt ihn dazu, keiner naiven Voraussetzungsproblematik das Wort zu reden, sondern den ganzen Sachverhalt der Voraussetzung bzw. Voraussetzungslosigkeit unverkürzt und adäquat zu begreifen und darzustellen. Für die weitere Explikation der soeben herausgearbeiteten anfänglichen und allgemeinen Bestimmtheit von Denken ist eine doppelte Ebene der Betrachtung zu unterscheiden. Die erste hat die phänomenologische Elementarstruktur im Blick: auf dieser Ebene ist von der elementarstrukturalen Bestimmtheit „des“ Denkens zu sprechen, d. h. von jener Bestimmtheit, die mit der „Vernunft“ erreicht ist. Diese elementarstrukturale Bestimmtheit des Denkens ist gemeint, wenn in jenem Fragment, das J. HOFFMEISTER unter dem Titel „Ein Blatt zur ,Phänomenologie des Geistes'“ ediert hat, vom „reinen Denken des reinen Denkens“®“ die Rede ist. Dieselbe Bedeutung hat der in der Phänomenologie des Geistes schon sehr früh eingeführte „Begriff des Geistes“®^. In der enzyklopädischen Phänomenologie wird ebenfalls die elementarstrukturale Bedeutung des Denkens als die Einheit des Bewußtseins und Selbstbewußtseins, als „Vernunft, der Begriff des Geistes“®^ ausgesprochen. Auf einer zweiten Ebene der Betrachtung wird die Bestimmtheit des Denkens als koextensiv mit dem Ganzen, also auch mit den weiteren „Sphären“ der Philosophie, angesehen. Die Problematik des Übergangs der phänomenologischen Elementarstruktur zu den weiteren phänomenologischen Gestalten des Geistes, zum „Gehalt“®®, wurde schon im Rahmen der vorliegenden vierten Untersuchung herausgearbeitet. Auf dieser Ebene der Betrachtung ist zu sagen, daß das vorausgesetzte Denken als das „Wir“, als „unsere Zutat“ sich mit der Reichweite jenes „Gehalts“ deckt. Dies bedeutet: Die Bestimmtheit des am Anfang vorausgesetzten Denkens bemißt sich an der ganzen Weite und Breite der von ihm zu begreifenden oder auszulegenden Ge** Dok. 353. Vgl. oben 281 f. “ Enz. S 417.

Phän. 140. w Enz. § 25 A.

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halte. Das vorausgesetzte Denken ist koextensiv mit der ganzen Sache der Philosophie. Die nähere Weise, in der dieses „totale“ Denken schon am Anfang vorausgesetzt und gegenwärtig ist - nämlich als jenes „Wir“, das die ganze phänomenologische Darstellung „leitet“ und in ihrer Notwendigkeit „begreift“®^ -, kann nur durch die Analyse des Fortgangs von einer Gestalt zur anderen ermittelt werden.

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5. Methode und Struktur: der Sinn des phänomenologischen „Gegenstandes“ Die Frage nach dem genauen Sinn des Gegenstandes in der Phänomenologie des Geistes wurde bis jetzt zurückgestellt. Freilich bedeutet dies nicht, daß im Laufe der angestellten Überlegungen überhaupt nicht vom Sinne des Gegenstandes die Rede gewesen wäre. Aber die Frage muß jetzt ausdrücklich und abschließend erörtert werden. Damit wird die Problematik der Beziehung von Methode und Struktur auch in der phänomenologischen Dimension einer Klärung näher gebracht. Es ist nämlich an die früheren Ausführungen über diese beiden Termini zu erinnern: Methode besagt die Bewegung, Struktur die Bestimmtheit (des Denkens, des Begriffs, der Vernunft, des Geistes und schließlich des Absoluten als des Ganzen aller „Sphären“)®®. Die Struktur-als-Bestimmtheit im Unterschied zur Methode-als-Bewegung hat in der Phänomenologie des Geistes - bzw. allgemein in der Dimension des Phänomenologischen - die Bezeichnung „Gegenstand“. Das Entspringen des neuen Gegenstandes besagt das Sichzeigen von Bestimmtheit (Struktur). Durch die sich darstellende phänomenologische Erfahrung als die dialektische Bewegung des Bewußtseins enthüllen sich sowohl das Bewußtsein selbst als auch seine „Gehalte“ in ihrer jeweiligen Struktur (Bestimmtheit). Ganz präzis gesprochen muß es heißen: Das Bewußtsein und seine Gehalte enthüllen sich als Struktur (Bestimmtheit). Dieser Sachverhalt ist nun zu klären. Als das Ziel der dialektischen Bewegung des Bewußtseins wird in der „Einleitung“ zur Phänomenologie des Geistes die vollkommene Entsprechung von „Begriff“ und „Gegenstand“ angegeben®®. Wie ist „Gegenstand“ (Ansich, Wahres) zu deuten? Zunächst muß auf den mehrmals zitierten und kommentierten § 25 A der Enzyklopädie verwiesen werden, in dem Flegel die für eine Interpretation der Phänomenologie des Geistes fundamentale Unterscheidung zwischen dem „Formellen des bloßen Bewußtseins“ und dem „Gehalt“, d. h. den „Gegenständen eigentümlicher Teile der philosophischen Wissenschaft“, hervorhebt und erklärt. Es ist nun zu beachten, daß der Ausdruck „Gegenstand“ nicht nur in der zweiten Hälfte des Werkes Vgl. Phän. 74.

Vgl. oben 229 ff.

8« Vgl. Phän. 69.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

also in der Darstellung der „eigentümlichen Teile der philosophischen Wissenschaft“ sondern auch in der ersten - also von Anfang an - verwendet wird. Wie ist dies zu erklären? Um diesen Sachverhalt aufzuhellen, sei eine wichtige Stelle aus der Bewußtseinslehre von 1808/09 angeführt und kommentiert. In dieser Lehre wird der Zusammenhang von Bewußtsein und Gegenstand folgendermaßen angegeben: „Da das Bewußtsein wesentlich in Beziehung auf einen Gegenstand besteht, ist es verschieden nach den verschiedenen Gegenständen, die es hat.“®^ Weiter heißt es: „Zugleich aber ist der Gegenstand wesentlich durch das Verhältnis des Bewußtseins zu ihm bestimmt, und er wird mit der Fortbildung des Bewußtseins verschieden.“®® Die Bewußtseinslehre wird sodann in drei „Hauptstufen“ gegliedert: „a) das Bewußtsein von abstrakten oder unvollständigen Gegenständen, ß) das Bewußtsein von der Welt des endlichen Geistes, y) das Bewußtsein von dem absoluten Geiste.“®® Teil a) ist wieder eingeteilt in: I. Bewußtsein überhaupt; II. Selbstbewußtsein; III. Vernunft, allgemeines Selbst®®. Der in der Erfahrung entspringende „neue Gegenstand“ wird also hier nach Hauptstufen unterschieden und als Einteilungsprinzip der Phänomenologie genommen. Es wäre der Sache unangemessen, von einer neuen Einteilung der Phänomenologie zu sprechen, wie O. PöGGELER es tut®i. Eher handelt es sich um eine Schematisierung des phänomenologischen Ganges, von der allerdings zu sagen ist, daß sie als solche nicht mehr jene lebendige Dialektik des Bewußtseins bzw. des Geistes zum Ausdruck zu bringen vermag, die dem Werk von 1807 eignet. Andererseits aber ist diese Schematisierung geeignet, den Sinn des phänomenologischen Gegenstandes übersichtlicher ans Licht treten zu lassen. Daß die zweite und dritte Hauptstufe der Bewußtseinslehre von 1808/09 den Stufen VI bis VIII bzw. G.BB bis C.DD des Werkes von 1807 entsprechen, dürfte unmittelbar einleuchten®®. Wie ist aber der „Gegen8^ Bewußtseinslehre von 1808/09 § 4 (NSchr. 15). «s § 5 (NSchr. 15). 8* Ebd. § 6; vgl. auch § 2 (NSchr. 15 bzw. 13). 8“ Wie O. Pöggeler (vgl. Hegel-Studien 1 [1961], 275) bemerkt, verfälscht der Heraus-

geber, J. Hoffmeister, den Text, insofern er die erste Hauptstufe („Das Bewußtsein von abstrakten oder unvollständigen Gegenständen“) mit dem Abschnitt „I. Das Bewußtsein überhaupt“ identifiziert, die Überschrift „B. Selbstbewußtsein“ ergänzt und an Stelle der von Hegel stammenden Überschrift „III. Vernunft“ (= Unterabschnitt zur ersten Hauptstufe) die Überschrift „C. Vernunft“ setzt. 8‘ Vgl. Hegel-Studien. Beiheft 3 (1966), 50. Dabei ist allerdings zu beachten, daß in der Bewußtseinslehre von 1808/09 vom „absoluten Wissen“ nicht die Rede ist. Dies ist insofern konsequent, als die Bewußtseinslehre die Phänomenologie nach Gegenständen einteilt; das absolute Wissen aber ist kein Gegenstand mehr, sondern besagt gerade die vollständige Entsprechung von Begriff und Gegenstand. Andererseits wäre es konsequent, auch die Aufhebung des Gegenstandes — d. h. die vollkommene Entsprechung von Begriff und Gegenstand - ausdrücklich aufzuzeigen und darzustellen.

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II. Die phänomenologische Methode

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stand“ hinsichtlich der Stufen I bis V bzw. A, B, C.AA (Bewußtsein-Selbstbewußtsein-Vernunft) des Werkes von 1807 zu verstehen? Von erhellender Bedeutung ist hier jene Charakterisierung, die die Bewußtseinslehre von 1808/09 von diesen Stufen gibt: sie sind die Unterstufen jener Hauptstufe, die die Darstellung des „Bewußtseins von abstrakten oder unvollständigen Gegenständen“ ist. Was heißt das? Nach derselben Bewußtseinslehre fällt in der „vernünftigen Betrachtung .. . der bisherige Unterschied des Bewußtseins und des Gegenstandes hinweg; es ist darin ebensosehr die Gewißheit meiner selbst, als die Gegenständlichkeit enthalten“*®. Was bedeutet nun „abstrakt“ bzw. „unvollständig“? Wie immer man diese Ausdrücke in diesem Zusammenhang näher interpretieren mag, jedenfalls beziehen sie sich auf die phänomenologische Elementar Struktur, indem sie sie als phänomenologische Transzendentalität kennzeichnen, und zwar jener Bedeutung von Transzendentalität gemäß, die am Ende der Untersuchung B herausgestellt worden ist®^. Warum wird aber auch die phänomenologische Elementarstruktur bzw. Transzendentalität mit dem Terminus „Gegenstand“ bzw. „Gegenständlichkeit“ bezeichnet? Die Erklärung hierfür liegt jetzt auf der Hand: Weil die Unterscheidung von Gegenstands- bzw. Gegenständlichkeitsstufen das Eigentümliche des Phänomenologischen ausmacht. Der phänomenologische Gegenstand ist nämlich nichts anderes als der Index der jeweiligen „Höhe“ der „Wahrheit“ des Bewußtseins: die Stufen des phänomenologischen Gegenstandes sind demnach die Stufen der Wahrheit des Bewußtseins. Näher bezeichnen die „Stufen der Wahrheit“ hier so viel wie die „Bestimmtheiten der Wahrheit“, so daß der jeweilige phänomenologische Gegenstand als die jeweilige Bestimmtheit oder Struktur des Bewußtseins zu verstehen ist. Der Gegenstand des Bewußtseins auf der Ebene der Hauptstufe oder der Elementarstruktur wird „abstrakt“ oder „unvollständig“ genannt, um anzudeuten, daß hier kein „konkreter“ oder „realer“ Gegenstand vorliegt: was hier betrachtet wird, sind vielmehr die der Darstellung aller „konkreten“ und „realen“ Gegenstände (Inhalte) zugrundeliegenden Stufen oder Bestimmtheiten der Auslegung von Wähfheit. Diese Stufen, Bestimmtheiten oder Strukturen des Wahren erscheinen als ebenso viele „abstrakte“ bzw. „unvollständige“ Gegenstände oder Gegenständlichkeiten, weil der Modus des Sichzeigens der Wahrheit und ihrer Stufen in der phänomenologischen Dimension eben die das Bewußtsein konstituierende Beziehung von Wissen und Gegenstand ist. Die Wahrheit dieser phänomenologischen Beziehung enthält noch eine Andersheit sich selbst gegenüber, sie ist sich selbst nicht voll durchsichtig, d. h. sie entspricht sich selbst noch nicht. »ä NSchr.27.

Vgl. oben 133 ff.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

Die Gegenständlichkeit als Andersheit besagt demnach eine bestimmte - eine einseitige - „Höhe“ der 'Wahrheit. Hervorzuheben ist hier, daß mit „Gegenstand“ bzw. „Andersheit“ nicht ein Gegenstand unter anderen bzw. eine numerisch verstandene Andersheit gemeint ist. Der wahre Sinn der Gegenständlichkeit bzw. Andersheit zeigt sich in aller Klarheit auf jener Stufe, auf der der Gegenstand endgültig aufgehoben, d. h. auf der die Entsprechung von Begriff und Gegenstand erreicht wird. Die erste Bezeichnung dieser Stufe ist allgemeines Selbstbewußtsein, der endgültige, vollexplizierte Name ist Vernunft. Es heißt dazu in der Phänomenologie des Geistes: „Es ist ein Selbstbewußtsein für ein Selbstbewußtsein. Erst hiedurch ist es in der Tat; denn erst hierin wird für es die Einheit seiner selbst in seinem Anderssein; Ich, das der Gegenstand seines Begriffs ist, ist in der Tat nicht Gegenstand; der Gegenstand der Begierde aber ist nur selbständig, denn er ist die allgemeine unvertilgbare Substanz, das flüssige sichselbstgleiche Wesen. Indem ein Selbstbewußtsein der Gegenstand ist, ist er ebensowohl Ich wie Gegenstand. — Hiemit ist schon der Begriff des Geistes für uns vorhanden.“®® Die Aufhebung des Gegenstandes bzw. der Andersheit besagt also nicht die Beseitigung des Anderen, sondern das Erreichen jener Stufe der Wahrheit, auf der jedes sein Eigenes, eben sein Selbst, erlangt. Die phänomenologisch erreichte "Vernunft - d. h. die Entsprechung von Begriff und Gegenstand - ist bei Hegel der allgemeine Name dieser so verstandenen Wahrheit. Alle späteren Fassungen der Phiänomenologie reichen nur bis zur Stufe „Vernunft“®®. Aber diese Vernunft enthält keineswegs den Inhaltsreichtum des Vernunft-Kapitels im Werk von 1807. Die „Vernunft“ der späteren Fassungen wird nur als Resultat der Dialektik des Bewußtseins und Selbstbewußtseins bzw. als deren Einheit erwähnt und bestimmt. Ganz anders sind dagegen Aufbau und Inhalt des überlangen Vernunft-Kapitels in der Phänomenologie von 1807. Es wird aufgegliedert in: A. Beobachtende Vernunft, B. Verwirklichung des vernünftigen Selbstbewußtseins durch sich Phän. 140. Die Phänomenologie erscheint später in folgenden Werken; Bewußtseinslehre für die Mittelklasse 1808/09 (NSchr. 11-28); Bewußtseinslehre für die Mittelklasse 1809 ff (NSchr. 199—210); Philosophische Enzyklopädie für die Oberklasse 1808 ff (NSchr. 235-294; die Anthropologie und Phänomenologie werden hier zwar als die beiden ersten Stufen des Geistes in seinem Begriff [später = subjektiver Geist] erwähnt, nicht aber behandelt, da sie „schon anderwärts ihre Erledigung gefunden haben“: NSchr. 268 Anm. 1); Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817, 1827, 1830). Zu bemerken ist, daß einzig die Bewußtseinslehre von 1808/09 den ganzen Inhalt der Phänomenologie des Geistes von 1807 (mit Ausnahme des absoluten Wissens) ankündigt; behandelt wird allerdings nur das „Bewußtsein von abstrakten oder unvollständigen Gegenständen“ (Bewußtsein-Selbstbewußtsein-'Vernunft), also die phänomenologische Elementarstruktur.

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II. Die phänomenologisdie Methode

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selbst [= tätige Vernunft®^]; C. Die Individualität, welche sich an und für sich selbst reell ist. Es ist offenkundig, daß Hegel im Vernunft-Kapitel große Teile der späteren Realsystematik - selbstverständlich unter phänomenologischem Vorzeichen - behandelt. Daß die Vernunft im Werk von 1807 nicht nur „den Sinn der zunächst noch abstracten oder formellen Einheit des Selbstbewußtseyns mit seinem Object“®® darstellt, mit anderen Worten: daß sie nicht nur als der Inbegriff der phänomenologischen Elementarstruktur gesehen wird, sondern daß sie über diese Elementarstruktur bzw. Transzendentalität hinausgreift, wird besonders an der dem Inhaltsverzeichnis der Phänomenologie des Geistes eingefügten Einteilung des Werkes in großen Buchstaben ersichtlich. Danach wird die Stellung der Vernunft durch C.AA bezeidmet, das heißt: einerseits ist sie das Ergebnis der Stufen A. (= Bewußtsein) und B. (= Selbstbewußtsein), andererseits die erste Stufe einer neuen Reihe, deren weitere Stufen so angegeben werden: BB. Der Geist, CG. Die Religion, DD. Das Absolute Wissen. Eine ganz genaue Entsprechung zu bestimmten realsystematischen Sphären kann nur teilweise behauptet werden. Es dürfte immerhin klar sein, daß im Abschnitt „Beobachtung der Natur“ die anorganische und organische Natur erörtert werden. Die anderen Abschnitte decken sich teilweise mit Partien des subjektiven und des objektiven Geistes. Dazu ist aber die wesentliche Bemerkung zu machen, daß in der Phänomenologie des Geistes weder die Natur noch der subjektive bzw. objektive Geist „an und für sich“ begriffen und dargestellt werden; vielmehr ist von der Beobachtung der Natur, des Selbstbewußtseins usw., von der Verwirklichung des Selbstbewußtseins usw. die Rede. Erst der Abschluß selbst des Vernunft-Kapitels trägt die Überschrift: „Die Individualität, welche sich an und für sich selbst reell ist“. Es ist also immer auf das phänomenologische Vorzeichen dieser Darstellungen zu achten®®, um in ihnen nicht eine angemessene Philosophie der Natur und des Geistes zu suchen. Dies läßt noch einmal in aller Schärfe das Problem der Darstellung des Ganzen aufkommen. Auf dieses Problem ist noch im letzten Abschnitt dieser Untersuchung einzugehen. Abschließend ist noch folgendes hervorzuheben: Wie schon bemerkt wurde, besteht die Originalität des Werkes von 1807 darin, daß sie die phänomenologische Dimension nicht nur als Elementarstruktur, sondern auch als Struktur des Ganzen darstellt; damit wird das Ganze phänomenologisch mit sich zusammengeschlossen. Die genaue methodische Weise der Darstel” Vgl. Phän. 256. Enz. § 437 Zusatz (Werke. Bd 7/2. 286). Zur richtigen Deutung des „phänomenologischen Vorzeichens“, besonders hinsichtlich des Hegelsdien Gesamtdenkens, vgl. unten 326 ff.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

lung des Zusammenschlusses des Ganzen mit sich kann nur die konkrete Analyse des phänomenologischen Ganges heraussteilen. Das Ziel des vorliegenden Abschnitts (II) war nicht, eine solche Analyse vorzulegen, sondern nur auf die Elemente einer solchen Analyse hinzuweisen, d. h. die Bedeutung der Elementarstruktur für die Interpretation der Phänomenologie des Geistes aufzuweisen. III. DIE STELLUNG DER PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES IM SYSTEM UND DIE PROBLEMATIK DER DARSTELLUNG Im Laufe der vorhergehenden Untersuchungen hat sich die zentrale Bedeutung der Phänomenologie des Geistes für die Problematik der Einheit der systematischen Philosophie Hegels deutlich gezeigt. Dieser sehr verwickelte Fragenkomplex soll jetzt ausdrücklich und zusammenfassend behandelt werden. Zuerst soll nach der Stellung der Phänomenologie des Geistes im späteren System gefragt werden (1), sodann soll die Problematik der Darstellung im Rahmen einiger grundsätzlicher Überlegungen über die Lehre von den „drei Schlüssen“ abschließend erörtert werden (2).

