257 22 20MB
German Pages 401 [404] Year 2010
Corporate Finance und Risk Management von
Prof. Dr. h abil. Wilhelm Schmeisser unter Mitwirkung von
Lydia Clausen Jörg André Geißler Bennet Görlitz Frank Herbrechter Björn Frederik Hoffmann Michael Roschke Falko Schindler Karin Schmeisser Edith Teschner
Oldenbourg Verlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2 0 1 0 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Grafik + Druck GmbH, München ISBN 978-3-486-59752-3
Vorwort Unsere Idee der betriebswirtschaftlichen Unternehmenswelt ist die Idee einer verständlichen kaufmännischen Welt. Es ist die Idee einer Shareholder-Value getriebenen unternehmerischen, global agierenden Welt, in der wir verstehen können, warum ein Betriebswirt so entscheidet, wie er entscheidet und warum etwas so geschieht, wie es wahrscheinlich geschieht und erwartet wird, das es vermutlich so geschieht wie es geschieht. Zwar gibt es dabei vieles, was wir nicht verstehen, da dem rationalen Kalkül einer Investitionsrechnung unter Unsicherheit etwas sozialpsychologisches und/oder sozialbiologisches, evolutionäres, einer Drittvariablen entsprechendes Innovatives folgt, nämlich das, was nicht hätte geschehen dürfen. Zwar gibt es dann vieles, was wir nicht verstehen, weil wir es nicht geschafft haben, das Neue in unser betriebswirtschaftliches Kalkül einzubinden, und vermutlich wird dies oft so bleiben, bis wir wieder glauben eine vorläufige Lösung gefunden zu haben. Trotzdem denken wir, ist die Unternehmung eine Gesamtheit von betriebswirtschaftlichen leistungswirtschaftlichen Phänomenen, in die wir ein finanzwirtschaftliches „Licht" bzw. Kalkül bringen können, indem wir uns finanzwirtschaftlich erklären, warum die betriebswirtschaftlichen Phänomene so sind, wie sie sind. Selbst wenn dieser Gedanke von der Leistungssphäre des Betriebes auf die Finanzsphäre zu schließen und umgekehrt eine Täuschung wäre, wenn man sich nur kapitalorientiert mit Derivaten auseinandersetzt, so muss doch konstatiert werden, dass wir uns anders die betriebliche Welt nicht denken können. Finanzwirtschaftliche Phänomene zu erklären und dadurch verständlich zu machen, heißt, die Bedingungen bzw. die grundlegenden finanzwirtschaftlichen Modelle zu beschreiben und als Studierender zu entdecken, und zwar von den leistungswirtschaftlichen Betriebsaufgaben von den sie abhängen. Grundlegende finanzwirtschaftliche Modelle und theoretische Ansätze, die im Buch erläutert werden sind der Shareholder-Value-Approach, Unternehmensbewertungsmodelle, Portfoliotheorie und Portfoliomanagement, Optionen und Future mit Hedge-Strategien, Rating, Basel II mit MAK. Betriebswirtschaftliche Phänomene, wie Unternehmensverkauf, Absicherungsgeschäfte im Import und Export, Bonitätsprüfungen, Innovationserfolgsrechnungen, Berliner Humankapitalbewertungsmodellrechnungen, Rating von Krankenhäusern usw., mit den grundlegenden finanzwirtschaftlichen Modellen zu erklären und dadurch verständlich zu machen, heißt die technischen, medizinischen, informatorischen, betriebswirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen Bedingungen zu entdecken, von denen sie abhängen. Für jede einzelne Bedingung gilt, dass sie systemrelevant notwendig ist. Wäre die Bedingung nicht erfüllt, würde das erhoffte Phänomen nicht auftreten. Zusammengenommen sind alle erfüllten Bedingungen jeweils hinrei-
VI
Vorwort
chend, wenn es nicht ausbleibt, dass sich die finanzwirtschaftlichen angestrebten Ziele einstellen. Wenn wir die Bedingungen kennen, die das betriebswirtschaftliche Phänomen und die Zielerreichung möglich machten, und die zeitlichen und situationsbezogenen Bedingungen, die zusammen den betriebswirtschaftlichen Erfolg festlegen, haben wir den Eindruck zu verstehen, warum das betriebswirtschaftliche Ergebnis vorliegt. Wenn uns jedoch umgekehrt das betriebswirtschaftliche Phänomen rätselhaft erscheint, dann deshalb, weil wir nicht wissen unter welchen Bedingungen es wirklich eintrat. Hier setzt die betriebswirtschaftliche Forschung an. Berlin und Nürnberg Wilhelm Schmeisser
Inhalt Vorwort
V
I
Shareholder-Value und Unternehmensbewertung
1
1
Einleitung
1
2
Shareholder-Value-Ansatz
2
3
Berechnung des Shareholder-Value
4
3.1
Barwerte der Dividenden
5
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5
Discounted Cashflow Verfahren Entity-Verfahren Konzept des Weighted Average Costs of Capital (WACC) Total Cashflow Konzept Konzept des Adjusted Present Value Equity-Verfahren
6 8 8 9 9 10
3.3
Unternehmenswert relativ zur Nullwachstumsoption
11
4
Shareholder-Value in der Unternehmensführung
13
5
Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
13
5.1
Durchschnittlich gewogene Kapitalkosten (WACC)
14
5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4
Capital Asset Pricing Modell (CAPM) Risikoloser Zinssatz Marktrisikoprämie Betafaktor Fallbeispiel
17 20 20 21 23
5.3
Arbitrage Pricing Modell (APM)
24
6
Performancemessung
24
6.1
Economic Value Added (EVA)
27
6.2
Market Value Added (MVA)
31
VIII
Inhalt
6.3
Cashflow Return on Investment (CFROI)
32
6.4
Cash Value Added (CVA)
35
7
Werttreiber
36
7.1
Wertorientiertes Vergütungssystem
41
7.2
Analyse der Wertgenerierung in den Geschäftsbereichen
41
8
Fazit
42
Quellenverzeichnis
43
II
Objektivierte Unternehmensbewertung
45
9
Einleitung
45
10
Aufbau des Beitrages
47
11
Einführung in die Unternehmensbewertung
48
11.1
Theorien zur Unternehmensbewertung
48
11.2
Funktionen der Unternehmensbewertung
54
11.3
Anlässe der Unternehmensbewertung
61
12
Unternehmensbewertungen nach IDW S 1
63
12.1
Äquivalenzgrundsätze
64
12.2 12.2.1 12.2.2
Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes CAPM und Tax-CAPM Anwendungsbeispiel
67 67 79
12.3 12.3.1 12.3.2
Ermittlung zu diskontierender Zuflüsse Ausschüttungen und Thesaurierungen Anwendungsbeispiel
81 83 88
13
Unter nehmensteuer reform 2008
94
14
Auswirkungen auf die objektivierte Unternehmensbewertung
99
14.1 14.1.1 14.1.2
Auswirkungen auf den Kapitalisierungszinssatz Auswirkungen auf die Ermittlungsmodelle Auswirkungen auf die Höhe der Alternativrenditen
103 103 111
14.2 14.2.1 14.2.2
Auswirkungen auf die zu diskontierenden Zuflüsse Auswirkungen auf die Ermittlungsmodelle Auswirkungen auf die Höhe der zu diskontierenden Zuflüsse
117 118 122
14.3
Auswirkungen auf die Höhe des Unternehmenswertes
126
Inhalt 15
IX Fazit
131
Quellenverzeichnis
135
III
Optionen und Futures
141
16
Einleitung
141
16.1
Historische Entwicklung
141
16.2 16.2.1 16.2.2 16.2.3
Merkmale derivativer Finanzinstrumente Differenzierung der Finanzobjekte Unbedingten und bedingten Termingeschäften Börsengehandelte Derivate vs. OTC-Derivate
142 142 142 143
16.3 16.3.1
Portfoliotheorie Kapitalmarkttheorie
143 144
16.4
Zum Nutzen derivativer Finanzinstrumente
145
17
Futures
146
17.1 17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.1.4 17.1.5 17.1.6 17.1.7
Merkmale Lieferung vs. Glattstellung Margin FuturePreis Basis Basiskonvergenz Futures vs. Forwards Beispiele für Kontraktspezifikation
146 147 147 147 148 149 150 151
17.2
Futures-Strategien
152
17.3 17.3.1 17.3.2
Grundstrategien Long-Future („Bull" Strategie) Short-Future
152 152 154
17.4 17.4.1 17.4.2 17.4.3 17.4.4
Hedgingstrategien mit Futures Grundfunktion Perfect Hedge vs. Cross Hedge Hedge Ratio Optimalen Kontraktanzahl zur Absicherung
157 157 158 159 161
17.5 17.5.1 17.5.2 17.5.3 17.5.4
Aktienindex-Futures Beta Hedge Short Hedge Long-Hedge Short Hedge vs. Long Hedge
161 162 163 164 166
17.6
Fazit
166
17.7
Zinssicherung
166
X
Inhalt
17.8
Schlussbemerkung zu Futures
167
18
Optionen
168
18.1 18.1.1 18.1.2 18.1.3 18.1.4 18.1.5 18.1.6 18.1.7
Merkmale Amerikanischer oder europäischer Optionstyp Rechte und Pflichten von Optionspositionen Close Out Abgrenzung von Optionsmärkten Eigenschaften von Optionen Optionsprämie Margin
168 169 169 170 170 172 173 173
18.2 18.2.1 18.2.2 18.2.3
Optionspreis Innerer Wert (intrinsic Value) Zeitwert Bestimmungsfaktoren des Optionspreises
174 174 175 175
18.3 18.3.1 18.3.2 18.3.3 18.3.4 18.3.5 18.3.6 18.3.7
Risikokennzahlen - (Greeks) Delta Δ Gamma Γ Theta Θ Vega (Kappa) Κ RhoP Omega Ω Einfluss von Dividenden
177 177 179 179 180 181 182 182
18.4 18.4.1 18.4.2 18.4.3 18.4.4
Grundstrategien fur Optionen Long-Call Short-Call Halten oder Glattstellen Long-Put
183 184 185 186 188
18.5 18.5.1 18.5.2 18.5.3
Hedging-Strategien mit Optionen Covered Call Writing (gedeckter Verkauf einer Kaufoption) Covered Put Writing Protective Put Purchase
189 189 192 194
18.6 18.6.1 18.6.2 18.6.3 18.6.4 18.6.5
Fazit Protective Call Purchase Absicherung mit Aktienindex-Optionen Abgrenzung zwischen fixen und dynamischen Absicherungsstrategien Stopp-Loss-Strategie Fazit
