Chinas neue Architektur: Bauen im Kontext 9783035618150, 9783035617566

A new generation is shaping China's architecture In recent years, a refreshingly unconventional architectural sc

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German Pages 144 Year 2019

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Table of contents :
Inhalt
Chinas aktuelle Architektur: Von der Wiederentdeckung des Kontexts und der Sehnsucht nach dem besonderen Ort
Im Gespräch mit Wang Shu: Bauen, so lebendig wie das Leben selbst
1. Teehaus im Hof
2. Andachtsraum am See
3. Bücherei zwischen Wellen und Sand
4. Wohnhaus in exponierter Lage
5. Haus für einen Künstler
6. Architekturbüro in Peking
7. Kinderbibliothek im Hutong
8. Lernhaus mit Vergangenheit
9. Kindergarten in den Bergen
10. Dorferneuerung nach Erdbeben
11. Besucherzentrum mit lokalem Bezug
12. Zuckermanufaktur und Gemeindehaus
13. Wohnen in Gemeinschaft
14. Forschungslabor als Hofhaus
15. Museum unter Wasser
16. Fotomuseum als Keimzelle der Stadterneuerung
17. Umbau eines Silogebäudes zum Kulturraum
18. Luxushotel in der Zuckerfabrik
19. Ein Teehaus mit Aussicht
Anhang
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Chinas neue Architektur: Bauen im Kontext
 9783035618150, 9783035617566

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Chinas neue Architektur

Christian Schittich

Chinas neue Architektur Bauen im Kontext

Birkhäuser Basel

Inhalt Chinas aktuelle Architektur: Von der Wiederentdeckung des Kontexts und der Sehnsucht nach dem besonderen Ort Christian Schittich 08 Im Gespräch mit Wang Shu: Bauen, so lebendig wie das Leben selbst Christian Schittich 22

01

Teehaus im Hof Atelier Deshaus 32

02

Andachtsraum am See Neri&Hu Design and Research Office 36

03

Bücherei zwischen Wellen und Sand Vector Architects 42

04

Wohnhaus in exponierter Lage Vector Architects 48

05

Haus für einen Künstler Wutopia Lab 56

06

Architekturbüro in Peking ZAO  / standardarchitecture 62

14

Forschungslabor als Hofhaus Atelier FCJZ 108

07

Kinderbibliothek im Hutong ZAO  / standardarchitecture 66

15

Museum unter Wasser Liu Kecheng 112

08

Lernhaus mit Vergangenheit Mu Wei, Zhou Chao 72

16

Fotomuseum als Keimzelle der Stadterneuerung O-office Architects 116

09

Kindergarten in den Bergen Atelier Deshaus 78

17

Umbau eines Silogebäudes zum Kulturraum Atelier Deshaus 122

10

Dorferneuerung nach Erdbeben Rural Urban Framework 84

18

Luxushotel in der Zuckerfabrik Vector Architects 128

11

Besucherzentrum mit lokalem Bezug TeamMinus 90

19

Teehaus mit Aussicht Trace Architecture Office (TAO) 136

12

Zuckermanufaktur und Gemeindehaus DnA_Design and Architecture 96

13

Wohnen in Gemeinschaft META-Project 102

Anhang 142

8

Christian Schittich

Chinas aktuelle Architektur: Von der Wiederentdeckung des Kontexts und der Sehnsucht nach dem besonderen Ort Mit dem aktuellen Bauen in China verbinden viele Beobachter aus Europa neben den spektakulären, meist von ausländischen Büros entworfenen Prestigeobjekten und den immer höher in den Himmel wachsenden Wolkenkratzern in den Metropolen vor allem Massen an schnell und lieblos hochgezogenen Wohn- oder Büroklötzen, die das heutige Bild ganzer Städte prägen. Seit vor knapp vier Jahrzehnten der damalige Staatspräsident Deng Xiaoping seine grundlegenden Wirtschaftsreformen eingeleitet hat, sieht sich das Land einem Urbanisierungsprozess ausgesetzt, wie er weltweit bislang ohne Beispiel ist. So konnte die Architekturentwick­ lung mit dem daraus resultierenden enormen Bauboom lange Zeit ­einfach nicht Schritt halten. Um den riesigen Bedarf an Flächen zu ­decken, wurden innerhalb von nur wenigen Jahren ganze Dörfer und Altstädte dem Erdboden gleichgemacht, nur um sie anschließend mit gesichtslosen Einheitsbauten zu füllen, entworfen meist von gigantischen staatlichen Planungsbüros. Doch neben diesen für China noch immer typischen Entwurfskonglomeraten mit ihren oft mehr als 1000 Mitarbeitern tritt seit einigen ­Jahren zunehmend eine neue Generation von Architekten ins Rampenlicht. Deren Vertreter sind oftmals im Westen ausgebildet und dann in ihre Heimat zurückgekehrt, um dort kleine private Büros zu betreiben, wie sie seit gerade einmal einem Vierteljahrhundert zugelassen sind. Diese neue und experimentierfreudige Generation zeichnet sich durch individuelle Entwürfe und Lösungen aus. Vor allem aber geht es ­ihren Repräsentanten ganz entscheidend auch darum, die spezifischen ­Eigenheiten ihres Landes mit einer zeitgemäßen Architektursprache zusammenzubringen. Auf den unterschiedlichsten Ebenen knüpfen sie an lokale Traditionen an, ohne dabei auf überlieferte Formen zurück­ zugreifen. Gerade diese Herangehensweise führt nicht selten zu besonders kraftvollen und ausdrucksstarken Gebäuden, die nun immer ­häufiger auch in internationalen Publikationen auftauchen.

Links: The South Yard, Sanjia 2016, Mu Wei und Zhou Chao Unten: Stadtlandschaften in Dalian und Schanghai

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Chinas aktuelle Architektur

2012 wurde mit Wang Shu einer der wichtigsten Vertreter der neuen, individuell agierenden Architektenschaft mit dem renommierten Pritzker-­ Preis geehrt. Auch wenn die beachtliche Auszeichnung des offen­ sichtlichen Eigenbrötlers unter seinen chinesischen Kollegen bis heute durchaus kontrovers diskutiert und beurteilt wird, so zeigt sie ihnen doch, dass eine eigenständige Architektur aus China international zu höchsten Ehren kommen kann. Das gibt dem gesamten Berufsstand enormen Auftrieb. Andersherum aber öffnet sie gleichermaßen der Fach­ welt im Westen die Augen und lenkt den Blick dorthin. Denn zweifellos gehört Wang Shu mit seinem Büro Amateur Architecture Studio auch nach internationalem Maßstab aktuell zu den faszinierendsten Entwerfern. Seine eigenwillige Architektur ist von der Kultur seines Heimatlandes inspiriert wie kaum eine andere und zeichnet sich durch ­manchmal monumentale, stets aber lebendige Formen und eine raue Materialität aus, die nicht selten aus den von ihm gern verwendeten recycelten Dachziegeln und Mauersteinen resultiert. Über eine Million davon sollen es allein am Historischen Museum in Ningbo (2009) sein, das wie eine gewaltige Trutzburg in den Himmel ragt, oder beim ­Xiangshan Campus der Kunstakademie im nahe gelegenen Hangzhou. Dieser abwechslungsreich gestaltete Komplex aus sage und schreibe ­21 Einzelbauten, von denen kaum zwei einander gleichen, ist von einer chinesischen Landschaftsmalerei aus dem 11. Jahrhundert inspiriert. Dabei ging es dem Architekten beim Entwurf weit weniger darum, ein fertiges Bild zu schaffen, als vielmehr eine Szenerie, die sich mit ­Leben füllen kann und sich saisonal ebenso ändert wie mit dem Lauf der Zeit. Gleichfalls auf klassische Landschaftsbilder beziehungsweise auf die typischen Berge in den alten Tuschezeichnungen beziehen sich die ­Architekten von MAD mit ihrem Projekt Chaoyang Park Plaza in Peking, das aus einem Gebirge aus zwei hohen, miteinander verbundenen ­Bürotürmen und mehreren kleineren Wohn- und Geschäftshügeln be10

Oben: Historisches Museum, Ningbo 2009 Unten: Wanddetail am Xiang­ shan Campus, Hangzhou 2007, Amateur Architecture Studio

steht. Obzwar mit seiner dunklen Verglasung ausgesprochen modern gestaltet, erkennt man beim Betrachten des organischen Gebildes ­diese Anspielung sofort. Nach eigener Aussage wollen die Architekten mit dem aus der Natur inspirierten Gebilde den angrenzenden Park ­­ein Stück weit in die Stadt hineinholen. Ma Yansong, der Gründer von MAD, verweist mit Stolz darauf, der erste Architekt aus China zu sein, der 2006 mit den Absolute Towers im ­kanadischen Mississauga einen bedeutenden internationalen Wettbewerb für sich entscheiden konnte. Bevor er sich 2004 selbstständig machte, hatte Ma einige Jahre bei Zaha Hadid gearbeitet, deren Formenvokabular und Entwurfsmethoden er nun auf die Besonderheiten seines Heimatlandes zu adaptieren versucht. Auch wenn er und sein Büro sich beim Chaoyang Park Plaza von ähnlichen Motiven inspirieren lassen wie Wang Shu, so könnte doch die Architektur von MAD zu ­der von Amateur Architecture Studio kaum unterschiedlicher sein: Die beiden wohl extremsten Positionen der aktuellen chinesischen Architektengeneration sind damit aufgezeigt. Projekte mit sozialem Mehrwert So extrem wie ihre divergierenden Ausdrucksweisen ist auch die Größe mancher Bauwerke von Wang Shu und MAD. So gut wie alle der im Projektteil dieser Publikation vorgestellten Beispiele dagegen sind (abgesehen von einem Umbau in Schanghai) von deutlich kleinerem ­Ausmaß, viele befinden sich auf dem Land, und bei nicht wenigen steht der gesellschaftliche Mehrwert im Mittelpunkt. Bei allein drei davon handelt es sich um Maßnahmen, die im Zuge des Wiederaufbaus nach Naturkatastrophen entstanden sind, andere haben das Ziel, die Infrastruktur in armen ruralen Gegenden zu verbessern. Immer wieder entstehen derartige Gebäude in China aufgrund der Initiative und unter ­hohem persönlichen Engagement ihrer Architekten. Das gilt auch für die international viel beachtete Bridge School in einem abgelegenen Hakka-Dorf in Fujian, wofür deren Entwerfer Li Xiaodong die Suche nach Geldgebern selbst in die Hand nahm. Mit seinem kleinen, aber ­wirkungsvollen Brückenbauwerk schuf er nicht nur den geforderten

Oben: Bridge School, Pinghe 2009, Li Xiaodong Unten: Chaoyang Park Plaza (links: Bürotürme, rechts: Blick auf die Wohnbebauung), Peking 2017, MAD Architects

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Chinas aktuelle Architektur

Raum für die Schule, sondern verband gleichzeitig zwei zuvor durch ­einen Bach getrennte Tulou miteinander und kreierte in der Mitte ­zwischen diesen beiden traditionellen Großwohnanlagen auch den Gemeindesaal und damit den neuen sozialen Treffpunkt. Nach der bereits erwähnten beispiellosen Urbanisierungswelle, die Hunderte Millionen von ehemaligen Dorfbewohnern in die hastig hochgezogenen Städte schwemmte – mit all den damit verbundenen Pro­ blemen –, rückt jetzt das Land in China wieder vermehrt in den Fokus. So geht es bei vielen bewusst gesetzten Eingriffen nun darum, den ­ruralen Raum zu revitalisieren und die Lebensqualität dort zu verbessern, um der massiven Landflucht entgegenzuwirken. Ein ebenso ungewöhnliches wie eindrucksvolles Beispiel in diesem Zusammenhang gibt der Landkreis Songyang in Zeijiang. Hier hat die ­lokale Verwaltung parallel in unterschiedlichen Dörfern eine Vielzahl an Projekten auf die Beine gestellt, die die örtliche Wirtschaft ankurbeln, das soziale Miteinander fördern sowie durch Bestandserneuerungsmaß­ nahmen die kulturelle Identität stärken sollen. Das wirklich Besondere dabei aber ist, dass die Behörden ausschließlich auf gut gestaltete und zeitgemäße Architektur setzten. So hat allein Xu Tiantian mit ihrem Pekinger Büro DnA in den vergangenen vier Jahren im Kreis Songyang über 20 Bauvorhaben geplant und unter Beteiligung örtlicher Architekten auch umgesetzt. Zu ihren Projekten, die alle in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Dorfgemeinschaft sowie mit lokalen Handwerkern entstanden, gehört der Brown Sugar Workshop in Xing, der den örtlichen Zuckerrohrbauern bessere Verarbeitungsbedingungen und damit ein höheres Einkommen verschafft, gleichzeitig darüber hinaus jedoch verschiedene weitere 12