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1. Die Phänomenologie des Geistes und das spätere System Wie sehr das Verhältnis der Phänomenologie zum (späteren) System von den Hegel-Schülern und Hegel-Interpreten als Problem empfunden wurde, wird an den verschiedenen Versuchen ersichtlich, die Phänomenologie und die Enzyklopädie in Einklang zu bringen. H. F. FULDA hat in seinem für die vorliegende Problematik bedeutsamen Buch: Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der diese Bemühungen untersucht und sie in einem Schema zusammengestellt^®^. Die Problematik wurde im Laufe der Zeit kaum mehr erörtert; sie galt als mehr oder weniger unlösbar. Die ganze Problematik wurde von FULDA in seinem soeben zitierten Buch neu aufgerollt. Mit diesem Interpretationsversuch werden sich die folgenden Ausführungen eingehend auseinandersetzen. FULDAS Position ist die letzte in dem von ihm selbst aufgestellten Schema der Interpretationsversuche; sie wird mit einem Ausdruck aus einer Randnotiz Hegels aus dem Jahre 1831 gekennzeichnet: die Phänomenologie ist „Voraus der Wissenschaft“^*^. Auf Grund der Äußerungen Hegels über die Einleitung ins System versucht FULDA ZU zeigen, daß eine „systemimmaFrankfurt/M. 1965.

i»* Fulda a.a.O. 77-78.

102 Ygj pliän. 578.

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III. Die Stellung der Phänomenologie von 1807 im System

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nente Rechtfertigung der Wissenschaft .. . nach Hegels Auffassung unvollständig [ist] und ... nur durch eine vom System gesonderte skeptische Thematisierung des Bewußtseins ergänzt werden [kann], in der die Wissenschaft das unwissenschaftliche Bewußtsein über sich verständigt“^®®. Wenn Hegel nun am Anfang der Enzyklopädie die Phänomenologie nicht mehr darstellt, so kann dies nach FULDA „nur den Sinn haben, daß er sie in der Bedeutung einer Einleitung nicht mehr als Moment des Systems und nicht mehr als den Anfang der Wissenschaft versteht“ ^®^. Die Phänomenologie als Einleitung ist später kein Systemglied mehr; dennoch ist sie nicht bloße Propädeutik zum System oder reine historisch-genetische Vorstufe zu ihm; auch ist sie nicht nur bloßes Glied der Philosophie des subjektiven Geistes oder irgendein anderes Systemglied. Nach FULDA erhält die Phänomenologie im späteren System vielmehr „die eigentümliche Stellung eines aus der affirmativen Wissenschaft als ganzer herausgesetzten ,Voraus‘ derselben“^®®, wobei dieses „Voraus“ nicht zu meinen braucht, die Phänomenologie sei der Wissenschaft t^orgeordnet; es genügt, wenn sie als ihr notwendig z«geordnet bezeichnet wird. Nach FULDA hatte Hegel die Darstellung des erscheinenden Wissens in der Phänomenologie damit begründet, daß die erste auftretende Wissenschaft selbst eine Erscheinung neben anderen ausmacht, so daß ihr Auftreten noch nicht ihr Ausgeführtsein ist. „Die Phänomenologie war nicht nur inhaltlich bestimmt als die Hervorbringung des Begriffs der Wissenschaft durchs Bewußtsein, sondern zugleich formell als das Werden des Mediums, in dem sich die Wissenschaft vollzieht. Dieser Gesichtspunkt kann nun [d. h. in der Enzyklopädie'] nicht mehr maßgebend sein, da die Idee die Aufeinanderfolge der Systemglieder allein auf Grund ihres Inhalts bestimmt. Er darf es auch nidht sein, da ein System von Inhalten stets mit einer Voraussetzung behaftet bliebe, wenn es als Folge eines Wissens bestimmt werden müßte, das nicht lediglich aus ihnen selbst sich definieren, sondern nur seine Differenz zu ihnen in ihm aufheben würde.“^®® Im späteren System schließt sich die Wissenschaft mit sich selbst zusammen, der Anfang erhält seine Legitimation durch das Ende. Wenn man daher sagen wollte, dieses System bedürfe noch einer Einleitung, so würde dies nach FULDA bedeuten, daß die Absolutheit des Anfangs preisgegeben wäre. Statt dessen fragt FULDA, „ob die Encyklopädie eine Möglichkeit enthält, an die Stelle der früheren systematischen Begründung der Notwendigkeit einer einleitenden Phänomenologie eine andere zu setzen, die dem Zusammenschluß der Wissenschaft als solcher 1»» Ebd. 52. ‘»5 Ebd. 161.

1»^ Ebd. »»» Ebd. 114-115.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

nicht Abbruch tut; und ob sich dadurch die die Notwendigkeit der Phänomenologie implizierenden Behauptungen, an denen Hegel festgehalten hat, dem System integrieren Iassen“^®h Es muß hier genau beachtet werden, wie FULDA argumentiert. Den dargelegten früheren Grund für die Notwendigkeit der Phänomenologie findet er besonders in der „Einleitung“^*® und in der „Vorrede“^*® ausgesprochen. Überraschenderweise findet er an denselben Stellen ebenfalls den Grund dafür, daß die Phänomenologie auch später — auf der Grundlage einer, wie FULDA meint, modifizierten Systemkonzeption — notwendig ist. Nach seiner Deutung erweist sich der Anspruch der Wissenschaft nach der Ausführung der Phänomenologie als berechtigt; damit aber erledigt sich nach FULDA das, was die Phänomenologie erforderlich gemacht hatte bzw. erforderlich machen sollte, nicht von selbst; denn — so argumentiert er im Hinblick auf das spätere System daß das enzyklopädische System schon ausdrücklich als Wissenschaft anfängt und daß die Wissenschaft dabei sich mit sich selbst zusammenschließt, läßt noch die Aufgabe einer Zufriedenstellung des unwahren Wissens oder Bewußtseins bestehen. Und FULDA führt aus: „Die erwähnte Stelle^^* trägt diesem Gesichtspunkt Rechnung; denn sie redet genau besehen gar nicht von der Erscheinung, die der Wissenschaft deshalb anhaftet, weil sie Resultat der objektiven Entwicklung des Geistes ist, oder weil die Idee sich in ihr sich selbst voraussetzt; auch nicht von der Erscheinung, die die Wissenschaft Ist, da die Idee als das Absolut-Allgemeine sich urteilt; sondern von derjenigen, die sie Ist, weil sie neben unwahrem Wissen auftritt... Es ist daher eigentlich nicht die Unausgeführtheit der Wissenschaft, die die Darstellung des erscheinenden Wissens notwendig macht, sondern der unbedingte Wahrheitsanspruch, der jedem Wissen innewohnt und erfordert, daß es In ihm selbst seiner Unwahrheit überführt wird.“^*^ An der von FULDA behaupteten Unterscheidung zwischen einer doppelten Erscheinung — nämlich der Erscheinung als der Unausgeführtheit der Wissenschaft und der Erscheinung als dem jedem (auch dem unwahren) Wissen innewohnenden Wahrheitsanspruch — entscheidet sich die Tragfähigkeit seines großangelegten Interpretationsversuchs. Es wird sich nun zeigen, daß die von FULDA vorgelegte Deutung dieser Unterscheidung unhaltbar ist. Auf der Grundlage einer Klärung dieses Punkts wird es dann möglich sein, die Stellung der Phänomenologie Im späteren System zu bestimmen. FULDA will zeigen, daß die Idee einer Phänomenologie als Einleitung auch In der späteren modifizierten Fassung der Systemkonzeption berechtigt und 1»^ Ebd. 298. Phän. 66. Phän. 25. Phän. 66. Fulda a.a.O. 298-299.

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III. Die Stellung der Phänomenologie von 1807 im System

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notwendig ist. Es ist aber zu fragen, ob FULDA nicht von einer falschen Voraussetzung ausgeht. Um seine These zu beweisen, muß FULDA eine Zwiespältigkeit bei Hegel selbst annehmen. Aber die von ihm behauptete Unterscheidung der beiden „Gesichtspunkte“ ist grundlos; denn diese beiden Gesichtspunkte sind nichts anderes als zwei verschiedene Formulierungen desselben Sachverhalts: die erste hat die Erscheinung (der Wissenschaft) als Unausgeführtheit im Auge, betrachtet also die Erscheinung im Hinblick auf die Wissenschaft als solche bzw. als Idee, und zwar als Moment der Wissenschaft (Idee)', die zweite charakterisiert die konkrete Gestalt der erscheinenden Wissenschaft, artikuliert also das unwahre Wissen als Moment der Wissenschaft (Idee). Als Erscheinung ist die Wissenschaft unausgeführt, und dies bedeutet: sie ist noch unwahres Wissen. Sagt man aber, daß die Wissenschaft selbst als Erscheinung neben dem unwahren Wissen auftritt, so ist diese Ausdrucksweise inadäquat, denn hier wird die Wissenschaft nur antizipierend angesprodhen, d. h. sie wird als noch nicht ausgeführt und damit als noch nicht wirkliche Wissenschaft vorgestellt; wird sie aber ausgeführt, so bedeutet dies gerade, daß sie das Moment des unwahren Wissens als ihr eigenes Moment erweist und es damit in seiner Unwahrheit aufhebt. Daß die erwähnte Ausdrucksweise, von der sich FULDA irreführen läßt, inadäquat ist, sagt Hegel ausdrücklich an der fraglichen Stelle; denn es heißt dort: „Aber die Wissenschaft darin, daß sie auftritt, ist sie selbst eine Erscheinung; ihr Auftreten ist noch nicht sie in ihrer Wahrheit ausgeführt und ausgebreitet. Es ist hiebei gleichgültig, sich vorzustellen, daß sie die Erscheinung ist, weil sie neben anderem auftritt, oder jenes andere unwahre Wissen ihr Erscheinen zu nennen.“^^'^ Wenn also gesagt wird, daß die Wissenschaft eine Erscheinung ist, weil und indem sie noch nicht ausgeführt ist, so bedeutet dies, daß sie das unwahre Wissen selbst ist. Die Ausführung der Wissenschaft besteht darin, daß das unwahre Wissen oder Bewußtsein seiner Unwahrheit überführt wird. Kurz: Die ///«führung des unwahren Wissens oder Bewußtseins zur Wissenschaft ist die ylwsführung der Wissenschaft. Das Charakteristische der Phänomenologie des Geistes ist gerade die Thematisierung des unwahren — d. h. des inadäquaten — Wissens oder Bewußtseins als der konkreten, noch inadäquaten Gestalt der Wissenschaft. Man kann also in die Phänomenologie des Geistes nicht eine Unterscheidung zwischen zwei Weisen der Erscheinung hineinlesen, wie FULDA es tut. Aber damit ist die von FULDA verfolgte Problematik nicht erledigt. Denn die Frage, ob im enzyklopädischen System das nach der Berechtigung der Wissenschaft fragende Bewußtsein oder das unwahre Wissen hinsichtlich *** Phän. 66 (Hervorhebung von mir).

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

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seiner konkreten Formen überhaupt thematisiert wird, ist nicht nur berechtigt, sondern auch unausweichlich. Wenn und insofern die Problematik des unwahren Bewußtseins angeschnitten ist, kann sie nicht dadurch umgangen werden, daß sie später ignoriert wird; es muß vielmehr gezeigt werden, wie sie positiv zu lösen ist. Es ist nun eine Tatsache, daß das enzyklopädische System das unwahre Wissen als das unwahre Bewußtsein nicht thematisiert; denn weder die bloße Erwähnung der Phänomenologie des Geistes im § 25 der Enzyklopädie noch Hegels Einschätzung anderer Einleitungsarten können als Thematisierung des unwahren Bewußtseins als solchen angesehen werden^i^. Dieser ganze Problemkomplex wird von FULDA folgendermaßen gedeutet: Das unwahre Bewußtsein wird von Hegel deshalb nicht thematisiert, weil sich inzwischen die Systemkonzeption geändert hatte; im späteren System bildet die Logik den absoluten Anfang und die Entwicklung geht so In der Enzyklopädie unterscheidet Hegel folgende Einleitungsarten: 1) die dem Denken gegebenen Stellungen zur Objektivität, die er als „nähere Einleitung“ bezeichnet (Enz. § 25); 2) die Phänomenologie des Geistes von 1807 (Enz. § 25 A); 3) den Skeptizismus, von dem Hegel sagt, daß er „als eine durch alle Formen des Erkennens durchgeführte negative Wissenschaft . . . sich als eine Einleitung darbieten“ (Enz. § 78 A) würde. Zu erwähnen sind noch Hegels Bemerkungen zur Problematik um die „subjektive Voraussetzung“, die die Philosophie am Anfang zu machen scheint: „Allein es ist dies der freie Akt des Denkens, sich auf den Standpunkt zu stellen, wo es für sich selber ist und sich hiemit seinen Gegenstand seihst erzeugt und gibt“ (Enz. § 17; vgl. auch WL I 54). Auf diesen freien Akt des Denkens reduziert Hegel den Skeptizismus: „Die Forderung eines solchen vollbrachten Skeptizismus ist dieselbe mit der, daß der Wissenschaft das Zweifeln an allem, d. i. die gänzliche Voraussetzungslosigkeit an allem vorangehen solle. Sie ist eigentlich in dem Entschluß, rein denken zu wollen, durch die Freiheit vollbracht, welche von allem abstrahiert und ihre reine Abstraktion, die Einfachheit des Denkens, erfaßt“ (Enz. § 78 A). - Zu den Stellungen des Denkens zur Objektivität äußert sich Hegel in einem Brief vom 15. 8. 1826 folgendermaßen: „Die Behandlung der Standpunkte, die ich darin [d. h. in dieser Einleitung] unterschieden, sollte einem zeitgemäßen Interesse entsprechen. Es ist mir diese Einleitung um so schwerer geworden, weil sie nur vor und nicht innerhalb der Philosophie selbst stehen kann“ (Briefe III 126). Dazu sei bemerkt, daß es voreilig, ja falsch wäre, aus dieser Stelle folgern zu wollen, Hegel identifiziere in jeder Hinsicht die Philosophie mit der enzyklopädischen Darstellung des Systems, so daß die Problematik der Darstellungs/orme« des Ganzen als gegenstandslos zu betrachten sei. Es ist nämlich immer auf die verkürzte Ausdrucksform, die Hegel verwendet, wenn er von der enzyklopädischen Darstellung des Systems spricht, sowie auf den methodischen Ort solcher Aussagen zu achten (vgl. unten 326). Im übrigen muß die im Ausdruck „zeitgemäßes Interesses“ steckende Problematik berücksichtigt werden: ist nämlich für Hegel „die Philosophie, ihre Zeit in Gedanken erfaßt“ (GPhR Vorrede 16), so ist leicht einzusehen, daß ein „zeitgemäßes Interesse“ der angemessenen Gestalt der Philosophie nicht äußerlich sein kann; konsequenterweise kann die diesem „zeitgemäßen Interesse“ entsprechende „Einleitung“ der Philosophie ebenfalls nicht äußerlich sein. Wenn nun Hegel im zitierten Text erklärt, daß die Einleitung in der Form einer Darstellung der Stellungen des Gedankens zur Objektivität „nur vor und nicht innerhalb der Philosophie stehen kann“, so muß man auf Grund der obigen Überlegungen daraus folgern, daß mit „Philosophie“ hier eine Darstellungsgestalt gemeint ist, die dem genannten zeitgemäßen Interesse nicht entspricht. Die ganze Tragweite dieser Problematik sollen die weiteren Ausführungen dieser Arbeit ans Licht bringen.

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vor sich, daß die Wissenschaft in diesen Anfang „zurückkehrt, ohne eine Einleitung zur Bedingung ihrer Rückkehr zu machen. Sie schließt mit der Einsicht in die Absolutheit und Voraussetzungslosigkeit ihres Anfangs und mit der Einsicht in die anfängliche Gewißheit beider.“^^^ Aus dem Umstand, daß die Thematisierung des unwahren Bewußtseins die Einleitungsidee der Phänomenologie bildete und daß das Werk von 1807 nicht mehr in seiner ursprünglichen Gestalt in der Enzyklopädie enthalten ist, folgert FULDA die Notwendigkeit einer systemexternen Beglaubigung der Wissenschaft. Daß FULDA „System“ einfac'hhin mit der enzyklopädischen Darstellung des Systems identifiziert, ist eine folgenschwere Entscheidung bzw. Voraussetzung, die noch im einzelnen auseinandergesetzt werden soll. Auf der Basis dieser Voraussetzung ist FULDAS Argumentation korrekt und konsequent. Darauf soll zuerst eingegangen werden. Nach FULDA ist das (enzyklopädische) wissenschaftliche System am Ende seiner Darstellung zu einer systemexternen Beglaubigung „genötigt und wenn das Ende hält, was es verspricht - auch in der Lage“^^^. In seiner Argumentation verbindet FULDA jetzt wieder, was er früher getrennt hatte, nämlich die Zufriedenstellung des unwahren Bewußtseins und die Ausführung der Wissenschaft, und zwar indem er jetzt die Notwendigkeit der Einbeziehung des unwahren, der Überführung in die Wissenschaft bedürftigen Bewußtseins in das System zu beweisen versucht - aber paradoxerweise auf einer systemexternen Ebene. FULDA will nämlich zeigen, daß das „wissenschaftliche Wissen“, indem es sich als Abschluß des Prozesses der objektiv seienden Idee weiß, als Moment in jenem Subjekt existiert, das sich entschlossen hat, das Denken zu vollziehen; es existiert im Subjekt neben anderen Formen des Wissens, als eine Weise des Wissens unter anderen. Hier erscheint wieder die kritisierte Trennung bzw. inadäquate Ausdrucksweise. Aber jetzt hebt sie FULDA sofort wieder auf, wenn er fortfährt: „Am Ende ... hat es [ = das wissenschaftliche Wissen] diese Bezidhung [ = auf das sich zum Philosophieren entschließende Subjekt] nicht nur, sondern weiß sie auch und weiß sie in der sich selbst produzierenden Idee aufgehoben. Es hat die von ihm unterschiedenen Formen des Wissens, auf die es bezogen ist, als notwendige Weisen erkannt, in denen die Idee in sich zurückgekehrt ist. Damit hat es sie auch anerkannt (Enc § 573) als Weisen, in denen die Idee ihre Absolutheit hat; - anerkannt, obwohl es sie zugleich als Weisen weiß, in denen sich noch unterscheidet, was der Geist ist, und was in sein Wissen fällt ... Es weiß also die Notwendigkeit jenes Scheins, aus dem die Einleitung zur Fulda a.a.O. 297 (Hervorhebung von mir). *** Ebd. 300 (Hervorhebung von mir).

