Chemie für Ingenieure [3., korr. und überarb. Aufl.] 9783486780963, 9783486736052

Alles, was der Ingenieurwissenschaftler an Chemie braucht. In den ersten Kapiteln werden die Grundkenntnisse zum Verst

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German Pages 242 [243] Year 2013

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Table of contents :
1 Einführung
2 Atome
2.1 Atomaufbau
2.2 Isotope
2.3 Bohrsches Atommodell
2.4 Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur
2.4.1 Theorie nach de Broglie
2.4.2 Heisenbergsche Unscharferelation
2.4.3 Ergebnisse der Schrodingergleichung
2.4.4 Atomorbitale und Quantenzahlen
2.5 Aufbauprinzip der Elektronenschalen
Übungsaufgaben
3 Periodensystem der Elemente
3.1 Perioden und Gruppen
3.2 Periodizitat der Eigenschaften
3.2.1 Atom- und Ionenradien
3.2.2 Metallcharakter
3.2.3 Ionisierungsenergie
3.2.4 Elektronenaffinitat und Elektronegativitat
Übungsaufgaben
4 Kernreaktionen
4.1 Naturliche Kernumwandlungen
4.1.1 Radioaktiver Zerfall
4.1.2 Kinetik des radioaktiven Zerfalls
4.2 Kunstliche Kernumwandlungen
4.2.1 Einfache Kernreaktionen
4.2.2 Kernspaltung und Kernfusion
Übungsaufgaben
5 Chemische Bindung
5.1 Atombindung
5.1.1 Einfachbindung
5.1.2 sp3-Hybridorbitale
5.1.3 Atomgitter (Diamant-Struktur)
5.1.4 Doppelbindung und Dreifachbindung
5.1.5 Bindungen in aromatischen Kohlenwasserstoffen
5.1.6 Polare Atombindung
5.2 Ionenbindung
5.3 Metallbindung
5.3.1 Elektronengasmodell und Energiebändertheorie
5.3.2 Isolatoren und Halbleiter
5.3.3 Dotierung
5.4 Zwischenmolekulare Bindungen
5.4.1 Van der Waals Bindungen
5.4.2 Permanente Dipole
5.4.3 Wasserstoffbruckenbindungen
Übungsaufgaben
6 Aggregatzustände der Stoffe
6.1 Fester Zustand - Kristallgitter
6.2 Flüssiger Zustand
6.2.1 Verdampfungsprozess
6.2.2 Siedepunkt
6.2.3 Schmelzpunkt (Gefrierpunkt)
6.3 Gasförmiger Zustand
6.3.1 Ideale Gase
6.3.2 Reale Gase
Übungsaufgaben
7 Energetik chemischer Reaktionen - Thermodynamik
7.1 Verlauf chemischer Reaktionen - Definition eines Systems
7.2 1. Hauptsatz der Thermodynamik
7.3 Hess’scher Warmesatz
7.4 2. Hauptsatz der Thermodynamik
Übungsaufgaben
8 Chemische Kinetik
8.1 Energie der zusammenstoßenden Teilchen - Aktivierungsenergie EA
8.2 Orientierung der Reaktionspartner zueinander
8.3 Reaktionsgeschwindigkeit v
8.4 Reaktionsordnung
8.4.1 Reaktion 0. Ordnung
8.4.2 Reaktion 1. Ordnung
8.4.3 Reaktion 2. Ordnung
8.5 Molekularitat
Übungsaufgaben
9 Stochiometrie
9.1 Chemische Formeln und Molekulargewicht
9.2 Stoffmenge und Avogadrokonstante
9.3 Molvolumen
9.4 Reaktionen in Losung
9.4.1 Stoffmengenkonzentration und Äquivalentkonzentration
9.4.2 Verdunnte Losungen
9.5 Chemische Reaktionsgleichungen
9.6 Stochiometrische Massenberechnungen
Übungsaufgaben
10 Chemisches Gleichgewicht
10.1 Massenwirkungsgesetz
10.1.1 Massenwirkungsgesetz fur homogene Systeme
10.1.2 Massenwirkungsgesetz fur heterogene Systeme
10.2 Prinzip vom kleinsten Zwang
10.2.1 Konzentrationsanderung
10.2.2 Temperaturanderung
10.2.3 Druckanderung
10.2.4 Katalysator
10.2.5 Anwendungsbeispiele fur das Prinzip des kleinsten Zwanges
Übungsaufgaben
11 Sauren und Basen
11.1 Autoprotolyse des Wassers - Ionenprodukt
11.1.1 Ionenprodukt des Wassers
11.1.2 pH-Wert
11.2 Saure- und Baseverhalten
11.2.1 Sauren und Basen nach Bronsted
11.2.2 Saure-Base-Verhalten im Periodensystem
11.3 Saure- und Basegleichgewichte
11.3.1 Saure- und Basekonstanten
11.3.2 pH-Wert-Berechnung
Übungsaufgaben
12 Redoxreaktionen
12.1 Oxidation und Reduktion
12.2 Oxidationszahl
12.3 Redoxgleichungen
Übungsaufgaben
13 Elektrochemie 1 - Grundlagen
13.1 Strom, Spannung und Widerstand
13.2 Elektrolytische Leitfahigkeit
13.3 Elektrochemische Zellen
13.4 Elektromotorische Kraft
13.5 Elektrodenpotential
13.5.1 Entstehung
13.5.2 Messung
13.5.3 Elektrochemische Spannungsreihe
13.5.4 Elektrodenpotential und Konzentration
13.5.5 EMK-Berechnung
13.5.6 Konzentrationskette
Übungsaufgaben
14 Elektrochemie 2 - Anwendungen
14.1 Elektrolyse
14.2 Galvanische Zellen
14.2.1 Primarelemente (Batterien)
14.2.2 Sekundarelemente (Akkumulatoren)
14.2.3 Brennstoffzellen
14.3 Korrosion
14.3.1 Chemische und elektrochemische Korrosion
14.3.2 Korrosionsarten
14.3.3 Korrosionsschutz
14.4 Potentiometrie
14.4.1 Messung des pH-Wertes
14.4.2 Messung des O2-Gehalts
Übungsaufgaben
Lösungen zu den Übungsaufgaben
Literatur
Index
Formelzeichen, Abkürzungen
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Chemie für Ingenieure [3., korr. und überarb. Aufl.]
 9783486780963, 9783486736052

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Chemie für Ingenieure von

Dr. rer. nat. Angelika Vinke Prof. Dr. Gerolf Marbach Prof. Dr. rer. nat. Johannes Vinke

3., korrigierte und überarbeitete Auflage

Oldenbourg Verlag München

Lektorat: Dr. Gerhard Pappert Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.

ISBN 978-3-486-73605-2 eISBN 978-3-486-78096-3

Inhaltsverzeichnis 1

Einfuhrung ¨

1

2

Atome

3

2.1

Atomaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

2.2

Isotope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

2.3

Bohrsches Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

2.4

Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Theorie nach de Broglie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Heisenbergsche Unsch¨arferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Ergebnisse der Schr¨odingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Atomorbitale und Quantenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 14 15 17

2.5 Aufbauprinzip der Elektronenschalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3

Periodensystem der Elemente

29

3.1

Perioden und Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3.2

Periodizit¨at der Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Atom- und Ionenradien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Metallcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Ionisierungsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Elektronenaffinit¨at und Elektronegativit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 35 36 38

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4

Kernreaktionen

41

4.1

Nat¨urliche Kernumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.1.1 Radioaktiver Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.1.2 Kinetik des radioaktiven Zerfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

4.2

K¨unstliche Kernumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4.2.1 Einfache Kernreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4.2.2 Kernspaltung und Kernfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

VI

Inhaltsverzeichnis

5

Chemische Bindung

53

5.1

Atombindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Einfachbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 sp3 -Hybridorbitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Atomgitter (Diamant-Struktur) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Doppelbindung und Dreifachbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.5 Bindungen in aromatischen Kohlenwasserstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.6 Polare Atombindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54 55 57 60 61 64 66

5.2

Ionenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

5.3

Metallbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Elektronengasmodell und Energieb¨andertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Isolatoren und Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Dotierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 76 79 80

5.4

Zwischenmolekulare Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Van der Waals Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Permanente Dipole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Wasserstoffbr¨uckenbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81 81 83 83

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 6

Aggregatzust¨ande der Stoffe

87

6.1

Fester Zustand – Kristallgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

6.2

Fl¨ussiger Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Verdampfungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Siedepunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Schmelzpunkt (Gefrierpunkt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.3

Gasf¨ormiger Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 6.3.1 Ideale Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 6.3.2 Reale Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

89 90 90 91

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 7

Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik

95

7.1

Verlauf chemischer Reaktionen – Definition eines Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

7.2

1. Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

7.3

Hess’scher W¨armesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

7.4 2. Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8

Chemische Kinetik

109

8.1

Energie der zusammenstoßenden Teilchen – Aktivierungsenergie EA . . . . . . . . . . . . . . 109

8.2

Orientierung der Reaktionspartner zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

8.3

Reaktionsgeschwindigkeit v . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Inhaltsverzeichnis 8.4

VII

Reaktionsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 8.4.1 Reaktion 0. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 8.4.2 Reaktion 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.4.3 Reaktion 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

8.5 Molekularit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 9

St¨ochiometrie

117

9.1

Chemische Formeln und Molekulargewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

9.2

Stoffmenge und Avogadrokonstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

9.3

Molvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

9.4

Reaktionen in L¨osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 ¨ 9.4.1 Stoffmengenkonzentration und Aquivalentkonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 9.4.2 Verd¨unnte L¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

9.5

Chemische Reaktionsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

9.6 St¨ochiometrische Massenberechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 10

Chemisches Gleichgewicht

131

10.1

Massenwirkungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 10.1.1 Massenwirkungsgesetz f¨ur homogene Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 10.1.2 Massenwirkungsgesetz f¨ur heterogene Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

10.2

Prinzip vom kleinsten Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 10.2.1 Konzentrations¨anderung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 10.2.2 Temperatur¨anderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 10.2.3 Druck¨anderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 10.2.4 Katalysator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 10.2.5 Anwendungsbeispiele f¨ur das Prinzip des kleinsten Zwanges . . . . . . . . . . . . . . 142

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 11

S¨auren und Basen

145

11.1

Autoprotolyse des Wassers – Ionenprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 11.1.1 Ionenprodukt des Wassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 11.1.2 pH-Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

11.2

S¨aure- und Baseverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 11.2.1 S¨auren und Basen nach Br¨onsted . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 11.2.2 S¨aure-Base-Verhalten im Periodensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

11.3

S¨aure- und Basegleichgewichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 11.3.1 S¨aure- und Basekonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 11.3.2 pH-Wert-Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

VIII

Inhaltsverzeichnis

12

Redoxreaktionen

165

12.1

Oxidation und Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

12.2

Oxidationszahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

12.3 Redoxgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 13

Elektrochemie 1 – Grundlagen

173

13.1

Strom, Spannung und Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

13.2

Elektrolytische Leitf¨ahigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

13.3

Elektrochemische Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

13.4

Elektromotorische Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

13.5

Elektrodenpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 13.5.1 Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 13.5.2 Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 13.5.3 Elektrochemische Spannungsreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 13.5.4 Elektrodenpotential und Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 13.5.5 EMK-Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 13.5.6 Konzentrationskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 14

Elektrochemie 2 – Anwendungen

187

14.1

Elektrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

14.2

Galvanische Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 14.2.1 Prim¨arelemente (Batterien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 14.2.2 Sekund¨arelemente (Akkumulatoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 14.2.3 Brennstoffzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

14.3

Korrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 14.3.1 Chemische und elektrochemische Korrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 14.3.2 Korrosionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 14.3.3 Korrosionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

14.4

Potentiometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 14.4.1 Messung des pH-Wertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 14.4.2 Messung des O2 -Gehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 ¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

205

Literatur

223

Index

225

Formelzeichen, Abkurzungen ¨

231

Vorwort Was ist Chemie? Die Chemie befasst sich mit den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie. Die Chemie untersucht die Fragen: Was ist Materie? – Woraus besteht Materie? – Warum verhalten sich manche Stoffe so und nicht anders? Die Chemie ist die Lehre von den Stoffen (Stoffaufbau und Stoffbeschreibung) und von den stofflichen und energetischen Ver¨anderungen. Die Chemie ist wie die Physik und Biologie, eine fundamentale Naturwissenschaft. Der Mensch ist st¨andig umgeben von nat¨urlichen oder k¨unstlich hergestellten chemischen Produkten wie Textilien, Kraftstoffen, D¨ungemitteln, Kunststoffen, Lebensmitteln, Arzneimitteln, Kosmetika und Farben etc. Alles was wir wahrnehmen (essen, trinken, f¨uhlen, schmecken, riechen, sehen und denken) ist entweder das Produkt eines chemischen Prozesses oder ist Bestandteil einer gerade ablaufenden chemischen Reaktion. Aus diesem Grund umfasst das Fachgebiet der Chemie wohl das gr¨oßte Gebiet innerhalb der Naturwissenschaften. Jede Ver¨anderung an uns oder unserer Umwelt hat ihre Ursachen in der Welt der Materie aufgebaut aus Molek¨ulen und Atomen. In der Chemie werden grundlegende Zusammenh¨ange mit Hilfe naturwissenschaftlicher Gesetze entdeckt und weiterentwickelt. Allerdings beschr¨anken sich die Chemiker nicht allein auf das Erforschen von Grundlagen, sondern sie veredeln, optimieren und realisieren diese chemischenergetischen Prozesse soweit, dass der Mensch und seine ihn umgebende Natur einen Nutzen daraus ziehen kann. Diese Entwicklungen laufen zwangsl¨aufig auf einen Kompromiss hinaus, zwischen maximalem Nutzen f¨ur den Menschen und geringstm¨oglicher Schadwirkung auf die belebte und unbelebte Natur, deren Teil der Mensch ist. Da sich die Zahl der Menschen aufgrund einer hochentwickelten Medizin (Geburtenzunahme und h¨oheres Lebensalter) auf unserem Planeten stetig erh¨oht, sind die Anforderungen und Herausforderungen an die Naturwissenschaften, vor allem an die Chemie, in Forschung und Ent¨ wicklung sehr hoch anzusetzen. Der Mensch sollte sich allerdings bei all seinen Uberlegungen bewusst sein, dass auch seine Denkabl¨aufe chemischer Natur sind.

1

Einf¨uhrung

In diesem Lehrbuch sollen die wichtigsten Grundlagen der Chemie vermittelt werden. Dieses Buch befasst sich deshalb auch mit der Neugier. Vor der Frage nach dem ,,wie?“ muss zun¨achst immer die Frage nach dem ,,warum?“ gestellt werden. Die Frage nach dem ,,warum?“ ist daher Ausgangspunkt des naturwissenschaftlichen Denkens u¨ berhaupt, besonders jedoch in der Chemie. Mit Hilfe dieser Frage wollen wir uns grunds¨atzliches Wissen aneignen, u¨ ber den Feinaufbau der Materie, u¨ ber die Kr¨afte zwischen den atomaren und molekularen Bausteinen und u¨ ber die energetischen Verh¨altnisse bei der Wechselwirkung zwischen den elementaren Partikeln. Diese Betrachtungen und die daraus resultierenden Erkenntnisse erlauben uns dann allgemein g¨ultige, theoretische Zusammenh¨ange zu erkennen. Einzelergebnisse der Experimentalchemie werden auf wenige, allgemein geltende Gesetzm¨aßigkeiten zur¨uckgef¨uhrt. Diese erlauben dann Voraussagen z.B. u¨ ber den Ablauf einer chemischen Reaktion. Grundlage daf¨ur sind Kenntnisse u¨ ber den Atomaufbau. Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Modellcharakter aller Atomvorstellungen. Mit Hilfe der Modelle k¨onnen Eigenschaften der Stoffe erkl¨art werden. Die Modelle behalten solange ihre G¨ultigkeit, bis ein Widerspruch zu den entdeckten Eigenschaften der Materie aufgetreten ist. Ist ein Modell, das beobachtete Ph¨anomene erkl¨arbar machte, nicht mehr ausreichend, muss der Chemiker ein neues, leistungsf¨ahigeres Modellsystem entwickeln. Dieses sollte das urspr¨ungliche System erg¨anzen und verfeinern oder gegebenenfalls ersetzen.

2

Atome

Physikalische Eigenschaften und chemisches Verhalten der Materie k¨onnen nur verstanden und vorhergesagt werden, wenn Detailkenntnisse u¨ ber den Aufbau und den Zusammenhalt der Elementarteilchen vorhanden sind. Unterschiedliche Eigenschaften der Materialien und die daraus resultierenden Anwendungsbereiche (z.B. Reinmetall oder Legierung) sind f¨ur den Ingenieur bei der Werkstoffauswahl zu ber¨ucksichtigen. In diesem Kapitel sollen allgemeine Aussagen u¨ ber Atome, deren Aufbau, Masse, Ladung etc. gemacht werden. Atommodelle sollen dabei eine Hilfestellung bieten, um das Verhalten dieser Teilchen besser verstehen zu lernen. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten E. Rutherford und N. Bohr erste Modelle u¨ ber den Atomaufbau. Unter anderem postulierten sie, dass Atome nicht die kleinsten Bausteine der Materie sind, sondern aus noch kleineren Teilchen, den Elementarteilchen wie Protonen, Neutronen und Elektronen aufgebaut sind. Nach heutigem Wissensstand existieren dar¨uberhinaus noch viele andere Elementarteilchen (Quarks etc.), die zum Teil ineinander umwandelbar sind. Das bis heute benutzte einfache Modell von Niels Bohr, sowie die mathematisch schwer zu berechnenden Orbitalmodelle sind nicht unbedingt als reale Zust¨ande zu sehen, sondern stellen Hilfen dar, um den Atomaufbau zu verstehen.

2.1

Atomaufbau

Unter einem Element versteht man Materie aus einer Atomart. Ein Atom ist der kleinste, mit einfachen chemischen Mitteln nicht teilbare Baustein. Fr¨uher glaubte man, dass das Atom nicht weiter zerlegbar ist. Die Kernspaltung war noch nicht bekannt. Der Name leitet sich ab vom griechischen Wort atomos (= unteilbar). Den Aufbau von Atomen beschreiben wir u¨ ber drei Elementarteilchen, n¨amlich Protonen, Neutronen und Elektronen. Diese Teilchen bilden die Basis f¨ur alle beobachtbaren materiellen Erscheinungen. Protonen p+ , Neutronen n und Elektronen e− werden durch die beiden wichtigsten Kenngr¨oßen, Masse m (in g) und elektrische Ladung q (in Coulomb, 1 C = 1 As (Amp`eresekunde)) charakterisiert. Tabelle 2.1: Masse und Ladung der Elementarteilchen Teilchen

Masse, m [g]

Ladung, q [C]

Proton, p+ Neutron, n Elektron, e−

1,6725 · 10−24 1,6748 · 10−24 9,1 · 10−28

+1,6022 · 10−19 −1,6022 · 10−19

4

2 Atome

Die Ladung 1,6 · 10−19 C ist die kleinste bisher gemessene Ladung. Deshalb werden die Ladungen von Teilchen immer als ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung betrachtet. Man benutzt daher die relativen Ladungen +1 und −1. Lange Zeit war umstritten, wie man sich den Aufbau der Atome aus Elementarteilchen vorstellen sollte. Ablenkungsversuche in elektrischen Feldern lieferten schon im vorigen Jahrhundert die Hinweise, dass Atome aus positiv und negativ geladenen Teilchen aufgebaut sind. Man stellte sich das Atom als kompaktes Teilchen vor, in dem die Ladungen gleichm¨aßig verteilt vorliegen. Diese Vorstellung erwies sich als falsch, als E. Rutherford 1911 den im Folgenden beschriebenen Streuversuch durchf¨uhrte. Er beschoss eine 500 nm d¨unne Goldfolie (1 nm = 10−9 m), in der ca. 1000 Atomschichten u¨ bereinander lagen, mit Alpha(α )-Teilchen, die durch radioaktiven Zerfall von Radium entstanden waren. α -Teilchen sind zweifach positiv geladene Heliumkerne (He2+ , s. Kap. 4.1.1) Die Goldfolie war von einem Zinksulfidschirm umgeben, der die Eigenschaft besitzt, an den Stellen aufzuleuchten, an denen α -Teilchen auftreffen.

Zinksulfidschirm α−Strahlung

Goldfolie

Abbildung 2.1: Aufbau des Streuversuches von Rutherford

Wenn man von der urspr¨unglichen Annahme ausgeht, dass Atome kompakte Teilchen darstellen, in denen positive und negative Elementarteilchen gleichm¨aßig verteilt vorliegen, m¨ussten die Heliumteilchen stark gestreut (abgelenkt) werden, und nur wenige sollten die Metallfolie ungehindert durchdringen k¨onnen. Tats¨achlich wurden aber nur sehr wenige Heliumteilchen gestreut, und die meisten Teilchen durchdrangen das Metall, wobei einige schwach abgelenkt wurden. Rutherford schloss aus diesen Beobachtungen, dass ein Atom im Innern fast ,,leer“ ist und die positiv geladenen Heliumteilchen durch positive Zentren innerhalb der Goldatome abgelenkt wurden. Die schwache Ablenkung beruht auf der elektrostatischen Anziehung zwischen den negativ geladenen Zentren (Elektronen) der Goldatome und den α -Teilchen. Die Auswertung des Streuversuchs f¨uhrte zum Kernmodell des Atoms. Ein Atom kann man sich nun so vorstellen, dass der Kern positiv geladene Teilchen (Protonen) enth¨alt und von einer negativ geladenen H¨ulle umgeben ist. Diese a¨ ußere H¨ulle des Kerns wird von den sich um den Kern bewegenden Elektronen gebildet. Halten wir also fest. Der Hauptanteil der Atommasse befindet sich im Kern, w¨ahrend die a¨ ußere H¨ulle in der Hauptsache aus ,,leerem Raum“ besteht. Wenn der Radius eines Atoms 10−10 m

2.1 Atomaufbau

5

etwa 500 nm Abbildung 2.2: Beschuss einer d¨unnen Goldfolie mit α -Teilchen

Abbildung 2.3: Atommodell nach Rutherford f¨ur das Wasserstoffatom

betr¨agt, dann ist der Radius des Atomkerns etwa 10−14 bis 10−15 m. Um die Gr¨oßenverh¨altnisse besser zu veranschaulichen, sei folgender Vergleich gemacht: Man stelle sich vor, der Radius eines Atoms betr¨agt 100 m, dann w¨are der Kernradius nur 1–10 mm. Zus¨atzlich zu den Protonen enthalten Atomkerne mit Ausnahme des Wasserstoffatoms noch Neutronen. Neutronen sind nicht geladen. Der Kern wird aus Protonen und Neutronen gebildet, die durch Kernbindungskr¨afte zusammengehalten werden. Die ungeladenen Neutronen haben dabei die Aufgabe elektrostatische Abstoßungskr¨afte, die im Atomkern durch die gleichgeladenen Protonen hervorgerufen werden, abzuschw¨achen. Das Atom ist elektrisch neutral, d.h. die Zahl der Protonen ist gleich der Zahl der Elektronen. Die Neutronenzahl ist gr¨oßer oder gleich der Zahl der Protonen (Ausnahme Wasserstoff, 11 H). Protonen und Neutronen sind ann¨ahernd gleich schwer, w¨ahrend ein Elektron ca. 1840 mal leichter ist. Die Masse der Elektronen wird daher bei Massenberechnungen oft vernachl¨assigt.

6

2 Atome

Die Zahl Z heißt Kernladungszahl oder Ordnungszahl. Die Zahl A beschreibt die Summe aus Protonen und Neutronen und heißt Massenzahl oder Nukleonenzahl. Ein Gebilde aus Z Protonen und A − Z Neutronen bezeichnet man als Atomkern. Jedem Element wird ein eigenes Symbol zugeordnet. Um den Aufbau des Atomkerns eines bestimmten Elementes eindeutig zu bestimmen, setzt man vor das Elementsymbol links oben die Massenzahl und links unten die Ordnungzahl (A Z E). Beispiele: 1H 1

(Wasserstoff) oder 168 O (Sauerstoff)

In einem neutralen Atom ist die Protonenzahl gleich der Elektronenzahl. Die Anzahl der Kernbausteine l¨asst sich auch f¨ur Ionen angeben. Ionen sind geladene Teilchen. Positiv geladene Teilchen bezeichnet man als Kationen, negativ geladene als Anionen. In Kationen ist die Zahl der Elektronen kleiner als die Zahl der Protonen. In Anionen ist die Zahl der Elektronen gr¨oßer als die Zahl der Protonen. Der Name Kation bzw. Anion deutet daraufhin, dass ein Kation von der negativ geladenen Elektrode (,,Kathode“) und ein Anion von der positiv geladenen Elektrode (,,Anode“) angezogen wird (s. Kap. 13.2). Tabelle 2.2: Elementarteilchen verschiedener Atome und Ionen Teilchen

Kernladungszahl

Massenzahl

p+

n

e−

1H 1 4 He 2 23 Na 11 23 Na+ 11 32 S 16 32 S2− 16

1 2 11 11 16 16

1 4 23 23 32 32

1 2 11 11 16 16

2 12 12 16 16

1 2 11 10 16 18

Die Massenzahl unterscheidet sich von den im Periodensystem (PSE, Kap. 3) angegebenen relativen Atommassen geringf¨ugig. Daf¨ur gibt es drei Ursachen: 1. Die meisten Elemente kommen als Gemisch verschiedener Isotope vor (s. Kap. 2.2). 2. Die relative Atommasse wird auf 1/12 der Masse (1,6606 · 10−24 g) des Standardatoms 12 C bezogen. 6 (Da die Masse eines einzelnen Atoms extrem klein ist, wird die relative Atommasse der einzelnen Atomsorten angegeben.) Beispiel: Die Masse des Wasserstoffatoms ergibt sich aus der Masse des Protons (1,6725 · 10−24 g) und des Elektrons (0,00091 · 10−24 g) zu 1,67341 · 10−24 g. Dividiert durch 1,6606 · 10−24 g w¨urde sich f¨ur das Wasserstoffatom eine relative Atommasse von 1,0037 berechnen lassen.

2.2 Isotope

7

3. Protonen und Neutronen werden im Atomkern durch Kernbindungskr¨afte zusammenge¨ halten. Nach Einstein besteht eine Aquivalenz zwischen Energie und Masse (s. Kap. 4). Ein geringer Anteil der Kernmasse wird durch Kernbindungsenergie verbraucht. Daraus resultiert ein Massendefekt. Ber¨ucksichtigt man alle drei Faktoren f¨ur das Element Wasserstoff, so resultiert eine relative Atommasse von 1,008.

2.2

Isotope

Ein Atom mit einer bestimmten Kernladungszahl und einer bestimmten Nukleonenzahl bezeichnet man als Nuklid. Atome einer Atomsorte der gleichen Ordnungzahl aber unterschiedlicher Nukleonenzahl nennt man Isotope (griech.: isos topos = gleiche Stelle). Isotope findet man an der gleichen Stelle im Periodensystem. Isotope eines Elements besitzen die gleiche Anzahl an Protonen, aber eine unterschiedliche Neutronenzahl. Ihre chemischen Eigenschaften sind sehr a¨ hnlich, so dass sie in der Regel nicht unterschieden werden. Sie differieren ja auch lediglich in ihrer Masse. Nur etwa 20 Elemente kommen in der Natur als reine Elemente (Reinelement) vor (Beispiel Aluminium). Die anderen Elemente liegen als Isotopengemische (Mischelemente) vor. Die Anzahl der Isotope ist f¨ur jedes Element verschieden. Isotope besitzen das gleiche Elementsymbol. Man unterscheidet sie, indem man links oben, vor das Elementsymbol, die jeweilige Massenzahl schreibt. Beispiel: 37 Das Element Chlor besteht aus den nat¨urlich vorkommenden Isotopen 35 17 Cl und 17 Cl. 35 17 Cl:

17 Protonen und 18 Neutronen

37 17 Cl:

17 Protonen 20 Neutronen

Bei nat¨urlich vorkommenden Elementen ist das Verh¨altnis der verschiedenen Isotope zueinander konstant. Das Element Chlor besteht zu 75,77 % aus 35 17 Cl-Isotopen der Massenzahl 35 und Cl-Isotopen der Massenzahl 37. zu 24,23 % aus 37 17 Die relative Atommasse von Chlor (= 35,5) berechnet sich dann aus dem Anteil der jeweiligen Isotope gem¨aß: (0,7577 · 35) + (0,2423 · 37) = 35,5. Vom Wasserstoff sind drei Isotope (11 H, 21 H, 31 H) bekannt: 11 H wird als Wasserstoff, 21 H als Deuterium (griech.: deuteron = das Zweite), und 31 H als Tritium (griech.: triton = das Dritte) bezeichnet. Die schweren Isotope des Wasserstoffs haben Eigennamen. Anstatt 21 H und 31 H werden die Sonderzeichen D und T benutzt. 2H 1

ist ein schwereres Wasserstoffatom, das im Kern neben dem Proton noch ein Neutron besitzt. Der Anteil in der Natur betr¨agt ca. 0,015 %. Der Kern des dritten Wasserstoff-Isotops 31 H ist aus einem Proton und zwei Neutronen aufgebaut. Tritium wird haupts¨achlich k¨unstlich erzeugt, kommt aber auch in sehr geringen Spuren in der Natur vor. Alle anderen in der Natur

8

2 Atome

vorkommenden oder k¨unstlich hergestellten Isotope werden nur durch die Angabe ihrer Massenzahl unterschieden, d.h. sie besitzen keine eigenen Namen. Tritium ist zudem radioaktiv (β -Strahler t1/2 = 12 a (Abk.: a, lat.: anno = Jahr). Wann Isotope radioaktiv und damit instabil sind, werden wir in Kap. 4.1.1 er¨ortern. Isotope finden vielfach Anwendung bei der Aufkl¨arung von chemischen Reaktionsmechanismen. Man spricht hier von Tracerexperimenten (engl.: to trace = verfolgen), da man mit Hilfe der markierten Atome, Reaktionen gut beobachten kann. Die entstehenden Produkte lassen auf den Reaktionsmechanismus schließen. Verseifung eines Carbons¨aureesters zu Carbons¨aure und Alkohol O =

Beispiel:

Gegeben ist folgender Carbons¨auremethylester: R − C − 18 O − CH3 Ein Sauerstoffatom ist mit 18 O markiert. Je nachdem an welcher Stelle die Bindung des Esters gel¨ost wird, k¨onnten theoretisch folgende Produkte gebildet werden: O

R− C

16

− 18O − H

+

H − 16O − CH

O

=

=

16

3

oder R − C − 16 O − H + H − 18 O − CH3

Das markierte Sauerstoffatom befindet sich entweder in der Carbons¨aure oder im Alkohol (Methanol). F¨uhrt man die Reaktion durch, so l¨asst sich markierter Alkohol nachweisen. Die Bindungsspaltung findet also zwischen dem Carboxylkohlenstoffatom und dem 18 O-Atom statt. Im Rahmen der Nuklearmedizin werden radioaktive Isotope bei der Diagnose (Kontrastmittel) und zur Behandlung von b¨osartigen Tumoren (z.B. der γ -Strahler 60 Co; s. Kap. 4.1.1) eingesetzt. Auch bei der Durchf¨uhrung von Knochendichtemessungen mischt man Spuren von radioaktiven Substanzen bei. Die Altersbestimmung von arch¨aologischen Funden mit Hilfe des radioaktiven Isotop 14 C ist heute eine Standardmethode (s. Kap. 4.1.2). Ebenso k¨onnen Materialpr¨ufungen (Dickenmes¨ sung) und die Uberpr¨ ufung von Schweißn¨ahten durchgef¨uhrt werden, indem die Schw¨achung der Strahlung durch einen Detektor angezeigt wird.

2.3

Bohrsches Atommodell

Die chemischen Eigenschaften eines Elements ergeben sich im Wesentlichen aus der Feinstruktur der Atomh¨ulle; also aus der Anordnung der Elektronen innerhalb der den Kern umgebenden H¨ulle. Aus experimentellen Daten wurden verschiedene Modelle f¨ur die Elektronenverteilung in der a¨ ußeren H¨ulle entwickelt. Nach dem Modell von Rutherford kreisen die Elektronen auf Bahnen im Abstand r (Radius) mit der Geschwindigkeit v um den Atomkern wie Planeten um die Sonne. Coulombkraft (FC ) (elektrostatische Anziehung; s. Kap. 5.2) und Zentrifugalkraft (FZ ) sind dabei gleich groß. Das Coulombsche Gesetz beschreibt die elektrostatische Anziehung zwischen Proton und Elektron. F¨ur die Coulombkraft gilt: FC = −e2 /4πε0 r2

2.3 Bohrsches Atommodell

9

e: Elementarladung ε0 : elektrische Feldkonstante (= 8,854 · 10−12 A2 s4 kg−1 m−3 ) r: Radius Bewegt sich das Elektron der Masse m im Abstand r mit der Geschwindigkeit v auf einer Kreisbahn, so ist die Zentrifugalkraft FZ gegeben durch: FZ = mv2 /r Beide Kr¨afte m¨ussen gleich groß sein, um eine stabile Bahn des Elektrons zu gew¨ahrleisten. Mit −FC = FZ erh¨alt man folgende Beziehung: e2 /4πε0 r2 = mv2 /r daraus folgt: e2 /4πε0 r = mv2 Die Gesamtenergie des Elektrons ergibt sich als Summe aus kinetischer Energie Ekin (= mv2 /2) und potentieller Energie Epot . F¨ur die Gesamtenergie gilt dann: E = Ekin + Epot . Daraus folgt dann: 1 E = mv2 − e2 /4πε0 r 2 mit mv2 = e2 /4πε0 r erhalten wir: 1 E = e2 /4πε0r − e2 /4πε0 r = −e2 /8πε0 r 2 Die Energie des Elektrons h¨angt nach diesem Modell nur vom Abstand r ab. Physikalisch ist dieses Modell unm¨oglich, da ein bewegtes, geladenes Teilchen wie das Elektron Energie verlieren und irgendwann in den Kern sturzen ¨ wurde. ¨ Wie sieht nun die Feinstruktur der Elektronenh¨ulle aus: Hinweise dazu ergaben sich aus den Linienspektren angeregter Wasserstoff- und Metallatome. Niels Bohr entwickelte 1913 ein Modell f¨ur die Elektronenstruktur des einfachsten Atoms, also des Wasserstoffatoms (Symbol H).

10

2 Atome

Kern

+ r

Elektron

elektrische Anziehungskraft Fc



Zentrifugalkraft, F Z

Abbildung 2.4: Atommodell nach Rutherford und Bohr f¨ur das Wasserstoffatom

Weißes Licht (Sonnenlicht) l¨asst sich in die einzelnen Farben (Wellenl¨angen) zerlegen, die dann in Form von Spektrallinien als Spektrum sichtbar werden. Dazu dient ein Prisma, oder beispielsweise Regentropfen, die einen Regenbogen erkennbar werden lassen. Die Farben des Regenbogens gehen ohne scharfe Linien ineinander u¨ ber. Man bezeichnet ein solches Spektrum als kontinuierliches Spektrum. Hocherw¨armte, angeregte Atome senden nur Licht bestimmter Wellenl¨ange aus. Bei einer bestimmten Atomsorte treten daher nur bestimmte Farben des Lichts und damit bestimmte Linien auf. Natriumdampflampen erzeugen gelbes Licht, wobei das Spektrum (diskontinuierlich) nur aus einer Linie mit definierter Wellenl¨ange besteht (s. Abb. 2.5). Jedes Alkalimetall erzeugt ein eigenes Linienspektrum (s. Abb. 2.6).

Abbildung 2.5: a) Kontinuierliches Spektrum – b) Linienspektrum des Natriums

2.3 Bohrsches Atommodell

11

Abbildung 2.6: Linienspektren der Alkalimetalle im sichtbaren Bereich

Bohrs Theorie geht von folgenden Annahmen aus: Der Kern des Wasserstoffatoms besteht aus einem Proton. Das Elektron des Wasserstoffatoms bewegt sich strahlungslos auf einer kreisf¨ormigen Bahn um das Proton. Es sind aber nur bestimmte, konzentrische Bahnen in den Abst¨anden r um den Atomkern erlaubt, auf denen ein Elektron kreisen kann, ohne Energie zu verlieren. Diese Bahnen werden als Energieniveaus, Energiezust¨ande oder Schalen bezeichnet. Jede dieser Bahnen wird mit einem Buchstaben K, L, M, N, . . . oder der Quantenzahl, n = 1, 2, 3, 4, . . . gekennzeichnet. In Abb. 2.7 befindet sich das Elektron des Wasserstoffatoms auf der Bahn mit der Quantenzahl n = 3. Elektronen halten sich nur in bestimmten Bahnen auf und besitzen daher eine bestimmte potentielle Energie. Je gr¨oßer der Abstand r vom Atomkern ist, umso gr¨oßer ist die potentielle Energie, Epot , des Elektrons. ¨ Der Ubergang eines Elektrons von einer h¨oheren Bahn zu einer niedrigeren Bahn wird von der Abgabe elektromagnetischer Strahlung begleitet. Auf der innersten Schale befindet sich das Elektron im Grundzustand (geringste Energie). Um das Elektron von der ersten Schale (n = 1) auf eine h¨ohere Schale (n = 2) zu bringen (h¨ohere potentielle Energie), muss Energie zugef¨uhrt werden. Diese Energie kann z.B. durch Zufuhr von W¨arme oder Licht erfolgen. Auf der h¨oheren Schale befindet sich das Elektron im angeregten Zustand. Die Verweildauer im angeregten Zustand betr¨agt ca. 10−8 s. Durch Emission eines Lichtquants, dessen Wellenl¨ange der Energiedifferenz zwischen den beiden Schalen entspricht, kann das Elektron auf eine niedrigere Bahn oder die urspr¨ungliche Bahn zur¨uckfallen. Auf diese Weise k¨onnen Spek-

12

2 Atome

Abbildung 2.7: Bohrsche Elektronenbahnen (K-, L-, M-Schalen)

trallinien wie sie beim Wasserstoff und den Alkalimetallen auftreten, den Elektronenspr¨ungen zwischen verschiedenen Energieniveaus zugeordnet werden. Die Energie eines Elektrons in der Bahn n l¨asst sich nach Bohr berechnen, indem man von der Annahme ausgeht, dass die elektrostatische Anziehungskraft zwischen Atomkern und Elektron und die auftretende Zentrifugalkraft gleich groß sind. Auch die Energie im atomaren Bereich wird in Form von nicht teilbaren Portionen, sogenannten Quanten u¨ bertragen bzw. aufgenommen. Die Energiequanten des Lichts werden Photonen (griech.: phos = Licht) genannt, und sind nach Max Planck als E = h·ν

(ν = Frequenz) definiert.

Mit ν = c/λ (λ = Wellenl¨ange) gilt: E = h · c/λ h = 6,63 · 10−34 J s (Plancksches Wirkungsquantum = Proportionalit¨atsfaktor mit der Einheit einer Wirkung (= Energie · Zeit)) c = 3 · 108 m/s (Lichtgeschwindigkeit) ¨ Uberg¨ ange auf die erste Bohrsche Bahn liegen f¨ur das Elektron des Wasserstoffs im ultra¨ violetten Bereich des Spektrums. Uberg¨ ange auf die zweite Bahn finden wir im sichtbaren ¨ (s. Abb. 2.8) und Uberg¨ ange auf die dritte Bahn im infraroten Bereich. Die Energie eines Elektronen¨ubergangs ist umgekehrt proportional zur Wellenl¨ange. Findet man eine Linie bei einer ¨ hohen Wellenl¨ange, so hat ein Ubergang mit einer geringen Energieabgabe stattgefunden. Beispiel: Das Alkalimetall Natrium sendet beim Erhitzen gelbes Licht der Wellenl¨ange λ = 589 nm aus. Wie groß ist die Energiedifferenz zwischen den beiden Bahnen, die das Elektron u¨ berwinden muss? Mit 1 nm = 10−9 m ergibt sich folgende Berechnung: E = 6,63 · 10−34 · (3 · 108)/(589 · 10−9) (J s m)/(m s) = 3,37 · 10−19 J

2.4 Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur

13

Abbildung 2.8: Elektronen¨uberg¨ange als Ursache der Linienspektren

Zur Beschreibung von Atomen h¨oherer Ordnungszahl ist das Bohrsche Atommodell nicht ausreichend (z.B. Erkl¨arung f¨ur mehr als eine Wertigkeitsstufe!). Ein besseres Modell erh¨alt man, wenn man dem Elektron neben seinem Teilchencharakter auch Welleneigenschaften zuordnet.

2.4

Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur (Feinstruktur einer Bohrschen Energiebahn)

2.4.1

Theorie nach de Broglie

Die Welleneigenschaften des Elektrons werden in der Theorie von L.-V. de Broglie behandelt. Unter einer Welle versteht man dabei eine zeit- und ortsabh¨angige Ver¨anderung einer Gr¨oße. Setzt man die mathematische Beziehung, E = h · ν , zwischen Energie und Frequenz des Lichts in Beziehung zur Einsteinschen Gleichung, in der die Energie eines Teilchens gegeben ist durch, E = m · c2, so ergibt sich: E = h · ν = m · c2 mit ν = c/λ und E = h · c/λ = m · c2 folgt daraus E = m · c/h = 1/λ Diese Gleichung stellt einen Zusammenhang zwischen Wellenl¨ange und Masse eines Photons dar. Es wird deutlich, dass eine strikte Unterscheidung zwischen Teilchen- und Wellencharakter des Lichts nicht m¨oglich ist. Man spricht in diesem Fall vom Welle-Teilchen-Dualismus.

14

2 Atome

De Broglie zeigte, dass nicht nur elektromagnetische Wellen Teilchencharakter aufweisen, sondern, dass umgekehrt auch Teilchen wie Elektronen, Welleneigenschaften besitzen. Solche Materiewellen zeigen beispielsweise Interferenz und Beugung. F¨ur die Energie eines Elektrons mit der Masse m, und der Geschwindigkeit v, gilt somit: E = m · v/h = 1/λ Wichtige Gr¨oßen zur Beschreibung eines Teilchens sind der Impuls p, und die Wellenl¨ange λ . Mit p = m · v l¨asst sich daraus die Gleichung von de Broglie ableiten: p·λ = h In dieser Gleichung werden Impuls und Wellenl¨ange miteinander verkn¨upft. Beispiel: Eine Kugel der Masse 30 g fliegt mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h. Wie groß w¨are die zugeh¨orige Wellenl¨ange? Mit λ = h/p = h/(m · v) gilt: 6,63 · 10−34 kg m2 s−1 /0,03 kg · 27,8 m s−1 = 7,94 · 10−34 m (1 J = 1 N m und 1 N = 1 kg m s−2 gilt 1 J s = 1 kg m2 s−1 ) Die Wellenl¨ange der Kugel ist extrem klein. Wellenl¨angen dieser Gr¨oßenordnung lassen sich nicht mehr messen.

2.4.2

Heisenbergsche Unsch¨arferelation

Der Welle-Teilchen-Dualismus bedingt ein physikalisches Ph¨anomen. Es ist unm¨oglich beide Erscheinungsformen eines Elektrons (Ort und Wellenl¨ange) gleichzeitig zu erfassen und durch eine Messung zu bestimmen. Je genauer man die Wellenl¨ange eines Elektrons bestimmt, um so ungenauer ist der ihm zugewiesene Ort. Ist einem Elektron ein exakt bestimmter Ort zugeordnet worden, dann ist es unm¨oglich eine exakte Wellenl¨ange zu benennen. Der obengenannte Zusammenhang wurde von W. Heisenberg in seiner ,,Unsch¨arferelation“ wie folgt interpretiert: Um den Ort eines Elektrons zu bestimmen, muss, um eine hinreichende Genauigkeit zu gew¨ahrleisten, eine Energie aufgewendet werden, die so groß ist, dass ihre Wirkung mit dem Elektron dessen Impuls spezifisch ver¨andert. Die daraus resultierende Unsicherheit bei der anschließenden Messung des Impulses Δp, l¨asst eine sinnvolle Aussage u¨ ber die Bewegung eines Elektrons nicht mehr zu. Umgekehrt ver¨andert eine hinreichend genaue Impulsmessung den Aufenthaltsort des Elektrons, so dass die daraus herr¨uhrende Unbestimmtheit des Ortes Δx, keine exakte Berechnung beider Gr¨oßen zul¨asst. 1927 postulierte W. Heisenberg folgende Beziehung: Δx · Δp ≥ h

2.4 Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur

15

Das Produkt aus der Unsch¨arfe des Ortes, sowie des Impulses eines Teilchens ist nie kleiner als h. F¨ur große Teilchen mit einer großen Masse (Δp = mΔv) spielt die Unsch¨arferelation nur eine untergeordnete Rolle. F¨ur kleine Teilchen mit geringer Masse hat die Unsch¨arferelation von Heisenberg folgende Bedeutung: Der Aufenthaltsort oder die Geschwindigkeit eines Elektrons l¨asst sich exakt bestimmen, aber es ist nie m¨oglich beide Gr¨oßen gleichzeitig zu erfassen. Um beispielsweise den genauen Ort eines Elektrons zu bestimmen, m¨usste man es ,,beobachten“, d.h. mit Lichtquanten sehr hoher Energie bestrahlen. Dadurch w¨urde gleichzeitig der Impuls des Elektrons ver¨andert. Zur Veranschaulichung sei folgender Vergleich gemacht. Ein Tischtennisball trifft auf einen ruhenden Tischtennisball gleicher Gr¨oße und Masse. In dem Augenblick des Aufpralls verl¨aßt der ruhende Ball seinen Platz (Δx). W¨urde das Experiment mit einer ruhenden Eisenkugel gleicher Gr¨oße ausgef¨uhrt, ver¨andert sich der Aufenthaltsort der Eisenkugel wegen der großen Masse nicht. Der Aufenthaltsort w¨are exakt bestimmbar. Ber¨ucksichtigt man die Unsch¨arferelation, so gelangt man zu dem Resultat, dass das Bohrsche Atommodell nicht korrekt sein kann, da so pr¨azise Aussagen u¨ ber Bahn und Impuls und damit u¨ ber die Geschwindigkeit eines Elektrons nicht gemacht werden k¨onnen. Beispiel: Die Geschwindigkeit des Elektrons im Wasserstoffatom betr¨agt im Grundzustand 2,18 · 106 m s−1. Die Unbestimmtheit der Geschwindigkeit ist ca. 104 m s−1 . Wie exakt l¨asst sich der Aufenthaltsort des Elektrons bestimmen? Δx = h/Δp = h/m · Δv = 6,63 · 10−34 kg m2 s−1 /9,1 · 10−31 kg · 104 m s−1 = 0,73 · 10−7 m = 73 nm (mit 1 J s = 1 kg m2 s−1 ) Die Unbestimmtheit des Ortes entspricht ca. 73 nm. Der 1. Bohrsche Radius des Wasserstoffs betr¨agt 0,053 nm. Das bedeutet, dass die Unsch¨arfe des Aufenthaltsorts des Elektrons um den Faktor 1380 gr¨oßer ist als der Bohrsche Radius. Eine Bestimmung des Aufenthaltsortes des Elektrons ist demnach unm¨oglich.

2.4.3

Ergebnisse der Schr¨odingergleichung

Die Kenntnis u¨ ber das Wellenverhalten der Elektronen und die Unsch¨arferelation lieferten den Ansatz f¨ur ein neues Atommodell. Die Bohrschen Elektronenbahnen mit genau definiertem Radius und Energieinhalt werden zu dreidimensionalen R¨aumen, in denen sich die Elektronen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an bestimmten Orten aufhalten. Diese Elektronenaufenthaltsbereiche nennt man Atomorbitale (Abk¨urzung AO, engl.: orbit = Raum, s. Kap. 2.4.4). Die Elektronen k¨onnen sich in verschiedenen Orbitalen unterschiedlicher Energie aufhalten. Betrachtet man ein Elektron als eindimensionale, zeitunabh¨angige, stehende Welle, so l¨asst sich ein Vergleich mit der schwingenden Saite einer Geige oder einem schwingenden Seil ziehen. Die Amplitude der Welle am Ort x ist gegeben durch die Wellenfunktion Ψ. Ψn = sin π · n · x mit n = 1, 2, 3, . . .

16

2 Atome

Ψ3

x

n=3

Abbildung 2.9: Stehende Welle einer schwingenden Saite

Das Quadrat der Wellenfunktion Ψ, Ψ2 , ist ein Maß f¨ur die Ladungsdichte. Die Verteilung der Ladung kann man sich als eine Art negative ,,Ladungswolke“ vorstellen. Diese Wolken besitzen, an den Stellen, an denen sich die Elektronen am h¨aufigsten aufhalten, die gr¨oßte Ladungsdichte; d.h. an den Wellenb¨auchen findet man die gr¨oßte Elektronendichte. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit ist hier am gr¨oßten. Eine stehende Welle hat Knotenpunkte, an denen die Amplitude den Wert Null hat. An diesen Punkten ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons gleich Null. Zur Beschreibung einer eindimensionalen Welle gen¨ugt die Zahl n (s. Abb. 2.9). Komplizierter wird die Berechnung einer dreidimensionalen Welle. Man ben¨otigt schon drei Zahlen n, l und m. An die Stelle der Knotenpunkte im eindimensionalen Bereich, treten dann Knotenfl¨achen. Die von E. Schr¨odinger 1926 f¨ur eine dreidimensionale stehende Welle formulierte Gleichung, beschreibt den zeitunabh¨angigen Zustand eines Elektrons im Wasserstoffatom. In der Schr¨odingergleichung wird ein Zusammenhang zwischen der Wellenfunktion Ψ des Elektrons, seiner Energie und den Raumkoordinaten x, y und z hergestellt.