Brückensanierung, Shimen 2017, DnA_Design and Architecture

gemeinschaftliche Funktionen unter einem Dach vereint (S. 97). Dazu zählt aber auch die Brückensanierung in Shimen, die mit dem neu ­aufgesetzten, klar gegliederten Holzdach an örtliche Traditionen anknüpfend zum gesellschaftlichen Treffpunkt wird, oder die Instand­ setzung verschiedener alter Häuser aus Stampflehm in dem kleinen Bergdorf Pingtian. Gerade die beiden letzten Beispiele sind typisch für eine ganz neue Tendenz in China: die Wiederentdeckung des Bestands. Die Wiederentdeckung des Bestands Gerade alte Bauernhäuser aus Stampflehm oder luftgetrockneten Ziegeln, wie sie in ganz China überall vorkommen, hatten noch bis ­­ vor wenigen Jahren kaum eine Überlebenschance. Allerorts wurden ­ sie gnadenlos abgerissen und durch gesichtslose Neubauten aus Stahl­beton ersetzt, da diese einfach mehr Komfort als die unterhalts­ intensiven­überlieferten Konstruktionen versprachen. Oftmals ist es nun die lokale Verwaltung, die den Anstoß und manchmal auch finanzielle Anreize zur Wiederherstellung der alten Substanz gibt, nicht selten vor dem Hintergrund eines sanften Tourismus. Denn sobald die Dorfbewohner merken, dass Besucher von weither kommen, um ihre alten Bauten zu bewundern, lernen sie ihre eigene Kultur wieder mehr zu schätzen. Vor allem Menschen aus der rasant wachsenden Mittelschicht in den von Lärm und schlechter Luft geplagten Metropolen ­suchen ­zunehmend Erholung im Hinterland. Das führt dazu, dass es mittlerweile bei der Sanierung von Bauernhäusern in ländlichen Regionen üblich ist, einige Gästezimmer mit vorzusehen, um der Dorfbevölkerung neben der Landwirtschaft und der Herstellung von kunstgewerblichen Produkten für die Fremden eine zusätzliche Einnahmequelle zu sichern. Seit es eine vor wenigen Jahren erlassene Gesetzesänderung ermöglicht, auch private Häuser kommerziell zu nutzen, sprießen solche ­sogenannten Homestays allerorten wie Pilze aus dem Boden. Parallel dazu werden immer mehr traditionelle Häuser zu komfortablen Designhotels umgebaut, wofür das Skywell Hotel in Wuyuan ein ­Beispiel gibt. Ein Aussteigerehepaar aus der Finanzwelt von Schanghai

Oben: Dorfsanierung, Pingtian, 2015, DnA_Design and Architecture Unten: Skywells Hotel, Wuyuan, 2017, anyScale

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Chinas aktuelle Architektur hatte sich dort ein altes Holzhaus gekauft und mit großem Engagement, lokalen Handwerkern und den Architekten von anyScale aus ­Peking wieder hergerichtet, um es fortan als selbst betriebenes ­Gästehaus zu nutzen. Gleichermaßen wie auf dem Land wird in den Städten der Wert von­Bestandsbauten zunehmend geschätzt. Das verdeutlichen nicht zuletzt die klassischen Hutongs in Peking. Noch in den 1990er-Jahren wurden sie ebenso wie so viele andere Altstädte in China flächendeckend niedergewalzt, nur um sie anschließend zu den Olympischen Spielen 2008 in veränderter Form teilweise wiederaufzubauen. Der ursprüngliche Bestand an Hutongs aber war derartig groß, dass daneben auch verschiedene Areale mit den traditionellen Hofhäusern überdauert haben, die es nun mit neuem Leben zu füllen gilt. Um das Potenzial aufzu­ zeigen, das in dieser Bauweise steckt, und das Fortbestehen ­der alten Häuser zu sichern, ohne diese nur mit Souvenirshops oder Restaurants für Touristen zu füllen, initiiert der Architekt Zhang Ke mit seinem Büro ZAO/standardarchitecture immer wieder verschiedene Hutong-Projekte. Bei seinem Micro-Hutong genannten Umbau etwa inte­grierte er in einen besonders engen Hof ein skulpturales Betongebilde aus Räumen, die als Hostel für Schüler ebenso dienen können wie als temporärer Wohn- und Arbeitsbereich für einen Künstler. Im Micro Yuan’er kreierte er mit der Einrichtung einer kleinen Bücherei und eines Kreativraums ­einen Treffpunkt für die Kinder der Umgebung (S. 67) und beim Co-Living Courtyard gab er Anregungen, wie ein bestehendes Hofhaus zum gemeinsamen Wohnen mit Gemeinschaftsräumen und Kleinstwohnungen genutzt werden kann. Da sich dafür aber kein Bauherr findet, ist in dem sanierten Hofhaus nun eine private Schule untergebracht.

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Oben: Traditioneller Hutong in Peking Unten: Micro-Hutong, Peking 2013, ZAO/standardarchitecture

Ein weiteres großes Thema in zahlreichen Städten Chinas ist die Umnutzung veralteter und nicht mehr gebrauchter Industrieanlagen. Die Stadt Schanghai setzt dabei vielerorts auf Kunst und Kultur als neuen Standortfaktor. Bei dem von ihr ausgerufenen Projekt „West Bund ­Cultural Corridor“ etwa sollen ganze sieben Quadratkilometer ehema­ liger Hafen- und Industrieareale revitalisiert und mit kulturellen Einrichtungen aufgewertet werden. Zhang Ming und Zhang Zi vom Original Design Studio der Tongji Universität gestalteten in diesem Zusammenhang ein ehemaliges Kraftwerk von 1985 zur Shanghai Power Station of Art (2012) – Chinas ­erstem staatlichen Museum für Gegenwartskunst – mit 10.000 Qua­ dratmetern Präsentationsfläche um. Dabei inszenierten die Architekten nicht nur den riesigen Altbau mit seinen industriellen Relikten, sondern auch die fantastische Aussicht direkt am Fluss. Mindestens genauso eindrucksvoll – von ihren Ausmaßen wie von ihrer Lage her – sind ­die neuen Ausstellungsräume, die das Büro Atelier Deshaus in dem gewaltigen 80.000-Tonnen-Silo am Minsheng-Kai untergebracht hat (S. 123). Neben solchen mit öffentlichen Geldern finanzierten Kulturstätten versucht die Stadtverwaltung, vor allem aber private Investoren durch steuerliche Anreize oder die günstige Verpachtung von Land zum Bau von Museen zu inspirieren. Als ein wahrer Glücksfall für die aktuelle Architektur in China entstand auf diese Weise – ebenfalls nach Plänen von Atelier Deshaus – das viel gerühmte Long Museum auf dem Gelände eines ehemaligen K ­ ohlebunkers. Neben der geschickten Integration von Überresten der alten Industrieanlage zeichnet es sich durch spannungsvoll ­gestaltete Ausstellungsräume, präzise Details sowie seine für China außergewöhnlich hohe Ausführungsqualität aus.

Shanghai Power Station of Art, 2012, Original Design Studio

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Chinas aktuelle Architektur Moderne Architektur als Attraktion Auch die weithin bekannte Bibliothek am Strand von Beidaihe von Vector Architects (S. 43) ist längst zu einer Ikone der aktuellen Archi­ tektur des Landes geworden, und auch sie wurde von einem privaten Investor in Auftrag gegeben und finanziert, um damit das angren­ zende, von ihm geschaffene Ferienresort aufzuwerten. Die ausgesprochen modern anmutende und präzise umgesetzte Seashore Library ­ist mittler­weile über soziale Netzwerke derart populär geworden, dass sie an manchen Tagen mehr als 3000 Menschen anzieht. Die Besucher, die teilweise von weit her anreisen, kommen dabei nicht in erster ­Linie, um in den Büchern zu schmökern oder einer Veranstaltung beizuwohnen, sondern vor allem, weil sie an einer solchermaßen angesagten Location einfach einmal gewesen sein wollen. Gut gestaltete zeitgemäße Architektur wird in China zusehends zum Publikumsmagneten und erfüllt die verstärkt aufkommende Sehnsucht nach dem ­besonderen Ort. Manche Projektentwickler haben das erkannt und versuchen, durch gezielte Interpunktionen bestehende oder neu er­ richtete Großprojekte aufzuwerten. Wenn sie gleichzeitig Verständnis für die Qualität zeigen und bereit sind, dafür zu bezahlen, wenn sie vor allem aber den Architekten und ausführenden Firmen die notwenige Zeit für den Entwurf und die Umsetzung geben – und gerade das ist in China nicht selbstverständlich –, kann dabei etwas Außergewöhn­ liches herauskommen. Auch die Suzhou Chapel von Neri & Hu ist auf diese Weise entstanden (S. 37). Ein anderes Beispiel, das den Wunsch der Menschen nach einer besonderen Architektur verdeutlicht, ist der in Regenbogenfarben gestaltete Zhongshu Bookstore in Suzhou von Wutopia Lab, der derart viele Leute in ein mehrgeschossiges Einkaufszentrum zieht, dass er dort mietfrei residieren kann. Damit geht das finanzielle Konzept des Betreibers für ein in Zeiten digitaler Medien schwieriges Geschäfts­

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Long Museum West Bund, Schanghai 2014, Atelier Deshaus

modell auf, und ganze Familien können weiterhin ihren Sonntagsausflug dorthin machen, auch wenn ihnen hierbei die Selfies vor den Bücher­ regalen oftmals wichtiger erscheinen als deren Inhalt.

Seashore Library, Beidaihe 2015, Vector Architects

Sinnlich raues Material und verwitternde Oberflächen Eine derart hohe Ausführungsqualität, wie sie das Long Museum oder die Seashore Library offenbaren, verdient schon deshalb besondere Erwähnung, da sie in China noch lange nicht selbstverständlich ist. Ganz im Gegenteil leiden nach wie vor viele Bauten an einer ausgesprochen schlampigen Umsetzung. Das liegt an dem zumeist enormen Zeitdruck, ebenso wie an dem eklatanten Mangel an geeigneten Fachkräften. Noch immer besteht das Gros der Beschäftigten auf den Baustellen aus ungelernten ehemaligen Landarbeitern, unter denen – so jedenfalls versichern es verschiedene Architekten – meist nicht einmal der Polier einen Plan lesen kann. Auch das Spektrum an qualifizierten Handwerksberufen oder Gewerken ist weit kleiner als bei uns, und schließlich bleibt nicht selten und ganz nach Gutdünken des Bauherrn dem Entwerfer die Entscheidung über die letztendliche Ausführung ­verwehrt. Vieles wird dann einfacher und billiger umgesetzt als von diesem ­gewollt. Die Folge sind Neubauten, die oft schon nach kurzer Zeit ziemlich ­unansehnlich ausschauen und manchmal gar nach nur wenigen Jahren bereits wieder saniert werden müssen. Zur mangelnden Bauqualität kommen verschärfend noch die nach unseren Vorstellungen mitunter geradezu abenteuerlichen Detaillösungen, die zwar zu filigranen und damit sehr fotogenen Projekten führen, die dann aber entsprechend schnell verrotten. So kann es passieren, dass der Besucher sich voller Euphorie auf den Weg zu einem viel publizierten Gebäude macht, um sich dann vor einem stark heruntergekommenen Gebilde wiederzufinden, 17

Chinas aktuelle Architektur

das nicht annähernd die Ausstrahlung besitzt, welche die leuch­tenden Bilder im Internet versprechen. Trotzdem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Vorstellung davon, wie ein Gebäude zu altern hat, in China oftmals eine vollkommen andere ist als bei uns im Westen. Wo wir bereits den Bauschaden sehen, können der chinesische Architekt oder Bauherr nichts Schlimmes finden. ­Nicht zuletzt liegt das auch daran, dass Vergänglichkeit ähnlich wie in Japan traditionell bereits zum Konzept gehört und manchmal gar stilisiert wird. Und tatsächlich bekommen die weißen Putzfassaden histo­ rischer Häuser erst durch ihre dunklen Flecken Charakter, und auch die ursprünglich glatten grauen Ziegel gewinnen durch den schnell ein­ setzenden Verwitterungsprozess an Ausdruckskraft. Manche Archi­ tekten planen das bewusst mit ein, wie Zhang Ke, der sich daran erfreut, dass sein zu Beginn makelloses Mauerwerk am eigenen Büro in ­Peking allmählich eine grobe Oberfläche bekommt (S. 63). Oder sie setzen den unvermeidlichen Verwitterungsspuren von Anfang an r­ aue Wände entgegen, die Ungenauigkeiten in der Ausführung ebenso er­ lauben wie sie mit den verwitternden Baustoffen korrespondieren. So stört es zumindest in ästhetischer Hinsicht überhaupt nicht, wenn an Wang Shus Akademiegebäuden in Hangzhou die lackierten Fenster­ faschen aus Stahl bereits nach wenigen Jahren großflächig Rostspuren zeigen. Vielmehr harmonieren sie nun erst richtig mit dem angrenzenden Mauerwerk aus recycelten Steinen. Ganz unabhängig von derartigen Erwägungen überzeugen viele der besten Projekte in China gerade mit ihrer sinnlich rauen Materialität: grobes Bruchstein-Mauerwerk, recycelte Ziegel, rostender wetterfester Stahl oder grob geschalter Beton. 18

Zhongshu Bookstore, Suzhou 2017, Wutopia Lab

Nicht zuletzt bei Entwürfen auf dem Land versuchen zahlreiche Architekten, damit an lokale Bauweisen anzuknüpfen, um ihr Gebäude in der Region zu verankern. Auf diese Weise entstehen immer wieder Bauwerke, die ihre besondere Faszination aus dem Zusammenspiel ­traditioneller Bau­stoffe und einem modernen Formenkanon beziehen, wie es eindrucksvoll das Jianamani Visitor Centre in Yushu vor Augen führt (S. 91). So wie das Besucherzentrum in Yushu zeichnen sich alle im nachfolgen­ den Projektteil vorgestellten Gebäude jeweils auf ihre Weise durch ­den Bezug zum jeweiligen Kontext aus. Das kann sich in einem sen­ siblen Umgang mit dem vorhandenen Baubestand ebenso ausdrücken wie im Anknüpfen an lokale Traditionen oder in der Verwendung über­ lieferter Materialien. Gleich mehrere Beispiele offenbaren dabei eine hohe Kreativität und zeigen erfrischend unkonventionelle Lösungen, weshalb es Spaß macht, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Auch wenn sie zusammen eine große Vielfalt an Aufgaben, Ideen und Herangehensweisen zeigen, so handelt es sich – bezogen auf die ­ungeheure Größe des Landes – bei diesen Projekten noch eher um die Ausnahme als um die Regel. Gleichzeit aber machen sie Hoffnung und führen uns vor Augen, wie spannend sich die Architekturszene in China gerade entwickelt.