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Phänomenologie die Darstellung des erscheinenden Wissens begründet.“^*® So also erreicht FULDA wieder jene Einheit, auf der die Einleitungsidee des Werkes von 1807 beruhte. Er führt weiter aus, daß das wissenschaftliche Wissen diesen Gestalten nur dann gerecht wird, d. h. sie nur dann in Wahrheit anerkennt, wenn es deren Anspruch nicht nur bestimmt als „das, was er an und für sich ist. Es bedarf dazu des Eingehens auf das als was, und auf die Weise, in der er gewußt wird. Also muß das absolute Wissen um seiner Absolutheit willen sich zum relativen erniedrigen, um auch in diesem schlechthin durch sich bestimmt zu sein . .. Diese Rechtfertigung gegenüber den unwahren Gestalten des Wissens, auf die die Wissenschaft im philosophierenden Subjekt bezogen ist, wird eine einleitende Phänomenologie des Geistes sein, weil sie den Geist nicht als das betrachtet, was er an und für sich ist, sondern im Medium dessen, als was er unterschieden davon sich weiß: dem Bewußtsein .. Diese Ausführungen, die den Schluß von FULDAS Buch bilden, müssen einer genauen Analyse unterzogen werden, denn sie kreisen um eine wichtige Problematik und enthalten eine grundsätzlich richtige Einsicht, die sie aber nicht zur Klarheit zu bringen vermögen. FULDA sieht nämlich ein, daß die „unwahren Gestalten des Wissens“ notwendige Gestaltungen der Idee bzw. der Wissenschaft sind; sie befinden sich damit nicht außerhalb der Wissenschaft, sind also der Wissenschaft nicht extern, sind sie doch, wie die „Einleitung“ sagt, das Erscheinen selbst der Wissenschaft^^®. Schon hier zeigt sich die Zweideutigkeit der These von der systemexternen Beglaubigung. Ist darunter zu verstehen, daß die Gestalten selbst dem System extern sind? Mit dem Ausdruck „systemexterne Beglaubigung“ dürfte FULDA zunächst gemeint haben, daß die Überführung des unwahren Bewußtseins in die Wissenschaft im enzyklopädischen System nicht geleistet wird; da diese Überführung andererseits anzunehmen ist, so muß sie außerhalb des enzyklopädischen Systems angesetzt werden. Sollte FULDA aber unter dem Ausdruck „systemexterne Beglaubigung“ eine Beglaubigung außerhalb des Systems, d. h. außerhalb jeder Darstellungsform des Systems, verstanden haben, so wäre diese Hegel-Deutung schlechterdings unhaltbar. Wo wäre eine solche Beglaubigung überhaupt anzusetzen? Worauf würde sie sich stützen? Welches wäre ihr methodisches Vorgehen? Indem FULDA das System des späteren Hegel mit der enzyklopädischen Darstellung des Systems schlechthin identifiziert, kann er nicht mehr umhin, die „systemexterne Beglaubigung“ als eine Beglaubigung außerhalb des Systems - was für ihn gleichbedeutend ist mit: außerhalb jedes Systems bzw. jeder Darstellungs/orw des Systems Ebd.

“7 Ebd. 301.

”8 Vgl. Phän. 66.

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zu verstehen. Hier liegt der eigentliche Grund für die unüberwindlichen Aporien, in die sich FULDA verstrickt. Er tritt nämlich entschieden für jene Interpretation der drei Schlüsse am Ende der Enzyklopädie ein, die in ihnen nichts anderes sieht als eine methodologische Reflexion über die Enzyklopädie selbst, genauer: über die in ihr abgehandelten Teile der Wissenschaft; er wendet sich entschieden gegen jene Ansicht, die den zweiten und dritten Schluß als Andeutungen Hegels auf andere Ausführungen bzw. Darstellungsformen des Systems begreift. Dies führt FULDA dazu, die von ihm zu Recht geforderte Thematisierung des unwahren Bewußtseins als systemexterne Beglaubigung zu betrachten. Er stellt sich überhaupt nicht die in der vorliegenden Arbeit verfolgte und herausgearbeitete Frage nach der Bedeutung der Darstellung bei Hegel. Für ihn besteht das (spätere) System aus den drei Teilen der Enzyklopädie, und zwar so, daß die Logik den absoluten Anfang macht und die Wissenschaft in ihrem Ende sich mit diesem Anfang zusammenschließt. Die Thematisierung des unwahren Bewußtseins als der Weg der Beglaubigung dieses wissenschaftlichen Wissens fällt aus diesem systematischen Rahmen heraus; sie ist weder Moment noch Bedingung des Zusammenschlusses der Wisssenschaft mit sich selbst. Aus dieser Verwickeltheit befreit man sich nur, wenn man einsieht, daß die Frage nach einer anderen Darstellung des Systems für das Denken Hegels unumgänglich ist und von Hegel selbst ausdrücklich gestellt wird*^^. Die Frage nach der Stellung der Phänomenologie im späteren System hat hier ihren methodischen Ort. Auch FULDA sieht dies ein, weshalb er sich bemüht, die Lehre von den drei Schlüssen in seinem soeben erwähnten Sinne zu interpretieren. Bevor aber darauf im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird, soll die hier angeschnittene Konzeption FULDAS eingehender kritisch beleuchtet werden. Aus der Feststellung, das „wissenschaftliche Wissen“ anerkenne die von ihm unterschiedenen Weisen des Wissens als unvollkommene Weisen der Idee (der Wissenschaft) selbst, wurde oben gefolgert, daß die Überführung In einem langen Kapitel (175-271) versucht Fulda, die systematische Möglichkeit einer Bildungsgeschichte des Bewußtseins herauszuarbeiten. Auf diesen sehr interessanten Versuch kann hier nicht näher eingegangen werden. Es sei dazu nur folgendes kurz angemerkt: Um dem Begriff einer Bildungsgeschichte Geltung zu verschaffen, muß sich Fulda zu „einer gewissen Korrektur der Hegelschen Systemkonzeption“ (261) entschließen. Es zeigt sich hier wieder: Fulda kann auch die tiefe Wahrheit des Begriffs einer Bildungsgeschichte nicht zwanglos in das systematische Denken Hegels einbeziehen. Pflichtet man dagegen der These bei, daß im Denken Hegels nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit einer phänomenologischen Darstellung des Ganzen eingeschlossen ist, so ist es nicht mehr schwer, in fundierter und folgerichtiger Weise die ganze Tragweite des Begriffs einer Bildungsgeschichte für das Systemganze Hegels zu erkennen und ihn zur Geltung - genauer: eben zur systematischen Darstellung - zu bringen. Doch kann diese Aufgabe in der vorliegenden Arbeit nicht in Angriff genommen werden.

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des unwahren Wissens oder Bewußtseins nichts anderes besagt als die Einbeziehung dieser Gestalten in die Selbstexplikation der Idee (bzw. Wissenschaft) selbst, d. h. als die vollständige Ausführung der Wissenschaft bzw. des Systems selbst. Die Überführung des unwahren Wissens kann also nur als systemimmanenter Vorgang (oder Prozeß) gedeutet werden. Dem steht aber FULDAS These entgegen, derzufolge die systemimmanente Explikation diese Aufgabe nicht erfüllen kann. Der inneren Konsequenz seiner These gemäß können weder die Geschichte der Philosophie noch alle anderen Teile der Realsystematik als Einleitung, d. h. Beglaubigung dienen*^®. Der Grund dafür liegt nach FULDA darin, daß alle diese (Teil-)Wissenschaften schon den Begriff der Wissenschaft erfaßt haben müssen, sollen sie mehr vermitteln als nur eine vorläufige Kenntnis von der Wissenschaft bzw. der Idee. FULDA beruft sich auf bestimmte Aussagen Hegels, wie z. B. auf folgende Stelle aus der Heidelberger Niederschrift der Einleitung in die Geschichte der Philosophie: „Es muß ... freilich der Begriff dessen, was die Philosophie beabsichtigt, mitgenommen, ja vielmehr zu Grunde gelegt werden . . FULDA drückt dasselbe Argument in einer anderen Perspektive so aus: Im späteren (enzyklopädischen) System bestimmt die Idee die Aufeinanderfolge der Systemglieder allein auf Grund ihres Inhalts^^^. Es ist richtig, daß die realsystematischen Teile in der enzyklopädischen Darstellung den Standpunkt der Idee voraussetzen. Dies wurde in den vorhergehenden Untersuchungen gezeigt^^®. Was besagt aber dies des näheren? Dieser Sachverhalt wird von FULDA vereinfacht, ja sogar verfälscht, insofern er die Breite der Problematik um die Vorausgesetztheit des Standpunkts der Wissenschaft zu verkennen scheint. Wie im Abschnitt II der vorliegenden Untersuchung gezeigt wurde, wird der Standpunkt der Wissenschaft nicht nur in der Realsystematik, sondern audh in der Phänomenologie des Geistes vorausgesetzt. Zwar darf die Differenz der beiden „Dimensionen“ nicht außer acht gelassen werden: in der Phänomenologie und in der Realsystematik wird der Standpunkt der Wissenschaft nicht in derselben Weise vorausgesetzt; denn die Voraussetzung wird in einem Fall hinsichtlich des Gegenstandes „Bewußtsein“, im anderen hinsichtlich der anderen realsystematischen Gegenstände oder Sphären gemacht. So se:hr man aber die Bedeutung dieses Unterschieds beachten und auch betonen muß, es darf jedenfalls nicht unterstellt werden, daß im einen Fall (Realsystematik) der Standpunkt der Wissenschaft schlechthin, im anderen Fall {Phänomenologie) überhaupt nichts vorausgesetzt werde. Auch die realsystematische Dar122

Vgl. Fulda a.a.O. 263. Ygj a.a.O. 114.

EGPh 14. Vgl. oben bes. 119 f.

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Stellung ist ja nichts anderes als die „Deduktion“ der Weise, in der — eben auf der realsystematischen Ebene - der Begriff hervorgebracht wird. Nun ist der realsystematische Gang, wie die Untersuchung B gezeigt hat, ursprünglidh-grundsätzlich identisch mit der Logik. Wenn nun Hegel in einer kleinen Klammer in der Einleitung zur Wissenschaft der Logik sagt, daß der Begriff der Wissenschaft „innerhalb der Logik selbst hervorgeht“^^^, so meint dieses Hervorgehen des Begriffs der Wissenschaft innerhalb der Logik ursprünglich-grundsätzlich dasselbe wie das Hervorgehen des Begriffs innerhalb der Realsystematik. FULDAS Behauptung, daß schlechthin kein realsystematischer Teil als „Einleitung“ in die Wissenschaft dienen kann, da der Standpunkt der Wissenschaft dabei schon vorausgesetzt werden muß, ist daher dem Hegelschen Denken unangemessen; denn dadurch wird unterstellt, die (oder eine) Einleitung müsse als etwas völlig Anderes als der Hervorgang des Begriffs innerhalb der Logik und innerhalb der Realsystematik aufgefaßt werden. Diese Unangemessenheit der Interpretation findet bei FULDA ihren Ausdruck darin, daß nach seiner Ansicht im späteren System die Idee die Aufeinanderfolge der Systemglieder allein auf Grund ihres Inhalts bestimmt, so daß diese Aufeinanderfolge keine Hervorbringung des Begriffs im „formellen“ Sinn - d. h. als das Werden des Mediums, in dem sich die Wissenschaft vollzieht - bedeutet. Aber dies ist nicht unumschränkt und allseitig richtig, und zwar schon aus dem Grund, weil eine solche Trennung von Form und Inhalt der Idee dem Hegelschen Denken fremd ist. Es ist nämlich nicht nur jene ursprünglich-grundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik zu berücksichtigen, von der soeben die Rede war, sondern es ist auch zu beachten, daß der realsystematische Fortgang nichts anderes ist als das immer adäquatere Hervorgehen des Inhaltlichen und des „Formellen“ des Begriffs selbst: der Hervorgang des Begriffs ist grundsätzlich nicht zu trennen vom Werden des Mediums, in dem sich die Wissenschaft vollzieht; denn die realsystematische Darstellung hat, wie in der Untersuchung B gezeigt wurde, ihre Mitte in der phänomenologisch-noologischen Sphäre; außerdem hat sie als Resultat gerade die Idee der Philosophie bzw. der Wissenschaft^^®. »24 WL 129.

125 Yg[ £n2. § 17. Weil Fulda diese Zusammenhänge nicht beachtet, gelangt er zu einer ungerechten Einschätzung einiger wichtiger Einsichten. So lehnt er H. F. W. Hinrichs’ These von der Erweiterbarkeit jeder Sphäre des Begriffs bis zum absoluten Wissen ab (Fulda a.a.O. 63 ff). Auf Grund der vorhergehenden Überlegungen ist zu vermuten, daß in dieser These viel mehr enthalten ist, als Fulda in ihr zu entdecken vermag. Trotzdem können wir im Rahmen dieser Arbeit nicht näher darauf eingehen, wie Hinrichs selbst seine Auffassung erläuterte und durchführte. Ähnliches wäre zu Fuldas Interpretation der Ansicht H. Glöckners zu sagen, derzufolge die Philosophie grundsätzlich an jedem Punkt der systematischen

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Dieser Sachverhalt kann ganz konkret und verständlich so formuliert werden: Wenn ein Kritiker sich auf einen anderen Standpunkt als den der vorausgesetzten - Wissenschaft stellen und von da aus den Standpunkt der Wissenschaft ablehnen wollte, so wäre im Sinne der enzyklopädischen Darstellung des Syjtems zu sagen: der Kritiker muß nur den Entschluß fassen, in die Bewegung des Denkens einzusteigen und dessen „immanente“ Entwicklung zu vollziehen; auf einer bestimmten Stufe dieses Fortgehens wird er seinen „früheren“ kritischen Standpunkt erklärt, d. h. in die Fortbestimmung des Denkens eingestuft finden, womit sich von selbst seine kritische Position „erledigt“, d. h. aufhebt in ihrer undurchschauten oder unbegriffenen standpunkfhaften Fixiertheit. Heißt dies indes, daß der Einstieg in das Denken nur ein hypothetisches Verfahren ist, das nur „probeweise“ eingeleitet und mitvollzogen wird? Es ist von großer Wichtigkeit zu bemerken, daß Hegel sich ausdrücklich zu dieser Fragestellung geäußert hat. Im Zusammenhang seiner Ausführungen über „die Einsicht, daß das AbsolutWahre ein Resultat sein müsse, und umgekehrt, daß ein Resultat ein erstes Wahres voraussetzt, das aber, weil es Erstes ist, objektiv betrachtet, nicht notwendig, und nach der subjektiven Seite nicht erkannt ist“^^®, bezieht sich Hegel auf REINHOLDS Ansicht, daß die Philosophie nur mit einem hypothetischen und problematischen Wahren anfangen müsse und insofern zuerst als ein Suchen aufzufassen sei. Dazu bemerkt Hegel, dieser Ansicht müsse man „die Gerechtigkeit widerfahren lassen . .., daß ihr ein wahrhaftes Interesse zugrunde liegt, welches die spekulative Natur des philosophischen Anfangs betrifft“; und Hegel erblickt dieses Interesse in der „wesentlichen Betrachtung“^^^, daß das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund ist. Nur ist nach Hegel der Anfang bzw. das Fortschreiten des Erkennens weder etwas Provisorisches, „Willkürliches und nur einstweilen Angenommenes, noch ein als willkürlich Erscheinendes und bittweise Vorausgesetztes, von dem sich aber doch in der Folge zeige, daß man recht daran getan habe, es zum Anfänge zu machen“^^®. Ist dann aber nicht die oben vorgelegte Interpretation des „kritischen Betrachters“ verfehlt? Keineswegs! Gerade an diesem Punkt kann der Sinn des Hegelschen Verfahrens eingesehen werden. Von der enzyklopädisdien Darstellung des Systems her gesehen ist die „kritisdie Einstellung“ des genannten Betrachters eine äußere Reflexion, die sich durch den Gang (des Erkennens) der Sache von selbst aufhebt, d. h. sich als einseitiges Entwicklung angefangen und diese von jedem Punkt aus bis zum absoluten Wissen geführt werden könne (Fulda a.a.O. 75). 12» WL I 55. 1" Ebd. 128 WL I 57.

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Moment oder einseitige Stufe erweist*^®. Aus der Tatsache, daß der Standpunkt des „kritischen Betrachters“ eine äußere Reflexion ist, die sich nur als ein Moment der Sache erweist, ergibt sich, daß die Aussage, wonach das Fortschreiten des Erkennens etwas Provisorisches und Hypothetisches darstellt, ebenfalls eine äußere und daher inadäquate Bezeichnung der Sache ist. Die Sache kann als solche nicht von einem Moment, sondern nur von sich selbst her adäquaterweise an- und ausgesprochen werden. Dies ist der eigentliche Grund dafür, daß Hegel es ablehnt, das Vorwärts- bzw. Rückwärtsgehen des Erkennens als etwas Provisorisches zu bezeichnen. Und Hegel nennt diesen Grund ausdrücklich, wenn er sagt: Das Fortschreiten ist nicht etwas Provisorisches und Hypothetisches, „sondern es muß durch die Natur der Sache und des Inhaltes selbst bestimmt sein“^®®. Es kommt also nach Hegel alles darauf an, daß die Sache selbst in Wahrheit begriffen, daß die Bewegung des Begriffs tatsächlich vollzogen wird. Im Vergleich dazu enthüllt sich jedes Pochen auf einen „kritischen“ Standpunkt in Wahrheit als eine Weigerung, in die Bewegung des Begriffs einzusteigen. Jedes weitere Beharren auf dem „Recht“ des „kritischen“ Betrachters, daß ihm die Wahrheit des Standpunkts der Wissenschaft bewiesen werde, ist gegenstandslos, weil äußerlich. Darin ist die Erklärung für Hegels souveränes und unbekümmertes Verfahren in der Enzyklopädie zu suchen: ein „Vorbehalt“ eines „kritischen“ Betrachters erweist sidh als Nichtbegreifen der Sache. An derselben Stelle erläutert Hegel mit einem geradezu klassischen Beispiel, was das Erkennen bzw. die Sache wäre, wenn das Vorwärts- bzw. Rückwärtsgehen als etwas Provisorisches - d. h. unter dem Vorbehalt eines „kritischen“ Betrachters stehend - aufgefaßt würde: es wäre „wie bei den Konstruktionen, die man zum Behuf des Beweises eines geometrischen Satzes zu machen angewiesen wird, es der Fall ist, daß von ihnen es sich erst hinterher an den Beweisen ergibt, daß man wohlgetan habe, gerade diese Linien zu ziehen und dann in den Beweisen selbst mit der Vergleichung dieser Linien oder Winkel anzufangen; für sich an diesem Linienziehen oder Vergleichen begreift es sich nicht.“^^^ Wollte man aber dennoch darauf bestehen, daß ein solches Verfahren den „kritischen“ Betrachter nicht „zufriedenstellt“, so wäre genau auf das zu Hegels Denken ist so „total“, d. h. hier: es gibt sich über seine Voraussetzungen und Implikationen in einer so radikalen Weise Rechenschaft, daß auch der logisch-methodologische „Ort“ der äußeren Reflexion begriffen wird, und zwar in der Logik des Wesens oder der Reflexion. Vgl. besonders den Satz: „Es ist also vorhanden, daß die äußere Reflexion nicht äußere, sondern ebensosehr immanente Reflexion der Unmittelbarkeit selbst ist . . .“ (WL II18). 130 ijyL I 57 (Hervorhebung von mir). ist Ebd. (Hervorhebung von mir).

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achten, was eine Zufriedenstellung eigentlich besagt. Im Zuge der enzyklopädischen Darstellung des Systems geschieht die Überführung des unwahren Wissens bzw. des „kritischen“ Betrachters unmittelbar und abrupt, indem von dem „kritischen“ Betrachter der Sprung in die Sache bzw. in den Begriff abverlangt wird: „Es bedarf ... keiner sonstigen Vorbereitungen, um in die Philosophie hineinzukommen, noch anderweitiger Reflexionen und Anknüpfungspunkte. “1®^ Dem unwahren Wissen wird hier nicht an ihm selbst - d. h. in seinem Element - gezeigt, daß und wie dieser „Sprung“ mit der Einsicht zusammenfällt, daß das unwahre Wissen „immer schon“ vom Standpunkt der Wissenschaft bestimmt und begriffen worden ist, insofern es eine Stufe oder ein Moment der Wissenschaft darstellt. In diesem Sinne ist es richtig zu sagen, daß das unwahre Wissen bzw. Bewußtsein in der Enzyklopädie nicht zufriedengestellt wird. Es ist aber genau zu beachten, was dies eigentlich bedeutet: Dies besagt nämlich nicht, daß der wissenschaftliche Standpunkt in der enzyklopädischen Darstellung des Systems nicht bewiesen ist, sondern dies besagt, daß die Frage berechtigt und unausweichlich ist, ob es eine angemessenere Weise gibt, den „Sprung“, die Aufhebung oder die Überführung des unwahren Wissens bzw. Bewußtseins in die Entwicklung der „Sache“ (der Wissensdhaft, der Idee) aufzuweisen. Mit anderen Worten: Es entsteht die Frage, ob es eine - im Vergleich zum enzyklopädischen Zusammenschluß des Ganzen mit sich — angemessenere Weise gibt, in der die Wissenschaft (die Idee) sich mit dem unwahren Wissen bzw. Bewußtsein, d. h. also mit der äußeren Reflexion oder dem „kritischen“ Standpunkt, vermitteln oder zusammenschließen, oder auch in der die Wissenschaft den „anderen“ Standpunkt als eines ihrer eigenen Momente in sich einbeziehen kann. Dabei ist zu beachten, daß es bei Hegel niemals ein grundsätzliches Außen oder Anderes geben kann. Aber die Frage ist, wie „weit“ und wie „tief“ die AnderSheit des Anderen reicht: je radikaler diese Andersheit ist, d. h. hier: je „selbständiger“ und „kritischer“ der andere Standpunkt ist, desto umfassender müßte jener Zusammenschluß des Ganzen mit sich selbst - d. h. die Wissenschaft als die Darstellung des Systems - konzipiert werden, der imstande wäre, dieses Andere angemessen und voll in sich einzubeziehen. Hier wird die Relevanz einer der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Thesen sichtbar: Es gibt bei Hegel nicht nur jene Weise oder Ebene des Zusammenschlusses oder des Selbstverständnisses des Ganzen, die in der Enzyklopädie zur Darstellung gebracht wird; vielmehr ist in der Konsequenz des Hegelschen Denkens die Einsicht eingeschlossen, daß auch andere Weisen des Zusammenschlusses des Ganzen mit sich nicht nur möglä“* Ebd.