195 196 196 198 198 199
18.7 18.7.1 18.7.2 18.7.3
Dynamische Absicherung Delta Absicherung Theta Hedging Delta des Portfolios
199 200 203 206
Inhalt
Xì_
18.7.4
Gamma Absicherung
207
19
Schlussbemerkung, Ausblick und Glossar
208
Quellenverzeichnis IV
212
Auswirkungen von Basel II auf den Mittelstand: Kreditvergabe und Bepreisung von Krediten
217
20
Rating
218
21
Kreditkalkulation bei Banken
220
22
Refinanzierungskosten
221
23
Betriebskosten
222
24
Standard-Risikokosten
222
24.1
Ausfallwahrscheinlichkeit
224
24.2
Exposure at Default (Kreditvolumen bei Ausfall)
225
24.3
Loss Given Default (Verlustquote)
225
24.4
Beispiel zur Berechnung des erwarteten Verlustes
226
25
Eigenkapitalkosten
227
25.1
Externes Rating - Standardansatz
228
25.2 25.2.1 25.2.2
Internes Rating - IRB-Ansatz (Internal-Ratings-Based-Ansatz) IRB-Basisansatz Fortgeschrittener IRB-Ansatz
230 231 232
25.3
Besonderheiten bei Krediten an KMU im Rahmen der IRB-Ansätze
232
26
Anerkennungsfähige Sicherheiten
234
27
Zusammenfassung der zukünftigen Konditionsgestaltung
234
Quellenverzeichnis
235
V
Portfolio Optimierung mittels Dynamischer Asset Allocation Strategien
237
28
Grundlagen und Modelle zum Portfoliomanagement
238
28.1
Terminologische Grundlagen
238
28.2 28.2.1 28.2.2
Portfoliomanagement als Prozess Planung Realisierung
239 240 243
XII
Inhalt
28.2.3 28.2.4
Kontrolle durch Performanceanalyse Fazit
245 248
28.3 28.3.1 28.3.2 28.3.3 28.3.4
Ausgewählte theoretische Ansätze zum Portfoliomanagement Überblick Portfolio Selection Model nach MARKOWITZ und ΎΟΒΙΝ Capital-Asset-Pricing-Model nach SHARPE Behavioral Finance
248 248 249 255 258
29
Asset Allocation
265
29.1 29.1.1 29.1.2 29.1.3
Definitionen Asset Allocation-Prozess: drei Begriffsverständnisse Strukturierung der Asset Allocation Zur Problematik der Bildung von Assetklassen
265 266 267 269
29.2 29.2.1 29.2.2 29.2.3
Strategische Asset Allocation: drei Fragestellungen Präferenzen der Investoren - Erstellung des Anlegerprofils Potentielle Märkte - Erstellung des Marktprofils Benchmarkfindung im Rahmen der SAA
270 270 271 272
29.3 29.3.1 29.3.2 29.3.3 29.3.4
Asset Allocation Strategien im Überblick Aktiv vs. Passiv (Rendite-)Prognosebasierte Strategien (Rendite-)Prognosefreie Strategien Aktiv vs. Dynamisch
274 274 277 278 284
30
Symbolik
284
Quellenverzeichnis VI
285
Ausgewählte Verfahren für die Messung und Steuerung von Adressenausfallrisiken im Kreditrisikomanagement
291
31
Einführung
291
31.1
Grundsätzliches
291
31.2
Strukturwandel im Kreditgeschäft und die Notwendigkeit der Steuerung von Adressenausfallrisiken im Bankensektor
292
32
Kreditgeschäfte bei Banken
294
32.1 32.1.1 32.1.2 32.1.3 32.1.4 32.1.5
Bankbetriebliche Risiken und (Kredit-)Risikomanagement Terminologische Grundlagen zum Risiko Systematisierung bankbetrieblicher Risiken Adressenausfallrisiken Ursachen von Risiko (Kredit-)Risikomanagement im Bankbereich
294 295 295 296 299 300
32.2
Rechtliche Rahmenbedingungen auf das Risikomanagement
303
Inhalt 32.2.1
XIII
32.2.2 32.2.3
Basel II und die Solvabilitätsverordnung - Einfluss für das Kreditrisikomanagement Verpflichtung zur Errichtung eines Risikomanagements nach § 25a KWG Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)
304 309 310
33
Management von Kreditportfoliorisiken
311
33.1 33.1.1 33.1.2 33.1.3
Kreditrisikomanagement in Banken Notwendigkeit Ziele Aufgabenbereiche
311 311 312 313
33.2 33.2.1 33.2.2
Risikomessung im Kreditgeschäft Erwartete Verluste Unerwartete Verluste
314 316 317
33.3 33.3.1 33.3.2
Praktischer Einsatz von Kreditrisikomodellen zur Kreditrisikomessung Überblick Schlussbetrachtung
322 322 333
33.4 33.4.1 33.4.2 33.4.3
Risikoadjustierte Performancemessung RoRAC RARoC RARoRAC
333 335 336 336
34
Steuerung der Kreditrisiken zur Optimierung des Risk-/Return Profils
337
34.1 34.1.1 34.1.2
Systematisierung der Ansätze zur Risikobegrenzung Ursachenbezogene Risikopolitik Wirkungsbezogene Risikopolitik
338 338 338
34.2 34.2.1 34.2.2 34.2.3 34.2.4
Konventionelle Steuerungsansätze Risikoteilung Risikoabgeltung Risikolimitierung Risikostreuung
339 339 339 341 345
34.3 34.3.1 34.3.2
Innovative Steuerungsinstrumente Anforderungen an moderne Kreditrisikotransferinstrumente Risikotransformation durch Sekundärmärkte fur Kreditrisiken
346 346 346
34.4
Schlussbetrachtung
358
XIV 35
Inhalt Ausblick
358
Anhang
359
Quellenverzeichnis
361
VII
Anwendung des Corporate Finance und Risikomanagements
367
36
Wertorientierte Unternehmensführung als Erfolgskriterium
368
37
Scorecard als Steuerungsmodell
372
37.1
Berliner Balanced Scorecard als Steuerungsmodell
372
37.2
Lern-/Entwicklungsperspektive zur Generierung innovativer business cases
374
37.3
Ergebnissicht: Outputorientierte Bewertung der Aktivitäten in den Kategorien Wachstum, Prozesse und Strukturen
376
38
Potential-Indices
377
39
Fazit
380
Literaturverzeichnis
381
40
383
Stichwortverzeichnis
I
Shareholder-Value und Unternehmensbewertung
1
Einleitung
Das Konzept, die Führung eines Unternehmens konsequent an den Interessen der Anteilseigner und damit an dem Shareholder-Value auszurichten, ist ein nicht nur in der Politik und Wirtschaft immer wieder sehr kontrovers diskutiertes Thema. In vielen europäischen Ländern, insbesondere auch in Deutschland, wird beispielsweise sehr stark auf eine Berücksichtigung verschiedenster Interessengruppen wie Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten und Gesellschaft/Öffentlichkeit in den Unternehmenszielen geachtet. Vollkommen anders ist die Situation in vielen US-amerikanischen Unternehmen. Hier ist der Shareholder-Value-Ansatz bereits ein allgemeiner Leitfaden fìir erfolgreiches Management von Unternehmen und die Balanced Scorecard ist dabei ein tragendes (Finanz-)Controlling-Instrument zur Implementierung eines Strategischen Managements. Als geistiger Vater des Shareholder-Value-Ansatzes gilt der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Alfred Rappapport. Dieser sieht in der wertorientierten Unternehmensfuhrung keinen grundsätzlichen Widerspruch zu den Interessen anderer Anspruchsgruppen. Rappaport argumentiert, nur solange ein Unternehmen wertschaffend ist, können davon auch die anderen Gruppen profitieren; arbeitet das Unternehmen hingegen nicht Wert schaffend, sind die Interessen und Ansprüche aller anderen Gruppen (Stakeholder) gefährdet.' Der Shareholder-Value-Ansatz kann daher als grundlegende Unternehmenszielsetzung und philosophie verstanden werden, die allerdings ohne die Anspruchsgruppen als wichtige Nebenbedingungen nicht erfolgreich sein kann. Eine motivierte und kreative Arbeitnehmerschaft ist dabei eine wichtige Quelle für interne Verbesserungen, Innovationen und zufriedene Kunden. Ohne zufriedene Kunden kann das Unternehmen selbst keinen Wert schaffen und ist auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Die Performance eines Unternehmens bzw. wie erfolgreich es gewirtschaftet hat, lässt sich anhand von Erfolgsmaßen feststellen. In vielen Unternehmen erfolgt heute noch eine Beurteilung anhand traditioneller Performancemaße, wie dem Gewinn oder dem Return on In-
Vgl. Rappaport (1999), S. 8 - 9
2
2 Shareholder-Value-Ansatz
vestment (ROI). Diese zeichnen jedoch nur ein unzureichendes Bild von der wirklichen Wertgenerierung eines Unternehmens, da sie sehr partiell und manipulationsanfallig sind sowie die Eigenkapitalkosten des Unternehmens nicht adäquat berücksichtigen. Der vom Unternehmen geschaffene Wert einer Periode sollte daher mit moderneren Kennzahlen wie dem Economic Value Added (EVA) oder sogar mit der Berliner Balanced Scorecard ermittelt werden. Das vorliegende Buch liefert zunächst einen Einblick in die Gründe der gewachsenen Bedeutsamkeit des Shareholder-Value-Konzeptes und leitet daraus eine allgemeine Handlungsmaxime für Unternehmensmanager ab. Es folgen ausgewählte Berechnungsverfahren fur den „Aktionärswert" und eine Einordnung des Nutzens dieser Größe fur die strategische Unternehmensführung. In einem Exkurs wird auf die risikoadäquate Ermittlung der Kapitalkosten als wichtige Berechnungskomponente bei den modernen Unternehmenswertverfahren eingegangen. Die kurzfristige Leistungsmessung im Unternehmen orientiert sich am jährlich geschaffenen Shareholder-Value und wird durch moderne Performancemaße wie dem Economic Value Added beschrieben. Daher wird die Überlegenheit des ShareholderValue-Ansatzes durch eine Abgrenzung zu traditionellen Performancemaßen verdeutlicht. Es folgen die Werttreiber und damit die Bestimmungsfaktoren fur die Wertschaffung auf der operationalen Ebene.