Oben: Architekturbüro, Peking 2015, ZAO/standardarchitecture Unten: Jianamani Visitor Centre, Yushu 2013, TeamMinus

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Christian Schittich

Im Gespräch mit Wang Shu: Bauen, so lebendig wie das Leben selbst Seit der Auszeichnung mit dem Pritzker-Preis 2012 gehört Wang Shu, der zusammen mit seiner Frau Lu Wenyu das Büro Amateur Architecture Studio betreibt, zu den bekanntesten Architekten in China. Mit seiner vollkommen eigenständigen, kraftvollen Architektur knüpft er an die Tradition seines Heimatlandes an und versucht, überlieferte Werte ­und lokale Bautraditionen mit einer zeitgemäßen Gestalt in Einklang zu bringen, die sich durch skulpturale Formen und sinnlich-raue Ober­ flächen auszeichnet. Millionen alter Mauersteine und Dachziegel erwachen in seinen Gebäuden zu neuem Leben.

Links: Kulturzentrum, Fuyang 2018, Amateur Architecture Studio Unten: Xiangshan ­Campus, Hangzhou 2007, A ­ mateur Archi­tecture Studio

Wang Shu, warum ist Ihnen die Tradition so wichtig? In China haben wir in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten mehr als 90 Prozent der traditionellen Bausubstanz zerstört – in den Städten ebenso wie auf dem Land. Mit dem Verschwinden der Häuser aber ver­ ändern sich auch die Lebensweisen. Viele Architekten denken über ­die gesellschaftlichen Konsequenzen dieses gigantischen Baubooms kaum nach. Ich dagegen versuche, aus der Tradition zu lernen und durch das Einbeziehen überlieferter Baumethoden eine Brücke zu schlagen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Verwendung recy­ celter alter Dachziegel und Mauersteine, für die Sie bekannt sind? Als beim Bau des Xiangshan Campus in Hangzhou etwa ein Jahr vor der geplanten Fertigstellung das Baumaterial knapp wurde, kam der ­Bauleiter zu mir und fragte, ob er statt neuer auch gebrauchte Baustoffe verwenden dürfe. Ich stimmte begeistert zu. Denn in China werden ­seit jeher gebrauchte Materialien eingesetzt. Sie sind viel zu kostbar, um sie nach dem Abbruch eines Hauses einfach zu entsorgen. So war ­es bei uns früher normal, dass die Wände und Dächer von Neubauten 23

Bauen, so lebendig wie das Leben selbst

manchmal aus jahrhundertealten Ziegeln bestanden. Diese haben eine etwas andere Form, Farbe und Oberfläche als neue und binden das Gebäude damit viel besser in die Umgebung ein. Sie geben den Mauern einen besonderen Charakter und lassen diese auch besser altern. Beim Historischen Museum in Ningbo haben wir dann bewusst für einen Teil der Wände alte Steine eingesetzt, um einen Bezug zu den ­Dörfern herzustellen, die dort einmal standen. Allein 30 schöne tradi­ tionelle Dörfer wurden hier für den Bau der neuen Geschäftsviertel ­dem E ­ rdboden gleichgemacht. Die zerstörten Häuser leben nun in den Mauern des Museums weiter. Und das empfinden auch die ehe­ maligen Be­wohner der Gebäude so: Einige kommen immer wieder hierher, um die Wände zu betrachten und sich so an ihr altes Zu­ hause zu erinnern. Wenn ich Ihre aus recycelten Baustoffen entstandenen Wände be­ trachte, sehe ich darin auch farbliche Muster: In Ningbo beispiels­ weise gibt es Einstreuungen von Feldern aus roten Ziegeln in der ansonsten graubraunen Wand. Wie genau geben Sie solche Strukturen vor? Bewusst gestaltete Muster oder gar Bilder lehne ich ab. So etwas würde ich sofort wieder abreißen lassen. Ich will nichts Dekoratives, sondern suche vielmehr das Spontane, Improvisierte. Dazu brauche ich die Kreativität der Handwerker, aber auch deren Fähigkeit, aus unterschiedlichem Abbruchmaterial stabile Strukturen zu schaffen. Vieles entsteht dabei erst während des Bauens. 24

Historisches Museum, Ningbo 2009, Amateur Architecture Studio

Ihr Büro führen Sie im Team mit Ihrer Frau Lu Wenyu. Wie genau funktioniert dort die Zusammenarbeit? Wir haben eine besondere Form der Zusammenarbeit gefunden. Normalerweise mache ich die ersten Skizzen, danach diskutieren wir diese gemeinsam. Meine Frau ist dabei eine sehr scharfe Kritikerin. Lu Wenyu zeichnet normalerweise nicht selbst, aber sie hat ein sehr gutes ­Gefühl für den Entwurf und auch später für den Prozess vom Entwurf zur Umsetzung. Hier bringt sie sich maßgeblich ein. Wie läuft der Entwurfsprozess im Einzelnen ab? Ich starte jedes Mal mit einer sehr sorgfältigen Bleistiftzeichnung von Hand. Einen Computer benutze ich nicht, ich schreibe auch keine E-Mails. Meine Mitarbeiter übersetzen meine Handzeichnungen dann ins Digitale. Sie sind selbst gute Freihandzeichner und können die Skizzen richtig lesen. Während der Übertragung in den Computer diskutieren wir dann noch einmal die einzelnen Punkte.

Kulturzentrum, Fuyang 2018, Wanddetail und Nordfassade, Amateur Architecture Studio

Wie hat sich Ihr Leben seit der Auszeichnung mit dem Pritzker-­ Preis verändert? Unser Büro und ich sind jetzt auch einer breiten Öffentlichkeit in China bekannt, davor waren wir es nur bei Insidern, vor allem also bei den ­Architekten. Darüber hinaus gibt mir der Preis ein gewisses Gewicht, das­ natürlich beim Verhandeln mit öffentlichen Auftraggebern von Vorteil ist. Dieses Gewicht haben Sie dann ja auch im Fall Ihrer beiden jüngsten Projekte in Fuyang und Wencun genutzt. Ja, als die Regionalverwaltung von Fuyang mit dem Wunsch auf mich zukam, ein neues Kulturzentrum zu planen, habe ich nur unter der ­Bedingung zugestimmt, auch ein traditionelles Dorf in der Umgebung sanieren zu dürfen. Nach langem Suchen haben wir uns dann für ­den abgelegenen Ort Wencun, etwa 50 Kilometer westlich von Fuyang, entschieden. Normalerweise haben die staatlichen Stellen in China kein großes Interesse daran, Dörfer zu sanieren. Sie wollen lieber Museen

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Bauen, so lebendig wie das Leben selbst

bauen. Für mich ist es aber sehr wichtig, etwas zu entwerfen oder zu erhalten, was das Leben der normalen Menschen berührt. Worum geht es in Fuyang genau und was ist die Grundidee Ihres Entwurfs? Der neue Kulturkomplex in Fuyang beherbergt eine Kunstgalerie, ein historisches Museum und ein riesiges Archiv sowie Räume für die ­Verwaltung. Die Gegend dort am Fuchun River ist von alters her bekannt für ihre Schönheit, und der Ort ist „Schauplatz“ eines berühmten chinesischen Gemäldes aus der Yuan-Dynastie (1279 –1368), das beinahe jeder in unserem Land kennt. In der traditionellen chinesischen Architektur ­war die Beziehung zwischen Bauwerk und Landschaft sehr wichtig. In idealisierter Weise drückt sich das auch in den klassischen Tuschebildern aus. Auch für mich hat diese Beziehung, die heute überwiegend ­verloren gegangen ist, einen hohen Stellenwert, ganz besonders hier ­an diesem Ort. Mit den riesigen geschwungenen Dächern des Kultur­ zentrums versuche ich, die Form der umliegenden Berge aufzunehmen und auf diese Weise mit der Umgebung in einen Dialog zu treten. ­ Bei den Außenmauern und Dächern haben wir wieder überwiegend recyceltes Material verwendet, um den riesigen Baukörper mit seiner Umgebung, aber auch mit der Geschichte des Ortes zu verzahnen. Und was war Ihre Zielsetzung bei der Dorferneuerung in Wencun? Das Wirtschaftswachstum in China und die damit verbundene Landflucht sowie der enorme Bauboom haben dazu geführt, dass die Zahl der Dörfer im Land rapide zurückgeht. Allein in den Jahren zwischen 2000 und 2010 ist sie von 3,7 Millionen auf 2,6 Millionen gesunken. Doch ­mit den Dörfern geht auch viel von unserer Kultur und der traditionellen Lebensweise verloren, die viel mehr an der Gemeinschaft und der ­Natur orientiert ist als die in der Stadt. Unser Ziel ist es, das Leben auf dem Land wieder attraktiv zu machen, und mit der Dorfsanierung von Wencun wollen wir dafür ein Beispiel geben. 26

Kulturzentrum, Fuyang 2018, In­ nenräume der Kunstgalerie mit bambusgeschalter Betonwand (links) sowie geschwungenen Betondächern (rechts)

Und was haben Sie dort im Detail gemacht? Wir haben in Wencun 30 Häuser neu gebaut und einige Bestandsgebäude saniert. Bei manchen davon handelt es sich um hässliche Gebäude, die wir vor allem besser in das Ortsbild integriert haben. Für unsere Neubauten haben wir verschiedene Haustypen entwickelt, die wir ­ alle – so wie es traditionell üblich war – um einen Hof herum orientieren. Jedes Haus enthält neben den Wohnräumen auch Platz für landwirtschaftliche Geräte oder für handwerkliche Tätigkeiten, denn es ist ­wichtig, dass die Menschen auch auf dem Land eine Lebensgrund­lage finden. Als Baustoffe haben wir überwiegend natürliche Materialien eingesetzt, wie sie traditionell in den Dörfern üblich waren: Naturstein und Lehm, Bambus und Holz. Warum haben Sie in Wencun so viele verschiedene Materialien, aber auch Formen verwendet? Normalerweise sind doch traditionelle Dörfer sehr einheitlich. Wenn Sie sich in den alten Dörfern umsehen, werden Sie überrascht sein von der Vielfalt, die Sie dort finden. Auf diese Vielfalt beziehe ich mich. Mir geht es nicht darum, in einem Stil zu bauen oder das alte ­Erscheinungsbild wiederherzustellen. Ich möchte auf keinen Fall die Tradition kopieren. Ich will mit überlieferten Materialien und Konstruk­ tionsweisen etwas Neues machen. Ich will aber auch, dass jedes Haus etwas anders aussieht, damit die Bewohner sich besser damit identi­ fizieren können.

Kulturzentrum, Fuyang 2018. Die über 100 Meter lange West­ fassade des Verwaltungstrakts wird durch den Wechsel von rauen und glatten Naturstein­ flächen und recycelten Dachund Wandflächen aufgelockert.