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lieh, Sonden auch notwendig sind. Dies bedeutet im Hinblick auf die Frage nach der Stellung der Phänomenologie des Geistes im „späteren“ System: Die einzige Möglichkeit, der Phänomenologie des Geistes im Rahmen des „späteren“ Systems eine fundierte Stellung zuzuweisen, beruht auf der Einsicht, daß das System eine andere - eben die phänomenologische — Darstellung des Ganzen zuläßt. Wie aber der nächste Abschnitt zeigen wird, handelt es sich in Wahfheit nicht nur um eine Möglichkeit, sondern um eine Notwendigkeit des sogenannten „späteren“ Systems. FULDA schreibt: „Wenn das reine Wissen die Forderung billigt, auch für einen anderen Standpunkt als seinen eigenen überzeugend zu sein, muß es sich selbst und damit das System transzendieren, da das ganze System nur die Selbstexplikation seiner als des Elements ist. Es muß sich der Form des Begriffs entäußern und sich eine systemexterne Beglaubigung verschaffen.“^®* FULDA kreist ständig um ein fundamentales Problem bei Hegel, aber er gelangt nicht zu dessen richtiger Deutung. Was kann denn die Forderung, auch für einen anderen, vom eigenen verschiedenen Standpunkt „überzeugend zu sein“, bedeuten? Es gelingt FULDA nicht, dieses „Andere“, das unwahre oder kritische Bewußtsein, richtig und angemessen zu deuten, und dies deshalb, weil er nicht zu erklären vermag, wie jener Zusammenschluß des Ganzen mit sich selbst zu denken ist, der auch dieses Andere in sich voll und ganz einzubeziehen vermag. Daher redet er von einer (Selbst-)Transzendierung des Systems. Aber dies ist zweideutig. Dagegen ist festzuhalten, daß eine bestimmte - die enzyklopädische - Weise der systematischen Darstellung des Ganzen „transzendiert“ werden muß und daß daher die Frage nach einer anderen Darstellung des systematischen Ganzen unausweichlich ist. FULDA fixiert und isoliert das „Andere“. Er faßt es eher auf dem Standpunkt SPINOZAS als im Sinne Hegels auf, wie folgende Formulierung zeigt: „Da das einzelne erkennende Subjekt in seiner Beschaffenheit nur ein Modus des absoluten Geistes ist . . .“^®^ In Wahrheit aber ist das Andere nicht ein Standpunkt neben dem Standpunkt der Wissenschaft: eine solche Nebeneinanderstellung ist nur der Abstraktion des Anfangs eigen^®®. Dies gilt in ganz Fulda a.a.O. 299-300 (Hervorhebung von mir). Ebd. 297. Treffend wird dieser Sachverhalt von R. Bühner formuliert: „.. . man liest die Phänomenologie gemeinhin als den von der Wissenschaft dem unwissenschaftlichen Bewußtsein gewiesenen Weg in sie oder als eine Einleitung [hier verweist Bubner auf Fulda], die dem gewöhnlichen Bewußtsein die Notwendigkeit des philosophischen Standpunkts andemonstriert. - Indes enthält diese Lesart eine Schwierigkeit, falls sie als gegeben ein gleidigültiges Nebeneinanderbestehen von einer durch die Unwissenschaftlichkeit des Bewußtseins nicht betroffenen Wissenschaft und einem auf Wissenschaft angelegten Bewußtsein unterstellt, das nur der Hinleitung bedarf. Ein derartiges Modell übersieht die Bedeutung, welche eine phänomenologische Auseinandersetzung mit dem Bewußtsein nicht nur für dessen Wis-

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

besonderer Weise, -wenn das Andere als „kritischer Standpunkt“ oder als „Wahrheitsanspruch“ aufgefaßt wird. Gerade als Wahbheitsanspruch ist das „Andere“ nidht eine starre und fixierte Größe, sondern im Gegenteil die Bewegung des Begreifens; denn es enthält in sich oder ist vielmehr die Tendenz des Allgemeingültigwerdens. Es ist bezeichnend, wie sich FULDA ausdrückt: „Einen Anspruch anerkennen, ohne den entgegengesetzten preiszugeben, heißt, dem Wissen, das ihn erhebt, die Grenze seiner Gültigkeit einsichtig machen. Dazu genügt es nicht, ihn zu bestimmen als das, was er an und für sich ist. Es bedarf dazu des Eingehens auf das als was, und auf die Weise, in der er gewußt wird.“^®® Ein richtiger Sachverhalt wird in diesem Text verzerrt ausgesprochen. FULDA scheint nämlich die Voraussetzung zu machen, es sei möglich, einen Wahrheitsanspruch als das, was er an und für sich ist, zu bestimmen, ohne auf das „als was, und auf die Weise, in der er gewußt wird“, einzugehen. Dies ist eine Abstraktion. Das Anundfürsichsein, d. h. die Wahrheit des Anspruchs ist nur gegeben als die innere Dialektik, d. h. die innere Selbstdurchleuchtung und Selbstaufhebung dieses Anspruchs selbst, sonst wäre das Anundfürsichsein des Anspruchs nicht das Anundfürsichsein des Anspruchs. Mit anderen Worten: seine Wahrheit muß ihm eigen und immanent sein.

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2. Die Lehre von den „drei Schlüssen“ und die Problematik der Darstellung In diesem letzten Abschnitt sollen die in den vorhergehenden Untersuchungen und Abschnitten herausgearbeiteten Einsichten und erzielten Ergebnisse für eine Klärung der fundamentalen Problematik der Systemdarstellung ausgewertet werden, und zwar soll dies geschehen hinsichtlich jenes Werkes, für dessen adäquate Interpretation die Erörterung dieser Problematik unausweichlich ist, nämlich der Phänomenologie des Geistes, und im Rahmen jener Aussagen Hegels, die den eigentlich methodologischen Ort der anstehenden Problematik bilden, nämlich der Lehre von den drei Schlüssen am Ende der Enzyklopädie. Freilich kann hier keine allseitige und erschöpfende Deutung der drei Schlüsse geboten werden; vielmehr sollen die folgenden Ausführungen nur als Abschluß der vorhergehenden Untersuchungen verstanden werden. senschaftlichwerden und auch nicht allein für den an ihm vollzogenen Nachweis der Notwendigkeit eines an sich bereits vorhandenen, philosophischen Standpunkts besitzt, sondern für das Gewinnen dieses Standpunkts überhaupt und damit das Sein der Wissenschaft als Wissenschaft“ (Prohlemgeschichte und systematischer Sinn einer Phänomenologie. - In: Hegel-Studien 5 [1969], 129-159; zit. St. 149). Fulda a.a.O. 301.

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Für eine richtige und angemessene Aufhellung der Darstellungsproblematik des Hegelschen Systems - dies hat die vorliegende Arbeit gezeigt sind unbedingt folgende Einsichten bzw. Gesichtspunkte zu berücksichtigen: (1) Es muß positiv gezeigt werden, wie der 1807 von Hegel unternommene Versuch einer phänomenologischen Darstellung des Systemganzen zu bewerten ist. Für eine Hegel-Deutung ist die Frage des Verhältnisses zwischen der Phänomenologie des Geistes und dem sogenannten „späteren" System jedenfalls unausweichlich. Zwei Lösungsrichtungen sind denkbar und auch versucht worden: eine negative und eine positive, wobei jede wieder zwei Spielarten aufweist. Die erste „Lösung“ im Sinne der negativen Lösungsrichtung besteht darin, daß unterstellt wird, das Problem sei falsch gestellt oder aber ohne Relevanz, da es einzig darauf ankomme, die Phänomenologie nur in sich und aus sich zu begreifen und zu deuten. Abgesehen noch von anderen gewichtigen Gründen kann die Unhaltbarkeit dieser „Lösung" - genauer: dieser Einstellung — daran ersehen werden, daß sie gerade das nicht einzuhalten vermag, was sie sich vornimmt und verspricht: indem sie nämlich das Verhältnis der Phänomenologie des Geistes zum „späteren“ System nicht in Betracht ziehen will, kann sie gerade den eigentlichen und vollen Sinn des Werkes von 1807 nicht erfassen; dies wurde am Anfang der vorliegenden Untersuchung gezeigt. Die zweite Spielart der negativen Lösungsrichtung stützt sich auf die Annahme, daß der spätere Hegel sein frühes Werk verworfen hat und daß sich deshalb die Frage der Stellung der Phänomenologie im späteren System von selbst erledigt. Daß auch dieser Lösungsversuch inakzeptabel ist, erhellt aus einer doppelten Überlegung: Es kann — erstens — keine Rede davon sein, daß der spätere Hegel das Werk von 1807 einfach zurücknahm; zuzugeben ist nur, daß er — wie FULDA, der die Hegelschen Aussagen eingehend untersuchte, formuliert — über die Phänomenologie „offenkundig distanziert“^®^ urteilt. FULDA fragt aber weiter: „Sollte sie [= die Phänomenologie] nur nodi als historischer Übergang zum System der Encyklopädie gelten? Oder betrifft die Abstandnahme Hegels nur die Durchführung der Phänomenologie von 1807, nicht aber ihre Konzeption? Man wird nicht leugnen können, daß die Unklarheiten über die Bedeutung und die Stellung, die Hegel seinem Werk von 1807 später gegeben hat, groß sind.“^®® Der tiefere Grund dieser „Unklarheiten“ wird bald bei der Erörterung einer von O. PöGGELER aufgestellten Behauptung über das Verhältnis der Phänomenologie zur Lehre von den drei Schlüssen anzugeben sein. Festzuhalten ist hier, daß auf Grund der Aussagen Hegels der Phänomenologie eine positive Stellung und Bedeutung im späteren System zuzuweisen ist. Zu Fulda a.a.O. 29.

Ebd.

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D. Die Phänomenologie des Geistes von 1807

der hier kritisierten negativen Lösungsrichtung ist — zweitens — noch folgendes zu sagen: auch im Falle, daß Hegel das Werk von 1807 ausdrücklich zurückgenommen hätte, könnte die Problematik nicht als erledigt angesehen werden; denn es könnte sein, daß die Idee der Phänomenologie doch in der Konsequenz des Hegelschen Denkens liegt. Es ergibt sich also die Aufgabe, auf die gestellte Frage eine positive Antwort zu geben. Es kommen hier zwei Lösungsmöglichkeiten in Frage: das Werk von 1807 hat im späteren System entweder eine systemexterne oder eine systeminterne Bedeutung bzw. Stelh .rg. Mit dem von FULDA unternommenen großangelegten Interpretationsversuch der Phänomenologie im Sinne einer systemexternen Beglaubigung des (späteren) Systems hat sich der vorhergehende Abschnitt eingehend befaßt. Nachdem sich auch dieser Lösungsversuch als unhaltbar erwiesen hat, bleibt noch zu fragen, wie eine systemimmanente Stellung und Bedeutung der Phänomenologie aufzufassen und zu begründen ist. (2) Für die Lösung der aufgerollten Problematik muß eine zweite fundamentale Einsicht berücksichtigt werden: das dialektisch-vernünftig-spekulative Begreifen muß nach Hegel auch ausgesprochen und dargestellt werden*®®. Dies besagt hier: Wenn sich die enzyklopädische Darstellungsform des Systems für das spekulative Begreifen als äußerlich und einseitig zeigt, so muß dieses Begreifen auch dargestellt werden. Von hier aus gesehen genügt es also nicht zu sagen, daß die drei Schlüsse am Ende der Enzyklopädie der „angemessene Begriff des Bisherigen“*"*® sind, sondern es muß auch gefordert werden, daß dieser angemessene Begriff eine entsprechende Darstellung erhält. (3) Schließlich sind zwei weitere fundamentale Ergebnisse der vorliegenden Arbeit im Auge zu behalten: zunächst die Einsicht in die ursprünglichgrundsätzliche Identität von Logik und Realsystematik, sodann die Einsicht in die Elementarstruktur der Philosophie Hegels. In diesen beiden Einsichten kommt der eigentliche „Boden“ der Philosophie Hegels zum Vorschein, nämlich: die notwendige Unterscheidung und Berücksichtigung der Geistesdimensionen und die ebenso notwendige Aufhebung dieser unterschiedenen Dimensionen in die Einheit des „Selben“, d. h. der Wirklichkeit „des“ Geistigen. Auf Grund dieser Einsichten und Ergebnisse wird hier die These aufgestellt, daß nur der erste Schluß am Ende der Enzyklopädie als eine nachträgliche methodologische Reflexion über den enzyklopädischen systematischen Gang zu deuten ist, während der zweite und der dritte Schluß Andeutungen anderer Darstellungsformen des Systemganzen beinhalten. Dabei artikuliert 13» Ygi oben 32 ff.

Fulda a.a.O. 287.

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der zweite Schluß die phänomenologische Darstellungsgestalt des Systemganzen und bezieht sich somit, wenn nicht ohne weiteres auf die konkrete Durchführung, so doch jedenfalls auf die Grundidee der Phänomenologie des Geistes von 1807. Diese These ist jetzt zu erläutern und zu erhärten, und zwar in Auseinandersetzung mit den wichtigsten Interpretationsversuchen. Wie schon in der Untersuchung A bemerkt wurde^^^, findet jene Auffassung, die in den drei Schlüssen nicht eine dreistufige Reflexion über den enzyklopädischen Gang der Darstellung, sondern (im zweiten und dritten Schluß) Andeutungen anderer Darstellungsformen des Systemganzen erblickt, heute kaum Verteidiger. Zwei Namen sind hier zu nennen: G. LASSON und J. VAN DER MEULEN. ES findet sich aber bei diesen Autoren weder eine nähere Erläuterung noch eine einleuchtende Begründung der von ihnen vertretenen Auffassung. LASSON beschränkt sich darauf, in allgemeinen Formulierungen auf die systemtheoretische Bedeutung der Lehre von den drei Schlüssen hinzuweisen^^^. Er spricht aber die richtige Einsicht in den Sinn der drei Schlüsse nur auf globale Weise aus: „Mag die Ausdrucksund Redeweise in diesen Hegelschen Sätzen [d. h. in den drei Schlüssen] für moderne Ohren höchst sonderbar klingen, das eine leuchtet doch aus ihnen hervor, daß Hegel unter einem System nicht ein äußerlich zusammengefügtes Gerüst, sondern einen lebendigen Organismus versteht, dessen gliedlicher Zusammenhang eine Darstellung von ganz verschiedenen Gesichtspunkten her zuläßt. Das Wichtigste für ihn ist, daß zwar durchweg die logische, gesetzliche Notwendigkeit die Glieder miteinander zusammenhält, daß aber zwischen ihnen und durch sie hindurch eine beständige, nie ruhende Bewegung herrscht, die Tätigkeit des sich manifestierenden Geistes.“*“*® Im einzelnen findet LASSON die Darstellung des zweiten Schlusses in der Phänomenologie des Geistes und die Darstellung des dritten Schlusses in den Vorlesungen. Diese Sicht wird von ihm nur durch allgemeine Hinweise erhärtet. Vor allem stützt er sich dabei auf den „Begriff des Momentes“: „Keines der Momente des Systems kann ohne das andere gedacht werden; jedes fordert das andere und setzt es voraus . .. Deshalb ist keines schlechthin als Anfang, keines ausschließlich als Abschluß der Totalität anzusehen, sondern jedes 141 Vgl. oben 46 f. 142 Vgl. seine Arbeiten: Was heißt Hegelianismus? Berlin 1916 (bes. 31 ff); Einführung zu Hegel: Wissenschaft der Logik. Leipzig 1923. XXII-XXX; Einführung zu Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Leipzig 1930. XII f; ferner: Hegel und die Gegenwart. In: Kant-Studien 36 (1931), 262-276, bes. 266 ff. ‘•*5 Lasson: Hegel und die Gegenwart... 268.

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kann sowohl den Anfang, wie die Mitte und das Ende bilden. - J. VAN Interpretation der drei Schlüsse^^® beruht auf Voraussetzungen, die nicht in diesem, sondern in einem früheren Zusammenhang diskutiert werden müßten. Es sind nun die Gründe zu prüfen, die gegen die in der vorliegenden Arbeit vertretenen Auffassung ins Feld geführt werden. Diese Gründe finden sich im wesentlichen bei O. PöGGELER^^® und H. F. FULDA^^^. Die historischphilologische Seite der Problematik faßt PöGGELER in folgendem Einwand zusammen: „Hegel distanziert sich in der Enzyklopädie zu eindeutig von der Phän., als daß er an sie hätte denken können, als er — in den letzten Paragraphen der Enzyklopädie - den Urschluß darstellte. Diese Argumentation ist nicht stichhaltig. PöGGELER unterstellt nämlieh, daß Hegels am Anfang der Enzyklopädie gemachte Aussagen über die Phänomenologie des Geistes eine schlechthin universale Geltung beanspruchen, so daß sie für jeden Zusammenhang und in jeder Dimension des Denkens einen einzigen, eindeutigen und gleichbleibenden Sinn haben. Eine solche Voraussetzung verkennt aber den methodischen Ort dieser Aussagen. Hegels Äußerungen beziehen sich nämlich auf die in der Enzyklopädie durchgeführte Darstellung des Systemganzen. Hinsichtlich dieser Darstellung können Hegels Aussagen als „distanziert“ bezeichnet werden - vorausgesetzt, daß man diesen Ausdruck richtig deutet. Es ist zuzugeben, daß Hegels Aussagen den Zusammenhang zwischen Phänomenologie des Geistes und Enzyklopädie nicht eindeutig artikulieren. Auf gar keinen Fall aber kann diese Nicht-Eindeutigkeit dahingehend gedeutet werden, daß überhaupt ein Zusammenhang in Frage gestellt oder gar verneint wird; es ist vielmehr offenkundig, daß sie einfach aus der Nicht-Erörterung des Verhältnisses zwisdäen der enzyklopädischen Darstellung und einer anderen Darstellungsgestalt resultiert. Hinzuzufügen ist noch, daß bei Berücksichtigung des methodischen Ortes der Hegelschen Aussagen eine ganze Reihe historisch-philologischer Einwände und Argumente sich als gegenstandslos erweist. Von PöGGELER wird auch ein sachlich-spekulativer Einwand von großer Relevanz erhoben: „Zudem kann die Phän. ihrer eigenen Bestimmung nach

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DER MEULENS

Lasson: Einführung zu Hegel: Wissenschaft der Logik. XXVI. - In seinem Buch: Hegel und das Ende der Geschichte. Interpretationen zur ,Phänomenologie des Geistes' (Stuttgart 1965) bezieht sich R. K. Maurer auf die drei Schlüsse und verweist auf „die ähnliche Deutung des Enzyklopädie-Schlusses und des inneren Aufbaus der Hegelschen Philosophie durch Lasson“ (85 Anm. 3). Hegel. Die gebrochene Mitte. Hamburg 1958. 339 ff. Zur Deutung der Phänomenologie des Geistes 290 f. Das Problem einer Einleitung .. . 284 ff. 148 Pöggeler: Zur Deutung ... 291.

