Corporate Social Responsibility: Das Ermessen des Managements zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen im US-amerikanischen und deutschen Aktienrecht [1 ed.] 9783428516049, 9783428116041

Die Frage nach der Zielbestimmung des Vorstandshandelns und der Rolle der verschiedenen "stakeholders" in der

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German Pages 247 Year 2004

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Corporate Social Responsibility: Das Ermessen des Managements zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen im US-amerikanischen und deutschen Aktienrecht [1 ed.]
 9783428516049, 9783428116041

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Schriften zum Internationalen Recht Band 146

Corporate Social Responsibility Das Ermessen des Managements zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen im US-amerikanischen und deutschen Aktienrecht

Von

Martin Empt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN EMPT

Corporate Social Responsibility

Schriften zum Internationalen Recht Band 146

Corporate Social Responsibility Das Ermessen des Managements zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen im US-amerikanischen und deutschen Aktienrecht

Von

Martin Empt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Göttingen hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-11604-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

The questions „What is a corporation?“ and „For whose benefit do directors hold power?“ are legal questions only in the sense that legal institutions will be required at certain points to formulate or assume answers to them. But they are not simply technical questions of law capable of resolution through analytical rule manipulation. Even less are they technical questions of finance or economics. Rather in defining what we suppose a public corporation to be, we implicitly express our view of the nature and purpose of our social life. Since we do disagree on that, our law of corporate entities is bound itself to be contentious and controversial. It will be worked out, not deduced. In this process, efficiency concerns, ideology, and interest group politics will commingle with history . . . to produce an answer that will hold for here and now, only to be torn by some future stress and to be reformulated once more. And so on, and so on, evermore. Professor William T. Allen, New York University School of Law, von 1985 bis 1997 Chancellor of the Court of Chancery of the State of Delaware, in: 14 Cardozo L. Rev. 261, 280 f. (1992).

Vorwort Die Arbeit wurde der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen im Februar 2003 eingereicht; das Rigorosum fand am 12. Dezember 2003 statt. Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur nach Abschluss des Manuskripts sind bis September 2003, vereinzelt auch noch bis April 2004 eingearbeitet worden. Viele Personen und Faktoren haben zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Einige wenige seien ausdrücklich genannt: Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, danke ich für die Anregung zu dem spannenden Thema sowie für die uneingeschränkte Freiheit, die er mir bei der Abfassung der Arbeit gelassen hat. Wesentliche Vorarbeiten und einige Teile des Textes sind während eines einjährigen Studien- und Forschungsaufenthalts entstanden, den ich als Stipendiat des Bucerius-Jura-Programms der Studienstiftung des deutschen Volkes im Jahr 2001 / 02 an der Law School der University of Iowa in Iowa City verbringen durfte. Dort fand ich perfekte Arbeitsbedingungen für die rechtsvergleichende Forschung vor, die wesentlich zur (zügigen) Erstellung der Arbeit beigetragen haben. Den Herren Professoren Herbert Hovenkamp und John C. Reitz, beide University of Iowa College of Law, sowie Herrn Justice Randy Holland, Richter am Delaware Supreme Court und Verfasser der von mir im Text besprochenen Entscheidung Kahn v. Sullivan, danke ich für wertvolle weiterführende Hinweise zum US-amerikanischen (Gesellschafts)recht. Schließlich möchte ich Herrn Prof. Dr. Herbert Wiedemann für die persönliche Förderung während meiner Zeit als studentische Hilfskraft am Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln danken, die mit dazu beigetragen hat, dass bei mir das Interesse für das amerikanische Rechtssystem und eine Arbeit dieses Zuschnitts erst geweckt wurden. Gewidmet ist die Arbeit meinen lieben Eltern, Waltraud und Alois Empt, als ein kleiner Ausdruck der Anerkennung für alles, was sie in verschiedenen Lebensabschnitten für mich getan haben. Zuletzt haben sie mir durch Übernahme der Druckkosten die Veröffentlichung der Arbeit erleichtert. Meine Mutter hat darüber hinaus die Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen. Vor allem aber danke ich meinen Eltern dafür, dass sie mir die Anlagen mitgegeben und als Kind die Aufmerksamkeit und Förderung haben zukommen lassen, die mich in die Lage versetzt haben, als Erwachsener dieses Buch schreiben zu können, ohne die Arbeit daran als Last zu empfinden. Hamburg, im Frühjahr 2004

Martin Empt

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Corporate Social Responsibility – Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. Freiwillig und altruistisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

2. Zu unterscheiden von: Gesetzlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

3. Zu unterscheiden von: Langfristiger Profitmaximierung und „prudential constraints“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

4. Einordnungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

II. Insbesondere: Zuwendungen zu sozialen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

1. Wirtschaftlich nützliche Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

a) Werbung und Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

aa) Cause-related marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

bb) Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

b) Öffentlichkeitsarbeit im weiteren Sinne / Good will . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

c) Der „Halo-Effekt“ und das „Sheep’s Clothing Principle“ . . . . . . . . . . . . . .

33

d) Individuelle Spenden der Anteilseigner als mögliche Alternative? . . . . .

34

2. Die verbleibenden Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

I. Der historische Hintergrund der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

1. Vom legislativen Privileg zum System der Normativbestimmungen . . . . . . .

37

2. Dodge v. Ford Motor Co. (1919) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

12

Inhaltsverzeichnis 3. Die Berle-Dodd-Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

a) Berle / Means: Manager als Treuhänder des Aktionärsvermögens . . . . .

41

b) Dodds neue Konzeption fiduziarischer Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

c) Berles Replik und der weitere Verlauf der Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

II. Die Rechtslage außerhalb des Anwendungsbereichs von other constituency statutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. Überblick über die Leitungsstruktur der amerikanischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) Directors und officers als Leiter der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) Fiduziarische Pflichten und die business judgment rule . . . . . . . . . . . . . . .

47

c) Die traditionelle Gleichsetzung von Gesellschaft und Gesellschaftern

50

2. Entscheidungen außerhalb der Übernahmesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

a) Das Zusammenspiel von Formalziel und business judgment rule . . . . . .

51

b) Fallmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

aa) Shlensky v. Wrigley (1968) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

bb) Kelly v. Bell (1970) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

cc) Sylvia Martin Foundation, Inc. v. Swearingen (1966) . . . . . . . . . . . . .

54

c) Insbesondere: Zuwendungen zu sozialen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

aa) Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Strikte Anwendung der ultra-vires-Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Incidental Powers und Direct Benefit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erste ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungen . . . . . . . . . . . . . (4) Moderne Gesellschaftsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Model Business Corporation Act von 1950 . . . . . . . . . . (b) Die heute geltenden Gesetze: Typen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Moderne Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) A.P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow (1953) . . . . . . . . . . (b) Memorial Hospital Association v. Pacific Grape Products Co. (1955) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Union Pacific Railroad Company v. Trustees, Inc. (1958) (d) Theodora Holding Corp. v. Henderson (1969) . . . . . . . . . . . . (e) Kahn v. Sullivan (1991) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 56 57 59 61 61 62 63 64

bb) Probleme und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Pet charities und sachfremde Beweggründe . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72 73

66 67 69 70 72

Inhaltsverzeichnis

13

(2) Mängel der herkömmlichen Prüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . (3) Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Totales Verbot von Spenden an „pet charities“ . . . . . . . . . . . . (b) Beweislastumkehr bei potentiellem Interessenkonflikt . . . . (c) Beteiligung des gesamten board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 78 78 79 79 81

3. Die Übernahmesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

a) Unvereinbarkeit der verschiedenen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

b) Fallrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

aa) Unocal Corporation v. Mesa Petroleum Co. (1985) . . . . . . . . . . . . . . .

86

bb) Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc. (1986) . . . . .

89

cc) Paramount Communications, Inc. v. Time, Inc. (1990) . . . . . . . . . . . .

92

dd) Paramount Communications, Inc. v. QVC Network, Inc. (1994) . .

95

c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

III. Die Rechtslage im Anwendungsbereich von other constituency statutes . . . . . .

97

1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

2. Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

a) Die typische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Variationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

aa) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Kreis der berücksichtigungsfähigen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Verpflichtung zur Berücksichtigung anderer Interessen? . . . . . . . . . . 100 (1) Die Regel: Keine Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Die Ausnahme: Connecticut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 dd) Bedeutung des Aktionärsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Indiana und Pennsylvania: Kein Faktor ausschlaggebend . . . . . 101 (2) Iowa: Ausdrückliche Erlaubnis zur Bevorzugung von Nichtaktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Interpretationsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Fallrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Die enge Auslegung: Keine Änderung der common-law-Grundsätze . . 108 c) Die weite Auslegung: Einklagbare Rechte für Nichtaktionäre . . . . . . . . . 110 d) Wahrscheinliche Auswirkungen der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Entscheidungen außerhalb der Übernahmesituation . . . . . . . . . . . . . . 112

14

Inhaltsverzeichnis bb) Entscheidungen in der Übernahmesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Beweislastumkehr (Unocal) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (2) Keine Verpflichtung zur Realisierung des höchstmöglichen Werts (Revlon / QVC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Abschließende Betrachtung der amerikanischen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Die herrschende Meinung: Der Vorstand als Wahrer vieler Interessen . . . . . . . . 119 1. Die Auslegung von § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Kein Vorrang des Aktionärsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Schranken: Rentabilität und Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Unternehmensinteresse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Insbesondere: Spenden aus Gesellschaftsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Kompetenz des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Sachgrenzen der Spendenbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Der Deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Zweifel an der herrschenden Meinung zu § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Der Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Die Entstehungsgeschichte des § 76 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Ausschluss einer monistischen Zielkonzeption durch das MitbestG 1976? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Beschränkte Anwendbarkeit der unternehmerischen Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Beschränkung der Mitbestimmung auf den Schutz von Arbeitnehmerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Die Mitbestimmung als Organisationsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Ausschluss einer monistischen Zielkonzeption aus verfassungsrechtlichen Gründen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Das Selbstverständnis der Unternehmensleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Inhaltsverzeichnis

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Das „Privileg“ der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Die Anteilseigner als wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft . . . . . . . . . . . 139 1. Das verfassungsrechtliche Anteilseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Das Unternehmen als Netzwerk von Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Methodische Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Ursprünge und theoretische Entwicklung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Integrierte Organisationen als transaktionskostensparende Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Die Binnenstruktur der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Nexus-of-Contracts und Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Keine natürliche Eigentümerstellung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Kein „Eigeninteresse“ der Gesellschaft oder des Unternehmens . . 146 cc) Die Normen des Aktienrechts als Standard-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Die Aktionäre als residuale Risikoträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Die residualen Risikoträger als die Gruppe mit den richtigen Anreizen

149

c) Sondersituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 III. Der Mangel anderweitiger Mechanismen zum Schutz der Anteilseigner . . . . . 152 1. Die Normen des Aktienrechts als Inhalt eines relationalen Vertrags . . . . . . . 153 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Allgemeine Verhaltenspflichten als Lückenfüllungsmechanismen . . . . . 154 2. Besonderheiten des Aktieninvestments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Die Schutzmöglichkeiten der „Stakeholders“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Finanzgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Zulieferer und Warenkreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 e) Staat und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

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Inhaltsverzeichnis IV. Soziale Verantwortung und gesellschaftsrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . 164 1. Das Prinzipal-Agenten-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Marktliche Kontrollmechanismen und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Mangelnde Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. „Too many masters“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 V. Soziale Verantwortung und Allokationseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Mikroökonomisches Gleichgewicht und gesamtgesellschaftliches Wohlfahrtsoptimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Ökonomische Voraussetzungen und Folgen von Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Voraussetzung: Keine vollständige Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Die Auswirkungen auf Erträge und Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Allokative Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Externe Effekte und staatliche Lenkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Externe Effekte als Ursache suboptimaler Ressourcenallokation . . . . . . 177 aa) Negative externe Effekte (externe Kosten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Positive externe Effekte (externe Ersparnisse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Staatliche Maßnahmen zur Stärkung der unsichtbaren Hand . . . . . . . . . . 178 c) Freiwillige Korrektur von Marktversagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 d) Staatliche Maßnahmen und Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 VI. Soziale Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Die politischen Wirkungen von Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . 186 a) Umverteilung durch „Besteuerung“ von Aktionären und Abnehmern . . 187 b) Die Notwendigkeit politischer Wertentscheidungen durch das Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch private Manager? . . . . . . . . . . . 189 a) Mangelnde Befähigung zur Identifikation des Gemeinwohls . . . . . . . . . . 189 b) Mangelnde demokratische Legitimation und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Bemerkungen zur politischen Ökonomie von Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Inhaltsverzeichnis

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VII. Die Möglichkeit sozialen Engagements in einem Shareholder-Modell der AG 195 VIII. Das Shareholder-Modell und die OECD Principles of Corporate Governance

198

IX. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 § 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der Aktiengesellschaft 201 I. Die Suche nach der optimalen Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Ökonomische Analyse der korporativen Freigebigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Der wirtschaftliche Vorteil der Spendenvergabe durch das Management . . 202 2. Das Problem nicht am Aktionärsinteresse ausgerichteter Entscheidungen 203 3. Das rechtsökonomische Argument für eine weites Ermessen des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 III. Korporative Freigebigkeit im deutschen Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Kompetenz des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Sachgrenzen der Spendenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Betragsmäßige Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Das Gebot der Angemessenheit als Ermessensgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 c) Interessenkonflikte und Zuwendungen an „pet charities“ . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Forderung de lege ferenda: Pflicht zur Veröffentlichung im Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Anhang: Der Wortlaut aller other constituency statutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

2 Empt

§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung I. Einleitung „There is no longer any serious competitor to the view that corporate law should principally strive to increase long term shareholder-value. This emergent consensus has already profoundly affected corporate governance practices throughout the world. It is only a matter of time before its influence is felt in the reform of corporate law as well“, meinten zwei prominente amerikanische Rechtsgelehrte im Jahr 2001 feststellen zu können.1 Den deutschen Gesellschaftsrechtler lässt diese Einschätzung aufhorchen, gilt es doch hierzulande wohl immer noch als „nahezu obszön“2, der Auffassung zu widersprechen, der Vorstand der Aktiengesellschaft dürfe sein Handeln nicht allein am Interesse der Aktionäre ausrichten, sondern müsse auch die Belange der Beschäftigten und der Allgemeinheit berücksichtigen.3 Zwar ist die Diskussion um Shareholder Value auch an der deutschen Aktienrechtswissenschaft nicht spurlos vorübergegangen.4 Zugleich hat die Frage nach dem Stellenwert des Aktionärsinteresses in der Aktiengesellschaft durch die Skandale um Enron und andere Unternehmen sowie den verbreiteten Unmut über die Höhe von Managementvergütungen in den letzten Jahren in der breiteren Öffentlichkeit zunehmende Aufmerksamkeit gefunden, wobei der Begriff des Shareholder Value als Schlagwort für (tatsächliche und wahrgenommene) Exzesse mittlerweile einen Bedeutungswandel vom Mode- zum Reizwort erfahren hat.5 Die rechtswissenschaftli1 Hansmann / Kraakman, 89 Geo. L.J. 439 (2001). Diese Entwicklung ist nach Ansicht der Autoren zurückzuführen auf die Dominanz einer „shareholder-centered ideology among the business, government, and legal elites in key commercial jurisdictions“ (Id.). 2 So im Jahr 1998 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 334; ähnlich die Feststellung von R.H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 517, die Vorstellung, dass das Management einer Aktiengesellschaft primär oder gar ausschließlich dem Aktionärsinteresse verpflichtet sein sollte, sei im juristischen Schrifttum „wenig selbstverständlich“; vgl. zum Selbstverständnis (mancher) deutscher Manager die Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Altana AG, Nikolaus Schweickart, FAZ vom 24. 12. 2002, S. 13, zum vielfältigen sozialen Engagement des von ihm geleiteten Unternehmens: „Ich laufe dem Aktionär nicht hinterher.“ 3 Ausführlich zur h. M. zu § 76 Abs. 1 AktG unten S. 119 ff. 4 Vgl. die Beiträge von Groh, DB 2000, 2153; Kübler, FS Zöllner, S. 321; Mülbert, ZGR 1997, 129; Schilling, BB 1997, 373; R.H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515; monographisch Nicolaysen. 5 Vgl. die zugespitzte Bewertung von Dunsch, FAZ vom 1. April 2004, S. 11: „Der Shareholder Value ist zu Recht auf dem Müll gelandet – aber nicht deswegen, weil das Konzept falsch war. Nicht das Prinzip war fehlerhaft, sondern die Verbiegung zur Ideologie und zur engstirnigen Ausrichtung am Börsenerfolg . . . Alle hatten von der Steigerung des Unterneh-

2*

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§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung

che Auseinandersetzung konzentrierte sich allerdings eher auf den Shareholder-Value-Ansatz im engeren, technischen Sinne als eine am Marktwert der Aktien der Gesellschaft orientierte Unternehmensführung6 und seine Vereinbarkeit mit dem geltendem Aktienrecht, hat aber bislang nicht zu einer (erneuten7) grundlegenden Diskussion um die Zielbestimmung des Vorstandshandelns geführt.8 Der Zusammenhang zwischen dem Shareholder-Value-Konzept und der Frage nach den vom Vorstand zu beachtenden Interessen ist indes offensichtlich. Denn unabhängig davon, was der Shareholder-Value-Ansatz als kapitalmarktorientierte Methode der Investitionsrechnung und möglicher Handlungsmaßstab für Manager im Einzelnen bedeuten mag, steht ein Konzept, das die Unternehmensleitung zur Maximierung des Anteilswerts auffordert, jedenfalls in einem kaum zu überbrückenden Widerspruch zu einem rechtlichen Verständnis der Vorstandsrolle, das den Vorstand zur alleinigen Ausrichtung am Aktionärsinteresse weder berechtigt noch verpflichtet.9 Die grundsätzlichere Fragestellung, die durch die Shareholder-Value-Diskussion und die verstärkte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den ökologischen und sozialen Auswirkungen der weltweiten Aktivitäten multinational tätiger Unternehmen10 wieder an Aktualität gewonnen hat, aber in ihrer Bedeutung keineswegs auf diese Themenkreise beschränkt ist11, lautet, ob und warum das Management der Aktiengesellschaft sein Handeln ausschließlich am Interesse der Anteilseigner ausrichten sollte.12 Anders gewendet geht es um die Frage, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft nach seinem Ermessen Nichtaktionärsinteressen auch dann bemenswerts gesprochen, fälschlicherweise die Börsenkurse gemeint und die Nachhaltigkeit vergessen.“ 6 Zur Bewertungstechnik aus betriebswirtschaftlicher Sicht Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 274 ff.; Ballwieser, FS Moxter, S. 1379 ff.; Nicolaysen, S. 66 ff. 7 Zur stark mitbestimmungsrechtlich geprägten Diskussion um das Unternehmensinteresse unten S. 121 ff.; auf die Berührungspunkte dieser Diskussion mit dem Shareholder-ValueKonzept weist hin Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 155. 8 Hopt, ZGR 2000, 779, 799 f. 9 Stellvertretend für die herkömmliche Auffassung Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12: „Vorstand ist . . . weder berechtigt noch verpflichtet, sich bei Erfüllung seiner Leitungsaufgabe allein von Aktionärsinteressen leiten zu lassen.“ 10 Zu diesem Aspekt Bratton, 26 J. Corp. L. 737, 770 (2001); Dickerson, 76 Tul. L. Rev. 1431 ff. (2002); ausführlich unten S. 181 ff. 11 Vgl. den Überblick über die Fallgruppen, in denen die Frage Bedeutung erlangt bei Dunfee, 62 Law & Contemp. Probs. 129, 132 (1999): „Actions implicating the question of for whom the corporation is to be managed include such things as (1) engaging in corporate giving and philanthropy; (2) considering community interests in deciding on plant location or closure; (3) rejecting premiums offered in hostile takeovers; (4) making products safer than the law requires; and (5) putting in environmental controls beyond what the law requires.“ 12 Vgl. R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 520; Hommelhoff, FS Lutter, S. 95, 103: „Vergröbert und auf ihren Kern reduziert focussiert in der shareholder value Maxime . . . der Widerstreit zwischen den Interessen der Aktionäre . . . und denen der Arbeitnehmer.“; zur Relevanz der Fragestellung auch Schwark, ZHR-Beiheft Corporate Governance, S. 71, 78 f.

I. Einleitung

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rücksichtigen darf oder soll, wenn dieses Verhalten nicht zumindest langfristige Vorteile für die Aktionäre erwarten lässt. Für diesen Tatbestand hat sich im angelsächsischen Schrifttum ein Begriff herausgebildet, der auch Eingang in die deutsche Literatur gefunden hat13: Corporate Social Responsibility. Eine umfassende ideengeschichtliche Darstellung des Konzepts der Corporate Social Responsibility wird mit dieser Untersuchung nicht angestrebt.14 Ebenso wenig soll die Frage nach den Unternehmenszielen und Interessen im Aktienrecht – ein „Jahrhundertproblem“15, das die deutsche Aktienrechtswissenschaft seit Walter Rathenaus berühmtem Vortrag „Vom Aktienwesen“16 immer wieder beschäftigt hat – erneut in ihrer ganzen Breite erörtert werden.17 Ziel der Arbeit ist es vielmehr, die deutsche Diskussion über das Leitungsermessen des Vorstands um eine Reihe von Argumenten überwiegend rechtsökonomischer Natur zu erweitern18, die bislang nicht im Mittelpunkt des rechtswissenschaftlichen Interesses standen.19 Der rechtsvergleichende Blick in die USA als das Land, in dem nach landläufiger Vorstellung ungezügelter „Shareholder-Kapitalismus“ herrscht20, bietet sich dabei aus zweierlei Gründen an.21 Zum einen stammt der Shareholder-Value-Ansatz als Managementmethode aus den USA.22 Zum anderen sind dort, teilweise ausgelöst 13 Vgl. nur Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 11; Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 60; zu aktuellen europäischen Entwicklungen in diesem Bereich vgl. FAZ vom 8. April 2003 sowie die Internetseite von „CSR Europe“ (www.csreurope.org), einer Initiative europäischer Unternehmen; zur amerikanischen Diskussion zuletzt das Symposium „The New Corporate Social Responsibility“, 76 Tul. L. Rev. 1187 ff. (2002). 14 Vgl. dazu die Beiträge in dem von Hopt / Teubner herausgegebenen Sammelband mit dem Titel Corporate Governance and Directors‘ Liabilities – Legal, Economic and Sociological Analyses on Corporate Social Responsibility. 15 So die Formulierung von Hommelhoff, FS Lutter, S. 95, 103. 16 Rathenau, Vom Aktienwesen, Berlin 1917. 17 Vgl. dazu etwa die ausführliche Abhandlung von Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht, mit Besprechung von Hopt, JZ 1982, 878 sowie die unten S. 119 ff. angegebenen Nachweise. 18 Argumente, denen Hansmann / Kraakman, 89 Geo. L. J. 439, 449 (2001), „The Force of Logic“ zusprechen. 19 Vgl. die Beobachtung von Eidenmüller, JZ 2001, 1041, interessanterweise habe sich die ökonomische Rechtstheorie in Deutschland lange Zeit in erster Linie mit Fragen des allgemeinen Zivilrechts beschäftigt. 20 Interessanterweise wird die Frage nach der gesellschaftlichen Rolle der corporation und ihrer sozialen Verantwortung in den USA in der akademischen Ausbildung wesentlich größerer Raum als in Deutschland eingeräumt. Entsprechende Abschnitte finden sich in jedem Lehrbuch des Gesellschaftsrechts und werden in den Grundkursen im Gesellschaftsrecht auch besprochen, vgl. etwa Choper / Coffee / Gilson, Corporations, S. 35 ff.; Eisenberg, Corporations, S. 98 ff.; Hamilton, Corporations, S. 511 ff.; Solomon / Schwartz / Baumann / Weiss, Corporations, S. 88 ff. unter der Überschrift „The Corporation and Society“. 21 Allgemein zur wechselseitigen Ergänzung von Rechtsvergleichung und Rechtsökonomie bei der Untersuchung (gesellschafts)rechtlicher Fragestellungen Fleischer, FS Wiedemann, S. 827, 846 ff. 22 Grundlegend das Werk von Rappaport, Creating Shareholder Value aus dem Jahr 1986.

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§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung

durch gesetzgeberische Aktivitäten, in den vergangenen 25 Jahren in einer außerordentlich fruchtbaren Diskussion ökonomisch fundierte und sachlich überzeugende Antworten auf die zu untersuchende Frage entwickelt worden. Deren Verständnis fällt leichter, wenn man auch die amerikanische Rechtslage und Rechtsentwicklung in diesem Bereich kennt. Schwerpunkt der Arbeit ist daher neben der Beschäftigung mit den Sachargumenten zu Corporate Social Responsibility die Darstellung des relevanten Fallrechts und der gesetzgeberischen Reaktionen darauf in einer Reihe von Bundesstaaten. Besonderes Augenmerk soll geschenkt werden der gesellschaftsrechtlichen Beurteilung unentgeltlicher Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln als dem vielleicht augenscheinlichsten Beispiel altruistischer Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsinteressen 23, das in Deutschland wie in den USA in den letzten Jahren auf verstärktes wissenschaftliches Interesse gestoßen ist24 und in jüngerer Zeit auch den BGH beschäftigt hat25. Nicht unmittelbar Gegenstand dieser Arbeit ist die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen des Vorstands gegen feindliche Übernahmen. Die entsprechenden Verhaltenspflichten sind in Deutschland nunmehr außerhalb des Aktienrechts in § 33 WpÜG geregelt.26 Allerdings werden die in der amerikanischen Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze relativ ausführlich behandelt. Das hat drei Gründe. Erstens wurden die neueren amerikanischen Gesetze (other constituency statutes), die ihrem Wortlaut nach grundsätzlich zum Stellenwert von Nichtaktionärsinteressen bei der unternehmerischen Entscheidung Stellung nehmen, als Reaktion auf das Übernahmephänomen sowie die richterrechtlichen Antworten darauf erlassen. Sie sind nur vor diesem Hintergrund verständlich. Zweitens enthalten die neueren Entscheidungen des Delaware Supreme Court zur Zulässigkeit von Verteidigungsmaßnahmen wesentliche Aussagen zum Rang von Nichtaktionärsinteressen im amerikanischen Gesellschaftsrecht, deren Bedeutung weit über das Übernahmeszenario hinausreicht. Drittens verdeutlicht die amerikanische Erfahrung in eindrucksvoller Weise, dass und warum eine Rechtsordnung spätestens in der Übernahmesituation zur Zielbestimmung des Vorstandshandelns Farbe bekennen muss.27 In keiner anderen Situation stehen sich die Interessen von Anteilseignern und anderen Bezugsgruppen der Aktiengesellschaft so unversöhnlich gegenüber.28 Die schein23 Vgl. Fisch, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1091 (1997): „Charitable giving is a particular useful model for examining the social responsibility question.“; so auch die Einordnung bei Dunfee, 62 Law & Contemp. Probs. 129, 132 (1999). 24 Ausführliche Nachweise unten S. 55 ff und S. 201 ff. 25 BGH, Urteil v. 6. 12. 2001 (1 StR 215 / 01), BGHSt 47, 187 = AG 2002, 347 = NJW 2002, 1585. 26 Vgl. dazu nur Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 418 ff.; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1, 3 ff.; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15(e)ff. 27 Dazu anschaulich Johnson, 14 J. Corp. L. 35, 49 f. (1988). 28 Vgl. die Analyse von Chancellor Allen in TW Services, Inc. v. SWT Acquisitions Corp., 14 Del. J. Corp. L. 1169, 1184 (Del. Ch. 1989): „In such a setting, for the present shareholders, there is no long run. For them, it does not matter that a buyer who will pay more cash plans to subject the corporation to a risky level of debt, or that a buyer who offers less cash

II. Gang der Untersuchung

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bar theoretische Frage, ob und inwieweit das Management Nichtaktionärsinteressen zu Lasten der Anteilseigner berücksichtigen darf, gewinnt dadurch in dieser Konstellation immense praktische Relevanz. Insoweit, als diese Untersuchung Antworten auf die allgemeine Frage nach den relevanten Interessen in der Aktiengesellschaft zu liefern vermag, kann sie daher durchaus auch einen – mittelbaren – Beitrag zur Diskussion um die Verhaltenspflichten des Vorstands in der Übernahmesituation leisten.29

II. Gang der Untersuchung Die Arbeit ist in fünf Teile gegliedert. Zunächst wird in § 2 der Begriff der Corporate Social Responsibility genauer definiert und von anderen Tatbeständen abgegrenzt. Schwerpunkt dieses Abschnitts bilden Möglichkeiten und Grenzen der Verfolgung des (langfristigen) Aktionärsinteresses durch die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen. Darauf werden in § 3 die amerikanische Rechtsentwicklung und Rechtslage zur Corporate Social Responsibility unter besonderer Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Regelung von Unternehmensspenden ausführlich dargestellt. In § 4 wendet sich die Untersuchung dann dem deutschen Aktienrecht zu. Zunächst wird das eingangs skizzierte vorherrschende Verständnis der Leitungsaufgabe des Vorstands überblickartig dargestellt. In einem zweiten Schritt werden sodann die üblicherweise in der deutschen Diskussion gegen eine ausschließliche Verpflichtung des Vorstands auf das Aktionärsinteresse vorgebrachten Argumente nacheinander auf ihre Tragfähigkeit untersucht. Das Ergebnis dieser Analyse ist, dass das geltende Aktienrecht ein interessenpluralistisches Verständnis der unternehmerischen Leitungsaufgabe nicht zwingend vorgibt. In § 5 werden daraufhin fünf große Argumente (Unterabschnitte II. – VI.) gegen Corporate Social Responsibility und für eine ausschließliche Verpflichtung des Vorstands auf das Aktionärsinteresse sowie die dagegen erhobenen Einwände vorgestellt und diskutiert. Im Ergebnis werden die ausschließliche Bindung des Vorstands an das Aktionärsinteresse und eine entsprechende Auslegung von § 76 Abs. 1 AktG befürwortet. Schließlich werden in einem letzten Abschnitt (§ 6) die Spendenbefugnis will be a more generous employer for whom labor peace is more likely. The rationale for recognizing that non-contractual claims of other corporate constituencies are cognizable by boards, or rationale that recognizes the appropriateness of sacrificing achievable share value today in the hope of greater long term value, is not present when all of the current shareholders will be removed from the field by the contemplated transaction.“ 29 Nach § 3 Abs. 3 WpÜG müssen Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft im Interesse der Zielgesellschaft handeln. Die im Aktienrecht zu § 76 Abs. 1 AktG geführte und in dieser Untersuchung behandelte grundsätzliche Diskussion um die Gewichtung der in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen setzt sich im Übernahmerecht, wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen, nunmehr bei der Interpretation des § 3 Abs. 3 WpÜG fort, vgl. etwa Versteegen, KK-WpÜG, § 3 Rn. 34 ff.; Schüppen, in: Haarmann / Riehmer / Schüppen, § 3 Rn. 15 ff.

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§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung

des Vorstands in einem Shareholder-Modell der Aktiengesellschaft begründet und die in Rechtsprechung und Literatur dazu entwickelten Grundsätze vor diesem Hintergrund näher beleuchtet.

§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen I. Corporate Social Responsibility – Begriff Wer von Corporate Social Responsibility oder sozialer Verantwortung von Unternehmen spricht, will damit oftmals ganz Unterschiedliches sagen mit der Folge, dass in der wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskussion nicht selten aneinander vorbeigeredet wird.1 Die präzise Definition und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes ist daher von besonderer Bedeutung.

1. Freiwillig und altruistisch Corporate Social Responsibility im eigentlichen Sinne beschreibt eine Handlungsweise, die durch zwei Elemente gekennzeichnet ist: (1) Freiwilligkeit und (2) Altruismus.2 Gemeint ist ein Verhalten, das auf Kosten der Anteilseigner andere Interessen berücksichtigt, ohne dass dazu eine explizite rechtliche Verpflichtung besteht und ohne dass mit langfristiger Profitsteigerung als Folge der Entscheidung zu rechnen ist. Gegenstand der rechtlichen Diskussion (und dieser Arbeit) ist mithin die Frage, ob und inwieweit das Aktienrecht es dem Vorstand der Aktiengesellschaft erlaubt und erlauben sollte, freiwillig mit Gesellschaftsmitteln soziale Zwecke zu verfolgen in Situationen, in denen eine solche Handlungsweise nicht mit dem Ziel langfristiger Profitmaximierung für die Anteilseigner vereinbar ist. Corporate Social Responsibility ist daher abzugrenzen in zwei Richtungen von Tatbeständen, die im weitesten Sinne ebenfalls Fragen des sozialen Verhaltens von Aktiengesellschaften gegenüber der Gesellschaft betreffen, in denen aber zumindest eines der beiden genannten Elemente nicht vorhanden ist.

1 Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 3 (1979): „The people who say they are discussing corporate social responsibility are by no means all interested in the same questions, and they often seem to be talking past each other.“; ähnlich die Einschätzung von Manne, in: Manne / Wallich, S. 3: „There is . . . a considerable amount of confusion inherent in the common use of the phrase corporate social responsibility.“ 2 Vgl. nur Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 3 (1979); Manne, in: Manne / Wallich, S. 6; Parkinson, S. 260.

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§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen

2. Zu unterscheiden von: Gesetzlichen Vorgaben Eine Vielzahl von Gesetzen verfolgt das Ziel, die Interessen anderer Gruppen als die der Anteilseigner bei unternehmerischen Entscheidungen zu schützen. So schreiben Arbeitsschutzvorschriften, Produktsicherheitsvorschriften und Umweltrecht die Rücksichtnahme auf Arbeitnehmer, Verbraucher und Allgemeinheit auch und gerade in Situationen vor, in denen eine alleinige Ausrichtung des Verhaltens auf Profitmaximierung für die Anleger womöglich einen anderen Kurs diktieren würde. Die Befolgung dieser Normen ist sozial erwünscht; um sozial verantwortliches Verhalten im Sinne dieser Untersuchung handelt es sich dabei indes mangels Freiwilligkeit nicht. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit: Wenn US-Präsident Bush vor kamerawirksam platzierten Tafeln mit der Aufschrift „Corporate Responsibility“ die Geschäftswelt zu verantwortlichem Verhalten gegenüber der Gesellschaft mahnt, damit aber die Beachtung der geltenden Bilanzierungsvorschriften meint und zugleich höhere Strafen für Wirtschaftskriminalität ankündigt, hat diese Aufforderung mit Corporate Social Responsibility im technischen Sinne nur dem Namen gemein, geht es dabei doch um zwingende gesetzliche Vorgaben für das Managementhandeln (ganz abgesehen davon, dass Ziel dieser Aktion in erster Linie der Anlegerschutz ist).3 Dass Kapitalgesellschaften und ihre Leitungsorgane wie jeder andere Akteur im Rechtsverkehr die Gesetze zu beachten haben, bedarf keiner weiteren Erörterung.4 Ähnlich verhält es sich mit der gesetzlich vorgeschriebenen Vertretung von Arbeitnehmer- und anderen Interessen in den Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften, wie sie in Deutschland für Arbeitnehmer durch Betriebsverfassungsgesetz und Mitbestimmungsgesetz geregelt ist5 und im Amerika der siebziger Jahre erfolglos von Ralph Nader6 und Christopher Stone7 propagiert wurde.8 Ziel und Siehe dazu NY Times vom 10. 7. 2002, S. A1. Die vereinzelt vertretene Ansicht, Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften sollten sich auch über geltende Gesetze hinwegsetzen, wenn die aus dem gesetzeswidrigen Verhalten zu erwartenden Gewinne die Höhe der angedrohten Sanktionen überschreiten („law-as-a-price theory“ / „efficient breach of public law“), hat sich nicht durchsetzen können und wird in dieser Untersuchung nicht behandelt. Siehe Easterbrook / Fischel, 80 Mich. L. Rev. 1155, 1168 Fn. 36, 1177 Fn. 57 (1982); Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1271 (1982); Pepper, 104 Yale L.J. 1545, 1576 f. (1995) sowie die ausführliche Kritik dieses Ansatzes bei Williams, 76 N.C.L. Rev. 1265 ff. (1998); vgl. auch Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 55 f. (1988); Fleischer, FS Wiedemann, S. 827, 845; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 24 f.; Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 47 („selbstverständlich“). 5 Auf die möglichen Schlüsse, die aus der Existenz dieser Regelungen im deutschen Recht für die hier zu untersuchende Frage nach dem unternehmerischen Ermessen zu ziehen sind („Ausstrahlungswirkung“), wird unten S. 131 ff. eingegangen. 6 Nader / Green / Seligman, Taming the Giant Corporation, S. 123 ff. 7 Stone, Where the Law Ends, S. 157 ff. 8 Zu den Unterschieden zwischen den Vorschlägen Naders und Stones instruktiv Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 85 ff. (1979). 3 4

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Effekt solcher Vorschriften ist zwar die Berücksichtigung von Interessen über die der Anteilseigner hinaus. Jedoch fehlt es auch in diesem Fall an der Freiwilligkeit des Verhaltens.9 Über den rechtspolitischen Sinn all dieser gesetzlichen Vorgaben und deren technische Ausgestaltung im Einzelfall mag man sich streiten. Mit Corporate Social Responsibility im eigentlichen Sinne haben derartige Diskussionen jedoch nichts zu tun. Gesetze – mögen sie das Außenverhalten (Umweltrecht) oder die Binnenstruktur (Mitbestimmung) der Aktiengesellschaft betreffen – setzen für alle Marktteilnehmer verbindliche Spielregeln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Unterstützung der Mehrheit des Gemeinwesens gefunden haben. Die hier interessierende Frage, ob die Leitungsorgane von Aktiengesellschaften als Wahrer fremder Interessen in dem verbleibenden ungeregelten Raum selbständig Ziele identifizieren und zu Lasten der Aktionäre verfolgen dürfen und sollen, stellt sich in diesen Fällen nicht.

3. Zu unterscheiden von: Langfristiger Profitmaximierung und „prudential constraints“ Nicht alle – vielleicht die wenigsten – unternehmerischen Entscheidungen, die ohne gesetzlichen Zwang Nichtaktionärsinteressen berücksichtigen, sind Fälle echter Corporate Social Responsibility, da es oftmals am altruistischen Element fehlt. Der Verzicht auf kurzfristige Profitmaximierung im Interesse langfristiger Profitabilität begegnet uns in der Rechtswirklichkeit in vielfacher Gestalt: Bekleidungshersteller wie Nike mögen an ihren Produktionsstandorten in Übersee Löhne über dem dort herrschenden Marktniveau zahlen, weil der damit verbundene Imagegewinn jedenfalls langfristig höhere Profite erwarten lässt.10 Aus dem gleichen Grund mag ein Unternehmen höhere Umweltstandards befolgen als gesetzlich gefordert oder eine Kampagne zur Revitalisierung urbaner Problemzonen finanzieren.11 Die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen entspricht in solchen Fällen – von Unternehmensleitungen gerne bedeutungsschwer als „Corporate Citizenship“ dargestellt12 – dem „enlightened self-interest“13 von Gesellschaft und GesellManne, in: Manne / Wallich, S. 6. Vgl. zum Fall von Nike Williams, 35 U.C. Davis L. Rev. 705, 736 f. (2002). 11 Vgl. zur finanziellen Unterstützung von Sanierungsprojekten im New Yorker Stadtbezirk Bronx durch die Deutsche Bank das Interview mit deren Vorstandssprecher Breuer, FAZ v. 23. November 2000, S. 35. 12 Vgl. zur Außendarstellung der Unternehmen etwa den im Jahr 2002 erstmals von der Dresdner Bank AG herausgegebenen 105-seitigen (!) „Stakeholder-Report“ mit dem Titel „Zukunft gestalten“, in dem das vielfältige gesellschaftliche Engagement der Gesellschaft als Ausdruck „gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen in unserer sich globalisierenden Welt“ präsentiert wird. 9

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§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen

schaftern. Parkinson spricht in diesem Zusammenhang anschaulich von „prudential constraints“14: Die fraglichen Verhaltensweisen sind das Ergebnis rational-ökonomischen weitsichtigen Kalküls, bei dem andere Interessen nicht um ihrer selbst willen, sondern lediglich reflexartig als Mittel zum Zweck berücksichtigt werden. Angesichts des Wettbewerbsdrucks sowohl von Produkt- als auch Kapitalmärkten15 darf man bisweilen schon die Freiwilligkeit solcher Handlungen bezweifeln.16 Jedenfalls kann von altruistischem Verhalten keine Rede sein.17 Dass Manager das ultimative Ziel der Profitsteigerung auch mit unkonventionellen Methoden und auf lange Sicht verfolgen dürfen und sollen, bedarf keiner besonderen Ausführungen.18 Gegenstand dieser Untersuchung ist die verbleibende Fallgruppe von Handlungen, in denen eine Kostendeckung nicht, auch nicht auf lange Sicht, zu erwarten ist oder erstrebt wird.19 Um einen Fall echter Corporate Social Responsibility handelt es sich erst, wenn beispielsweise ein Unternehmen höhere Sicherheits- oder Umweltstandards beachtet als nicht nur das Gesetz, sondern auch sein Ruf am Markt es erfordern.20

4. Einordnungsprobleme Der praktische Zugriff auf diese theoretisch so klare Fallgruppe wird durch zwei Faktoren erschwert. Erstens lassen sich im wirklichen Leben Beweggründe für unternehmerische Entscheidungen oftmals nicht so scharf trennen, wie es theoretisch möglich ist: Eine bestimmte Maßnahme mag bisweilen ergriffen werden, weil die Entscheidungsträger dies für die moralisch richtige Alternative halten, aber zugleich die nicht völlig unbegründete Hoffnung auf geschäftlichen Nutzen als Konsequenz des moralisch motivierten Handelns hegen.21 Zweitens werden die Be13 So der von Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1156 f. (1932) gewählte Begriff, der dieses Verhalten bereits 1932 von Social Responsibility unterschied. 14 Parkinson, S. 268 f. 15 Zu sog. „sozialen Investmentfonds“ Hutton, 37 Bus. & Soc. 281 (1998); Adams / Knutsen, 80 Iowa L. Rev. 211, 217 ff. (1995). 16 So wurde Nike durch Verbraucherboykotte in der westlichen Welt gezwungen, im Ausland höhere Löhne als ortsüblich zu zahlen, siehe Williams, 35 U.C. Davis L. Rev. 705, 737 (2002). 17 Vgl. zum Fall Brent Spar (Verzicht auf die zulässige und ökologisch vertretbare Versenkung der Ölbohrinsel Brent Spar durch Shell nach massiven Kundenboykotten) Dunfee, 62 Law & Contemp. Probs. 129, 133 f. (1999). 18 Dunfee, 62 Law & Contemp. Probs. 129, 143 (1999): „If marketplace morality has discernible effects on relevant consumer and capital markets, then even a straightforward monotonic analysis requires that management consider it carefully. Otherwise, managers will not maximize the potential return to shareholders because they will fail to appreciate fully the preferences of investors and consumers.“ 19 Vgl. Zöllner, AG 2003, 2, 8. 20 Parkinson, S. 270.

I. Corporate Social Responsibility – Begriff

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weggründe selten ehrlich geäußert:22 Einerseits bestand jedenfalls in der frühen Entwicklung die Notwendigkeit, echte Corporate Social Responsibility als Maßnahme zur langfristigen Profitmaximierung zu etikettieren.23 Andererseits besteht die Tendenz, manche rein aus Profitkalkül getroffene Entscheidung der Öffentlichkeit als altruistisch zu präsentieren, um gerade dadurch den good will des Unternehmens und somit letztendlich die Gewinne zu steigern. Henry Manne konnte dieses Paradox bereits 1972 feststellen: „[T]oday’s maximizing behavior includes advocating non-maximization of profits.“24 Diese Beobachtungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es stets eine Fallgruppe geben wird, in der Profitmaximierung, gleichgültig wie großzügig definiert, keine tragfähige Begründung mehr für die Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsinteressen bieten kann.25 So ist in einem Fall, in dem die Gesellschaft nachhaltig 10 % oder 12 % Rendite erwirtschaftet, aber durch Arbeitsplatzabbau eine Steigerung der (nachhaltig zu erzielenden) Rendite auf 15 % möglich wäre26 (und keine spürbaren Reputations- und Demotivationseffekte bei Abnehmern und Mitarbeitern durch den Arbeitsplatzabbau zu befürchten sind27), ein Verzicht auf den Arbeitsplatzabbau nur dann pflichtgemäß, wenn der Vorstand Nichtaktionärsinteressen um ihrer selbst willen auf Kosten möglicher Profite berücksichtigen darf.

21 Mertens, FS Goerdeler, S. 349, 353: „Typischerweise sind soziale Aktivitäten des Unternehmens ihrer Zwecksetzung nach . . . durch eine Kombination uneigennütziger und eigennütziger Motive gekennzeichnet, die sich so gut wie nie säuberlich trennen lassen.“; vgl. auch Dunfee, 62 Law & Contemp. Probs. 129, 135 (1999). 22 Vgl. die Einschätzung von Manne, in: Manne / Wallich, S. 8: „In practice it is extremely difficult, if not impossible, to distinguish a purely business expenditure only alleged to have been made for the public’s good from one actually made with real charitable intent.“; gleichsinnig auch Parkinson, S. 278, 282. 23 Vgl. zum direct benefit-Erfordernis in der älteren amerikanischen Rechtsprechung unten S. 57 ff. 24 Manne, in: Manne / Wallich, S. 11 f. 25 Stone, 71 Iowa L. Rev. 557, 570 (1986); Dunfee, 62 Law & Contemp. Probs. 129, 138 (1999); Fleischer, AG 2001, 171, 174; ders., in: Handbuch Corporate Governance, S. 137; Mülbert, ZGR 1997, 129, 158 Fn. 107; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 157: „Derartige Strategien mögen zwar im Einzelfall einen Ertragsausgleich schaffen, lassen den Interessengegensatz als solchen jedoch unberührt.“ Deutlich Parkinson, S. 288: „The idea that policies favouring the interests of affected groups and those serving long-run profit-maximization always coincide is manifestly false.“ 26 So das Beispiel bei v. Werder, ZGR 1998, 69, 85 f. 27 Selbstverständlich kann der Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland eine rationale Strategie zur langfristigen Profitmaximierung sein. Allseits bekanntes Beispiel ist der Fall des Sportbekleidungsherstellers Trigema, der seit Jahren gezielt mit dieser Politik für seine Produkte wirbt (dazu v. Werder, ZGR 1998, 69, 88). Dann handelt es sich aber bei dem fraglichen Verhalten nicht um Corporate Social Responsibility.

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§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen

II. Insbesondere: Zuwendungen zu sozialen Zwecken Philanthropische Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln bilden ein besonders anschauliches Beispiel der vorstehend erörterten Gesichtspunkte. Auf den ersten Blick erscheint die Aufwendung von Gesellschaftsvermögen zur Unterstützung humanitärer und sozialer Zwecke als das Paradigma altruistischen Handelns zu Lasten der Anteilseigner. Moderne Regelungen im amerikanischen Recht erlauben ausdrücklich Zuwendungen „irrespective of corporate benefit“.28 Indes werden gerade in diesem Bereich besonders oft wirtschaftliche Vorteile als Folge des vermeintlich philanthropischen Handelns erwartet. Entsprechend selten dürfte die korporative Rhetorik die wahren Beweggründe zutreffend widerspiegeln. Eine differenzierende Betrachtung des tatsächlichen Phänomens muss daher der Untersuchung der rechtlichen Regelungen vorangehen.

1. Wirtschaftlich nützliche Zuwendungen Viele – vielleicht die meisten – Zuwendungen zu sozialen Zwecken lassen sich als rationale Bemühungen um Profitmaximierung erklären.29

a) Werbung und Marketing Ein nicht unbeachtlicher Teil der Aufwendungen, mit denen sozial erwünschte Projekte aus Gesellschaftsmitteln unterstützt werden, erweist sich bei näherer Betrachtung schlicht als eine besonders geschickte Form von Werbung für die eigenen Produkte.30 Zuwendungen an soziale Organisationen versprechen die Möglichkeit, bestimmte Konsumentengruppen anzusprechen und neue Märkte für Produkte zu öffnen.31 Ein typisches Beispiel für dieses Verhalten stellt das Engagement der Coors-Brauerei zur Bekämpfung des Analphabetismus unter jungen Frauen im Jahr 1992 dar.32 Als Folge der öffentlich geäußerten konservativen Ansichten von Mitgliedern der Familie Coors litt das Unternehmen unter einem schlechten Ruf bei den Angehörigen traditionell benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen. Die von Coors mit erheblichem finanziellen Aufwand initiierte Kampagne mit dem – gewollt doppeldeutigen – Motto „Literacy. Pass It On.“ war speziell darauf aus-

28 Auf den Ausnahmecharakter dieser Regelungen im System des amerikanischen Gesellschaftsrechts weisen hin Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 966 (1999). 29 Vgl. H. W. Smith, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 757, 763 (1997). 30 Zu dieser Fallgruppe ausführlich Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 60 ff. (1994). 31 Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 61 (1994). 32 Vgl. dazu den Artikel in der NY Times vom 21. Juli 1992, S. D 17 mit dem Titel „Coors Tries to Polish Image With Campaign For Literacy“.

II. Insbesondere: Zuwendungen zu sozialen Zwecken

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gerichtet, Coors’ Marktanteil unter jungen Frauen aus unterprivilegierten Schichten zu erhöhen. Der Werbeeffekt sozialen Engagements bleibt auch den Empfängern der Zuwendungen nicht verborgen, wie das folgende Beispiel belegt: Nachdem der Staat New York die finanzielle Unterstützung für das Puerto Rican Traveling Theatre in New York City stark reduziert hatte, ersuchte der Theaterdirektor aktiv solche Unternehmen um Unterstützung, die ein besonderes geschäftliches Interesse an der hispanischen Gemeinde New Yorks haben und fand Gehör bei Annheuser-Busch.33 Ein Manager der Brauerei erklärte die Unterstützung des Theaters freimütig als „a way of investing in the community that has made Annheuser-Busch No. 1 in the Hispanic market.“34 Besonders deutlich wird die Funktion sozialer Zuwendungen als besondere Form des Marketing in Fällen des sog. „cause-related marketing“ sowie des Sponsoring. aa) Cause-related marketing „Cause-related marketing“ beschreibt eine Verkaufsstrategie, bei der das Unternehmen verspricht, einen bestimmten Prozentsatz der Erlöse aus dem Verkauf eines spezifischen Produktes an eine bestimmte wohltätige Organisation zu spenden. Der Begriff geht zurück auf eine Kampagne des Kreditkartenunternehmens American Express in den achtziger Jahren. Für einen Zeitraum von drei Monaten hatte sich American Express verpflichtet, für jede Benutzung seiner Kreditkarte durch seine Kunden einen proportionalen Beitrag zur Renovierung der Freiheitsstatue in New York zu leisten. Durch ihre Entscheidung, die American Express Kreditkarte statt anderer Zahlungsmittel zu benutzen, konnten die Kunden somit die Höhe der Zuwendungen bestimmen. Der Umsatz mit bereits vorhandenen Karteninhabern sowie die Zahl der neuen Kunden von American Express stiegen in jenem Quartal deutlich an.35 Typische Vereinbarungen in diesem Bereich legen genau fest, welchen Prozentsatz des Umsatzes das Unternehmen für einen bestimmten sozialen Zweck „spendet“, während im Gegenzug die Empfängerorganisation der Gesellschaft das Recht einräumt, den Namen sowie das Logo (z. B. das Rote Kreuz) für Werbungszwecke zu benutzen.36 Wirtschaftlich handelt es sich bei der „Spende“ oftmals um Mittel, die ansonsten für konventionelle Werbung ausgegeben würden, auf diesem Wege Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 61 (1994). NY Times vom 14. Juli 1992, S. C16. 35 Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 64 (1994); zur weitverbreiteten Benutzung von „cause-related marketing“ im Zusammenhang mit Unterstützung für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 und den dabei entstehenden praktischen Problemen siehe NY Times vom 2. Februar 2002, S. A1. 36 Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 65 (1994). 33 34

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§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen

aber möglicherweise auch Kunden gewinnen können, die durch Werbung im herkömmlichen Sinn nicht angesprochen würden.37 Kunden gewinnen dabei die besondere Befriedigung, mit ihrem Kauf „Gutes“ zu tun.38

bb) Sponsoring Beim Sponsoring unterstützt das Unternehmen ein kulturelles oder sportliches Ereignis und wird im Gegenzug als Sponsor genannt.39 Im Ergebnis kauft das Unternehmen die Möglichkeit, die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen in ähnlicher Form, wie dies durch den Kauf von Werbezeit bei dem Fernsehsender, der das Ereignis überträgt, möglich wäre.40

b) Öffentlichkeitsarbeit im weiteren Sinne / Good will Auch über das Marketing bestimmter Produkte hinaus entspricht soziales Engagement oft dem wohlverstandenen Eigeninteresse von Gesellschaft und Gesellschaftern. Unternehmen sind langfristig auf die soziale Akzeptanz verschiedenster sozialer Gruppen angewiesen.41 Robert Haas, CEO von Levi Strauss & Company, hat diesen Aspekt anschaulich zum Ausdruck gebracht: „[H]owever small or large our enterprise, we cannot isolate our business from the society around us. Nor can we function without its goodwill. We may need the goodwill of a neighborhood to enlarge a corner store. We may need well-funded institutions of higher learning to turn out the skilled technical employees we require. We may need adequate community health care to curb absenteeism in our plants. Or we may need fair tax treatment for an industry to be able to compete in the world economy.“42 Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 66 (1994). Die Marketing-Literatur preist „cause-related marketing“ überschwenglich als wundersamen Weg an, die Interessen aller Beteiligten zu befriedigen. Siehe Steckel / Simons, Doing Best By Doing Good, S. 75: „If there is such a thing as a win-win-win proposition, causerelated marketing (CRM) is it. Corporations earn money and goodwill. Nonprofits gain money and exposure. And consumers get to spend money and feel good about it. In cause-related marketing, capitalism has actually become a philanthropic tool.“ 39 Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 67 (1994). 40 Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 14 (1998); in einem größeren Zusammenhang Röhrborn, Der Sponsoringvertrag als Innengesellschaft, S. 38 ff. 41 Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 32: „Daß die Aktiengesellschaft als good corporate citizen auftritt, ein vielfältiges Netz sozialer und politischer Kontakte aufbaut und sich an sozialen, politischen und kulturellen Aktivitäten beteiligt, ist Voraussetzung für ihre soziale Akzeptanz, ohne die wiederum die wirtschaftlich erfolgreiche Verfolgung des Unternehmensgegenstandes auf Dauer nicht gesichert ist.“; vgl. auch Abzug / Webb, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1035, 1045 (1997): „The concept of goodwill is extremely important to adequately explaining the corporate giving function because it captures the intangible public relations aspect of corporate gifts, and should be included in any explanation of corporate giving.“ 37 38

II. Insbesondere: Zuwendungen zu sozialen Zwecken

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Insbesondere mit der Unterstützung der Künste oder von Kulturprogrammen in Radio und Fernsehen ohne direkten Produktbezug „erkaufen“ Unternehmen sich ein Stück weit den Respekt gesellschaftlicher Eliten aus den verschiedensten Bereichen, nicht zuletzt der Politik, auf die sie für den möglichst reibungslosen Betrieb ihres eigentlichen Geschäfts angewiesen sind.43 Wohl nicht zufällig sind die größten Spender neben Unternehmen mit direktem Verbraucherkontakt wie Banken und Einzelhandelsketten44 solche Unternehmen, die aufgrund der kontroversen Natur ihres Geschäftsfelds besonders stark auf den Rückhalt maßgeblicher Gruppen in der Gesellschaft angewiesen sind.45

c) Der „Halo-Effekt“ und das „Sheep’s Clothing Principle“ Sowohl bei direkter Verknüpfung von Werbemaßnahmen mit der Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen als auch bei der zuletzt beschriebenen generelleren Bemühung um ein vorteilhaftes Image profitieren Unternehmen von der bildhaft als Halo-Effekt beschriebenen Assoziation des eigenen Namens mit einem sozialen Zweck:46 Danach strahlt das Ansehen der als vertrauenswürdig geltenden Nonprofit-Organisation und ihrer Mission wie ein heller Stern ab auf die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens. Mit Philanthropie im eigentlichen Sinne als Unterstützung sozialer Zwecke um ihrer selbst willen hat das korporative Engagement in all diesen Fällen wenig zu Zitiert bei Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 72 (1994). Vgl. Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 74 (1994). 44 Zahlenmaterial bei Useem, in: Powell, The Nonprofit Sector, S. 340 ff.; vgl. auch die ironische Einschätzung von Manne, in: Manne / Wallich, The Modern Corporation and Social Responsbility, S. 6: „One hears little public advocacy of corporate responsibility from the manufacturers of machine tools or heavy road building equipment.“ 45 Useem, The Inner Circle: Large Corporations and the Rise of Business Political Activity in the U.S and U.K, 1984, S. 120: „Exxon and other companies in the politically sensitive petroleum industry are among the most active supporters of arts on public television and elsewhere.“ Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 588 (1997), zählt Pharma-, Öl-, und Zigarettenindustrie zu den größten Spendern; vgl. auch Fisch, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1091, 1101 (1997); umfangreiche statistisches Material bei Morgan, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 771 (1997). 46 Eine plastische Beschreibung des Halo-Effekts aus der Sicht von Marketingfachleuten findet sich bei Steckel / Simons, Doing Best By Doing Good, 1992, S. 13 f.: „People trust nonprofits. It’s almost as simple as that. We tend to believe in what they do, and almost more importantly, in how they do it. They are tackling the most pressing problems of our time for reasons other than personal gain. For this, we tend to grant them respect. We acknowledge their integrity. We give them our trust. Business, of course, is not so fortunate. We all know that business’s bottom line is profit . . . However, companies that associate closely with nonprofits . . . find that an interesting thing happens. The goodwill accorded the nonprofit rubs off on them. Supporters of the organization begin to look favorably on the company, even to buy its products if that will help the cause. The public at large may see the company in a different light – as one that cares about people as well as profits. The company’s self-centered image is softened; its appeal to consumers grows.“ 42 43

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§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen

tun. Warum die Ausgaben für diese Zwecke gleichwohl nicht als normale Geschäftsausgaben behandelt und präsentiert werden, erklärt das von Eisenberg so genannte „Sheep’s Clothing Principle“: Wären Manager in der Öffentlichkeit stets darauf bedacht, auf die zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile des sozialen Engagements hinzuweisen, so ginge die Aura der good corporate citizenship und damit ein wesentlicher Vorteil dieser unkonventionellen Form der Werbung sogleich wieder verloren.47

d) Individuelle Spenden der Anteilseigner als mögliche Alternative? Individuelle Zuwendungen der Anteilseigner im Namen der Gesellschaft aus ihren ohne korporative Freigebigkeit entsprechend größeren Dividenden stellen – ganz abgesehen von den steuerlichen Nachteilen einer solchen Vorgehensweise – keine praktikable Alternative dar. Zum einen wären die Transaktionskosten prohibitiv hoch, da jeder Gesellschafter seiner Zahlung den Hinweis beifügen müsste, dass die Zuwendung im Namen der Gesellschaft erfolge.48 Zum anderen würde dieser Ansatz ein nur schwer zu lösendes „free-rider“-Problem zwischen den Aktionären schaffen. Denn der Vorteil gesteigerten good wills kommt allen Aktionären gleichermaßen proportional zum Wert ihrer Beteiligung an der Gesellschaft zugute, gleichgültig, ob sie individuell dazu beigetragen haben oder nicht. „Giving at the office“ zwingt alle Gesellschafter dazu, sich gleichmäßig an den Kosten wirtschaftlich vorteilhafter Zuwendungen zu beteiligen. 49

2. Die verbleibenden Fälle Zuwendungen aus Gesellschaftsvermögen, die zumindest langfristig höhere Profite erwarten lassen, stellen kein wirkliches gesellschaftsrechtliches Problem dar – niemand bestreitet, dass solche Ausgaben zulässig und wünschenswert sind.50 Selbst ein ausgesprochener Gegner von Corporate Social Responsibility wie Milton Friedman51 bezweifelt nicht, dass derartige Ausgaben ökonomisch sinnvoll sein können: „Charitable activity in some cases may contribute to a corporation’s 47 Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 14 f. (1998); Fleischer, AG 2001, 171, 174; ein anschauliches Beispiel für diesen Effekt findet sich bei Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 24 (1988). 48 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1203 (1999). 49 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1204 (1999); Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 68 f. (1988). 50 Fisch, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1091, 1095 (1997); H.P. Westermann, ZIP 1990, 771, 773 f. („selbstverständlich“); Katz, 3 J. of Law & Econ. 75, 78 (1960): „Many of these gifts . . . do not need a new justification.“; Minow, 54 Bus. Law. 997, 1003 f. (1999): „Some level of charity by corporations is not only acceptable, but should be encouraged . . . Companies can do well by doing good.“ 51 Vgl. Friedman, Capitalism and Freedom, S. 135.

II. Insbesondere: Zuwendungen zu sozialen Zwecken

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making as much money as possible. It may be that an enterprise needs goodwill of the community, that it wants to have its workers motivated to regard the enterprise as one that’s worth sacrificing for, worth working hard for, and so on, may find the most effective way to promote that kind of an environment is to provide charitable assistance in its local community.“52 Indes könnte nur eine sehr oberflächliche Untersuchung des Themas zu dem Schluss gelangen, dass alle Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln in diese Kategorie fallen. Empirische Studien haben bislang nicht den Nachweis einer Korrelation zwischen Spendenverhalten und Unternehmenserfolg erbringen können.53 Verzichtet das Unternehmen gar, wie dies beim klassischen Mäzenatentum oft üblich ist54, auf die öffentlichkeitswirksame Präsentation seines sozialen Engagements, so ist schwer nachvollziehbar, wie aus der Zuwendung irgendein Nutzen in Form gesteigerten good wills zu ziehen sein soll.55 Aber auch bei öffentlich sichtbarem Engagement stößt das good-will-Argument dann an seine Grenzen, wenn entweder der Nexus zum Geschäftsfeld der Gesellschaft völlig fehlt oder die finanzielle Größenordnung der Zuwendung bei Berücksichtigung des Barwertes der zukünftigen Vorteile eine Amortisation der „Investition“ auch bei großzügigstem Verständnis des unternehmerischen Ermessensspielraums vernünftigerweise nicht erwarten lässt.56 In die erste Kategorie fiele beispielsweise die Finanzierung einer Ausstellung von Jackson Pollocks Werken in New York durch einen Hersteller von Landmaschinen57, in die zweite die Verwendung eines Drittels des Jahresnettogewinns eines Ölunternehmens zum Bau eines Kunstmuseums (wenngleich der Delaware Supreme Court letzteren Fall anders entschied58).

52 Johnson, Freedom and Philanthropy: An Interview with Milton Friedman, Bus. & Society Rev., Spring 1989, S. 11, 14. 53 Vgl. die Nachweise bei Abzug / Weber, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1035, 1040 (1997); Fisch, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1091, 1097 (1997); Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 671 (1997). Nach einer Studie des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Roland Berger unter dem Titel „Kulturengagement von Unternehmen – integrierter Teil der Strategie?“ aus dem Jahr 2004 glaubt interessanterweise nicht einmal die Hälfte der befragten Unternehmenslenker in Deutschland, Österreich und der Schweiz, mit kulturellem Engagement Wettberwerbsvorteile für das eigene Unternehmen erzielen zu können. 54 So BGH AG 2002, 347, 349. 55 Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 967 (1999); Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 73 (anonyme Spenden nicht im Interesse der Gesellschaft); a.A. insoweit Abzug / Weber, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1035, 1039 (1997). 56 Vgl. Fleischer, AG 2002, 171, 174; zweifelnd zu zwei Fällen aus der Rechtswirklichkeit (Allianz-Umweltstiftung / Hoechst-Foundation mit einem Dotationskapital von jeweils 100 Mio. DM) Mülbert, ZGR 1997, 129, 158 Fn. 107; Schwartz, 52 Geo. Wash. L. Rev. 511, 516 (1984): „[I]f wealth enhancement justified the decision, the discounted value of anticipated profits should exceed present forgone gains.“ 57 So das Beispiel von Minow, 54 Bus. Law. 997, 999 (1999). 58 Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 51 (Del. 1991); dazu unten S. 70 ff.

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§ 2 Gegenstand der Untersuchung und Abgrenzungsfragen

Schließlich ist die gesamte good-will-Theorie ohnehin in erster Linie auf Unternehmen zugeschnitten, deren Abnehmer Endverbraucher in der westlichen Welt sind, die es sich leisten können und wollen, ihre Kaufentscheidung von dem „feeling warm and fuzzy“-Aspekt59 eines (Marken)produkts abhängig zu machen. Dabei handelt es sich aber nur um einen Teil der Weltmärkte. So ist es im Fall von fungiblen Produkten wie Beton, Stahl oder Elektronikteilen zur industriellen Weiterverarbeitung schwer vorstellbar, in welcher Form einem Zulieferer auf dem internationalen Markt ein finanziell messbarer Vorteil aus der Unterstützung sozialer Zwecke erwachsen könnte – Preis und Qualität dürften die einzigen Faktoren sein, mit denen der Verkäufer einen professionellen Einkäufer überzeugen kann.60

So der plastische Ausdruck von Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 68 (1994). So auch, wenngleich aus der entgegengesetzten Perspektive formulierend, Dunfee, 62 Law & Contemp. Probs. 129, 142 (1999): „For most markets, it may be that price and quality considerations dominate, but, for certain markets, moral desires may dominate.“ 59 60

§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA Rechtslage und Rechtsentwicklung zur Frage der Corporate Social Responsibility in den USA bieten ein facettenreiches und nicht immer widerspruchsfreies Bild, das mehr als ein Jahrhundert amerikanischer Wirtschafts- und Sozialgeschichte widerspiegelt.1 Die folgende Darstellung unternimmt es, die Entwicklung des geltenden Rechts nachzuzeichnen. Sie beginnt mit einem kurzen Überblick über die historischen Ursprünge der Diskussion, ohne den die heutige amerikanische Rechtslage nicht verständlich ist. Den Schwerpunkt des Abschnitts bilden dann die von der Rechtsprechung entwickelten common-law-Grundsätze zur Berücksichtigungsfähigkeit von Nichtaktionärsinteressen durch das Management amerikanischer Aktiengesellschaften (S. 46 ff). Den richterrechtlichen Regelungen werden schließlich in einem dritten Teil „other constituency statutes“ als die relativ neue gesetzgeberische Antwort vieler Bundesstaaten auf die Frage nach der Zulässigkeit derartiger Erwägungen gegenübergestellt (S. 97 ff).

I. Der historische Hintergrund der Diskussion 1. Vom legislativen Privileg zum System der Normativbestimmungen In der Anfangsphase der amerikanischen Rechtsentwicklung konnte eine corporation als rechtsfähige Einheit nur durch einen besonderen Akt des einzelstaatlichen Gesetzgebers geschaffen werden.2 Jede einzelne Gründung bedurfte der Zustimmung beider Häuser des jeweiligen Staatsparlaments sowie der Unterschrift des Gouverneurs. In der Regel wurde dieses Privileg nur für die Verfolgung eines im weitesten Sinne öffentlichen Zwecks gewährt.3 So handelte es sich bei den frü1 Für einen ersten Überblick Choper / Coffee / Gilson, Corporations, S. 35 ff.; Eisenberg, Corporations, S. 98 ff.; Solomon / Schwartz / Bauman / Weiss, Corporations, S. 88 ff.; Branson, 62 U. Pitt. L. Rev. 605 ff. (2001). 2 Umfassend zur Rechtsentwicklung Hurst, The Legitimacy of the Business Corporation, S. 13 ff.; in deutscher Sprache Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 51 ff. 3 Millon, 1990 Duke L.J. 201, 207. Beispiele früher „corporate charters“ legen eine Verpflichtung auf Interessen über die der Anteilseigner hinaus nahe. So enthielt der charter-Text der im Jahr 1790 inkorporierten New York Manufacturing Society folgende Passage: „Whereas James Nicholson and others, associated as a company under the style of the New York Manufacturing Society, for the laudable purposes of establishing manufacturies, and furnishing employment for the honest industrious poor, by their petition presented to this legislature, have prayed to be incorporated, to enable them more extensively to carry into

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§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA

hen rechtsfähigen Gesellschaften meist um Banken, Versicherungen oder Unternehmen zum Bau und Betrieb von Straßen, Kanälen und Brücken.4 Häufig war die Gewährung der Rechtsfähigkeit durch den corporate charter mit der Einräumung eines Monopols für ein bestimmtes Geschäftsfeld verbunden. Der amerikanische Rechtshistoriker James Willard Hurst hat diesen frühen Typ der amerikanischen Aktiengesellschaft treffend als „public-utility-type enterprise“ bezeichnet.5 Misstrauen der amerikanischen Öffentlichkeit gegenüber dieser Form der Privilegierung einzelner, die zu Korruption und Nepotismus einlud, sowie die mit der Industrialisierung einhergehende verstärkte Nachfrage nach Inkorporierung, der die Parlamente kaum gewachsen waren, führten ab Anfang des 19. Jahrhunderts zum Erlass genereller Gesellschaftsgesetze.6 Dabei handelte es sich um Gesetze, die jedermann den Zugang zur Rechtsform der Kapitalgesellschaft eröffneten, sofern nur bestimmte formale Mindestvoraussetzungen erfüllt waren. Den Anfang machte 1811 New York mit einem entsprechenden Gesetz für Manufakturen7, es folgten Pennsylvania (1836), North Carolina (1836), Michigan (1837) und Connecticut (1837) mit ähnlichen Vorschriften für das produzierende Gewerbe.8 Im Jahr 1896 erließ New Jersey schließlich das erste umfassende moderne Gesellschaftsgesetz, das den Gründern weitestgehende Freiheit hinsichtlich der internen Organisation ihrer Gesellschaft einräumte.9 Der Übergang vom besonderen Privileg zur allgemein verfügbaren Rechtsform hatte Konsequenzen für das Verständnis der sozialen Rolle von Kapitalgesellschaften. Aktiengesellschaften verdankten ihre Existenz nun nicht mehr in erster Linie einem staatlichen Akt, sondern der Initiative der Gründergesellschafter und dienten deren privaten Zwecken.10 Die Tatsache, dass die Verleihung der Rechtsfähigkeit effect their patriotic intentions.“ Siehe An Act to incorporate the stockholders of the New York Manufacturing Society, Laws of New York, Ch. 26 (Mar. 16, 1790). Eine ähnliche Orientierung am öffentlichen Interesse offenbart die Präambel eines Gesellschaftsgesetzes für Kanalbauer in North Carolina aus dem Jahr 1795: „Whereas it has been demonstrated by the experience of the most improved and well cultivated countries, that opening communications by cutting canals, has been productive of great wealth and convenience: And whereas it has been represented to this General Assembly, that cutting canals . . . would greatly facilitate and encourage merchandize, and consequently contribute to the wealth and revenue of this state . . . and also be productive of the most salutary effects, by draining noxious marshes, swamps and low lands, which will promote health, reclaim immense quantities of our most fertile lands, and in a peculiar manner tend to the wealth and welfare of this state, which it is the most ardent desire of this legislature at all times to promote by every useful undertaking.“ (Zitiert bei Smith, 23 J. Corp. L. 277, 296 (1998).) 4 Lipton / Rosenblum, 58 U. Chi. L. Rev. 187, 193 (1991). 5 Hurst, The Legitimacy of the Business Corporation, S. 17. 6 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 2.1. 7 1811 N.Y. Laws ch. 67. 8 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 2.2. 9 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 2.2. 10 Millon, 1990 Duke L.J. 201, 211 ; Mark, 54 U. Chi. L. Rev. 1441, 1444 (1987).