2.4 Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur

17

Das Ordnungsprinzip der Elektronen eines Atoms beruht auf energetischen Aspekten. Elektronen besitzen definierte Energieinhalte und k¨onnen somit nur bestimmte Energier¨aume einnehmen. In den mathematischen L¨osungen der Schr¨odingergleichung werden diese definierten Energier¨aume der Elektronen durch ganze Zahlen, die sogenannten Quantenzahlen n, l und m, codiert.

2.4.4

Atomorbitale und Quantenzahlen

In diesem Kapitel befassen wir uns mit folgenden Fragen: Wie sehen die Aufenthaltsr¨aume (Orbitale) der Elektronen aus? Wieviele gibt es? Haben sie unterschiedliche Energien? Wie lassen sich die Elektronen in die verschiedenen Orbitale einordnen? Energie l¨asst sich auch im atomaren Bereich nicht kontinuierlich, sondern nur in bestimmten Energieportionen, den Energiequanten u¨ bertragen. Die Energiezust¨ande der Elektronen sind ebenfalls gequantelt. Jedes diskrete Energieniveau eines Elektrons wird durch vier Quantenzahlen beschrieben. Die Hauptquantenzahl n, die Nebenquantenzahl l, die Magnetquantenzahl m und zus¨atzlich die Spinquantenzahl s. F¨ur diese Quantenzahlen m¨ussen folgende Bedingungen erf¨ullt sein: 1. Hauptquantenzahl n: n = 1, 2, 3, 4 usw. Fr¨uher hat man die Hauptquantenzahl entsprechend den Bohrschen Bahnen mit den Buchstaben K, L, M, N usw. bezeichnet; s. Abb. 2.7. Unter einer Bohrschen Energiebahn (= Schale) versteht man die Summe aller Orbitale mit derselben Hauptquantenzahl. Man spricht deshalb f¨ur n = 1 von der K-Schale usw. Die Hauptquantenzahl n nimmt ganzzahlige positive Werte an. Sie entspricht gleichzeitig der Nummer der Periode im Periodensystem (s. Kap. 3.1). Den Elektronen eines Elements der ersten Periode kann man demnach die Hauptquantenzahl n = 1 zuordnen. Je gr¨oßer n ist, umso gr¨oßer ist der mittlere Abstand des Elektrons vom Atomkern. Mit zunehmender Hauptquantenzahl nimmt die potentielle Energie des Elektrons zu. Gleichzeitig werden die Elektronen weniger stark vom Kern angezogen. 2. Nebenquantenzahl l: l = 0, 1, 2, 3, . . . (n − 1) Die Nebenquantenzahl l kann die Werte 0, 1, 2, 3, 4 bis maximal n − 1 annehmen. Statt der Zahlen 0, 1, 2, 3 usw. werden die Buchstaben s, p, d, f , g usw. benutzt. Auf diese Weise kann man Hauptquantenzahl und Nebenquantenzahl miteinander kombinieren. Die Nebenquantenzahl l gibt die Form des Orbitals an. s-Orbitale sind kugelf¨ormig (s. Abb. 2.10). p-Orbitale besitzen die Form einer Hantel (s. Abb. 2.11) und d-Orbitale sind rosettenf¨ormig (s. Abb. 2.12). Die f -Orbitale zeigen noch kompliziertere r¨aumliche Strukturen. Jedes Orbital kann mit maximal zwei Elektronen besetzt werden. Wasserstoff ist das erste Element der ersten Periode. F¨ur das Elektron des Wasserstoffatoms im Grundzustand gilt n = 1. Daraus folgt, dass l = 0 ist. Die exakte Energiezustandsbezeichnung f¨ur das Elektron w¨are demnach 1s; d.h. das Elektron des Wasserstoffs h¨alt sich in einem 1sOrbital auf. Die Elektronenh¨ulle des zweiten Elements Helium enth¨alt zwei Elektronen. Auch

18

2 Atome

das zweite Elektron findet Platz im 1s-Orbital. Die Anzahl der Elektronen bringt man durch einen Exponenten zum Ausdruck. 1s2 bedeutet, dass das 1s-Orbital mit zwei Elektronen besetzt ist. Das Heliumatom besitzt zwei 1s-Elektronen. y z

x

Abbildung 2.10: s-Orbital

F¨ur n = 3 kann die Nebenquantenzahl l die Werte 0, 1 und 2 annehmen. Das heißt in diesem Fall, dass zur Hauptquantenzahl n = 3, drei verschiedene Orbitalarten geh¨oren: s-, p- und d-Orbitale. 3. Magnetquantenzahl m: Das Elektron als bewegtes, geladenes Teilchen verh¨alt sich wie ein kleiner Magnet, wenn es in ein a¨ ußeres Magnetfeld gebracht wird. Die m¨oglichen Orientierungen, die es in diesem Magnetfeld einnehmen kann, werden durch die Magnetquantenzahl beschrieben. Die Magnetquantenzahl beschreibt die Lage der Orbitale im Raum relativ zur Richtung des Magnetfeldes. m = +l . . . 0 . . . − l Die Magnetquantenzahl kann ganzzahlige Werte von (+l) bis (−l) annehmen. Insgesamt resultieren dabei (2 l + 1) Werte. F¨ur l = 0 existiert mit dem Wert m = 0 nur ein s-Orbital (1 Wert f¨ur m). Da das s-Orbital kugelsymmetrisch ist, gibt es keine Vorzugsrichtung im Raum. F¨ur l = 1 mit m = +1, 0 und −1 (drei Werte f¨ur m) gibt es drei verschiedene Anordnungsm¨oglichkeiten der Orbitale, entsprechend der senkrecht aufeinander stehenden Raumkoordinaten x, y und z. Man bezeichnet sie deshalb auch als px , py und pz -Orbitale. Abbildung 2.11 zeigt die hantelf¨ormigen p-Orbitale, px , py und pz : Die drei p-Orbitale besitzen die gleiche Energie und k¨onnen nicht voneinander unterschieden werden. Orbitale einer Hauptquantenzahl gleicher Energie bezeichnet man als entartet. Den rosettenf¨ormigen d-Orbitalen (l = 2) mit m = +2, +1, 0, −1 und −2 sind die f¨unf Orbitalbezeichnungen dxy , dxz , dyz , dx2 −y2 und dz2 zugeordnet (s. Abb. 2.12). Die dxy -, dxz - und dyz Orbitale zeigen die gleiche Form. Sie liegen auf den Winkelhalbierenden der jeweiligen Ebene. Das dx2 −y2 -Orbital liegt auf den x- und y-Achsen. Das dz2 -Orbital liegt rotationsymmetrisch

2.4 Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur z

19 z

x

z

x

x

y pz

y py

y px

Abbildung 2.11: Gestalt und r¨aumliche Anordnung von p-Orbitalen

zur z-Achse. Obwohl das dz2 -Orbital eine andere Form besitzt, ist es den anderen d-Orbitalen v¨ollig gleichwertig und nicht zu unterscheiden. Die unterschiedliche Gestalt der Orbitale beruht ja lediglich auf mathematischen Berechnungen. Auch die f¨unf d-Orbitale sind entartet.

Abbildung 2.12: Gestalt und r¨aumliche Anordnung von d-Orbitalen

4. Spinquantenzahl s: s = + 12 , − 12 Um den Energiezustand eines Elektrons vollst¨andig zu beschreiben, muss eine weitere Quans, eingef¨uhrt werden. Die Spinquantenzahl s nimmt die Werte  dieSpinquantenzahl  tenzahl, + 12 oder − 12 an. Das Elektron wird als eine um sich selbst kreisende Ladung (engl.: to spin = sich drehen) betrachtet. Durch diese angenommene Eigenrotation wird ein elektrischer Strom und damit ein Magnetfeld erzeugt. Der Spin beschreibt die zwei Lagem¨oglichkeiten der Rotationsachse des rotierenden Elektrons. Die Gesamtzahl der Orbitale pro Hauptquantenzahl errechnet sich nach n2 . Da jedes Orbital maximal zwei Elektronen (s. Tabelle 2.3) aufnehmen kann, existieren zu jeder Hauptquantenzahl maximal 2n2 Elektronen. Eine detaillierte Zusammenfassung u¨ ber die verschiedenen Quantenzust¨ande ist in Tabelle 2.4 zusammengestellt.

20

2 Atome

Tabelle 2.3: Maximale Zahl der Elektronen und Orbitale f¨ur die Hauptquantenzahl n n

n2

Anzahl der Orbitale

1 2 3 4 usw.

1 4 9 16

1s 1s, 3p 1s, 3p, 5d 1s, 3p, 5d, 7 f

2n2 (Maximale Elektronenzahl) 2 8 18 32

Tabelle 2.4: Zusammenfassung der verschiedenen Quantenzust¨ande n

l

m

s

Orbital

1

0

0

+ 12 , − 12

1s

2

0 +1, 0, −1

+ 12 , − 12 + 12 , − 12

2s 2p

2 6

3s 3p 3d

2 6 10

4s 4p 4d 4f

2 6 10 14

2 2

0 1

3 3 3

0 1 2

0 +1, 0, −1 +2, +1, 0, −1, −2

+ 12 , − 12 + 12 , − 12 + 12 , − 12

4 4 4 4

0 1 2 3

0 +1, 0, −1 +2, +1, 0, −1, −2 +3, +2, +1, 0, −1, −2, −3

+ 12 , − 12 + 12 , − 12 + 12 , − 12 + 12 , − 12

Anzahl Elektronen

Schale Bahn

2

K

8

L L

18

M M M

32

N N N N

Vereinbarungsgem¨aß beginnt man bei der Zuordnung der Quantenzahlen mit den positiven Werten f¨ur m und s. Um die Quantenzahlen f¨ur die Elektronen eines Atoms festzulegen, m¨ussen das Pauli-Prinzip und die Hundsche Regel beachtet werden. Pauli-Prinzip: In einem Orbital k¨onnen sich maximal zwei Elektronen aufhalten. Elektronen d¨urfen nie in allen Quantenzahlen u¨ bereinstimmen. Falls n, l und m gleich sind, muss der Spin unterschiedlich sein. Durch die entgegengesetzt gerichteten Spins heben sich die magnetischen Eigenschaften auf. Man spricht in diesem Fall von gepaarten Elektronen. Auf diese Weise wird ein energie¨armerer Zustand erreicht. In Tabelle 2.5 sind die Quantenzahlen der ersten zehn Elemente des Periodensystems aufgef¨uhrt. Wasserstoff als das erste Element der ersten Periode besitzt ein Elektron mit der Hauptquantenzahl n = 1. Die Nebenquantenzahl l und die Magnetquantenzahl m haben den Wert 0. Die Spinquantenzahl nimmt den Wert + 12 an. Beim zweiten Element Helium muss das PauliPrinzip angewendet werden.

2.4 Orbitalmodell: Entwicklung und Struktur

21

Tabelle 2.5: Quantenzahlen der ersten 10 Elemente Ordnungszahl/ Elektronenzahl

Element

n

l

m

s

Orbital 1s 1s

(Pauli-Prinzip) (Pauli-Prinzip)

1 2

H He

1 1

0 0

0 0

+ 12 − 12

3 4

Li Be

2 2

0 0

0 0

+ 12 − 12

2s 2s

5 6 7

B C N

2 2 2

1 1 1

+1 0 −1

+ 12 + 12 + 12

2px 2py 2pz

(Hundsche Regel)

8 9 10

O F Ne

2 2 2

1 1 1

+1 0 −1

− 12 − 12 − 12

2px 2py 2pz

(Hundsche Regel)

Die beiden Elektronen des Heliums stimmen in den Quantenzahlen n, l und m u¨ berein. Also muss mindestens die Spinquantenzahl s verschieden sein. Das zweite Elektron des Heliums erh¨alt den Wert s = − 12 . Die Aufstellung der Quantenzahlen f¨ur die folgenden Elemente Lithium, Beryllium und Bor erfolgt nach dem gleichen Verfahren. Zur Bestimmung der Spinquantenzahl s der 2p-Elektronen des Elements Kohlenstoff muss die Hundsche Regel beachtet werden.

Hundsche Regel: Orbitale gleicher Energie werden zun¨achst einfach besetzt. Der Spin der Elektronen ist parallel; d.h. die Spinquantenzahl s ist f¨ur alle gleich. Die Hundsche Regel ist eine direkte Folge der elektrostatischen Abstoßung, die durch die negativ geladenen Elektronen hervorgerufen wird. Durch die Anwendung der Hundschen Regel haben die Elektronen den gr¨oßtm¨oglichen Abstand voneinander. Sind alle Orbitale mit einem Elektron besetzt, werden die Orbitale mit jeweils einem weiteren Elektron entgegengesetzten Spins aufgef¨ullt. Die Betrachtung der u¨ bereinanderliegenden hantelf¨ormigen 2p-Orbitale in Abbildung 2.13 l¨asst erkennen, dass eine symmetrische Verteilung negativer Ladung, die sich durch halb- (beim Stickstoffatom) oder vollbesetzte Orbitale (beim Neonatom) ergibt, einen besonders stabilen, und damit energiearmen Zustand ergibt. Als Konsequenz der Hundschen Regel erhalten die p-Elektronen des Kohlenstoffatoms und des Stickstoffatoms die Spinquantenzahl + 12 . Im Stickstoffatom sind dann alle p-Orbitale einfach besetzt. Dem vierten p-Elektron des Sauerstoffatoms wird dann die Spinquantenzahl − 12 zugeordnet. Bei den Elementen Fluor und Neon werden dann die verbleibenden 2p-Orbitale mit Elektronen der Spinquantenzahl − 12 aufgef¨ullt.

22

2 Atome

Abbildung 2.13: Gesamtdarstellung der 2p-Orbitale

2.5

Aufbauprinzip der Elektronenschalen

Ein ungeladenes Atom weist in seiner H¨ulle genauso viele Elektronen auf, wie Protonen im Kern vorhanden sind. Jedes Elektron besitzt dabei seinen eigenen exklusiven Satz von Quantenzahlen. Die Elektronen werden nach bestimmten Regeln auf die verschiedenen Energieniveaus (oder Schalen) verteilt. Mit steigender Kernladungszahl wird das jeweils hinzukommende Elektron in das energetisch niedrigste, noch besetzbare Energieniveau eingebaut. Diese Anordnung der Elektronen nennt man Elektronenkonfiguration. Da jede Schale mit der Hauptquantenzahl n dabei h¨ochstens 2n2 Elektronen aufnehmen kann, wird das erste Energieniveau (n = 1) mit maximal 2 Elektronen besetzt. Im zweiten Energieniveau finden maximal 8 Elektronen, im dritten maximal 18 und im vierten maximal 32 Platz. In Abb. 2.14 sind die Energien der Atomorbitale und die Reihenfolge der Besetzung veranschaulicht. Die Energie nimmt mit der Hauptquantenzahl n zu. F¨ur die Einordnung der Elektronen in die verschiedenen Orbitale existieren drei Grundregeln: 1. Die Elektronen eines Atoms befinden sich in der Regel im Grundzustand; d.h. in einem Zustand der niedrigsten potentiellen Energie. Bei der Besetzung werden die niedrigsten Energieniveaus zuerst belegt. 2. Zwei Elektronen desselben Orbitals besitzen immer eine entgegengesetzte Spinrichtung (Anwendung des Pauli-Prinzips). 3. Entartete Orbitale werden zuerst einfach besetzt. Der Spin dieser Elektronen ist gleichgerichtet (Anwendung der Hundschen Regel). Zur Veranschaulichung der Besetzung der einzelnen Energieniveaus benutzt man h¨aufig ein Energiediagramm wie in Abb. 2.15.

2.5 Aufbauprinzip der Elektronenschalen

23

Abbildung 2.14: Energieniveauschema h¨oherer Atome

E

2p 2s 1s

Abbildung 2.15: Energiediagramm f¨ur das Element Bor mit der Ordnungszahl 5

In einem solchen Diagramm wird jedes Orbital durch einen waagerechten Strich symbolisiert. Jedes Elektron wird durch einen senkrechten Pfeil dargestellt, der aufw¨arts ↑ oder abw¨arts ↓ weist, was den Spin des Elektrons repr¨asentieren soll. Als Beispiel soll die Elektronenkonfiguration eines Boratoms mit 5 Elektronen diskutiert werden: Das erste Energieniveau (n = 1) umfasst 2·12 = 2 Elektronen; im zweiten Energieniveau (n = 2) k¨onnen 2 · 22 = 8 Elektronen Platz finden. Je ein Elektronenpaar besetzt die 1s und 2s-Orbitale. Das f¨unfte Elektron besetzt dann eines der 2p-Orbitale, die ja entartet, also energiegleich sind. Die Elektronenkonfiguration f¨ur ein Boratom im Grundzustand lautet demnach: 1s2 2s2 2p1 (Anwendung des Energie- und des Pauli-Prinzips).

24

2 Atome

Am Beispiel der Elektronenkonfiguration des Stickstoffatoms in Abbildung 2.16 sollen das Energie- und das Pauli-Prinzip, sowie die Hundsche Regel angewendet werden. Die Elektronen der Hauptquantenzahl n = 1 werden zuerst eingeordnet; dann m¨ussen f¨unf Elektronen der Hauptquantenzahl n = 2 auf die entsprechenden Orbitale verteilt werden. Zwei Elektronen werden dem 2s-Orbital zugeordnet. Die restlichen drei Elektronen besetzen jeweils ein 2p-Orbital. Die Elektronenkonfiguration lautet: 1s2 2s2 2p3 . E

2p 2s 1s

Abbildung 2.16: Energiediagramm f¨ur die Elektronen des Stickstoffatoms

Die Bestimmung der Elektronenkonfiguration von Ionen wird in analoger Weise durchgef¨uhrt. Die Elektronenkonfiguration eines Lithiumatoms lautet 1s2 2s1 . Daraus ergibt sich f¨ur das Lithiumkation (Li+ ) die Elektronenkonfiguration 1s2 . Dem Li+ -Ion wird das Elektron mit der h¨ochsten Energie entzogen. Das Lithiumkation besitzt die Elektronenkonfiguration des Heliumatoms. Teilchen mit der gleichen Elektronenkonfiguration, aber unterschiedlicher Zahl an Kernbausteinen bezeichnet man als isoelektronisch. Beispiele f¨ur isoelektronische Teilchen mit der Elektronenkonfiguration 1s2 sind He, Li+ , Be2+ und H− . Die Bestimmung der Elektronenkonfiguration f¨ur Atome des Elements Argon gelingt mit den aufgef¨uhrten Regeln ohne Probleme. Die Elektronenkonfiguration lautet: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 . Die Edelgase Helium, Neon, Argon usw. zeichnen sich dadurch besonders aus, dass sie eine extrem hohe Stabilit¨at aufweisen und eine geringe Neigung zeigen, chemische Reaktionen einzugehen. Die Elektronenkonfiguration der Edelgase mit einer vollbesetzten, abgeschlossenen Schale wird daher von vielen Atomen in ihren Ionen und Verbindungen angestrebt. Man bezeichnet diese Elektronenanordnung als Edelgaselektronenkonfiguration. In einer Kurzschreibweise werden die Elektronenkonfigurationen der Elemente angegeben, indem man sich auf das vorher im Periodensystem stehende Edelgas bezieht, und dessen Elementsymbol in eckige Klammern schreibt.

2.5 Aufbauprinzip der Elektronenschalen

25

Beispiele: Be: [He] 2s2

und Al: [Ne] 3s2 3p1

Das Auff¨ullen der Orbitale nach den drei Aufbauregeln soll nun am Beispiel des Kaliumatoms ge¨ubt werden: Geht man vom 18. Element Argon zum 19. Element Kalium u¨ ber, so wird das 19. Elektron nicht in ein 3d-, sondern in ein 4s-Orbital eingeordnet. E 4s 3p

3s

2p 2s 1s

Abbildung 2.17: Energiediagramm f¨ur das Element Kalium mit der Ordnungszahl 19

Wie Abb. 2.14 zu entnehmen ist, liegt das 4s-Orbital energetisch unter den 3d-Orbitalen. Die vollst¨andige Elektronenkonfiguration ist demnach 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s1 . Die Elektronenkonfiguration des 20. Elements Calcium lautet 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s2 . Erst dann werden die 3d-Orbitale aufgef¨ullt. Deshalb zeigt Scandium die Elektronenanordnung 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 1 4s2 . Die Elektronenkonfiguration wird dabei nach steigender Hauptquantenzahl und nicht nach der Reihenfolge der Besetzung formuliert. Bei den Elektronenkonfigurationen von Nebengruppenelementen h¨oherer Perioden treten Abweichungen von den genannten Aufbauregeln auf. Die Hauptursache liegt darin begr¨undet, dass mit steigender Hauptquantenzahl n, die Energieunterschiede zwischen den Energieniveaus geringer werden. Eine wichtige Abweichungsregel beruht darauf, dass halb- oder vollbesetzte Orbitale eine niedrigere Energie aufweisen. Bei hantelf¨ormigen p-Orbitalen und rosettenf¨ormigen d-Orbitalen wird so eine symmetrische Ladungsverteilung und damit ein energie¨armerer Zustand erreicht. Die Elektronenkonfiguration eines Kupferatoms mit der Ordnungszahl 29 soll die Bevorzugung vollbesetzter d-Orbitale veranschaulichen. Das Einordnen der ersten 18 Elektronen erfolgt exakt nach den vorher erl¨auterten Regeln. So ergibt sich die Elektronenkonfiguration: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 .

26

2 Atome

Abbildung 2.18: Elektronenkonfiguration f¨ur die Elemente mit der Ordnungszahl 1–19

Die restlichen elf Elektronen m¨ussen dann auf das 4s und die 3d-Orbitale verteilt werden. Das Kupferatom besitzt f¨ur die restlichen elf Elektronen nicht die Konfiguration 3d 9 4s2 wie man erwarten sollte, sondern 3d 10 4s1 . Die vollst¨andige Elektronenkonfiguration lautet dann: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 10 4s1 . Eine Elektronenkonfiguration, die vollbesetzte 3d-Orbitale beinhaltet, ist in diesem Fall energetisch bevorzugt. Die Energieabfolge der Orbitale kann f¨ur Atome und Ionen besonders bei den Nebengruppen variieren. Bei der Ionisierung werden die Elektronen mit den h¨ochsten Haupt- und Nebenquantenzahlen zuerst abgegeben. Beispiel: Cu: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 10 4s1

aber Cu+ : 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 10

Da das 4s-Elektron energetisch h¨oher zu bewerten ist als die 3d-Elektronen, wird es als erstes bei der Ionisierung entfernt, so dass so ein energie¨armerer Zustand erreicht wird. Ein Beispiel f¨ur die bevorzugte Halbbesetzung der 3d-Orbitale ist die Elektronenkonfiguration des Elements Chrom der Ordnungszahl 24. Die Elektronenanordnung ist: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 5 4s1 (und nicht 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 4 4s2 ).

2.5 Aufbauprinzip der Elektronenschalen

27

Valenzelektronen der Hauptgruppenelemente sind die Elektronen der a¨ ußersten nicht abgeschlossenen Schale (Ausnahme Edelgase: Helium besitzt zwei und die anderen Edelgase besitzen acht Valenzelektronen). Beispiele:

Natrium und Arsen

Die Elektronenkonfiguration f¨ur ein Natriumatom lautet 1s2 2s2 2p6 3s1 . Das Alkalimetall Natrium besitzt ein 3s-Valenzelektron in der a¨ ußersten Schale. Die Elektronenkonfiguration des Valenzelektrons lautet demnach 3s1 . Arsenatome mit der Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s2 3d 10 4p3 besitzen f¨unf Valenzelektronen (zwei 4s- und drei 4p-Elektronen) mit der Elektronenkonfiguration 4s2 4p3 . Valenzelektronen der Nebengruppenelemente (s. d-Elemente, Kap. 3.1) umfassen die Elektronen der zwei a¨ ußersten nicht abgeschlossenen Schalen. Beispiel:

Titan

Die Elektronenkonfiguration eines Titanatoms lautet 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 2 4s2 . Titan besitzt vier Valenzelektronen. Die Elektronenkonfiguration der Valenzelektronen ist dann 3d 2 4s2 . Zu den Valenzelektronen der Lanthanoiden und Actinoiden (s. f -Elemente, Kap. 3.1) werden die Elektronen der drei a¨ ußersten Schalen (6s, 4 f und 5d f¨ur Lanthanoiden bzw. 7s, 5 f und 6d f¨ur Actinoiden) gerechnet.

¨ Ubungsaufgaben zu 2.1 1. Welche elementaren Teilchen enth¨alt a) der Atomkern und b) die Atomh¨ulle? 2. Was versteht man unter Massen- bzw. Nukleonenzahl eines Elements? 3. Was gibt uns die Kernladungszahl an? 232 4. Gegeben sind folgende Elementsymbole: 45 21 Sc, 90 Th und vielen Elementarbausteinen bestehen die Atome?

84 Kr. 36

Aus welchen und wie-

5. Mit Hilfe des Periodensystems sollen f¨ur die Elemente 12 C, 70 Ge, 72 Ge und 206 Pb folgende Angaben gemacht werden: Ordnungszahl, Protonenzahl, Neutronenzahl und Elektronenzahl. 6. Erl¨autern Sie den Rutherfordschen Streuversuch. Werden α -Strahlen durch eine Goldfolie oder eine Kupferfolie (gleiche Dicke vorausgesetzt) st¨arker abgelenkt?

28

2 Atome

zu 2.2 1. Was sind Isotope? 238 2. Wieviele Neutronen besitzen die Isotope 235 92 U und 92 U?

3. Ein Element besteht zu 60,1 % aus einem Isotop der relativen Atommasse 68,926 und zu 39,9 % aus einem Isotop der relativen Atomasse 70,925. Um welches Element handelt es sich?

zu 2.3 1. In welchem Teil des Atoms ereignen sich chemische Reaktionen? 2. Beschreiben Sie das Bohrsche Atommodell. Skizzieren sie es am Beispiel des Magnesiumatoms. 3. Welche Energie hat ein Lichtquant von rotem Licht der Wellenl¨ange 720 nm?

zu 2.4 1. Welche Wellenl¨ange entspricht einem Elektron, das auf einer Bahn im Wasserstoffatom nach der Bohrschen Theorie mit 2,18 · 106 m/s fliegt? (1 J s = 1 kg m2 s−1 ) 2. Was versteht man unter einem Orbital? 3. Wieviele Elektronen kann die dritte Schale maximal aufnehmen? 4. Was bezeichnet die Hauptquantenzahl in einem Atom? 5. Was versteht man unter dem Pauli-Prinzip? 6. Was besagt die Hundsche Regel? 7. Geben Sie die Quantenzahlen f¨ur jedes Elektron eines Aluminiumatoms an. 8. Wie lauten die Quantenzahlen der Valenzelektronen eines Fluoratoms?

zu 2.5 1. Zeichnen Sie ein Energieniveauschema f¨ur Atome von Chlor und Vanadium. 2. Welche Elektronenkonfiguration haben die Atome von Phosphor, Calcium und Titan? 3. Erl¨autern Sie den Begriff der Edelgaskonfiguration. 4. Welche Atomsorte besitzt die Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 10 4s2 ? 5. Geben Sie die Elektronenkonfiguration des Kaliumkations an. Nennen Sie isoelektronische Teilchen.

3

Periodensystem der Elemente

Jedes Element besitzt charakteristische physikalische und chemische Eigenschaften. Schon im 19. Jahrhundert wurde nach Zusammenh¨angen und Ordnungsprinzipien gesucht, um die Elemente nach bestimmten Gesetzm¨aßigkeiten in ein Schema einzugliedern. Das gelang mit dem Periodensystem der Elemente (PSE). Im folgenden Kapitel soll am Beispiel einiger sich periodisch a¨ ndernder Eigenschaften, wie Metallcharakter, Atomgr¨oße, Ionisierungsenergie, Elektronenaffinit¨at und Elektronegativit¨at, die Bedeutung des Periodensystems veranschaulicht werden. Als das Periodensystem 1869 aufgestellt wurde, waren erst 60 Elemente bekannt. Aus diesem Grund musste man beim Einordnen der Elemente in das PSE L¨ucken lassen. Sp¨ater fand man heraus, dass die vorhergesagten Eigenschaften der noch nicht entdeckten Elemente, erstaunlich gut mit den experimentell gefundenen Eigenschaften u¨ bereinstimmten. Von den bis heute bekannten 118 Elementen kommen 91 nat¨urlich vor. Von den nat¨urlich vorkommenden Elementen sind unter Normalbedingungen (273 K, 1 bar): 78 fest, zwei fl¨ussig (Brom und Quecksilber) und elf gasf¨ormig (Wasserstoff, die Edelgase, Stickstoff, Sauerstoff, Fluor und Chlor). 76 % aller Elemente sind Metalle. Die u¨ brigen Elemente sind radioaktive, also instabile oder durch Kernreaktionen k¨unstlich erzeugte Elemente (s. Kap. 4.2.1). Dazu geh¨oren das Element Technetium, mit der Ordnungszahl Z = 43, und die auf das Uran folgenden Elemente der Ordnungszahlen 93–109 (Transurane). Von den nat¨urlich vorkommenden Elementen sind Promethium (Z = 61), Polonium (Z = 84), Astat (Z = 85), Radon (Z = 86), Francium (Z = 87), Radium (Z = 88), Actinium (Z = 89), Thorium (Z = 90), Proactinium (Z = 91) und Uran (Z = 92) radioaktiv (s. Kap. 4.1.1). Ordnet man die Elemente nach steigender Ordnungszahl und untersucht die verschiedenen Eigenschaften der Elemente, so stellt man fest, dass sich viele Eigenschaften nicht kontinuierlich, sondern periodisch a¨ ndern. Bez¨uglich der physikalischen und chemischen Eigenschaften lassen sich Minima und Maxima beobachten. Solche Eigenschaften sind beispielsweise Brechungsindex, Schmelzpunkt, Siedepunkt, L¨oslichkeit, Bildungsw¨arme, W¨armeausdehnungskoeffizient, Ionisierungsenergie, chemisches Reaktionsverhalten, Oxidations- und Reduktionsverm¨ogen und viele andere. Ferner stellte man fest, dass sich beispielsweise Elemente wie Lithium und Natrium bzw. Neon und Argon a¨ hnlich verhalten. Man begann daher, die Elemente so zu ordnen (siehe Abb. 3.1), dass diejenigen mit vergleichbaren Eigenschaften untereinander stehen. So entstand ein Schema, in dem die Elemente in Zeilen und Spalten angeordnet sind.

30

3 Periodensystem der Elemente

→ Zeilen 1 H.................................................................................2He 3 Li........4 Be.......5 B.......6 C.......7 N......8 O.........9F.......10 Ne 11 Na...12 Mg....13 Al.....14 Si......15 P......16 S......17 Cl.......18 Ar usw.

Spalten ↓

Abbildung 3.1: Anordnung der Elemente in Zeilen und Spalten

3.1

Perioden und Gruppen

Das Periodensystem wie es in Abb. 3.2 wiedergegeben ist, geht auf D. Mendelejew und L. Meyer zur¨uck. Beide entdeckten 1869 gleichzeitig, aber unabh¨angig voneinander, dass sich die Eigenschaften der bis dahin bekannten 60 Elemente mit steigender Atommasse periodisch a¨ ndern. Sie ordneten die Elemente erstmals so an, dass eine horizontale Anordnung nach steigender relativer Atommasse und eine vertikale Anordnung nach a¨ hnlichen Eigenschaften vorlag. Die horizontale Anordung der Elemente mit zunehmender Ordnungszahl, die in einer Zeile stehen, nennt man eine Periode. Die Nummer der Periode gibt auch gleichzeitig die Nummer der h¨ochsten Schale bzw. die Hauptquantenzahl an. Die vertikale Anordnung der Elemente, die un¨ tereinander stehen, nennt man eine Gruppe. Die Ahnlichkeit der Eigenschaften der Elemente einer Gruppe ist bedingt durch die gleiche Zahl an Valenzelektronen, also der Außenelektronen, die f¨ur chemische Reaktionen zur Verf¨ugung stehen. Jede durch die Ordnungszahl Z charakterisierte Atomsorte besitzt ein eigenes Namenszeichen, das sogenannte Elementsymbol. Dabei wird unten links die Ordnungszahl und oben links die relative Atommasse angegeben. Beim ersten Element mit der Ordnungszahl Z = 1, dem Wasserstoff, beginnend, wird durch jeweiliges Hinzuf¨ugen einer Kernladung ein neues Element erhalten. Die Elemente werden also mit zunehmender Kernladung im Periodensystem zusammengefasst. Das Periodensystem besteht aus sieben Perioden. Es wird in acht Hauptgruppen und acht Nebengruppen unterteilt. Diese Einteilung erfolgt gem¨aß dem Aufbau der Elektronenh¨ullen der jeweiligen Elemente. Die einzelnen Gruppen werden mit den r¨omischen Ziffern I bis VIII durchnummeriert. Zur Unterscheidung werden hier die Nebengruppen mit dem Buchstaben a gekennzeichnet. 1. Hauptgruppen Elemente der Hauptgruppen zeichnen sich dadurch aus, dass nur s- oder p-Außenelektronen vorhanden sind, und sie keine d-Elektronen als Valenzelektronen besitzen. Die Zahl der Valenzelektronen entspricht der Gruppennummer. Beispiel: Elemente der f¨unften Hauptgruppe besitzen daher f¨unf Valenzelektronen. Die Zahl der Valenzelektronen, die bei Elementen einer Hauptgruppe gleich ist, bestimmt daher auch im Wesentlichen die Eigenschaften der Elemente. Die maximalen positiven Oxidationstufen (maximale Zahl der abgegebenen Elektronen) lassen sich aus der Gruppennummer des Elements ableiten. Die Elemente der 1. Hauptgruppe (I), Li, Na, K, Rb, Cs und Fr, besitzen nur ein Valenzelektron und heißen Alkalimetalle (Ausnahme Wasserstoff) und sind alle sehr reaktionsf¨ahig. Das gilt

31

(277)

(287)

(289)

(288)

(289)

(293)

(294)

3.1 Perioden und Gruppen

Abbildung 3.2: Das Periodensystem der Elemente

32

3 Periodensystem der Elemente

auch f¨ur die Elemente der 2. Hauptgruppe (II), die Erdalkalimetalle (Be, Mg, Ca, Sr, Ba und Ra). Die Erdalkalimetalle haben zwei Valenzelektronen. Die anderen Hauptgruppen umfassen folgende Elemente: 3. Erdmetalle (III): B, Al, Ga, In, Tl, Uut 4. Kohlenstoffgruppe (IV): C, Si, Ge, Sn, Pb, Fl 5. Stickstoffgruppe (V): N, P, As, Sb, Bi, Uup 6. Chalkogene (Erzbildner, VI): O, S, Se, Te, Po, Lv 7. Halogene (Salzbildner, VII): F, Cl, Br, I, At, Uus 8. Edelgase (VIII): He, Ne, Ar, Kr, Xe, Rn, UuO Die dritte Hauptgruppe bezeichnet man auch als Erdmetalle. Die sechste Hauptgruppe bezeichnet man als Chalkogene (Erzbildner), weil viele Elemente in der Erdrinde als Oxide, Sulfide, und Selenide vorkommen. Die Elemente der siebten Hauptgruppe nennt man Halogene (Salzbildner), da die Halogene in den wichtigsten Salzen und Ionenverbindungen als Anion vorkommen. 2. Nebengruppen Wie im Kap. 2.5 beschrieben, besitzen die Elemente der Nebengruppen keine p-Valenzelektronen. Sie k¨onnen aber s-, d- und f -Valenzelektronen aufweisen. Alle Elemente der Nebengrup¨ pen sind Metalle. Die Nebengruppenelemente bezeichnet man auch als Ubergangselemente. Bei den Nebengruppenelementen gibt es keine eindeutige Definition der Valenzelektronen. Die Elemente der Nebengruppen geben bei chemischen Reaktionen immer Elektronen ab, werden also zu Kationen. Zu den d-Elementen geh¨oren die Elemente mit den Ordnungszahlen 21–30, 39–48, 57, 72–80, 89 und 104–112. Eine Sonderstellung unter den Nebengruppenmetallen nehmen die sogenanten f -Elemente ein. Elemente, bei denen die 4 f - bzw. 5 f -Orbitale nacheinander mit Elektronen besetzt werden, unterscheiden sich quasi nur in der dritt¨außersten Schale. Sie sind sich chemisch sehr a¨ hnlich, da sich die Elektronen der einzelnen Orbitale aufgrund des geringen energetischen Unterschiedes gleichermaßen an chemischen Reaktionen beteiligen k¨onnen. Man bezeichnet die Elemente der Ordnungszahlen 58 bis 71 als Lanthanoiden und die Elemente der Ordnungszahlen 90 bis 103 als Actinoiden. Die Elemente der Actinoiden werden vorwiegend k¨unstlich hergestellt; Lanthanoiden und Actinoiden werden im Periodensystem meist separat aufgef¨uhrt. Das Vorkommen verschiedener Ionisationsstufen tritt besonders bei den Metallen der d- und f -Elemente auf. Wie sind nun die Nebengruppen aufgebaut? Das Element Calcium mit der Ordnungszahl 20 geh¨ort zur zweiten Hauptgruppe. Die erste Nebengruppe beginnt nicht beim 21. Element (Scandium) sondern beim Element Kupfer mit der Ordnungszahl 29. Die erste Nebengruppe (Ia) umfasst die Elemente Kupfer, Silber, Gold und R¨ontgenium. Die ersten drei Metalle hat man fr¨uher auch als Munzmetalle ¨ bezeichnet. Die zweite Nebengruppe (IIa) beinhaltet die Elemente Zink, Cadmium, Quecksilber und Copernicium. Eine Erkl¨arung f¨ur die Zuordnung dieser Elemente in die 1. bzw. 2. Nebengruppe liefert ihre Elektronenkonfiguration.

3.2 Periodizit¨at der Eigenschaften

33

Die Elektronenkonfigurationen f¨ur ein Kupferatom bzw. ein Zinkatom lauten: Cu: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 10 4s1

bzw. Zn: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 10 4s2 .

Die 3d-Orbitale sind gef¨ullt. Als Valenzelektronen stehen in erster Linie nur die 4s-Elektronen zur Verf¨ugung. Deshalb erfolgt die Einordnung von Kupfer und Zink und ihren h¨oheren Gruppenmitgliedern in die 1. bzw. 2. Nebengruppe. Das Element Scandium geh¨ort zur 3. Nebengruppe (IIIa), da drei Valenzelektronen mit der Elektronenkonfiguration 3d 1 4s2 vorliegen. Die Einordnung der auf das Scandium folgenden Elemente bis zur siebten Nebengruppe erfolgt in analoger Weise. In den meisten F¨allen entspricht die maximale Oxidationstufe, d.h. die maximal abzugebende Elektronenzahl, auch bei den Nebengruppenelementen der Gruppennummer. Die 8. Nebengruppe (VIIIa) weist eine Besonderheit auf. In ihr werden die Elemente Eisen, Cobalt, Nickel mit jeweils sechs, sieben und acht d-Elektronen und ihre h¨oheren Gruppenmitglieder zusammengefasst. Diese Einteilung r¨uhrt daher, dass die im PSE nebeneinander stehenden Elemente Eisen, Cobalt und Nickel sehr a¨ hnliche Eigenschaften besitzen und daher fr¨uher als 8. Nebengruppe betrachtet wurden. Die h¨ochste positive Oxidationsstufe wird von den Elementen der Nebengruppen Ia bis VIIa erreicht. Mangan kann also die Oxidationstufe +7 bilden. Die h¨ochste Oxidationsstufe +8 (Abgabe von acht Valenzelektronen) wird nur von h¨oheren Elementen der Gruppe VIIIa erreicht. Osmium kann acht Elektronen abgeben (z.B. in OsO4 ) w¨ahrend vom Eisen (Cobalt und Nickel) eine so hohe Oxidationsstufe nicht bekannt ist. Eine Erkl¨arung liefert der Verlauf der Ionisierungsenergien in Abh¨angigkeit von der Gr¨oße der Atome (s. Kap. 3.2.3).

3.2

Periodizit¨at der Eigenschaften

Die wichtigsten Eigenschaften der Elemente, die sich periodisch a¨ ndern, sollen nun kurz erl¨autert werden. In einer Periode soll der Verlauf von links nach rechts und in einer Gruppe von oben nach unten betrachtet werden.

3.2.1

Atom- und Ionenradien

Der Radius eines Atoms nimmt mit der Hauptquantenzahl zu. Innerhalb einer Gruppe steigen deshalb die Atomradien erwartungsgem¨aß von oben nach unten. Die Alkalimetalle besitzen besonders große Atomradien. Der Atomradius vergr¨oßert sich um eine Bohrsche Bahn (s. Abb. 3.3) In einer Periode nehmen bei den Hauptgruppenelementen die Atomradien von der 1. bis zur 7. Hauptgruppe von links nach rechts ab. Eine Erkl¨arung daf¨ur liefert die in einer Periode von links nach rechts zunehmende Kernladung. Das Berylliumatom besitzt eine h¨ohere Kernladung als das Lithiumatom. Die Bohrsche Bahn bleibt gleich (n = 2), aber die Elektronen des Berylliums werden von dem Atomkern h¨oherer Ladung st¨arker angezogen. Als Resultat ergibt sich ein kleinerer Atomradius. F¨ur d- und f -Elemente ist kein kontinuierlicher Gang der Radien zu beobachten.

34

3 Periodensystem der Elemente

Li

Na

Cs

Be

Abbildung 3.3: Bohrsche Bahnen von Li, Be, Na und Cs

Abbildung 3.4: Atomradien der Hauptgruppenelemente in pm (10−12 m)

Wie zu erwarten, verkleinern sich die Radien der Atome bei der Kationen- und vergr¨oßern sich bei der Anionenbildung. Beispiele: Na (191 pm)



Na+ (95 pm)

+ e−

F (72 pm)

+ e− →

F− (136 pm)

Die Bildung eines Natriumkations kann man sich so vorstellen, dass die a¨ ußere Bahn (n = 3) wegf¨allt (s. Abb. 3.5). Die Anziehung des Kerns wirkt sich nur noch auf zehn Elektronen aus. Der Radius verkleinert sich. Umgekehrt verh¨alt es sich bei der Anionenbildung. Durch die Aufnahme eines Elektrons vergr¨oßert sich das Fluoratom auf 136 pm. Die Ionenradien von Na+ und F− beziehen sich auf die Anordnung der Ionen in einem Kristallgitter. Jedes Ion ist von entgegengesetzt geladenen Ionen umgeben (s. Kap. 5.2). Die Radien isoelektronischer Kationen und Anionen nehmen innerhalb einer Periode von links nach rechts ab und nehmen in einer Gruppe von oben nach unten zu. Kationen Anionen Na+ > Mg2+ > Al3+ > Si4+ und N3− > O2− > F− Radius (in pm): 95

65

50

41

171

140

136

Man beachte, dass die angegebenen Radien nur Richtwerte darstellen, da eine exakte Messung der ,,freien“ Ionen nicht m¨oglich ist. Die wahren Atomradien, die man auch als van der Waals

3.2 Periodizit¨at der Eigenschaften

35 + Na

Na

– F

F

Abbildung 3.5: Bildung von Na+ und F−

Radien bezeichnet, sind nur eine theoretische Gr¨oße. Sie beziehen sich auf freie ,,ungest¨orte“ Atome, deren Elektronenh¨ullen nicht mit anderen Atomen in Wechselwirkung treten. Messbar sind sie, streng genommen, nur bei den Edelgasen oder ann¨ahernd in Kristallen von Metallen. Die real messbaren Atomradien sind in der Regel kleiner als die van der Waals Radien.

3.2.2

Metallcharakter

Der klassische Werkstoff f¨ur Ingenieure ist das Metall. Fr¨uher hat man die Elemente des Periodensystems nach Metallen, Halbmetallen und Nichtmetallen eingeteilt. Typische metallische Eigenschaften sind metallischer Glanz, eine gute W¨armeleitf¨ahigkeit, eine gute elektrische Leitf¨ahigkeit und die plastische Verformbarkeit (s. Kap. 5.3). Nichtmetalle zeichnen sich dadurch aus, dass sie den elektrischen Strom und W¨arme schlecht leiten. Nichtmetalle sind beispielsweise folgende Elemente: Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, die Halogene, Kohlenstoff, Phosphor, Schwefel und die Edelgase. Typische Halbmetalle sind Bor, Silicium, Germanium, Arsen, Selen, Antimon, Tellur und Bismut. Diese Elemente zeigen sowohl metallische (meist erst bei Erw¨armung!), wie auch nichtmetallische Eigenschaften. Li Na K Rb Cs

Be Mg Ca Sr Ba

B Al Ga In Tl Metalle

C Si Ge Sn Pb

N P As Sb Bi

O S Se Te

F Cl Br I

Ne Ar Kr Xe

Nichtmetalle

Halbmetalle

Abbildung 3.6: Metalle und Nichtmetalle im Periodensystem

Innerhalb der Perioden und Gruppen nimmt der Metallcharakter von links nach rechts ab und von oben nach unten zu. Metalle findet man deshalb bevorzugt links und unten (Alkalimetalle, Erdalkalimetalle, d- und f -Metalle) im Periodensystem. Nichtmetalle findet man bevorzugt im rechten oberen Teil (Halogene, Edelgase) des Periodensystems. Warum ist das so? Metalle geben bevorzugt Elektronen ab und werden zu Kationen, w¨ahrend Nichtmetalle bevorzugt

36

3 Periodensystem der Elemente

Elektronen aufnehmen und dabei zu Anionen werden. Die bevorzugte Kationenbildung der Metalle ist daher mit dem Gang der Ionisierungsenergien im PSE zu erkl¨aren. Metalle zeigen niedrige Ionisierungsenergien.