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Bauen, so lebendig wie das Leben selbst

Trotzdem fällt auf, dass an manchen Stellen ihrer Häuser zahlreiche Materialien und Details zusammenkommen, während andere von der Form her eher einfach sind? Das ist mein Verständnis von Leben. Bei guter Architektur geht es nicht nur um Stil, Material oder Form. Gute Architektur sollte so lebendig sein wie das Leben selbst. Auch die Details haben in dieser Hinsicht unterschiedliche Funktionen. Manche müssen nur einen bestimmten Zweck erfüllen, wie etwa das Wasser abzuleiten. Andere dagegen sollen das Gebäude in erster Linie lebendiger machen. Wie haben Sie denn die Bewohner in die Planung miteinbezogen? Das war etwas kompliziert, denn die Häuser wurden in einer Art Lotterie vergeben, da es viel mehr Interessenten als Häuser gab. Als die Bewohner der einzelnen Häuser schließlich feststanden, konnten sie noch kleinere Änderungswünsche einbringen, wie etwa den Wunsch nach einer größeren Küche oder zwei zentralen Wohnräumen, statt wie vorgesehen nur einen, beispielweise, um den Raum für die Ahnenverehrung von demjenigen zum Fernsehen zu trennen. Gab es Vorbehalte gegenüber bestimmten Materialien, wie etwa dem Stampflehm, der ja in vielen ländlichen Gegenden heute als rückständig angesehen wird? Als ich mir überlegte, einige Häuser aus Stampflehm zu bauen, war ich mir zunächst nicht sicher, ob das bei den Leuten dort ankommen ­würde. Auch die Behördenvertreter waren wegen der Lehmhäuser be28

Dorferneuerung Wencun, 2016. Die Fassaden der neuen Häuser zeigen eine lebendige Material­ vielfalt: Naturstein, Stampflehm und Putz. Die Wände zu den Innenhöfen bestehen aus Holz und Glas.

sorgt. Doch die Gewinner der Lotterie wurden in einer festgelegten Reihenfolge bestimmt – der Erste, der gezogen wurde, durfte sich als Erster ein Haus aussuchen. Zu unserer großen Überraschung wählte ­er eines aus Lehm. Ihre Bauten beziehen generell einen großen Teil ihrer Kraft aus den natürlichen Materialien wie Stein, Lehm oder Bambus. Das Holz der Häuser in Wencun versehen Sie aber mit einem Klarlack, der bei anderen Ihrer Projekte, zum Beispiel an der Kunstakademie ­in Hangzhou, schon bald wieder abblättert und die Fassaden damit unansehnlich macht. Wäre es nicht viel kraftvoller, auch die höl­ zernen Bauteile unbehandelt zu lassen? Holz in Gebäuden in China zu verwenden ist heute sehr schwierig, denn die meisten Leute mögen es nicht. In den alten Häusern ist das Holz unbehandelt, aber darin will niemand mehr leben. Entsprechend den Vorstellungen der meisten Menschen vom modernen Leben aber ­muss das Holz mit einem Anstrich versehen sein. Natürliches Holz in einem Wohnbau könnte ich nur durchsetzen, wenn ich mir meinen Bauherrn selbst aussuchen würde. Das ist schon eigenartig: Die Leute wollen in einem Haus aus Stampflehm wohnen, akzeptieren dann aber kein natürliches Holz? Ja, anscheinend genießt der Lehmbau ein höheres Ansehen. Das Interview mit Wang Shu führte Christian Schittich im Februar 2017 in Kopen­ hagen anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Wang Shu – Amateur Architecture Studio im Louisiana Museum of Modern Art. Im Dezember 2017 wurde es in ver­ änderter Form in der Zeitschrift archithese (Zürich) veröffentlicht.

29

Projekte

11 Yushu / Qinghai Tianquan / Sichuan 09

Besucherzentrum mit lokalem Bezug

Kindergarten in den Bergen

Dorferneuerung nach Erdbeben

30

Songhua Lake / Jilin 13

Wohnen in Gemeinschaft

Bücherei zwischen Wellen und Sand Beidaihe  / Hebei 03 Peking 06 07

Architekturbüro in Peking Kinderbibliothek im Hutong 19 Weihai  / Shandong

Teehaus mit Aussicht

Museum unter Wasser Teehaus im Hof Haus für einen Künstler Forschungslabor als Hofhaus 10 Jintai, Nanjiang / Sichuan

Nanjing 15

Schanghai 01, 05, 14, 17 Suzhou 02

 mbau eines Silogebäudes U zum Kulturraum Andachtsraum am See

Xing, Songyang / Zhejiang 12

Beijiao, Fuzhou / Fujian 04

Wohnhaus in exponierter Lage Lernhaus mit Vergangenheit

Sanjia  / Guangxi 08 Yangshuo / Guangxi 18

Zuckermanufaktur und Gemeindehaus

16 Lianzhou / Guangdong

 otomuseum als Keimzelle F der Stadterneuerung Luxushotel in der Zuckerfabrik

31

01

Atelier Deshaus

Schanghai

Teehaus im Hof Das kleine Teehaus ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie mit einfachen Mitteln ein bislang vernachlässigter Ort aufgewertet und eine besondere Atmosphäre geschaffen werden kann. Gleichzeitig gelingt es Atelier Deshaus, mit zeitgemäßen Materialien und einer modernen Konstruktion an chinesische Traditionen anzuknüpfen, ohne dabei historische Formen zu imitieren. Eine bislang vernachlässigte Erschließungsfläche zwischen zwei kleineren Bürogebäuden einer Modefirma in unmittelbarer Nachbarschaft zum Studio der Architekten am West Bund in Schanghai sollte als Garten gestaltet werden. Atelier Deshaus erhielt den

­ uftrag, dafür ein Teehaus zu entwerfen, das als A Rückzugsraum, vor allem aber zur Bewirtung von Gästen dienen kann. Die Architekten platzierten den Neubau ganz am Rand des etwa 110 Quadratmeter großen Hofs unter der Krone eines alten Blauglockenbaums, sodass ein zusammenhängender Grünbereich vor dem Eingang entstand. Auf der Rückseite, wo sich aufgrund des L-förmigen Baukörpers ein gefasster Außenraum bildet, bezogen sie dessen markanten Stamm gestalterisch in die Gesamtkomposition mit ein. Im Inneren kontrastiert die schwarz gestrichene Stahlkonstruktion mit den warmen Holztönen von Boden und Einbauten.

Projektname Tea House in Li Garden Bauherr Privat Fertigstellung 2016 Geschossfläche 19 m² Konstruktion Stahl, Glas, Holz

33

Teehaus im Hof

Schnitt (1:200)

Grundriss (1:200)

Bei dem kleinen Teehaus im Hof zwischen zwei Bürogebäuden verbinden die Architekten chinesische Tradition mit modernen Formen und Materialien.

34

Atelier Deshaus

35

02

Neri&Hu Design and Research Office

Suzhou

Andachtsraum am See Teure Wellnesshotels mit angegliederten Villenresorts sind in China groß im Kommen. In einer derartigen Anlage befindet sich, direkt am See gelegen, die Kapelle als ein an keine bestimmte ­Religion gebundener kontemplativer Andachtsraum für die Gäste. Von außen betrachtet, zeigt sie sich als weißer Würfel auf rauem Ziegelmauerwerk. Mit ihrer Architektursprache greifen die Architekten dabei Motive und Farben aus der Umgebung auf, wie die für Suzhou typischen weiß verputzten Wände oder grauen Ziegeldächer, stellen diese aber in einen neuen Zusammenhang. Der weiße Kubus besteht aus zwei Schichten: einer simplen Box mit verstreut liegenden Fenstern innen und einem äußeren Schleier aus perforiertem Metall, der wechselweise verbirgt und enthüllt. Über ­einen inszenierten Weg aus Treppen und Rampen

erreichen die Besucher den zwölf Meter hohen Andachtsraum. Dieser wird im Erdgeschoss von einer rauen Ziegelwand begrenzt, im oberen Bereich von einer Schale aus Holzlamellen. Eine seitlich am Kapellenraum angeordnete Treppe führt auf die Dachterrasse, von der sich ein spektakulärer Blick über den See bietet. Bereits der Weg nach oben ermöglicht durch die eingeschnittenen Öffnungen zahlreiche gerahmte ­Ausblicke in die Umgebung ebenso wie in den Kapellenraum. Wenn auch von der Funktion her nicht ganz eindeutig, zeichnet sich der Bau durch seine konsequente Gestaltung, die aufeinander abgestimmte Materialwahl, seine räumliche Vielfalt und die klaren Details aus und erfüllt ­damit das in China immer stärker werdende Bedürfnis nach besonderen Orten.

Projektname Suzhou Chapel Bauherr SANGHA Retreats Fertigstellung 2016 Geschossfläche 700 m² Konstruktion Recycelte Ziegel, Stahlbeton, perforiertes Metall

37

Andachtsraum am See

a

b

b 4

2 1 3

a

Erdgeschoss

38

Neri&Hu Design and Research Office Grundriss Erdgeschoss Maßstab ca. 1:500 Grundrisse 1.– 3. Obergeschoss Maßstab ca. 1:250 1 Foyer 2 Andachts- und Veranstaltungsraum 3 Toilette 4 Hof

3. Obergeschoss

Hinter der harten Schale aus weiß glänzendem Metall verbirgt ­sich ein mit Holz ausgekleideter Innenraum. Der Sockel besteht aus rauem Ziegelmauerwerk.

2. Obergeschoss

1. Obergeschoss

39

Andachtsraum am See

Schnitt a

40

Neri&Hu Design and Research Office Auf dem abstrakt gestalteten Weg nach oben bieten sich abwechslungsreiche ­Raumeindrücke sowie immer wieder gerahmte Einblicke in den Andachtsraum.

Schnitt b

41

03

Gong Dong, Vector Architects

Beidaihe, Hebei

Bücherei zwischen Wellen und Sand Eine Bibliothek umgeben von Sandstrand, direkt am Meer, das klingt wie ein Traum. Der Blick vom Lesesaal auf den Ozean mit seinen stets wechselnden Farben und Stimmungen, ein stiller Meditationsbereich, sinnlich raue Oberflächen, auf denen die von oben einfallenden Sonnenstrahlen ein lebendiges Licht- und Schattenspiel erzeugen: Gong Dong, der Gründer von Vector Architects, hat den Auftrag eines Projektent­ wicklers, der einen multifunktionalen Kulturraum für sein neues Urlaubsressort wollte, auf faszi­ nierende Weise umgesetzt. Feriengäste ebenso wie die Bewohner des rund 70.000 Einwohner zählenden Ferienorts Beidaihe, circa drei Auto­ stunden östlich von Peking, können hier nun in Büchern schmökern, sich mit Freunden treffen oder einer Theateraufführung beiwohnen. Das viel­ fältige Raumprogramm ist im Wesentlichen in drei unterschiedlich gestalteten Bereichen organisiert.

Den größten Teil nimmt der helle, lichtdurchflutete Lesesaal ein, der sich mittels Sitzstufen nach oben treppt und sich zum Meer hin mit einem ­riesigen Panoramafenster öffnet. Daneben gibt es einen deutlich ruhiger angelegten Mediationsraum sowie den aus akustischen Gründen von ­einem kleinen Freibereich abgetrennten Veranstaltungsbereich, in dem es auch einmal laut werden kann. Längst ist die Bibliothek, der die neu entstehenden Ferienhäuser auf der Stadtseite ­mittlerweile ziemlich nahe rücken, weit mehr als ein Ort zum Lesen oder Besuchen von Konzerten. Modelabels nutzen sie für Fotoshootings ebenso wie junge Leute als einen angesagten Treffpunkt, um Selfies zu schießen. Bei oftmals über 3000 Besuchern pro Tag ist es mittlerweile üblich, erst eine Weile in der Schlange zu stehen, um Einlass zu erhalten, falls man nicht sein Zeitfenster im ­Internet vorgebucht hat.

Projektname Seashore Library Bauherr Beijing Rocfly Investment Group Fertigstellung 2015 Geschossfläche 450 m² Konstruktion Stahlbeton, Glassteine, Mauerwerk

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Bücherei zwischen Wellen und Sand Grundrisse Maßstab 1:250 1 Rezeption 2 Buchausstellung 3 Lesebereich 4 Ruhezone

5 Bar 6 Lager 7 Büro 8 Terrasse

9 Meditationsraum 10 Veranstaltungsraum 11 Balkon

11

3

3

10 9

1. Obergeschoss

6

8

2

1

7

5

3 4

Erdgeschoss

44

Vector Architects

Oben: Der brettgeschalte raue Sichtbeton verleiht den Innenräumen Lebendigkeit. Links außen: Die Beton- und Oberflächenqualität wurde vorweg an Mockups getestet. Links: Montage der am Boden gefertigten Schalungselemente

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Bücherei zwischen Wellen und Sand

Schnitt a

46

Schnitt b

Vector Architects

Schnitt c

Schnitt d

Aus dem nach oben ansteigen-­ den Leseraum bietet sich ein fantastischer Blick auf das Meer.