I. Der historische Hintergrund der Diskussion

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nach wie vor staatliches Handeln voraussetzte, trat in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend in den Hintergrund.11 Erfolgreiche Gesellschaften waren das Produkt unternehmerischer Initiative und der anonymen Kräfte des Marktes. Das Gesellschaftsrecht hatte seinen öffentlich-rechtlichen Charakter weitgehend verloren und war zu einem Zweig des Privatrechts geworden.12 In den Mittelpunkt des richterlichen Interesses rückte der Schutz der Anteilseigner vor illoyalen und nachlässigen Managern sowie vor missbräuchlichem Verhalten der Mehrheitsaktionäre.13 Als rechtstechnisches Mittel zur Umsetzung dieses Ziels diente die Verpflichtung der Manager, stets im Interesse der – und damit aller – Gesellschafter zu handeln.14 Dabei griff die Rechtsprechung auf eine Analogie zur überlieferten equityRechtsfigur des trust zurück und qualifizierte Manager als trustees und Anteilseigner als cestuis que trust.15 Diese Entwicklung lässt sich anschaulich als die Geburt der „shareholder primacy norm“16 bezeichnen. Bereits im Jahr 1855 konnte der oberste Gerichtshof der USA mit Gewissheit feststellen: „It is now no longer doubted, either in England or the United States, that courts of equity, in both, have a jurisdiction over corporations, at the instance of one or more of their members, (. . . ) to prevent any misapplication of their capitals or profits, which might result in lessening the dividends of stockholders, or the value of their shares, as either may be protected by the franchises of a corporation, if the acts intended to be done create what is in the law denominated a breach of trust.“17

2. Dodge v. Ford Motor Co. (1919) Mit aller Deutlichkeit brachte der Michigan Supreme Court die alleinige Verpflichtung des Vorstands auf das Aktionärsinteresse in der klassischen Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co.18 zum Ausdruck. Auslöser war ein Streit um die Gewinnverwendung der Ford Motor Company. Im Jahr 1916 blickte die Geschäftsleitung auf das profitabelste Geschäftsjahr in der Geschichte des Unternehmens zurück. Mit einem Gesamtvermögen von über 132 Mio. $ und Verbindlichkeiten von wenig mehr als 20 Mio. $ verfügte das Unternehmen über einen Überschuss von nahezu 112 Mio. $, davon fast 54 Mio. $ in bar und anderen liquiden Mitteln. Für das nächste Geschäftsjahr war mit einem Millon, 1990 Duke L.J. 201, 211. Millon, 1990 Duke L.J. 201, 213. 13 G. Smith, 23 J. Corp. L. 277, 306 (1998). 14 G. Smith, 23 J. Corp. L. 277, 306 (1998). 15 Beispielsweise Taylor v. Miami Exporting Co., 5 Ohio 162, 166 (1831): „I look upon it as clear, that all corporations are trustees for the individuals of which they are composed.“; vgl. auch Robinson v. Smith, 3 Paige Ch. 222 (N.Y. Ch. 1832). 16 So die Formulierung von Smith, 23 J. Corp. L. 277, 306 (1998). 17 Dodge v. Woolsey, 59 U.S. (18 How.) 331, 341 (1855). 18 170 N.W. 668 (Michigan 1919). 11 12

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§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA

Profit von weiteren 60 Mio. $ zu rechnen.19 Gleichwohl verweigerte das board die Ausschüttung einer Sonderdividende, worauf die Dodge-Brüder, Minderheitsaktionäre bei Ford, Klage erhoben.20 Das oberste Gericht des Staates Michigan gab der Klage insoweit statt, als der vorhandene Überschuss zur Senkung der Autopreise von 440 $ auf 360 $ verwendet werden sollte.21 Ausschlaggebend für dieses Urteil war nicht so sehr der objektive Gehalt der angegriffenen Entscheidung: Das Gericht erkannte dem board in der Frage der Gewinnverwendung ein weites Ermessen zu, und es liegt auf der Hand, dass Preissenkungen durch Verbreiterung der Nachfrage der langfristigen Profitmaximierung dienen können (obgleich Ford selbst zum Preis von 440 $ die Nachfrage nie voll befriedigen konnte).22 Entscheidend war vielmehr der subjektiv verfolgte Zweck der Preissenkung:23 Henry Ford, Mehrheitsaktionär und Mitglied des boards, hatte öffentlich und als Zeuge im Prozess erkennen lassen, dass der wahre Grund für die Preissenkung seine philanthropischen Überzeugungen waren. Seiner Meinung nach hatte das Unternehmen in der Vergangenheit „zu viel“ Gewinn gemacht und sollte nun einen Teil der Gewinne mit den Arbeitnehmern und der amerikanischen Öffentlichkeit durch Senkung der Preise teilen.24 Gegenüber dem Herausgeber der Detroit News hatte er geäußert: „I do not believe that we should make such awful profits on our cars. A reasonable profit is right, but not too much.“25 Einen solchermaßen motivierten Gewinnverwendungsbeschluss hielt das Gericht für rechtswidrig. Denn, führten die Richter mit den seither unendlich oft zitierten Worten aus, „[a] business corporation is organized and carried on primarily for the profit of the stockholders. The powers of the directors are to be employed for that end. The discretion of the directors is to be employed in the choice of the means to attain that end and does not extend to a change in the end itself“26. 170 N.W. 668, 683 (1919). Instruktiv zum Hintergrund der Streitigkeiten G. Smith, 23 J. Corp. L. 277, 315 ff. (1998). 21 Die Kläger unterlagen mit ihrem Verlangen, Ford den Bau eines neuen Werkes mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu untersagen. Insoweit handelte es sich um eine vom Gericht zu respektierende Unternehmerentscheidung, die sich ganz in den herkömmlichen Bahnen kaufmännischen Denkens bewegte und daher nicht zu beanstanden war, 170 N.W. 668, 684 (1919). 22 Siehe 170 N.W. 668, 683 (1919). 23 Zu diesem Unterschied Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 9 (1988): „[I]t may be said that Mr. Ford’s legal setbacks were due not so much to the substance of what he wanted to do as to the transparency of his motives for wanting to do it.“ 24 Vgl. die vom Gericht wiedergegebene Aussage Henry Fords, 170 N.W. 668, 683 (1919): „My ambition is to employ still more men, to spread the benefit of this industrial system to the greatest possible number, to help them build up their lives and their homes. To do this we are putting the greatest share of our profits back in the business.“ 25 Wiedergegeben bei Gelderman, Henry Ford: The Wayward Capitalist (1981), S. 83. 26 170 N.W. 668, 684 (1919). 19 20

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Zwar stellt das Gericht die Rechtsmacht des Vorstands, Gewinne zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitarbeiter zu verwenden, nicht in Frage, belehrte Henry Ford aber mit scharfen Worten über den Unterschied zwischen Mittel und Zweck: „The difference between an incidental humanitarian expenditure of corporate funds for the benefit of the employees, like the building of a hospital for their use . . . , and a general purpose and plan to benefit mankind at the expense of others, is obvious. There should be no confusion of the duties which Mr. Ford conceives that he and the stockholders owe to the general public and the duties which in law he and his codirectors owe to . . . minority stockholders.“27

3. Die Berle-Dodd-Debatte Gut ein Jahrzehnt nach der dezidierten Stellungnahme des Michigan Supreme Court für eine alleinige Ausrichtung des Gesellschaftsrechts auf die Interessen der Anteilseigner hatte sich die Stimmung in Amerika gewandelt. Vor dem historischen Hintergrund der Großen Depression und dem damit einhergehenden verbreiteten Zweifel an der Funktionsfähigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems28 fand zwischen den beiden Rechtsprofessoren Adolph Berle und Merrick Dodd ein heute legendärer akademischer Schlagabtausch statt, der die weitere Diskussion um Corporate Social Responsibility nachhaltig prägte und bis heute überschattet.29

a) Berle / Means: Manager als Treuhänder des Aktionärsvermögens Ausgangspunkt der Debatte war die von Adolph Berle und Gardiner Means in ihrem berühmten Werk The Modern Corporation and Private Property getroffene Feststellung, in der modernen Aktiengesellschaft verfügten die Anteilseigner über keinerlei effektive Kontrollmöglichkeiten mehr gegenüber dem Management.30 Die Rolle des Aktionärs habe sich vom Unternehmergesellschafter zu der eines 170 N.W. 668, 684 (1919). Den besonderen zeitgeschichtlichen Hintergrund der Diskussion betonen Blumberg, 50 B.U. L. Rev. 157, 158 (1970); Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 17 (1988); Hanks, 21 Stetson L. Rev. 97 (1991); Morrissey, 40 Syracuse L. Rev. 1005, 1012 (1989); Rostow, in: Mason, The Corporation in Modern Society, S. 69; ausdrückliche Bezüge zur Großen Depression finden sich bei Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1151, 1154 (1932). 29 Berle, 44 Harv. L. Rev. 1049 (1931); Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145 (1932); Berle, 45 Harv. L. Rev. 1365 (1932); aus der späteren Diskussion siehe nur Weiner, 64 Colum. L. Rev. 1458 (1964) sowie Sommer, 16 Del. J. Corp. L. 33, 36 (1991); vgl. die Einschätzung der Bedeutung für die moderne Diskussion bei Allen, 14 Cardozo L. Rev. 261, 273 Fn. 39 (1992): „still lively and informative debate of almost sixty years ago.“ 30 Berle / Means, The Modern Corporation and Private Property; vgl. dazu den instruktiven Beitrag von Bratton, 26 J. Corp. L. 737 (2001) sowie die Symposiumsbeiträge in 26 J.L. & Econ. 235 – 496 (1983). 27 28

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„absentee owners“ entwickelt, dem nicht nur die Möglichkeit, sondern angesichts gestreuter Kleinstbeteiligungen in verschiedenen Gesellschaften auch der wirtschaftliche Anreiz fehlte, das Verhalten des Managements zu überwachen.31 Insbesondere das Stimmrecht der Aktionäre habe seine Bedeutung als Kontrollmechanismus verloren, da das amtierende board weitgehend das Abstimmungsverfahren bestimmen und zu seinen Gunsten benutzen könne.32 Andererseits schaffe das nur minimale oder völlig fehlende Anteilseigentum der professionellen Manager für diese die Versuchung, ihre eigenen Vorteile auf Kosten der Aktionäre zu maximieren33 – ein Phänomen, das heute unter dem Schlagwort „agency-Kosten“ allgemein anerkannt ist34 (wenngleich Berle und Means die disziplinierende Wirkung des Markts für Unternehmenskontrolle völlig außer acht ließen35). Die Lösung oder zumindest Milderung des mit der Trennung von Anteilseigentum und Herrschaft (separation of ownership and control) einhergehenden Problems opportunistischen Managerverhaltens versprachen sich Berle und Means von einer strikten rechtlichen Verpflichtung des Managements auf die Interessen der Aktionäre.36 Diese Ansicht äußerte Berle bereits 1931 in seinem Aufsatz Corporate Powers as Powers in Trust37, der mit dem gleichnamigen Kapitel in The Modern Corporation and Private Property weitgehend identisch ist. Als dogmatisches Vehikel zur erstrebten Einschränkung des Ermessensspielraums von Managern diente Berle die bereits erwähnte Analogie zur überkommenen Trust-Doktrin des anglo-amerikanischen Rechts. Als Treuhänder für das Aktionärsvermögen waren Unternehmensleiter nach Berles Auffassung (im Einklang mit der richterlichen Sicht in Dodge v. Ford Motor Company) verpflichtet, stets und allein im Interesse der Anteilseigner zu handeln: „[A]ll powers granted to a corporation or to the management of a corporation, whether derived from statute or charter or both, are Berle / Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 66 ff. Berle / Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 84 ff. 33 Berle / Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 121 ff. 34 Grundlegend Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976); dazu unten S. 164 ff. 35 Darauf weist hin Parkinson, S. 263. 36 Berle / Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 247 ff. Im rechtspolitischen Ausblick am Ende ihres Buches äußerten Berle und Means große Sympathie für eine grundlegende gesetzliche Umgestaltung des Aktieneigentums als Konsequenz des von ihnen festgestellten Wandels des Rechtsinstituts: „It is conceivable – indeed it seems almost essential if the corporate system is to survive, – that the „control“ of the great corporation should develop into a purely neutral technocracy, balancing a variety of claims by various groups in the community and assigning to each a portion of the income stream on the basis of public policy rather than private cupidity.“ (S. 356). Berle und Means befürworteten also keineswegs per se Profitmaximierung als das einzig legitime Ziel von Aktiengesellschaften. Ablehnend standen sie jedoch allen Forderungen gegenüber, den Ermessensspielraum des Vorstands zur freiwilligen Berücksichtigung solcher Interessen zu erweitern. Solange der Gesetzgeber das Rechtsinstitut des Aktieneigentums nicht reformiere, sei an einer strikten Verpflichtung des Managements allein auf das Interesse der Anteilseigner als dem „geringeren Übel“ (S. 355) festzuhalten. 37 Berle, 44 Harv. L. Rev. 1049 (1931). 31 32

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necessarily and at all times exercisable only for the ratable benefit of all the shareholders as their interest appears.“38

b) Dodds neue Konzeption fiduziarischer Pflichten Die von Berle geforderte alleinige Verpflichtung des Vorstands auf das Aktionärsinteresse stieß auf den energischen Widerspruch von Merrick Dodd, der in seinem Aufsatz mit dem Titel For Whom are Corporate Managers Trustees? für ein neues, breiteres Verständnis von fiduziarischen Pflichten plädierte.39 Zwar unterstützte er Berles grundsätzliches Bemühen um effektivere rechtliche Kontrollmechanismen zum Schutz der Anleger vor opportunistischen Managern.40 Jedoch hielt Dodd vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Großen Depression die alleinige Ausrichtung des Gesellschaftsrechts auf Profitmaximierung für die Anteilseigner nicht für wünschenswert.41 In Einklang mit dem insgesamt pragmatischen Ansatz der New Deal-Reformbewegung42 betonte Dodd die geänderte Wahrnehmung der sozialen Rolle großer Aktiengesellschaften in der Öffentlichkeit: Die öffentliche Meinung, die in seinen Augen letztendlich die Rechtsentwicklung bestimme, erwarte ein soziales Engagement der Aktiengesellschaft über die engen Grenzen der Profitmaximierung hinaus.43 Historisch habe das Rechtssystem geschäftliche Betätigung vor allem deshalb erlaubt und gefördert, weil sie den Interessen des Gemeinwesens nutzte.44 Unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Umständen könne das kapitalistische System nur überleben, wenn es den Schutz von Arbeitnehmern und anderen Bezugsgruppen als seine Aufgabe begreife.45 Werde die amerikanische Geschäftswelt ihrer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft nicht freiwillig gerecht, so seien staatliche Zwangsmaßnahmen unumgänglich.46 38 Berle, 44 Harv. L. Rev. 1049 (1931); Berle / Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 248. 39 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145 (1932). 40 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1147 (1932). 41 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1147 f. (1932): „[I]t is undesirable, even with the laudable purpose of giving stockholders much-needed protection against self-seeking managers, to give increased emphasis at the present time to the view that business corporations exist for the sole purpose of making profits for the stockholders.“ 42 Morrissey, 40 Syracuse L. Rev. 1005, 1013 (1989). 43 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1148 (1932). 44 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1149 (1932). 45 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1152 (1932). 46 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1162 (1932). Der Aspekt drohender Zwangsmaßnahmen kommt in den von Dodd auf S. 1155 wiedergegebenen Äußerungen des Präsidenten von General Electric, Swope, deutlich zum Ausdruck: „[O]rganized industry should take the lead, recognizing its responsibility, to its employees, to the public, and to its stockholders – rather than that democratic society should act through its government.“

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§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA

In der modernen Publikumsgesellschaft könne die soziale Verantwortung der Geschäftswelt nur durch die professionellen Manager wahrgenommen werden.47 Diese Rolle entspreche dem gewandelten Selbstverständnis der Managereliten, wie es in der von Dodd zitierten Ansprache des Chief Executive Officer von General Electric, Owen Young, aus dem Jahr 1929 zum Ausdruck komme.48 Die neue Rolle von Managern als „guardians of all the interests which the corporation affects“49 lasse sich in das dogmatische Gerüst des amerikanischen Gesellschaftsrechts einfügen durch eine stärkere Betonung der Gesellschaft als einer von den Aktionären zu unterscheidenden selbständigen Einheit, die mehr sei als „a mere aggregate of stockholders.“50 Bei der (unbestrittenen) Konzeption der Aktiengesellschaft als eigenständiger juristischer Person handele es sich um mehr als eine juristische Fiktion.51 Auch in der sozialen Wirklichkeit seien Aktiengesellschaften eigenständige Institutionen.52 Als Akteure im Geschäftsleben werde von ihnen wie von jeder anderen Person erwartet, dass sie über die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen hinaus ihrer sozialen Verantwortung gerecht würden.53 Dieses Verständnis lasse sich in die Kategorien der Trust-Analogie übersetzen, indem man Manager als „trustees for an institution rather than attorneys for the stockholders“ behandele.54 Auf diesem Wege von den Fesseln einer Verpflichtung allein auf das Aktionärsinteresse befreit, seien Manager rechtlich in der Lage, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen. Interessanterweise räumte Dodd selbst ein, dass sein Modell Managern möglicherweise eine gefährlich große Machtfülle einräume und die von ihnen geforderte Berücksichtigung verschiedenster Interessen deren Fähigkeiten übersteige und sprach damit bereits zwei zentrale Argumente gegen Corporate Social Responsibility an, auf die im weiteren Verlauf dieser Abhandlung zurückzukommen sein wird.55 Praktikabilität oder volkswirtschaftliche Effizienz des Modells waren indes nicht Gegenstand seiner Untersuchung. Ziel von Dodds Beitrag war es allein zu zeigen, dass die freiwillige Berücksichtigung sozialer Interessen auf Kosten der Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1153 (1932). Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1154 (1932). Young hatte u. a. gesagt: „Customer have a right to demand that a concern so large shall not only do its business honestly and properly, but, further, that it should meet its public obligations and perform its public duties – in a word, vast as it is, that it should be a good citizen.“ Die daraus resultierende neue Rolle des Managements beschrieb Young so: „One no longer feels the obligation to take from labor for the benefit of capital, not to take from the public for the benefit of both, but rather to administer wisely and fairly in the interest of all.“ 49 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1157 (1932). 50 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1160 (1932). 51 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1160 (1932). 52 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1160 (1932). 53 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1161 (1932). 54 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1160 (1932). 55 Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1162 (1932). 47 48

I. Der historische Hintergrund der Diskussion

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Aktionäre theoretisch mit den Prinzipien des amerikanischen Gesellschaftsrechts vereinbar sei.56

c) Berles Replik und der weitere Verlauf der Debatte In seiner Replik wies Berle das Modell Dodds als unpraktikabel zurück.57 Mangels durchsetzbarer Rechtspflichten des Vorstands gegenüber anderen Bezugsgruppen außer den Aktionären handele es sich bei Dodds Konzeption um ein „zahnloses Ideal“58, welches dem Management im Ergebnis unkontrollierbare Macht einräume.59 Solange niemand ein System klarer und durchsetzbarer gesetzlicher Pflichten des Vorstands gegenüber Nicht-Aktionären präsentiere, sei daher an einer strikten rechtlichen Bindung von Managern an die Interessen der Anteilseigner festzuhalten.60 Im Jahr 1954 räumte Berle unter Hinweis auf die Entscheidung in A. P. Smith v. Barlow61 (dazu ausführlich unten S. 64 ff) ein, dass die weitere Rechtsentwicklung seit 1932 der Ansicht Dodds gefolgt sei, ohne freilich von seiner eigenen Position grundsätzlich abzurücken.62 Bemerkenswerterweise hatte Dodd bereits zehn Jahre nach der Veröffentlichung seines Aufsatzes in einer wenig beachteten Rezension zugegeben, dass die New-Deal-Gesetzgebung der dreißiger Jahre zum Schutz von Arbeitnehmern seiner Forderung nach freiwilliger Übernahme sozialer Verantwortung viel von ihrer Überzeugungskraft genommen hatte.63

So ausdrücklich Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1162 (1932). Berle, 45 Harv. L. Rev. 1365 (1932). 58 So die Formulierung von Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 18 (1988). 59 Berle, 45 Harv. L. Rev. 1365, 1367 (1932). 60 Berle, 45 Harv. L. Rev. 1365, 1367 f. (1932). 61 98 A.2d 581 (N.J. 1953), appeal dismissed 346 U.S. 86 (1953). 62 Berle, The 20th Century Capitalist Revolution, 1954, S. 169: „Twenty years ago the writer had a controversy with the late Professor E. Merrick Dodd, of Harvard Law School, the writer holding that corporate powers were powers in trust for shareholders while Professor Dodd argued that these powers were held in trust for the entire community. The argument has been settled (at least for the time being) squarely in favor of Professor Dodd’s contention.“ 63 Dodd, Book Review, 9 U. Chi. L. Rev. 538, 546 f. (1942): „[T]he implementing of the obligations of business toward labor has been accomplished by means other than treating business managers as in some measure fiduciaries for their employees. It has been accomplished in part by granting labor certain specific statutory rights which business corporations and their managers are bound to respect, and in part by encouraging labor to organize so that it may bargain with management on something like equal terms.“ 56 57

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§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA

II. Die Rechtslage außerhalb des Anwendungsbereichs von other constituency statutes Im folgenden Abschnitt soll versucht werden, die common-law-Rechtsentwicklung von Corporate Social Responsibility nachzuzeichnen und die geltenden richterrechtlichen Grundsätze zur freiwilligen Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht darzustellen. Dabei handelt es sich auch nach dem Erlass von other constituency statutes um geltendes Recht von hoher praktischer Relevanz, da nicht alle Bundesstaaten und insbesondere nicht Delaware ihren Gesellschaftsgesetzen ausdrückliche Regelungen zur Stellung der „stakeholders“ hinzugefügt haben und außerdem über Reichweite und Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmungen nach wie vor Unklarheit herrscht.64 Die Darstellung trennt zwischen „normalen“ Leitungsentscheidungen bei Unternehmen mit unbegrenztem Zeithorizont einerseits und Managemententscheidungen im Zusammenhang mit einem bevorstehenden oder zu erwartenden Kontrollwechsel andererseits, da die Rechtsprechung unterschiedliche Regelungen für beide Konstellationen entwickelt hat. Zur erstgenannten Gruppe zählen auch Entscheidungen über die Ausreichung von Unternehmensspenden, deren rechtlicher Behandlung ein eigener Unterabschnitt (S. 55 ff.) gewidmet ist. Der Analyse der Fallgruppen voraus geht eine kurze Skizze der Binnenstruktur amerikanischer Aktiengesellschaften, beschränkt auf dasjenige, was zum Verständnis der weiteren Ausführungen unabdingbar ist.

1. Überblick über die Leitungsstruktur der amerikanischen Aktiengesellschaft a) Directors und officers als Leiter der Gesellschaft Soweit in der Satzung nichts anderes bestimmt ist – im Gegensatz zu § 76 Abs. 1 AktG sind die amerikanischen Regelungen nicht zwingend –, legen § 141 (a) Delaware General Corporation Law65 und die entsprechenden Vorschriften in anderen Bundesstaaten die Leitung der Gesellschaft in die Hände des board of directors: „The business and affairs of every corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a board of directors, except as may be Zu den Auslegungsversuchen ausführlich unten S. 97 ff. Zur besonderen Bedeutung Delawares für das amerikanische Gesellschaftsrecht und den Gründen für diese Dominanz siehe nur Romano, The Genius of American Corporate Law, S. 37 ff.; Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 2.4 m. w. N.; sehr lesenswert zur historischen Entwicklung der Gerichtsbarkeit des Staates Delaware Quillen / Hanrahan, in: Court of Chancery of the State of Delaware – 1792 – 1992 (Sammelband herausgegeben von der Historical Society des Gerichts), abrufbar auf der Internetseite des Gerichts unter http: / / courts.state.de.us / chancery / history.htm. 64 65

II. Rechtslage außerhalb des Anwendungsbereichs von other constituency statutes

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otherwise provided in this chapter or in its certificate of incorporation.“ Die Aktionäre wählen jährlich das board of directors.66 Dieses wiederum ernennt den chief executive officer (CEO) und andere officers, wobei zumindest der CEO stets auch zugleich Mitglied (und meist Vorsitzender67) des boards ist.68 Officers sind professionelle Manager aus dem Unternehmen, die das Tagesgeschäft der Gesellschaft leiten und in der Regel die Mehrheit der board-Mitglieder ausmachen.69 Bei den board-Mitgliedern, die nicht zugleich officers der Gesellschaft sind, handelt es sich in der Regel um Rechtsanwälte, Bankiers oder officers anderer Gesellschaften, die mit der Gesellschaft in Geschäftsbeziehung stehen. Praktisch kontrolliert der CEO als die dominierende Managerpersönlichkeit die Geschicke der Gesellschaft.70 Im weiteren Gang der Untersuchung wird in der Regel nicht zwischen officers und directors sowie inside und outside directors unterschieden, sondern der Einfachheit halber vom Vorstand, board oder Management die Rede sein, da diese Unterscheidungen für die hier interessierende Fragestellung, ob und in welchem Umfang die Leitungsorgane berechtigt sind, andere Interessen als die der Aktionäre wahrzunehmen, keine Bedeutung hat.

b) Fiduziarische Pflichten und die business judgment rule Directors und officers als Wahrer fremder Interessen stehen in einem fiduziarischen Pflichtenverhältnis zu der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern.71 Die fi§ 211 Delaware General Corporation Law. Die weithin übliche Personalunion zwischen dem Vorsitzenden des boards und dem CEO ist im Lichte der Bilanzskandale um Enron und Worldcom in die Kritik geraten; ein Expertengremium unter dem Vorsitz des designierten US-Finanzministers John Snow hat jüngst die Trennung dieser Funktionen gefordert, vgl. FAZ vom 11. 01. 2003, S. 20; ausführlich zum Enron-Skandal aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Bratton, 76 Tul. L. Rev. 1275 (2002) unter dem Titel „Enron and the Dark Side of Shareholder Value“. 68 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 9.1. 69 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 9.2. Der Sarbanes-Oxley-Act aus dem Jahr 2002 und die zu seiner Implementierung erlassenen Vorschriften des New York Stock Exchange sehen vor, dass zukünftig das board mehrheitlich mit von der Gesellschaft unabhängigen Mitgliedern besetzt sein muss. Ausführlich und kritisch zu den Reformen Ribstein, 28 J. Corp. L. 1 (2002); Überblick in deutscher Sprache bei Donald, WM 2003, 705. 70 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 9.2; vgl. zur Frage der Zulässigkeit eines „starken“ Vorstandsvorsitzenden nach Vorbild des amerikanischen CEO im deutschen Aktienrecht v. Hein, ZHR 166 (2002), 464. 71 Guth v. Loft, Inc., 5 A.2d 503, 510 (Del. 1939); Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 811 (Del. 1984); Smith v. van Gorkom, 488 A.2d 585, 872 (Del. 1985); Malone v. Brincat, 722 A.2d 5, 10 (Del. 1998); Dankoff v. Bowling Proprietors Ass’n of Am., Inc., 331 N.Y.S. 2d, 109, 112 (N.Y. Sup. Ct. 1972); zu den historischen Wurzeln dieser equity-Doktrin im angloamerikanischen Trust-Recht siehe Allen, in: Comparative Corporate Governance, S. 314 f.; zur grundsätzlichen Unterscheidung zwischen law und equity im englischen Recht und der Rezeption dieser Denkfiguren in den USA, Bodenheimer / Oakley / Love, Introduction to the Anglo-American Legal System, S. 53 ff. 66 67

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duziarischen Pflichten der Manager lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: die duty of loyalty und die duty of care.72 Während erstere Pflicht den Vorrang des Gesellschaftsinteresses gegenüber persönlichen Interessen bei der Wahrnehmung der Leitungsaufgaben gewährleisten soll, stellt die duty of care Anforderungen an die Art und Weise, mit der die Geschäftsleiter die Interessen der Gesellschaft zu verfolgen haben.73 Verletzungen der fiduziarischen Pflichten durch das Management lösen einen Ersatzanspruch der Gesellschaft aus, der von einzelnen Aktionären unter bestimmten Umständen für die Gesellschaft im Wege der derivativen Klage geltend gemacht werden kann.74 Ansprüchen wegen Verletzung der duty of care setzt indessen die sog. business judgment rule enge Grenzen.75 Um sozial erwünschte, weil wohlfahrtssteigernde, unternehmerische Risikoübernahme nicht über Gebühr durch richterlichen Interventionismus einzuschränken76, lassen amerikanische Gerichte Angriffe auf Managemententscheidungen scheitern, solange die fragliche Entscheidung drei Voraussetzungen erfüllt: Die Entscheidung muss (1) frei von Interessenkonflikten getroffen worden sein, (2) auf einer ausreichenden Informationsgrundlage beruhen und (3) inhaltlich einen objektiv nicht völlig irrationalen Versuch darstellen, das Gesellschaftsinteresse zu verfolgen.77 Dabei betrifft die erste Voraussetzung die 72 Vgl. die Einteilung bei Allen, in: Comparative Corporate Governance, S. 315; Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 10.1. 73 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 10.1. 74 Grundlegend aus der neueren Rechtsprechung zu Funktion und Voraussetzungen der derivative suit Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 811 ff. (Del. 1984); Spiegel v. Buntrock, 571 A.2d 767 (Del. 1990); Rales v. Blasband, 634 A.2d 927 (Del. 1993); aus dem Schrifttum Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 15. 75 Dazu umfassend Block, The Business Judgment Rule; Überblick bei Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 10.3; zur historischen Entwicklung Hovenkamp, Enterprise and the American Law, S. 62 f.; Überblick in deutscher Sprache bei Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 151 ff. 76 Zur ratio der business judgment rule vgl. Joy v. North, 692 F.2d 880, 886 (2d. Cir. 1982); Block, The Business Judgment Rule, S. 9 ff.; Easterbrook / Fischel, S. 93 ff.; in deutscher Sprache Fleischer, FS Wiedemann, S. 827, 829 ff. 77 Vgl. die Formulierung in § 4.01 (c) der ALI Principles of Corporate Governance: „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section if the director or officer: (1) is not interested in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation.“ Dabei konnte sich das American Law Institute auf eine lange Kette von Präjudizien stützen, vgl. nur Hanson Trust PLC v. ML SCM Acquisition, Inc. 781 F.2d 264, 274 – 275 (2d Cir.1986); Fitzpatrick v. FDIC, 765 F. 2d 569, 576 – 577 (6th Cir. 1985); Panter v. Marshall Field & Co., 646 F.2d 271, 293 (7th Cir.), cert. denied, 454 U.S. 1092 (1982); Treadway Companies, Inc. v. Care Corp., 638 F.2d 357, 382 – 384 (2d Cir. 1980); Abbey v. Control Data Corp., 603 F.2d 724, 728 – 730 (8th Cir. 1979), cert. denied 444 U.S. 1017 (1980); Cramer v. General Tel. & Electronics Corp., 582 F.2d 259, 275 (3d Cir. 1978), cert. denied, 439 U.S. 1129 (1979); Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del.1985).

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Wahrung der duty of loyalty, während die zweite und dritte Voraussetzung prozedurale und inhaltliche Aspekte der duty of care beschreiben. Prozessual wirkt die business judgment rule als Vermutung ordnungsgemäßen Verhaltens.78 Der Kläger muss substantiiert darlegen, dass die Entscheidungsträger (1) die fragliche Entscheidung nicht frei von Interessenkonflikten treffen konnten oder (2) sich nicht hinreichend informiert hatten oder (3) ein objektiver Dritter in der gleichen Situation auf Grundlage der damals verfügbaren Informationen nicht ernsthaft glauben konnte, die Entscheidung fördere das Gesellschaftswohl. Nur wenn es dem Kläger gelingt, eine dieser Vermutungen zu widerlegen, tritt das Gericht in eine umfassende Prüfung der angegriffenen Entscheidung ein. In diesem Fall müssen die beklagten Manager unter dem „entire-fairness“-Test die Angemessenheit ihrer Entscheidung beweisen,79 was keineswegs immer zur Haftung der Beklagten führt.80 Für den Zusammenhang dieser Untersuchung von besonderer Bedeutung ist das dritte Element (rational belief) der business judgment rule. Die Gerichte üben insoweit große Zurückhaltung und weigern sich in Fragen der Unternehmenspolitik, die vom Management getroffene Entscheidung durch ihr Urteil zu ersetzen.81 Die 78 Die unendlich oft zitierte Standardformulierung des Delaware Supreme Court findet sich in Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984): „The business judgment rule is a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company.“ Vgl. für eine Bestätigung dieser Formulierung aus jüngster Zeit die wichtige Entscheidung des Gerichts zu Deal-Protection-Klauseln Omnicare, Inc. v. NCS Healthcare, Inc., 818 A.2d 914 (Del. 2003) mit lesenswerter Besprechung von Rieckers, RIW 2003, 668. 79 Weinberger v. UOP, Inc. 457 A.2d 701, 703, 710 (Del. 1983), Fliegler v. Lawrence, 361 A.2d 218 (Del. 1976). 80 Siehe Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 371 (Del. 1993); Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1156, 1162 (Del. 1995): „Burden shifting does not create per se liability.“ 81 Vgl. nur Sinclair Oil v. Levien, 280 A.2d 717, 720 (Del. 1971); Unocal Corporation v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 (Del. 1985): „A hallmark of the business judgment rule is that a court will not substitute its judgment for that of the board if the latter’s decision can be attributed to any rational business purpose.“ Anschaulich zur sog. corporate-wasteDoktrin Lewis v. Vogelstein, 699 A.2d 327, 336 (Del. Ch. 1997): „[A] waste entails an exchange of corporate assets for consideration so disproportionately small as to lie beyond the range at which any reasonable person might be willing to trade . . . Most often the claim is associated with a transfer of corporate assets that serves no corporate purpose; or for which no consideration at all is received. Such a transfer is in effect a gift. If, however, there is any substantial consideration received by the corporation, and if there is a good faith judgment that in the circumstances the transaction is worthwhile, there should be no finding of waste, even if the fact finder would conclude ex post that the transaction was unreasonably risky. Any other rule would deter corporate boards from the optimal rational acceptance of risk . . . Courts are ill-fitted to attempt to weigh the „adequacy“ of consideration under the waste standard or, ex post, to judge appropriate degrees of business risk.“; zur (Nicht)anwendbarkeit der corporate-waste-Lehre auf Unternehmensspenden Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 980 (1999).

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Tatsache, dass eine Entscheidung sich im Nachhinein als unklug herausstellt oder andere Strategien bereits im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung erfolgversprechender erscheinen, genügt für sich genommen nie.82 Aktionärsklagen gegen Managemententscheidungen außerhalb der Übernahmesituation scheitern daher in der Regel, solange die Entscheidung frei von Interessenkonflikten und auf ausreichender Informationsgrundlage83 getroffen wurde.84

c) Die traditionelle Gleichsetzung von Gesellschaft und Gesellschaftern Die stets gleichlautende Formulierung amerikanischer Gerichte, das fiduziarische Pflichtenverhältnis des Managements bestehe gegenüber „the corporation and its shareholders“85, scheint bei unbefangener Lektüre aus deutscher Sicht auf eine Trennung zwischen Aktionärsinteressen einerseits und dem Interesse der Gesellschaft andererseits hinzudeuten. Die Wortwahl lässt Raum für die Annahme eines selbständigen, von den langfristigen Interessen der Anteilseigner zu unterscheidenden Interesses der Gesellschaft, das im Anschluss an den Ansatz von Dodd (und ähnlich dem deutschen Begriff des Unternehmensinteresses) als Kurzformel für eine Vielzahl von berücksichtigungsfähigen Nichtaktionärsinteressen dienen könnte.86 So ist die Formulierung indes von der amerikanischen Rechtspraxis herkömmlicherweise nicht interpretiert worden.87 Vielmehr ist nach traditionellem Verständnis der corporation als einem reinen Investmentvehikel der Gesellschafter von einem einheitlichen Interesse von Gesellschaft und Gesellschaftern auszugehen; ein selbständiges Gesellschafts- oder gar Unternehmensinteresse wird nicht anerkannt.88 Außerhalb der Übernahmesituation warf diese Gleichsetzung auch 82 Siehe Kamin v. American Express Company, 383 N.Y.S. 2d 807 (Sup.Ct.), aff’d, 387 N.Y.S. 2d 993 (App. Div. 1976). 83 Zu den Anforderungen an eine ausreichende Information grundlegend Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del.1985); dazu Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 10.6. 84 Für eine Ausnahme Litwin v. Allen, 25 N.Y.S. 2d 667 (App.Div. 1940); vgl. das Fazit bei Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1201 (1999): „[I]t is widely recognized that directors easily satisfy and rarely violate the standard of care.“ 85 Vgl. die Nachweise in Fn. 71. 86 So auch Mitchell, 70 Tex. L. Rev. 579, 586 (1992): „[The] phrasing suggests a distinction between the interests of the broader corporation and its stockholders as a subgroup.“ 87 Sommer, 16 Del. J. Corp. L. 33, 48 (1991); Hu, 38 UCLA L. Rev. 277, 298 (1990); vgl. die instruktive Ideengeschichte bei Millon, 1990 Duke L.J. 201, 220 ff., der „a complete disregard for the entitybased idea on which Dodd built his corporate citizenship argument“ (S. 224) feststellen will. 88 Summers, 4 J. Comp. Corp. L. & Sec. Reg. 155, 170 (1982): „[T]he stockholders are the corporation, and undivided loyalty is owed to the stockholders. If the corporation is viewed simply as a collection of capital pooled for the purpose of profits, then the premise is plausible; the sole interest of the corporation is gain for the shareholders. This is the traditional conception of the corporation.“; Mitchell, 70 Tex. L. Rev. 579, 586 (1992): „[T]he basic approach has been to equate the interests of the stockholders and the interests of the corpora-

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kaum praktische Probleme auf. Im klassischen Fall der Verletzung der duty of loyalty durch das Management waren Gesellschaft und Gesellschafter gleichermaßen geschädigt; Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Bezugsgruppen traten nicht auf.89 Die begriffliche Unterscheidung zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern hatte Bedeutung allein für die Modalitäten der Durchsetzung der aus Pflichtverletzungen erwachsenen Ersatzansprüche, da derartige Ansprüche der Gesellschaft zustehen und nur ausnahmsweise von einzelnen Gesellschaftern im Wege der derivativen Klage geltend gemacht werden können.90 Verbleibende Konflikte konnten durch entgegenkommende Anwendung der business judgment rule überspielt werden (dazu sogleich). Erst mit Aufkommen der feindlichen Übernahme in den 1980er Jahren sah sich die Rechtsprechung gezwungen, die Frage nach einem eigenständigen (Bestands)interesse der Gesellschaft als einer von den Anteilseignern zu unterscheidenden Einheit, in der eine Vielzahl von Interessen neben denen der Anteilseigner zusammentreffen, zu beantworten (dazu unten S. 83 ff.).91

2. Entscheidungen außerhalb der Übernahmesituation a) Das Zusammenspiel von Formalziel und business judgment rule Die Frage der Zulässigkeit altruistischen Verhaltens zu Lasten der Anteilseigner wurde im amerikanischen Gesellschaftsrecht für Entscheidungen im normalen Geschäftsgang weitgehend entschärft, indem dem engen Formalziel der Profitmaximierung durch großzügige Anwendung der business judgment rule ein weiter Ermessensspielraum in der Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Ziels an die Seite gestellt wurde.92 Ohne jemals von dem in Dodge v. Ford Motor Co. aufgestellten alleinigen Formalziel der Profitmaximierung zugunsten der Anteilseigner abrücken zu müssen, erlaubt die amerikanische Rechtspraxis so im Ergebnis durchaus die weitreichende Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen, indem sie Manager durch die schwer zu widerlegende Vermutung der business judgment rule vor Ersatzansprüchen wegen derartigen Verhaltens abschirmt – eine Situation, die einen Beobachter zu der Bemerkung veranlasste: „[T]he law has found it most convenient to look the other way.“93 Solange eine Leitungsentscheidung nur irgendweltion.“; Millon, in: Mitchell, Progressive Corporate Law, S. 11: „Traditionally, in keeping with the shareholder primacy principle, the board’s fiduciary obligation has run to the corporation and its shareholders, which has meant in practice a duty to maximize shareholder wealth.“; Nicolaysen, Leitungsermessen und Shareholder Value-Konzept, S. 87. 89 Johnson, 14 J. Corp. L. 35, 45 f. (1988). 90 Mitchell, 65 N.Y.U. L. Rev 1165, 1173 (1990): „Descriptions of these duties as being owed to the corporation go more to the procedures for enforcement and the nature of the remedy than to the identification of their ultimate beneficiaries.“ 91 Millon, 1990 Duke L.J. 201, 255. 92 Vgl. dazu die anschauliche Darstellung bei Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7 ff. (1988). 4*

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che nicht gänzlich unwahrscheinlichen Langzeitvorteile in Form gesteigerten good wills erwarten lässt und das Management nicht den Fehler begeht, ein etwa vorhandenes altruistisches Motiv als alleinigen Beweggrund öffentlich in den Vordergrund zu stellen (der Fehler Henry Fords), haben Aktionärsklagen wegen Verletzung fiduziarischer Pflichten kaum Aussicht auf Erfolg. Konzeptionell erlaubt dieser Ansatz freilich die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen nur reflexartig und nicht um ihrer selbst willen.

b) Fallmaterial Präjudizien zur Frage der Berücksichtigung anderer Interessen auf Kosten der Aktionäre sind, sieht man von der Sondergruppe wohltätiger Spenden einmal ab, neben der bereits besprochenen Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. nur spärlich vorhanden.94

aa) Shlensky v. Wrigley (1968) Ein anschauliches Beispiel für die angesprochene Tendenz amerikanischer Gerichte, zwar formal am Primat des Aktionärsinteresses festzuhalten, de facto aber die Berücksichtigung genuin sozialer Belange durch Anwendung der business judgment rule zuzulassen, bietet die Entscheidung im Fall Shlensky v. Wrigley95. Die beklagte Gesellschaft war Eigentümerin einer professionellen Baseballmannschaft, der Chicago Cubs, sowie des dazugehörigen Stadions in Chicago, Wrigley Field. Die Gesellschaft hatte in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren Verluste erlitten.96 Als einzige Mannschaft in ihrer Liga spielten die Chicago Cubs nur tagsüber, weil das Management sich weigerte, eine Beleuchtungsanlage im Stadion zu installieren. Chicagos zweite professionelle Baseballmannschaft, die White Sox, spielte abends und zog während der Woche deutlich mehr Zuschauer an, während die Zuschauerzahlen beider Mannschaften für die Wochenendspiele ungefähr gleich waren, was den Schluss nahe legte, dass die Chicago Cubs ihre Zuschauerzahlen und damit ihren Umsatz mit Abendspielen hätten steigern können.97

93 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 19 (1988); ähnlich die Einschätzung von G. Smith, 21 Seattle U. L. Rev. 577, 605 (1998): „[C]orporate law has struck a compromise with American society, requiring corporations to be operated in the best interests of the shareholders, but in the ordinary run of business, not enforcing that duty so strongly that a corporation’s board of directors cannot consider the interests of other constituencies.“ 94 Treffend Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 10 (1988): „The material on what the law really is, as opposed to what it should be, is quite thin.“ 95 237 N.E.2d 776 (Ill. App. Ct. 1968). 96 237 N.E.2d 776, 777. 97 237 N.E.2d 776, 778.

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Ein Minderheitsaktionär erhob Klage und trug vor, dass Philip Wrigley, Präsident der Gesellschaft und zugleich Eigentümer von 80 % der Aktien, nur deshalb keine Beleuchtungsanlage installieren ließ, weil er Baseball für einen Tagessport hielt und fürchtete, dass Abendspiele negative Auswirkung auf die Umgebung des Stadions haben würden.98 Angeblich hatte er zugegeben, dass er nicht allein an Profitsteigerung interessiert war, sondern sich um die Nachbarschaft des Stadions sorgte.99 Das Gericht wies die Klage ohne mündliche Verhandlung allein auf Grundlage des klägerischen Vorbringens ab (dismissal for failure to state a claim), da sich daraus – die Wahrheit der Vorwürfe unterstellt – kein Anspruch des Klägers wegen Verletzung fiduziarischer Pflichten ergebe. Denn die fragliche Entscheidung stelle keinen völlig irrationalen Versuch dar, die Interessen von Gesellschaft und Gesellschaftern zu wahren und genieße daher den Schutz der business judgment rule: „[I]t appears to us that the effect on the surrounding neighborhood might well be considered by a director who was considering the patrons who would or would not attend the games if the park were in a poor neighborhood. Furthermore, the long run interest of the corporation in its property value at Wrigley Field might demand all efforts to keep the neighborhood from deteriorating.“100 Trotz deutlicher Anzeichen dafür, dass die angegriffene Managemententscheidung rein altruistisch motiviert war, konnte sich das Gericht so der eigentlich interessanten Frage nach der Zulässigkeit sozialen Aktivismus‘ auf Kosten der Aktionäre unter Hinweis auf die business judgment rule entziehen.101 Möglicherweise spielte der besondere Charakter einer Sportmannschaft als Institution mit besonders intensiven Beziehungen zu einer Stadt und ihren Einwohnern bei der Entscheidungsfindung eine nicht zu unterschätzende Rolle.102

bb) Kelly v. Bell (1970) Nur auf den ersten Blick um einen Fall sozial motivierter Ausgaben zu Lasten der Aktionäre handelt es sich bei der Entscheidung in Kelly v. Bell103. Die Steuerbehörde von Allegheny County, eines von der Stahlindustrie geprägten Bezirks in Pennsylvania, hatte stets eine besondere Steuer auf Industriemaschinen und Produktionsstätten erhoben. Angesichts wirtschaftlicher Probleme kam man in Jahr 237 N.E.2d 776, 778. 237 N.E.2d 776, 778. 100 237 N.E.2d 776, 780. 101 Morrissey, 40 Syracuse L. Rev. 1006, 1017 (1989). Das Gericht weigerte sich ausdrücklich, zur Rechtmäßigkeit der Unternehmerentscheidung Stellung zu nehmen, 237 N.E.2d 776, 780: „We are merely saying that the decision is one properly before the directors and the motives alleged in the amended complaint show no fraud, illegality, or conflict of interest in their making of that decision.“ 102 So die Vermutung von Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 22 (1988). 103 266 A.2d 878 (Del. 1970). 98 99

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1957 zu der Einsicht, dass die Steuer abgeschafft werden müsste, um neue Investoren für den Bezirk zu gewinnen. Allerdings war der Bezirk bis zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Bestreitung seiner laufenden Kosten auf die Einkünfte aus der Steuer angewiesen. In dieser Situation versprach die U.S. Steel Corporation, freiwillig weiterhin einen der Steuer entsprechenden Betrag auf seine vorhandenen Maschinen an den Bezirk zu zahlen, wenn die Steuer abgeschafft würde.104 Diese Zusage war einer der maßgeblichen Gründe für die Streichung der Steuer. Mehrere Aktionäre erhoben Klage mit dem Ziel, die verantwortlichen Manager zum Ersatz der damit verbundenen Kosten an die Gesellschaft zu zwingen. Das oberste Gericht Delawares wies die Klage ab, ohne die Frage zu entscheiden, ob es sich bei den fraglichen Zahlungen um Spenden105 oder normale Geschäftsausgaben handelte. In jedem Falle handele es sich um eine ordnungsgemäß zustande gekommene Unternehmerentscheidung, deren inhaltliche Überprüfung an der business judgment rule scheitere.106 Ausschlaggebend für diese Einschätzung war die (wohl gerechtfertigte) Überzeugung der Verantwortlichen, dass diese Vorgehensweise mittelfristig finanziell vorteilhaft sein würde, da U.S. Steel keinerlei Steuern auf neue Maschinen zahlen musste.107

cc) Sylvia Martin Foundation, Inc. v. Swearingen (1966) Einen Fall echter „Corporate Social Responsibility“ behandelt dagegen möglicherweise die Entscheidung in Sylvia Martin Foundation, Inc. v. Swearingen108. Das Management der Standard Oil Company of Indiana hatte 1965 beschlossen, Anleihen auf ausländischen Märkten auszugeben, obwohl auf dem amerikanischen Kapitalmarkt niedrigere Zinsen zu zahlen gewesen wären. Hintergrund war das Bestreben der amerikanischen Regierung, den Zufluss ausländischen Kapitals in die USA zu steigern. Mit seiner Entscheidung folgte der Vorstand freiwillig einem entsprechenden Aufruf von US-Präsident Johnson an die amerikanische Wirtschaft.109 Das Gericht wies die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig ab, äußerte sich aber in einem obiter dictum auch zu deren Begründetheit: 266 A.2d 878, 879. So die Einschätzung des Court of Chancery, 254 A.2d 62, der gleichwohl die Klage unter Hinweis auf die business judgment rule ebenfalls abgewiesen hatte. 106 266 A.2d 878, 879. 107 266 A.2d 878, 879. 108 260 F.Supp. 231 (S.D.N.Y. 1966). 109 Dieser Hintergrund geht aus der Sachverhaltsschilderung des Gerichtes nicht hervor, ist aber in Zeitungsberichten über das Verfahren belegt. Vgl. Holders Unit Sues to Bar Indiana Standard from Borrowing Overseas at „Excessive“ Rates, Wall Street Journal vom 8. Februar 1966, S. 4 sowie An Unwelcome Complication, Wall Street Journal vom 21. Februar 1966, S. 14; dazu Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 36 (1988). 104 105

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Selbst wenn das Gericht zuständig wäre, sei die Klage – die Wahrheit des klägerischen Vorbringens unterstellt – ohnehin unbegründet, da es sich um einen Angriff auf eine Entscheidung in Fragen der Unternehmenspolitik handele, die den Schutz der business judgment rule genieße.110

c) Insbesondere: Zuwendungen zu sozialen Zwecken „Corporate Philanthropy is as American as apple pie.“111 Die Vereinigten Staaten als ein Gemeinwesen, in dem Eigeninitiative und Selbstverantwortung stets besonders betont werden, blicken auf eine lange und lebendige Tradition philanthropischer Zuwendungen aus Privatmitteln zurück.112 Ohne Übertreibung lässt sich freiwilliges und staatsfreies Engagement für soziale Zwecke als einer der bedeutendsten Werte der amerikanischen Gesellschaft charakterisieren.113 Zugleich ist seit den achtziger Jahren eine starke politische Strömung gegen „big government“ zu beobachten, die möglichst viele gesellschaftliche Aufgaben und Dienstleistungen zurück in die Hände Privater legen will.114 Die großen Aktiengesellschaften sind die mächtigsten und wohlhabendsten privaten Akteure. Dementsprechend haben Präsidenten so unterschiedlicher politischer Ausrichtung wie Ronald Reagan, George Bush und Bill Clinton alle während ihrer Amtszeiten die Geschäftswelt zur verstärkten freiwilligen Unterstützung sozialer Projekte aufgerufen.115 Steuerrechtliche Vorteile schaffen einen zusätzlichen Anreiz für derartige Ausgaben.116 Im Jahr 2000 spendeten amerikanische Unternehmen über 10 Milliarden $ für soziale Zwecke.117 Gleichwohl ist die (gesellschafts)rechtliche Diskussion um Unternehmensspenden nie abgerissen und hat in den letzen Jahren mit Symposien mehrerer Universitäten einen neuen Höhepunkt erreicht.118 Zwar ist die grundsätzliche Zulässigkeit 260 F.Supp. 231, 235. So die plakative Formulierung von Fisch in ihrem Beitrag zum Symposium der Cornell University zum Thema „Corporate Social Responsibility: Paradigm or Paradox“, abgedruckt in 84 Cornell L. Rev. 1282, 1323 (1999). 112 Eine äußerst lesenswerte sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Darstellung der Entwicklung bietet Heald, The Social Responsibility of Business. 113 Vgl. Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 991 (1999): „cardinal value“. 114 Fisch, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1091, 1092 (1997). 115 Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1139 (1997); eine genauere Beschreibung der verschiedenen Initiativen findet sich bei Knauer, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 945 ff. (1997). 116 Paragraph 170(b)(2) des Internal Revenue Code lautet: „A corporation is entitled to deduct charitable contributions to the extent that such contributions for a given taxable year do not exceed 10 % of the corporation’s taxable income, computed without regard to any net operating loss or capital loss carryback. Furthermore, a corporation may carryover any unused portion of total deductible contributions for five years.“ 117 Aktuelles Zahlenmaterial ist stets auf den Internetseiten von Giving USA zu finden, http: // www.aafrc.org / trust / charts.html. 110 111

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von Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln nach einer langen und schweren Geburt [dazu unter aa)] heute unbestritten. Jedoch werfen Umfang und Anwendung der vorhandenen Ermächtigungen sowie die Spendenpraxis nach wie vor eine Reihe von Problemen119 auf, die Gegenstand einer intensiven akademischen Diskussion und weitreichender Reformvorschläge sind [dazu unter bb)].

aa) Rechtsentwicklung Die gesellschaftsrechtliche Beurteilung von mildtätigen Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln hat sich im Verlauf der letzten einhundert Jahre grundlegend gewandelt.120 (1) Strikte Anwendung der ultra-vires-Lehre In der Anfangsphase der Entwicklung interpretierten amerikanische Gerichte die Satzungen der Gesellschaften meist eng. Unter der Herrschaft der traditionellen ultra-vires-Lehre fehlte einer Gesellschaft schlicht die Rechtsmacht zu all jenen Handlungen, die nicht explizit in der Satzung als Unternehmenszweck aufgeführt waren.121 Handlungen, die den Rahmen der staatlich verliehenen Rechtsmacht überschritten, waren nichtig.122 Da die Satzungen in der Regel keinerlei Ermächtigung zu karitativer Betätigung der Gesellschaft enthielten und bis in die 1930er Jahre entsprechende spezielle Vorschriften in den Gesellschaftsgesetzen der meisten Einzelstaaten fehlten, sahen die Gerichte jede außerhalb des eigentlichen Geschäftszwecks liegende Betätigung als „ultra vires“ und damit nichtig an.123 Keinerlei Rolle spielte bei dieser strikten Interpretation der Satzung die naheliegende Möglichkeit der Profitsteigerung als Folge des vermeintlich philanthropischen Aktes. So erklärte das Gericht in Davis v. Old Colony Railroad124 die Zusagen einer 118 Siehe die Beiträge in 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. (1997); 28 Stetson L. Rev. (1997); 84 Cornell L. Rev. (1999); 54 Bus. Law. (1999). 119 Ausdrücklich von einem „Problem“ geht beispielsweise aus Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1 (1998). 120 Einen guten Überblick über die Entwicklung bieten Adams / Knutsen, 80 Iowa L. Rev. 211, 226 ff. (1995); Blumberg, 50 B.U. L. Rev. 157, 167 ff. (1970); Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 57 ff. (1988); Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 594 ff. (1997). 121 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 4.1; Hovenkamp, Enterprise and American Law, S. 59 f.; ders., 76 Geo. L.J. 1593, 1662 ff. (1988). 122 Beispielhaft Hyams v. Old Dominion Co., 93 A. 747, 752 (Me. 1915). 123 Siehe neben den im Text referierten Fällen Military Interstate Ass’n v. Savannah T. & I. of H. Ry., 31 S.E. 200 (Ga. 1898); Stacey v. Glen Ellyn Hotel & Springs Co., 79 N.E. 133 (Ill. 1906); Western Md. R.R. v. Blue Ridge Hotel Co., 62 A. 352 (Md. 1905); George v. Nevada Cent. R.R., 38 P. 441 (Nev. 1894); Memphis G & E. Co. v. Memphis & C.R.R., 5 S.W. 52 (Tenn. 1887); Tomkinson v. South-Eastern Ry., 35 Ch. D. 675 (1887). 124 Davis v. Old Colony Railroad, 131 Mass. 258 (Mass. 1881).

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Eisenbahnlinie und eines Herstellers von Musikinstrumenten, die Kosten eines Musikfestivals an der Eisenbahnstrecke zu tragen, für nichtig, obgleich die Möglichkeit einer Profitsteigerung durch erhöhtes Fahrgastaufkommen nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen war (und vom Gericht selbst auch anerkannt wurde125). Ähnlich verfuhr der Georgia Court of Appeals noch 1915 mit dem Beitrag eines Eisenbahnunternehmens zur Finanzierung eines Schulbaus in einer Gemeinde entlang der Eisenbahnstrecke126, mit dem die Unternehmensleitung das Bevölkerungswachstum des Ortes beschleunigen wollte. Trotz der nicht ganz unrealistischen Perspektive langfristig höherer Gewinne durch ein gesteigertes Verkehrsaufkommen erklärte das Gericht in Brinson Ry. v. Exchange Bank of Springfield auch diese Zuwendung für nichtig.127 (2) Incidental Powers und Direct Benefit Ohne die ultra-vires-Lehre grundsätzlich zu verwerfen, waren andere Gerichte ab Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt bereit, unkonventionelle Ausgaben unter Hinweis auf die sog. „incidental powers“ der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, wenn und soweit die Unternehmensleiter einen „direct benefit“ für die Gesellschaft als realistisch zu erwartende Konsequenz der Ausgabe darlegen konnten. Nicht ausreichend hingegen war ein Nutzen nur für das Gemeinwesen insgesamt, von dem das Unternehmen nur inzidenter als Teil der Gemeinde profitieren würde.128 Ein klassisches Beispiel für diesen Ansatz bietet die Entscheidung in Steinway v. Steinway & Sons129 aus dem Jahr 1896: Der Klavierhersteller Steinway & Sons Corporation spendete Geld für den Aufbau einer Schule, einer Kirche, einer Bibliothek sowie eines Schwimmbads am Ort seiner Produktionsstätten.130 Außerdem verschenkte Steinway seine Klaviere an Musiker und Gemeindefeste.131 Das Gericht wies die Klage eines Minderheitsaktionärs unter Hinweis auf den angeb131 Mass. 258, 275. Brinson Ry. v. Exchange Bank of Springfield, 85 S.E. 634 (Ga. Ct. App. 1915). 127 85 S.E. 634: „It was beyond the powers of the president of a railway company incorporated under the general laws of Georgia as a common carrier, either with or without the consent of its board of directors, to donate funds belonging to the corporation, or to execute in the corporate name a note to be discounted in behalf of or to raise funds as a recognized donation for the erection of a public school, or for the purpose of building up or promoting the town in which the school is situated, even though the school or town be located on the line of the company’s railway and its transportation business might thereby be increased.“ 128 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 58 (1988); Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 595 (1997). Ein zeitgenössischer Beobachter faßte die Regel so zusammen: „A corporation may not contribute to a charity as such nor donate from its funds to a community welfare enterprise or humanitarian undertaking from which it would only share in the benefits in common with the rest of the community.“, Davis, 1 B.U. L. Rev. 99, 110 (1921). 129 40 N.Y.S. 718 (N.Y. Sup. Ct. 1896). 130 40 N.Y.S. 718, 719. 131 40 N.Y.S. 718, 722. 125 126

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lich zu erwartenden direkten Nutzen der Ausgaben für die Gesellschaft ab.132 Die Zuwendungen an die Stadt ließen in den Augen des Gerichts bessere Beziehungen zu den Arbeitnehmern und eine insgesamt produktivere Mitarbeiterschaft erwarten.133 Was die verschenkten Klaviere anging, sah das Gericht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gesteigerten Absatzes als Folge der weiteren Verbreitung von Steinway-Klavieren und des damit einhergehenden Imagegewinns.134 Andere Entscheidungen aus diesem Zeitraum verdeutlichen die Tendenz der Gerichte, das Erfordernis des „direct benefit“ immer mehr auszuweiten, um so die Strenge der ultra-vires-Lehre mit gesellschaftlich erwünschtem sozialen Engagement und dem Bemühen um eine weitsichtige Unternehmenspolitik vereinbaren zu können. So wurden die zu erwartenden geschäftlichen Vorteile von Beiträgen eines Chicagoer Hotels für eine Militärausstellung in der Stadt135, von Spenden einer Brauerei für die Stadtinfrastruktur136 sowie der Finanzierung von Klavierstunden durch einen Hersteller von Musikinstrumenten137 allesamt für hinreichend direkt erachtet. Den Extrempunkt dieser Entwicklung markiert die Entscheidung in Armstrong Cork Co. v. H. A. Meldrum Co.138, in der das Gericht Spenden an die University of Buffalo zum Aufbau der ersten Business School in Buffalo, N.Y., dem Sitz der Gesellschaft, aufrechterhielt. Die zukünftige Verfügbarkeit qualifizierter Angestellter sowie der gesteigerte good will des Unternehmens bei einflussreichen Bürgern und Kunden stellten nach Meinung der Richter einen ausreichend greifbaren direkten Nutzen für die Gesellschaft dar139, obwohl bei ehrlicher Betrachtung die zu erwartenden Vorteile für das Unternehmen allenfalls indirekter Natur waren.140 Damit wandelte sich das direct-benefit-Erfordernis zunehmend zu einer bloßen Fiktion.141 Trotz dieser Tendenz zur weiten Auslegung behielt die direct-benefit-Lehre indes praktische Bedeutung: Zum einen mussten Unternehmensleiter stets darauf bedacht sein, den Wunsch nach Profitmaximierung als einzigen Beweggrund ihres Handelns zu präsentieren. Zum anderen waren Gerichte durchaus nicht immer be132 40 N.Y.S. 718, 720: „If that act is one which is lawful in itself, and not otherwise prohibited, is done for the purpose of serving corporate ends, and is reasonably tributary to the promotion of these ends, in a substantial, and not in a remote and fanciful, sense, it may fairly be considered within charter powers.“ 133 40. N.Y.S. 718, 719 – 721. 134 40. N.Y.S. 718, 722. 135 Richelieu Hotel Co. v. International Military Encampment Co., 29 N.E. 1044 (Ill. 1892). 136 Huntington Brewing Co. v. McGrew, 112 N.E. 534 (Ind. 1916). 137 Virgil v. Virgil Practice Clavier Co., 68 N.Y.S. 335 (N.Y. Sup. Ct. 1896). 138 285 F. 58 (W.D.N.Y. 1922). 139 285 F. 58, 58 f. 140 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 59 (1988). 141 So die Einschätzung von Adams / Knutsen, 80 Iowa L. Rev. 211, 235 (1995); siehe auch Blumberg, 50 B.U. L. Rev. 157, 172 (1970): „faulty legal doctrine“.

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reit, der vorgetragenen Begründung Glauben zu schenken. So versagte das Gericht in Orpheum Theatre & Realty Co. v. Seavey & Flarsheim Brokerage Co.142 einem Broker-Unternehmen die Rechtsmacht, die Umzugskosten eines Theaters zu tragen, weil das Unternehmen am neuen Sitz des Theaters keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltete und daher ein direkter Vorteil nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Die Bereitschaft der Gerichte, die Substanz der unternehmerischen Entscheidung im einzelnen zu prüfen, schuf nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit in diesem Bereich.143 Insbesondere die finanzielle Unterstützung für Universitäten und überregionale karitative Organisationen stand auf unsicheren Füßen.144 Echte korporative Philanthropie erlaubte das Recht in dieser Phase der Entwicklung noch nicht. (3) Erste ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungen Gegen Ende des Ersten Weltkrieges, in dessen Verlauf amerikanische Aktiengesellschaften in nicht unerheblichem Umfang die Kriegsanstrengungen sowie mildtätige Organisationen wie das Rote Kreuz unterstützt hatten145, wurde der Ruf nach einem klaren Kompetenztitel zur Ausreichung von Unternehmensspenden jenseits der vagen direct-benefit-Doktrin immer lauter.146 Den Anfang machte 1917 Texas mit einer weit gefassten Ermächtigung der Unternehmensleitung zu derartigen Aufwendungen in seinem Gesellschaftsgesetz.147 Bis zum Jahr 1949 hatten dreizehn Staaten und Hawaii gesetzliche Bestimmungen erlassen, die bestimmte Formen wohltätiger Ausgaben erlaubten.148 Die erste Generation gesetzlicher Ermächtigungen – mit Ausnahme des texanischen Gesetzes – setzte indes den Möglichkeiten der Unternehmensleitung, Geld 199 S.W. 257 (Mo. 1917). Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 596 (1997) mit Hinweis auf die Einschätzung von Gibson, 14 Bus. Law. 439, (1959): „The old cases requiring that public gifts be reasonably incidental to the carrying on of the company’s business for the company’s benefit or reasonably tributary to the promotion of those [corporate] ends are among the most strained, technical and contradictory doctrines of the law.“ 144 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 58 (1988). So bezweifelte das Gericht in Henry R. Worthington v. Worthington, 91 N.Y.S. 443, 445 (N.Y. 1905) die Zulässigkeit einer Spende aus Gesellschaftsmitteln an die Columbia University, ohne die Frage freilich entscheiden zu müssen. 145 Dazu Heald, The Social Responsibility of Business, S. 50 ff. 146 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 59 (1988); Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 596 (1997). 147 Act of Feb. 13, 1917, ch. 15, § 1, 1917 Tex. Gen. Laws 25. 148 Die Staaten waren Texas (1917), Ohio (1920), New York (1923), Tennessee (1925), New Jersey (1930), Massachusetts (1933), Michigan (1935), Missouri (1937), Delaware (1941), Maryland (1945), North Carolina (1945), Pennsylvania (1945), and Virginia (1947). Hawaii schuf 1947 einen speziellen Kompetenztitel. Illinois hatte 1917 eine entsprechende Bestimmung erlassen, diese fand aber bis 1949 nur auf Spenden zu Kriegszeiten Anwendung. Siehe Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 596 Fn. 66. Ausführlich besprochen werden die frühen Gesetze bei Gibson, 14 Bus. Law. 439 (1959), sowie Prunty, 46 Va. L. Rev. 467 (1960). 142 143

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für wohltätige Zwecke zu spenden, relativ enge Grenzen.149 So war in Hawaii und Pennsylvania die Zustimmung der Aktionäre erforderlich.150 Unter den Gesetzen der meisten Staaten musste die Entscheidung zu derartigen Ausgaben vom gesamten board of directors getroffen werden, konnte also nicht an ein einzelnes boardMitglied oder einen leitenden Angestellten delegiert werden.151 Viele Vorschriften fixierten ein Maximalvolumen, über das der Vorstand aus eigener Machtvollkommenheit entscheiden konnte und erforderten für darüber hinausgehende Ausgaben wiederum die Zustimmung der Anteilseigner.152 Manche Gesetze beschränkten die Rechtsmacht des Vorstands auf die Unterstützung von Organisationen im örtlichen Umfeld des Gesellschaftssitzes.153 Schließlich forderten die Gesetze von New York und Ohio zeitweise die Offenlegung sowohl der Höhe der Spende und als auch der Identität des Empfängers gegenüber den Aktionären.154 Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 597 (1997). Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 598 (1997). 151 So in Delaware, Maryland, Massachusetts, Missouri, North Carolina, New Jersey, New York, Ohio, Tennessee und Virginia. Siehe Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 597 Fn. 69 (1997). 152 Ein gutes Beispiel bietet New Yorks Vorschrift über Spenden zu Kriegszeiten aus dem Jahr 1918: „That during the continuance of the war any corporation organized under the laws of this state may co-operate with other corporations and with natural persons in the creation and maintenance of instrumentalities conducive to the winning of the war, and its directors or trustees may appropriate and expend for such purposes such sum or sums as they may deem expedient and as, in their judgment, will contribute to the protection of the corporate interests, provided that whenever the expenditures for such purposes in any calendar year shall in the aggregate amount to one per centum on the capital stock outstanding, then, before any further expenditure is made during such year for such purposes by the corporation, ten days‘ notice shall be given to the stockholders in such manner as the directors or trustees may direct of the intention to make such further expenditure, specifying the amount thereof, and if written objection be made by stockholders holding twenty-five per centum or more of the stock of the corporation, such further expenditure shall not be made until it shall have been authorized at a stockholders‘ meeting.“ Law of Apr. 16, 1918, ch. 240, § 1, 1918 N.Y. Laws 885. 153 Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 598 (1997). So erlaubte bespielsweise das New Yorker Gesetz nur Spenden an „instrumentalities conducive to the betterment of the social and economic conditions under which such corporation or joint-stock association is operating.“ Ähnlich die Regelung in Massachusetts aus dem Jahr 1933: „Every corporation organized under the laws of this commonwealth and doing business or operating therein may, by vote of its directors, or of its officers having the powers of directors, contribute such sum or sums of money as said directors or officers may determine to be reasonable to any general fund being raised by a relief committee or agency approved by the commissioner of public welfare, as evidenced by a writing filed in his office, and formed for the purpose of raising money to be used for the betterment of social and economic conditions in any community in which such corporation is doing business.“ Acts of Feb. 9, 1933, ch. 8, § 1, 1933 Mass. Laws 18, 19. In Missouri konnten Gesellschaften nur im Register von Missouri eingetragene gemeinnützige Vereine unterstützen, Laws of Mar. 25, 1937, 1937 Mo. Laws. 154 Die New Yorker Publizitätsvorschrift aus dem Jahr 1950 (bereits 1951 wieder aufgehoben) schrieb vor: „A domestic corporation which submits an annual report to its stockholders and which, pursuant to the authority of this section, appropriates, spends or contributes a sum or sums aggregating in excess of five hundred dollars to or on behalf of any one donee, during the period covered by such report, shall include in such report the identity of each 149 150

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(4) Moderne Gesellschaftsgesetze Der nächste Schritt in der Entwicklung hin zur heutigen Rechtslage erfolgte nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Zu diesem Zeitpunkt bestand in der amerikanischen Gesellschaft insgesamt und unter Managern insbesondere ein breiter Konsens, dass soziales Engagement eine erwünschte und gesellschaftlich vorteilhafte Betätigung der Geschäftswelt darstellte.155 Die bevorzugte Behandlung von Unternehmensspenden durch die Änderung des Bundessteuerrechts im Jahr 1935 verlieh dieser Tendenz zusätzliche Überzeugungskraft.156 (a) Der Model Business Corporation Act von 1950 Paragraph 4 (m) des von der American Bar Association ausgearbeiteten und im Jahr 1950 veröffentlichten Model Business Corporation Act verlieh dem board of directors die uneingeschränkte Befugnis „[t]o make donations for the public welfare or for charitable, scientific or educational purposes; and in time of war to make donations in aid of war activities“.157 Treibende Kraft hinter dieser weitestmöglichen Liberalisierung des Rechts der Unternehmensspenden war die schwerpunktmäßig mit der Beratung und Vertretung von Unternehmensleitern beschäftigte Rechtsanwaltschaft.158 Ray Garret, Rechtsanwalt und Vorsitzender des mächtigen ABA Committee on Business Corporations, hatte seine Kollegen auf der Jahresversammlung der ABA im Jahr 1948 eindringlich zu einer durchgreifenden Reform dieses Rechtsgebiets aufgefordert: „If we believe that business corporations should be entitled to make donations to charity, it seems that we, as lawyers, should seek means to legalize them so far as possible.“159 Die zwei Jahre später von der ABA such donee together with the total amount appropriated, spent or contributed to it or on its behalf during such period. If such corporation does not submit such an annual report to its stockholders it shall send to each one a statement of the total amount of all such appropriations, expenditures and contributions made during each fiscal year and any stockholder, upon written request, shall be entitled to an itemized list of such donees and amounts. The corporation need not comply with such a request regarding any year more than five years prior to that in which such request is made.“ Act of Mar. 30, 1950, ch. 297, § 1, 1950 N.Y. Laws 974, 975 (repealed in 1951). Die entsprechende Vorschrift im Gesellschaftsgesetz von Ohio aus dem Jahr 1920 lautete: „All such corporations making appropriations and expenditures under the provisions of this act shall report annually to the secretary of state the sums so appropriated or expended and the name or names of the community funds or philanthropic, charitable or benevolent instrumentalities in whose behalf such sums are appropriated or expended.“ Act of Feb. 4, 1920, 108 Ohio Laws 1245. Das Publizitätserfordernis wurde 1927 mit dem Erlass eines neuen Ohio General Corporation Act aufgehoben, Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 598 Fn. 75 (1997). 155 Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 600 (1997); vgl. Heald, The Social Responsibilities of Business, S. 207 ff. 156 Revenue Act of 1935, Pub. L. No. 74 – 407, 49 Stat. 1014; zur Geschichte dieser Steuerreform siehe Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 19 ff. (1994). 157 Abgedruckt in 6 Bus. Law. 75 (1950). 158 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 61 (1988); Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 600 (1997).

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verabschiedete Modellregelung geht wesentlich auf seine Vorarbeit zurück. In den folgenden Jahren erließen viele Staaten Gesetze nach dem Muster des ABA-Entwurfs160 und schon 1959 fand sich in den Gesellschaftsgesetzen von 42 der 50 Bundesstaaten ein weiter Kompetenztitel zur Ausreichung mildtätiger Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln.161 (b) Die heute geltenden Gesetze: Typen Die heute geltenden gesetzlichen Regelungen lassen sich in drei große Gruppen unterteilen.162 (1) Vierundzwanzig Staaten, darunter Delaware, und der District of Columbia haben die weite Formulierung des ABA-Entwurfs übernommen und räumen der Gesellschaft das Recht ein „to make donations for the public welfare or for charitable, scientific or educational purposes“.163 (2) Neunzehn weitere Staaten verwenden eine zweigleisige Regelungstechnik: Eine erste Vorschrift erlaubt Aufwendungen „furthering the business and affairs of the corporation“, während eine zweite Vorschrift keinerlei einschränkende Erfordernisse enthält und so Raum für echte philanthropische Zuwendungen lässt.164 (3) Die verbleibenden sieben StaaRay J. Garret, 4 Bus. Law. 30, 33 (1948). Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 601 (1997). 161 Gibson, 14 Bus. Law. 439, 444 f. (1959). 162 Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 602 (1997). 163 Dabei handelt es sich um die Bundesstaaten Alabama, Alaska, Arizona, Arkansas, Connecticut, Delaware, Hawaii, Idaho, Kansas, Illinois, Louisiana, Maryland, Michigan, Missouri, Nebraska, Nevada, New Mexico, Ohio, Oklahoma, Pennsylvania, Rhode Island, South Dakota, Texas, and West Virginia. Die entsprechenden Regelungen finden sich in Ala. Code § 10 – 2A- 20(13) (1994); Alaska Stat. § 10. 06. 010(13) (Michie 1994); Ariz. Rev. Stat. Ann. § 10 – 004(A)(13) (1994); Ark. Code Ann. § 4 – 26 – 204 (Michie 1994); Conn. Gen. Stat. § 33 – 291(d) (1992); Del. Code Ann. tit. 8, § 122(9) (1993); Haw. Rev. Stat. § 415 – 4(13) (1994); Idaho Code § 30 – 1- 4(M) (1994); Ill. Comp. Stat. Ann. 5 / 3.10(m) (West 1994); Kan. Corp. Code Ann. § 17 – 6102(9) (West 1995); La. Rev. Stat. Ann. § 12:41(12) (West 1994); Md. Code Ann., Corps. & Ass’ns § 2 – 103(13) (1994); Mich. Comp. Laws § 450.1261(k) (West 1996); Mo. Ann. Stat. § 351.385(12), (15) (West 1994); Neb. Rev. Stat. § 21 – 2004(13) (1993); Nev. Rev. Stat. Ann. § 78.070(6) (Michie 1993); N.M. Stat. Ann. § 53 – 11 – 4(M) (Michie 1994); Ohio Rev. Code Ann. § 1701.13(D) (Banks-Baldwin 1993); Okla. Stat. Ann. tit. 18, § 1016(9) (West 1994); 15 Pa. Cons. Stat. § 1502(a)(9) (1994); R.I. Gen. Laws § 7 – 1.1 – 4(13) (1993); S.D. Codified Laws § 47 – 2-58(13) (Michie 1994); Tex. Bus. Corp. Act Ann. art. 2.02(A)(14) (West 1994); W. Va. Code § 31- 1 – 8(M) (1996). Die Regelung für den District of Columbia findet sich in D.C. Code Ann. § 29 – 505(13) (1994). Arkansas und Maryland folgen diesem Grundformat, erfordern aber zusätzlich die Zustimmung des gesamten boards. Siehe Ark. Code Ann. § 4 – 25 – 103 (Michie 1994) sowie Md. Code Ann., Corps. & Ass’ns § 2 – 103(13) (1994). Nebraskas Gesetz beschränkt die Zuwendungen räumlich auf das Gebiet, in dem die Gesellschaft geschäftlich tätig ist. Siehe Neb. Rev. Stat. § 21 – 2004(13) (1993). Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 602 Fn. 91 (1997). 164 Dabei handelt es sich um die Bundesstaaten Colorado, Florida, Georgia, Indiana, Iowa, Kentucky, Mississippi, Montana, New Hampshire, North Carolina, Oregon, South Carolina, Tennessee, Vermont, Utah, Virginia, Washington, Wisconsin, and Wyoming. Die entspre159 160

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ten schließlich, darunter New York und Kalifornien, ermächtigen in ihren Gesellschaftsgesetzen die Manager ausdrücklich zu mildtätigen Zuwendungen „irrespective of corporate benefit“.165 Ob letztere Regelungen wirklich als Erlaubnis zu Spenden wider dem langfristigen Gesellschaftsinteresse zu verstehen sind, darf bezweifelt werden; naheliegend erscheint vielmehr, dass die einzelstaatlichen Gesetzgeber lediglich mit aller Deutlichkeit den Verzicht auf das alte Erfordernis des direct benefit zum Ausdruck bringen wollten.166 Ungeachtet der unterschiedlichen Formulierungen im Einzelnen erlauben jedenfalls im Ergebnis die Gesetze aller Bundesstaaten heute dem Vorstand nach seinem freien Ermessen Spenden auszureichen, ohne dass ein irgendwie gearteter direkter oder indirekter Nutzen für die Gesellschaft darzulegen ist. Beschränkungen quantitativer Art sind nicht mehr vorhanden. Ebenso wenig bedarf es eines Beschlusses des gesamten boards, so dass einzelne directors oder officers die Entscheidung über philanthropische Zuwendungen selbständig treffen können.167 (5) Moderne Spruchpraxis Die wenigen Entscheidungen, die sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Zulässigkeit von Unternehmensspenden auseinandergesetzt haben, verdeutlichen die Schwierigkeiten, die es amerikanischen Gerichten bereitet, das als gesellschaftlich erwünscht wahrgenommene soziale Engagement in die traditionell allein auf Profitmaximierung ausgerichtete Rechtsmaterie des Gesellschaftsrechts einzufügen.

chenden Regelungen finden sich in Colo. Rev. Stat. § 7 – 103- 102(m), (n) (Supp. 1996); Fla. Stat. Ann. § 607.0302(12), (14) (West 1993); Ga. Code Ann. § 14 – 2-302(13), (16) (1994); Ind. Code Ann. § 23 – 1-22- 2(13), (15) (Michie 1994); Iowa Code Ann. § 490.302(13), (15) (West 1994); Ky. Rev. Stat. Ann. § 271B.3 – 020(m), (o) (Michie 1994); Miss. Code Ann. § 79 – 4-3.02(13), (15) (1993); Mont. Code Ann. § 35 – 1-115(13), (15) (1995); N.H. Rev. Stat. Ann. § 293-A:3.02(13), (15) (1995); N.C. Gen. Stat. § 55- 3 – 02(a)(13), (15) (1994); Or. Rev. Stat. § 60.077(2)(n), (p) (1993); S.C. Code Ann. § 33 – 3-102(13), (15) (Law. Co-op. 1995); Tenn. Code Ann. § 48 – 13- 102(13), (14) (1995); Utah Code Ann. § 16 – 10a-302(13), (15) (1994); Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 3.02(13), (15) (1993); Va. Code Ann. § 13.1- 627(A)(12), (13) (Michie 1994); Wash. Rev. Code Ann. § 23.B.03.020(2)(o), (q) (West 1993); Wis. Stat. Ann. § 180.0302(13), (15) (West 1994); Wyo. Stat. § 17 – 16 – 302(A)(XIII) (Michie 1994). 165 Die Staaten sind Kalifornien, Maine, Massachusetts, Minnesota, New Jersey, New York, and North Dakota. Siehe Cal. Corp. Code § 207(e) (West 1995) („regardless of specific corporate benefit“); Me. Rev. Stat. Ann. tit. 13-A, § 202(G) (West 1994); Mass. Gen. Laws Ann. ch. B, § 9(k) (1994); Minn. Stat. Ann. § A.161(11) (West 1995); N.J. Stat. Ann. § 14A:3 – 4 (West 1995); N.Y. Bus. Corp. Law § 202(12) (Consol. 1994); N.D. Cent. Code § 10 – 19.1- 26(11) (1993). 166 So die Einschätzung von Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 71 Fn. 293 (1988). 167 Sehr kritisch zu dieser so weitgehenden Liberalisierung Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 603 ff. (1997).

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(a) A. P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow (1953) In dem der Entscheidung in A. P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow168 zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Vorstand eines Herstellers von Ventilen, Feuerhydranten und Gas- und Wasserwerkszubehör beschlossen, 1.500 $ an die Princeton University zu spenden.169 Um aufkommende Zweifel der Aktionäre an der rechtlichen Zulässigkeit dieses Geschenkes auszuräumen, ersuchte der Vorstand die Gerichte im Wege der Feststellungsklage um Bestätigung seines Beschlusses.170 Der oberste Gerichtshof von New Jersey erlaubte die Spende und stützte sich dabei auf drei alternative Begründungen.171 Erstens hielt das Gericht eine in New Jersey seit 1950 bestehende spezialgesetzliche Ermächtigung der oben besprochenen Art für rückwirkend auf die bereits 1896 gegründete A. P. Smith Manufacturing Co. anwendbar.172 Da die Spende an die Princeton University den Anforderungen der Vorschrift genügte173, konnte sich der Vorstand mithin auf eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung berufen. Weiterer Ausführungen des Gerichts hätte es an sich nicht bedurft. Ungeachtet dessen widmet sich der größte Teil der Entscheidungsgründe der Frage der Zulässigkeit der Spende unter dem common law und gelangt nach einer ausführlichen Analyse der relevanten Präjudizien174 zu dem Schluss, dass eine entsprechende Kompetenz auch ohne die gesetzliche Ermächtigung bestanden hätte. Unter Hinweis auf die traditionelle Anpassungsfähigkeit des common law an wechselnde soziale Gegebenheiten175 hielt das Gericht bei erweiternder Auslegung der traditionellen benefit-Doktrin das Geschenk auch dann für gerechtfertigt176, wenn man den Fall „strictly in terms of actual survival of the corporation in a free enterprise system“ sehe.177 A. P. Smith könne auf lange Sicht nur überleben in einem System freien Unternehmertums.178 Gegenwärtig werde dieses System bedroht durch den Kommunismus als konkurrierendes System: „We are [now] faced with other, though nonetheless vicious, threats from abroad which must be withstood without impairing the vigor of our democratic institutions at home.“179 Zu den tragenden 98 A.2d 581 (N.J. 1953), appeal dismissed 346 U.S. 86 (1953). 98 A.2d 581, 582. 170 98 A.2d 581, 582. 171 Vgl. Blumberg, 50 B.U. L. Rev. 157, 174 (1970). 172 98 A.2d, 581, 588 f. 173 98 A.2d 581, 590. 174 98 A.2d 581, 584 f. 175 Vgl. Cardozo, The Nature of the Judicial Process, S. 98 ff.; lesenswert dazu Posner, Cardozo: A Study in Reputation, S. 20 ff., 33 ff. 176 Das Gericht erkannte zutreffend, dass andere Gerichte, „while adhering to the terms of the common-law rule, have applied it very broadly to enable worthy corporate donations with indirect benefits to the corporation“, 98 A.2d 581, 585. 177 98 A.2d, 581, 586. 178 98 A.2d, 581, 586. 168 169

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Säulen des amerikanischen Systems aber zählten „free and vigorous nongovernmental institutions of learning“.180 Mithin entspreche die Unterstützung der Princeton University dem gesunden Eigeninteresse der Gesellschaft und sei daher von den incidental powers der Geschäftsleitung abgedeckt.181 Schließlich berief sich das Gericht in einem dritten Schritt auf das gewandelte gesellschaftliche Verständnis der sozialen Rolle von Aktiengesellschaften und befürwortete echtes soziales Engagement jenseits weitsichtiger Wahrnehmung der eigenen Langzeitinteressen. 182 Während früher der Wohlstand der Nation in erster Linie in den Händen von Individuen gelegen habe, die ihrer sozialen Verantwortung als Bürger gegenüber der Gesellschaft durch karitative Spenden gerecht wurden, verfügten heute die Aktiengesellschaften über den Löwenanteil der privaten Ressourcen.183 Zudem würden individuelle Vermögen steuerlich viel stärker belastet.184 Unter diesen Umständen habe die Öffentlichkeit die berechtigte Erwartung, dass Aktiengesellschaften als good citizens dieser sozialen Verpflichtung in gleicher Weise entsprächen wie traditionell Privatleute: „[M]odern conditions require that corporations acknowledge and discharge social as well as private responsibilities as members of the communitites within which they operate.“185 Das Recht erlaube es den Aktionären nicht, die Augen vor den gewandelten sozialen Umständen zu verschließen.186 Wenngleich die Ausführungen zur common-law-Rechtsmacht des Vorstands angesichts der vorhandenen gesetzlichen Ermächtigung bei formaler Betrachtung bloßes obiter dictum darstellten187, darf die Bedeutung der Entscheidung nicht unterschätzt werden.188 Mit kraftvollen Worten bringt das Gericht für den Bereich der Unternehmensspenden ein gewandeltes Verständnis der sozialen Rolle von Kapitalgesellschaften zum Ausdruck und lässt keinen Zweifel daran, dass es die Entscheidung der Unternehmensleitung auch ohne die gesetzliche Regelung bestätigt 179 98 A.2d, 581, 586; ähnlich die Formulierung der vorinstanzlichen Entscheidung, 97 A.2d 186, 192 (1953): „[T]he contribution here in question is towards a cause which is intimately tied into the preservation of American business and the American way of life.“ 180 98 A.2d, 581, 586. Siehe dazu auch die Aussage von Irving S. Olds, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der United States Steel Corporation, der als Zeuge aussagte, „[c]apitalism and free enterprise owe their survival in no small degree to the existence of our private, independent universities.“, Id. S. 583. 181 98 A.2d, 581, 586. 182 98 A.2d 581, 585 f. 183 98 A.2d 581, 585 f. 184 98 A.2d 581, 586. 185 98 A.2d 581, 586. 186 98 A.2d 581, 590. 187 So ausdrücklich Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423 Fn. 2 (1993); siehe auch Morrissey, 40 Syracuse L. Rev. 1005, 1015 (1989): „unnecessary to decide the matter“. 188 Vgl. die Bewertung der Entscheidung als „landmark case“ bei Blumberg, 50 B.U. L. Rev. 157, 174 (1970); Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 601 (1997).

5 Empt

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hätte. Erstmals – und anders als noch im Armstrong Cork-Fall – verlangte ein Gericht in seiner Formulierung der common-law-Regel keinen spezifischen Nutzen für die Gesellschaft (die Spende war nicht mit dem Ziel gemacht worden, die Zahl der als potentielle Mitarbeiter zur Verfügung stehenden Princeton Alumni zu erhöhen189), sondern erachtete den abstrakten und indirekten Vorteil durch die Unterstützung des amerikanischen Gesellschaftssystems für ausreichend.190 Damit geht die Entscheidung deutlich über die bis dahin vorhandenen Präjudizien hinaus. Andererseits erscheint es angesichts der ausführlichen Herleitung eines – wenn auch sehr abstrakten – Gesellschaftsvorteils und der engen Verknüpfung dieses Teils der Entscheidung mit den Ausführungen zur sozialen Verantwortung zweifelhaft, die Entscheidung als richterliche Bestätigung der Ansicht Dodds zu lesen.191 Interessanterweise wies das Gericht ergänzend darauf hin, dass es sich bei dem Empfänger der Spende auch nicht um eine „pet charity“ des Vorstands handele, so dass die Zuwendung auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Interessenkonflikts nicht zu beanstanden sei.192 Damit klingt bereits in der ersten modernen Entscheidung zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit von Unternehmensspenden ein Thema an, das heute ganz im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion steht (dazu unten S. 73 ff.). Die dahingehende Tatsachenfeststellung des Gerichtes in A.P. Smith erweist sich bei rückblickender Betrachtung im übrigen als wahrscheinlich falsch, da der Präsident der Gesellschaft, Hubert O’Brien, ein Alumnus der Princeton University war und dort 1931 sein Studium abgeschlossen hatte.193 (b) Memorial Hospital Association v. Pacific Grape Products Co. (1955) In Memorial Hospital Association v. Pacific Grape Products Co.194 war zu entscheiden über die Wirksamkeit der schriftlichen Zusage durch den Präsidenten eines Agrargroßhändlers, den Bau eines örtlichen Krankenhauses mit 5.000 $ zu unterstützen. Die Gesellschaft verweigerte später die Zahlung, worauf die Versprechensempfängerin, eine gemeinnützige Organisation gegründet zum Zweck des Krankenhausbaus, Zahlungsklage erhob. Das oberste Gericht Kaliforniens gab der Klage unter Hinweis auf die „implied authority“ des Präsidenten statt. Ausgangspunkt der Begründung war der common-law-Grundsatz, dass ein Präsident, der zu189 Ein solches Argument war vorgetragen und vom Gericht akzeptiert worden in dem englischen Fall Evans v. Brunner, Mond & Company, Ltd. (1921) 1 Ch. 359. Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Chemieunternehmen, das laufend Chemiker einstellte, naturwissenschaftliche Fakultäten unterstützt, um Studenten zum Chemiestudium zu ermuntern. 190 Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 27 (1994). 191 Johnson, 14. J. Corp. L. 35, 43 (1988) („[I]t is important to keep [the case] in perspective.“); Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 27 (1994); Ruder, 114 U. Pa. L. Rev. 209, 222 (1965). 192 98. A.2d 581, 590. 193 Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 974 (1999); Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1148 Fn. 5 (1997). 194 290 P.2d 481 (Cal. 1955).