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gar nicht leisten, was im Urschluß gefordert ist: sie kann die System teile nicht zusammenschließen, weil diese Systemteile in der Phän. nicht in ihrer Wahrheit vorkommen.“^^^ Eine Diskussion dieses Einwands ist sehr geeignet, den Kern der anstehenden Problematik aufzuhellen. PöGGELERS Einwand beruft sich auf die Wahrheit der Systemteile. Als was, wie und wann aber ist diese Wahrheit „gegeben“? PöGGELERS Einwand beruht auf einem völlig unangemessenen, ja falschen Verständnis dieser Wahrheit. Er setzt nämlich voraus, daß die Systemteile dann in ihrer Wahrheit Vorkommen, wenn sie gesondert und in diesem Sinne „für sich“ dargestellt werden, wobei es dann klar ist, wie PöGGELER anschließend ausführt, daß in der Phänomenologie weder die Logik „in ihrer Reinheit“ noch die Realphilosophie „für sich“ zur Darstellung gelangen. Aber dieses Verständnis der Wahrheit der Systemteile verkennt die in der Einto'/ung der Wissenschaft enthaltene Problematik der Einheit der Wissenschaft und damit auch der Wahrheit der Teile. Es wurde schon in einem früheren Zusammenhang nachgewiesen, daß die Wahrheit der Systemteile gerade nicht in der „Reinheit“ bzw. in ihrem „für sich“ liegt, sondern daß im Gegenteil diese Wahrheit erst in der Aufhebung der Reinheit bzw. der Gesondertheit, also des Tei/-Charakters der Systemteile zur Ausdrücklichkeit und das heißt zur Darstellung kommP®®. Die Behauptung, daß die Phänomenologie gar nicht leisten kann, was im Urschluß gefordert wird, ist daher ein grundlegendes Mißverständnis. Wäre dem so, was könnte dann überhaupt noch der {Zusammen-)Schluß bedeuten? In der Tat ist auf der Grundlage der von PöGGELER gemachten Voraussetzung nicht mehr einzusehen, welchen Sinn noch die Aufstellung eines zweiten und dritten Schlusses haben könnte. Der Urschluß soll die Systemteile in ihrer Wahrheit zusammenschließen; wie erklärt sich nun, daß er ein Schluß von drei Schlüssen ist? Warum genügt nicht der erste Schluß, der doch offenbar die Systemteile gesondert und in ihrem „für sich“ beschreibt? Es ist unbestreitbar, daß der erste Schluß den enzyklopädischen Gang der Darstellung des Systemganzen genau artikuliert: „Das Logische wird zur Natur, und die Natur zum Geiste.“^®'^ Eben dies kann vom zweiten und dritten Schluß nicht gesagt werden, denn die Einführung eines jeweils anderen Systemteils als Mitte bedingt einen jeweils andersorientierten und -gestalteten „Gang“. Die Frage ist also, wie dieser andere Gang zu fassen ist. Die hier kritisierte Interpretation, die also in den drei Schlüssen nur eine nachträgliche Selbstreflexion der enzyklopädischen Systemdarstellung erblickt, ist gezwungen, den andersorientierten und -gestalteten Gang, den der zweite und dritte Schluß zweifellos artikulieren, nicht als eine andere Dar“» Ebd.

150 Ygi oben 40 £f.

151 Enz. § 575.

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stellungsgestalt des Systemganzen zu interpretieren. Der inneren Konsequenz dieser Interpretation gemäß geht es, wie FULDA formuliert, „in ihren [der Wissenschaft] letzten Bestimmungen [d. h. in den drei Schlüssen] nur um den angemessenen Begriff des Bisherigen, nicht aber um eine neue Gestaltung der Wissenschaft, die sich erst in kryptischen Wendungen auszusprechen vermag“ Diese Deutung aber impliziert eine fundamentale Aporie: sie muß nämlich behaupten, daß ausgerechnet jene beiden Schlüsse (also der zweite und dritte), die den enzyklopädischen Gang oder die enzyklopädische Gestalt der Darstellung nicht genau oder angemessen beschreiben oder wiedergeben, den angemessenen Begriff dieser selben - für diese Ansicht: der einzigen - Darstellung(sgestalt) enthält und artikuliert. Damit aber behauptet diese Deutung, daß der angemessene Begriff des Systemganzen außerhalb - nämlich jenseits - der konkreten Darstellungsgestalt dieses Systemganzen liegt bzw. anzusetzen ist. Wenn nämlich dieser „angemessene Begriff“ nicht eine dem jeweiligen Schluß entsprechende andersgestaltete Darstellung des Systemganzen bedeutet, anders formuliert: wenn dieser „angemessene Begriff“ keine Bedeutung für den wirklichen, d. h. dargestellten Begriff — für die „Gestaltung der Wissenschaft“ nach dem Ausdruck FULDAS — hat, so folgt daraus unweigerlich, daß der „angemessene Begriff des Bisherigen“ eine rein subjektiv-äußere Reflexion, nicht aber der der Sache selbst hier: der Wissenschaft, dem Systemganzen — immanente Begriff ist. Nun aber gehört es zu den zentralen Einsichten der Hegelschen Philosophie, daß die subjektiv-äußere Reflexion als solche aufgehoben werden muß, um sich als Moment der Sache zu erweisen. Mit anderen Worten: ein neuer, höherer, angemessener Begriff ist nur dann keine subjektiv-äußere Reflexion, wenn er sich als Begriff der Sache selbst zeigt, wenn sich also die Sache selbst „durch“ diesen neuen, höheren, angemessenen Begriff in sich selbst „wandelt“ — kurz: wenn sie sich dementsprechend neu, höher, angemessen gestaltet. Die Sache, um die es sich im jetzigen Zusammenhang handelt, heißt das Systemganze: wird diese Sache in einer dreifachen Weise oder Gestalt(ung) mit sich reflektiert oder zusammengeschlossen, so sind diese drei Weisen oder Gestalten dem Systemganzen immanent. „Weise“ oder „Gestalt“ des Systemganzen heißt aber Darstellung des Systemganzen. Die drei Schlüsse artikulieren also drei Darstellungen des Systemganzen. Auf Grund anderer Überlegungen wird damit genau jene fundamentale Einsicht wieder erreicht, die Flegel in seiner Lehre vom spekulativen Satz ausspricht und die in der Untersuchung A herausgearbeitet wurde: das Begreifen der dialektisch-speFulda a.a.O. 287 (Hervorhebung von mir).

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kulativen Bewegung schließt notwendigerweise auch das Aussprechen oder Darstellen dieser Bewegung ein^®^. Hier drängt sich sofort die weitere Frage auf, wie die drei Gestalten bzw. Darstellungen jener Sache, von der hier die Rede ist, nämlich des Systemganzen, aufzufassen sind. Zunächst könnte man die drei Gestalten der Darstellung dahingehend zu deuten versuchen, daß jedes der Glieder des Schlusses (also die Systemteile) sich nicht in sich selbst ändert, sondern nur eine jeweils andere Stellung in einem jeweils anderen Zusammenschluß einnimmt; jeder Systemteil wäre als Moment aufzufassen und könnte - nach einer oben angeführten Formulierung LASSONS - „sowohl den Anfang, wie die Mitte und das Ende bilden“Die drei Glieder des Schlusses bzw. die drei Systemteile wären drei feste, „fertige“, in sich unveränderliche Größen, deren einzige „Änderung“ in einer sie selbst, d. h. ihre Wahrheit nicht berührenden und in diesem Sinne jeweils anderen äußerlichen Anordnung bestünde. Eine solche Interpretation aber ist dem Denken Hegels fremd; denn sie faßt den Schluß als ein formalistisches Verfahren oder als „Verstandesschluß“, von dem Hegel sagt: „Wenn bei dieser Gestalt desselben [d. h. des unmittelbaren Schlusses] fest geblieben wird, so ist freilich die Vernünftigkeit in ihm, obzwar vorhanden und gesetzt, unscheinbar. Das Wesentliche desselben ist die Einheit der Extreme, die sie vereinigende Mitte und [der sie] haltende Grund. Die Abstraktion, indem sie die Selbständigkeit der Extreme festhält, setzt ihnen diese Einheit als eine ebenso feste, für sich seiende Bestimmtheit entgegen und faßt dieselbe auf diese Art vielmehr als Nichteinheit denn als Einheit. Der Ausdruck: Mitte (medius terminus) ist von räumlicher Vorstellung hergenommen und trägt das seinige dazu bei, daß beim Außereinander der Bestimmungen stehen geblieben wird. Wenn nun der Schluß darin besteht, daß die Einheit der Extreme in ihm gesetzt ist, wenn diese Einheit aber schlechthin einerseits als ein Besonderes für sich, anderseits als nur äußerliche Beziehung genommen und zum wesentlichen Verhältnisse des Schlusses die Nichteinheit gemacht wird, so hilft die Vernunft, die er ist, nicht zur V ernünf tigkeit. “ Das Wesentliche ist hier, wie beim zweiten Schluß (= Schluß der Reflexion) und beim dritten Schluß (= Schluß der Notwendigkeit) die Glieder, d. h. die Systemteile, sich zueinander verhalten und wie dieses Verhältnis einen inneren Wandel derselben besagt. Dem Hegelschen Verständnis des Schlusses zufolge kann dieser Wandel nicht darin bestehen, daß die Glieder 15S Ygj oben 32 ff. Lassen: Einführung zu Hegel: Wissenschaft der Logik. XXVI. WL II 310 (eckige Klammern im zweiten Satz von Lasson).

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bzw. Systemteile nur ihre jeweilige Stellung wechseln in der Weise von festen, unveränderlichen formalen Größen, die immer nur einen jeweils verschiedenen Stellenwert erhalten können; der Wandel muß vielmehr als eine innere Selbstaufhebung der Glieder bzw. der Systemteile aufgefaßt werden; denn erst dadurch entspringt eine neue Gestalt oder ein neuer Begriff der Sache, erst dadurch schließt sich die Sache angemessener mit sich selbst zusammen. Wenn nun also die dialektische Entwicklung des einen Schlusses in den anderen, also der einen Darstellungsgestalt in die andere, notwendig besagt, daß die Glieder nicht schlechthin die gleichen bleiben, sondern sich in sich selbst wandeln und aufheben, so bedeutet dies für die Lehre der drei Schlüsse: die drei Systemteile bleiben zwar in ihrer „Inhaltlichkeit“ bestehen, aber im zweiten und dritten Schluß heben sie ihren Tei/-Charakter auf, indem sie von einer jeweils anderen und höheren Mitte als von einer jeweils höheren Stufe der Wahrheit, oder noch: als von einem jeweils höheren und angemesseneren Standpunkt aus begriffen und dargestellt werden. Es muß weiteren Untersuchungen überlassen werden, diesen Sachverhalt an Hand einer detaillierten Analyse der Hegelschen Lehre vom Schluß in der Wissenschaft der Logik genauer aufzuhellen. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, diese grundsätzliche Einsicht zunächst herauszuarbeiten, zu formulieren und im Prinzip zu beweisen. Wir kehren zu den Einwänden PöGGELERS und FULDAS zurück. Zu PöGGELERS sachlich-spekulativem Einwand ist noch folgendes zu ergänzen: Die Weise, in der PöGGELER die Phänomenologie des Geistes von der Enzyklopädie abgrenzt, basiert auf der Annahme, daß die Systemteile nur in der enzyklopädischen Eintei/ung, nicht aber in der phänomenologischen Darstellung in ihrer Wahrheit Vorkommen. Mit dieser Deutung fixiert PöGGELER Hegels „späteres“ System auf jene Darstellungsgestalt, in der die Systemteile nur wie selbständige, abstrakte, „fürsichseiende“ Glieder Vorkommen und miteinander „äußerlich“ zusammengeschlossen werden^®®. Nach dieser Deutung bleiben Logik, Natur und Geist bzw. Wissenschaft der Logik und Philosophie der Natur und des Geistes einer objektivistischabstrakten Betrachtung bzw. Darstellung verhaftet; es wird ihnen - und damit dem Hegelschen Systemganzen - jede Möglichkeit genommen, sich in einer angemesseneren, tieferen Wahrheit zu zeigen. Nun betrachtet PöGGELER die Phänomenologie des Geistes als jenes Werk, in dem Hegel den einmaligen Versuch einer Vermittlung von Wahrheit und Geschichte oder einer Darstellung der transzendentalen Geschichtet®^ unternommen habe, in 156 Vgl. Enz. § 575: „äußerliche Form des Übergehens“. Die Komposition der Phänomenologie des Geistes 66 ff.

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dem Hegels Ringen um die Möglichkeit und den Sinn des spekulativen Denkens^®® zum Ausdruck komme. Es ist einerseits bezeichnend, andererseits aber auch verhängnisvoll für die Hegel-Interpretation, wenn PöGGELER diese „Vermittlung“ bzw. dieses „Ringen“ - d. h. jene „tiefere“ und „angemessenere“ Wahrheit, von der oben die Rede war - außerhalb bzw. abseits des „späteren“ Systems sucht. PöGGELERS fixierende Reduzierung des „späteren“ Systems auf die äußerlich-objektivistische Darstellungsgestalt - nämlich die enzyklopädische, die PöGGELER für die einzig mögliche hält - ist sowohl Grund als auch Folge einer solchen hermeneutischen Einstellung. In Wirklichkeit ist die „Geschichtlichkeit“ bzw. „Transzendentalität“ des spekulativen Denkens im späteren System nicht nur nicht abwesend, sondern sie ist die Mitte jenes (Zusammen-)Schlusses, in den sich der erste Schluß — und damit die enzyklopädische Darstellungsgestalt des Systemganzen — aufheben muß, um sich in seiner tieferen und angemesseneren Wahr'heit zu enthüllen. Zu FULDAS Argumentation gegen die hier vertretene Interpretation der drei Schlüsse ist noch das Wesentliche zu sagen. Seiner Ansicht nach kommen alle Versuche, in den drei Schlüssen die Andeutung ausgeführter oder unausgeführter selbständiger philosophischer Disziplinen zu sehen, „unvermeidlich in Konflikt mit der Ableitung des Logischen als des Resultats, die bereits im § 574 gegeben wird, und mit der vielfachen Versicherung Hegels, die Logik sei wie die erste so die letzte Wissenschaft“^®®. Es wird aber von FULDA nicht beachtet, daß die Ableitung des Logischen als des Resultats am Ende der Enzyklopädie gerade nicht eine einfache Rückkehr zum Logischen der Wissenschaft der Logik besagt, wie schon früher gezeigt wurde^®®; daraus folgt auch, daß die Wissenschaft nicht in der Weise sich mit sich zusammenschließt, wie sie FULDA konzipiert; es ergibt sich ferner, daß FULDAS Versuch, die drei Schlüsse als „Erscheinungen des Logischen“ zu deuten und diesen Erscheinungscharakter als Argument gegen die hier vertretene Auffassung ins Feld zu führen, zweideutig und gegenstandslos ist. Was Hegels Äußerungen über die Logik als erste und letzte Wissenschaft angeht, so übersieht FULDA ihren methodischen Ort: sie sind keine absoluten Aussagen, sondern Aussagen im Rahmen der schon im voraus definierten (enzyklopädischen) Darstellungsgestalt des Systems. - FULDAS weiteres Argument lautet: „Auch führen sie [d. h. die von FULDA erwähnten Versuche] zu der Absurdität verschiedener, die einzelnen philosophischen Disziplinen und ihre Inhalte gegeneinander verschränkender Darstellungen derselben Gegenstän158 Ebd. 71.

*5* Fulda a.a.O. 284.

1«» Vgl. oben 177 ff, 219 (Anm. 262).

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können die „verschiedenen Darstellungen derselben Gegenstände“ besagen? Nach der hier vertretenen Auffassung besagt diese Verschiedenheit nicht eine gleichgültige Nebeneinanderstellung von Darstellungsarten; andererseits ist die Selbigkeit der Gegenstände nicht so zu nehmen, daß ihnen die Darstellungen äußerlich oder fremd wären; vielmehr handelt es sich um Phasen oder Momente der einen angemessenen Darstellung und damit auch des einen angemessenen Sichzeigens der „Gegenstände“. - FULDA versucht besonders nachzuweisen, daß auf der Grundlage der hier vertretenen Interpretation es nicht auszudenken sei, „wie sich daraus der wissenschaftliche Anfang, der nach Hegel ausdrücklich der logische ist, rechtfertigen sollte. Er wäre willkürlich .. Jjj- aber falsch, vom wissenschaftlichen Anfang so zu reden, wie FULDA es tut. Schon früher hat sich gezeigt, daß Hegel nur einen jeweils definierten, nicht einen schlechthinnigen, d. h. Undefinierten absoluten Anfang kennt^®®. Die Frage der Rechtfertigung des Anfangs ist vieldeutig und vieldimensional. Gerade die hier vorgelegte Deutung berücksichtigt die „kritische Dimension“ voll und ganz, indem sie sie nicht „außerhalb“ der systematischen Darstellung des Ganzen - also „systemextern“ - ansetzt, sondern sie als eine der großen und notwendigen „Weisen“ oder „Gestalten“ - also Darstellungen - des Systemganzen begreift. Damit wird nicht die Notwendigkeit und Wahrheit der kritischen Dimension eskamotiert; es wird vielmehr nur die Einseitigkeit und damit die Unwahrheit der abstrakten und inhaltslosen „kritischen Einstellung“ aufgehoben. - FULDAS nächstes Argument resümiert in gewisser Weise die ganze Geschichte der Hegel-Interpretation: „Willkürlich wäre dann aber auch der Fortgang vom Ende der Logik, das in den Anfang zurückläuft, zu den anderen Disziplinen; und unnötig damit alle Anstrengung, die die Kritik an Hegels Übergang von der absoluten Idee zur Natur bisher gekostet hat.“i®* Dazu kann jetzt schlicht gesagt werden: Es wurde in dieser Arbeit ausführlich gezeigt, in welchem grundsätzlichen Sinne die „Übergänge“ - und dabei speziell der Übergang von der logischen Idee zur Natur - auf Grund der Einsicht in die Elementarstruktur der Hegelschen Philosophie zu begreifen sind. Die traditionelle Kritik basiert auf teils völlig undurchschauten, teils schlechterdings falschen Voraussetzungen. - FULDAS letzter wichtiger Einwand lautet: „Im Widerspruch zu allem, was Hegels einleitende Bemerkungen über die Notwendigkeit der Wissenschaft, ein Ganzes zu sein und als solches dargestellt zu werden (Enc § 14 ff.), besagen, wiese die Encyklopädie an ihrem Ende über sich hinaus.“*®® Der von FULDA behauptete Widerspruch 101 Fulda a.a.O. 284. ‘«3 Vgl. oben 178, Anm. 118. ‘«5 Ebd. 285.

Ebd. Fulda a.a.O. 284-285.