47

04

Gong Dong , Vector Architects

Beijiao Village, Fuzhou /Fujian

Wohnhaus in exponierter Lage In China gibt es eine Fernsehshow, die potenzielle Bauherren für Umbauprojekte mit renommierten Architekten zusammenbringt. Auf diese Weise kam der Schiffskapitän und Besitzer einer kleinen Fischereiflotte mit Gong Dong von Vector Architects in Kontakt. Sein Haus in spektakulärer Lage auf der schmalen Halbinsel Huangqi, etwas nördlich der Provinzhauptstadt Fuzhou gelegen, war einem Vierteljahrhundert lang Sturm und Meerwasser ausgesetzt und musste dringend saniert und gleichzeitig erweitert werden. Um die Lasten des neuen Daches abtragen zu können, wurden zunächst die bestehenden Ziegelmauern durch eine vorgesetzte, zwölf Zentimeter dicke Betonschale verstärkt. Das neu entstandene Geschoss im Dach dient zur Unterbringung von Gästen ebenso wie als Multifunktionsraum für die

unterschiedlichsten Aktivitäten. Auch die beiden bestehenden Geschosse wurden neu organisiert. Nebenräume wie die Bäder legten die Architekten an die ans Nachbarhaus angrenzende Längswand, um auf den beiden Stirnseiten den Blick auf den rauen Ozean sowie den quirligen Hafen gegenüber in Szene zu setzen. Ebenso überdachten sie die Lage und Gestaltung der sonstigen Öffnungen. Die neuen Fensterlaibungen aus Beton stülpen sich nun nach außen und schützen so vor herablaufendem Wasser. Dadurch bildet sich ein Übergangsraum aus, der zwischen innen und außen vermittelt. Spezielle Einbauten aus dunklem Holz füllen diese Bereiche aus. Die neue Dachschale aus einem speziell imprägnierten schalungsrauem Sichtbeton ist gewölbt, um das schnelle Abfließen des Wassers zu gewährleisten.

Projektname Renovation of the Captain’s House Bauherr Privat, Shanghai Dragon Television Fertigstellung 2017 Geschossfläche 470 m² Konstruktion Stahlbeton

49

Wohnhaus in exponierter Lage

Das Haus liegt spektakulär zwischen offenem Meer und Hafen. Die neue Dachschale ist durch eine Fuge gestalterisch abgesetzt.

50

Vector Architects

1 2

2

3

3

3

4

5

5

5

Schnitt a

4

Schnitt b

Schnitte a – c Maßstab 1:250 1

3

2

4

7

5

5

6

1 Galerie 2 Multifunktionaler Wohnraum 3 Kinderzimmer 4 Arbeitsecke 5 Bad 6 Schlafzimmer 7 Garderobe

5

Schnitt c

51

Wohnhaus in exponierter Lage c

1 b

b 2

a

a

2

4

3

5

6

7

Erdgeschoss c

Grundrisse Maßstab 1:250 1 Garderobe 2 Küche 3 Essraum 4 Bad, barrierefrei 5 Abstellraum 6 Schlafraum, barrierefrei 7 Terrasse / Balkon 8 Kinderzimmer 9 Schlafzimmer  10 Multifunktionaler Wohnraum  11 Wassertank Links: Bau der neuen Dachschale aus Ortbeton Rechts: Unter dem Dach entstand ein großzügiger Multi­ funktionsraum mit fantastischer Aussicht nach beiden Seiten.

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Vector Architects

7

7

7

8

8 10

7

1

11

7

9 7 7

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

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Wohnhaus in exponierter Lage Die tiefen Fensternischen sind als Übergangs­ bereich zwischen innen und außen sorg­ fältig und jeweils individuell gestaltet. Ihre Holzverkleidung geht direkt in angrenzende Einbaumöbel über.

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Vector Architects

55

05

Yu Ting, Wutopia Lab

Schanghai

Haus für einen Künstler Li Bin, bekannt für seine politischen Porträts, zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlern in China. Sein eigenes Haus und Atelier in einem noblen Wohnpark in Schanghai wurden im Lauf der Jahre bereits mehrfach erweitert und umgebaut. Auch der Architekt Yu Ting hat das im ­Süden des Grundstücks gelegene und zur Landschaft hin orientierte Gebäude bereits vor Jahren einmal saniert. Bei dem aktuellen Umbau sollte es nun zum reinen Wohnhaus umgestaltete werden, während das andere Haus zukünftig ausschließlich als Atelier und Privatmuseum genutzt ­werden wird. Gleichzeitig wurden beide durch eine ­Brücke miteinander verbunden. Allen voran wünschte sich der Künstler einen Ort, der seinem Werk entspricht und ihm darüber hinaus als

I­nspirationsquelle dienen kann. Für ihn spielen dabei die ­Farben und das Licht eine besondere Rolle. D ­ eshalb hat sich Li Bin selbst in den ­Entwurf mit eingebracht. Das zeigt sich an der Verwendung des vielen Rots – seinem Markenzeichen – ­gleichermaßen wie in einzelnen Details. Eines ­davon ist das ebenfalls in Rot gehaltene Oberlicht in der Außenecke des Wohnraums, das im ­Verlauf von Tages- und Jahreszeit zu unterschied­ lichen Lichtstimmungen führt. Das Ergebnis i­st ­ein integratives Werk, bei dem sich Architekt u ­ nd Künstler positiv ergänzen – ganz im Sinn v­ on Yu Tings aus der chinesischen Philosophie hergeleiteten Idee von These und Antithese, die am Schluss in einer ausgewogenen Balance s­ tehen.

Projektname Plain House Bauherr Li Bin Fertigstellung 2017 Geschossfläche 250 m² Konstruktion Stahlbeton, Mauerwerk, Glas

57

Haus für einen Künstler

Eine geschwungene Brücke aus wetterfestem Stahl verbindet das Ateliergebäude (rechts) und das Wohnhaus des Künstlers.

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Wutopia Lab

Schnitt a

11

14

11

10

10

12

13

Grundrisse, Schnitt a Maßstab 1:250

1. Obergeschoss

2

4

7

1

9 3

Erdgeschoss

5

6

8

8

1 Wohnzimmer 2 Küche 3 Esszimmer 4 Foyer 5 Teezimmer 6 Gästetoilette 7 Kunstraum 8 Lager 9 Garage 10 Bad  11 Schlafzimmer 12 Bibliothek 13 Balkon 14 Ankleide

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Haus für einen Künstler

Skizzen des Architekten zu dem über zwei Geschosse reichenden Wohnraum

60

Wutopia Lab

Der Künstler Li Bin in seinem Atelier im nördlichen Gebäude, das durch ein großes Oberlicht erhellt wird

61

06

Zhang Ke, ZAO / standardarchitecture

Peking

Architekturbüro in Peking Das neue Atelier von ZAO/ s tandardarchitecture gehört zweifellos zu den schönsten Architekturbüros in Peking. Untergebracht ist es im Norden der Stadt in einem ehemaligen Lagergebäude, von dem nach dem Umbau nur die verputzte und geschlossene Straßenfassade erhalten blieb. Bei den neuen Wänden zum Hof dagegen entschieden sich die Architekten für die in Nordchina ­üblichen lange gebrannten Tonziegeln, die alle ­in leicht unterschiedlichen Grautönen schimmern und durch den einsetzenden Verwitterungsprozess schon bald eine sinnlich-raue Oberfläche erhalten. Dazwischen ließen sie in einem losen Muster ­gebrochene Steine mit einer unregelmäßigen Kante setzen. Nur zum Hof hin gibt es Fenster: ­eine g ­ roße schaufensterartige Öffnung vor ­ dem Besprechungs­bereich sowie verschiedene kleinere, die vor allem dem Ausblick dienen. Die Belichtung erfolgt im Wesentlichen über ein

durchlaufendes Oberlichtband im Dach, das aus zwei Teilen besteht: einem flachen Bereich an ­der Straße und einem geneigten zum Hof. Das Flachdach wird dabei von einer starken Betonplatte getragen, die einen stützenfreien Raum ermöglicht und gleichzeitig als Auflager für die ­vorgefertigte Holzkonstruktion des geneigten ­Abschnitts dient. Für das Innenraumkonzept wählte der Bürogründer Zhang Ke das Haus-imHaus-Prinzip: Die verschiedenen Funktionsbe­ reiche wie Rezeption, Toiletten oder Abstellräume sind als jeweils eigene Einheiten in den fließenden Großraum gestellt. Dessen Oberflächen ­bestehen weitgehend aus einem leicht grau schimmernden Kalkputz sowie einem Fließestrich im gleichen Farbton. Auch die wesentlichen ­Möbel – langgestreckte Arbeitstische aus Holz und dazwischen angeordnete Abstelltische aus Metall – stammen aus der Feder des Architekten.

Projektname ZAO /standardarchitecture New Office Bauherr ZAO /standardarchitecture Fertigstellung 2015 Geschossfläche 1500 m² Konstruktion Stahlbeton, Ziegel, Stahl, Holz

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Architekturbüro in Peking

Das Architekturbüro nimmt den straßen­ seitigen Flügel eines ehemaligen Industrie­ baus ein. Im Besprechungsraum gibt es ­eine schaufensterartige Öffnung zum Hof.

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ZAO  / s tandardarchitecture

6 a

b

1 1

2

5

3 4

Erdgeschoss

b

a

Schnitt a

Schnitt b

Grundriss Maßstab 1:500 Schnitte a, b Maßstab 1:250 1 Besprechungsraum 2 Eingang 3 Empfang 4 Modellbaubereich 5 Zufahrt 6 Wohnung und Büro des Projektentwicklers

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07

Zhang Ke, ZAO / standardarchitecture

Peking

Kinderbibliothek im Hutong Hutongs mit ihren an enge Gassen angrenzenden Hofhäusern sind die traditionelle Wohnform in ­Peking und nahmen ursprünglich einen Großteil der Stadt ein. Mit seinen unterschiedlichen Hutong-­ Projekten möchte der Architekt Zhang Ke das Potenzial dieser Bauform aufzeigen und Beispiele geben, wie diese durch die Integration gemeinschaftlicher Einrichtungen erhalten werden können, anstatt sie, wie sonst oft üblich, mit Touristenläden und Galerien zu füllen. Der etwa 300 Jahre alte Cha’er Hutong – ein ruhiger Fleck inmitten des ­be­lebten Bezirks Dashilar im Zentrum der Stadt – beherbergte einst einen Tempel, der in den ­1950er-­Jahren in Wohnraum für über ein Dutzend ­Familien umgewandelt wurde. Jede Familie ­errichtete im Lauf der Jahre ihr eigenes kleines ­Küchenhäuschen im Hof. Fast alle dieser in

2

1

s­ päterer Zeit als störend empfundenen Einbauten wurden bei bisherigen Sanierungen entfernt. Zhang Ke indes sieht darin ein historisches Zeugnis, das vom Leben in den Hutongs während ­einer bestimmten Ära erzählt. In Abstimmung mit den Familien, die den Hof noch immer bewohnen, installierte er unter einem Dach des ehemaligen Tempels eine etwa neun Quadratmeter große ­Bibliothek für Kinder aus Sichtbeton und Sperrholz und ließ unter einer großen alten Esche in der Mitte des Hofs aus den typischen graubraunen Ziegeln eine der früheren Küchen als Kreativraum für die Kleinen wiedererstehen. Außen führt ­eine gemauerte Treppe aufs Dach, wo die Kinder unter der Baumkrone zusammensitzen und wie von einer Aussichtplattform das Gelände über­ blicken können.

Projektname Micro Yuan’er – Children’s Library and Art Centre Bauherr Camerich Fertigstellung 2014 Geschossfläche 145 m² Konstruktion Stahlbeton, Ziegel, Sperrholz

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Kinderbibliothek im Hutong

Auch das Dach des Kreativpavillons unter einer großen Esche im Zentrum des Hofs dient den Kindern zum Spielen.

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ZAO  / s tandardarchitecture

d

c

8

10 9

7 1

a

b

a

2

8

3

4

b 12

11 4

6

5

7 c

d

Erdgeschoss

Grundriss Maßstab 1:250 1 Bücherei 2 Lesezimmer 3 Kreativraum 4 Küche 5 Tanz-/Multifunktionsraum 6 Umkleide 7 Hof 8 Gruppenraum 9 Pförtner 10 Sanitärbereich  11 Besprechungsraum  12 Büro

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Kinderbibliothek im Hutong

70

ZAO  / s tandardarchitecture

1

3

2

4

5

Schnitt c

6

1

3

Schnitt b

Schnitte a – c Maßstab 1:250

1

Schnitt a

3

5

6

1 Bücherei 2 Lesezimmer 3 Kreativraum 4 Küche 5 Tanz-/Multifunktionsraum 6 Gruppenraum

Der neun Quadratmeter große Bibliotheksraum aus grob geschaltem Sichtbeton liegt unter dem Dach des Bestandsgebäudes aus Ziegel und Holz.