2
Shareholder-Value-Ansatz
Seinen Durchbruch verdankt das Shareholder-Value-Konzept, das Alfred Rappaport 1986 in seinem Buch „Creating-Shareholder-Value" formulierte, vor allem durch die Mergers- & Acquisitionsaktivitäten („Übernahmeschlachten") der 1980er Jahre in den USA. Unternehmen die ihre erwirtschafteten Überschüsse weder wertsteigernd investierten noch an ihre Aktionäre ausschütteten, wurden am Aktienmarkt mit einer niedrigen Börsenbewertung abgestraft. Sie wurden damit zum potenziellen Übernahmeobjekt für Konkurrenten und sogenannte „Raiders", die unterbewertete Unternehmen aufkauften. 2 Ziel war es, durch den Austausch des Managements bzw. durch eine Zerschlagung des (Konzern-)Unternehmens einen höheren (Gesamt-)Wert durch die neuen Tochterunternehmen zu erzielen, als zuvor an der Börse fur das (Konzern-)Unternehmen gezahlt wurde. Das traf damals besonders auf Unternehmen der Reifenindustrie, Öl-, Gas- und Konsumgüterunternehmen zu, die auf die Veränderungen in ihren Branchen nicht effektiv genug reagierten. 3 Ihre Manager mussten somit verstärkt darauf achten, dass Vermögen des Unternehmens im Sinne der Eigenkapitalgeber zu verwalten, um nicht z.B. durch das Management eines anderen Unternehmens ausgetauscht zu werden. Insbesondere institutionelle Anleger, wie Pensionsfonds, Versiche-
2
Vgl. Rappaport (1999), S. 1
3
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 29
2 Shareholder-Value-Ansatz
3
rungsunternehmen usw. strebten nach einer besseren Verzinsung der ihnen überlassenen und investierten Gelder und übten zunehmend Druck auf die Unternehmensführung aus. 4 Zunehmende Aufmerksamkeit erlangt das Shareholder-Value-Konzept aber auch außerhalb der USA. Spätestens seit der Übernahme der Mannesmann AG durch das englische Telekommunikationsunternehmen Vodafone-Air Touch im Jahr 2000 hat dieser Ansatz auch für deutsche Unternehmen an zusätzliche Relevanz gewonnen. Damals war es die erste bedeutende feindliche 5 Übernahme eines deutschen Unternehmens durch einen ausländischen Investor. Entscheidend für das Ausgehen des langen Übernahmekampfes war auch hier letztendlich die Überzeugungskraft der Mehrheit der Aktionäre von den jeweiligen Unternehmensplänen. 6 Dieses wurde durch eine der aufwendigsten Anzeigenkampagnen beider Unternehmen während des Übernahmepokers deutlich. So warnte Mannesmann seine Aktionäre mit Anzeigen wie „Vorsicht! Mit Vodafone besteht akute Gefahr für ihr Aktiendepot", während Vodafone mit „Vorsicht Narrenfreiheit in Düsseldorf ist Karnevalszeit. Da wird nicht alles so genau genommen" auf ein verbesserungswürdiges Management hinwies. 7 Als Motor dieser Shareholder-Value orientierter Ausrichtung wirkt zudem die stetig wachsende Konkurrenz um das Kapital auf den sich internationalisierenden Finanzmärkten. Kapitalanleger sind heute weniger an nationale Grenzen gebunden und können somit ihr Geld fast überall auf der Welt investieren. Für Unternehmen bedeutet das Folgendes: Wer heute Investoren gewinnen möchte, steht zunehmend in Konkurrenz zu anderen Unternehmen und muss unter Beweis stellen, dass das zur Verfügung gestellte Kapital möglichst wertschaffend investiert wird. Führungskräfte, die ihr Unternehmen auf die Maximierung des „Wertes fur ihre Anteilseigner" bzw. sich an der Shareholder-Value-Philosophie ausrichten, müssen das Portfolio ihrer Investitions- und Finanzierungsgeschäfte dahingehend überprüfen, ob zusätzlicher Unternehmenswert geschaffen und/oder ob Unternehmenswert vernichtet wird. 8 Unternehmen, die zu lange unwirtschaftliche Geschäftsbereiche quersubventionieren, vernichten dabei nicht nur unternehmerischen Wert, sondern gefährden auch zukünftiges Wachstum des Unternehmens, weil dafür notwendige Investitionen fehlen oder ausbleiben.
4
Vgl. Rappaport (1999), S. 2
5
Formal handelte es sich um eine friedliche Übernahme, aber erst nachdem sicher war, dass Vodafone Air Touch die Zustimmung der Mehrheit der Aktionäre bekommen würde.
6
Zwei Tage nachdem sich der Großaktionär Vivendi hinter Vodafone stellte, erfolgte die „friedliche" Einigung; Vgl. Handeslblatt (2005)
7
Vgl. Romess (2006)
8
Vgl. Neale/McElroy (2004), S. lOf.
9
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 9
4
3 Berechnung des Shareholder-Value
Die konsequente Ausrichtung am Shareholder-Value beschreibt die Coca-Cola Company in ihrem Geschäftsbericht von 1995 wie folgt: „We have a precise focus on why we exist: to create real value for our shareholders over the long term". „Coca-Cola provides value to everyone that touches it." 10 Wie sich der Shareholder-Value bestimmen lässt und wie die Ausrichtung auf seine Maximierung von der strategischen bis zur operationalen Ebene im Unternehmen implementiert werden kann, wird in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben. Zum besseren Verständnis sei angemerkt, dass Shareholder-Value, Marktwert des Eigenkapitals und Unternehmenswert gleichbedeutend sind.
3
Berechnung des Shareholder-Value
In einer absoluten Größe ausgedrückt ist der Shareholder-Value der Marktwert des Eigenkapitals, der sich bei Aktiengesellschaften aus der Multiplikation des Aktienkurses mit der Anzahl der Aktien berechnet. Nach Copeland, Koller und Murrin ergibt sich der Aktienkurs aus der Einschätzung der Aktionäre über den inneren Wert einer Aktie oder präziser formuliert dem Urteil, ob der aktuelle Kurs über oder unter seinem inneren Wert liegt.11 Dahinter steht die Vorstellung, dass der Aktienkurs um seinen inneren Wert schwankt und sich diesem schließlich annähert. 12 Notiert beispielsweise der Aktienkurs eines Unternehmens unter seinem inneren oder fairen Wert, so ist diese Aktie in den Augen der Kapitalanleger unterbewertet und damit ein lohnenswertes Investment. Es gibt eine Vielzahl von Methoden den fairen Aktien- oder Unternehmenswert zu bestimmen, wonach der Aktionär seine Anlageentscheidung ausrichten kann. Im Folgenden werden mit den Barwerten der Dividenden, den Discounted Cashflow Verfahren und dem Unternehmenswert relativ zur Nullwachstumsoption drei unterschiedliche Modelle zur Approximation des Unternehmenswertes vorgestellt. Die drei Modelle lassen sich alle aus den modernen Verfahren der Investitionsrechnung ableiten. Demnach trifft ein Investor seine Investitionsentscheidungen aufgrund der zukünftig erzielbaren Erträge aus dem Investitionsobjekt. Die Erträge werden allgemein mit einem Kalkulationszinssatz diskontiert, welcher die Opportunitätskosten und die unterschiedlichen Zeitpunkte der zukünftigen Rückflüsse berücksichtigt. In den vorzustellenden Verfahren ist der Investor ein Aktionär und das Investitionsobjekt ein Unternehmen, dessen Bewertung auf seinen zukünftig erwirtschafteten Erträgen basiert.