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gleich general manager einer Gesellschaft ist, als ermächtigt gilt zum Abschluss all jener Verträge, die im normalen Verlauf des Geschäftslebens angemessen sind.195 Zur Angemessenheit des Versprechens führte das Gericht aus: „It is a matter of common knowledge that the trend on the part of the prosperous business concern is steadily in the direction of making substantial contributions in the community in which it is located and does business. Such donations are generally considered for its benefit as a means of increasing good will and promoting patronage.“196 Was den zu erwartenden Nutzen für die Gesellschaft anbelangt, gingen die Richter sogar von einem „direct benefit“ aus, da das Krankenhaus die Versorgung der Arbeitnehmer der Beklagten vor Ort ermögliche.197 Bemerkenswerterweise erwähnen die Entscheidungsgründe im Gegensatz zur A.P. Smith-Entscheidung mit keinem Wort die Idee der good corporate citizenship, sondern begründen die Wirksamkeit des Versprechens allein unter dem Gesichtspunkt des Gesellschaftsinteresses. Indes lässt sich die Entscheidung mit der vom Gericht gewählten Begründung bei näherer Betrachtung kaum halten: Zum einen ist nicht ersichtlich, wie ein Großhändler ohne direkten Verbraucherkontakt auf dem Markt für Agrarprodukte als dem Paradebeispiel eines Marktes in (fast) vollkommenem Wettbewerb irgendwelche messbaren Vorteile aus der Unterstützung des Krankenhausbaus ableiten könnte. Zum anderen hing der Bau des Krankenhauses nicht von der relativ kleinen Spende der Beklagten ab, so dass der vom Gericht angeführte Vorteil der Krankenversorgung der Arbeitnehmer ohnehin eingetreten wäre.198 Die Entscheidung bietet damit ein weiteres anschauliches Beispiel für die Tendenz der amerikanischen Gerichte, zwar formal am Primat des Aktionärsinteresses festzuhalten, de facto aber die Berücksichtigung genuin sozialer Belange zu gestatten. (c) Union Pacific Railroad Company v. Trustees, Inc. (1958) In Union Pacific Railroad Company v. Trustees199 bestätigte der Supreme Court von Utah die Rechtswirksamkeit eines Vorstandsbeschlusses, 5.000 $ an eine von der Union Pacific selbst gegründete gemeinnützige Organisation zu spenden. Das Gesellschaftsgesetz Utahs enthielt zu diesem Zeitpunkt bereits eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für derartige Ausgaben.200 Im Gegensatz zu ihren Kollegen aus New Jersey in A. P. Smith hielten die Richter die Vorschrift aber für nicht anwendbar, da die Union Pacific Company vor Erlass des Gesetzes gegründet worden war und das Gesetz eine rückwirkende Anwendung der Norm nicht ausdrück195 196 197 198 199 200

5*

290 P.2d 481, 483. 290 P.2d 481, 483. 290 P.2d 481, 483. Adams / Knutsen, 80 Iowa L. Rev. 211, 238 (1995). 329 P.2d 398 (Utah 1958). 329 P.2d 398, 399.

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lich anordnete.201 Stattdessen stützte das Gericht seine Entscheidung allein auf die „implied common law powers“ der Geschäftsleitung.202 Während das Gericht im Einklang mit der traditionellen common-law-Doktrin formal am Erfordernis des benefit festhielt203, kam es dem Vorstand bei der Anwendung dieser Regel durch eine Vermutung, die der Sache nach der business judgment rule entspricht204, enorm entgegen: „It strikes us as . . . unconceivable . . . that men heretofore known for their administrative and executive experience and ability . . . would espouse a program on behalf of a corporation . . . if they were not confident that their company presently and directly, or within the foreseeable future would receive a quid pro quo as the resultant of good will engendered by contributions.“205 Habe der Vorstand einen solchen Entschluss getroffen mit der „studied and not unreasonable conviction that it would benefit the corporation“, so handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung „that should rest in the sound discretion of management“.206 Da der Entscheidungsprozess als solcher nicht zu beanstanden war, respektierte das Gericht die Ermessensentscheidung des Vorstands, ohne überhaupt in eine Prüfung des zu erwartenden Nutzens und dessen Wahrscheinlichkeit einzutreten.207 Ergänzend – in Wahrheit handelte es sich wohl um den ausschlaggebenden Punkt208 – wiesen die Richter darauf hin, dass die erhöhte Besteuerung privater Einkommen zu einem Rückgang individueller Spenden geführt habe und daher ein verstärktes gesellschaftliches Bedürfnis nach korporativer Philanthropie bestehe.209 Dieses (dogmatisch schwer zu verortende) Argument unterstreicht die nicht zu unterschätzende Bedeutung pragmatischer sozialpolitischer Erwägungen für die amerikanische Rechtsentwicklung in diesem Bereich (und veranlasste Justice Worthen in seiner abweichenden Meinung zu der bissigen Replik: „Only among the inhabitants of Sherwood Forest has need been accepted as justifying the end“210).

329 P.2d 398, 400. 329 P.2d 398, 402. 203 329 P.2d 398, 401. 204 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 62 f. (1988): „The court’s opinion smacks strongly of the business judgment rule.“ 205 329 P.2d 398, 401. 206 329 P.2d 398, 402. 207 329 P.2d 398, 402: „[M]anagement’s decisions in such matters should not be rendered impotent unless arbitrary and unreasonably indefensible.“ 208 So auch Adams / Knutsen, 80 Iowa L. Rev. 211, 237 (1995). 209 329 P.2d 398, 400; vgl. zu diesem Argument aus der neueren Diskussion Morrissey, 40 Syracuse L. Rev. 1005, 1031 f. (1989). 210 329 P.2d 398, 403 (Worthen diss.). 201 202

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(d) Theodora Holding Corp. v. Henderson (1969) In dem der Entscheidung in Theodora Holding Corp. v. Henderson211 zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Schenkung von eigenen Aktien einer Holding-Gesellschaft im Wert von 528.000 $ an eine wohltätige Stiftung. In Delaware galt zum damaligen Zeitpunkt eine weite gesetzliche Ermächtigung des Vorstands zur Ausreichung von Spenden nach dem Muster des ABA-Modells.212 Der Court of Chancery interpretierte den Kompetenztitel in Theodora einschränkend dahingehend, dass nur Spenden in einem vernünftigen Umfang (reasonableness) gestattet seien, sah aber die Grenzen des Vernünftigen als noch nicht überschritten an und bestätigte die Schenkung.213 Bei der Bestimmung des vernünftigen Rahmens der Zuwendung orientierte sich das Gericht an steuerrechtlichen Vorschriften, ohne aber letzteren verbindliche Wirkung für das Gesellschaftsrecht zuzuerkennen.214 Der Wert des Geschenks entsprach 2,76 % der im fraglichen Jahr erwirtschafteten Gewinne und lag damit deutlich unterhalb der durch den Internal Revenue Code für die steuerliche Abzugsfähigkeit gesetzten Grenze von 5 %.215 Interessanterweise hielt es das Gericht im Rahmen seiner reasonableness-Analyse zusätzlich für erforderlich, auf den langfristigen Nutzen der Spende hinzuweisen, obgleich das anwendbare Gesetz keinerlei benefit forderte.216 Den abstrakten Aktionärsvorteil sah das Gericht darin, dass derartige Zuwendungen auf lange Sicht die Existenz großer privater Holding-Gesellschaften gegenüber der Gesellschaft legitimierten.217 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Entscheidung entgegen der üblichen Spruchpraxis eine inhaltliche Prüfung der angegriffenen Vorstandsentscheidung nicht von vornherein unter Hinweis auf die business judgment rule ablehnte, sondern sich ausführlich zur Angemessenheit der Spende äußerte. Ob Grund für die eingehende Sachprüfung die richterliche Überzeugung war, dass die mit Anwendung der business judgment rule einhergehende Vermutung für die Beurteilung philanthropisch motivierter Ausgaben nicht den rechten Maßstab bietet218, geht aus den Entscheidungsgründen nicht hervor. Möglicherweise ist die Nichtanwendung der business judgment rule durch das Gericht mit den in mancherlei Hinsicht ungewöhnlichen Umständen des Falles zu erklären: Empfänger der Zuwendung war eine vom Mehrheitsgesellschafter der Holding-Gesellschaft, Girard Hender257 A.2d 398 (Del. Ch. 1969). 257 A.2d 398, 404. Siehe die heutige Regelung in § 122 (9) Delaware General Corporation Law. 213 257 A.2d 398, 405. 214 257 A.2d 398, 405. 215 257 A.2d 398, 405. 216 257 A.2d 398, 405. 217 257 A.2d 398, 405. 218 So Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1125 (1997). 211 212

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son, gegründete und kontrollierte Stiftung zur Betreuung unterprivilegierter Jugendlicher in den Bergen Colorados, auf deren Gelände Henderson selbst ein Sommerhaus hatte, und bei der klagenden Minderheitsaktionärin handelte es sich um Hendersons geschiedene Ehefrau.219 (e) Kahn v. Sullivan (1991) In Kahn v. Sullivan220 schließlich mussten sich die Richter mit Aktionärsklagen gegen den geplanten Bau eines Kunstmuseums aus Gesellschaftsmitteln auseinandersetzen. Dr. Armand Hammer, Vorstandsvorsitzender der Occidental Petroleum Corporation, hatte Zeit seines Lebens Kunstwerke gesammelt. Sein ursprünglicher Plan, die Sammlung dem Los Angeles County Museum of Art zu überlassen, scheiterte daran, dass das Museum nicht bereit war, alle von Dr. Hammer gestellten Bedingungen zu erfüllen. Darauf beschloss er, „sein eigenes Museum zu schaffen“221 und schlug dem board von Occidental vor, die Finanzierung dieses Museums aus Gesellschaftsmitteln zu beschließen. Angesichts des offensichtlichen Eigeninteresses von Dr. Hammer wurde ein Sonderkomitee aus nicht bei Occidental angestellten board-Mitgliedern (outside directors) berufen, das dem Vorschlag schließlich mit einigen Modifikationen zustimmte.222 Occidental versprach, angrenzend an seine Verwaltungszentrale ein Museumsgebäude zu geschätzten Kosten in Höhe von 50 Millionen $ zu errichten. Occidental sollte dieses Gebäude sowie vier Stockwerke der Verwaltungszentrale dem Museum, einer selbständigen Stiftung, mietfrei zur Verfügung stellen. Außerdem stellte Occidental Mittel in Höhe von 35 Millionen $ zur Deckung der laufenden Betriebskosten des Museums zur Verfügung. Die so geschaffene Einrichtung sollte den Namen „The Armand Hammer Museum of Art and Cultural Center“ tragen, während Occidental lediglich das Recht behielt, Hof, Bibliothek und Auditorium zu benennen.223 Die Gesamtkosten des Pakets beliefen sich auf über 85 Millionen $, ein Betrag der fast 30 % des im Jahr 1989 erzielten Nettogewinns entsprach (11,5 % des Gewinns vor Steuern).224 Mehrere Aktionärsgruppen bewerteten diesen Beschluss als eine Verletzung fiduziarischer Pflichten durch den Vorstand von Occidental und erhoben Klage. Einer der Kläger stimmte wenig später einem Vergleich zu, den der Court of Chancery als angemessen genehmigte.225 Der oberste Gerichtshof Delawares226 bestä257 A.2d 398, 400 f. 594 A.2d 48 (Del. 1991). 221 So die Formulierung in Dr. Hammers letztem Brief an den Verhandlungsführer des städtischen Museums, siehe 594 A.2d. 48, 52. 222 594 A.2d 48, 54. 223 594 A.2d 48, 54. 224 Blair, 28 Stetson L. Rev. 27, 46 (1998). 225 Sullivan v. Hammer, 16 Del. J. Corp. L. 1621 (Del. Ch. 1990). 219 220

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tigte diese Entscheidung gegen die Einwände der nicht zustimmenden Kläger.227 Obgleich beide Gerichte ihren Unmut über die Vorgänge kaum verbergen konnten228, kamen sie übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Aktionärsklagen nur äußerst geringe Erfolgsaussichten hatten und daher der zu überprüfende Vergleich trotz geringer Zugeständnisse nicht unangemessen war.229 Die business judgment rule stellte nach Auffassung der Gerichte eine kaum zu überwindende Hürde für die Kläger dar.230 Die Vermutung ordnungsgemäßen Verhaltens231 hätten die Kläger nur widerlegen können durch substantiierte Darlegungen, dass (a) eine Mehrheit der an der Entscheidung beteiligten board-Mitglieder einen persönlichen finanziellen Vorteil aus der Entscheidung erwartete, (b) die Mehrheit der board-Mitglieder nicht hinreichend unabhängig war, (c) die Beteiligten in grob fahrlässiger Weise sich nicht ausreichend über die Transaktion informiert hatten, oder (d) die Entscheidung so irrational war, dass sie unmöglich das Ergebnis einer vernünftigen unternehmerischen Abwägung gewesen sein konnte.232 Finanzielle Eigeninteressen der an der Entscheidung beteiligten Mitglieder des boards waren nicht ersichtlich. Noch sahen die Richter Anhaltspunkte dafür, dass die Direktoren von Dr. Hammer gesteuert und kontrolliert wurden und daher keine unabhängige Entscheidung treffen konnten. Außerdem hatten die Mitglieder des Spezialkomitees sich ausführlich über das Projekt informiert und damit den formalen Anforderungen der Smith v. Van Gorkom-Entscheidung233 an einen ordnungsgemäßen Entscheidungsprozeß genügt.234 Schließlich war der Entschluss in den Augen der Gerichte auch nicht völlig irrational, da Occidental mit gesteigerten Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48 (Del. 1991). Zu den prozessualen Besonderheiten derivativer Klagen und der erforderlichen gerichtlichen Genehmigung von Vergleichen siehe Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 15.14. Der Court of Chancery prüft in einer solchen Situation lediglich summarisch die Erfolgsaussichten der Klage und wägt dann in einer nur sehr eingeschränkt überprüfbaren Ermessenentscheidung Stärke oder Schwäche der klägerischen Begehrens gegenüber Art und Umfang der Zugeständnisse ab. 228 Vgl. die deutlichen Worte des Vice Chancellors, 16 Del. J. Corp. L. 1621, 1630: „If the Court was a stockholder of Occidental it might vote for new directors, if it was on the Board it might vote for a new management and if it was a member of the Special Committee it might vote against the Museum project. But [the court’s] options are limited in reviewing a proposed settlement.“ 229 16 Del. J. Corp. L. 1621, 1631; 594 A.2d 48, 62 f. 230 16 Del. J. Corp. L. 1621, 1632. 231 Dazu Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984): „The business judgment rule is a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company.“ 232 16 Del. J. Corp. L. 1621, 1632. 233 488 A.2d 858 (Del. 1985). 234 16 Del. J. Corp. L. 1621, 1632 (Del. Ch. 1991). 226 227

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good will rechnen durfte und überdies das an die Verwaltungszentrale angrenzende Museumsgebäude für geschäftliche Veranstaltungen nutzen konnte.235 Somit sei nicht ersichtlich, wie die Kläger die Vermutung der business judgment rule hätten überwinden können. Außerdem erfülle die Entscheidung, da nicht völlig irrational, auch die Erfordernisse des reasonableness-Tests (Theodora).236 (6) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die amerikanischen Gerichte auch unter der Herrschaft der äußerst permissiven modernen gesetzlichen Ermächtigungen sich zumindest rhetorisch nie völlig von der Forderung eines langfristigen Aktionärsvorteils gelöst haben. Insbesondere in Delaware erscheint das corporate benefit-Erfordernis „alive and well“237 zu sein. Andererseits kommt die moderne Rechtsprechung dem Vorstand in zweierlei Hinsicht entgegen: (1) Zum einen genügen ganz abstrakte Vorteile, die der Gesellschaft und ihren Aktionären nur indirekt als Teil des Gemeinwesens zukommen. (2) Zum anderen wird eine sachliche Prüfung der unternehmerischen Entscheidung durch Anwendung der business judgment rule weitgehend ausgeschlossen. All dies steht im Einklang mit den insbesondere in Delaware anlässlich der richterlichen Auseinandersetzung mit Verteidigungsmaßnahmen gegen feindliche Übernahmeversuche entwickelten allgemeinen Verhaltensgrundsätzen: Danach müssen alle Managementhandlungen zumindest mittelbar dem Aktionärsinteresse dienen, aber solange die Gesellschaft mit unbegrenztem Zeithorizont operiert, bestimmt allein das Management, mit welchen Mitteln und in welchem Zeitrahmen die Interessen der Aktionäre am besten verfolgt werden.238

bb) Probleme und Reformvorschläge Wie kein anderer Fall zeigt Kahn v. Sullivan sowohl praktische Missstände als auch konzeptionelle Zweifelsfragen des gegenwärtigen Systems auf. Aus diesem Grund markiert die Entscheidung nicht nur den Abschluss der bisherigen amerikanischen Rechtsentwicklung, sondern zugleich auch den Beginn der aktuellen Reformdiskussion um Unternehmensspenden, die an dieser Stelle kurz dargestellt werden soll.

235 236 237 238

16 Del. J. Corp. L. 1621, 1634; bestätigend 594 A.2d 48, 62 (Del. Sup. 1991). 16 Del. J. Corp. L. 1621, 1634. So die Formulierung von Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 978 (1999). Dazu unten S. 83 ff.

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(1) Pet charities und sachfremde Beweggründe Langfristiges Gesellschaftsinteresse oder wirklicher Altruismus sind nicht die einzig denkbaren Beweggründe professioneller Manager für philanthropische Spenden aus Gesellschaftsmitteln. 239 In den Mittelpunkt des Interesses der amerikanischen Gesellschaftsrechtswissenschaft rückt zunehmend eine dritte Gruppe von Zuwendungen, bei denen Zuwendungsempfänger eine sog. „pet charity“ des Entscheidungsträgers ist. Der Begriff, der zuerst vom New Jersey Supreme Court in A. P. Smith verwendet wurde240 und über die rechtsvergleichende Literatur241 mittlerweile in Deutschland auch Eingang in den Sprachgebrauch des Bundesgerichtshofs gefunden hat242, bezeichnet solche Organisationen oder Zwecke, zu denen der verantwortliche Manager besondere persönliche Beziehungen hat, die sachfremde Erwägungen bei der Entscheidung über die Mittelvergabe nahe legen. Eng verwandt sind die sog. „personal aggrandizement“-Fälle, in denen die Spende dem persönlichen Prestigegewinn des Managers dient.243 Ein früher Fall sachfremder Motivation lag wohl der Entscheidung in Henry A. Worthington v. Worthington244 aus dem Jahr 1905 zugrunde. Der Präsident eines Herstellers von Hydraulikmaschinen hatte zugesagt, ein Labor der Columbia University mit den Produkten des Unternehmens auszustatten, wenn im Gegenzug das Labor nach seinem verstorbenen Vater, Henry R. Worthington, einem in New Yorker Fachkreisen bekannten Hydraulikingenieur, benannt würde.245 Zwar war ein Nutzen für das Unternehmen insofern nicht völlig von der Hand zu weisen, als der Name des Vaters auch Bestandteil der Firma der Gesellschaft war. Ausschlaggebende Motivation für das Geschenk war indes der persönliche Wunsch des Sohnes, das Andenken des Vaters zu bewahren. Das Gericht musste die Frage der Zulässigkeit der fraglichen Zuwendung aus Gesellschaftsmitteln zwar letztlich nicht entscheiden, da es den Briefwechsel mit der Universität dahin auslegte, dass der Sohn sich als Privatmann zur Leistung aus seinem Privatvermögen verpflichtet hatte.246 Gleichwohl bietet der Fall ein anschauliches Beispiel für die bei der Entscheidung über soziale Zuwendungen stets bestehenden Versuchungen und lässt zugleich bereits das Missbrauchspotential erahnen, das sich Jahrzehnte später in dem der Entscheidung in Kahn v. Sullivan zugrunde liegenden Sachverhalt verwirklichen sollte.

239 240 241 242 243 244 245 246

Vgl. die Dreiteilung bei Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 968 (1999). A.P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow, 98 A.2d 581, 590 (1953). Fleischer, AG 2001, 171, 179. BGH AG 2002, 347, 349. Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 968 (1999). 91 N.Y.S. 443 (N.Y. Sup. Ct. 1905). 91 N.Y.S. 443, 444. 91 N.Y.S. 443, 445.

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Ein kurzer Überblick über einige der in den letzten Jahren an das Licht der Öffentlichkeit gelangten Fallbeispiele fragwürdigen sozialen Engagements – mangels gesetzlich angeordneter Publizität (dazu sogleich) kann die tatsächliche Zahl solcher Fälle nur geschätzt werden – vermittelt einen Eindruck von der Vielfalt sachwidriger Beweggründe: William Agee, der CEO von Morrison-Knudsen Co., eines großen Bau- und Bauplanungsunternehmens, vergab Spenden aus Gesellschaftsmitteln an das Nurturing Network, eine Organisation von Abtreibungsgegnern, deren Gründerin und Geschäftsführerin seine Ehefrau war.247 Charles Keating, CEO der Lincoln Savings Sparkasse und praktizierender Katholik, unterstützte bevorzugt Mutter Theresa und katholische Organisationen mit Geld- und Sachgeschenken.248 Dennis Kozlowski, CEO von Tyco, veranlasste Spenden aus Gesellschaftsmitteln in Höhe von jeweils mehrere Millionen Dollar an seine alma mater, die Seton Hall University in New Jersey, sowie an eine Privatschule in Maine, die seine Töchter besuchten.249 Beide Institutionen benannten die mit den Mitteln errichteten Gebäude nach Kozlowski. Der CEO von RJR Nabisco, Ross Johnson, schließlich nutzte Spenden als ein Machtinstrument, um sich die persönliche Gefolgschaft von Mitgliedern des boards zu sichern, indem er aus Gesellschaftsmitteln Stiftungsprofessuren mit den Namen der betreffenden board-Mitglieder an Universitäten ihrer Wahl einrichtete.250 Um die Zustimmung von Paul Sticht, einem der Mitglieder des boards in einer bestimmten Frage zu gewinnen, veranlasste Johnson eine Einzelspende in Höhe von 6 Mio. $ an das Paul Sticht Center on Aging an der Bowman Gray School of Medicine.251 Eine andere Spende wurde ausgereicht an ein kleines College, dessen Board of Trustees die Ehefrau eines der Mitglieder des boards angehörte. Das College zeigte sich mit der Verleihung von akademischen Titeln ehrenhalber an Johnson und seine Ehefrau erkenntlich.252 (2) Mängel der herkömmlichen Prüfungsmaßstäbe Die unmodifizierte Anwendung der in anderem Zusammenhang entwickelten Maßstäbe von duty of care und duty of loyalty sowie der business judgment rule auf Managemententscheidungen zur Ausreichung von Unternehmensspenden ist im amerikanischen Schrifttum auf Kritik gestoßen. (1) Zweifelhaft sei zunächst die Anwendbarkeit der business judgment rule überhaupt, handele es sich doch bei der Vergabe von Spenden für soziale Zwecke, so man die Unternehmensführer beim Wort nehme, gerade nicht um ein business 247 Ties That Bind: His Directors, Her Charity, NY Times vom 21. März 1995, S. D4; dazu den Diskussionsbeitrag von Balotti, 84 Cornell L. Rev. 1282, 1312 (1999). 248 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1160 (1997). 249 Wall Street Journal vom 7. August 2002, S. A1. 250 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1161 (1997). 251 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1161 (1997). 252 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1161 (1997).

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judgment, sondern um eine Entscheidung außerhalb der geschäftlichen Sphäre der Gesellschaft.253 Voraussetzung für die Anwendbarkeit der business judgment rule sei stets das Vorliegen eines business judgment.254 Fehle es daran, stehe die Anwendung der Regel auf rechtssystematisch schwachen Füßen. Denn ratio der richterlichen Zurückhaltung bei der Überprüfung unternehmerischer Entscheidung sei die Erkenntnis, dass ein strikterer Maßstab Manager womöglich von der Übernahme solcher unternehmerischer Risiken abschrecken würde, die wegen ihrer wohlfahrtssteigernden Effekte volkswirtschaftlich erwünscht sind.255 Bei wirklichen philanthropischen Zuwendungen handele es sich aber um Entscheidungen, die keine unternehmerische Risikoabwägung beinhalteten, sondern aus sozialen Erwägungen getroffen würden und daher mit der herkömmlichen Begründung für die Anwendung der business judgment rule nur schwer vereinbar seien.256 Zwar ließe sich argumentieren, dass angesichts der meist nicht von der Hand zu weisenden Möglichkeit langfristiger Vorteile für die Gesellschaft die Anwendung der business judgment rule aus den gleichen Gründen wie bei herkömmlichen Austauschtransaktionen geboten sei.257 Indes erfordere diese Argumentationslinie als notwendigen Zwischenschritt das Zugeständnis, dass philanthropische Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln eben nicht das seien, als was sie in der Regel präsentiert würden. (2) Was die Anforderungen der duty of care an eine sorgfältige Managemententscheidung betreffe, werfe deren Übertragung auf Zuwendungen zu sozialen Zwecken ebenfalls Probleme auf. Schwerpunkt der richterlichen Prüfung ist insoweit seit Smith v. Van Gorkom258 die Frage, ob die angegriffene Entscheidung auf ausreichender Informationsgrundlage und in einem seriösen Verfahren getroffen wurde. Die Entscheidung genießt den Schutz der business judgment rule, wenn die verantwortlichen Manager der Entscheidung die nach den Gesamtumständen gebotene Aufmerksamkeit (due consideration) geschenkt haben. Eine sinnvolle Prüfung des Entscheidungsverfahrens erfordere indes Klarheit darüber, welchen Faktoren die verantwortlichen Akteure ihre Aufmerksamkeit widmen sollen.259 Für den Bereich philanthropisch motivierter Zuwendungen sei jedoch unklar, welche Ge253

Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1126 (1997): „extra-commercial corporate con-

duct“. 254 Vgl. Joy v. North, 692 F.2d 880, 886 (2d Cir. 1982): „Whatever its merit, however, the business judgment rule extends only as far as the reasons which justify its existence. Thus, it does not apply in cases, e.g., in which the corporate decision lacks a business purpose . . .“ 255 Vgl. zur ratio der business judgment rule die Ausführungen des Gerichts in Joy v. North, 692 F.2d 880, 886 (2d Cir. 1982). 256 Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1125 (1997): „[B]ecause philanthropically motivated corporate contributions do not involve business judgments, the business judgment rule presumption is fundamentally unsuited to their review – just as principles of efficiency, expertise and wealth creation are generally inapposite in this context.“ 257 Dazu ausführlich unten S. 205 ff. 258 488 A.2d 858 (Del. 1985); auch schon Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (1984). 259 Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1128 (1997).

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sichtspunkte in einem ordnungsgemäßen Entscheidungsverfahren Berücksichtigung finden müssten – einmal von der Bindung an (langfristige) Profitmaximierung gelöst, drohe das due-care-Erfordernis damit zu einem weitgehend sinnentlehrten Kriterium zu werden.260 (3) Schließlich sei fraglich, ob die für normale Austauschtransaktionen entwickelten Grundsätze zur duty of loyalty geeignet sind, die besonderen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Zuwendungen zu sozialen Zwecken adäquat zu erfassen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der business judgment rule ist, wie oben ausgeführt wurde (S. 48), stets, dass der betreffende Entscheidungsträger frei von Interessenkonflikten handeln konnte.261 Man unterscheidet direkte und indirekte Interessenkonflikte.262 Ein direkter Interessenkonflikt besteht, wenn der verantwortliche Manager persönlich Partei der fraglichen Transaktion ist, so beispielsweise bei Verträgen über seine eigene Entlohnung. Ein indirekter Interessenkonflikt liegt vor in Situationen, in denen ein Entscheidungsträger, ohne selbst Vertragspartei zu sein, auch den Leitungsorganen der anderen Seite angehört oder sonst ein finanzielles Interesse am Vertragspartner seiner Gesellschaft hat. Das Recht behandelt beide Fälle gleich. Transaktionen unter Beteiligung „interessierter“ Manager sind heute nicht mehr schlechthin verboten263, genießen aber andererseits auch nicht die Vermutung ordnungsgemäßen Verhaltens von Entscheidungen, die nicht mit dem Makel des Eigeninteresses behaftet sind.264 Angesichts der stets im Raum stehenden Möglichkeit, dass das Gesellschaftsinteresse nicht die ausschlaggebende Motivation für die fragliche Entscheidung war, hat die Transaktion nur Bestand, wenn – mit Unterschieden im Detail – eine der folgenden drei Voraussetzungen erfüllt ist:265 (1) Zustimmung durch eine frei von Interessenkonflikten entscheidende Mehrheit des boards, (2) Zustimmung durch eine ausreichend informierte Mehrheit der Gesellschafter oder (3) Beweis der Fairness der fraglichen Transaktion. Letztere Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Bedingungen Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1128 (1997). Vgl. nur Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (1984): „[I]ts protection can only be claimed by disinterested directors whose conduct otherwise meets the tests of business judgment. From the standpoint of interest, this means that directors can neither appear on both sides of a transaction nor expect to derive any personal financial benefit from it in the sense of self-dealing.“ 262 Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 10.12. 263 So die frühere Rechtsprechung, vgl. Morgan v. King, 63 P. 416 (Co. 1900); Pearson v. Concord R. Corp., 62 N.H. 537 (1883); Cuthbert v. McNeill, 13 A.2d 667 (N.J. Eq. 1940). 264 Vgl. die klassische Formulierung der Vermutungswirkung der business judgment rule in Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984): „The business judgment rule is a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company.“ 265 Eine detaillierte Schilderung, wie die drei Voraussetzungen im einzelnen erfüllt werden können, findet sich etwa bei Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 10.14. 260 261

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des Geschäfts denjenigen entsprechen, die bei einer Transaktion „at arm’s length“ auf dem entsprechenden Markt üblicherweise zu erwarten sind. Die Beweislast für die Angemessenheit der Bedingungen trägt der „interessierte“ Manager. Sehe man von dem Sonderfall der Mitgliedschaft in einem Leitungsgremium der Empfängerorganisation einmal ab, seien die beschriebenen Regeln kaum geeignet, Interessenkonflikte zu erfassen, die bei natürlicher Betrachtungsweise im Zusammenhang mit der Vergabe von Spenden bestehen können. Denn messbare (finanzielle) Vorteile seien für den betreffenden Manager mit der Unterstützung eines sozialen Zwecks in der Regel nicht verbunden.266 Die Befriedigung, die beispielsweise die Namenspatenschaft für eine Stiftungsprofessur oder ein Kunstmuseum mit sich bringen könne, sei vielmehr indirekter und immaterieller Natur. Wer Abtreibungen aus Gewissensgründen ablehne, möge eine tiefe persönliche Befriedigung aus der Unterstützung lebensschützender Organisationen gewinnen (während eine Orientierung am Gesellschaftsinteresse völlige Neutralität gebieten würde, da die amerikanische Bevölkerung in dieser Frage tief gespalten ist und jede Stellungnahme ebenso viele Feinde wie Freunde schafft.) Ein finanzieller Nutzen sei indes nicht ersichtlich. Der amerikanische Soziologe Joseph Galaskiewicz hat in seiner ausführlichen Studie zum Spendenverhalten von Managern in Minneapolis / St. Paul die Vielfalt möglicher Motive aufgezeigt.267 Ein wesentlicher Beweggrund ist demnach das Bestreben von Unternehmensleitern, ihren persönlichen sozialen Status durch die Zugehörigkeit zu elitären Kreisen des Gemeinwesens zu verbessern.268 Spenden aus Gesellschaftsmitteln seien oftmals das erforderliche „Eintrittsgeld“.269 All diese zweifelhaften – wenngleich nicht notwendig mit dem Gesellschaftsinteresse unvereinbaren – Fälle fielen durch das normale Raster zur Auslese von Interessenkonflikten von vornherein hindurch. Selbst wenn man bereit sei, die Definition von Interessenkonflikten um die hier in Rede stehende Aussicht nicht-finanzieller Vorteile zu erweitern270, so sei damit Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1129 (1997). Galaskiewicz, Social Organization Of An Urban Grants Economy. 268 Galaskiewicz, Social Organization Of An Urban Grants Economy, S. 72 ff. 269 Ein anschauliches Beispiel für die mit Spenden verbundenen Vorteile für das gesellschaftliche Ansehen eines Managers liefert wiederum ein jüngeres Beispiel aus der Presse. Der CEO von Tyco, Dennis Kozlowski, veranlasste Spenden in Millionenhöhe an ein Krankenhaus, ein Kunstmuseum sowie den Ortsverband von United Way in Boca Raton, Florida, dem Sitz der Verwaltungszentrale von Tyco sowie seinem Wohnort. Folge dieses Engagements war neben einer sehr wohlwollenden Berichterstattung in den Gesellschaftsseiten der Palm Beach Post die Auszeichnung von Herrn Kozlowski persönlich als sog. „million-dollar giver“ durch die Dachorganisation von United Way, United Way of America. Siehe Wall Street Journal vom 7. August 2002, S. A6. 270 In diese Richtung weisen obiter dicta der Gerichte in Delaware, so z. B. In Re RJR Nabisco, Inc. Shareholders Litigation, 14 Del. J. Corp. L 1132, 1159 (Del.Ch. 1989): „Greed is not the only human emotion that can pull one from the path of propriety; so might hatred, lust, envy, revenge, or, as is here alleged, shame or pride. Indeed any human emotion may cause a director to place his own interests, preferences or appetites before the welfare of the 266 267

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nicht viel gewonnen. Denn der dann anzuwendende Fairness-Test sei mit seiner Orientierung an den üblichen Marktbedingungen allein auf normale Austauschtransaktionen zugeschnitten. Zweck des Fairness-Tests sei es sicherzustellen, dass die Bedingungen des mit dem Makel eines Interessenkonfliktes behafteten Geschäfts für die Gesellschaft mindestens ebenso günstig seien wie die Bedingungen einer „at arm’s length“ ausgehandelten Vereinbarung. Im Falle von philanthropischen Zuwendungen indes bereite es keinerlei Schwierigkeiten, die Spende an die „pet charity“ des verantwortlichen Managers für ebenso angemessen zu halten wie die Spende an eine andere Organisation, mit der den betroffenen Entscheidungsträger keinerlei persönliche Beziehung verbinde – in beiden Fällen werde das Gesellschaftsvermögen um den gleichen Betrag vermindert, ohne dass eine Gegenleistung erfolge.271 (3) Reformvorschläge Ausgelöst durch die beschriebenen Missstände und Mängel der gegenwärtigen Situation sind in den letzen Jahren verschiedene Reformvorschläge zur Diskussion gestellt worden. (a) Totales Verbot von Spenden an „pet charities“ Der weitestgehendste Vorschlag sieht ein totales Verbot von Zuwendungen an solche Organisationen vor, bei denen auch nur einer der Manager der Gesellschaft irgendeine (ehrenamtliche) Funktion ausübt.272 Wenn beispielsweise ein Manager der Gesellschaft einem Gremium des Metropolitan Museum of Art angehöre, könne die Gesellschaft nur noch das Museum of Modern Art unterstützen (und umgekehrt).273 Vorteil dieses Lösungsansatzes sei es, das Problem der „pet charities“ und sonstiger Zuwendungen aus zweifelhaftem Motiv lösen zu können, ohne auf der anderen Seite das Gesamtvolumen der grundsätzlich sozial erwünschten philanthropischen Zuwendungen zu reduzieren, da es in der Regel möglich sein sollte, eine Organisation zu finden, die den gleichen oder einen ähnlichen Zweck unterstütze wie die dann verbotene „pet charity“.274

corporation.“ Vgl. auch die Ausführungen in Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 361, 362 (Del. 1993), „any interest possessed by a[n] . . . officer . . . and not shared by the stockholders generally“ könne einen Interessenkonflikt begründen. 271 Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 985 (1999). 272 So Eisenberg in seinem Beitrag auf dem Symposium der Stetson University Law School zum Thema „Corporate Charity – Societal Boon or Shareholder Bust?“, abgedruckt in 28 Stetson L. Rev. 52, 98 (1998); als Möglichkeit diskutiert auch von Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1168 f. (1997). 273 Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 52, 98 (1998). 274 Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 52, 98 (1998).

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Indes wird auch auf die offensichtlichen Nachteile eines totalen Verbots hingewiesen. Zunächst erfasse es auch Fälle, in denen die Unterstützung einer ganz bestimmten Organisation trotz – vielleicht auch gerade wegen – der persönlichen Beziehung des Managers zu dieser Organisation im Interesse der Gesellschaft liege, weil beispielsweise eine höhere Medienaufmerksamkeit zu erwarten ist als bei der Unterstützung einer zwar inhaltlich ähnlich ausgerichteten, aber weniger bekannten Organisation. Mithin verbiete die Regel ein Verhalten, das bei rein ökonomischer Betrachtung „good philanthropy“275 darstelle. Des Weiteren lade der formalistische Ansatz zu Umgehungs- und Scheinmanövern ein.276 Außerdem seien, wie Eisenberg selbst einräumt, wohltätige Zwecke auf lokaler Ebene oft nicht austauschbar.277 Schließlich wollten karitative Organisationen oft Manager örtlich ansässiger Unternehmen in ihrem Vorstand, weil sie deren Fähigkeiten und Kontakte schätzen.278 (b) Beweislastumkehr bei potentiellem Interessenkonflikt Ein weniger weitreichender Reformvorschlag würde die Beweislastverteilung abweichend von den normalen Grundsätzen der business judgment rule regeln.279 Legt der substantiierte Klägervortrag im Rahmen einer derivativen Aktionärsklage den Schluss nahe, dass die fragliche Spende aus sachfremden Erwägungen oder an die „pet charity“ eines Managers ausgereicht wurde, steht den beklagten Managern nach diesem Modell die Vermutungswirkung der business judgment rule nicht mehr zur Seite. Vielmehr müssten die Beklagten in dieser Situation beweisen, dass die Zuwendung einen Nutzen für die Gesellschaft erwarten ließ280 oder dass sie den Anforderungen des reasonableness-Tests (Theodora) genüge281. (c) Beteiligung des gesamten board Von anderer Seite wird mit beachtlichen Gründen eine wenigstens jährliche Überprüfung der Spendenpraxis durch das gesamte board der Gesellschaft gefordert.282 Erstens berühre die Entscheidung über die Vergabe von Spenden oftmals kontroverse gesellschaftliche Themen. Schon ein finanziell unbedeutender Beitrag beispielweise zur Unterstützung von religiösen Organisationen, AbtreibungsgegSo die Bezeichnung von Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1202 (1999). Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1168 (1997). 277 Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 24 (1998). 278 Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 24 (1998). 279 So mit Unterschieden im Detail Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 993 (1999); Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 24 (1998). 280 So Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 993 (1999). 281 So Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 24 (1998). 282 So der Vorschlag von Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1173 (1997). 275 276

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nern oder -befürwortern oder Umweltaktivisten könne schwer zu übersehende Folgen für die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens haben.283 Mithin handele es sich um Entscheidungen in Grundsatzfragen, die trotz geringer finanzieller Bedeutung die Aufmerksamkeit des gesamten boards verdienten. Zweitens sei das Missbrauchspotential größer als bei normalen Austauschgeschäften: Einmal von dem Zwang befreit, einen direkt messbaren Vorteil für die Gesellschaft erwirtschaften zu müssen und mit der Möglichkeit versehen, ohne eigenes finanzielles Opfer „Gutes“ zu tun, bestehe für einzelne Manager eine menschlich verständliche Versuchung, persönliche Vorlieben zu pflegen.284 Drittens könnten zweifelhaft motivierte Entscheidungen über die Vergabe von Spenden ein frühes Warnzeichen für möglicherweise vorhandenes anderweitiges Fehlverhalten von Managern sein und sollten auch aus diesem Grunde das gesamte board interessieren.285 Eng mit dem Ruf nach Überprüfung durch das board verbunden ist die Forderung an die boards großer Aktiengesellschaften, im voraus generelle Pläne aufzustellen, die transparente und rationale Kriterien sowie ein Gesamtvolumen für die Spendenvergabe setzen.286 Ein solcher Plan könnte zur Voraussetzung für die Anwendung der business judgment rule gemacht werden.287 Auch wäre es im Rahmen eines solchen Planes denkbar, einen bestimmten Betrag explizit für eine „pet charity“ nach Belieben des Managers zur Verfügung zu stellen, indem man den Betrag als eine besondere Komponente der Managervergütung ansehe.288

283 So sahen sich Unternehmen, die Planned Parenthood unterstützten, in der Vergangenheit Boykottaufrufen von Abtreibungsgegnern ausgesetzt. Planned Parenthood ist eine gemeinnützige Organisation zur Familienplanung, die in ihren Ärztezentren auch, aber nicht nur, Abtreibungen durchführen. Siehe Richard Gibson, Boycott Drive Against Pioneer HiBred Shows Perils of Corporate Philanthropy, Wall Street Journal vom 10. Juni 1992, S. B1. Gillmor / Bremer, 54 Bus. Law. 1007, 1017 (1999) berichten, dass AT&T durch ungeschicktes Verhalten den Zorn beider Seiten auf sich zog, nachdem das Unternehmen zunächst Planned Parenthood unterstützt hatte und dann in Reaktion auf negative Resonanz in Teilen der Öffentlichkeit die Unterstützung völlig einstellte. 284 Pointiert Minow, 54 Bus. Law. 997 (1999): „[P]otential for conflicts of interest is greater and the capacity to measure results is far smaller.“; vgl. auch die Einschätzung von Davis, 13 Can-U.S. L.J. 7, 24 (1988): „Whether the reward comes in the form of serving on a school’s or foundation’s board of trustees, being invited to the Governor’s office or simply being regarded by one’s peers and family as a concerned and thoughtful business citizen, the personal rewards are undeniably present.“ 285 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1174 (1997). Ein aktuelles Beispiel für diese Tendenz bietet der Fall des früheren CEO von Tyco, Dennis Kozlowski, bei dem zweifelhaft motivierte Spenden aus Gesellschaftsmitteln nur einen Teilaspekt eines insgesamt durch mangelnde Trennung von Privat- und Gesellschaftsvermögen und persönliche Bereicherung gekennzeichneten Gesamtverhaltens darstellten; siehe Wall Street Journal vom 7. August 2002, S. A1. 286 Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 994 (1999); Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1177 (1997). 287 Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 994 (1999). 288 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1177 (1997).

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(d) Publizität Die breiteste Unterstützung in der wissenschaftlichen wie öffentlichen Reformdiskussion findet der Vorschlag, Aktiengesellschaften zur Veröffentlichung von Informationen über ihre Spendenpraxis zu verpflichten.289 Gegenwärtig verlangen weder die gesetzlichen Regelungen im Securities Exchange Act of 1934 selbst noch die von der Securities Exchange Commission (SEC) erlassenen Verwaltungsvorschriften die Veröffentlichung solcher Informationen290, obgleich der Wortlaut von § 14(a) SEA 1934 die SEC durchaus zum Erlass entsprechender Vorschriften ermächtigen würde.291 Keine der speziellen Publizitätsvorschriften in den SEC „forms“ und den sog. „S-K regulations“ ordnet die Offenlegung der Spendenpraxis an. Was die generellen Verbote falscher oder irreführender Informationen wie beispielsweise Rule 14a-9 anbelangt, setzt das Kriterium der „materiality“ den Informationspflichten Grenzen, die nach dem gegenwärtigen Verständnis des Begriffs Informationen über philanthropische Aktivitäten nicht erfassen.292 Denn „materiality“ verlangt nach Auslegung der SEC eine gewisse wirtschaftliche Signifikanz der fraglichen Information für das Unternehmen insgesamt, die bei der Höhe philanthropischer Zuwendungen im Verhältnis zum Gesamtumsatz in der Regel nicht gegeben ist. Sieht man von der entgegenkommenderen Behandlung von Aktionärsvorschlägen zu wirtschaftlich unerheblichen, aber politisch relevanten Tagesordnungspunkten für die Hauptversammlung einmal ab293, ist die SEC von diesem rein ökonomischen Verständnis der bundesrechtlichen Regulierung gesellschaftsinterner Kommunikation bisher nicht abgerückt.294 In der Literatur gefordert wird zunächst ein Zwang zur Offenlegung von Spenden oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze an solche Organisationen, deren Leitungsgremien ein director oder officer der Gesellschaft oder dessen Ehepartner an289 Siehe Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 994 (1999); Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1169 (1997); Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 24 f. (1998); Kahn, 44 UCLA L. Rev. 597, 586 (1997); dies., 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1132 ff. (1997); Ruder, 114 Pa. L. Rev. 209, 228 (1965). 290 Gillmor / Bremer, 54 Bus. Law. 1007 (1999); Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1132 (1997). Kahn, S. 1135 Fn. 103, berichtet, dass sogar auf Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Rechtsanwälte oft überrascht feststellen, dass keine Offenlegungspflicht für philanthropische Zuwendungen besteht. 291 Darauf weist hin Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1133 (1997). Paragraph 14(a) SEA 1934 ermächtigt die SEC zum Erlaß von „rules and regulations as the Commission may prescribe as necessary or appropriate in the public interest or for the protection of investors“. 292 Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1136 (1997). 293 Vgl. Amendments to Rules on Shareholder Proposals (May 21, 1998), 1998 WL 254809 (S.E.C.) in Reaktion auf die in New York City Employees‘ Retirement System v. SEC, 45 F.3d 7, 9 ff. (2d. Cir. 1995) wiedergegebene Kontroverse um die Unternehmenspolitik von Cracker Barrel; Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 13.24. 294 Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1137 f. (1997).

6 Empt

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gehört.295 Dieser Vorschlag war Inhalt mehrerer erfolgloser Gesetzesinitiativen im Repräsentantenhaus.296 Darüber hinaus mehren sich die Stimmen, die eine vollständige Offenlegung aller Spenden oberhalb eines bestimmten Betrags sowie von deren Empfängern verlangen.297 Eine Reihe von Gründen spreche für die gesetzliche Anordnung erhöhter Transparenz in diesem Bereich. Erstens berge verbesserte Publizität im Vergleich mit anderen Reformvorschlägen das geringste Potential, ungewollt von legitimen und 295 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1169 f. (1997); Gillmor / Bremer, 54 Bus. Law. 1007, 1019 (1999). 296 H.R. 944, 105th Congress (1998); H.R. 887, 106th Congress (1999); H.R. 3745 107th Congress (2002); dazu Gillmor / Bremer, 54 Bus. Law. 1007, 1019 (1999). Der Abgeordnete Gillmor (R-Ohio) hat in der ersten Sitzung des 108th Congress im Januar 2003 erneut den Gesetzesentwurf eines „Corporate Charitable Disclosure Act“ eingebracht (H.R. 275). Dieser sieht vor, § 14 des Securities and Exchange Act of 1934 um den folgenden Absatz zu ergänzen: (i) DISCLOSURE OF CHARITABLE CONTRIBUTIONS(1) DISCLOSURES REQUIRED(A) SUBSTANTIAL CONTRIBUTIONS TO INSIDER-AFFILIATED CHARITIES- The statements or documents described in subparagraph (B) shall include(i) a disclosure of contributions whose value exceeds the designated amount that were made by the issuer during the issuer’s previous year to any nonprofit organization of which a director, officer, or controlling person of the issuer, or a spouse thereof, was a director or trustee; and (ii) the name of such nonprofit organization and the value of the contribution. (B) STATEMENTS AND DOCUMENTS COVERED- The requirements of subparagraph (A) apply to(i) the proxy statement or other documents accompanying any proxy, consent, or authorization solicited by or on behalf of the management of an issuer in respect of a security registered pursuant to section 12 of this title, or a security issued by an investment company registered under the Investment Company Act of 1940, prior to any annual meeting of the holders of such security; or (ii) if proxies, consents, or authorizations are not solicited by the management in respect of the annual meeting, the written information statement distributed in connection therewith. (2) ANNUAL STATEMENTS REQUIRED- Every issuer with a security registered pursuant to section 12 of this title, or a security issued by an investment company registered under the Investment Company Act of 1940, shall annually make available, in a format designated by the Commission, the total value of contributions made by the issuer to nonprofit organizations during its previous fiscal year, and, if the value of contributions to any organization exceeds the designated amount, the name of that organization and the value of contributions. (3) DEFINITIONS- For purposes of this subsection(A) the term ,designated amount‘ means such amount as may be designated by the Commission by rule, consistent with the public interest and the protection of investors for purposes of this subsection; and (B) the Commission may, by such rules as it deems necessary or appropriate in the public interest, define the terms executive officer and controlling person. 297 Kahn, 44 UCLA L. Rev. 579, 586 (1997): „[B]oth the aggregate total and the individual amounts of the firm’s charitable gifts, the identities of recipient nonprofit organizations, and the existence of any shared directors on the boards of the corporation and the charities receiving its contributions should routinely be disclosed to the shareholders.“; Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 995 (1999); Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 25 (1998).

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erwünschten Zuwendungen abzuschrecken.298 Denn wenn Umstände und Motivation der Spende nicht zu beanstanden seien, haben Manager nichts zu befürchten.299 Zweitens reduziere Publizität die Wahrscheinlichkeit, dass Spenden für persönliche Liebhabereien oder gar als Machtinstrument eingesetzt würden300 – mit den vielzitierten Worten des späteren Richters am US Supreme Court Louis Brandeis: „Sunlight is the best disinfectant; electric light the most efficient policeman.“301 Wie oben ausgeführt wurde, bestehe eine besondere Versuchung, philanthropische Zuwendungen aus sachfremden Erwägungen zu vergeben, da anders als bei normalen Ausgaben unmittelbar messbare Vorteile für die Gesellschaft von vornherein nicht erwartet werden. Diese besondere Gefahrenlage rechtfertige die gesetzliche Anordnung erhöhter Transparenz für solche Ausgaben.302 Schließlich ermögliche es die Offenlegung dieser Informationen Anlegern, das Spendenverhalten der Gesellschaft zu beurteilen und ihre Konsequenzen daraus zu ziehen.303 Dem Hinweis auf die erhöhten Kosten der Publizität wird als Gegenargument in Zeiten moderner Datenerfassungssysteme sowie der Internets nur noch wenig Überzeugungskraft zuerkannt.304 Auf diese Gedanken wird im letzten Teil der Arbeit305 bei der Diskussion der Regelung von Unternehmensspenden im deutschen Aktienrecht zurückzukommen sein. Zunächst soll jedoch die Darstellung der amerikanischen Rechtslage mit einem Überblick über die richterrechtlichen Grundsätze zur Berücksichtigungsfähigkeit von Nichtaktionärsinteressen in der Übernahmesituation fortgesetzt werden.

3. Die Übernahmesituation Mit Aufkommen der Übernahmewelle in den 1980er Jahren brachen in den USA die Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Bezugsgruppen der Aktiengesellschaft mit unvermittelter Heftigkeit hervor.306 Die scheinbar so akademische Frage nach dem Zweck der corporation rückte plötzlich in den MittelBarnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1169 (1997). Gillmor / Bremer, 54 Bus. Law. 1007, 1022 (1999). 300 Barnard, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1169 (1997). 301 Brandeis, Other People’s Money and How the Bankers Use It, 1914, S. 92. 302 Eisenberg, 28 Stetson L. Rev. 1, 25 (1998). 303 Balotti / Hanks, 54 Bus. Law. 965, 994 (1999); Gillmor / Bremer, 54 Bus. Law. 1007, 1022 (1999). 304 Gillmor / Bremer, 54 Bus. Law. 1007, 1020 f. (1999); Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1107, 1143 (1997). 305 S. 212 ff. 306 Vgl. Garfield, 43 Am. J. Comp. L. 150 (1995): „The debate over this issue was by no means new to corporate law . . . But the debate took on a renewed vigor during the takeover phenomenon because takeovers, both factually and legally, brought the conflict between shareholders and other corporate stakeholders to a head.“ 298 299

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punkt des öffentlichen Interesses und ließ sich nicht mehr unter Hinweis auf das oft nebulöse Langzeitinteresse überspielen.307 Die übliche Formulierung, das fiduziarische Pflichtenverhältnis des Managements bestehe gegenüber „the corporation and its shareholders“308 half bei der Lösung dieser Frage nicht weiter. Denn, wie Chancellor Allen in seiner Entscheidung in TW Services, Inc. v. SWT Acquisition Corp. bemerkt hatte, „this particular phrase masks the most fundamental issue: to what interest does the board look in resolving conflicts between interests in the corporation that may be characterized as ,shareholder long term interests‘ or ,corporate entity interests‘ or ,multi-constituency interests‘ on the one hand, and interests that may be characterized as ,shareholder short-term interests‘ or ,current share value interests‘ on the other?“309

a) Unvereinbarkeit der verschiedenen Interessen Warum das amerikanische Recht in dieser Situation Farbe bekennen musste, verdeutlicht ein kurzer Vergleich des Übernahmeszenarios mit Entscheidungen im normalen Geschäftsgang: Solange die Gesellschaft als unabhängige Einheit mit unbegrenztem Zeithorizont operiert, verliert der Konflikt zwischen Anteilseignern und „stakeholders“ viel von seiner Schärfe, da die langfristigen Interessen aller Beteiligten weithin, wenn auch nicht in allen Punkten, übereinstimmen.310 Einerseits wird nur ein profitables Unternehmen sich den „Luxus“ leisten können, Mittel für soziale Zwecke zur Verfügung zu stellen; andererseits wird sich in vielen Fällen sozial rücksichtsvolles Verhalten langfristig auch finanziell auszahlen.311 Außerdem sorgen eine Reihe von (Markt)mechanismen dafür, dass Maßnahmen zu Lasten der Anteilseigner unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit praktisch nur in begrenztem Umfang vorkommen dürften.312 So wird das board der Gesellschaft von den Aktionären, nicht von „stakeholders“ gewählt. Darüber hinaus schaffen 307 Vgl. nur Johnson, 43 Wash. & Lee L. Rev. 781 ff. (1986); ders., 68 Tex. L. Rev. 865, 867 (1990); Allen, 14 Cardozo L. Rev. 261, 272 f. (1992): „The law papered over the conflict in our conception of the corporation by invoking a murky distinction between long-term profit maximization and short-term profit maximization . . . [I]n practice the question of the nature of the corporation seemed essentially unproblematic until the emergence of the cash tender offer of the 1980s.“; siehe auch Allen, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1395, 1404 (1993): „One of the things that was so remarkable about that period [1980s] in corporation law was the way in which deep philosophical conflict concerning the purpose of the corporation and political questions concerning our commitment to the values of the liberal economy were forced to the surface. In that setting, the philosophical divergence between the liberal model and the social model did not appear ethereal or academic but vital.“ 308 Vgl. die Nachweise in Fn. 71. 309 TW Services, Inc. v. SWT Acquisition Corp, 14 Del. J. Corp. L. 1169, 1182 Fn. 5 (1989). 310 Carney, 59 U. Cin. L. Rev. 385, 418 (1990). 311 Mertens, FS Goerdeler, S. 349, 357 f. 312 Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1000 (1992).

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aktienkursabhängige Vergütungsbestandteile einen wirtschaftlichen Anreiz für das Management, Entscheidungen am Interesse der Anteilseigner auszurichten. Schließlich übt der Markt für Unternehmenskontrolle, so vorhanden und funktionierend, einen disziplinierenden Druck auf das Management aus. All dies ändert sich schlagartig in der Übernahmesituation. Zwischen Anteilseignern auf der einen Seite und dem Management auf der anderen Seite besteht dann ein scharfer Interessengegensatz, der durch die genannten Kontrollmechanismen nicht mehr überbrückt werden kann.313 Während die Aktionäre von einer erfolgreichen Übernahme in der Regel durch die Zahlung erheblicher Kontrollprämien profitieren, hat der Mehrheitswechsel einschneidende negative Folgen für das gegenwärtige Management der Zielgesellschaft, da es fast immer über kurz oder lang durch Kandidaten des neuen Mehrheitsaktionärs ersetzt wird (so die Zielgesellschaft überhaupt als selbständige Einheit bestehen bleibt). Andere Bezugsgruppen wie Arbeitnehmer, Gläubiger oder Gemeinden müssen bei einem Kontrollwechsel ebenfalls um ihren gegenwärtigen Besitzstand fürchten, da der kostspielige Übernahmeversuch nur in der Erwartung durchgeführt wird (und werden kann), durch Umstrukturierung oder Zerschlagung der Zielgesellschaft höhere Renditen als das gegenwärtige Management erwirtschaften zu können.314 Der gemeinsame Nenner gleicher oder ähnlicher Langzeitinteressen taugt in diesem Fall nicht mehr zur Entschärfung des Interessenkonflikts.315 Denn, wie das Gericht in TW Services, Inc. v. SWT Acquisition Corp. erkannte, „[i]n such a setting, for the present shareholders, there is no long run.“316 In einer Situation, in der die gegenwärtigen Aktionäre damit rechnen müssen, nach erfolgreicher Übernahme durch den Erwerber im Wege des chash-out mergers gegen Abfindung zwangsweise entfernt zu werden317 oder als Minderheitsaktionäre dauerhaft einem einheitlichen Kontrollblock gegenüberzustehen, spielt es für die gegenwärtigen Aktionäre schlicht keine Rolle, ob der Bieter mit dem höchsten Barangebot die Gesellschaft nach der Übernahme hoch verschulden wird oder ein Bieter mit einem niedrigeren Angebot ein besseres Verhältnis zur Belegschaft erwarten lässt.318 Alleiniges Interesse der gegenwärtigen Anteilseigner ist in einer solchen Situation der gebotene Preis für ihre Anteile. Auch die Perspektive fortgesetzter Unabhängigkeit bietet gegenüber einem deutlich über dem Marktkurs liegenden Übernahmenangebot mit 313 Zu den sog. „final period problems“ in dieser Situation vgl. etwa Gilson, Corporate Acquisitions, S. 579; Carney, 59 U. Cin. L. Rev. 385, 420 ff. (1990); Ruffner, S. 213 f., 238 f. 314 Zu den wirtschaftlichen Beweggründen für Übernahmeversuche und der Funktionsweise des Markts für Unternehmenskontrolle anschaulich Easterbrook / Fischel, 94 Harv. L. Rev. 1161 (1981). 315 Vgl. Allen, 14 Cardozo L. Rev. 261, 274 f. (1992): „[T]he short-term / long-term distinction [is] of little analytical or rhetorical use in resolving the takeover issues.“ 316 TW Services, Inc. v. SWT Acquisition Corp, 14 Del. J. Corp. L. 1169, 1184 (1989). 317 Zu den liberalen Regelungen des amerikanischen Rechts zum „chash-out“ von Minderheitsaktionären siehe Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 22.12. 318 TW Services, Inc. v. SWT Acquisition Corp, 14 Del. J. Corp. L. 1169, 1184 (1989).

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Barkomponente in der Regel keine attraktive Alternative, wenn und weil die zu erwartende langfristige Profitmöglichkeit des gegenwärtigen Investments bei Berücksichtigung des Zeitwertes von Geld sowie eines Abschlages für die Ungewissheit langfristiger Einschätzungen weit hinter dem Wert des aktuellen (und sofort zahlbaren) Übernahmeangebots zurückbleibt. Rational handelnde Anleger haben angesichts eines attraktiven Übernahmeangebots oftmals keinerlei (Langzeit)interesse mehr an der Gesellschaft und dem von ihr betriebenen Unternehmen. b) Fallrecht Die wesentlichen Grundsätze zum Stellenwert von Nichtaktionärsinteressen in der Übernahmesituation wurden vom Delaware Supreme Court in den folgenden vier Entscheidungen entwickelt.319 Diese Rechtsprechung räumt dem Management einer Zielgesellschaft im Ergebnis nicht unerhebliche Möglichkeiten zur Verteidigung gegen unerwünschte Übernahmeangebote ein, bezieht aber zugleich in konzeptioneller Hinsicht eine relativ klare Position zugunsten einer allein auf Anlegerinteressen verpflichteten Rolle des Managements. Und anders als bei der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen im normalen Geschäftsverlauf hat das Beharren auf einer allein am Aktionärsinteresse ausgerichteten Konzeption der corporation in der Übernahmesituation durchaus praktische Konsequenzen, wie die Entscheidungen in Revlon und QVC zeigen. Neben den im Folgenden behandelten richterrechtlichen Grundsätzen sind bei einem feindlichen Übernahmeversuch noch eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften sowohl des Bundesrechts (Williams Act) als auch der Einzelstaaten (control share acquisition statutes, fair price statutes, business combination statutes) anwendbar, die Übernahmen behindern und teilweise sogar unmöglich machen und damit im Ergebnis oft Nichtaktionärsinteressen in der Übernahmesituation schützen.320 Auf deren Darstellung wird aber hier verzichtet, da die Regelungen die im Rahmen dieser Untersuchung interessierende Frage nach Existenz und Ausmaß unternehmerischen Ermessens zur freiwilligen Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen nicht betreffen. aa) Unocal Corporation v. Mesa Petroleum Co. (1985) Ein weitreichendes Mandat zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen in der Übernahmesituation schien die Entscheidung des Delaware Supreme Court 319 Einen interessanten Sonderfall (Übernahme im Pressebereich) behandelt die Entscheidung in Herald Company v. Seawell, 472 F.2d 1081 (10th Cir. 1972), deren Sichtweise zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen sich aber nicht durchgesetzt hat. 320 Vgl. die übersichtliche Darstellung der geltenden gesetzlichen Regelungen bei Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 24.1 ff.; Macey, 1988 Wis. L. Rev. 467; zur Entstehungsgeschichte Romano, 73 Va. L. Rev. 111 (1987).

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in Unocal Corporation v. Mesa Petroleum Co.321 dem Vorstand von Zielgesellschaften einzuräumen. Zu entscheiden war über die Zulässigkeit einer Verteidigungsmaßnahme, die das board der Unocal Corporation gegen ein Übernahmeangebot der Mesa Petroleum Company ergriffen hatte. Mesa war bereits Eigentümerin von 13 % der Unocal-Aktien. Um die Kontrolle über Unocal zu erlangen, unterbreitete Mesa den UnocalAktionären ein zweistufiges Angebot (sog. two-tier front-loaded offer). In einem ersten Schritt versprach Mesa, für weitere 37 % der Unocal-Aktien 54 $ pro Aktie in bar zu bezahlen. Sobald Mesa auf diesem Wege die Mehrheit der Unocal-Aktien erlangt haben würde, sollten in einem zweiten Schritt die übrigen Aktien nach entsprechendem Beschluss der Hauptversammlung im Wege eines sog. cash-out backend merger gegen Ausgabe von Anleihen geringer Bonität (sog. junk bonds) erworben werden.322 Das board von Unocal wehrte sich gegen diesen Plan, indem es für bis zu 49 % der Aktien den Rückerwerb durch Unocal selbst im Austausch gegen Schuldverschreibungen im angeblichen Wert von 72 $ anbot.323 Mesa war allerdings von dem Rückerwerbsangebot ausdrücklich ausgeschlossen, da Unocal andernfalls im Ergebnis Mesas Übernahmeversuch mitfinanziert hätte.324 Das Unocal-Management hoffte mit diesem Verfahren den Übernahmeversuch von Mesa ganz abzuwehren oder wenigstens, sollte Mesa dennoch Erfolg haben, sicherzustellen, dass 49 % der ehemaligen Unocal-Aktionäre über wertvollere, weil ranghöhere, Unocal-Anleihen verfügen würden als die von Mesa in der zweiten Stufe angebotenen junk bonds.325 Damit wurde der Erwerb von Unocal für Mesa wirtschaftlich uninteressant: Selbst wenn es gelingen sollte, die Mehrheit der Aktien zu erwerben, so würde Mesa ein dann hochverschuldetes Unternehmen erwerben, mit dem die Kosten der Übernahme nicht erwirtschaftet werden könnten.326 Das oberste Gericht des Staates Delaware wies den Antrag von Mesa auf einstweilige Untersagung des Rückkaufs zurück327, löste sich aber in seiner Begrün493 A.2d 946 (Del. 1985). 493 A.2d 946, 949. Einer solchen Vorgehensweise steht § 14(d)(7) Securities Exchange Act nicht entgegen, solange es sich um zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Schritte handelt. Und Rule 14d-8 schreibt lediglich vor, dass bei einer Überzeichnung der Barkomponente die Annahme der Übernahmeangebote pro rata erfolgen muss, schafft aber keinerlei Verpflichtung, alle Aktien zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Vgl. Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 24.4.6. 323 493 A.2d 946, 951. 324 493 A.2d 946, 956. Der Auschluss einzelner Aktionäre vom (Rück)Kaufangebot ist heute grundsätzlich verboten, da die SEC im Jahr 1986 eine sog. „all holders rule“ erließ, siehe Sec. Exh. Act Rel. No. 34 – 23421 (July 11, 1986). 325 493 A.2d 946, 956. 326 Vgl. Loewenstein, 27 J. Corp. L. 1, 5 (2001): „The effect was both elegant and devastating.“ 327 493 A.2d 946, 959. 321 322

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dung von der bisherigen unmodifizierten Anwendung der business judgment rule im Übernahmekontext328 und entwickelte stattdessen einen zweistufigen Test zur Überprüfung von Verteidigungsmaßnahmen.329 Angesichts der bei Übernahmeangeboten stets vorhandenen Versuchung für Manager, in erster Linie ihre eigenen Interessen zu schützen330, müsse das Management der Zielgesellschaft zunächst darlegen, dass (a) vernünftigerweise von einer Gefahr für „corporate policy and effectiveness“ als Folge des Eigentümerwechsels auszugehen war331 und (b) die ergriffene Verteidigungsmaßnahme angemessen im Verhältnis zu der Bedrohung ist.332 Nur wenn dem board dies gelinge, genieße die fragliche Maßnahme den Schutz der business judgment rule. Der selektive Rückkaufplan erfüllte in den Augen des Gerichts beide Voraussetzungen des Tests. Was den ersten Teil anbelangte, durfte das board nach Meinung der Richter von einer Bedrohung für „corporate policy and effectiveness“ ausgehen, da zum einen die Barkomponente des Angebots den Wert der Gesellschaft nicht zutreffend widerspiegelte und zum anderen durch die Aussicht auf Anleihen von zweifelhaftem Wert unbilliger Druck auf die Anteilseigner zur Annahme des Barangebots ausgeübt wurde.333 Angesichts dieser Bedrohung sei die Verteidigungsmaßnahme mit dem Ziel, den Übernahmeversuch entweder völlig scheitern zu lassen oder aber zumindest den gegenwärtigen Anteilseignern wertvollere Anleihen zu verschaffen, verhältnismäßig und erfülle damit auch den zweiten Teil des Tests.334 Somit sei die business judgment rule anwendbar, deren Vermutung ordnungsgemäßen Verhaltens die Klägerin nicht widerlegt habe.335 328 Vgl. aus der älteren Rechtsprechung Cheff v. Mathes, 199 A.2d 548 (Del. 1964); Kors v. Carey, 158 A.2d 548 (Del. 1960); Pogostin v. Rice, 480 A.2d 619 (Del. 1984) sowie aus anderen Jurisdiktionen Treco, Inc. v. Land of Lincoln Sav. & Loan, 749 F.2d 374 (7th Cir. 1984); Buffalo Forge Co. v. Ogden Corp., 717 F.2d 757 (2d Cir.), cert. denied, 464 U.S. 1018 (1983); Panter v. Marshall Field & Co., 646 F.2d 271 (7th Cir.), cert. denied, 454 U.S. 1092 (1981); Treadway Cos. v. Care Corp., 638 F.2d 357 (2d Cir. 1980); Crouse-Hinds Co. v. Inernorth, Inc., 634 F.2d 690 (2d Cir. 1980); Johnson v. Trueblood, 629 F.2d 287 (3d Cir. 1980), cert. denied, 450 U.S. 999 (1981); Martin Marietta Corp. v. Bendix Corp., 549 F.Supp. 623 (D. Md. 1982); Whittaker Corp. v. Edgar, 535 F.Supp. 933 (N.D. Ill. 1982). 329 493 A.2d 946, 955 f. 330 493 A.2d 946, 954: „Because of the omnipresent specter that a board may be acting primarily in its own interests, rather than those of the corporation and its shareholders, there is an enhanced duty which calls for judicial examination at the threshold before the protections of the business judgment rule may be conferred.“ 331 493 A.2d 946, 955: „Directors must show that they had reasonable grounds for believing that a danger to corporate policy and effectiveness existed because of another person’s stock ownership.“ 332 493 A.2d 946, 955: „A further aspect is the element of balance. If a defensive measure is to come within the ambit of the business judgment rule, it must be reasonable in relation to the threat posed.“ 333 493 A.2d 946, 956: „[S]uch offers are a classic coercive measure designed to stampede shareholders into tendering at the first tier, even if the price is inadequate, out of fear of what they will receive at the back end of the transaction.“ 334 493 A.2d 946, 956.

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Im Rahmen der Ausführungen zur Verhältnismäßigkeitsprüfung fielen die für diese Untersuchung relevanten Äußerungen zur Rolle von Nichtaktionärsinteressen bei der Managemententscheidung über Verteidigungsmaßnahmen. Neben dem Preis und dem Wert der im Gegenzug angebotenen Papiere dürfe das board bei seiner Abwägung auch die Folgen einer erfolgreichen Übernahme für andere Bezugsgruppen neben den Anteilseignern berücksichtigen. Die vom board anzustellende Abwägung beinhalte „an analysis . . . of the nature of the takeover bid and its effects on the corporate enterprise. Examples of such concerns may include: inadequacy of the price offered, nature and timing of the offer, questions of illegality, the impact on ,constituencies‘ other than shareholders (i.e. creditors, customers, employees, and perhaps even the community generally), the risk of nonconsummation, and the quality of securities being offered in the exchange.“336 Zwar hatten die Gerichte bereits in früheren Entscheidungen vereinzelt eine Befugnis des boards zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen anerkannt.337 Jedoch hatte kein Gericht jemals zuvor diese Kompetenz derart weitreichend in einer Form definiert, die an die breiten Formulierungen der in anderen Bundesstaaten geltenden other constituency statutes erinnert.338

bb) Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc. (1986) Neun Monate später stellte das Gericht seine Ausführungen zur Rücksichtnahme auf Nichtaktionäre in Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc.339 in zweierlei Hinsicht klar. Deren Interessen dürften stets nur dann berücksichtigt werden, wenn derartige Rücksichtnahme vernünftigerweise Vorteile für die Aktionäre erwarten ließe.340 Darüber hinaus seien derartige Erwägungen ab einem bestimm335 493 A.2d 946, 958 f. Ob dies überhaupt möglich ist, wenn das board seiner anfänglichen Darlegungslast genügt hat, darf bezweifelt werden, da es schwer vorstellbar ist, dass eine Maßnahme, die das Gericht für „reasonable“ hält, nicht auch eine rationale Entscheidung im Sinne der business judgment rule darstellt, vgl. Loewenstein, 27 J. Corp. L. 1, 5 f. (2001). 336 493 A.2d 946, 955. 337 Siehe Cheff v. Mathes, 199 A.2d 548 (Del. 1964); Kors v. Carey, 158 A.2d 548 (Del. 1960) sowie die bundesgerichtliche Entscheidung in Abramson v. Nytronics, Inc., 312 F.Supp. 519 (S.D.N.Y. 1970), in der das Recht Delawares anzuwenden war. 338 Hansen, 46 Bus. Law. 1355, 1361 (1991). 339 506 A.2d 173 (Del. 1985). 340 506 A.2d 173, 182: „A board may have regard for various constituencies in discharging its responsibilities, provided there are rationally related benefits accruing to the stockholders.“; bestätigt in Mills Acquisition Co. v. Macmillan, Inc., 559 A.2d 1261, 1282 Fn. 29 (Del. 1989): „In assessing the bid and the bidder’s responsibility, a board may consider, among various proper factors, . . . the impact of both the bid and the potential acquisition on other constituencies, provided that it bears some reasonable relationship to general shareholder interests.“

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ten Zeitpunkt gänzlich unzulässig. Manager seien dann allein darauf verpflichtet, den höchstmöglichen Preis für die Aktionäre zu erzielen.341 Auslöser des Rechtsstreits waren die Bemühungen von Pantry Pride, die Mehrheit der Aktien von Revlon zu erwerben. Das board von Revlon hatte Pantry Prides erstes Angebot von 45 $ pro Aktie als völlig unzureichend zurückgewiesen und zu Abwehr des Übernahmeversuchs einen poison-pill-Plan verabschiedet.342 Pantry Pride erhöhte daraufhin sein Angebot in mehreren Schritten bis auf 56,25 $.343 Währenddessen hatte das board von Revlon mit einer dritten Partei, Forstmann and Little, (einem sog. „white knight“) über die Möglichkeit einer freundlichen Übernahme verhandelt.344 Letztlich entschied das Management von Revlon sich dafür, dem Angebot von Forstmann in Höhe von 57,25 $ pro Aktie zuzustimmen, obwohl Pantry Pride angekündigt hatte, jedes Angebot von Forstmann mit einem höheren Angebot zu überbieten.345 Das Forstmann-Angebot war mit drei Bedingungen verbunden, die den Wettbewerb der Bieter effektiv beendeten. Erstens musste sich Revlon im Gegenzug verpflichten, Forstmann zwei besonders attraktive Unternehmensteile (sog. crown jewels) zu einem Preis zu verkaufen, der 100 – 175 Mio. $ unter deren Marktwert lag, sollte ein anderer Bieter 40 % der Aktien von Revlon erwerben.346 Damit verlor Revlon für andere Bieter wie Pantry Pride deutlich an Attraktivität. Zweitens durfte Revlon nicht von sich aus um andere Angebote werben (sog. noshop provision). Drittens verpflichtete sich Revlon zur Zahlung einer sog. cancellation fee in Höhe von 25 Mio. $, falls die Vereinbarung mit Forstmann gekündigt werde oder ein anderer Erwerber mehr als 19,9 % der Revlon-Aktien erwerben würde.347 Im Gegenzug verpflichtete sich Forstmann, den Kurs bestimmter Revlon-Anleihen zu stützen, die im Rahmen der Verteidigung gegen Pantry Prides erstes Angebot im Austausch für Aktien ausgegeben worden waren.348 Der damit verbundene Schutz von Revlons vertraglichen Gläubigern war einer der Beweggründe für die Entscheidung des Revlon-Managements, das Angebot von Forstmann anzunehmen.349 Diesen Erwägungen zum Gläubigerschutz erteilte das Gericht in den Entscheidungsgründen eine scharfe Absage und bestätigte die einstweilige Untersagung der 341 506 A.2d 173, 182: „However, such concern for non-stockholder interests is inappropriate when an auction among active bidders is in progress, and the object no longer is to protect or maintain the corporate enterprise but to sell it to the highest bidder.“ 342 506 A.2d 173, 177. 343 506 A.2d 173, 177. 344 506 A.2d 173, 178. 345 506 A.2d 173, 178. 346 506 A.2d 173, 178. 347 506 A.2d 173, 178. 348 506 A.2d 173, 179. 349 506 A.2d 173, 179.

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drei genannten Maßnahmen durch den Court of Chancery.350 Erstens sei eine Berücksichtigung von Nichtsaktionärsinteressen in und außerhalb der Übernahmesituation nur dann statthaft, wenn mit Vorteilen für die Aktionäre als Folge dieses Verhaltens zu rechnen sei.351 Zweitens seien derartige Erwägungen gänzlich unzulässig, wenn wie im Fall von Revlon ein aktiver Wettbewerb von Bietern stattfinde.352 Sobald eine Situation erreicht worden sei, in der der Verkauf der Gesellschaft sich als unausweichlich abzeichne, wandele sich die Rolle des Managements in die eines Versteigerers, dessen alleinige Aufgabe darin bestehe, den höchstmöglichen Preis für die Aktionäre zu erzielen.353 Durch die Aufnahme von Verhandlungen mit Forstmann in Reaktion auf Pantry Prides Bemühungen habe das Management von Revlon selbst zu erkennen gegeben, dass der Verkauf von Revlon unausweichlich gewesen sei.354 Da in dieser Situation keinerlei langfristige Vorteile für die Aktionäre mehr aus dem Schutz der Gläubiger erwartet werden konnten – die Aktionäre hatten keinerlei langfristige Interessen mehr –, war jegliche Rücksichtnahme auf die Gläubiger fehl am Platze.355 Deren Rechte seien vertraglich geregelt.356 Das Risiko eines Kursverlustes hätten die Gläubiger der Anleihen als Teil der vertraglichen Bedingungen akzeptiert.357 Für eine über die Erfüllung der Vertragsbedingungen hinausgehende Berücksichtigung von Gläubigerinteressen auf Kosten der Anteilseigner sei in diesem Stadium kein Raum.358 Denn allein zulässiges Ziel des Managementhandelns sei in dieser Situation die Profitmaximierung für die Aktionäre gewesen359.

506 A.2d 173, 185. 506 A.2d 173, 182: „rationally related benefits accruing to the shareholders.“ 352 506 A.2d 173, 182. 353 506 A.2d 173, 182: „The duty of the board had thus changed from the preservation of Revlon as a corporate entity to the maximization of the company’s value at a sale for the stockholders‘ benefit. This significantly altered the board’s responsibilities under the Unocal standards. It no longer faced threats to corporate policy and effectiveness, or to the stockholders‘ interests, from a grossly inadequate bid. The whole question of defensive measures became moot. The directors‘ role changed from defenders of the corporate bastion to auctioneers charged with getting the best price for the stockholders at a sale of the company.“ 354 506 A.2d 173, 182. 355 506 A.2d 173, 182 f.: „[N]othing remained for Revlon to legitimately protect, and no rationally related benefit thereby accrued to the stockholders.“ 356 506 A.2d 173, 182. 357 506 A.2d 173, 182. 358 506 A.2d 173, 182. 359 506 A.2d 173, 185. 350 351

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cc) Paramount Communications, Inc. v. Time, Inc. (1990) Die Entscheidung des Delaware Supreme Court in Paramount Communications, Inc. v. Time, Inc.360 wird bisweilen als Abkehr von der traditionellen alleinigen Ausrichtung fiduziarischer Pflichten auf das Aktionärsinteresse interpretiert.361 Die Medienunternehmen Time und Warner hatten nach langwierigen Planungen eine Fusion im Wege des Aktientausches beschlossen.362 Obwohl die ehemaligen Aktionäre von Warner nach dem Plan 62 % der Anteile in der fusionierten Gesellschaft halten sollten, stellten die strukturellen Regelungen der Fusionsvereinbarung sicher, dass Time bzw. seinem ehemaligen board die tonangebende Rolle in dem neuen Unternehmen zukommen würde.363 Damit sollte die Wahrung der journalistischen Integrität von Time nach der Fusion gewährleistet werden.364 Der geplante Zusammenschluss bedurfte der Zustimmung der Mehrheit der Time-Aktionäre.365 Nachdem Time und Warner ihren Plan der Öffentlichkeit vorgestellt hatten, machte Paramount das überraschende Angebot, sämtliche Time-Aktien für 175 $ pro Aktie zu erwerben. Dieser Preis lag deutlich über dem Kurs, zu dem die TimeAktie zu diesem Zeitpunkt gehandelt wurde (126 $).366 Das board von Time wies das Angebot jedoch mit der Begründung zurück, eine Fusion mit Paramount gefährde Times Unternehmenskultur und die damit verbundene besondere Betonung journalistischer Unabhängigkeit (die sog. „Time Culture“).367 Mit der Ablehnung des Angebots war die aus der Sicht des Time-Managements bestehende Gefahr allerdings keineswegs gebannt, da die Aktionäre nicht daran gehindert waren, ihre Anteile an Paramount zu verkaufen, was angesichts der von Paramount gebotenen Übernahmeprämie wahrscheinlich erschien. Um dies zu verhindern, beschloss das board von Time, die Transaktion mit Warner umzugestalten. Statt durch Aktientausch würde Time einseitig die Mehrheit der Warner-Aktien gegen Zahlung von Barmitteln und Ausgabe von Anleihen erwerben.368 In dieser Form bedurfte die 571 A.2d 1140 (Del. 1990). So beispielsweise Johnson / Millon, 45 Bus. Law. 2105, 2117 f. (1990); Norwitz, 46 Bus. Law. 377, 385 ff. (1991). 362 571 A.2d 1140, 1145. 363 571 A.2d 1140, 1146. 364 Zur Bedeutung dieses Aspekts bei der Planung der Fusion mit Warner siehe die lange Vorgeschichte der Fusionsvereinbarung, 571 A.2d 1140, 1143 ff. 365 571 A.2d 1140, 1146. 366 571 A.2d 1140, 1147. 367 571 A.2d 1140, 1148. Vgl. zur Bedeutung der Time Culture die Ausführungen in der Entscheidung des Court of Chancery, 1989 WL 79880: „This culture appears in part to be pride in the history of the firm – notably Time magazine and its role in American life – and in part a managerial philosophy and distinctive structure that is intended to protect journalistic integrity from pressures from the business side of the enterprise.“ 368 571 A.2d 1140, 1148. 360 361

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Transaktion nicht mehr der Zustimmung der Time-Aktionäre, denen man die langfristigen Vorteile eines Zusammenschlusses mit Warner angesichts der verlockenden Barprämie Paramounts nicht glaubte vermitteln zu können.369 Daraufhin erhöhte Paramount sein Angebot auf 200 $.370 Nachdem das TimeManagement auch diese Offerte zurückgewiesen hatte, erhoben Paramount und andere Aktionäre von Time Klage mit dem Ziel, die Durchführung des Time-WarnerZusammenschlusses zu verhindern. Das oberste Gericht des Staates Delaware, wie schon zuvor der Court of Chancery, wies das Verlangen zurück und nahm damit den klagenden Aktionären die Möglichkeit einer unmittelbaren Profitmaximierung in Form einer deutlich über dem bisherigen Marktwert der Anteile liegenden Barprämie. In einem ersten Schritt setzte sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob das Management von Time nach den in Revlon aufgestellten Grundsätzen verpflichtet war, die eigenen Anteile meistbietend zu „versteigern“.371 Die Kläger hatten argumentiert, Times Entscheidung zum Zusammenschluss mit Warner habe die Gesellschaft zum Verkauf gestellt und somit Revlon-Pflichten für das board von Time ausgelöst. Nach Meinung des Gerichts entsteht eine solche Verpflichtung indes nur, wenn entweder (a) das Management selbst einen Wettbewerb von Bietern initiiert oder (b) in Reaktion auf das Angebot eines Bieters seine langfristige Strategie aufgibt und nach einer Alternative sucht, die ebenfalls zur Zerschlagung der Gesellschaft in ihrer gegenwärtigen Form führen wird (die in Revlon entschiedene Konstellation).372 Das Verhalten von Time fiel unter keinen der beiden Fälle: Weder hatte das Management einen Bieterwettbewerb initiiert, noch hatte es jemals seine ursprüngliche Strategie fortgesetzter Unabhängigkeit aufgegeben.373 Die Umstrukturierung der Transaktion mit Warner diente allein dem Zweck, die „preexisting transaction in an altered form“374 durchzuführen und löste daher keine Verpflichtung zu unmittelbarer Profitmaximierung für die Anteilseigner aus. In einem zweiten Schritt prüfte das Gericht dann, ob das Verhalten des TimeManagements den Anforderungen des Unocal-Tests an rechtmäßige Abwehrmaßnahmen gegen einen feindlichen Übernahmeversuch genügte.375 Was den ersten Teil des Unocal-Tests (Gefahr für „coporate policy and effectiveness“) betraf, wies das Gericht das Argument der Kläger zurück, Unocal erkenne nur (a) einen unzureichenden Preis und (b) die mit einem „two-tier offer“ verbundene Zwangswirkung als Bedrohungen an, die Abwehrmaßnahmen des boards rechtfertigten.376 (Das Angebot Paramounts ließ sich unter keinen der beiden Fälle sub369 370 371 372 373 374 375

571 A.2d 1140, 1148. 571 A.2d 1140, 1149. 571 A.2d 1140, 1150 f. 571 A.2d 1140, 1150. 571 A.2d 1140, 1151. 571 A.2d 1140, 1155. 571 A.2d 1140, 1151 ff.