3.2.3

Ionisierungsenergie

Im Grundzustand eines Atoms nehmen die Elektronen den energie¨armsten Zustand ein. Durch die Zufuhr von W¨arme oder Licht kann ein Elektron Energie aufnehmen und in einen angeregten Zustand u¨ bergehen. Dieser Zustand ist energiereicher als der Grundzustand und somit instabiler. Nach ca. 10−8 Sekunden kehrt ein solches angeregtes Elektron, unter Abgabe der vorher aufgenommenen Energie, in den Grundzustand zur¨uck. Um ein Elektron (in der Gasphase) vollst¨andig aus der Elektronenh¨ulle zu entfernen, muss ein bestimmer, h¨oherer Energiebetrag aufgebracht werden. Diese Energie nennt man Ionisierungsenergie I1 . Durch die Aufnahme dieser Energie kann sich das Elektron soweit vom Atomkern entfernen, dass die Anziehungskraft durch den positiv geladenen Kern nicht mehr ausreicht und das Elektron das Atom verlassen kann. Auf diese Weise entsteht ein Kation (s. Abb. 3.5). Die Ionisierungsenergie h¨angt auch von der Ladung des Teilchens ab. Soll ein zweites Elektron von einem Atom entfernt werden, so ist die zweite Ionisierungsenergie I2 immer gr¨oßer als I1 , da dem bereits einfach positiv geladenen Teilchen ein weiteres Elektron entrissen werden muss. Daf¨ur muss ein h¨oherer Energiebetrag aufgebracht werden. Die Einheit der Ionisierungsenergie ist Elektronenvolt (eV). 1 eV entspricht der kinetischen Energie, die ein Elektron im Vakuum beim Durchlaufen einer Potentialdifferenz von 1 V erreicht. H¨aufig wird die Ionisierungsenergie in Joule angegeben. F¨ur die Umrechnung gilt: 1 eV = 1,602 · 10−19 J Beispiel: Die 1. Ionisierungsenergie f¨ur ein Berylliumatom betr¨agt 9,3 eV. Um das zweite Elektron zu entfernen (Bildung von Be2+ ) muss etwa der doppelte Energiebetrag aufgebracht werden. Be → Be+ + e− I1 = 9,3 eV

und

Be+ → Be2+ + e− I2 = 18,2 eV

Man beachte: W¨urde man ein drittes Elektron entfernen (Bildung von Be3+ ) und damit die Edelgaskonfiguration (abgeschlossene Schale) zerst¨oren, dann w¨are ein Energiebetrag von 153,9 eV zu erbringen. Die Ionisierungsenergie nimmt in einer Gruppe mit zunehmendem Atomradius von oben nach unten ab, w¨ahrend die Gr¨oße der Atome in einer Gruppe von oben nach unten zunimmt. Bei den h¨oheren Elementen einer Gruppe befindet sich das zu entfernende Elektron auf einer weiter entfernten Bahn (s. Bohrsches Atommodell, s. Abb. 3.3) und kann somit leichter abgegeben werden. Das heißt, dass die Valenzelektronen bei gr¨oßeren Atomen leichter entfernt werden k¨onnen. Deshalb gibt es ein OsO4 , aber kein FeO4 . In einer Periode nimmt die Ionisierungsenergie von links nach rechts zu; d.h. mit zunehmender Zahl der Valenzelektronen und zunehmender Kernladung. Die Elektronen der gleichen Bahn

3.2 Periodizit¨at der Eigenschaften

37

I1 25 He Ne 20

F Ar

15

N

H Be C 10 B 5

0

Li

Kr P Mg Si Na

5

Xe

Cl

O

10

S

Al

Ca K

15

Br Zn As Se Ge Ga

20

30

35

I

Sr Rb

Cd Te Sb Sn Ba In Cs

50 55 Ordnungszahl Z

Abbildung 3.7: 1. Ionisierungsenergie (in eV) in Abh¨angigkeit von der Ordnungszahl Z

k¨onnen die zunehmende Kernladung nicht abschirmen, so dass die Elektronen fester gebunden werden, und nicht so leicht abgegeben werden. Betrachten wir die Ver¨anderungen der Ionisierungsenergien in Abh¨angigkeit von der Ordnungszahl, wie sie in Abb. 3.7 wiedergegeben sind. Die geringsten Ionisierungsenergien finden wir links unten und die gr¨oßten Ionisierungsenergien finden wir rechts oben im Periodensystem. Bei den Edelgasen erreicht die Ionisierungsenergie jeweils ein Maximum. Vom Element Wasserstoff zum Helium beobachtet man eine Zunahme der Ionisierungsenergie, weil beim Helium eine abgeschlossene Schale erreicht ist. Die Ionisierungsenergie der Edelgase, die eine abgeschlossene Schale besitzen, ist extrem hoch. Hier m¨usste ein Elektron aus einer sehr stabilen Elektronenkonfiguration entfernt werden. Dieser stabile Zustand wird von den Atomen bei chemischen Reaktionen immer angestrebt. Warum zeigt Lithium einen geringeren Wert? Die zwei inneren 1s-Elektronen schirmen das Valenzelektron des Lithiums in der hinzugekommenen a¨ ußeren Schale ab. Ein Lithiumatom mit der Ordnungszahl 3 hat die Elektronenkonfiguration 1s2 2s1 . Durch die Abgabe eines Elektrons gem¨aß Li → Li+ + e− erh¨alt das entstandene Lithiumkation die Elektronenkonfiguration 1s2 des im Periodensystem davorstehenden Edelgases Helium. Die Alkalimetalle weisen eine besonders niedrige Ionisierungsenergie auf. Vom Beryllium zum Neon registrieren wir eine Zunahme der Ionisierungsenergien, weil der steigenden Kernladung kein st¨arkerer Abschirmeffekt der Elektronen der gleichen Schale entgegenwirkt. Auch die Halogene zeigen hohe Ionisierungsenergien. Den Halogenen fehlt nur ein Elektron zur Edelgaskonfiguration, sie sind daher bestrebt noch zus¨atzlich ein Elektron aufzunehmen. Betrachtet man in Abb. 3.7 die Ionisierungsenergie der Elemente Bor und Sauerstoff so stellt man fest, dass die erste Ionisierungsenergie von Bor bzw. Sauerstoff niedriger ist, als die von

38

3 Periodensystem der Elemente

Beryllium bzw. Stickstoff. Auch hier begegnen wir wieder der Regel von der erh¨ohten Stabilit¨at von halb- und vollbesetzten Schalen. Ein Boratom mit der Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p1 gibt leicht ein Elektron ab, weil das entstehende Borkation dadurch die Elektronenkonfiguration des Berylliums (1s2 2s2 ) mit vollbesetzten s-Orbitalen erh¨alt. Das 2p-Elektron des Boratoms ist also weniger fest gebunden. Die Elektronenkonfigurationen f¨ur ein N- bzw. ein O-Atom lauten 1s2 2s2 2p3 bzw. 1s2 2s2 2p4 . Gibt ein Sauerstoffatom ein Elektron ab, dann sind die 3p-Orbitale halbbesetzt. Das Sauerstoffkation erh¨alt die stabilisierte Elektronenkonfiguration des Stickstoffs (1s2 2s2 2p3 ). Bei den Nebengruppenelementen nehmen die Ionisierungsenergien innerhalb einer Periode nicht so stark zu wie bei den Hauptgruppenelementen.

3.2.4

Elektronenaffinit¨at und Elektronegativit¨at

Manche Atome (vorwiegend Nichtmetalle) sind bestrebt Elektronen aufzunehmen. Andere Atome (vorwiegend Metalle) tendieren eher dazu Elektronen abzugeben. Die Elektronenaffinit¨at ist die Energie, die beobachtet wird, wenn ein neutrales Atom in der Gasphase ein Elektron aufnimmt. Sie kann positive und negative Werte annehmen, je nachdem ob Energie verbraucht oder freigesetzt wird. Die Gr¨oße der Elektronenaffinit¨at wird durch die gleichen Kriterien bestimmt, wie sie bei der Ionsierungsenergie diskutiert wurden. Die Elemente der 7. Hauptgruppe, die Halogene, nehmen beispielsweise leicht ein Elektron auf. Ein Fluoratom mit der Ordnungszahl 9 und der Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p5 nimmt ein Elektron auf gem¨aß F + e− → F− und erh¨alt damit die Elektronenkonfiguration des Neons (1s2 2s2 2p6 ). Halogenatome besitzen die niedrigsten (negativen) Elektronenaffinit¨aten. Edelgase und Erdalkalimetalle zeigen hohe positive Werte. Die Tendenz ein Elektron aufzunehmen ist bei beiden Gruppen gering. Die Edelgase haben schon eine gef¨ullte Schale. Bei den Elementen der 2. Hauptgruppe ist das s-Orbital mit zwei Elektronen besetzt. Auch f¨ur die Elektronenaffinit¨at gilt der Grundsatz: Die Aufnahme eines Elektrons ist dann besonders beg¨unstigt, wenn halb- oder vollbesetzte Orbitale entstehen. Als Elektronegativit¨at EN bezeichnet man das Bestreben eines Atoms in einem Molek¨ul Elektronen einer chemischen Bindung an sich zu ziehen. Elektronegativit¨aten werden herangezogen, um die Bindungsart in einem Molek¨ul abzusch¨atzen (s. polare Atombindung, Kap. 5.1.6 und Ionenbindung, Kap. 5.2). Links im Periodensystem findet man die Alkalimetalle. Ihr Bestreben Elektronen an sich zu ziehen ist sehr gering, wohingegen die rechts im Periodensystem angeordneten Halogene eine große Tendenz zeigen, Elektronen anzuziehen. Daraus l¨asst sich schließen: Innerhalb einer Periode nimmt die Elektronegativit¨at von links nach rechts zu. Diese Tendenz l¨asst sich einfach erkl¨aren, wenn man sich vorstellt, dass mit steigender Ordnungszahl und damit steigender Protonenzahl auch die Anziehung der Elektronen durch den Atomkern zunimmt, und die Abschirmung durch innere Elektronen gleich groß bleibt. Innerhalb einer Gruppe nimmt die Elektronegativit¨at von oben nach unten ab. Diese Tendenz ist damit zu erkl¨aren, dass die zunehmende Kernladung durch die immer gr¨oßer werdende Elektro-

3.2 Periodizit¨at der Eigenschaften

39

nenh¨ulle zunehmend abgeschirmt wird. Links unten im Periodensystem finden wir Elemente, die eine geringe Elektronegativit¨at zeigen, w¨ahrend die Elemente rechts oben hohe Elektronegativit¨aten zeigen. Die in Tabelle 3.1 aufgef¨uhrten Elektronegativit¨aten sind relative Zahlenwerte, die 1932 von L. Pauling aufgestellt wurden. Sie beziehen sich auf das Element Fluor, dessen Wert willk¨urlich auf 4,0 festgelegt wurde. Tabelle 3.1: Elektronegativit¨aten einiger Hauptgruppenelemente

H 2,2 Li 1,0 Na 0,9 K 0,8 Rb 0,8 Cs 0,8

Be 1,6 Mg 1,3 Ca 1,0 Sr 0,9 Ba 0,9

B 2,0 Al 1,6 Ga 1,8 In 1,8 Tl 2,0

C 2,6 Si 1,9 Ge 2,0 Sn 2,0 Pb 2,3

N 3,0 P 2,2 As 2,2 Sb 2,1 Bi 2,0

O 3,4 S 2,6 Se 2,6 Te 2,1 Po 2,0

F 4,0 Cl 3,2 Br 3,0 I 2,7 At 2,2

¨ Ubungsaufgaben zu 3.1 1. Erl¨autern Sie den Aufbau des Periodensystems mit Hilfe der Begriffe Perioden und Gruppen. 2. Wie unterscheiden sich Hauptgruppenelemente von Nebengruppenelementen? 3. Warum zeigen die Elemente Lithium, Natrium und Kalium ein a¨ hnliches chemisches Verhalten?

zu 3.2 1. Welches Atom der folgenden Atompaare ist gr¨oßer? a) Ca/P b) P/Cl c) P/Sb d) Al/P e) Ba/B f) Cs/Cd 2. Was versteht man unter Ionisierungsenergie? 3. Erl¨autern Sie den Begriff der Elektronegativit¨at.

g) Ga/Ge

40

3 Periodensystem der Elemente 4. Wie a¨ ndern sich die Ionisierungsenergie, die Elektronegativit¨at, der Atomradius und der metallische Charakter der Elemente im PSE? 5. Welches Atom der folgenden Atompaare zeigt eine h¨ohere Ionisierungsenergie? a) Ar/Kr b) S/Ar c) Ba/Sr

d) Cs/Ba

e) Sn/As f) Xe/I

6. Die 2. Ionisierungsenergie f¨ur das Kaliumatom (31,8 eV) ist um das 7-fache gr¨oßer als die 1. Ionisierungsenergie (4,3 eV). F¨ur das Calciumatom ist die 2. Ionisierungsenergie (11,9 eV) nur doppelt so groß wie die 1. Ionisierungsenergie (6,1 eV). Erkl¨aren Sie diesen Sachverhalt.

4

Kernreaktionen

Chemische Reaktionen beruhen auf Ver¨anderungen, die sich in der Elektronenh¨ulle der Atome abspielen. Im Gegensatz dazu, betreffen Kernreaktionen nur den Atomkern, der sich in seiner Masse ver¨andert. Die Massenver¨anderung eines Atomkerns l¨auft entweder freiwillig als nat¨urlicher radioaktiver Zerfall ab oder wird k¨unstlich herbeigef¨uhrt. Beide Prozesse vollziehen sich unter Aussendung von Teilchenstrahlung oder sehr energiereicher, elektromagnetischer γ -Strahlung. Daraus ergeben sich vielf¨altige Anwendungsm¨oglichkeiten. Als Beispiel sei das radioaktive 60 Co-Isotop genannt, dass in der Krebstherapie zur Bestrahlung von Tumoren angewendet wird. Die Energieums¨atze bei Kernreaktionen (s. unten) sind um den Faktor 106 (1 Million) gr¨oßer als bei einfachen chemischen Reaktionen. Diese hohen Energiewerte lassen die Bedeutung der Kernenergie f¨ur den Einsatz in Nuklearwaffen (Atombomben) und zur Energieerzeugung in Atomkraftwerken erkennen. In einem Atomkern werden Protonen und Neutronen durch Kernbindungskr¨afte zusammengehalten. Die Gesamtmasse des Atomkerns ist dabei geringer als sich aus der Summe der Massen f¨ur Protonen und Neutronen errechnen l¨asst (s. Kap. 2.1). Die bei einer Kernreaktion freigesetzte Energie (ΔE) entspricht der Massendifferenz (Δm) und wird mit der Lichtgeschwindigkeit (c) nach A. Einstein berechnet, als: ΔE = Δm · c2

Beispiel: Der Massendefekt (Δm), f¨ur den aus zwei Protonen und zwei Neutronen aufgebauten Heliumkern, betr¨agt 0,05 · 10−27 kg. Die Energie der Strahlung wird in MeV (Megaelektronenvolt) angegeben. F¨ur ΔE gilt: ΔE = 0,05 · 10−27 kg · [9 · 1016 m2 s−2 ] = 4,4 · 10−12 J (mit 1 J = 1 kg m2 s−2 ) Mit 1 eV = 1,102 · 10−19 J resultiert daraus eine Energie von 28,10 · 106 eV = 28,10 MeV. Zum Vergleich wird die erste Ionisierungsenergie des Heliumatoms gem¨aß He → He+ + e− mit I1 = 24,7 eV angegeben.

42

4 Kernreaktionen

4.1

Nat¨urliche Kernumwandlungen

4.1.1

Radioaktiver Zerfall

Radioaktive Strahlung wurde 1896 erstmalig von H. Becquerel nachgewiesen, indem er die Schw¨arzung photographischer Platten durch Uranerze beobachtete. Die Anzahl der Kernreaktionen pro Sekunde wird daher heute in Becquerel (1 Bq = 1 s−1 ) angegeben. Pierre und Marie Curie f¨uhrten weitere Untersuchungen an Uranpechblende durch, und f¨uhrten die Bezeichnung Radioaktivit¨at ein. Sie entdeckten das radioaktive Element mit der Ordnungszahl 88 und nannten es, wegen der ausgesandten Strahlung, Radium (lat.: radius = Lichtstrahl). Der radioaktive Zerfall ist eine spontane, nat¨urlich auftretende Kernreaktion, die unter Aussendung von Strahlung erfolgt, und zwar in Form von drei Strahlungsarten: Alpha(α )-, Beta(β )- und Gamma(γ )-Strahlen Radioaktive Strahlung tritt dann auf, wenn ein instabiler Atomkern versucht sich durch die Emission von Elementarteilchen oder Kernbruchst¨ucken zu stabilisieren. Dabei entstehen h¨aufig Atomkerne, die selbst auch wieder radioaktiv sind und dann weiter zerfallen. Auf diese Weise allt in 14 Zerfallsschritten entstehen radioaktive Zerfallsreihen. Beispiel: Das Isotop 238 92 U zerf¨ bis zum stabilen Blei-Isotop 206 Pb. 82 Die Elemente der Kernladungszahlen Z = 43 (Technetium), Z = 61 (Promethium) und Z > 83 sind nicht stabil. Sie neigen zum radioaktiven Zerfall in einen Atomkern, der eine geringere Ordnungszahl aufweist. Die auf das Actinium folgenden Elemente, die Actinoiden (griech.: aktinoeis = strahlend), sind alle radioaktiv. Die Elemente Thorium (Z = 90) und Uran (Z = 92) bilden langlebige, radioaktive Isotope, die in der Natur vorkommen. Die radioaktiven Transurane (Elemente mit Z > 92) kommen nicht nat¨urlich vor und m¨ussen k¨unstlich erzeugt werden. Wann sind nun Atomkerne stabil? Eine exakte Antwort kann bis heute niemand geben. Kernbindungskr¨afte halten den Atomkern mit seinen Protonen und Neutronen zusammen. Mit zunehmender Protonenzahl steigt die elektrostatische Abstoßung im Atomkern. Irgendwann stoßen auch die ,,Ladungsverd¨unnungseffekte“ der Neutronen an ihre Grenzen und ein Zusammenhalt des Kerns ist nicht mehr gew¨ahrleistet. Atomkerne lassen sich deshalb nicht beliebig zu stabilen Kernen vergr¨oßern. Leichtere Atome gelten als besonders stabil, wenn im Atomkern eine gerade Anzahl an Neutronen und Protonen vorliegt, und wenn das Verh¨altnis 1:1 betr¨agt. Beispiele

f¨ur besonders stabile, leichte Atomkerne: 42 He, 126 C, 168 O, 40 20 Ca

Bei schweren Atomen wird das Ende der Stabilit¨atsskala erreicht, wenn das Verh¨altnis von Neutronen zu Protonen ca. 1,5 betr¨agt. Genauere Gesetzm¨aßigkeiten sind nach heutigem Wissensstand noch nicht m¨oglich. Beispiele:

209 83 Bi

und 238 92 U

Der Bismutatomkern ist aus 83 Protonen und 126 Neutronen aufgebaut. Das Neutronen/Protonenverh¨altnis (126/83) hat den Wert 1,52. Das Bismut-Isotop (209 83 Bi) ist noch stabil. Die

4.1 Nat¨urliche Kernumwandlungen

43

nachfolgenden Elemente sind instabil. Der Uranatomkern besteht aus 92 Protonen und 146 Neutronen. Das Verh¨altnis von Neutronen zu Protonen (146/92) betr¨agt 1,6. Das Uran-Isotop (238 92 U) ist radioaktiv.

α -Strahlung α -Strahlen bestehen aus Heliumkernen (42 He2+ ), die aus zwei Protonen und zwei Neutronen aufgebaut sind. α -Strahlung wird bereits von einer 30 mm dicken Luftschicht absorbiert. Die Reichweite in Aluminium (s. Rutherfordscher Streuversuch) betr¨agt nur ca. 0,1 mm. Die kinetische Energie liegt bei ca. 5–11 MeV. Wenn bei einem radioaktiven Zerfall α -Teilchen freigesetzt werden, dann reduziert sich die Kernladung um zwei Einheiten, und die Massenzahl verringert sich um vier Einheiten. Die Erzeugung von α -Strahlen sei am Beispiel des Uran-Isotops 238 erl¨autert: 238 U → 234 Th + 4 He 2 92 90

Der Ablauf einer Kernreaktion wird in einer Reaktionsgleichung wiedergegeben. Die Elementsymbole der beteiligten Atomkerne werden mit Ordnungs- und Massenzahl versehen, um die jeweiligen Ver¨anderungen hervorzuheben. Linke und rechte Seite der Reaktionsgleichung m¨ussen bez¨uglich der Massen und Ladungen ausgeglichen sein. Es sei daraufhingewiesen, dass die Heliumkerne, die nach der obigen Reaktionsgleichung gebildet werden, zweifach positiv geladen sind. Da diese aber unmittelbar nach der Reaktion Elektronen einfangen und nur als neutrale Heliumatome nachgewiesen werden k¨onnen, l¨asst man in den Gleichungen, in denen Kernreaktionen beschrieben werden, zur vereinfachten Schreibweise, die Ladungen weg.

β -Strahlung1 β -Strahlen sind Elektronenstrahlen. Die Reichweite liegt in Luft bei 1–8 m. Die kinetische Energie betr¨agt 0,02–4 MeV. Zum β -Zerfall neigen besonders Atomkerne, in denen das Verh¨altnis von Neutronen zu Protonen sehr groß ist. Als Beispiele f¨ur den β -Zerfall, sind die Zerfallsreaktionen der radioaktiven Isotope 146 C und (Tritium, T) aufgef¨uhrt.

3H 1

14 C 6 1 Bei

→ 147 N + −10 e

und

3H 1

→ 32 He + −10 e

k¨unstlich hergestellten, instabilen Atomkernen k¨onnen noch zwei weitere Zerfallsprozesse auftreten. 23 0 + Beispiel 1: 23 12 Mg → 11 Na + +1 e(β )

Dieser Zerfall l¨auft unter Umwandlung eines Protons in ein Neutron und ein Positron (+10 e, β + ) ab. Ein Positron besitzt die gleiche Masse wie ein Elektron, aber eine entgegengesetzte Ladung. 1 1 0 +1 p → 0 n + +1 e

Dabei erniedrigt sich die Kernladung um eine Einheit. Die Massenzahl bleibt unver¨andert. Bei einer Elektroneneinfangreaktion f¨angt der instabile Atomkern ein auf einer innen liegenden Bahn befindliches Elektron ein, gem¨aß der folgenden Gleichung: +11 p(+−10 e) → 10 n 0 106 Beispiel 2: 106 47 Ag (+−1 e) → 46 Pd (Elektronenh¨ulle)

Dabei wandelt sich ein Proton in ein Neutron um. Die Kernladungszahl nimmt um eine Einheit ab. Die Massenzahl bleibt konstant.

44

4 Kernreaktionen

Kernladung bzw. Ordnungszahl nehmen hier jeweils um eine Einheit zu. Die Masse des Kerns bleibt nahezu unver¨andert, wenn man die Masse des ausgestoßenen Elektrons vernachl¨assigt. Den β -Zerfall kann man sich vereinfacht so vorstellen, dass im Atomkern ein Neutron in ein Proton und ein Elektron umgewandelt wird, gem¨aß der folgenden Gleichung: 1n 0

→ +11 p + −10 e

Die β -Teilchen werden als −10 e formuliert, wobei die Massenzahl 0 und die Ladung −1 sein soll. Protonen (+11 p) und Neutronen (10 n) ordnet man die Massenzahl 1 und die Ladung +1 bzw. Null zu. Die Reaktionsprodukte 147 N (stabil) und 32 He sind eigentlich einfach positiv geladene Teilchen. Da die Kationen aber sofort nach der Entstehung ein Elektron einfangen, wird bei der Formulierung des Zerfalls auch hier auf die Kennzeichnung der Ladungen verzichtet.

γ -Strahlung γ -Strahlung ist keine Teilchenstrahlung, sondern eine elektromagnetische Strahlung mit sehr hoher Energie und kurzer Wellenl¨ange (ca. 10−11 m). γ -Strahlung wird von Luft kaum absorbiert. Die kinetische Energie betr¨agt 0,1–2 MeV. Die Aussendung von γ -Strahlung ist nicht mit einer Kernumwandlung verbunden. γ -Strahlen treten in der Regel als Begleiter von α - und β -Strahlung auf. Beispiel: Beim radioaktiven Zerfall von 228 90 Th wird α - und γ -Strahlung freigesetzt: 1. 2.

228 Th 90



224 Ra∗ + 4 He 88 2

↓ γ -Strahlung

Die 1. Reaktionsgleichung beschreibt die Bildung von α -Strahlung. Das entstandene RadiumIsotop (224 88 Ra) selbst ist wieder radioaktiv und sendet γ -Strahlen aus. Durch einen α - oder β -Zerfall werden die Atomkerne in einen angeregten Zustand versetzt. Der Kern kehrt dann von diesem Zustand unter Aussendung von γ -Strahlung in den Grundzustand zur¨uck. Die Reichweite und die F¨ahigkeit Materie zu durchdringen, nehmen in der Reihenfolge α , β , γ zu. Durch die Einwirkung radioaktiver Strahlung k¨onnen in Materie angeregte Zust¨ande oder Ionisierungen hervorgerufen werden. Strahlungsinduzierte Sollbruchstellen in Kunststoffmaterialen wie z.B. Ampullen finden in Medizinprodukten Anwendung. Energiereiche Strahlung kann in lebenden Organismen Erbgutver¨anderungen hervorrufen. Schwerwiegende Sch¨adigungen wie Stoffwechselst¨orungen, Leuk¨amie und Krebs k¨onnen als direkte Folge einer erh¨ohten Strahlungsexposition auftreten. In der klinischen Medizin ist die Strahlentherapie zur Behandlung b¨osartiger Tumore ein wichtiges Hilfsmittel geworden. Bestrahlungstechnologien sorgen in vielen Bereichen f¨ur Keimfreiheit. Keimfreiheit wird in der Medizintechnik oder in nat¨urlichen Rohstoffen der Kosmetikindustrie ben¨otigt. Das Ausmaß der Sch¨adigung h¨angt dabei von der Intensit¨at der Strahlung, der Dauer der Einwirkung und der Eindringtiefe ab. F¨ur die biologische Wirkung ist die vom K¨orper absorbierte Energiedosis entscheidend. Die Energiedosis ist die Energiemenge, die pro kg K¨orpergewebe absorbiert wird. Sie wird in Gray (Gy) (1 Gy = 1 J/kg) angegeben.

4.1 Nat¨urliche Kernumwandlungen

4.1.2

45

Kinetik des radioaktiven Zerfalls

Die Zerfallsgeschwindigkeit eines radioaktiven Elements in der Zeiteinheit dt ist proportional zur Anzahl der Atome der zerfallsf¨ahigen Substanz. Bezeichnet man die Anzahl der Atome der zerfallsf¨ahigen Substanz mit N, ihre Anfangsmenge mit N0 , so l¨asst sich f¨ur die Zerfallsgeschwindigkeit v folgende Gesetzm¨aßigkeit herleiten (s. Kap. 8.4.2): v = − dN/ dt = k · N N 0

t

N

0

Mit − dN/N = k dt (k = Zerfallskonstante) ergibt sich aus − ( dN/N) = k dt: ln N/N0 = −kt

−kt

und N = N0 e

Abbildung 4.1: Radioaktiver Zerfall

Der radioaktive Zerfall verl¨auft also exponentiell. Er ist von der Umgebung, wie z.B. der Temperatur, unabh¨angig. Die Zerfallskonstante k ist f¨ur jedes radioaktive Isotop eine charakteristische Gr¨oße. Halbwertszeit Zur Kennzeichnung des radioaktiven Zerfalls hat man als weitere, charakterisierende Gr¨oße die Halbwertszeit t1/2 eingef¨uhrt. Die Halbwertszeit ist die Zeit, nach der die H¨alfte einer bestimmten Menge einer Atomart, zerfallen ist. Geht man von der Definition der Halbwertszeit aus, so gilt: N(t1/2 ) = N0 /2. Damit ergibt sich: ln N0 /2N0 = −kt1/2 ⇒ ln 1/2 = −kt1/2 . F¨ur t1/2 gilt dann: t1/2 = ln 2/k = 0,693/k Die Halbwertszeit ist unabh¨angig von der Ausgangsmenge der radioaktiven Substanz und kann zwischen 10−20 Sekunden und hundert Billionen Jahren variieren.

46

4 Kernreaktionen

Beispiele: 9 234 t1/2 (238 92 U) = 5 · 10 a (α -Zerfall) und t1/2 ( 91 Pa) = 1,17 min (β -Zerfall)

Die Altersbestimmung von organischem Material l¨asst sich u¨ ber die Halbwertszeit des radioaktiven Kohlenstoff-Isotops 146 C durchf¨uhren. In nat¨urlich auftretenden Elementen kommen die stabilen und radioaktiven Isotope in einem konstanten Verh¨altnis vor. F¨ur das Element Kohlenstoff wird das Verh¨altnis 126 C zu 146 C ermittelt. Aufgrund des radioaktiven Zerfalls sinkt der 14 C-Anteil in organischem Material nach dem Absterben des Organismus. Aus der noch vor6 handenen Menge kann dann das Alter des Materials berechnet werden. Die Halbwertszeit von 146 C betr¨agt 5730 Jahre. Nach 5730 Jahren sind 50 % des Isotops zerfallen. Nach weiteren 5730 Jahren sind 25 %, nach weiteren 5730 Jahre noch 12,5 % der urspr¨unglichen Menge vorhanden.

4.2

K¨unstliche Kernumwandlungen

4.2.1

Einfache Kernreaktionen

Unter k¨unstlicher Kernumwandlung versteht man die Umwandlung eines Atomkerns in einen anderen Atomkern durch den Zusammenstoß mit geladenen Teilchen wie Alphateilchen, Elektronen, Protonen, Neutronen, gr¨oßeren Atomen oder γ -Strahlung bestimmter Energie. Durch das Einfangen von Teilchen lassen sich Atomkerne h¨oherer Ordnungszahl aufbauen. Durch das Einfangen von Neutronen kann man Isotope herstellen. Damit k¨unstliche Kernreaktionen u¨ berhaupt m¨oglich werden, m¨ussen die Beschussteilchen eine hohe, kinetische Energie aufweisen, um die Abstoßungskr¨afte der Atomkerne zu u¨ berwinden. Die erforderliche, kinetische Energie (hohe Geschwindigkeit) erhalten die Teilchen in sogenannten Teilchenbeschleunigern (Cyclotrons, Synchrotrons). 1919 wurde erstmals von E. Rutherford eine k¨unstliche Kernumwandlung durch den Beschuss von Stickstoffatomen mit α -Teilchen durchgef¨uhrt. 14 N + 4 He → 17 O + 1 H 7 2 8 1

Das α -Teilchen wird prim¨ar (im Moment des Aufeinandertreffens) vom Stickstoffkern unter Bildung eines instabilen 189 F-Teilchens aufgenommen. Das 189 F-Teilchen zerf¨allt unter Abspaltung eines Protons (nachweisen l¨asst sich nur Wasserstoff). Rutherford beobachtete bei dieser Kernreaktion die Bildung von 17 O-Sauerstoffatomen und Protonen. Bei diesem Kernprozess, erh¨oht sich die Massenzahl des Atomkerns um drei Einheiten und die Ordnungszahl erh¨oht sich um eine Einheit. F¨ur das aufgef¨uhrte Beispiel lautet die Kurzschreibweise: 147 N(α ,p)178O. Man spricht in diesem Fall auch von einer α ,p-Reaktion. In dieser verk¨urzten Schreibweise f¨ur k¨unstliche Kernreaktionen f¨uhrt man als erstes den zu beschießenden Kern auf. Dann gibt man in runden Klammern den ablaufenden Prozess an. Außerhalb der Klammer schreibt man den, nach dem Beschuss, erhaltenen Produktkern.

4.2 K¨unstliche Kernumwandlungen

47

Ein Beispiel f¨ur einen α ,n-Prozess zeigt die folgende Kernreaktion: Beschießt man einen 94 Be-Kern mit α -Strahlung, so wird ein Neutron aus dem Atomkern geschossen. 9 Be + 4 He → 12 C + 1 n 2 0 6 4

Die Kernladung erh¨oht sich hier um zwei und die Massenzahl um drei Einheiten. Die Kurzschreibweise lautet: 94 Be(α ,n)126 C. Diese Kernreaktion wird h¨aufig eingesetzt, um Neutronenstrahlung (n-Strahlung) zu erzeugen. Die kinetische Energie der emittierten Neutronen betr¨agt ca. 7,8 eV. Außer α -Teilchen und Neutronen lassen sich auch gr¨oßere Teilchen als Geschosse benutzen. Transurane lassen sich durch den Beschuss mit gr¨oßeren Atomkernen herstellen. Beispiel: Erzeugung von Einsteinium (Es) durch den Beschuss von 14 247 schreibweise: 238 92 U( 7 N,5n) 99 Es

238

U mit Stickstoff-Kernen. Kurz-

238 U + 14 N → 247 Es + 51 n 7 99 0 92

Neutronen sind als Reaktionspartner besonders interessant, da sie als ungeladene Teilchen nicht die Abstoßungskr¨afte der positiv geladenenen Atomkerne u¨ berwinden m¨ussen. Neutronen werden in der Regel in Kernreaktoren erzeugt.

Beispiel: Der Zusammenprall von 63 Li mit einem Neutron f¨uhrt zur Bildung von Tritium. Als Nebenprodukt entstehen dabei α -Teilchen. Es handelt sich hier um eine 63 Li(n,α )31 H-Reaktion. 6 Li + 1 n → 3 H + 4 He 0 2 3 1

Die Neutroneneinwirkung auf Natriumatome resultiert in einem n,β -Prozess: 23 Na + 1 n 0 11

24 0 → 24 11 Na → 12 Mg + −1 e

Das prim¨ar gebildeter hochreaktive 24 allt in 24 ohen 11 Na zerf¨ 12 Mg und ein Elektron. Insgesamt erh¨ sich Ordnungs- und Massenzahl um eine Einheit. 24 Kurzschreibweise: 23 11 Na(n,β )12 Mg.

Grunds¨atzlich sollte man bei Kernreaktionen mit Neutronen unterscheiden, ob es sich um schnelle oder langsame Teilchen handelt. Neutronen hoher Energie, die aus einer Kernreaktion stammen, k¨onnen durch den Zusammenstoß mit einem Atomkern einen weiteren Teilchenausstoß verursachen (Beispiel: n,α -Prozess). Neutronen, die durch einen Moderator wie Wasser, Paraffin, Graphit etc. abgebremst werden, sind relativ langsam und k¨onnen leicht von einem Atomkern eingefangen werden. Dabei wird ein Isotop h¨oherer Masse gebildet.

48

4 Kernreaktionen

Beispiel: Co, das als γ -Strahler in der Krebstherapie Verwendung findet, kann durch das Einfangen eines Neutrons (n,γ -Prozess) erhalten werden:

60

59 Co + 1 n 0 27 60 Co 27

→ 60 27 Co + γ

unterliegt einem β -Zerfall unter Bildung von 60 28 Ni.

Weitere typische Beispiele f¨ur Kernumwandlungen sind in Tabelle 4.1 zusammengestellt.

4.2.2

Kernspaltung und Kernfusion

Bei Kernen mit Ordnungszahlen, die gr¨oßer als 230 sind, kommt es gelegentlich als Folge der großen Abstoßungskr¨afte der hohen Protonenzahl im Atomkern zu einer spontanen Kernspaltung. Bei der Kernspaltung zerf¨allt ein schwerer Atomkern in zwei leichte und einige Neutronen. Die Spaltung kann aber auch durch den Zusammenstoß mit Neutronen oder anderen Teilchen k¨unstlich initiiert werden. H¨aufig betr¨agt die Masse der als Spaltprodukte auftretenden Kerne etwa 30 % bis 70 % der Masse des urspr¨unglichen Kerns. 239 aher mit der Kernspaltung von Wichtige spaltbare Kerne sind 235 92 U und 94 Pu. Wir wollen uns n¨ Uran befassen. Eines der wichtigsten in der Natur vorkommenden radioaktiven Elemente ist das Uran. Die Uranerze enthalten vorwiegend die Isotope 238 U, 235 U und 234 U. Lise Meitner, Otto Hahn und F. Strassmann entdeckten 1938 die Kernspaltung von 235 U. Wenn 235 92 U-Kerne von einem Neutron getroffen werden, zerf¨allt der prim¨ar gebildete 236 92 U-Kern unter großer W¨armeentwicklung in zwei Bruchst¨ucke. Ein m¨oglicher Spaltungsweg ist in Abb. 4.2 dargestellt.

Beispiele fur ¨ die Kernspaltung von 235 92 U: 235 U + 1 n 0 92 235 1 U + 0n 92

142 1 → 92 36 Kr + 56 Ba + 20 n 143 1 → 90 38 Sr + 54 Xe + 30 n

Bei der Spaltung von 235 92 U lassen sich mehr als 200 Isotope verschiedenster Elemente nachweisen. Da bei jeder Spaltungsreaktion durchschnittlich zwei bis drei Neutronen freigesetzt werden und diese wieder Spaltungsreaktionen einleiten, kann sich die Reaktion, wenn eine bestimmte Masse, die sogenannte kritische Masse (= 15–20 kg f¨ur 235 92 U) erreicht ist, explosionsartig zur Kettenreaktion steigern. Als unkontrollierter Vorgang laufen Kettenreaktionen

Tabelle 4.1: Einige typische Kernreaktionen Typ

Reaktion

Kurzschreibweise

p,n p,γ p,α

7 Li + 1 H → 7 Be + 1 n 3 1 4 0 14 N + 1 H → 15 O + γ 7 1 8 9 Be + 1 H → 6 Li + 4 He 1 2 4 3

7 Li(p,n)7 Be 3 4 14 N(p,γ )15 O 7 8 9 Be(p,α )6 Li 4 3

4.2 K¨unstliche Kernumwandlungen

49 n 92 36 Kr

235 92 U

n

236 92 U

n 142 56 Ba

Abbildung 4.2: Spaltung von 235 92 U

Abbildung 4.3: Druckwasser-Reaktor

in einer Atombombenexplosion ab. Als kontrollierten Vorgang nutzt man die Kernspaltung in einem Atomreaktor zur Energieerzeugung. Als Brennstoff wird Uran oder mit Plutonium angereichertes Uran in Form von Brennst¨aben eingesetzt. Diese werden mit Moderatoren umgeben, um die Geschwindigkeit der Neutronen zu verringern, damit sie von den Urankernen eingefangen werden k¨onnen, und der Spaltprozess erneut ablaufen kann. Der ganze Vorgang wird mit Kontrollst¨aben, die zwischen die Brennst¨abe geschoben werden, gesteuert. Sie bestehen aus Materialien, die leicht Neutronen einfangen. Auf diese Weise kann die Zahl der Kernspaltungen auf einem konstanten Wert gehalten werden und der ganze Prozess ger¨at nicht außer Kontrolle. Die große W¨arme, die bei der Kernspaltung auftritt, wird in einem K¨uhlsystem abgeleitet. Zur Stromerzeugung wird mit dieser Abw¨arme Wasserdampf erzeugt, der dann zum Antrieb von Turbinen benutzt wird. Man beachte, dass 1 kg 235 92 U die gleiche Energie liefert wie ca. 2,5 · 106 kg (= 2,5 Millionen kg = 2500 t) des fossilen Brennstoffs Kohle.

50

4 Kernreaktionen

Die Kernfusion (engl.: to fuse = schmelzen) ist ein Prozess, in dem leichte Atomkerne zu einem schwereren Kern zusammengeschmolzen werden. Die Energieausbeute bei Kernfusionen ist um eine Zehnerpotenz gr¨oßer als bei der Kernspaltung. Um die Atomkerne zu verschmelzen, m¨ussen diese mit sehr hoher Energie aufeinandertreffen, damit die großen Abstoßungskr¨afte der Atomkerne u¨ berwunden werden. Die notwendigen Bedingungen k¨onnen nur bei extrem hohen Temperaturen 108 K (K = Kelvin) und einer Plasmabildung erreicht werden. Die Teilchen werden in Magnetfeldern gehalten, und so kann das Plasma (Plasma = durch hohe Energie erzeugtes, sehr heißes ionisiertes Gas) von den Materialw¨anden ferngehalten werden. Die Verschmelzung von Deuterium und Tritium liefert die gr¨oßte Energieausbeute. Die von der Sonne abgestrahlte Energie stammt vorwiegend aus der Verschmelzung von Wasserstoffisotopen zu Heliumkernen. Beispiele: 2 H + 3H → 1 1 1 H + 2H → 1 1

4 He + 1 n 2 0 3 He + γ 2

¨ Ubungsaufgaben zu 4.1 1. Was versteht man unter nat¨urlicher Radioaktivit¨at? 2. Welche Strahlungsarten treten beim nat¨urlichen radioaktiven Zerfall auf und wie unterscheiden sie sich? ¨ 3. Uberlegen Sie durch welche Kernreaktion folgende Umwandlung m¨oglich wird: 106 Ag

→ 106 Cd

210 212 4. Formulieren Sie den α -Zerfall f¨ur folgende Kerne: 223 89 Ac, 84 Po, und 86 Rn.

5. Erl¨autern Sie den β -Zerfall am Beispiel der Isotope T und 39 17 Cl. 6. Das Isotop 228 88 Ra soll nach folgender Reihe zerfallen: β , β , α , α , α , α , β , β und α . Welchen Kern erh¨alt man am Ende der Zerfallsreihe? 7. Die Halbwertszeit des Isotops 55 agt 17,7 h. Wieviel % der Ausgangsmenge ist 27 Co betr¨ nach 26 h (Abk.: h, lat.: hora = Stunde) noch vorhanden? 8. Ein Forschungsinstitut ben¨otigt das radioaktive Isotop 189 F mit der Halbwertszeit t1/2 = 1,13 h. Der Transport vom Kernkraftwerk dauert 16 h. Wieviel Material muss bestellt werden, damit 3 mg im Institut ankommen?

4.2 K¨unstliche Kernumwandlungen

51

9. Bei Ausgrabungen wurden Holzreste eines Schiffsrumpfes gefunden. Untersuchungen ergaben eine Radioaktivit¨at des 14 C-Isotops von 11 Zerf¨allen pro Minute und Gramm Kohlenstoff. In frischgeschlagenem Holz treten 15 Zerf¨alle pro Minute auf. Die Halbwertszeit von 146 C betr¨agt 5730 Jahre. Wie alt ist der Fund?

zu 4.2 1. Was versteht man unter k¨unstlicher Radioaktivit¨at? 2. Welcher Atomkern entsteht bei einem α ,p-Prozess aus 43 20 Ca? 133 133 3. Erg¨anzen Sie folgende Kernreaktionen: 94 Be(p,n)?, ?(n,α )32 15 P und 55 Cs(α ,?) 57 La.

4. Geben Sie das Ausgangsisotop zu folgenden Kernreaktionen an: ?(α ,n)137N und ?(p,γ )137N. 5. Wie l¨asst sich Gold herstellen, wenn folgende Bedingungen eingehalten werden sollen: 181 188 73 Ta(?,5n) 79 Au 6. Weshalb kommt es bei der Kernspaltung zu Kettenreaktionen? 7.

235 U zerf¨ 94 allt spontan in 139 atz92 54 Xe und 38 Sr. Welche und wieviele Teilchen bilden sich zus¨

lich bei dieser Kernspaltung?

8. Weshalb lassen sich Atomkerne nur schwer verschmelzen?

5

Chemische Bindung

Ein Molekul ¨ ist ein Teilchen, in dem mindestens zwei gleiche oder verschiedene Atome aneinander gebunden sind. Dabei wird der Zusammenhalt eines Molek¨uls erst durch eine chemische Bindung erm¨oglicht. Handelt es sich bei den miteinander verkn¨upften Atomen um eine endliche, definierte Anzahl von Atomen, so spricht man von einem Molekul ¨ (Beispiele: H2 O, P4 , S8 ). Es k¨onnen aber auch unendlich viele Atome miteinander verkn¨upft werden (Beispiele: Quarz (SiO2 ) oder Diamant (s. Abb. 5.11).

S P H O H H2O

P

P P P4

S

S

S

S

S S

S S8

Quarz (SiO2)

Abbildung 5.1: Beispiele f¨ur Atombindungen

Ein Molek¨ul wird durch eine chemische Formel beschrieben. In der Formel werden die jeweiligen Elementsymbole, der das Molek¨ul aufbauenden Elemente aufgef¨uhrt. Tiefgestellte Zahlen geben die Anzahl der Atome an. Bei den miteinanderverkn¨upften Atomen kann es sich um Atome des gleichen Elements oder um Atome von verschiedenen Elementen handeln. Stammen die Atome vom selben Element, so bezeichnet man das Molek¨ul als molekulares Element. Viele Elemente (H2 , N2 , O2 oder F2 ) liegen in nat¨urlicher Form als zweiatomige Molek¨ule vor. Stammen die das Molek¨ul aufbauenden Atome von unterschiedlichen Elementen, so bezeichnet man das Molek¨ul als chemische Verbindung. Chemische Verbindungen zeigen v¨ollig andere physikalische und chemische Eigenschaften als das Gemisch der Reaktionspartner, aus denen sie durch eine chemische Reaktion hervorgegangen sind. Ein Beispiel f¨ur eine einfache chemische Verbindung ist das Wassermolek¨ul. Wasser hat v¨ollig andere Eigenschaften als ein Gemisch aus Sauerstoff und Wasserstoff. In einem Wassermolek¨ul H2 O sind zwei Wasserstoffatome an ein Sauerstoffatom gebunden. Eine Verbindung enth¨alt die sie aufbauenden Elemente in einem konstanten Massenverh¨altnis. Ein Molek¨ul gilt als stabil, wenn es energie¨armer ist, als die Ausgangsprodukte, aus denen es entstanden ist. Die Energiedifferenz zwischen Ausgangsprodukt und Endprodukt bezeichnet man als Bindungsenergie. Elemente des Periodensystems, die als Einzelatome vorliegen, sind

54

5 Chemische Bindung

eigentlich nur die Edelgase. Alle anderen Elemente kommen als Molek¨ul oder in gr¨oßeren Einheiten oder Verb¨anden vor, in denen die Atome miteinander verkn¨upft sind. Nur die Edelgase weisen bereits als Einzelatome einen energiearmen Zustand auf und gehen kaum Bindungen ein. Wenn mehrere Atome eine chemische Bindung eingehen, unterscheidet man zwischen verschiedenen (intramolekularen) Bindungsarten. Die wichtigsten sind • Atombindung • polare Atombindung • Ionenbindung • Metallbindung Die Idealf¨alle der reinen Atom- und Ionenbindung sind relativ selten. Die tats¨achlich vorlie¨ genden Bindungen stellen meistens Uberg¨ ange zwischen Atombindung und Ionenbindung dar (s. Kap. 5.2). Als zwischenmolekulare (intermolekulare) Bindungen seien noch die schw¨acheren van der Waals Bindungen und die Wasserstoffbr¨uckenbindungen genannt.

5.1

Atombindung

Bei der Bildung einer chemischen Bindung wird von den Bindungspartnern die besonders energiearme Elektronenkonfiguration der Edelgase angestrebt. Eine derartige Elektronenkon¨ figuration der Edelgase kann durch die Uberlappung von Atomorbitalen der an der Bindung ¨ beteiligten Atome errreicht werden. Die m¨oglichen Uberlappungsarten werden wir im folgenden Kapitel kennenlernen. Atome von vorwiegend nichtmetallischen Elementen werden in Molek¨ulen durch Atombindungen zusammengehalten. Die Verkn¨upfung der Atome vollzieht sich u¨ ber bindende Elektronenpaare, die den beiden Atomen gemeinsam geh¨oren. Haben die beiden Atome nur ein gemeinsames Elektronenpaar so spricht man von einer Einfachbindung. Zwischen manchen Atomen werden aber auch Mehrfachbindungen wie Doppelbindungen (zwei gemeinsame Elektronenpaare) oder Dreifachbindungen (drei gemeinsame Elektronenpaare) geschlossen. Nichtmetalle, die a¨ hnliche Elektronegativit¨atswerte aufweisen, bilden vorwiegend Atombindungen aus. Eine ideale Atombindung findet man nur zwischen den Atomen eines Elements. (Beispiele: H2 , F2 oder P4 ). Die Bindungselektronen sind dann gleichm¨aßig zwischen den Atomen verteilt. Atombindungen zwischen Atomen verschiedener Elemente zeigen eine gewisse Polarisierung, weil die Atome eine unterschiedliche Elektronegativit¨at zeigen, und damit ihre Neigung Elektronen an sich zu ziehen, unterschiedlich stark ausgepr¨agt (s. Kap. 3.2.4) ist. Molek¨ule mit Atombindung sind h¨aufig fl¨uchtige, kleine Molek¨ule wie H2 , N2 , CO2 und SO2 . Atombindungen findet man aber auch in hochschmelzenden Feststoffen wie Diamant (s. Abb. 5.11) oder Quarz (SiO2 , s. Abb. 5.1).

5.1 Atombindung

5.1.1

55

Einfachbindung

In einer Einfachbindung teilen sich zwei Atome ein gemeinsames Elektronenpaar. Weitere Bezeichnungsweisen f¨ur eine Atombindung sind Elektronenpaarbindung, kovalente (= gleichwertige) Bindung, hom¨oopolare (gleich polare) Bindung, oder auch Sigma(σ )-Bindung (σ : griech. Symbol f¨ur s). Als Bindungselektronen k¨onnen nur Valenzelektronen dienen. Elektronen, die sich auf weiter innenliegenden Schalen befinden, sind an der Molek¨ulbildung nicht beteiligt. Betrachten wir den einfachsten Fall einer Molek¨ulbildung. Die Einfachbindung zwischen den beiden Wasserstoffatomen im Wasserstoffmolek¨ul H2 kommt dadurch zustande, dass die beiden Elektronen der H-Atome ein gemeinsames Elektronenpaar bilden, wodurch jedes H-Atom die Elektronenkonfiguration des Edelgases Helium erh¨alt. H2

Beispiel:

H · + · H → H − H = H2

Molek¨ule werden h¨aufig in Form von Valenzstrichformeln gezeichnet. Jeder Strich symbolisiert ein Elektronenpaar. Einzelne Elektronen werden als Punkt dargestellt. Beispiele: ·Cl , Chloratom; Cl − Cl , Chlormolek¨ul. Elektronenpaare, die nicht an einer Bindung beteiligt sind, nennt man freie, nichtbindende oder einsame Elektronenpaare. Man stellt sich eine Atombindung in einem H2 -Molek¨ul so vor, dass sich die beiden kugel¨ f¨ormigen 1s-Orbitale der H-Atome auf einander zu bewegen, bis es zu einer Uberlappung der Orbitale kommt (s. Abb. 5.2). Die beiden Atomorbitale verschmelzen dann zu einem Molekulorbital ¨ (Abk¨urzung MO) geringerer Energie, das mit den beiden Elektronen besetzt wird. Nach dem Pauli-Prinzip besitzen die beiden Elektronen einen antiparallelen Spin. Der Bereich der h¨ochsten Elektronendichte befindet sich zwischen den beiden Atomkernen. Die Festigkeit der Atombindung kommt durch die gegenseitige Anziehung der negativ geladenen Elektronenwolke und der positiv geladenen Atomkerne zustande. Die St¨arke einer Atombindung h¨angt ¨ von dem Ausmaß der Uberlappung der Atomorbitale ab. s

s H2

Abbildung 5.2: s-s-Orbital¨uberlappung am Beispiel H2

Beispiel:

HF

Ein Wasserstoffatom kann ein Valenzelektron zur Bildung der σ -Bindung zum Fluoratom liefern. Ein Fluoratom besitzt sieben Valenzelektronen. Das 2s-Orbital und zwei 2p-Orbitale sind mit zwei Elektronen besetzt. Die Bindungsbildung in einem HF-Molek¨ul kann nur durch eine

56

5 Chemische Bindung

¨ Uberlappung des kugelf¨ormigen 1s-Orbitals des Wasserstoffatoms mit dem hantelf¨ormigen mit einem Elektron besetzen 2p-Orbital des Fluoratoms zustande kommen (s. Abb. 5.3). Die Elektronen von kugelf¨ormigen s-Orbitalen k¨onnen Bindungen in jede Richtung des Raums eingehen. p-Elektronen sind an die durch die drei Raumrichtungen x, y und z gerichteten p-Orbitale gebunden. Atombindungen sind also r¨aumlich gerichtete Bindungen. Es bilden sich konkrete Molek¨ule; d.h. jedes Atom ist an ein bestimmtes Atom gebunden. H · + · F → H − F = HF Bedingt durch das gemeinsame, bindende Elektronenpaar im HF-Molek¨ul erreicht das Wasserstoffatom eine Helium- und das Fluoratom eine Neonelektronenkonfiguration.