10
Vgl. Neale/McElroy (2004), S. 11
11
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 84
12
Vgl. Küting/Weber (2001), S. 441
3 Berechnung des Shareholder-Value
3.1
5
Barwerte der Dividenden
Das Dividenden-Diskont-Modell, wie diese Methode der Unternehmenswertermittlung auch genannt wird, ist auf den Wirtschaftswissenschaftler J. B. Williams (1938) zurückzufuhren. 13 Demnach entspricht der faire Wert des Unternehmens dem Barwert der zukünftigen Dividendenzahlungen. Dieses Modell lässt sich logisch sehr leicht herleiten, wenn man unterstellt, dass die zukünftigen Dividenden für den einzelnen Aktionär die erwarteten Erträge aus dem Kauf einer Aktie repräsentieren und damit den für ihn fairen Wert der Aktie. Der Gesamtwert aller zukünftigen Dividendenzahlungen an sämtliche Aktionäre entspricht somit dem Unternehmenswert. In der einfachsten Form wird für einen unendlichen Zeitraum eine konstante Dividende unterstellt, welche sich i.d.R. an den Ausschüttungen der Vergangenheit orientiert. 14 Natürlich stellen auch Kurssteigerungen einen Ertrag fur den Aktionär dar. Diesen Umstand berücksichtigt dieses Modell aber bereits dadurch, dass bei einem unendlichen Zeithorizont der Verkaufskurs dem entsprechenden Barwert des Dividendenstroms im Veräußerungszeitpunkt entspricht. 15 Der Zinssatz für die Diskontierung sollte die Opportunitätskosten für eine alternative Anlage mit vergleichbarem Risiko repräsentieren. In der Praxis wird hier der sichere Zinssatz zehnjähriger Staatsanleihen zuzüglich einer Risikoprämie, welche das unternehmensspezifische Risiko berücksichtigt, verwendet. 16 Formal hat die Bestimmung des Unternehmenswertes/Shareholder-Values/Marktwertes des Eigenkapitals nach dem Ansatz der Barwerte der Dividenden damit folgende Gestalt:
i wobei: UWpo D i
= Unternehmenswert zum Bewertungsstichtag to = zukünftig erwartete konstante Dividende = Diskontierungssatz (risikoloser Zins + Risikoprämie)
In der Praxis tritt zudem ein weiteres Problem auf, da die Unternehmen i.d.R. nicht den gesamten ausschüttungsfahigen Ertrag an ihre Aktionäre weitergeben oder zum Teil keine Dividende zahlen. Wird davon ausgegangen, dass auch einbehaltene Gewinne den Unternehmenswert steigern, kann von einer fiktiven Vollausschüttung ausgegangen und der Bilanzgewinn als Zählergröße verwendet werden: 17
13
Vgl. Küting/Weber (2001), S. 447; Stromann (2003), S. 12
14
Stromann (2003), S. 13
15
Küting/Weber (2001 ), S. 447
16
Vgl. Stern (2005)
17
Vgl. Focus (2005); KütingAVeber (2001), S. 448
3 Berechnung des Shareholder-Value
6 Bilanzgewinn
U Wt=o
:
Es existieren zahlreiche Weiterentwicklungen zu diesem einfachen Modell, die unter anderem Dividenden- und damit Ertragssteigerungen berücksichtigen und somit ein realistischeres Bild des Unternehmens zeichnen. Sehr bekannt und einfach ist das Gordon-GrowthModell. Vom Diskontierungszinssatz wird die konstant angenommene Wachstumsrate der Erträge (g) subtrahiert und somit der Unternehmenswert c.p. um das Wachstum erhöht:
U W,=o =
— i-g
In den nachfolgenden Modellen wird der Shareholder-Value auf der Grundlage von Cashfows, den zukünftig fur die Anteilseigner zu entnehmenden finanziellen Überschüssen des Unternehmens, ermittelt. Dies stellt eine wesentliche Verbesserung zu den Bewertungsmodellen dar, die auf Unternehmensgewinne und damit auf buchhalterischen Größen beruhen. Das Problem der Gewinnbewertungsmodelle besteht im Wesentlichen darin, dass Gewinne keinen finanziellen Überschuss darstellen und zudem relativ leicht vom Unternehmen manipuliert werden können. So kann ein Unternehmen aufgrund hoher Forderungen zwar einen hohen Gewinn ausweisen, aber aus diesen Gewinnen weder einen hohen Finanzbestand aufbauen, Investitionen tätigen noch etwas an seine Kapitalgeber auszahlen. Forderungen fuhren nicht zwangsläufig zu Einzahlungsströmen.
3.2
Discounted Cashflow Verfahren
Die Discounted Cashflow Verfahren (DCF-Verfahren) sind die in der angloamerikanischen Literatur und Praxis vorherrschenden und auch hierzulande das zunehmend angewandte 18 Konzept zur Unternehmensbewertung. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) empfiehlt in seinen Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen neben dem Ertragswertverfahren, auf welches hier nicht näher eingegangen wird, insbesondere die DCF-Verfahren. Die Ermittlung des Shareholder-Value mittels DCF-Verfahren erfolgt durch die Abzinsung zukünftiger Free Cashflows. Die Free Cashflows lassen sich auf unterschiedlichen Wegen ermitteln. Eine Möglichkeit ist die unmittelbare Prognose aller zahlungswirksamen Vorgänge, wobei die Differenz aus zukünftigen Ein- und Auszahlungen den Cashflow ergeben. Aufgrund der Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Zahlungen lässt sich diese Variante
18
Vgl. Stromann (2003), S. 13
3 Berechnung des Shareholder-Value
7
jedoch i.d.R. nicht realisieren.19 Üblich ist daher die Ermittlung des Cashflows auf der Grundlage von Plan- Gewinn- und Verlustrechnungen und prognostizierten Vermögens- und Kapitalveränderungen. 20 Der Cashflow wird somit indirekt durch die Korrektur des Jahresüberschusses um nicht zahlungswirksame Aufwendungen und Erträge und Abzug der geplanten Investitionen bestimmt. 21 Nachfolgend sei die indirekte Ermittlung des Free Cashflows schematisch dargestellt:
+/+/+/3 =
Jahresüberschuss Abschreibungen/Zuschreibungen Erhöhung/Verringerung Rückstellungen sonstige nicht zahlungswirksame Aufwendungen/Erträge Investitionen Free Cashflow
Außerdem kann der Cashflow aus den Zahlungen an die Kapitalgeber (Dividenden, Zinszahlungen, Neuverschuldung, Schuldentilgung etc.) berechnet werden. 22 Dieser Cashflow wird auch Cashflow aus Finanztransaktionen genannt und wird wie folgt ermittelt:
+ + + 3 =
Fremdkapitalzinsen Aufnahme Fremdkapital Tilgung Fremdkapital Gewinnausschüttungen Eigenkapitalrückzahlungen/Aktienrückkäufe Eigenkapitaleinzahlungen Free Cashflow (Cashflow aus Finanzierungstätigkeit) 23
Die verschiedenen DCF-Verfahren lassen sich grob nach der verwendeten Cashflow Größe in Entity- und Equity verfahren unterscheiden. So werden bei den Entity- oder Gesamtwertverfahren die zukünftigen finanziellen Überschüsse (Free Cashflows) diskontiert, die für Zahlungen (z.B. Zinsen, Ausschüttungen) an alle Kapitalgeber zur Verfügung stehen. Beim Equity- oder Eigenkapitalmodell hingegeben wird der Untemehmenswert durch Abzinsung von Netto Free Cashflows, d.h. Zahlungsüberschüssen die ausschließlich für die Eigenkapitalgeber übrig bleiben (nach Tilgungs- und Zinszahlungen für Fremdkapital), ermittelt.
19
Vgl. Schmeisser/Dittmann (2004), S. 4
20
Vgl. Stromann (2003), S. 14
21
Vgl. Schmeisser/Dittmann (2004), S. 5 - 6 ; Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 174, 575 erfolgt eine Aufspaltung in operativen und nicht operativen Cashflow, die entsprechend ausgehend v o m operativen und nicht operativen Ergebnis ermittelt werden.