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sumieren, da es (a) für alle Aktien galt und (b) der (Bar)preis deutlich über dem Marktkurs des Time-Papiers lag.) Ein solch enges Verständnis beruhe auf einem fundamentalen Missverständnis der Rolle des Managements bei der Beurteilung eines Übernahmeangebots.377 Insbesondere sei das board nicht auf einen bloßen rechnerischen Vergleich des abgezinsten Wertes von Time-Warners erwartetem zukünftigen Aktienkurs mit dem Wert von Paramounts Barofferte beschränkt.378 Vielmehr sei das board berechtigt gewesen, andere Faktoren wie die Gefährdung der „Time Culture“ sowie der langfristigen Unternehmensstrategie durch einen Zusammenschluss mit Paramount zu berücksichtigen und durfte auf dieser Grundlage von einer Gefahr für „corporate policy and effectiveness ausgehen“.379 Was das zweite Element des Unocal-Tests (Verhältnismäßigkeit der Abwehrmaßnahme) anbelangte, so stehe das Verhalten des Time-Managements auch in einem angemessenen Verhältnis zu der wahrgenommen Bedrohung, obgleich es unmittelbare und sichere Gewinne für die Aktionäre zugunsten der ungewissen Langzeitvorteile des Time-Warner-Zusammenschlusses opferte.380 Denn nach dem Recht Delawares falle die Wahl des geeigneten Zeitrahmens zur Umsetzung von Geschäftszielen in den alleinigen Aufgabenbereich des boards, vgl. § 141(a) Delaware General Corporation Law.381 Solange der langfristigen Managementstrategie durch eine unausweichlich erscheinende Übernahme der Gesellschaft nicht jede Basis entzogen worden sei, bestehe keinerlei Verpflichtung des Managements, einen sorgfältig entwickelten Plan zugunsten kurzfristiger Profitmaximierung für die Anteilseigner aufzugeben.382 Die Entscheidung erweitert den Ermessensspielraum des Managements einer Zielgesellschaft in der Übernahmesituation enorm.383 Sie stellt klar, dass das Inte571 A.2d 1140, 1152. 571 A.2d 1140, 1152. 378 571 A.2d 1140, 1153: „The open-ended analysis mandated by Unocal is not intended to lead to a simple mathematical exercise: that is, of comparing the discounted value of TimeWarner’s expected trading price at some future date with Paramount’s offer and determining which is the higher. Indeed, in our view, precepts underlying the business judgment rule militate against a court’s engaging in the process of attempting to appraise and evaluate the relative merits of a long-term versus a short-term investment goal for shareholders.“ 379 571 A.2d 1140, 1153. 380 571 A.2d 1140, 1154. 381 571 A.2d 1140, 1154. 382 571 A.2d 1140, 1154: „Delaware law confers the management of the corporate enterprise to the stockholders‘ duly elected board representatives. 8 Del.C. § 141(a). The fiduciary duty to manage a corporate enterprise includes the selection of a time frame for achievement of corporate goals. That duty may not be delegated to the stockholders. . . . Directors are not obliged to abandon a deliberately conceived corporate plan for a short-term shareholder profit unless there is clearly no basis to sustain the corporate strategy.“ 383 Sehr kritisch Minow, 21 Stetson L. Rev. 197, 210 (1991): „It almost makes one feel the need to suspend disbelief to understand how an investor could not do better with $ 200 cash, which he would be free to invest in any venture of his choice, than with a $ 125 investment in Time-Warner, even with the most competent management ever known.“ 376 377

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resse der Anteilseigner an kurzfristiger Profitmaximierung in der Regel nicht entscheidend ist. Gleichwohl lässt sich eine Befugnis zu altruistischem Verhalten zu Lasten der Aktionäre aus Time kaum ableiten. Anlegerinteressen wurden nicht zugunsten anderer Interessen geopfert, sondern zugunsten einer Unternehmensstrategie, die nach Auffassung des Managements langfristig größere Chancen für die Gesellschaft und damit letztendlich für die Aktionäre versprach. Die „Time-Culture“ sollte nicht um ihrer selbst willen bewahrt werden, sondern in der Erwartung, dass sich fortgesetzte journalistische Qualität langfristig wirtschaftlich auszahlen würde. Gegenstand der Entscheidung war nicht der Konflikt zwischen Anteilseignern auf der einen und den Interessen von Nichtaktionären und des Gemeinwesens auf der anderen Seite. Zu entscheiden war vielmehr über einen innergesellschaftlichen Kompetenzstreit zwischen Aktionären und Management um die Frage, wessen Zukunftsvorstellung und Zeithorizont ausschlaggebend sein sollte. In diesem Konflikt bekräftigt und verstärkt das Gericht die Rolle des Managements als dem in Fragen der Unternehmenspolitik allein zuständigen Organ. Was die hier interessierende grundsätzliche Frage nach der Zulässigkeit sozialer Erwägungen auf Kosten der Anteilseigner anbelangt, bewegt sich die Entscheidung ganz in den konventionellen Bahnen des amerikanischen Gesellschaftsrechts: Formales Ziel aller Maßnahmen muss zwar die langfristige Profitmaximierung für Gesellschaft und Gesellschafter sein, jedoch verfügen Manager in der Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Ziels über einen weiten Ermessensspielraum, in den Gerichte nur selten und ungern eingreifen.384 Wenn und soweit dies den langfristigen Interessen der Gesellschafter dienlich erscheint, dürfen auch Nichtanlegerinteressen berücksichtigt werden – aber nicht um ihrer selbst willen, sondern als Mittel zum Zweck.385

dd) Paramount Communications, Inc. v. QVC Network, Inc. (1994) Dass Time keineswegs als eine grundsätzliche Abkehr vom traditionellen Dogma der „shareholder primacy“ verstanden werden sollte, verdeutlichte knapp vier Jahre später die Entscheidung in Paramount Communciations, Inc. v. QVC Net384 Vgl. Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1424 Fn. 3 (1993): „Time has very little to do with concern for nonshareholder constituencies. Rather, it is better explained simply as an extreme example of the courts deference to the board’s decision making authority.“; gleichsinnig Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 23.5: „Thus Paramount reaffirms the board of directors as a presumptively infallible decision-maker regarding the long-term benefits of an incumbent board’s strategic plan.“; siehe auch Leung, 30 Colum. J.L. & Soc. Probs. 587, 612 (1997): “ [T]he plain meaning of the decision does not hold out much hope for other constituents.“ 385 So auch die Analyse des Committee on Corporate Laws der American Bar Association, 45 Bus. Law. 2253, 2260 f. (1990): „Given the breadth of language affirming the managerial discretion of directors, the case would appear to confirm that directors may take into account the interests of other constituencies if in so doing the long-term interests of the corporation and its shareholders are served.“

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work, Inc.386, in der das oberste Gericht Delawares die Verpflichtung zu meistbietender Veräußerung der Anteile (Revlon) auf eine weitere Fallgruppe ausdehnte.387 Immer dann, wenn eine vom Management geplante Transaktion zum Erwerb der Mehrheit einer bis dahin im Streubesitz befindlichen Gesellschaft durch einen einzelnen Investor führe (sale of corporate control)388, sei das Management verpflichtet, den nach den Umständen bestmöglichen Wert für die Aktionäre zu erzielen.389 Damit ging das Gericht weit über die bis dahin entschiedenen beiden Fallgruppen (Bieterwettbewerb selbst initiiert / Zerschlagung der Gesellschaft unausweichlich) hinaus, da eine Kontrollübernahme keineswegs zur Zerschlagung der Gesellschaft führen muss.390 Grund für die richterliche Einschränkung des unternehmerischen Ermessensspielraums war die Einmaligkeit der geplanten Transaktion: Habe der Erwerber erst einmal die Mehrheit der Anteile übernommen, bestehe für die jetzigen Aktionäre keine zweite Möglichkeit mehr, eine Kontrollprämie als Ausgleich für die mit der Minderheitsposition einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile zu verlangen.391 Die Frage nach den langfristigen Vorteilen eines vom jetzigen board favorisierten Verkaufs zu einem niedrigeren Preis (das zentrale Argument in Time) stelle sich bei der Kontrollübernahme nicht, da der Inhaber eines Kontrollblocks jederzeit ein anderes Management installieren und somit auch eine möglicherweise vorhandene langfristige Strategie des gegenwärtigen Managements ändern könne.392 In dieser Situation, in der ein möglichst vorteilhafter Verkauf der Mehrheitsbeteiligung der letzte und einzige Dienst ist, den das gegenwärtige board den Anteilseignern noch erweisen könne, seien die Aktionäre berechtigt, eine möglichst hohe Kontrollprämie oder aber zumindest wertsteigernde Schutzmaßnahmen von diesem board zu verlangen.393 637 A.2d 34 (Del. 1994); dazu Cunningham / Yablon, 49 Bus. Law. 1593 (1994). Siehe die Einschätzung von Leung, 30 Colum. J.L. & Soc. Probs. 587, 612 (1997): „The court thus reinforced the shareholder primacy doctrine as set forth in Revlon.“ 388 Der wesentliche Unterschied zu der in Time entschiedenen Konstellation war, dass Time-Warner nach dem Zusammenschluss weiterhin im Streubesitz sein würde, 637 A.2d 34, 47: „In Time-Warner . . . there was no change of control . . . because Time would be owned by a fluid aggregation of unaffiliated stockholders both before and after the merger.“ 389 637 A.2d 34, 43: „[D]irectors had an obligation to take the maximum advantage of the current opportunity to realize for the stockholders the best value reasonably available.“ 390 Vgl. 637 A.2d 34, 47: „It does not follow, however, that a break-up must be present and inevitable before directors are subject to enhanced judicial scrutiny and are required to pursue a transaction that is calculated to produce the best value reasonably available to the stockholders.“ 391 637 A.2d 34, 43. 392 637 A.2d 34, 50. 393 637 A.2d 34, 43: „Because of the intended sale of control, the Paramount-Viacom transaction has economic consequences of considerable significance to the Paramount stockholders. Once control has shifted, the current Paramount stockholders will have no leverage in the future to demand another control premium. As a result, the Paramount stockholders are 386 387

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c) Ergebnis Fiduziarische Pflichten erlauben dem Management der corporation nach der praktisch maßgeblichen Auffassung der Gerichte Delawares die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen in der Übernahmesituation niemals um ihrer selbst willen, sondern nur wenn und soweit dies den Anteilseignern zum Vorteil gereicht.394 In bestimmten Sondersituationen (Revlon / QVC) verlangt das Recht sogar eine einseitige Ausrichtung des Vorstandshandelns auf kurzfristige Wertsteigerung für die Anteilseigner. Im Übrigen verfügt das Management aber über ein weites Ermessen bei der Wahl der Unternehmensstrategie und ist auch angesichts eines lukrativen Übernahmeangebots nicht verpflichtet, eine bestehende Strategie fortgesetzter Unabhängigkeit über Bord zu werfen (Paramount).

III. Die Rechtslage im Anwendungsbereich von other constituency statutes 1. Überblick Das Jahr 1983 markiert den Beginn einer neuen Phase in der amerikanischen Rechtsentwicklung im Bereich der Corporate Social Responsibility. Als erster Bundesstaat ergänzte Pennsylvania sein Gesellschaftsgesetz um eine Bestimmung, die es dem Management ausdrücklich erlaubte, bei seiner Entscheidungsfindung die Auswirkungen der Entscheidung auf Arbeitnehmer, Zulieferer, Kunden sowie Gemeinden, in denen Betriebe der Gesellschaft angesiedelt sind, zu berücksichtigen.395 Gut fünfzig Jahre nach Ende der Berle-Dodd-Debatte schien damit erstmals ein amerikanischer Gesetzgeber die Frage nach der Verantwortung von Unternehmensleitern gegenüber den „stakeholders“ der Aktiengesellschaft im Sinne Dodds zu beantworten – ein Schritt, der zumindest in konzeptioneller Hinsicht eine revolutionäre Abkehr von den traditionellen Lehren des amerikanischen Gesellschaftsrechts darstellte.396 Anders als die vorhandenen gesetzlichen Ermächtigungen zur Ausreichung von Unternehmensspenden war die Regelung nicht auf einen engen Sonderbereich beschränkt, sondern definierte ihrem Wortlaut nach die soziale Rolle von Kapitalgesellschaften und ihren Leitungsorganen grundlegend neu. Im Verlauf der nächsten Jahre folgte die Mehrheit der Bundesstaaten dem Beispiel Pennentitled to receive, and should receive, a control premium and / or protective devices of significant value.“ 394 Vgl. Easterbrook / Fischel, S. 208. 395 Act of Dec. 23, No. 1983 – 92, 1983 Pa. Laws 395. 396 Vgl. Hanks, 21 Stetson L. Rev. 97, 108 (1991) („revolutionary break from past generations of corporate law“); v. Stange, 11 Hofstra Lab. L.J. 461, 462 (1994) („dramatic shift in corporate governance“); Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 973 (1992) („potentially revolutionary“). 7 Empt

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sylvanias und fügte ihren Gesellschaftsgesetzen ähnlich lautende sog. „other constituency statutes“397 hinzu.398 Ihren (vorläufigen) Abschluss fand die Entwicklung im Jahr 1997 mit dem Erlass entsprechender Vorschriften in North Dakota und Vermont.399 Damit erlauben heute die Gesetze in insgesamt 29 Bundesstaaten ausdrücklich die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen.400 Delaware als die wichtigste Jurisdiktion in gesellschaftsrechtlichen Fragen ist diesem Trend jedoch nicht gefolgt, so dass die oben dargestellten richterrechtlichen Grundsätze jedenfalls dort keinerlei Änderung erfahren haben.

2. Typologie Alle other constituency statutes verfolgen das gemeinsame Ziel, den Ermessensspielraum des Managements bei unternehmerischen Entscheidungen zu erweitern. Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesstaaten bestehen in der Reichweite der gesetzlichen Regelungen sowie in den Formulierungen.401 397 Der Sprachgebrauch ist nicht völlig einheitlich. Andere Bezeichnungen, die bisweilen auf die ideologische Position ihres Verwenders schließen lassen, sind etwa nonstockholder constituencies statutes, expanded constituency statutes, nonmonetary factors statutes, directors‘ duty statutes, fiduciary duty statutes, stakeholder statutes, corporate constituency statutes oder multi-constituency statutes, vgl. Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 16 (1992). Im folgenden wird der Begriff other constituency statutes gebraucht, weil er nicht nur am gebräuchlichsten ist, sondern zugleich am besten beschreibt, worum es geht – die Berücksichtigung von anderen Interessen über die der Anteilseigner hinaus. 398 Aus der Flut von Aufsätzen zu diesen Regelungen Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14 (1992); McDaniel, 21 Stetson L. Rev. 121 (1991); ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253 (1990); Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971 (1992); Davids, 28 Colum. J.L. & Soc. Probs. 145 (1995); Fort, 15 J.L. & Com. 257 (1995); ders., 73 Notre Dame L. Rev. 173 (1997); Gavis, 138 U. Pa. L. Rev. 1451 (1990); Hanks, 21 Stetson L. Rev. 97 (1991); Hansen, 46 Bus. Law. 1355 (1991); Leung, 30 Colum. J.L. & Soc. Probs. 587 (1997); Macey, 21 Stetson L. Rev. 23 (1991); Millon, 24 Ind. L. Rev. 223 (1991); Mitchell, 70 Tex. L. Rev. 579 (1992); Newlin / Gilmer, 40 Bus. Law. 111 (1984); Rogers, 21 Pepp. L. Rev. 777 (1994); Springer, 1999 Ann. Surv. Am. L. 85; v. Stange, 11 Hofstra Lab. L.J. 461 (1994); Wester, 19 Stetson L. Rev. 581 (1990); Wallmann, 21 Stetson L. Rev. 163 (1991); zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetze Oswald, 24 J. Corp. L. 1 (1998). Nach Einschätzung von Conrad, 21 Stetson L. Rev. 73, 74 (1991) ist der „grandfather of such statutes“ § 70 AktG 1937. 399 Springer, 1999 Ann. Surv. Am. L. 85, 95. 400 Dabei handelt es sich um Connecticut, Florida, Georgia, Hawaii, Idaho, Illinois, Indiana, Iowa, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, Minnesota, Mississippi, Missouri, Nevada, New Jersey, New Mexico, New York, North Dakota, Ohio, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Dakota, Tennessee, Vermont, Wisconsin und Wyoming. In Nebraska wurde die Regelung im Jahr 1995 ersatzlos gestrichen. Die Streichung ist nach Springer, 1999 Ann. Surv. Am. L. 85, 95 Fn. 47, auf die Tatsache zurückzuführen, dass Nebraska sich bei der Reform seines Gesellschaftsgesetzes im Jahr 1995 an dem Vorbild des Revised Model Business Code Act der American Bar Association orientierte, der keinerlei other constituency statute enthält. 401 Eine vollständige Liste der gesetzlichen Regelungen sowie deren Wortlaut findet sich im Anhang S. 214 ff.

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a) Die typische Regelung Die meisten Gesetze erlauben es den Leitungsorganen der Aktiengesellschaft, die Interessen von Arbeitnehmern, Kunden, Gläubigern sowie der Gemeinde, in der die Gesellschaft ihren Sitz hat, bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, ohne eine Rangfolge zwischen den einzelnen Interessen zu definieren oder das Management zu derartigen Erwägungen zu verpflichten. Paragraph 717 des New York Business Corporation Law bietet ein anschauliches Beispiel für die offenen Formulierungen vieler Gesetze: § 717(b) In taking action, including, without limitation, action which may involve or relate to a change or potential change in the control of the corporation, a director shall be entitled to consider, without limitation, (1) both the long- term and the short-term interests of the corporation and its shareholders and (2) the effects that the corporation’s actions may have in the short-term or in the long-term upon any of the following: (i) the prospects for potential growth, development, productivity and profitability of the corporation; (ii) the corporation’s current employees; (iii) the corporation’s retired employees and other beneficiaries receiving or entitled to receive retirement, welfare or similar benefits from or pursuant to any plan sponsored, or agreement entered into, by the corporation; (iv) the corporation’s customers and creditors; and (v) the ability of the corporation to provide, as a going concern, goods, services, employment opportunities and employment benefits and otherwise to contribute to the communities in which it does business. (Hervorhebungen nicht im Original)

Zwei Aspekte dieses Regelungsmusters verdienen besondere Beachtung: Zum einen ist der Anwendungsbereich in den meisten Bundesstaaten nicht auf die Übernahmesituation beschränkt. Typische other constituency statutes beanspruchen ihrem Wortlaut nach, die Rolle von directors und officers grundsätzlich neu zu definieren. Zum anderen unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Langzeitinteressen von Gesellschaft und Gesellschaftern einerseits und den Interessen anderer Gruppen andererseits und erkennt damit an, dass diese zwar oft, aber keineswegs immer übereinstimmen (dazu ausführlich § 2 dieser Untersuchung).

b) Variationen Abweichungen von der typischen Regelung lassen sich unter den folgenden Gesichtspunkten feststellen.

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aa) Anwendbarkeit In einigen Bundesstaaten gelten die Regelungen nur für Entscheidungen in der Übernahmesituation.402 Manche Gesetze sind nur auf solche Gesellschaften anwendbar, die der Registrierungspflicht nach § 12 Securities Exchange Act of 1934403 unterfallen.404 Georgia und Tennessee stellen es den Gesellschaftern frei, ob sie eine entsprechende Regelung in die Satzung der Gesellschaft aufnehmen wollen.

bb) Kreis der berücksichtigungsfähigen Interessen Welche Interessen berücksichtigt werden dürfen oder sollen, variiert von Staat zu Staat. In allen Bundesstaaten ausdrücklich genannt werden Arbeitnehmer und Kunden. Meist sind wie in New York auch Gläubiger und Gemeinden, an denen die Gesellschaft Produktionsstandorte hat, aufgeführt. Idaho erlaubt nur die Berücksichtigung von Arbeitnehmern, Zulieferern, Kunden und Gemeinden im Staat Idaho. In manchen Bundesstaaten dürfen Manager sogar die Folgen einer Entscheidung für die Gesamtwirtschaft („economy of the state and nation“) berücksichtigen.405

cc) Verpflichtung zur Berücksichtigung anderer Interessen? (1) Die Regel: Keine Verpflichtung Die meisten Gesetze erlauben zwar die Berücksichtigung verschiedener Nichtaktionärsinteressen, verlangen dies aber nicht und erweitern damit lediglich den Ermessensspielraum des Managements, ohne korrespondierende Pflichten zu schaffen.406 Einige Staaten betonen den freiwilligen Charakter derartiger Erwägungen ausdrücklich durch einen entsprechenden Zusatz. So bestimmt § 717 New York Business Corporation Law: „Nothing in this paragraph shall create any duties owed by any director to any person or entity to consider or afford any particular weight to any of the foregoing.“407 Was die eng mit der Frage nach einer VerpflichSo in Iowa, Louisiana, Missouri, Oregon, Rhode Island, South Dakota und Tennessee. Der Registrierungspflicht unterliegen Gesellschaften, deren Anteile öffentlich gehandelt werden, § 12(a), oder deren Kapitalisierung und Zahl der Anteilseigner eine bestimmte Größe überschreiten, § 12(g)(1). Für einen Überblick über die Funktionsweise von § 12 Securities Exchange Act of 1934 siehe Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 27.11. 404 Connecticut, Vermont. 405 Hawaii, Kentucky, Massachusetts, Minnesota, New Mexico, North Dakota, Oregon, South Dakota, Vermont. 406 Vgl. nur beispielsweise die Formulierungen New Yorks („director shall be entitled to consider“) oder Minnesotas („a director may consider“). 402 403

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tung zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen zusammenhängende Frage nach einem Klagerecht dieser Bezugsgruppen (standing to sue) angeht, so wird auch dieses ausdrücklich ausgeschlossen.408 (2) Die Ausnahme: Connecticut Ausnahmecharakter hat die Vorschrift des Staates Connecticut, die eine ausdrückliche Verpflichtung zur Berücksichtigung bestimmter Faktoren normiert. Die einschlägige Passage des Gesetzes lautet: [A] director . . . shall consider, in determining what he reasonably believes to be in the best interests of the corporation, (1) the long-term as well as the short-term interests of the corporation, (2) the interests of the shareholders, long-term as well as short-term, including the possibility that those interests may be best served by the continued independence of the corporation, (3) the interests of the corporation’s employees, customers, creditors and suppliers, and (4) community and societal considerations including those of any community in which any office or other facility of the corporation is located. A director may also in his discretion consider any other factors he reasonably considers appropriate in determining what he reasonably believes to be in the best interests of the corporation. (Hervorhebungen nicht im Original)

dd) Bedeutung des Aktionärsinteresses Die Vorschriften der meisten Bundesstaaten äußern sich nicht ausdrücklich zum Rangverhältnis der verschiedenen berücksichtigungsfähigen Faktoren, obgleich Formulierungen wie die in § 717 New York Business Corporation Law nahe legen, dass alle genannten Interessen gleichberechtigt nebeneinander stehen und insbesondere dem Interesse der Anteilseigner kein besonderes Gewicht bei der Abwägung zukommt. In drei Bundesstaaten – Indiana, Iowa und Pennsylvania – enthalten die other constituency statutes dagegen eine ausdrückliche Regelung der Frage. (1) Indiana und Pennsylvania: Kein Faktor ausschlaggebend Die Gesetze Indianas und Pennsylvanias bestimmen, dass die Leitungsorgane der Gesellschaft keinen der aufgeführten Faktoren als „dominant or controlling“ behandeln müssen: „The board of directors, committees of the board and indivi407 Eindeutig insoweit auch 15 Pa. Stat. Ann. §§ 517, 1717 sowie die Vorschriften von Georgia and Nevada. 408 Vgl. nur Nev. Rev. Stat. Ann. § 78.138. „The provisions of subsections 4 and 5 do not create or authorize any causes of action against the corporation or its directors or officers.“ Ähnliche Regelungen finden sich wiederum in Georgia, New York und Pennsylvania. Zu Pennsylvanias ursprünglicher Regelung, die keinen ausdrücklichen Ausschluss von Klagerechten enthielt, war vereinzelt vertreten worden, Nichtaktionäre verfügten über „standing to sue“, siehe Newlin / Gilmer, 40 Bus. Law. 111, 114 (1984).

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dual directors shall not be required, in considering the best interests of the corporation or the effects of any action, to regard any corporate interest or the interests of any particular group affected by such action as a dominant or controlling interest or factor.“409 Interessanterweise nimmt die Regelung Indianas ausdrücklich auf die in der Rechtsprechung Delawares für die Übernahmesituation entwickelten Verhaltensgrundsätze Bezug und weist diese als unvereinbar mit dem Recht Indianas zurück: „Certain judicial decisions in Delaware and other jurisdictions, which might otherwise be looked to for guidance in interpreting Indiana corporate law, including decisions relating to potential change of control transactions that impose a different or higher degree of scrutiny on actions taken by directors in response to a proposed acquisition of control of the corporation, are inconsistent with the proper application of the business judgment rule under this article“, Ind. Code Ann. § 23 – 1-35 – 1(f). Damit ist nach dem Recht Indianas weder die Beweislastumkehr bei der Klage gegen Abwehrmaßnahmen (Unocal) anwendbar noch besteht eine Verpflichtung des boards, in einem Bieterwettbewerb (Revlon) oder bei einem Verkauf der Anteilsmehrheit (QVC) den bestmöglichen Preis für die Anteilseigner zu erzielen. (2) Iowa: Ausdrückliche Erlaubnis zur Bevorzugung von Nichtaktionärsinteressen Kein anderer Bundesstaat geht so weit wie Iowa, dessen Regelung (in ihrem Anwendungsbereich beschränkt auf Übernahmesituationen) es den Leitungsorganen der Gesellschaft ausdrücklich erlaubt, die Interessen der Aktionäre anderen Gesichtspunkten unterzuordnen und somit Entscheidungen zu Lasten der Anteilseigner zu treffen: „Consideration of any or all of the community interest factors is not a violation of the business judgment rule or of any duty of the director to the shareholders, or a group of shareholders, even if the director reasonably determines 409 15 Pa. Cons. Stat. § 1715(b). Die entsprechende Regelung in Indiana, Ind. Code Ann. § 23 – 1-35 – 1, lautet: „(d) A director may, in considering the best interests of a corporation, consider the effects of any action on shareholders, employees, suppliers, and customers of the corporation, and communities in which offices or other facilities of the corporation are located, and any other factors the director considers pertinent. (f) In enacting this article, the general assembly established corporate governance rules for Indiana corporations, including in this chapter, the standards of conduct applicable to directors of Indiana corporations, and the corporate constituent groups and interests that a director may take into account in exercising the director’s business judgment. The general assembly intends to reaffirm certain of these corporate governance rules to ensure that the directors of Indiana corporations, in exercising their business judgment, are not required to approve a proposed corporate action if the directors in good faith determine, after considering and weighing as they deem appropriate the effects of such action on the corporation’s constituents, that such action is not in the best interests of the corporation. In making such determination, directors are not required to consider the effects of a proposed corporate action on any particular corporate constituent group or interest as a dominant or controlling factor.“ (Hervorhebungen nicht im Original)

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that a community interest factor or factors outweigh the financial or other benefits to the corporation or a shareholder or group of shareholders“, Iowa Code § 490.1108. 3. Gesetzgebungsgeschichte Fragt man nach den Gründen für die gesetzgeberische Sorge um den Schutz von Nichtaktionärsinteressen ab Anfang der 1980er Jahre, so ergibt sich ein wenig glanzvolles Bild. Auslöser für das Eingreifen des Gesetzgebers war die Welle feindlicher Übernahmen, die zu diesem Zeitpunkt die amerikanische Volkswirtschaft überrollte410 und erhebliche Unruhe unter Managern potentieller Zielgesellschaften auslöste.411 Treibende Kraft hinter den Gesetzgebungsinitiativen waren Manager eben dieser Gesellschaften, denen es oftmals gelang, die Unterstützung von Gewerkschaften zu gewinnen.412 Die Gesetze, die ihrem Wortlaut nach die soziale Rolle von Kapitalgesellschaften und ihren Leitungsorganen grundsätzlich neu definieren, gehen mithin auf die vereinten Bemühungen einer ungewöhnlichen Allianz zweier gut organisierter Interessengruppen zurück, die zwar beide wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllen, aber wohl kaum als geeignete Vertreter gesamtgesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Interessen angesehen werden können. So ist es kein Zufall, dass „Rustbelt“-Staaten wie Indiana oder Pennsylvania, deren nur bedingt wettbewerbsfähige Stahl- und Metallindustrie einem besonders großen Anpassungsdruck ausgesetzt war, „protective havens“ für Zielgesellschaften sind.413 Insgesamt hinterlässt die nähere Beschäftigung mit der Entstehungsgeschichte von other constituency statutes den schalen Nachgeschmack eines Lobbyistengeschenks für bestimmte Partikularinteressen414 und scheint damit die pessimistischen Erklärungsversuche der Public Choice-Theorie415 zum Ablauf von Gesetzgebungsverfahren zu bestätigen.416 Berücksichtigt man die entschiedene Siehe Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 23 ff. (1992). Vgl. die Einschätzung von Manne: „Nothing ever happened in the history of American business and finance that so completely panicked the top business community as the breakout of the hostile takeover“, 28 Stetson L. Rev. 52, 90 (1998). 412 Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 24 ff. (1992). 413 Coffee, 1988 Wis. L. Rev. 435, 436 (1988). 414 Pointiert Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 26 (1991): „[I]t seems patently clear that the true purpose of these statutes is to benefit a single nonshareholder constituency, namely the top managers of publicly held corporations.“ 415 Grundlegend Buchanan / Tullock, The Calculus of Consent, 1965; Stigler, 2 Bell J. Econ. & Mgmt. Sci. 3 (1971); Überblick bei Mercuro / Medema, Economics and the Law, 1997, S. 84 ff.; aus der Aufsatzliteratur Farber / Frickey, 65 Tex. L. Rev. 873 (1987); kritisch Hovenkamp, 57 U. Chi. L. Rev. 63, 85 ff. (1990). 416 Vgl. Macey, 86 Colum. L. Rev. 223, 232 f. (1986), der drei Kategorien von Gesetzen unterscheidet: (1) public purpose statutes, (2) open-explicit special interest statutes und (3) hidden-implicit special interest statutes. Letztere sind „couched in public interest terms to avoid the political fallout associated with blatant special interest statutes“, dienen aber den 410 411

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Ablehnung von Forderungen nach gesteigerter Verantwortung und Verantwortlichkeit der Geschäftswelt gegenüber der Gesellschaft durch amerikanische Unternehmensführer in den 1970er Jahren, geht es wohl kaum zu weit, die Unterstützung solcher Entwicklungen knapp zehn Jahre später als „apex of hypocrisy for corporate America“ zu charakterisieren. 417 Die Gesetzgebungsgeschichte von Pennsylvanias other constituency statute bietet ein anschauliches Beispiel für die fragwürdige Geburt der meisten einzelstaatlichen Regelungen. Die ursprüngliche Gesetzgebungsvorlage geht zurück auf einen Entwurf der Pennsylvania Chamber of Commerce und wurde öffentlich unterstützt von der Scott Paper Company, die zu diesem Zeitpunkt Ziel eines feindlichen Übernahmeversuchs war.418 Das Gesetz passierte beide Gesetzgebungskammern in einem Schnellverfahren in den wenigen Wochen zwischen Thanksgiving- und Weihnachtsfest und wurde noch am 23. Dezember 1983 vom Gouverneur des Staates unterschrieben.419 Auszüge aus der parlamentarischen Debatte zeigen, wie es den Sponsoren gelang, eine politisch populäre protektionistische Grundstimmung für ihr Anliegen nutzbar zu machen. So warb Senator Fumo, als Angehöriger der Demokratischen Partei kein typischer Unterstützer von Gesetzgebungsentwürfen der Handelskammer, mit folgenden Worten um Zustimmung: „I say to my colleagues on this side of the aisle that although this appears to be big business legislation, and it may very well be, our constituents work in the factories owned by big businesses. We are crazy if we want to drive those businesses out of our state along with those jobs.“420 Senator Fisher fügte hinzu: „[T]he only thing I know is that it was felt that . . . the bill . . . had the complete support of the corporate community in Pennsylvania and others such as the labor community.“421 Ergänzungen des Gesetzes im Jahr 1990, die den Ermessenspielraum des Managements noch einmal erweiterten, wurden wiederum von einer Koalition von Unternehmerverbänden und der Gewerkschaftsorganisation AFL-CIO unterstützt.422 Partikularinteressen besonderer Gruppen. Other constituency statutes fallen in diese Kategorie. Gleichsinnig die Einschätzung von Dennis / Honabach, 44 Rutgers L. Rev. 533, 545 (1992): „a classic example of rent-seeking legislation by which managers successfully sought out statutory protection from the discipline of the market.“ 417 Branson, 62 U. Pitt. L. Rev. 605, 638 (2001); siehe auch Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1012 (1992), der auf die Scheinheiligkeit des Managementverhaltens hinweist, das auf der einen Seite den Erlass von other-constituency-statutes forderte, auf der anderen Seite gleichzeitig aber zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften ablehnte. 418 Wall Street Journal vom 6. Dezember 1983, S. 12; vgl. auch Carney, 59 U. Cin. L. Rev. 385, 423 Fn. 155 (1990), der aus eigener Erfahrung berichtet, dass das Gesetzgebungsverfahren in Georgia von der Anwaltssozietät unterstützt wurde, zu deren Mandanten die Citizens & Southern National Bank gehörte, die zu diesem Zeitpunkt ein wahrscheinliches Ziel eines Übernahmeversuchs durch die North Carolina National Bank war. 419 Newlin / Gilmer, 40 Bus. Law. 111, 112 (1984). 420 Commonwealth of Pennsylvania, Legislative Journal, Dec. 6, 1983, S. 1431, 1436. 421 Commonwealth of Pennsylvania, Legislative Journal, Dec. 6, 1983, S. 1431, 1436. 422 Minow, 21 Stetson L. Rev. 197, 220 (1991).

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4. Interpretationsvorschläge Wie other constituency statutes im Einzelnen auszulegen sind, ist nach wie vor unklar.423 Nach einem Überblick über das nur spärlich vorhandene Fallrecht sollen im Folgenden zunächst zwei in der Literatur entwickelte, im Ergebnis nicht überzeugende Interpretationsvorschläge vorgestellt werden. Sodann wird versucht, auf Grundlage der „herrschenden Meinung“ die wahrscheinlichsten Auswirkungen von other constituency statutes auf die Zielbestimmung des Managementhandelns im amerikanischen Gesellschaftsrecht abzuschätzen.

a) Fallrecht Nur wenige veröffentlichte Entscheidungen befassen sich bislang mit der Auslegung von other constituency statutes.424 In keinem der Fälle stellten die Ausführungen zu other constituency statutes die tragende Begründung für die instanzgerichtlichen Entscheidungen dar.425 Keine der Begründungen sind Beispiele analytischer Klarheit und lassen daher nach wie vor viel Raum für die in der Literatur entwickelten Interpretationsansätze.426 Nichtsdestotrotz vermitteln die im Folgenden referierten fünf Entscheidungen einen anschaulichen Eindruck von den potentiellen praktischen Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen.427 (1) In dem der Entscheidung in Baron v. Strawbridge & Clothier428 zugrunde liegenden Sachverhalt hatte das board zur Abwehr eines feindlichen Übernahmeversuchs den Plan gefasst, die Aktien der Gesellschaft in zwei Klassen zu teilen. Neben uneingeschränkt übertragbaren Aktien mit einfachem Stimmrecht sollte eine zweite Gruppe von Anteilen mit jeweils zehnfachem Stimmrecht geschaffen werden, die nur an einen bestimmten Personenkreis (Nachkommen der gegenwär423 Millon, in: Progressive Corporate Law, S. 12: „No one yet knows how state courts will interpret these statutes or how corporate boards will respond to their mandate. On their face, the statutes seem to herald a potentially radical departure from the traditional shareholder primacy principle, but the statutes‘ vagueness allows room for a range of interpretative possibility.“ 424 Siehe neben den im Text besprochenen Entscheidungen ER Holdings Inc. v. Norton Co., 735 F.Supp. 1094 (D.Mass. 1990); Abrahamson v. Waddell, 63 Ohio Misc.2d 270 (Ohio Ct. of Common Pleas 1992); Hilton Hotels Corp. v. ITT Corp., 978 F.Supp. 1342 (D. Nev. 1997); In re McCalla Interiors, Inc., 33 Bankr. Ct. Dec. 775 (Bankr. N.D. Ohio 1998); Basswood Partners v. NSS Bancorp Inc., No. CV9801634125, 1998 Conn. Super. LEXIS 317 (Conn. Super. Ct. Feb. 6, 1998); In re Bakalis, 220 B.R. 525 (Bankr. E.D.N.Y. 1998). Alle Entscheidungen werden besprochen bei Springer, 1999 Ann. Surv. Am. L. 85, 108 ff. (1999). 425 Springer, 1999 Ann. Surv. Am. L. 85, 121 Fn. 179 (1999). 426 Vgl. die Einschätzung von Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 34 (1992): „not models of analytical rigor“. 427 Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 34 (1992). 428 646 F.Supp. 690 (E.D. Penn. 1986).

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tigen Eigentümer) übertragbar sein sollte. Daraufhin beantragte der Bieter den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das board mit dem Ziel, die Abstimmung über den Plan auf der bevorstehenden Aktionärsversammlung zu verhindern. Das Gericht weigerte sich, dem Antrag stattzugeben und wies in den Entscheidungsgründen darauf hin, dass die Gesetze des Staates Pennsylvania das Management ausdrücklich ermächtigten, die Auswirkungen einer erfolgreichen Übernahme auf Arbeitnehmer, Kunden und Gemeinde zu berücksichtigen.429 (Im Falle einer erfolgreichen Übernahme sollte die Unternehmenspolitik grundsätzlich geändert werden.) Allerdings stützte das Gericht seine Entscheidung zusätzlich auf Sachverständigengutachten, wonach das Übernahmeangebot finanziell unzureichend und damit nachteilig für die Aktionäre war.430 (2) In Keyser v. Commonwealth National Financial Corporation431 warfen die klagenden Aktionäre dem board von Commonwealth vor, seine fiduziarischen Pflichten verletzt zu haben, indem es zur Abwehr eines Übernahmeversuchs durch Meridian Bancorp eine Fusionsvereinbarung mit Mellon Bank als dem vom Management favorisierten Erwerber („white knight“) abschloss und dadurch den Aktionären die mit dem Meridian-Angebot verbundene höhere Prämie vorenthielt. Einer der Gründe für die Bevorzugung des niedrigeren Angebots war die Überzeugung mehrerer Mitglieder des boards, ein Zusammenschluss mit Mellon verspreche wesentlich größere Möglichkeiten für die Arbeitnehmer von Commonwealth.432 Das Gericht bemerkte, dass in Pennsylvania im Gegensatz zu Delaware auch in der Revlon-Situation (Verkauf der Gesellschaft unausweichlich) andere Faktoren als der Preis, insbesondere „social issues“, berücksichtigt werden dürften.433 Inwieweit das Interesse der Anleger an einem möglichst hohen Preis zugunsten sozialer Erwägungen geopfert werden könnte, vermochte das Gericht allerdings aufgrund der besonderen prozessualen Situation des Verfahrens nicht zu sagen.434 Zu entscheiden war über den Antrag der Beklagten auf Erlass eines summary judgment gegen die Kläger. Summary judgment gegen den Kläger darf nur gewährt werden, wenn nach Auswertung des Vortrags von Kläger und Beklagtem sowie den von beiden Parteien präsentierten eidesstattlichen Versicherungen (affidavits) keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich erscheinen, da der Kläger auch bei der ihm günstigsten Unterstellung der Tatsachen unterliegen wird.435 In Keyser bestand nach Auffassung des Gerichts die Notwendigkeit weiterer Tatsachenfeststellungen (material issue of fact) sowohl hinsichtlich der angeführten so646 F.Supp. 690, 697. 646 F.Supp. 690, 697. 431 675 F.Supp. 238 (M.D. Penn. 1987). 432 675 F.Supp. 238, 265. 433 675 F.Supp. 238, 265 f. 434 675 F.Supp. 238, 266. 435 Fed. R. Civ. P. 56 (c); vgl. Burnham, Law and Legal System of the United States, S. 232. 429 430

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zialen Erwägungen436 als auch hinsichtlich der Frage, ob das board sich ausreichend über das Mellon-Angebot informiert hatte.437 Daher wies das Gericht den Antrag ab, ohne damit freilich über die Zulässigkeit des Verhaltens der Beklagten entschieden zu haben. (3) In seiner Entscheidung in Amanda Acquisition Corp. v. Universal Foods Corp.438 erklärte ein Bundesbezirksgericht die Weigerung des boards von Universal Food, einen bestehenden Poison-Pill-Plan angesichts einer lukrativen Barofferte für sämtliche Aktien von Universal außer Kraft zu setzen, für rechtmäßig, da das Management nach dem in Wisconsin geltenden Gesetz berechtigt gewesen sei, die Auswirkungen der angestrebten Übernahme auf other constituencies zu berücksichtigen.439 Der Court of Appeals for the Seventh Circuit bestätigte in einer von Judge Easterbrook verfassten Entscheidung das Ergebnis der Eingangsinstanz, stützte sich dabei aber auf eine anderer Begründung und musste sich daher mit Anwendbarkeit und Auslegung von Wisconsins other constituency statute nicht befassen.440 (4) In Georgia-Pacific Corp. v. Great Northern Nekoosa Corp.441 war zu entscheiden über die Klage des Bieters in einem Übernahmekampf gegen die Terminwahl des boards der Zielgesellschaft für eine nach der Satzung vorgeschriebene Aktionärsabstimmung. Die Satzung der Gesellschaft bestimmte, dass innerhalb von 90 bis 120 Tagen nach Bekanntgabe eines Angebots eine Abstimmung darüber stattzufinden hatte, ob das Angebot angenommen und ein bestehender Poison-Pill-Mechanismus außer Kraft gesetzt werden sollte. Das board hatte den spätestmöglichen Termin (120 Tage) gewählt. Das Gericht erklärte die Managemententscheidung unter Hinweis auf das in Maine geltende other constituency statute für rechtmäßig und lehnte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Mitglieder des boards ab. Eine Frist von 120 Tagen sei kein unangemessen langer Zeitraum für das board, Informationen zu sammeln und den Aktionären seine Meinung zu dem Angebot zu präsentieren. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass das anwendbare Recht in Maine dem Management ausdrücklich die Befugnis einräume, die Interessen von Arbeitnehmern, Kunden, Zulieferern und Gemeinden zu berücksichtigen.442 Zusätzlich stütze das Gericht seine ablehnende Entscheidung auf die Tatsache, dass ein laufendes Kartellverfahren, in dem über die kartellrechtliche Zulässigkeit des angestrebten Zusammenschlusses entschieden werden sollte, wesentlich wahrscheinlicher innerhalb von 120 Tagen abgeschlossen werden würde, so dass die Aktionäre zu diesem späteren Zeitpunkt eine informiertere Entscheidung treffen 436 437 438 439 440 441 442

675 F.Supp. 238, 266. 675 F.Supp. 238, 261. 708 F.Supp. 984 (E.D. Wis. 1989). 708 F.Supp. 984, 1016. 877 F.2d 496 (7th Cir. 1989), cert. denied, 493 U.S. 955 (1989). 727 F.Supp. 31 (D. Me 1989). 727 F.Supp. 31, 33.

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können würden.443 Unter diesen Umständen sei es unwahrscheinlich, dass die Verzögerung einen irreparablen Schaden für die Aktionäre hervorrufen würde und der Erlass einer einstweiligen Verfügung somit nicht gerechtfertigt.444 (5) Sehr deutlich zur Stellung der Anteilseigner im Verhältnis zu anderen Bezugsgruppen äußerte sich das Bezirksgericht für den Eastern District of Pennsylvania in seiner Entscheidung in AMP Inc. v. Allied Signal Inc.445 Allied wollte die Kontrolle über AMP übernehmen und hatte zu diesem Zweck den Aktionären von AMP ein Barangebot für sämtlich Anteile der Gesellschaft unterbreitet. Parallel dazu warb Allied bei den AMP-Aktionären um Stimmrechtsvollmachten mit dem Ziel, durch eine Satzungsänderung die Zahl der board-Mitglieder zu erhöhen und die so entstehenden Vakanzen mit eigenen Kandidaten besetzen zu können.446 Daraufhin ersuchte AMP das Gericht mit Erfolg um den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Allied, die Kampagne solange zu unterbrechen, bis sämtliche Allied-Kandidaten gegenüber dem Gericht eine Erklärung zur rechtlichen Rolle des boards in Pennsylvania abgegeben hatten. Die Kandidaten mussten erklären, dass sie sich darüber im Klaren seien, dass die fiduziarischen Pflichten des Managements nach der in Pennsylvania geltenden Rechtslage die Ausrichtung von Entscheidungen allein am Interesse der Gesellschaft als solcher und nicht am Interesse der Anteilseigner erfordere.447 Denn, führte das Gericht aus, „directors may weigh the interests of the shareholders against the interests of other constituencies, and [Pennsylvania law] asserts no specific duty to shareholders above or beyond those owed to other constituencies.“448

b) Die enge Auslegung: Keine Änderung der common-law-Grundsätze Wendet man sich den in der Literatur vertretenen Interpretationsvorschlägen zu, so ergibt sich kein einheitliches Bild. Das einflussreiche Committee on Corporate Laws der American Bar Association plädiert in seiner offiziellen Stellungnahme zu other constituency statutes für eine restriktive Auslegung der gesetzlichen Regelungen in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtslage:449 „[T]he better interpretation of these statutes . . . is that they confirm what the common law has been: directors may take into account the interests of other constituencies but only as and 727 F.Supp. 31, 33. 727 F.Supp. 31, 33 f. 445 1998 WL 778348 (E.D. Penn. 1998); vgl. dazu die Diskussion auf dem Symposium der Cornell Law School zum Thema Corporate Social Responsibility, 84 Cornell L. Rev. 1282, 1292 ff. (1998); Stewart, 27 Ohio N.U. L. Rev. 97, 110 ff. (2000); Murray, 48 Buff. L. Rev. 629 (2000). 446 1998 WL 778348 S. 2. 447 1998 WL 778348 S. 12. 448 1998 WL 778348 S. 5. 449 ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253 (1990). 443 444

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to the extent that the directors are acting in the best interests, long as well as short term, of the shareholders and the corporation.“450 Insbesondere sollten die Vorschriften nach Auffassung des Ausschusses in Einklang mit den in Delaware in der Unocal / Revlon / Time-Trilogie entwickelten Grundsätzen interpretiert werden, wonach jede Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen stets die nicht völlig irrationale Aussicht zumindest langfristiger und indirekter Vorteile für die Anteilseigner erfordert (rationally related benefit accruing to the stockholders) und solche Erwägungen gänzlich unzulässig werden, sobald der Verkauf der Gesellschaft unausweichlich erscheint.451 Im Ergebnis bedeuteten die gesetzlichen Regelungen mithin keinerlei Änderung der bestehenden Rechtslage. Grund für diesen restriktiven Ansatz ist, dass das Committee die Ausweitung des Kreises zulässiger Managementerwägungen aus rechtspolitischen Gründen ablehnt und sich auf diesem Wege um „Schadensbegrenzung“ bemüht.452 De lege lata ist diese Interpretation indes kaum haltbar. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck sprechen übereinstimmend dafür, dass der Ermessenspielraum von Managern über die durch die (Delaware-)Präjudizien gesetzten Grenzen hinaus erweitert werden sollte.453 Wie Charles Hansen, selbst Mitglied des Committee on Corporate Laws, einräumen muss, verneinen jedenfalls die Gesetze von Indiana, Iowa und Pennsylvania ausdrücklich jede Vorrangstellung der Anteilseigner454 und sind daher mit den in Delaware entwickelten Grundsätzen kaum zu vereinbaren. Insbesondere in Indiana erscheint ein solcher Ansatz schlechthin unmöglich, da der Gesetzgeber dieses Bundesstaates es dem Rechtsanwender ausdrücklich verboten hat, Präjudizien aus Delaware als Interpretationshilfe heranzuziehen. Überdies handelt es sich bei Delaware gerade um einen Staat, der kein other constituency statute erlassen hat. Zwar entspricht es gängiger Praxis amerikanischer Gerichte, in gesellschaftsrechtlichen Fragen nach Delaware als dem Staat mit der spezialisiertesten und weitestentwickelten einschlägigen Rechtsprechung zu blicken und dessen Fallrecht als Entscheidungshilfe heranzuziehen. Jedoch macht ein solches Verfahren wenig Sinn im Fall von other constituency statutes, in dem das Gesetzesrecht anderer Bundesstaaten eine ausdrückliche Regelung enthält, eine solche Regelung in Delaware aber fehlt.455 Schließlich erlassen amerikanische Gesetzgeber, wie A.A. Sommer, ein weiteres Mitglied des Komitees, bemerkt hat, neue Vorschriften in der Regel nicht mit dem Ziel, bloß das bestehende Recht zu kodifizieren.456 ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253, 2269 (1990). ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253, 2268 f. (1990). 452 Siehe die Ausführungen zur volkswirtschaftlichen Effizienz, ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253, 2268 (1990); zu diesen Argumenten ausführlich § 5 dieser Untersuchung. 453 Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 991 ff. (1992); Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 75 f. (1992). 454 Hansen, 46 Bus. Law. 1355, 1375 (1991). 455 Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 74 (1992). 450 451

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c) Die weite Auslegung: Einklagbare Rechte für Nichtaktionäre Am entgegengesetzten Ende des Meinungsspektrums findet sich die These, die gesetzlichen Bestimmungen räumten Nichtaktionären ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf angemessene Berücksichtigung ihrer Interessen bei der unternehmerischen Entscheidungsfindung ein.457 Ausführlich entwickelt wurde dieser Ansatz zuerst von David Millon in seiner Arbeit mit dem programmatischen Titel „Redefining Corporate Law“.458 Millon unterscheidet zwischen zwei Wirkungen der Vorschriften – einer „negativen“ und einer „affirmativen“.459 Negativer Effekt sei zunächst, dass die Möglichkeiten von Aktionären, Managemententscheidungen anzugreifen, die ihre Interessen zugunsten anderer Erwägungen opferten, beschnitten würden und somit die Verantwortlichkeit des Managements gegenüber den Anteilseignern weiter reduziert würde.460 Denn other constituency statutes änderten die Substanz des rational-belief-Elements der business judgment rule.461 Indem die gesetzlichen Regelungen ausdrücklich die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen erlaubten, erweiterten sie das Spektrum noch als rational anzusehender Unternehmerentscheidungen. Entscheidungen, die andere Interessen zu Lasten der Anteilseigner berücksichtigten, seien im Anwendungsbereich von other constituency statutes nicht mehr als irrationale Versuche, das Gesellschaftsinteresse zu verfolgen, anzusehen und mithin vor richterlicher Überprüfung weitgehend geschützt, ohne dass es des bisweilen fragwürdigen Hinweises auf die angeblich erstrebten oder zu erwartenden langfristigen Vorteile für Gesellschaft und Gesellschafter noch bedürfe.462 So könne das Management der Chicago Cubs, würde Shlensky v. Wrigley463 heute in einem Bundesstaat mit entsprechend geändertem Gesellschaftsgesetz entschieden, seine Weigerung, eine Beleuchtungsanlage im Baseballstadion zu installieren, schlicht mit dem Wunsch begründen, ein guter Nachbar zu sein.464

Sommer, 16 Del. J. Corp. L. 33, 43 (1991). Vgl. neben den im Text referierten Ansätzen von Millon und Mitchell die Beiträge von O’Connor, 69 N.C.L. Rev. 1189, 1229 ff. (1991); Stone, 21 Stetson L. Rev. 45 (1991). 458 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223 (1991). 459 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 248 (1991). 460 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 255 (1991). 461 Vgl. die Formulierung in § 4.01 (c) der ALI Principles of Corporate Governance: „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section if the director or officer : (1) is not interested in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation.“ 462 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 252 (1991). 463 237 N.E.2d 776 (Ill.App.Ct. 1968). 464 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 252 (1991). 456 457

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Die Feststellung verringerter Verantwortlichkeit des Managements gegenüber den Anteilseignern – eine Feststellung, die weitgehend unbestritten ist und auch und gerade von den Kritikern der Gesetzeswerke geteilt wird465 – dient Millon dann in einem zweiten Schritt als entscheidendes Argument für seine Auffassung, die gesetzlichen Regelungen verpflichteten die Unternehmensleitung zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen (der sog. affirmative Effekt). Einseitig die Pflichten der Leitungsorgane gegenüber den Aktionären zu lockern, ohne auf der anderen Seite komplementäre Verpflichtungen gegenüber den anderen Bezugsgruppen der Gesellschaft zu schaffen, um die so entstehende „Kontrolllücke“ zu füllen, führe zu einer sozial unerwünschten Ausdehnung des Ermessensspielraums von Managern, dessen Ausübung dann fast keiner gerichtlichen Kontrolle mehr unterläge.466 Außerdem bestehe nur bei einer rechtlichen Verpflichtung zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen die Aussicht, dass deren Interessen als Folge der Gesetzesänderungen tatsächlich besser geschützt würden, da andernfalls angesichts des Stimmrechts der Aktionäre und der aktienkursabhängigen Vergütung der meisten Manager eine Bevorzugung von Arbeitnehmer-, Kundenoder Umweltinteressen gegenüber den Interessen der Anteilseigner in der Praxis nicht zu erwarten sei.467 Den gewünschten Effekt könnten die Gesetze nur entfalten, wenn die Unternehmensleitung nicht nur zur Berücksichtigung der Nichtaktionärsinteressen verpflichtet werde, sondern darüber hinaus den „stakeholders“ ein korrespondierendes Klagerecht (standing to sue) zur Durchsetzung dieser Pflichten eingeräumt würde.468 Klagegründe seien u. a. die „Enttäuschung legitimer Nichtaktionärsinteressen“ sowie die „Abweichung von einer Unternehmenspolitik, die das Ziel verfolgt, die finanziellen Interessen der Anteilseigner mit den Interessen der Nichtaktionäre an stabilen Beziehungen zu der Gesellschaft in Einklang zu bringen“.469 Wie Millon selbst einräumt, handelt es sich dabei um äußerst vage Prinzipien. Die Unbestimmtheit bietet nach seiner Auffassung aber die Gelegenheit für die Gerichte, „a new body of common law“ in diesem Gebiet zu entwickeln und damit den tatsächlichen Besonderheiten der Fälle besser gerecht zu werden als dies bei der Anwendung klarer Regeln der Fall wäre.470 Einen ähnlichen Interpretationsvorschlag hat Lawrence Mitchell, neben Millon einer der prominentesten Vertreter der sog. Progressive Corporate Law-Schule471, zur Diskussion gestellt. Demnach schaffen die gesetzlichen Bestimmungen eine neuartige fiduziarische Pflicht, die Interessen von Nichtaktionären zu wahren (duty not to harm), 465 Vgl. nur ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253, 2270 (1990); dazu ausführlich unten S. 164 ff. 466 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 256 (1991). 467 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 260 f. (1991). 468 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 265 ff. (1991). 469 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 266 f. (1991). 470 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 268 (1991). 471 Vgl. zu dieser Strömung den von Mitchell herausgegebenen Sammelband Progressive Corporate Law, 1995.

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und berechtigen „stakeholders“ zur Klage gegen solche Managemententscheidungen, die ihre Interessen verletzen.472 Managern komme die Rolle von unabhängigen Mediatoren zu, die die Vielzahl von legitimen wirtschaftlichen und persönlichen Interessen an der Aktiengesellschaft gegeneinander abzuwägen hätten.473 Indessen handelt es sich bei den Forderungen nach gerichtlich durchsetzbaren Pflichten gegenüber Nichtaktionären ebenso wie bei dem restriktiven Ansatz der ABA mehr um rechtspolitisches Wunschdenken als um das Ergebnis seriöser Auslegungsarbeit auf Grundlage der geltenden Gesetze. Die extensiven Auslegungsversuche finden weder im Wortlaut (mit Ausnahme Connecticuts) noch in der Entstehungsgeschichte der Vorschriften Rückhalt474 und haben sich nicht durchsetzen können. Als schlechthin unmöglich erweist sich eine derartige Lesart in Staaten wie New York und Pennsylvania, deren Bestimmungen Rechtspflicht und Klagerecht ausdrücklich ausschließen (s. o.).

d) Wahrscheinliche Auswirkungen der Gesetze Vor die Aufgabe gestellt, nach diesem Überblick über die beiden Extrempositionen der Auslegung die wahrscheinlichsten Auswirkungen von other constituency statutes auf die rechtlichen Verhaltensmaßstäbe für Manager amerikanischer Aktiengesellschaften abzuschätzen, bietet es sich wiederum an, zwischen Entscheidungen im normalen Geschäftsgang und Entscheidungen in der Übernahmesituation zu unterscheiden.

aa) Entscheidungen außerhalb der Übernahmesituation Das weite Leitungsermessen des Managements im operativen Bereich, durch die business judgment rule weitgehend von richterlicher Nachprüfung abgeschirmt, ermöglichte de facto auch ohne other constituency statutes bereits die Rücksichtnahme auf die in den gesetzlichen Bestimmungen als berücksichtigungsfähig aufgeführten Interessen, wenngleich nur indirekt unter dem Banner langfristiger Profitmaximierung.475 Solange Manager nicht offen einräumten, andere Ziele neben dem formal allein zulässigen Ziel der Profitmaximierung für die Anteilseigner zu verfolgen (der Fehler Henry Fords), waren Ersatzansprüche der Gesellschaft wegen Verletzung fiduziarischer Pflichten kaum zu befürchten.476 Wie ein Kenner der 472 Mitchell, 70 Tex. L. Rev. 579, 634 ff. (1992); ihm folgend Leung, 30 Colum. J.L. & Soc. Probs. 587, 624 ff. (1997). 473 Mitchell, 70 Tex. L. Rev. 579, 640 (1992). 474 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 48 (1988); Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 83 (1992); v. Stange, 11 Hofstra Lab. L.J. 461, 488 (1994). 475 Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 44 (1992). 476 Morrissey, 40 Syracuse L. Rev. 1005, 1017 (1989).

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Materie treffend bemerkte: „[T]he probability of holding directors liable for operational decisions was so low before nonshareholder constituency statutes came along that the statutes could not further lower it.“477 Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben es den Leitungsorganen amerikanischer Kapitalgesellschaften nunmehr (so ihr Anwendungsbereich nicht ausdrücklich auf die Übernahmesituation beschränkt ist), den Schutz von Nichtaktionärsinteressen offen als Zweck einer Entscheidung zu präsentieren478, schaffen aber im Ergebnis kaum einen Handlungsspielraum, der nicht schon vorher bestanden hätte. Konzeptionell besteht indes ein erheblicher Unterschied zwischen der traditionellen Duldung einer nur reflexartigen Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen und der Anerkennung dieser Interessen als solcher und unabhängig von einem etwaigen Nutzen für die Anteilseigner. Bei der bereits bestehenden faktischen Möglichkeit zu derartigen Erwägungen handelte es sich lediglich um den unvermeidlichen Nebeneffekt eines rechtlichen Rahmens, der darauf angelegt ist, durch weites unternehmerisches Leitungsermessen zu volkswirtschaftlich effizientem Handeln zu ermutigen.479 Die gesetzlichen Regelungen erheben demgegenüber die genannten Interessen von bloßen Mitteln zum Zweck zu selbständigen und gleichberechtigten Faktoren im gesellschaftsinternen Entscheidungsprozeß und schaffen damit im amerikanischen Aktienrecht eine der h.M. zu § 76 Abs. 1 AktG entsprechende Rechtslage. Die formale Aufwertung dieser Interessen kann langfristig auch praktische Konsequenzen haben. Zunächst stellen other constituency statutes die Praxis des „Stakeholder“-Managements auf eine solide rechtliche Basis.480 Eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung dieser Praxis kann Manager zusätzlich ermutigen, Nichtaktionärsinteressen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.481 Auch wenn die Erfolgsaussichten einer Aktionärsklage gegen eine nicht allein am Aktionärswohl ausgerichtete Managemententscheidung im Anwendungsbereich der traditionellen common-law-Grundsätze gering sind, sollte der potentielle Effekt eines auch nur entfernten Haftungsrisikos auf den Entscheidungsprozeß nicht Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 998 f. (1992). Ob ein solch offenes Bekenntnis jemals zu erwarten ist und nicht stets auch auf die angeblich zu erwartenden langfristigen Vorteile für die Anteilseigner hingewiesen werden wird, ist eine andere Frage. Sehr skeptisch insoweit Sommer, 16 Del. J. Corp. L. 33, 43 f. (1991): „[O]nly a reckless corporate advisor would permit board minutes, or an accurate rendering of the advice given a board, to suggest that the board had put non-shareholder interests before those of shareholders.“ 479 Vgl. Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1440 (1993): „Management’s freedom to consider nonshareholder interests is merely an incidental by-product.“ 480 Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 44 (1992); dazu Freeman, Strategic Management: A Stakeholder Approach; ders., 4 Bus. Ethics Q. 409 (1994); Goodpaster, 1 Bus. Ethics Q. 53 (1991). 481 Vgl. auch Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 48 (1988), der einen stärkeren öffentlichen Druck auf Manager zur Berücksichtigung anderer Interessen für möglich hält, wenn diese über ein ausdrückliches gesetzliches Mandat für derartige Erwägungen verfügen. 477 478

8 Empt

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§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA

unterschätzt werden: Wie John Coffee in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, spricht angesichts der Tendenz von Rechtsberatern, auch entfernte Haftungsrisiken aus Furcht vor eigener Haftung übermäßig zu betonen, einiges dafür, dass die Anforderungen der duty of care und damit auch das Formalziel der Profitmaximierung eine gewisse verhaltenssteuernde Wirkung entfalten.482 Other constituency statutes dienen dagegen als klare Orientierungsmarke, dass derartige Erwägungen nunmehr zulässig sind – eine Funktion, die insbesondere dann von Bedeutung sein kann, wenn die intendierte Handlungsweise nach Art oder Umfang der Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsinteressen den Rahmen des bis dahin Üblichen überschreitet. Der mögliche langfristige psychologische Effekt eines Paradigmenwechsels ist nicht von der Hand zu weisen: Traditionell ist „shareholder wealth maximization“ ein zentrales Element der Sozialisation amerikanischer Managereliten und Leitstern ihrer Unternehmenskultur.483 Die gesetzlichen Bestimmungen weichen davon ab und könnten nicht nur die korporative Rhetorik, sondern auf lange Sicht auch das Verhalten von Managern ändern, indem sie zu einem graduellen Bewusstseinswandel beitragen.484 In diese Richtung weisen die im Jahr 1994 vom American Law Institute verabschiedeten Principles of Corporate Governance.485 Für den Sonderfall mildtätiger Spenden aus Unternehmensmitteln bekräftigen other constituency statutes das bestehende Ermessen der Unternehmensleiter und könnten mittelbar das richterliche Verständnis der Angemessenheit („reasonableness“) von Zuwendungen beeinflussen.486 Schließlich verringern die gesetzlichen Regelungen den zukünftigen Spielraum der Gerichte, durch Weiterentwicklung der common-law-Grundsätze und stärkeren Vgl. Coffee, 52 Geo. Wash. L. Rev. 789, 797 f. (1984). Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1441 (1993): „The psychological effects of a switch should not be downplayed . . .[T]he shareholder wealth maximization norm is central to management’s socialization. Accordingly, the norm provides a forceful reminder of where the director’s loyalty lies.“ Empirische Belege für die Sozialisationswirkung der „shareholder primacy norm“ finden sich bei Lorsch, Pawns or Potentates, S. 45, der im Jahr 1989 berichtete, „most directors are still uneasy about going against the narrower traditional view of shareholder primacy.“ 484 Vgl. zu diesem Aspekt bereits Levitt, Harv. Bus. Rev., September-October 1958, S. 41, 43: „[W]hat people say, they ultimately come to believe if they say it enough, and what they believe affects what they do.“ 485 Deren § 2.01 (b) lautet: „Even if corporate profit and shareholder gain are not thereby enhanced, the corporation, in the conduct if its business: (1) Is obliged, to the same extent as a natural person, to act within the boundaries set by law; (2) May take into account ethical considerations that are reasonably regarded as appropriate to the responsible conduct of business; and (3) May devote a reasonable amount of resources to public welfare, humanitarian, educational, and philanthropic purposes.“ Zur schwierigen Entstehungsgeschichte der Principles Carney, 61 Geo. Wash. L. Rev. 898 (1993); Branson, 62 U. Pitt. L. Rev. 605, 623 ff. (2001). Die Grundsätze sind mit Vorsicht zu genießen, da sie nicht in allen Punkten und insbesondere in der hier zu untersuchenden Fragestellung die geltenden common law-Regeln korrekt wiedergeben. Nicht ohne Grund tragen sie den Titel „Principles“ statt „Restatement“. 486 Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 47 (1992). 482 483

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richterlichen Interventionismus in diesem Bereich die faktisch bereits bestehende Möglichkeit zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen wieder zu beschneiden.487 bb) Entscheidungen in der Übernahmesituation Feindliche Übernahmen waren der eigentliche Auslöser für den Erlass von other constituency statutes in der Mehrheit der Bundesstaaten. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Gesetze lassen keinen Zweifel daran, dass der Handlungsspielraum des Managements durch eine Änderung des duty of care-Standards erweitert werden sollte. Unklarheit herrscht aber mangels aussagekräftiger Präjudizien nach wie vor in der Frage nach den konkreten Auswirkungen der Regelungen auf die richterrechtlich entwickelten Verhaltensmaßstäbe in der Übernahmesituation. Gleichwohl lassen sich einige Aussagen treffen; die folgenden Ausführungen orientieren sich an den grundlegenden Arbeiten von Stephen Bainbridge488 und Eric Orts489, die weitgehend auf Zustimmung gestoßen sind. (1) Beweislastumkehr (Unocal) Die gesetzlichen Vorschriften ändern nichts an dem in jeder Übernahmesituation bestehenden Grundproblem der naheliegenden Versuchung für Manager, durch Abwehrmaßnahmen in erster Linie ihr eigenes Interesse am Erhalt ihrer Position schützen zu wollen. Dieses Problem hat sich sogar verschärft, da die weiten und offenen Formulierungen der Bestimmungen geradezu dazu einladen, fast jede erdenkliche Entscheidung unter Hinweis auf die angeblich zu erwartenden Vorteile für eine der aufgeführten Bezugsgruppen zu rechtfertigen.490 Das Eigeninteresse der Manager von Zielgesellschaften am Machterhalt zählt aber unstreitig nicht zum Kreis der geschützten Interessen.491 Daher besteht nach wie vor ein Bedürfnis (und Wortlaut und Zweck der Gesetze stehen dem nicht entgegen492), Managemententscheidungen in der Übernahmesituation einem „enhanced-scrutiny“-Test nach dem Vorbild von Unocal zu unterwerfen493, wenngleich mit den folgenden Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 44 (1992). Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971 ff. (1992). 489 Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14 ff. (1992). 490 Dies ist einer der Haupteinwände gegen die geltenden Regeln (sowie gegen jede Rechtsstruktur, die Manager zum Hüter einer Vielzahl von konkurrierenden Interessen aufwertet) und wird im fünften Teil der Arbeit ausführlich behandelt. 491 So der pointierte Hinweis von Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 96 (1992). 492 Eine Ausnahme bildet insoweit Indiana, dessen Gesetz es dem Richter ausdrücklich verbietet, die Delaware-Grundsätze zu „enhanced scrutiny“ in der Übernahmesituation als Entscheidungshilfe heranzuziehen. 493 So übereinstimmend Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 96 f. (1992); Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1016 ff. (1992). 487 488

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Modifikationen: Was die vom Management darzulegende Gefahr für „corporate policy and effectiveness“ betrifft, erweitern other constituency statutes den Kreis der berücksichtigungsfähigen Interessen. Mithin genügt es, wenn die Beklagten darlegen können, dass die geplante Übernahme eine Gefahr für eine der aufgelisteten Bezugsgruppen bedeutet494 – eine Aufgabe, die kaum Schwierigkeiten bereiten dürfte, da Auslöser für Übernahmebemühungen in der Regel die Überzeugung des Bieters ist, die Produktionsmittel der Zielgesellschaft effizienter einsetzen zu können und daher nach einer erfolgreichen Übernahme höchst selten alles beim alten bleiben wird. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es dann darauf an, ob eine Maßnahme zum Schutz von Nichtaktionärsinteressen die Anteilseigner nicht übermäßig belastet.495 Verhältnismäßig ist eine Maßnahme nur dann, wenn die damit verbundene Belastung der Anteilseigner nicht größer ist als zum Schutz der Nichtaktionäre notwendig.496 Da die gesetzlichen Regelungen Manager ausdrücklich zu „trade-offs“ zwischen Anteilseignern und „stakeholders“ ermächtigen, dürfte die Vorenthaltung einer lukrativen Übernahmeprämie allein wohl kaum die Annahme einer unverhältnismäßigen Verteidigungsmaßnahme rechtfertigen.497 Als unverhältnismäßig wären im Anwendungsbereich von other constituency statutes allenfalls solche Maßnahmen anzusehen, die auf Dauer jeglichen Übernahmeversuch unmöglich machen.498 (2) Keine Verpflichtung zur Realisierung des höchstmöglichen Werts (Revlon / QVC) Nicht mit den gesetzlichen Bestimmungen vereinbar ist die vom Delaware Supreme Court in Revlon und QVC entwickelte Verpflichtung des Vorstands, in bestimmten Situationen ihr Handeln allein auf die kurzfristige Wertmaximierung für die Anteilseigner auszurichten.499 Other constituency statutes markieren keinen Zeitpunkt, ab dem die Rücksichtnahme auf andere Bezugsgruppen unzulässig wäre. Im Gegenteil, gerade in den in Revlon und QVC entschiedenen Endzeitkonstellationen, in denen die Interessen der verschiedenen Bezugsgruppen so offensichtlich und unvereinbar auseinanderfallen, können die Gesetze ihre spürbarste Wirkung entfalten.500 So kann das Management im Geltungsbereich eines other conBainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1016 (1992). Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1019 (1992). 496 Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1019 (1992). 497 Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1020 (1992). 498 Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1020 (1992). 499 Vgl. Bainbridge, 19 Pepp. L. Rev. 971, 1015 (1992); Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 104 (1992). 500 In diese Richtung weist die Entscheidung in Keyser v. Commonwealth National Financial Corporation, 675 F.Supp. 238 (M.D. Penn 1987). 494 495

IV. Abschließende Betrachtung der amerikanischen Rechtslage

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stituency statutes in einem Bieterwettbewerb nunmehr beschließen, das niedrigere Angebot eines „white knight“ zu bevorzugen und durch entsprechende Maßnahmen (lock-up / no-shop / crown jewels) zu sichern, wenn und weil dieses Angebot größere Vorteile für Arbeitnehmer oder vertragliche Gläubiger verspricht.501

IV. Abschließende Betrachtung der amerikanischen Rechtslage Das amerikanische Gesellschaftsrecht ermöglicht durch das Zusammenspiel vom Formalziel der Profitmaximierung auf der einen Seite mit dem prozessualen Schild der business judgment rule auf der anderen Seite die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen in weit größerem Umfang, als es verbreitete kontinentaleuropäische Vorstellungen vom amerikanischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem auf den ersten Blick vermuten lassen würden. Konzeptionell bestand und besteht jedoch im Geltungsbereich der richterrechtlich entwickelten Grundsätze kein Zweifel, dass es sich bei aller Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsinteressen nur um Nebenbedingungen zur geschickten Verfolgung des eigentlichen und alleinigen Unternehmensziels der Profitmaximierung zugunsten der Anteilseigner handelt.502 In der Übernahmesituation, in der das Langzeitinteresse als taugliche Begründungsgrundlage für soziale Erwägungen wegfällt und sich die Behauptung von der Übereinstimmung der Interessen aller Beteiligten als unhaltbar erweist, zeigt diese theoretische Konzeption auch praktische Konsequenzen: Das Rechtssystem besinnt sich auf den wirtschaftlichen Charakter der corporation als einem Investmentvehikel der Anteilseigner, deren Interessen in manchen Situationen die alleinige Aufmerksamkeit des Managements gebührt (Revlon, QVC), ohne freilich vom Grundsatz des weiten unternehmerischen Ermessens in der Wahl der Mittel als einem ebenso wichtigen Leitstern des amerikanischen Gesellschaftsrechts abzurücken (Paramount). Für den Sonderfall philanthropischer Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln sind die einzelstaatlichen Gesetzgeber schon früh von dem traditionellen Konzept abgewichen und erlauben derartige Ausgaben auch dann, wenn ein Nutzen für die Gesellschaft nicht zu erwarten ist. Die Rechtsprechung hat sich allerdings auch im Anwendungsbereich dieser spezialgesetzlichen Ermächtigungen nie völlig vom Erfordernis eines corporate benefit gelöst. Die ausführliche Darstellung der rechtlichen Behandlung von Unternehmensspenden sowie der aktuellen amerikanischen Reformdiskussion verdeutlichen beispielhaft die theoretischen und praktischen Schwierigkeiten des Versuchs, altruistisches Handeln in ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Rechtsgebiet einzufügen und Missbrauchsmöglichkeiten zu begrenzen. Rechtslage und Rechtsentwicklung im Bereich der corporate philanthropy sind nur verständlich vor dem kulturellen Hintergrund der USA als einem Land, in 501 502

Orts, 61 Geo. Wash. L. Rev. 14, 108 (1992). So auch die Einschätzung von Groh, DB 2000, 2153, 2154.

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§ 3 Rechtslage und Rechtsentwicklung in den USA

der Privatinitiative in der Regel gegenüber staatlicher Umverteilung durch zwingende staatliche Maßnahmen bevorzugt wird. „Charity“ war und ist ein ebenso integraler Teil der amerikanischen Geschäftskultur wie das Streben nach Profitmaximierung und verdrängt, so scheint es, in diesem Sonderbereich bisweilen als die gleichsam speziellere Verhaltensnorm den allgemeinen Shareholder-Value-Ansatz.503 Rechtsprechung und Gesetzgebung spiegeln diese Besonderheit durch besonders entgegenkommende Behandlung von Unternehmensspenden wider. Eine breitere Abkehr vom Dogma der „shareholder primacy“ und eine Hinwendung zu einem neuen Verständnis der Managementrolle als der eines Mediators zwischen einer Vielzahl von Interessen markiert anscheinend das gesetzgeberische Eingreifen der Mehrheit der Bundesstaaten durch den Erlass von „other constituency statutes“. Deren Auslegung wirft eine Reihe von Fragen auf. Ihr praktischer Effekt bleibt abzuwarten. Nennenswerte Auswirkungen auf die amerikanische Rechtswirklichkeit sind jedenfalls nicht zu erwarten, solange Delaware als die wichtigste Jurisdiktion in gesellschaftsrechtlichen Fragen kein entsprechendes Gesetz erlässt (wofür gegenwärtig keinerlei Anhaltspunkt besteht.)504

503 Vgl. die Einschätzung von Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 100, die Behandlung wohltätiger Schenkungen habe Ausnahmecharakter und habe an dem in Dodge v. Ford Motor Co. aufgestellten Grundsatz bis heute nichts geändert. 504 Deutlich zur rechtlichen Rolle der Managements in Delaware die Aussage von Chancellor Allen in Blasius Indus., Inc. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 663 (Del. Ch. 1988): „The theory of our corporation law confers power upon directors as the agents of the shareholders; it does not create Platonic masters.“

§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht I. Die herrschende Meinung: Der Vorstand als Wahrer vieler Interessen Nach überwiegender Auffassung ist der Vorstand der deutschen Aktiengesellschaft nicht verpflichtet, sein Handeln ausschließlich am Interesse der Aktionäre auszurichten. Er ist berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet, nach seinem Ermessen im Einzelfall Nichtaktionärsinteressen auch zu Lasten der Anteilseigner wahrzunehmen.

1. Die Auslegung von § 76 Abs. 1 AktG Maßgebliche Vorschrift ist § 76 Abs. 1 AktG, der an der Spitze des Abschnittes über die Verfassung der Aktiengesellschaft die wesentliche Bestimmung zur Kompetenz des Vorstands beinhaltet.

a) Kein Vorrang des Aktionärsinteresses Ausgangspunkt der herrschenden Meinung ist die Formulierung des § 76 Abs. 1 AktG, wonach der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Das damit dem Vorstand unstreitig eingeräumte Leitungsermessen berechtigt und verpflichtet nach überwiegender Ansicht den Vorstand zur sachgerechten Wahrnehmung aller in der Gesellschaft und dem von ihr betriebenen Unternehmen zusammentreffenden Interessen.1 Träger solcher Interessen seien neben den Aktionären die Arbeitnehmer und die Allgemeinheit. 2 Bei der Ermessensausübung sei 1 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Hommelhoff, ZGR 2001, 238, 250 f.; Schilling, BB 1997, 373, 377; AnwK-Aktienrecht / Oltmanns, § 76 Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. z. AktG. § 76 Rn. 16: „Der Vorstand hat bei der Ausübung seines unternehmerischen Ermessens eine Reihe von Interessen zu berücksichtigen, nämlich . . . die Interessen der Kapitalgeber . . . , die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens sowie das Interesse der Öffentlichkeit daran, dass sich das Unternehmen als good corporate citizen in die staatlich verfasste nationale und internationale Gesellschaftsordnung einfügt und sich möglichst umweltschonend verhält.“ 2 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C. Rn. 45; Schilling, BB 1997, 373, 377; Kort, FS Lutter, S. 1421, 1435; deutlich aus der Binnensicht eines Mitglieds des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH Henze, BB 2000, 209,

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§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht

der Vorstand weder berechtigt noch verpflichtet, sich allein vom Aktionärsinteresse leiten zu lassen.3 Insbesondere sei der Vorstand von Rechts wegen nicht an das Ziel eines nachhaltig zu erwirtschaftenden möglichst hohen Gewinns gebunden.4 Vielmehr sei es seine Aufgabe, die verschiedenen Interessen, die bei langfristiger Betrachtung ohnehin weitgehend in praktischer Konkordanz stünden5, selbständig gegeneinander abzuwägen.6 An eine bestimmte Rangfolge der Interessen sei der Vorstand dabei nicht gebunden.7 Die Ausschließlichkeit oder auch nur der Vorrang des Aktionärinteresses bei der Ermessensausübung wird somit abgelehnt.8 b) Schranken: Rentabilität und Angemessenheit Grenzen setzt dem Ermessen die weitgehend übereinstimmend angenommene Verpflichtung des Vorstands, für die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft zu sorgen.9 Der Gesetzgeber selbst verwendet den Begriff der Rentabilität in § 92 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Demnach ist der Vorstand verpflichtet, seine Geschäftsführung auf die Erzielung eines angemessenen, für die substantielle Erhaltung von Kapitalund Ertragskraft der Gesellschaft ausreichenden Gewinns zu richten.10 Dieses Gebot geht freilich kaum über dasjenige hinaus, was ökonomische Zwänge ohnehin diktieren, würde doch eine unrentabel arbeitende Gesellschaft über kurz oder lang den Markt verlassen müssen, und führt daher zu keiner nennenswerten Ermessenseinschränkung. 212: „Der BGH hat es bisher stets vermieden, [das] Unternehmens- bzw. Gesellschaftsinteresse‘ zu definieren. Es ist aber kein Geheimnis, dass er – ganz im Sinne der stakeholderTheorie – Aktionäre, insbesondere die Minderheit, Gesellschaftsgläubiger, aber auch Arbeitnehmer und die öffentlichen Interessen (einschließlich der Arbeitsplatzerhaltung zur Gewährleistung des sozialen Friedens) im Auge hat.“ 3 Goette, FS BGH, S. 123, 127; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 40: „Die Wahrnehmung der Leitungsaufgabe des Vorstands darf nicht auf eine ausschließliche Orientierung am Gesellschaftsinteresse als gebündelten Interessen der Aktionäre hinauslaufen.“ 4 Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 11; Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 141; Laub, AG 2002, 308, 309. 5 So Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 19; ders., FS Goerdeler, S. 349, 357; Hopt, ZGR 1993, 534, 536 ff.; ähnlich Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 52, 64. 6 Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 16 ff. 7 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Hefermehl / Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 77; für einen gewissen Vorrang der Gesellschafterinteressen jetzt aber Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 64. 8 Hopt, ZGR 1993, 534, 536; Goette, FS BGH, S. 123, 127; AnwK-Aktienrecht / Oltmanns, § 76 Rn. 8. 9 Mertens, Kölner Komm z. AktG, § 76 Rn. 22; ders., FS Goerdeler, S. 349, 356; Goette, FS BGH, S. 123, 127; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 13; Hefermehl / Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 60 f.; AnwK-Aktienrecht / Oltmanns, § 76 Rn. 8; Semler, Leitung, S. 24 ff.; Rittner, JZ 1980, 113, 115; Fleischer, AG 2001, 171, 173. 10 Mertens, Kölner Komm z. AktG, § 76 Rn. 22.