Abbildung 5.3: s-p-Orbital¨ubergang am Beispiel HF

Beispiel:

F2 F · + · F → F − F = F2

Ein Fluoratom mit seinen sieben Valenzelektronen kann durch Verkn¨upfung mit einem weiteren Fluoratom von einem Elektronenoktett umgeben werden und damit Edelgaskonfiguration erhalten. Damit haben wir auch eine sehr anschauliche Begr¨undung warum die Halogene (Fluor, Chlor usw.) als zweiatomige Molek¨ule vorliegen. Zur Bildung eines F2 -Molek¨uls muss das einfach besetzte 2p-Orbital des einen Fluoratoms mit dem einfach besetzten 2p-Orbital des anderen Fluoratoms u¨ berlappen (s. Abb. 5.4).

Abbildung 5.4: p-p-Orbital¨uberlappung am Beispiel F2

Zeichnet man Valenzstrichformeln f¨ur Molek¨ule, die aus Elementen der 2. Periode gebildet werden, muss die sogenannte Oktettregel beachtet werden. Die Regel besagt, dass die Atome der 2. Periode maximal von vier Elektronenpaaren bzw. acht Elektronen umgeben sein k¨onnen, weil maximal vier Orbitale (s, px , py und pz ) vorhanden sind, die mit je zwei Elektronen besetzt werden k¨onnen. Die Zahl der kovalenten Bindungen, die ein Element eingehen kann, ist abh¨angig von der Zahl der Elektronen, die ihm noch zur Edelgaskonfiguration fehlen. Das folgende Beispiel soll diesen Sachverhalt erl¨autern. Ein Stickstoffatom besitzt f¨unf Valenzelektronen. Es stellt sich nun

5.1 Atombindung

57

die Frage, wieviele Wasserstoffatome enth¨alt die einfachste, stabile Stickstoff-Wasserstoffverbindung NHx . Die Antwort ist einfach, wenn man bedenkt, dass nur noch drei Elektronen bis zur Edelgaskonfiguration fehlen. Das Ammoniakmolek¨ul (NH3 ) erf¨ullt die Oktettregel. Betrachtet man die Wasserstoffverbindungen der Elemente Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Fluor so wird ersichtlich, dass in diesen Molek¨ulen die Atome C, N, O und F die Elektronenkonfiguration des Edelgases Neon besitzen. C(IV)

N(V)

H H

C H

H

H

N

F(VII)

O(VI)

H

H

 ? O?  ?

H

H

Ne(VIII)

F

H

Dem Fluoratom fehlt nur ein Elektron zur Edelgaskonfiguration. Fluor bindet nur ein Wasserstoffatom. Die einfachste Wasserstoffverbindung des Kohlenstoffs ist CH4 , da dem Kohlenstoff vier Elektronen zur Neonelektronenkonfiguration fehlen.

5.1.2

sp3 -Hybridorbitale

Besonders f¨ur den Bereich der organischen Chemie ist die Betrachtung der Bindungsverh¨altnisse in Kohlenstoffverbindungen von großer Bedeutung. Die Besonderheiten der Orbital¨uberlappung von Atomorbitalen des Kohlenstoffs bei der Bindungsbildung soll am Beispiel des Methanmolek¨uls (CH4 ) erkl¨art werden. Das Molek¨ul CH4 ist der einfachste Kohlenwasserstoff der Reihe der Alkane mit der Summenformel Cn H2n+2 . Ein Kohlenstoffatom kann maximal vier Einfachbindungen eingehen. Die vier Valenzelektronen eines Kohlenstoffatoms besitzen im Grundzustand die Elektronenkonfiguration 2s2 2p2 . Bei der Bindungsbildung wird ein geringer Energiebetrag genutzt, um das Kohlenstoffatom in einen angeregten Zustand zu versetzen. Dabei wird ein 2s-Elektron in ein 2p-Niveau angehoben. Die Elektronenkonfiguration der Valenzelektronen im angeregten Zustand ist dann 2s1 2p3 . Untersuchungen des CH4 -Molek¨uls haben gezeigt, dass die vier Bindungen des Kohlenstoffatoms in einem Methanmolek¨ul in die Ecken eines Tetraeders gerichtet sind. Da die vier Elektronen des Kohlenstoffkerns sich gegenseitig abstoßen, gelingt es ihnen in der tetraedrischen Anordnung, den gr¨oßtm¨oglichen Abstand voneinander zu bekommen. Der Bindungswinkel HC-H betr¨agt 109◦ 28 . Alle vier C-H-Bindungen des Methanmolek¨uls sind energetisch gleichwertig. Folglich m¨ussen alle vier Orbitale des Kohlenstoffatoms, die mit den 1s-Orbitalen der Wasserstoffatome vier Molek¨ulorbitale bilden sollen, die gleiche Energie besitzen. Die Elektronenkonfiguration der Valenzelektronen kann folglich nicht 2s1 2p3 sein. In einer mathematischen Operation lassen sich das 2s- und die drei 2p-Orbitale zu vier gleichwertigen sp3 -Orbitalen verkn¨upfen. Man bezeichnet diesen Vorgang als Hybridisierung (lat.: hybrida = Mischling). Die dabei entstandenen vier 2sp3 -Orbitale nennt man Hybridorbitale (Mischorbitale). Die Bezeichnung 2sp3 besagt, dass die Hybridorbitale aus einem s- und drei p-Orbitalen kombiniert wurden. Die Hauptquantenzahl ist 2. Die Anzahl der urspr¨unglichen

58

5 Chemische Bindung

E

E

2p

2p

E

2 sp3 2s

2s

1s

1s Grundzustand

1s angeregter Zustand

Hybridisierung

Abbildung 5.5: Energieniveauschema der sp3 -Hybridisierung f¨ur C

ein s-Orbital

vier sp3-Hybridorbitale drei p-Orbitale

Abbildung 5.6: sp3 -Hybridisierung

Orbitale wird durch die hochgestellte Zahl wiedergegeben. Die Gesamtzahl an Hybridorbitalen ergibt aus der Summe der Exponenten. Jedes dieser Hybridorbitale kann dann mit einem 1s-Orbital eines Wasserstoffatoms in Wechselwirkung treten. Der Grund f¨ur die Verwendung von Hybridorbitalen ist darin zu sehen, dass sich sp3 -Orbitale besser mit 1s-Orbitalen u¨ berlappen als es f¨ur 2p-Orbitale m¨oglich ist. Durch Hybridisierung wird eine st¨arkere und stabilere Bindung gew¨ahrleistet. Eine freie Drehbarkeit

¨ Abbildung 5.7: Uberlappung der vier sp3 -Hybridorbitale des Kohlenstoffatoms mit den 1s-Orbitalen der Wasserstoffatome im CH4 -Molek¨ul

5.1 Atombindung

59

der Atome um die C-H-Bindungsachse ist jederzeit m¨oglich. Sie wird durch die MO-Bildung nicht beeintr¨achtigt. Atombindungen sind r¨aumlich gerichtet. Ein Atom ist mit einer bestimmten Anzahl anderer Atome verkn¨upft. Dabei wird eine bestimmte geometrische Struktur angenommen. Die Geometrie wird dabei von der Zahl der gemeinsamen und der freien, nichtbindenden Elektronenpaare beinflusst. Die Atome ordnen sich so an, dass die Elektronenpaare einen m¨oglichst großen Abstand voneinander haben. Nichtbindende Elektronenpaare wirken dabei st¨arker abstoßend als bindende Elektronenpaare. Wenn die Molek¨ule isoliert vorliegen wie z.B. in der Gasphase, dann findet man die folgenden geometrischen Formen.

SO2 , gewinkelt

ZnCl2 , linear BF3 , trigonal

CH4 , tetraedrisch

NH3 , pyramidal PF5 , trigonal bipyramidal

SF6 , oktaedrisch

Abbildung 5.8: Molek¨ulgeometrien

Auch andere Atome k¨onnen hybridisieren. Eine sp3 -Hybridisierung wird auch f¨ur das Stickstoffatom im Ammoniakmolek¨ul und f¨ur das Sauerstoffatom im Wassermolek¨ul diskutiert (s. Abb. 5.9). Das NH3 -Molek¨ul liegt als trigonale Pyramide vor. In einem NH3 -Molek¨ul weichen die Bindungswinkel vom Tetraeder ab. Der Bindungswinkel H-N-H betr¨agt nur noch 107◦ . ¨ zwischen den 1s-Orbitalen der WasserstoffIm NH3 -Molek¨ul kommt es zu einer Uberlappung 3 atome und den drei sp -Orbitalen des Stickstoffs. Das vierte sp3 -Orbital wird von dem freien, nichtbindenden Elektronenpaar besetzt. Betrachtet man die trigonal pyramidale Struktur als verzerrtes Tetraeder, dann befindet sich das freie Elektronenpaar an der Spitze der Pyramide (s. Abb. 5.10). In einem Wassermolek¨ul sind zwei freie Elektronenpaare am Sauerstoffatom vorhanden. Sie besetzen die zur Bindungsbildung mit den H-Atomen nicht ben¨otigten beiden sp3 -Orbitale. ¨ Eine alternative Bindungsbildung erg¨abe sich aus der Uberlappung der zwei einzelbesetzten 2p-Orbitale mit den 1s-Orbitalen der Wasserstoffatome. Die Verzerrung des Tetraeders l¨asst im Wassermolek¨ul eine gewinkelte Struktur entstehen. Der H-O-H-Bindungswinkel betr¨agt nur noch 105◦ . Die beiden freien Elektronenpaare sind bestrebt, eine Anordung einzunehmen, in der die Abst¨ande voneinander m¨oglichst groß sind. Dieses Bestreben hat dann wie Abb. 5.10 zu entnehmen ist, Auswirkungen auf die geometrische Struktur des Molek¨uls. Bedingt durch zu-

60

5 Chemische Bindung N E

E 2p

2 sp3 2s Hybridisierung

Grundzustand

O E

E 2p

2 sp3 2s Grundzustand

Hybridisierung

Abbildung 5.9: Energieniveauschema der sp3 -Hybridisierung f¨ur N und O

Abbildung 5.10: Vergleich der Molek¨ulgeometrien von CH4 , NH3 und H2 O

nehmende Abstoßungskr¨afte der einsamen Elektronenpaare lassen sich die in der Reihenfolge CH4 > NH3 > H2 O kleiner werdenden Bindungswinkel erkl¨aren.

5.1.3

Atomgitter (Diamant-Struktur)

Atome mancher Elemente bilden im festen Zustand einen regelm¨aßigen Atomverband, der durch kovalente Bindungen zusammengehalten wird. Das bekannteste Beispiel finden wir beim Diamant, einer elementaren Form des Kohlenstoffs. Abbildung 5.11 zeigt das Diamant-Atomgitter. Jedes C-Atom ist sp3 -hybridisiert und von vier anderen C-Atomen tetraedrisch umgeben. Die C-Atome sind alle u¨ ber Elektronenpaarbindungen miteinander verkn¨upft und erhalten auf diese Weise die angestrebte Edelgaskonfiguration. Die dreidimensionale Gitterstruktur verleiht dem Diamanten seine wichtigsten Eigenschaften, wie hohe Festigkeit und eine extreme H¨arte. Der Name Diamant leitet sich vom griechischen Wort adamantios (= hart) ab.

5.1 Atombindung

61

Abbildung 5.11: Atomgitter des Diamants

5.1.4

Doppelbindung und Dreifachbindung

In einer Einfachbindung teilen sich zwei Atome ein gemeinsames Elektronenpaar. Zwei Atome k¨onnen sich aber auch mehrere Elektronenpaare teilen. Sind sie u¨ ber zwei Elektronenpaare miteinander verkn¨upft, dann liegt eine Doppelbindung vor. Diese zweite Bindung nennt man auch Pi(π )-Bindung (π : griech. Symbol f¨ur p). Teilen sich zwei Atome drei Elektronenpaare, dann liegt eine Dreifachbindung vor. In einer Dreifachbindung findet man eine σ - und zwei π -Bindungen. Doppel- und Dreifachbindungen treten bevorzugt bei Molek¨ulen auf, die von Atomen der zweiten Periode gebildet werden. Atome h¨oherer Perioden besitzen sehr viel gr¨oßere Atomradien und auch gr¨oßere Abstoßungskr¨afte werden wirksam. Als Folge davon k¨onnen sich die Atomorbitale weniger gut u¨ berlappen und es werden kaum Mehrfachbindungen ausgebildet. Beispiele:

N2 , P4 , O2 und S∞ P

N

N

und

P

P

oder

O

O

und

S

S S

P

S S

Abbildung 5.12: Beispiele f¨ur Einzel-, Doppel- und Dreifachbindungen

Stickstoff liegt in elementarer Form als zweiatomiges Molek¨ul vor. Die Stickstoffatome sind u¨ ber eine Dreifachbindung miteinander verbunden. Die Dreifachbindung zwischen den N-Atomen wird dabei durch eine σ - und zwei π -Bindungen gebildet. Phosphor bildet in einer elementaren Form tetraedrisch aufgebaute P4 -Molek¨ule, in denen die Phosphoratome u¨ ber Einfachbindungen aneinander gebunden sind. Im Sauerstoffmolek¨ul liegt eine Doppelbindung vor. Schwefelatome bilden eine Kette u¨ ber Einfachbindungen. Ein Beispiel f¨ur das Auftreten von Doppelbindungen ist das Kohlendioxid (CO2 ).

/

/

/

/

O=C=O

62

5 Chemische Bindung

ein s-Orbital zwei sp-Hybridorbitale zwei p-Orbitale

Abbildung 5.13: sp-Hybridisierung

Ein Kohlenstoffatom besitzt vier Valenzelektronen. Im CO2 -Molek¨ul teilen sich das Kohlenstoffatom und zwei Sauerstoffatome jeweils zwei Elektronenpaare. Jedes Atom gelangt auf diese Weise zu einem stabilen Elektronenoktett des Edelgases Neon. Schreibt man Valenzstrichformeln f¨ur Molek¨ule, die Elemente der 2. Periode enthalten, so muss auch hier die Oktettregel (Doppelbindungsregel) eingehalten werden. Ein Element der 2. Periode darf nur von maximal vier Elektronenpaaren umgeben sein. Im Bereich der organischen Chemie kommt den π -Bindungen in Kohlenstoffverbindungen eine besondere Bedeutung zu. Die Kohlenwasserstoffe der allgemeinen Summenformel Cn H2n enthalten eine Doppelbindung. Sie werden als Alkene bezeichnet. Am Beispiel des Ethenmolek¨uls (C2 H4 ), einem wichtigen Ausgangsstoff f¨ur die Kunststoffproduktion (Polyethen = Polyethylen), soll nun das Prinzip einer Doppelbindung erkl¨art werden. HK sH C = CK K ss H H

(Ethen)

Im Ethenmolek¨ul sind zwei C-Atome u¨ ber eine Doppelbindung miteinander verkn¨upft. Jedes C-Atom ist zus¨atzlich mit zwei Wasserstoffatomen verbunden. E

E

E

2p

2p

2p

2s

2s

1s

1s

2 sp2

Grundzustand

1s angeregter Zustand

Hybridisierung

Abbildung 5.14: Energieniveauschema der sp2 -Hybridisierung f¨ur C

Aus dem 2s-Orbital und den beiden 2p-Orbitalen werden drei 2sp2 -Hybridorbitale gebildet (s. Abb. 5.14). Werden sp2 -Hybridorbitale f¨ur eine Bindung herangezogen, dann liegt eine trigonale Anordnung der Orbitale vor. Die sp2 -Hybridorbitale liegen in einer Ebene und bilden einen Win-

5.1 Atombindung

63

ein s-Orbital

drei sp2-Hybridorbitale zwei p-Orbitale

Abbildung 5.15: sp2 -Hybridisierung

¨ kel von 120◦ . Die drei C-H-Bindungen entstehen durch eine Uberlappung der 1s-Orbitale der Wasserstoffatome mit jeweils einem sp2 -Orbital der Kohlenstoffatome. Von den vier Valenzelektronen des Kohlenstoffatoms sind damit zwei Elektronen u¨ ber zwei σ -Bindungen zu den Wasserstoffatomen und ein Elektron u¨ ber die σ -Bindung zum anderen C-Atom eingebunden. Das vierte Valenzelektron besetzt das bei der Hybridisierung nicht benutzte pz -Orbital. Auch die beiden pz -Orbitale der Kohlenstoffatome, die senkrecht zur Molek¨ulebene stehen, k¨onnen ¨ u¨ berlappen. Sie bilden die π -Bindung. Die Uberlappung ist schw¨acher als bei der σ -Bindung, da die beiden Orbitale parallel stehen und sich so nicht ideal durchdringen k¨onnen. Die Elektronenladungsdichte befindet sich oberhalb und unterhalb der Molek¨ulebene. Das Molek¨ul ist dadurch in einer Ebene fixiert und eine Rotation um die C-C-Bindung ist nicht m¨oglich, ¨ da bei der Drehung um die C-C-Bindung eine Uberlappung der p-Orbitale nicht mehr gew¨ahrleistet w¨are. In einer Doppelbindung ist der Abstand (= 135 pm) der beiden C-Atome k¨urzer als in einer Einfachbindung (= 154 pm). 1s sp 2 sp 2 H sp 2 sp 2 C C

H

H

H

sp 2

sp 2

π H σ C H σ

σ

σ H C σ H

π pz

pz

Abbildung 5.16: Bildung einer Doppelbindung am Beispiel H2 C = CH2

Ein wichtiges Beispiel f¨ur eine Dreifachbindung finden wir im Ethinmolek¨ul (Acetylen). Ethin geh¨ort zur Gruppe der Alkine (Cn H2n−2 ). Alkine enthalten eine Dreifachbindung. Die Dreifachbindung zwischen den beiden C-Atomen besteht aus einer σ - und zwei π -Bindungen. Es liegt eine sp-Hybridisierung vor. H−C ≡ C−H

(Ethin)

Die sp-Hybridisierung ist das Ergebnis der Kombination eines 2s- und eines 2p-Orbitals. Es entstehen zwei 2sp2 -Hybridorbitale.

64

5 Chemische Bindung 2py

1s H

C sp

H

C sp

sp

sp

H σ C

2py

π σ π

π C

σ H

π 2pz

2pz

Abbildung 5.17: Bildung der π -Orbitale am Beispiel C2 H2 E

E

E

2p

2p

2p

2s

2s

1s

1s

2 sp

Grundzustand

1s angeregter Zustand

Hybridisierung

Abbildung 5.18: Energieniveauschema der sp-Hybridisierung f¨ur C

Jedes C-Atom bildet mit seinen beiden sp-Orbitalen eine σ -Bindung zu einem H-Atom und zum anderen C-Atom aus. Die sp-Orbitale bilden miteinander einen Winkel von 180◦ . Daraus resultiert eine lineare Anordnung der Atome. Der Bindungsabstand betr¨agt 121 pm. Die beiden anderen senkrecht zur Molek¨ulebene stehenden py - und pz -Orbitale u¨ berlappen und bilden π -Orbitale. Die Elektronenwolken der π -Orbitale befinden sich dann oberhalb, unterhalb, vor und hinter der Molek¨ulebene.

5.1.5

Bindungen in aromatischen Kohlenwasserstoffen

Die Bindung in aromatischen Kohlenwasserstoffen soll am Beispiel des Benzens (fr¨uhere Bezeichnung: Benzol) behandelt werden. Das Molek¨ul C6 H6 ist cyclisch und v¨ollig eben, in der Form eines regelm¨aßigen Sechsecks gebaut. Alle C-Atome liegen im sp2 -hybridisierten Zustand vor. Die Eigenschaften der Bindungen im Benzenmolek¨ul sind nicht wie die der in Kap. 5.1.4 beschriebenen ,,normalen“ Doppelbindungen. Der Bindungsabstand der C-Atome ist gr¨oßer als in einer Doppelbindung und kleiner als in einer Einfachbindung. Außerdem sind die Bindungsabst¨ande zwischen allen C-Atomen gleich. Verbindungen, wie das Benzenmolek¨ul lassen sich nicht durch eine einzige Formel darstellen. Da eine einzige Valenzstrichformel keine ausreichende Wiedergabe der Bindungsverh¨altnisse in einem Benzenmolek¨ul mit delokalisierten Elektronen wiedergibt, schreibt man das Benzen-

5.1 Atombindung

65 H

H H C H

C

H

C

H C

C C H

C

H

H

C

H

C C C

C

H

H

Abbildung 5.19: Mesomere Grenzformen des Benzenmolek¨uls

molek¨ul in Form von mehreren Grenzformeln, die man u¨ ber einen Doppelpfeil (↔) miteinander verkn¨upft (mesomere Grenzformeln). Das Ph¨anomen, dass die tats¨achliche Struktur eines Molek¨uls zwischen den graphisch darstellbaren Formeln liegt, nennt man Mesomerie (oder fr¨uher Resonanz). Die oben angegebenen Strukturen k¨onnen nur einen Grenzzustand beschreiben, die π -Elektronen sind delokalisiert.

Abbildung 5.20: Darstellung der π -Elektronen-Delokalisierung

Man zeichnet die Formel f¨ur Benzen als regelm¨aßiges Sechseck, in dem man statt der Doppelbindungen einen inneren Kreis zeichnet, der die Delokalisierung der π -Elektronen symbolisieren soll. Dem mesomeren Zustand wird eine geringere Energie zugeordnet als jedem einzelnen Grenzzustand. Die Energiedifferenz zwischen dem mesomeren Zustand und den Grenzzust¨anden bezeichnet man als Mesomerieenergie (oder Resonanzenergie). Eine Verbindung ist dann mesomerie- oder resonanzstabilisiert, wenn eine Delokalisierung von π -Elektronen das Molek¨ul stabilisiert. Diese Mesomerieenergie betr¨agt beim Benzenmolek¨ul −153 kJ/mol. In einem Benzenmolek¨ul bildet jedes C-Atom u¨ ber sp2 -Hybridorbitale σ -Bindungen zu den beiden benachbarten C-Atomen und zu einem H-Atom. Durch die Kombination der senkrecht

Abbildung 5.21: Energie der mesomeren Grenzformeln

66

5 Chemische Bindung

2p

Abbildung 5.22: Schematische Darstellung der p-Orbitale des Benzenmolek¨uls

zur Molek¨ulebene stehenden p-Orbitale der jeweils benachbarten C-Atome bildet sich ein Orbitalsystem mit π -Elektronen, dessen Ladungsdichte oberhalb und unterhalb der Molek¨ulebene liegt. Die sechs π -Elektronen der Kohlenstoffatome sind dann u¨ ber das ganze System verteilt (delokalisiert, s. Abb. 5.23). Die Doppelbindungen k¨onnen nicht mehr einzelnen C-Atomen zugeordnet werden. Die Eigenschaften und das Reaktionsverhalten von aromatischen Verbindungen sind deshalb v¨ollig verschieden von Verbindungen, die Doppelbindungen enthalten.

Abbildung 5.23: π -Elektronenwolken im Benzenmolek¨ul

5.1.6

Polare Atombindung

Die Elektronegativit¨at (s. auch Kap. 3.2.4) eines Atoms ist ein Maß daf¨ur, wie stark es die Elektronen in einem Molek¨ul an sich zieht. In Molek¨ulen, die aus Atomen verschiedener Elemente bestehen, zieht das elektronegativere Atom die Bindungselektronen st¨arker zu sich. Das bindende Elektronenpaar h¨alt sich dann im zeitlichen Mittel h¨aufiger bei dem st¨arker anziehenden Atom auf. Die Bindung wird polarisiert. Diesen Bindungstyp, der zwischen einer Atombindung und Ionenbindung liegt, bezeichnet man als polare Atombindung.

Beispiel: Das Chloratom im Chlorwasserstoffmolek¨ul HCl zieht die Elektronen wesentlich st¨arker zu sich als das H-Atom. Durch die unsymmetrische Ladungsverteilung ensteht am Chloratom eine negative Partialladung (δ − ). Da das Molek¨ul elektrisch neutral ist, muss am Wasserstoffatom dann eine partielle positive Ladung (δ + ) lokalisiert sein.

5.1 Atombindung

67

Eine unsymmetrische Ladungsverteilung wird in Valenzstrichformeln durch Partialladungen (δ + , δ − ), durch eine keilf¨ormige Bindungsstruktur oder beides gekennzeichnet. δ+ δ−

oder H  Cl

H –Cl

oder

δ−

δ+

H  Cl + -

q+

q−

Ein zweiatomiges Molek¨ul, das zwei Ladungen q+ und q− im Abstand r aufweist, besitzt ein Dipolmoment, μ . Das Dipolmoment ist gegeben durch: |q∗ | = Betrag der Ladungen r = Abstand der Ladungen

μ = |q∗ | · r

Die Einheit des Dipolmoments ist Debye (1 D = 3,336 · 10−30 C m). Auch das gewinkelt gebaute Wassermolek¨ul (s. Abb. 5.24) stellt einen Dipol dar. Bei mehratomigen Molek¨ulen wird die Berechnung des Dipolmoments komplizierter, weil die Geometrie des Molek¨uls ber¨ucksichtigt werden muss. Darauf soll hier verzichtet werden. Symmetrische Molek¨ule wie CH4 , CCl4 oder SO2 besitzen kein Dipolmoment. Die Bestimmung des Dipolmoments erlaubt es, Aussagen u¨ ber den partiellen Ionencharakter des Molek¨uls zu machen. Der Ionencharakter eines Molekuls ¨ in % ergibt sich aus dem Quotienten μ /μ (theor.) des messbaren Dipolmomentes μ und des theoretischen Dipolmoments μ (theor.), das sich ergeben w¨urde, wenn das Molek¨ul aus Ionen aufgebaut w¨are. Das experimentell gemessene Dipolmoment f¨ur HCl betr¨agt 3,43 · 10−30 C m. Mit der Elementarladung 1,6022 · 10−19 C und einem Bindungsabstand in HCl von 1,27 · 10−10 m gilt:

μ (theor.) = 1,6022 · 10−19 C · 1,27 · 10−10 m = 2,03 · 10−29 C m μ /μ (theor.) = 0,169. Der Ionenanteil in HCl betr¨agt nur 16,9 %. In HCl finden wir eine polare Atombindung. Auch mit Hilfe der Elektronegativit¨atswerte EN (s. Kap. 3.2.4) l¨asst sich auf den Charakter einer chemischen Bindung schließen. Eine kovalente Bindung ist umso polarer, je gr¨oßer die Elektronegativit¨atsdifferenz der Bindungspartner ist. Bei Differenzen, die kleiner als 1,7 sind, liegt eine vorwiegend kovalente Bindung vor. Im Extremfall einer polaren Atombindung zieht das elektronegativere Atom die Elektronen so stark zu sich, dass eine Ionenbindung entsteht (s. Kap. 5.2). Der Verlauf vieler chemischer Reaktionen wird im Wesentlichen durch die Polarit¨at der Bindung beinflusst. Am Beispiel der Molek¨ule NaCl, PCl3 und Cl2 soll mit Hilfe der Elektronegativit¨atsdifferenz (ΔEN) auf den Bindungscharakter geschlossen werden. Element

Na

P

Cl

EN ΔEN

0,9 2,3

2,2 1,0

3,2 0

68

5 Chemische Bindung

Aus ΔEN l¨asst sich schließen, dass im molekularen Chlor eine ideale kovalente Bindung vorliegt. NaCl bildet eine Ionenbindung und im PCl3 liegt eine polare kovalente Bindung vor. ¨ Betrachtet man die Chlorverbindungen der Elemente der 3. Periode, so erh¨alt man einen Uberblick u¨ ber den Gang der Polarit¨aten in den jeweiligen Bindungen. NaCl

MgCl2

AlCl3

SiCl4

PCl3

← Ionenbindung

SCl2

Cl2

← polare Atombindung ← Atombindung

Molek¨ule mit polarisierter Atombindung unterliegen in w¨assriger L¨osung der elektrolytischen Dissoziation. Durch die Wechselwirkung mit dem Dipol Wasser, spalten sie sich in Ionen auf (s. Kap. 11.2.1).

Abbildung 5.24: Schematische Darstellung des Dipols H2 O

Beispiel: HCl  H+ + Cl−

5.2

oder HCl + H2 O  H3 O+ + Cl−

Ionenbindung

Bei der Reaktion von Metallen mit Nichtmetallen geben die Metallatome Elektronen ab und die Atome der Nichtmetalle nehmen Elektronen auf. Dabei entsteht zwischen dem Metall und dem Nichtmetall eine Ionenbindung oder heteropolare Bindung. Charakteristische Vertreter von Ionenverbindungen sind die Alkali- und Erdalkalihalogenide und -chalkogenide (Beispiele: NaCl und CaO). Ist die Differenz der Elektronegativit¨aten zwischen zwei Bindungspartnern sehr groß, dann l¨asst sich eine heteropolare Bindung auch so erkl¨aren, dass der elektronegativere Partner die Bindungselektronen vollst¨andig zu sich her¨uberzieht. Die Atome, die Elektronen abgeben, werden dabei zu positiv geladenen Ionen (Kationen). Kationen besitzen weniger Elektronen als Protonen. Die Atome, die Elektronen aufnehmen, werden zu negativ geladenen Ionen (Anionen). Anionen besitzen mehr Elektronen als Protonen. Ein Vergleich mit den Edelgasen Neon und Argon zeigt das Bestreben der Hauptgruppenelemente Natrium und Chlor, in Ionenverbindungen eine Edelgaselektronenkonfiguration anzunehmen (s. Tabelle 5.1).

5.2 Ionenbindung

69

Tabelle 5.1: Zahl der Protonen und Elektronen in Na, Na+ , Ne, Cl, Cl− und Ar

p+ e−

Na

Na+

Ne

Cl

Cl−

Ar

11 11

11 10

10 10

17 17

17 18

18 18

Die Bildung von Natriumchlorid, der bekanntesten ionischen Verbindung aus den Elementen Natrium und Chlor, soll nun n¨aher erl¨autert werden. 2Na + Cl2 → 2Na+ + 2Cl−

(2 NaCl)

Ein Natriumatom besitzt die Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s1 . Durch die Abgabe des 3s-Elektrons wird ein Natriumkation gebildet, das die Elektronenkonfiguration des Edelgases Neon, 1s2 2s2 2p6 , besitzt. Ein Chloratom mit der Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s2 3p5 nimmt ein Elektron auf. Das gebildete Chloridanion (Cl− ) weist die Edelgaskonfiguration 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 des Argons auf. Ob Atome dazu neigen eine Ionenbindung einzugehen, h¨angt insgesamt von der Kernladung, der Gr¨oße der Atome, der Elektronenkonfiguration und Elektronegativit¨at ab. Bei den meisten Bindungsstrukturen liegt weder eine reine Ionenbindung noch eine reine kovalente Bindung vor; d.h. es liegen verzerrte Ionen oder polare kovalente Bindungen vor (s. auch Kap. 5.1.6 und ¨ 5.2). Die Uberg¨ ange zwischen Ionen, polarer Atombindung und kovalenter Bindung sind in Abb. 5.25 anschaulich demonstriert.

(z.B. CsF)

(z.B. NaCl)

(z.B. H2)

¨ Abbildung 5.25: Uberg¨ ange zwischen Ionenbindung und kovalenter Bindung. (Die tats¨achlichen Gr¨oßen der Kationen und Anionen wurden hier nicht ber¨ucksichtigt)

Ein Kation als positiv geladenes Teilchen wirkt anziehend auf die negative Ladungswolke eines Anions und kann sie deformieren. Das Anion wird verzerrt, und die Elektronen des Anions werden st¨arker zum Kation hingezogen. Je kleiner und je h¨oher die Ladung eines Kations ist, desto st¨arker kann es die Elektronenh¨ulle eines Anions deformieren; d.h. der kovalente Charakter der Ionenbindung nimmt zu. Lithium, Beryllium und Bor bilden haupts¨achlich Verbindungen mit kovalentem Charakter. Mehr als drei Elektronen werden bei der Bildung einer Ionenbindung nie von einem Atom abgegeben. Die daf¨ur erforderlichen Ionisierungsenergien sind sehr hoch. Deshalb sind Molek¨ule wie SnCl4 , SF6 , PCl5 und SiO2 nicht ionisch, sondern kovalent aufgebaut. Die Elektronenh¨ulle eines Anions kann umso leichter deformiert werden, je gr¨oßer sie ist, und je h¨oher das Anion geladen ist. Die Tendenz zur Bildung einer ionischen Struktur ist

70

5 Chemische Bindung

besonders groß, wenn ein niedrig geladenes, großes Kation mit einer niedrigen Ionisationsenergie und ein kleines, niedrig geladenes Anion miteinander eine Bindung eingehen. Ein typisches Beispiel ist das C¨asiumfluorid. C¨asium ist ein Metall mit einer sehr geringen Ionisierungsenergie und das Nichtmetall Fluor besitzt eine sehr hohe Elektronegativit¨at und somit eine hohe Tendenz ein Elektron aufzunehmen. Elektrostatische (Coulombsche) Anziehungskr¨afte f¨uhren zur Bindungsbildung zwischen den entgegengesetzt geladenenen Teilchen in einer heteropolaren Bindung. Es bilden sich keine Molek¨ulorbitale.

Abbildung 5.26: Schematische Darstellung einer Ionenbindung +



·e) Die Festigkeit einer Ionenbindung kann durch das Coulombsche Gesetz [FC = (z 4·e)·(z , πε0 r2 + − z , z = Zahl der Ladungen (siehe auch Kap. 2.3)] beschrieben werden. Kation und Anion werden dabei als kugelf¨ormige Teilchen betrachtet.

Die St¨arke der elektrostatischen Anziehung zwischen Anion und Kation ist dem Produkt der Ladungen proportional und dem Quadrat des Abstandes r ungekehrt proportional. Die Ionen n¨ahern sich einander bis sie einen Gleichgewichtsabstand erreichen, d.h. Abstoßungskr¨afte und Anziehungskr¨afte sind gleich groß. F¨ur Natriumchlorid ist r(NaCl) = 0,281 nm. Die Anziehungskr¨afte zwischen den Ionen sind umso gr¨oßer, je mehr sich die entgegengesetzt geladenen Ionen ann¨ahern k¨onnen. Die elektrostatischen Kr¨afte sind ungerichtet. Sie weisen in alle Raumrichtungen. Die Ionenbindung ist daher r¨aumlich nicht gerichtet. Im festen Zustand ist in einem NaCl-Kristall jedes Chloridanion von sechs Natriumkationen und jedes Natriumkation ist von sechs Chloridionen oktaedrisch umgeben. NaCl kristallisiert in einer kubischen (W¨urfel)-Struktur, die man auch als kubisch dichteste Packung bezeichnet. Einzelne NaCl-Molek¨ule gibt es im festen Zustand nicht. Die Schreibweise NaCl ist also nicht ganz korrekt, da man eigentlich Nax Clx schreiben m¨usste. Man gibt aus Gr¨unden der Vereinfachung das kleinste ganzzahlige Zahlenverh¨altnis zwischen den Ionen an, so dass der Kristall nach außen hin elektrisch neutral ist. Es gibt noch viele andere Kristrallgitter in denen Salze kristallisieren k¨onnen. Die Kristallstruktur h¨angt dabei sehr stark von der Gr¨oße der Ionen ab. Bei der Entstehung eines Kristallgitters wird Energie frei. Ein Maß f¨ur die St¨arke der Bindung zwischen Ionen in einem Kristall ist die Gitterenergie. Unter Gitterenergie versteht man die Energie, die beim Zusammenf¨ugen der Teilchen aus gasf¨ormigen Ionen frei gesetzt wird. Sie wird haupts¨achlich durch die Coulombkraft bestimmt. Mit steigender Gitterenergie nehmen bei

5.2 Ionenbindung

71

gleicher Gitterstruktur Eigenschaften wie Schmelzpunkt, Siedepunkt und H¨arte (nach Mohs) zu (s. Tabelle 5.2). Tabelle 5.2: Gitterenergie, Schmelzpunkt, H¨artegrad und Ionenabstand f¨ur die Gitter von NaF, NaCl und CaO Gitter

Gitterenergie [kJ/mol]

Schmelzpunkt [◦ C]

H¨artegrad nach Mohs

Ionenabstand [nm]

NaF NaCl CaO

− 916 − 788 −2525

992 800 2570

3,2 2,5 4,4

0,231 0,281 0,237

Die Gitterenergie h¨angt von der Ladung und der Gr¨oße der Ionen ab. Sie ist um so gr¨oßer, je h¨oher die Ladung und je kleiner die Ionen sind. Je mehr sich Ionen einander n¨ahern k¨onnen, umso gr¨oßer werden die Anziehungskr¨afte. CaO (Ca2+ , O2− ) zeigt h¨ohere Werte als NaF und NaCl. NaF besitzt eine h¨ohere Gitterenergie als NaCl wegen des kleineren Anions. Ionenverbindungen sind hart und spr¨ode, sie zeigen hohe Schmelz- und Siedepunkte. Im festen Zustand schwingen die Ionen im Gitter um ihre Gitterpunkte. Durch die Zufuhr von Energie werden die Schwingungen immer heftiger, bis die Ionen schließlich ihren Platz im Gitter verlassen. Sie werden beweglich, das Salz schmilzt. Auch durch das L¨osen in einem polaren L¨osungsmittel wie Wasser wird das Ionengitter, durch die Wechselwirkungen mit den Wassermolek¨ulen, die ja Dipole darstellen, zerst¨ort. Der Kristall l¨ost sich auf, und die Ionen sind frei beweglich (s. Kap. 13.2). Im geschmolzenen Zustand und in w¨assriger L¨osung leiten Ionenverbindungen den elektrischen Strom. Man bezeichnet sie auch als Elektrolyte oder Leiter 2. Klasse. Die Bezeichnung Kation und Anion beruht auf dem Verhalten einer Salzschmelze w¨ahrend einer Elektrolyse. Legt man eine Gleichspannung an, so wandern die Ionen (griech.: Ion = Wanderer) zur jeweils entgegengesetzt geladenen Elektrode. Kationen wandern zur Kathode (negativer Pol, griech.: kathodos = Weg abw¨arts) und Anionen zur Anode (positiver Pol,

z

y

x : Na

: Cl

Abbildung 5.27: Die NaCl-Struktur (Die unterschiedliche Gr¨oße der Natrium- und Chlorionen wurde hier nicht ber¨ucksichtigt)

72

Cl-Ion

5 Chemische Bindung

Na-Ion

Abbildung 5.28: Ionengitter des Natriumchlorids

griech.: anhodos = Weg aufw¨arts). Da das Salz bei einer Elektrolyse zersetzt wird, spricht man bei Salzen auch von Leitern 2. Klasse. Metalle sind Leiter 1. Klasse, da sie beim Stromdurchgang nicht zersetzt werden. Mit steigender Temperatur l¨asst sich f¨ur Leiter 2. Klasse eine Zunahme der elektrischen Leitf¨ahigkeit beobachten, da die Ionen als Tr¨ager von Ladungen zunehmend beweglicher werden. L¨ost man ein Salz in einem L¨osungsmittel, so kommt es zu Wechselwirkungen zwischen den L¨osungmittelmolek¨ulen und den Ionen. Die Effektivit¨at eines L¨osungsmittels h¨angt dabei von seiner Dielektrizit¨atskonstanten ε ab. L¨osungsmittel

ε (20 ◦ C)

Wasser

Methanol

NH3

Benzen

81

30

20

5

Um eine Substanz zu l¨osen, m¨ussen die Wechselwirkungskr¨afte zwischen Stoff und L¨osungsmittel gr¨oßer sein, als die Bindungskr¨afte zwischen den L¨osungsmittelmolek¨ulen und den Molek¨ulen der zu l¨osenden Substanz. Polare L¨osungsmittel wie Wasser, Alkohole (z.B. Methanol) oder NH3 l¨osen polare Substanzen, wie Salze. Unpolare L¨osungsmittel, wie Benzen, l¨osen besser unpolare Substanzen, wie Butan (C4 H10 ). Bezogen auf die Polarit¨at gilt: ,,Similia in similibis solvuntur“ (,,Gleiches l¨ost sich in Gleichem“). Um das L¨osungsmittel einer solchen L¨osung zu verdampfen muss ein h¨oherer Energiebetrag erbracht werden, als f¨ur die Verdampfung des reinen L¨osungsmittel n¨otig w¨are. Das L¨osungsmittel wird durch die elektrostatischen Wechselwirkungen mit dem gel¨osten Salz st¨arker gebunden. Man ben¨otigt zur Trennung mehr Energie, d.h. es resultiert eine Siedepunktserh¨ohung. L¨ost man ein Salz, wie KCl, in Wasser, so dissoziiert das Salz in die Ionen K+ und Cl− . Dazu muss die Gitterenergie von 701 kJ/mol aufgebracht werden. Eine Energie, die aufgewendet

5.2 Ionenbindung

73

werden muß, erh¨alt ein positives Vorzeichen. Frei werdende Energie erh¨alt ein negatives Vorzeichen. KCl(f) → K+ + Cl− Die Ionen in w¨assriger L¨osung werden sofort hydratisiert; d.h. sie werden von Wassermolek¨ulen umgeben. Die hierbei freigesetzte Energie von −684 kJ/mol wird als Hydratationsenthalpie bezeichnet. K+ + Cl− + (n + m)H2O → [K(H2 O)n ]+ + [Cl(H2 O)m ]− Die Hydratationsenthalpie ist kleiner als die Gitterenergie. Die f¨ur den L¨osevorgang resultierende L¨osungsenthalpie hat einen Wert von +17 kJ/mol, d.h. zur vollst¨andigen Salzaufl¨osung muss Energie von außen zugef¨uhrt werden (+17 kJ/mol). In diesem Fall wird Energie in Form von W¨arme der L¨osungsumgebung entzogen; d.h. die KCl-L¨osung k¨uhlt ab. KCl(f) + (n + m)H2O → [K(H2 O)n ]+ + [Cl(H2 O)m ]− Tabelle 5.3: Gitterenergie, Hydratationsenthalpie und L¨osungsenthalpie von KCl und AgF Salz

Gitter- [kJ/mol]

Hydratations- [kJ/mol]

L¨osungsenthalpie [kJ/mol]

KCl AgF

(+)701 (+)911

−684 −931

+17 −20

Ist die Hydratationsenthalpie gr¨oßer als die Gitterenergie wie bei einer AgF-L¨osung, dann erw¨armt sich die L¨osung. Die resultierende L¨osungsenthalpie betr¨agt −20 kJ/mol. Hydratationsenthalpie und L¨osungsenthalpie sind abh¨angig von der Konzentration des gel¨osten Salzes. Nomenklatur von Ionenverbindungen Bei der Namensgebung eines Salzes wird das Kation zuerst genannt. Dann folgt das Anion. 2− Kationen oder Anionen k¨onnen dabei auch aus Molek¨ulen bestehen, wie z.B. NH+ 4 und SO4 . einige wichtige Ionen: Kationen:

NH+ 4 , Ammonium H3 O+ , Oxonium

Anionen:

Cl− , Chlorid F− , Fluorid Br− , Bromid I− , Iodid O2− , Oxid OH− , Hydroxid

Anionen:

N3− , Nitrid CN− , Cyanid N− 3 , Azid SO2− 4 , Sulfat SO2− 3 , Sulfit NO− 2 , Nitrit NO− 3 , Nitrat PO3− 4 , Phosphat 2− S , Sulfid

Beispiele f¨ur Ionenverbindungen: Na2 SO3 KNO3 Na3 PO4 Natriumsulfit

Kaliumnitrat

Natriumphosphat

BaCl2

Al2 (SO4 )3

Bariumchlorid

Aluminiumsulfat

74

5 Chemische Bindung

Bei der formelm¨aßigen Darstellung eines Salzes, muss darauf geachtet werden, dass das Molek¨ul nach außen hin elektrisch neutral ist. Beispiel: 3− Wie lauten die Formeln f¨ur das Chlorid (Cl− ), Sulfat (SO2− 4 ) und Nitrid (N ) des Magnesiums?

Die Formeln sind MgCl2 , MgSO4 und Mg3 N2 , da das Magnesium als zweiwertiges Kation (Mg2+ ) auftritt, m¨ussen das Magnesiumchlorid und das Magnesiumsulfat aus einen Magnesiumkation und zwei Chloridanionen bzw. einem Sulfatanion bestehen. Im Magnesiumnitrid werden drei Magnesiumkationen zwei Nitridanionen zugeordnet. Stellt man Valenzstrichformeln f¨ur Ionen auf, so m¨ussen neben den m¨oglichen mesomeren Grenzformeln und der Doppelbindungsregel auch Formalladungen ber¨ucksichtigt werden. Am Beispiel des Amoniumions (NH+ 4 ) und des Kohlenmonoxids (CO) soll der Begriff der Formalladung erkl¨art werden. Hier ist die Formalladung am Stickstoff +1. Man erh¨alt die Formalladung, indem man die Bindungselektronen gleichm¨aßig zwischen dem N-Atom und den vier H-Atomen verteilt. H (+)

H

N

H

H Ein Vergleich mit der Valenzelektronenzahl des Stickstoffs zeigt, dass dem N-Atom nur vier Elektronen zugeordnet werden k¨onnen. Die Formalladung ist also +1. Tats¨achlich ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Bindungselektronen aufgrund der h¨oheren Elektronegativit¨at am Stickstoff sehr viel h¨oher als beim Wasserstoff.

− Abbildung 5.29: Mesomere Grenzformeln von SO2− 4 und NO3 -Ionen

5.3 Metallbindung

75

Beim Kohlenmonoxid (CO) erh¨alt der Kohlenstoff die Formalladung −1 zugewiesen. Der wesentlich st¨arker elektronegative Sauerstoff erh¨alt formal die Ladung +1. (-)

(+)

C≡O

Mesomere Grenzformeln sind besonders bei den sauerstoffhaltigen Anionen zu ber¨ucksichtigen (s. Abb. 5.29). Beispiele:

− SO2− 4 und NO3

Da das Stickstoffatom der 2. Periode angeh¨ort, muss beim Nitratanion die Oktettregel beachtet werden.

5.3

Metallbindung

Etwa 76 % aller Elemente sind Metalle. Sie kommen in der Natur h¨aufig in Erzen oder Salzen vor, und werden h¨aufig aus den Oxiden und Sulfiden gewonnen. Als wichtigste Eigenschaften sind zu nennen: Leichte Verformbarkeit, metallischer Glanz, große W¨armeleitf¨ahigkeit und gute elektrische Leitf¨ahigkeit ¨ Tabelle 5.4: Ubersicht u¨ ber die wichtigsten Metalle

I Li Na K Rb Cs

II III IV V Be Mg IIIa IVa Va V Ia V IIa V IIIa Ia IIa Al Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Ba La Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi

Die metallischen Elemente besitzen eine geringe Elektronegativit¨at und eine niedrige Ionisierungsenergie. Sie geben daher leicht Elektronen ab und zeigen eine ausgepr¨agte Neigung zur Bildung von Kationen. Beispiel: Li (1s2 2s1 ) → Li+ (1s2 ) + e− Durch die Abgabe eines Elektrons erh¨alt das Lithiumkation die Elektronenkonfiguration des Heliums (1s2 ).