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existiert nicht nur nicht, sondern es ist leicht zu zeigen, daß aus den Aussagen, auf die sich FULDA bezieht, genau das Gegenteil zu entnehmen ist. FULDA faßt „die Notwendigkeit der Wissenschaft, ein Ganzes zu sein und als solches dargestellt zu werden“ von vornherein als einen ein-gestaltigen, eindimensionalen und ein-linearen Sachverhalt bzw. Zusammenschluß auf. Aber der Ganzheitscharakter der Wissenschaft ist alles andere als eine solche gleichsam „fertige“ und in sich abgerundete „Größe“. Aus dem Bemühen, ihn zu begreifen und darzustellen, entsteht nämlich die Frage, ob jene Gestalt, die er in der Enzyklopädie gewonnen hat, ihn angemessen darstellt. Daß die Enzyklopädie — genauer: die enzyklopädische Darstellung — an ihrem Ende über sich hinausweist, besagt nichts anderes, als daß auf diese Frage eine negative Antwort gegeben wird. Aber dann besagt das Über-sichhinausweisen der enzyklopädischen Darstellung gerade nicht, daß der von Hegel geforderte und hervorgehobene Ganzheitscharakter der Wissenschaft unberücksichtigt bleibt oder aufgegeben bzw. verneint wird, sondern es besagt genau das Gegenteil, nämlich die Erfüllung der Forderung nach einem wahreren Begriff, nach einer angemesseneren Darstellung des Ganzheitscharakters der systematischen Philosophie. Die in diesem letzten Abschnitt angestellten Überlegungen haben deutlich gezeigt, daß die Problematik der Darstellung des Systemganzen und die Problematik der Interpretation der Phänomenologie des Geistes um einen einzigen grundsätzlichen Sachverhalt kreisen: um den Sinn der Einheit der systematischen Philosophie Hegels. Erst auf der Grundlage der gewonnenen Einsichten ist es möglich, an eine unverkürzte buchstabierende Interpretation der drei Schlüsse heranzugehen. Diese wichtige Aufgabe überschreitet die Zielsetzung und die Möglichkeiten der vorliegenden Arbeit; hier ging es nur um eine Klärung der Grundlagen. Unerörtert blieb in dieser Untersuchung auch die Frage, wie jene Darstellung des Systemganzen zu konzipieren ist, die im dritten Schluß angedeutet und artikuliert ist; darauf wird in der Schlußbetrachtung noch kurz einzugehen sein.

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SCHLUSSBETRACHTUNG

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DIE EINHEIT DER SYSTEMATISCHEN PHILOSOPHIE HEGELS UND DAS PROBLEM DER ABGESCHLOSSENHEIT DES DENKENS Die vorliegende Arbeit versuchte, die Problematik der Einheit der systematischen Philosophie Hegels zu entfalten und zu einer grundsätzlichen Klärung zu führen. Aus der Herausarbeitung der allgemeinen Problematik unter den leitenden Stichworten „Darstellung“, „Methode“ und „Struktur“ (Untersuchung A) erwuchs die Aufgabe, die in der enzyklopädischen Darstellung ausgeführte Einheit des Systemganzen als das Problem des Verhältnisses von Logik und Realsystematik zu thematisieren (Untersuchung B). Das Ergebnis dieser Untersuchung war die Einsicht, daß Logik und Realsystematik eine ursprünglich-grundsätzliche Einheit bilden, insofern sich die Logik als die Methode und die Struktur des realsystematischen Ganzen und dieses sich als die Ausführung oder der Vollsinn des Logischen enthüllt. Die Frage, wie die Logik die Methode und die Struktur des Ganzen sein kann, wurde Schritt für Schritt als die Frage nach dem Aufbauprinzip der Wissenschaft der Logik herausgearbeitet. Die Erörterung dieser Frage führte zur zentralen These von der Elementarstruktur der Philosophie Hegels. In der Untersuchung C wurde der Sinn der Elementarstruktur als Transzendentalität — in einer genau präzisierten Bedeutung — und als gleichursprüngliche Entsprechungseinheit von Logik, Phänomenologie und Noologie aufgewiesen. Damit wurde die Problematik der Einheit der systematischen Philosophie Hegels auf die grundlegende Einsicht in die Elementarstruktur des Hegelschen Denkens zurückgeführt. Die letzte Untersuchung (D) wies die Bedeutung der Elementarstruktur für die Interpretation der Phänomenologie des Geistes auf und entfaltete auf dieser Basis erneut die Problematik der Darstellung des Systemganzen. Die Ausführungen über die Lehre von den drei Schlüssen am Ende der Enzyklopädie zeigten, daß Hegel drei Weisen oder Gestalten der Einheit des Systemganzen kennt und daß diesen drei Gestalten der Einheit drei Gestalten der Darstellung entsprechen. Es muß betont werden, daß die vorliegende Arbeit nur Untersuchungen vorlegen wollte. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß das hier Geleistete nicht als eine allseitige und vollständige Behandlung der Problematik der Einheit des Hegelschen Denkens verstanden werden kann. Diese

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Sdilußbetraditung

Untersuchungen haben keinen abschließenden Charakter; vielmehr ergibt sich aus ihnen die Notwendigkeit weiterer und detaillierterer Untersuchungen. Auf der Grundlage der aufgehellten wesentlichen Zusammenhänge des Hegelschen Denkens ist das Buchstabieren Hegels eine nicht nur mögliche, sondern auch notwendige Aufgabe. Erst das konkrete und detaillierte — eben das buchstabierende - Studium der Werke Hegels kann den vollen - hegelisch: „bewährten“ - Sinn der hier herausgestellten Elementarstruktur erweisen; andererseits kann die Erschließung der einzelnen Werke und jedes einzelnen Textes nur auf der methodisch geklärten Grundlage des elementarstrukturalen Verständnisses des Hegelschen Gesamtdenkens erfolgen. Es könnte scheinen, daß die Inangriffnahme der aufgezeigten Aufgabe nichts anderes erreichen kann als eine bloß historische Aufhellung eines längst vergangenen Systems. Eine solche Einschätzung der genannten Aufgabe ist jedoch ein Mißverständnis, denn sie verkennt die im Hegelschen Denken enthaltenen Möglichkeiten. Der Sinn dieser Aussage wird sich aus einer Schlußbetrachtung über die Einheit der systematischen Philosophie Hegels und die Problematik der Abgeschlossenheit seines Denkens ergeben. Wie in der Einleitung gezeigt wurde, lassen sich alle wesentlichen Einwände gegen das Denken Hegels im Ausdruck „Abgeschlossenheit des Denkens“ zusammenfassen. Besagt aber Einheit der systematischen Philosophie Hegels Abgeschlossenheit des Denkens? Auf Grund der Ausführungen dieser Arbeit ist es möglich, sowolil die Zweideutigkeit dieses Ausdrucks als auch die in ihm eingeschlossene Problematik abschließend aufzuzeigen. Das angeblich vollkommen in sich abgeschlossene Denken kann in einem dreifachen Sinn verstanden werden. Es kann — erstens — als reines Denken, als das Logische genommen werden. Die Abgeschlossenheit des so betrachteten Denkens würde besagen, daß das Logische völlig in sich abgekapselt, vollständig „autark“, ohne Bezug zur „Wirklichkeit“ wäre; es würde sich in sich entwickeln als in sich zurückgehender Kreis, in dem nichts anderes wird, als was schon von Anfang an vorausgesetzt ist. Nun hat diese Arbeit nachgewiesen, daß eine solche Deutung des Denkens als des Logischen ein Mißverständnis darstellt. Das Logische kann nämlich weder in seinem Ansatz noch in seiner Entfaltung, noch in seinem Sinn erfaßt werden, wenn es nicht als ursprünglich-grundsätzlich identisch mit dem Realsystematischen begriffen wird. Der Vorwurf der Abgeschlossenheit des Denkens — im Sinne des Logischen - verkennt die fundamentale Bedeutung und Tragweite der „Dimensionen“ des Geistes und überspringt damit die De-finition des Logischen. Beachtet man außerdem den Sinn der Elementarstruktur als der Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie, so ergibt sich, daß die Bedeutung der anscheinend so abstrakten und dürftigen logi-

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Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens

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sehen Kategorien und Denkbestimmungen nur auf der Grundlage ihrer Entsprechungseinheit mit der phänomenologischen und der noologischen Sphäre ermittelt werden kann. Dies besagt, daß z. B. die logischen Bestimmungen der Begriffssph'dre zwar, insofern sie logisch sind, sich als reine Bestimmungen darstellen, daß aber diese Reinheit nichts anderes bedeutet als die streng „für sich“ betrachtete Ausgelegfheit eines so konkreten und „wirklichen“ Sachverhaltes wie der Dialektik von Herr und Knecht, der Dialektik des anerkennenden Selbstbewußtseins usw. Die „Abgeschlossenheit des Denkens“ erhält eine zweite Bedeutung, wenn unter Denken nicht mehr das Logische, sondern das Systemganze („das Denken Hegels“) verstanden wird; es umfaßt dann sowohl das Logische als auch das Realsystematische. Die Abgeschlossenheit des Denkens würde hier besagen, daß das Denken reine „Theorie“ über die Wirklichkeit wäre, daß es daher von der „wirklichen“ - im Gegensatz zur nur „gedachten“ - Wirklichkeit getrennt bliebe, unvermögend, die „wirkliche“ Wirklichkeit zu beeinflussen und vor allem zu verändern. Dazu ist zunächst zu sagen, daß dieser Vorwurf, wenn überhaupt, nicht nur Hegel, sondern die Philosophie als solche treffen müßte, so daß nicht das Hegelsche Denken in spezieller oder gar ausschließlicher Weise als in sich abgeschlossen zu bezeichnen wäre. Von Hegel her aber wäre zu diesem Vorwurf grundsätzlich folgendes zu sagen: Der Vorwurf verkennt die Unterschiedenheit der „Dimensionen“ (Sphären); er fragt nicht nach dem Sinn von „Wirklichkeit“ und nach den Implikationen dieser Frage. Es ist aber leicht einzusehen, daß „Wirklichkeit“ — um es möglichst allgemein und unbelastet auszudrücken — ein komplexes „Geschehen“ ist, das viele „Seiten“, „Aspekte“ oder eben „Dimensionen“ aufweist. Die Auffassung, die diese Dimensionen nicht unterscheidet und berücksichtigt, ist halt-los, inhalt-los, sinn-los; denn sie begibt sich der Möglichkeit, zu wissen und zu prüfen, was sie sagt, was sie tut, was sie fordert. Das philosophische Denken ist „Theorie“, es fällt nicht in jeder Hinsicht (d. h. Dimension) mit der „Wirklichkeit“ zusammen, da es sich - als Denken - als eine der Dimensionen der „Wirklichkeit“ ausweist: es begreift sich als-die-Wirfe/ic/7^«r-begreifend; darin hat es seine Eigentümlichkeit und seine „Relativität“ zum Ganzen der Wirklichkeit, d. h. es ist es selbst, indem es sich von der „Wirklichkeit“ ab-hebt und diese Abhebung wieder aufhebt. Beachtet man diesen ursprünglichen Sinn - diese Eigentümlichkeit und diese Relativität - des Denkens nicht, so reduziert man es freilich auf eine sich selbst verkennende „reine Theorie“. Ob Hegel selbst eine solche Reduzierung vollzogen hat, wird sich aus den weiteren Ausführungen ergeben. Der Ausdruck „Abgeschlossenheit des Denkens“ kann noch in einer

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Schlußbetrachtung

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dritten - wohl der wichtigsten - Bedeutung genommen werden. Wie schon in der zweiten Bedeutung ist das Denken auch hier der Ausdruck der von Hegel ausgeführten und dargestellten Einheit von Logik und Realsystematik, nur wird jetzt dieses Denken anders gesehen und eingeschätzt, nämlich als der durchgeführte Versuch eines restlosen Begreifens der Wirklichkeit. Abgeschlossen wäre dieses Denken in dem Sinn, daß es buchstäblich zu seinem Ab-schluß, zu seinem Ende als zu seiner Vollendung gekommen wäre: es wäre der Ausdruck für die eingetretene oder erreichte absolute Vermittlung von Vernunft und Wirklichkeit. Wie allerdings diese allgemeinen Formulierungen näher zu verstehen sind, wird im Rahmen einer solchen Hegel-Sicht nur negativ beschrieben; es wird nur gesagt, was im angeblich in sich abgeschlossenen Denken aus-geschlossen wird: jede Offenheit für die Zukunft, jede wahrhaft geschichtliche Erfahrung, überhaupt das geschichtliche „Weitergehen“. Eine solche Interpretation - mag sie ausdrücklich vorgelegt oder in vielen Varianten vorausgesetzt werden^ — hat es nicht einmal mehr nötig, nachzuweisen, daß der angeblich „unwiderlegte Weltphilosoph“^ in Wirklichkeit schon längst widerlegt worden ist, denn es ist offenkundig, daß über diesen Hegel die Geschichte selbst ihr Urteil gesprochen hat. - Es ist aber äußerst fraglich, ob diese Interpretation das wahre Denken Hegels trifft. Aus den Ausführungen der vorliegenden Arbeit geht nämlich hervor, daß eine solche Hegel-Sicht der unbegriffenen äußeren Darstellungsgestalt des Hegelschen Denkens verhaftet bleibt. Es braucht hier kaum noch darauf hingewiesen zu werden, daß es ein grobes Mißverständnis wäre, wollte man den „aufsteigenden Gang“ der enzyklopädischen Darstellung des Systemganzen — aber auch der Phänomenologie des Geistes von 1807 — als einen ^ Sehr aufschlußreich für die Problematik der Hegel-Interpretation sind H.-G. Gadamers Formulierungen in seinem Buch: Wahrheit und Methode. 2. Aufl. Tübingen 1965. Er fragt: „Werden wir . .. nicht gezwungen, Hegel recht zu geben, und muß uns nicht doch die absolute Vermittlung von Geschichte und Wahrheit, wie sie Hegel denkt, als das Fundament der Hermeneutik erscheinen?“ (324). Und er antwortet: „Nach Hegel ist es ... notwendig, daß der Weg der Erfahrung des Bewußtseins [in der Phänomenologie des Geistes] ... zu einem Sichwissen führt, das überhaupt kein Anderes, Fremdes mehr außer sich hat. Für ihn ist die Vollendung der Erfahrung die ,Wissensdiaft‘, die Gewißheit seiner selbst im Wissen. Der Maßstab, unter dem er Erfahrung denkt, ist also der des Sichwissens. Daher muß die Dialektik der Erfahrung mit der Überwindung aller Erfahrung enden, die im absoluten Wissen, d. h. in der vollständigen Identität von Bewußtsein und Gegenstand erreicht ist. Wir werden von da aus begreifen können, warum die Anwendung, die Hegel auf die Geschichte macht, indem er sie im absoluten Selbstbewußtsein der Philosophie begriffen sieht, dem hermeneutischen Bewußtsein nicht gerecht wird. Das Wesen der Erfahrung wird hier von vornherein von dem her gedacht, worin Erfahrung überschritten wird. Denn Erfahrung selber kann nie Wissenschaft sein ...“ (337-338). ^ Diesen Titel gab C. L. Michelet seiner zum 100. Geburtstag Hegels verfaßten Jubelschrift (Leipzig 1870). Treffend nennt O. Pöggeler diese Schrift ein „Satyrspiel zur Tragödie der Hegelschen Philosophie* (Hegel-Studien 1 [1961], 257).

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Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens

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irgendwie „realen“ oder „historischen“ Prozeß auffassen. Schon daraus ergibt sich, daß das „Ende“, das „Resultat“, nämlich das Denken als das „bewährte“ Logische oder als das „Geistige“®, nicht als ein Ab-schluß im Sinn der hier kritisierten Interpretation verstanden werden kann. Es ist aber zuzugeben, daß die Darstellungsgestalt der Phänomenologie des Geistes und des enzyklopädischen Systemganzen auf ein Ende als auf einen zu erreichenden Höhepunkt ausgerichtet ist. Auf der Grundlage dieser Darstellungsgestalt ist es zumindest schwer, die Möglichkeit eines Weitergehens oder einer Offenheit des Denkens einzusehen. Verabsolutiert und fixiert man dazu noch diese Darstellungsgestalt(en) als die angemessene(n) und einzig mögliche(n), so gerät das Hegelsche Denken in die totale Zweideutigkeit. Genau dies hat sich in der Geschichte der Hegel-Interpretation ereignet; kein Wunder, daß das Schlagwort von der „Abgeschlossenheit des Denkens“ nicht nur aufkommen, sondern sich auch hartnäckig durchhalten konnte und weiterhin durchhalten kann. Nun hat sich in dieser Arbeit gezeigt, daß die Aufrollung der Darstellungsproblematik und die Herausarbeitung der Elementarstruktur zu einer anderen Interpretation und Einschätzung des Hegelschen Denkens führen. Begreift man nämlich den zweiten und dritten Schluß am Ende der Enzyklopädie als Andeutungen andersorientierter und -gestalteter „Gänge“ und diese wieder als andere DarstellungsgestaXten, so ist die Frage nach der Einheit und Abgeschlossenheit des Hegelschen Denkens unter einem ganz anderen Vorzeichen zu stellen und zu erörtern. Nachdem die falschen, einseitigen und unangemessenen Vorstellungen über die Problematik der Abgeschlossenheit des Denkens bei Hegel aufgeklärt wurden, ist es möglich, auf das eigentliche Problem einzugehen. Die in dieser Arbeit aufgezeigte Elementarstruktur - in ihren drei Dimensionen: Begriff (Idee), Vernunft, Geist - erwies sich als eine sich mit sich zusammenschließende Totalität von Momenten, Stufen oder Bestimmtheiten: der adäquate Begriff (die absolute Idee) ist die Einheit der theoretischen und der praktischen Idee, die „phänomenologische“ Vernunft die Einheit des Bewußtseins und des Selbstbewußtseins, der „noologische“ Geist die Einheit des theoretischen und des praktischen Geistes. Die Elementarstruktur stellt sich somit dar als die logische „Genesis des Begriffs“^, als die phänomenologische „Erhebung“^ zur Vernunft, als die noologische „Befreiung“^ des Geistes zu sich. Es wurde andererseits gezeigt, daß das Systemganze die durchgeführte Erweiterung dieser Elementarstruktur darstellt, und zwar so, daß Hegel in der Enzyklopädie aus der elementarstrukturalen Gleichursprünglichkeit von Logik, Phänomenologie und Noologie nicht den Angelä Vgl. Enz. § 574.

‘ WLII218.

® Enz. § 417.

» Enz. § 442 A.

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Sdilußbetraditung

punkt der Darstellung macht, sondern von der Dimension des Logischen ausgeht, zur Natur übergeht und das Hervorgehen des Geistes aus ihr aufzeigt. Es hat sich ebenfalls ergeben, daß diesem Gang der Darstellung „die äußerliche Form des Übergehens“'’ eignet, die zu einem „Ende“ oder „Resultat“ führt. Es erhebt sich nun die Frage, ob auf der Grundlage einer anderen Darstellung des Systemganzen noch von einer Abgeschlossenheit des Denkens die Rede sein kann. Bringt eine andere Darstellungsgestalt die Problematik der Abgeschlossenheit des Denkens zum Verschwinden? Der eigentliche Problemkern liegt in folgendem: jede andere Darstellungsgestalt des Systemganzen kann nur als eine - verschieden gestaltete - Erweiterung der Elementarstruktur begriffen werden; nun scheint die Abgeschlossenheit der Elementarstruktur selbst eigen zu sein, denn Hegel begreift den Begriff, die Vernunft und den Geist als sich mit sich zusammenschließende, zu sich kommende Totalitäten. Ist also aus der These von der fundamentalen Bedeutung der Elementarstruktur für das Hegelsche Denken nicht zu folgern, daß die Abgeschlossenheit in diesem Denken selbst unverrückbar angelegt ist, so daß ihm jedes wirkliche „Weitergehen“ - nenne man es geschichtliche Erfahrung, tieferes Begreifen der Wirklichkeit, Spielraum von Freiheit oder wie immer — radikal abzusprechen ist? Wird die Elementarstruktur als die „Elementartotalität“ dahingehend interpretiert, daß ihre letzte Stufe oder ihr Resultat - Begriff (Idee), Vernunft, Geist - nur als die Summe oder äußerliche Synthese der vorausgehenden Stufen, Momente oder Bestimmtheiten aufgefaßt wird, so ist in der Tat zu sagen, daß das Erreichen des Letzten, des Resultats einen Ab-schluß besagt; denn in diesem Fall wäre die Totalität schlechthin identisch mit dem Durchlaufen der Stufen des Weges; das „Sich“ (Selbst) im Zu-sicÄ-Kommen wäre in jeder Hinsicht erreicht und damit auch im Angekommen-sein ausgeschöpft; jede Bewegung wäre zum Stillstand, eben zum Abschluß gekommen. Wollte man aber sagen, daß das Zu-sfcÄ-Kommen keinen Stillstand bzw. Abschluß der Bewegung bedeutet, da man es als eine zirkuläre Bewegung auffassen könnte bzw. müßte, so wäre zu bedenken, daß gerade dies die Formel der endgültig etablierten Abgeschlossenheit darstellen würde, denn diese zirkuläre Bewegung wäre nichts anderes als die ständige Wiederkehr des Gleichen, d. h. der Aus-schluß des wirklichen Weitergehens, des Neuen. Wie faßt aber Hegel selbst die Elementarstruktur als Elementartotalität auf? Hegel bezeichnet durchgehend das Resultat als das wiederhergestellte Unmittelbare, das Letzte als das den Stufen „Zugrundeliegende“, als „deren 7 Enz. § 575.