22
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 174; Schmeisser/Dittmann (2004), S. 7
23
Vgl. Schmeisser/Dittmann (2004), S. 7
8
3 Berechnung des Shareholder-Value
3.2.1
Entity-Verfahren
Bei den Entity-Verfahren erfolgt die Ermittlung des Unternehmenswertes in zwei Schritten. Zuerst wird der Unternehmensgesamtwert, d.h. der Wert, der den Anteilseignern und Fremdkapitalgebern zusteht, berechnet. 24 Das erfolgt, wie bereits erwähnt durch die Diskontierung von Free Cashflows. Dem schematisch ermittelten Free Cashflow sind demnach Zinsen, die den Fremdkapitalgebern zustehen und den Jahresüberschuss gemindert haben, wieder hinzuzurechnen. Im zweiten Schritt wird vom Untemehmensgesamtwert der Marktwert des Fremdkapitals 25 abgezogen, um zum Unternehmenswert zu gelangen. Nachfolgend werden drei Entity-Verfahren vorgestellt, die auf verschiedene Weise die Steuerwirkungen des Fremdkapitals (sog. „tax shield") bei der Ermittlung des Unternehmenswertes berücksichtigen. Fremdkapitalzinsen können die Steuerbelastung reduzieren, indem sie als Betriebsausgaben auf den steuerlichen Gewinn angerechnet werden. 26
3.2.2
Konzept des Weighted Average Costs of Capital (WACC)
Das am häufigsten angewandte Verfahren ist das Konzept der Weighted Average Costs of Capital. Es eignet sich besonders für die Bewertung von Konzernen. 27 In diesem Konzept werden die Steuerwirkungen des Fremdkapitals im Diskontierungssatz berücksichtigt. Für die Abzinsung wird ein Kapitalkostensatz verwendet, der die gewogenen durchschnittlichen Kosten für das Eigen- und Fremdkapital abbildet (WACC). Auf die Ermittlung des WACC wird nachfolgend ausführlich eingegangen. Die Steuerersparnisse durch das Fremdkapital mindern in diesem Model den Kapitalkostensatz, was c.p. zu einem höheren Barwert der Cashflows bzw. zu einem höheren Unternehmensgesamtwert führt. Formal hat dieses Konzept folgende Gestalt: 00
Untemehmensgesamtwert
7.
t=0 (1 + wacc inkl . tax shield )
Marktwert des Fremdkapitals Unternehmenswert
wobei:
24 25
26 27
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 172 Der Marktwert des Fremdkapitals entspricht dem Barwert der Zahlungsströme (Cashflows) an die Fremdkapitalgeber vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 177 Vgl. Küting/Weber (2001), S. 456 Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 171 f.
3 Berechnung des Shareholder-Value
9
FCF vor Zinsen, = Free Cashflow vor Zinsen in der Periode t waccjnki. tax shield = gewogener durchschnittlicher Kapitalkostensatz inklusive Steuerwirkungen des Fremdkapitals (tax shield)
3.2.3
Total Cashflow Konzept
Im Total Cashflow Konzept erfolgt die Erfassung der Steuervorteile des Fremdkapitals im Free Cashflow statt im Kapitalkostensatz. Die Free Cashflows werden demnach um die Steuerersparnisse erhöht und ein gewogener durchschnittlicher Kapitalkostensatz ohne „tax shield" des Fremdkapitals verwendet:
V"! FCF vor Zinsen, inklusive tax shield,L Unternehmensgesamtwert = > t=0
J. Ξ
0 +
wacc
o h n e tax shield)
Marktwert des Fremdkapitals Unternehmenswert
wobei: FCF vor Zinsen, = Free Cashflow vor Zinsen, inklusive Steuerwirkungen des Fremdkapitals (tax shield) in der Periode t waccohne tax shield = gewogener durchschnittlicher Kapitalkostensatz ohne Steuerwirkungen des Fremdkapitals (tax shield)
3.2.4
Konzept des Adjusted Present Value
Das Konzept der adjustierten Barwerte (engl, adjusted present value) eignet sich vor allem für die Bewertung von Unternehmen mit einer stark veränderlichen Kapitalstruktur (z.B. in einer Unternehmenskrise) und für die Erfassung komplexer Steuerwirkungen (z.B. Verlustvorträge). 28 Die aus der Fremdkapitalfinanzierung resultierenden Steuereinsparungen und der Free Cashflow eines Unternehmens werden hier einzeln bewertet. Dabei wird von einer vollständigen Eigenfinanzierung des Unternehmens ausgegangen. Die Cashflows werden entsprechend nicht mit dem gewogenem Kapitalkostensatz (wacc), sondern mit dem Eigenkapitalkostensatz für ein unverschuldetes Unternehmen abgezinst. 29 Die Steuervorteile werden mit dem Fremdkapitalkostensatz diskontiert. Die Summe der Barwerte der Free Cashflows und der Steuerersparnisse ergeben den Unternehmensgesamtwert. Analog zu den bereits vorgestell-
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 192 29
Vgl. Schmeisser/Dittmann (2004), S. 13; die Ermittlung des Eigenkapitalkostensatzes kann z.B. mit dem Capital Asset Pricing Model ( C A P M ) erfolgen.
3 Berechnung des Shareholder-Value
10
ten DCF-Verfahren fuhrt die Subtraktion des Marktwertes des Fremdkapitals schließlich zum Unternehmenswert:
v^i FCF vor Zinsen. v^sxiPKxFK Unternehmensgesamtwert = > —+ > — : t=0
J. =
0
+
*EK.unverschuldet)
t =0
^
+
Marktwert des Fremdkapitals Unternehmenswert
wobei: FCF vor Zinsen t ¡εκ unverschuldet s χ iFK χ FK s iFK
= Free Cashflow vor Zinsen in der Periode t Eigenkapitalkostensatz für ein unverschuldetes Unternehmen = Steuerwirkungen des Fremdkapitals (tax shield) = Steuersatz = Fremdkapitalkostensatz
=
Das Konzept des Adjusted Present Value hat zwei entscheidende Vorteile gegenüber den anderen Entity-Verfahren: Zum einen können die Wirkungen der Steuern auf den Unternehmenswert isoliert betrachtet werden. Zum anderen ist dieses Konzept unabhängig von Änderungen in der Kapitalstruktur, da es ein unverschuldetes bzw. ein rein eigenkapitalfinanziertes Unternehmen unterstellt. 3.2.5
Equity-Verfahren
Das Equity-Verfahren oder Eigenkapitalmodell ist das theoretisch einfachste DCF-Modell. Dieses Verfahren wird jedoch, mit der Ausnahme der Bewertung von Banken und Versicherungen, eher selten angewandt. 30 Beim Equity-Verfahren wird der Unternehmenswert direkt, d.h. in einem Schritt durch die Abzinsung der ausschließlich den Eigenkapitalgebern zustehenden Cashflows ermittelt. Diese Methode wird daher als „Flow to Equity" also als „das was zum Eigenkapital fließt" bezeichnet. Das sind allgemein die finanziellen Überschüsse des Unternehmens, die nach Bedienung der Fremdkapitalgeber (nach Zinsen und Tilgung) für die Anteilseigner übrig bleiben. 31 Der Marktwert des Fremdkapitals, der sich aus den Zahlungsströmen an die Fremdkapitalgeber bestimmt, wird somit von vorneherein, d.h. bei der Ermittlung der künftigen Cashflows für die Eigentümer, abgezogen. Die sogenannten Netto Free Cashflows an die Unternehmenseigner werden mit dem Zins, der die Renditeforderungen der Eigenkapitalge-
30
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 171, 192-194
31
Vgl. Schmeisser/Dittmann (2004), S. 14
3 Berechnung des Shareholder-Value
11
ber repräsentiert, diskontiert. 32 Formal wird die Ermittlung des Unternehmenswertes oder Marktwertes des Eigenkapitals nach dem Equity-Verfahren folgenderweise durchgeführt: , τ ρ FCF Nett0 nach Zinsen, Ti lg ungen,L Unternehmenswert = > τ,
(
wobei: FCF Netl0 nach Zinsen, Tilgungen, iEK
3.3
1 + ¡
e k )
= Netto Free Cashflow nach Zahlungen von Zinsen und Tilgung an die Fremdkapitalgeber in der Periode t = Eigenkapitalkostensatz; Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber
Unternehmenswert relativ zur Nullwachstumsoption
Aus der Ermittlung des Unternehmenswertes relativ zur Nullwachstumsoption lassen sich erste konkrete Schlüsse für eine Unternehmensführung ziehen, die sich am ShareholderValue orientiert. Der Unternehmenswert wird in diesem Modell in zwei Komponenten aufgeschlüsselt. Die erste Komponente repräsentiert den Wert des Unternehmens, bei dauerhafter Fortfuhrung der Geschäfte mit dem bisher investierten Kapital. Die zweite Komponente bewertet den Unternehmenswert, der durch zusätzliche Investitionen in Wachstum entsteht. Für die Ermittlung der ersten Komponente werden Ersatzinvestitionen in Höhe der Abschreibungen angenommen, um das bestehende Vermögen für die Zukunft zu erhalten. Aufgrund der Kongruenz von Abschreibungen und Ersatzinvestitionen kann der Jahresüberschuss als zahlungswirksame zukünftige Einkommensgröße für die Anteilseigner verwendet werden. 33 Da eine zeitlich unbegrenzter Lebensdauer und konstante Gewinne bei unveränderter Geschäftsweiterführung unterstellt werden, erfolgt die Berechnung mit der ewigen Rentenformel. Bei der zweiten Komponente stellen Erweiterungsinvestitionen die Investitionen in zukünftiges Wachstum dar. Diese steigern jedoch nur den Unternehmenswert, wenn sie einen Ertrag erwirtschaften, der über den Kapitalkosten des Unternehmens liegt. Als Kapitalkosten werden in diesem Modell ebenfalls die Renditeforderungen der Eigentümer zugrunde gelegt, die jedoch im Gegensatz zu den DCF- Modellen mit der Aktionärsrendite-
32
Vgl. Schmeisser/Dittmann (2004), S. 16; die Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber können z.B. mit dem Capital Asset Pricing Model ( C A P M ) berechnet werden. 33
Vgl. KütingAVeber (2001), S. 448; der Jahresüberschuss entspricht in diesem Fall dem Cashflow nach Ersatzinvestitionen vor Erweiterungsinvestitionen.