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In dem weiten Feld zwischen Rentabilität einerseits und Gewinnmaximierung andererseits stehe es im Ermessen des Vorstands, ob er die Gesellschaft (und damit die Anteilseigner) in einem angemessenen Umfang mit Kosten belaste, die durch die Rücksichtnahme auf soziale Belange entstünden, ohne dass es zur Rechtfertigung solcher Ausgaben des Hinweises auf zu erwartende oder intendierte Gesellschaftsvorteile bedürfe.11 So erlaubt es nach dieser Lesart § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand ohne weiteres, Belange der Allgemeinheit beispielsweise durch Überschreitung des gesetzlichen Umweltschutzniveaus auch dann wahrzunehmen, wenn daraus keine mittelbaren oder langfristigen Vorteile für Gesellschaft und Gesellschafter zu erwarten sind (etwa weil die Abnehmer der Produkte auf umweltschonende Herstellungsweisen keinen Wert legen), solange der damit verbundene Aufwand nur in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gesellschaft steht.12

c) Unternehmensinteresse? Überlagert – und teilweise verdunkelt – wird die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit von Nichtaktionärsinteressen durch die stark mitbestimmungsrechtlich beeinflusste Diskussion um Existenz und Bestimmung eines sog. Unternehmensinteresses. Der BGH hat in einer Reihe von Entscheidungen eine Verpflichtung der Gesellschaftsorgane auf das Interesse13 bzw. das Wohl14 des Unternehmens angenommen, ohne freilich zu präzisieren, was darunter zu verstehen ist. Neuere Entscheidungen verwenden wahlweise bzw. gleichzeitig die Begriffe Unternehmens- und Gesellschaftsinteresse.15 Vereinfacht dargestellt lassen sich in der Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 14; Mertens, FS Goerdeler, S. 349, 360. Vgl. Mertens, Kölner Komm z. AktG, § 76 Rn. 22 sowie das obiter dictum in BGHZ 69, 334, 339: „So schließt . . . die Verpflichtung der Gesellschaftsorgane auf das Wohl des Unternehmens es nicht aus, dass sie bei ihren Entscheidungen gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte und das Allgemeinwohl im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit (§§ 91, 116 AktG) angemessen mitberücksichtigen.“; siehe auch OLG Hamm, AG 1995, 512, 514: „Die Generalklausel hinsichtlich der Leitungsfunktion des Vorstands in § 76 Abs. 1 AktG besagt, dass der Vorstand nach seinem eigenen Ermessen die in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und des Gemeinwohls sachgerecht wahrzunehmen hat, wobei die Wahrung dieser Interessen in der Pflicht des Vorstands eine Grenze findet, für den Bestand des Unternehmens und eine dauerhafte Rentabilität zu sorgen.“ 13 BGHZ 64, 325, 331; 106, 54, 65; 136, 133, 139; BGH, ZIP 1983, 689; ZIP 1995, 738, 742. 14 BGHZ 69, 334, 339; 135, 244, 253; BGH ZIP 1983, 689; ZIP 1989, 1390, 1394; ZIP 1985, 1484 f. 15 BGHZ 125, 239, 241, 243 f.; 136, 133, 139. Die Vernachlässigung der begrifflichen Unterscheidung beruht nach Aussage eines Mitglieds des maßgeblichen II. Zivilsenats darauf, „dass sich der BGH im Rahmen seiner Beurteilung nicht mit der Wertung abstrahierender Begriffe oder abstrakter Institutionen aufhält, sondern sofort die Interessen und Interessenten in den Blick nimmt, die von den jeweiligen Maßnahmen betroffen sind oder – entfernter – berührt werden.“ (Henze, BB 2000, 209, 212). 11 12

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Literatur zum Unternehmensinteresse im Wesentlichen die folgenden vier Grundpositionen unterscheiden.16 Nach einer ersten Meinung handelt es sich bei dem Unternehmensinteresse um ein eigenständiges Interesse am Fortbestand des Unternehmens, das von den Interessen der verschiedenen Unternehmensbeteiligten zu unterscheiden ist und auch nicht aus deren Interessen abgeleitet wird. Wenn die Interessen der verschiedenen Unternehmensbeteiligten im Einzelfall auseinanderfallen, entscheidet das Unternehmensinteresse als selbständiges Interesse der Organisation darüber, inwieweit welche Gruppeninteressen zur Geltung gelangen können oder geht jedenfalls als eigenständiger Faktor neben den Interessen der einzelnen Gruppen in den erforderlichen Abwägungsprozess ein.17 Eine zweite Auffassung18 versteht als Unternehmensinteresse materiell die „Resultante aus den verschiedenen Interessen der Unternehmensbeteiligten“ 19. Der Sache nach handelt es sich bei dem Unternehmensinteresse nach dieser Konzeption um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Bedeutung im Einzelfall jeweils durch Abwägung zwischen den Interessen der verschiedenen Unternehmensbeteiligten zu ermitteln ist. Eine dritte Ansicht20 misst dem Begriff demgegenüber nur prozedurale Bedeutung zu und versteht ihn als Verpflichtung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat zur „gelingenden, integrierten Gesamtinteressebildung“21. Das Unternehmensinteresse dient somit als Verfahrensablauf zur Entscheidungsfindung bei divergierenden Interessen der verschiedenen Unternehmensbeteiligten. Die vierte Meinung schließlich kombiniert prozedurale und inhaltliche Aspekte.22 Demnach muss die Verwaltung der Aktiengesellschaft neben den Anteilseig16 So die Einteilung bei Mülbert, ZGR 1997, 129, 142; kurze Übersicht bei R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 542 und Hefermehl / Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 57; siehe auch die überblicksartigen Darstellungen bei Semler, Leitung, S. 34 Fn. 94 und Zöllner, Einl. Kölner Komm., Rn. 129 ff. sowie die ausführliche Diskussion der verschiedenen Ansichten bei Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 88 ff. 17 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. I / 2, S. 58; Mertens, Kölner Komm z. AktG, § 76 Rn. 16; ders., AG 1990, 49, 53 f.; Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 141 f. 18 Ulmer, in: Hanau / Ulmer, Komm. z. MitbestG, 1981, § 25 Rn. 94; Wiesner, in: Münchener Hdb. d. GesR., Bd. 4, § 19 Rn. 18; so wohl auch BGHZ 64, 325, 330. 19 So die Formulierung von Mülbert, ZGR 1997, 129, 142, der aber nicht zu den Anhängern dieser Ansicht zählt. 20 Brinkmann, Unternehmensinteresse und Unternehmensrechtsstruktur, S. 216 ff.; ders., AG 1982, 122, 128; Laske, ZGR 1979, 173, 196 f.; Reuter, AcP 179, (1979), 509, 519 f. 21 Brinkmann, Unternehmensinteresse und Unternehmensrechtsstruktur, S. 225. 22 Vgl. beispielsweise Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 163 ff., 413 f.; Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 119 ff.; Raisch, FS Hefermehl, S. 347, 357; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 144; der Sache nach auch Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15, der freilich den Begriff des Unternehmensinteresses nur als „sprachliche Abkürzung“ der mit § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand aufgegebenen Ermessensabwägung anerkennen will und sich für dieses Verständnis des Begriffs auf BGHZ 64, 325, 329 beruft. Präziser ders., ZHR 161 (1997), 215, 217 (mit Hinweis

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nerinteressen, die häufig unter dem Begriff des Gesellschaftsinteresses zusammengefasst werden, auch Arbeitnehmer- und Allgemeininteressen als gleichwertige Abwägungsbelange berücksichtigen. Die jeweilige Konkretisierung des Unternehmensinteresses durch Abwägung dieser gleichwertigen Faktoren im Einzelfall liegt im Ermessen des Vorstands. Die ausufernde Diskussion um das Unternehmensinteresse – eine Diskussion, die nach Einschätzung von Hopt aus heutiger Sicht teilweise an „mittelalterliche Theologie“ erinnert23 – ist nicht Gegenstand dieser Arbeit und kann und soll hier nicht dargestellt werden.24 Entscheidend für die im Rahmen dieser Untersuchung interessierende Fragestellung ist allein die Feststellung, dass nach allen Konzeptionen der Vorstand zumindest berechtigt ist, Nichtaktionärsinteressen bei der Entscheidungsfindung auch und gerade dann zu berücksichtigen, wenn dies zu Lasten der Anteilseigner geht.25 d) Zwischenergebnis Im Gegensatz zu den richterrechtlich entwickelten Grundsätzen des amerikanischen Gesellschaftsrechts, aber in Übereinstimmung mit dem Regelungsansatz der other constituency statutes darf der Vorstand der deutschen Aktiengesellschaft in Fn. 9, die Bedeutung des Begriffs des Gesellschaftsinteresses und sein Verhältnis zum Unternehmensinteresse sei nicht abschließend geklärt): „Seine Verantwortung gebietet [dem Vorstand], dass er das Gesellschaftsinteresse zur Richtschnur seines Handelns macht. In dem Begriff des Gesellschaftsinteresses sind wiederum die Interessen der verschiedenen Beteiligten eingeschlossen; relevant sind hier die Interessen der Kapitalgeber, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit“. Ähnlich auch Goette, FS BGH, S. 123, 127 („nur als Abbreviatur brauchbar“). 23 Hopt, FS Wiedemann, S. 1013, 1019; sinngleich Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 43: „schon fast mehr eine Glaubensfrage“. 24 Vgl. neben den bereits zitierten Quellen aus der älteren Diskussion auch Flume, FS Beitzke, S. 43, 59 ff.; Junge, FS v. Caemmerer, S. 547; Mertens, ZGR 1977, 270, 275 ff.; Martens, ZGR 1979, 493, 514 ff.; Raiser, FS Reimer Schmidt, S. 101; ders., ZHR 144 (1980), 206; Teubner, ZHR 149 (1985), 470; entschieden ablehnend aus dem neueren Schrifttum beispielsweise Zöllner, AG 2000, 145, 146 f.: „Zum Glück ist die Argumentation von der Ausrichtung der Verwaltung auf das Unternehmensinteresse, die schon immer verkehrt war, weil sich das Unternehmensinteresse weder dem Träger noch dem Inhalt nach sinnvoll konkretisieren lässt, durch die Diskussion um den Shareholder Value in einem Maße widerlegt worden, das man sich vor 10 Jahren noch nicht hätte träumen lassen. Richtig ist, dass die Organe der AG dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet sind, wie es sich aus dem Zweck der Gesellschaft ergibt.“; vgl. auch dens., Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 67 ff.; ähnlich schon Rittner, JZ 1980, 113, 117 mit Fn. 56; scharf ablehnend Adams, AG 1990, 243, 246 f.; kritisch auch Fleischer, AG 2001, 171, 177; R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 548. 25 Ähnlich das Fazit von R.H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 546 f.: „[E]ine auschließlich Orientierung an Anteilseignerinteressen würde offenbar eine Grundbedingung fast aller Varianten des Unternehmensinteresses verletzen, nämlich die zunächst gleichgewichtige Einbeziehung aller Belange in die Interessenabwägung.“

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§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht

nach fast einhelliger Auffassung Nichtaktionärsinteressen als eigenständigen Belang um ihrer selbst willen und nicht nur reflexartig berücksichtigen26, wobei Meinungsverschiedenheiten nur hinsichtlich der Frage bestehen, ob diese Kompetenz aus einer Spielart des Unternehmensinteresses abgeleitet oder unmittelbar auf das dem Vorstand in § 76 Abs. 1 AktG eingeräumte Leitungsermessen gestützt wird.

2. Insbesondere: Spenden aus Gesellschaftsmitteln a) Kompetenz des Vorstands Anders als in den USA fehlen im deutschen Gesellschaftsrecht spezielle gesetzliche Regelungen zur Spendenkompetenz der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften. Geht man indes mit der herrschenden Meinung davon aus, dass der Vorstand nach eigenem Ermessen die Interessen von Anteilseignern, Arbeitnehmern und Öffentlichkeit gegeneinander abzuwägen hat, so beinhaltet diese Rolle unproblematisch auch die Kompetenz zur Ausreichung von Unternehmensspenden.27 Diese Befugnis hat in jüngerer Zeit auch der BGH in einer strafrechtlichen Entscheidung zum Untreuetatbestand dem Vorstand ausdrücklich zugesprochen.28 Dabei handelt es sich um einen gewinnunabhängigen Kompetenztitel, der den Vorstand ähnlich den neueren amerikanischen Gesellschaftsgesetzen vom Nachweis zu erwartender oder beabsichtigter Vorteile für die Gesellschaft entbindet und somit zu echter Corporate Social Responsibility ermächtigt. Begründet wird die Befugnis zur Wahrung von Allgemeininteressen für diesen Sonderbereich häufig mit dem Bild des corporate good citizens.29 Danach dürfen Aktiengesellschaften als prominente Akteure im gesellschaftlichen Gesamtgefüge nicht die Augen vor den an sie gerichteten sozialen Erwartungen verschließen; und anders als beim Einzelunternehmer könne diese Aufgabe sachgerecht nicht von den Eigentümern, sondern nur vom Vorstand wahrgenommen werden. 26 Dezidiert anderer Auffassung aber Mülbert, ZGR 1997, 129, 150 Fn. 78, nach dessen Meinung der Vorstand sich auf den Standpunkt stellen muss, Arbeitnehmer- und Allgemeininteressen sei durch strikte Befolgung der Gesetze hinreichend Rechnung getragen, sofern weitergehende Leistungen der Gesellschaft nicht durch das langfristige Gewinnmaximierungsinteresse zu rechtfertigen seien; ders., IStR 1999, 83, 84; ebenso Wackerbarth, WM 2001, 1741, 1744 („außer den Aktionärsinteressen keine anderen Interessen zu wahren“); ähnlich Groh, DB 2000, 2153, 2156 ff.; Wiedemann, Organverantwortung, S. 35 f. 27 Vgl. nur Hüffer, AktG, § 76 Rn. 14; Hopt, Großkomm. z. AktG, 4. Aufl., § 93 Rn. 120; Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 32; ders., AG 2000, 157; ders., FS Goerdeler, S. 349, 360; Kort, Großkomm z. AktG, § 76 Rn. 65; Hefermehl / Spindler, MüKo-AktG, § 76 Rn. 72; Fleischer, AG 2001, 171, 175; Goette, FS BGH, S. 123, 128; Kind, NZG 2000, 567, 568; Laub, AG 2002, 308, 309; H.P. Westermann, ZIP 1990, 771. 28 BGH, AG 2002, 347, 348 = BGHSt 47, 187; siehe dazu die Besprechung von Laub, AG 2002, 308 ff.; obiter dictum zum AktG 1937 bereits in BGHZ 23, 150, 157. 29 Rittner, FS Geßler, S. 139, 152 ff.; Mertens, Kölner Komm z. AktG, § 76 Rn. 32; Fleischer, AG 2001, 171, 175.

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b) Sachgrenzen der Spendenbefugnis Grenzen setzt dem Ermessen des Vorstands nach allgemeiner Meinung – und interessanterweise parallel zur amerikanischen Rechtslage30 – das Gebot der Angemessenheit. Danach muss das Spendenvolumen in einem vernünftigen Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft stehen.31 Ob darüber hinaus feste32, möglicherweise aus steuerrechtlichen Vorschriften abzuleitende 33 Höchstgrenzen gelten und wie das Problem von Interessenkonflikten und „pet charities“ zu behandeln ist34, wird unterschiedlich beurteilt, kann aber für die Zwecke dieses Zwischenbefundes zur Berücksichtigungsfähigkeit von Allgemeininteressen dahinstehen.35 Festzuhalten bleibt, dass das deutsche Aktienrecht konzeptionell auch und gerade für den Bereich unentgeltlicher Zuwendungen aus Gesellschaftsmitteln die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen losgelöst von einem etwaigen Nutzen für Gesellschaft und Gesellschafter erlaubt, mag auch in diesem Bereich ein Nutzen besonders häufig zu erwarten sein.36

3. Der Deutsche Corporate Governance Kodex Keine wesentliche Bewegung in das dargestellte Meinungsbild hat die Verabschiedung des Deutschen Corporate Governance Kodex37 durch die vom Bundesjustizministerium eingesetzte Regierungskommission im Jahr 2002 gebracht. Der Kodex bestätigt anscheinend die herrschende interessenpluralistische Konzeption der Leitungsaufgabe. Nach Ziffer 4.1.1 des Kodex ist der Vorstand bei der Leitung des Unternehmens an das Unternehmensinteresse gebunden; Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohl des Unternehmens eng zusammen (Ziffer 3.1). Mit der Bezugnahme auf das Unternehmensinteresse soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der Vorstand neben dem Gewinnmaximierungsinteresse der Aktionäre auch die Interessen der Mitarbeiter, der Kunden, der Gläubiger und ganz allgemein der Öffentlichkeit berücksichtigen soll.38 Allerdings ist der Vorstand nach 30 Vgl. den in Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398 (Del. Ch. 1969) entwickelten reasonableness-Test für unentgeltliche Zuwendungen. 31 Vgl. nur Fleischer, AG 2001, 171, 177 f.; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm z. AktG, § 76 Rn. 33; so jetzt auch BGH AG 2002, 347, 349; zustimmend Kort, Großkomm z. AktG, § 76 Rn. 67. 32 So Kind, NZG 2000, 567, 570: 1 % des Bilanzgewinns. 33 So Philipp, AG 2000, 62, 65. 34 Vgl. dazu Fleischer, AG 2001, 171, 178 f.; Laub, AG 2002, 308, 312; aus der älteren Literatur schon Rittner, FS Geßler, S. 139, 156. 35 Dazu ausführlich unten S. 210 ff. 36 Zum wirtschaftlichen Nutzen solcher Ausgaben bereits oben S. 30 ff. 37 Abgedruckt in ZIP 2002, 452; NZG 2002, 273. 38 So Ringleb, in: Ringleb / Kremer / Lutter / v. Werder, Kodex-Kommentar, Rn. 422; v. Werder, DB 2002, 801, 804.

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§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht

Ziffer 4.1.1 auch der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswerts verpflichtet.39 Damit öffnet der Kodex ein Stück weit die Tür zu einer stärkeren Verpflichtung des Vorstands zur Berücksichtigung des Aktionärsinteresses an der Steigerung des Anteilswerts,40 ohne freilich grundsätzlich von einem interessenpluralistischen Verständnis der Vorstandsrolle abzurücken.41

II. Zweifel an der herrschenden Meinung zu § 76 Abs. 1 AktG Fraglich ist, ob sich das herrschende Verständnis des § 76 Abs. 1 AktG zwingend aus dem geltenden Aktienrecht oder anderen Rechtsmaterien ergibt. Dazu sollen im folgenden nach einem kurzen Blick auf den Wortlaut von § 76 Abs. 1 AktG die üblicherweise in der deutschen Diskussion gegen eine Verpflichtung des Vorstands allein auf das Aktionärsinteresse vorgebrachten Argumente nacheinander auf ihre Tragfähigkeit untersucht werden. Dabei soll nicht versucht werden, aus der Vielzahl der in den vergangenen Jahrzehnten entwickelten unternehmens- und verbandsrechtlichen Theorien ein Ergebnis abzuleiten42, sondern strikt anhand des Gesetzes geprüft werden, ob dieses die von der überwiegenden Meinung favorisierte Lösung der hier interessierenden Sachfrage eindeutig vorgibt.

1. Der Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG Paragraph 76 Abs. 1 AktG enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage, wessen Interessen der Vorstand bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen darf oder soll. Insbesondere enthält das geltende Gesetz keine Vorschrift nach dem Muster von § 70 AktG 1937, wonach der Vorstand die Gesellschaft so zu leiten hatte, „wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“. Wenn § 76 Abs. 1 AktG heute bestimmt, der Vorstand habe die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten, so lässt diese Formulierung zwanglos zweierlei Deutungsweisen zu, ohne dass die eine plausibler als die andere wäre. Der Gesetzestext kann in der Tat so verstanden werden, dass der Vorstand alle bei der Leitung der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Die besondere Bedeutung von „nachhaltig“ betont Peltzer, Leitfaden, Rn. 38. Vgl. v. Werder, DB 2002, 801, 804: „besondere Stellung“ der Anteilseigner als Träger des unternehmerischen Risikos; Kort, Großkomm. z. AktG, vor § 76 Rn. 44. 41 Ähnlich die Einschätzung von Fleischer, in: Handbuch Corporate Governance, S. 140: „Diese Zielvorgabe bewegt sich weithin in vertrauten Bahnen, deutet den shareholder valueGedanken aber immerhin an.“ 42 Vgl. dazu den Überblick über den Meinungsstand aus jüngerer Zeit bei Mülbert, ZGR 1997, 129, 141 ff. sowie Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 6 ff.; monographisch Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, S. 51 ff.; Großmann, Unternehmensziele, S. 87 ff.; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung der mitbestimmten AG, S. 49 ff. 39 40

II. Zweifel an der herrschenden Meinung zu § 76 Abs. 1 AktG

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Unternehmens betroffenen Interessen nach seinem Ermessen berücksichtigen dürfe. Ebenso gut kann der Satzteil „unter eigener Verantwortung“ aber lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass der Vorstand nicht Weisungsempfänger der Anteilseigner ist43 und in der Wahl der Mittel zur Erreichung des allein maßgeblichen Ziels der Gewinnmaximierung über ein weites Leitungsermessen verfügt.44 2. Die Entstehungsgeschichte des § 76 Abs. 1 AktG Das Aktiengesetz von 1965 hat die in § 70 AktG 193745 enthaltene Zielbestimmung für das Vorstandshandeln nicht übernommen. Dieser Ausgangsbefund erscheint bei unbefangener Betrachtungsweise als ein starkes Indiz gegen die Annahme einer wie auch immer gearteten Weitergeltung der alten Richtlinienbestimmung, denn deutlicher als durch die ersatzlose Streichung einer Rechtsnorm kann ein Gesetzgeber seinen Willen zur Änderung kaum zum Ausdruck bringen.46 Dennoch verstehen manche die Entstehungsgeschichte von § 76 Abs. 1 AktG dahin, dass die alte Gemeinwohlklausel nach dem Willen des Gesetzgebers trotz fehlender Anhaltspunkte im Wortlaut der Sache nach weitergelten sollte47 und können diese Ansicht immerhin auf eine Formulierung in der Regierungsbegründung stützen, wonach die neue Regelung (§ 76 Abs. 1 AktG) dem geltenden Recht (§ 70 AktG 1937) entspreche.48 Bei genauerer Betrachtung lässt sich indes der Entstehungsgeschichte keine eindeutige Antwort auf die Frage nach den maßgeblichen Entscheidungsfaktoren für das Vorstandshandeln entnehmen. Der Referentenentwurf aus dem Jahr 1958 enthielt zunächst noch in § 71 Abs. 1 eine „entnazifizierte“49 und erweiterte Fassung der Gemeinwohlklausel des alten Aktiengesetzes. Danach hatte der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, „wie das Wohl des Unternehmens, seiner Arbeitnehmer und der Aktionäre sowie das Wohl der Allgemeinheit es fordern.“ Im Regierungsentwurf fand sich dagegen keine derartige Gemeinwohlklausel mehr, sondern nur die in § 76 Abs. 1 später auch Gesetz gewordene Formulierung. Aus der Regierungsbegründung lässt sich nicht mit letzter Sicherheit auf den Willen der Verfasser 43 Unstreitig, vgl. nur Hüffer, AktG, § 76 Rn. 10; Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 42. 44 Vgl. Adams, AG 1990, 243, 246; Schön, ZGR 1996, 429, 439. 45 Vgl. zu dessen Entstehungsgeschichte Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 25 ff. 46 Rittner, FS Geßler, S. 139, 142; Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 32. 47 Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 16; ders., NJW 1970, 1718, 1719; Raisch, FS Hefermehl, S. 347, 352 f.; Schilling, FS Geßler, S. 159, 168 f.; Reuter, AcP 179 (1979), 509, 515; Ulmer, Einfluss des Mitbestimmungsgesetzes, S. 34; anders aber neuerdings ders., AcP 202 (2002), 143, 158. 48 Regierungsbegründung bei Kropff, Aktiengesetz, S. 97. 49 So der Abgeordnete Heinemann, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Bd. 47, S. 7655 B.

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§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht

schließen. Zwar folgt auf die bereits wiedergegebene Behauptung von der Kontinuität der Rechtslage zunächst die weitere Einschätzung, dass der Vorstand bei seinen Maßnahmen die Belange der Aktionäre und der Arbeitnehmer zu berücksichtigen habe, verstehe sich von selbst und brauche deshalb nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt zu werden.50 Gleiches gelte für die Belange der Allgemeinheit.51 Im unmittelbar darauffolgenden Satz wird dann aber zur Unterstützung dieser Behauptungen hingewiesen auf die in § 396 AktG vorgesehene Möglichkeit der Auflösung von Gesellschaften, die das Gemeinwohl gefährden. Diese Möglichkeit greift indes – wie die Begründung selbst bemerkt, ohne freilich die damit verbundene argumentative Unstimmigkeit auszuräumen – nur bei gesetzwidrigem Verhalten. Für die Frage, ob der Vorstand die angeführten Nichtaktionärsinteressen auch über die Befolgung der gesetzlichen Vorschriften hinaus berücksichtigen darf, gibt der Hinweis auf § 396 AktG nichts her.52 Und der Behauptung, die Bindung an Gemeinwohlinteressen verstehe sich von selbst, widerspricht schon die Tatsache, dass neben dem Gesetzgeber des AktG 1937 auch die sach- und rechtskundigen Referenten im Jahr 1958 es noch für nötig befunden hatten, eine ausdrückliche Regelung der Frage vorzusehen.53 Noch undeutlicher wird das Bild, wenn man sich den Äußerungen der eigentlichen Gesetzgeber, der Parlamentarier im Rechtsausschuss und im Plenum des Bundestags, zuwendet. Zunächst ist zu beachten, dass sich die verfügbaren und im Folgenden wiedergegebenen Äußerungen auf eine ganz andere Vorschrift als den heutigen § 76 Abs. 1 AktG beziehen.54 Gegenstand der parlamentarischen Beratungen war der Antrag, dem Aktiengesetz einen § 72a bzw. 75a beizufügen, wonach „die Gesellschaft das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls seiner Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit zu betreiben“ habe.55 Damit hatte der Adressat der möglichen Verpflichtung gewechselt; beraten wurde nicht über eine gesellschaftsinterne Richtlinienbestimmung für den Vorstand nach dem Muster von § 70 AktG 1937, sondern über eine Verhaltensmaxime des Unternehmensaußenrechts.56 Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht, der historische Gesetzgeber habe sich „mit keinem Wort“57 zu § 76 Abs. 1 AktG geäußert, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Regierungsbegründung bei Kropff, Aktiengesetz, S. 97. Regierungsbegründung bei Kropff, Aktiengesetz, S. 97. 52 Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 34. 53 Wiedemann, Organverantwortung, S. 31, bezeichnet die ersatzlose Streichung der Unternehmenszielbestimmung und die dadurch hervorgerufene Interpretationslücke wohl zu Recht als „miserablen Gesetzgebungsstil“. 54 So der Haupteinwand von Rittner, FS Geßler, S. 139, 142 f.; ihm folgend Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 33 f. 55 Ausschussbericht bei Kropff, Aktiengesetz, S. 97 (Hervorhebung nicht im Original). 56 Rittner, FS Geßler, S. 139, 143; Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 33 f. 57 So Rittner, FS Geßler, S. 139, 143. 50 51

II. Zweifel an der herrschenden Meinung zu § 76 Abs. 1 AktG

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Zwar lässt sich dieser Einwand möglicherweise noch mit der Erwägung entkräften, dass die vorgeschlagene Verhaltensmaxime praktisch in erster Linie für das Leitungsverhalten des Vorstands relevant geworden wäre und daher den ablehnenden Äußerungen der Ausschussmehrheit durchaus Bedeutung für die Frage nach den Zielvorgaben für das Vorstandshandeln beizumessen sei.58 Immerhin mag man Parlamentariern zugestehen, dass die Frage der dogmatischen Verortung einer Regelung bei dem Ringen um den gewünschten praktischen Effekt oft in den Hintergrund treten muss. Aber auch wenn man es mit dieser Begründung für statthaft hält, die verfügbaren parlamentarischen Äußerungen zu § 72a / 75a inhaltlich zur Auslegung von § 76 Abs. 1 AktG heranzuziehen, lässt sich daraus eine klare Aussage über den Willen des historischen Gesetzgebers nicht gewinnen. So verweist der Ausschussbericht wie schon die Regierungsbegründung auf § 396 AktG als Beleg dafür, dass die Aktiengesellschaft sich in die Gesamtwirtschaft und in die Interessen der Allgemeinheit einfügen müsse59, obwohl dieser ein gesetzwidriges Verhalten der Verwaltungsträger erfordert, wohingegen es bei § 72a / 75a ja gerade um die Frage nach sozialer Rücksichtnahme jenseits des bloßen Gesetzesgehorsams ging.60 Neben dem verfehlten Verweis auf § 396 AktG findet sich im Ausschussbericht ein ebenso zweideutiger Hinweis auf geltende Arbeitnehmerschutzvorschriften wie das Kündigungsschutzgesetz oder das Betriebsverfassungsgesetz: Dass die Gesellschaften auch das Wohl ihrer Arbeitnehmer zu beachten hätten, sei in einem sozialen Rechtsstaat selbstverständlich und ergebe sich im übrigen aus einer Vielzahl von Rechtsvorschriften, die die Ausgestaltung dieses Grundsatzes im einzelnen näher regelten.61 Wenn aber nach Meinung der Ausschussmehrheit der Gesetzgeber die Ausgestaltung des Arbeitnehmerschutzes im Einzelfall geregelt hat, so wirft diese Aussage doch erhebliche Zweifel auf die Annahme, der Vorstand habe nach dem Willen des historischen Gesetzgebers die Aufgabe, derartige Interessen nach seinem eigenen Ermessen über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus zu berücksichtigen. Gegen ein solches Verständnis spricht auch die Einschätzung der Ausschussmehrheit, die beantragte Vorschrift habe keine rechtliche Substanz und keine selbständige Bedeutung.62 Ähnlich unklar sind die verfügbaren Äußerungen aus der Plenardebatte um § 72a: Der Abgeordnete Dr. Reischl (SPD) sah die Gefahr, dass die Gerichte aus der ersatzlosen Streichung von § 70 AktG 1937 falsche Schlüsse ziehen würden63, während sein Kollege Dr. Wilhelmi (CDU) die Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsinteressen für selbstverständlich hielt.64 Der Abgeordnete Dr. Aschoff schließ58 59 60 61 62 63 64

So Mülbert, ZGR 1997, 129, 148. Ausschussbericht bei Kropff, Aktiengesetz, S. 98. Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 34. Ausschussbericht bei Kropff, Aktiengesetz, S. 98 (Hervorhebung nicht im Original). Ausschussbericht bei Kropff, Aktiengesetz, S. 98; vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129, 148. Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 184. Sitzung, S. 9217 C. Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 184. Sitzung, S. 9218 B.

9 Empt

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§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht

lich begründete die ablehnende Haltung der FDP-Fraktion mit dem Hinweis auf die bereits im Grundgesetz geregelte Sozialpflichtigkeit des Eigentums.65 Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die Entstehungsgeschichte der heutigen Regelung keine eindeutige Antwort auf die Frage nach den Intentionen des Gesetzgebers liefert.66 Unabhängig davon stellt sich die Frage nach der Tragfähigkeit und Verbindlichkeit einer historischen Argumentation, nachdem fast 40 Jahre seit der Aktienrechtsreform 1965 verstrichen sind.67 Insbesondere die durch die Reform des Umwandlungsrechts im Jahr 1994 geschaffene Möglichkeit, Aktiengesellschaften identitätswahrend in Gesellschaften anderer Rechtsformen umzuwandeln68, sowie die gesetzliche Erleichterung einer am Shareholder-Value-Grundsatz orientierten Unternehmensführung durch das KonTraG im Jahre 199869 lassen eine Argumentation mit dem Willen des Gesetzgebers zweifelhaft erscheinen. Wer dem Vorstand nach geltendem Recht ein Ermessen zur Berücksichtigung anderer Interessen neben denen der Anteilseigner zusprechen will, muss daher nach anderen Begründungsansätzen suchen.70

3. Systematische Erwägungen Fraglich ist, ob der systematische Zusammenhang des AktG mit anderen Rechtsmaterien ein interessenpluralistisches Verständnis der Leitungsaufgabe des Vorstands fordert.

Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 184. Sitzung, S. 9218 C. Gegen Fortgeltung von § 70 AktG 1937 der Sache oder dem Rechtsgedanken nach neben Rittner, Schmidt-Leithoff und Mülbert, jeweils a. a. O., auch Teichmann, ZHR 136 (1972),166, 169; Hefermehl, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, § 76 Rn. 19 f.; Hefermehl / Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 54; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung der mitbestimmten AG, S. 72 ff.; ders., Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 46 ff.; Geßler, FS Reinhardt, S. 237, 242; Harry Westermann, FS Reinhardt, S. 359, 365; Wiedemann, ZGR 1975, 385, 425 f.; ders., ZGR 1980, 147, 161 f.; Fleischer, AG 2001, 171, 175; Zöllner, AG 2003, 2, 7. 67 Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158. 68 Mülbert, ZGR 1997, 129, 148 f.: Diese Möglichkeit vertrage sich schlecht mit der Annahme eines „aktienrechtsspezifischen Unternehmensziels“. 69 Groh DB 2000, 2153, 2157. 70 Pointiert Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung der mitbestimmten AG, S. 75: „ ,Nichts‘ kann bei zusammenfassender Betrachtung mithin nur die Antwort auf die Frage lauten, was § 70 AktG 1937 für die Bestimmung der Rechtsstellung von Vorstand und Aufsichtsrat nach dem AktG 1965 hergibt.“ 65 66

II. Zweifel an der herrschenden Meinung zu § 76 Abs. 1 AktG

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a) Ausschluss einer monistischen Zielkonzeption durch das MitbestG 1976? Manche erblicken in der Existenz des MitbestG 1976 eine verbindliche gesetzgeberische Wertung auch für die Auslegung des § 76 Abs. 1 AktG, die einem interessenmonistischen Verständnis der Vorstandsrolle de lege lata entgegenstehe.71 „Mit einer Unternehmensverfassung, die als Organ der Aktiengesellschaft einen quasiparitätisch mitbestimmten Aufsichtsrat kennt“, ist nach dieser Ansicht „eine reine Lehre, die ausschließlich auf die (wohlverstandenen) Aktionärsinteressen abhebt, nur schwer vereinbar“72. Dieser Ansatz begegnet jedoch in mehrfacher Hinsicht Bedenken.73 aa) Beschränkte Anwendbarkeit der unternehmerischen Mitbestimmung Zunächst einmal ist festzuhalten, dass für nach dem 10. August 1994 eingetragene Aktiengesellschaften mit immerhin bis zu 500 Arbeitnehmern überhaupt keine unternehmerische Mitbestimmung mehr vorgeschrieben ist74 und die von den Vertretern der hier kritisierten Ansicht angeführte quasiparitätische Mitbestimmung nach dem MitbestG 1976 erst ab einer Arbeitnehmerzahl von 2000 greift75. Die Frage nach einer aktienrechtlichen Bindung des Vorstandshandelns auf das Interesse der Anteilseigner stellt sich aber für alle Aktiengesellschaften unabhängig von der jeweiligen Anwendbarkeit der Regeln über die unternehmerische Mitbestimmung. Einem gesetzgeberischen Konzept, dessen möglicher Einfluss auf die Vorstandspflichten schon in seinem eigentlichen Anwendungsbereich unklar ist [dazu sogleich unter cc)] und das nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers für Aktiengesellschaften mit bis zu 500 Arbeitnehmern gar nicht und für solche mit bis zu 2000 Arbeitnehmern nur abgeschwächt76 anwendbar ist, wird man kaum eine wie auch immer geartete „Ausstrahlungswirkung“ auf das gesamte Aktienrecht zusprechen dürfen. Jedenfalls für die nicht mitbestimmungspflichtige Aktiengesellschaft geht die Argumentation mit dem MitbestG 1976 daher ins Leere. Ob § 76 Abs. 1 AktG als eine Zentralnorm des Aktienrechts je nach Anwendbarkeit von Mitbestimmungsregeln unterschiedlich ausgelegt werden sollte, erscheint mehr als fragwürdig. Damit aber rückt die gesamte Argumentation mit dem MitbestG 1976 als verbindlicher gesetzgeberischer Wertung in ein zweifelhaftes Licht. 71 Hopt, ZGR 1993, 534, 536; U.H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1772; Semler, Leitung, S. 32 Fn. 85 a.E; Reuter, AcP 179 (1979), 509, 510 ff. 72 So Hopt, ZGR 1993, 534, 536. 73 Ebenso in jüngerer Zeit auch Mülbert, ZGR 1997, 129, 150 ff.; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158; vgl. auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 36 f. 74 § 76 Abs. 6 BetrVG 1952. 75 § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG. 76 Drittelparität, § 76 Abs. 1 BetrVG 1952.

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§ 4 Das Leitungsermessen des Vorstands im deutschen Aktienrecht

bb) Beschränkung der Mitbestimmung auf den Schutz von Arbeitnehmerinteressen Die unternehmerische Mitbestimmung regelt mit der Vertretung von Arbeitnehmern in den Aufsichtsräten nur die Rechte von einer Teilgruppe der „stakeholders“, deren Interessen Vorstände nach der interessenpluralistischen Konzeption berücksichtigen dürfen oder sollen. Sie erfasst damit nur einen Teilaspekt des Problems. Für die Frage, ob der Vorstand nach geltendem Recht auch die Belange der Allgemeinheit, des Umweltschutzes oder der Gläubiger wahren darf, lässt sich aus dem Verweis auf das MitbestG 1976 daher nichts herleiten. Die Existenz der unternehmerischen Mitbestimmung könnte allenfalls zur Begründung einer interessendualistischen Vorstandsrolle dienen, vermag aber die von der herrschenden Meinung zu § 76 Abs. 1 AktG favorisierte interessenpluralistische Konzeption nicht zu stützen.77

cc) Die Mitbestimmung als Organisationsregelung Das MitbestG 1976 enthält keine Regelung der materiellen Zielbestimmung des Vorstandshandelns, sondern beschränkt sich auf die organisationsrechtliche Anordnung der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat. Eine daraus folgende, für die Auslegung des § 76 Abs. 1 AktG verbindliche Verpflichtung des Vorstands auf Arbeitnehmerinteressen mag man mit unternehmensrechtlichen Theorien begründen können78, zwingend aus dem Gesetz ergibt sie sich jedoch nicht.79 Der Gesetzgeber hat die Mitbestimmung im Aufsichtsrat installiert und nicht im Vorstand als dem Organ, das die Unternehmenspolitik definiert und die Managementfunktion wahrnimmt.80 Dieser Ausgangsbefund erhöht zunächst einmal die Begründungslast für diejenigen, die aus der Existenz der Mitbestimmung Konsequenzen für die Handlungsgrundsätze des Vorstands ableiten wollen. Aber auch wenn man mit der überwiegenden Auffassung wegen der aktienrechtlichen Verflechtung von Entscheidungskompetenzen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand (vgl. §§ 58 Abs. 2, 172 Satz 1, 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) von einer einheitlichen Zielvorgabe für beide Organe ausgeht81, folgt daraus nicht zwingend eine VerVgl. Ulmer, Einfluss des Mitbestimmungsgesetzes, S. 37 f. Vgl. die ausführliche Diskussion bei Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung der mitbestimmten AG, S. 109 ff., 117 ff.; Großmann, Unternehmensziele, S. 223 ff.; Jürgenmeyer, Unternehmensinteresse, S. 67 ff. 79 Allein die mit erheblichem theoretischen Aufwand geführte langjährige Diskussion fachkundiger Autoren über die Auswirkungen der unternehmerischen Mitbestimmung auf die Unternehmenszielbestimmung sollte ein starkes Indiz dafür sein, dass nichts in diesem Bereich eindeutig vom Gesetz vorgegeben ist. 80 Darauf weist in diesem Zusammenhang hin Ulmer, Einfluss des Mitbestimmungsgesetzes, S. 37. 77 78

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pflichtung des Vorstands auch auf das Arbeitnehmerinteresse, da eine solche Bindung schon für den Aufsichtsrat nicht eindeutig feststellbar ist. Zwar strebt die unternehmerische Mitbestimmung nach Feststellung des BVerfG eine „Kooperation und Integration“ zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern an, „die eine Berücksichtigung auch anderer als der unmittelbaren eigenen Interessen“ erfordere.82 Eine solche Rücksichtnahme wird aber durch die mitbestimmungsrechtlichen Organisationsregeln und dem daraus resultierenden faktischen Druck zur Kompromissbereitschaft nur „angestrebt“ und ergibt sich eben nicht schon aus einer materiellen Verpflichtung des Aufsichtsrats.83 Das MitbestG schafft Verfahrensregeln, die den Belangen der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (und damit mittelbar auch im Vorstand) de facto größeres Gewicht verschaffen.84 Auf eine Abkehr von dem Primat des Aktionärsinteresses lässt sich daraus jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit schließen. Immerhin hat der Gesetzgeber durch das leichte prozedurale Übergewicht der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat (§§ 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG) von einer organisationsrechtlichen Gleichberechtigung von Anteilseignern und Arbeitnehmern gerade abgesehen und ermöglicht so theoretisch nach wie vor eine einseitige Durchsetzung allein der Anteilseignerinteressen, mag eine solche Politik auch sozial unerwünscht sein und den Erwartungen des Gesetzgebers widersprechen.85 Das MitbestG 1976 gibt keine definitive Antwort auf die Frage, ob der Vorstand in dem ihm verbleibenden Freiraum – wie eingeschränkt auch immer dieser durch zwingende Rechtsvorschriften sein mag – nach seinem Ermessen Nichtaktionärsinteressen auch dann berücksichtigen darf, wenn dies nicht wenigstens mittelbar zumindest auch den Interessen der Anteilseigner dient. Wortlaut und Systematik des MitbestG lassen durchaus eine Lesart zu, wonach die unternehmerische Mitbestimmung den Arbeitnehmern lediglich den Einfluss darauf sichern soll, dass bei der Verfolgung des nach wie vor allein maßgeblichen Ziels der Profitmaximierung für die Anteilseigner die Interessen der Arbeitnehmer zur größtmöglichen Entfaltung gelangen können. Das Argument, die Verpflichtung (und das Recht) des Vorstands zur Rücksichtnahme auf Arbeitnehmerbelange beschränke sich auf die Befolgung der materiellrechtlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften sowie die Beach81 Vgl. nur Mülbert, ZGR 1997, 129, 142; Großmann, Unternehmensziele, S. 221 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 44 f. 82 BVerfGE 50, 290, 350. 83 So das Argument von Mülbert, ZGR 1997, 129, 154; ihm folgend Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 50 ff.; ähnlich Großmann, Unternehmensziele, S. 236. 84 Ulmer, Einfluss des Mitbestimmungsgesetzes, S. 36; ders., AcP 202 (2002), 143, 158; ähnlich Rittner, JZ 1980, 113, 117; vgl. die Regierungsbegründung, BT-Drucksache VII / 2172, S. 17. 85 Mülbert, ZGR 1997, 129, 153; vgl. BVerfGE 50, 290, 329: „Zwar ist das Mitbestimmungsgesetz auf Kooperation angelegt; es sucht loyale Zusammenarbeit zu ermöglichen und anzuregen, ohne jedoch sicher sein zu können, dass sie sich in den Unternehmen tatsächlich einstellt.“; vgl. auch Großmann, Unternehmensziele, S. 176.

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tung der organisationsrechtlichen Beteiligungsrechte und den sich daraus ergebenden faktischen Zwängen, ist bislang nicht widerlegt.86

b) Ausschluss einer monistischen Zielkonzeption aus verfassungsrechtlichen Gründen? Bisweilen wird versucht, das herrschende interessenpluralistische Verständnis der Vorstandsrolle mit verfassungsrechtlichen Erwägungen zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums oder dem Sozialstaatsprinzip zu begründen.87 Indes begegnet diese Argumentation zu vielen Bedenken, als dass sie zweifelsfrei den Schluss zuließe, das Grundgesetz fordere ein solches Verständnis der Leitungsaufgabe.88 Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt auch das Anteilseigentum.89 Dessen Inhalt und Schranken bestimmt nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG der Gesetzgeber durch einfachgesetzliche Regelungen, wobei er den in Art. 14 Abs. 2 GG normierten Grundsatz der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu beachten hat90. Diesem Regelungsauftrag ist der Gesetzgeber nachgekommen und hat dabei den Interessen anderer Bezugsgruppen durch Regelungskomplexe wie dem Arbeits-, Umwelt- und Insolvenzrecht oder der unternehmerischen Mitbestimmung in weitreichender Weise Rechnung getragen. Damit hat er die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gesetzlich konkretisiert. Wer eine weitergehende Verpflichtung des Vorstands zur Wahrung von Nichtaktionärsinteressen als Ausfluss der Sozialpflichtigkeit des Eigentums fordert, muss sich zunächst mit dem Einwand auseinandersetzen, eine solche Verpflichtung müsste sich wenn an die Aktiengesellschaft als solche und nicht lediglich an ihre Leitungsorgane richten91 sowie konsequenterweise rechtsformunabhängig alle Unternehmensträger erfassen92. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich Art. 14 Vgl. Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158. Vgl. Baas, Leitungsmacht und Gemeinwohlbindung der AG, S. 79 ff.; Rittner, FS Geßler, S. 139, 146 ff.; ders., JZ 1980, 114 ff.; Hefermehl, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff, AktG, § 76 Rn. 21; Hefermehl / Spindler, in: MüKo-AktG, § 76 Rn. 56; Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 32; Würdinger, Aktienrecht, S. 123; ausführlich SchmidtLeithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 155 ff. 88 Ablehnend auch Großmann, Unternehmensziele, S. 120 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 149 f.; Vorderwülbecke, BB 1989, 505, 506 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 53 ff.; zweifelnd Fleischer, AG 2001, 171, 175; H.P. Westermann, ZIP 1990, 771, 773. 89 BVerfGE 14, 263, 276 ff.; 25, 371, 407; 50, 290, 341 ff.; 100, 289; aus der neueren Rechtsprechung BVerfG, DNotZ 2000, 866 mit Besprechung Fleischer; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 193; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 145. 90 Vgl. BVerfGE 21, 73, 83; 25, 112, 117: „verbindliche Richtschnur“. 91 Mülbert, ZGR 1997, 129, 150; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 157 f. 92 So in der Tat Rittner, FS Geßler, S. 139, 146; ders. JZ 1980, 113, 115; Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 157. 86 87

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Abs. 2 GG überhaupt unmittelbar an den Eigentümer wendet. Nach verbreiteter Auffassung enthält Art. 14 Abs. 2 GG lediglich einen Auftrag an den Gesetzgeber, bei der ihm obliegenden Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums die Interessen Dritter und der Allgemeinheit zu beachten und dem Eigentümer die zur Herstellung der Sozialverträglichkeit gebotenen Schranken zu setzen.93 Für diese Ansicht sprechen sowohl der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes94 als auch die Erwägung, dass sich aus Art. 14 Abs. 2 GG kaum spezielle Verhaltenspflichten für den Einzelfall ableiten lassen95 und eine weitergehende Interpretation damit nicht nur unpraktikabel wäre, sondern auch mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz in Konflikt käme. Selbst wenn man diese Schwierigkeiten für überwindlich hält, so lässt sich doch nicht begründen, dass und warum die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (oder gar das Sozialstaatsprinzip 96) die Wahrung von Allgemeininteressen durch den Vorstand der Aktiengesellschaft zwingend gebiete. So wenig wie das Grundgesetz eine bestimmte Wirtschaftsordnung überhaupt vorschreibt97, kann es die Regelung einer Einzelfrage des Wirtschaftsrechts diktieren. Ob die Leitungsorgane von Aktiengesellschaften ihr Handeln ausschließlich an den Interessen der Anteilseigner orientieren und Nichtaktionärsinteressen besser durch Regelungskomplexe außerhalb des Gesellschaftsrechts verfolgt werden sollten, ist eine in erster Linie auf der Ebene des einfachen Rechts angesiedelt Sachfrage, deren Diskussion sich nicht mit dem Hinweis auf vage verfassungsrechtliche Prinzipien vermeiden lässt (und bei deren Lösung dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsfreiraum zukommt98). Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber einerseits seinem Konkretisierungsauftrag hinsichtlich der Sozialpflichtigkeit des Eigentums bereits 93 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 298 f.; Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 50; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 206; Gassner, NVwZ 1982, 165, 167; Vorderwülbecke, BB 1989, 505, 507; H. Westermann, Freundesgabe Vits, S. 251, 264; a.A. aber Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art 14 Rn. 69; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 82. 94 So Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 299; für die hier zu untersuchende Fragestellung Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 54. 95 So Vorderwülbecke, BB 1989, 505, 507; H. Westermann, Freundesgabe Vits, S. 251, 264; pointiert Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, S. 16: „Je nach politischer und weltanschaulicher Sicht lässt sich bei fast jedem ,sozialen‘ Belang darüber streiten, ob er gemeinwohlrelevant ist und ob, inwieweit und wie er geschützt werden soll.“ (Hervorhebung im Original). 96 Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedarf das Sozialstaatsprinzip wegen seiner hohen Unbestimmtheit in besonderem Maße der Konkretisierung durch den Gesetzgeber, dem dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, vgl. BVerfGE 65, 182, 193; 71, 66, 80; 70, 278, 288; zu den verschiedenen Elementen des Sozialstaatprinzips siehe Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 36 ff. 97 Vgl. BVerfGE 4, 7; 50, 290, 337 ff. 98 Vgl. zum Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers im Bereich des Wirtschaftsrechts BVerfGE 7, 377, 400; 25, 1, 19 f.; 30, 292, 317 ff.; 50, 290, 338.

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in weitreichender Form nachgekommen ist und andererseits keineswegs klar ist, ob nicht dem Gemeinwohl mit einer strikten Bindung der Leitungsorgane an das Aktionärsinteresse am besten gedient wäre.99

4. Das Selbstverständnis der Unternehmensleitungen Nur schwer in die gewohnten Kategorien juristischer Argumentation einordnen lässt sich schließlich der bisweilen erhobene Einwand, ein interessenmonistisches Gewinnziel entspreche weder dem Selbstverständnis der Unternehmensleitungen noch deren Darstellung nach außen100 und sei heute „schlichtweg illusorisch“101. Methodisch handelt es sich dabei um einen fragwürdigen Schluss von den tatsächlichen Verhältnissen auf die rechtlichen Vorgaben102, der ein Sachargument nicht zu ersetzen, sondern allenfalls zu stützen vermag. Aber auch sachlich kann dieser Einwand nicht überzeugen. Zum einen zeigt das Beispiel der USA, dass auch in einer modernen Volkswirtschaft mit sehr großen Aktiengesellschaften die Rechtsordnung konzeptionell an einer Bindung des Managements allein an das Aktionärsinteresse festhalten kann, ohne dass dadurch unüberwindliche Schwierigkeiten entstünden. Zum anderen lautet die Alternative ja keineswegs „soziale Verantwortung oder ökonomisches Gangstertum“103. Vielmehr hat jede Rechtsordnung die bereits angesprochene Möglichkeit, die anerkennenswerten Interessen anderer Bezugsgruppen der Aktiengesellschaft durch zwingende Bedingungen des Arbeits-, Umwelt-, und Verbraucherschutzrechts zu schützen und so dem Wirtschaftsleben sozial verträgliche Rahmenbedingungen zu setzen (dazu ausführlicher im nächsten Abschnitt).104

5. Ergebnis Ziel dieses Untersuchungsschrittes war es, das herrschende Verständnis der Vorstandsaufgabe als de lege lata keineswegs zwingend darzustellen und damit zugleich die theoretische Vereinbarkeit einer monistischen Zielkonzeption mit dem geltendem Recht aufzuzeigen. Die Argumentation zielte nicht darauf ab, die überwiegende Ansicht zu widerlegen oder gar eine Bindung des Vorstandshandelns allein an das Aktionärsinteresse aus angeblich zwingenden Wertungen unserer 99 Letzterer Gedanke klingt an bei Vorderwülbecke, BB 1989, 505, 507; dazu ausführlich unten S. 139 ff. 100 So Hopt, ZGR 1993, 534, 540. 101 So Mertens, in Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 11; ähnlich ders., FS Goerdeler, S. 349, 356: „heute nicht mehr denkbar“. 102 Mülbert, ZGR 1997, 129, 170 Fn. 140. 103 Wiedemann, ZGR 1980, 147, 164. 104 Wiedemann, ZGR 1980, 147, 164; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158.

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Rechtsordnung ableiten zu wollen. Weder das eine noch das andere dürfte möglich sein. Wie Adolf Großmann am Ende seiner umfangreichen Untersuchung zu den Unternehmenszielen im Aktienrecht einräumen musste, ermöglicht das Aktiengesetz in diesem Bereich nicht die Deduktion einer Lösung durch rein logische Operation.105 Die Untersuchung hat ergeben, dass das herrschende Verständnis der Vorstandsrolle als Wahrer einer Vielzahl gleichberechtigter Interessen weder durch aktien-, mitbestimmungs- oder verfassungsrechtliche Regelungen noch aus sonstigen Gründen zwingend vorgegeben ist.106 In prozessualen Kategorien gesprochen, ist es zumindest gelungen, Zweifel an der herkömmlichen Auffassung glaubhaft zu machen. Das genügt für die Zwecke dieses Untersuchungsschritts. Denn damit steht die überwiegende Meinung auf zu schwachen Füssen, um de lege lata von der Auseinandersetzung mit einer Reihe von – größtenteils rechtsökonomischen – Argumenten zu entbinden, die im deutschen Schrifttum bisher nicht im Mittelpunkt der Diskussion standen. Diese Auseinandersetzung soll Gegenstand des folgenden Abschnitts sein.

105 Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht, S. 259; ebenso für das amerikanische Recht das dieser Untersuchung vorangestellte Fazit von Allen, 14 Cardozo L. Rev. 261, 280 f. (1992). 106 Vgl. die Feststellung von Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 159, das geltende Aktienrecht sei offen sowohl für ein Shareholder-Value- als auch für ein Stakeholder-Modell; gleichsinnig die Einschätzung von Henn, Handbuch des Aktienrechts, § 18 Rn. 570, durch die Generalklausel des § 76 Abs. 1 AktG stünden „alle Türen offen“ für die Interpretation durch Literatur und Rechtsprechung; deutlich Groh, DB 2000, 2153, 2158: „Rechtliche Hindernisse gegen eine gewinnmaximierende Unternehmensführung bestehen nicht.“; ebenso Mülbert IStR 1999, 83, 84: „nicht . . . geltendes Recht, sondern allenfalls . . . rechtspolitisches Desiderat.“

§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände I. Das „Privileg“ der Haftungsbeschränkung Gegen die ausschließliche Verpflichtung des Managements auf das Aktionärsinteresse wird bisweilen vorgebracht, als Gegenleistung für die staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit könne das Gemeinwesen von der Aktiengesellschaft die Berücksichtigung auch von sozialen Belangen verlangen.1 Überzeugend begründen lässt sich eine interessenpluralistische Konzeption der Leitungsaufgabe damit jedoch nicht.2 Unter dem geltenden System der Normativbestimmungen steht die Rechtsform der Kapitalgesellschaft jedermann offen, der die formellen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Gesellschaftsgründung erfüllt, ohne dass es noch einer besonderen staatlichen Erlaubnis bedürfte.3 Die Verleihung der Rechtsfähigkeit und die damit einhergehende Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen sind heute keine besonderen staatlichen Privilegien mehr. Nutznießer der Haftungsbeschränkung sind nur auf den ersten Blick allein die Anteilseigner.4 Denn nach ganz herrschender Meinung führt die Begrenzung der Haftung jedenfalls bei Publikumsgesellschaften 5 aus einer Reihe von Gründen zu einer Steigerung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstands6: Erstens verringert sie das Bedürfnis nach Überwachung des Managements durch die Gesellschafter und senkt dadurch die Kontrollkosten des Aktieninvestments. Zweitens entbindet sie den einzelnen Aktionär von der Notwendigkeit der Überwachung seiner Mitgesellschafter, da deren Vermögensverhältnisse keinen Einfluss auf das Haftungsrisiko haben. Drittens begünstigt die fehlende persönliche Haftung die Übertragbarkeit 1 Vgl. etwa Green, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1409, 1414 f. (1993); Solomon / Collins, 12 J. Corp. L. 331, 337 ff. (1987). 2 So auch Fleischer, AG 2001, 171, 174. 3 Vgl. dazu etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 II 5, S. 192 ff. 4 Hovenkamp, Enterprise and American Law, S. 54: „[I]f limited liability were a subsidy, it would not be difficult to identify the subsidizing class. But it is. The wealth transfer, if there was one, certainly did not come from the corporation’s consumers, for limited liability reduces the corporation’s costs.“ 5 Zu anderen Fallgestaltungen Fleischer, ZGR 2001, 1, 17 ff. 6 Easterbrook / Fischel, S. 41 ff.; Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1429 f. (1993); komprimierter Überblick mit Nachweisen aus dem deutschen Schrifttum bei Fleischer, ZGR 2001, 1, 16 f.; vgl. auch Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 47 ff.; Lehmann, ZGR 1986, 345, 349 ff.; Roth, ZGR 1993, 170, 177 ff.

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der Anteile und schafft dadurch die Möglichkeit, das Management über den Börsenkurs zu kontrollieren. Viertens führt die Haftungsbeschränkung zu einem einheitlichen Preis für alle Anteile der Gesellschaft und erleichtert so die Berücksichtigung zusätzlicher Informationen über das Unternehmen durch den Aktienmarkt. Fünftens erlaubt sie den Anlegern eine risikominimierende Diversifizierung ihres Portfolios. Sechstens schließlich erhöht die Haftungsbeschränkung durch die Möglichkeit der Diversifizierung auf der Ebene der Anteilseigner die Wahrscheinlichkeit gesamtwohlfahrtsoptimierender Investitionsentscheidungen durch das Management, da es für diversifizierte Anleger allein darauf ankommt, ob der Gesamtwert eines Projekts positiv ist.7

II. Die Anteilseigner als wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft Eines der ältesten und auf den ersten Blick einfachsten Argumente für die Annahme einer ausschließlichen Pflichtenbindung des Managements auf das Interesse der Anteilseigner ist deren Stellung als (wirtschaftliche) „Eigentümer“ der Gesellschaft.8 Erwerbswirtschaftlich tätige Kapitalgesellschaften entstehen, weil eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen mit bestimmten Fähigkeiten, Ideen oder Mitteln zu dem Schluss gelangen, dass sie eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit in dieser ihnen von der Rechtsordnung angebotenen Organisationsform am zweckmäßigsten verfolgen können, mag dieser Ursprung auch bei großen und etablierten Publikumsgesellschaften mit ihren Millionen anonymer Aktionäre in der Rechtswirklichkeit nicht immer sofort ins Auge springen.9 Zwar bedürfen die Gesellschafter bei der Gründung eines staatlichen Rechtsakts zur Verleihung der Rechtsfähigkeit und sind für den späteren Unternehmenserfolg auf die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen angewiesen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Existenz der typischen Aktiengesellschaft stets die Folge der rein eigennützigen Entscheidung ihrer Gründer ist, ihr Kapital in dieser Form (und nicht anders oder gar nicht) zu investieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es bei unbefangener Betrachtung fast selbstverständlich, Manager als die Verwalter der in der Gesellschaft gebundenen Gesellschaftermittel zu verpflichten, ihr Handeln ausschließlich am Interesse der Anteilseigner auszurichten, damit letztere (oder ihre Rechtsnachfolger) nach Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen in den verdienten Genuss sämtlicher Früchte ihrer Privatinitiative Vgl. dazu die Beispiele unten S. 150 ff. Vgl. etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, S. 339 sowie die Regierungsbegründung zum AktG 1965 bei Kropff, Aktiengesetz, S. 3. 9 Auf die Tatsache, dass Unternehmen durch die Anleger ins Leben gerufen werden, weist auch hin Zöllner, AG 2003, 2, 10; deutlich Wiedemann, Organverantwortung, S. 33: „Die Aktionäre sind Herren der Gründung, Änderung und der Auflösung der Gesellschaft; dafür schulden sie niemandem Rechenschaft.“ 7 8

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

und der dadurch geschaffenen Organisation kommen. Intuitiv ist man geneigt, dieses Ergebnis eines Wertungsprozesses mit dem Hinweis auf das angebliche „Eigentum“ der Gesellschafter an der Gesellschaft abzustützen. Diese Überlegungen treffen einen richtigen Kern, bedürfen aber im Lichte moderner mikroökonomischer Erkenntnisse der Präzisierung und näheren Begründung.

1. Das verfassungsrechtliche Anteilseigentum Wenig hilfreich ist der Verweis auf die verfassungsrechtliche Eigentümerstellung der Aktionäre. Zwar ist das Anteilseigentum der Aktionäre Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und genießt den Schutz der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie.10 Für die Antwort auf die Frage, ob der Vorstand sein Handeln ausschließlich am Aktionärsinteresse auszurichten hat, lässt sich daraus aber nichts herleiten. Denn Inhalt und Schranken des Aktieneigentums werden nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Gesetze bestimmt. Beim Aktieneigentum als einem besonders stark normgeprägten Vermögensrecht gibt es kein vorrechtliches, gleichsam natürliches Bild des Anteilseigentums, an dem sich der Gesetzgeber bei dessen einfachgesetzlicher Ausgestaltung orientieren müsste oder könnte. Hinzu kommt, dass es sich beim Anteilseigentum um ein Eigentumsobjekt mit einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion handelt und daher die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Auffassung des BVerfG besonders weit ist.11 Den geltenden Inhalts- und Schrankenbestimmungen lässt sich indes, wie im vorangehenden Abschnitt dieser Untersuchung gezeigt wurde, keine eindeutige Antwort in die eine oder andere Richtung auf die im Rahmen dieser Untersuchung zu lösende Frage entnehmen. In dieser Situation mit dem Hinweis auf den verfassungsrechtlichen Eigentumscharakter des Aktieneigentums die ausschließliche Bindung des Vorstands an das Aktionärsinteresse begründen zu wollen, bedeutete einen Zirkelschluss, denn ob das Eigentumsrecht der Anteilseigner so weit reicht, ist ja gerade die Frage.

2. Das Unternehmen als Netzwerk von Verträgen a) Methodische Vorbemerkung Weiterführende Antworten kann das moderne mikroökonomische Verständnis der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens als ein komplexes Netzwerk von Verträgen zwischen den verschiedenen Unternehmensbeteiligten liefern.12 Dieses Modell hat in den USA das gesellschaftsrechtliche Denken im Laufe 10 11

Vgl. die Nachweise in § 4, Fn. 89. BVerfGE 50, 290, 340.

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des letzten Vierteljahrhunderts grundlegend gewandelt und dominiert heute die amerikanische Gesellschaftsrechtswissenschaft.13 Die grundsätzlichen Erkenntnisse dieses Ansatzes sind indes nicht an eine bestimmte Rechtsordnung gebunden und können daher wertvolle Impulse auch für die deutsche Diskussion liefern.14 Da das geltende deutsche Recht hinsichtlich der hier interessierenden Fragestellung offen für verschiedene Modelle ist15, kann und sollte die ökonomische Analyse der Interessenlage bei der Suche nach Sachargumenten helfen, ohne dass damit die Lösung des Problems einem einseitigen Diktat ökonomischen Effizienzdenkens unterworfen werden soll oder muss. Methodisch dient die Analyse der ökonomischen Folgen verschiedener Lösungsansätze lediglich dazu, der zur Beantwortung der „policy-Frage“ berufenen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis eine besser informierte und umfassender begründete Entscheidung zu ermöglichen, präjudiziert aber in keiner Weise das Ergebnis dieser Entscheidung16, wenngleich der 12 Vgl. die Einschätzung von Macey, 84 Cornell L. Rev. 1266, 1272 (1999): „[T]he nexusof-contracts approach provides a powerful analytical device for conceptualizing the modern corporation.“; einen lesenswerten Überblick über die verschiedenen, sich gegenseitig ergänzenden mikroökonomischen Theorien der Unternehmung, die in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurden (Neoklassische Theorie; Prinzipal-Agenten-Theorie; Transaktionskostentheorie; Property-Rights-Theorie), bietet Hart, 89 Colum. L. Rev. 1757 ff. (1989). 13 So die Feststellung des ehemaligen Chancellors des in gesellschaftsrechtlichen Fragen so wichtigen Delaware Court of Chancery, Allen, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1395, 1400 (1993); vgl. auch die Einschätzung von Bainbridge, 82 Cornell L. Rev. 856, 858 (1997): „The law and economics movement remains the most successful example of intellectual arbitrage in the history of corporate jurisprudence. It is virtually impossible to find serious corporate law scholarship that is not informed by economic analysis.“ Überblick über das Nexus-of-Contracts-Modell bei Butler / Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1 (1990); dies., 55 Brook. L. Rev. 767 (1989); dies., The Corporation and the Constitution, S. 2 ff.; Bainbridge, 88 Iowa L. Rev. 1, 9 ff. (2002); aus dem deutschen bzw. schweizerischen Schrifttum Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 14 ff.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041; Kübler, FS Zöllner, S. 321, 323 ff.; Ruffner, S. 129 ff.; Zöllner, AG 2003, 2, 9 ff.; kritisch Bratton, 41 Stan. L. Rev. 1471 (1989). 14 So auch für das schweizerische Recht die auf das deutsche Recht übertragbare Einschätzung von Ruffner, S. 127 f.: „Auf Grundlage der theoretischen Konzepte der neuen Mikround Finanzmarkttheorie hat sich vor allem in den angelsächsischen Staaten eine ökonomisch fundierte Theorie des Aktienrechts der Publikumsgesellschaft herausgebildet, die das Rechtsdenken und auch die Rechtspraxis in dieser Disziplin nachhaltig verändert hat. Der Versuch sei deshalb gewagt, diese neuen ökonomisch fundierten Theorien des Gesellschaftsrechts auch für das schweizerische Aktienrecht nutzbar zu machen . . . [Es] wäre . . . in jeder Hinsicht verfehlt, dieses Vorhaben von vornherein mit dem Pauschalurteil abzutun, es handle sich dabei um eine disfunktionale Übernahme von dem helvetischen Rechtsdenken fremden Rechtselementen aus dem angelsächsischen case law.“ 15 So ausdrücklich Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 159. 16 Vgl. zur Funktion rechtsökonomischer Argumente als einer möglichen Begründungsspur bei der Lösung offener dogmatischer Fragen in Fällen, in denen einer effizienzorientierten Betrachtungsweise nicht verbindliche gesetzgeberische Wertungen entgegenstehen, Fleischer, ZGR 2001, 1, 32; im Zusammenhang mit der hier untersuchten Fragestellung ders., in: Handbuch Corporate Governance, S. 135: „Zeitlose Gültigkeit beanspruchen schließlich die erörterten rechtsökonomischen Gesichtspunkte, die angesichts fehlender legislatorischer Vorprägungen zur Gesetzesauslegung mit herangezogen werden dürfen.“

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Auslegung von Normen des Wirtschaftsrechts besondere Bedeutung zukommt.17 Gerade bei einer rechtsvergleichenden Untersuchung der Fragestellung bietet sich die rechtsökonomische Betrachtungsweise an, weil sie ein tertium comparationis für die Bewertung unterschiedlicher Ansätze in verschiedenen Rechtsordnungen liefert und damit die Antwort auf die Frage nach der „besseren“ Lösung erleichtern kann.18

b) Ursprünge und theoretische Entwicklung des Modells Für das Verständnis des „Nexus-of-Contracts“-Modells der Aktiengesellschaft erscheint ein kurzer Überblick über dessen Entstehungsgeschichte hilfreich.19

aa) Integrierte Organisationen als transaktionskostensparende Alternative Ronald Coase und seiner bahnbrechenden Arbeit The Nature of the Firm aus dem Jahr 193720 verdanken wir die Erkenntnis von der Funktion des Unternehmens als transaktionskostensparender Alternative zur bedarfsabhängigen Beschaffung aller für die Produktion erforderlichen Dienstleistungen durch Einzelverträge auf dem Markt.21 Grund und Grenze der Integration von Ressourcen und Produktionsschritten in ein Unternehmen unter einheitlicher Führung sind demnach die dadurch einzusparenden Transaktionskosten.22 Unternehmen als organisatorische Alternative zu einer Vielzahl von Einzelkaufleuten existieren und wachsen, wenn und weil es billiger ist, bestimmte für die Produktion erforderliche Dienstleistungen selbst zu produzieren oder vorzuhalten, als sie auf dem Markt zu beschaffen.23 Die Integration von Produktionsfaktoren in eine Organisation unter einheitlicher Leitung entbindet den Unternehmer von der Notwendigkeit wiederkehrender (und kostenträchtiger) Vertragsabschlüsse auf dem externen Markt, was insSäcker, in: MüKo-BGB, Einl., Rn. 128 m. w. N. Fleischer, FS Wiedemann, S. 827, 847 f. 19 Vgl. Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 820 ff. (1999); instruktiv auch Millon, 1990 Duke L.J. 201, 229 ff.; in deutscher Sprache Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 73 ff. 20 Coase, 4 Economica 386 (1937). 21 Zusammenfassend Easterbrook / Fischel, S. 8 f.; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 599 f.; Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 2.5. 22 Coase, 4 Economica 386, 390 ff. (1937). 23 Vgl. Hart, 89 Colum. L. Rev. 1757, 1760 f. (1989); Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1198 (1999): „The nature of the firm . . . is the use of ongoing internal direction by the firm’s managers to control labor and other resources, rather than negotiating a series of external contracts in the marketplace as needs arise. When the costs of internal control rise relative to the use of spot contract markets, entrepreneurs will substitute external market (i.e., contract-based) direction of resources in place of internal direction by managers. Thus, there is a limit to the scope of firm production.“ 17 18

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besondere bei einem großen und ständigen Bedarf an bestimmten Dienstleistungen oder sehr komplexen Transaktionen zu einer spürbaren Kostenersparnis führen kann. So ist es im gerne verwandten Beispiel der Anwaltssozietät ab einem bestimmten Volumen von Schreibarbeiten billiger, eine zusätzliche Schreibkraft einzustellen, als jeweils bei Bedarf Zeitarbeitskräfte einzusetzen oder Arbeiten an ein Schreibbüro abzugeben.24 Welche Leistungen ein Unternehmen mit eigenen Ressourcen erbringt, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden und wechselt ständig.25

bb) Die Binnenstruktur der Organisation Coase hatte den vertraglichen Austauschverhältnissen am externen Markt noch das Konzept einseitiger und hierarchisch strukturierter Leitungsmacht über die in die Unternehmensorganisation integrierten Produktionsfaktoren gegenübergestellt.26 Die kritische Überprüfung und Weiterentwicklung seines Ansatzes in den folgenden Jahrzehnten führte jedoch unter den modernen Unternehmenstheoretikern zu der Einsicht, dass auch der Binnenstruktur von Unternehmen bei näherer Betrachtung ein hochkomplexes Geflecht von expliziten und impliziten Verträgen im untechnischen Sinne27 zugrunde liegt mit der Konsequenz, dass die Frage der Vgl. Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1198 (1999). Vgl. Hovenkamp, 18 J. Corp. L. 173, 176 f. (1993): „[Coase] produced an elegant, definitive answer to such questions as: Why isn’t economic society composed of nothing but individual, self-employed entrepreneurs? Or why isn’t all production organized into one giant firm? Markets, just as all other means of piloting resources through society, are costly. When the entrepreneur selects a mechanism for acquiring some input, the entrepreneur chooses the least expensive. That may be the market, but it may be internal command or hierarchy. Which resource allocation method is chosen in any particular case is an empirical question. The answer varies, not only with the relative costs of the desired input, but also with the size and nature of the firm as it already exists. One paint manufacturer might find it more profitable to manufacture its own pigments, while another paint manufacturer which is smaller, or which uses a different technology, may prefer to buy pigments from others.“ 26 Coase, 4 Economica 386, 388 (1937). 27 Der Begriff „Vertrag“ führt bei Juristen bisweilen zu Missverständnissen; klarstellend Kübler, AG 1994, 141, 143; Zöllner, AG 2003, 2, 10; Bainbridge, 88 Iowa L. Rev. 1, 10 f. (2002): „The name ,nexus of contracts‘ is somewhat unfortunate. For lawyers, the term ,contracts‘ carries with it all of the baggage learned in Contracts class during the first year of law school. Among that baggage are two particularly problematic features. First, the word ,contract‘ focuses attention on legal notions such as consideration and mutuality. Second, the word ,contract‘ mainly seems to invoke transactions on spot markets that are thick and relatively untroubled by asymmetric information. Neither has much to do with the internal governance of corporations. As used by contractarians, however, the term is not limited to relationships constituting legal contracts. Instead, contractarians use the word ,contract‘ to refer generally to long-term relationships characterized by asymmetric information, bilateral monopoly, and opportunism. The relationship between shareholders and creditors of a corporation is contractual in this sense, even though there is no single document we could identify as a legally binding contract through which they are in privity.“ 24 25

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

Abgrenzung zwischen Unternehmen und Markt sowohl an theoretischer als auch praktischer Relevanz verlor.28 Armen Alchian und Harold Demsetz entwickelten diese Ansicht zunächst für das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Arbeitnehmern.29 Nach ihrer Auffassung sei es ein Irrtum anzunehmen, das Direktionsrecht des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern beruhe auf irgendeiner besonderen Autorität oder Macht innerhalb der Unternehmensorganisation, die diese von externen Märkten unterscheide.30 Die Machtmittel gegenüber in die Organisation integrierten Personen unterschieden sich in keiner Weise von den Durchsetzungsmechanismen, die in herkömmlichen Vertragsbeziehungen gegenüber Dienstleistern auf dem normalen Markt zur Verfügung stünden. So wie der Unternehmer gegenüber externen Dienstleistern nur über zwei Druckmittel verfüge, nämlich einerseits die Verweigerung zukünftiger Aufträge und andererseits die vertraglichen Rechtsbehelfe wegen Nicht- oder Schlechterfüllung, so sei seine Macht gegenüber Arbeitnehmern auf die Möglichkeit der Kündigung sowie der Schadensersatzklage beschränkt. Die tatsächlich zu beobachtende Macht der Unternehmensleitung, die Belegschaft nach ihrem Willen durch einseitige Anweisung für verschiedene, im einzelnen vorher nicht festgelegte Aufgaben einzusetzen, erwachse allein aus der in jedem Markt vorhandenen Möglichkeit, andere Vertragsparteien zu einem von beiden Seiten akzeptierten Preis zu einer bestimmten Leistung zu bewegen. Was das Unternehmen als Organisation konzeptionell von externen Märkten unterscheide, sei die gemeinschaftliche Nutzung der verschiedenen Arbeitsbeiträge unter der vertraglich vereinbarten zentralen Leitung einer der Vertragsparteien, des Managements.31 Michael Jensen und William Meckling dehnten dieses Verständnis dann schließlich in ihrer grundlegenden Untersuchung unter dem Titel Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure aus auf alle Gruppen, die Beiträge zum Unternehmenserfolg erbringen.32 Das gesamte BeziehungsVgl. Ruffner, S. 130; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1043. Alchian / Demsetz, 62 Am. Econ. Rev. 777 (1972). 30 Alchian / Demsetz, 62 Am. Econ. Rev. 777 (1972). 31 Vgl. Alchian / Demsetz, 62 Am. Econ. Rev. 777 f. (1972): „What is the content of the presumed power to manage and assign workers to various tasks? Exactly the same as one little consumer’s power to manage and assign his grocer to the task of whatever the customer can induce the grocer to provide at a price acceptable to both parties. That is precisely all that an employer can do to an employee. To speak of managing, directing, or assigning workers to various tasks is a deceptive way of noting that the employer continually is involved in renegotiation of contracts on terms that must be acceptable to both parties. Telling an employee to type this letter rather than to file that document is like my telling a grocer to sell me this brand of tuna rather than that brand of bread . . . Wherein is the relationship between a grocer and his employee different from that between a grocer and his customers? It is in a team use of inputs and a centralized position of some party in the contractual arrangements of all other inputs. It is the centralized contractual agent in a team productive process – not some superior authoritarian directive or disciplinary power.“ 32 Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976). 28 29

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geflecht zwischen Anteilseignern, Management, Arbeitnehmern, Gläubigern, Zulieferern und Kunden sei der Sache nach nichts anderes als ein Netzwerk von gegenseitigen Austauschverträgen zwischen den Erbringern verschiedener Inputs.33 Bei der (Aktien)gesellschaft als selbständiger rechtlicher Einheit handele es sich bloß um eine juristische Fiktion, die dazu diene, die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten zu bündeln.34 „Publikumsgesellschaften existieren demnach nicht als unabhängige von Märkten getrennte Einheiten, sondern bilden vielmehr ein komplexes Netzwerk von Vertragsbeziehungen der Kontrahenten auf den Eigen-, Fremdkapital-, Arbeits- und Gütermärkten, die sich in einer Gesellschaft zur Verfolgung ihrer gemeinsamen wie auch gegenläufigen Interessen zusammenfinden.“35

c) Nexus-of-Contracts und Aktienrecht Versteht man demnach die Aktiengesellschaft und das von ihr betriebene Unternehmen mikroökonomisch als ein Netzwerk von Verträgen, so ergeben sich daraus für den Gesellschaftsrechtler drei für die hier zu untersuchende Fragestellung relevante Konsequenzen.

aa) Keine natürliche Eigentümerstellung der Aktionäre Nach dem Nexus-of-Contracts-Modell sind alle beteiligten Gruppen gleichberechtigte Lieferanten gleichermaßen notwendiger Beiträge zum Unternehmenserfolg, die sie miteinander unter dem Dach der Gesellschaft auf vertraglicher Basis zur Verfügung stellen und austauschen.36 Sie sind „Eigentümer“ ihrer jeweiligen Beiträge. Die Aktionäre stellen haftendes Kapital zur Verfügung, das es dem Unternehmen ermöglicht, Risiken einzugehen, während die anderen Beteiligten ihre Beiträge zu bestimmten festen Sätzen erbringen.37 Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 310 (1976). Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 311 (1976): „The private corporation or firm is simply one form of legal fiction which serves as a nexus for contracting relationships . . . Viewed this way, it makes little or no sense to try to distinguish those things which are ,inside‘ the firm (or any other organization) from those things that are ,outside‘ of it. There is in a very real sense only a multitude of complex relationships (i.e., contracts) between the legal fiction (the firm) and the owners of labor, material and capital inputs and the consumers of output.“ 35 Ruffner, S. 156. 36 Anschaulich Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 401: „From an economic perspective, a corporation is just a name for a great web of contractual arrangements. The many factors of production assemble under the corporate umbrella: investors contribute capital, managers entrepreneurial skills, engineers their distinctive skills, and so on.“ 37 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 27 (1991). 33 34

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

Von einem „Eigentum“ an der Gesellschaft auszugehen, macht demgegenüber wenig Sinn und vermag eine tragfähige Begründung für eine ausschließliche Verpflichtung des Managements auf das Aktionärsinteresse nicht zu liefern.38 Zum einen handelt es sich bei der Gesellschaft ja nur um eine juristische Fiktion, die das Geflecht von Verträgen bündelt.39 Eigentumsrechte an einer bloßen „Hülle“ für vielfältige vertragliche Beziehungen sind schon konzeptionell schwer vorstellbar. Zum anderen hat nach der Vertragskonzeption keine der Parteien a priori natürliche oder bessere Rechte auf einen besonderen Anteil der gemeinsam erzeugten Wertschöpfung, sondern die Rechte jeder Gruppe bestimmen sich allein nach den mit allen anderen Beteiligten ausgehandelten vertraglichen Beziehungen.40

bb) Kein „Eigeninteresse“ der Gesellschaft oder des Unternehmens Handelt es sich bei der juristischen Person „Aktiengesellschaft“ nur um eine nützliche Denkfigur, unter der die Vielzahl der impliziten und expliziten Verträge zwischen den Beteiligten gebündelt und im Rechtsverkehr bezeichnet werden, so ist für die Annahme eines wie auch immer gearteten Eigeninteresses der Gesellschaft oder des von ihr betriebenen Unternehmens, das von den Interessen der verschiedenen Unternehmensbeteiligten zu unterscheiden wäre41, kein Raum.42 Alle Gruppen, die unter dem Dach der Organisation „Aktiengesellschaft“ Beiträge er38 Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1427 (1993); Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 26 (1991); ders., 1989 Duke L.J. 173, 175; ders., 84 Cornell L. Rev. 1266, 1281 (1999): „One core premise of law and economics (the nexus-of-contracts approach) posits that all claimants to a corporation’s earnings, goods, and services are created equal.“ Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 396 (1983): „Shareholders are no more ,owners‘ of the firm than are bondholders, other creditors, and employees (including managers) who devote specialized resources to the enterprise.“ Fama, 88 J. Pol. Econ. 288, 290 (19809: „In this ,nexus of contracts‘ perspective, ownership of the firm is an irrelevant concept.“ 39 Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 15; ders. AG 1990, 243, 247: „[N]ur ein angenehmes und nützliches Denkmuster . . . , um einem bestimmten, zwischen zahlreichen Menschen bestehendem impliziten und expliziten Vertragsgeflecht eine Bezeichnung zu geben, die gesetzliche Standardisierungen von Verhaltenspflichten und Rechten erlaubt.“ 40 Vgl. Macey, 84 Cornell L. Rev. 1266, 1267 (1999): „The core insight of this nexus-ofcontracts paradigm is that contract defines each participants‘ rights, benefits, duties, and obligations in the corporate endeavor. This insight, in turn, implies that one should not give any class of claimants preference over any other. Instead, each claimant or a group of claimants deserves to receive only the exact benefits of the particular bargain it has struck with the firm, no more and no less.“ Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 833 (1999): „Just as contract law does not give primacy to either buyers or sellers, contractors or owners, so the nexus-of-contracts conception does not give primacy to any single group.“ 41 Vgl. zu entsprechenden Überlegungen oben S. 121 ff. 42 Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 15; Ruffner, S. 168; im Ergebnis auch Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 53 („Gesellschaftsinteresse keine von den gebündelten Interessen der Gesellschafter losgelöste, eigenständige Orientierungsgröße“).