76

5 Chemische Bindung

Li

+ Elektronengas

Abbildung 5.30: Elektronengasmodell f¨ur das Element Li

5.3.1

Elektronengasmodell und Energieb¨andertheorie

Die typischen Eigenschaften der Metalle lassen sich nur erkl¨aren, wenn man sich mit den speziellen Bindungsverh¨altnissen in Metallen befasst. Die Bindungsstrukturen werden zun¨achst mit dem sehr einfachen Elektronengasmodell und sp¨ater mit der Energieb¨andertheorie erkl¨art. In einem Metallkristall lagern sich viele Metallatome zu einem Metallgitterverband zusammen. Die Metallatome geben ihre Valenzelektronen ab und werden zu positiv geladenen Metallkationen. Im Elektronengasmodell stellt man sich die von den Metallatomen abgegebenen, delokalisierten Valenzelektronen, wie ein im Gitter freibewegliches Gas vor. Die Elektronen geh¨oren allen Metallkationen gemeinsam und halten das aus positiv geladenen Kationen aufgebaute Gitter zusammen. Auch nach der Energieb¨andertheorie bilden die Metallatome einen regelm¨aßigen Gitterverband. ¨ Dabei kommt es zu einer Uberlappung der Atomorbitale der Valenzelektronen. Es entstehen Molek¨ulorbitale mit geringerer, sowie mit h¨oherer Energie als das Ausgangsorbital. Je mehr Metallatome miteinander verbunden werden, umso mehr getrennte, aber immer dichter beieinander liegende Energieniveaus entstehen. Sie geh¨oren allen Atomen gemeinsam, d.h. es entsteht ein Energieband. Die Besetzung der Energieniveaus erfolgt nach dem Pauli-Prinzip und der Hundschen Regel. E

Atomorbital

1

Band

2

3

4



Zahl der Atome Abbildung 5.31: Entstehung eines Energiebandes durch Aufspaltung energetisch gleichwertiger Atomorbitale

5.3 Metallbindung

77

Jedes Metallatom stellt seine Valenzelektronen f¨ur das Energieband zur Verf¨ugung. Die Anzahl der Elektronen entspricht der Zahl der Molek¨ulorbitale in diesem Band, das man auch Valenzband nennt. Es gilt das Pauli-Prinzip, nach dem jedes Orbital nur mit maximal 2 Elektronen entgegengesetzten Spins besetzt werden darf. Legt man bei einem nicht vollst¨andig besetzten Valenzband eine Spannung an, so k¨onnen die Elektronen wegen der geringe Energieunterschiede der einzelnen Energieniveaus problemlos von einem Niveau zum anderen springen. Daraus resultiert dann eine gute elektrische Leitf¨ahigkeit. Eine gute elektrische Leitf¨ahigkeit liegt immer dann vor, wenn ein Band nur teilweise mit Elektronen besetzt ist, wie beim Lithium, oder wenn sich ein vollbesetztes Valenzband mit einem leeren Band u¨ berschneidet. Dieses zweite Band nennt man auch Leitungsband. Die Elektronen aus dem vollbesetzten Valenzband k¨onnen dann durch Anregung in das Leitungsband gelangen. Eine elektrische Leitf¨ahigkeit setzt die Beweglichkeit von Elektronen voraus! Atomorbitale E

Bänder

2p 2s

verbotene Zone 1s

¨ Abbildung 5.32: Uberschneidung des 2s- und 2p-Bandes am Beispiel der Lithiumatome

Betrachten wir die Band¨uberschneidungen am Beispiel der Lithiumatome: Die Elektronenkonfiguration ist 1s2 2s1 . Neben dem mit einem Elektron besetzten 2s-Orbital besitzen Lithiumatome noch 3 unbesetzte 2p-Orbitale. Der geringe Energieunterschied zwi¨ schen 2s- und 2p-Niveau und die Verbreiterung des 2s-Bandes erm¨oglichen eine Uberschneidung des 2s-Bandes mit dem unbesetzten 2p-Band. Dadurch k¨onnen sich die Valenzelektronen auch im 2p-Band bewegen, dem Leitungsband der Lithiumatome. Das vollbesetzte 1s-Band, dass durch die Wechselwirkung der 1s-Orbitale der Lithiumatome entsteht, u¨ berschneidet sich nicht mit anderen B¨andern, und die Elektronen leisten keinen oder nur einen geringen Beitrag zur Bindung des Atomverbandes. Das 1s-Band ist durch eine verbotene Energiezone vom 2s-Band getrennt. F¨ur die Elektronen des Lithiums ist dieser Energiebereich verboten; d.h. die Energiebarriere ist so groß, dass sie von den Elektronen nicht u¨ berwunden werden kann. In Abb. 5.33 ist das Energieb¨andermodell f¨ur Beryllium (1s2 2s2 ) dargestellt. Das 2s-Valenzband ist mit zwei Valenzelektronen voll besetzt. Die Leitung des elektrischen Stroms wird durch die ¨ Uberschneidung mit dem unbesetzten 2p-Leitungsband erm¨oglicht. Wir wollen nun die typischen Eigenschaften der Metalle mit Hilfe der Metallbindungstheorien erkl¨aren.

78

5 Chemische Bindung

E

2p 2s

Leitungsband Valenzband verbotene Zone

1s

Abbildung 5.33: Energieb¨andermodell f¨ur Beryllium

Die elektrische Leitf¨ahigkeit von Metallen nimmt mit steigender Temperatur ab. Diese besondere Eigenschaft l¨asst sich mit Hilfe des Elektronengasmodells erkl¨aren. Mit steigender Temperatur werden die Metallatome in Schwingungen versetzt. Die Atome schwingen um ihre Ruhelage, wobei die Amplitude mit steigender Temperatur zunimmt. Die Elektronen stoßen immer h¨aufiger mit den schwingenden Atomr¨umpfen zusammmen und werden dadurch in ihrer Beweglichkeit behindert. In der N¨ahe des absoluten Nullpunktes bei 0 K (−273 ◦ C) werden viele Metalle supraleitend. Ein Supraleiter leitet den elektrischen Strom verlustfrei, da der Ohmsche Widerstand auf Null abf¨allt. Das Verh¨altnis von elektrischer Leitf¨ahigkeit zur W¨armeleitf¨ahigkeit ist f¨ur eine konkrete Temperatur konstant; d.h. gute elektrische Leiter sind auch gute W¨armeleiter. Die W¨armeleitf¨ahigkeit steigt mit zunehmender Temperatur, weil die Elektronen des Metallgitters leicht angeregt werden k¨onnen. Der Glanz der Metalle beruht zum Teil auf dem starken Reflexionsverm¨ogen der Metalle. Metalle k¨onnen bestimmte Wellenl¨angen des Spektrums absorbieren. Diese Energie reicht aus, um ein Elektron auf ein h¨oheres Niveau eines Bandes anzuheben. Bei der R¨uckkehr der Elektronen von einem h¨oheren Energieniveau in ein niedrigeres Niveau wird die aufgenommene Energie als Licht wieder abgestrahlt. Auch die leichte Verformbarkeit der Metalle l¨asst sich u¨ ber die speziellen Bindungsverh¨altnisse verdeutlichen. Durch die Einwirkung einer Kraft auf das Metall, gleiten die Metallatome aneinander vorbei. Die beweglichen Elektronen k¨onnen sich dieser Verformung anpassen, die Bindung bleibt erhalten. Metall

Salz

Abbildung 5.34: Schematische Darstellung der Verformung von a) Metallen und b) Ionenkristallen

5.3 Metallbindung

79

Abbildung 5.34 zeigt einen Vergleich der unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften von Metallen und Salzen. Unter der Einwirkung einer Kraft n¨ahern sich in einem Salz die gleichartig geladenenen Ionen sehr stark an. Dadurch werden Abstoßungskr¨afte wirksam und der Kristall zerbricht.

5.3.2

Isolatoren und Halbleiter

Mit Hilfe der Energieb¨andertheorie werden auch die Unterschiede zwischen einem elektrischen Leiter, Halbleiter und Isolator verst¨andlich. Wie unterscheiden sich nun Nichtleiter (= Isolatoren) und Halbleiter von einem elektrischen Leiter. Die in Abb. 5.35 abgebildeten B¨anderdiagramme geben die speziellen Verh¨altnisse schematisch wieder.

Leiter

Isolator

Halbleiter

unbesetztes Band (Leitungsband) verbotene Zone besetztes Band oder besetzter Bereich in einem Band (Valenzband) Abbildung 5.35: B¨anderdiagramm f¨ur einen Leiter, Isolator und Halbleiter

In einem Leiter ist entweder das Valenzband teilweise besetzt oder das vollbesetzte Band u¨ berschneidet sich mit einem Leitungsband (z.B. Lithium oder Beryllium). Ein noch h¨oheres unbesetztes Band ist durch eine verbotene Energiezone abgetrennt. In einem Isolator ist das Valenzband vollbesetzt; d.h. die Bindungselektronen sind durch Orbital¨uberlappung fixiert und im Atomgitter nicht mehr frei beweglich. Das Leitungsband ist durch eine breite verbotene Zone abgetrennt, d.h. die Energiedifferenz zwischen Valenz- und Leitungsband ist so groß, dass diese Zone von Elektronen nur mit einem sehr hohen Energieaufwand u¨ berwunden werden kann. Beispiel:

Diamant

Im Diamantgitter (s. Kap. 5.1.3) ist jedes C-Atom tetraedrisch von vier anderen C-Atomen u¨ ber eine kovalente Bindung gebunden. Jedes C-Atom erh¨alt dadurch die Elektronenkonfiguration

Tabelle 5.5: Leitf¨ahigkeiten von Nichtleiter, Halbleiter und Leiter (S = Siemens)

Leitf¨ahigkeit (S/m):

Nichtleiter 10−10–10−8

Halbleiter 10−3–103

Leiter 106 –108

80

5 Chemische Bindung

des Edelgases Neon. 2s- und 2p-Band bilden das vollbesetzte Valenzband. Das 3s-Leitungsband hingegen ist durch eine breite verbotene Zone abgetrennt. Die auff¨alligste Eigenschaft, die man bei einem Halbleiter beobachten kann, ist die Zunahme der elektrischen Leitf¨ahigkeit mit steigender Temperatur. In einem Halbleiter ist das Valenzband besetzt. Durch Temperaturerh¨ohung k¨onnen mehr Elektronen in das Leitungsband gelangen. Beispiel:

Silicium

Das Element Silicium kristallisiert in einem Atomverband a¨ hnlich dem des Diamantgitters. Jedes Siliciumatom ist von vier anderen Siliciumatomen tetraedrisch umgeben. Dadurch erh¨alt jedes Siliciumatom die Edelgaselektronenkonfiguration des Argons und das Valenzband ist vollst¨andig besetzt. Das 3s- und 3p-Band bilden zwar ein vollbesetztes Valenzband, von dem das 4s-Leitungsband aber nur durch eine schmale verbotene Zone abgetrennt ist. Durch thermische Anregung kann diese schmale verbotene Zone von den Elektronen u¨ berwunden werden. Im Valenzband entstehen L¨ucken und die Leitung des elektrischen Stroms wird m¨oglich. Die Breite der verbotenen Zone h¨angt f¨ur die verschiedenen Elemente von der Energiedifferenz der Atomorbitale und der St¨arke der Wechselwirkungen der Atome im Gitterverband ab. Typische Halbleiter sind Silicium und Germanium. Halbleiter sind wichtige Bestandteile elektronischer Bauteile wie Computerchips und Photozellen.

5.3.3

Dotierung

Durch den gezielten Einbau von Fremdatomen in einen Halbleiter l¨asst sich dessen Leitf¨ahigkeit verbessern. Dieses gezielte Einbauen von Fehlstellen bezeichnet man als dotieren (lat.: dotare = ausstatten). Beispiel:

Silicium

Das Leitungsband ist beim Silicium noch relativ weit vom Valenzband entfernt und zur Anregung der Elektronen in das Valenzband muss ein relativ hoher Energiebetrag aufgewendet werden. Durch den Einbau von Atomen der 3. oder 5. Hauptgruppe, also Atomen, die ein Valenzelektron weniger oder mehr als Siliciumatome besitzen, l¨aßt sich die Leitf¨ahigkeit eines Siliciumgitters erh¨ohen. Tauscht man nun in einem Siliciumkristall bei ca. 106 Siliciumatomen ein Siliciumatom gegen ein Boratom aus, so beobachtet man eine Erh¨ohung der Leitf¨ahigkeit um den Faktor 2 · 105. Wie l¨asst sich dieser Anstieg der Leitf¨ahigkeit erkl¨aren? Jedes Siliciumatom besitzt vier, das Boratom nur drei Valenzelektronen. Beim Einbau des Boratoms in das Atomgitter entsteht also eine Stelle, an der ein Elektron fehlt. Es entsteht ein ,,Elektronenloch“ (L¨ucke) im Valenzband. Dieses fehlende Elektron wird sehr schnell durch ein Elektron einer benachbarten Bindung ersetzt. Dadurch entsteht aber wieder eine L¨ucke. Auf diese Weise k¨onnen sich die Elektronen durch den Atomverband bewegen. Diesen Typ

5.4 Zwischenmolekulare Bindungen

81

Halbleiter nennt man p-Leiter (positiv-leitend). Eine ,,positive“ Fehlstelle wird im Gitter verschoben. Baut man in den Siliciumkristall ein Element der f¨unften Hauptgruppe wie Arsen ein, so erh¨alt man einen n-Leiter (negativ-leitend). In diesem Fall besitzt das eingebaute Fremdatom f¨unf Valenzelektronen. Der energetische Abstand zum Leitungsband der Siliciumatome ist f¨ur dieses f¨unfte Elektron geringer. Das u¨ bersch¨ussige Elektron kann vom Leitungsband aufgenommen werden.

5.4

Zwischenmolekulare Bindungen

In Molek¨ulen oder Atomgittern werden Atome durch chemische Bindungen zusammengehalten. Die Bindungsenergien liegen zwischen 50 und 1000 kJ/mol. Zwischen den Atomen verschiedener Molek¨ule k¨onnen aber auch Bindungen auftreten, die sehr viel schw¨acher als die bisher besprochenenen Bindungsarten sind. Sie beruhen im Wesentlichen auf elektrostatischen Anziehungskr¨aften mit geringer Reichweite. Die beiden wichtigsten zwischenmolekularen Bindungsarten sind die van der Waals Bindungen mit Bindungsenergien von 0,5–25 kJ/mol und die Wasserstoffbruckenbindungen ¨ mit Bindungsenergien von 4–40 kJ/mol. Beispiel:

HCl

Zur Spaltung der intramolekularen Bindung zwischen Wasserstoff und Chlor in einem fl¨ussigen HCl-Molek¨ul wird ein Energiebetrag von ca. 430 kJ/mol ben¨otigt. Um die intermolekulare Dipol-Dipol-Wechselwirkung zwischen den HCl-Molek¨ulen zu trennen, muss man nur ca. 16 kJ/mol aufwenden. Dipol-Dipol-Anziehung

H

Cl

H

Cl

polare kovalente Bindung

Abbildung 5.36: Intramolekulare und intermolekulare Bindung f¨ur das HCl-Molek¨ul

5.4.1

Van der Waals Bindungen

Ein Dipol kann auch induziert werden. Schwankungen in der Ladungsdichte der Orbitale k¨onnen einen Dipol hervorrufen. Dieser Dipol induziert in einem Nachbarmolek¨ul wieder einen Dipol usw. Bei v¨ollig unpolaren Molek¨ulen, sind solche, durch induzierte Dipole hervorgerufenen van der Waals Kr¨afte (nach Johannes van der Waals), die einzigen erkennbaren zwischenmolekularen Bindungen.

82

5 Chemische Bindung Helium

Beispiel: He

He

Abbildung 5.37: Ladungsverteilung in Heliumatomen

Die Ladungsverteilung in einem Heliumatom ist symmetrisch. In einem bestimmten Moment kann sich eine asymmetrische Anordnung der Ladungen ergeben. Diese asymmetrische Ladungsverteilung erzeugt vor¨ubergehend einen Dipol und damit elektrostatische Anziehungskr¨afte zwischen den Heliumatomen. Die van der Waals Anziehungskr¨afte werden gr¨oßer, je gr¨oßer die Oberfl¨ache der Teilchen ist, und je leichter eine asymmetrische Ladungsverteilung in einem Teilchen durch ein Nachbarteilchen induziert wird; d.h. Atome mit einer großen Elektronenh¨ulle haben gr¨oßere Oberfl¨achen. Die weiter vom Kern befindlichen Elektronen sind daher weniger fest gebunden, und somit leichter verschiebbar. Die van der Waals Bindungen beeinflussen die physikalischen Eigen¨ schaften wie Schmelzpunkt, Siedepunkt und auch den Aggregatzustand. Eine Ubersicht u¨ ber die Siedepunkte der drei isomeren Pentene (C5 H12 ) und der Halogene soll diesen Sachverhalt verdeutlichen. Wenn ein Stoff siedet, m¨ussen die intermolekularen Anziehungskr¨afte zwischen den Teilchen aufgehoben werden, damit sich die Teilchen trennen k¨onnen und in die Dampfphase u¨ bergehen. Je geringer die zwischenmolekularen Bindungen sind, je geringer ist der Siedepunkt. H

H H

H H

H

H

H

H

H H

H

H H

H

H H

H

H n-Pentan

H

H

H

H

H H

H

H

H H

H

H H

H

H

H

H

i-Pentan

t-Pentan

Abbildung 5.38: Molek¨ulgestalt der isomeren Pentane

Die Siedepunkte der isomeren Pentane nehmen vom n-Pentan u¨ ber das i-Pentan zum t-Pentan mit der Gr¨oße der Oberfl¨ache des Molek¨uls ab. Kleinere Oberfl¨achen reduzieren die Bindungsm¨oglichkeiten nach van der Waals. Je verzweigter ein Molek¨ul ist, um so kleiner wird seine Oberfl¨ache, und um so kleiner werden auch die van der Waals Wechselwirkungen. Die Siedepunkte der Halogene nehmen vom Fluor zum Iod zu. Fluor und Chlor sind bei Raumtemperatur gasf¨ormig, Brom ist eine leicht fl¨uchtige Fl¨ussigkeit. Iod ist ein Feststoff. Die

5.4 Zwischenmolekulare Bindungen

83

Tabelle 5.6: Siedepunkte der isomeren Pentane (C5 H10 ) und der Halogene Stoff

Siedepunkt

n-Pentan (CH3 (CH2 )3 CH3 ) i-Pentan CH3 CH(CH2 CH3 )CH3 t-Pentan CH3 -C(CH3 )2 CH3

Stoff

+36 ◦ C

Siedepunkt

Fluor Chlor Brom Iod

+28 ◦ C +10 ◦ C

−188 ◦ C −34 ◦ C +59 ◦ C +184 ◦ C

st¨arksten van der Waals Bindungskr¨afte treten beim Iod auf. Bei den relativ großen Iodatomen k¨onnen Ladungsverschiebungen in der Elektronenh¨ulle st¨arker wirksam werden.

5.4.2

Permanente Dipole

In einem polaren Molek¨ul wie HCl liegt eine asymmetrische Ladungsverteilung vor. Das HClMolek¨ul stellt einen permanenten Dipol dar (s. auch Kap. 5.1.6). Die Atome des Dipols k¨onnen Anziehungs- und Abstoßungskr¨afte auf die Atome anderer Molek¨ule aus¨uben. Polare Molek¨ule richten sich deshalb entsprechend ihrer Ladung aus. Zwischen den Dipolmolek¨ulen wirken dann Dipol-Dipol-Kr¨afte (s. Abb. 5.39).

+ -

+ - + -

+ -

Abbildung 5.39: Schematische Darstellung der Ausrichtung von Dipolen

5.4.3

Wasserstoffbr¨uckenbindungen

Auch durch die Ausbildung von Wasserstoffbr¨ucken werden physikalischen Eigenschaften wie Schmelzpunkt und Siedepunkt der Stoffe beeinflusst. Die Siedepunkte mancher Wasserstoffverbindungen sind sehr viel h¨oher als man allein mit van der Waals Bindungen erkl¨aren k¨onnte. So ist beispielsweise Schwefelwasserstoff (H2 S) bei Raumtemperatur gasf¨ormig. Der Siedepunkt liegt bei −60 ◦ C. Wasser (H2 O) hingegen ist fl¨ussig und siedet erst bei 100 ◦ C. Wie ist das zu erkl¨aren? Vergleicht man die Siedepunkte der Wasserstoffverbindungen der Elemente der 4., 5., 6. und 7. Hauptgruppe, so erkennt man, dass die Siedepunkte von H2 O, HF und NH3 extrem hoch sind, im Vergleich zu denen der h¨oheren Elementen der gleichen Hauptgruppe. Um ein Molek¨ul zu verdampfen muss ein bestimmter Energiebetrag aufgewendet werden. Die erh¨ohten Siedepunkte lassen sich damit erkl¨aren, dass ein zus¨atzlicher Energiebetrag aufgebracht werden muss, um die Wasserstoffbr¨ucken zu l¨osen. Am Beispiel des Wassers soll das Prinzip der Wasserstoffbr¨uckenbindung erl¨autert werden. In einem Wassermolek¨ul (Dipol) finden wir eine unsymmetrische Ladungsverteilung. Das elektronegativere Sauerstoffatom zieht die Bindungselektronen der O-H-Bindung st¨arker ¨ zu sich, dadurch erh¨alt es eine negative, das H-Atom eine positive Partialladung. Uber ein freies

84

5 Chemische Bindung

100

H 2O

Siedepunkt/°C

50 HF

H2Te SbH3 HI SnH4

0 H2Se

NH3

–50

H2S

AsH

HCI

HBr

SiH4

–100 –150

GeH4

PH3

CH4

–200 1

2

3

4

5

Periode

Abbildung 5.40: Siedepunkte der Wasserstoffverbindungen der Elemente der vierten bis siebten Hauptgruppe

δ− O H δ+

H

Abbildung 5.41: Dipol Wasser

Elektronenpaar des Sauerstoffs kann dann ein Wasserstoffatom eines Nachbarmolek¨uls mit dem Sauerstoffatom in Wechselwirkung treten. In Abbildung Abb. 5.42 sind die Wasserstoffbr¨ucken als gestrichelte Linien gezeichnet. H

H

O H

δ+ H

H

O

O

H

H

H

O δ− H δ+

δ+ H

O δ− H

O δ− H

Abbildung 5.42: Wasserstoffbr¨uckenbildung am Beispiel H2 O

Besonders ausgepr¨agte Wasserstoffbr¨ucken treten dann auf, wenn H-Atome an stark elektronegative Atome wie F, O und N gebunden sind. Wasserstoffbr¨uckenbindungen findet man auch bei vielen organischen Stoffen wie Alkoholen und Polyamiden wie Nylon, Perlon, Kevlar und

5.4 Zwischenmolekulare Bindungen

85

Nomex. Die durch das Verstrecken einer Nylonfaser entstehenden Reißfestigkeiten werden erst durch die Bildung von Wasserstoffbr¨ucken zwischen zwei Polymerketten erreicht. Wichtige Naturbausteine wie Proteine und Nukleins¨auren k¨onnen ihre r¨aumliche Struktur, und damit ihre biologische Funktion nur mit Hilfe von Wasserstoffbr¨uckenbindungen erreichen.

¨ Ubungsaufgaben zu 5.1 1. Zeichnen Sie Valenzstrichformeln f¨ur PH3 , H2 S und SiH4 . 2. Zeichnen Sie die Valenzstrichformel von Phosgen (COCl2 ). 3. Welche geometrische Form besitzt das Phosgenmolek¨ul? 4. Welche Molek¨ulgestalt besitzen MgCl2 , SnCl2 und AlH3 , wenn sie als isolierte Molek¨ule vorliegen? 5. Wie stellt man sich die Entstehung einer σ -Bindung im HCl-Molek¨ul vor? 6. Erl¨autern Sie am Beispiel des Propins (CH3 -C≡C-H) die Hybridisierung der Kohlenstoffatome. 7. Erkl¨aren Sie die Dreifachbindung im N2 -Molek¨ul. 8. Berechnen Sie wie stark der Ionenanteil in einem HBr-Molek¨ul ist. Der Bindungsabstand betr¨agt 1,43 · 10−10 m. Experimentell wurde ein Dipolmoment von 0,779 D gefunden. 9. Welches der Bindungspaare (N-H/P-H bzw. C-O/C-S) ist polarer?

zu 5.2 1. Beschreiben Sie die Bildung von NaCl aus den Elementen mit Hilfe des Bohrschen Atommodells. 2. Welches Molek¨ul CS2 bzw. KBr hat einen ionischen, und welches einen kovalenten Bindungscharakter? 3. Welche Bindungsart kommt in CaO, Cl2 , Na2 S, KCl, CCl4 und S8 vor? 4. Sch¨atzen Sie mit Hilfe der Elektronegativit¨aten die Bindungsart in HBr, BaBr2 , CS2 , K2 S und C2 H6 ab. EN(H) = 2,2 / EN(C) = 2,6 / EN(S) = 2,6 / EN(K) = 0,8 / EN(Br) = 3,0 / EN(Ba) = 0,9 5. Erl¨autern Sie, welches Molek¨ul der folgenden Molek¨ulpaare einen h¨oheren ionischen Bindungsanteil enth¨alt? FeO/Fe2 O3 , BeO/MgO und BeO/BeS. 6. Welche Formalladung besitzt das Aluminiumatom in AlCl− 4?

86

5 Chemische Bindung − 7. Geben Sie eine Valenzstrichformel an f¨ur: O2− , CN− , CO2 , PO3− 4 , und NO2 .

8. Geben Sie die Formeln an f¨ur das: Oxid, Phosphat, Nitrat von Barium bzw. Aluminium.

zu 5.3 1. Wie erkl¨art man mit Hilfe des Elektronengasmodells und des Energieb¨andermodells die elektrische Leitf¨ahigkeit von Metallen? 2. Wie ver¨andert sich die elektrische Leitf¨ahigkeit von Metallen mit zunehmender Temperatur? 3. Was versteht man unter einem Energieband? 4. Skizzieren Sie ein Energieb¨anderdiagramm f¨ur Magnesium. 5. Durch welche physikalische Eigenschaft unterscheiden sich Nichtmetalle, Metalle und Halbmetalle? 6. Legen Sie eine Reihenfolge bez¨uglich der elektrischen Leitf¨ahigkeit f¨ur die Stoffe Kupfer, Diamant, Germanium und Germanium dotiert mit Arsen fest.

zu 5.4 1. Was versteht man unter van der Waals Bindungen? 2. Begr¨unden Sie, warum die Siedepunkte f¨ur die Elemente der 8. Hauptgruppe (Edelgase: He (−269 ◦ C), Ne (−246 ◦ C), Ar (−186 ◦ C), Kr (−152 ◦ C), Xe (−108 ◦ C) und Rn (−62 ◦ C)) von oben nach unten steigen. 3. Ordnen Sie die Kohlenwasserstoffe CH4 , CH3 (CH2 )2 CH3 , CH3 CH2 CH3 und CH3 CH3 nach steigendem Siedepunkt. 4. Der Siedepunkt von Methan (CH4 ) liegt bei −164 ◦ C. Methanol (CH3 OH) siedet erst bei +65 ◦ C. Geben Sie eine Begr¨undung f¨ur den hohen Siedepunkt von Methanol ab.

6

Aggregatzust¨ande der Stoffe

Materie kann in den drei klassischen Aggregatzust¨anden fest, flussig ¨ oder gasf¨ormig auftreten. Der Aggregatzustand (aggregare lat.: ansammeln) h¨angt vom Druck und der Temperatur ab. Je nach Aggregatzustand wirken unterschiedlich starke Kr¨afte zwischen den Materiebausteinen. Materie kann als Reinstoff (enth¨allt nur einen Stoff) oder als Gemisch (enth¨alt mindestens zwei Stoffe) auftreten. Wenn Materie als Mischung vorliegt, unterscheidet man zwischen einer homogenen und einer heterogenen Mischung. Beispiele: Reinstoff: H2 O, Fe, Al2 O3 , O2 Homogenes Gemisch: verd¨unnte Kochsalzl¨osung (NaCl in Wasser) Heterogenes Gemisch: Kieselsteine und Sand Die a¨ ußere Erscheinungsform wird als Phase bezeichnet. Unter einer Phase versteht man einen Bereich, der in sich homogen ist und konstante, vom Ort unabh¨angige, Eigenschaften aufweist. ¨ Uberg¨ ange zwischen zwei verschiedenen Phasen sind durch eine scharfe Grenzfl¨ache erkennbar.

Stoff

Reinstoff

Gemisch

H2O, H2, Ni, TiO2

NaCl in H2O, Kieselsteine in Sand

Element

Verbindung

H2, Ni

H2O, TiO2

Abbildung 6.1: Einteilung der Stoffe

Gemisch

homogen

heterogen

eine Phase

zwei Phasen

88 Beispiel:

6 Aggregatzust¨ande der Stoffe Luft u¨ ber einem halbgef¨ullten Wasserglas.

Es liegen zwei homogene Phasen vor (eine fl¨ussige und eine gasf¨ormige Phase). Man unterscheidet homogene und heterogene Phasen. Beispiele: Homogene Phasen: H2 O, Zucker, Luft, Zucker in H2 O, Methan in Luft ¨ in H2 O (Emulsion), Lehm in H2 O (Schlamm), H2 O in Luft (Wolken) Heterogene Phasen: Ol

Manche heterogene Gemische haben spezielle Bezeichnungen. Gemenge: Suspension: Dispersion: Rauch: Emulsion: Nebel:

fest in fest fest in fl¨ussig fest in fl¨ussig fest in gasf¨ormig fl¨ussig in fl¨ussig fl¨ussig in gasf¨ormig

(Zucker in Mehl) (Sand in Wasser) (Latexfarben) (Ruß in Luft) ¨ in Wasser) (Ol (Wasser in Luft)

Phasentrennung Phasentrennung keine Phasentrennung Phasentrennung Phasentrennung Phasentrennung

Zwei Arten von heterogenen Gemischen wollen wir noch n¨aher betrachten. Emulsionen entstehen aus zwei nicht mischbaren Fl¨ussigkeiten. Eine Fl¨ussigkeit liegt als solche vor. Die andere Fl¨ussigkeit liegt in Form von feinverteilten Tr¨opfchen in dieser Fl¨ussigkeit vor. Bei einer Suspension liegt ein unl¨oslicher Feststoff in feinverteilter Form in einer Fl¨ussigkeit vor. ¨ Auch die Uberg¨ ange zwischen den einzelnen Aggregatzust¨anden werden mit definierten Bezeichnungen belegt: Von fest nach fl¨ussig: fest nach gasf¨ormig: von fl¨ussig nach fest: fl¨ussig nach gasf¨ormig: von gasf¨ormig nach fest: gasf¨ormig nach fl¨ussig:

a)

schmelzen resublimieren erstarren, kristallisieren verdampfen sublimieren kondensieren

b)

(Eis → Wasser) (Trockeneis → Kohlendioxid) (Wasser → Eis) (Wasser → Wasserdampf) (Kohlendioxid → Trockeneis) (Wasserdampf → Wasser)

c)

Abbildung 6.2: Schematische Darstellung eines kristallinen Feststoffs (a), einer Fl¨ussigkeit (b) und eines Gases (c)

6.1 Fester Zustand – Kristallgitter

89

Je nach Aggregatzustand der Stoffe k¨onnen diese einen vorgegebenen Raum unterschiedlich ausf¨ullen (s. Abb. 6.2). Ein Feststoff besitzt eine konkrete Form und ein bestimmtes Volumen und passt sich der Form des Raumes nicht an. Fl¨ussigkeiten passen sich der Form des vorgegebenen Raumes an und f¨ullen ihn bis zu einem bestimmten Volumen aus. Gase passen sich dem vorgegebenen Raum vollst¨andig an und f¨ullen ihn komplett aus.

6.1

Fester Zustand – Kristallgitter

Feststoffe k¨onnen entweder kristallin oder amorph (griech.: ohne Form) sein. Kristalline Feststoffe besitzen eine geordnete, regelm¨aßige Anordnung der Bausteine. Eine solche Anordnung nennt man Kristallgitter. Kristallgitter findet man in vielen Feststoffen (Aluminiumatome in Alufolie, Wassermolek¨ule in Eis oder Na+ - und Cl− -Ionen in Kochsalz). Die kleinste Einheit in einem kristallinen Stoff bezeichnet man als Elementarzelle. Eine Elementarzelle wird durch die Seitenl¨ange und die Winkel zwischen den Kanten der Zelle definiert.

a)

b)

c)

Abbildung 6.3: Kubische Elementarzellen: a) kubisch-raumzentriert, b) kubisch-innenzentriert und c) kubisch-einfach

In Abb. 6.3 sind drei kubische Elementarzellen dargestellt. Alle Seitenl¨angen sind gleich. Die Winkel betragen 90◦ . Die drei Elementarzellen unterscheiden sich in der Besetzung. In der kubisch-raumzentrierten Elementarzelle (a) sind die Eckpunkte und die Fl¨achenmitten des W¨urfels besetzt. In der kubisch-innenzentrierten Elementarzelle (b) sind die Eckpunkte und das Zentrum des W¨urfels mit Teilchen belegt. Im einfachsten Fall der kubischen Elementarzelle (c) sind nur die Eckpunkte von Teilchen belegt. In amorphen Festk¨orper ist die Anordnung der Teilchen a¨ hnlich unregelm¨aßig wie in einer Fl¨ussigkeit. Es gibt keinen exakten Schmelzpunkt wie bei kristallinen Feststoffen, sondern nur ein langsames Erweichen. Amorphe Stoffe sind z.B. Gl¨aser, Gummi und viele thermoplastische Kunststoffe wie Polyvinylchlorid (PVC). Die Eigenschaften von kristallinen oder amorphen Feststoffen sind sehr verschieden. Kristalline Feststoffe sind in der Regel viel h¨arter und spr¨oder.

6.2

Fl¨ussiger Zustand

¨ Der fl¨ussige Zustand stellt den Ubergang zwischen dem gasf¨ormigen und dem festen Zustand dar. In Fl¨ussigkeiten besitzen die Teilchen wegen der W¨armebewegung ein gewisses Maß an

90

6 Aggregatzust¨ande der Stoffe

Beweglichkeit. Die Teilchen sind nicht wie in Feststoffen an feste Pl¨atze gebunden. Der Abstand der Teilchen ist in einer Fl¨ussigkeit viel geringer als in Gasen und a¨ hnelt den Abst¨anden in Feststoffen. Der Dichteunterschied zwischen Fl¨ussigkeiten und Feststoffen ist sehr gering. Deshalb lassen sich Fl¨ussigkeiten im Gegensatz zu Gasen kaum komprimieren. Betrachten wir das F¨ullverhalten von Fl¨ussigkeiten bei gegebenen Volumina, so zeigen diese eine große Analogie zu Gasen. Sie nehmen z.B. die begrenzende Form eines sie umh¨ullenden Gef¨aßes ein. Die Anziehungskr¨afte in den Fl¨ussigkeiten werden Koh¨asionskr¨afte genannt. Ihre Wirkung wird als Koh¨asion bezeichnet (innerer Zusammenhalt der Molek¨ule). Die Partikel der Fl¨ussigkeit, die sich an der Oberfl¨ache befinden, werden ins Fl¨ussigkeitsinnere gezogen. Es wirken st¨arkere zwischenmolekulare Anziehungskr¨afte im fl¨ussigen als im gasf¨ormigen Zustand. Diese Kr¨afte haben eine Oberfl¨achenverkleinerung zur Folge. Ein Maß daf¨ur ist die Oberfl¨achenspannung.

6.2.1

Verdampfungsprozess

Fl¨ussige und gasf¨ormige Phasen einer Substanz befinden sich schon unterhalb des Siedepunktes miteinander in einem Gleichgewicht. Die Ursache hierf¨ur liegt, bei gegebener Temperatur, in der unterschiedlichen kinetischen Energie der Fl¨ussigkeitsteilchen. Einige Molek¨ule besitzen eine ausreichend hohe kinetische Energie, um gegen die intermolekularen Anziehungskr¨afte in der Fl¨ussigphase diese in Richtung Gasphase (Dampfphase) zu verlassen. Dieser Prozess wird Verdampfung genannt. Folgen dieses Vorgangs sind zum einen das Auftreten von Verdunstungsk¨alte, da der Fl¨ussigkeit Energie in Form von W¨arme entzogen wird, zum anderen das Entstehen eines Dampfdrucks. Da die freigesetzten Molek¨ule einen Druck, z.B. auf die Gef¨aßwand, aus¨uben k¨onnen. Jedes Fl¨ussigmedium zeigt eine Zunahme des Dampfdrucks mit steigender Temperatur, da immer mehr Teilchen die n¨otige kinetische Energie zum Verlassen der Fl¨ussigkeit erhalten, und so einen zunehmenden Druck auf eine Beh¨alterwand aus¨uben k¨onnen.

6.2.2

Siedepunkt

Eine Fl¨ussigkeit siedet dann, wenn der Dampfdruck gleich dem Außendruck ist. Die Temperatur, bei der dieser Zustand erreicht wird, bezeichnet man als Siedepunkt (engl.: boiling point: b.p.). Der Siedepunkt einer Fl¨ussigkeit wird bei der Temperatur angegeben, bei der der Dampfdruck gleich dem Atmosph¨arendruck (1 bar = 1,013 · 105 Pa) ist. W¨ahrend des Siedevorgangs bleibt die Temperatur bei kontinuierlicher Energiezufuhr ann¨ahernd konstant, solange bis die gesamte Fl¨ussigkeit einer Substanzart verdampft ist. Der Siedepunkt h¨angt vom a¨ ußeren Druck ab.

Beispiele:

1 bar → b.p. Wasser: 100 ◦ C; 0,25 bar → b.p. Wasser: 23 ◦ C

6.3 Gasf¨ormiger Zustand

6.2.3

91

Schmelzpunkt (Gefrierpunkt)

Reduziert man die kinetische Energie der Teilchen einer Fl¨ussigkeit durch Abk¨uhlen, so reduziert sich deren Geschwindigkeit derart, dass die Fl¨ussigkeit zu einem Feststoff erstarrt. Die Temperatur, bei der dieses geschieht, wird als Schmelzpunkt (Festpunkt, engl.: melting point: m.p.) bzw. weniger gebr¨auchlich als Gefrierpunkt bezeichnet. ¨ Der Schmelzpunkt (Ubergang von fester zu fl¨ussiger Phase) liegt bei der Temperatur, bei der der a¨ ußere Druck 1 bar (Atmosph¨arendruck = 1,013 · 105 Pa) betr¨agt. Durch die Zufuhr von W¨arme schwingen die Teilchen immer heftiger bis sie ihren Gitterplatz verlassen. Der Feststoff schmilzt und wird zur Fl¨ussigkeit.

6.3

Gasf¨ormiger Zustand

In einem Gas k¨onnen sich einzelne Partikel wie Atome oder Molek¨ule schnell und weitgehend unabh¨angig voneinander bewegen. Der Grund daf¨ur liegt in dem großen Abstand der Gaspartikel, so dass Anziehungskr¨afte zwischen den einzelnen Teilchen kaum wirksam werden. Die Gasteilchen bewegen sich gleichm¨aßig in alle Raumrichtungen. Beliebige Gase lassen sich in jedem Verh¨altnis mischen. Es entsteht ein homogenes Gemisch. Auf Grund ihrer geringen Dichte lassen sich gasf¨ormige Stoffe sehr gut komprimieren. Erh¨oht man kontinuierlich den Druck auf ein Gas, so wird die Konzentration an Partikeln pro Volumeneinheit ebenfalls kontinuierlich vergr¨oßert. Eine direkte Folge davon ist, dass Teilchen durch die immer st¨arker werdende Ann¨aherung gen¨ugend zwischenmolekulare Bindungskr¨afte aufbauen k¨onnen, um in den fl¨ussigen Aggregatzustand zu gelangen. Die Partikelmenge (= Konzentration), die pro Volumeneinheit ben¨otigt wird, um eine Fl¨ussigkeit zu bilden, h¨angt von der Art und St¨arke der zwischenmolekularen Anziehungskr¨afte ab.

6.3.1

Ideale Gase

Das ideale Gas ist eine Modellvorstellung. Bei einem idealen Gas geht man von der Annahme aus, dass zwischen den einzelnen Gaspartikeln kaum Wechselwirkungen bestehen, da die Teilchengr¨oße im Verh¨altnis zum Abstand der Teilchen sehr klein ist. Die Teilchen weisen keine oder nur a¨ ußerst geringe zwischenmolekulare Anziehungskr¨afte auf. Die zweite Annahme f¨ur ein ideales Gas besteht darin, dass man die Gasteilchen als Masseteilchen ohne eigenes r¨aumliches Volumen betrachtet. Allgemeine Gasgleichung: Robert Boyle und Edm´e Mariotte untersuchten bereits im 17. Jahrhundert den Zusammenhang zwischen Druck und Volumen eines idealen Gases. Dabei stellten sie fest, dass der Druck (p) eines Gases umgekehrt proportional zum Volumen (V ) ist, wenn die Stoffmengen (n, s. Kap. 9.2) und die Temperatur (T ) konstant gehalten werden. 1 p ∼ ; p ·V = konst V Aus diesen Erkenntnissen resultiert das folgende Gesetz. p1 · V1 = p2 · V2

(Boyle-Mariotte)

92

6 Aggregatzust¨ande der Stoffe

Unter isothermen Bedingungen (T = konst) hat das Produkt aus Druck und Volumen einen konstanten Wert. Ein Gas nimmt bei konstanter Temperatur und Druck p1 das Volumen V1 ein. Beim Druck p2 nimmt dieses Gas dann das Volumen V2 ein. Joseph Louis Gay-Lussac (1802) untersuchte die Temperaturabh¨angigkeit des Volumens und des Drucks eines idealen Gases. Bei konstantem Druck dehnt sich ein Gas mit steigender Temperatur aus. Das Volumen ist der Temperatur proportional. V ∼ T;

V = konst T

Unter isobaren Bedingungen (p = konst) gilt: V1 V2 = T1 T2

(Gay-Lussac)

Bei konstantem Volumen steigt der Druck mit zunehmender Temperatur. Der Druck ist der Temperatur proportional. p ∼ T;

p = konst T

Unter isochoren Bedingungen (V = konst) gilt: p1 p2 = T1 T2

(Gay-Lussac)

Amedeo Avogadro stellte 1811 einen Zusammenhang zwischen Stoffmenge und Volumen eines idealen Gases her. Bei gleicher Temperatut und gleichem Druck enthalten gleiche Volumina von Gasen immer die gleiche Teilchenzahl, unabh¨angig davon, um welches Gas es sich handelt. Es gilt nach Avogadro: V ∼ n und

V = konst n

Die Kombination der Gesetze von Boyle-Mariotte, Gay-Lussac und Avogadro sind Spezialf¨alle der idealen Gasgleichung, die ein ideales Gas u¨ ber die Zustandsfunktionen Druck, Volumen, Temperatur und die Stoffmenge beschreibt. Aus den Gesetzen von Boyle-Mariotte und Gay-Lussac ergibt sich folgende Beziehung: p ·V = konst T Bei gleichbleibender Gasmenge (Stoffmenge) bleibt der Quotient konstant. Die Gesamtkonstante wird von der Gasart unabh¨angig. Sie erh¨alt den Status einer idealen, allgemeinen, universellen Gaskonstante (R). Es folgt: p ·V = R · T mit R = 8,3144 · 103

J Pa l = 8,3144 K mol K mol

6.3 Gasf¨ormiger Zustand

93

Bezieht man das Gesetz von Avogadro mit ein und betrachtet die Stoffmenge n, so erh¨alt man die allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase (ideales Gasgesetz): p·V = n·R·T p = Druck [Pa] V = Volumen [l] n = Stoffmenge [mol] R = 8,3144 · 103 Pa l K−1 mol−1

T = Temperatur [K]

Bei allen idealen Gasen nimmt 1 Mol eines Gases bei 1,013 · 105 Pa = 1 atm (V0 ) und 0 ◦ C (273 K) (T0 ) (Normalbedingungen) ein Volumen von 22,4 l ein. Man bezeichnet dieses Volumen als Molvolumen VM (molares Normvolumen) (siehe Kap. 9.3).

6.3.2

Reale Gase

Reale Gase weisen auf Grund wechselseitiger Anziehungskr¨afte zwischen den Partikeln Abweichungen vom Boyle-Mariotteschen Gesetz auf. Das gilt vor allem bei hohen Dr¨ucken und tiefen Temperaturen. Außerdem ist zu ber¨ucksichtigen, dass reale Gase u¨ ber ein definiertes, bestimmtes Eigenvolumen verf¨ugen. Sie sind somit nicht vollst¨andig komprimierbar. Wird der Druck dennoch weiter gesteigert, bleibt das Volumen ann¨ahernd konstant. Zustandsgleichung fur ¨ reale Gase: Um den Wechselwirkungen zwischen den Gasteilchen (Binnendruck), sowie deren Eigenvolumen (Kovolumen) Rechnung zu tragen, m¨ussen Korrekturfaktoren bei der allgemeinen Gasgleichung eingef¨uhrt werden. Unter Ber¨ucksichtigung der Korrekturfaktoren a und b, die experimentell bestimmt werden k¨onnen, ergibt sich nach Johannes van der Waals (1873) folgende Gleichung:  a  p + 2 · (V − b) = R V Der Faktor ( Va2 , Binnendruck) ber¨ucksichtigt die Wechselwirkungen bzw. die Abstoßungskr¨afte zwischen des Teilchen. Der Faktor (V − b, Kovolumen) beschreibt das um das Eigenvolumen der Gasteilchen reduzierte Volumen. Betrachtet man die Stoffmenge n eines Gases so ergibt sich folgende, von der Molzahl abh¨angige Gasgleichung:   n2 · a2 p+ (V − n · b) = n · R · T V2 Diese Gleichung wird als Zustandsgleichung realer Gase bezeichnet. F¨ur den Grenzfall a = b = Null liegen die Bedingungen eines idealen Gases vor.

94

6 Aggregatzust¨ande der Stoffe

¨ Ubungsaufgaben zu 6.3 1. Welches Volumen nimmt ein Gas ein, wenn 0,3 mol des Gases einen Druck von 90 · 103 Pa bei 120 ◦ C aufbauen? 2. Welches Volumen hat ein Gas unter Normalbedingungen, wenn das Gas bei 40 ◦ C und 120 · 103 Pa ein Volumen von 0,75 l einnimmt?

7

Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik

7.1

Verlauf chemischer Reaktionen – Definition eines Systems

Bei einer chemischen Reaktion findet außer dem Stoffaustausch auch ein Energieaustausch statt. Aus den Energiedifferenzen k¨onnen Aussagen dar¨uber getroffen werden, ob und unter welchen Bedingungen Stoffe miteinander reagieren. Die Thermodynamik (griech.: therme = W¨arme und dynamis = Kraft) beantwortet somit die Frage, ob eine chemische Reaktion ablaufen kann; d.h. ob eine Reaktion energetisch m¨oglich ist. Sie macht jedoch keine Angaben u¨ ber die Reaktionsgeschwindigkeit (s. Chemische Kinetik, Kap. 8) und auf welchem Weg die Umsetzung erfolgt (Reaktionsmechanismus). Bei chemischen Reaktionen treten vorwiegend folgende Energieformen auf: W¨arme (z.B. Verbrennen von Erd¨ol), elektrische Energie (z.B. in Redoxprozessen beim Entladen einer Batterie, s. Kap. 12 – Kap. 14) und Strahlungsenergien (z.B. in photochemischen Prozessen). Verschiedene Energieformen sind ineinander umwandelbar. Die Einheit der Energie ist Joule (J), benannt nach James Prescott Joule. Will man chemische Reaktionen eindeutig beschreiben, so m¨ussen diese in exakt erfassten Reaktionsr¨aumen ablaufen. Eine definierte Ansammlung von Materie und Energie in einem derartigen Reaktionsraum wird als System bezeichnet. Alles was nicht zum System geh¨ort wird als Umgebung betrachtet. Man unterscheidet folgende Systeme: A. Abgeschlossene (isolierte) Systeme Es ist kein Stoffaustausch und kein Energieaustausch mit der das Reaktionssystem umh¨ullenden Umgebung m¨oglich. Beispiel: K¨uhltasche B. Geschlossene Systeme Es ist kein Stoffaustausch mit der Umgebung m¨oglich. Energie kann vom System an die Umgebung abgegeben werden und auch die Umgebung kann Energie an das System u¨ bertragen. Beispiel: Schnellkochtopf

96

7 Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik Paußen (1 atm)

A A

B

Paußen (1 atm)

B B

A

A

B C

C

Abbildung 7.1: Geschlossenes System mit Volumenverringerung

C. Offene Systeme Es ist ein Stoffaustausch und auch ein Energieaustausch mit der Umgebung m¨oglich. Beispiel: offener Kochtopf Solche Systeme werden in Experimenten mit definierten Mengen der Reaktionsteilnehmer untersucht. Dabei werden Zustandsgr¨oßen des Systems wie Druck, Volumen und Temperatur modifiziert. Um den Einfluß dieser Gr¨oßen zu ermitteln, werden chemisch-physikalische Methoden wie z.B. die Bildung eines Gases oder die Aufnahme oder Abgabe von W¨arme beobachtet.

7.2

1. Hauptsatz der Thermodynamik – Gesetz von der Erhaltung der Energie –

Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik lautet: Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden. Energie kann nur von der einen Form in eine andere uberf ¨ uhrt ¨ werden. Die Gesamtenergie in einem System und der Umgebung bleibt erhalten; d.h. wird Energie von einem System abgegeben, muß die Umgebung diese Energie aufnehmen. In einem abgeschlossenenen System ist die Energie konstant, da ihm von außen keine Arbeit, W¨arme oder Materie zugef¨uhrt bzw. entnommen werden kann. In einem offenenen System ist ein Energieaustausch und ein Stoffaustausch mit der Umgebung m¨oglich; d.h. es liegt kein exakt definierter Reaktionraum vor. F¨ur abgeschlossenene und offene Systeme ergeben sich keine direkt meßbaren Auswirkungen aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik. Betrachten wir nun ein geschlossenes System. A + B → C (± Energie) In einem Reaktionsgef¨aß, das mit einem beweglichen Kolben ausgestattet ist, sollen die Ausgangsstoffen A und B zum Produkt C umgesetzt werden. Das Gemisch, das aus den Reaktanden und dem Reaktionsprodukt besteht, bezeichnen wir als System. Das Reaktionsgef¨aß,

7.2 1. Hauptsatz der Thermodynamik

97

der bewegliche Kolben und alles was sich außerhalb des Reaktionsgef¨aßes befindet, wird als Umgebung definiert. In einem geschlossenen System findet kein Stoffaustausch statt. Es kann ¨ jedoch eine Ubertragung von Energie erfolgen. Die Summe aller Energien eines Systems nennt man innere Energie U. Diese umfaßt alle Bewegungen, Rotationen, Schwingungen der Atome, Molek¨ule, der Atomkerne und Elektronen, sowie auch alle Abstoßungs- und Anziehungskr¨afte zwischen den Atomen und Molek¨ulen. Die innere Energie ist eine Zustandsfunktion, weil sie nur vom jetzigen Zustand abh¨angt und nicht davon wie der Zustand erreicht wurde; d.h. sie ist unabh¨angig vom Weg. Der Zustand eines Systems kann durch Zustandsgr¨oßen wie Druck und Temperatur beschrieben werden. ¨ U l¨aßt sich experimentell nicht bestimmen. Meßbar ist die Anderung der inneren Energie ΔU, die w¨ahrend eines Reaktionsverlaufes auftreten kann. Durch den Energieaustausch mit der Umgebung kann die innere Energie eines Systems erh¨oht ¨ oder verringert werden. Die Anderung der inneren Energie f¨ur ein geschlossenes System ist durch die mit der Umgebung ausgetauschten W¨arme Q, sowie durch die Arbeit W gegeben. Es gilt: Δ1 U = W + Q Wird einem System W¨arme zugef¨uhrt oder wird Arbeit an dem System geleistet, dann erhalten Q und W ein positives Vorzeichen. Wird W¨arme an die Umgebung abgegeben oder wird vom System Arbeit an der Umgebung verrichtet, dann erhalten Q und W ein negatives Vorzeichen. Ein System mit der inneren Energie U1 nimmt die W¨armemenge Q auf. Das System besitzt dann eine um Q erh¨ohte innere Energie. Wird von der Umgebung an diesem System die Arbeit W geleistet, dann nimmt die innere Energie weiter zu. Man erh¨alt: U2 = U1 + Q + W Daraus ergibt sich: ΔU = U2 − U1 = Q + W Dabei gelten folgendene Bedingungen: ΔU > 0: Das System nimmt Energie von der Umgebung auf. ΔU < 0: Das System gibt Energie an die Umgebung ab. Q > 0: Das System nimmt W¨arme auf. Q < 0: Das System gibt W¨arme ab. W < 0: Das System leistet Arbeit. W > 0: Am System wird Arbeit geleistet. 1 Δ:

¨ (griech.: Delta). Das Symbol wird benutzt um eine Anderung zu beschreiben.