12
3 Berechnung des Shareholder-Value
formel berechnet werden 34 Formal hat das Verfahren das den (zusätzlichen) Unternehmenswert relativ zur Option ohne Wachstum betrachtet, folgende mathematische Gestalt:
œ
Unternehmenswert = -— 'ek
+
EWI, χ
^ t=n t=o
~ -
(l + 'ek)
—
1
Unternehmenserhaltung wobei: JÜ
Unternehmenswachstum
= konstanter Jahresüberschuss (Ersatzinvestitionen in Höhe der Abschreibungen) = Cashflow nach Ersatz- vor Erweiterungsinvestitionen = Erweiterungsinvestitionen in der Periode t = Eigenkapitalkostensatz, Aktionärsrendite = interner Zinssatz der Erweiterungsinvestition in der Periode t (Rendite der Erweiterungsinvestition)
EWI, iek ir .χ EWI t χ ——— *ek
= Erweiterungsinvestition mit Überrendite (wenn interner Zins
>
Kapitalkosten) Zwei kategorische Schlussfolgerungen lassen sich für die wertorientierte Unternehmensleitung aus diesem Modell ziehen. Zum einen, dass die Fortfuhrung des Unternehmens in der bisherigen Form nur sinnvoll ist, wenn angemessene Zukunftserfolge für die Eigentümer erwirtschaftet werden. Zum anderen, dass Investitionen bei Wachstum nur wertschaffend sind, wenn damit eine Rendite die über den Kapitalkosten liegt, verdient wird. 35 Für den externen Aktionär ist die Bestimmung des fairen Wertes eines Unternehmens mit diesem Modell jedoch nur schwer realisierbar. Quantitative Angaben, insbesondere zu den Investitionen in das Wachstum des Unternehmens, sind von unternehmensexternen Personen i.d.R. nicht ohne weiteres herzuleiten. Es können jedoch allgemeine Einschätzungen darüber getroffen werden, ob ein Unternehmen die ihm gebotenen Wachstumschancen nutzt und ob diese zur Wertsteigerung beitragen. 36
34
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 440,449; Aktionärsrendite (eine Periode) =
Dividende + (Kurs t j - KurSjQ ) KurSjQ 35
Vgl. Küting/Weber (2001), S. 450
36
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 450
4 Shareholder-Value in der Unternehmensführung
4
13
Shareholder-Value in der Unternehmensführung
Für Unternehmensmanager ist die Ermittlung des Shareholder-Value fur das eigne Unternehmen in vielfaltiger Hinsicht sinnvoll. Wie im Modell des Unternehmenswertes relativ zur Nullwachstumsoption bereits ausgeführt, lassen schon die Berechnungskomponenten selbst direkte Implikationen für die Unternehmensführung zu. Da Unternehmen wissen, dass Kapitalinvestoren ihre Investitionsentscheidung am inneren Wert des Unternehmens orientieren, werden Ziele fur die Entwicklung des Aktienkurses bzw. des inneren Unternehmenswertes formuliert. Die Unternehmensleitung ist bestrebt langfristig die Attraktivität des Unternehmens bei Kapitalgebern zu steigern. 37 Unternehmerische Entscheidungen sollten dann konsequent daran ausgerichtet werden, was zu einer langfristigen Erhöhung des inneren Unternehmenswertes fuhrt. Vertreter der unternehmenswertorientierten Unternehmensfuhrung empfehlen vor allem die vorgestellten DCF-Verfahren zur Bestimmung des Shareholder-Values. 38 Diese haben den entscheidenden Vorteil, dass als Entscheidungskriterium letztendlich die zukünftig erzielbaren Cashflows dienen, die sehr einfach auf einzelne Geschäftsbereiche und Investitionsvorhaben „heruntergebrochen" werden können. Die Ausrichtung am inneren Unternehmenswert wird somit nicht nur auf der obersten Unternehmensebene, sondern in allen Unternehmensbereichen die Zahlungen verursachen messbar. Für die wertorientierte Unternehmensfuhrung ist der Shareholder-Value somit die wichtigste Zielgröße.
5
Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
Aus den vorgestellten Modellen zur Unternehmenswertberechnung ist bereits ersichtlich: Es gibt unterschiedliche Varianten die Kapitalkosten des Unternehmens bzw. die Renditeforderungen der Kapitalgeber im Diskontierungsfaktor zu berücksichtigen. Während die Kapitalkosten bei einigen Modellen nur grob und subjektiv z.B. durch pauschale Aufschläge auf den risikolosen Zins berücksichtigt werden, 39 erfolgt die Berechnung bei den DCF-Verfahren objektiv am Risiko des Bewertungsobjektes und kapitalmarktorientiert. Im folgenden Abschnitt wird daher die weit verbreitete risikoadjustierte Ermittlung der Kapitalkosten erklärt. Allgemein ist darauf zu achten, dass der verwendete Kapitalkostensatz mit dem abzuzinsenden Cashflow übereinstimmt. So sind beispielsweise Cashflows, die sowohl für Fremd- als
37
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 89
38
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 89, 112; Rappaport ( 1999), S. 39; Küting/Weber (2001 ), S. 460
39
Z.B. bei der Ertragswerlmethode, die zweite vom IDW empfohlener Methode neben den DCF-Verfahren.
14
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
auch für Eigenkapitalgeber zur Verfugung stehen mit einem Mischzins, der die Fremd- und Eigenkapitalkosten repräsentiert, zu diskontieren. Dieser Mischzins ist ein durchschnittlich gewogener Kapitalkostensatz (engl, weighted average cost of capital, WACC). Hingegen sind Cashflows, die allein den Eigenkapitalgebern zustehen mit dem Eigenkapitalkostensatz, der mit dem Capital Asset Pricing Modell ermittelt werden kann, abzuzinsen.
5.1
Durchschnittlich gewogene Kapitalkosten (WACC)
Formal hat der Ansatz der durchschnittlichen gewogenen Kapitalkosten (WACC) eine sehr einfache Gestalt, da er lediglich die Summe der Kosten die für Fremd- und Eigenkapital anfallen, ins Verhältnis zum Gesamtkapital setzt: kpK χ EK + k F K1/, ,-,xFK WACC = — ί ^ EK + FK wobei: kEK kFK(i-t) ΕΚ FK
= Eigenkapitalkosten Fremdkapitalkosten unter Berücksichtigung von Steuerersparnissen des Fremdkapitals (tax shield) = Marktwert des Eigenkapitals = Marktwert des Fremdkapitals
=
Im Folgenden werden die einzelnen Komponenten des Kapitalkostensatzes (WACC) und deren Ermittlung ausgeführt. 1. Ermittlung der Marktwerte für das Eigen- und Fremdkapital Theoretisch muss der Kapitalkostensatz jährlich an die veränderte Kapitalstruktur des Unternehmens angepasst werden, um einen möglichst genauen Repräsentanten der Kapitalkosten zu erhalten. Oft geschieht dies jedoch nicht. In der Regel wird nur ein einziger WACC für den gesamten zukünftigen Bewertungszeitraum festgelegt. 40 Es stellt sich daher die Frage, welche Kapitalzusammensetzung bei dieser einmaligen Ermittlung zugrunde gelegt wird. So ist es möglich, dass die Kapitalstruktur nur vorübergehend durch außerordentliche Finanzierungsaktionen des Unternehmens verändert wird. Eine Firmenübernahme beispielsweise kann primär durch Fremdkapital finanziert werden, welches dann später mittels Kapitalerhöhung durch Eigenkapital ersetzt wird. Dieses Problem wird durch die Festsetzung einer Zielkapitalstruktur, die für die restliche Lebensdauer des Unternehmens als konstant angenommen wird, gelöst.
40
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 2 5 2
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
15
Mit der Bestimmung einer Zielkapitalstruktur wird auch noch ein weiteres Berechnungshindernis überwunden: die sogenannte Zirkularität des Eigenkapitals. 4 ' Denn mit dem Eigenkapital und dem WACC verhält es sich wie mit dem bekannten „Huhn-Ei-Problem", beide Faktoren bedingen einander und stehen in einem Kreislaufverhältnis. So bestimmt sich das Eigenkapital bekanntermaßen aus den diskontierten zukünftigen Cashflows des Unternehmens. Für die Diskontierung ist somit der gewogene Kapitalkostensatz erforderlich. Aus obiger Formel zur Ermittlung des WACC ist ersichtlich, das wiederum für die Berechnung des WACC selbst die Eigenkapitalgröße erforderlich ist. Eine weitere Möglichkeit neben der Definition einer Zielkapitalstruktur ist die Berechnung des WACC durch mathematische Iteration auf die hier nicht weiter eingegangen wird. 42 Die vom Unternehmen festzulegende Zielkapitalstruktur orientiert sich an der aktuellen Kapitalstruktur. Mittels eines Benchmarkings werden die Kapitalzusammensetzung vergleichbarer Unternehmen und die Finanzierungsvorhaben des Managements analysiert und gegebenenfalls bei der Berechnung berücksichtigt. 43 Die aktuellen Marktwerte für Fremd- und Eigenkapital lassen sich am einfachsten feststellen, wenn diese öffentlich gehandelt werden. Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich folglich dann aus der Multiplikation von Aktienkurs mit der Anzahl der ausgegeben Aktien. Das Produkt aus Anleihekurs und der Anzahl der emittierten Schuldtitel bestimmt den Marktwert des Fremdkapitals. Schwieriger stellt sich die Ermittlung bei nicht börsennotierten Finanzierungstiteln dar. Die Marktwerte ergeben sich hier, wie bereits ausführlich bei der Berechnung des Shareholder-Value beschrieben, aus den Barwerten der Auszahlungsströme (Zinsen, Tilgungen, Dividenden) an die Kapitalgeber. Inputdaten für die Berechnung können Unternehmen aus ihren vertraglichen Vereinbarungen zu Zahlungsweisen (z.B. jährlich oder einmalig am Laufzeitende) und Verzinsung (z.B. fester oder variabler Zins) erhalten. Diskontiert werden diese Zahlungsreihen mit der Rendite, die Kapitalgeber für börsennotierte Anlagen mit vergleichbarem Risiko erhalten. Eine eigene Risiko- oder Bonitätseinschätzung kann z.B. durch die Bewertungen einer Ratingagentur oder computergestützte Bewertungsmodelle, die Kreditwürdigkeitsbeurteilungen der Agenturen nachbilden, erfolgen. 44 Ist die Bonität ermittelt, wird die Rendite vergleichbarer Wertpapiere mit äquivalenter Restlaufzeit als Kapitalisierungszinssatz verwendet. Für hybride Finanzierungselemente wie z.B. Wandel- und Optionsanleihen und für Minderheitsbeteiligungen erfolgt die Wertermittlung mittels besonderer Bewertungsmethoden. 45 Die Analyse der Kapitalstruktur vergleichbarer Unternehmen kann sehr hilfreich sein, wenn mangels Börsennotierung der Wert des Eigenkapitals nicht über den Markt bestimmt werden
41
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 458; Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 252
42
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 252; Küting/Weber (2001 ), S. 458
43
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 253
44
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 254
45
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 256ff.