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Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens

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ursprüngliche Einheit und Wahrheit“®. Indem das Selbst sich als die ursprüngliche Einheit oder Wahrheit der Stufen erweist, indem es sich durch diese Stufen (Momente, Bestimmtheiten) vermittelt, ist es mehr als die bloße Summe oder äußerliche Synthese der Stufen. Hegel behauptet unzweideutig, daß das Selbst sich notwendigerweise durch die Momente vermitteln muß, aber als „die ursprüngliche Sache“®. Wie begreift er aber des näheren diese Ursprünglichkeit? Jedenfalls ist es für ihn undenkbar, daß die Ursprünglichkeit unabhängig von der Vermittlung begriffen werden kann; denn sonst würde es sich um eine unbestimmte Ursprünglichkeit handeln und damit um gar keine. Vermittlung besagt nämlich Bestimmtheit: „. .. die Vermittlung liegt im Ausdrucke ,Bestimmtheit‘, die nichts anders ist als dieses.“^® Wie aber begreift Hegel das Verhältnis von Ursprünglichkeit und Vermittlung bzw. Bestimmtheit? Ist so etwas wie ein Überschuß, ein Spielraum von Bestimmungsmöglichkeiten im Selbst, in der „ursprünglichen Sache“ denkbar? Gestaltet sich die „ursprüngliche Sache“ selbst schöpferisch? Ist Offenheit, Geschichte, das Neue in der „ursprünglichen Sache“ selbst angelegt? Anders gefragt: Begreift Hegel das Eigene der „ursprünglichen Sache“? Deutet er sie positiv als Ursprünglichkeit und in ihrer Ursprünglichkeit? Dies kann auf der Grundlage der von Hegel vorgelegten Darstellung seines Denkens nicht gesagt werden; jedenfalls hat Hegel die von ihm behauptete „ursprüngliche Sache“ als solche und in ihrer Eigenheit nicht ausgeführt und dargestellt. Dies sei kurz und abschließend gezeigt. Elementarstruktural gesehen heißt die „ursprüngliche Sache“ „Begriff“, „Vernunft“, „Geist“, „Freiheit“ u. dgl. Daß Hegel diese Elementartotalitäten nicht ursprünglich-positiv begreift, wird an einem der für das Verständnis des Hegelschen Denkens aufschlußreichsten „Wendungspunkte“^^ ersichtlich, nämlich an der Erhebung der phänomenologischen Stufen zur Vernunft. „Die Vernunft, der Begriff des Geistes“^® enthüllt sich als die ursprüngliche Einheit und Wahrheit des Bewußtseins und Selbstbewußtseins bzw. ihrer jeweiligen Stufen. Diese ursprüngliche Einheit ist dann gegeben, wenn die vollkommene Entsprechung zwischen Begriff und Gegenstand erreicht ist, d. h. wenn das Andere des Ich sich nicht mehr als Gegen-stand als einseitiges Anderes —, sondern ebenfalls als Ich, als anderes Ich zeigt: die Vernunft, der Begriff des Geistes ist erreicht, wenn „ein Selbstbewußtsein für ein Selbstbewußtsein“*® ist, wenn ein Selbstbewußtsein „sich nicht vom Andern unterscheidet. Allgemeines und objektiv ist und die reelle Allgemeinheit als Gegenseitigkeit so hat, als es im freien Andern sich anerkannt 8 En. § 417 Zusatz (Werke. Bd 7/2. 257). Briefe II 215. *8 Enz. § 417; vgl. Phän. 140.

» WL II 219. “ Vgl. Phän. 140. Phän. 140.

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Sdilußbetraditung

weiß und dies weiß, insofern es das Andere anerkennt und es frei weiß“^*. Hegel artikuliert in ausgezeichneter Weise die „ursprüngliche Sache“ — aber nur als Resultat; er begreift sie nicht als solche, positiv, was sich daran zeigt, daß er keine weiteren Aussagen über diese Sache macht: er entwickelt keine „Kategorien“ oder logischen Bestimmungen, die diese Sache angemessen zur Sprache bringen könnten, also Kategorien oder Bestimmungen der Intersubjektivität, des positiven Verhältnisses der Freiheiten zueinander, kurz Kategorien oder Bestimmungen der „Positivität“ oder Eigenheit der Vernunft, des Geistes, der Freiheit. Es ist bezeichnend, daß Hegels „ursprünglichste“ Aussage über die „ursprüngliche Sache“ sich in der Formulierung erschöpft: „Es ist ein Selbstbewußtsein für ein Selbstbewußtsein“^^-, oder: „Der Geist ist für den Geist .. u. ä. Ebenso aufschlußreich ist die Weise, in der Hegel eine der großen Schaltstellen („Wendungspunkte“) seiner Philosophie, nämlich den Übergang der Elementarstruktur — des Begriffs des Geistes — zu den weiteren Teilen der Philosophie, begreift und darstellt. Er schreibt: „Was für das Bewußtsein weiter wird, ist die Erfahrung, was der Geist ist, diese absolute Substanz, welche in der vollkommenen Freiheit und Selbständigkeit ihres Gegensatzes, nämlich verschiedener für sich seiender Selbstbewußtsein[e], die Einheit derselben ist: Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist.“^^ In diesem Satz ist unzweideutig jener „Überschuß“, jenes Schöpferische, jenes Spielfeld von Bestimmungsmöglichkeiten ausgedrückt, das die Eigenheit der „ursprünglichen Sache“ ausmacht. Aber dies wird von Hegel nicht positiv entfaltet. Das „ist“ in der Formulierung „die Erfahrung, was der Geist ist“ besagt in Wirklichkeit nur das Gewordensein, das Resultat des Prozesses des Zu-sich-Kommens: das „ist“ ist vergangeriheitsbezogen. Hinsichtlich der Darstellung zeigt sich dies daran, daß Hegel in der Phänomenologie des Geistes von 1807, statt die Vernunft und den Geist schon auf der elementarstrukturalen Ebene positiv zu entfalten, sofort zu den weiteren „Gegenständen eigentümlicher Teile der philosophischen Wissenschaft“^® übergeht. „Die Erfahrung, was der Geist ist“, wird dargestellt als die Erfahrung des Weges oder Werdens des Geistes bis zum Jetzt. Die angeschnittene Problematik um die „ursprüngliche Sache“ läßt sich am angemessensten auf die Formel bringen: Als was und wie ist Freiheit positiv zu begreifen? „Freiheit“ ist nämlich das tiefste Wort, das Hegel zur Bezeichnung der „ursprünglichen Sache“ - des Begriffs, der Vernunft, des Geistes — verwendet^®. Zwar ist es unbestreitbar, daß Hegel Freiheit nicht Enz. § 436. ** Phän. 140. Rel. IV 36. Phän. 140 (eckige Klammern von Hoffmeister; erste Hervorhebung von mir). »8 Vgl. Enz. § 25 A. « Vgl. z. B. Enz. §§ 159, 160, 382; \VL II 218 u. ö.

Das Problem der Abgeschlossenheit des Denkens

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nur abstrakt, nicht nur negativ^®, nicht nur als Befreiung, sondern als wirkliche Freiheit, als Affirmation begreifen will. Aber dieser Sachverhalt bleibt bei ihm unausgetragen und unausgeführt. Zwei bedeutsame Stellen seien angeführt, in denen diese Problematik sehr klar zum Vorschein kommt. Den elementarstrukturalen Übergang von der Sphäre des Wesens zur Sphäre des Begriffs begreift Hegel als Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit. Er deutet diesen Übergang als „die Befreiung, welche nicht die Flucht der Abstraktion ist, sondern in dem andern Wirklichen, mit dem das Wirkliche durch die Macht der Notwendigkeit zusammengebunden ist, sich nicht als anderes, sondern sein eigenes Sein und Setzen zu haben. Als für sich existierend heißt diese Befreiung Ich, als zu ihrer Totalität entwickelt freier Geist, als Empfindung Liebe, als Genuß Seligkeit. — Die große Anschauung der Spinozistischen Substanz ist nur an sich die Befreiung von endlichem Fürsichsein; aber der Begriff selbst ist für sich die Macht der Notwendigkeit und die wirkliche Freiheit.„Befreiung“ und „wirkliche Freiheit“ bleiben hier noch irgendwie nebeneinander stehen. — Der zweite Text ist ein flüchtiger Hinweis Hegels auf die Freiheit im Rahmen der Darstellung der logischen Kategorie des Nichts: „Die höchste Form des Nichts für sich wäre die Freiheit, aber sie ist die Negativität, insofern sie sich zur höchsten Intensität in sich vertieft und selbst, und zwar absolute, Affirmation ist.“^^ Befreiung und wirkliche Freiheit, Negativität und höchste Intensität in sich bzw. absolute Affirmation: hat Hegel dieses Verhältnis - das Verhältnis von Vermittlung und ürsprünglichkeit - durchdacht und zur Darstellung gebracht? In einem bestimmten Sinn ist dies zu verneinen, denn Hegel hat das positive Wesen der Freiheit nicht ausgeführt und dargestellt^®. Gleichwohl muß ge2» Vgl. GPhR § 5 A. 21 EI,2. § 159 A. 22 Enz. § 87 A. Bei seinem Versuch, Fichtes „ursprüngliche Einsicht“ herauszuarbeiten, kommt D. Henrich zu folgendem Ergebnis: „Man muß . . . bedauern, daß in der Wirkungsgeschichte des Idealismus Fichtes Einsicht ohne Folgen blieb. Wirksam ist Hegels Denken geworden. Gegen es hätte Fichte zweierlei einzuwenden gehabt: Hegel denkt die Einheit der Gegensätze nur dialektisch, also aus ihrem Resultat. Das Phänomen des Ich verlangt aber, sie als ursprüngliche Einheit zu fassen. Des weiteren denkt er die Einheit von Wirklichkeit und Freiheit nur als Verwirklichung der Freiheit, somit wiederum nicht als ursprüngliche Einheit der beiden. Jede Entwicklung von Gegensätzen geschieht im Raume ihrer Einheit, der ihre Bewegung erst möglich macht. Und Freiheit ist schon in sich als wirkliche Freiheit zu denken“ (D. Henrich: Fichtes ursprüngliche Einsicht. Frankfurt/M. 1967. 50 [Hervorhebung im letzten Satz von Henrich, sonst von mir]). Es soll hier dahingestellt bleiben, ob diese „Einsicht“ wirklich die Fichtes ist. Was Hegel angeht, so ist zu bemerken, daß das Ergebnis der vorliegenden Arbeit zwar materialiter mit der erwähnten „Einsicht“ zusammenfällt, daß dieses Ergebnis aber hier einen ganz anderen methodischen Stellenwert besitzt. Dies zu bemerken ist deshalb von fundamentaler Bedeutung, weil sich hier - wie die weiteren Ausführungen zeigen werden - die Frage aufdrängt, ob die Freiheit als „ursprüngliche Einheit“ überhaupt gedacht werden kann, ohne daß sie zuvor (oder in einem damit) als Resultat und als Verwirklichung erfaßt und dargestellt wird. Anders gesprochen: kann

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Schlußbetrachtung

sagt werden, daß diese positive Ausführung und Darstellung in der Möglichkeit und in der Konsequenz seines Denkens liegt. Dies geht daraus hervor, daß Hegel am Ende der Enzyklopädie die „Positivität“ und Ursprünglichkeit der Freiheit andeutend artikuliert. Darauf ist noch abschließend einzugehen. Hegel spricht ausdrücklich von der „Freiheit des Ganzen“^^. Die Weise, in der die Freiheit begriffen und dargestellt wird, ist die Weise oder Gestalt des Ganzen selbst; denn in der „Freiheit des Ganzen“ ist impliziert, daß alle „Momente“ oder „Vereinzelten“^® (oder auch einfach „Einzelnen“®®) Freiheitscharakter tragen, in der Bestimmung der Freiheit sind oder auch in der Perspektive der Freiheit betrachtet werden. Nun ist in der Lehre von den drei Schlüssen in bezeichnender Weise von der Freiheit die Rede. Der erste Schluß, der nach der in dieser Arbeit herausgearbeiteten Deutung die enzyklopädische Darstellungsgestalt des Systemganzen artikuliert, wird folgendermaßen charakterisiert: „. .. die Vermittlung des Begriffs hat [im ersten Schluß] die äußerliche Form des Übergehens, und die Wissenschaft die des Ganges der Notwendigkeit, so daß nur in dem einen Extreme die Freiheit des Begriffs als sein Zusammenschließen mit sich selbst gesetzt ist.“®^ Wie immer man diesen Text im einzelnen deuten mag, das eine leuchtet jedenfalls ein: hier wird gesagt, daß in diesem Zusammen-Schluß des Ganzen die Freiheit nicht adäquat begriffen und dargestellt wird; daß sie nämlich nur in dem einen Extrem gesetzt ist, besagt, daß sie als einseitig, als dem Ganzen und somit auch den Einzelnen — äußerlich angesehen wird. Mit „dem einen Extrem“ ist das Resultat des enzyklopädischen Ganges gemeint; die Freiheit besagt hier das Sich-zu-sich-erhoben-/7i?^en, das Zu-sich-gekommen-sein des Gedankens (den Hegel hier „Begriff der Philosophie“, „sich denkende Idee“, das Logische als „bewährte Allgemeinheit“ nennt®®). Eine detaillierte Interpretation hätte zu zeigen, daß dieses „Extrem“ zum erstenmal — nämlich in elementarstrukturaler Hinsicht - nicht erst am Ende der Enzyklopädie, sondern schon am Ende der Dialektik der phänomenologischen und der noologischen Sphäre auftritt®®. Daß dies in der enzyklopädischen Darstellung nicht vermerkt wird - jedenfalls nicht in einer der Bedeutung und Tragweite dieses Sachverhalts entsprechenden Weise —, zeigt gerade, daß die transzendentale Sonderstellung dieser beiden Sphären im enzyklopädischen Gang des Systems nicht beachtet wird (bzw. nicht beachtet werden kann). Freiheit im Sinn des dritten Schlusses begriffen werden, wenn sie nicht zuvor (oder in einem, damit) in der Perspektive des ersten und zweiten Schlusses artikuliert wird? Enz. § 14. Vgl. Enz. § 193. Vgl. Enz. § 213 A. Vgl. oben 76. Enz. § 575 (Hervorhebung von mir). 28 Vgl. Enz. § 574. 29 Vgl. oben 180 ff.

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Dem ersten Schluß gemäß erscheint somit die Freiheit nur als abstrakter Gedanke. Vom zweiten Schluß, der die phänomenologische Darstellung des Systemganzen artikuliert, heißt es: „Es ist der Schluß der geistigen Reflexion in der Idee; die Wissenschaft erscheint als ein subjektives Erkennen, dessen Zweck die Freiheit und es selbst der Weg ist, sich dieselbe hervorzubringen."'^^ Hier erscheint die Freiheit nicht mehr bloß als das eine Extrem, als dem Ganzen und den Einzelnen äußerlich, sondern als Zweck, also als im Ganzen und in den Einzelnen schon gegenwärtig und wirksam-, zunächst aber hat diese Gegenwart nur die Bedeutung der Hervorbringung, des Prozesses der Verwirklichung der Freiheit. In der Gestalt des ersten Zusammen-Schlusses tritt die Freiheit am Ende hervor, während sie in der Gestalt des zweiten Zusammen-Schlusses aktiv hervorgebracht wird. In der Formulierung des dritten Schlusses kommt der Terminus „Freiheit“ nicht vor, aber es ist klar, daß die Freiheit gemeint ist, wenn es heißt, daß die sich wissende Vernunft jetzt die Mitte des Zusammen-Schlusses ausmacht, daß Natur und Geist „ihre .. . Manifestationen“ sind, „daß die Natur der Sache, der Begriff, es ist, die sich fortbewegt und entwickelt“®^. Die Freiheit als Selbst-Manifestation ist die eigentlich konkrete und bestimmte Freiheit, denn Hegel sagt ausdrücklich: „Die Bestimmtheit des Geistes ist. . . die Manifestation. Er ist nicht irgend eine Bestimmtheit oder Inhalt, dessen Äußerung und Äußerlichkeit nur davon unterschiedene Form wäre; so daß er nicht Etwas offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses Offenbaren selbst.“®® Die Freiheit-als-Manifestation ist die angemessen begriffene Freiheit. Wie ist nun die Gestalt des Systemganzen zu konzipieren, wenn die Freiheit - als die Mitte des Systemganzen - nicht (nur) als abstrakter Gedanke, nicht (nur) als Prozeß der Hervorbringung, sondern als Manifestation begriffen und dargestellt wird? Die Erörterung dieser Frage dürfte als die wichtigste Aufgabe einer wahrhaft schöpferischen Hegel-Interpretation angesehen werden. Dazu noch ein abschließender Hinweis. Erst wenn die Freiheit die Mitte des Zusammen-Schlusses des Ganzen bildet, kann die Problematik der Abgeschlossenheit des Denkens endgültig gelöst und der wahre Sinn der Einheit der systematischen Philosophie Hegels ermittelt werden; denn die Freiheit-als-Manifestation kann geradezu definiert werden als der Aus-Schluß jedes Ab-Schlusses. Manifestation ist zwar „Bewegung“, nicht aber als Über-gang von einem zum anderen und somit als „Gang“ zu einem Ende, eben zu einem Abschluß®®. Den Sinn von Manifestation drückt Enz. § 576 (letzte Hervorhebung von mir). Enz. 5 577. Enz. § 383. “ Wenn es in der zitierten Formulierung des dritten Schlusses heißt, „daß die Natur der Sache, der Begriff, es ist, die sich forthewegt und entwickelt", so ist auf die genaue Bedeu-

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Sdilußbetrachtung

Hegel folgendermaßen aus: „Das Wirkliche ist ... Manifestation; es wird durch seine Äußerlichkeit nicht in die Sphäre der Veränderung gezogen, noch ist es Scheinen seiner in einem Andern, sondern es manifestiert sich; d. h. es ist in seiner Äußerlichkeit es selbst, und ist nur in ihr, nämlich nur als sich von sich unterscheidende und bestimmende Bewegung, es selbst.“^* Freilich ist in diesen Formulierungen wieder die Gefahr eingeschlossen, daß sie die Freiheit nur abstrakt zur Sprache bringen, insofern sie die Vermittlung zu ignorieren scheinen. Doch dies ist bei Hegel selbst nicht der Fall, denn die Freiheit-als-Manifestation wird im dritten Schluß ausgesprochen, dieser aber kann nicht isoliert von den beiden ersten Schlüssen begriffen werden; vielmehr bilden die drei Schlüsse einen einzigen Ur-Schluß. Demnach liegt die eigentliche Problematik bzw. Aufgabe in folgendem: es müßte gezeigt werden, wie die Freiheit-als-Manifestation, d. h. als die eigentlich bestimmte Freiheit, sowohl die Freiheit-als-Extrem (= als abstrakter Gedanke) als auch die Freiheit-als-Prozeß in sich enthält. Genau in diesem Sachverhalt liegt auch die Problematik bzw. die Aufgabe der Darstellung des Systemganzen: es wäre zu zeigen, wie die eigentlich angemessene, d. h. die dem dritten Schluß entsprechende Darstellungsgestalt die „enzyklopädische" und die „phänomenologische“ Darstellungsgestalt aufhebt, damit aber auch in sich enthält. Die vorliegende Arbeit wollte die Grundlagen für das Verständnis und die Inangriffnahme dieser Aufgabe freilegen. Die aufgezeigte Aufgabe einer wahrhaft schöpferischen Hegel-Interpretation erweist sich am Ende dieser Untersuchungen als die Aufgabe der Philosophie selbst, wie sie von Hegel in der Anmerkung zu § 384 der Enzyklopädie formuliert wird: „Dies [den Geist] ... in seinem eigenen Elemente, dem Begriffe, zu fassen, ist die Aufgabe der Philosophie, welche so lange nicht wahrhaft und immanent gelöst ist, als der Begriff und die Freiheit nicht ihr Gegenstand und ihre Seele ist.“

tung der Ausdrücke „Fortbewegung“ und „Entwicklung“ bei Hegel zu achten. „Fortbewegung“ ist gleichzusetzen mit dem Terminus „Fortgang“ („Fortgehen“), den Hegel im allgemeinen zur Bezeichnung der „Tätigkeit“ oder der „Dialektik“ des Begriffs in allen Sphären verwendet (also auch in der Sphäre des Seins und des Wesens). Der Terminus „Entwicklung“ hingegen drückt bei Hegel das Eigentümliche des Begriffs in der Sphäre des Begriffs, des Begriffs als Begriff - also als des Freien - aus. Die „Entwicklung“ ist somit sowohl vom „Übergehen“ (= Fortgang in der Sphäre des Seins) als auch vom „Scheinen in dem Entgegengesetzten“ (Enz. § 240) oder von der „Reflexion“ (= Fortgang in der Sphäre des Wesens) streng zu unterscheiden (vgl. Enz. §§ 161, 240 u. ö. [vgl. diese Arbeit, oben 189 f]). Werden diese Zusammenhänge nicht beachtet, so können der eigentliche Sinn und die ganze Tragweite der im laufenden Text anschließend angeführten Stelle über die Manifestation nicht begriffen werden. WL II 170.