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08

Mu Wei, Advanced Architecture Lab(AaL); Zhou Chao, Atelier UPA

Sanjia, Guangxi

Lernhaus mit Vergangenheit Die Ortschaft Sanjia liegt an einem kleinen Fluss inmitten der malerischen südchinesischen Karstlandschaft. Im Zuge der Dorferneuerung wurden dort fast alle ursprünglichen Häuser zerstört. Einzig verblieben ist ein mehr als 60 Jahre altes Wohnhaus aus Lehmziegeln, das ihm Lauf seines Lebens mehrfach ausgebessert wurde und am Schluss teilweise verfallen und verlassen war. Auf Initiative einer Lehrerin wurde das alte Haus als Zeugnis der Vergangenheit und als Beispiel ländlichen Bauens in seiner äußeren Form wiederaufgebaut und einer neuen Nutzung als Gemeindezentrum sowie als Lern- und Spielhaus für Kinder zugeführt. Um großzügigere Innenräume zu schaffen, ließen die Architekten die Trennwände überwiegend entfernen und zum Abtragen

der Lasten des Daches eine offene Stahlkonstruktion einziehen. Die dabei gewonnenen Lehmziegel wurden zum Ausbessern der Außenmauern verwendet. Neu installierte Oberlichter bringen nun eine Menge Tageslicht herein. Um das gewünschte Raumprogramm unterzubringen, entwarfen die Architekten einen eingeschossigen und durch drei eingeschnittene Höfe gegliederten Neubau als Kontrast zum Bestand. Zwischen dem alten Gebäude und dem Fluss gelegen, besteht seine Tragstruktur aus einem hochleistungsfähigen Bambus-Verbundbaustoff, die Wandflächen sind überwiegend verglast. Nur die Wände der Küche ließen die Architekten aus Lehmziegeln mauern, um die Korrespondenz zum Altbau herzustellen.

Projektname The South Yard Bauherr Lanchuan Investment Fertigstellung 2016 Geschossfläche 1500 m² Konstruktion Stahl, Glas, Bambus

73

Lernhaus mit Vergangenheit

Eine neue, weiß gestrichene Stahlkonstruk­ tion trägt das Dach des Altbaus und steht in spannungsvollem Kontrast zu den Mauern aus rohen Lehmziegeln.

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Advanced Architecture Lab(AaL), Atelier UPA b

c

4 a

a 3 1

2

b

Neubau

c

Bestandsbau

Grundrisse Maßstab 1:250 1 Lern- und Spielbereich 2 Küche 3 Mehrzweck- und Versammlungsraum 4 Ruhebreiche

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Lernhaus mit Vergangenheit

Schnitt a

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Advanced Architecture Lab(AaL), Atelier UPA

Schnitt b

Schnitt c

Der Neubau mit seinen weitgehend ver­ glasten Fassaden und hellen Innenräumen eignet sich hervorragend zum Spielen, Lernen oder als Treffpunkt für die Dorfbe­ wohner.

77

09

Atelier Deshaus

Xinchang, Tianquan, Sichuan

Kindergarten in den Bergen Der Kindergarten ist eine von zehn ähnlichen Einrichtungen, die eine private Hilfsorganisation nach dem schweren Erdbeben in der Region Lushan errichten ließ. Er ist von Bergen umgeben und fügt sich – selbst wie ein kleines Dorf angelegt – vom Maßstab her harmonisch in die ländliche Umgebung und Siedlungsstruktur ein. So verteilt sich das Raumprogramm auf neun einzelne Häuser, die sich auf drei Seiten um einen Hof gruppieren. Nur nach Westen, zu einer Lücke in der Bergkette hin, ließen die Architekten diesen offen, um den Blick in die Ferne zu ermöglichen. Lokale Bezüge nehmen sie mit den rötlich grauen Oberflächen der Fassaden und dem Pflasterbelag des Hofs aus örtlich gebrannten Klinkern auf. Dennoch hebt sich das Ensemble, das durch farbige

Fensterlaibungen und Durchgänge aufgelockert wird, mit seiner klaren Architektursprache von der Umgebung ab, wobei es gleichzeitig versucht, sich in der Natur zu verorten. Sowohl in räumlicher wie auch in formaler Hinsicht ist der Entwurf an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet. Wegen der häufigen Niederschläge in der Region verbindet ein überdachter Gang die einzelnen Häuser, dessen leichte Stahlkonstruktion im Kontrast zu dem warmen Ton der Klinker steht. Die Pultdächer aus Wellblech folgen den Höhensprüngen der Topografie und formen dabei eine bergähnliche Silhouette. Zusammen mit den vielzähligen Treppen und Rampen schaffen sie eine Zwischenzone zum Hof, der als Zentrum und Orientierungspunkt gleichzeitig zu einem großen Spielplatz wird.

Projektname Xinchang Village’s Central Kindergarten Bauherr One Foundation Fertigstellung 2017 Geschossfläche 1500 m² Konstruktion Ziegel, Stahlbeton

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Kindergarten in den Bergen

Der Hof mit seinen zahlreichen Treppen sowie der überdachte Übergang zu den Häusern bieten ideale Voraussetzungen zum Spielen.

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Atelier Deshaus

9

7 8

7

7 8

8

7 8 7 8

8 7

1. Obergeschoss

4

3

5

2

1

6

1

1 1

1

Grundrisse Maßstab 1:500 1 Gruppenraum 2 Lagerraum 3 Ambulanz 4 Sicherheitsdienst 5 Sanitärbereich 6 Küche 7 Schlafbereich 8 Luftraum 9 Büro

1

Erdgeschoss

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Kindergarten in den Bergen

Schnitt a

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Atelier Deshaus

Schnitt b

Die einzelnen Häuser sind um einen langgestreckten Hof angeordnet, der entsprechend dem Geländeverlauf terrassiert ist und zu den Bergen hin offen bleibt.

83

10

John Lin, Joshua Bolchover, Rural Urban Framework / The University of Hong Kong

Jintai, Nanjiang / Sichuan

Dorferneuerung nach Erdbeben Mit dem Dorferneuerungsprojekt wollen die Archi­ tekten John Lin und Joshua Bolchover ein Beispiel geben für einen ebenso sozial- wie umweltver­ träglichen Wiederaufbau in Katastrophengebieten. Ihr nicht profitorientiertes Architekturbüro be­ treiben sie von der Universität Hongkong (HKU) aus, mit dem Ziel, die bauliche Situation in ländlichen Gebieten zu verbessern. Jintai liegt inmitten der bergigen Landschaft Sichuans und wurde 2008 ­zunächst von einem verheerenden Erdbeben zer­ stört und drei Jahre später auch noch von einem Erdrutsch getroffen. Anstatt das Dorf in ähnlicher Form wiederaufzubauen, entschieden sich die ­Architekten in Rücksprache mit den ansässigen Familien für eine sehr dichte und nachhaltige Struktur, die städtische und ländliche Merkmale vereint. Da die landwirtschaftlich nutzbaren ­Flächen begrenzt sind, können die terrassierten Dächer zusätzlich zum Anbau von Gemüse ­heran­gezogen werden. Insgesamt stehen den

­ ewohnern vier verschiedene Haustypen zur Ver­ B fügung, die sich jeweils in Größe, Funktion und Dachgestaltung unterscheiden. Durch die versetzte Anordnung der Baukörper entsteht ein spannungs­ reiches Wechselspiel aus engen Gassen und ­­sich aufweitenden Freiräumen. Gezielt gesetzte Einschnitte im Erdgeschoss bilden überdachte Eingangsbereiche und fördern den Austausch. Das offene Erdgeschoss bietet ebenso Platz für fami­ lienbetriebene Werkstätten und Läden, die als ­zusätzliche Einnahmequelle dienen können. Im­ Obergeschoss wiederum liegen die privaten Wohn­ räume. Ein vertikaler Lichthof unterstützt die natürliche Belüftung der Gebäude und wird zur Sammlung von Regenwasser genutzt. Durch die Kombination von Landwirtschaft und Biogas­ technologie aus Kompost entsteht ein geschlossener Kreislauf, der die Gemeinschaft in ihrer U ­ nabhängigkeit stärkt.

Projektname Jintai Village Reconstruction Bauherr Nan Fung Group Fertigstellung 2012 Geschossfläche 4000 m² Konstruktion Stahlbeton

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Dorferneuerung nach Erdbeben

Das neue Dorf verbindet Aspekte des länd­ lichen Bauens mit städtischer Dichte. Die terrassierten Dächer werden zum Ge­ müseanbau genutzt.

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Rural Urban Framework / The University of Hong Kong

Masterplan

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Dorferneuerung nach Erdbeben

Schemaschnitt

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Rural Urban Framework / The University of Hong Kong

Erdgeschoss (Maßstab ca. 1:250)

89

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Brian Zhang Li, TeamMinus

Yushu, Qinghai

Besucherzentrum mit lokalem Bezug Yushu, im äußersten Süden der chinesischen Provinz Qinghai gelegen, ist ein bedeutendes Zentrum des tibetischen Buddhismus. Hier befindet sich die religiöse Stätte Jiana Mani, wo Gläubige seit etwa 300 Jahren mit Gebetsformeln verzierte Steine auftürmen. Rund 250 Millionen sollen es in der weltweit größten Anlage dieser Art mittlerweile sein. Da der Pilgerstrom nicht abreißt, verdient beinahe die Hälfte der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt mit dem Herstellen und Gravieren der „Mani-Steine“. Das neue Besucherzentrum ­ist das erste Gebäude am Ort, das nach dem schweren Erdbeben von 2010 errichtet wurde und damit der einheimischen Bevölkerung Arbeit und neue Hoffnung gab. Pilger und Touristen finden hier Informationen rund um Jiana Mani ebenso wie öffentliche Sanitäreinrichtungen; für die Bewohner

beherbergt es ein Postamt und eine kleine Ambu­ lanz. Umschlossen wird der Bau, der sich mit ­seinem quadratischen Grundriss und dem zentralen Hof am traditionellen tibetischen Haus orientiert, von elf miteinander verbundenen Aussichts­ plattformen, die jeweils auf eine weitere heilige Stätte in der Umgebung ausgerichtet sind. Das dafür verwendete Holz stammt aus den von den Erdstößen zerstörten Häusern in der Region. Um traditionelle Handwerkstechniken zu erhalten, wurde das Bruchstein-Mauerwerk der Wände, ­das aus den Steinbrüchen der Umgebung kommt, von örtlichen Maurern errichtet. Brian Zhang Li von TeamMinus gelingt mit dem Bau eine aus­ gesprochen kraftvolle und zeitgemäße Architektur, die dennoch im lokalen Kontext verankert ist.

Projektname Jianamani Visitor Centre Bauherr Office of Jianamani Tourism Fertigstellung 2013 Geschossfläche 1100 m² Konstruktion Naturstein, Holz

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Besucherzentrum mit lokalem Bezug

Mit rauem Bruchstein-Mauerwerk und Holz gelingt es den Architekten, lokale Bautradi­ tionen in eine zeitgemäße Formensprache zu übertragen.

92

TeamMinus Grundrisse Maßstab 1:750 1 Haupteingang 2 Sicherheitsdienst 3 Passage 4 Post 5 Öffentliche Toiletten 6 Innenhof 7 Souvenirladen 8 Ambulanz 9 Aufgang Aussichtsplattform 10 Werkstatt  11 Ausstellung 12 Büro

9

10

12

10

9 3

11

10

12

10

1. Obergeschoss

a

9

9 5

5

3

4

6

7

a 9

2

8 1 9

Erdgeschoss

93

Besucherzentrum mit lokalem Bezug

Schnitt a

94

1

3

2

4

TeamMinus Schnitt a Maßstab 1:500 1 Ausstellungsraum 2 Post 3 Büro 4 Souvenirladen Im Winter unterstreicht ein Hauch von Schnee die sinnlichen Qualitäten des rauen Mauerwerks.

95

12

Xu Tiantian, DnA_Design and Architecture

Xing, Songyang /  Zhejiang

Zuckermanufaktur und Gemeindehaus Wie viele ländliche Gegenden in China, ist auch der Landkreis Songyang in Zhejiang von der zunehmenden Landflucht geprägt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, versucht die lokale Regierung, die Identität einzelner Dörfer durch gezielte Interventionen zu stärken, und setzt dabei bewusst auf qualitätvolle Architektur. Die neu errichtete Brown Sugar Factory in Xing, dessen Bewohner überwiegend vom Anbau und der Weiterverarbeitung von Zuckerrohr leben, ist Teil dieser Strategie: Am Übergang zwischen der dörflichen Bebauung und den landwirtschaftlich genutzten Feldern entstand ein Gemeinschaftsgebäude, das gleichzeitig als Produktions- und Veranstaltungsraum sowie als sozialer Treffpunkt dient. Während der Erntezeit von Oktober bis

Dezember nutzen die örtlichen Bauern den Hauptsaal mit den Öfen, um Zucker zu produzieren. Hier finden sie bessere Bedingungen als bei der bisherigen Heimproduktion, was eine höhere Qualität und folglich auch höhere Marktpreise ermöglicht. In der übrigen Zeit des Jahres finden hier Theatervorstellungen, Filmvorführungen und Teezeremonien statt. Die transparente Gestaltung des Erdgeschosses lässt nicht nur Einblicke in die Zuckerproduktion zu, sondern auch auf die umliegenden Zuckerrohrfelder. Mit der subtil in den örtlichen Kontext eingepassten Maßnahme schufen Xu Tiantian und ihr Büro DnA ein Gebäude, das die Arbeitsbedingungen der Bauern verbessert, die soziokulturelle Gemeinschaft fördert und gleichzeitigt zur Attraktion für Touristen wird.