16
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
kann. Der Wert von börsennotierten Vergleichsunternehmen kann hier zusätzliche Anhaltspunkte geben. Außerdem hilft ein solches „benchmarken" in der Fragestellung ob die derzeitige Kapitalstruktur als ungewöhnlich angesehen werden kann. 46 Mit einer Analyse der Finanzierungsvorhaben des Managements kann bestimmt werden, wie sich die Struktur des Kapitals zukünftig verändern wird. Kann davon ausgegangen werden, dass die vom Management angestrebte Zusammensetzung innerhalb weniger Jahre umgesetzt wird, sollte diese als Zielkapitalstruktur übernommen werden. 2. Ermittlung der Fremdkapitalkosten Die Fremdkapitalkosten eines Unternehmens können entweder rein kapitalmarktorientiert oder als Durchschnitt der bestehenden Fremdkapitalverpflichtungen bestimmt werden. Bei der kapitalmarktorientierten Vorgehensweise richten sich die Kosten nach den erwarteten Renditeforderungen der Fremdkapitalgeber auf dem Kapitalmarkt. Die Höhe ihres Verzinsungsanspruches richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit, mit der das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird. Unternehmen mit einer vergleichsweise schlechten Bonität haben daher höhere Zinskosten, da sie das erhöhte Anlagerisiko ihrer Kapitalgeber mit einer Zinsprämie vergüten müssen. Die Berechnung der Zinskosten erfolgt durch bonitätsabhängige Aufschläge auf den Zinssatz fur eine risikolose Kapitalanlage. Das Ausmaß der Aufschläge kann sich dabei an den Ratingstufen anerkannter Ratingagenturen, wie z.B. Moody's oder Standard & Poor's orientieren. 47 Werden die Fremdkapitalkosten als Durchschnitt der Fremdkapitalverpflichtungen berechnet, müssen die verschiedenen Fremdkapitalarten einzeln untersucht werden. Die Kosten des langfristigen Fremdkapitals können kapitalmarktorientiert berechnet werden. Handelt es sich zudem um Fremdkapital mit niedrigem Ausfallrisiko oder staatlich subventionierte Kredite, kann die Marktrendite bzw. bei nicht börsennotierten Anleihen, die Rendite vergleichbarer Anleihen, als Schätzwert fur die Kapitalkosten verwendet werden. 48 Außerdem sollten Kosten die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Finanzierung stehen, z.B. für die Stellung von Kreditsicherheiten berücksichtigt werden. 49 Weiter werden für kurzfristiges Fremdkapital die durchschnittlichen Kosten, gemäß den vertraglichen Vereinbarungen, für Pensionsrückstellungen mindestens 6 Prozent und für Leasingverträge allgemein die Kosten für langfristiges Fremdkapital angesetzt. 50 Unabhängig von der Ermittlungsart sollten die Steuereinsparungen, die durch die Anrechenbarkeit der Fremdkapitalkosten auf die steuerliche Bemessungsgrundlage entstehen („tax
46 Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 258 47
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 461
48
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 259ff.
49
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 462
50
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 462; zu Leasing vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 262
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
17
shield" des Fremdkapitals), berücksichtigt werden. Die Fremdkapitalkosten sind daher um die positiven Steuereffekte der Fremdfinanzierung zu mindern. In der Berechnungsformel zum WACC erfolgt dies durch den Ausdruck (1-t). 3. Schätzung der Eigenkapitalkosten Die Eigenkapitalkosten eines Unternehmens bzw. die Renditeforderung seiner Anteilseigner lassen sich allgemein mangels vertraglicher Vereinbarungen nicht direkt ermitteln und müssen daher vom Unternehmen geschätzt werden. Alternativ vorstellbar ist auch eine direkte Befragung der Eigenkapitalgeber nach ihren Renditeerwartungen. Diese Möglichkeit eignet sich jedoch, aufgrund des damit verbundenen Aufwandes, nur fiir Unternehmen mit sehr kleinem Investorenkreis. 51 Mittels kapitalmarkttheoretischer Verfahren wie dem Capital Asset Pricing Modell (CAPM) und dem Arbitrage Pricing Modell (APM) wird deshalb versucht, die Entscheidungen von Investoren auf dem Kapitalmarkt nachzubilden.
5.2
Capital Asset Pricing Modell (CAPM)
Das Capital Asset Pricing Modell wurde in den 1960er Jahren von den Wissenschaftlern William Sharpe, John Lintner und Jan Mossin unabhängig voneinander entwickelt. 52 Der Wirtschaftswissenschaftler Harry M. Markowitz lieferte mit seiner Portfolio-SelectionTheorie, für die er 1990 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde, die theoretischen Grundlagen fur dieses Modell. 53 Mit der Portfolio-Selection-Theorie stellte Markowitz ein Wertpapier-Auswahl-Modell für Kapitalanleger zur optimalen Zusammenstellung eines Depots auf. Markowitz bewies, dass das Gesamtrisiko zweier Aktien in einem Depot nicht nur vom Risiko der einzelnen Aktien, sondern auch davon abhängig ist, wie gleichförmig sich die Renditen der Wertpapiere entwickeln. Je ungleichförmiger die Renditen der Aktien dabei auf bestimmte wirtschaftliche Veränderungen reagieren, desto geringer ist das Gesamtrisiko des Depots. So kann die Anlage in eine risikoarme Aktie A und eine risikoreiche Aktie Β ein geringeres Risiko aufweisen, als die ausschließliche Investition in die risikoarme Aktie A. Denn wenn Aktie Β stark gegenläufig zur Aktie A auf Marktveränderungen reagiert, werden die Kursschwankungen insgesamt geglättet und das Gesamtrisiko minimiert. Nach der Portfolio-Selection-Theorie kann der Kapitalanleger sein Anlagerisiko daher durch Diversifikation auf verschiedene
51
Vgl. Wortmann (2001), S. 76
52
Vgl. Wortmann (2001 ), S. 76, Baetge/Kirsch/Thiele (2004), S. 472
53
Vgl. Die Finanzseite (2006)
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
18
Wertpapiere reduzieren. Bei seiner Selektion sollte er den Grad der Gleichläufigkeit bzw. Korrelation der Wertpapierrenditen berücksichtigen. 54 Das CAPM baut auf dieser Theorie auf und unterstellt, dass Investoren am Kapitalmarkt danach handeln und ihr Risiko diversifizieren. Unter dieser Annahme können ihre Entscheidungen mittels CAPM nachgezeichnet werden. Aus der Sicht des Unternehmens bestimmen die Entscheidungen der Kapitalanleger die Kapitalkosten. Durch das Modell wird offengelegt, welche Rendite ein Investor in Abhängigkeit vom Risiko am Kapitalmarkt fordert, um in das Unternehmen und nicht in eine andere Anlagemöglichkeit zu investieren. In der „CAPM Welt" gelten folgende Prämissen unter denen die risikoabhängigen Preisforderungen von Investoren bestimmt werden können: 55 •
• • • •
die Kapitalanleger treffen ihre Investitionsentscheidungen nach den Annahmen der Portfolio-Selection-Theorie, d.h. sie sind risikoscheu, handeln rational und investieren daher in risikodiversifizierte Portfolios. die Anzahl der Wertpapiere sind den Marktteilnehmern bekannt. Da sie auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden, sind sie beliebig teilbar. es besteht ein vollkommener Kapitalmarkt, d.h. es existieren keine Transaktionskosten, Steuern und andere Handelsbeschränkungen. da alle Kapitalanleger über vollständige Informationen verfugen, sind die Erwartungen bezüglich der Renditen und des Risikos am Markt gleich. die Marktteilnehmer haben die Möglichkeit, neben der Investition in risikobehaftete Portfolios, am Kapitalmarkt Geld zu einem risikolosen Zinssatz aufzunehmen und anzulegen.