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LITERATURVERZEICHNIS I. "Werke G. W. F. Hegels

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Werke

Vollständige Ausgabe durdi einen Verein von Freunden des Verewigten. Berlin 1832-1845. Dok. Dokumente zu Hegels Entwicklung. Hrsg, von J. Hoffmeister. Stuttgart 1936. Theologische Jugendschriften. Hrsg, von H. Nohl. Tübingen 1907 (Nachdruck Frankfurt/M. 1966). Schriften zur Politik und Rechtsphilosophie. Hrsg, von G. Lasson. Leipzig 1913. LMN Jenenser Logik, Metaphysik und Naturphilosophie. Hrsg, von G. Lasson. Leipzig 1923 (Nachdruck Hamburg 1967). Realph. I, II Jenenser Realphilosophie I-II. Hrsg, von J. Hoffmeister. Leipzig 1931/1932 (Nachdruck des zweiten Bandes unter dem Titel: Jenaer Realphilosophie. Hamburg 1967). Phän. Phänomenologie des Geistes. Hrsg, von J. Hoffmeister. 6. Aufl. Hamburg 1952. NSchr. Nürnberger Schriften. Hrsg, von J. Hoffmeister. Leipzig 1938. WL I, II Wissenschaft der Logik. 2 Bde. Hrsg, von G. Lasson. 2. Aufl. Leipzig 1934 (Nachdruck Hamburg 1963). HEnz. Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. 1. Ausgabe Heidelberg 1817 (A = Anmerkung). Enz. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (3. Originalausgabe 1830). Neu hrsg. von F. Nicolin und O. Pögge1er. 6. Aufl. Hamburg 1959 (A = Anmerkung). GPhR Grundlinien der Philosophie des Rechts. Hrsg, von J. Hoffmeister. 4. Aufl. Hamburg 1955. Rel. Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Hrsg, von G. Lasson. Leipzig 1925/1929 (Nachdruck Hamburg 1966). 4 Bde: I Begriff der Religion II Die Naturreligion III Die Religionen der geistigen Individualität IV Die absolute Religion (Ms = Hegels eigenhändiges Manuskript) Beweise Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes. Hrsg, von G. Lasson. Leipzig 1930 (Nachdruck Hamburg 1966). VG Die Vernunft in der Geschichte. Hrsg, von J. Hoffmeister. 5. Aufl. Hamburg 1955. Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte. Hrsg, von G. Lasson. Bd. II-IV. 2. Aufl. Leipzig 1923 (Nachdruck Hamburg 1968). EGPh Einleitung in die Geschichte der Philosophie. Hrsg, von J. Hoffmeister. 3. Aufl. Hamburg 1959. BSchr. Berliner Schriften 1818-1831. Hrsg, von J. Hoffmeister. Hamburg 1956. Briefe I-IV Briefe von und an Hegel. Bd I-III hrsg. von J. Hoffmeister. Hamburg 1951/1954. Bd IV hrsg. von R. Flechsig. Hamburg 1961.

348 GW —

Literaturverzeichnis Gesammelte Werke. Hrsg, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Bd 4: Jenaer kritische Sdiriften. Hrsg, von H. Büchner und O. Pöggeler. Hamburg 1968. Unveröffentlichte Diktate aus einer Enzyklopädie-Vorlesung Hegels. Eingel. und hrsg. von F. Nicolin. - In: Hegel-Studien 5 (1969), 9-30.

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SACHREGISTER

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Abgeschlossenheit 18, 32, 335-346 Absolute, das 16f., 65, 72-77, 90f., 130ff., 142, 244f., 253 Absolutheit 261f., 313 Affirmation 343 Analogie 79 Anderes 202, 235 Anfang 38, 178, 231ff., 235, 240ff., 309, 318, 332 Anschauung 38, 131f., 136,155,160f., 164f., 167f., 183ff., 187, 193ff., 199, 221, 249, 252 Ansidi 288-291,294 Anthropologie 148 Anwendung 64, 81f., 114f., 259, 263 Ästhetik 95 Befreiung 339 Begreifen 248—251 Begriff 43ff., 53f., 58, 74, 76, 95,100, 103, 106, llOf., 114f„ 119-126, 133f., 136ff., 142, 156, 158f., 162, 170, 175ff., 179-184, 188ff., 193ff., 199-223, 227f., 232, 249f„ 254-257, 264f., 287, 293f., 317, 319, 339ff., 346 -, ganzer 205f., 210, 225 -, Struktur 202f., 215 Bestimmtheit 239, 241, 252, 341, 345 Beweis 112 Bewußtsein 30, 98f., 131f., 137f., 147fF., 150, 163ff., 166, 169-175, 200, 203, 210, 220, 277, 280ff., 286290, 294f., 302, 304f„ 309, 311, 314ff., 339, 341 -, Standpunkt 50f. -, unwahres 312 Darstellung 24f., 27, 29-47, 59, 97f., 109, 139, 141, 143, 163f„ 219, 231,

247, 280, 283ff., 308-333, 338ff., 346 Deduktion 247f., 250-258, 296 Denken 131f., 148, 164, 167f., 174f., 177, 183-197, 218, 220, 237f., 248251, 265, 275f., 301ff., 318, 335-346 -, anschauendes 193 -, reflektierendes 196, 199, 222, 234 -, reines 179, 183, 185, 264, 281f., 336 —, vernünftiges 200—223 -, vorstellendes 196, 222, 234 Dialektik s. Methode Differenz 75ff., 233 Einheit 23f., 26, 42ff., 60, lOOf., 109, 333, 335-346 Einleitung 274, 310, 312ff., 316 Element 145, 177, 185f., 190f„ 251f. Elementarstruktur 21, 26, 98f., 145265, 267, 270, 272, 279ff., 284, 302, 305, 307f., 324, 332, 335f., 339f. Empirie, empirisch 251-259 Empirismus 198,200 Endlichkeit 75f. Entsprechung 118-144, 165-223, 289, 303, 335 Entwicklung 76, 190, 264, 345f. Erfahrung 16f., 248-251, 276, 287293, 301, 308 Erhebung 274, 339 Erkennen 214f. —, absolutes 220 -, analytisches 220—223 -, endliches 220, 232f. -, synthetisches 220,222f. Ersdieinung 151f., 165, 272, 309ff., 330 Erweiterung 53, 133f., 136, 235,

354 238-242, 247, 253, 279, 281, 284f., 339

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Form-Inhalt (Gehalt) 53-57, 72, 82, 91f., 116f., 122, 129, 186-190, 221, 224-227 Fortgang 243ff., 346 Freiheit 45, 74, 77, 96, 98, 156, 168, 199, 216f., 341-346 Ganze, das 17, 22, 24, 26, 41ff., 46^ 60, 71-77, 80-84, 88-93, 98, lOOf., 107, 127, 130, 136, 141, 143, 150f„ 177, 179ff., 207, 219, 251, 269, 272, 280, 283, 285, 302, 307, 320f., 324, 332f., 339f., 345f. Gedanke 183, 192f. Gegenläufigkeit 202f., 243ff. Gegensatz 175ff., 259ff., 262 Gegenstand 153f., 172f., 175, 258, 286f., 291-296, 303-308, 341 Gegenständlidikeit 292f., 305f. Geist 17, 60, 71, 76, 79, 98, lOOf., 120, 122, 132, 137, 140-143, 149f., 156, 159, 163f., 174, 177-180, 211, 218ff., 230, 238, 275, 278, 280, 298, 324, 339-342, 346 -, absoluter 17,126, 131, 133, 321 -, freier 166, 168, 223, 243 —, objektiver 99, 126, 133, 307 —, praktischer 166£f., 172f., 200f., 210f„ 220 —, subjektiver 99, 126, 131f., 147f., 180, 192, 307 -, theoretischer 166ff., 172f., 200f., 210f., 220 Geschichte 19, 83, 90-101, 107, 127, 257, 330, 338 Geschichtlichkeit 102, 106f. Gestalt 58,98 Gestaltung 96f., lOOf., 120, 227, 314 Gewißheit 169 Gleichursprünglihkeit 135-144 Gott 75ff„ 102, 105ff., 109-117, 258 Grund 57, 109f., 244f. Hegelianismus 13 Horizontale 126f.

Ich 148, 150ff, 200f, 206, 277, 343 Idee 52, 76, 97, 119f., 123, 125, 212223, 230, 274, 310, 314, 316, 339 -, absolute 58, 125, 203, 216, 223244 - des Guten 203, 215ff., 220, 223, 239, 243f. - des Wahren 203, 215ff., 220, 223, 239, 243f. -, logische 57, 84, 116f., 122 -, praktische 215-218, 223, 243f., 339 -, theoretische 215ff., 223, 243f., 339 -, Übergang zur Natur 83, 119, 332 Identität 75f„ 259-264 Individuum 99 Intersubjektivität 342 Kategorie 258 Kritik 66f„ 73f., 78f., 274, 299, 318ff., 322, 332 Kunst 93 Leben 121-125, 133, 212ff. Linkshegelianer 13f. Logik (das Logische) 26, 30f., 37ff., 47-60, 61-144, 145-265, 273-276, 278ff„ 330, 336, 339 -, Autarkie der 61ff., 129, 178 Manifestation 86, 345f. Maßstab 286f., 291, 294 Metaphysik 19, 63-71, 107, 109f., 196-200, 218, 247f.,279f. Methode 24, 26, 37, 47-60, 97, 119, 179, 224-258, 303-308, 335 -, absolute 223, 240 -, analytische 223, 233 -, dialektische 14f., 173, 192, 238 -, phänomenologische 285-303 -, synthetische 223, 233 Moment 160f., 325 Natur 14, 100, 122, 137, 156, 212, 258, 307 Naturphilosophie 100, 122 Negation 17, 112, 162, 202, 232ff. —, bestimmte 236ff., 293-296 Negativität 17, 191, 235, 343

355 Noologie 125, 132-265, 275f. Notwendigkeit 37, 45, 255f., 343f. Objekt 151ff., 169ff., 211, 228 Objektivität 197, 207-212 Ontologie 25, 109 Ontologischer Gottesbeweis 73, 109117 Ontotheologik 14, 107, 109 Panlogismus 71 Phänomenologie 125, 132—265, 267333 Philosophie 219, 317 -, Aufgabe der 346 Positivismus 297 Positivität 234-239, 342, 344 Prädikat 65f., 69f., 113 Präposition 105f. Praxis 14,16,173,203,239,244 Psychologie 125, 147f., 275f. Psychologismus 139f., 275f.

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Quadruplizität

231, 235

Realität 112,202-206,208 Rechtshegelianer 13f. Reflexion (Reflexionsbestimmung) 38f., 46, 55f., 75f„ 86, 110, 137, 182f, 187, 196, 199, 204, 210, 222f, 245, 319, 345f. Religiot! 93ff., 98, 258 Resultat 241, 294, 318, 340, 343 Rüdigang 243fF. Satz 39, 47, 64f„ 69 -, spekulativer 32ff., 65f., 328 Scheinen 75, 190, 264, 346 Schluß 206,210 -, „drei Schlüsse“ 40, 45ff., 322-333 Schöpfung 106 Sein 43f., 72-75, 77, 79, 83, 87ff., 94, 106f., 109ff., 114, 119ff., 123126, 136ff., 140, 174ff., 181ff., 186, 188ff., 192, 195, 198-202, 204, 208, 210, 213, 220ff., 232, 249, 251f., 264, 346

Selbst 170, 172f„ 178, 202f., 206f., 210,217, 244, 340f. Selbstbewußtsein 30,98f., 131f., 164f., 166, 169-173, 200f., 203, 206, 210, 218, 220, 223, 271, 276, 302, 306f., 339, 341 Sinnlichkeit 193f. Sollen 217 Spekulation, spekulativ 33ff., 38, 46f„ 54f., 66, 69 Standpunkt 161f., 196, 330 Struktur 24flf., 47-60, 97, 119, 145, 179, 202, 229fF., 239, 284, 303-308, 335 Strukturalismus 25 Subjekt 63-67, 70, 72, 76, 107, 113, 148,151ff., 169ff., 183, 228, 275f. Subjektivität 206f. -, Philosophie der 287 Substanz 25, 76, 298 System 15-20, 22f., 25, 29-32, 40-47, 52, 59, 90, 219, 225, 231, 239, 247f., 267, 269, 278, 308-322, 324ff., 328f-, 333, 335, 337, 339f„ 344ff. Teleologie 123 Text 19-22 Theologik 101-117 Theorie 173, 203, 239, 244, 337 Totalität 16, 41, 64-69, 72, 98, 101, 120f., 124, 153f., 160, 178, 194, 209f., 225, 230, 237-240, 244, 251254, 325, 340 Transzendentalität, transzendental 67, 74, 132-135, 151, 183,228,246,305, 307, 330f., 335, 344 Triplizität 49, 169, 231, 235 Übergang 142, 157 Übergehen 45£f., 75, 77, 103, 190, 264, 340, 344, 346 ümkehrung 14 ünendlicher Progreß (Regreß) 240ff. Unmittelbarkeit, unmittelbar 198f., 202, 204, 206, 208, 218, 221f., 231f., 240, 250-258, 340 Unterschied 75, 259£f. Urschluß 327, 346

356 Ursprünglichkeit 341-344 Urteil 206, 210, 233f. Vermittlung 198f., 222, 231, 233, 240f., 262, 298f., 341, 343, 346 Vernunft 30, 45, 84-89, 131f., 149, 157-167, 170f., 173, 194, 223, 230, 238, 281, 302, 306, 339-342 Verstand-Vernunft 191f., 199 Vertikale 126f. Voraussetzungslosigkeit 296-303, 312f. Vorstellung 38f., 63-69, 72, 74, 106, 111, 131, 146, 160f., 164, 167f., 183ff., 187, 192f., 196f„ 200, 222, 249, 252 Wahre, das 34, 39, 41, 66, 290 Wahrheit 41, 51f., 65, 169, 278, 286fF., 290-293, 305f„ 338, 341 - und Richtigkeit 291 -, Stufen der 305, 330 Welt 143 Weltgeschichte 95f. Werden 103

Wesen 43f., 55f., 73ff., 77, 79, 95, 106f., 110, 112, 119ff., 123-127, 136ff., 182f., 186-190, 196f., 200f., 208, 213, 220ff., 232, 245, 249, 264, 272, 319, 346 Widerspruch 264 Wille 167, 173, 217 „Wir“ 295f., 299, 301flf. Wirklichkeit 84-89, 180, 218, 257, 337f., 346 Wissen 175, 286f., 290-293 -, absolutes 16, 116f., 281f., 304 -, erscheinendes 309 —, reines 140, 179, 183 -, unmittelbares 198 -, unwahres 311-314 Wissenschaft 25, 30f., 33, 41f., 44f., 52, 59, 109, 139, 196f., 204, 249, 282, 287, 295f., 301, 309ff., 313-317, 322, 327f., 332f., 338, 345 —, Rechtfertigung der 309 -, Standpunkt der 318 Zeit 98f., 110, 127, 194 Zufall, Zufälligkeit 37f., 255f. Zukunft 338

PERSONENREGISTER

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Die sich nur auf die Anmerkungen der betreffenden Seite beziehenden Ziffern sind kursiv gesetzt. Der Name Hegels wird nicht aufgeführt. Adorno, Th. W. D, 16, 17, 238f. Albrecht, W. 111,129 Aristoteles 132, 130 Becker, W. Bubner, R.

31, 258-265 299, 321

Chapelle, A.

20, 22, 94

Derbolav, J. 18,147 Descartes, R. 198 Dilthey,W. 17 Domke, K. 111 Eley,L.

117

Falkenheim, H. 17 Fetscher, I. 20, 172 Fidite, J. G. 152, 161, 265, 276f., 343 Fleischmann, E. 73, 203 Fulda, H.F. 20, 40, 46, 92, 277-281, 308-317, 318, 321-324, 326, 328, 330-333 Furth, P. 90 Gadamer, H. G. 20, 298, 338 Gauvin, J. 20, 46 Glöckner, H. 17,273,317 Gösdiel, C. F. 73, 105 Guzzoni, U. 244f.

357 Habermas, J. 299 Haering, Th. 140, 270f., 275 Heidegger, M. 14, 16, 19, 39, 106f., 109f„ 140, 228, 244f., 247, 301 Heimann, B. 21 Henrich, D. 111,343 Hinrichs, H. F. W. 317 Hoffmeister, J. 93, 96, 98, 155, 257, 268, 271, 281, 302, 304, 342 Husserl, E. 142 Hyppolite, J. 50, 271 Iljin, I. 83, 102-105, 106, 108ff., 113, 131 Jacobi, F. H.

198f.

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Kant, I. 16, 48, 64, 66f., 79f., 111, 127, 134ff., 151f., 161, 183, 197, 199, 200, 201, 205, 218, 222, 235, 247 Kautsky, B. 14 Kern, W. 18, 150 Kimmerle, H. 18, 23, 143, 273, 279 Koch, T. 116f. Koj^ve, A. 19 Küng, H. 103 Labarri^re, P.-J. 20, 98, 268, 284 Lassen, G. 60, 63, 84, 94, 178, 205, 325, 326, 329 Lenk, H. 264

Lieber, H.-J. 14, 90 Litt, Th. 61ff., 84, 86ff., 105, 747 Marx, K. 14, 90, 273 Maurer, R. K. 326 Mendelssohn, M. 79 Merleau-Ponty, M. 15 Meulen, J. van der 325f. Michelet, C. L. 338 Mueller, G. E. 48 Nicolin, F. 29, 122, 147, 168 Niethammer, F. I. 147 Ogiermann, H.

111

Plato 37 Pöggeler, O. 16, 18f., 140, 271-274, 275/., 277, 279, 304, 323, 326f., 330f., 338 Reinhold, K. L. 245, 31S Rombach, H. 25/. Rosenkranz, K. 273, 274, 276 Schelling, F. W. J. 35, 247, 265, 276f. Schmidt, R. 79 Spinoza, B. 25, 55, 73, 298, 321, 343 Theunissen, M. 90, 117, 244 Thomas von Aquin 64 Wigersma, B. 270 Wolff, ehr. 248