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bringen, haben legitime Interessen. Über Gewichtung und Rangverhältnis dieser Interessen im Aktienrecht kann man unterschiedlicher Auffassung sein; die Auseinandersetzung mit dieser Frage ist Thema dieser Untersuchung. Dem Dach selbst als dem rechtstechnischen Mittel, dessen sich die Beteiligten zur Organisation ihrer Kooperation bedienen, eigene Interessen zuzusprechen, macht hingegen keinen Sinn.43 Eine solche Vorstellung ist auch mit der gesetzlichen Befugnis der Aktionäre, die Gesellschaft jederzeit und ohne Grund aufzulösen (§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG), nur schwer zu vereinbaren.44

cc) Die Normen des Aktienrechts als Standard-Vertrag Das Aktienrecht regelt mit den Verhältnissen der Aktionäre zum Management sowie der Aktionäre untereinander nach der modernen Auffassung Rechtsbeziehungen, die der Sache nach vertragliche sind und theoretisch auch tatsächlich vertraglich geregelt werden könnten. Den Normen des Aktienrechts kommt damit unter dem Modell der Aktiengesellschaft als einem Geflecht von Verträgen die Funktion eines von staatlicher Seite angebotenen Standard-Vertrages zu45, dessen sich die Beteiligten ohne Transaktionskosten bedienen können (bzw. im Fall von zwingenden Regeln müssen). Damit entbindet die Rechtsordnung die Beteiligten von der Notwendigkeit, mitunter erhebliche Kosten für die Ausarbeitung ihres Vertrags und die Regelung von im Gründungszeitpunkt nur schwer zu übersehenden potentiellen Konflikten aufzuwenden.46 Der zwingende Charakter mancher oder auch aller Normen des Aktienrechts (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) steht einem Verständnis der gesetzlichen Regeln als Standard-Vertrag nicht denknotwendig entgegen.47 Auch der Inhalt „echter“ Verträge 43 Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 15; vgl. Parkinson, S. 76: „A requirement to benefit an artificial entity, as an end in itself, would be irrational and futile, since a non-real entity is incapable of experiencing well-being. Indeed it is doubtful that an inanimate entity can meaningfully be said to have interests, or if it could, what they would be . . . The correct position is . . . that the corporate entity is a vehicle for benefiting the interests of a specified group or groups.“ 44 Vgl. R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 546. 45 Adams, Eigentum, Kontrolle und Beschränkte Haftung, S. 14 f.; Ruffner, S. 170; Easterbrook / Fischel, S. 34 f. 46 Easterbrook / Fischel, S. 35; Ruffner, S. 170 f.; Macey, 18 J. Corp. L. 185, 186 (1993) „Because contracts are costly to write and negotiate, societies that wish to encourage capital formation, efficient capital allocation, and savings and investment will devise corporation codes which make standard-form, boilerplate language available for adoption by management and shareholders.“ 47 Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 823 f. (1999); Ruffner, S. 171 sowie S. 293 ff., der darauf hinweist, dass sich zwingende Normen des Aktienrechts auf Grundlage des Vertragsansatzes insbesondere mit Externalitäten, Informationsproblemen und Transaktionskosten erklären lassen. Ein Überblick über die Argumente für und gegen zwingende Regeln aus der Nexusof-Contracts-Perspektive findet sich etwa bei Macey, 18 J. Corp. L. 185, 187 ff. (1993).

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

wird den Beteiligten nicht selten in mehr oder minder großem Maße von der Rechtsordnung zwingend vorgegeben, ohne dass dies den Vertragscharakter der Beziehungen in Frage stellen würde.48 Wohnraummiete und Verträge im Anwendungsbereich von Verbraucherschutzregeln sind jedermann geläufige Beispiele für dieses Phänomen. Soweit Normen des Gesellschaftsrechts zwingend sind, können die Beteiligten ihre Beziehungen zwar inhaltlich nicht mehr individuell abweichend regeln, müssen und können aber gleichwohl selbst entscheiden, ob sie ihre Unternehmung in dieser von der Rechtsordnung angebotenen Form organisieren wollen oder nicht (und können besonderen Vor- und Nachteilen des vorgegebenen Vertragsgerüsts für einzelne Gruppen durch entsprechende Prämien und Abschläge bei der Preisfindung für die einzelnen Beiträge Rechnung tragen49). Von der Frage nach dem Vertragscharakter zwingender Regeln des staatlichen Gesellschaftsrechts zu unterscheiden ist die von den meisten Vertretern des Vertragsmodells der Aktiengesellschaft erhobene normative Forderung, den Personen, die eine Gesellschaft gründeten, sollte dabei auch weitestgehende inhaltliche Freiheit eingeräumt werden und das Gesellschaftsrecht solle daher möglichst wenige zwingende Regeln enthalten.50 Darum geht es hier nicht.51 Die Aufgabe des Gesellschaftsrechts – und dies gilt in besonderem Maße für zwingende Normen, da den Parteien ja damit die Möglichkeit zur Vereinbarung „besserer“ Regeln genommen wird – ist es somit, ein möglichst effizientes Regelwerk zur Verfügung zu stellen, das die Gesamtwertschöpfung durch die in der Form von Aktiengesellschaften organisierten Unternehmen maximiert.52 Eine solche Regelung sollte dem Ergebnis entsprechen, das die Beteiligten bei einem idealtypischen transaktionskostenfreien Aushandeln ihrer Beziehungen auf vollständiger Informationsgrundlage vereinbaren würden.53 Da das deutsche Aktienrecht die Frage nach der Interessenausrichtung des Vorstandshandelns nicht eindeutig beantwortet, fällt nach der Vertragstheorie der Aktiengesellschaft dem Rechtsanwender die Aufgabe zu, insoweit eine entsprechende Regel zu schaffen (andernfalls handelte es sich um rechtspolitische Forderungen; die Argumente blieben dieselben). Ob Vorstände ausschließlich auf das Interesse Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 823 f. (1999). Easterbrook / Fischel, S. 17: „All the terms in corporate governance are contractual in the sense that they are fully priced in transactions among the interested parties.“ 50 Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 824 (1999); so beispielsweise Easterbrook / Fischel, S. 34 f. 51 Vgl. zu dieser Diskussion aus dem deutschen Schrifttum etwa Spindler, AG 1998, 53. 52 Easterbrook / Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416, 1441 (1989); dies., The Economic Structure of Corporate Law, S. 35: „[W]hat should be worked out and supplied by corporate law is the rule that, if uniformly applied, will maximize the value of the corporate endeavor as a whole.“ 53 Millon, 1990 Duke L.J. 201, 231; Easterbrook / Fischel, S. 92: „Socially optimal fiduciary rules approximate the bargain that investors and managers would have reached if they could have bargained (and enforced their agreements) at no cost.“ 48 49

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der Aktionäre verpflichtet werden sollten, hängt mithin davon ab, ob ein solches Arrangement insgesamt eine größere Gesamtwertschöpfung durch Aktiengesellschaften erwarten lässt als dies bei einem interessenpluralistischen Verständnis der Leitungsaufgabe zu erwarten ist. Dafür spricht die besondere Stellung der Aktionäre als residuale Risikoträger, die bei ihnen in der Regel die besten Anreize für volkswirtschaftlich erwünschte, weil wertschöpfungssteigernde, Risikoübernahme schafft.

3. Die Aktionäre als residuale Risikoträger a) Begriff Mit der Bezeichnung der Aktionäre als die residualen Risikoträger des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens soll deren besondere Stellung im vertraglichen Beziehungsgeflecht der verschiedenen Beteiligten zum Ausdruck gebracht werden. Im Gegensatz zu Gläubigern, Arbeitnehmern und Zulieferern, die ihre Beiträge im Austausch gegen das Versprechen einer fixen, erfolgsunabhängigen Kompensation erbringen, bekommen die Aktionäre nur das, was nach der Erfüllung der fixen Ansprüche übrigbleibt – wenn etwas übrigbleibt, steht ihnen allerdings auch der gesamte Überschuss zu.54 Damit werden den Aktionären, „whose claims stand last in line“, sowohl die Gewinne einer ungewöhnlich guten als auch die Verluste einer ungewöhnlich schlechten Entwicklung zugewiesen.55 Das unterscheidet sie – sieht man von der Möglichkeit erfolgsabhängiger Kompensation für Manager und Arbeitnehmer einmal ab – von allen anderen Gruppen.

b) Die residualen Risikoträger als die Gruppe mit den richtigen Anreizen Die besondere Stellung der Aktionäre als der Gruppe, die einen überproportionalen Nutzen aus Produktivitätssteigerungen und Wertmaximierung des Unternehmens ziehen kann, schafft bei ihnen einen besonderen Anreiz zu Investitionen, der den anderen Gruppen fehlt.56 Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sollen Unternehmen so lange in neue Produkte und Produktionsstätten investieren, bis die dadurch zu erwartenden Gewinne den Kosten dieses Verhaltens entsprechen.57 Akteure mit fixen Ansprüchen gegen die Gesellschaft profitieren von der Wertsteigerung durch eine aktive Unternehmenspolitik aber nur indirekt und unterproportional in Form erhöhter Sicherheit von Forderungen gegen eine profitablere Gesellschaft.58 Ihr al54 55 56 57 58

Easterbrook / Fischel, S. 11. Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 403 (1983). Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 403 (1983). Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 403 (1983). Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 403 (1983).

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

leiniges Interesse, ihre versprochenen Ansprüche erfüllt zu sehen, macht sie indifferent oder gibt ihnen u. U. sogar die falschen Anreize, wohlstandsmaximierende aber risikoträchtige Entscheidungen des Managements blockieren zu wollen. Daher verspricht eine Verpflichtung des Managements allein auf das Aktionärsinteresse insgesamt effizientere Entscheidungen.59 Diese Regel entspricht daher dem Ergebnis, auf das sich die idealtypischen Vertragsparteien bei transaktionskostenfreiem Verhandeln in der Regel einigen würden und sollte deshalb aus rechtsökonomischer Sicht als gesetzliches Leitbild dienen. Denn wenn die Aktionäre den größten Nutzen aus einer allein an ihrem Interesse orientierten Unternehmensführung ziehen könnten, wären sie bereit, auf funktionierenden Märkten die anderen Beteiligten für dieses exklusive Recht durch höhere fixe Prämien (Zins / Lohn) zu kompensieren und könnten so ein für alle Beteiligten wertmaximierendes Arrangement erreichen.60 Zwei einfache Beispiele sollen die unterschiedliche Anreizsituation verdeutlichen.61 In beiden Fällen soll von einer Gesellschaft ausgegangen werden, die den Gläubigern fixer Ansprüche am Ende eines bestimmten Zeitraums 1 Mio. A schuldet. Im ersten Fall muss die Unternehmensleitung zwischen zwei Projekten, A und B, entscheiden. Beide Projekte würden den Einsatz der gesamten Ressourcen des Unternehmens für das jeweilige Projekt für die gesamte Dauer des Zeitraums erfordern. Projekt A lässt mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit einen Erlös von 1 Mio. A und mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit einen Erlös von 5 Mio. A bis zur Fälligkeit der fixen Ansprüche erwarten. Der Gesamtwert des Projekts beträgt mithin 3 Mio. A [(1 Mio.  0,5) + (5 Mio.  0,5)]. Bei Projekt B dagegen besteht wiederum eine 50 %ige Wahrscheinlichkeit eines Erlöses von 1 Mio. A, aber auch die 50 %ige Chance eines Erlöses von 6 Mio. A. Sein Gesamtwert beträgt also 3,5 Mio. A [(1 Mio.  0,5) + (6 Mio.  0,5)] und übersteigt mithin den Wert von Projekt A um 500.000 A. Projekt B verspricht damit durch Maximierung der Wertschöpfung des Unternehmens den größtmöglichen Wohlstandszuwachs für die Volkswirtschaft und ist daher unter allokativen Gesichtspunkten das richtige Projekt. Indes besteht allein bei den Aktionären als den residualen Risikoträgern der Anreiz, dieses Projekt zu verfolgen, da es auch ihre Erträge maximiert. Den Inhabern fixer Ansprüche kann die Entscheidung hingegen gleichgültig sein, weil ihre Forderungen in Höhe von 1 Mio. A in beiden Fällen mit Sicherheit erfüllt werden können. Eine Ausrichtung der unternehmerischen Entscheidung (auch) am Interesse der Nichtaktionäre lässt daher keine positive Wirkung erwarten, da es diesen Gruppen an den richtigen Anreizen fehlt. Im zweiten Fall muss die Unternehmensleitung zwischen Projekt A (wie oben) und einem Projekt C entscheiden. Dieses Projekt lässt mit 50 %iger WahrscheinRuffner, S. 166. Ruffner, S. 166. 61 In Anlehnung an die von Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 28 ff. (1991), gewählten Beispiele. 59 60

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lichkeit einen Erlös von 500.000 A erwarten, bietet aber andererseits die 50 %ige Chance eines Erlöses in Höhe von 10 Mio. A. Diversifizierte Anleger62 würden dieses Projekt gegenüber Projekt A bevorzugen, da es einen Gesamtwert von 5,25 Mio. A [(500.000  0,5) + (10 Mio.  0,5)] hat und damit nach Erfüllung der fixen Verbindlichkeiten einen Gewinn für die Aktionäre in Höhe von 4,25 Mio. A erwarten lässt – deutlich mehr als die mit Projekt A nach Abzug der Verbindlichkeiten zu erzielenden 2 Mio. A. Projekt C ist auch unter dem Gesichtspunkt optimaler Ressourcenallokation vorzugswürdig, da es mit einer deutlich höheren Gesamtwertschöpfung verbunden ist. Die Gläubiger würden dagegen (verständlicherweise) Projekt A wählen, weil Projekt C das 50 %ige Risiko mit sich bringt, nur die Hälfte der geschuldeten Zahlungen zu erhalten, sie aber andererseits von dem ebenso gut möglichen hohen Erlös nicht profitieren würden. Eine Orientierung (auch) am Interesse der Nichtaktionäre würde daher unter allokativen Gesichtspunkten zu einer falschen Entscheidung führen, da die Inhaber fixer Ansprüche die „falschen“ Anreize haben.

c) Sondersituationen Allerdings sind Situationen vorstellbar, in denen eine allein am Aktionärsinteresse ausgerichtete Leitungsentscheidung den Anteilseignern einen Wertzuwachs auf Kosten der Inhaber fixer Ansprüche verschafft und zugleich den Gesamtwert des Unternehmens verringert, so dass ein volkswirtschaftlich unerwünschter Effekt eintritt.63 Eine Abwandlung des obigen Beispiels verdeutlicht dies: Die Unternehmensleitung muss nun zwischen den Projekten D und E entscheiden. Bei Projekt D besteht ein 50 %iges Risiko, überhaupt keinen Erlös zu erwirtschaften, andererseits aber auch die 50 %iger Chance eines Erlöses in Höhe von 1,5 Mio. A. Projekt E dagegen würde mit 100 %iger Gewissheit 1 Mio. A erbringen, aber auf keinen Fall mehr. Sein Gesamtwert für das Unternehmen würde mit 1 Mio. A den Wert von Projekt D [750.000 A (= 1,5 Mio.  0,5)] übersteigen und wäre daher aus gesamtwirtschaftlicher Sicht vorzugswürdig. Die Aktionäre würden jedoch Projekt D bevorzugen, da Projekt E ihnen nach Befriedigung der fixen Ansprüche keinerlei Gewinn verspricht, während bei Projekt D für sie immerhin die 50 %ige Chance besteht, 500.000 A zu erwirtschaften (1,5 Mio. minus 1 Mio.). Mithin haben hier die Aktionäre die „falschen“ Anreize. Die Richtigkeit der Feststellung, dass die Anteilseigner als die residualen Risikoträger grundsätzlich die größten Anreize zur Maximierung des Unternehmens62 Zur Möglichkeit und Bedeutung der Diversifizierung durch Investoren von Publikumsgesellschaften bei einer auf die Gesamtwertschöpfung durch Aktiengesellschaften konzentrierten Betrachtungsweise anschaulich Easterbrook / Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416, 1440 f. (1989). 63 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 30 (1991) mit dem hier besprochenen Beispiel; ders., 1989 Duke L.J. 173, 181 ff.

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

wertes und damit zu volkswirtschaftlich erwünschtem Verhalten haben, vermag dieses Beispiel jedoch nicht in Frage zu stellen.64 Denn es handelt sich dabei um eine Sonderkonstellation, die in der Realität vorwiegend in finanziellen Krisensituationen vorkommen dürfte, in denen u. U. das Insolvenzrecht bzw. das Eigenkapitalersatzrecht besondere Schutzmechanismen für Gläubiger zur Verfügung stellt oder stellen sollte.65 Die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens in einer solchen Situation ändert nichts daran, dass normalerweise allein die Aktionäre das Risiko tragen und daher in der Gesamtheit der Fälle mit höherer Wahrscheinlichkeit über die besseren Anreize verfügen.66 Schließlich – und damit leitet der Abschluss dieser Überlegungen nahtlos zum nächsten großen Argument für eine ausschließliche Verpflichtung des Managements auf das Gesellschafterinteresse über – ist es für die Gläubiger fixer Ansprüche vertragstechnisch einfacher (nicht: einfach), solchen in Ausnahmefällen möglichen Opportunismus durch explizite Vereinbarungen zu verhindern, als es umgekehrt für die Anteilseigner wäre, ihrerseits positiv eine gesamtwertmaximierende Unternehmensführung für das weite Feld möglicher Entscheidungen durch explizite Regelungen sicherzustellen.67

III. Der Mangel anderweitiger Mechanismen zum Schutz der Anteilseigner Das zweite Argument, das für die ausschließliche Verpflichtung der Unternehmensleitung auf die Interessen der Anteilseigner spricht, hängt mit dem besonde64 Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 59 (1996); vgl. auch Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 30 f. (1991), der mit diesem Beispiel lediglich verdeutlichen will, dass die Eigenschaft der Anteilseigner als residuale Risikoträger die auch von ihm befürwortete ausschließliche Verpflichtung des Managements auf das Gesellschafterinteresse nicht vollständig erklärt. Gleichsinnig auch schon Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 404 (1983): „This is not, of course, a complete explanation. The interests of shareholders may conflict with the interests of bondholders. Shareholders have an incentive to adopt various strategies with the effect of transferring wealth from bondholders to shareholders, such as choosing risky investment projects and withdrawing assets from the firm. Creditors seek to control this conduct, almost always by exquisitely detailed contracts.“ 65 Vgl. Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 59 (1996). In der Tat gibt es Tendenzen in der amerikanischen Rechtsprechung, ab einem bestimmten Punkt in oder in der Nähe der Insolvenzsituation fiduziarische Pflichten auch gegenüber den Gläubigern anzunehmen, siehe die vieldiskutierten Fälle Credit Lyonnais Bank Nederland, N.V. v Pathe Communications Corp., 1991 W.L. 277613 (Del. Ch. 1991); Geyer v. Ingersoll Publications Co., 621 A.2d 784 (Del. Ch. 1992); dazu Coffee, Nat’l L.J. vom 2. März 1992, Spalte 1; Varallo / Finkelstein, 48 Bus. Law. 239 (1992). 66 So auch schon Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 404 (1983): „Nonetheless, because shareholders usually bear the risk at the margin, they are more likely than bondholders to have the appropriate incentives.“; ähnlich dies., The Economic Structure of Corporate Law, S. 91: „not perfect incentives, just best.“ 67 Auf die Möglichkeit der vertraglichen Sicherung weisen auch hin Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 404 (1983).

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ren Charakter von deren Beitrag zum Unternehmen zusammen. Verglichen mit allen anderen mit dem Unternehmen verbundenen Gruppen, ist es für die Anteilseigner ungleich schwieriger, ihre Interessen durch detaillierte vertragliche oder gesetzliche Schutzmechanismen abzusichern. Daher sind die Aktionäre mehr als alle anderen Beteiligten des korporativen Beziehungsgeflechts auf den besonderen Schutz einer ausschließlich ihren Interessen dienenden Sorgfalts- und Treuepflicht des Vorstands angewiesen.68

1. Die Normen des Aktienrechts als Inhalt eines relationalen Vertrags Als hilfreich für die Analyse der Interessenlage erweist sich wiederum der Rückgriff auf das im vorangehenden Unterabschnitt erläuterte Modell der Aktiengesellschaft als einem komplexen Geflecht von Verträgen. Bei den durch das Aktienrecht geregelten Beziehungen zwischen Aktionären und Vorstand handelt es sich der Sache nach um das „Paradebeispiel eines relationalen Vertrags“69.

a) Begriff Unter einem relationalen Vertrag versteht man einen Vertrag, der sich nicht in der Regelung eines einmaligen oder mehrmaligen Leistungsaustauschs erschöpft, sondern auf die intensive Zusammenarbeit einer Vielzahl von Beteiligten über längere Zeit im Rahmen eines gemeinsamen Projekts ausgerichtet ist (komplexer Langzeitvertrag).70 Die präzise Definition von Leistungsstandards sowie die genaue Zuweisung aller Rechte und Risiken im voraus sind in einem solchen Verhältnis weder möglich noch zweckmäßig. Ungewissheiten hinsichtlich nicht vorhersehbarer Risiken, die hohen Informationskosten zur Abschätzung vorhersehbarer Risiken sowie die eingeschränkte Rationalität der Vertragspartner (bounded rationality)71 stehen einer idealtypischen vollständigen Risikoallokation im Vertrag entgegen. So wäre es im Verhältnis zwischen Aktionären und Managern unmöglich, explizite Verhaltenspflichten des Managements für alle in einer sich ständig wandelnden Umwelt in der Zukunft möglicherweise eintretenden Ereignisse vorab festzulegen.72 Regelungsschwerpunkt relationaler Verträge im Allgemeinen und Ruffner, S. 167; Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1445 (1993). So Ruffner, S. 162; gleiche Einordnung bei Easterbrook / Fischel, S. 90; Fleischer, ZGR 2001, 1, 4 f. 70 Vgl. Ruffner, S. 162 f.; S. 133 f.; grundlegend Macneil, 72 Nw. U. L. Rev. 854 (1978); ausführlich Williamson, Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, S. 77 ff. 71 Vgl. dazu den instruktiven Überblick bei Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 63 ff. m. w. N. 72 Easterbrook / Fischel, S. 90; Ruffner, S. 163. 68 69

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des Aktienrechts im Besonderen ist daher, Konfliktlösungsmechanismen und Ordnungsstrukturen für eine dauerhaft erfolgreiche Zusammenarbeit zu schaffen, mit denen die nicht geregelten und nicht regelbaren Konfliktsituationen möglichst zufriedenstellend bewältigt werden können, wenn sie eintreten.73

b) Allgemeine Verhaltenspflichten als Lückenfüllungsmechanismen Besondere Bedeutung gewinnen bei relationalen Verträgen die allgemeinen Verhaltenspflichten (Nebenpflichten) der Parteien.74 Sie schaffen generelle Verhaltensstandards, anhand derer die Gerichte dann die (notwendigen) Lücken im Vertrag im nachhinein schließen können.75 So setzen Sorgfalts- und Treuepflichten im Aktienrecht dem Leitungsermessen des Managements Grenzen und sollen damit dazu beitragen, dass die Erwartungen der Beteiligten unter sich wandelnden Bedingungen erfüllt werden.76 Versteht man die Aktiengesellschaft und das von ihr betriebene Unternehmen als ein Geflecht von Verträgen zwischen den Erbringern verschiedener Beiträge, so ist eine lückenfüllende Verpflichtung des Vorstands zum Schutz bestimmter nicht explizit definierter Interessen konzeptionell gegenüber jeder oder allen dieser Gruppen denkbar.77 Jedoch zeigt der im Folgenden unternommene Vergleich des Verhältnisses zwischen Aktionären und Management mit den Beziehungen der anderen Gruppen zur Unternehmensleitung, dass die vertraglichen Beziehungen der anderen Gruppen in weit höherem Maße expliziten Regelungen zugänglich sind. Letztere sind somit weit weniger auf den lückenfüllenden Schutz einer allgemeinen Interessenwahrungspflicht angewiesen. Daher sollten die Aktionäre die ausschließlichen Nutznießer eines solchen Mechanismus’ sein.

2. Besonderheiten des Aktieninvestments Warum es für die Anteilseigner am schwierigsten ist, ihre Erwartungen an das Management durch explizite Vereinbarungen abzusichern, verdeutlichen die folgenden Gesichtspunkte.

Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1, 5. Ruffner, S. 164. 75 Für das Gesellschaftsrecht Easterbrook / Fischel, S. 90 ff.; Ruffner, S. 213 f. 76 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 28 (1991): „[F]iduciary duties exist because the decisions that face officers and directors of corporations are sufficiently complex and difficult to predict that it would not be feasible to specify in advance how to respond to a wide range of future contingencies. Fiduciary duties are the mechanism invented by the legal system for filling in the unspecified terms of shareholders‘ contingent contracts.“ 77 Macey, 84 Cornell L. Rev. 1266, 1268 (1999). 73 74

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Erstens stellen Aktionäre als einzige Gruppe ihren Beitrag auf unbestimmte Zeit, nämlich für das gesamte Leben der Gesellschaft, zur Verfügung.78 Zwar kann der einzelne Aktionär seine Beteiligung an der Gesellschaft jederzeit durch Verkauf seines Anteils beenden. Dabei rückt jedoch mit dem Erwerber lediglich eine andere Person exakt in die Position ein, die der Veräußerer innehatte, ohne dass die Gelegenheit zur Nach- oder Neuverhandlung über die Bedingungen der Kapitalüberlassung bestünde. Als Gruppe sind Aktionäre die einzigen freiwilligen Beteiligten am korporativen Beziehungsgeflecht, deren Übereinkunft mit dem Management nicht regelmäßig erneuert werden muss.79 Zweitens ist ihre Investition nicht auf einen bestimmten Vermögensgegenstand begrenzt.80 Es ist daher rechtstechnisch kaum möglich, den Beitrag der Aktionäre durch spezielle Verhaltenspflichten oder (dingliche) Sicherungsabreden zu schützen. Hinzu kommt, dass die Aktionäre als residuale Risikoträger in der Liquidation erst nach allen anderen Gläubigern befriedigt werden können.81 Eine dritte Besonderheit ergibt sich aus der Natur der den residualen Risikoträgern geschuldeten Leistung. Geschuldet wird mit unternehmerischer Tätigkeit eine Leistung, die sich konzeptionell und praktisch grundlegend von den Verpflichtungen gegenüber allen anderen Gruppen unterscheidet. Kennzeichnend für unternehmerisches Wirken ist sein offener und grenzenloser Charakter. Es gibt kein bestimmtes Niveau an Anstrengung oder bestimmtes Ausmaß an Profit, deren Erreichung auch nur als Indiz für die optimale Erfüllung der Unternehmerpflichten dienen könnte. Potentielle Grenzen setzen dem geschuldeten Bemühen allein die technologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Märkte. Je näher ein Management an diese Grenzen gelangt, desto besser wird die Verpflichtung gegenüber den Kapitalgebern erfüllt, ohne dass aber jemals ein Endpunkt erreicht wäre. Positiv formulieren lässt sich der Inhalt dieser Verpflichtung nur sehr allgemein als die permanente Anweisung, ohne Unterlass und mit aller Kraft zu versuchen, bestehende Abläufe zu verbessern und zu immer neuen Horizonten vorzustoßen.82 Gefordert ist mithin eine Leistung, deren Erfüllung sich rechtstechnisch nicht negativ allein durch die Bindung an einzelne Verbote und Handlungspflichten sichern lässt. Die Interessenlage von Arbeitnehmern und Gläubigern hingegen bietet ein anderes Bild: Während den residualen Risikoträgern der Versuch geschuldet wird, alles 78 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 325; Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 36 (1996); Williamson, 93 Yale L.J. 1197, 1210 (1984). 79 Williamson, 93 Yale L.J. 1197, 1210 (1984); Ruffner, S. 136. 80 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 325; Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 36 (1996); Williamson, 93 Yale L.J. 1197, 1210 (1984). 81 Williamson, 93 Yale L.J. 1197, 1210 (1984). 82 Millon, in: Progressive Corporate Law, S. 3, spricht anschaulich von einer „open-ended injunction“. Vgl. auch Easterbrook / Fischel, S. 91: „The only promise that makes sense in such an open-ended relationship is to work hard and honestly.“

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

zu erwirtschaften, was möglich ist, bestehen gegenüber Arbeitnehmern und Gläubigern klar definierte Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldbeträge. Darüber hinausgehende andere (Sicherheits)erwartungen lassen sich relativ leicht negativ durch besondere Verabredungen gewährleisten, so etwa durch das Versprechen, nicht oder nur mit einer bestimmten Frist zu kündigen oder bestimmte Vermögensgegenstände nicht oder nur mit Zustimmung zu veräußern.83 Aufgrund des „diffusen Charakters“84 des Aktieninvestments ist es für Aktionäre dagegen ungleich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Natur und Ausmaß der Managementverpflichtung zu definieren.85 Um den vollen potentiellen Wert ihrer Anteile realisieren zu können, sind die Aktionäre daher wie keine andere Gruppe auf die positive Kontrolle über das Unternehmen in Form einer ausschließlich auf ihre Interessen ausgerichteten Verpflichtung des Managements angewiesen.86

3. Die Schutzmöglichkeiten der „Stakeholders“ Zur Verdeutlichung dieser Unterschiede sollen im Folgenden die Interessen und Schutzmöglichkeiten der verschiedenen „Stakeholders“ näher beleuchtet werden.

a) Arbeitnehmer Die berechtigte Sorge um Arbeitnehmer als die Bezugsgruppe der Aktiengesellschaft, deren Position typischerweise durch eine besondere Abhängigkeit und die damit einhergehende strukturelle Unterlegenheit gekennzeichnet ist, war in den USA der historische Auslöser der Diskussion um Corporate Social Responsibility87 und steht auch heute noch im Mittelpunkt des Interesses der Verfechter einer interessenpluralistischen Konzeption der Managementaufgabe. 88 In einem Land, in Vgl. Ruffner, S. 167. Williamson, 93 Yale L.J. 1197, 1210 (1984); Ruffner, S. 167; Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 36 (1996), spricht von einem „amorphous set of firm-specific assets“. 85 Vgl. Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 36 (1996): „In order for creditors and employees to safeguard their investment in the corporation, they only need to maintain negative control over certain corporate decisions; that is, to safeguard their investment in a firm, creditors and employees need only be able to prevent the firm from taking certain actions, such as incurring unsubordinated debt, closing a plant, or laying off workers. On the other hand, in order for shareholders to safeguard their investment, they must maintain positive control over a panoply of corporate decisions.“ 86 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 36 (1991): „[T]he shareholders must retain positive control over the actions of the firm in order to realize the full potential value of their shares.“ 87 Vgl. Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1152 (1932). 88 Vgl. Carney, 43 U. Toronto L.J. 353, 375 (1993); Bratton, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1449, 1461 ff. (1993); Stone, 21 Stetson L. Rev. 45 ff. (1991); Garfield, 43 Am. J. Comp. L. 150, 151 (1995): „[T]he „stakeholder“ label often masks what is really a debate over increasing the rights of employees.“ 83 84

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dem für Millionen von Arbeitnehmern das jederzeit kündbare employment-at-will noch heute den Normalfall darstellt, ist das wissenschaftliche und politische Bemühen, durch Lockerung der strikten Verpflichtung des Managements auf die Interessen der Anteilseigner die Möglichkeit für eine Erweiterung des Arbeitnehmerschutzes zu schaffen, durchaus verständlich. Hinzu kommt – und dies gilt auf beiden Seiten des Atlantiks gleichermaßen –, dass die Möglichkeit einer vollständigen vertraglichen Regelung im Arbeitsverhältnis insofern beschränkt ist, als von Arbeitnehmern häufig der Erwerb firmenspezifischer Kenntnisse und Fertigkeiten erwartet wird, die bei anderen Arbeitgebern nicht oder nicht in gleicher Weise verwendbar wären.89 Dadurch können Arbeitnehmer in bestimmten Situationen verwundbar durch opportunistisches Managementverhalten sein. Eine theoretisch fundierte Lösung dieser Probleme, die sich zugleich harmonisch in das moderne Verständnis der Aktiengesellschaft als Netzwerk von Verträgen einfügen würde, versucht man im neueren amerikanischen Schrifttum mit der Theorie impliziter Verträge zu liefern.90 Danach akzeptieren Arbeitnehmer am Anfang ihres Berufslebens eine Bezahlung, die etwas unter ihrem Marktwert liegt, im Vertrauen auf das implizite Versprechen des Arbeitgebers, als ältere Arbeitnehmer einen etwas über der eigenen Produktivitätsrate liegenden Arbeitslohn zu erhalten und dann nicht grundlos durch jüngere Arbeitnehmer ersetzt zu werden.91 Dadurch schaffe der Arbeitgeber einen Anreiz für den Arbeitnehmer, sich wünschenswerte firmenspezifische Kenntnisse anzueignen.92 Die Ausweitung der fiduziarischen Pflichtenbindung auf andere Gruppen neben den Aktionären dient nach dieser Theorie als der rechtstechnische Hebel, der es dem Management ermöglicht, es aber auch verpflichtet, die impliziten Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern zu beachten. Dieser Ansatz – nicht die Problembeschreibung – begegnet schon in den USA berechtigter Kritik. Zunächst ist festzustellen, dass es trotz aller Schwierigkeiten im Vergleich mit der Situation der Aktionäre vertragstechnisch eher möglich ist, die Erwartungen der Arbeitnehmer weitgehend durch explizite Vereinbarungen zu sichern.93 So können nicht nur Löhne sowie Arbeitszeiten und -bedingungen, sondern auch Kündigungsfristen und -gründe, Abfindungszahlungen sowie der gänzliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung vereinbart werden.94 Die Tatsache, dass dies in den USA für viele Arbeitnehmer nicht geschieht, ändert nichts an der 89

Kübler, FS Zöllner, S. 321, 325; R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515,

529. 90 Vgl. O’Connor, 69 N.C.L. Rev. 1189, 1203 ff. (1991); dies., in: Progressive Corporate Law, S. 219 ff.; Stone, 21 Stetson L. Rev. 45, 48 ff. (1991); Coffee, 85 Mich. L. Rev. 1, 81 ff. (1986); Überblick bei Millon, in Mitchell, Progressive Corporate Law, S. 16 ff., der diese Strömung als „progressive contractarianism“ bezeichnet. 91 O’Connor, 69 N.C.L. Rev. 1189, 1204 (1991). 92 Millon, 24 Ind. L. Rev. 223, 234 (1991). 93 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 37 (1991); Zöllner, AG 2003, 2, 8. 94 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 37 (1991).

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technischen Möglichkeit einer weitgehenden vertraglichen Absicherung. Was das firmenspezifische Humankapital anbelangt, so handelt es sich dabei nicht um einen einseitigen Verlust nur auf Seiten des Arbeitnehmers: Wenn der Arbeitnehmer tatsächlich über besondere Fähigkeiten verfügt, so gehen diese auch für den Arbeitgeber verloren, was zumindest grundlosen Kündigungen normalerweise entgegenwirkt.95 Soweit ein Arbeitsvertrag besteht, haben Gerichte die Möglichkeit, unvorhersehbare Härten durch ergänzende Auslegung dieses Vertrags abzumildern.96 Schließlich vermag auch der allfällige Hinweis auf Disparität und strukturelle Ungleichheit im Arbeitsverhältnis97 keine überzeugende Begründung für die Erweiterung des Kreises zulässiger unternehmerischer Erwägungen zu liefern. Damit soll nicht behauptet werden, Arbeitnehmer könnten tatsächlich stets ihre Vertragsbedingungen auf gleicher Augenhöhe mit dem Arbeitgeber aushandeln. Zweifellos können die meisten Arbeitnehmer dies nicht. Darum geht es aber nicht. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob die Erweiterung des Leitungsermessens irgendetwas an diesem Zustand ändert.98 Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Ist eine Aktiengesellschaft einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern strukturell überlegen, so besteht für die Unternehmensleitung kaum Veranlassung, eine Rechtsnorm, die sie berechtigt oder verpflichtet, nach ihrem eigenen Ermessen (auch) die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen, dazu zu nutzen, den Arbeitnehmern tatsächlich bessere Bedingungen zu bieten, als sie der Markt (unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Reputation und Mitarbeitermotivation) fordern. Denn gemessen wird das Management durch Kapitalmärkte und Aktionärsversammlungen allein an dem Profit, den es erwirtschaften kann. Naheliegender ist daher die Annahme, dass eine solche Ermächtigung vor allem dazu in Anspruch genommen wird, Kritik und Kontrolle durch die Anteilseigner abzuwehren; damit klingt bereits das dritte große Argument (Aufweichung der Verantwortlichkeit99) gegen ein interessenpluralistisches Verständnis der Leitungsaufgabe an. Die Hoffnung, auf diese Weise strukturelle Ungleichheiten auszugleichen und die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer über dasjenige hinaus zu verbessern, was das langfristig-egoistische unternehmerische Kalkül ohnehin erfordert, erscheint einigermaßen naiv.100 95 Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 41 (1996). Freilich bleibt die Möglichkeit der „Erpressung“ des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, das (niedrigere) Gehalt zu akzeptieren, das er außerhalb des Unternehmens erzielen könnte; dazu R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 529. 96 Vgl. Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 37 (1991): „Moreover, should unforeseen contingencies arise that cast doubt on the efficacy of contractual protection, courts can protect workers by construing their employment contracts in light of the original purpose behind the agreements.“ 97 Vgl. etwa die Ausführungen unter der Überschrift „Bargaining Power“ von Millon, in: Mitchell, Progressive Corporate Law, S. 7 f. 98 Vgl. Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 38 (1991). 99 Dazu unten S. 164 ff.

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Geradezu deplatziert wirkt die Argumentation mit der Notwendigkeit eines ergänzenden Arbeitnehmerschutzes schließlich, wenn man sie auf Deutschland überträgt. Die deutsche Rechtsordnung bietet Arbeitnehmern ein Schutzniveau, das weltweit und insbesondere im Vergleich mit den USA seinesgleichen sucht. Bei Tarifverhandlungen sowie in der politischen Arena werden die Interessen der Arbeitnehmer mit den Gewerkschaften durch äußerst mächtige Akteure wirkungsvoll vertreten. Vielfältige Beteiligungs- und Vertretungsrechte auf Betriebs- und Unternehmensebene geben den Belegschaften Einfluss und helfen, Informationsasymmetrien abzubauen. Weitgehend zwingende Regelungen des Individualarbeitsrechts gewährleisten Vertragsbedingungen, die den berechtigten Erwartungen und Wünschen von Arbeitnehmern Rechnung tragen und unzumutbare oder unmenschliche Arbeitsbedingungen unmöglich machen. Schließlich sorgt das Kündigungsschutzrecht dafür, dass die einseitige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zu einem schwierigen und kostspieligen Unterfangen wird, das ohne Beratung durch arbeitsrechtlich versierte Juristen nur schwer zu meistern ist. Zur rechtspolitischen Weisheit dieser Regelungen im Einzelnen mag man stehen, wie man will. Jedenfalls entziehen sie jeder Argumentation den Boden, Arbeitnehmer könnten sich nicht anderweitig (also außerhalb des Gesellschaftsrechts) schützen und es bedürfe daher einer besonderen Verpflichtung des Vorstands auch auf ihr Wohl.101

b) Finanzgläubiger Gläubiger, die der Gesellschaft Fremdkapital zur Verfügung stellen, können sich im Regelfall durch explizite Vereinbarungen nahezu vollständig absichern.102 Zunächst haben sie die Möglichkeit, über die Laufzeit des Kredits das Risiko opportunistischen Verhaltens in zeitlicher Hinsicht zu beschränken. Darüber hinaus können sie die Kreditvergabe von der Einräumung entsprechender (dinglicher) Sicherheiten abhängig machen.103 Außerdem besteht die Möglichkeit, den Kreditnehmer durch ausgefeilte Übereinkommen, wie sie vor allen im amerikanischen Anleihenmarkt üblich sind (sog. covenants), zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen zu verpflichten und so das Risiko einzugrenzen.104 Eine sog. put-Option kann 100 Vgl. Schulze, 49 Stan. L. Rev. 1607, 1642 (1997): „reforming labor laws . . . is a better solution“. 101 Auf den umfangreichen Arbeitnehmerschutz außerhalb des Gesellschaftsrechts in Deutschland weist im Zusammenhang mit der Shareholder-Value-Diskussion auch hin Schilling, BB 1991, 373, 381; vgl. auch Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158: „[D]ie Wahrung der Belange der Belegschaft [ist] in erster Linie Aufgabe des kollektiven Arbeitsrechts mit seinen verschiedenen Instrumentarien von der Betriebsverfassung bis hin zum Tarifrecht.“ 102 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 328. 103 Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 47 (1996). 104 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 328; vgl. die Betonung der vertraglichen Rechte der Anleihegläubiger durch das Gericht in Revlon v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 182 (Del. 1985).

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

bestimmen, dass Anleihen beim Eintritt bestimmter Ereignisse zu einem bestimmten Preis zurückgekauft werden müssen.105 Der bei jeder Kreditvergabe verbleibenden Unsicherheit kann (und wird) durch die Höhe der Risikoprämie im Zinssatz Rechnung getragen.106 In Krisensituationen sorgen Eigenkapitalersatz- und Insolvenzrecht für zusätzlichen Schutz. Schließlich geht vom Fremdkapitalmarkt eine disziplinierende Wirkung aus, da die verantwortlichen Manager wissen, dass sie über kurz oder lang um neues Fremdkapital werben müssen und es sich daher normalerweise nicht leisten können, auf Kosten der Gläubiger nicht vereinbarte Risiken einzugehen.107 c) Zulieferer und Warenkreditgeber Für Zulieferer und Warenkreditgeber lohnt es sich in der Regel nicht, ähnlich detaillierte Übereinkünfte wie Finanzgläubiger auszuarbeiten. Andererseits ist aber ihr Risiko sowohl in zeitlicher als auch in gegenständlicher Hinsicht begrenzter als das der Geldkreditgeber. Zum einen ist der Zeitraum, innerhalb dessen Schulden beglichen werden müssen, bei Warenkrediten normalerweise kürzer. Zum anderen ist das Sicherheitsinteresse auf bestimmte greifbare Vermögensgegenstände begrenzt. Daher ist auch dieser Gruppe in der Regel die vertragliche Wahrung ihrer Interessen möglich, insbesondere durch die Einräumung dinglicher Sicherheiten. Zwar gibt es Sonderfälle, in denen Zulieferer erhebliche firmenspezifische Investitionen tätigen, weil sie sich ganz auf die Bedürfnisse eines bestimmten Abnehmers spezialisieren.108 Derartige Dispositionen können jedoch vertragstechnisch über umfangreichere Kooperationsverträge bzw. durch vertikale Integration geschützt werden.109 Die mangelnde Bereitschaft der Aktiengesellschaft zum Abschluss solcher Vereinbarungen mag ein kartellrechtliches Problem darstellen (und wäre dann mit den Mitteln dieser Rechtsmaterie zu lösen); an der grundsätzlichen Möglichkeit eines nahezu vollständigen Schutzes außerhalb des Gesellschaftsrechts ändert dies nichts. d) Kunden Die Beziehungen der Aktiengesellschaft zu den Abnehmern ihrer Produkte bereiten in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht die wenigsten Probleme.110 In der 105 Ruffner, S. 167; Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 39 (1991); Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 46 (1996). 106 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 328; Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 47 (1996). 107 Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 45 (1996). 108 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 324. 109 Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 53 (1996). 110 Vgl. Kübler, FS Zöllner, S. 321, 324; Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 51 f. (1996).

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Regel handelt es sich um einfache Austauschtransaktionen, bei denen bei funktionierendem Wettbewerb schon die Marktkräfte opportunistischem Verhalten der Gesellschaft entgegenwirken. Zusätzlichen Schutz schaffen zwingende Regeln des Verbraucherschutzrechts sowie Gewährleistungsrechte, indem sie die Auswirkungen von Informationsasymmetrien abmildern. Wenn und soweit Märkte nicht funktionieren, steht mit dem Kartellrecht das geeignete Instrumentarium bereit, ohne dass es einer diffusen Vorstandspflicht zur Wahrung von Konsumenteninteressen bedürfte (die, wenn die Gesellschaft tatsächlich über Marktmacht verfügt, ohnehin keine Besserung des Verhaltens erwarten lässt). Bei besonders gefährlichen Produkten wie etwa Arzneimitteln kann der Staat durch Zulassungs- und Überwachungsverfahren die Interessen der Abnehmer wirksam schützen.111

e) Staat und Gemeinden Kommunale Gebietskörperschaften investieren mitunter erhebliche Beträge in firmenspezifische Infrastrukturprojekte wie etwa den Anschluss eines außerhalb des Ortskerns gelegenen Betriebsgrundstücks an das Straßennetz und die Kanalisation. Bund und Länder unterstützen nicht selten den Bau von Industrieanlagen durch Subventionen aus öffentlichen Mitteln. All dies geschieht in der Erwartung, die Aktiengesellschaft werde dort Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Diese Erwartung kann enttäuscht werden, wenn eine Niederlassung geschlossen wird oder Arbeitsplätze abgebaut werden. Anders als bei anderen Gruppen, die Beiträge zum Unternehmenserfolg erbringen, muss die Beziehung der staatlichen Stellen zur Aktiengesellschaft nicht in regelmäßigen Abständen neu verhandelt werden; bei den Zuwendungen handelt es sich oft um einmalige Anschubförderungen. Gleichwohl bestehen technische Möglichkeiten für Staat und Gemeinden, ihre Investitionen abzusichern.112 So kann in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG) vereinbart werden, dass bei Nichterfüllung eines bestimmten Arbeitsplatzziels Subventionen zurückgezahlt sowie die Kosten für speziell geschaffene Infrastrukturmaßnahmen von der Aktiengesellschaft im nachhinein getragen werden müssen. Darüber hinaus sind Staat und Gemeinden als Träger öffentlicher Gewalt in besonderem Maße in der Lage, ihre Interessen durch hoheitliche Maßnahmen bzw. auf dem politischen Wege zu sichern.113 Freilich sind der Möglichkeit, staatliche Interessen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag oder einseitige hoheitliche Maßnahmen zu sichern, in Zeiten zunehmender Globalisierung der Märkte und des damit einhergehenden Wettbewerbs der Staaten um Industrieansiedlungen und Kapital faktische Grenzen gesetzt.114 Dabei handelt 111 Williamson, 93 Yale L.J. 1197, 1213 (1984); Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 51 f. (1996). 112 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 42 (1991); Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 54 (1996). 113 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 42 f. (1991).

11 Empt

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

es sich um einen Effekt, der in vielen Rechtsgebieten zu beobachten ist und insbesondere westliche Industrieländer vor neue Herausforderungen stellt.115 Endgültige Antworten auf diese Fragen stehen noch aus. Mit einiger Sicherheit lässt sich aber von der Warte des Gesellschaftsrechtlers aus sagen, dass die Erweiterung des Handlungsspielraums der Vorstände von Aktiengesellschaften keine erfolgversprechende Lösung darstellt116; auf die Ausführungen zur Disparität im Arbeitsverhältnis sei insoweit verwiesen. Als Reaktion auf einen tatsächlichen oder wahrgenommenen Machtverlust staatlicher Stellen den Managern privater Unternehmen das rechtliche Mandat zur Wahrung des Allgemeinwohls einzuräumen, verstärkt diesen Trend nur noch und ist überdies aus staatsrechtlicher Sicht bedenklich, handelt es sich dabei doch um einen in keiner Weise demokratisch legitimierten Personenkreis.117

4. Fazit „The hearts of stakeholder advocates are in the right place.“118 Arbeitnehmer, Gläubiger, Zulieferer und Abnehmer der Aktiengesellschaft sowie die Allgemeinheit haben berechtigte Interessen und Erwartungen, deren Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit niemand bezweifelt.119 Diesen Interessen kommt in einem sozialen Rechtsstaat, dessen Verfassung die Sozialpflichtigkeit des Eigentums bestimmt, besondere Bedeutung zu. Ebenso wenig lässt sich leugnen, dass bestehende und denkbare Schutzmechanismen außerhalb des Aktienrechts keinen perfekten Schutz der „Stakeholders“ bieten (können). Darum geht es bei der Diskussion um Corpo114 Vgl. Avi-Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1575 (2000); zum Effekt der Globalisierung ausführlicher unten S. 181 ff. 115 Vgl. den informativen Überblick bei Bhala, International Trade Law, S. 99 ff. 116 Vgl. Ruffner, S. 169: „Öffentliche Interessen (z. B. Umweltschutz, sozialpolitische Anliegen etc.) lassen sich . . . wesentlich effizienter durch andere wirtschaftspolitische Instrumente als durch eine diffuse Instrumentalisierung des Aktienrechts . . . erreichen.“ 117 Auf die mangelnde demokratische Legitimation von Managern weisen auch hin Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 55 (1996); Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 42 (1991): „Creating such a duty transforms the top managers of public companies from private businessmen into unelected and unaccountable public servants.“ Ähnlich Wiedemann, ZGR 1980, 147, 163; ausführlich zu diesem Problem unten S. 185 ff. 118 Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 86 (1996); gleichsinnig Parkinson, S. 304: „That companies should sometimes forgo profits in order to reduce the harmful impact of their activities, to treat beneficently groups with whom they deal, or to bring their resources to bear in helping to solve social problems, has a certain intuitive appeal.“ 119 Vgl. aus der Perspektive zweier prominenter Befürworter einer alleinigen Verpflichtung von Managern auf das Aktionärsinteresse Hansmann / Kraakman, 89 Geo. L.J. 439, 441 (2001): „All thoughtful people believe that corporate enterprise should be organized and operated to serve the interests of society as a whole, and that the interests of shareholders deserve no greater weight in this social calculus than do the interests of any other members of society.“

III. Der Mangel anderweitiger Schutzmechanismen

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rate Social Responsibility und Shareholder Value aber nicht.120 Die Frage ist allein, ob es auch Aufgabe der Vorstände privater Aktiengesellschaften sein sollte, diese Interessen auf Kosten des Gesellschaftsvermögens über die Erfüllung vertraglicher und gesetzlicher Ansprüche hinaus nach ihrem eigenen Ermessen zu schützen.121 Die Ausführungen in diesem Abschnitt haben gezeigt, dass es für die Anteilseigner ungleich schwieriger als für die anderen Gruppen ist, ihr diffuses Interesse als residuale Risikoträger durch explizite Vereinbarungen abzusichern und sie daher in besonderer Weise auf eine generelle und ungeteilte Interessenwahrungspflicht des Managements angewiesen sind. Zugleich bestehen berechtigte Zweifel, ob die einseitige Lockerung der Vorstandsverantwortlichkeit gegenüber den Anteilseigern irgendeine Verbesserung für die anderen Gruppen mit sich bringt oder ob dadurch nicht vielmehr allein das Management vor Kritik und Kontrolle geschützt wird.122 Damit leiten die Überlegungen geradewegs zum nächsten großen Einwand gegen ein interessenpluralistisches Verständnis der Leitungsaufgabe über, der im folgenden Unterabschnitt ausführlich behandelt werden soll.

120 Vgl. Hansmann / Kraakman, 89 Geo. L.J. 439, 442 (2001): „Of course, asserting the primacy of shareholder interests in corporate law does not imply that the interests of corporate stakeholders must or should go unprotected. It merely indicates that the most efficacious legal mechanisms for protecting the interests of nonshareholder constituencies . . . lie outside of corporate law.“ Ebenso Wymeersch, ZGR 2001, 294, 303 („keine Aufgabe des Gesellschaftsrechts“); Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 289; Wackerbarth, WM 2001, 1741, 1744 („Wer behauptet, die vom Gesetzgeber . . . vorgesehenen Maßnahmen oder Rechte der betroffenen stakeholder seien nicht ausreichend, muss beim Gesetzgeber für größeren Schutz werben, jedoch im Arbeits- oder Wirtschaftsrecht, nicht auf der Ebene des Kapitalmarkt- bzw. Gesellschaftsrechts.“); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, S. 627; ders., Organverantwortung, S. 35 („die Gesetzgeber nachzubessern, ist nicht Aufgabe der Geschäftsleitung einer Handelsgesellschaft“); Zöllner, AG 2003, 2, 8, 10; in diese Richtung auch R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 555. 121 Auf die primäre Funktion des Aktienrechts als Organisationsrecht weist hin Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158: „So spricht gegen die Verbindlichkeit der Interessen der übrigen Stakeholder im Rahmen des Leitungsauftrags des Vorstands, dass der Gesetzgeber ihrer Berücksichtigung sachgerecht auf andere Weise, außerhalb des Aktienrechts, Rechnung trägt; ihre Inkorporierung in das AktG erschiene wenig systemkonform, bedenkt man dessen primäre Funktion als Organisationsrecht der AG in ihrer Rolle als Unternehmensträger.“ Ähnlich Ruffner, S. 169, der vor einer „diffusen Instrumentalisierung des Aktienrechts“ warnt. In einem größeren Zusammenhang Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 7: Rechtsnormen, die dem Ziel der Ressourcenlenkung dienten, sollten nicht zusätzlich mit Umverteilungsaufgaben belastet werden, Verteilungsgerechtigkeit sei vielmehr durch andere Rechtsmaterien anzustreben. 122 So auch Ruffner, S. 168; vgl. Hansmann / Kraakman, 89 Geo. L.J. 439, 449 (2001): „[E]ven where contractual and regulatory devices offer only imperfect protection for nonshareholder interests, adapting the firm’s governance structure to make it directly responsible to those interests creates more difficulties than it solves.“

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

IV. Soziale Verantwortung und gesellschaftsrechtliche Verantwortlichkeit Ist der Vorstand der Aktiengesellschaft berechtigt oder verpflichtet, nach seinem Ermessen die Interessen der verschiedenen Gruppen gegeneinander und untereinander abzuwägen, so können sein Verhalten und seine Leistungen nicht mehr an dem relativ klaren Maßstab der Gewinnmaximierung für Gesellschaft und Gesellschafter gemessen werden. Die rechtliche Kontrolle des Managements durch Sorgfalts- und Treuepflichten (vgl. § 93 Abs. 1 AktG) wird dadurch erschwert. Damit verschärft ein interessenpluralistisches Verständnis der Leitungsaufgabe das für moderne Publikumsgesellschaften typische Prinzipal-Agenten-Problem – ein Problem, das die Gesellschaftsrechtswissenschaft seit der Untersuchung von Berle und Means aus dem Jahr 1932 beschäftigt123 und das im Lichte moderner mikroökonomischer Erkenntnisse zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses rückt.124 1. Das Prinzipal-Agenten-Problem a) Begriff Bei der Beziehung zwischen Anteilseignern und Managern handelt es sich um eine volkswirtschaftlich effiziente Form der Arbeitsteilung.125 Dabei überlassen die Kapitalgeber ihre Mittel professionellen Managern mit spezifischen unternehmerischen Fähigkeiten mit dem Auftrag, das Kapital gegen Zahlung eines Entgelts im Interesse der Kapitalgeber einzusetzen. Dieses Arrangement ermöglicht es Kapitalanlegern, von den besonderen Chancen unternehmerischer Tätigkeit zu profitieren, ohne selbst Zeit und Arbeitskraft investieren zu müssen. Andererseits können Unternehmerpersönlichkeiten so Kapital sammeln, über das sie persönlich nicht verfügen. Zugleich besteht für Anleger die Möglichkeit, firmenspezifische Risiken durch Diversifizierung ihres Portfolios zu reduzieren. Damit sinnvolle unternehmerische Tätigkeit möglich ist, müssen die Anteilseigner als Auftraggeber (principals) den Managern als ihren Beauftragten (agents) einen relativ weiten Entscheidungsspielraum einräumen, wie er im deutschen Aktienrecht in § 76 Abs. 1 AktG normiert ist.126 Das unvermeidliche Problem der 123 Berle / Means, The Modern Corporation and Private Property; vgl. Hopt, FS Wiedemann, S. 1013, 1014 f. 124 Grundlegend aus der neueren Literatur Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976); instruktiver Überblick bei Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 195, 1198 f. (1999); Hart, 89 Colum. L. Rev. 1757, 1758 ff. (1989); Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1046 ff.; Zimmermann / Wortmann, DB 2001, 289 ff. 125 Ruffner, S. 131; Fleischer, ZGR 2001, 1, 8. 126 Vgl. die Definition des Prinzipal-Agent-Verhältnisses bei Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976): „We define an agency relationship as a contract under which one or more persons (the principal(s)) engage another person (the agent) to perform some service on their behalf which involves delegating some decision making authority to the agent.“

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gesellschaftsrechtlichen Prinzipal-Agenten-Beziehung liegt in der stets bestehenden Tendenz des Managements, diesen (notwendigen) Freiraum in bestimmten Situationen dazu zu nutzen, den eigenen Nutzen statt den der Anteilseigner zu maximieren.127 Dieses Problem besteht, weil Manager als Wahrer fremder Interessen nicht über vollkommene Anreize zur Wahl des aus Anlegersicht optimalen Sorgfalts- und Anstrengungsniveaus verfügen.128 In der großen Publikumsgesellschaft, bei der Anteilseigentum und operative Kontrolle in verschiedenen Händen liegen, stimmen die Interessen des Managements nie vollständig mit denen der Anteilseigner überein, weil das Management einerseits nicht einhundert Prozent der marginalen Erträge besonders großer Anstrengungen erhält, andererseits aber die Kosten suboptimaler Anstrengungen auf die Gesamtheit der Aktionäre umgelegt werden. Dadurch besteht bei professionellen Managern großer Gesellschaften ein im Vergleich zu Eigentümer-Managern geringerer Anreiz, sich um Profitsteigerungen zu bemühen.129 Hinzu kommt, dass Vorstände einer Publikumsgesellschaft in der Regel risikoaverser sind als deren diversifizierte Aktionäre, da ein großer Anteil ihres Vermögens in der Form von Humankapital in der Gesellschaft gebunden ist.130 Für rational-egoistisch handelnde Manager131 erweist es sich damit in bestimmten Grenzen als vorteilhafter, sich (potentielle) Profite oder andere Ressourcen des Unternehmens durch überhöhte Gehälter, niedrigen Arbeitseinsatz, übertriebenen Repräsentationsaufwand oder den Aufbau unproduktiver Wirtschaftsimperien (empire building) direkt oder indirekt anzueignen.132 Begünstigt wird diese Tendenz durch 127 Vgl. Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976): „If both parties to the relationship are utility maximizers there is good reason to believe that the agent will not always act in the best interests of the principal.“ Gleichsinnig Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1198 f. (1999): „Non-owner managers may be tempted to maximize their own welfare rather than the profits of the firm that employ them, preferring themselves over the shareholders . . . Managers should act as agents of the firm, but they have some incentive to maximize their own utility at the expense of firm profits.“ Siehe auch Cox / Hazen / O’Neal, Corporations, § 2.5, S. 38. 128 Ruffner, S. 216; Easterbrook / Fischel, S. 91. 129 Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 313 (1976): „[A]s the manager’s ownership claim falls, his incentive to devote significant effort to creative activities such as searching out new profitable ventures falls. He may in fact avoid such ventures simply because it requires too much trouble or effort on his part to manage or learn about new technologies. Avoidance of these personal costs and the anxieties that go with them also represent a source of on the job utility to him and it can result in the value of the firm being substantially lower than it otherwise could be.“ Vgl. auch das Beispiel von Easterbrook / Fischel, S. 10: „[T]he upper manager may ,slack off‘ by working seventy hours per week rather than the seventyfive he would work if he received more of the reward from his effort.“ 130 Ruffner, S. 218; Easterbrook / Fischel, S. 99. 131 Ausführlich zur wirtschaftswissenschaftlichen Grundannahme rational-egoistischen Verhaltens und den daran geäußerten Zweifeln Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 56 ff. m. w. N. 132 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 601; Ruffner, S. 131; Allen, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1395, 1400 (1993): „Agency costs include market rate salaries and other irreducible costs, but more importantly they include various forms of sub-optimizing behavior by agents.

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die Tatsache, dass Manager gegenüber den Anteilseignern durch ihre Tätigkeit über einen Informationsvorsprung verfügen, der ihre Überwachung erschwert.133 Den durch die Interessendivergenz entstehenden (unvermeidlichen) Verlust sowie die zur Begrenzung dieses Verlusts erforderlichen Kontrollkosten fasst man unter dem Begriff der agency-Kosten zusammen.134 Zentrales Anliegen eines effizienten Gesellschaftsrechts muss es sein, die agency-Kosten möglichst niedrig zu halten.135 b) Marktliche Kontrollmechanismen und ihre Grenzen Eine Reihe von marktlichen Kontrollmechanismen begrenzt faktisch die Möglichkeit von Managern, ihren eigenen Nutzen auf Kosten der Anteilseigner zu maximieren. So sind Produktmärkte, Kapitalmärkte, der Markt für Manager sowie der Markt für Unternehmenskontrolle136 beispielsweise relativ gut geeignet, ein über längere Zeit zu beobachtendes zu geringes Anstrengungsniveau des Managements zu bestrafen und üben dadurch einen disziplinierenden Druck auf Unternehmensleitungen aus.137 Erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile und Aktienoptionsprogramme schaffen zusätzliche Anreize. Gleichwohl bleibt ein Bedürfnis nach rechtCertain implicit costs, for example, will arise from a disjunction between the kinds and amounts of investments made by agents and their principals and the returns available to each. In addition, shirking, empire-building or venal diversion of corporate property or prospects all constitute agency costs of the corporate form.“ 133 Fleischer, ZGR 2001, 1, 9; Ruffner, S. 212. 134 Vgl. Jensen / Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 308 (1976): „[I]t is generally impossible for the principal or the agent at zero cost to ensure that the agent will make optimal decisions from the principal’s viewpoint. In most agency relationships the principal and the agent will incur positive monitoring and bonding costs (non-pecuniary as well as pecuniary), and in addition there will be some divergence between the agent’s decisions and those decisions that would maximize the welfare of the principal. The dollar equivalent of the reduction in welfare experienced by the principal due to this divergence is also a cost of the agency relationship, and we refer to this latter cost as the ,residual loss’. We define agency costs as the sum of: (1) the monitoring expenditures by the principal, (2) the bonding expenditures by the agent, (3) the residual loss.“ Ähnlich Easterbrook / Fischel, S. 10. 135 Millon, 1990 Duke L.J. 201, 230; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047; vgl. auch Ruffner, S. 132: „Es liegt . . . sowohl im Interesse der kapitalsuchenden Unternehmer wie auch der Investoren, Überwachungs- und Selbstbindungsmechanismen zu finden, welche die residualen Verluste soweit reduzieren, dass die gesamten Agenturkosten minimiert werden. Angestrebt wird mithin ein Optimum an Kontrolle und Selbstbindung und nicht ein Maximum. Solange die operative Führung und die Übernahme des residualen Risikos nicht in einer Hand liegen, sind Agenturkosten unvermeidlich. Sie stellen gewissermaßen den Preis dar, der für die Vorteile der Arbeitsteilung gezahlt werden muss.“ 136 Grundlegend zum Markt für Unternehmenskontrolle Manne, 73 J. Pol. Econ. 110 (1965); neuerdings in Reaktion auf den Enron-Skandal ders. unter der Überschrift „Bring Back the Hostile Takeover“ in Wall Street Journal vom 26. Juni 2002, S. A18. 137 Überblick bei Butler / Ribstein, The Corporation and the Constitution, S. 7 ff.; Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 195, 1200 (1999); Easterbrook / Fischel, S. 95 ff.

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lichen Kontrollmaßstäben.138 Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen die möglichen Gewinne eines eigennutzmaximierenden Verhaltens für das Management das Sanktionspotential des Marktes deutlich übersteigen, so dass der normalerweise zu befürchtende Reputationseffekt keinerlei abschreckende Wirkung mehr entfaltet.139 Das klassische Beispiel für ein solches Endspiel-Szenario ist die Übernahmesituation, in der die Position des Managements unmittelbar gefährdet ist. Das Bedürfnis nach sanktionsbewehrten Sorgfaltspflichten besteht unabhängig davon, ob man die Leitungsorgane der Gesellschaft allein auf das Aktionärsinteresse oder auf die Interessen aller „stakeholders“ verpflichtet sieht. Denn nach keinem der beiden Ansätze sind Manager als Wahrer fremder Interessen berechtigt, ihre eigenen Interessen vor die der Nutznießer ihres Wirkens zu stellen – seien diese nun allein die Anteilseigner oder die gesamte Gruppe der „stakeholders“.140

2. Mangelnde Standards Die Aufwertung des Vorstands zum unabhängigen Mediator zwischen einer Reihe von konkurrierenden und schwer messbaren Interessen erschwert dessen Kontrolle, weil handhabbare Maßstäbe für die ordnungsgemäße Erfüllung der so verstandenen Leitungsaufgabe fehlen.141 Insbesondere die Befugnis oder Verpflichtung zur Wahrung von Allgemeininteressen erweitert den Kreis grundsätzlich zulässiger Erwägungen dramatisch, da es eine fast unbegrenzte Zahl öffentlicher Belange gibt.142 Fast jede wichtigere unternehmerische Entscheidung hat Auswirkungen, die im weitesten Sinne die Allgemeinheit betreffen. Die von den Vertretern einer interessenpluralistischen Vorstandsaufgabe postulierte Gleichrangigkeit aller betroffenen Interessen macht es unmöglich, auch nur ansatzweise Verhaltensmaßstäbe herauszubilden, an denen der Vorstand gemessen werden könnte.143 Denn „[l]egt man die Elle der Gewinn- und Verlustrechnung zur Seite, so wird sich für fast jedes Verhalten eine plausible Begründung finden lassen.“144 WirtschaftliRuffner, S. 150 f. Ruffner, S. 214. 140 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 169; Hopt, ZGR 1993, 534, 538: „Gesichert ist . . ., dass der Vorstand kein eigener Interessent im Konzert der Interessen in der Aktiengesellschaft ist.“ 141 Die erschwerte Kontrollierbarkeit von Managemententscheidungen als Folge eines interessenpluralistischen Verständnisses wird auch von den Befürworten dieser Lehre eingeräumt, vgl. Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 11; Stone, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 123; Millon, in: Mitchell, Progressive Corporate Law, S. 15. 142 Wiedemann, ZGR 1980, 147, 163; ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 1, S. 322; ähnlich auch schon Ruder, 114 U. Pa. L. Rev. 209, 226 (1965). 143 Vgl. ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253, 2269 (1990): „When directors must not only decide what their duty of loyalty mandates, but also to whom their duty of loyalty runs (and in what proportions), poorer decisions can be expected.“ 138 139

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cher Erfolg lässt sich trotz aller Zweifel an der Effizienz von Kapitalmärkten145 und aller Schwierigkeiten, das Gebot der Gewinnmaximierung in ein operational fassbares Zielsystem zu übersetzen146, relativ leicht messen.147 Dagegen gibt es schlicht keine nachvollziehbaren Kriterien, mit Hilfe derer „weiche“ Faktoren wie der Grad der Rücksichtnahme auf Arbeitnehmer oder die Umwelt oder die Wahrung von Allgemeininteressen objektiv bewertbar wären.148 Zwar gibt auch eine rechtliche Bindung des Leitungshandelns allein an das Aktionärsinteresse in den meisten Fällen keine eindeutige Antwort auf die Frage nach der „richtigen“ Entscheidung und eröffnet dem Management rechtlich schwer zu überprüfende Handlungsspielräume. Das hat zwei Gründe. Zum einen handelt es sich bei den Aktionären großer Publikumsgesellschaft nicht um eine homogene Gruppe mit den gleichen Interessen.149 So haben beispielsweise Anleger mit einem kurzen Zeithorizont andere Erwartungen als solche, die auf längere oder unbegrenzte Zeit in die Gesellschaft investiert haben, und Anleger mit einem diversifizierten Portfolio bevorzugen eine andere Risikoexposition als solche, deren Kapital überwiegend in einer einzigen Aktiengesellschaft investiert ist.150 Zum anderen 144 Wiedemann, ZGR 1980, 147, 163; vgl. auch die Einschätzung von Demsetz, 10 Sw. U. L. Rev. 1 (1978): „Too many philosophers and economists, good men and mediocre, have failed in their attempts to define even ,the fair price‘, ,the just wage‘, or ,fair competition‘.“ 145 Vgl. zur sog. „Efficient Market Hypothesis“ und der daran geäußerten Kritik die ausführliche Darstellung in deutscher Sprache bei Ruffner, S. 349 ff. m. w. N.; grundlegend aus dem juristischen Schrifttum Gilson / Kraakman, The Mechanisms of Market Efficiency, 70 Va. L. Rev. 549 (1984). Zu diesem Aufsatz – mit den Worten von Langevoort, 28 J. Corp. L. 499 (2003) „one of a handful of articles that has profoundly influenced the way we think about the field“ – fand im April 2003 unter dem Titel „Revisiting the Mechanisms of Market Efficiency“ ein Symposium des Journal of Corporation Law mit den beiden ursprünglichen Autoren und anderen führenden Gesellschaftsrechtlern statt, dessen lesenswerte Beiträge in Band 28 der Zeitschrift abgedruckt sind, vgl. etwa Allen, Securities Markets as Social Products: The Pretty Efficient Capital Market Hypothesis, 28 J. Corp. L. 551 (2003); Stout, The Mechanisms of Market Inefficiency: An Introduction to the New Finance; 28 J. Corp. L. 635 (2003); Gilson / Kraakman, The Mechanisms of Market Efficiency Twenty Years Later: The Hindsight Bias, 28 J. Corp. L. 715 (2003). 146 Dazu ausführlich Großmann, Unternehmensziele, S. 37 ff. 147 Kübler, FS Zöllner, S. 321, 334: „Das Gesellschaftsziel der Gewinnmaximierung zugunsten der Aktionäre ist justiziabel, der normative Maßstab des „Unternehmensinteresses“ wirft insoweit erhebliche Fragen auf.“ 148 Vgl. Clark, Corporate Law, S. 20: “ A single objective goal like profit maximization is more easily monitored than a multiple, vaguely defined goal like the fair and reasonable accommodation of all affected interests . . . Assuming shareholders have some control mechanisms, better monitoring means that corporate managers will be kept more accountable. They are more likely to do what they are supposed to do and do it efficiently.“; gleichsinnig Easterbrook / Fischel, 26 J.L. & Econ. 395, 405 (1983): „[S]ingle-objective firms are more likely to prosper relative to others.“; ähnlich schon Manne, 62 Col. L. Rev. 399, 415 (1962): „Perhaps the gravest danger . . . is that of losing the only objective standard available for judging quality among corporate managers.“ 149 Hanks, 21 Stetson L. Rev. 97, 110 (1991); Van Der Weide, 21 Del. J. Corp. L. 27, 37 f. (1996); Wallmann, 21 Stetson L. Rev. 163, 173 ff. (1991).

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wäre auch bei Existenz eines einheitlichen und klar erkennbaren Aktionärsinteresses höchst selten eine bestimmte Entscheidung als die einzig richtige vorgezeichnet, da jede unternehmerische Entscheidung mit Risiken behaftet ist und daher in der Regel mindestens eine weitere Entscheidung ex ante ebenso erfolgversprechend erscheinen wird.151 Diese Eigenart unternehmerischer Tätigkeit hat auch den BGH in der ARAG / Garmenbeck-Entscheidung veranlasst, dem Vorstand ausdrücklich einen weiten Handlungsspielraum bei der Geschäftsführung zuzubilligen.152 Trotz dieser Schwierigkeiten erlaubt die strikte Orientierung am Aktionärsinteresse aber immerhin die Negativauslese bestimmter Entscheidungen, die unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Vorteile für das Gesellschaftsvermögen erwarten lassen, die in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verbundenen Kosten stehen würden. Auch sind die Aktionäre trotz all ihrer Unterschiede im Vergleich zu der Gesamtheit der „stakeholders“ die Gruppe, deren Interessen noch am weitesten übereinstimmen. Ein im Vergleich zum „Multifiduciary-Modell“153 praktikablerer Maßstab lässt sich schaffen, indem man das Management auf das wohlverstandene Interesse eines hypothetischen Langzeitaktionärs verpflichtet.154 Das so ermittelte typisierte Aktionärsinteresse mag man der sprachlichen Einfachheit halber als „Gesellschaftsinteresse“ bezeichnen155, solange man sich darüber im klaren ist, dass die Gesellschaft als solche keine eigenen Interessen hat.156 Die Tatsache, dass das typisierte Aktionärsinteresse („Gesellschaftsinteresse“) im Einzelfall schon schwer genug zu ermitteln ist, liefert keinen Grund dafür, den (notwendigen) Handlungsspielraum des Vorstands noch zusätzlich zu erweitern157 Vgl. Mülbert, ZGR 1997, 129, 163; Hu, 38 UCLA L. Rev. 277, 365 f. (1990). Vgl. zum unternehmerischen Ermessen im deutschen Aktienrecht Hopt, Großkomm. z. AktG, § 93 Rn. 81; R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 550 („immer eine Ermessensfrage“). 152 BGHZ 135, 244, 253; dazu Boujong, DZWir 1997, 326; Goette, DStR 1997, 883; Götz, NJW 1997, 3275; Heermann, AG 1998, 201; Henze, NJW 1998, 3309; Horn, ZIP 1997, 1129; Kindler, ZHR 162 (1998), 101; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe der AG, S. 171 ff. 153 So die Formulierung von Millon, in: Mitchell, Progressive Corporate Law, S. 11. 154 So der Vorschlag von Monks / Minow, Corporate Governance, S. 41: „[E]nvision a hypothetical long-term shareholder, like the beneficial owner of most institutional investor securities, as the ultimate party at interest. That allows all other interests to be factored in without losing sight of the goal of long-term wealth-maximization.“ 155 Vgl. auch Zöllner, AG 2003, 2, 7, 12, der das Gesellschaftsinteresse definiert „als das durch den Gesellschaftszweck abgegrenzte gemeinsame Interesse aller Gesellschafter“; deutlich Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 53, der als Gesellschaftsinteresse die „Summe der Aktionärsinteressen“ bezeichnet; ähnlich Wackerbarth, WM 2001, 1741, 1744 mit Fn. 33, der unter das Gesellschaftsinteresse versteht das „Kollektivinteresse der Gesamtheit der Gesellschafter (alle Gesellschafter zusammen sind die Gesellschaft)“. 156 Dazu oben S. 146 f. 150 151

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– im Gegenteil: „It is a non sequitur to argue that because it is difficult for directors to determine the best interests of a large, diverse group of stockholders, the directors should therefore be authorized to determine the best interests of an even larger, more diverse group of nonshareholders.“158 Die Leitung einer Aktiengesellschaft ist für Manager schwierig genug „without diverting their attention to saving the world“159. 3. „Too many masters“ Verschärft wird das Problem der mangelnden Kontrollierbarkeit einer nicht allein auf Gewinnsteigerung für die Anteilseigner ausgerichteten Managementtätigkeit durch die Tatsache, dass das interessenpluralistische Verständnis der Leitungsaufgabe zu einer einseitigen Vervielfältigung treuhänderischer Bindungen führt, ohne dass deren Nutznießer ihrerseits über korrespondierende Möglichkeiten zur Kontrolle und Durchsetzung dieser „Verpflichtungen“ verfügten.160 Gläubigern, Zulieferern, Kunden sowie der Allgemeinheit steht kein rechtlicher Mechanismus zur Verfügung, mit dem sie eine angemessene – was auch immer das heißen mag – Berücksichtigung ihrer Belange über die Beachtung ihrer vertraglichen und gesetzlichen Rechte hinaus erzwingen könnten. Gleiches gilt trotz unternehmerischer Mitbestimmung für die Arbeitnehmer. Zwar mögen sie faktisch nicht selten ein bei allein am Interesse der Anteilseigner ausgerichteter Betrachtung nicht gebotenes Entgegenkommen durchsetzen können. Ein Rechtsanspruch darauf besteht aber nicht. Insbesondere muss der Vorstand keine § 93 Abs. 2 AktG entsprechende Haftung gegenüber den „stakeholders“ befürchten, solange er deren vertragliche und gesetzliche Ansprüche beachtet. Kern der Lehre von der sozialen Verantwortung ist ja gerade, dass sie die Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften dazu ermächtigen oder verpflichten soll, nach ihrem eigenen Ermessen Nichtaktionärsinteressen zu berücksichtigen und zu schützen. Corporate Social Responsibility gleicht damit einer Einbahnstraße161, welche einerseits die Verantwortlichkeit des Managements gegenüber den Aktionären lockert, ohne aber andererseits die dadurch entstehende Lücke mit einem handhabbaren System der Verantwortlichkeit gegenüber anderen Gruppen ersetzen zu können (und zu wollen). Nutznießer der Lehre von der sozialen Verantwortung ist somit in erster Linie eine Gruppe – das Management großer Aktiengesellschaften. 162 Ihm erleichtert ein 157 Vgl. Monks / Minow, Corporate Governance, S. 41: „It is difficult enough to determine the success of a company’s strategy based on only one goal – shareholder value. It is impossible when we add other goals.“ 158 Hanks, 21 Stetson L. Rev. 97, 111 (1991). 159 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1225 (1999). 160 Vgl. Ruffner, S. 168: Das Konzept „verfehlt letztlich den gesetzlichen Zeck, da es zu einer Aufweichung eines wichtigen Schutzmechanismus der Aktionäre führt und umgekehrt auch die Interessen der Stakeholder nicht wirkungsvoll sichern kann.“ 161 So das Bild von Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 19 (1988).