98

7 Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik Paußen (1 atm) Paußen (1 atm)

C

A

B

A

B

A

B

Abbildung 7.2: Geschlossenes System mit Volumenvergr¨oßerung

Die innere Energie eines geschlossenen Systems nimmmt zu, wenn von der Umgebung W¨arme aufgenommen wird und wenn von der Umgebung Arbeit am System geleistet wird. Die innere Energie nimmt ab, wenn W¨arme abgegeben wird und wenn vom System Arbeit an der Umgebung geleistet wird. Beispiel: A(g) + B(g) → C(fl)

(ΔU = −500kJ)

Betrachten wir das geschlossene System in Abb. 7.1. Die beiden gasf¨ormigen Reaktanden A und B reagieren miteinander und bilden das fl¨ussige Produkt C. Bei konstantem Druck (1 atm = Außendruck) verringert sich das Volumen. An dem System wird Arbeit geleistet. Wird bei dieser Reaktion eine W¨armemenge von −900 kJ an die Umgebung abgegeben und betr¨agt die von der Umgebung am System geleistete Arbeit +400 kJ, dann hat die innere Energie dieses System um 500 kJ abgenommen.

Die Enthalpie H In einem geschlossenen System reagieren die gel¨osten Ausgangsstoffe A und B miteinander und bilden dabei das gasf¨ormige Reaktionsprodukt C. Beispiel: A(g) + B(g) → C(g)

Wenn ein Gas freigesetzt wird, dann dehnt es sich gegen den vorherschenden Außendruck (1 atm) aus und leistet Arbeit.

7.2 1. Hauptsatz der Thermodynamik

99

Das System verrichtet Volumenarbeit2, indem es gegen den Außendruck die entsprechende Menge Luft verdr¨angt (s. Abb. 7.2). F¨ur die unter isobaren Bedingungen (= konstanter Druck) vom System geleistete Arbeit gilt: W = −p(V2 − V1 ) = −pΔV ¨ mit p = Druck, V = Volumen (V2 > V1 ) und ΔV = Anderung des Volumens Hat der Term p · ΔV einen positiven Wert (Volumenvergr¨oßerung), dann wird vom System Arbeit geleistet. Das System verliert innere Energie. Hat der Term p· ΔV einen negativen Wert (Volumenverkleinerung), dann wird von der Umgebung an dem System Arbeit geleistet. Die innere Energie des Systems nimmt zu. Aus ΔU = Q + W und ΔU = Q + (−pΔV) ergibt sich: Q = ΔU + pΔV = ΔH Die so definierte Zustandsfunktion H bezeichnet man als Enthalpie (griech.: en = darin, thal¨ ¨ pos = W¨arme). Die Anderung der Enthalpie ΔH ist gleich der Anderung der inneren Energie ¨ und dem Produkt aus Druck und Volumen¨anderung. Die Anderung der Enthalpie entspricht der W¨armemenge, die ein geschlossenes System bei konstantem Druck aufnimmt oder abgibt. In einem geschlossenen Gef¨aß (bei konstantem Volumen) verrichtet das System keine Volumenarbeit (−p · ΔV = 0). Die ausgetauschte Energie tritt nur als W¨arme auf. Treten bei Reaktionen keine oder nur geringe Volumen¨anderungen auf (N¨aherung: ΔV = 0), so gilt: ΔU = ΔH ¨ ¨ Die Anderung der inneren Energie ist gleich der Anderung der Enthalpie. Viele chemische Reaktionen werden bei konstantem Druck durchgef¨uhrt. Dadurch hat ΔH eine praktischere Bedeutung als ΔU. Außerdem sind die Volumen¨anderungen oft sehr klein (Reaktionen finden meistens in L¨osungen also in einer fl¨ussigen Phase statt), so dass sich ΔU und ΔH nur geringf¨ugig unterscheiden. Die Enthalpie¨anderung von Reaktionen, bei deren Ablauf Energie aus der Umgebung des Systems aufgenommen wird, erh¨alt ein positives Vorzeichen. Solche Reaktionen bezeichnet man als endotherme Reaktionen. Beispiel: Schmelzen von Eis ΔH > 0: Das System nimmt Energie auf. Die Reaktion ist endotherm (endo = hinein). 2 Es gelten folgende Voraussetzungen (mit W = Arbeit, p = Druck; V = Volumen, A = Fl¨ ache, h = Weg, F = Kraft): W = F · h; V = A · h; F = p · A. Daraus folgt: W = p · A · h = p ·V .

100

7 Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik

Gibt das Reaktionssystem Energie an die Umgebung ab, erh¨alt die Enthalpie¨anderung ein negatives Vorzeichen. Solche Reaktionen bezeichnet man als exotherme Reaktionen. Beispiel: Verbrennen von Holz ΔH < 0: Das System gibt Energie ab. Die Reaktion ist exotherm (exo = hinaus). Enthalpie¨anderungen werden benutzt, um abzusch¨atzen, ob chemische Reaktion unter thermodynamischen Gesichtspunkten ablaufen k¨onnen oder nicht. Was aber nicht heißt, dass sie auch tats¨achlich spontan (d.h. freiwillig und von selbst) ablaufen. Die Reaktionsgeschwindigkeit kann sehr klein sein. Manche Systeme sind metastabil; d.h. die Reaktion ist so langsam, dass man sie nicht beobachten kann. Beispiel f¨ur ein metastabiles System: 2H2(g) + O2(g) → 2H2 O(g)

(ΔH(g) = −484 kJ)

Die Reaktion ist exotherm und ΔH hat einen hohen negativen Wert. Die Enthalpie des Reaktionsproduktes H2 O ist geringer als die Enthalpien der Ausgangsstoffe; d.h.. theoretisch muss keine Energie aufgewendet werde, damit die Reaktion abl¨auft. Mischt man Wasserstoff und Sauerstoff, dann l¨asst sich jedoch keine Reaktion beobachten. Das System ist metastabil. Erst, wenn man die Mischung z¨undet, kommt es zu einer heftigen Reaktion (Explosion). Betrachten wir folgende allgemeine chemische Reaktion: A + B  C + D (±ΔH) Da eine chemische Reaktion neben dem stofflichen auch aus einem energetischen Umsatz besteht, muss in einer Reaktionsgleichung beides bilanzierend dargestellt werden. F¨ur diese Energiebilanz benutzt man die die Enthalpie¨anderung ΔH. Es gilt: ΔH = ΔHProdukte − ΔHAusgangsstoffe Die energetische Komponente einer Reaktion wird immer auf der Produktseite aufgef¨uhrt: Hinreaktion: A + B → C + D R¨uckreaktion: C + D → A + B

(ΔH < 0, exotherm) (ΔH > 0, endotherm)

Wenn es sich bei der Hinreaktion um eine exotherme Reaktion handelt, dann ist die R¨uckreaktion endotherm.

7.2 1. Hauptsatz der Thermodynamik

101

Betrachten wir als Beispiel die Synthese von H2 O: Hinreaktion: 2H2 + O2 → 2H2 O

(ΔH < 0, exotherm)

Enthalpie

Enthalpiediagramm – Hinreaktion:

2H2 + O2 Ausgangsstoffe freiwerdende Reaktionsenthalpie

2H2O Endprodukte

Reaktionskoordinate

Abbildung 7.3: Energiediagramm f¨ur die Bildung von H2 O

R¨uckreaktion: 2H2 O → 2H2 + O2

(ΔH > 0, endotherm)

Enthalpie

Enthalpiediagramm – R¨uckreaktion:

2H2 + O2 Endprodukte aufzuwendende Reaktionsenthalpie

2H2O Ausgangsstoffe

Reaktionskoordinate

Abbildung 7.4: Energiediagramm f¨ur die Zersetzung von H2 O

Als Zustandsfunktion h¨angt ΔH von der Menge der beteiligten Reaktionspartner und Produkte ¨ ab. Andern sich die st¨ochiometrischen Koeffizienten (s. Kap. 9.5) einer Reaktionsgleichung, so a¨ ndern sich entsprechend auch die Reaktionsenthalpien. 2H2 + O2 → 2H2 O (−ΔH) 1 1 H2 + O2 → H2 O (− ΔH) 2 2 Die Angabe eines Enthalpiewertes bezieht sich immer auf die in der Reaktionsgleichung beschriebenen st¨ochiometrischen, d.h. molekularen Verh¨altnisse.

102

7 Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik

Bei einer chemischen Reaktion h¨angen die Enthalpiewerte auch von den Zustandsgr¨oßen Druck und Temperatur ab. Enthalpien werden daher f¨ur definierte Ausgangszust¨ande und Endzust¨ande angegeben. 2H2(g) + O2(g) → 2H2 O(g) 2H2(fl) O → 2H2 O(g) 2H2(g) + O2(g) → 2H2 O(fl)

(ΔH = −484 kJ) (ΔH = +88 kJ) (ΔH = −572 kJ)

ΔH h¨angt von den Zust¨anden der Reaktanden und Produkte ab. ΔH f¨ur die Bildung von fl¨ussigem Wasser hat einen Wert von −572 kJ. F¨ur das Verdampfen von fl¨ussigem Wasser wird eine Verdampfungsenthalpie von +88 kJ aufgewendet. Die freiwerdende Reaktionsenthalpie f¨ur die Bildung von gasf¨ormigen Wasser betr¨agt daher nur −484 kJ. In der Chemie laufen Reaktionen h¨aufig u¨ ber Zwischenstufen, Folgereaktionen und gekoppelte Reaktionsschritte ab. Die Gesamtreaktionsenthalpie errechnet sich dann als Summe der Energiebeitr¨agen der einzelnen Teilreaktionen (s. Kap. 7.3).

7.3

Hess’scher W¨armesatz

1840 formulierte Germain H. Hess auf Grund experimenteller Ergebnisse das ,,Gesetz der konstanten W¨armesummen“. Danach ist die Reaktionsenthalpie ΔH einer Reaktion unabh¨angig davon, ob die Reaktion in einem Schritt oder u¨ ber mehrere Zwischenstufen erfolgt. Die Summe aller Enthalpie¨anderungen f¨ur die einzelnen Stufen ist gleich der Enthalpie¨anderung f¨ur die Reaktion, die den Reaktionsverlauf in einer Stufe beschreibt. ΔH wird entweder direkt gemessen oder kann u¨ ber bekannte Enthalpie¨anderungen anderer Reaktionen berechnet werden. Wie bestimmt man ΔH, wenn die Reaktion nicht abl¨auft oder ΔH nicht gemessen werden kann? Untersuchen wir die Verbrennung von Kohlenstoff zu Kohlendioxid. Die Verbrennung von Kohlenstoff zu Kohlendioxid (CO2 ) kann in einem Schritt ablaufen. 1-Stufen-Reaktion: C(f) + O2(g) → CO2(g) (ΔH = −393,5 kJ/mol) Die Verbrennung von Kohlenstoff kann aber auch in zwei Schritten durchgef¨uhrt werden. Im ersten Schritt wird Kohlenmonoxid (CO) gebildet. Im zweiten Schritt wird Kohlenmonoxid dann weiter zu Kohlendioxid umgesetzt.

2-Stufen-Reaktion: C(f) + 12 O2(g) → CO(g) (ΔH = −110,5 kJ/mol) CO(g) + 12 O2(g) → CO2(g) (ΔH = −28 3, 0 kJ/mol) Gesamtreaktion: C(f) + O2(g) → CO2(g)

(ΔH = −39 3, 5 kJ/mol)

7.4 2. Hauptsatz der Thermodynamik

103

Die Reaktionsenthalpien f¨ur die beiden Reaktionsstufen k¨onnen addiert werden und man erh¨alt den Wert von ΔH f¨ur die Gesamtreaktion (Verbrennung von Kohlenstoff zu Kohlendioxid). Die Reaktionenthalpie f¨ur die Bildung von Kohlenmonoxid ist nicht direkt messbar, weil sich gleichzeitig schon Kohlendioxid bildet. Um ΔH f¨ur die Bildung von Kohlenmonoxid zu ermitteln, wendet man den Hess’schen W¨armesatz an. Dazu gleicht man die Reaktionsgleichungen der verf¨ugbaren Enthalpiewerte so an, dass sie durch Addition die Geichungen f¨ur die gesuchte Reaktionenthalpie ergeben. Dabei m¨ussen die Gleichungen so aufgestellt werden, dass die Reaktanden, die in der gew¨unschten Reaktion nicht vorkommen, sich ,,herausk¨urzen“ lassen. C(f) + O2 (g) → CO2(g) (ΔH = −393,5 kJ/mol) CO2(g) → CO(g) + 12 O2(g) (ΔH = +283,0 kJ/mol) C(f) + 12 O2(g) → CO(g)

(ΔH = −110,5 kJ/mol)

Beispiel: Synthese von Methan aus Kohlenstoff und Wasserstoff Methan kann nicht direkt aus Kohlenstoff und Wasserstoff hergestellt werden. Die Reaktionsenthalpie¨anderung l¨aßt sich mit Hilfe des Hess’schen W¨armesatzes berechnen. C(f) + O2(g) → CO2(g) (ΔH = −393,5 kJ/mol) 2H2(g) + O2(g) → 2H2 O(fl) (ΔH = −572,0 kJ/mol) CO2(g) + 2H2O(fl) → CH4(g) + 2O2(g) (ΔH = +890,4 kJ/mol) C(f) + 2H2(g) → CH4(g)

(ΔH = −75,1 kJ/mol)

F¨ur die Bildung von Methan aus Kohlenstoff und Wasserstoff ergibt sich durch Addition der drei Teilreaktionen eine Enthalpie¨anderung von −75,1 kJ/mol.

7.4

2. Hauptsatz der Thermodynamik – Gesetz von der Entropiezunahme bei einer spontan ablaufenden Reaktion –

In diesem Kapitel wollen wir uns damit befassen, ob eine Reaktion spontan in eine gew¨unschte Richtung abl¨auft oder nicht. Einen Vorgang bezeichnet man als spontan, wenn er ohne a¨ ußere Einwirkung von selbst abl¨auft. Der Vorgang l¨auft freiwillig nur in einer Richtung ab und ist nicht umkehrbar. Beispiele: Ein Gas expandiert in ein Vakuum. Dieser Vorgang ist nicht umkehrbar. W¨arme kann nur von einem w¨armeren auf einen k¨alteren K¨orper u¨ bertragen werden. Natrium reagiert mit Chlor und bildet Kochsalz (NaCl). NaCl zerf¨allt nicht spontan in die Elemente Natrium und Chlor.

104

7 Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik

W¨ahrend der 1. Hauptsatz eine Aussage u¨ ber die Energieerhaltung macht (Energie kann nur umgewandelt, nicht erzeugt oder vernichtet werden), sagt der 2. Hauptsatz aus, dass eine spontane Reaktion immer mit einer Zunahme der Entropie S (griech.: Richtung gebend) verbunden ist; d.h. er macht eine Aussage uber ¨ die Richtung der Reaktion. Die Entropieist ein Maß f¨ur die Unordnung eines Systems; d.h. die Entropie sinkt mit zunehmendem Ordnungsgrad und steigt mit zunehmender Unordnung. ¨ Die Entropie ist eine Zustandsfunktion. Die Anderung der Entropie ΔS h¨angt nur von Endzustand und Ausgangszustand ab. Es gilt: ΔS = ΔSProdukte − ΔSAusgangsstoffe ¨ Man bezeichnet einen Prozess als reversibel, wenn er durch Anderung der Zustandsgr¨oßen Druck und Temperatur umkehrbar ist. Die Entropie des ,,Universums“ (= System + Umgebung (entspricht einem abgeschlossenen System)) ist bei einem reversiblen Prozess konstant; d.h. ΔS = 0. Eine irreversible Reaktion kann nur unter Anwendung eines a¨ ußerem Zwanges ablaufen. Irreversible Reaktionen (z.B. alle Naturvorg¨ange) sind immer mit einer Zunahme der Entropie verbunden; d.h. ΔS > 0. Bei der Einsch¨atzung von Entropien muss immer das “Universum“ betrachtet werden, denn in einem System kann die Entropie auch abnehmen. Beispiel: Kristallisation Wenn ein fl¨ussiger Stoff kristalliert, wird eine h¨ohere Ordnung aufgebaut. Die Teilchen sind an einem festem Punkt im Kristallgitter fixiert und nicht mehr beweglich. Die Entropie des Systems nimmt ab. Da aber gleichzeitig Kristallisationsw¨arme an die Umgebung abgegeben wird, die f¨ur eine h¨ohere Beweglichkeit der Teilchen in der Umgebung sorgt, nimmt die Entropie in der Gesamtbilanz (System und Umgebung) zu. Qualitative Absch¨atzungen bez¨uglich der Zunahme oder Abnahme der Entropie sind m¨oglich. Eine Zunahme der Entropie beobachtet man bei Temperaturerh¨ohungen, Volumenvergr¨oßerungen, oder wenn Gase gebildet werden. Beispiele f¨ur eine Zunahme der Entropie: Erh¨ohung der Temperatur oder des Volumens oder ¨ Anderung des Aggregatzustandes: fest → fl¨ussig → gasf¨ormig Beim Schmelzen von Eis werden die Teilchen mit zunehmender Temperatur beweglicher. Die Ordnung nimmt ab und die Entropie nimmt zu. Beim Verdampfen von Wasser gehen die Teilchen in die Gasphase u¨ ber und nehmen ein viel gr¨oßeres Volumen ein. Auch hier nimmt die Ordnung ab und die Entropie nimmt zu. Erh¨ohung der Teilchenzahl oder Bildung von gasf¨ormigen Stoffen

2NH3 → 3H2(g) + N2(g) (ΔS = 189 J/K mol) 2HNO3 → H2(g) + N2(g) + 3O2(g) (ΔS = 270 J/K mol)

7.4 2. Hauptsatz der Thermodynamik

105

Bei der Zersetzung von zwei Volumenanteilen Ammoniak (NH3 ) werden vier Volumenteile an Gasen (H2 und N2 ) gebildet. Bei der Zersetzung von Salpeters¨aure (HNO3 ) werden f¨unf Volumenteile an Gasen gebildet. Die Entropie nimmt in beiden F¨allen zu. Um Aussagen zu machen, ob eine Reaktion spontan ablaufen kann, gen¨ugt die Enthalpie H und die Entropie S nicht. Man ben¨otigt eine weitere Zustandsfunktion, die freie Enthalpie ΔG. Freie Enthalpie G: Zusammenhang zwischen Enthalpie H und Entropie S: W¨ahrend die Enthalpie¨anderung ΔH die Energiebilanz einer chemischen Reaktion beschreibt ¨ (exotherme oder endotherme Reaktion), ist die Anderung der freien Enthalpie ΔG das Kriterium f¨ur die Reaktionsf¨ahigkeit eines Systems (exergonische oder endergonische Reaktion); d.h. die Voraussetzung daf¨ur, das die Reaktion ablaufen kann. Durch Differenzbildung ΔG = ΔGProdukte − ΔGAusgangsstoffe l¨asst sich nach thermodynamischen Gesichtspunkten beurteilen, ob eine Reaktion abl¨auft oder nicht. Ein negatives Vorzeichen f¨ur ΔG bedeutet, dass die Reaktion freiwillig abl¨auft. Ein positives Vorzeichen f¨ur ΔG bedeutet, dass die Reaktion erzwungen werden muss. F¨ur geschlossene Systeme lassen sich folgende F¨alle unterscheiden: ΔG < 0 : freiwillig ablaufende, exergonische Reaktion ΔG > 0 : erzwungene, endergonische Reaktion ΔG = 0 : Es liegt ein Gleichgewicht vor. Hinreaktion und R¨uckreaktion laufen gleichzeitig ab (s. S. 106 und Kap. 10). ¨ Bei chemischen Umsetzungen treten nicht nur Anderungen der Enthalpie und der freien Enthalpie auf, sondern auch die Entropie kann sich ver¨andern. Aus experimentellen Untersuchungen wurde ein Zusammenhang zwischen den Enthalpie¨anderungen ΔH und ΔG entdeckt. Diese Beziehung wird nach Josiah Willard Gibbs und Hermann von Helmholtz als ,,Gibbs-Helmholtz-Gleichung“ bezeichnet: ΔG = ΔH − T · ΔS f¨ur T = konst ΔG wird definiert u¨ ber die Terme ΔH und −T · ΔS. Beide Terme k¨onnen positiv oder negativ sein. ΔG ist abh¨angig von der Temperatur T. Wenn ΔH ein positives und ΔS ein negatives Vorzeichen besitzt, dann ist ΔG > 0. Eine Reaktion findet freiwillig nicht statt. Stoffe reagieren nur dann freiwillig miteinander oder physikalische Phasenumwandlungen erfolgen nur dann, wenn gilt: ΔG < 0. Wann ist ΔG < 0? Wir betrachten drei F¨alle: a. ΔH < 0 und ΔS > 0 Diese Bedingungen treffen zu, wenn die Bindungsst¨arke in den Produkten gr¨oßer ist als in den Ausgangsstoffen, und gleichzeitig die Entropie im Reaktionsverlauf zunimmt (die Ordnung nimmt ab).

106

7 Energetik chemischer Reaktionen – Thermodynamik

Diese Bedingungen findet man z.B. bei Verbrennungen, oder wenn aus gr¨oßeren Teilchen mehrere kleine Teilchen entstehen. Beispiel: H2(g) + O2(g) → 2HCl(g) (ΔG = −190 kJ/mol) (ΔH = −183 kJ/mol, T · ΔS = +7 kJ/K mol, T = 298 K) b. ΔH < 0 und ΔS < 0 f¨ur *|ΔH| > |T · ΔS|

*|ΔH| = Betrag von ΔH

Diesen Fall findet man bei Kristallisationsprozessen, wenn durch die Bildung von regelm¨aßigen kristallinen Strukturen ein stabiler, energetisch g¨unstiger Zustand erreicht wird. Unterst¨utzt wird dieser Prozess, wenn der Term |T · ΔS| klein gehalten wird, indem man die Temperatur reduziert (Abk¨uhlen der Reaktionsmischung). Beispiel: 2NO(g) → N2(g) + O2(g) (ΔG = −172 kJ/mol) (ΔH = −180 kJ/mol, T · ΔS = −8 kJ/K mol, T = 298 K) c. Δ H > 0 und ΔS > 0 f¨ur |ΔH| < |T · ΔS| Bei einer endothermen Reaktionen ist die Bindungsst¨arke in den Ausgangsstoffen gr¨oßer als in den Produkten. Die Reaktionl¨auft nur ab, wenn die Entropie stark zunimmt. In diesem Fall wird eine Temperaturerh¨ohung die Reaktion f¨ordern. Solche Bedingungen findet man bei thermischen Molek¨ulspaltungen, Verdampfungsprozessen und L¨osungsprozessen. Beispiel: 2Ag2 O(f) → 4Ag(f) + O2(g) (ΔG = −15 kJ/mol) (ΔH = +61 kJ/mol, T · ΔS = +76 kJ/K mol, T = 573 K)

Berechnung der Gleichgewichtskonstanten Wenn ein chemisches Gleichgewicht vorliegt, dann bilden sich aus den Ausgangsstoffen Reaktionsprodukte und gleichzeitig zerfallen die Produkte wieder zu den Ausgangsstoffen (s. Kap. 10). Beispiel: 2 A + B  A2 B Die Ausgangsstoffe A und B stehen in einem Gleichgewicht mit dem Produkt A2 B. In die Gleichgewichtskonstante Kc gehen die beteiligten Stoffe mit ihren jeweiligen Konzentrationen c ein. F¨ur dieses Beispiel l¨aßt sich Kc u¨ ber den folgenden Quotienten berechnen: Kc =

CA2 B CA2 ·CB

¨ Die Anderung der freien Enthalpie unter Standardbedingungen bezeichnet man als freie Standardreaktionsenthalpie ΔG◦ . Unter Standardbedingungen versteht man folgende Bedingungen: Temperatur T = 25◦ C, Druck p = 1 atm und Konzentration c = 1 mol/l. F¨ur Standardbedingungen gilt: ΔG = ΔG◦

7.4 2. Hauptsatz der Thermodynamik

107

Chemische Reaktionen laufen in der Regel nicht unter Standardbedingungen ab. Die freie Enthalpie ΔG unter Nichtstandardbedingungen l¨asst sich aus folgender Beziehung berechnen: ΔG = ΔG◦ + R · Tln CC2A2·CB A

B

(R = ideale Gaskonstante)

Der Quotient entspricht der Gleichgewichtskonstanten Kc (s. Kap. 10.1.1) ΔG = ΔG◦ + R · TlnKc F¨ur das Gleichgewicht gilt: ΔG = 0. Daraus folgt: ΔG◦ = −R · T lnKc ◦

Kc = e − ΔG R·T

¨ ¨ Uber die Anderung der freien Standardreaktionsenthalpie ΔG◦ kann die Gleichgewichtskonstante Kc berechnet werden.

¨ Ubungsaufgaben zu 7.1 1. Was versteht man unter einem geschlossenen System?

zu 7.2 1. Wie lautet der 1. Hauptsatz der Thermodynamik? 2. Bei einer chemischen Reaktion wird ein W¨arme von 65 kJ aus der Umgebung an das System abgegeben. Gleichzeitig verrichtet das System an der Umgebung eine Arbeit von 24 kJ. Berechnen Sie ΔG und geben Sie an, ob die Reaktion exotherm oder endotherm ist.

zu 7.3 1. 2NH3 + 3N2O → 4N2 + 3H2O Welche Reaktionsenthalpie besitzt die Reaktion f¨ur die Bildung von Stickstoff und Wasser, wenn die Enthalpie¨anderungen folgender Teilreaktionen bekannt sind? a) 4NH3 + 3O2 → 2N2 + 6H2O b) N2 O + H2 → N2 + H2O c) H2 + 12 O2 → H2 O

(ΔH − 1535 kJ/mol) (ΔH − 368,7 kJ/mol) (ΔH − 286,19 kJ/mol)

zu 7.4 1. Wie a¨ ndern sich ΔH und ΔS beim Verdampfen eines L¨osungsmittels? ¨ 2. Uberpr¨ ufen Sie, ob die Reaktion 2H2 +O2 → 2H2 O in der angegebenen Richtung spontan abl¨auft! (ΔH = −573 kJ/mol, ΔS = 98,3 J/K mol, T = 23 ◦ C)

8

Chemische Kinetik

Die Thermodynamik befasst sich mit dem energetischen Anfangs- und Endzustand einer chemischen Reaktion. Die chemische Kinetik untersucht die Geschwindigkeit von chemischen Abl¨aufen. Um eine Aussage machen zu k¨onnen, ob ein chemischer Prozess in einem technisch sinnvollen Zeitraum durchf¨uhrbar ist, ben¨otigt man Informationen u¨ ber die Reaktionsgeschwindigkeit. Chemische Reaktionen k¨onnen in ihrem zeitlichen Verlauf sehr unterschiedlich sein. Kettenreaktionen (Explosionen) laufen in einem Bruchteil von einer Sekunde ab. Korrosionen wie das Rosten eines Eisenteils ben¨otigen Jahre. Wie l¨auft nun eine Reaktion im Detail ab? Betrachten wir beispielhaft die Bildung von Iodwasserstoff (s. Abb. 8.2). Beispiel:

H2 + I2 → 2 HI

Wasserstoff- und Iodmolek¨ule n¨ahern sich und stoßen zusammen. Die intramolekularen Bindungen zwischen den Wasserstoffatomen bzw. zwischen den Iodatomen l¨osen sich. Gleichzeitig bildet sich eine neue Bindung zwischen einem Wasserstoffatom und einem Iodatom. Nur ein geringer Teil der Zusammenst¨oße f¨uhrt zur Bildung von Iodwasserstoff. Manche Teilchen stoßen nicht heftig genug zusammen. Oder sie stoßen in einer ung¨unstigen Lage zusammen, die ein Aufbrechen der Bindungen in den Ausgangsmolek¨ulen verhindert. Die H¨aufigkeit der Teilchenkollisionen h¨angt von der Partikelzahl pro Volumen ab; d.h. von der Konzentration. F¨ur eine erfolgreiche, d.h. bindungsbildende Kollision sind zwei wesentliche Faktoren von Bedeutung: a. die Energie der zusammenstoßenden Teilchen b. die r¨aumliche Orientierung der Partikel zueinander

8.1

Energie der zusammenstoßenden Teilchen – Aktivierungsenergie EA

Die Aktivierungsenergie EA wird als Mindestenergiemenge ben¨otigt, damit sich die Ausgangsteilchen gegen die abstoßende Kraft der negativ geladenen Elektronenh¨ullen gen¨ugend, d.h. dicht genug zur Ausbildung neuer Molek¨ulorbitale, ann¨ahern k¨onnen, sowie um die urspr¨unglichen Bindungen zu lockern, damit neue aufgebaut werden. Je st¨arker die alten Bindungen sind, umso gr¨oßer muss die notwendige Aktivierungsenergie sein.

110

8 Chemische Kinetik

Nicht alle Teilchen besitzen bei konstanter Temperatur die gleiche kinetische Energie (Ekin ). Nur die Molek¨ule, deren kinetische Energie gr¨oßer oder gleich der Aktivierungsenergie ist (s. Abb. 8.1), reagieren miteinander! Durch eine Temperaturerh¨ohung erh¨oht sich die kinetische Energie der Teilchen, und damit die Zahl der erfolgreichen Zusammenst¨oße. Nach Jacobus van’t Hoff vergr¨oßert sich die Reaktionsgeschwindigkeit um das 2–3-fache, wenn die Temperatur um 10 K angehoben wird. T1 T1 < T2

Zahl der Moleküle

T2

EA

Ekin

Abbildung 8.1: Aktivierungsenergie in Abh¨angigkeit von der Temperatur

8.2

Orientierung der Reaktionspartner zueinander

Neben dem Energieinhalt der Teilchen h¨angt die Zahl erfolgreicher, d.h. produktbildender, Zusammenst¨oße, auch von der geometrisch g¨unstigen Lage der Molek¨ule zueinander ab. Sterisch anspruchsvolle Molek¨ule k¨onnen sich nicht gen¨ugend n¨ahern und reagieren deshalb nicht oder nur sehr langsam miteinander. Molek¨ule, die in der richtigen Position zusammenstoßen und die mindestens die Aktivierungsenergie aufweisen, bilden einen aktivierten Komplex (,,transition state“), einen kurzlebigen Zwischenzustand, den man nicht isolieren kann (s. Abb. 8.2). Die urspr¨unglichen Bindungen werden gelockert. Es k¨onnen Bindungsumgruppierungen stattfinden. Danach trennen sich die neugebildeten Molek¨ule. Der Anteil der Teilchen, die eine kinetische Energie gr¨oßer oder gleich der Aktivierungsenergie EA besitzen, wird durch den Faktor e− RT wiedergegeben. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k, wird nach Savante Arrhenius (1889) wie folgt definiert: k = A · e−EA/RT (A: A stellt f¨ur jede Reaktion einen charakteristischen Wert dar, in dem die Faktoren f¨ur eine erfolgreiche Reaktion (Zahl der Zusammenst¨oße, geometrische Ausrichtung etc.) ber¨ucksichtigt werden, R: ideale Gaskonstante (s. S. 92), EA : Aktivierungsenergie, T : absolute Temperatur)

8.3 Reaktionsgeschwindigkeit v

111

H H

I I

H

H

I H

I

H

I

I

aktivierter Komplex

a) unwirksamer Zusammenstoß

b) unwirksamer Zusammenstoß

Abbildung 8.2: Bildung von Iodwasserstoff

In der Arrheniusgleichung wird ein Zusammenhang zwischen Reaktionsgeschwindigkeitskonstante und der Temperatur hergestellt. Zusammenfassung: Die Reaktionsgeschwindigkeit v h¨angt ab von: • • • •

8.3

der Konzentration der Reaktionspartner, somit von der Zahl der Zusammenst¨oße der Temperatur T , somit von der kinetischen Energie (Ekin ) der beteiligten Teilchen der Festigkeit der alten Bindungen, d.h. der Aktivierungsenergie EA der r¨aumlichen Anordnung der Reaktanden im Reaktionsraum

Reaktionsgeschwindigkeit v

Die Reaktionsgeschwindigkeit v ist definiert als Mengen¨anderung eines Stoffes (Konzentration c (s. Kap. 9.4.1) oder Partialdruck p (f¨ur Gase)) pro Zeiteinheit Δt. F¨ur das Beispiel der Umsetzung von Wasserstoff mit Iod zu Iodwasserstoff ergibt sich f¨ur die Reaktionsgeschwindigkeit der Bildung von Iodwasserstoff: v(HI) =

Δc(HI) Δt

112

8 Chemische Kinetik

Die Reaktionsgeschwindigkeit v(HI) l¨asst sich durch die Konzentrationszunahme von HI w¨ah¨ rend der zeitlichen Anderung Δt erfassen. Die Reaktionsgeschwindigkeit kann besser durch eine Differentialgleichung beschrieben werden. v(HI) =

dc(HI) dt

Auch durch die zeitliche Abnahme der Konzentration von Wasserstoff und Iod l¨asst sich die Reaktionsgeschwindigkeit erfassen. Die Differentialgleichung erh¨alt dann ein negatives Vorzeichen. v ( H2 ) = −

dc(H2 ) dt

oder v(I2 ) = −

dc(I2 ) dt

Die Geschwindigkeit f¨ur die Abnahme der Konzentrationen von H2 und I2 stimmt nicht mit der Geschwindigkeit f¨ur die Bildung von HI u¨ berein. Aus der Reaktionsgleichung H2 + I2 → 2HI ist ersichtlich, dass v(HI) doppelt so groß ist, wie v(H2 ) oder v(I2 ) . F¨ur jede beliebige chemische Reaktion l¨asst sich die Reaktionsgeschwindigkeit in einer mathematischen Beziehung erfassen. F¨ur die Bildung von Iodwasserstoff lautet das Geschwindigkeitsgesetz: v(HI) = k · c(H2 )α · c(I2 )β Die Reaktionsgeschwindigkeit h¨angt von den Konzentrationen der Reaktanden ab. Die Geschwindikeitskonstante k geht als Proportionalit¨atsfaktor ein. Bei Reaktionen, die scheinbar unendlich“ langsam ablaufen, setzt man Katalysatoren ein. ” Die Exponenten α , β werden als Teilordnungen der Reaktanden H2 und I2 bezeichnet. Die Summe aus α und β ergibt die Gesamtordnung der Reaktion (s. Kap. 8.4). Katalysatoren: Katalysatoren sind Stoffe, die eine Reaktion beschleunigen oder in eine bestimmte Richtung lenken, ohne sich dabei zu verbrauchen (d.h. ohne sich bleibend zu ver¨andern). Sie setzen die ¨ ande zwischen Katalysator und Edukten Aktivierungsenergie EA herab, indem Ubergangszust¨ gebildet werden, d.h. Lockerung der alten Bindungen ohne Energiezufuhr. Zudem k¨onnen sie durch Orientierung der Reaktanden im Reaktionsraum die Zahl der sterisch erfolgreichen Zusammenst¨oße vergr¨oßern, und damit bei gleichbleibender Konzentration die Effektivit¨at steigern. In vielen F¨allen ist jedoch die genaue Wirkungsweise eines Katalysators unbekannt. Man unterscheidet grunds¨atzlich zwei Katalysatorsysteme: homogene – heterogene Homogene Katalyse: Katalysator und Reaktanden befinden sich in der gleichen Phase. Dadurch erreicht der Katalysator zwar eine besonders hohe Effektivit¨at, aber das Abtrennen (Zur¨uckgewinnen, Regenerieren) ist nach erfolgreicher Reaktion oft sehr problematisch. Ein derartiges Katalysatorsystem macht dann Sinn, wenn sich die Katalysatorreste entweder nach und nach abbauen bzw. abgebaut

8.4 Reaktionsordnung

113

werden oder bei Folgeprozessen, auf Grund ihrer hohen Spezifit¨at f¨ur nur eine Reaktion, nicht weiter st¨orend wirken (z.B. Enzyme in biochemischen Prozessen). Heterogene Katalyse: Katalysator und Reaktanden befinden sich in verschiedenen Phasen, wobei das Katalysatorsystem meist fest, die Reaktionspartner fl¨ussig oder gasf¨ormig sind. Derartige Katalysatoren sind umso aktiver, je gr¨oßer die zug¨angliche, d.h. wirksame, Oberfl¨ache ist. Ihre nach erfolgreicher Reaktion durchzuf¨uhrende Isolierung ist in der Regel unproblematisch. Man unterscheidet zwischen Voll- und Tr¨agerkatalysatoren: Vollkatalysatoren werden in der Regel aus preiswerten Materialien (Metalle, Legierungen, Oxide) in Form von Netzen, Gittern hergestellt. Tr¨agerkatalysatoren bestehen normalerweise aus druckstabilen, preiswerten metallischen oder keramischen Grundk¨orpern, die an der Oberfl¨ache mit d¨unnen, katalytisch wirksamen Schichten aus edlen Metallen (z.B. Platin, Palladium, Gold) bedampft sind. Katalysatoren sind meist sehr spezifisch, d.h. nur f¨ur eine bestimmte Reaktion wirksam. Oft wirken sie erst (Abgaskatalysator in Fahrzeugen) ab einer bestimmten Temperatur. Sie spielen eine große Rolle bei biochemischen Prozessen, industriellen Synthesen und auch im Umweltschutz.

8.4

Reaktionsordnung

Die Reaktionsordnung ist die Summe der Exponenten der Konzentrationen der Reaktanden A, B, C etc. in einem Geschwindigkeitsgesetz. v = k · c(A)α · c(B)β · c(C)γ . . . Die Summe aller Exponenten (∑ α , β , γ , . . .) entspricht der Gesamtordnung der Reaktion. Die Gesamtordnung kann nicht aus der Reaktionsgleichung bzw. dem Reaktionsmechanismus abgelesen werden, sondern muss in jedem Fall experimentell ermittelt werden. Die Exponenten α , β , γ , . . . entsprechen nicht den st¨ochiometrischen Koeffizienten (s. Kap. 9.5) einer chemischen Reaktion!

8.4.1

Reaktion 0. Ordnung

F¨ur eine Reaktion 0. Ordnung ist die Reaktionsgeschwindigkeit konzentrationsunabh¨angig, d.h. der Exponent im Konzentrationsausdruck der Geschwindigkeitsgleichung wird Null. Es gilt: dc(A) = k · c(A)α dt = k · c(A)0 = k · 1 dc(A) =k v(A) = − dt v(A) = −

k = Geschwindigkeitskonstante

114

8 Chemische Kinetik

Normalerweise werden bei kinetischen Untersuchungen Konzentrationen gemessen, die zu bestimmten Zeitpunkten vorliegen. Daher ist die integrierte Form des obenstehenden Zeitgesetzes eher von praktischer Bedeutung. Man erh¨alt: c(A) = −k · t + konst Die Integrationskonstante (konst) wird aus den Anfangsbedingungen des Experiments ermittelt. Elektrochemische, photochemische und katalytische Prozesse sind Reaktionen 0. Ordnung. Wolframkatalysator

Beispiel:

8.4.2

2NH3 −−−−−−−−→ N2 + 3H2;

v(NH3 ) = −

dc(NH3 ) =k dt

Reaktion 1. Ordnung

Die Reaktionsgeschwindigkeit v einer Reaktion 1. Ordnung h¨angt von der Konzentration eines Reaktanden ab. Sie ist zu jedem Zeitpunkt der aktuellen Konzentration des Ausgangsstoffes, c(A), proportional. Mit abnehmender Konzentration verringert sich somit auch die Reaktionsgeschwindigkeit. Es gilt: v ( A) = −

dc(A) dc(A) = k · c(A) oder v(A) = = −k · dt dt c(A)

Die integrierte Fassung mit der Anfangskonzentration c(A0 ) zum Zeitpunkt t = 0 und der Konzentration c(A) zu einer beliebigen Zeit t ergibt sich wie folgt: ln

c(A) c(A0 )

Daraus erh¨alt man: c(A) = e−k·t c(A0 ) Die Konzentration des Ausgangsstoffs A nimmt exponentiell mit der Zeit ab. Radioaktiver Zerfall (s. Kap. 4.1.2) und die thermische Zersetzung von Verbindungen sind Reaktionen 1. Ordnung. Beispiel: 2N2 O5 → 4NO2 + O2 ; v(N2 O5 ) = −k · c(N2 O5 )

8.5 Molekularit¨at

8.4.3

115

Reaktion 2. Ordnung

Die Reaktionsgeschwindigkeit v einer Reaktion 2. Ordnung h¨angt entweder von der Konzentration von zwei Edukten oder von dem Quadrat der Konzentration eines Eduktes ab: v(A) = −

dc(A) dc(A) dc(B) = k · c2 (A) oder v(A) = − = v(B) = − = k · c(A) · c(B) dt dt dt

Reaktionen 2. Ordnung treten am h¨aufigsten auf. Charakteristisch ist der langsame Verlauf, der bei Reaktionen h¨oherer Ordnung noch weiter abnimmt. Beispiele: H2 + I2 → 2HI;

v(H2 ) = v(I2 ) = −k · c(H2 ) · c(I2 )

2NO2 → 2NO + O2 ; v(NO2 ) = −k · c(NO2 )2

8.5

Molekularit¨at

Die Reaktionsordnung als Ergebnis experimenteller Messungen und die Molekularit¨at, d.h. die Anzahl Teilchen, die an einem Elementarschritt beteiligt sind, d¨urfen nicht verwechselt werden. ¨ Eventuell auftretende Ubereinstimmungen sind rein zuf¨allig! Monomolekulare Reaktion: A→ Produkte Die Reaktion geht von nur einem Teilchen aus. Vor allem große Molek¨ule zeigen ein derartiges Verhalten, wie z.B. die Spaltung eines Brommolek¨uls in zwei Bromradikale (Br2 → 2Br). Bimolekulare Reaktion: A + A → Produkte

oder A + B → Produkte

Bei einer derartigen Umsetzung reagieren zwei Teilchen miteinander wie z.B. bei der Bildung von HI aus H2 und I2 . Die meisten chemischen Umsetzungen laufen als bimolekulare Reaktionen ab.

¨ Ubungsaufgaben zu 8.3 1. Was versteht man unter Reaktionsgeschwindigkeit? 2. Was ist ein Katalysator?

116

8 Chemische Kinetik

zu 8.4 1. Der Zerfall von N2 O5 gem¨aß folgender Reaktionsgleichung 2N2 O5 →4NO2 +O2 ist eine Reaktion 1. Ordnung. Nach siebzig Minuten wurde f¨ur c(N2 O5 ) ein Wert von 0,0168 mol/l gemessen (c(N2 O5 ) = 0,02 mol/l f¨ur t = 0). Berechnen Sie die Geschwindigkeitskonstante. 2. Was ist eine Reaktionsordnung?

9

St¨ochiometrie

Der Begriff St¨ochiometrie leitet sich von den griechischen Worten stoicheion = Element (oder Grundstoff) und metron = messen ab. Die St¨ochiometrie befasst sich mit den Mengenver¨ h¨altnissen der Elemente in Verbindungen, und deren Anderungen durch eine chemische Reaktion. Dazu geh¨ort die Berechnung der Stoffmassen und Gasvolumina, sowie das Aufstellen von chemischen Formeln und Reaktionsgleichungen.

9.1

Chemische Formeln und Molekulargewicht

Die Zusammensetzung einer Verbindung oder eines Molek¨uls wird durch eine chemische Formel beschrieben. In einer Formel werden die an der Molek¨ulbildung beteiligten Atome durch ihre Elementsymbole wiedergegeben. Das Verh¨altnis der Atome der jeweiligen Elemente zu einander wird dabei durch eine tiefgestellte Zahl ausgedr¨uckt (Formelindex). Dieses Verh¨altnis ist in einem Molek¨ul immer konstant und von Ausnahmen abgesehen, die hier nicht behandelt werden, immer ganzzahlig. Es reagieren keine halben Atome. Durch eine chemische Formel wird eine Verbindung kurz und eindeutig beschrieben. Gleiche Elemente werden zusammengefasst. Solche Formeln bezeichnet man deshalb auch als Summenformeln. Beispiele: Wasser (H2 O)

Kohlendioxid (CO2 )

Ammoniak (NH3 ) Methan (CH4 )

Es gilt generell das Gesetz der konstanten Proportionen. Dieses Gesetz besagt, dass eine spezifische Verbindung immer aus den gleichen Elementen besteht, die in einem konstanten Massenverh¨altnis vorliegen. Betrachten wir die Formel H2 O f¨ur das Wassermolek¨ul. Ein Wassermolek¨ul besteht aus einen Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffatomen, die im Verh¨altnis H:O = 2:1 vorliegen. Dieses Verh¨altnis ist immer konstant und ver¨andert sich nicht. Wie l¨asst sich nun eine Summenformel ermitteln? Aus der chemischen Analyse einer Substanz erh¨alt man Informationen dar¨uber, welche Elemente enthalten sind und u¨ ber das jeweilige Massenverh¨altnis. Beispiel: Die chemische Analyse liefert f¨ur das Benzenmolek¨ul (C6 H6 ) das Verh¨altnis C:H = 1:1. Die tats¨achliche Formel lautet aber nicht CH, sondern C6 H6 . Aus der Analyse k¨onnen wir nur das einfachste Zahlenverh¨altnis zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff ermitteln.

118

9 St¨ochiometrie

Die Formel mit dem einfachsten Zahlenverh¨altnis nennt man empirische Formel. F¨ur Hydrazin und Wasserstoffperoxid mit den Summenformeln N2 H4 und H2 O2 w¨aren m¨ogliche empirische Formeln NH2 , N2 H4 oder N3 H6 usw. bzw. HO, H2 O2 , oder H3 O3 usw. In Formeln f¨ur Ionenverbindungen wird immer das einfachste Zahlenverh¨altnis angegeben. Wir benutzen die Formel NaCl statt Nax Clx (s. auch S. 70). Um die Summenformel f¨ur einen Reinstoff aufstellen zu k¨onnen, reicht die Kenntnis des Massenverh¨altnisses der Elemente nicht aus. Zus¨atzlich muss das Molekulargewicht bestimmt werden. Es l¨asst sich u¨ ber verschiedene physikalische Messmethoden wie die Bestimmung des Dampfdrucks, Gefrierpunktserniedrigung, Siedepunktserh¨ohung oder durch Massenspektroskopie ermitteln. Die molare Masse (auch kurz Molmasse genannt) errechnet sich in Gramm aus der Summe der Atommassen aller am Molek¨ul beteiligten Atome. Die Errechnung des Molekulargewichtes, sowie der prozentualen Zusammensetzung, soll im Folgenden an einigen Beispielen gezeigt werden: Beispiel: Berechnung der Molmasse von BaCl2 1 mol Ba2+ : 2 mol Cl− :

137,3 g 2 · 35,45g 208,2 g

Das Molekulargewicht von BaCl2 betr¨agt 208,2 g/mol. (Die Masse der Elektronen wird bei der Berechnung der Ionenmasse von Ba2+ und Cl− vernachl¨assigt, da die Masse eines Elektrons um das 1840-fache geringer ist als die Masse von Protonen und Neutronen (s. S. 3)). Aus dem Molekulargewicht und der Kenntnis der Zusammensetzung einer Verbindung kann dessen Summenformel ermittelt werden. Beispiel: Das Molekulargewicht eines Stoffs ist 28,054 g/mol. Die Substanz besteht aus Kohlenstoff und Wasserstoff im Verh¨altnis 1:2. Wie lautet die Summenformel? Die einfachste, denkbare Zusammensetzung der Verbindung mit der empirischen Formel CH2 ergibt mit 14,027 g/mol ein zu niedriges Molekulargewicht. Aus dem Verh¨altnis C:H = 2:4 resultiert das geforderte Molekulargewicht von 28,054 g/mol. Die gesuchte Summenformel lautet also C2 H4 . Beispiel: Welche Summenformel hat eine Verbindung mit der Molmasse 60,032 g/mol und der folgenden chemischen Zusammensetzung? 40,0 % Kohlenstoff 53,3 % Sauerstoff 6,7 % Wasserstoff

9.2 Stoffmenge und Avogadrokonstante

119

Der Analyse l¨asst sich entnehmen, dass 100 g der Substanz 40,0 g Kohlenstoff, 53,3 g Sauerstoff und 6,7 g Wasserstoff enthalten. Nach Division durch die relativen Atommassen 12,01, 15,99 und 1,008 g f¨ur Kohlenstoff, Sauerstoff bzw. Wasserstoff berechnet man das Verh¨altnis der Elemente zueinander. Man erh¨alt das Verh¨altnis C:O:H = 3,3 : 3,3 : 6,65. 6,7 g Wasserstoff entsprechen dann 6,65 mol Wasserstoff. Division durch 3,3 ergibt folgendes Verh¨altnis: C:O:H = 1:1:2. Die empirische Formel lautet CH2 O. Aus dem Molekulargewicht von 60,032 g/mol l¨asst sich die tats¨achliche Formel zu C2 H4 O2 ermitteln. Auch die prozentuale Zusammensetzung einer Verbindung l¨asst sich aus der Summenformel gewinnen. Der Formel einer Verbindung kann man die Anzahl der Atome des jeweiligen Elements entnehmen. Die Atommasse des jeweiligen Elements wird dann durch die Molmasse des Molek¨uls dividiert. Multiplikation mit 100 ergibt dann den Prozentgehalt. Beispiel: Wieviel Prozent Sauerstoff ist in einem Wassermolek¨ul (H2 O) enthalten? Das Molekulargewicht von Wasser ergibt sich aus 2 · 1,008 g Wasserstoff und 15,999 g Sauerstoff zu 18,015 g/mol. Der Massenanteil von Sauerstoff (15,999 g dividiert durch 18,015 g) ist 0,888. Der Sauerstoffanteil in einem Wassermolek¨ul betr¨agt demnach 88,8 %. Beispiel: Wieviel Blei (in g) kann man aus 1200 g Bleiglanz gewinnen, der zu 60 % aus PbS besteht? Das Molekulargewicht von PbS errechnet sich aus 207,2 g Blei und 32,1 g Schwefel zu 239,3 g/mol. In 1200 g Bleiglanz, der zu 60 % aus PbS besteht, sind 720 g PbS enthalten. Aus 239,3 g PbS lassen sich 207,2 g Blei isolieren. Aus 720 g PbS lassen sich 623,7 g Blei gewinnen.