Aufgrund dieser zum Teil realitätsfernen Annahmen wird das CAPM regelmäßig kritisiert. Es hat sich aber in der Praxis gegenüber realitätsnäheren Verfahren durchgesetzt, die über bedeutende theoretische Mängel verfugen. 56 Aus den Prämissen, dass Kapitalanleger ihr Risiko durch Diversifikation zu minimieren versuchen und gleiche Erwartungen bezüglich der Renditen und Risiken der Anlagen haben, ergibt sich, dass alle Anleger die gleiche optimale Depotzusammensetzung wählen. Ein Depot oder Portfolio ist optimal, wenn es keine anderen Wertpapierkombinationen gibt, die bei gleicher erwarteter Rendite ein geringeres Risiko, bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite oder bei einem geringerem Risiko eine höhere erwartete Rendite aufweisen. 57 Im
54
Im Extremfall vollständiger Gegenläufigkeit bzw. bei einem Korrelationskoeffizienten von - 1 kann das Risiko sogar gänzlich ausgeschlossen werden. 55
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 4 6 3 ^ 6 4
56
Vgl. Wortmann (2001), S. 77; Küting/Weber (2001), S. 464
57
Vgl. Küting/Weber (2001), S. 464
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
19
nächsten Schritt kombiniert der Investor je nach Ausmaß seines Risikoscheuseins sein optimales Portfolio mit risikolosen Anlagen. 58 Die Anlageentscheidungen eines Investors, der nach den Prämissen des CAPM handelt, ergeben sich somit immer aus einer Kombination von risikoloser Anlage und risikobehafteter Anlage ins optimale Marktportfolio. Alle möglichen Zusammenstellungen müssen damit auf der Kapitalmarktlinie der nachfolgenden Abb. 5.1 liegen.
erwartete Rendite
Kap ital marktl i η i e
optimales Marktportfolio
risikoloser Zins
Risiko Abb. 5.1
59
Kapitalmarktlinie
Ein vollkommen risikoscheuer Anleger wird sein gesamtes Portfolio zum risikolosen Zinssatz anlegen. Je weniger risikoscheu der Investor ist, desto mehr wird er in risikobehaftete Anlagen, die eine höhere Rendite bringen, investieren. Dabei wählt er nicht irgendwelche risikobehafteten Anlagen aus, sondern wählt die optimale Wertpapierkombination des Marktes. Damit weißt das Modell einen positiven linearen Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko nach. Denn der Kapitalanleger wird nur ein höheres Risiko eingehen, wenn er dafür mit einer höheren Rendite entlohnt wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Unternehmen mit einem höheren Risiko seinen Kapitalgebern eine höhere Rendite versprechen muss und damit höhere Eigenkapitalkosten hat.
58
Vgl. Die Finanzseite (2006); Kiiting/Weber (2001), S. 464; die Aufteilung der Entscheidung des Kapitalanlegers in diese zwei Phasen wird als Tobin-Separationstheorem bezeichnet. Tobin wurde 1981 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. 59
Küting/Weber (2001 ), S. 465 mit Modifizierungen.
20
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
Die Formel zur Berechnung der Eigenkapitalkosten eines Unternehmens wird logisch aus den vorangegangenen Überlegungen abgeleitet: Sie ergeben sich aus dem risikolosen Zinssatz plus einer Risikoprämie, als Entlohnung fur die Investition in risikobehaftete Anlagen. Die Höhe der Risikoprämie errechnet sich aus dem allgemeinen Marktpreis fur das Risiko multipliziert mit dem spezifischen Risiko, das mit einer Investition in ein bestimmtes Unternehmen verbunden ist:60 Risikoprämie für ein Unternehmen .A. _ r kEK = rf + [E(r m ) - rf] χ Beta
S-J
Risikoloser Zins wobei: kEK rf E(r m ) [E(r m ) - rf] Beta
= = = = =
Eigenkapitalkosten, Renditeforderung der Eigenkapitalgeber risikoloser Zinssatz erwartete Rendite des Marktportfolios Marktrisikoprämie, allgemeiner Marktpreis für das Risiko Betafaktor des Unternehmens, spezifisches Risiko des Unternehmens
Wie Unternehmen die einzelnen Komponenten der Eigenkapitalkosten bestimmen und berechnen können, wird nachfolgend ausgeführt.
5.2.1
Risikoloser Zinssatz
Als risikoloser Zinssatz wird die Rendite längerfristiger Wertpapiere mit erstklassiger Bonität verwendet. 61 In der Regel erfüllen bestimmte Staatsanleihen diese Voraussetzungen. Ihre Rendite kann daher als Äquivalent fur eine risikolose Anlage genutzt werden. Allgemein sind Anleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren zu empfehlen. Im Gegensatz zu längerfristigen z.B. 30jährigen Staatspapieren reagieren diese unter anderem weniger intensiv auf Inflationsänderungen. 62 Deutsche Unternehmen können die Rendite lOjähriger Bundesanleihen als Äquivalent der Verzinsung einer risikolosen Anlage nutzen.
5.2.2
Marktrisikoprämie
Der Marktpreis für das Risiko bzw. die Marktrisikoprämie ergibt sich aus der Differenz zwischen erwarteter Rendite des Marktportfolios und risikolosem Zins. Sie ist somit die allgemeine Entlohnung am Kapitalmarkt für Investitionen in risikobehaftete Anlagen. 63
60
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 466; Wortmann (2001 ), S. 77; Copeland/KoIIer/Murrin (2002), S. 265
61
Vgl. Küting/Weber (2001), S. 472
62
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 266
63
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2004), S. 473
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
21
Das Marktportfolio repräsentiert in der Theorie alle möglichen Investitionsalternativen fur den Kapitalanleger. Da die Nachbildung eines solchen Portfolios in der Praxis nur unter großem Aufwand möglich ist, wird in der Regel ein Stellvertreterindex verwendet. 64 Für ein deutsches Großunternehmen könnte dies beispielsweise der Deutsche Aktienindex (DAX) sein. Für die Bestimmung der erwarteten Rendite des Marktportfolios wird allgemein ein Durchschnitt der historischen Renditen verwendet. 65 Dabei sollte ein möglichst langer Zeitraum gewählt werden, der evtl. auch unregelmäßige Ereignisse wie Börsencrashs, Boomphasen und Kriege umfasst. 66 In der Praxis werden in der Regel die Renditen der letzten 10 oder 20 Jahre betrachtet. In Abhängigkeit vom Betrachtungszeitraum und der Berechnungsmethode des Mittelwertes können Marktrisikoprämien zwischen 3 und 8 Prozent schwanken. 67
5.2.3
Betafaktor
Der Betafaktor ist ein Maß fur das Risiko eines Unternehmens. Nach dem CAPM ist das Risiko eines Unternehmens in zwei Kategorien zu unterscheiden. Bei der ersten Kategorie handelt es sich um unternehmensindividuelle Risiken, die ausschließlich den Kurs oder die Erträge eines Unternehmens beeinflussen. Dies könnte der Wechsel des Vorstandes oder ein negativer Pressebericht über ein Unternehmen sein. Nach dem CAPM können diese sogenannten unsystematischen Risiken durch Diversifikation gänzlich vermieden werden. Der Kapitalmarkt gewährt daher für diese Risiken, die nur dann auftreten, wenn ein Investor sein Portfolio unnötigerweise nicht optimal diversifiziert hat, keine Prämie. Die zweite Kategorie bilden die gesamtmarktbezogenen Risiken eines Unternehmens, die mehr oder weniger alle Unternehmen beeinflussen. Dies könnten allgemeine Konjunkturschwankungen sein. Diese sogenannten systematischen Risiken kann der Investor nicht durch Diversifikation vermeiden. Für diese Risiken wird ihm daher am Kapitalmarkt eine Renditeprämie gewährt. Die Höhe dieser Prämie ist abhängig davon, wie stark das Unternehmen auf gesamtmarktbezogenen Risiken im Vergleich zum Marktdurchschnitt reagiert. Dies misst der Betafaktor, indem er untersucht wie sensibel sich die Rendite eines Unternehmens bei Veränderungen der Rendite des Marktportfolios verhält. 68
64
Vgl. Küting/Weber (2001 ), S. 464
65
Arithmetisches Mittel der Renditen vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 267-271 ; oder geometrisches Mittel der Renditen vgl. Küting/Weber (2001), S. 472
66
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 267
67
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 267
68
Vgl. Der Betafaktor wird berechnet, indem die Kovarianz (also die Abweichungen der Wertpapierrendite von ihrer erwarteten Rendite und die Abweichungen der Marktrendite von ihrer erwarteten Rendite) durch die Varianz der Marktrendite dividiert wird.
22
5 Exkurs: Ermittlung der Kapitalkosten
Definitionsgemäß hat der Markt einen Betafaktor von 1 und eine risikolose Anlage einen Betafaktor von 0. Das bedeutet, dass bei einem Wertpapier mit einem Betafaktor von 1 die Renditen, bei gesamtmarktbezogenen Veränderungen gleichermaßen wie die Renditen des Marktes schwanken. Das Risiko dieses Wertpapiers ist also genauso hoch, wie das Risiko des Marktportfolios. 69 Kapitalanleger können daher eine Prämie und zwar in Höhe der Marktrisikoprämie bei einer Investition in dieses Unternehmen erwarten. Wertpapiere mit einem Betafaktor >1 reagieren sehr sensibel auf gesamtmarktbezogene Änderungen, d.h. ihre Renditen schwanken stärker als der Marktdurchschnitt. Ein Investor wird daher eine höhere Prämie flir die Übernahme des höheren Risikos verlangen. Ist der Betafaktor eines Wertpapiers