IV. Soziale Verantwortung und gesellschaftsrechtliche Verantwortlichkeit

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solches Verständnis der Leitungsaufgabe die Rechtfertigung von Entscheidungen, die aus Aktionärssicht Anlass zur Nachfrage und Kritik geben. Das Recht zur Rücksichtnahme auf andere Interessen gleicht einer Trumpfkarte163, die bei Bedarf gezogen werden kann, um fast jede erdenkliche Leitungsentscheidung zu rechtfertigen, da unter irgendeinem Gesichtpunkt stets die Interessen einer der vielen Gruppen mit Beziehungen zur Aktiengesellschaft berührt sind.164 Diese Begründungsspur bietet den zusätzlichen Vorteil, dass Hinweise auf den angeblich intendierten Schutz von Arbeitsplätzen, Umwelt oder lokalen Interessen in der breiteren Öffentlichkeit in der Regel auf fruchtbaren Boden fallen dürften. Unfähigkeit oder Unwilligkeit zur Anpassung an Strukturveränderungen und Wettbewerbsbedingungen können so medienwirksam zur Verfolgung „höherer Ziele“ verklärt werden, denen Aktionäre ihren „egoistischen“ Wunsch nach Rendite verständlicherweise unterordnen müssten.165 Besonders problematisch an der „offenen“ Ermächtigung zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen ist, dass sie vom Management zum Schutz eigener Interessen missbraucht werden kann. Immer dann, wenn zwischen Anteilseigern einerseits und Arbeitnehmern, Zulieferern und der örtlichen Gemeinde andererseits ein nicht zu überbrückender Interessengegensatz besteht und ein allein am Interesse der Anteilseigner ausgerichteter Kurs auch den persönlichen Wünschen und Vorlieben des Managements zuwiderlaufen würde, besteht die Möglichkeit, „stakeholders“ gegen „shareholders“ auszuspielen und so die eigenen Interessen zu schützen, ohne Ersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen befürchten zu müssen.166 Neben dem offensichtlichen Fall der Verteidigung gegen ein Übernahmeangebot kann unter diese Kategorie beispielsweise auch die Entscheidung über die Schließung eines zwar rentablen, aber nicht sonderlich profitablen Standorts fallen.167 In einer solchen Situation mögen Vorstände aus vielerlei sachfremden Gründen vor der Schließung zurückschrecken, so etwa dem Wunsch, ein möglichst 162 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 32 (1991); ähnlich Hopt, ZGR 2000, 779, 799: „Sicherlich besteht die Gefahr, dass der Vorstand unter dem Deckmantel eines derart weit verstandenen Unternehmensinteresses eigene Interessen verfolgen könnte, beispielsweise im Verlauf einer feindlichen Übernahme.“ 163 Der ehemalige SEC Commissioner Joseph Grundfest sprach von einem „Feigenblatt“ für das Management, vgl. Mitchell, 70 Tex. L. Rev. 579 (1992). 164 Macey, 21 Stetson L. Rev. 23, 32 (1991): „After all, virtually any management decision, no matter how arbitrary, can be rationalized on the grounds that it benefits some constituency of the corporation.“ 165 Vgl. zu diesem Aspekt die Beobachtung von Manne, in: Manne / Wallich, S. 10: „The concept of corporate responsibility flatters businessmen that they are the divine-select, as Andrew Carnegie would have had it. They are not merely responsible for producing diaper pins or corrugated sheet metal or rock crushers, but they are obligated to look after us lesser beings as well. It is thus easy for some businessmen to believe that universities would collapse, the air become unbreathable, and civilization be lost if they did not do good according to the gospel of business statesmanship.“ 166 Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1438 (1993). 167 Vgl. zu diesem Beispiel Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1435 ff. (1993).

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

großes „Imperium“ zu leiten (dessen Hintergrund eine an die Unternehmensgröße gekoppelte Vergütung sein kann) oder der Furcht vor Ansehensverlust bei lokalen gesellschaftlichen Eliten als Folge einer unpopulären Entscheidung. Mit der kaum kontrollierbaren Ermächtigung zum Schutz von Nichtaktionärsinteressen steht dann ein einfacher und sicherer Weg bereit, solche Maßnahmen gegen Aktionärskritik zu verteidigen. Letztlich droht für bestimmte Fallgestaltungen eine „Auflösung des gesellschaftsrechtlichen Pflichten- und Haftungssystems“168, da die Gefahr besteht, dass ein Diener zu vieler Herren im Ergebnis niemandem mehr wirklich verantwortlich ist: „[A] manager told to serve two masters (a little for the equity holders, a little for the community) has been freed of both and is answerable to neither. Faced with a demand from either group, the manager can appeal to the interests of the other. Agency costs rise and social wealth falls.“169

V. Soziale Verantwortung und Allokationseffizienz Corporate Social Responsibility stößt auch unter dem Gesichtspunkt der Allokationseffizienz auf Bedenken. 1. Mikroökonomisches Gleichgewicht und gesamtgesellschaftliches Wohlfahrtsoptimum Nach der (neo)klassischen Wirtschaftstheorie stellt sich bei vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten von selbst ein gesamtwirtschaftlicher Zustand ein, bei dem die knappen Ressourcen der Gesellschaft optimal verteilt sind, mithin auf Grundlage der ursprünglichen Zuweisung von Rechten und Verteilung von Gütern der höchstmögliche Grad der Bedürfnisbefriedigung aller Marktteilnehmer erreicht ist.170 Zu den Grundvoraussetzungen dieses Modells zählt die Annahme, dass alle Akteure in den verschiedenen Märkten ihr Verhalten darauf ausrichten, ihren eigenen Nutzen zu maximieren, Verkäufer also den größtmöglichen Profit erzielen wollen.171 Die Lehre von der sozialen Verantwortung führt aber dazu, dass die Lei168 So die Befürchtung von Wiedemann, ZGR 1980, 147, 163; diese Gefahr sieht auch Hopt, Großkomm. z. AktG, § 93 Rn. 87; vgl. auch Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1044; Zöllner, AG 2003, 2, 8. 169 Easterbrook / Fischel, S. 38; ähnlich bereits dies., 94 Harv. L. Rev. 1161, 1192 (1981); zustimmend zu diesem Bild aus dem deutschen Schrifttum Fleischer, AG 2001, 171, 177 („kaum kontrollierbare Verhaltensspielräume“); Ruffner, S. 166. 170 Vgl. nur Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 82; Mercuro / Medema, Economics and the Law, S. 14. 171 Vgl. die konzise Zusammenfassung der Voraussetzungen vollständiger Konkurrenz bei Mercuro / Medema, Economics and the Law, S. 13 f.: „The purely competitive, perfectly functioning market has the following characteristics: (1) many buyers motivated by self-interest and acting to maximize utility; (2) many sellers also motivated by self-interest and acting

V. Soziale Verantwortung und Allokationseffizienz

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tungsorgane von Aktiengesellschaften nicht mehr allein danach streben, den Gewinn der Gesellschaft und damit den Nutzen der Anteilseigner zu maximieren. Diese Verhaltensänderung legt den Schluss nahe, Corporate Social Responsibility verfälsche die Marktsignale und führe so zu einer suboptimalen Ressourcenallokation.172 Allerdings entsprechen Märkte in der Realität nie dem Idealbild vollständiger Konkurrenz, sondern sind durch mehr oder minder schwere Fälle des Marktversagens geprägt, die zur Folge haben, dass das egoistische Streben aller Marktteilnehmer nach Maximierung des eigenen Nutzens in bestimmten Bereichen gerade nicht von selbst die gesamtgesellschaftlich wünschenswerte optimale Allokation der Ressourcen bewirkt.173 Offensichtliche Beispiele für diesen Effekt sind Fälle von Marktmacht: Die für den Monopolisten gewinnmaximierende Reduktion der eigenen Ausbringungsmenge vermindert den Wohlstand der Gesamtgesellschaft um die Konsumenten- und Produzentenrente der bei funktionierendem Wettbewerb zu erwartenden Ausbringungsmenge (sog. dead weight loss).174 Dabei handelt es sich indes um ein wettbewerbsrechtliches Problem, das nie im Mittelpunkt der Forderungen nach sozialer Verantwortung von Unternehmensleitungen gestanden hat – wohl nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass mit dem Kartellrecht auf beiden Seiten des Atlantiks seit Jahrzehnten relativ brauchbare Mittel zur Korrektur dieses Problems zur Verfügung stehen (und von Monopolisten eine freiwillige Verhaltensänderung normalerweise nicht zu erwarten ist). Schwerpunkt der Diskussion um Corporate Social Responsibility, soweit sie unter Effizienzgesichtspunkten geführt wird, ist in der Regel die Sorge um einen anderen Fall des Marktversagens: externe Effekte.175 Von externen Effekten (externalities) spricht man, wenn der Gebrauch einer Ressource durch ein Wirtschaftssubjekt Folgen für andere hat, die nicht kompensiert werden müssen und sich daher to maximize profits in atomistic industries or contestable markets; (3) individual buyers and sellers are unable to exert any control over market prices and are thus price-takers; (4) prices serve as the guideposts for decision makers in the market to communicate scarcity; (5) products are standardized (i.e. homogenous); (6) there are no barriers to entry or exit, thus consumers and producers are free to enter or leave all product and factor markets; (7) all buyers and sellers are fully informed as to the terms of all market transactions; (8) resources are held in private property with all rights defined and assigned; and (9) prevailing laws and property rights are fully enforced through the state.“ 172 So Rostow, in: Mason, The Corporation in Modern Society, S. 63 ff.; Friedman, Capitalism and Freedom, S. 134 ff.; DeBow / Lee, 18 Del. J. Corp. L. 393, 417 ff. (1993); in diese Richtung auch Wymeersch, ZGR 2001, 294, 303. 173 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 95 ff. mit Übersicht über die verschiedenen Fälle des Marktversagens; Mercuro / Medema, Economics and the Law, S. 18. 174 Posner, Economic Analysis of Law, § 9.3, S. 301; Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, § 1.3, S. 19; instruktiv zum Zusammenhang zwischen den Wettbewerbsstrukturen einer Volkswirtschaft und der ökonomischen Effizienz einer allein auf Profitmaximierung ausgerichteten Unternehmenspolitik im Vergleich zwischen Europa und den USA Roe, 149 U. Pa. L. Rev. 2063 ff. (2001). 175 Vgl. beispielsweise Parkinson, S. 311 ff.

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nicht in der privaten Kosten-Ertragsrechnung niederschlagen.176 Eine Fallgruppe (negativer) externer Effekte, der bei der Frage nach Corporate Social Responsibility besondere Bedeutung zukommt, bilden die Umweltbelastungen, die durch die Produktionstätigkeit großer Unternehmen entstehen. Vor einer eingehenden Beschäftigung mit dieser Problematik soll jedoch zunächst verdeutlicht werden, wie genau und unter welchen Voraussetzungen Marktsignale verändert werden, wenn Manager von Aktiengesellschaften ihr Handeln nicht ausschließlich am Ziel der Profitmaximierung zugunsten der Anteilseigner ausrichten.

2. Ökonomische Voraussetzungen und Folgen von Corporate Social Responsibility a) Voraussetzung: Keine vollständige Konkurrenz Unter den idealtypischen Bedingungen vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten wäre es für ein einzelnes Unternehmen auf längere Sicht unmöglich, vom Ziel der Profitmaximierung abzuweichen, da ein solches Verhalten unweigerlich zum Ruin des Unternehmens führen müsste.177 Denn wenn auf den jeweiligen Produkt-, Kapital- und Arbeitsmärkten vollständige Konkurrenz herrschte, sähe sich jedes einzelne Unternehmen mit der exakt gleichen Kostenkurve wie seine Wettbewerber sowie einer hochelastischen Nachfragekurve konfrontiert.178 Jede Kostenbelastung durch Corporate Social Responsibility führte unter diesen Umständen zu Wettbewerbsnachteilen auf mindestens einem der drei Märkte, die langfristig nicht zu verkraften wären. Um die Kosten sozialen Engagements tragen zu können, wäre die Unternehmensleitung gezwungen, entweder die Preise für die Produkte des Unternehmens zu erhöhen oder aber die Auszahlungen an Kapitalgeber und Arbeitskräfte zu verringern. Im ersten Fall würde die Nachfrage für die Produkte wegbrechen, im zweiten Fall wäre es dem Unternehmen langfristig unmöglich, das für das wirtschaftliche Überleben erforderliche Kapital sowie die notwendigen Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten. Jeder Versuch, andere Interessen zu Lasten möglicher Profite zu berücksichtigen, wäre damit von vornherein zum Scheitern verurteilt.179 Corporate Social Responsibility ist somit nur möglich, wenn und weil Unternehmen nicht den Bedingungen vollständiger Konkurrenz unterworfen sind, sondern zumindest über ein kleines Maß an Marktmacht (definiert als die Möglichkeit, VerSchäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 98. Posner, Economic Analysis of Law, § 14.11, S. 462; Manne, in: Manne / Wallich, S. 12 ff.; Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 60; Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 29 (1988); Parkinson, S. 333; Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 25 f. (1979). 178 Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 60. 179 Posner, Economic Analysis of Law, § 14.11, S. 462. 176 177

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kaufspreise oberhalb der eigenen Grenzkosten zu verlangen) verfügen.180 Dies ist in der Realität der Produktmärkte bei einer Vielzahl von Unternehmen der Fall, mag es sich dabei auch meist nicht um Marktmacht im engen, technischen Sinne des Kartellrechts handeln.181 Insbesondere Hersteller höherwertiger und komplexerer (Konsum)güter haben in der Regel die Möglichkeit, den Preis für ihre Produkte wenigstens leicht über ihre Grenzkosten anzuheben. Kapital- und Arbeitsmärkte entsprechen ebenso wenig dem Idealbild vollständiger Konkurrenz.182 Im Ergebnis kann die Unternehmensleitung einer Aktiengesellschaft somit über einen nicht unbeachtlichen Teil des cash flow der Gesellschaft „frei“ verfügen, ohne eine unmittelbare Bestrafung durch die Märkte befürchten zu müssen.183 Der Markt für Unternehmenskontrolle kann insoweit nur eine sehr begrenzte Disziplinierungswirkung entfalten, da die Kosten von Corporate Social Responsibility und damit das Einsparpotential für einen potentiellen Erwerber in der Praxis nie so hoch sein dürften, dass sich die kostspielige Übernahme lohnen würde.184

b) Die Auswirkungen auf Erträge und Preise Praktisch tragen die Anteilseigner die Hauptlast der durch soziales Engagement der Aktiengesellschaft entstehenden Kosten. Gegenüber Arbeitnehmern als Gläubigern fixer Ansprüche besteht innerhalb bestehender Arbeitsverhältnisse keine Möglichkeit, die Zahlungen um diese Kosten zu kürzen. Überdies zählen Arbeitnehmer als Gruppe zu den Nutznießern der Lehre von der sozialen Verantwortung. Selbst wenn die Entlohung der Arbeitnehmer die höheren Kosten einer nicht allein am Ziel der Profitmaximierung orientierten Unternehmensführung reflektieren würde, wäre es daher problematisch, die Arbeitnehmer als Lastenträger einer solchen Unternehmenspolitik einzustufen. Die Möglichkeit, die Kosten von Corporate Social Responsibility auf die Abnehmer der Gesellschaft umzulegen, ist begrenzt. Je stärker der Wettbewerb auf den Produktmärkten ist, desto weniger Spielraum besteht für Preiserhöhungen. Aber auch bei einem Unternehmen mit Marktmacht darf unterstellt werden, dass es ohnehin schon den gewinnmaximierenden Preis verlangt und daher eine Preissteigerung keinerlei Ertragssteigerung erwarten lässt.185 In beiden Fällen tragen 180 Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 60; vgl. auch Manne, 62 Colum. L. Rev. 399, 416 f. (1962). 181 Vgl. nur Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, § 1.5, S. 36 ff. 182 R.H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 526. 183 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 30 (1988); Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 26 (1979). 184 Vgl. Manne, in: Manne / Wallich, S. 15 ff.; Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 25 (1979): „[T]he essential economic limit on the kinds of voluntarism we are discussing is the level of altruistic activity at which, were an outsider to try to wrest corporate control from the current managers and eliminate the altruistic practice, his expected gains from so doing would exceed his costs.“

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

bei Preiserhöhungen die Anteilseigner insoweit die Kosten mit, als in Folge der Preissteigerung die Nachfrage nach den Produkten der Gesellschaft sinkt.186 Unterbleiben Preiserhöhungen, so müssen die Kosten sozialen Engagements unmittelbar aus den Profiten der Gesellschaft finanziert werden und fallen damit – sieht man von der Subventionierung bestimmter sozialer Aufwendungen durch die Allgemeinheit mittels steuerlicher Abzugsfähigkeit entsprechender Ausgaben einmal ab – in voller Höhe den Aktionären zur Last.187

c) Allokative Folgen Corporate Social Responsibility verändert die Marktsignale und damit das Marktgleichgewicht. Soweit die Kosten für soziale Aufwendungen zu höheren Preisen für die Produkte der Gesellschaft führen, hat dies zur Folge, dass eine bestimmte Gruppe von potentiellen Abnehmern auf andere Produkte ausweichen muss und damit nicht den Grad der Bedürfnisbefriedigung erreichen kann, der eigentlich möglich wäre.188 Soweit die Gewinne der Aktiengesellschaften durch Corporate Social Responsibility gemindert werden, verliert diese Investitionsmöglichkeit relativ zu anderen an Attraktivität. Dadurch strömt Kapital in Verwendungen, die bei ungehemmtem Streben aller Akteure nach Profitmaximierung weniger Investitionen hätten anziehen können.189 Das führt dazu, dass Ressourcen in Aktivitäten und Projekten gebunden werden, mit denen eine geringere als die eigentlich mögliche Rendite erzielt wird.190 Ob die so entstehenden „falschen“ Mengen, Preise und Renditen eine suboptimale Allokation der gesellschaftlichen Ressourcen zur Folge haben, ist allerdings eine andere Frage. Das ist jedenfalls insoweit nicht der Fall, als die durch Corporate Social Responsibility entstehenden Kosten zur Internalisierung externer Effekte der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft beitragen. Ob die Ermächtigung des Managements zum freiwilligen Verzicht auf mögliche Profite dazu das geeignetste Mittel ist, erscheint jedoch zweifelhaft, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden.

Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 61. Vgl. Parkinson, S. 333: „In the absence of a perfectly competitive market (in which social responsibility would in any case be incompatible with survival) the company will be able to pass on a proportion of the increased costs to its customers, but the consequent drop in sales will also mean that there is a reduction in profits.“ Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 61. 187 Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 61. 188 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 15 f. (1988). 189 Rostow, in: Mason, The Corporation in Modern Society, S. 65. 190 Vgl. Parkinson, S. 306. 185 186

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3. Externe Effekte und staatliche Lenkungsmöglichkeiten a) Externe Effekte als Ursache suboptimaler Ressourcenallokation Man unterscheidet zwischen negativen und positiven externen Effekten. In beiden Fällen kommt es zu einer suboptimalen Ressourcenallokation.

aa) Negative externe Effekte (externe Kosten) Negative externe Effekte entstehen, wenn die Handlungen eines Wirtschaftssubjekts Kosten verursachen, die von anderen Parteien getragen werden müssen und sich daher in der privaten Kalkulation nicht niederschlagen.191 Standardbeispiel (und zugleich für das Thema dieser Untersuchung praktisch wichtiger Fall) ist die Verunreinigung von Wasser und Luft durch industrielle Produktion. Wenn und soweit es einem Unternehmen möglich ist, ungehindert Schadstoffe auszustoßen, nutzt das Unternehmen Wasser und Luft, ohne andere potentielle Nutzer dieser Ressourcen für den dadurch hervorgerufenen Verlust von Nutzungsmöglichkeiten kompensieren zu müssen. So wird beispielsweise den flussabwärts gelegenen Anrainern die Möglichkeit genommen, das Flusswasser zum Trinken oder Baden zu verwenden, ohne dass sie dafür einen Ausgleich erhalten. Da diese (sozialen) Kosten in Form entgangener alternativer Nutzungsmöglichkeiten keinen Eingang in die private Kostenrechnung des Unternehmens finden, entsteht ein „falscher“ Preis für dessen Produkte, der die wirklichen Knappheitsverhältnisse der Ressourcen einer Gesellschaft nicht korrekt wiedergibt. Im Ergebnis subventioniert damit die Allgemeinheit die Produktion des Unternehmens.192 Der zu niedrige Preis führt dann zu Produktionsmengen, die über dem gesamtgesellschaftlich optimalen Niveau liegen.193

bb) Positive externe Effekte (externe Ersparnisse) Von externen Ersparnissen spricht man, wenn eine wirtschaftliche Aktivität zu unentgeltlichen Vorteilen für Dritte führt.194 Da sich der volle (soziale) Nutzen des Verhaltens nicht in der privaten Ertragsrechnung eines allein auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Wirtschaftssubjektes niederschlägt, findet diese Aktivität im 191 Vgl. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 8, 78, 98; Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 14 (1988); Parkinson, S. 311 ff.; Easterbrook / Fischel, S. 39; Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1270 f. (1982); Demsetz, 10 Sw. U. L. Rev. 1, 4 (1978); Arrow, 21 Pub. Policy 303, 306 f. (1973). 192 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 14 (1988). 193 Parkinson, S. 311. 194 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 15 (1988); Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 78; Parkinson, S. 313 f.

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

Ergebnis in einem geringeren Ausmaß statt als gesamtwirtschaftlich effizient wäre.195 Ein wichtiges Beispiel für positive externe Effekte bildet die Ausbildung von Arbeitnehmern über dasjenige Maß hinaus, das für die Bewältigung der gegenwärtigen Aufgaben bei dem aktuellen Arbeitgeber erforderlich ist. Die Gesamtgesellschaft profitiert von einer besser ausgebildeten Arbeitnehmerschaft; der einzelne Arbeitgeber kann aber nicht immer den vollen Nutzen des damit verbundenen Aufwands für sich verbuchen und wird daher unter bestimmten Umständen in einem geringeren Maße ausbilden, als aus Sicht der Gesellschaft wünschenswert wäre.196 Externe Ersparnisse können auch entstehen bei Aufwendungen des Unternehmens für optisch ansprechende Firmenanlagen oder für bestimmte Formen der (Grundlagen)forschung. b) Staatliche Maßnahmen zur Stärkung der unsichtbaren Hand Corporate Social Responsibility kann unter bestimmten Umständen zur Internalisierung externer Effekte beitragen. So mag der gewinnmindernde freiwillige Verzicht auf besonders ressourcenintensive Produktionsmethoden die sozialen Kosten der Unternehmenstätigkeit verringern und damit die Allokationseffizienz in Einzelfällen fördern. Ebenso kann beispielweise die zusätzliche Kostenbelastung durch „übermäßige“ Ausbildung von Arbeitskräften zu externen Ersparnissen führen, die den Grad der gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung erhöhen. Corporate Social Responsibility ist also nicht per se effizienzmindernd. Mit dieser Feststellung allein lässt sich ein Verzicht auf die Verpflichtung von Unternehmensleitungen zur Profitmaximierung aber nicht überzeugend begründen. Denn der Rechtsordnung steht ein direkterer und in der Regel einfacherer Weg zur Verfügung, das Marktversagen zu korrigieren. Statt auf freiwillige Verhaltensänderungen von Unternehmen zu hoffen, kann der Staat die rechtlichen Rahmenbedingungen unternehmerischer Tätigkeit so verändern, dass soziale Kosten möglichst vollständig internalisiert werden müssen.197 So können bestimmte besonders umweltbelastende Fertigungsmethoden schlicht verboten und Unternehmen so zur Nutzung anderer (teurerer) Methoden gezwungen werden. Des weiteren können mehr oder minder detaillierte technische Vorgaben aufgestellt werden, denen Produktionsprozesse genügen müssen. Schließlich kann die Rechtsordnung durch die Besteuerung von Emissionen bewirken, dass soziale Kosten Eingang in die private Kostenrechnung finden. Umgekehrt schaffen Subventionen einen Anreiz für Unternehmen, solche sozial nützlichen Projekte vorzunehmen, die sich beim ungeordParkinson, S. 313. Vgl. dazu etwa die in Deutschland geführte Diskussion um die von der Politik geforderte Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze für Jugendliche durch die deutsche Wirtschaft, FAZ vom 29. April 2003, S. 11 und vom 30. April 2003, S. 13. 197 Vgl. Parkinson, S. 311 ff.; Baumol / Blackman, in: Baumol, Perfect Markets and Easy Virtue, S. 46 ff.; Easterbrook / Fischel, S. 39; Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1431 (1993). 195 196

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neten Spiel der Marktkräfte aus privater Perspektive nicht voll rentieren würden198. Alle diese Maßnahmen ändern die Spielregeln des Marktes so, dass gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten teurer und erwünschtes profitabler wird, ohne das Ziel des Spieles als solches modifizieren zu müssen.199 Statt das klare Ziel der Profitmaximierung durch den vagen Auftrag zur Wahrung von Gemeininteressen zu ersetzen, instrumentalisieren solche Regelungen das private Streben nach Profitmaximierung für die Zwecke des Gemeinwesens und stellen so den Gleichlauf zwischen Individual- und Allgemeininteressen auch in den Fällen her, in denen er sich nicht von selbst einstellt. Funktional handelt es sich bei den Normen des Steuer- und Umweltrechts um „pricing devices to aid the invisible hand.“200 Selbstverständlich ist eine vollständige Internalisierung externer Kosten mittels staatlicher Regulierung nicht möglich; perfekte Lösungen gibt es in keinem Bereich. Insbesondere besteht stets die latente Gefahr einer Überregulierung, die auch sozial nützliche Privatinitiative hemmt. Diese Mängel erscheinen jedoch im Vergleich mit den im folgenden dargestellten Nachteilen von Corporate Social Responsibility eher hinnehmbar.

c) Freiwillige Korrektur von Marktversagen? Corporate Social Responsibility hat einen hohen Preis. Wie in den vorangehenden Untersuchungsschritten gezeigt wurde, bringt die Ermächtigung von Vorständen zur gewinnmindernden Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen eine Reihe von Problemen mit sich. Insbesondere die Tendenz zur Auflösung der Vorstandsverantwortlichkeit wiegt schwer. Vor diesem Hintergrund ließe sich die Ablehnung einer interessenpluralistischen Konzeption der Leitungsaufgabe selbst dann gut begründen, wenn Corporate Social Responsibility gleichermaßen wie staatliche Rahmenbedingungen dazu geeignet wäre, externe Effekte zu internalisieren. Tatsächlich bestehen aber erhebliche Zweifel an der grundsätzlichen Eignung von Corporate Social Responsibility zur Korrektur dieser Form des Marktversagens, mag auch der Verzicht auf mögliche Profite im Einzelfall durchaus effizienzsteigernd sein. Parkinson, S. 314. Vgl. Baumol / Blackman, in: Baumol, Perfect Markets and Easy Virtue, S. 50: „If we want business to behave differently from the way it does today we must change the economic ,rules of the game‘ so that the behavior we desire becomes more profitable then the activity patterns we want to modify. If pollution is made expensive enough, we will quickly be treated to a spectacular display of business efficiency in reducing emission rates. If the production of unsafe products is made sufficiently costly, one can be confident of a remarkable acceleration in the flow of innovations making for greater safety. Business will then do the things it knows how to do best and society will be the beneficiary.“ 200 So die anschauliche Formulierung von Baumol / Blackman, in: Baumol, Perfect Markets and Easy Virtue, S. 46. 198 199

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

Zunächst stellt sich die Frage, woher das Management eines einzelnen Unternehmens wissen kann, welche externe Kosten es verursacht.201 Dazu müsste es Informationen erheben nicht nur über die Zahl der Betroffenen, sondern auch über den Preis, den diese Personen jeweils beispielsweise für die Existenz saubereren Flusswassers zu bezahlen bereit wären – eine offensichtlich unmögliche Aufgabe. Eine wesentliche Ursache für das Entstehen nicht kompensierter sozialer Kosten sind ja gerade hohe Transaktionskosten in Form hoher Informationskosten, die es den privaten Akteuren unmöglich machen, selbst das soziale Optimum durch Markttransaktionen herzustellen.202 Welchen Wert die große, heterogene Gruppe potentieller Betroffener den verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten der Ressourcen einer Gesellschaft beimisst und wie die stets erforderliche Abwägung zwischen den verschiedenen Interessen ausfallen soll, lässt sich am ehesten noch durch den politischen Prozess feststellen.203 Darüber hinaus greift es schlicht zu kurz, einseitig allein Unternehmen als Verursacher von Kosten zu sehen, die es durch Überschreitung des gesetzlich gebotenen Schutzniveaus zu internalisieren gilt. Ebenso gut könnte man umgekehrt sagen, dass die anderen Parteien Kosten für das Unternehmen und seine Kunden verursachen, wenn sie die Verwendung weniger ressourcenintensiver Fertigungsmethoden erzwingen.204 Keiner der Beteiligten hat „natürliche“ Rechte auf die unentgeltliche Benutzung von Wasser und Luft; keine Alternative ist somit a priori die moralisch korrekte.205 Die entscheidende Frage ist vielmehr, welcher möglichen Nutzung der knappen Ressourcen das Gemeinwesen insgesamt den höchsten Wert beimisst. In allen westlichen Industrieländern besteht heute die – aus Sicht des Verfassers begrüßenswerte – Tendenz, das Bedürfnis nach einer sauberen und lebenswerten Umwelt wesentlich höher zu bewerten, als dies früher der Fall war. Die Aufgabe der Rechtsordnung ist es vor diesem Hintergrund, Handlungsrechte (property rights)206 für die maßgeblichen Beteiligten zu definieren, die diese gesellschaftlichen Präferenzen korrekt widerspiegeln und damit möglichst weitgehend dem hypothetischen Ergebnis entsprechen, das alle gesellschaftlichen Gruppen unter den idealtypischen Bedingungen transaktionskostenfreien Aushandelns ihrer Rechtspositionen erzielen würden.207 Diese Handlungsrechte müssen 201 Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 52 (1979); Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 14 (1988); Demsetz, 10 Sw. U. L. Rev. 1, 5 (1978). 202 Demsetz, 10 Sw. U. L. Rev. 1, 5 (1978). 203 Vgl. Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1270 f. (1982). 204 Demsetz, 10 Sw. U. L. Rev. 1, 5 (1978): „[S]uppose the firm were prohibited from using the stream, so that it was forced to find more costly ways to dispose of its wastes. With equal accuracy we could say that fishing in this stream imposes costs on the firm and its customers. The cost problem must be viewed as analytically symmetrical; it is incorrect to suppose that harmful effects follow only if the stream is polluted.“ 205 Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1270 (1982); Demsetz, 10 Sw. U. L. Rev. 1, 5 (1978). 206 Vgl. zur Theorie der Property Rights den informativen Überblick bei Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 86 ff.; 515 ff.; ausführlich Richter / Furubotn, Neue Institutionenökonomik.

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unabhängig davon definiert werden, ob ein Unternehmen als Aktiengesellschaft oder in einer anderen Rechtsform betrieben wird. Das Gesellschaftsrecht als Organisationsrecht privater Zweckverbände ist dafür schlicht die falsche Regelungsmaterie – „[t]o view pollution . . . or other difficult moral and social questions as governance matters is to miss the point.“208

d) Staatliche Maßnahmen und Globalisierung Wiederholt wurde im Verlauf dieser Untersuchung auf die Möglichkeit und Notwendigkeit des Schutzes von Nichtaktionärsinteressen durch staatliche Maßnahmen außerhalb des Aktienrechts hingewiesen. Sozialverträglich und effizient kann die alleinige Verpflichtung des Vorstands der Aktiengesellschaft zur Gewinnmaximierung zugunsten der Aktionäre nur unter der Voraussetzung sein, dass der Staat Rahmenbedingungen setzt, die den legitimen Interessen der anderen Bezugsgruppen hinreichend Rechnung tragen. Niemand bestreitet, dass die Aktiengesellschaft wie jedes andere Rechtssubjekt Pflichten gegenüber der Gesellschaft hat – die Frage ist allein, ob es Aufgabe ihrer Manager sein kann und soll, die notwendige Konkretisierung der sozialen Verpflichtungen nach ihrem eigenen Ermessen wahrzunehmen.209 Nach dem shareholder-primacy-Modell ist es Aufgabe des Staates, durch Steuer- und Umweltrecht die Internalisierung sozialer Kosten zu bewirken und mittels Arbeitnehmer- und Verbraucherschutzrecht diejenigen Gruppen zu schützen, die sich nicht selbst durch vertragliche Regelungen ausreichend absichern können. Wer die aktienrechtliche Lehre von der sozialen Verantwortung (im Interesse gesellschaftsrechtlicher Verantwortlichkeit) ablehnt, betont damit zugleich die soziale Verantwortung des Gesetzgebers als der Institution, die in einem demokratischen Staatswesen zum Interessenausgleich berufen ist.210 Unausgespro207 Easterbrook / Fischel, S. 39: „The task is to establish property rights so that the firm treats the social costs as private ones, and so that its reactions, as managers try to maximize profits given these new costs, duplicate what all of the parties (downstream users and customers alike) would have agreed to were bargaining among all possible at no cost.“ Grundlegend zum Problem der sozialen Kosten, Coase, 3 J.L. & Econ. 1 (1960); vgl. dazu und zur Kritik am Coase-Theorem Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, S. 89 ff.; Ellickson, 99 Yale L.J. 611 (1990). 208 Easterbrook / Fischel, S. 39 (Hervorhebung im Original); ähnlich bereits Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1270 (1982): „To view pollution as a question of corporate governance, therefore, only serves to obscure the relevant issues.“ Gleichsinnig Schulze, 49 Stan. L. Rev. 1607, 1642 (1997); Wagner, ZGR 1988, 210, 222: „Die Vermeidung von Umweltverschmutzungen erfordert . . . keine Ausweitung der Verfügungskompetenz des Managements über größere Teile des Unternehmensvermögens, da sie sich besser durch klar definierte Haftungsregeln und Abgaben erreichen lässt.“ 209 Vgl. Hansmann / Kraakman, 89 Geo. L.J. 439, 441 f. (2001). 210 Vgl. nur Wiedemann, ZGR 1980, 147, 164: „Die Alternative lautet nicht soziale Verantwortlichkeit oder ökonomisches Gangstertum; sie lautet vielmehr autonome oder heteronome Inpflichtnahme der Wirtschaftssubjekte, und hier entscheiden wir uns für zwingende staatliche Rahmenbedingungen.“

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

chene Voraussetzung dieses Ansatzes ist freilich die Möglichkeit des Gesetzgebers, die sozialen Auswirkungen unternehmerischer Tätigkeit von Aktiengesellschaften annähernd vollständig zu regeln. Ob diese Möglichkeit im Zeitalter ökonomischer Globalisierung tatsächlich noch besteht, erscheint aber hinsichtlich der weltweiten Aktivitäten multinationaler Unternehmen fraglich.211 Das Zusammenspiel zwischen der zunehmenden rechtlichen Liberalisierung des internationalen Wirtschaftsverkehrs durch das GATT / WTO-System und den enormen technischen Fortschritten der letzten Jahrzehnte in den Bereichen Kommunikation und Logistik erlauben es einer Aktiengesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland oder den USA heute, viele ihrer Aktivitäten an fast jedem beliebigen Ort der Erde durchzuführen. Diese Entwicklung erschwert es den nationalen Rechtsordnungen, das Verhalten international tätiger Aktiengesellschaften mit den hergebrachten Mitteln des nationalen Umwelt- und Arbeitsrechts in die gewünschten Bahnen zu lenken.212 Das hat zwei Gründe. Zum einen fehlt dem deutschen (oder amerikanischen) Gesetzgeber offensichtlich die Hoheitsgewalt, die Rahmenbedingungen der Produktionstätigkeit im Ausland nach seinen Vorstellungen zu regeln. Das gesetzliche Schutzniveau vor Ort bleibt in der Regel deutlich hinter westlichen Standards zurück. Da aber die Auswirkungen vieler Formen von Umweltbelastung nicht auf das Gebiet eines Staates begrenzt sind, ermöglichen es beispielsweise niedrige lokale Umweltstandards einer international tätigen Aktiengesellschaft, der deutschen Rechtsgemeinschaft mittelbar soziale Kosten in Form verminderter Lebensqualität aufzubürden, ohne dass der deutsche Gesetzgeber das Unternehmen durch entsprechende Vorschriften zur Internalisierung dieser Kosten zwingen könnte. Zum anderen begrenzt der globale Wettbewerb um Industrieansiedlungen und Kapital faktisch auch die Möglichkeit des Einzelstaates, das gewünschte Schutzniveau in seinem eigenen Hoheitsgebiet umzusetzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der sozialen Verantwortung von Unternehmensführern in einem neuen Licht. Schon im Ansatz verfehlt wäre allerdings die Argumentation, Corporate Social Responsibility solle es dem Management der Aktiengesellschaft ermöglichen, für Arbeitnehmer und Gemeinden in Deutschland nachteilige Standortschließungen und -verlagerungen zu verzögern oder zu vermeiden und so die Folgen des globalen Wettbewerbs für diese Gruppen abzumildern.213 Deutschland und die EU ha211 Williams, 35 U.C. Davis L. Rev. 705, 719 f. (2002); Stephens, 20 Berkeley J. Int’l L. 45, 54 (2002); nach Einschätzung von Bratton, 26 J. Corp. L. 737, 770 (2001) erscheint die Frage nach Corporate Social Responsibility in einer globalisierten Welt in völlig neuem Licht; siehe auch Nobel, 84 Cornell L. Rev. 1255, 1256 ff. (1999); in einem größeren Zusammenhang Avi-Yonah, 113 Harv. L. Rev. 1575 (2000). 212 Vgl. Williams, 35 U.C. Davis L. Rev. 705, 725 f. (2002). 213 Vgl. Easterbrook / Fischel, S. 38 f.: „Firms that close plants in one area while relocating production elsewhere are accused of lacking a sense of responsibility to affected workers and communities. Yet such a statement ignores the greater benefits that workers and communities in the new locale enjoy . . . Firms that cause dislocations by moving their plants are no less ethical than firms that cause dislocations by inventing new products that cause their

V. Soziale Verantwortung und Allokationseffizienz

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ben sich mit der Mitgliedschaft im GATT / WTO-System für eine Politik fortschreitender Handelsliberalisierung entschieden. Sinn des freien Welthandels sind gerade internationale Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen den Volkswirtschaften mit der Folge, dass Güter jeweils dort produziert werden, wo die relativ besten Bedingungen herrschen. Der comparative advantage eines Industrielandes wie Deutschland mit seinen hochqualifizierten aber auch teuren Arbeitskräften liegt offensichtlich nicht in der Produktion solcher Güter, die mit einfacher (Hand)arbeit herzustellen sind.214 So kann beispielsweise eine Textilindustrie – sieht man von einem kleinen Luxussegment einmal ab – unter den Bedingungen des freien Welthandels auf Dauer in Deutschland nur schwer überleben. Dieser Strukturwandel ist für die Betroffenen schmerzlich, aber unausweichlich und von den politischen Entscheidungsträgern bewusst in Kauf genommen worden. Der Grund: Zahlreiche Ökonomen seit David Ricardo haben mit gut nachvollziehbarer Begründung die Auffassung vertreten, dass der Gesamtwohlstand einer Gesellschaft mit der Verfügbarkeit billigerer Importe steigt.215 Zwar ist diese Ansicht nicht unbestritten216; ob freier Handel tatsächlich den Wohlstand aller beteiligten Völker steigert, wissen wir gegenwärtig nicht. Deutschland und die EU haben sich aber nun einmal diese Sichtweise zu eigen gemacht. Vor diesem Hintergrund mit den Mitteln der Corporate Governance gegen diese Entwicklung ansteuern zu wollen, wäre ebenso unangebracht wie hoffnungslos – unangebracht, weil sich das Gesellschaftsrecht damit in Widerspruch zum handelspolitischen Programm des Gesetzgebers setzen würde; hoffnungslos, weil eine gesellschaftsrechtliche Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsinteressen den durch den Abbau von Handelshemmnissen ausgelösten Strukturwandel allenfalls geringfügig verzögern, aber nicht verhindern kann. Nachvollziehbarer scheint die Forderung nach Corporate Social Responsibility zunächst im Hinblick auf das Verhalten multinational tätiger Aktiengesellschaften im Ausland. Denn auf den ersten Blick könnte man den Eindruck gewinnen, eine unbedingte Verpflichtung zur Profitmaximierung zugunsten der Anteilseigner zwinge das Management dazu, außerhalb des Anwendungsbereichs westlicher Schutzstandards Mensch und Natur zu misshandeln – ein offensichtlich unhaltbares Ergebnis. Tatsächlich ist dies aber keineswegs der Fall, wie die folgenden Überlegungen zeigen. rivals to go out of business, yielding unemployment at the failed firm. All competition produces dislocation . . .“; ähnlich bereits Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1269 (1982); siehe auch Cabot, 21 Stetson L. Rev. 245, 248 (1991). 214 Grundlegend zur Theorie des „comparative advantage“ Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, in The Works and Correspondence of David Ricardo, Bd. 1, 1962, S. 128 ff.; einen guten Überblick bietet Sykes, 1 J. Int’l Econ. L. 49 ff. (1998). 215 Vgl. Krauss, How Nations Grow Rich, S. 8 ff.; Bhala, International Trade Law, S. 7 ff.; Gilpin, The Political Economy of International Relations, S. 172 ff.; Sykes, 1 J. Int’l Econ. L. 49 ff. (1998). 216 Vgl. etwa die Beiträge von Nader, Daly und Brown in: Nader, The Case Against Free Trade.

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

Wie oben bereits ausgeführt wurde, setzt die Verpflichtung des Managements allein auf das Aktionärsinteresse die strikte Befolgung aller geltenden Rechtsnormen durch das Unternehmen voraus.217 Missstände bei der Produktion im Ausland entstehen vielfach nicht, weil gesetzliche Vorschriften dort fehlen, sondern weil das geltende Recht vor Ort infolge von Korruption oder anderen Mängeln nicht ausreichend durchgesetzt wird. Soweit ein aus unserer Sicht zu beanstandendes Verhalten vor Ort verboten ist, besteht somit von vornherein keine Notwendigkeit für Corporate Social Responsibility. Zu den vom Management strikt zu beachtenden Normen zählen auch die elementaren Menschenrechte. Zwar sind private Individuen nach traditionellem Verständnis keine Völkerrechtssubjekte; ob für multinationale Unternehmen etwas anders gelten sollte, ist umstritten.218 Dies hindert aber nicht daran, die Beachtung der Menschenrechte im Gesellschaftsrecht zur Bestimmung des organisationsinternen Pflichtenmaßstabs heranzuziehen, wenn und weil sich eine solche Bezugnahme als sachgerecht erweist.219 Das gilt umso mehr in Fällen, in denen sich Unternehmen durch enge Zusammenarbeit mit unstreitig an das Völkerrecht gebundenen Staaten zu Mittätern von Menschenrechtsverletzungen machen würden.220 Aber auch die Verbesserung der Arbeits- und Umweltbedingungen über die zwingend gebotenen Standards hinaus lässt sich in der Regel unschwer mit einer unbedingten Verpflichtung zur Profitmaximierung vereinbaren, ohne dass die Notwendigkeit bestünde, Manager privater Aktiengesellschaften zu „Rettern der Welt“ aufzuwerten. Wie der Fall Nike lehrt, liegt es im ureigensten Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre, bei Kunden und Investoren in der westlichen Welt den Eindruck zu vermeiden, man beute Arbeitnehmer und natürliche Ressourcen in Übersee rücksichtslos aus. Nike und andere Hersteller der Textilindustrie sahen sich durch öffentliche Proteste und Boykottaufrufe gezwungen, die lokal vorgeschriebenen Minimalstandards deutlich zu überschreiten, nachdem ihre aus westlicher Sicht unzureichenden Produktionsbedingungen publik geworden waren.221 In einer für dieses Thema sensibilisierten Welt mit immer besseren weltVgl. Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 77 zu Schmiergeldzahlungen im Ausland. Vgl. Bleckmann, Völkerrecht, S. 46 ff. 219 Vgl. zur Bedeutung der Menschenrechte im Gesellschaftsrecht Dickerson, 76 Tul. L. Rev. 1431 ff. (2002). 220 Einen solchen Fall behandelt die Entscheidung in Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880 (C.D. Cal. 1997): Das Militärregime in Burma hatte sich gegenüber dem Ölbauunternehmen Unocal verpflichtet, Land für den Bau einer Pipeline zu räumen und die Sicherheit des Bauprojekts zu garantieren. Bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen missachtete das Regime – wohl mit Wissen und Billigung des Unocal-Managements – systematisch die Menschenrechte seiner Bürger. Der Alien Tort Claims Act (28 U.S.C. § 1350 (2000)) schafft die interessante Möglichkeit für Ausländer, vor den amerikanischen Bundesgerichten Klage auf Schadensersatz zu erheben mit der Begründung, der Beklagte habe Normen des Völkerrechts verletzt und ihnen dadurch Schaden zugefügt. Siehe auch Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88 (2d Cir. 2000). 221 Williams, 35 U.C. Davis L. Rev. 705, 737 (2002). 217 218

VI. Soziale Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen

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weiten Kommunikationsmöglichkeiten besteht die berechtigte Hoffnung, dass Marktzwänge in vielen Bereichen von selbst akzeptable Bedingungen herbeiführen werden.222 Der weite unternehmerische Handlungsspielraum des Vorstands schafft insoweit den nötigen Freiraum, die im Interesse von Gesellschaft und Gesellschaftern sachgerecht erscheinenden Maßnahmen ohne Furcht vor Ersatzansprüchen umsetzen zu können, ohne dass es erst zu einem drohenden Boykott kommen muss.223 Selbstverständlich sind damit nicht alle Probleme gelöst. So haben solche Unternehmen, die keine negativen Reaktionen durch Produkt- und Kapitalmärkte befürchten müssen, unter dem Shareholder-Modell kaum Anlass, die zwingenden Minimalbedingungen zu überschreiten. Gleichwohl lässt sich aber auch mit der Existenz multinational tätiger Aktiengesellschaften die Notwendigkeit für Corporate Social Responsibility letztlich nicht überzeugend begründen. Die schon im rein nationalen Kontext unbeantwortete Frage, wie ein einzelnes Unternehmen die sozialen Kosten seines Verhaltens auch nur annähernd korrekt abschätzen soll, verschärft sich auf globaler Ebene. Die hochkomplexen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen der Globalisierung verlangen nach politischen Lösungen auf der internationalen Ebene, nicht nach einem diffusen Auftrag an die Unternehmensleitungen, die ihnen anvertrauten Mittel nach ihrem eigenen Ermessen zur Verbesserung der Welt einzusetzen. Freilich lassen solche Lösungen in vielen Bereichen bislang noch auf sich warten. Das ist aber kein ausreichender Grund, im Gesellschaftsrecht die sicheren und greifbaren Nachteile von Corporate Social Responsibility um der Hoffnung auf spekulative und kaum messbare Vorteile willen in Kauf zu nehmen.

VI. Soziale Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen Ganz im Mittelpunkt der bisherigen Überlegungen standen die nachteiligen Auswirkungen von Corporate Social Responsibility auf die wirtschaftliche Effizienz eines Rechtssystems. Es wurde gezeigt, dass (1) die Anteilseigner als die residualen Risikoträger in der Regel über die besten Anreize für eine gesamtwohlstandssteigernde Unternehmenspolitik verfügen, (2) Nichtaktionärsinteressen besser durch explizite vertragliche und gesetzliche Regelungen geschützt werden können, (3) Corporate Social Responsibility zu einer unnötigen Steigerung der agencyKosten führt und (4) zwingende staatliche Rahmenbedingungen besser zur Korrektur von Marktversagen geeignet sind. Jedes dieser Argumente für sich vermag die Lehre von der sozialen Verantwortung der Unternehmensleitung zu erschüttern; 222 Vgl. zum nicht unerheblichen Einfluss moralischer Präferenzen auf moderne Kapitalund Produktmärkte die lesenswerte Analyse von Dunfee, 62 L. & Contemp. Prob. 129 ff. (1999); ausführlich N. C. Smith, Morality and the Market. 223 Vgl. BGHZ 135, 244, 253.

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

zusammen liefern sie eine eindrucksvolle und umfassende Begründung für die ausschließliche Verpflichtung des Vorstands auf das Aktionärsinteresse. Aber selbst wenn man all dies für unbeachtlich hielte – sei es, weil man die Argumente mit neuen (rechts)ökonomischen Erkenntnissen zu entkräften können glaubte, sei es, weil man bewusst um anderer Interessen willen ineffiziente Strukturen in Kauf nehmen wollte –, so müsste man sich doch noch mit einem letzten Argument auseinandersetzen, das losgelöst von allen Effizienzüberlegungen von ganz anderer Seite erhebliche Zweifel an der Richtigkeit einer interessenpluralistischen Konzeption der Leitungsaufgabe weckt. Dabei geht es um die grundsätzliche Frage nach der gesellschaftlichen Rolle großer Unternehmen und ihrer Leitungsorgane in einem demokratischen Staatswesen. Corporate Social Responsibility ermächtigt und ermuntert die Manager privater Aktiengesellschaften dazu, nach ihrem eigenen Ermessen öffentliche Interessen wahrzunehmen, ohne dass diese Tätigkeit demokratisch legitimiert oder kontrolliert wäre. Damit erweitert die Lehre von der sozialen Verantwortung tendenziell die Macht einer ohnehin sehr mächtigen Gruppe privater Akteure. Diese Tendenz sollte auch und gerade bei denjenigen auf Bedenken stoßen, die sich den Schutz schwächerer gesellschaftlicher Gruppen auf ihre Fahnen geschrieben haben und glauben, eine ausschließlich am Aktionärsinteresse ausgerichtete Unternehmenspolitik als sozial unverträgliche Brutalform des Kapitalismus verteufeln zu müssen.224 Denn „[a]n increase in corporate power is probably the last thing that those who call for greater ,corporate responsibility‘ would want. Yet that, paradoxically, is precisely where some of their prescriptions lead.“225

1. Die politischen Wirkungen von Corporate Social Responsibility Warum der sozial motivierte Verzicht auf mögliche Profite durch den Vorstand der Aktiengesellschaft aus staatsrechtlicher Sicht bedenklich sein kann, verdeutlicht ein kurzer Überblick über die politischen Wirkungen einer solchen Unternehmenspolitik.

224 Vgl. die Äußerungen des ehemaligen IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel, der die Vertreter des Shareholder-Value-Modells als die „Al Capones der Neuzeit“ bezeichnet hatte und diesen die Absicht zur Brutalisierung der sozialen Verhältnisse vorwarf, Handelsblatt v. 11. März 1998, S. 4; FAZ v. 9. Juli 1996, S. 24; weitere Nachweise plakativ ablehnender Stellungnahmen bei Groh, DB 2000, 2153. 225 Baumol / Blackman, in: Baumol, Perfect Markets and Easy Virtue, S. 52; vgl. auch die Beobachtung von Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 13 (1988), bei den Gegnern von Corporate Social Responsibility handele es sich um „a rare coalition between the defenders of pure-form free enterprise on the right and the critics of big business power on the left“.

VI. Soziale Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen

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a) Umverteilung durch „Besteuerung“ von Aktionären und Abnehmern Corporate Social Responsibility hat den Effekt einer vom Management der Aktiengesellschaft erhobenen „Steuer“, die zu einer fragwürdigen Umverteilung von Vermögenswerten führt.226 Dabei werden Aktionäre und Abnehmer der Gesellschaft mit Kosten für Maßnahmen belastet, die der Allgemeinheit oder bestimmten anderen Gruppen zugute kommen. Zwar ist der Gedanke der Umverteilung als solcher nicht zu beanstanden. Die finanzielle Belastung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen zugunsten anderer ist in jedem Gemeinwesen ein legitimes und notwendiges Mittel zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Aufgaben und Umsetzung sozialer Wertvorstellungen. Nichts spricht daher grundsätzlich dagegen, Aktionären und Kunden der Aktiengesellschaft Kosten für die Unterstützung solcher Maßnahmen aufzubürden, von denen in erster Linie oder auch ausschließlich andere Parteien profitieren. Darum geht es indes nicht. Zweifelhaft ist allein, ob es Aufgabe des Managements privater Aktiengesellschaften sein kann und soll, distributive Aufgaben nach seinem eigenen Ermessen wahrzunehmen. Denn mit dem Steuerrecht steht der Rechtsordnung ein bewährtes Mittel zur Umverteilung von Vermögenswerten und Verbesserung der Verteilungsgerechtigkeit zur Verfügung. Demgegenüber wirft die Umverteilung durch freiwilliges soziales Engagement von Unternehmensleitern eine Reihe von Problemen auf. Zunächst stellt sich die Frage nach Qualifikation und demokratischer Legitimation der Manager zur Wahrnehmung dieser Aufgabe (dazu sogleich unter 2.). Darüber hinaus ist diese Form der „Besteuerung“ unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit bedenklich. Denn bei den Kosten von Corporate Social Responsibility handelt es sich um eine „Steuer“ ohne Progression, die keine Rücksicht auf die persönliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Aktionärs oder Abnehmers der Gesellschaft nimmt.227 Der distributive Effekt dieser Steuer kann im Einzelfall geradezu „pervers“ sein:228 Soweit ein (marktmächtiges) Unternehmen in der Lage ist, die Kosten von Corporate Social Responsibility an seine Kunden weiterzugeben, finanzieren u.U. die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ein Kunst- und Kulturprogramm, das in erster Linie von wohlhabenderen Bevölkerungsschichten in Anspruch genommen wird.229 Ähnlich fragwürdige Effekte treten ein, wenn als Anteilseigner die Inhaber kleinerer und kleinster Vermögen belastet werden, die als Belegschaftsaktionäre direkt oder indirekt über Investment- und Pensionsfonds an der Gesellschaft beteiligt sind.230

Vgl. Friedman, Capitalism and Freedom, S. 133 f. Posner, Economic Analysis of Law, 3. Auflage 1986, § 14.11, S. 397. 228 So die Einschätzung von Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 63. 229 So das Beispiel von Mashaw, in: Hopt / Teubner, Corporate Governance and Directors‘ Liabilities, S. 63. 230 Vgl. Wagner, ZGR 1988, 210, 225. 226 227

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

b) Die Notwendigkeit politischer Wertentscheidungen durch das Management Der Verzicht auf mögliche Profite aus sozialen Gründen erfordert jeweils eine Entscheidung des Managements darüber, welche Ziele mit Gesellschaftsmitteln unterstützt werden sollen. Mit dieser Entscheidung nimmt der Vorstand für die Aktiengesellschaft unweigerlich Stellung zu Fragen von allgemeiner Bedeutung für das Gemeinwesen. Offensichtlich ist die politische Dimension korporativen sozialen Engagements bei kontroversen Themen wie der Unterstützung von Abtreibungsgegnern oder -befürwortern oder dem Boykott eines bestimmten Regimes.231 Aber auch mit der Verfolgung scheinbar unpolitischer Anliegen wie der Unterstützung von Kunst und Kultur oder der Weiterbeschäftigung nicht mehr benötigter Arbeitskräfte zur Stärkung einer strukturschwachen Region trifft der Vorstand zwangsläufig politische Wertentscheidungen. Denn jede Entscheidung, ein bestimmtes Projekt zu unterstützen, beinhaltet zugleich auch den Entschluss, konkurrierenden oder konträren Anliegen die Unterstützung zu versagen. Das Konzept der Corporate Social Responsibility verlangt vom Management also, selbständig politische Prioritäten zu setzen und die Ressourcen der Gesellschaft nach seinem Ermessen ein Stück weit umzuverteilen. Es ermuntert die Unternehmensleitung dazu, das wirtschaftliche Gewicht der Aktiengesellschaft zugunsten bestimmter Anliegen in die Waagschale zu werfen. Staatsrechtlich problematisch ist dieses Mandat angesichts der Größe und wirtschaftlichen Macht moderner, insbesondere international tätiger Aktiengesellschaften. Denn anders als in Fällen der Unterstützung bestimmter sozialer Anliegen durch einzelne Bürger oder kleinere Unternehmen kann das „sozial verantwortliche“ Verhalten großer Aktiengesellschaften spürbare Auswirkungen auf das Gemeinwesen haben. Zwar hat auch eine allein am Aktionärsinteresse ausgerichtete Unternehmenspolitik diese Auswirkungen. Dabei besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. Solange der Vorstand sein Wirken allein auf das Ziel der (langfristigen) Profitmaximierung für die Anteilseigner ausrichtet, also beispielsweise nicht ausreichend rentable Standorte schließt, setzt er nicht selbständig soziale Prioritäten, sondern beschränkt sich darauf, im Rahmen der geltenden Gesetze den Anforderungen der Märkte gerecht zu werden und damit die ihm von anderer Seite vorgegebenen Präferenzen umzusetzen.232 Corporate Social Responsibility dagegen ermächtigt das Management zu autonomen politischen Wertentscheidungen.

231 Vgl. zu diesem Beispiel Baumol / Blackman, in: Baumol, Perfect Markets and Easy Virtue, S. 51: „It may or may not make sense to boycott some foreign government. But we do not want a business management to decide which government should be boycotted. And certainly we do not want management to use the capital we have entrusted to it to impose its notions of international morality upon the world.“ 232 Vgl. Parkinson, S. 319.

VI. Soziale Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen

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2. Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch private Manager? Gegen die autonome Bestimmung sozialer Ziele und die partielle Umverteilung von Vermögenswerten durch die Leitungsorgane privater Aktiengesellschaften sprechen gewichtige Gründe.

a) Mangelnde Befähigung zur Identifikation des Gemeinwohls Zunächst einmal stellt sich die Frage, welche besondere Qualifikation die Manager privater Unternehmen mitbringen, die gerade diesen Personenkreis dazu befähigen würde, jeweils das Gemeinwohl zu identifizieren und danach zu handeln.233 Primäres Ausbildungsziel und Auswahlkriterium für private Manager ist die Fähigkeit, eine Wirtschaftseinheit möglichst effektiv zu führen, also langfristig möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften. Wenn auch eine effektive Unternehmensführung stets in gewissem Maße die Berücksichtigung verschiedener Belange erfordert, entspricht doch die für Gemeinwohlerwägungen erforderliche gleichberechtigte Abwägung zwischen allen relevanten Interessen weder dem Selbstverständnis noch dem Anforderungsprofil von Unternehmensleitern. Manager verfügen – aller korporativen Rhetorik von „Corporate Citizenship“ und „Stakeholder“-Modellen zum Trotz – über keine besondere Expertise zur Verfolgung von Allgemeininteressen. 234 Zwar erfordert die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in einer Demokratie grundsätzlich keine besonderen Qualifikationen; hohe und höchste Staatsämter können ohne den Nachweis irgendeiner Befähigung bekleidet werden. Indes steht der gewählten Spitze jeweils ein professioneller Verwaltungsapparat zur Seite, der wesentlich besser als die Führungsebene privater Unternehmen dazu geeignet erscheint, öffentliche Interessen zu bestimmen und zu verfolgen. Zum einen sind öffentliche Bedienstete dafür ausgebildet, widerstreitende Interessen gegeneinander abzuwägen und eine am Gemeinwohl orientierte Entscheidung zu treffen. Im Gegensatz zu Managern privater Aktiengesellschaften ist dies ihre einzige Aufgabe. Zum anderen kann die öffentliche Verwaltung ihre Bemühungen zur Wahrung öf233 Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 16 (1988): „Is there any reason to assume that senior corporate executives, by virtue of their typical backgrounds and experience, will possess the skill and perspective necessary to carry out the role of social policymaker?“; gleichsinnig Manne, 62 Colum. L. Rev. 399, 414 (1962): „Executive efficiency does not . . . automatically imply skill in determining the financial needs of universities or the ,proper‘ amount to pay for goods and services. In fact, these skills appear to be almost incompatible. A businessman thoroughly experienced in the give and take of market situations seems peculiarly ill adapted to such a radically different kind of decision making.“; ähnlich auch Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1285 (1982); vgl. Parkinson, S. 307; Brudney, 95 Harv. L. Rev. 597, 639 ff. (1982). 234 Fisch, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1091, 1105 (1997); deutlich Friedman, Capitalism and Freedom, S. 133: „If businessmen do have a social responsibility other than making maximum profits for stockholders, how are they to know what it is?“

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

fentlicher Interessen koordinieren. Unternehmensleiter können dagegen nur das Verhalten ihres jeweiligen Unternehmens kontrollieren.235 Die bei der Vielzahl von Akteuren unvermeidlichen Informations- und Koordinationsprobleme erschweren den effektiven Schutz gesellschaftlicher Belange durch freiwilliges soziales Engagement deutlich.236

b) Mangelnde demokratische Legitimation und Kontrolle Vorstände von Aktiengesellschaften sind als Leitungsorgane von privaten Organisationseinheiten in keiner Weise demokratisch legitimiert. Daran ändert auch die Existenz der unternehmerischen Mitbestimmung nichts. Zum einen können die Anteilseigner durch ihr leichtes Übergewicht im Aufsichtsrat letztlich allein die Vorstandsmitglieder bestimmen; zum anderen handelt es sich bei den Arbeitnehmern nur um eine Teilgruppe der staatlichen Gemeinschaft. Wer Vorstände dazu verpflichten will, nach ihrem eigenen Ermessen Arbeitnehmer- und Allgemeininteressen über die Befolgung der geltenden gesetzlichen Vorschriften hinaus zu berücksichtigen, legt damit politische Aufgaben von allgemeiner Bedeutung in die Hände von Gremien, die nach den Organisations- und Verfahrensregeln des privaten Verbandsrechts nur von einem begrenzten Personenkreis bestimmt und kontrolliert werden.237 Die staatsrechtliche Fragwürdigkeit einer solchen Delegation liegt auf der Hand.238 Die Auswahl sozial-, umwelt- oder außenpolitischer Wertentscheidungen ist in einer Demokratie Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers und der mittelbar demokratisch legitimierten Verwaltung.239 Nur dort ist die Berücksichtigung Manne, 62 Colum. 399, 416 (1962). Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 16 (1988): „With both the choice of goals and the means to achieve them diffused among countless independent corporate decisionmakers, there is a serious risk of not only duplicated but also conflicting efforts.“; Manne, 62 Colum. 399, 416 (1962). 237 Vgl. Ruder, 114 U. Pa. L. Rev. 209, 225 (1965). 238 Vgl. Saladin, VVDStRL 35 (1977), 7, 17. 239 Wiedemann, ZGR 1980, 147, 163: „Das Plädoyer für ein sozial- und wirtschaftspolitisches Mandat der Unternehmen stößt auf staatsrechtliche Bedenken, weil die Auswahl und Durchführung der genannten Wertentscheidungen in einem parlamentarischen Verfahren erfolgen soll. Ob gesundheitsschädliche Produkte hergestellt oder vertrieben werden dürfen, kann nicht von der Sensibilität einzelner Geschäftsführer abhängen, sondern muss von Gesetz und Richterspruch vorgegeben werden.“; Friedman, Capitalism and Freedom, S. 133 f.: „Can self-selected private individuals decide what the social interest is? Can they decide how great a burden they are justified in placing on themselves or their stockholders to serve that social interest? Is it tolerable that these public functions of taxation, expenditure, and control be exercised by the people who happen at the moment to be in charge of particular enterprises, chosen for those posts by strictly private groups?“; gleichsinnig Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 16 (1988); Brudney, 95 Harv. L. Rev. 597, 641 (1982); ABA Committee on Corporate Laws, 45 Bus. Law. 2253, 2270 (1990). 235 236

VI. Soziale Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen

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aller betroffenen Interessen sowie die wünschenswerte Transparenz des Verfahrens gewährleistet.240 Die Verfolgung sozialer Zwecke durch Manager privater Aktiengesellschaften birgt dagegen die Gefahr, dass geschäftliche Interessen als öffentliche ausgegeben werden und die wirtschaftliche Macht von Unternehmen einzelnen Anliegen ein überproportionales Gewicht verleiht.241 Corporate Social Responsibility ermächtigt eine kleine, nach ihrem sozialen Hintergrund typischerweise nicht sonderlich vielfältige Gruppe dazu, nach ihrem Ermessen (a) Aktionäre und Verbraucher zu besteuern und (b) über die Verwendung dieser Gelder zu bestimmen – eine für eine Demokratie sehr eigentümliche Form der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben.242 Große Aktiengesellschaften verfügen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Kraft ohnehin über erhebliche gesellschaftliche Einflussmöglichkeiten. Die meisten Formen „sozialen“ Engagements lassen sich als intelligentes Bemühen um langfristige Profitsteigerung rechtfertigen; insofern stellt sich das Problem politischer Einflussnahme selbstverständlich auch bei einer strikten Verpflichtung des Managements auf die Verfolgung des Aktionärsinteresses. Dabei handelt es sich um eine kaum zu vermeidende Begleiterscheinung des marktwirtschaftlichen Systems – eines Systems, das auf beiden Seiten des Atlantiks in den vergangenen Jahrzehnten enormen Wohlstand geschaffen und sich gegenüber konkurrierenden Modellen durchgesetzt hat. Diese Tatsache ist aber noch lange kein Grund, die Tendenz zur Einflussnahme auf öffentliche Angelegenheiten durch private Unternehmen auch noch theoretisch abzusichern, indem man deren Manager ausdrücklich zu Treuhändern von Allgemein- und Drittinteressen aufwertet. Im Gegenteil – gerade angesichts der wirtschaftlichen Macht insbesondere multinational tätiger Unternehmen erscheint es angezeigter denn je, an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch staatliche und zwischenstaatliche Institutionen festzuhalten, statt sich durch eine diffuse Ma240 Vgl. Oswald, 24 J. Corp. L. 1, 26 (1998): „[D]elicate political questions about societal wealth allocation and redistribution are shifted from an open political process involving the legislature to a private, hidden process involving managers.“ Fisch, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1091, 1094 (1997): „[T]he result of funding social welfare expenditures through corporate philanthropy is to shift the responsibility for deciding which projects are worthy of funding into the hands of corporate decision-makers. The effect of this shift is both to hide the decision-making process from shareholders in particular and the public more generally, and to create a system of social spending which is profoundly undemocratic.“ Ein jüngeres Beispiel für diesen Effekt im Kulturbereich ist die überraschende und kaum begründete Einstellung der Unterstützung der Radioübertragungen aus der New York Metropolitan Opera durch Texaco, nachdem das Unternehmen dieses Programm seit 1940 allein finaziert hatte, dazu FAZ vom 24. Mai 2003, S. 35. 241 Vgl. Parkinson, S. 338 f.; Friedman, N.Y. Times vom 13. September 1970, S. 24 (Magazin): „What it amounts to is an assertion that those who favor the taxes and expenditures in question have failed to persuade a majority of their fellow citizens to be of like mind and that they are seeking to attain by undemocratic procedures what they cannot attain by democratic procedures in a free society.“ 242 Vgl. Davis, 13 Can.-U.S. L.J. 7, 69 (1988): „[T]he claims of diversity and decentralization have a hollow ring when advanced to justify keeping the decision in an elite corps of corporate executives, with little true accountability to shareholders.“

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

nagementrhetorik von „Corporate Citizenship“ blenden zu lassen. In einem freiheitliche Staat haben Unternehmen nur eine einzige legitime Aufgabe – im Rahmen der geltenden Gesetze so hohe Gewinne wie möglich für ihre Anteilseigner zu erwirtschaften. Mit einem vielzitierten Ausspruch von Milton Friedman: „In [a free] economy there one and only one social responsibility of business – to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition, without deception or fraud.“243 Wenn und soweit ein solches Verhalten gesellschaftlich unerwünschte Auswirkungen hat, liegt es im Verantwortungsbereich des Staats, nach öffentlicher Diskussion durch Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen unternehmerischer Tätigkeit Abhilfe zu schaffen.

c) Sonderfälle Kern des staatsrechtlichen Arguments gegen Corporate Social Responsibility ist die damit verbundene Anmaßung politischer Aufgaben und Kompetenzen durch die Manager großer Aktiengesellschaften. Daraus folgt zugleich, dass nicht jede Überschreitung des gesetzlich gebotenen Niveaus der Rücksichtnahme auf Nichtaktionärsinteressen in gleicher Weise bedenklich ist. Denn es gibt durchaus Fälle, in denen der freiwillige Verzicht auf mögliche Profite nicht als Anmaßung solcher Wertentscheidungen erscheint, die demokratisch legitimierten Gremien vorbehalten bleiben sollten. Ein Beispiel für eine solche Situation sind bestimmte Regelungslücken.244 Wenn der Vorstand die durch handwerkliche Fehler oder Versäumnisse eines bestimmten Regelwerks entstandenen Freiräume nicht voll ausnutzt, sondern sich am erkennbaren Zweck des Gesetzes orientiert, wird man ihm eine Anmaßung politischer Funktionen kaum vorwerfen können. Gleiches gilt für gesetzliche Regelungen, die nur Mindeststandards setzten wollen und deren erklärtes Ziel es ist, die Adressaten zur Überschreitung dieses Niveaus zu ermuntern.245 Schließlich kann ein Phänomen, das Christopher Stone plastisch als „time-lag problem“ bezeichnet hat246, dazu führen, dass die gesetzlichen Regeln in einem bestimmten Zeitpunkt die politischen Präferenzen des Gemeinwesens hinsichtlich einer bestimmten unternehmerischen Aktivität nicht zutreffend widerspiegeln. Insbesondere bei neuen Produkten oder Fertigungsmethoden kann eine gewisse Zeit vergehen, bis eine breitere Öffentlichkeit unerwünschte soziale oder ökologische Folgen wahrnimmt, ein ausreichender politischer Druck zur Korrektur des Marktversagens entsteht und schluss243 Friedman, Capitalism and Freedom, S. 133; vgl. auch Levitt, Harv. Bus. Rev., Sept. – Oct. 1958, S. 41, 47. 244 Parkinson, S. 324. 245 Vgl. Stone, Where The Law Ends, S. 101; Parkinson, S. 326, spricht anschaulich vom „aspirational level“ mancher Regelungskomplexe. 246 Stone, Where The Law Ends, S. 103.

VI. Soziale Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen

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endlich entsprechende staatliche Regelungen erlassen und durchgesetzt werden.247 Demgegenüber können Unternehmen „an der Front“ des Geschehens oftmals nachteilige Folgen früher identifizieren und diese frühzeitig abstellen oder von vornherein vermeiden.248 Politische Kompetenzen maßt sich das Management in einem solchen Fall des vorauseilenden Gehorsams vor dem früher oder später zu erwartenden Gesetzesbefehl nicht an. Die Notwendigkeit einer Ermächtigung von Managern zur Wahrnehmung von Allgemeininteressen lässt sich mit diesen Beobachtungen indes nicht überzeugend begründen. Soweit die Rechtsordnung das Verhalten von Unternehmen ohne staatlichen Zwang in eine bestimmte Richtung lenken möchte, kann sie mit Subventionen marktliche Anreize zur Überschreitung von Mindeststandards setzen, ohne dass es der Abweichung vom Ziel der Profitmaximierung auf der Unternehmensebene bedürfte.249 Soweit eine nach den zwingenden Rahmenbedingungen an sich zulässige Handlungsmöglichkeit erkennbar nicht den Wertvorstellungen der Rechtsordnung entspricht, verbietet sich das sklavische Beharren auf den gesetzlich gebotenen Mindeststandards schon aus Gründen einer auf langfristige Gewinnmaximierung ausgerichteten – und damit ganz konventionellen – Unternehmenspolitik, die auf den good will der Gesellschaft angewiesen ist.

3. Bemerkungen zur politischen Ökonomie von Corporate Social Responsibility Ein abschließender Blick auf den rechtskulturellen Hintergrund der amerikanischen Diskussion um Corporate Social Responsibility bestätigt die Zweifel an der rechtspolitischen Weisheit einer interessenpluralistischen Konzeption der unternehmerischen Leitungsaufgabe im deutschen Rechtssystem. Kennzeichnend für die politische Ökonomie der USA ist die starke ideologische Präferenz für nichtstaatliche, marktliche Lösungsansätze: less government is better government.250 Staatlichen Eingriffen in den Handlungsspielraum von Bürgern Weiss, 28 UCLA L. Rev. 343, 379 f. (1981). Parkinson, S. 326; vgl. Weiss, 28 UCLA L. Rev. 343, 379 ff., 419 (1981); Engel, 32 Stan. L. Rev. 1, 70 ff. (1979). 249 Die Möglichkeit der Verhaltenssteuerung durch Subventionierung räumt auch Parkinson, S. 327, ein. 250 Epstein 13 J. Mgt. Studies 213, 222 (1976); ders., 30 Hastings L.J. 1287, 1297 f. (1979); Heald, The Social Responsibilities of Business, S. 272; charakteristisch für diese Tendenz Weiss, 28 UCLA L. Rev. 343, 346 (1981): „[F]urther intensification of regulation . . . will overwhelm corporations, undermining their profitability and destroying their autonomy.“ Ausführlich zu den Bestrebungen der Reagan-Administration, Unternehmen zu mehr sozialem Engagement zu bewegen, und dem ideologischen Hintergrund dieser Bemühungen Kahn, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 945, 957 ff. (1997); siehe auch H. W. Smith, 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 757, 764 (1997); allgemein zu den Unterschieden in der politischen Ökonomie zwischen den USA und Deutschland Reitz, 75 Tulane L. Rev. 1121, 1127 ff. (2001). 247 248

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

und Unternehmen begegnet man traditionell mit großer Skepsis; Kunst- und Wissenschaftsförderung, aber auch die Befriedigung ganz elementarer Bedürfnisse wie der Krankenversorgung werden in wesentlich größerem Maße als in Deutschland als private Aufgaben begriffen. Allerdings sah man sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen ausgesetzt, die den Ruf nach stärkerer Berücksichtigung sozialer Belange durch die Rechtsordnung auch in den USA lauter werden ließen.251 Hinzu trat das ebenso uramerikanische Misstrauen gegenüber der corporation als Hort schwer kontrollierbarer Macht.252 Insbesondere die – tatsächliche oder wahrgenommene – externe Bedrohung des amerikanischen Systems nach Ende des zweiten Weltkriegs durch den Kommunismus löste einen nicht unerheblichen Rechtfertigungsdruck auf die amerikanische Geschäftswelt aus.253 In dieser Situation bot das Konzept der Corporate Social Responsibility typisch amerikanische Antworten auf soziale Probleme254 und erfreute sich daher spätestens seit den 1950er Jahren wachsender Beliebtheit bei amerikanischen Managern255, wenngleich die Rechtsprechung sich nie offen dazu bekannte und in den 1980er Jahren wieder deutlich die Vorrangstellung der Aktionäre im Gesellschaftsrecht betonte. Die Aufwertung von Managern zu Treuhändern von Allgemeininteressen erlaubte es, durch die – zumindest rhetorische – Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen Zweifel an der Existenzberechtigung der „megacorporation“256 zu mildern und dadurch die Gefahr staatlichen Eingreifens durch zwingende Regelungen zu verringern.257 Ein wesentliches Motiv für die Betonung der sozialen Verantwortung durch amerikanische Manager war also die Hoffnung, durch 251 Erinnert sei an dieser Stelle nur an die Große Depression als dem zeitgeschichtlichen Hintergrund und Auslöser der Berle-Dodd-Debatte, vgl. Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1147 ff. (1932). 252 Vgl. Epstein, 30 Hastings L.J. 1287, 1291 ff. (1979); ders., 13 J. Mgt. Studies 213, 229 f. (1976); Rostow, in: Mason, The Corporation in Modern Society, S. 46, 50; Sommer, 16 Del. J. Corp. L. 33, 36 (1991); Roe, 91 Colum. L. Rev. 10, 32 ff. (1991); zur Bedeutung dieser Tendenz für die Entstehung des Sherman Acts Hovenkamp, 68 Antitrust L.J. 125, 130 f. (2000) m. w. N. 253 Vgl. die Bezugnahme des Gerichts auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund des kalten Krieges in A. P. Smith Manufacturing Co. v. Barlow, 98 A.2d 581, 586 (N.J. 1951); Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 85 ff. (1994). 254 Vgl. die Einordnung der Entscheidung in A. P. Smith von Parkinson, S. 280 Fn. 60: „The social vision of the court in Smith clearly embraces the private performance of functions which from other perspectives are regarded as falling within the public sphere.“ 255 Ausführlich Heald, The Social Responsibility of Business, S. 270 ff.; vgl. auch die Aussagen führender Industrieller bei Weiss, 28 UCLA L. Rev. 343, 346 (1981). 256 Zu diesem Begriff und seinen Ursprüngen Epstein, 30 Hastings L.J. 1287, 1288 (1979). 257 Epstein, 13 J. Mgt. Studies 213, 230 (1976): „[I]n an effort to thwart attempts to lessen managerial autonomy through either increased governmental regulation or public pressures, the business community in the United States has found it necessary to explain and justify its behaviour and role within society through the formulation of a self-conscious ideology of Social Responsibility.“

VII. Soziales Engagement in einem Shareholder-Modell der AG

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freiwillige Wahrnehmung öffentlicher Interessen öffentlich-rechtliche Regulierung verhindern zu können.258 „Business leadership at times seemed almost intent upon socializing itself in its zeal to avoid the threat of public socialization“, fasste der Rechtshistoriker Morrel Heald diese Tendenz in seiner umfassenden ideengeschichtlichen Darstellung der Entwicklung bündig zusammen.259 In Deutschland bestehen traditionell wenig Hemmungen gegenüber einem starken Staat. Man hat sich entschieden, die Interessen von Arbeitnehmern, Umwelt und Allgemeinheit in wesentlich stärkerem Umfang als in den USA durch zwingende Regeln zu schützen. Diese Tendenz mag man bedauern oder begrüßen; darum geht es hier nicht. Eine Folgerung drängt sich vor diesem Hintergrund jedenfalls bei einer rechtsvergleichenden Untersuchung des Themas geradezu auf: Wenn die Lehre von der sozialen Verantwortung der Unternehmensleiter irgendwo eine rechtspolitische Daseinsberechtigung (und einen sinnvollen Anwendungsbereich) hat, dann allein in den USA. Solange und soweit Deutschland den Weg geht, Nichtaktionärsinteressen in fast jeder erdenklichen Hinsicht durch explizite Regelungen zu schützen, passt das Konzept der freiwilligen sozialen Rücksichtnahme hingegen kaum in die deutsche Rechtslandschaft. In der Tat kann man sich fragen, welchen Schutz – außer dem Schutz des Managements vor wirksamer Aktionärskontrolle – die interessenpluralistische Konzeption gegenwärtig denn noch bieten können soll, der nicht schon durch entsprechende gesetzliche Regelungen gewährleistet wäre.

VII. Die Möglichkeit sozialen Engagements in einem Shareholder-Modell der AG Den Nachteilen von Corporate Social Responsibility stehen zwei unbestreitbare Vorteile korporativen sozialen Engagements gegenüber. Zum einen verfügen Unternehmen über die besondere Fähigkeit, im Einzelfall schnell und unbürokratisch Projekte umzusetzen und so die Arbeits- und Lebensbedingungen von „stakeholders“ unmittelbar spürbar zu verändern.260 Zum anderen erhöht das so258 Mitchell, The Generous Corporation, S. 53: „Corporate social policy is the result of an ideology of business power that emphasizes social responsibility and is a response to threats to corporate legitimacy.“ Harvey / Smith / Wilkinson, Managers and Corporate Social Policy, S. 22: „Many American companies take political action to keep the state at bay . . . They defend the legitimacy of the corporation in terms of a promise of private solutions to public problems.“ Vgl. auch Parkinson, S. 300; Knauer, 44 DePaul L. Rev. 1, 85 ff. (1994) unter der Überschrift „Corporate Giving as a Defensive Strategy“. 259 Heald, The Social Responsibilities of Business, S. 272; vgl. auch die Aussage des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Dayton-Hudson Corporation, Kenneth Dayton, wiedergegeben bei Adams / Knutsen, 80 Iowa L. Rev. 211, 226 Fn. 72 (1995): „If business does not serve society, society will not tolerate our profits or even our existence.“ 260 Vgl. die bei Parkinson, S. 343 zustimmend wiedergegebene Einschätzung des britischen Institute of Directors: „[T]he special ability of business to turn ideas into reality and to

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

ziale Engagement von Unternehmen die Gesamtsumme der in einer Gesellschaft für soziale Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel – ein in Zeiten leerer öffentlicher Kassen in seiner praktischen Bedeutung für die politische Diskussion nicht zu unterschätzender Gesichtspunkt.261 Unbestritten ist auch, dass die Aktiengesellschaft als Akteur in einem Sozialgefüge in mehr oder minder großem Maße darauf angewiesen ist, auf die Belange anderer Gruppen Rücksicht zu nehmen und ihre gesellschaftliche Akzeptanz durch kulturelle und soziale Aktivitäten zu fördern.262 Eine tragfähige Begründung für ein interessenpluralistisches Verständnis der unternehmerischen Leitungsaufgabe vermögen diese Beobachtungen jedoch nicht zu liefern. Soweit Corporate Social Responsibility es dem Vorstand ermöglichen soll, die Aktiengesellschaft als good corporate citizen darzustellen und sozial nützliche Projekte mit Gesellschaftsmitteln zu unterstützen, erweist sich das Konzept bei näherer Betrachtung als schlichtweg überflüssig. Denn die Ausrichtung der Leitungstätigkeit allein auf das Aktionärsinteresse bedeutet keineswegs eine Verpflichtung zur rücksichtslosen Ausbeutung aller verfügbaren Ressourcen im Interesse kurzfristiger Profitmaximierung. Im Gegenteil: Eine solch kurzsichtige Unternehmenspolitik liegt gerade nicht im wohlverstandenen Interesse der Aktionäre.263 Insbesondere entspricht es nicht deren Interesse, langfristige, unvollständige Verträge zum Nachteil von „stakeholders“ auszunutzen, da sich diese sonst zukünftig nicht make things happen quickly is uniquely valuable and it is extremely difficult to bring that ability to bear from other sources.“ 261 Vgl. die Aussage von Bundeskanzler Schröder zur Beibehaltung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Unternehmensspenden, FAZ vom 28. Oktober 2002, S. 1: „Wir brauchen privates Engagement in Kultur, Wissenschaft und auch Sozialem.“ Allerdings kann man sich fragen, ob nicht echte Privatinitiative, also soziales Engagement einzelner unter Verwendung ihre persönlichen Vermögens, eher dem Ideal bürgerlicher Verantwortung für das Gemeinwesen und damit dem Geist der in der öffentlichen Diskussion neuerdings so gerne bemühten sog. „Zivilgesellschaft“ entspricht als die Wahrnehmung dieser Funktionen durch große Unternehmen mit dem „Geld anderer Leute“. Voraussetzung für verstärkte echte Privatinitiative sind freilich staatliche Rahmenbedingungen (u. a. in Form eines möglichst effizienten Aktien-, Kapitalmarkt- und Steuerrechts), die die Bildung großer und mittlerer Privatvermögen und den späteren Einsatz dieser Vermögen zu sozialen Zwecken erleichtern, vgl. dazu etwa den Beitrag von Jan Philipp Reemtsma, FAZ vom 5. Juni 2003, S. 37 unter dem Titel „Heißt uns willkommen! – Für ein erweitertes Stiftungsrecht.“ 262 Zu diesem Gesichtspunkt Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 32; ders., FS Goerdeler, S. 349, 353; Rittner, FS Geßler, S. 139, 152 ff.; Fleischer, AG 2001, 171, 175; Mülbert, ZGR 1997, 129, 139; auch BGH AG 2002, 347, 349. 263 Vgl. die vorgeschlagene Verhaltensmaxime bei Monks / Minow, Corporate Governance, S. 41: „[E]nvision a hypothetical long-term shareholder, like the beneficial owner of most institutional investor securities, as the ultimate party at interest. That allows all other interests to be factored in without losing sight of the goal of long-term wealth-maximization.“ Pointiert Bainbridge, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1423, 1439 (1993): „[N]o one other than the occasional law and economics professor seriously expects managers to leave their ethical and moral concerns at home.“ Vgl. auch Fleischer, in: Handbuch Corporate Governance, S. 134: „Richtig verstanden, berücksichtigt der shareholder value sämtliche Zahlungsströme über alle Perioden einschließlich des Restwerts, ist also langfristig ausgerichtet.“

VII. Soziales Engagement in einem Shareholder-Modell der AG

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oder nur zu ungünstigeren Konditionen auf die Zusammenarbeit mit der Aktiengesellschaft einlassen werden.264 Die einseitige Verpflichtung des Managements zur Gewinnmaximierung zugunsten der Aktionäre, gepaart mit einem weiten Ermessensspielraum sowohl bei der Bestimmung des maßgeblichen Zeithorizonts als auch bei der Wahl der Mittel zur Verfolgung dieses Zieles, lässt genügend Freiraum für eine vorausschauende und sozial verträgliche Unternehmenspolitik265, ohne dass auf die theoretische und dogmatische Konsistenz des Shareholder-Modells verzichtet werden müsste.266 Wie der spätere SEC-Vorsitzende David Ruder bereits im Jahr 1965 treffend bemerkte: „[R]eliance upon traditional profit maximization theory does not amount to rejection of modern day notions of corporate responsibility. Within the confines of the business judgment rule there is ample opportunity for expenditure of corporate funds upon worthwile public welfare measures. The only limitation is that corporate policy must be reasonably related to long term corporate benefit.“267 Nichts anderes gilt für das deutsche Aktienrecht.268 Paragraph 76 Abs. 1 AktG legt die eigenverantwortliche Leitung der Aktiengesellschaft in die Hand des Vorstands; dabei wird ihm ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt.269 Dieser weite Ermessensspielraum bewirkt, dass mit der alleinigen Verpflichtung des Managements auf das Aktionärsinteresse keine einseitige Festlegung der Unternehmensführung auf eine strikte, allein am Börsenkurs gemessene, kurzfristige Maximierung des Shareholder Value verbunden ist.270 Für die Ermächtigung des Vorstands zur Wahrnehmung von Dritt- und Allgemeininteressen als solcher besteht somit auch unter dem Gesichtspunkt sachgerechter Unternehmenspolitik kein Bedürfnis.