9.2

Stoffmenge und Avogadrokonstante

Die Stoffmenge n eines Stoffes, mit der Einheit mol, ergibt sich aus der Masse m (in g) dividiert durch die molare Masse M (in g/mol). Stoffmenge: n = m/M Ein Mol wird als die Stoffmenge eines Reinstoffs definiert, die genausoviele Teilchen enth¨alt wie 12 g Kohlenstoff des Isotops 126 C. Beispiel: Zur Durchf¨uhrung einer chemischen Reaktion werden 0,28 mol Aluminiumoxid ben¨otigt. Wieviel Gramm m¨ussen abgewogen werden?

120

9 St¨ochiometrie

Das Molekulargewicht von Al2 O3 betr¨agt 101,96 g/mol. Mit n = 0,28 mol ist m(Al2 O3 ) = n · M = 0,28 mol · 101,96 g/mol = 28,55 g. Es m¨ussen 28,55 g Al2 O3 abgewogen werden. Ein Mol eines Gases besteht aus 6,022 · 1023 Teilchen. Unabh¨angig davon, um welchen Stoff und welche Art von Teilchen es sich dabei handelt. Die Zahl NA = 6,022 · 1023 mol−1 nennt man Avogadrokonstante. Ein Mol Cl-Atome besteht demnach aus 6,022 · 1023 Cl-Atomen der Masse 35,45 g. Ein Mol Cl2 -Molek¨ule besteht aus 6,022 · 1023 Cl2 -Molek¨ulen der Masse 70,90 g. Beispiel: Wieviel Mol und wieviele Molek¨ule und Atome sind in 60 g NH3 enthalten? Die Molmasse von NH3 betr¨agt 17,12 g/mol. Daraus l¨asst sich die Stoffmenge berechnen. 60 g NH3 entsprechen einer Stoffmenge von 3,5 mol. In einem Mol NH3 befinden sich 6,022 · 1023 NH3 -Molek¨ule. 3,5 mol NH3 bestehen aus 2,1 · 1024 NH3 -Molek¨ulen und 8,43 · 1024 Atomen. Dividiert man die Atommasse eines Elements durch die Avogadrokonstante, so l¨asst sich die Masse eines einzelnen Atoms berechnen. Beispiel: Die Masse eines Wasserstoffatoms ergibt sich aus: 1,008 g mol−1 /6,022 · 1023 mol−1 = 1,674 · 10−24 g.

9.3

Molvolumen

¨ Uber das ideale Gasgesetz (siehe Kap. 6.3.1) wird die Stoffmenge n mit den Zustandsgr¨oßen Temperatur T , Druck p, und Volumen V in Beziehung gesetzt. F¨ur ideale Gase in denen keine Wechselwirkungen zwischen den Teilchen auftreten, gilt: p ·V = n · R · T

(ideales Gasgesetz)

Daraus ergibt sich unter Normalbedingungen (Temperatur T = 273 K, Druck p = 1 atm = 1,013 bar = 1,013 · 105 Pa), der allgemeinen Gaskonstanten R = 8,314 J/mol K (= 8,314 · 103 Pa l/mol K) und der Stoffmenge, n = 1 mol, f¨ur das Molvolumen, VM : VM = n · R · T/p = 8,314 · 103 Pa l mol−1 K1 · 273 K]/1,013 · 105 Pa = 22,4 l/mol Ein Mol eines idealen Gases nimmt bei konstanter Temperatur und konstantem Druck immer das gleiche Volumen ein; d.h. unter idealen Bedingungen 22,4 l (siehe Kap. 6.3.1). Reale Gase zeigen Abweichungen auf Grund von zwischenmolekularen Anziehungskr¨aften!

9.3 Molvolumen

121

Nach A. Avogadro enthalten gleiche Volumina von Gasen bei gleicher Temperatur und gleichem Druck die gleiche Anzahl an Teilchen. Ein Mol eines Stoffs enth¨alt somit immer die gleiche Teilchenzahl. Damit ist es leicht m¨oglich st¨ochiometrische Berechnungen u¨ ber die Gasvolumina durchzuf¨uhren.

Beispiel: Metallisches Calcium reagiert mit Wasser zu Wasserstoff und Calciumhydroxid. Wieviel Gramm Calcium werden ben¨otigt um 2,5 l Wasserstoff unter Normalbedingungen zu bilden? Ca + 2H2 O → Ca(OH)2 + H2 22,4 l Wasserstoff entsprechen bei Normalbedingungen der Stoffmenge 1 mol. 2,5 l Wasserstoff sind dann 0,112 mol. Der Reaktionsgleichung k¨onnen wir entnehmen, dass die Umsetzung von 1 mol Calcium (40,08 g) zur Bildung von 1 mol Wasserstoff (2,02 g) f¨uhrt. Zur Darstellung von 0,112 mol Wasserstoff (0,22 g) ben¨otigt man dann 4,48 g Calcium. Bei Gasreaktionen wird h¨aufig mit dem Molvolumen unter Normalbedingungen (T = 273 K, p = 1,013 bar) gerechnet. F¨ur die konkreten Reaktionsbedingungen rechnet man die Parameter um. Die Umrechnung erfolgt u¨ ber die allgemeine Gasgleichung (siehe Kap. 6.3.1): [V · p]/T = [V0 · p0 ]/T0

V : Volumen bei der Temperatur T und dem Druck p p: Druck T : Temperatur V0 : Volumen des Gases unter Normalbedingungen p0 : 1,013 bar = 1,013·105 Pa T0 : 273 K

Beispiel: Ein Gef¨aß ist bei 0 ◦ C mit 12 l N2 gef¨ullt. Welches Volumen nimmt das Stickstoffgas bei 25 ◦ C und 1,5 bar ein? V = [V0 · p0 · T ]/[T0 · p] V = [12 l · 1,013 bar · 298 K]/[273 K · 1,5 bar] = 8,85 l Das Stickstoffgas nimmt bei 25 ◦ C und 1,5 bar ein Volumen von 8,85 l ein.

122

9 St¨ochiometrie

9.4

Reaktionen in L¨osung

9.4.1

¨ Stoffmengenkonzentration und Aquivalentkonzentration

Chemische Reaktionen werden h¨aufig in L¨osung durchgef¨uhrt. Die Stoffmengenkonzentration eines Stoffs c, mit der Einheit mol/l ergibt sich aus: c = n/V Die Konzentration berechnet sich aus der Stoffmenge n pro Menge L¨osungsmittel. H¨aufig wird die Bezeichnung Molarit¨at verwendet. Eine L¨osung, die ein Mol eines Stoffes in einem Liter gel¨ost enth¨alt, bezeichnet man als 1 molare L¨osung (Abk¨urzung: 1 m).

Abbildung 9.1: Eichgef¨aß

Um die Konzentration 1 mol/l herzustellen, l¨ost man die berechnete Menge eines Stoffs in einem Gef¨aß, das mit einer 1 l-Eichmarke versehen ist und f¨ullt solange mit L¨osungsmittel auf, bis die Eichmarke erreicht ist. Man beachte, dass die gew¨unschte Konzentration nicht exakt erhalten wird, wenn man die abgewogene Stoffmenge mit 1 l L¨osungsmittel mischt! Beispiel: Eine 0,2 molare w¨assrige NaCl-L¨osung enth¨alt 0,2 mol NaCl pro Liter. Das entspricht einer Einwaage von 11,7 g NaCl. Beispiel: Eine 0,5 molare w¨assrige Ca(OH)2 -L¨osung enth¨alt 0,5 mol Ca(OH)2 . In einer 0,5 molaren Ca(OH)2 -L¨osung befinden sich dann 0,5 mol Ca2+ -Ionen und 1 mol OH− -Ionen. Beispiel: Wieviel g NaOH ben¨otigt man, um 0,25 l einer Natronlauge mit c = 0,4 mol/l herzustellen? Mit n = m/M und n = c ·V gilt: m = c ·V · M

9.4 Reaktionen in L¨osung

123

Mit der Molmasse M(NaOH) = 40 g/mol gilt: m = 0,4 mol l−1 · 0,25 l · 40 g mol−1 = 4 g. Zur Herstellung von 0,25 l einer 0,4 molaren Natronlauge m¨ussen 4 g NaOH abgewogen werden. Die Neutralisationsreaktion (s. Kap. 11.3.2) einer 1 m HCl-L¨osung mit einer 1 m NaOH-L¨osung erfolgt nach der Reaktionsgleichung: HCl + NaOH → NaCl + H2 O Die beiden L¨osungen sind von gleicher Molarit¨at (oder gleicher molarer Konzentration). Verwendet man statt Salzs¨aure Schwefels¨aure, dann ben¨otigt man f¨ur die Umsetzung eines Mols NaOH nur 0,5 mol Schwefels¨aure; d.h. eine 1 m HCl-L¨osung ist einer 0,5 m H2 SO4 -L¨osung a¨ quivalent (lateinisch aequus=gleich und valere=gelten). H2 SO4 + 2NaOH → Na2 SO4 + H2 O Man benutzt hier zweckm¨aßiger Weise nicht gleich molare, sondern a¨ quivalente L¨osungen. ¨ Dieses Konzentrationsmaß wird Normalit¨at oder Aquivalentkonzentration (Abk¨urzung: 1 n) genannt. Eine 0,5 molare Schwefels¨aure ist dann 1 normal. Wichtigstes Kriterium f¨ur die Normalit¨at einer L¨osung ist bei S¨auren die Ladung des S¨aureanions und bei Hydroxiden die Ladung des Kations. Beispiel: Ein Liter einer 1 n Ca(OH)2 -L¨osung bzw. ein Liter einer 1 n Na2 SO4 -L¨osung enthalten demnach 0,5 mol Ca(OH)2 (= 37 g) bzw. 0,5 mol Na2 SO4 (= 71 g). Die L¨osungen sind 0,5 molar.

9.4.2

Verd¨unnte L¨osungen

Um eine verd¨unnte L¨osung der Konzentration c2 aus einer konzentrierten L¨osung der Konzentration c1 herzustellen, wendet man folgende Beziehung an: n = c1 ·V1 = c2 ·V2 ¨ Ausgangspunkt der Uberlegungen ist eine bestimmte Stoffmenge n. Gel¨ost im Volumen V1 ergibt sich daraus die Konzentration c1 . Verd¨unnt man die L¨osung zum Volumen V2 , so resultiert die Konzentration c2 . Die Stoffmenge n bleibt immer konstant. Beispiel: Welches Volumen einer w¨assrigen L¨osung mit c1 (NaCl) = 1 mol/l wird ben¨otigt, um 0,5 l einer w¨assrigen L¨osung mit c2 (NaCl) = 0,4 mol/l zu erhalten? Es gilt: V1 = c2 ·V2 /c1 = 0,4 mol l−1 · 0,5 l/1 mol l−1 = 0,2 l Um 0,5 l einer w¨assrigen L¨osung der Konzentration 0,4 mol/l zu erhalten, m¨ussen von der konzentrierten L¨osung (c1 ) 200 ml entnommen und mit Wasser auf 500 ml aufgef¨ullt werden.

124

9.5

9 St¨ochiometrie

Chemische Reaktionsgleichungen

Die Reaktionspartner einer chemischen Reaktion werden in einer Reaktionsgleichung wiedergegeben. Beispiel:

H2 + Cl2 → 2HCl

Auf der linken Seite der Reaktionsgleichung werden die Edukte (hier H2 und Cl2 ) und auf der rechten Seite die Produkte (hier HCl) aufgef¨uhrt. Edukte sind die Stoffe, die man miteinander zur Reaktion bringt, und Produkte sind die Stoffe, die bei dieser Reaktion gebildet werden. Linke und rechte Seite werden u¨ ber einen Reaktionspfeil miteinander verkn¨upft. Der Reaktionspfeil gibt dabei die Richtung der Reaktion an. In diesem Beispiel verl¨auft die Reaktion von links nach rechts. Der Reaktionsgleichung l¨asst sich nicht nur entnehmen, welche Stoffe an der Reaktion teilnehmen, sondern auch, welche Stoffmengen umgesetzt werden. Im obigen Beispiel reagiert je ein mol Wasserstoff und Chlor zu zwei mol Chlorwasserstoff. Die Zahlen, die vor dem jeweiligen Edukt bzw. Produkt stehen, bezeichnet man als st¨ochiometrische Koeffizienten. Sie sind immer ganzzahlig (Nur ganzzahlige Verh¨altnisse sind chemisch sinnvoll). Die Reaktionsgleichung muss das Gesetz von der Erhaltung der Masse erf¨ullen; d.h. auf der rechten und der linken Seite der Reaktionsgleichung muss die gleiche Anzahl an Atomen auftreten. Das Gesetz von der Erhaltung der Masse (aufgestellt von A. Lavoisier) ist f¨ur chemische Reaktionsabl¨aufe von grundlegender Bedeutung. Es besagt, dass im Verlauf einer chemischen Reaktion kein Verlust oder Gewinn von Masse zu beobachten ist. Die Gesamtmasse der eingesetzten Edukte entspricht der Gesamtmasse der gebildeten Reaktionsprodukte. ¨ Der nach A. Einstein (Aquivalenz von Masse und Energie E = m·c2 , s. Kap. 4) auftretende Masseverlust durch freiwerdende Energie ist so klein, dass man ihn vernachl¨assigen kann. Um Massenberechnungen durchf¨uhren zu k¨onnen, muss die Reaktionsgleichung vollst¨andig sein, einschließlich der st¨ochiometrischen Koeffizienten. In vielen F¨allen lassen sich die Koeffizienten durch einfaches ,,Probieren“ ermitteln. Erfahrungsgem¨aß beginnt man mit einem Element, das auf der linken und rechten Seite nur jeweils einmal auftritt. Elemente, die auf beiden Seiten mehrmals auftreten, behandelt man zuletzt. Typische Beispiele f¨ur letzteres sind Sauerstoff und Wasserstoff. Beispiel: Wasserdampf wird u¨ ber erhitztes Eisen geleitet. Als Reaktionsprodukte erh¨alt man dabei Eisenoxid mit der Formel Fe3 O4 und molekularen Wasserstoff. Fe + H2 O → Fe3 O4 + H2 Nachdem Edukte und Produkte ermittelt wurden, versucht man f¨ur einen Ausgleich der Massen auf beiden Seiten zu sorgen. Auf der rechten Seite treten drei Eisenatome auf. Also erg¨anzt man bei dem Eisenatom auf der linken Seite den st¨ochiometrischen Koeffizienten drei. 3Fe + H2 O → Fe3 O4 + H2 Die Massenbilanz ist nun hinsichtlich der Eisen- und Wasserstoffatome ausgeglichen. Lediglich die St¨ochiometrie bez¨uglich der Sauerstoffatome ist noch nicht korrekt. Da auf der rechten Seite

9.5 Chemische Reaktionsgleichungen

125

vier Sauerstoffatome auftreten, wird dem Wassermolek¨ul der st¨ochiometrische Koeffizient vier vorangestellt. 3Fe + 4H2 O → Fe3 O4 + H2 Da aus vier Wassermolek¨ulen auf der linken Seite, vier H2 -Molek¨ule als Produkt erhalten werden, muss dem Wasserstoff auf der rechten Seite nur noch der st¨ochiometrische Koeffizient vier zugeordnet werden. Die vollst¨andige Reaktionsgleichung lautet dann: 3Fe + 4H2 O− > Fe3 O4 + 4H2 Beispiel: Unter der Einwirkung von Chlorwasserstoff auf metallisches Aluminium wird Aluminiumchlorid und molekularer Wasserstoff gebildet. Al + HCl → AlCl3 + H2 Die Anzahl der Aluminiumatome ist auf beiden Seiten gleich. Gleicht man die Zahl der Chloratome aus, so erh¨alt man folgende Gleichung: Al + 3HCl → AlCl3 + H2 Jetzt muss die Gleichung nur noch bez¨uglich der Anzahl der Wasserstoffatome vervollst¨andigt werden. Drei Wasserstoffatomen auf der linken Seite m¨ussen 3/2 H2 -Molek¨ule auf der rechten Seite zugeordnet werden. Al + 3HCl → AlCl3 + 3/2 H2 Da st¨ochiometrische Koeffizienten nur als ganze Zahlen auftreten sollen (es reagieren keine halben Molek¨ule!), multipliziert man obige Gleichung mit dem Faktor zwei und erh¨alt auf diese Weise die vollst¨andige Reaktionsgleichung: 2Al + 6HCl → 2AlCl3 + 3H2 Beispiel: Bei der vollst¨andigen Verbrennung von Ethan (C2 H6 ) entstehen als Reaktionsprodukte nur Kohlendioxid und Wasserdampf. C2 H6 + O2 → CO2 + H2 O Der Massenausgleich f¨ur die Kohlenstoff- und Wasserstoffatome liefert folgende Beziehung: C2 H6 + O2 → 2CO2 + 3H2O In dieser Gleichung treten auf der rechten Seite sieben Sauerstoffatome auf. Also m¨ussten rein rechnerisch auf der linken Seite 7/2 O2 -Molek¨ule reagieren. Nach Multiplikation mit dem Faktor zwei resultiert die folgende Reaktionsgleichung: 2C2 H6 + 7O2 → 4CO2 + 6H2O

126

9.6

9 St¨ochiometrie

St¨ochiometrische Massenberechnungen

Um die Produktausbeute einer chemischen Umsetzung oder die Menge der einzusetzenden Ausgangsstoffe berechnen zu k¨onnen, muss als erstes die Reaktionsgleichung vervollst¨andigt werden. Erst dann lassen sich st¨ochiometrische Massenberechnungen durchf¨uhren. An einigen Beispielen soll das Verfahren erkl¨art werden. Beispiel: Elementares Chlor l¨asst sich durch die Einwirkung von Chlorwasserstoff auf MnO2 (Braunstein) darstellen. Als weitere Produkte erh¨alt man Mangan-II-chlorid (MnCl2 ) und Wasser. MnO2 + HCl → MnCl2 + Cl2 + H2 O Durch ,,Probieren“ erh¨alt man die vollst¨andige Reaktionsgleichung: MnO2 + 4HCl → MnCl2 + Cl2 + 2H2O Wieviel g HCl ben¨otigt man zur Durchf¨uhrung der Reaktion, wenn nur 40 g Braunstein zur Verf¨ugung stehen, und wieviel g Chlor lassen sich dabei gewinnen? Der Reaktionsgleichung l¨asst sich entnehmen, dass 1 mol MnO2 mit 4 mol HCl reagiert und man dabei 1 mol Cl2 produzieren kann. Die Molmassen betragen f¨ur MnO2 = 86,94 g/mol, HCl = 36,5 g/mol und Cl2 = 71 g/mol. Wenn 1 mol MnO2 (= 86,94 g) mit 4 mol HCl (= 4 · 36,5 g = 146 g) umgesetzt wird, dann l¨asst sich die Menge x an HCl, die zur Reaktion von 40 g MnO2 gebraucht wird, nach folgendem Ansatz berechnen: 40 g MnO2 /86,94 g MnO2 = x g HCl/146 g HCl x = 67,17 g Zur vollst¨andigen Umsetzung von 40 g MnO2 ben¨otigt man 67,17 g HCl. In einer analog durchzuf¨uhrenden Weise l¨asst sich die dabei entstehende Chlormenge berechnen. 40 g MnO2 /86,94 g MnO2 = x g Cl2 /71 g Cl2 x = 32,7 g Die chemische Umsetzung von 40 g MnO2 mit 67,17 g HCl liefert 32,7 g Cl2 . Beispiel: Bei der Verbrennung von Propen (C3 H6 ) werden Kohlendioxid und Wasserdampf gebildet. Wieviel g O2 sind erforderlich um 80 l CO2 unter Normalbedingungen zu produzieren? Die vollst¨andige Reaktionsgleichung lautet: 2C3 H6 + 9O2 → 6CO2 + 6H2O Das Molvolumen idealer Gase betr¨agt 22,4 l/mol. 80 l CO2 entsprechen dann unter Normalbedingungen 3,57 mol CO2 .

9.6 St¨ochiometrische Massenberechnungen

127

Wir machen folgenden Ansatz: 3,57 mol CO2 /6 mol CO2 = x/9 mol O2 x = 5,36 mol O2 Das Molekulargewicht von O2 betr¨agt 32 g/mol. 5,36 mol O2 entsprechen dann 171,4 g O2 . Zur Produktion von 80 l CO2 unter Normalbedingungen sind 171,4 g O2 erforderlich.

¨ Ubungsaufgaben zu 9.1 1. Berechnen Sie das Molekulargewicht von Na2 S2 O3 und HClO4 . 2. F¨ur die Zusammensetzung einer Substanz ergibt die chemische Analyse ein Molzahlverh¨altnis von C:H:O = 1:3:1. Das Molekulargewicht betr¨agt 62 g/mol. Bestimmen Sie die Summenformel der Substanz. 3. Wieviel % Aluminium sind in Aluminiumoxid der Formel Al2 O3 enthalten? 4. Welche der Substanzen NaCl, HClO oder HClO3 enth¨alt den h¨ochsten Chloranteil?

zu 9.2 1. Bei einer quantitativen Analyse wurden 32 g Bariumchromat (BaCrO4 ) gefunden. Berechnen Sie die Stoffmenge. 2. Wieviel Mol sind in 90 g Wasserstoff (H2 ), 23 g schwefliger S¨aure (H2 SO3 ) und 112 g Methan (CH4 ) enthalten? 3. Wieviel Mol Sauerstoff ben¨otigt man, um 45 g SO2 zu synthetisieren? 4. Geben Sie an, wieviele Molek¨ule in 24 g Schwefels¨aure (H2 SO4 ) und 82 g Wasser (H2 O) enthalten sind.

zu 9.3 1. Zersetzt man eine organische Verbindung bei einer Temperatur von 68 ◦ C und einem Druck von 1,5 bar werden 17 l eines Gases aufgefangen. Welches Volumen nimmt das Gas unter Normalbedingungen ein? 2. Welcher Druck herrscht bei einer Temperatur von 60 ◦ C in einem 2 l-Reaktionsgef¨aß, wenn sich 4 g gasf¨ormiger Diethylether (C4 H10 O) darin befinden?

128

9 St¨ochiometrie

3. Wieviel Mol Stickstoff sind in 4 l bei 20 ◦ C und 0,9 bar enthalten? 4. Wieviel l Chlor unter Normalbedingungen sind notwendig, um 1 mol SO2 Cl gem¨aß folgender Reaktionsgleichung zu erhalten? 2SO2 + Cl2 → 2SO2 Cl

zu 9.4 1. Welche Stoffmengenkonzentration (Molarit¨at) besitzt eine L¨osung von 8 g NaOH in 350 ml Wasser? 2. Wieviel Mol OH− -Ionen werden ben¨otigt, um 0,45 l einer 0,2 molaren, w¨assrigen Bariumhydroxidl¨osung (Ba(OH)2 ) herzustellen? 3. Wieviel Prozent Schwefels¨aure (H2 SO4 ) sind in einer L¨osung von 20 g SO3 in 200 g Wasser enthalten? SO3 + H2 O → H2 SO4 4. Wieviel g Substanz muss man einwiegen, um 0,8 l einer 2,3 molaren Calciumhydroxidl¨osung (Ca(OH)2 ) und 0,3 l einer 2,5 molaren Schwefels¨aurel¨osung (H2 SO4 ) herzustellen? 5. Welche Molarit¨at, und welche Normalit¨at hat eine L¨osung von 2,12 g CaSO4 in 1 l Wasser? 6. Wieviel l einer Salzs¨aure der Konzentration c(HCl) = 1,5 mol/l wird ben¨otigt, um durch Verd¨unnung 0,4 l einer Salzs¨aure der Konzentration c(HCl) = 0,6 mol/l zu erhalten?

zu 9.5 1. Ermitteln Sie die fehlenden st¨ochiometrischen Koeffizienten. I2 O5 + CO → I2 + CO2 Cl2 + KOH → KCl + KClO + H2 O CH4 + H2O → CO + H2 2. Vervollst¨andigen Sie die folgenden Reaktionsgleichungen: Ga + HCl → GaCl3 + H2 MnO2 + KOH + O2 → K2 MnO4 + H2O FeS2 + O2 → Fe2 O3 + SO2 3. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung f¨ur die vollst¨andige Verbrennung von Propan (C3 H8 ).

9.6 St¨ochiometrische Massenberechnungen

129

zu 9.6 1. Wieviel g CO ben¨otigt man, zur Reduktion von 800 g Eisenoxid? Fe2 O3 + 3CO → 2Fe + 3CO2 2. Wieviel g Schwefelkohlenstoff (CS2 ) muss man einsetzen, um 16 g Schwefelwasserstoff (H2 S) zu produzieren? CS2 + 2NH3 → NH4 NCS + H2 S 3. Wieviel Mol N2 k¨onnen maximal gebildet werden, wenn 20 g NH3 und 20 g Sauerstoff zur Verf¨ugung stehen? 4NH3 + 3O2 → 2N2 + 6H2O 4. Wieviel l Sauerstoff sind notwendig, um 2,5 g Kohlenstoff bei 23 ◦ C und 1,013 bar vollst¨andig zu verbrennen? C + O2 → CO2

10

Chemisches Gleichgewicht

Das angestrebte Ziel chemischer Produktionsprozesse ist es, m¨oglichst wirtschaftlich, in hoher Ausbeute zu produzieren. Chemische Reaktionen laufen aber nicht immer vollst¨andig von links nach rechts von den Edukten zu den Produkten ab. Wenn im Rahmen eines chemischen Reaktionsablaufs nur geringe Ums¨atze erzielt werden, dann ist in vielen F¨allen das chemische Gleichgewicht daf¨ur verantwortlich. Wir besch¨aftigen uns in diesem Kapitel mit der mathematischen Formulierung des chemischen Gleichgewichts, dem Massenwirkungsgesetz, und der Frage, welche Bedeutung hat ein chemisches Gleichgewicht und gibt es M¨oglichkeiten, Verfahren anzuwenden, die die Produktausbeute erh¨ohen.

10.1

Massenwirkungsgesetz

Am Beispiel der Bildung von Iodwasserstoff soll nun erl¨autert werden, was man unter einem chemischen Gleichgewicht versteht. Die Umsetzung von Wasserstoff mit Iod liefert bei 425 ◦ C als Reaktionsprodukt Iodwasserstoff. H2 + I2 −→ 2HI Zu Beginn der Reaktion mischt man Wasserstoff und Iod in einem Reaktionsgef¨aß. In diesem treffen Wasserstoff- und Iodmolek¨ule aufeinander und stoßen zusammen. Die Bildung von Iodwasserstoff setzt ein (Hinreaktion). Unter Hinreaktion versteht man den Reaktionsablauf, der von links nach rechts von den Edukten zu den Produkten f¨uhrt. Abbildung 10.1 zeigt den Verlauf der Stoffmengen¨anderung f¨ur H2 , I2 und HI. Die Stoffmenge der Edukte sinkt zu Beginn der Umsetzung relativ schnell (hohe Reaktionsgeschwindigkeit) und danach wesentlich langsamer. Am Anfang bildet sich relativ viel des Produkts Iodwasserstoff, w¨ahrend im weiteren Verlauf der Reaktion die Bildungsgeschwindigkeit abnimmt.

Abbildung 10.1: Gleichgewichtsreaktion f¨ur die Bildung und den Zerfall von HI

132

10 Chemisches Gleichgewicht

Ab einer bestimmten Iodwasserstoffkonzentration tritt die Ruckreaktion ¨ ein. Darunter versteht man den Reaktionsverlauf, der von rechts nach links, also von den Produkten wieder zu den Ausgangsstoffen, f¨uhrt. Iodwasserstoff zersetzt sich wieder zu Wasserstoff und Iod. 2HI −→ H2 + I2 Je mehr Iodwasserstoff gebildet wird, umso st¨arker ist die R¨uckreaktion. Im Gleichgewicht a¨ ndern sich die Konzentrationen c(H2 ), c(I2 ) und c(HI) nicht mehr. Sie bleiben konstant. Es sind keine Massenver¨anderungen mehr beobachtbar. H2 + I2  2HI Die Umsetzung von Wasserstoff mit Iod ist reversibel (d.h. umkehrbar). Die Reaktion l¨auft in beiden Richtungen ab. Hinreaktion und R¨uckreaktion lassen sich mit Hilfe eines Doppelpfeils () in einer Reaktionsgleichung beschreiben. Die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion ergibt sich aus der Ver¨anderung der Konzentrationen (c) der Reaktionsteilnehmer in einer definierten Zeit (siehe Kap. 8.3 und Kap. 8.4.3). Die Geschwindigkeit der Hinreaktion vHin ist proportional dem Produkt der Eduktkonzentrationen. Mit der Geschwindigkeitskonstanten kHin als Proportionalit¨atsfaktor gilt: vHin = kHin · c(H2 ) · c(I2 ) F¨ur die Geschwindigkeit der R¨uckreaktion gilt entsprechend: vR¨uck = kR¨uck · c(HI) · c(HI) = kR¨uck · c2 (HI) Ein chemisches Gleichgewicht liegt dann vor, wenn die Geschwindigkeit der Hinreaktion gleich der Geschwindigkeit der R¨uckreaktion ist. Es handelt sich dabei nicht um ein statisches, sondern um ein dynamisches Gleichgewicht. Es wird genau soviel Iodwasserstoff gebildet, wie auch wieder zerf¨allt. F¨ur das chemische Gleichgewicht gilt: vHin = vR¨uck . vHin = kHin · c(H2 ) · c(I2 ) = vR¨uck = kR¨uck · c2 (HI) Fasst man die beiden Geschwindigkeitskonstanten, die f¨ur eine bestimmte Temperatur konstant sind, zu einer Konstanten Kc zusammen, so gilt: Kc = kHin /kR¨uck Die Konstante Kc heißt Gleichgewichtskonstante. Durch die Abh¨angigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von den Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer, l¨asst sich das Gleichgewicht mathematisch in Form des Massenwirkungsgesetzes beschreiben. Den Ausdruck Kc = c2 (HI)/[c(H2 ) · c(I2)] bezeichnet man nach C. M. Guldberg und P. Waage als Massenwirkungsgesetz (Abk¨urzung MWG). Der Name r¨uhrt daher, dass die Reaktionspartner mit ihrer ,,Gleichgewichtsmasse“ (gemeint ist die Konzentration) in die Gleichgewichtskonstante eingehen. Egal von welcher Seite (links oder rechts) man sich dem Gleichgewicht n¨ahert, die beteiligten chemischen Reaktionen laufen so lange ab, bis der Gleichgewichtswert erreicht wird.

10.1 Massenwirkungsgesetz

10.1.1

133

Massenwirkungsgesetz f¨ur homogene Systeme

F¨ur eine allgemeine Gleichgewichtsreaktion aA + bB  cC + dD lautet das MWG: Kc = [cc (C) · cd (D)]/[ca (A) · cb (B)] Bei konstanter Temperatur besitzt der Quotient aus den Produkten der Produkt- und Eduktkonzentrationen im Gleichgewicht einen bestimmten, konstanten Wert. Im MWG treten f¨ur homogene Systeme (alle Reaktionsteilnehmer liegen in einer Phase vor) die Konzentrationen der Produkte im Z¨ahler und die Konzentrationen der Edukte im Nenner auf. Die ganzzahligen st¨ochiometrischen Koeffizienten erscheinen als Exponent. In die Formulierung des Massenwirkungsgesetzes gehen entweder die Stoffmengenkonzentrationen c oder bei Gasen die Partialdr¨ucke p ein. Der Partialdruck eines Gases ist der Druck, der vorliegt, wenn das jeweilige Gas das vorliegende Volumen allein ausf¨ullt. Der Gesamtdruck eines Gasgemisches setzt sich dabei aus den Partialdr¨ucken der einzelnen Gase zusammen. Zur Unterscheidung bezeichnet man die entsprechende Gleichgewichtskonstante als Kp . Das MWG lautet: Kp = [pc (C) · pd (D)]/[pa (A) · pb (B)] F¨ur die Beziehung zwischen Kc und Kp gilt durch Anwendung des idealen Gasgesetzes p ·V = n · R · T und mit p = n/V · R · T = c · R · T gilt: Kp = [cc (C) · cd (D)]/[ca (A) · cb (B)] · (R · T )−a−b+c+d Kp = Kc (R · T )−a−b+c+d = Kp = Kc (R · T )Δn (Δn : Differenz der Molzahlen zwischen Produkt- und Eduktseite R = ideale Gaskonstante, T = Temperatur)

Beispiel: H2 + I2  2HI

mit Δn = 0 gilt Kp = Kc

Kc = c2 (HI)/[c(H2 ) · c(I2 )] = Kp = p2 (HI)/[p(H2 ) · p(I2)]

Beispiel: PCl5  PCl3 + Cl2

mit Δn = +1 gilt Kp = Kc · R · T

Beispiel: CO + Cl2  CO2 Cl2

mit Δn = −1 gilt Kp = Kc /R · T

134

10 Chemisches Gleichgewicht

Bedingt durch die Definition der Gleichgewichtskonstanten Kc und Kp als der Verh¨altnis der Stoffmengenkonzentrationen bzw. der Partialdr¨ucke der Reaktionspartner, kann die Einheit von Kc und Kp variieren. ¨ ¨ Die Gleichgewichtskonstante ist abh¨angig von der Temperatur. Uber die Anderung freie Standard-Reaktionsenthalpie ΔG◦ (s. Kap. 7.4) l¨asst sich die Gleichgewichtskonstante nach folgender Beziehung berechnen: ◦ ]/[R·T ]

Kc = e[−ΔG

Viele Reaktionen werden als Gleichgewichte formuliert, obwohl vorwiegend Edukte oder Produkte vorliegen. Man sagt, das Gleichgewicht liegt auf einer bestimmten Seite. Die Gr¨oße der Gleichgewichtskonstanten gibt Auskunft dar¨uber, auf welcher Seite das Gleichgewicht liegt. F¨ur K  1 gilt: Das Gleichgewicht liegt auf der rechten Seite. Die Reaktion l¨auft nahezu vollst¨andig von links nach rechts ab. Beispiel: CO + Cl2  COCl2 F¨ur die Bildung von COCl2 (Phosgen) aus Kohlenmonoxid und Chlor wurde bei 100 ◦ C die Gleichgewichtskonstante Kc ermittelt: Kc = c(COCl2 )/[c(CO) · c(Cl2 )] = 4, 57 · 109 l/mol Die Gleichgewichtskonstante ist sehr groß. Das ist gleichbedeutend mit einem auf der rechten Seite (Produktseite) liegenden Gleichgewicht; d.h. es wird vorwiegend Phosgen gebildet. Betrachtet man die Formulierung des Massenwirkungsgesetzes rein mathematisch, so l¨asst sich ein großer Kc -Wert so deuten, dass der Z¨ahler (und damit die Produktkonzentration) groß, w¨ahrend der Nenner (und damit die Eduktkonzentration) klein wird. Geringe Eduktkonzentrationen und hohe Produktkonzentration sind gleichbedeutend mit einem bevorzugtem Ablauf der Reaktion von links nach rechts. F¨ur K  1 gilt: Die Reaktion l¨auft bevorzugt von rechts nach links ab. Das Gleichgewicht liegt auf der linken Seite. Beispiel: N2 + O2  2NO Bei einer Temperatur von 1700 ◦ C findet man die relativ kleine Gleichgewichtskonstante Kc = c2 (NO)/[c(O2 ) · c(N2 )] = 3, 52 · 10−4. In diesem Fall liegt das Gleichgewicht auf der linken Seite; d.h. es liegt vorwiegend ein Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff vor. Stickstoffmonoxid wird nur in sehr geringem Maße gebildet.

10.1 Massenwirkungsgesetz

10.1.2

135

Massenwirkungsgesetz f¨ur heterogene Systeme

Die bisherigen Betrachtungen zum Massenwirkungsgesetz haben sich auf Reaktionen bezogen, die in homogener Phase ablaufen; d.h. alle Reaktionspartner liegen in einer Phase vor. In heterogenen Gleichgewichten (Beispiel: L¨osung mit Bodensatz) liegen die Reaktionspartner in verschiedenen Phasen vor. Wenn Druck und Temperatur konstant sind, k¨onnen die Konzentrationen von Feststoffen und Fl¨ussigkeiten als konstant betrachtet werden. Diese Konzentrationen gehen in die Gleichgewichtskonstante ein. Beispiel: 2Pb3 O4 (fest)  6PbO(f) + O2(g) Das Massenwirkungsgesetz f¨ur ein homogenes System mit der Gleichgewichtskonstanten Kp w¨urde lauten: Kp = [p6 (PbO) · p(O2 )]/p2 (Pb3 O4 ) Der Dampfdruck der festen Reaktionsteilnehmer PbO und Pb3 O4 wird als a¨ ußerst niedrig und konstant eingestuft. F¨ur das hier vorliegende heterogene System lautet das MWG: [K p · p2 (Pb3 O4 )]/p6 (PbO) = Kp = p(O2 ) Bei einer konstanten Temperatur stellt sich im Gleichgewichtszustand ein ganz konkreter Druck des Sauerstoffs ein. Das L¨oslichkeitsprodukt Die wichtigste Anwendung des MWG f¨ur heterogene Phasen ist das L¨oslichkeitsprodukt. Wird eine schwerl¨osliche Substanz in ein L¨osungsmittel gegeben, so l¨ost sich bei einer konstanten Temperatur eine bestimmte Menge der Substanz. Sobald die L¨oslichkeitsgrenze u¨ berschritten wird, scheidet sich der restliche Anteil als Festk¨orper auf dem Boden des Gef¨aßes ab. Die Konzentration der gel¨osten Teilchen in der L¨osung a¨ ndert sich nicht mehr. Die L¨osung nimmt keine Teilchen mehr auf. Man spricht dann von einer ges¨attigten L¨osung. Beispiel: AgCl(f)  Ag+ + Cl− Gibt man Silberchlorid in Wasser, so geht ein geringer Teil des Silberchlorids als Ag+ und Cl− in L¨osung. Zwischen dem AgCl-Bodenk¨orper und den gel¨osten Ionen stellt sich ein Gleichgewicht ein. Die Geschwindigkeiten f¨ur das Aufl¨osen und Wiederausfallen der Substanz sind dann gleich groß. Wendet man das MWG an, so erh¨alt man aus: Kc = [c(Ag+ ) · c(Cl− )]/c(AgCl) folgende Beziehung f¨ur das heterogene System: Kc · c(AgCl) = c(Ag+ ) · c(Cl− ) = L(AgCl)

136

10 Chemisches Gleichgewicht

Die Konzentration an undissoziertem Silberchlorid wird als konstant angesehen und mit in die Gleichgewichtskonstante eingerechnet. Diese Gleichgewichtskonstante bezeichnet man als das L¨oslichkeitsprodukt L. L gibt f¨ur eine bestimmte Temperatur den Maximalwert der L¨oslichkeit an. Mit c(Ag+ ) = c(Cl− ) erh¨alt man die Konzentrationen c(Ag+ ) und c(Cl− ) u¨ ber folgende Beziehung: c(Ag+ ) = c(Cl− ) = L(AgCl) . Berechnung des L¨oslichkeitsprodukts: Bei 25 ◦ C l¨osen sich 1,88 · 10−3 g AgCl in einem Liter Wasser. 1,88 · 10−3 g AgCl entsprechen 1,31 · 10−5 mol AgCl bzw. Ag+ -Ionen pro Liter. (M(AgCl) = 143 g/mol) L(AgCl) = c(Ag+ ) · c(Cl− ) und mit c(Ag+ ) = c(Cl− ) gilt: L(AgCl) = c2 (Ag+ ) = (1,31 · 10−5 mol/l)2 = 1,73 · 10−10 mol2 /l2 Bei 25 ◦ C betr¨agt das L¨oslichkeitsprodukt von Silberchlorid 1,73 · 10−10 mol2 /l2 . Die L¨oslichkeitsprodukte von Salzen mit anderer St¨ochiometrie werden in analoger Weise berechnet. Beispiel: BaF2  Ba2+ + 2F−

L(BaF2 ) = c(Ba2+ ) · c2 (F− )

Tabelle 10.1: L¨oslichkeitsprodukte einiger schwerl¨oslicher Salze bei 25 ◦ C Salz

L (mol2 /l2 )

Salz

L (mol2 /l2 )

BaCO3 BaSO4 AgCl

8 · 10−9 1,1 · 10−10 1,73 · 10−10

AgBr PbS CuS

7,7 · 10−13 1,0 · 10−29 4,0 · 10−38

Abbildung 10.2: Schematische Darstellung einer ges¨attigten AgCl-L¨osung

10.2 Prinzip vom kleinsten Zwang

137

Schwerl¨osliche Salze werden h¨aufig f¨ur F¨allungsreaktionen zur qualitativen bzw. quantitativen Bestimmung bestimmter Ionen verwendet (s. S. 142). Eine praktische Anwendung des L¨oslichkeitsproduktes finden wir beim Auftreten von Kesselstein (CaCO3 ) in Heizkesseln, Tauchsiedern etc. Wenn das temperaturabh¨angige L¨oslichkeitsprodukt u¨ berschritten wird, kommt es zur Bildung eines schwerl¨oslichen Niederschlags aus CaCO3 .

10.2

Prinzip vom kleinsten Zwang

Ob eine chemische Reaktion abl¨auft und welcher Umsatz dabei erzielt wird, h¨angt haupts¨achlich von der Temperatur, dem Druck und der Konzentration der Reaktionsteilnehmer ab. Verl¨auft eine Reaktion nur unvollst¨andig, dann ist nicht nur die Produktausbeute schlecht, sondern h¨aufig ist das Produkt auch noch mit nicht umgesetzten Edukten verunreinigt. Derart verunreinigte Produkte m¨ussen dann zus¨atzlichen, aufwendigen Reinigungsverfahren unterworfen werden. ¨ Die Entsorgung der Abfallprodukte stellt dabei ein weiteres Problem dar. Okonomische und o¨ kologische Aspekte k¨onnen ein Verfahren daher leicht zu aufwendig und damit unwirtschaftlich werden lassen. Beispiel: Die unvollst¨andige Verbrennung eines Treibstoffs stellt eine Umweltbelastung durch unverbrannte Kohlenwasserstoffe dar. Durch die Anwendung des Prinzips vom kleinsten Zwang, das von H. Le Chatelier aufgestellt wurde, wird es erm¨oglicht, eine Steigerung der Produktausbeute in einem chemischen Gleichgewicht zu erreichen. Das Prinzip von Le Chatelier besagt, dass wenn auf ein Gleichgewicht ein a¨ ußerer Zwang einwirkt, das Gleichgewicht versucht diesem Zwang auszuweichen bzw. entge¨ ¨ genzuwirken. Außere Zw¨ange, die auf ein Gleichgewicht einwirken k¨onnen, sind Anderungen der Konzentrations, der Temperatur und des Drucks.

10.2.1

Konzentrations¨anderung

Durch die Ver¨anderung der Edukt- oder Produktkonzentration l¨asst sich die Produktausbeute in einem chemischen Gleichgewicht beeinflussen. Verringert man die Konzentration eines Edukts oder erh¨oht die Konzentration eines Produkts, dann wird die Produktausbeute geringer. Durch die Erh¨ohung der Konzentration eines Edukts oder Verringerung der Konzentration eines Produkts, l¨asst sich die Produktausbeute erh¨ohen. Warum das so ist, soll im folgenden Abschnitt n¨aher erl¨autert werden. Erh¨ohung der Eduktkonzentration Die Methode der Eduktkonzentrationserh¨ohung bietet sich besonders an, wenn die Edukte in ausreichender Menge zur Verf¨ugung stehen. Handelt es sich um aufwendig herzustellende oder nur in geringer Menge zur Verf¨ugung stehende oder sehr teure Ausgangsstoffe, sollten andere Verfahren Anwendung finden.

138

10 Chemisches Gleichgewicht

Beispiel: H2 + I2  2HI mit Kc = c2 (HI)/[c(H2 ) · c(I2 )] Wird f¨ur dieses Gleichgewicht ein a¨ ußerer Zwang ausge¨ubt, indem die Wasserstoff- oder Iodkonzentration erh¨oht wird, so versucht das System diesem Zwang auszuweichen. Das geschieht, indem mehr von den Edukten verbraucht und damit mehr Produkt gebildet wird. Mit Hilfe des Massenwirkungsgesetzes kann dies wie folgt begr¨undet werden: Eine h¨ohere Konzentration an einem Edukt ist gleichbedeutend mit einem gr¨oßeren Zahlenwert f¨ur den Nenner des MWG. Da die Gleichgewichtskonstante unver¨andert bleibt, muss sich auch der Z¨ahler vergr¨oßern. Ein gr¨oßerer Z¨ahler bedeutet auch gleichzeitig eine h¨ohere Produktkonzentration, d.h. die Iodwasserstoffausbeute wird gr¨oßer. Erniedrigung der Produktkonzentration F¨ur manche Reaktionstypen ist die Entfernung eines Produkts aus dem Gleichgewicht eine gute Alternative, um eine h¨ohere Produktmenge zu erhalten. a) Ein Reaktionsprodukt l¨asst sich, bedingt durch einen niedrigen Siedepunkt, leicht aus dem Reaktionsgemisch abdestillieren. Beispiel: CH3 CO2 H + ROH  CH3 CO2 R + H2 O Bei der Veresterung von Ethans¨aure (= Essigs¨aure, CH3 CO2 H) mit einem Alkohol (ROH)1 werden als Reaktionsprodukte Ethans¨aureester und Wasser gebildet. Durch Abdestillieren des gebildeten Reaktionswassers l¨asst sich die Esterausbeute erheblich steigern. Die Anwendung des MWG ergibt: K = [c(CH3 CO2 R) · c(H2 O)]/[c(CH3 CO2 H) · c(ROH)] Durch das Entfernen des Reaktionsprodukts Wasser wird die Wasserkonzentration im Z¨ahler des MWG verkleinert. Das Gleichgewicht reagiert auf diesen Zwang, indem die Eduktkonzentrationen verkleinert werden. Das wird durch die Bildung von mehr Produkt erreicht. Auf diese Weise l¨asst sich eine Reaktion, die an sich nur zu einem geringen Prozentsatz von links nach rechts abl¨auft, nach und nach zu einem hohen Umsatz steigern. b) Als Reaktionsprodukt bildet sich ein Gas, das leicht abgeleitet werden kann. Das Gleichgewicht wird immer wieder gest¨ort und muss sich daher immer neu einstellen. Die Reaktion wird dann vollst¨andig in Richtung der Produktseite ablaufen. Beispiel: BaCO3  BaO + CO2 Die Umwandlung von Bariumcarbonat in Bariumoxid kann nahezu vollst¨andig ablaufen, wenn das gebildete CO2 entweichen kann. 1 Bei

R handelt es sich um einen beliebigen organischen Molek¨ulrest.