Projektname Brown Sugar Factory Bauherr People’s Government of Zhangxi Village, Songyang County Fertigstellung 2016 Geschossfläche 1230 m² Konstruktion Stahl, Ziegel, Glas

97

Zuckermanufaktur und Gemeindehaus

Die modern gestaltete Zuckermanufaktur, die gleichzeitig als Gemeindezentrum dient, liegt am Dorfrand direkt an den Zuckerrohrfeldern.

98

DnA_Design and Architecture

5

10

9 7

a

7

8 a

9

10 5

5

5

5

6 5 b

b 3 4

Grundriss Maßstab 1:400

2

Erdgeschoss

1

1 Korridor 2 Trockenraum 3 Produktionsraum 4 Galerie 5 Hof 6 Lager 7 Packraum 8 Showroom 9 WC 10 Büro

99

Zuckermanufaktur und Gemeindehaus

Oben: Großflächige Verglasungen ermöglichen den Blick in den Produktionsraum ebenso wie auf die Zuckerrohrfelder. Rechts: Der offene Umgang ist mit einer Pergola aus Bambusrohren bedeckt.

100

DnA_Design and Architecture Schnitte a, b Maßstab 1:400

3

4

2

5

1

6

6

1 Korridor 2 Produktionsraum 3 Hof 4 Büro 5 WC 6 Packraum 7 Showroom 8 Galerie

7

Schnitt a

2

2

2

8

1

Schnitt b

101

13

META-Project

Songhua Lake, Jilin

Wohnen in Gemeinschaft Mit ihrem New Youth Community genannten Wohn­ bauprojekt erforschen die Architekten neue ­Formen des Zusammenlebens, indem sie gestaf­ felte Raumzonen schaffen, die sich von den ­intimen Privaträumen über halböffentliche Zonen bis hin zu großzügigen gemeinschaftlich genutzten Bereichen erstrecken. Dabei lassen sie sich ­auch von den in China weit verbreiteten Tongzilou, kollektiven Wohnhäusern aus den 1950er- und 1960er-Jahren, inspirieren. Die Anlage befindet sich in der im Nordosten gelegenen Provinz Jilin am Rand des Songhua Lake Resort, das – seit 2014 erschlossen – als eines der attraktivsten Ski­ gebiete des Landes gilt. Drei Bewohnergruppen teilen sich das hybrid genutzte Haus: In den beiden oberen Geschossen sind die Mitarbeiter der ­Betreiberfirma der Ferienanlage untergebracht, im

mittleren die Pächter und Angestellten der kleinen Läden und Gastronomiebetriebe dort, während das Erdgeschoss als Herberge für temporär ­anwesende junge Gäste dient. Den Kern aller vier Baukörper, die versetzt angeordnet sind, bildet ein über alle Ebenen reichendes Atrium, das Licht in die Tiefe des Hauses lässt, zahlreiche Blick­ beziehungen ermöglicht und die unterschiedlichen Gebäudeteile wie eine belebte Straße durchzieht, die alle Gemeinschaftsräume miteinander ver­ knüpft. Innerhalb der vielschichtigen Erschließung kommt den Brücken, Treppen und Podesten ­eine besondere Bedeutung zu. Durch integrierte Sitzstufen, Bänke und weitere Sitzmöglichkeiten werden sie zu lebendigen Orten der Begegnung und fördern damit den Austausch und das Gefühl von Gemeinsamkeit.

Projektname New Youth Commune Bauherr Vanke Songhua Lake Resort Fertigstellung 2015 Geschossfläche 10.000 m² Konstruktion Stahlbeton

103

Wohnen in Gemeinschaft

Schnitte a, b Maßstab 1:500

104

Schnitt a

META-Project

Schnitt b

105

Wohnen in Gemeinschaft

Durch integrierte Sitzstufen und Bänke werden Erschließungsbereich und Treppen zu vielfältigen Orten der Begegnung.

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META-Project Grundrisse Maßstab 1:750 1 Privater Wohn- /  Schlafraum 2 Halböffentlicher Bereich 3 Atrium

1

3 2

1

1

2

3

2. Obergeschoss

1 2 3 1

3 1

2

3

1. Obergeschoss

1

3

1

1

Erdgeschoss

107

14

Yung Ho Chang, Atelier FCJZ

Pudong, Schanghai

Forschungslabor als Hofhaus Für den Novartis Shanghai Campus haben Yung Ho Chang und sein Atelier FCJZ den Masterplan entwickelt sowie eines der Forschungs- und Laborgebäude entworfen. Wie schon auf dem Stammgelände des Konzerns in Basel wurden die weiteren Gebäude von jeweils einem anderen renommierten Architekturbüro geplant. Grundmerkmal des Masterplans ist dabei ein städtebauliches Konzept aus begrünten Höfen, die die räumliche Gesamtstruktur vorgeben, und so sieht Yung Ho Chang auch sein Laborgebäude als moderne Interpretation des klassischen chinesischen Hofhauses Siheyuan. Die Südseite des Baus wird von einer der Firmenkantinen begrenzt, denn um den Austausch der Mitarbeiter auf dem Gelände zu fördern, ist den einzelnen Höfen der Forschungsbauten jeweils eine der halböffentlichen

Serviceeinrichtungen angegliedert. Mittig im Inneren des Laborgebäudes gibt es ein großzügiges und helles Atrium mit hoher räumlicher Qualität. Um die spontane Begegnung der Wissenschaftler zu ermöglichen, sind die einzelnen Etagen durch holzverkleidete Treppen verbunden und deren erweiterte Podeste als Aufenthaltsbereiche ohne besondere Bestimmung gestaltet. Weitere wohnlich hergerichtete Gemeinschaftsbereiche, in die sich die Forscher auch zum ungezwungenen Arbeiten zurückziehen können, sind geschossweise zur Gartenseite hin angeordnet. Ebenso wie das räumliche Konzept stellt auch die Fassadenummantelung aus Keramik Bezüge zur örtlichen Tradition her. Ihre unterschiedlichen Grautöne erinnern an die Schattierung der traditionellen Tonziegel.

Projektname Master Plan and Laboratory Building, Novartis Shanghai Campus Bauherr Atelier FCJZ Fertigstellung 2015 Konstruktion Stahlbeton, Terrakotta

109

Forschungslabor als Hofhaus

Schnitt a Als moderne Interpretation des k ­ lassischen chinesischen Hofhauses Siheyuan liegen sich Laborgebäude und Firmenrestaurant an einem vierseitig u ­ mbauten Freibereich gegenüber.

110

Atelier FCJZ

7

6

6

Regelgeschoss mit Laborarbeitsplätzen

a

7

5 6

3 4

1 2

a

Erdgeschoss

Grundrisse, Schnitt a Maßstab 1:750 1 Firmenrestaurant 2 Küche 3 Begrünter Innenhof 4 WC 5 Atrium 6 Rückzugsbereich 7 Laborarbeitsplätze

111

15

Liu Kecheng

Nanjing

Museum unter Wasser Das kaiserliche Examen Keju bezeichnete im ­alten China ein Prüfungssystem zur Auswahl angehender Beamter. In der ehemaligen Hauptstadt Nanjing gab es dafür einen Gebäudekomplex, ­wo einst – in linearen Gassen organisiert – über 20.000 Prüfungszellen aneinandergereiht waren. In seinem Zentrum befand sich der dreistöckige Mingyuan-Turm, von dem aus die zentralen ­Anweisungen gegeben wurden. Neben wenigen anderen Gebäuden hat vor allem dieser Turm ­von der einst 30 Hektar großen Anlage, die bis 1905 in Betrieb war und heute als nationales Kulturdenkmal gelistet ist, überlebt. Der Rest des riesigen Areals ist überwiegend mit den pseudo­ historischen Bauten der neuen „Altstadt“ über­ zogen. Das 2014 eröffnete China Imperial

­ xamination Museum thematisiert die Geschichte E des Ortes ebenso wie das Prüfungssystem Keju. Um die Ausstellungsräume vom lauten Touristenrummel abzuschotten, hat Liu Kecheng, einer ­der führenden Museumsarchitekten des Landes, sie unter die Erde gelegt. Mit der Materialität ­des Neubaus, der die historische Achse des Areals wiederaufnimmt, bezieht er sich auf die tradi­ tionellen Baustoffe Nanjings, stellt sie jedoch in einen vollkommen neuen Zusammenhang. Drei Mauerringe umgeben das Haus: Der äußere zeigt die typischen grauen Dachziegel, der mittlere weißen Putz und der innere Collagen aus Bambus. Das Dach bildet ein mit Wasser gefülltes Becken, in welchem sich nun der Mingyuan-Turm spiegelt.

Projektname China Imperial Examination Museum Bauherr Nanjing Confucius Temple Culture Group Fertigstellung 2016 Geschossfläche 27.000 m² Konstruktion Ziegel, Bambus, Stahlbeton

113

Museum unter Wasser

Abgeschirmt von der lauten Architektur und dem Touristenrummel außen herum, befindet sich das Imperial Examination Museum unter der Erde, bedeckt von einer spiegelnden Wasserfläche.

6

5

2

6

2

7 2

3

2

2

4 2

1

Ebene -5.10 m

Grundrisse 1 Eingangshalle 2 Ausstellungsraum 3 Raum für Wechselausstellungen 4 Rampe 5 Aussichtsplattform 6 Souvenirladen 7 Einkaufspassage

114

Ebene -10.20 m

Liu Kecheng

Schnitt

115

16

O-office Architects

Lianzhou, Guangdong

Fotomuseum als Keimzelle der Stadterneuerung Die mit ihren knapp 400.000 Einwohnern für ­chinesische Verhältnisse eher kleine Stadt in ­den nördlichen Bergen der Provinz Guangdong ist jährlicher Austragungsort des Lianzhou Inter­ national Photo Festival, eines der bedeutendsten Veranstaltungen seiner Art in China. Das neu ­geschaffene Fotomuseum in der Nähe der Festival­ hallen, das zu einem wichtigen Katalysator der Stadterneuerung werden soll, setzt sich aus einem umgebauten ehemaligen Lagergebäude und ­einem u-förmigen Neubau zusammen. Die drei Teile des Neubaus werden von einem gefalteten Dach überdeckt, das an den Außenseiten gleich­ zeitig zur Fassade wird. Es besteht zum Außen­ raum hin aus geschichteten alten Dachziegeln und

innenseitig aus gewellten, transluzenten Poly­ carbonatplatten, die – von integrierten LED-­ Lampen beleuchtet – das Tages- wie das Kunst­ licht angenehm streuen. Als Öffnungen sind ­darin recycelte Holzfenster aus dem Altbau ein­ gesetzt. Darüber hinaus ist in das begehbare Dach, das sich vom Altbau durch eine schmale Terrasse absetzt, auch ein Freilufttheater inte­ griert. So hebt sich das neue Museum in seiner Form und Materialität von seiner Umgebung ab und fügt sich dennoch harmonisch in deren klein­ teilige Struktur ein. Auch die in ihrer Abfolge in Volumen und Form abwechslungsreich gestalteten Ausstellungsräume beziehen sich auf die ­Morphologie der Stadt.

Projektname Lianzhou Museum of Photography Bauherr Stadtverwaltung Lianzhou Fertigstellung 2017 Geschossfläche 3400 m² Konstruktion Ziegel, Stahl, Polycarbonatplatten

117

Fotomuseum als Keimzelle der Stadterneuerung

Mit seinen Fassaden aus wiederverwendeten­ Dachziegeln und recycelten Holzfenstern fügt sich der Neubau harmonisch in die gewachsene Struktur seiner Umgebung ein.

118

O-office Architects

Schnitt c

Schnitt b

Schnitt a

Schnitte a – c Maßstab 1:500

119

Fotomuseum als Keimzelle der Stadterneuerung

3

2 3

3

4

2. Obergeschoss

1

2

Grundrisse Maßstab 1:500 1 Vortragsraum 2 Dauerausstellung 3 Wechselausstellung 4 Lager

120

Erdgeschoss

O-office Architects Oben: Ausstellungsraum und Lesesaal Unten: Die Dachflächen des Neubaus sind begehbar und können als Freilufttheater genutzt werden.