R. H. Schmidt / Spindler, Freundesgabe Kübler, S. 515, 533, 547. Ähnlich zum Teilkomplex der Unternehmensspenden Fleischer, AG 2001, 171, 177: „[Man] muss . . . Manager nicht zu fiduciaries aller gesellschaftsrechtlichen Bezugsgruppen aufwerten, um ihnen eine Spendenbefugnis zuzuerkennen. Vielmehr rechtfertigen bereits die auf das Gesellschaftswohl geeichten Verhaltenspflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters unentgeltliche Zuwendungen mit dem Ziel, die soziale Akzeptanz der Aktiengesellschaft und ihr wirtschaftliches Fortkommen zu verbessern.“ 266 Auf diesen Vorteil einer monistischen Konzeption weist hin Kübler, FS Zöllner, S. 321, 335. 267 Ruder, 114 U. Pa. L. Rev. 209, 223 (1965). 268 Ähnlich die Einschätzung von Hopt, ZGR 2000, 779, 799: „[D]as mittelfristige Interesse der Aktionäre in Verbindung mit der business judgment rule [deckt] nahezu alle Aktivitäten des Vorstands zugunsten der Arbeitnehmer ab. Selbst viele Initiativen aus staatsbürgerlicher Verantwortung des Unternehmens, wie Spenden, die Gründung von Stiftungen oder Umweltschutzmaßnahmen, lassen sich damit rechtfertigen.“; auch Zöllner, AG 2003, 2, 8. 269 BGHZ 135, 245, 253; speziell zu Entscheidungen über Unternehmensspenden BGH (Strafsenat) AG 2002, 347, 348. 270 So auch Abschnitt I.3 des von dem Berliner Initiativkreis herausgegebenen German Code of Corporate Governance trotz der darin angenommenen „herausgehobenen Stellung“ der Anteilseigner , DB 2000, 1573. 264 265

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

VIII. Das Shareholder-Modell und die OECD Principles of Corporate Governance Eine Konzeption der Aktiengesellschaft, die den Vorstand ausschließlich zur Wahrung der Aktionärsinteressen verpflichtet, verstößt auch nicht gegen die (ihrerseits unverbindlichen) Corporate-Governance-Grundsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 1999. Zwar betonen die OECD Principles of Corporate Governance271 die Rolle der „Stakeholders“ im Rahmen der Corporate Governance und deren Bedeutung für die Wertschöpfung durch das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen.272 Darin liegt jedoch kein Widerspruch zu einem interessenmonistischen Verständnis der Leitungsaufgabe, wie eine genauere Betrachtung der Grundsätze zeigt. Soweit die Principles die Anerkennung der gesetzlich verankerten Rechte der Unternehmensbeteiligten (III.A) und effektiven Rechtsschutz im Falle der Verletzung dieser Rechte (III.B) fordern, beinhalten sie jedenfalls für die deutsche Rechtsordnung Selbstverständlichkeiten. In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass die Principles nach Entstehungsgeschichte und Gesamtzuschnitt weniger auf die westlichen Industrieländer, sondern auf die aufstrebenden Wirtschaftsnationen in Asien, Osteuropa und Lateinamerika zielen.273 Aber auch soweit allgemein die Förderung einer aktiven Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und „Stakeholdern“ mit dem Ziel der Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen verlangt wird (III.), steht ihr Inhalt nicht im Gegensatz zu einer ausschließlichen Verpflichtung des Managements auf die Verfolgung des Aktionärsinteresses. Denn die Principles fordern keineswegs die Wahrnehmung von Dritt- und Allgemeininteressen durch das Management von Kapitalgesellschaften um ihrer selbst willen. Ausweislich der offiziellen Anmerkungen geht es bei der geforderten Berücksichtigung von Nicht271 Abgedruckt in AG 1999, 340; dazu Seibert, AG 1999, 337; Hommelhoff, ZGR 2001, 238; Kort, Großkomm. z. AktG, vor § 76 Rn. 74. 272 Die einschlägige Passage lautet in der von der OECD autorisierten deutschen Fassung: „III. Rolle der verschiedenen Unternehmensbeteiligten (Stakeholder) bei der Corporate Governance Der Corporate Governance-Rahmen sollte die gesetzlich verankerten Rechte der Unternehmensbeteiligten anerkennen und eine aktive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Stakeholdern mit dem Ziel der Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen und der Erhaltung finanziell gesunder Unternehmen fördern. A. Der Corporate Governance-Rahmen sollte gewährleisten, dass die gesetzlich geschützten Rechte der Unternehmensbeteiligten (Stakeholder) gewahrt bleiben. B. Soweit die Interessen der Unternehmensbeteiligten gesetzlich geschützt sind, sollten diese bei einer etwaigen Verletzung ihrer Rechte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz haben. C. Der Corporate Governance-Rahmen sollte Verfahren für die Beteiligung der Stakeholder zulassen, die der Steigerung des Unternehmenserfolgs dienen. D. Soweit die Stakeholder am Prozess der Unternehmensführung beteiligt sind, sollten die Zugang zu den einschlägigen Informationen haben.“ 273 Seibert, AG 1999, 337, 338.

IX. Ergebnis

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aktionärsinteressen vielmehr darum, die „Stakeholders“ zu sinnvollen Investitionen in firmenspezifisches Human- und Sachkapital zu ermutigen und damit dem langfristigen Interesse des Unternehmens an einer wohlstandsmehrenden Zusammenarbeit mit diesen Gruppen zu dienen.274 Die Sorge um das Ansehen des Unternehmens und den Unternehmenserfolg erforderten häufig die Anerkennung von Nichtaktionärsinteressen über die Befolgung gesetzlich geschützter Rechte hinaus.275 Damit gehen die Principles ungeachtet ihrer „Stakeholder“-Rhetorik weder in der Substanz noch in der Begründung über dasjenige hinaus, was im Regelfall bereits ein richtig verstandenes und intelligent angewandtes Shareholder-Prinzip gebietet – die Absage an nur kurzfristige Profitmaximierung, die zu Lasten des langfristig und nachhaltig erzielbaren wirtschaftlichen Erfolgs geht.276 Auch die empfohlene Beteiligung der „Stakeholders“ (Principles III.C) bezieht sich nur auf Verfahren, die der Steigerung des Unternehmenserfolgs („performance-enhancing mechanisms for stakeholder participation“) und damit den Interessen der Anteilseigner dienen.

IX. Ergebnis Der herrschenden Meinung zu § 76 Abs. 1 AktG277 kann nach all dem nicht gefolgt werden. Soweit nicht die Satzung die Verfolgung anderer Interessen ausAG 1999, 340, 346. AG 1999, 340, 346; vgl. auch das Vorwort (S. 340): „Allen guten Corporate Governance-Systemen gemeinsam ist . . . die hohe Priorität, die den Interessen der Aktionäre eingeräumt wird, die sich ja darauf verlassen, dass die Unternehmen umsichtig und effektiv mit den von ihnen investierten Mitteln umgehen. Darüber hinaus erkennen gerade die besonders erfolgreichen Unternehmen an, dass die Geschäftsethik und die Aufgeschlossenheit der Unternehmen für die umweltbezogenen und gesellschaftlichen Interessen der Gemeinwesen, in denen sie tätig sind, Auswirkungen auf ihren Ruf und ihren langfristigen Erfolg haben. Die Wettbewerbsfähigkeit und letztlich auch der Unternehmenserfolg beruhen auf Teamarbeit, das heißt, sie sind das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten und den anderen Beteiligten, die verschiedene Beiträge leisten. Dementsprechend wird in den Grundsätzen die Rolle dieser Stakeholder ausdrücklich anerkannt.“ (Hervorhebung nicht im Original). 276 Vgl. zu den Missverständnissen, die das Reiz- und Modewort „Shareholder Value“ sowohl in Deutschland als auch in den USA ausgelöst hat, die Einschätzung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Rolf E. Breuer, der eigentliche Kern des ShareholderValue-Ansatzes, nämlich die langfristige Steigerung des Unternehmenswerts, sei bisweilen durch übertriebene Konzentration auf die Quartalsergebnisse aus dem Blickfeld des Managements geraten, FAZ vom 10. März 2003, S. 21. Treffend auch die zusammenfassende Bewertung von Dunsch, FAZ vom 1. April 2004, S. 11: „Nicht das [Shareholder Value-]Prinzip war fehlerhaft, sondern die Verbiegung zur Ideologie und zur engstirnigen Ausrichtung am Börsenerfolg.“ 277 Dazu S. 119 ff. dieser Untersuchung. 274 275

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§ 5 Das Primat des Aktionärsinteresses: Argumente und Einwände

drücklich zum Gesellschaftszweck erklärt278, ist der Vorstand der Aktiengesellschaft nach der hier entwickelten Auffassung verpflichtet, sein Handeln ausschließlich an dem typisierten Aktionärsinteresse („Gesellschaftsinteresse“) 279 auszurichten. Die Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen über die Befolgung der jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften hinaus ist ihm nur reflexartig gestattet, wenn und soweit dieses Verhalten zumindest langfristige Vorteile für Gesellschaft und Gesellschafter erwarten lässt. Bei der stets erforderlichen Prognose der für die Anteilseigner zu erwartenden Vorteile ist dem Vorstand aber ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen. Wegen der im Interesse einer nachhaltigen Wertsteigerung für die Anteilseigner erwünschten Berücksichtigung auch der langfristigen Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen mag man diesen Ansatz „enlightened shareholder value approach“ nennen280, sollte sich dabei aber darüber im Klaren sein, dass sich hinter diesem neuen Begriff nichts anderes verbirgt als die – konsequent zu Ende gedachte – reine Lehre von der ausschließlichen Verpflichtung des Managements auf die Gesellschafterinteressen. Der zunehmende globale Wettbewerb der Volkswirtschaften (und wohl bald auch der Gesellschaftsrechte 281) um Kapital erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Auffassung über kurz oder lang durchsetzen wird.282

278 Selbstverständlich steht es den Aktionären frei, die Verfolgung (auch) gemeinnütziger Ziele in der Satzung der Gesellschaft zum Gesellschaftszweck zu erklären, vgl. dazu nur Röhricht, Großkomm. z. AktG, § 23 Rn. 92; Fleischer, AG 2001, 171, 173 mit zwei Fallbeispielen; ebenso für das amerikanische Recht Easterbrook / Fischel, S. 36. 279 Dazu oben S. 169. 280 Vgl. etwa Fleischer, in: Handbuch Corporate Governance, S. 136. Unter dem Begriff „enlightened shareholder value approach“ fasst man in England das Ergebnis der jüngsten Reformdiskussion um die Geschäftleiterpflichten zusammen, die nach einer Auseinandersetzung mit den im Rahmen dieser Untersuchung erörterten Argumenten an dem Vorrang des Aktionärsinteresses festhält, dabei aber die (unbestrittene) Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den anderen Bezugsgruppen der Aktiengesellschaft sieht und ausdrücklich betont, vgl. dazu Bedkowski, RIW 2003, 105, 109 f. mit umfassenden Nachweisen. 281 Siehe die Entscheidungen des EuGH vom 5. 11. 2002, Rs. C-208 / 00 („Überseering“), DB 2002, 2425, und vom 30. 9. 2003, Rs. C-167 / 01 („Inspire Art“), EuZW 2003, 687; dazu etwa Eidenmüller, ZIP 2002, 2233; Forsthoff, DB 2002, 2471; Lutter, BB 2003, 7; Zimmer, BB 2003, 1. 282 Zu diesem Aspekt Allen, 14 Cardozo L. Rev. 261, 279 (1992); Hansmann / Kraakman, 89 Geo. L.J. 439, 450 f. (2001); Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 290; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 159.

§ 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der Aktiengesellschaft I. Die Suche nach der optimalen Regel In einem Shareholder-Modell der Aktiengesellschaft ist konzeptionell kein Raum für „echte“ Philanthropie. Gesellschaftsmittel darf der Vorstand nach der im vorangehenden Abschnitt entwickelten Konzeption nur für solche Projekte verwenden, die zumindest langfristig und mittelbar einen wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschafter erwarten lassen. Die Unterstützung sozialer Zwecke aus reinem Altruismus ist mit diesem Verständnis der Vorstandsrolle nicht zu vereinbaren. Zulässig und erwünscht sind unentgeltliche Zuwendungen aber insoweit, als sie Teil einer objektiv nachvollziehbaren Unternehmensstrategie zur Gewinnmaximierung sind. Denn die ausschließliche Verpflichtung auf das (langfristige) Aktionärsinteresse soll es dem Vorstand keineswegs verbieten, das allein maßgebliche Ziel der (nachhaltigen) Profitsteigerung auch mit unkonventionellen – und daher mitunter besonders erfolgversprechenden – Mitteln zu verfolgen. Korporative Freigebigkeit und interessenmonistische Konzeption der unternehmerischen Leitungsaufgabe schließen sich also nicht grundsätzlich aus. Vielmehr ist zu unterscheiden zwischen (1) wirtschaftlich vernünftigen Unternehmensspenden („good philanthropy“) und (2) Zuwendungen ohne hinreichende Aussicht auf adäquaten ökonomischen Nutzen, die entweder aus rein altruistischen Motiven oder aufgrund persönlicher Vorlieben der verantwortlichen Entscheidungsträger gemacht wurden („bad philanthropy“).1 Theoretisch fordert das Shareholder-Modell der Aktiengesellschaft eine rechtliche Regelung, die den Vorstand zu wirtschaftlich sinnvoller Spendentätigkeit ermächtigt, ökonomisch unsinnige Freigebigkeit aber verbietet. Praktisch wäre diese theoretisch so klare Regel jedoch nicht handhabbar, da der Rechtsanwender nicht mit hinreichender Sicherheit und Vorhersehbarkeit zwischen den beiden Kategorien unterscheiden könnte. In einer Welt begrenzter richterlicher Erkenntnismöglichkeiten bleiben der Rechtsordnung tendenziell somit nur zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder (1) Manager mit einer liberalen Regelung zu „good philanthropy“ ermuntern, schafft damit aber zwangsläufig auch einen mehr oder minder großen Freiraum für „bad philanthropy“, oder sie kann (2) mit einer strengeren Rege1 Ausführlich zu dieser Unterscheidung S. 30 ff. dieser Untersuchung; die Begriffe „good philanthropy“ und bad philanthropy“ stammen von Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1202, 1205 (1999).

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§ 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der AG

lung „bad philanthropy“ weitgehend verhindern, muss dann aber in Kauf nehmen, dass auch wirtschaftlich sinnvolle Spendentätigkeit wegen der Haftungsrisiken in Zweifelsfällen unterbleibt. Da es in Deutschland keine speziellen gesetzlichen Vorschriften zur korporativen Freigebigkeit gibt, fällt Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in diesem Bereich die schwierige Aufgabe des policy-makers zu, das geringere Übel und damit die unter realen Gegebenheiten optimale Regelung zu bestimmen. Dabei erweist sich wiederum die ökonomische Analyse der Interessenlage als hilfreich.

II. Ökonomische Analyse der korporativen Freigebigkeit 1. Der wirtschaftliche Vorteil der Spendenvergabe durch das Management

Kosten und Nutzen der Freigiebigkeit

Zunächst soll verdeutlicht werden, dass und warum es grundsätzlich im wirtschaftlichen Interesse der Aktionäre liegt, die Entscheidung über die Vergabe von Spenden aus Gesellschaftsmitteln in die Hände des Managements zu legen. Dazu dient die folgende Zeichnung:2

Spendenvolumen Abbildung 1

Auf der Ordinate sind Kosten und Nutzen der korporativen Freigebigkeit, auf der Abszisse das Spendenvolumen einer Aktiengesellschaft abgetragen. Der Ein2

Vgl. Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1204 (1999).

II. Ökonomische Analyse der korporativen Freigebigkeit

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fachheit halber sei angenommen, dass für die Gesellschaft die Kosten der Spendenvergabe für jeden Euro nur einen Euro betragen, also keine zusätzlichen Transaktionskosten entstehen. Die Grenzkostenkurve (MC) verläuft daher genau bei 1 A. Jede Spende, bei der der wirtschaftliche Nutzen für das Unternehmen für jeden Euro mindestens einen Euro beträgt, liegt im Interesse der Aktionäre. Der wirtschaftliche Nutzen für die Aktiengesellschaft (MB) sinkt mit zunehmendem Spendenvolumen, da gute Manager zunächst die Projekte mit dem höchsten wirtschaftlichen Nutzen wählen und die Möglichkeit der Gewinnsteigerung durch zusätzliches soziales Engagement endlich ist. Ab einem bestimmten Spendenvolumen (Q0 ) wiegt der Nutzen des zusätzlichen Aufwands für soziale Zwecke die dadurch entstehenden Kosten nicht mehr voll auf. Aus Aktionärssicht ist es erwünscht, solange Geld zur Unterstützung sozialer Zwecke auszugeben, bis das Spendenvolumen den Punkt Q00 erreicht hat. In diesem Fall ist der Nutzen korporativer Freigebigkeit für die Aktionäre, hier dargestellt durch das Dreieck ABC, am größten. Eine Regel, welche die Entscheidung über die Vergabe von Unternehmensspenden nicht in die Hände des Managements legt, sondern den Aktionären (beispielsweise durch die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses) ein (Mit)entscheidungsrecht einräumt (oder gar nur Individualspenden durch die Aktionäre im Namen der Gesellschaft zuließe3), würde die Kosten korporativer Freigebigkeit zwangsläufig erhöhen. Die neue Grenzkostenkurve ist hier durch die (der Einfachheit halber ebenfalls horizontale) Linie MC0 beschrieben. Der Nachteil eines solchen Modells gegenüber einer Regelung, die das Management allein zu derartigen Entscheidungen ermächtigt, ist offensichtlich. Jenseits des Punktes Q00 lohnen sich unentgeltliche Zuwendungen nicht mehr, während ohne das (Mit)entscheidungsrecht der Aktionäre die Unterstützung sozialer Projekte noch bis zum Punkt Q00 profitabel wäre. Der Nutzen sozialen Engagements für die Aktionäre verringert sich damit auf das Dreieck ADE; der durch die Fläche BCED dargestellte Nutzen geht dagegen verloren. Nur durch eine Regelung, die dem Management die Kompetenz zur selbständigen Vergabe von Spenden einräumt, können den Aktionären somit die größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteile korporativer Freigebigkeit zugute kommen.

2. Das Problem nicht am Aktionärsinteresse ausgerichteter Entscheidungen Kann das Management nach seinem eigenen Ermessen über die Vergabe von Spenden aus Gesellschaftsmitteln entscheiden, so entsteht damit unweigerlich die Möglichkeit einer Vergabepraxis, die sich nicht ausschließlich an dem erwarteten wirtschaftlichen Nutzen für die Aktionäre orientiert und damit dem soeben de3 So die bei Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1205 (1999) diskutierte Alternative zur zentralisierten Entscheidungskompetenz in der Hand des Managements.

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§ 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der AG

Kosten und Nutzen der Freigiebigkeit

monstrierten ökonomischen Sinn der Delegation dieser Aufgabe an das Management zuwiderläuft. Manager können den ihnen eingeräumten Freiraum dazu missbrauchen, ihren eigenen Nutzen (Zuwendungen an pet charities) oder den Nutzen dritter Parteien (Fälle „echter“ Philanthropie) mit den ihnen anvertrauten Mitteln zu steigern. Der wirtschaftliche Effekt einer nicht ausschließlich am Aktionärsinteresse ausgerichteten Spendenpolitik soll mit Hilfe der folgenden Zeichnung verdeutlicht werden.4

Spendenvolumen Abbildung 2

Dargestellt sind wiederum Grenzkosten (MC) und Grenznutzen (MB) korporativer Freigebigkeit für eine Aktiengesellschaft bei steigendem Spendenvolumen. Das aus Aktionärssicht erwünschte Spendenvolumen ist bei Q‘ erreicht, da nur bis zu diesem Punkt jedem zusätzlich aufgewandten Euro ein wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen in Höhe von mindestens einem Euro gegenübersteht. Wenn und soweit das Management jedoch (auch) seinen eigenen Nutzen oder den Nutzen dritter Parteien durch unentgeltliche Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen steigern will, verschiebt sich die vom Management zugrunde gelegte Grenznutzenkurve um den Wert dieses zusätzlichen Nutzens (a) nach oben auf die Linie MB0. Aus dieser Perspektive steht jedem zusätzlich verwandten Euro noch bis zu einem Spendenvolumen Q00 ein entsprechender Wert gegenüber. Gibt das Management diese Summe für soziale Zwecke aus, so entsteht für das Gesellschaftsvermögen ein Verlust, der in der Zeichnung durch das Dreieck BYZ dargestellt ist.

4

Vgl. Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1207 (1999).

II. Ökonomische Analyse der korporativen Freigebigkeit

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3. Das rechtsökonomische Argument für eine weites Ermessen des Managements Aktionäre sind verständlicherweise daran interessiert, die Verminderung des Gesellschaftsvermögens durch „bad philanthropy“ zu verhindern. Ob allerdings eine strenge(re) rechtliche Kontrolle von Managemententscheidungen über unentgeltliche Zuwendungen in ihrem Interesse liegt, ist eine andere Frage. Zwar lässt sich dadurch ohne Zweifel die Zahl falsch motivierter Vergabeentscheidungen verringern. Da sich aber der wirtschaftliche Nutzen korporativer Freigebigkeit in der Realität nur ausnahmsweise auch nur einigermaßen präzise abschätzen lässt, besteht die bereits angesprochene Gefahr, dass mit rechtlichen Beschränkungen auch ökonomisch vernünftige Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen unterbunden werden.5 Bei rechtsökonomischer Betrachtung des Problems kommt es entscheidend darauf an, ob die wirtschaftlichen Vorteile einer weiten Managementkompetenz zur Spendenvergabe die damit verbundenen Nachteile für die Aktionäre übertreffen.6 Trotz der vermehrt an das Licht der Öffentlichkeit gelangenden Missbrauchsfälle7 bestehen weder in Deutschland noch in den USA Anhaltspunkte dafür, dass diese Art der Zuwendungen ein Ausmaß erreicht hätte, bei dem dies nicht der Fall wäre. Dem rechtlichen Spielraum für die nicht profitable Verwendung von Gesellschaftsmitteln sind durch den Wettbewerb auf den Produkt- und Kapitalmärkten faktisch Grenzen gesetzt. Wirtschaftlich vernünftige Zuwendungen dürften daher die Regel sein. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen von „bad philanthropy“ immerhin auch ein kleiner Nutzen für die Gesellschaft abfällt (die Fläche Q0 Q00 ZB in Abbildung 2), die aufgewandten Mittel also nicht völlig vergeudet sind.8 Unter diesen Umständen entspricht eine Regelung, die dem Management ein weites und von den Gerichten kaum kontrolliertes Ermessen bei der Spendenvergabe einräumt, durchaus dem Interesse der Aktionäre.9 Die dadurch zwangsläufig geschaffene Möglichkeit der Verfolgung von Allgemein- und Eigeninteressen durch das Management bedeutet in konzeptioneller 5 Vgl. Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1207 f. (1999): „Stricter legal controls on bogus philanthropy could impose substantial costs on shareholders by deterring the valueincreasing, profit-maximizing philanthropy that, it seems agreed, ordinarily motivates charitable giving.“ 6 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1208 (1999). 7 Vgl. die Beispiele auf S. 73 f. sowie den Sachverhalt der Entscheidung BGH AG 2002, 347. 8 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1209 (1999). 9 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1208 (1999): „In a world in which (1) corporate philanthropy usually makes good business sense, (2) transaction and information costs are positive, (3) judges have difficulty distinguishing profit-maximizing from utilitymaximizing philanthropy, and (4) market forces constrain managerial discretion, fully informed shareholders ordinarily would choose legal rules that give managers a great deal of discretion.“

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§ 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der AG

Hinsicht keine Abweichung vom Shareholder-Modell der Aktiengesellschaft. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um einen weiteren Anwendungsfall des bekannten Prinzipal-Agenten-Problems10 – mit der Besonderheit, dass bei Ausgaben, bei denen von vornherein keine unmittelbar messbaren finanziellen Vorteile erwartet werden, die Versuchung für Manager besonders groß sein kann, andere Interessen als die der Gesellschafter zu verfolgen.11 Um die Vorteile einer zentralisierten Unternehmensführung durch professionelle Manager auch für den Bereich der korporativen Freigebigkeit nutzen zu können, muss die Gefahr der zweckwidrigen Verwendung von Gesellschaftsvermögen in bestimmten Konstellationen hingenommen werden. „But tolerance of the inevitable costs is not the same as applause for philanthropy not motivated by firm profitability.“12

III. Korporative Freigebigkeit im deutschen Aktienrecht Abschließend sollen nun die für das deutsche Aktienrecht in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft entwickelten Lösungsansätze zur korporativen Freigebigkeit vorgestellt und unter besonderer Berücksichtigung ihrer rechtsökonomischen Sinnhaftigkeit diskutiert werden.

1. Kompetenz des Vorstands Die grundsätzliche Kompetenz des Vorstands der Aktiengesellschaft zur Ausreichung von Unternehmensspenden wird von der ganz herrschenden Meinung im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum bejaht.13 Dieser Ansicht hat sich der 1. Strafsenat des BGH in einer neueren Entscheidung zu § 266 StGB angeschlossen.14 Die 10 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1211 (1999); zum Prinzipal-Agenten-Problem ausführlich S. 164 ff dieser Untersuchung. 11 Zu diesem Aspekt S. 73 ff. 12 Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1226 (1999). 13 Vgl. nur Hüffer, AktG, § 76 Rn. 14; Hopt, Großkomm. z. AktG, § 93 Rn. 120; Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 32; ders., AG 2000, 157; ders., FS Goerdeler, S. 349, 360; Fleischer, AG 2001, 171, 175; Kind, NZG 2000, 567, 568; Laub, AG 2002, 308, 309; H. P. Westermann, ZIP1990, 771. 14 BGHSt 47, 187 = AG 2002, 347 = NJW 2002, 1585 (Leitsatz: „Vergibt der Vorstand einer AG aus deren Vermögen Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, so genügt für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung, diese muss vielmehr gravierend sein. Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen. Jedenfalls dann,

III. Korporative Freigebigkeit im deutschen Aktienrecht

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Auffassung, wonach aus § 58 Abs. 3 Satz 2 AktG die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses folge15, hat sich zu Recht nicht durchsetzen können.16 Denn die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung nach § 58 Abs. 3 AktG bezieht sich wie das Gewinnbeteiligungsrecht der Aktionäre nach § 58 Abs. 4 AktG allein auf den Bilanzgewinn.17 Die Ausreichung von Unternehmensspenden stellt bilanztechnisch keine Gewinnverwendung, sondern eine dem Gewinn vorgeordnete Aufwendung dar.18 Darüber hinaus setzt § 58 Abs. 3 Satz 2 AktG seinem Wortlaut nach eine entsprechende Satzungsermächtigung voraus und räumt somit der Hauptversammlung gerade keine gesetzliche Kompetenz zur Entscheidung über die Gewinnverwendung ein.19 Die Vorschrift taugt daher auch ihrem Rechtsgedanken nach nicht zur Herleitung einer Hauptversammlungskompetenz zur Entscheidung über Unternehmensspenden. Was die Kompetenzzuweisung anbelangt, entspricht die deutsche Rechtslage somit im Ergebnis völlig den im vorangehenden Unterabschnitt herausgearbeiteten Anforderungen an eine effiziente Regelung der korporativen Freigebigkeit. Sie erlaubt es dem Vorstand, in einer komplexen Umwelt auch das Mittel der unentgeltlichen Zuwendung schnell, flexibel und ohne zusätzliche Kosten im Interesse der Aktionäre einzusetzen und dadurch die größtmöglichen Vorteile dieser Form unternehmerischen Handelns zu realisieren.20 Zweifelhafter Hinweise auf die angebliche „soziale Verantwortung“ von Aktiengesellschaften bedarf es angesichts dieses rechtsökonomischen Fundaments zur Begründung der Spendenbefugnis des Vorstands nicht.

wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt eine Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB vor.“) 15 So für Spenden an politische Parteien Meilicke, NJW 1959, 409, 412; Kulitz, Unternehmerspenden an politische Parteien, S. 166 f.; für alle nicht steuerlich abzugsfähigen Spenden Philipp, AG 2000, 62, 65 f.; Vorderwülbecke, BB 1989, 505, 509 f. 16 Zu anderen theoretisch denkbaren, aber von niemanden tatsächlich vertretenen Ansätzen zur Begründung einer Hauptversammlungszuständigkeit (ungeschriebene Entscheidungszuständigkeit etc.) Mertens, AG 2000, 157, 160 ff.; Laub, AG 2002, 308, 310. 17 Mertens, AG 2000, 157, 160; Laub, AG 2002, 308, 309 f.; K. Schmidt, Non Profit Law Yearbook 2001, S. 107, 120. 18 Fleischer, AG 2001, 171, 177; Henze, in: Großkomm. z. AktG, § 58 Rn 81. 19 Fleischer, AG 2001, 171, 177. 20 Zum Gesichtspunkt der Flexibilität schon OLG Hamburg, AG 1964, 45, 48: „Eine Entscheidung über jede Spende durch die Hauptversammlung ist schon aus praktischen Gründen nicht möglich, weil die Gewinnverteilung nur einmal im Jahr stattfindet und Spenden dann gewährt werden müssen, wenn sie gebraucht werden.“

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§ 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der AG

2. Sachgrenzen der Spendenkompetenz a) Betragsmäßige Grenzen Verschiedentlich wird gefordert, der Spendenkompetenz des Vorstands durch eine summenmäßige Beschränkung des Spendenvolumens feste Höchstgrenzen zu setzen. Dabei wird teils auf die steuerrechtlichen Vorschriften zur Abzugsfähigkeit unentgeltlicher Zuwendungen abgestellt21, teils werden unabhängig von der steuerrechtlichen Lage für das Gesellschaftsrecht eigene quantitive Begrenzungen wie etwa 1 % des Bilanzgewinns vorgeschlagen.22 Überzeugend sind diese Forderungen jedoch nicht. Soweit zur Begründung auf steuerrechtliche Vorschriften zurückgegriffen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass das Steuerrecht mit der Einnahmeerzielung für den Fiskus ganz andere Ziele verfolgt als das Gesellschaftsrecht und daher kaum tragfähige Antworten auf die Frage nach der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit bestimmter Maßnahmen zu liefern vermag.23 Aber auch die Postulierung genuin gesellschaftsrechtlicher Höchstgrenzen verdient keinen Beifall.24 Die Spendensachverhalte sind in der Lebenswirklichkeit zu vielschichtig, als dass ihre angemessene Regelung durch eine starre Begrenzung möglich wäre.25 In bestimmten Situationen können deutlich höhere Investitionen im Interesse der Aktionäre liegen, so etwa bei der einmaligen Unterstützung eines besonders prestigeträchtigen und visibelen Projekts wie dem Bau eines Museums. Eine starre betragsmäßige Begrenzung der Spendenkompetenz mag zwar Rechtssicherheit schaffen, entspricht aber insgesamt kaum dem Interesse der Aktionäre an möglichst effizienten aktienrechtlichen Rahmenbedingungen für die korporative Freigebigkeit. Denn eine solche Regelung nimmt einerseits dem Vorstand ab einer bestimmten Größenordnung die Möglichkeit der (langfristigen) Gewinnsteigerung durch unentgeltliche Zuwendungen, ohne andererseits verhindern zu können, dass bis zu diesem Betrag Gesellschaftsvermögen für wirtschaftlich unsinnige Projekte verschwendet wird. Erfreulicherweise hat der BGH in seiner Entscheidung zum Untreuetatbestand26 Forderungen nach starren (und damit „blinden“) Begrenzungen eine deutliche Absage erteilt.27

Baas, Leitungsmacht und Gemeinwohlbindung der AG, S. 211 f. Kind, NZG 2000, 567, 569. 23 Kulitz, Unternehmerspenden an politische Parteien, S. 160; Schmidt-Leithoff, Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 426; Kind, NZG 2000, 567, 569; Fleischer, AG 2001, 171, 178. 24 So auch Fleischer, AG 2001, 171, 178; Laub, AG 2002, 308, 313; Hopt, Großkomm. z. AktG, § 93 Rn. 120 Fn. 408: „nicht sachgerecht“. 25 Laub, AG 2002, 308, 313. 26 BGH AG 2002, 347 = BGHSt 47, 187. 27 Nach Einschätzung von Laub, AG 2002, 308, 313 „sind solche Überlegungen nunmehr obsolet geworden“. 21 22

III. Korporative Freigebigkeit im deutschen Aktienrecht

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b) Das Gebot der Angemessenheit als Ermessensgrenze Nach ganz überwiegender Meinung gilt hinsichtlich des Spendenvolumens das Gebot der Angemessenheit.28 Danach darf die Höhe der unentgeltlichen Zuwendungen nicht den Rahmen dessen überschreiten, was nach Größenordnung und finanzieller Situation der Aktiengesellschaft als angemessen angesehen werden kann.29 Einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit einer Spende bietet die Ertragslage des Unternehmens.30 Allerdings ergibt sich daraus wegen der möglichen Werbewirkung unentgeltlicher Zuwendungen keine Verpflichtung, in Krisenzeiten vollständig auf Unternehmensspenden zu verzichten.31 Als weitere Kriterien der Angemessenheitsprüfung werden die Verkehrsüblichkeit der Spende sowie die Nähe des unterstützten Zwecks zum Unternehmensgegenstand genannt.32 Diese Überlegungen weisen in die richtige Richtung, bedürfen aber unter einem Aspekt der Präzisierung. Das Gebot der Angemessenheit verlangt vom Rechtsanwender, die Zulässigkeit von unentgeltlichen Zuwendungen anhand einer Gesamtschau einer Reihe mehr oder minder vager Kriterien zu beurteilen. Damit birgt diese Regelung tendenziell die im vorangehenden Unterabschnitt aufgezeigte Gefahr, Vorstände durch schwer kalkulierbare Haftungsrisiken von wirtschaftlich vernünftiger Freigebigkeit abzuschrecken.33 Dieser Effekt würde insbesondere dann eintreten, wenn Gerichte dazu übergingen, die Angemessenheit einer Spende gleich einem unbestimmten Rechtsbegriff eingehend zu überprüfen.34 Dadurch könnten nicht unerhebliche wirtschaftliche Vorteile für die Aktionäre verloren gehen. Die amerikanischen Erfahrungen mit dem überkommenen direct-benefitTest35 mögen insoweit als warnendes Beispiel dienen. Ökonomisch vernünftig erscheint das Gebot der Angemessenheit daher nur, wenn es mit einem weiten Ermessensspielraum des Vorstands kombiniert wird und somit in seiner praktischen Wirkung auf Fälle offensichtlicher Verschwendung beschränkt bleibt.36 Dem dadurch unbestreitbar vergrößerten Missbrauchspotential kann eher auf andere Weise 28 BGH AG 2002, 347, 349; Fleischer, AG 2001, 171, 177 f.; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. z. AktG, § 76 Rn. 33. 29 Mertens, Kölner Komm. z. AktG., § 76 Rn. 33; Hopt, Großkomm. z. AktG, § 93 Rn. 120. 30 BGH AG 2002, 347, 349 f.; Fleischer, AG 2001, 171, 178. 31 BGH AG 2002, 347, 350; Fleischer, AG 2001, 171, 178. 32 Vgl. Rittner, FS Geßler, S. 139, 154; Fleischer, AG 2001, 171, 178. 33 Vgl. die Einschätzung von Laub, AG 2002, 308, 312, wonach eine Verletzung der Sorgfaltspflicht bei Spenden sehr viel näher liege als bei Vorgängen des normalen Tagesgeschäfts. 34 So in der Tendenz H. P. Westermann, ZIP 1990, 771, 776: „Rechtsfrage mit Beurteilungsermessen, dessen Ausübung . . . auch richterlicher Würdigung zugänglich ist.“ 35 Dazu oben S. 55 ff. 36 Zutreffend zum Ermessensspielraum Mertens, Kölner Komm. z. AktG., § 76 Rn. 33: Der Vorstand dürfe durch seine Spendenpolitik keine Misswirtschaft treiben oder die Rentabilität des Unternehmens gefährden. In diese Richtung auch Rittner, FS Geßler, S. 139, 154 („hinreichender Spielraum für trial and error“); Fleischer, FS Wiedemann, S. 827, 845 f.

14 Empt

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§ 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der AG

als durch die Beschneidung des unternehmerischen Leitungsermessens begegnet werden (dazu sogleich). Das Gebot der Angemessenheit sollte der Spendenkompetenz des Vorstands hinsichtlich des Spendenvolumens nur äußerste Grenzen im Sinne einer bloßen Evidenzkontrolle setzen. Mit der Feststellung, die ARAG / Garmenbeck-Grundsätze37 seien auch auf Entscheidungen über die Ausreichung von Unternehmensspenden anwendbar38, hat der BGH insoweit den richtigen Weg eingeschlagen.

c) Interessenkonflikte und Zuwendungen an „pet charities“ Das durch die Möglichkeit unentgeltlicher Zuwendungen an „pet charities“39 vorhandene Missbrauchspotential der Spendenbefugnis ist ein wesentlicher Grund, warum Unternehmensspenden ein gesellschaftsrechtliches Problem darstellen. Die für das Privatrecht ungewöhnliche Befugnis, fremdes Geld ausgeben zu dürfen, ohne unmittelbar messbare finanzielle Vorteile vorweisen zu müssen, schafft in diesem Bereich eine besondere Versuchung für das Management der Aktiengesellschaft, mit den ihm anvertrauten Mitteln persönliche Interessen anstelle von Gesellschaftsinteressen zu verfolgen. Verluste, die dadurch entstehen, dass Manager ihren eigenen Nutzen beispielsweise in Form von Prestigegewinn durch Unternehmensspenden maximieren, zählen zu den agency-Kosten, die es möglichst zu vermeiden gilt.40 Allerdings liegt es nicht im Interesse der Aktionäre, Zuwendungen an solche Organisationen, bei denen Vorstandsmitglieder oder ihre Familienangehörigen offizielle Funktionen ausüben oder zu denen sie enge persönliche Kontakte pflegen, schlechthin zu verbieten. Vorstandsmitglieder, insbesondere der Vorstandsvorsitzende, müssen als Unternehmerpersönlichkeiten die Möglichkeit haben, bestimmte Anliegen auch durch die persönliche Wahrnehmung offizieller Funktionen in entsprechenden Organisationen zu unterstützen. Da große Aktiengesellschaften in der öffentlichen Wahrnehmung in mehr oder minder großem Maße durch die Person des jeweiligen Vorstandsvorsitzenden verkörpert werden, kann das persönliche Engagement für einen bestimmten Zweck im Einzelfall sogar auf besonders effektive Weise good will für die Gesellschaft erzeugen. Die Tatsache, dass ein Manager auch persönliche Befriedigung und Prestige aus der Unterstützung eines bestimmten Projekts gewinnt, ist als solche nicht zu beanstanden. Will der Vorstand das öffentliche Ansehen der Aktiengesellschaft durch Spenden für soziale Zwecke verbessern, muss er ohnehin aus einer Vielzahl von Einrichtungen eine oder mehrere auswählen. Nichts spricht grundsätzlich dagegen, dass sich Vorstandsmitglieder 37 38 39 40

Vgl. BGHZ 135, 244, 253. BGH AG 2002, 347, 348. Zum Begriff ausführlich oben S. 73 ff. mit Beispielsfällen. Dazu oben S. 164 ff.

III. Korporative Freigebigkeit im deutschen Aktienrecht

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bei der notwendigen Auswahl zwischen mehreren gleichermaßen geeignet erscheinenden Projekten (Beispiele: Krebs- oder AIDS-Hilfe; Miserior oder Brot für die Welt; Fußball oder Radsport) für dasjenige Anliegen entscheiden, das ihnen persönlich besonders am Herzen liegt. Vor diesem Hintergrund erweist sich die im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum vertretene Linie als grundsätzlich sachgerecht. Zuwendungen an „pet charities“ sind demnach nicht schlechthin verboten41, jedoch darf der Vorstand sich „nicht sachwidrig“42 von persönlichen Präferenzen beeinflussen lassen oder privaten Präferenzen „unangemessenen Raum“43 geben oder gar „willkürlich“44 mit Gesellschaftsmitteln persönliche Überzeugungen oder private Liebhaberei verfolgen.45 Die Entscheidung, was „sachwidrig“ oder „unangemessen“ ist, kann freilich im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Einen Versuch, die Regeln für Interessenkonflikte zu konkretisieren, hat der 1. Strafsenat des BGH in seiner Entscheidung zu § 266 StGB46 unternommen. Darin betont das Gericht die Bedeutung innergesellschaftlicher Transparenz und Kontrolle. Je loser die Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand, desto enger sei der Handlungsspielraum des Vorstands und desto größer seien die Anforderungen an die interne Publizität. Erfülle ein einzelnes Vorstandsmitglied mit einer Zuwendung seine ganz persönlichen Vorlieben oder Interessen, so könne das betroffene Vorstandsmitglied die Entscheidung nicht allein treffen, auch wenn es nach der internen Geschäftsverteilung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 2 AktG) für die Vergabe von Fördermitteln zuständig wäre.47 Bei Interessenkonflikten muss also der Gesamtvorstand entscheiden. Darüber hinaus sei der Vorstand gegenüber anderen Gesellschaftsorganen – gemeint ist wohl der Aufsichtsrat – zur Offenheit verpflichtet, um ihnen Kontroll- und Rügemöglichkeiten zu eröffnen.48 Die Forderung nach gesellschaftsinterner Publizität bei Zuwendungen an „pet charities“ erscheint berechtigt.49 Sie findet rechtsvergleichenden Rückhalt in der 41 Anderer Ansicht aber wohl Rittner, FS Geßler, S. 139, 156: „Ebenso würde er seine Pflichten verletzen, wenn er irgendwelche kulturelle, humanitäre oder religiöse Vereinigungen finanziell unterstützen würde, weil sie vielleicht nach der persönlichen Überzeugung der Vorstandsmitglieder dem Gemeinwohl in besonderem Maße dienen.“ 42 Hopt, Großkomm. z. AktG, § 93 Rn. 120; Fleischer, AG 2001, 171, 178. 43 Mertens, Kölner Komm. z. AktG., § 76 Rn. 32. 44 H. P. Westermann, ZIP 1990, 771, 775. 45 Deutlich für die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Zuwendungen auch BGH, AG 2002, 347, 349: „[Der Vorstand] darf . . . mit dem Geld der Gesellschaft auch seine eigene politische Überzeugung, private Liebhaberei für Kunst und Wissenschaft oder seine Begeisterung für eine bestimmte Sparte des Sports verfolgen.“ 46 BGH, AG 2002, 347; dazu Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 66 f. 47 BGH, AG 2002, 347, 349. 48 BGH, AG 2002, 347, 349. 49 Für interne Publizität zur Kontrolle von Interessenkonflikten auch K. Schmidt, Non Profit Law Yearbook 2001, S. 107, 122.

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§ 6 Korporative Freigebigkeit in einem Shareholder-Modell der AG

amerikanischen Reformdiskussion.50 Eine Regel, die die Entscheidung im Falle persönlichen Engagements für den fraglichen Zweck aus der Hand des einzelnen Vorstandsmitglieds nimmt, ist dazu geeignet, der Verschwendung von Gesellschaftsmitteln für rein private Liebhaberei entgegenzuwirken, ohne auf der anderer Seite von legitimen Projekten abzuschrecken. Allerdings besteht bei einer Zuständigkeit des (Gesamt)vorstands immer noch die Gefahr, dass Vorstandsmitglieder die Zulässigkeit einer Spende an eine „pet charity“ allzu großzügig beurteilen, weil sie entweder in einer ähnlichen Sache selbst auf Entgegenkommen hoffen oder aber eine solche Entscheidung als eine einfache Möglichkeit ansehen, sich das Wohlwollen und die Unterstützung des betreffenden Mitgliedes in anderen Fragen zu sichern. Vorzugswürdig ist daher eine klare Regelung, wonach bei Interessenkonflikten stets der Aufsichtsrat eingeschaltet werden muss.51 Dadurch werden weder Aufsichtsrat noch Vorstand übermäßig belastet, da Zuwendungen an „pet charities“ Ausnahmecharakter haben (sollten). Um eine tatsächliche Kontrolle der Spendenpolitik des Vorstands durch den Aufsichtsrat zu gewährleisten, kann es für Aktiengesellschaften empfehlenswert sein, Vorstandsentscheidungen über bestimmte Arten von Spenden oder ab einer bestimmten Höhe generell einem Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu unterwerfen.52 3. Forderung de lege ferenda: Pflicht zur Veröffentlichung im Jahresabschluss Uneingeschränkte Unterstützung schließlich verdient die Forderung, de lege ferenda die handelsrechtliche Transparenz von Unternehmensspenden durch eine entsprechende Veröffentlichungspflicht im Jahresabschluss zu verbessern.53 Nach geltendem Recht müssen Spenden nicht gesondert in der Gewinn- und Verlustrechnung der Aktiengesellschaft ausgewiesen werden, sondern gehen in dem Sammelposten „sonstige betriebliche Aufwendungen“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 8 HGB) auf54, so Vgl. dazu oben S. 79 f. So Fleischer, AG 2001, 171, 178. 52 Zu dieser Möglichkeit im einzelnen Laub, AG 2002, 308, 310 f.; Kind, NZG 2000, 567, 570. Die Regierungskommission Corporate Governance hatte in ihrem Bericht empfohlen, in den Corporate Governance Kodex eine Regelung aufzunehmen, wonach dem Aufsichtsrat einmal jährlich ein Bericht des Vorstands zur Vergabe von Spenden oberhalb eines vom Aufsichtsrat festzulegenden Betrags vorgelegt wird (Kommissionsbericht, Rn. 263). Diese Empfehlung ist bislang nicht umgesetzt worden, vgl. dazu Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 156 („Potentielles Defizit“). 53 So für das deutsche Recht Fleischer, AG 2001, 171, 178 f.; ihm folgend K. Schmidt, Non Profit Law Yearbook 2001, S. 107, 122 f.; in diese Richtung auch Kort, Großkomm. z. AktG, § 76 Rn. 73; zur entsprechenden amerikanischen Diskussion bereits oben S. 81 ff. 54 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung, Bd. 5, § 275 HGB Rn. 141; Küting / Weber, Hdb. d. Rechnungslegung, Bd. Ia, § 275 HGB, Rn. 76; Beater, in: Münchener Komm. z. HGB, Bd. 4, § 275 Rn. 70. 50 51

III. Korporative Freigebigkeit im deutschen Aktienrecht

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dass der Jahresabschluss keine Informationen über die Höhe der Ausgaben und die einzelnen Empfänger der Zuwendungen enthält. Für eine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung dieser Informationen ab einer bestimmten Bagatellgrenze sprechen mehrere Gründe.55 Erstens erleichtert eine verbesserte Publizität Aktionären und potentiellen Investoren die Kontrolle über die Spendenpraxis der Gesellschaft.56 Je mehr über die Spendenpraxis bekannt ist, desto eher können (institutionelle) Anleger abschätzen, ob und inwieweit der Vorstand unentgeltliche Zuwendungen als ein effizientes Mittel zur (langfristigen) Gewinnmaximierung einsetzt. Die Möglichkeit der Überwachung des Managements durch die Märkte ist von besonderer Bedeutung, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung die rechtliche Begrenzung der Spendenkompetenz durch strenge(re) materielle Regeln grundsätzlich ablehnt.57 Die Pflicht zur Offenlegung erhöht den Druck auf den Vorstand, Mittel nur für solche Projekte zur Verfügung zu stellen, die bei objektiver Betrachtung einen entsprechenden langfristigen Nutzen in Form von gesteigertem good will für die Gesellschaft erwarten lassen. Sie verringert damit zugleich – und dies ist das zweite Argument für verbesserte Publizität in diesem Bereich – die Wahrscheinlichkeit, dass Gesellschaftsmittel für Zuwendungen an „pet charities“ missbraucht werden. Schließlich dürfte die Öffentlichkeit der Spendenpraxis insbesondere bei großen Publikumsgesellschaften dazu beitragen, dass auf die Unterstützung gesellschaftlich kontroverser Projekte verzichtet wird. Ein solcher Verzicht ist wünschenswert, weil es staatsrechtlich besonders problematisch erscheint, wenn das wirtschaftliche Gewicht der Aktiengesellschaft zugunsten eines politisch umstrittenen Zwecks in die Waagschale geworfen wird.58

Vgl. Fleischer, AG 2001, 171, 179. Nach h. M. gibt § 131 AktG grundsätzlich Aktionären kein Recht auf eine Einzelaufschlüsselung der Spenden, sondern lediglich einen Anspruch auf Auskunft über die Gesamthöhe des Spendenaufkommens der Gesellschaft, OLG Frankfurt, AG 1994, 39, 40 m. w. N.; Hüffer, AktG, § 113 Rn. 18; Semler, in: Münchener Hdb. d. GesR., Bd. 4, § 37 Rn. 14; a.A. für Parteispenden Kind, NZG 2000, 567, 572. 57 Vgl. Butler / McChesney, 84 Cornell L. Rev. 1195, 1225 (1999): „[C]ompetitive markets will tend to penalize managers and corporations that engage in corporate philanthropy that hurts share value overall. Market forces act as the primary restraint on corporate management. Legal constraints on corporate philanthropy are largely irrelevant.“ 58 Ausführlich zu den staatsrechtlichen Problemen korporativen sozialen Engagements oben S. 185 ff. 55 56

Anhang: Der Wortlaut aller other constituency statutes Connecticut

Conn. Gen. Stat. § 33 – 756 Board of directors. ... (d) For purposes of sections 33 – 817, 33 – 830, 33 – 831, 33 – 841 and 33 – 844, a director of a corporation which has a class of voting stock registered pursuant to Section 12 of the Securities Exchange Act of 1934, as the same has been or hereafter may be amended from time to time, in addition to complying with the provisions of subsections (a) to (c), inclusive, of this section, shall consider, in determining what he reasonably believes to be in the best interests of the corporation, (1) the long-term as well as the shortterm interests of the corporation, (2) the interests of the shareholders, longterm as well as short-term, including the possibility that those interests may be best served by the continued independence of the corporation, (3) the interests of the corporation’s employees, customers, creditors and suppliers, and (4) community and societal considerations including those of any community in which any office or other facility of the corporation is located. A director may also in his discretion consider any other factors he reasonably considers appropriate in determining what he reasonably believes to be in the best interests of the corporation.

Florida

Fla. Sta. ch. 607.0830 General standards for directors. ... (3) In discharging his or her duties, a director may consider such factors as the director deems relevant, including the long-term prospects and interests of the corporation and its shareholders, and the social, economic, legal, or other effects of any action on the employees, suppliers, customers of the corporation or its subsidiaries, the communities and society in which the corporation or its subsidiaries operate, and the economy of the state and the nation.

Georgia

Ga. Code Ann. § 14 – 2-202 Articles of incorporation (b) The articles of incorporation may set forth: ... (5) A provision that, in discharging the duties of their respective positions and in determining what is believed to be in the best interests of the corporation, the board of directors, committees of the board of directors, and individual directors, in addition to considering the effects of any action on the corporation or its shareholders, may consider the interests of the employees, customers, suppliers, and creditors of the corporation and its sub-

Anhang

215

sidiaries, the communities in which offices or other establishments of the corporation and its subsidiaries are located, and all other factors such directors consider pertinent; provided, however, that any such provision shall be deemed solely to grant discretionary authority to the directors and shall not be deemed to provide to any constituency any right to be considered. Hawaii

Haw. Rev. Stat. § 414 – 221 General standards for directors. ... (b) In determining the best interests of the corporation, a director, in addition to considering the interests of the corporation’s shareholders, may consider, in the director’s discretion, any of the following factors: (1) The interests of the corporation’s employees, customers, suppliers, and creditors; (2) The economy of the State and the nation; (3) Community and societal considerations, including, without limitation, the impact of any action upon the communities in or near which the corporation has offices or operations; and (4) The long-term as well as short-term interests of the corporation and its shareholders, including, without limitation, the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation.

Idaho

Idaho Code § 30 – 1702 Duties of director. In discharging the duties of the position of director of an issuing public corporation, a director, in considering the best interests of the corporation, shall consider the long-term as well as the short-term interests of the corporation and its shareholders including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation. In addition, a director may consider the interests of Idaho employees, suppliers, customers and communities in discharging his duties.

Illinois

IL ST CH 805 § 5 / 8.85 § 8.85. In discharging the duties of their respective positions, the board of directors, committees of the board, individual directors and individual officers may, in considering the best long term and short term interests of the corporation, consider the effects of any action (including without limitation, action which may involve or relate to a change or potential change in control of the corporation) upon employees, suppliers and customers of the corporation or its subsidiaries, communities in which offices or other establishments of the corporation or its subsidiaries are located, and all other pertinent factors.

Indiana

Ind. Code Ann. § 23 – 1-35 – 1 Standards of conduct; liability. ... (d) A director may, in considering the best interests of a corporation, consider the effects of any action on shareholders, employees, suppliers, and customers of the corporation, and communities in which offices or other

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Anhang facilities of the corporation are located, and any other factors the director considers pertinent. ... (f) In enacting this article, the general assembly established corporate governance rules for Indiana corporations, including in this chapter, the standards of conduct applicable to directors of Indiana corporations, and the corporate constituent groups and interests that a director may take into account in exercising the director’s business judgment. The general assembly intends to reaffirm certain of these corporate governance rules to ensure that the directors of Indiana corporations, in exercising their business judgment, are not required to approve a proposed corporate action if the directors in good faith determine, after considering and weighing as they deem appropriate the effects of such action on the corporation’s constituents, that such action is not in the best interests of the corporation. In making such determination, directors are not required to consider the effects of a proposed corporate action on any particular corporate constituent group or interest as a dominant or controlling factor. Without limiting the generality of the foregoing, directors are not required to render inapplicable any of the provisions of IC 23-1-43, to redeem any rights under or to render inapplicable a shareholder rights plan adopted pursuant to IC 23-1-26-5, or to take or decline to take any other action under this article, solely because of the effect such action might have on a proposed acquisition of control of the corporation or the amounts that might be paid to shareholders under such an acquisition. Certain judicial decisions in Delaware and other jurisdictions, which might otherwise be looked to for guidance in interpreting Indiana corporate law, including decisions relating to potential change of control transactions that impose a different or higher degree of scrutiny on actions taken by directors in response to a proposed acquisition of control of the corporation, are inconsistent with the proper application of the business judgment rule under this article. Therefore, the general assembly intends: (1) to reaffirm that this section allows directors the full discretion to weigh the factors enumerated in subsection (d) as they deem appropriate; and (2) to protect both directors and the validity of corporate action taken by them in the good faith exercise of their business judgment after reasonable investigation. (g) In taking or declining to take any action, or in making or declining to make any recommendation to the shareholders of the corporation with respect to any matter, a board of directors may, in its discretion, consider both the short term and long term best interests of the corporation, taking into account, and weighing as the directors deem appropriate, the effects thereof on the corporation’s shareholders and the other corporate constituent groups and interests listed or described in subsection (d), as well as any other factors deemed pertinent by the directors under subsection (d). If a determination is made with respect to the foregoing with the approval of a majority of the disinterested directors of the board of directors, that determination shall conclusively be presumed to be valid unless it can be de-

Anhang

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monstrated that the determination was not made in good faith after reasonable investigation. Iowa

Iowa Code § 490.1108 Consideration of community interests in consideration of acquisition proposals 1. A director, in determining what is in the best interest of the corporation when considering a tender offer or proposal of acquisition, merger, consolidation, or similar proposal, may consider any or all of the following community interest factors, in addition to consideration of the effects of any action on shareholders: a. The effects of the action on the corporation’s employees, suppliers, creditors, and customers. b. The effects of the action on the communities in which the corporation operates. c. The long-term as well as short-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation. 2. If on the basis of the community interest factors described in paragraph 1, the board of directors determines that a proposal or offer to acquire or merge the corporation is not in the best interests of the corporation, it may reject the proposal or offer. If the board of directors determines to reject any such proposal or offer, the board of directors has no obligation to facilitate, to remove any barriers to, or to refrain from impeding, the proposal or offer. Consideration of any or all of the community interest factors is not a violation of the business judgment rule or of any duty of the director to the shareholders, or a group of shareholders, even if the director reasonably determines that a community interest factor or factors outweigh the financial or other benefits to the corporation or a shareholder or group of shareholders.

Kentucky

Ky. Rev. Stat. Ann. § 271B.12 – 210 Minimum share vote requirements for approval of business combinations – Limitations on business corporation. ... (4) In discharging its duties under this section, or otherwise, the board of directors, in considering the best interests of the corporation, may consider in addition to the interests of the corporation’s shareholders, any of the following: (a) The interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers; (b) The economy of the state and nation; (c) Community and societal considerations; and (d) The long-term as well as short-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation.

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Anhang

Louisiana

La. Rev. Stat. § 12:92 Liability of directors and officers ... G. The board of directors, when evaluating a tender offer or an offer to make a tender or exchange offer or to effect a merger or consolidation may, in exercising its judgment in determining what is in the best interest of the corporation and its shareholders, consider the following factors and any other factors which it deems relevant: (1) Not only the consideration being offered in the proposed transaction in relation to the then current market price for the outstanding capital stock of the corporation, but also the market price for the capital stock of the corporation over a period of years, the estimated price that might be achieved in a negotiated sale of the corporation as a whole or in part or through orderly liquidation, the premiums over market price for the securities of other corporations in similar transactions, current political, economic, and other factors bearing on securities prices and the corporation’s financial condition and future prospects. (2) The social and economic effects of such transaction on the corporation, its subsidiaries, or their employees, customers, creditors, and the communities in which the corporation and its subsidiaries do business.

Maine

Me. Rev. Stat. Tit. 13-A, § 716 Duty of directors and officers. The directors and officers of a corporation shall exercise their powers and discharge their duties in good faith with a view to the interests of the corporation and of the shareholders and with that degree of diligence, care and skill which ordinarily prudent men would exercise under similar circumstances in like positions. In discharging their duties, directors and officers may in all cases rely upon financial statements of the corporation to the extent provided in section 720, subsection 4. In discharging their duties, the directors and officers may, in considering the best interests of the corporation and of its shareholders, consider the effects of any action upon employees, suppliers and customers of the corporation, communities in which offices or other establishments of the corporation are located and all other pertinent factors. A director shall not be held personally liable for monetary damages for failure to discharge any duty as a director unless the director is found not to have acted honestly or in the reasonable belief that the action was in or not opposed to the best interests of the corporation or its shareholders.

Massachusetts

Mass. Ann. Laws ch 156B, § 65 Good faith and prudence as defense. A director, officer or incorporator of a corporation shall perform his duties as such, including, in the case of a director, his duties as a member of a committee of the board upon which he may serve, in good faith and in a manner he reasonably believes to be in the best interests of the corporation, and with such care as an ordinarily prudent person in a like position would use under similar circumstances. In determining what he reasonably believes to be in the best interests of the corporation, a director may consider

Anhang

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the interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers, the economy of the state, region and nation, community and societal considerations, and the long- term and short-term interests of the corporation and its stockholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation. Minnesota

Minn. Stat. § 302A.251. Standard of conduct. ... Subd. 5. Considerations. In discharging the duties of the position of director, a director may, in considering the best interests of the corporation, consider the interests of the corporation’s employees, customers, suppliers, and creditors, the economy of the state and nation, community and societal considerations, and the long-term as well as short-term interests of the corporation and its shareholders including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation.

Mississippi

Miss. Code Ann. § 79 – 4-8.30. General principles. (a) Each member of the board of directors, when discharging the duties of a director, shall act: (1) In good faith, and (2) In a manner the director reasonably believes to be in the best interests of the corporation. (b) The members of the board of directors or a committee of the board, when becoming informed in connection with their decision-making function or devoting attention to their oversight function, shall discharge their duties with the care that a person in a like position would reasonably believe appropriate under similar circumstances. ... (f) For purposes of this section, a director, in determining what he reasonably believes to be in the best interests of the corporation, shall consider the interests of the corporation’s shareholders and, in his discretion, may consider any of the following: (1) The interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers; (2) The economy of the state and nation; (3) Community and societal considerations; (4) The long-term as well as short-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation.

Missouri

Mo. Rev. Stat. § 351.347. Acquisition proposals, board may make recommendation. 1. In exercising its business judgment concerning any acquisition proposal, as defined in subsection 2 of this section, the board of directors of the corporation may consider the following factors, among others: ...

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Anhang (4) Social, legal and economic effects on employees, suppliers, customers and others having similar relationships with the corporation, and the communities in which the corporation conducts its businesses;

Nebraska

Neb. Rev. Stat. § 21 – 2035 Board of directors; powers and duties; qualifications, liability ... (1)(c) A director may, but need not, in considering the best interest of the corporation, consider, among other things, the effects of any action on employees, suppliers, creditors, and customers of the corporation and communities in which offices or other facilities of the corporation are located. Aufgehoben im Jahr 1995. Jetzt lautet die einschlägige Regelung (§ 21 – 2095): A director shall discharge his or her duties as a director . . . (c) In a manner he or she reasonably believes to be in the best interests of the corporation.

Nevada

Nev. Rev. Stat. Ann. § 78.138. Directors and officers: Exercise of powers; performance of duties; presumptions and considerations; liability to corporation and stockholders. 1. Directors and officers shall exercise their powers in good faith and with a view to the interests of the corporation. ... 3. Directors and officers, in deciding upon matters of business, are presumed to act in good faith, on an informed basis and with a view to the interests of the corporation. 4. Directors and officers, in exercising their respective powers with a view to the interests of the corporation, may consider: (a) The interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers; (b) The economy of the state and nation; (c) The interests of the community and of society; and (d) The long-term as well as short-term interests of the corporation and its stockholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation. 5. Directors and officers are not required to consider the effect of a proposed corporate action upon any particular group having an interest in the corporation as a dominant factor. 6. The provisions of subsections 4 and 5 do not create or authorize any causes of action against the corporation or its directors or officers.

New Jersey

N.J. Stat. § 14A:6 – 1 Board of directors. ... (2) In discharging his duties to the corporation and in determining what he reasonably believes to be in the best interest of the corporation, a director may, in addition to considering the effects of any action on shareholders,

Anhang

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consider any of the following: (a) the effects of the action on the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers; (b) the effects of the action on the community in which the corporation operates; and (c) the long term as well as the short-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may best be served by the continued independence of the corporation. § 14A:6 – 14. Liability of directors; reliance on records and reports ... (4) In taking action, including, without limitation, action which may involve or relate to a change or potential change in the control of the corporation, a director shall be entitled to consider, without limitation, both the long-term and the short-term interests of the corporation and its shareholders. For the purpose of this subsection, çontrol“ means the possession, directly or indirectly, of the power to direct or cause the direction of the management and policies of the corporation, whether through the ownership of voting shares, by contract or otherwise. New Mexico

N.M. Stat. Ann. § 53 – 11 – 35 Board of directors. ... D. For purposes of Subsection B of this section, a director, in determining what he reasonably believes to be in or not opposed to the best interests of the corporation, shall consider the interests of the corporation’s shareholders and, in his discretion, may consider any of the following: (1) the interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers; (2) the economy of the state and nation; (3) the impact of any action upon the communities in or near which the corporation’s facilities or operations are located; and (4) the long-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that those interests may be best served by the continued independence of the corporation.

New York

N.Y. Bus. Corp. Law § 717 ... (b) In taking action, including, without limitation, action which may involve or relate to a change or potential change in the control of the corporation, a director shall be entitled to consider, without limitation, (1) both the long- term and the short-term interests of the corporation and its shareholders and (2) the effects that the corporation’s actions may have in the short-term or in the long-term upon any of the following: (i) the prospects for potential growth, development, productivity and profitability of the corporation; (ii) the corporation’s current employees; (iii) the corporation’s retired employees and other beneficiaries receiving or entitled to receive retirement, welfare or similar benefits from or pursuant to any plan sponsored, or agreement entered into, by the corporation; (iv) the corporation’s customers and creditors; and

222

Anhang (v) the ability of the corporation to provide, as a going concern, goods, services, employment opportunities and employment benefits and otherwise to contribute to the communities in which it does business. Nothing in this paragraph shall create any duties owed by any director to any person or entity to consider or afford any particular weight to any of the foregoing or abrogate any duty of the directors, either statutory or recognized by common law or court decisions.

North Dakota

N.D. Cent. Code 10 – 19.1 – 50 Standard of conduct for directors. 1. A director shall discharge the duties of the position of director in good faith, in a manner the director reasonably believes to be in the best interests of the corporation, and with the care an ordinarily prudent person in a like position would exercise under similar circumstances. A person who so performs those duties is not liable by reason of being or having been a director of the corporation. ... 6. In discharging the duties of the position of director, a director may, in considering the best interests of the corporation, consider the interests of the corporation’s employees, customers, suppliers, and creditors, the economy of the state and nation, community and societal considerations, and the long- term as well as the short-term interests of the corporation and its shareholders including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation.

Ohio

Ohio Rev. Code Ann. § 1701.59 Authority of directors, bylaws, standards of care. ... (E) For purposes of this section, a director, in determining what the director reasonably believes to be in the best interests of the corporation, shall consider the interests of the corporation’s shareholders and, in the director’s discretion, may consider any of the following: (1) The interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors, and customers; (2) The economy of the state and nation; (3) Community and societal considerations; (4) The long-term as well as short-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation.

Oregon

Or. Rev. Stat. § 60.357 General standards for directors. ... (5) When evaluating any offer of another party to make a tender or exchange offer for any equity security of the corporation, or any proposal to merge or consolidate the corporation with another corporation or to purchase or otherwise acquire all or substantially all the properties and assets of the corporation, the directors of the corporation may, in determining

Anhang

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what they believe to be in the best interests of the corporation, give due consideration to the social, legal and economic effects on employees, customers and suppliers of the corporation and on the communities and geographical areas in which the corporation and its subsidiaries operate, the economy of the state and nation, the long-term as well as short-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation, and other relevant factors. Pennsylvania

15 Pa. Cons. Stat. § 1715. Exercise of powers generally. (a) General rule.–In discharging the duties of their respective positions, the board of directors, committees of the board and individual directors of a business corporation may, in considering the best interests of the corporation, consider to the extent they deem appropriate: (1) The effects of any action upon any or all groups affected by such action, including shareholders, employees, suppliers, customers and creditors of the corporation, and upon communities in which offices or other establishments of the corporation are located. (2) The short-term and long-term interests of the corporation, including benefits that may accrue to the corporation from its long-term plans and the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation. (3) The resources, intent and conduct (past, stated and potential) of any person seeking to acquire control of the corporation. (4) All other pertinent factors. (b) Consideration of interests and factors.–The board of directors, committees of the board and individual directors shall not be required, in considering the best interests of the corporation or the effects of any action, to regard any corporate interest or the interests of any particular group affected by such action as a dominant or controlling interest or factor. The consideration of interests and factors in the manner described in this subsection and in subsection (a) shall not constitute a violation of section 1712 (relating to standard of care and justifiable reliance). § 1716. Alternative Standard. ... (a) General rule.–In discharging the duties of their respective positions, the board of directors, committees of the board and individual directors of a business corporation may, in considering the best interests of the corporation, consider the effects of any action upon employees, upon suppliers and customers of the corporation and upon communities in which offices or other establishments of the corporation are located, and all other pertinent factors. The consideration of those factors shall not constitute a violation of section 1712 (relating to standard of care and justifiable reliance). § 1717. Limitation on standing. The duty of the board of directors, committees of the board and individual directors under section 1712 (relating to standard of care and justifiable

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Anhang reliance) is solely to the business corporation and may be enforced directly by the corporation or may be enforced by a shareholder, as such, by an action in the right of the corporation, and may not be enforced directly by a shareholder or by any other person or group. Notwithstanding the preceding sentence, sections 1715(a) and (b) (relating to exercise of powers generally) and 1716(a) (relating to alternative standard) do not impose upon the board of directors, committees of the board and individual directors any legal or equitable duties, obligations or liabilities or create any right or cause of action against, or basis for standing to sue, the board of directors, committees of the board and individual directors.

Rhode Island

R.I. Gen. Laws § 7 – 5.2 – 8 Duties in response to acquisition proposals. (a) In discharging the duties of their respective positions with respect to any proposed business combination, as defined in § 7 – 5.2 – 3(5), the board of directors, committees of the board, individual directors, and individual officers may, in considering the best interest of the corporation, in addition to considering the effects on shareholders, consider any of the following: (1) The effect on the corporation’s employees, suppliers, creditors, and customers; (2) The effect on the communities in which the corporation operates; (3) The long-term as well as short term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation.

South Dakota

S.D. Codified Laws § 47 – 33 – 4 Factors considered by board in discharging duties. (1) In discharging the duties of their respective positions in taking action which may involve or relate to a change or potential change in the control of a domestic public corporation, and in determining what they reasonably believe to be in the best interest of the corporation, the board and individual directors may, in addition to considering the effects of any such action on the shareholders, consider any of the following: (a) the long-term as well as the short-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation; (b) the effects of the action on the corporation’s employees, customers, creditors and suppliers of goods and services; (c) the effects of the action upon any community in which an office or other facility of the corporation is located; and (d) the economy of this state and the nation. The consideration of those factors shall not constitute a violation of the director’s fiduciary duty to the corporation or its shareholders, including, without limiting the generality of the foregoing, a director’s duty of loyalty.

Anhang Tennessee

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Tenn. Code Ann. § 48 – 35 – 204 Corporation not liable for resisting merger. No resident domestic corporation which has a class of voting stock registered or traded on a national securities exchange or registered with the Securities and Exchange Commission pursuant to § 12(g) of the Exchange Act nor any of its officers and directors shall be held liable at law or in equity for either having failed to approve the acquisition of shares by an interested shareholder on or before such interested shareholder’s share acquisition date, or for seeking to enforce or implement this part and part 3 of this chapter, or for failing to adopt or recommend any charter or bylaw amendment or provision respecting this part and parts 3 – 5 of this chapter, or for opposing any proposed merger, exchange, tender offer or significant disposition of the assets of the resident domestic corporation or any subsidiary of such resident domestic corporation because of a good faith belief that such merger, exchange, tender offer or significant disposition of assets would adversely affect the resident domestic corporation’s employees, customers, suppliers, the communities in which such resident domestic corporation or its subsidiaries operate or are located or any other relevant factor if such factors, including those factors specifically enumerated in this section, are permitted to be considered by the board of directors under the charter for such resident domestic corporation in connection with a merger, exchange, tender offer or significant disposition of assets.

Vermont

Vt. Stat. Ann. Tit. 11A, § 8.30 General standards for directors. (a) A director shall discharge his or her duties as a director, including the director’s duties as a member of a committee: (1) in good faith; (2) with the care an ordinarily prudent person in a like position would exercise under similar circumstances; and (3) in a manner the director reasonably believes to be in the best interests of the corporation. In determining what the director reasonably believes to be in the best interests of the corporation, a director of a corporation which has a class of voting stock registered under section 12 of the Securities Exchange Act of 1934, as the same may be amended from time to time, may, in addition, consider the interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers, the economy of the state, region and nation, community and societal considerations, including those of any community in which any offices or facilities of the corporation are located, and any other factors the director in his or her discretion reasonably considers appropriate in determining what he or she reasonably believes to be in the best interests of the corporation, and the long-term and short-term interests of the corporation and its stockholders, and including the possibility that these interests may be best served by the continued independence of the corporation; provided that nothing in this subdivision shall affect in any way the interests that may be considered by the director of a corporation

15 Empt

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Anhang which does not have a class of voting stock registered under section 12 of the Securities Exchange Act of 1934, as the same may be amended from time to time, in determining what such director reasonably believes to be in the best interests of the corporation.

Virginia

Va. Code Ann. § 13.1 – 727.1. Nonexclusivity. Except as expressly provided in this article, the provisions of this article shall not limit actions that my be taken, or require the taking of any action, by the board of directors or shareholders with respect to any potential change in control of the corporation. With respect to any action and any failure to act by the board of directors, the provisions of § 13.1 – 690 shall apply. In determining the best interests of the corporation, a director may consider that those interests my be best served by the continued independence of the corporation.

Wisconsin

Wis. Stat. § 180.0827. Consideration of interests in addition to shareholders‘ interests. In discharging his or her duties to the corporation and in determining what he or she believes to be in the best interests of the corporation, a director or officer may, in addition to considering the effects of any action on shareholders, consider the following: (1) The effects of the action on employees, suppliers and customers of the corporation. (2) The effects of the action on communities in which the corporation operates. (3) Any other factors that the director or officer considers pertinent.

Wyoming

Wyo. Stat. § 17 – 16 – 830 General standards for directors. ... (e) For purposes of subsection (a) of this section, a director, in determining what he reasonably believes to be in or not opposed to the best interests of the corporation, shall consider the interests of the corporation’s shareholders and, in his discretion, may consider any of the following: (i) The interests of the corporation’s employees, suppliers, creditors and customers; (ii) The economy of the state and nation; (iii) The impact of any action upon the communities in or near which the corporation’s facilities or operations are located; (iv) The long-term interests of the corporation and its shareholders, including the possibility that those interests may be best served by the continued independence of the corporation; and (v) Any other factors relevant to promoting or preserving public or community interests.

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Sachwortverzeichnis Agency-Kosten 42, 164 ff., 210 ALI Principles of Corporate Governance 114 Altruismus 25, 73, 201 A.P. Smith Mfg. Co v. Barlow 64 ff. Arbeitnehmer 156 ff. Artikel 14 GG 134 ff., 140 Berle-Dodd-Debatte 41 ff., 97 Beweislastumkehr 79 Business Judgment Rule 47 ff., 51, 68 f., 71 ff., 88, 110 Cause-related Marketing 31 Chief Executive Officer 47 Coase, Ronald 142 ff. Corporate Citizenship 27, 65, 67, 124, 189, 192, 196 Corporate Social Responsibility 21, 25 ff., 54, 65, 124, 156, 162 f., 170, 172 ff. Derivative Suit 48, 51, 79 Deutscher Corporate Governance Kodex 125 f. Direct-Benefit-Lehre 57 f., 64, 67 f., 72, 117, 209 Dodge v. Ford Motor Co. 39 ff. Duty of care 48, 74 f., 114 f. Duty of loyalty 49, 74, 76 ff. Efficient Market Hypothesis 168 Enlightened Shareholder Value Approach 200 Entire-Fairness-Test 49, 78 Equity 39 Finanzgläubiger 159 ff. Ford, Henry 40, 52, 112 Free-Rider 34

Gesellschaftsinteresse 48, 63, 67, 73, 76 f., 110, 121, 123, 169, 200, 210 Gewinnmaximierung 121, 125, 127, 164, 168, 177, 181, 193, 197, 201, 213 Grenzkosten 175, 203. Große Depression 41, 43, 194. Halo-Effekt 33 Hauptversammlung 207 Implied Authority 66, 68 Incidental Powers 57, 65, 68 Kahn v. Sullivan 70 ff. Kelly v. Bell 53 Mäzenatentum 35 Memorial Hospital Ass. v. Pacific Grape Products Co. 66 f. Minderheitsaktionäre 40 MitbestimmungsG 1976 131 ff. Model Business Corporation Act 61 Multifiduciary-Modell 169 New Deal 43, 45 Nexus-of Contracts 140 ff. OECD Principles of Corporate Governance 198 f. Ökonomische Analyse 140 ff., 202 ff. Other constituency statutes 22, 46, 89, 97 ff., 123, 214 ff. Paragraph 70 AktG 1937 126 f. Paragraph 76 Abs. 1 AktG 113, 119 ff., 126 ff., 164, 197, 199 Paramount Communications, Inc v. QVC Network, Inc. 95 ff. Paramount Communications, Inc. v. Time, Inc. 92 ff., 109

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Sachwortverzeichnis

Pet Charity 66, 73 ff., 78 f., 125, 204, 210 ff. Poison Pill 90, 106 f. Politische Ökonomie 193 ff. Prinzipal-Agenten-Problem 164 ff., 206 Public-Choice-Theorie 103 Publizität 81 ff., 211 ff. Reasonableness-Test 69, 72, 79 Residuale Risikoträger 149 ff. Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc. 89 ff., 109, 116 Sale of Corporate Control 96 Securities Exchange Act of 1934 81 f. Separation of ownership and control 42 Shareholder-Modell 185, 195, 197 f., 201, 206 Shareholder-Primacy-Modell 181 Shareholder-Primacy-Norm 39, 95, 118 Shareholder Value 19 ff., 118, 130, 163, 197, 200 Sheep’s Clothing Principle 33 Shlensky v. Wrigley 52, 110 Sozialpflichtigkeit des Eigentums 130, 134

Sponsoring 32 Stakeholder 46, 84, 97, 111 ff., 116, 132, 156 ff., 162, 167 ff., 189, 195, 198 f. Sylvia Martin Foundation v. Swearingen 54 System der Normativbestimmungen 37 Theodora Holding Corp. v. Henderson 69 f. Transaktionskosten 34 Trust 39, 42, 44 Übernahme, feindliche 22, 51, 72, 83 ff., 115 ff. Ultra-Vires-Lehre 56, 58 Umweltstandards 27 f., 174, 177 ff. Union Pacific Railroad Co. v. Trustees, Inc. 67 f. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co. 86 ff., 109, 115 Unternehmensinteresse 50, 121 ff., 125 Zulieferer 160 Zuwendungen, philanthropische 30, 33, 55 ff., 59, 73, 75, 81, 201 ff.