121

17

Atelier Deshaus

Schanghai

Umbau eines Silogebäudes zum Kulturraum Atelier Deshaus hat in Schanghai bereits verschiedene ehemalige Industrieanlagen entlang des Flusses Huangpu umgebaut, um sie einer neuen, meist kulturellen Nutzung zuzuführen und damit vor dem Abriss zu retten. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist das Silogebäude am MinshengKai in Pudong, das allein durch seine schiere Größe beeindruckt, aber auch durch seine klare Struktur, welche die rationale Logik der industriellen Abläufe widerspiegelt. Einst war es die größte Anlage ihrer Art in ganz Asien. In einem ersten Bauabschnitt machten die Architekten 2017 das Erd- sowie das 48 Meter über dem Boden liegende Dachgeschoss für die SUSAS (Shanghai Urban Space Art Season) der Öffentlichkeit zugänglich, mit dem Ziel, die ursprüngliche Gestalt und Struktur des 80.000-Tonnen-Silos aus den 1990er-Jahren dabei so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Den spektakulärsten Eingriff in das äußere Erscheinungsbild stellt die an der

Flussseite vorgehängte verglaste Rolltreppenkonstruktion dar. Sie verbindet die beiden Ausstellungsebenen miteinander und ist gleichzeitig das sichtbare Zeichen für die Neupositionierung der ehemaligen Industrieanlage. Beim Nach-obenFahren erschließen sich dem Besucher jetzt spektakuläre Blicke auf den Huangpu und die umliegenden Kaianlagen, die damit selbst gleichsam zum Ausstellungsobjekt werden. Die Unterseite der Treppe wurde von dem Künstler Zhan Wang mit gehämmerten Edelstahlblechen gestaltet. Diese reflektieren die Farben der Umgebung in verzerrten Mustern und tragen so dazu bei, das mächtige Volumen der angehängten Konstruktion optisch aufzulösen. In einem nächsten Schritt schließlich soll das ehemalige Getreideförderband, das vom Kai ins dritte Geschoss führt, in eine automatische Fahrrampe verwandelt werden, auf der die Besucher dann langsam nach oben gleiten können.

Projektname Renovation of 80.000-ton silos on Minsheng Wharf / 1. Bauabschnit Bauherr Shanghai Eastern Bund Investment Group Fertigstellung 2017 Geschossfläche 16.322 m² Konstruktion Stahlbeton, Beton, Glas

123

Umbau eines Silogebäudes zum Kulturraum Schnitte a, b Maßstab 1:1500 1 Foyer 2 Ausstellung 3 Silo 4 Rampe ins Dachgeschoss

4

2

2

2

3 3

1

Schnitt a

124

Schnitt b

Atelier Deshaus Oben: Darstellung der wesentlichen bau­lichen Veränderungen: Ein neuer Aus­s tellungsraum wurde auf dem Dach in­s talliert, eine verglaste Treppe vorgehängt sowie die Fassade im Erdgeschoss geschlossen.

125

Umbau eines Silogebäudes zum Kulturraum

2

5

Ausstellungsraum

4 2 3

3. Obergeschoss

b

1 a

2

b

Erdgeschoss

126

a

Atelier Deshaus

Grundrisse Maßstab ca. 1:1500 1 Foyer 2 Ausstellung 3 Silo 4 Zugang Außentreppe 5 Rampe ins Dachgeschoss

Linke Seite unten: Der Zugang zum großen Ausstellungs­raum auf dem Dach (links) erfolgt über ein Silo (rechts). Rechte Seite oben: Ausstellungsraum im 1. OG des Kopfbaus

127

18

Gong Dong , Vector Architects

Yangshuo Guangxi

Luxushotel in der Zuckerfabrik Umgeben von steilen Bergkegeln inmitten der berühmten Karstlandschaft am Li-Fluss in Südchina liegt das Luxushotel Alila Yangshuo auf dem ­Gelände einer ehemaligen Zuckerfabrik. Die liebevoll sanierten früheren Produktionsbauten aus der Zeit der Kulturrevolution (1969) bilden das Zentrum der Anlage. Hier haben die Architekten neben Restaurant und Café auch einen Veranstaltungssaal, eine Galerie und Bibliothek sowie die Rezeption untergebracht. Für die Gästezimmer und -suiten platzierten sie außen herum drei ­zurückhaltend gestaltete Neubauten, die in Form und Material mit dem Bestand korrespondieren und auch dessen Dachneigung übernehmen. ­Schalungsrauer Sichtbeton und perforierte Wände aus Hohlsteinen lassen die Volumina leichter er-

scheinen; deren horizontale Ausrichtung steht im Kontrast zu den vertikalen Karstbergen. Der längste der drei Riegel wird durch drei Einschnitte untergliedert, die das Motiv der am Fluss häufig vorkommenden Karsthöhlen aufnehmen und mit ihrer organischen Form und Bambusverkleidung im ­Dialog mit der Umgebung stehen. Der eindrucksvollste Platz jedoch ist zweifellos der auf dem ­ehemaligen Ladedock am Fluss angeordnete Swim­ mingpool. Dort rahmt die Betonkonstruktion der früheren Kranbahn nun den Blick auf die majes­ tätische Landschaft. Alles in allem zeigt der ­Hotelbau ein perfektes Zusammenspiel von Alt und Neu, aber auch von Architektur, Innenraum­ design und Landschaftsgestaltung, sowie eine für China ungewöhnliche Ausführungsqualität.

Projektname Alila Yangshuo Hotel Bauherr Landmark Tourism Investment Company Innenarchitekt Ju Bin, Horizontal Space Design Fertigstellung 2017 Geschossfläche 16.000 m² Konstruktion Stahlbeton, Betonhohlsteine, Naturstein

129

Luxushotel in der Zuckerfabrik

1

2

Erdgeschoss

3

130

Vector Architects

10 11 4

12

8

5 6

13 5

9

7

15 14

Grundriss Maßstab 1:1000 1 Zufahrt 2 Hauptzimmertrakt 3 Eingang Spa 4 Rezeption 5 Lobby Restaurant 6 Mehrzweckraum 7 Galerie 8 Bibliothek

9 Café / Bar 10 Sunken Plaza 11 Wasserfläche 12 Town House Suiten 13 Pool Villas 14 Fitnessbereich 15 Swimmingpool

131

Luxushotel in der Zuckerfabrik

Längsschnitt Hauptgebäude

132

Vector Architects

Nordansicht des Hauptgebäudes. Die perfo­rierten Fassaden der Neubauten aus Betonhohl- und Naturstein wirken bei Nacht wie ein transluzenter Schleier.

133

Luxushotel in der Zuckerfabrik

Querschnitt der Anlage

134

Vector Architects

Das Zentrum der Anlage wird von einer landschaftlich gestalteten Wasserfläche geprägt. Linke Seite unten: Die Wasserfläche des Swimmingpools auf der ehemaligen Laderampe scheint direkt in den Li-Fluss überzugehen.

Rechte Seite unten: Die Gebäude wie auch die Freiflächen zeichnen sich durch schön gestaltete Details ebenso wie eine hohe Ausführungsqualität aus.

135

19

Hua Li, Trace Architecture Office (TAO)

Weihai, Shandong

Ein Teehaus mit Aussicht Das kleine Teehaus im Tashan-Naturpark im Osten des Landes zeichnet sich durch eine gefühlvolle Integration in die Landschaft und seine sinn­ liche Materialität aus, die für zahlreiche neuere ­ Projekte in China typisch ist. Es steht an der ­Abbruchkante eines ehemaligen Steinbruchs inmitten e ­ ines dicht bewaldeten Gebiets. Eine Rampe aus wetterfestem, rostbraunem Stahl führt auf das ausladende Dach, das aus dem gleichen Material besteht und als Aussichtsplattform dient. Von oben bietet sich den Besuchern ein schöner Blick auf die großen Robinienbäume ebenso wie

auf die Felskante. Getragen wird das Dach, dessen polygonale Form dem verfügbaren Platz ­z wischen den Bäumen geschuldet ist, von sechs gemauerten Hohlkörpern, deren Wände außenseitig aus den Bruchsteinen der Umgebung und auf der Innenseite – vom Teeraum aus nicht sicht­ bar – aus Ziegeln bestehen. In den zwei größeren Hohlkörpern befinden sich der Empfang sowie ein Waschraum und WC, die vier kleineren nehmen­ die verglasten Schiebetüren der transparenten Fassaden auf, die in einem spannungsvollen ­Kontrast zu den massiven Bauteilen stehen.

Projektname Rockview Tea House Bauherr Weihai Bureau of Landscape and Forestry Fertigstellung 2015 Geschossfläche 141 m² Konstruktion Naturstein, Ziegel, wetterfester Stahl

137

Ein Teehaus mit Aussicht

Schnitt a

138

Trace Architecture Office

Schnitt b

Das kleine Teehaus mit Aussichtsplattform reagiert mit Grundriss und Form auf die vorhandenen Bäume.

139

Ein Teehaus mit Aussicht Grundriss Maßstab 1:200

a

1 Eingang 2 Lager / Empfang 3 WC 4 Gastraum Teehaus 5 Depot Schiebetüren

5

5

5

4

b

2

3 a

Grundriss

140

1

b 5

Trace Architecture Office

Die groben Mauern aus Bruchsteinen der Umgebung korrespondieren mit der Aussichtsplattform aus wetterfestem Stahl.

141

Dank Autor und Verlag danken allen, die zum Zustande­ kommen der Publikation beigetragen haben, nicht zuletzt Dai Chun und Tong Lingfeng aus Schanghai, die den Anstoß zu dem Buch ge­geben haben sowie allen ­Architekten und Fotografen, die es mit der Be­ reitstellung ihres ­Materials ermöglichten.

Christian Schittich Geboren 1956; Architekturstudium an der ­Technischen Universität München; anschließend sieben Jahre Büro­ praxis und publizistische T ­ ätigkeit; von 1998 bis 2016 Chefredakteur der Zeitschrift DETAIL; Autor und Heraus­ geber zahlreicher Fachbücher und Fachartikel. Bereist China seit mehr als 30 Jahren regelmäßig und verfolgt in jüngster Zeit fasziniert die Ent­wicklung einer neuen und eigenständigen Architektur dort.

142

Bildnachweis Sämtliche Zeichnungen in diesem Werk sind eigens ange­ fertigt oder stammen aus den Archiven der Architekten. S. 6, 7  Vector Architects /He Bin S. 8  Arch-exist photography S. 9, 10 unten, 11 rechts unten, 12 unten, 13 oben, 13 links unten, 14, 15, 19 oben, 20–21, 22, 23, 25, 26, 27 oben, 29, 65, 71, 99 links, 122, 126, 127, 133 oben, 134 links unten, 134 links unten, 135 rechts unten, 135 mitte unten, 135 rechts unten  Christian Schittich S. 10 oben, 24, 28  Iwan Baan S. 11 oben, mitte  Li Xiaodong S. 11 links unten  Hufton+ Crow S. 12 oben  Ziling Wang S. 13 rechts unten  Marc Goodwin S. 16, 59 rechts, 78–83, 104, 106 links unten, 106 rechts unten  Su Shengliang S. 17, 42, 45 rechts unten, 50, 51 links  Vector Architects /Xia Zhi S. 18  Hu Yijie S. 19 unten  Brian Zhang Li S. 27 unten  Yueqi Jazzy Li S. 32–35  Tian Fangfang S. 36–41  Pedro Pegenaute S. 43, 45 links unten, 128, 132–133  Vector Architects /Su Shengliang S. 44  Vector Architects /Zhang Yifan S. 45 oben, 46–47, 48, 51 rechts, 53, 54, 55, 129, 130, 134 oben, 135 oben  Vector Architects /Chen Hao S. 52  Vector Architects /Chen Zhenqiang S. 56, 58 oben, 59 links, 60 unten, 61  CreatAR Images S. 58 unten, 60 oben  Yu Ting/Wutopia Lab S. 62, 66, 70  ZAO/standardarchitecture/Wang Ziling S. 63, 64  ZAO/standardarchitecture S. 68 oben, 68 links unten, 68 rechts unten  ZAO/standardarchitecture/Su Shengliang S. 72–77  Arch-exist photography S. 84–89  Rural Urban Framework (RUF) S. 90–92, 94–95  Brian Zhang Li S. 96, 98, 99–101  Ziling Wang S. 97  Dan Han S. 102–103, 105, 106 oben  Fang Chun, Chen Su S. 108, 110–111  LYU Hengzhong S. 112–115  Hengzhong Lv S. 116, 118, 121 rechts oben, 121 unten  Chaos.Z S. 120, 121 links oben  Marco Chen S. 123–125  Tian Fangfang S. 136–141  Hua Li

143

Impressum Lektorat: Ilka Backmeister-Collacott Projektkoordination: Alexander Felix, Nora Kempkens Herstellung: Bettina Chang Layout, Covergestaltung und Satz: Kai Meyer Zeichnungen: Ralph Donhauser Papier: Magno Volume, 150 g /m² Lithographie: bildpunkt Druckvorstufen GmbH, Berlin Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co.KG, Calbe Library of Congress Control Number: 2019935041 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publika­ tion in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch be­ gründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwider­handlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-0356-1756-6 e-ISBN (PDF) 978-3-0356-1815-0 Englisch Print-ISBN 978-3-0356-1757-3 © 2019 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin / Boston 987654321 www.birkhauser.com