10.2 Prinzip vom kleinsten Zwang

10.2.2

139

Temperatur¨anderung

Chemische Reaktionen k¨onnen extrem schnell (Explosion) oder sehr langsam ablaufen (Rosten von Eisen, Anlaufen eines Silberl¨offels). Auch das chemische Gleichgewicht ben¨otigt jeweils eine charakteristische Zeit um sich einzustellen. Chemische Reaktionen laufen in der Regel in der K¨alte langsamer ab als in der W¨arme. Eine Temperaturerh¨ohung (Zufuhr von W¨arme) bedeutet, dass die Molek¨ule eine st¨arkere W¨armebewegung ausf¨uhren. Die Molek¨ule stoßen h¨aufiger zusammen und eine chemische Reaktion wird wahrscheinlicher (s. Kap. 8). Eine Temperaturerh¨ohung von 10 ◦ C kann die Reaktionsgeschwindigkeit um das 2–3-fache steigern. Auch die Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung l¨asst sich durch eine Erh¨ohung der Temperatur beschleunigen. Man unterscheidet bei chemischen Umsetzungen generell, ob eine Reaktion exotherm (ΔH < 0), d.h. unter Freisetzung von Energie, oder endotherm (ΔH > 0), d.h. unter Verbrauch von Energie, abl¨auft (s. Kap. 7.2). Im folgenden Abschnitt soll erl¨autert werden, in welcher Weise sich eine Temperaturver¨anderung auf exotherme und endotherme Gleichgewichtsreaktionen auswirkt: Exotherme Reaktionen Schwefeltrioxid l¨asst sich bei 827 ◦ C aus Schwefeldioxid und Sauerstoff in einer exothermen Reaktion synthetisieren. 2SO2 + O2  2SO3 (exotherm) Die Hinreaktion (Bildung von Schwefeltrioxid) ist exotherm. Daraus folgt, dass die R¨uckreaktion (Zersetzung von Schwefeltrioxid zu den Edukten Sauerstoff und Schwefeldioxid) endotherm, d.h. unter Energieverbrauch abl¨auft. Wie wirkt sich nun der a¨ ußere Zwang einer Temperaturerh¨ohung auf dieses Gleichgewicht aus? Das System weicht aus, indem die Reaktion bevorzugt abl¨auft, die W¨arme verbraucht. Das ist in diesem Fall die R¨uckreaktion. Es resultiert eine Verschiebung des Gleichgewichts zur linken Seite, d.h. zu den Edukten hin. Schwefeltrioxid zersetzt sich. Im Z¨ahler des MWG wird die Konzentration an Schwefeltrioxid geringer. Als Folge davon nimmt die Gleichgewichtskonstante mit steigender Temperatur ab. Bei Reaktionen, die exotherm ablaufen, wird bei einer erh¨ohten Temperatur die Gleichgewichtseinstellung beschleunigt, da aber gleichzeitig nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges die R¨uckreaktion gef¨ordert wird, muss man in der Praxis in solchen F¨allen eine Temperatur finden, die zu einer gen¨ugend hohen Reaktionsgeschwindigkeit und einer ausreichenden Produktausbeute f¨uhrt. Eine h¨ohere Ausbeute an SO3 l¨asst sich durch eine Erniedrigung der Reaktionstemperatur erreichen. Endotherme Reaktionen Bei der thermischen Dissoziation von molekularem Chlor bei 975 ◦ C handelt es sich um eine endotherme Reaktion. Damit der Zerfall des Chlormolek¨uls in zwei Chloratome abl¨auft, muss Energie zugef¨uhrt werden. Cl2  2Cl (endotherm) Wie wirkt sich der a¨ ußere Zwang einer Temperaturerh¨ohung auf die endotherme Hinreaktion aus? Das System reagiert, indem die Reaktion bevorzugt abl¨auft, die W¨arme verbraucht. Eine

140

10 Chemisches Gleichgewicht

Temperaturerh¨ohung bewirkt eine erh¨ohte Produktbildung. Das Gleichgewicht wird nach rechts verschoben. Eine Temperaturerniedrigung h¨atte eine Verschiebung des Gleichgewichts auf die (linke) Eduktseite zur Folge. Mit steigender Temperaur nimmt die Gr¨oße der Gleichgewichtskonstanten zu.

10.2.3

Druck¨anderung

Reaktionen von Fl¨ussigkeiten und Feststoffen werden durch Druck¨anderungen wenig beeinflusst. Chemische Gleichgewichte in der Gasphase k¨onnen u¨ ber Druck¨anderungen beeinflusst ¨ werden, wenn sich die Gesamtstoffmenge der gasf¨ormigen Reaktionspartner a¨ ndert. Uber das ideale Gasgesetz (p ·V = n · R · T ) besteht eine Beziehung zwischen dem Partialdruck eines Gases und der Stoffmenge n, und damit der Teilchenzahl. Bei gleichem Druck und gleicher Temperatur enthalten gleiche Volumina von Gasen die gleiche Teilchenzahl. Mit einer Erh¨ohung der Teilchenzahl, ist gleichzeitig eine Erh¨ohung des Drucks verbunden. Wenn bei einer chemischen Reaktion eine Stoffmengen¨anderung der gasf¨ormigen Reaktionsteilnehmer auftritt, l¨asst sich das Gleichgewicht durch eine Druck¨anderung verschieben. Ein geeignetes Beispiel um diesen Sachverhalt zu erl¨autern, ist die Umsetzung von Chlorwasserstoff mit Sauerstoff bei 485 ◦ C. Alle Stoffe liegen gasf¨ormig vor.

Beispiel: 4HCl + O2  2Cl2 + 2H2O Bei der Reaktion von Chlorwasserstoff mit Sauerstoff reagieren auf der linken Seite der Reaktionsgleichung 5 Mol Edukte (Chlorwasserstoff und Sauerstoff) zu 4 Mol Produkten (Chlor und Wasser). Auf der linken Seite stellt sich ein h¨oherer Druck ein. Wie wirkt sich nun eine Druckerh¨ohung auf das eingestellte Gleichgewicht aus? Das Gleichgewicht verschiebt sich zur rechten Seite, die einen niedrigeren Druck besitzt. Es wird also die Reaktion bevorzugt, die unter Druckverminderung abl¨auft. Das System weicht der Druckerh¨ohung aus, indem mehr von den Produkten gebildet werden. Eine Erniedrigung des Druckes w¨are mit einer Verschiebung des Gleichgewichts zur Eduktseite verbunden. Das Massenwirkungsgesetz lautet: Kp = [p2 (Cl2 ) · p2 (H2 O)]/[p4 (HCl) · p(O2 )] Wie wirkt sich eine Druck¨anderung aus, wenn sich die Molzahlen bei einer Gasphasenreaktion nicht a¨ ndern? Beispiel: H2 + Cl2  2HCl Chlorwasserstoff l¨asst sich aus Wasserstoff und Chlor synthetisieren. Auf beiden Seiten des Gleichgewichts liegt die gleiche Teilchenzahl und damit der gleiche Druck vor. Die Gleichgewichtslage wird durch eine Ver¨anderung des Drucks nicht beeinflusst.

10.2 Prinzip vom kleinsten Zwang

10.2.4

141

Katalysator

Viele chemischen Reaktionen laufen sehr langsam ab. Als Beispiel sei das Gleichgewicht f¨ur die Synthese von Wasser aufgef¨uhrt.

2H2 + O2  2H2 O

Das Gleichgewicht liegt bei Raumtemperatur auf der rechten Seite. Wasser ist stabil und zerf¨allt nicht in die Ausgangsstoffe Wasserstoff und Sauerstoff. Trotzdem l¨auft die Hinreaktion, in der sich Wasserstoff und Sauerstoff umsetzen, unendlich langsam ab. Eine Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit l¨asst sich durch eine Erh¨ohung der Temperatur oder durch den Einsatz eines Katalysators bewirken. Am Beispiel der Synthese von Ammoniak soll der Einfluss von Druck, Temperatur und Katalysator auf das chemische Gleichgewicht n¨aher betrachtet werden. Die Synthese von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff (Hinreaktion) stellt eine exotherme Reaktion dar.

N2 + 3H2  2NH3 (exotherm)

Eine Erh¨ohung des Drucks f¨ordert die Bildung von Ammoniak. Das Gleichgewicht wird zur rechten Seite verschoben. 4 Mol Ausgangsstoffe werden zu 2 Mol Produkt umgesetzt. Das Gleichgewicht liegt bei 700 ◦ C und einem Druck von 1,013 bar auf der rechten Seite. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist aber extrem gering. Erh¨oht man die Temperatur bei einer exothermen Reaktion, dann weicht das System aus, indem die Reaktion bevorzugt abl¨auft, die W¨arme verbraucht. Eine Temperaturerh¨ohung hat in diesem Fall eine Zersetzung von Ammoniak (R¨uckreaktion) zur Folge. Es resultiert eine Verschiebung des Gleichgewichts zur linken Seite. Bis hierher wurde nur die energetische Seite der Reaktion betrachtet. Kinetische Aspekte m¨ussen zus¨atzlich ber¨ucksichtigt werden. Eine Temperaturerniedrigung erh¨oht nur theoretisch die Ausbeute, weil bei tiefer Temperatur die Reaktionsgeschwindigkeit sehr klein wird. In solchen F¨allen setzt man Katalysatoren (s. Kap. 8.3) ein. Durch die Anwesenheit von Katalysatoren k¨onnen f¨ur bestimmte Reaktionen beschleunigte (oder in seltenen F¨allen verlangsamte) Gleichgewichtseinstellungen erzielt werden. Ein Katalysator verschiebt das Gleichgewicht nicht, er sorgt nur daf¨ur, dass es sich schneller einstellt. Katalysatoren gehen aus der Reaktion unver¨andert hervor und werden nicht verbraucht. Die technische Durchf¨uhrung der Ammoniaksynthese wird heute mit einem Eisenkatalysator nach dem Haber-Bosch-Verfahren bei 500 ◦ C und einem Druck von 200 bar durchgef¨uhrt. Der Eisenkatalysator wirkt erst ab Temperaturen u¨ ber 400 ◦ C.

142

10.2.5

10 Chemisches Gleichgewicht

Anwendungsbeispiele f¨ur das Prinzip des kleinsten Zwanges

Beispiel: NiO(f) + CO(g)

1000 ◦ C

 Ni(f) + CO2(g)

(exotherm)

Es handelt sich hier um ein heterogenes Gleichgewicht. Das MWG lautet: Kc = c(CO2 )/c(CO). Am Beispiel dieses Gleichgewichts, das von links nach rechts exotherm verl¨auft, wollen wir uns u¨ berlegen, wie sich bestimmte a¨ ußere Zw¨ange auswirken: Es sollen folgende Zw¨ange einwirken: a) erniedrigter Druck b) erniedrigte Temperatur c) erh¨ohte Nickeloxidkonzentration d) erniedrigte Kohlenmonoxidkonzentration e) erniedrigte Kohlendioxidkonzentration zu a) Das Gleichgewicht l¨asst sich durch einen ver¨anderten Druck nicht verschieben, da keine Molzahlen¨anderung stattfindet. zu b) Da es sich um eine exotherme Hinreaktion handelt, verschiebt sich das Gleichgewicht bei einer Temperaturerniedrigung nach rechts zur Produktseite. zu c) Die Konzentration an Nickeloxid erscheint nicht im MWG. Der Zusatz von Nickeloxid ruft keine Gleichgewichtsverschiebung hervor. zu d) Die Entfernung des Edukts Kohlenmonoxid verursacht eine Verschiebung des Gleichgewichts nach links. zu e) Die Entfernung des Produkts Kohlendioxid verschiebt das Gleichgewicht nach rechts.

Beispiel: AgCl  Ag+ + Cl− Silberchlorid ist schwerl¨oslich in Wasser. F¨ur das L¨oslichkeitsprodukt (s. Kap. 10.1.2) des Silberchlorids gilt: L(AgCl) = c(Ag+ ) · c(Cl− ). Es besteht ein Gleichgewicht zwischen den sich in L¨osung befindenden Silber- und Chloridionen und dem als Festk¨orper vorliegenden Silberchlorid. Wie lassen sich nun die gel¨osten Silberionen vollst¨andig ausf¨allen? Gibt man zu einer ges¨attigten, w¨assrigen Silberchloridl¨osung eine definierte Menge an Salzs¨aure (w¨assrige HCl) hinzu, so erh¨oht sich die Konzentration an gel¨osten Chloridionen. Das Gleichgewicht wird gest¨ort. Das L¨oslichkeitsprodukt des Silberchlorids wird u¨ berschritten. Da das L¨oslichkeitsprodukt (Produkt aus c(Ag+ ) und c(Cl− )) einen konstanten Wert besitzt, muss sich das Gleichgewicht neu einstellen. Die Konzentration an c(Ag+ ) in L¨osung muss sich verringern. Das ist nur m¨oglich, wenn weiteres Silberchlorid ausf¨allt. Das Gleichgewicht wird nach links verschoben. Auf diese Weise k¨onnen schwerl¨osliche Salze quantitativ ausgef¨allt werden.

10.2 Prinzip vom kleinsten Zwang

143

¨ Ubungsaufgaben zu 10.1 1. Wie lautet das MWG bei Verwendung der Partialdr¨ucke als Konzentrationsmaß f¨ur das Gleichgewicht zwischen NO2 und N2 O4 (2NO2  N2 O4 )? 2. Formulieren Sie das Massenwirkungsgesetz f¨ur das homogene Gleichgewicht 2NO2 Cl(g)  2NO2(g) + Cl2(g) und das heterogene Gleichgewicht 2Ag2 O(f)  4Ag(f) + O2(g) . 3. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Kc und Kp f¨ur die Gleichgewichtsreaktion: 2H2 S + CH4  CS2 + 4H2 4. Die Gleichgewichtskonstante der Iodwasserstoffbildung bei 425 ◦ C hat den Wert 54,5. Im Gleichgewicht findet man die Iodwasserstoffkonzentration c(HI) = 0,8 mol/l. Berechnen Sie die Konzentration an c(H2 ) und c(I2 ).

zu 10.2 1. Wodurch l¨asst sich bei der endotherm ablaufenden Oxidation von Chlorwasserstoff in der Gasphase gem¨aß 4HCl + O2  2Cl2 + H2O eine hohe Produktausbeute erzielen? 2. L¨aßt man konzentrierte Schwefels¨aure bei erh¨ohter Temperatur auf Natriumchlorid einwirken, so findet ein fast vollst¨andiger Umsatz von links nach rechts statt. (H2 SO4 + 2NaCl  2HCl + Na2 SO4 ). Erkl¨aren Sie, warum das so ist! 3. Gel¨oste Sulfationen (SO2− onnen mit einer w¨assrigen Bariumchloridl¨osung (BaCl2 ) 4 ) k¨ quantitativ gef¨allt werden. Begr¨unden Sie, warum es nicht gen¨ugt eine a¨ quivalente Menge an BaCl2 zu verwenden! 4. Bei 25 ◦ C l¨osen sich 2,1 · 10−4 mol Calciumfluorid (CaF2 ) in Wasser. Berechnen Sie das L¨oslichkeitsprodukt! 5. Bestimmen Sie die Konzentration an Hydroxidionen in einer ges¨attigten w¨assrigen Magnesiumhydroxidl¨osung (Mg(OH)2 ). Das L¨oslichkeitsprodukt betr¨agt L(Mg(OH)2 ) = 1,2 · 10−11 mol3 l3 bei 18 ◦ C. 6. Erl¨autern Sie, wie sich eine erh¨ohte Temperatur und ein erniedrigter Druck auf folgendes Gleichgewicht: 2NO + O2  2NO2 (exotherm) auswirken. 7. F¨ur das chemische Gleichgewicht CO2 + H2  CO + H2 O ist Kc = 0, 63 bei 700 ◦ C. Bei einer Temperatur von 900 ◦ C ist Kc = 1, 29. Was l¨asst sich u¨ ber die Abh¨angigkeit des Gleichgewichts von der Temperatur sagen? 8. Was geschieht, wenn man f¨ur das Gleichgewicht 2NO2  N2 O4 den Druck erh¨oht? ¨ 9. Erl¨autern Sie, warum beim Offnen einer Mineralwasserflasche, die im Mineralwasser enthaltene Kohlens¨aure (H2 CO3 ) gem¨aß H2 CO3  CO2 + H2 O zerf¨allt?

11

S¨auren und Basen

In diesem Kapitel befassen wir uns mit der Frage nach den charakteristischen Eigenschaften von S¨auren und Basen. S¨auren und Basen begegnen uns auch im Alltag. Sie wirken a¨ tzend und korrosiv. Fr¨uher machte man von den Substanzen eine Geschmacksprobe. Man definierte alles was sauer schmeckte, wie Essig oder Zitronens¨aure, als S¨aure. Diese sehr unspezifische Zuordnungsmethode sollte durch eine genaue Definition einer S¨aure ersetzt werden. Um aus einer S¨aure ein Salz herzustellen, ben¨otigt man eine Base. Die Base fungiert als Basis zur Salzherstellung. Daher stammt auch die Bezeichnung Base. W¨assrige L¨osungen von Metallhydroxiden f¨uhlen sich seifig an, wie eine Seifenlauge. Man bezeichnet sie daher auch als Lauge. Die im vorangegangenen Abschnitt erworbenen Kenntnisse zum dynamischen chemischen Gleichgewicht werden auf S¨auren und Basen angewendet. Dabei werden wir uns mit folgenden Fragen besch¨aftigen: Was geschieht, wenn man eine S¨aure in Wasser gibt? Was versteht man unter dem pH-Wert? Viele biologische und technische Prozesse ben¨otigen einen konstanten pH-Wert. Wie kann der pH-Wert eingestellt werden? Zun¨achst werden wir uns mit den Besonderheiten bei Reaktionen im w¨assrigen Medium befassen. Hier ist Wasser der st¨andig vorhandene Reaktionspartner. Ionisch aufgebaute Stoffe und Verbindungen, die aus polaren Atombindungen aufgebaut sind, spalten sich durch die Wechselwirkungen mit den Dipolmolek¨ulen des Wassers in Ionen auf. Diesen Vorgang nennt man elektrolytische Dissoziation. Erst in w¨assriger L¨osung werden die Ionen beweglich, so dass eine Leitf¨ahigkeit gemessen werden kann (s. auch Kap. 5.2 und 13.2). Die Dissoziationsgleichgewichte f¨ur Natriumchlorid und Chlorwasserstoff lauten: NaCl  Na+ + Cl−

und HCl  H+ + Cl−

Die Ionen liegen dabei nicht als ,,isolierte“ Teilchen vor, sondern werden von Wassermolek¨ulen umgeben, hydratisiert. Wassermolek¨ule haben auf Grund ihrer polaren Struktur die M¨oglichkeit u¨ ber elekrostatische Anziehungskr¨afte Wechselwirkungen mit diesen Ionen einzugehen. H

H

O

H



H

O … Na+ … O …

H

O

H

H

H Abbildung 11.1: Hydratisierung eines Natriumkations

146

11.1

11 S¨auren und Basen

Autoprotolyse des Wassers – Ionenprodukt

Auch Wassermolek¨ule k¨onnen dissoziieren. Ein Wassermolek¨ul dissoziiert in ein Wasserstoffion (Proton, H+ ) und ein Hydroxidion (OH− ). H2 O

Dissoziation

H+ + OH−



Dieses Gleichgewicht nennt man das Dissoziationsgleichgewicht des Wassers. Die Dissoziation ist wie jedes Gleichgewicht temperaturabh¨angig. Mit steigender Temperatur nimmt der Dissoziationsvorgang zu. Das Dissoziationsgleichgewicht des Wassers liegt bei Raumtemperatur auf der linken Seite. Wasserstoffionen sind in w¨assriger L¨osung nicht existent. Sie reagieren sofort mit einem Wassermolek¨ul. H 2 O + H+  H3 O+

Abbildung 11.2: Bildung eines Oxoniumions

Es bilden sich Oxoniumionen (auch Hydroniumionen genannt). Die drei Wasserstoffatome sind alle gleichwertig (¨aquivalent) und nicht voneinander zu unterscheiden. Das prim¨ar gebildete Oxoniumion wird sofort von weiteren Wassermolek¨ulen umgeben. Dabei treten Wasserstoffbr¨uckenbindungen auf (s. Kap. 5.4.3).

H2O

H2O H

O

H

H O H ++ H H2O

H O

O H

H

H

H2O

H2O

H2O

Abbildung 11.3: Hydratisiertes Oxoniumion

11.1 Autoprotolyse des Wassers – Ionenprodukt

147

Statt des Dissoziationsgleichgewichtes formuliert man die Protolyse (= Protonen¨ubergang) entsprechend der folgenden Gleichung: 2H2 O

Protolyse



H3 O+ + OH−

Dieses Gleichgewicht nennt man auch Autoprotolyse des Wassers.

11.1.1

Ionenprodukt des Wassers

Die Autoprotolyse des Wassers l¨asst sich mit Hilfe des Massenwirkungsgesetzes darstellen: Protolyse Kc = [c(H3 O+ ) · c(OH− )]/c2 (H2 O)

Dissoziation oder Kc = [c(H+ ) · c(OH− )]/c(H2 O)

Die Autoprotolyse des Wassers findet nur zu einem sehr geringem Teil statt. Da das Gleichgewicht praktisch vollst¨andig auf der linken Seite liegt, kann die Konzentration des Wassers als konstant angesehen werden. Sie wird in die Gleichgewichtskonstante eingerechnet. Diese Gleichgewichtskonstante nennt man das Ionenprodukt des Wassers, Kw . Mit Kc = 3,25 · 10−18 (25 ◦ C) gilt: Kc · c2 (H2 O) = c(H3 O+ ) · c(OH− ) = Kw . Die Masse von einem Liter Wasser bei 25 ◦ C betr¨agt 997,04 g. Mit einem Molekulargewicht von 18 g/mol ergibt sich daraus eine Konzentration von 55,36 mol/l. F¨ur das Produkt der Ionenkonzentrationen des Wassers (Ionenprodukt des Wassers) resultiert bei 25 ◦ C ein Wert von 10−14 mol2 /l2 . c(H3 O+ ) · c(OH− ) = 3,25 · 10−18 mol l−1 · (55,36 mol l−1 )2 = 9,9 · 10−15 mol2 /l2 = 10−14 mol2 l2 Da H3 O+ - und OH− -Ionen zu gleichen Teilen gebildet werden, gilt f¨ur das Gleichgewicht bei 25 ◦ C: c(H3 O+ ) = c(OH− ) = (10−14 mol2 l−2 ) = 10−7 mol/l Betr¨agt die Konzentration an H3 O+ - und OH− -Ionen 10−7 mol/l, dann handelt es sich um eine neutrale L¨osung. Wird nun in einer w¨assrigen L¨osung die Konzentration der Wasserstoffionen u¨ ber den Gleichgewichtswert von 10−7 mol/l angehoben, dann bezeichnet man die L¨osung als sauer, dabei sinkt gleichzeitig die Hydroxidionenkonzentration, da das Ionenprodukt immer den konstanten Wert 10−14 mol2 /l2 einnimmt. Senkt man die Wasserstoffionenkonzentration auf einen niedrigeren Wert als 10−7 mol/l, so erh¨alt man eine basische L¨osung. Die Wasserstoffionenkonzentration wird daher als Maß f¨ur den sauren oder basischen Charakter einer w¨assrigen L¨osung gew¨ahlt. Zur vereinfachten Schreibweise wird das MWG h¨aufig mit c(H+ ) formuliert. neutrale L¨osung: c(H+ ) = 10−7 mol/l, c(OH− ) = 10−7 mol/l saure L¨osung: c(H+ ) > 10−7 mol/l, c(OH− ) < 10−7 mol/l basische L¨osung:c(H+) < 10−7 mol/l, c(OH− ) > 10−7 mol/l

148

11.1.2

11 S¨auren und Basen

pH-Wert

Zur vereinfachten Konzentrationsberechnung und um Potenzwerte zu vermeiden, wird der pHWert (pondus Hydrogenii, lat.: Gewicht des Wasserstoffs) als negativer dekadischer Logarithmus des Zahlenwertes der Wasserstoffionenkonzentration definiert. (Da der pH-Wert keine Einheit besitzt, m¨usste man sonst den pH-Wert durch die Einheit mol/l dividieren). pH = − lg c(H+ ) Die Wasserstoffionenkonzentration ergibt sich dann aus: c(H+ ) = 10−pH mol/l. In analoger Weise l¨asst sich der pOH-Wert als − lg c(OH− ) berechnen. Mit der obigen Definition kann das Ionenprodukt des Wassers wie folgt dargestellt werden: pH + pOH = 14 (= pKW = − lg KW ) Die Summe aus pH- und pOH-Wert ergibt immer den Wert 14 (= pKw ). In einer neutralen L¨osung ist folglich der pH = 7. Im sauren Bereich ist der pH kleiner als 7 und im basischen Bereich gr¨oßer als 7. neutrale L¨osung: pH = 7, pOH = 7 saure L¨osung: pH < 7, pOH > 7 basische L¨osung:pH > 7, pOH < 7 Beispiel: Der pH-Wert einer w¨assrigen L¨osung ist 3,0. Wie groß ist die Wasserstoffionen- und Hydroxidionenkonzentration?

pH

= − lg c(H+ ) = 3

dann ist

p(OH) = − lg c(OH− ) = 11 dann ist

c(H+ ) = 10−3 mol/l c(OH− ) = 10−11 mol/l

F¨ur sehr starke (c > 1 mol/l) S¨auren bzw. Basen erh¨alt man negative pH-Werte bzw. pOHWerte.

Tabelle 11.1: Beispielhafte pH-Werte Stoff Wasser Blut Magensaft Zitronensaft Seifenlauge

pH 7 7,4 1–2 2,3 8

11.2 S¨aure- und Baseverhalten

149

Tabelle 11.2: Beispiele f¨ur die Berechnung weiterer pH- und pOH-Werte L¨osung

c(H+ ) [mol/l]

c(OH− ) [mol/l]

pH

pOH

1,0 m HCl 0,1 m HCl H2 O 0,01 m NaOH

100 10−1 10−7 10−12

10−14 10−13 10−7 10−2

0 1 7 12

14 13 7 2

pH-Wert-Messungen werden mit einem pH-Meter durch eine elektrochemische Messung des Potentials (s. Kap. 14.4.1) oder chemisch mit Hilfe von Indikatoren durchgef¨uhrt. Indikatoren (Abk. HInd) sind Farbstoffe, die bei einem bestimmten pH-Wert ihre Farbe a¨ ndern (s. Kap. 11.3.2).

11.2

S¨aure- und Baseverhalten

11.2.1

S¨auren und Basen nach Br¨onsted

Es existieren viele Definitionen f¨ur S¨auren und Basen. Wir besch¨aftigen uns hier mit der Definition von J.N. Br¨onsted, die auch f¨ur nicht w¨assrige L¨osungsmittel G¨ultigkeit besitzt. Eine w¨assrige L¨osung reagiert sauer, wenn die Wasserstoffionenkonzentration gr¨oßer als 10−7 mol/l ist. Eine S¨aure ist eine Substanz, die durch die Abgabe von Protonen die Wasserstoffionenkonzentration erh¨oht. Nach Br¨onsted (1923) bezeichnet man einen Stoff, der Protonen abgibt als S¨aure. Eine S¨aure wirkt als Protonendonator (donator, lat.: Geber). Ein Stoff, der Protonen aufnimmt wird nach Br¨onsted als Base bezeichnet. Eine Base wirkt als Protonenakzeptor (acceptor, lat.: Empf¨anger). S¨auren und Basen, die Protonen abgeben oder aufnehmen k¨onnen, bezeichnet man als Protolyt. Die Abgabe und Aufnahme von Protonen ist in der Regel ein umkehrbarer Vorgang. Eine S¨aure geht durch Abgabe eines Protons in die konjugierte Base u¨ ber. Eine Base geht durch die Aufnahme eines Protons in die konjugierte S¨aure u¨ ber. Man bezeichnet die beiden Stoffe als konjugiertes oder korrespondierendes S¨aure/Base-Paar. Wir betrachten nun am Beispiel der Protolyse von Chlorwasserstoff die Definition von Br¨onsted. In Salzs¨aure (Salzs¨aure = w¨assrige L¨osung von Chlorwasserstoff) liegt folgendes Gleichgewicht vor: S¨aure

Base

Base

S¨aure

HCl + H2 O  Cl− + H3 O+ Auf der linken Seite der Reaktionsgleichung stellt HCl die S¨aure dar. Das Wassermolek¨ul wirkt gegen¨uber dem HCl-Molek¨ul als Base (Protonenakzeptor). Auf der rechten Reaktionsseite wirkt das H3 O+ -Ion als S¨aure und das Chloridion als Base. HCl/Cl− bzw. H3 O+ /H2 O bilden korrespondierende S¨aure/Base-Paare.

150

11 S¨auren und Basen H

H

N

+

H + H

H

Cl

H

N

H

Cl



H

Abbildung 11.4: Bildung eines Ammoniumions

Das S¨aure/Base-Verhalten eines Protolyten kann nie isoliert betrachtet werden, sondern muss immer im Zusammenhang mit einem Reaktionspartner gesehen werden. Protolysen laufen immer dann ab, wenn zwei konjugierte S¨aure/Base-Paare vorliegen, so dass ein Protonentransfer stattfinden kann. Leitet man HCl in Wasser ein, dann wirken die Wassermolek¨ule gegen¨uber der S¨aure HCl als Base. Was geschieht nun, wenn man Ammoniak (NH3 ) in Wasser leitet? Base

S¨aure

S¨aure

Base

− NH3 + H2 O  NH+ 4 + OH

In einer w¨assrigen Ammoniakl¨osung finden wir die konjugierten S¨aure/Base-Paare NH+ 4 /NH3 und H2 O/OH− . Auf der linken Seite der Reaktionsgleichung reagiert das Wassermolek¨ul als S¨aure und das Ammoniakmolek¨ul dient als Protonenakzeptor, also als Base. Dabei bildet sich ein Ammoniumion und ein Hydroxidion. Das freie nichtbindende Elektronenpaar am Stickstoffatom nimmt ein Proton des Wassermolek¨uls auf. Es kommt zur Bildung einer Bindung a¨ hnlich, wie wir sie bereits beim Oxoniumion kennengelernt haben (s. S. 146). Eine Substanz, die wie Wasser je nach Reaktionspartner als S¨aure oder als Base wirken kann, wird als Ampholyt, und das Verhalten als amphoter (griech.: amphi = beide) bezeichnet. Autoprotolysen k¨onnen nur bei amphoteren Stoffen ablaufen.

Beispiele:

S¨aure



1.

H2 SO4

2.

konjugierte S¨aure HSO− 4

konjugierte Base HSO− + H+ 4



Base

+ SO2− 4 +H

HSO− aure H2 SO4 . Im zweiten Fall ist HSO− 4 ist im ersten Fall die konjugierte Base zur S¨ 4 die 2− konjugierte S¨aure zur Base SO4 . Ob ein Stoff als S¨aure oder Base bezeichnet werden kann, h¨angt immer vom Reaktionspartner ab.

11.2 S¨aure- und Baseverhalten

11.2.2

151

S¨aure-Base-Verhalten im Periodensystem

Wir befassen uns nun mit den beiden wichtigsten S¨auretypen: a) Wasserstoffhaltige Verbindungen des Typs Hn E wie HCl und H2 S b) Sauerstoffhaltige S¨auren des Typs Hn EOm wie HClO3 , HClO4 , HNO3 , H2 SO4 und H3 PO4 Die S¨aurest¨arke der Wasserstoffverbindungen nimmt in einer Periode von links nach rechts zu und folgt dem Verlauf der Elektronegativit¨at in einer Periode. NH3 < H2 O < HF So ist Fluorwasserstoff eine st¨arkere S¨aure als Wasser. Fluor als das Element mit der h¨ochsten Elektronegativit¨at zieht die Bindungselektronen sehr viel st¨arker zu sich heran. Dem Fluoratom wird eine negative und dem Wasserstoffatom wird eine positive Partialladung zugeordnet. Die Dissoziation und die Abgabe des Protons wird erleichtert. HF  H+ + F− Wasser ist eine st¨arkere S¨aure als Ammoniak. Wasser verh¨alt sich gegen¨uber HF wie eine Base und gegen¨uber NH3 wie eine S¨aure. HF + H2 O  H3 O+ + F−

− und NH3 + H2 O  NH+ 4 + OH

In einer Gruppe nimmt die S¨aurest¨arke von oben nach unten zu. Der Verlauf der S¨aurest¨arke folgt dem Verlauf der Atomgr¨oßen. HF < HCl < HBr < HI Ein Proton l¨asst sich sehr viel leichter von einem großen Atom mit großer Elektronenh¨ulle abspalten, da das Proton weniger fest gebunden ist. Im Periodensystem nimmt die S¨aurest¨arke f¨ur Oxoverbindungen ebenfalls von links nach rechts entsprechend der Elektronegativit¨at des zentralen Atoms E zu. Betrachten wir die einfachste Verbindung HOE, wobei E entweder ein links im PSE stehendes Natriumatom oder ein rechts im PSE stehendes Chloratom sein soll. NaOH (Natriumhydroxid) ist eine Base und dissoziiert unter Freisetzung eines OH− -Ions. NaOH  Na+ + OH− Eine basische, w¨assrige L¨osung erh¨alt man dann, wenn die Hydroxidionenkonzentration gr¨oßer als 10−7 mol/l wird. Durch die Dissoziation fester Metallhydroxide (Ca(OH)2 , NaOH etc.) in Wasser lassen sich basische L¨osungen erhalten. Man bezeichnet w¨assrige L¨osungen von Metallhydroxiden als Laugen. Natronlauge erh¨alt man durch das L¨osen von festem Natriumhydroxid in Wasser. HClO (hypochlorige S¨aure) ist eine S¨aure, die unter Freisetzung eines Wasserstoffions dissoziiert: HOCl  H+ + OCl−

152

11 S¨auren und Basen

Enth¨alt eine S¨aure mehrere Sauerstoffatome, so entziehen diese dem Zentralatom E in st¨arkerem Ausmaß die Bindungselektronen. Die S¨aurest¨arke steigt mit der Zahl der Sauerstoffatome. Beispiel: HClO < HClO2 < HClO3 < HClO4 In einer Gruppe nimmt die S¨aurest¨arke parallel zum Verlauf der Elektronegativit¨aten von oben nach unten ab. Die Gr¨oße der Atome spielt dabei keine Rolle. Beispiel: H3 PO4 > H3 AsO4

Tabelle 11.3: Sauerstoffhaltige S¨auren Hn EOm HNO3 HNO2 H2 SO3 H2 SO4 H3 PO4 HClO4

11.3

Salpeters¨aure Salpetrige S¨aure Schweflige S¨aure Schwefels¨aure Phosphors¨aure Perchlors¨aure

S¨aure- und Basegleichgewichte

In w¨assriger L¨osung liegt f¨ur eine S¨aure HA und ihre konjugierte Base A− folgendes Gleichgewicht vor: HA + H2 O  H3 O+ + A− S¨auren und Basen k¨onnen in unterschiedlichem Ausmaß dissoziieren bzw. der Protolyse unterliegen. L¨auft die Reaktion nahezu vollst¨andig von links nach rechts ab und liegt damit das Gleichgewicht auf der rechten Seite, dann bezeichnet man den Protolyten als starke S¨aure oder Base. L¨auft die Dissoziation nur zu einem geringem Teil von links nach rechts ab und liegt das Gleichgewicht auf der linken Seite, so liegt eine schwache S¨aure oder Base vor. Starke S¨auren sind beispielsweise Salzs¨aure (HCl), Schwefels¨aure (H2 SO4 ) und Salpeters¨aure (HNO3 ). Starke Basen sind die Hydroxide der Alkali- und Erdalkalimetalle. Essigs¨aure (CH3 CO2 H) und Schwefelwasserstoff (H2 S) sind schwache S¨auren. Ammoniak (NH3 ) und Aluminiumhydroxid (Al(OH)3 ) stellen schwache Basen dar. Elektrolyte (Salze) und Protolyte (S¨auren und Basen) dissoziieren in w¨assriger L¨osung. Dabei u¨ ben die gel¨osten Ionen (Kationen und Anionen) eine gegenseitige Wechselwirkung aus. Das

11.3 S¨aure- und Basegleichgewichte

153

f¨uhrt dazu, das die beobachtbaren physikalischen Eigenschaften wie zum Beispiel die elektrische Leitf¨ahigkeit eine niedrigere gel¨oste Teilchenzahl vort¨auschen als tats¨achlich vorhanden ist. Um das Massenwirkungsgesetz bei Elektrolyten oder Protolyten anwenden zu k¨onnen, muss man die Stoffmengenkonzentrationen c streng genommen mit einem Korrekturfaktor versehen. Man erh¨alt Aktivit¨aten, a. Den Korrekturfaktor f nennt man Aktivit¨atskoeffizient. Es gilt: a = c · f

(0 < f < 1)

F¨ur sehr genaue Berechnungen muss anstelle der Konzentration die Aktivit¨at benutzt werden. Je verd¨unnter die L¨osung ist, desto mehr n¨ahert sich f dem Wert 1. In verd¨unnter L¨osung finden kaum noch Wechselwirkungen zwischen den Teilchen statt. Es kann dann mit einer hinreichendenden Genauigkeit mit Konzentrationen gerechnet werden. In den folgenden Abschnitten wollen wir deshalb Konzentrationen benutzen.

11.3.1

S¨aure- und Basekonstanten

Betrachten wir die Protolyse einer starken S¨aure HA. HA

Dissoziation



H+ + A−

oder HA + H2O

Protolyse



H3 O+ + A−

Formulierung des Massenwirkungsgesetzes mit: K = [c(H+ ) · c(A− )]/c(HA) oder KS = K · c(H2 O) = [c(H3 O+ ) · c(A− )]/c(HA) Die Konzentration des Wassers wird als konstant angesehen und mit in die Gleichgewichtskonstante einbezogen. Die Gleichgewichtskonstante heißt auch S¨aurekonstante, K S . Sie ist ein Maß f¨ur die St¨arke einer S¨aure. Ein hoher Wert zeigt an, dass die S¨aure weitgehend dissoziiert ist. (Theoretisch gilt das Massenwirkungsgesetz nur f¨ur schwache Protolyten, die wenig dissoziiert sind, oder f¨ur stark verd¨unnte L¨osungen starker Protolyten.) Der negative dekadische Logarithmus der S¨aurekonstante wird als pKS -Wert bezeichnet − lg KS = pKS Je st¨arker die S¨aure ist, umso schw¨acher ist die zugeh¨orige konjugierte Base. Betrachten wir die Protolyse der st¨arken S¨aure HCl (s. Seite 149). Demnach ist Cl− eine schwache Base. Die Protolyse von HCl verl¨auft von links nach rechts. Das bedeutet, dass HCl eine st¨arkere S¨aure als H3 O+ und H2 O eine st¨arkere Base als Cl− darstellt. Analoge Gleichgewichtsbetrachtungen lassen sich f¨ur Basen durchf¨uhren. In w¨assriger L¨osung reagieren Basen nach folgender Gleichung: A− + H2 O  HA + OH− Anwendung des Massenwirkungsgesetzes liefert die Basekonstante, K B . Der negative dekadische Logarithmus wird als pKB -Wert bezeichnet. KB = [c(HA) · c(OH− )]/c(A− )

mit − lg KB = pKB

154

11 S¨auren und Basen

Tabelle 11.4: S¨aure- und Basekonstanten einiger wichtiger S¨aure/Base-Paare S¨aure

St¨arke

KS mol l−1

HCl H2 SO4 HSO− 4 HNO3 H3 PO4 H2 PO− 4 HPO2− 4 H2 S HS− CH3 CO2 H NH+ 4

stark stark stark stark stark schwach schwach schwach sehr schwach schwach sehr schwach

106 103 1,2 · 10−2 5,0 · 10−2 7,5 · 10−3 6,2 · 10−8 1,0 · 10−12 1,1 · 10−7 1,3 · 10−13 1,8 · 10−5 5,6 · 10−10

pKS − 6,0 − 3,0 1,92 − 1,3 2,12 7,21 12,0 6,96 12,9 4,74 9,25

Base

St¨arke

KB mol l−1

Cl− HSO− 4 SO2− 4 NO− 3 H2 PO− 4 HPO2− 4 PO3− 4 HS− S2− CH3 CO− 2 NH3

sehr schwach sehr schwach sehr schwach sehr schwach sehr schwach schwach stark schwach stark schwach schwach

1,0 · 10−20 1,0 · 10−17 8,32 · 10−13 4,7 · 10−16 1,32 · 10−12 1,62 · 10−7 1,0 · 10−2 9,12 · 10−8 7,9 · 10−2 5,49 · 10−10 1,78 · 10−5

Eine starke Base zeigt ein großes Bestreben Protonen aufzunehmen. S¨aure- und Basekonstante sind ein Maß f¨ur die St¨arke der jeweiligen S¨aure bzw. Base. Eine S¨aure oder Base ist umso st¨arker, je gr¨oßer KS oder KB , und je niedriger die pKS - oder pKB -Werte sind. F¨ur den Zusammenhang von KS und KB gilt: KS · KB = [c(H3 O+ ) · c(A− ) · c(HA) · c(OH− )]/[c(HA) · c(A− )] Nach dem K¨urzen gilt: KS · KB = c(H3 O+ ) · c(OH− ) Das Produkt aus S¨aurekonstante und Basekonstante eines korrespondierenden S¨aure/Basepaares entspricht dem Ionenprodukt des Wassers. Mit K S ·K B = K W gilt auch: pKS + pKB = pKW = 14 Aus der mathematischen Beziehung KS · KB = KW l¨asst sich folgern, dass die zu einer starken S¨aure (z.B. HCl) korrespondierende Base (Cl− ) sehr viel schw¨acher sein muss. Wenn eine Gleichgewichtskonstante oder ein pK-Wert bekannt ist, kann der korrespondierende Wert berechnet werden. Beispiel: Der pKS -Wert einer S¨aure betr¨agt 6,3. Der pKB -Wert der korrespondierenden Base ist dann 7,7. Berechnung einer Basekonstanten: Die S¨aurekonstante KS von Blaus¨aure (HCN) betr¨agt 5,6 · 10−8 mol/l. Es handelt sich um eine schwache S¨aure. Wie groß ist die Basekonstante der korrespondierenden Base CN− ? KB = 10−14 mol2 l − 2 /5,6 · 10−8 mol l−1 = 1,79 · 10−7 mol/l

pKB 20,0 17,0 12,08 15,32 11,88 6,79 2,0 7,04 1,1 9,26 4,75

11.3 S¨aure- und Basegleichgewichte

155

Auf welcher Seite liegt das folgende Gleichgewicht? − HCl + NO− 3  Cl + HNO3 −2 gegeben : HCl/Cl− (KS = 106 mol/l) und HNO3 /NO− mol/l) 3 (KS = 5 · 10

Um zu entscheiden, auf welcher Seite ein S¨aure/Base-Gleichgewicht liegt, muss man die relative S¨aurest¨arke der Reaktionspartner betrachten. Die st¨arkste S¨aure (hier HCl) reagiert mit der st¨arkeren Base (hier NO− 3 ), und dabei bilden sich die schw¨achste Base (Cl− ) und die schw¨achere S¨aure (HNO3 ). Folglich liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite. Eine S¨aure, die mehr als ein Proton abgeben kann, bezeichnet man als mehrprotonige oder mehrwertige S¨aure. Beispiele sind H2 SO4 , H3 PO4 , und H2 S. Sie dissoziieren schrittweise. Beispiel:

H2 SO4 + H2 SO4  HSO− 4 +H

+ KS1 = [c(HSO− 4 ) · c(H )]/c(H2 SO4 )

2− + HSO− 4  SO4 + H

− + KS2 = [c(SO2− 4 ) · c(H )]/c(HSO4 )

F¨ur jeden Dissoziationsschritt muss eine eigene S¨aurekonstante berechnet werden. KS2 ist immer sehr viel kleiner als KS1 , da die Abspaltung des zweiten Protons erschwert wird. Aus KS1 und KS2 l¨asst sich die Gesamts¨aurekonstante K bestimmen: 2 2− − + K = KS1 · KS2 = [c(HSO− 4 ) · c (H ) · c(SO4 )]/[c(H2 SO4 ) · c(HSO4 )]

Nach dem K¨urzen erh¨alt man: K = [c2 (H+ ) · c(SO2− 4 )]/c(H2 SO4 ) entsprechend der Bruttoreaktion: + H2 SO4  SO2− 4 + 2H

Es l¨asst sich zwar eine Gesamts¨aurekonstante ermitteln, doch ist dabei zu beachten, dass die Wasserstoffionenkonzentration c(H+ ) nicht doppelt so groß ist wie c(SO2− 4 ). Die Wasserstoffionenkonzentration ist viel gr¨oßer, da vorwiegend nur der erste Dissoziationsschritt abl¨auft.

11.3.2

pH-Wert-Berechnung

S¨auren und Basen unterliegen in sehr unterschiedlichem Maß der Protolyse. Die sich daraus ergebenden Besonderheiten und M¨oglichkeiten der pH-Wert-Berechnung sollen in den folgenden Abschnitten am Beispiel starker und schwacher S¨auren und Basen, Pufferl¨osungen und Salzl¨osungen n¨aher erkl¨art werden.

156

11 S¨auren und Basen

Starke S¨auren und Basen Liegt eine starke S¨aure (HA) vor, so geht man n¨aherungsweise davon aus, dass die S¨aure nahezu vollst¨andig dissoziiert ist. Das Gleichgewicht liegt rechts. HA + H2 O  H3 O+ + A− Die Konzentration der Wasserstoffionen bzw. Oxoniumionen ist dann ann¨ahernd gleich der Konzentrationen der eingewogenen S¨aure HA; d.h. c(HA) = c(A− ) = c(H+ ). Der pH-Wert l¨asst sich dann aus der Konzentration der eingewogenen S¨aure berechnen. Beispiel: Welchen pH-Wert zeigen eine 0,1 molare w¨assrige Salzs¨aurel¨osung und eine 0,1 molare w¨assrige Natronlauge? Die Gleichgewichte liegen fast vollst¨andig auf der rechten Seite. Es gilt: mit c(HCl) = 10−1 mol/l ist c(H+ ) = 10−1 mol/l daraus folgt : − lg c(H+ ) = pH = 1

mit c(NaOH) = 10−1 mol/l ist c(OH− ) = 10−1 mol/l daraus folgt − lg c(OH− ) = pOH = 1 pH = 13

Schwache S¨auren und Basen Liegen schwache S¨auren und Basen vor, so ist der Ausgangsprotolyt nur zu einem sehr geringen Teil dissoziiert. Als Maß wurde der Dissoziationsgrad bzw. Protolysegrad α eingef¨uhrt. Er ergibt sich aus dem Quotienten der Konzentration des dissoziierten Protolyten und der Konzentration des eingesetzten, nicht dissoziierten Protolyten. F¨ur schwache S¨auren und Basen gilt: 1 > α > 0 Der Dissoziationsgrad wird h¨aufig in Prozent angegeben. Er l¨asst sich durch Leitf¨ahigkeitsmessungen bestimmen. Wird f¨ur eine w¨assrige S¨aure f¨ur α ein Wert von 0,02 gefunden, dann ist die S¨aure zu 2 % dissoziiert. Ist α = 1, dann ist der Stoff zu 100 % dissoziiert. Beispiel: Protolyse der schwachen S¨aure HA HA + H2 O

Protolyse



H3 O+ + A− oder HA

Dissoziation



H+ + A−

Der Protolysegrad ergibt sich aus dem Quotienten der Konzentration des dissoziierten Protolyten (c(A− )) und der Konzentration des eingesetzten, nicht dissoziierten Ausgangsstoffs (c◦ (HA)). Es gilt: α = c(A− )/c◦ (HA)

11.3 S¨aure- und Basegleichgewichte

157

Beispiel: Eine 0,1 molare schwache S¨aure ist zu 1,5 % dissoziiert. Welchen pH-Wert hat die L¨osung? Nur 1,5 % der S¨aure HA ist dissoziiert. Da bei der Dissoziation genausoviele A− -Ionen wie H+ -Ionen gebildet werden, gilt: c(A− ) = c(H+ ) = 0,1 mol l−1 /0,015 = 1,5 · 10−3 mol/l pH = − lg c(H+ ) = 2,8 Die Konzentration an dissoziierten Ionen c(A− ) kann auf diese Weise durch eine Messung des pH-Wertes berechnet werden. Der Protolysegrad schwacher Elektrolyte h¨angt auch von der Konzentration ab. Anwendung des Massenwirkungsgesetzes f¨ur das folgende Dissoziationsgleichgewicht: HA  H+ + A− KS = [c(A− ) · c(H+ )]/c(HA) = c2 (A− )/c(HA) Die Konzentration des S¨aureanions c(A− ) ergibt sich aus der Differenz der Ausgangskonzentration c0 (HA) und der Gleichgewichtskonzentration c(HA) der eingesetzten S¨aure. Es gilt: α = c(A− )/c0 (HA) = [c0 (HA) − c(HA)]/c0 (HA) mit c(A− ) = α · c0 (HA) und mit c(HA) = c0 (HA) − c(A− ) gilt c(HA) = c0 (HA) − α · c0 (HA) erh¨alt man: KS = α 2 · (c0 (HA))2 /[c0 (HA) − α · c0 (HA)] ¨ Division durch c0 (HA) ergibt das Ostwaldsche Verdunnungsgesetz: KS = [c0 (HA) · α 2 ]/[1 − α ] Der Dissoziationsgrad ist keine konstante Gr¨oße, sondern er h¨angt auch von der Konzentration des Protolyten ab. Der Dissoziationsgrad steigt mit zunehmender Verd¨unnung; d.h mit abnehmender Konzentration. Das Ostwaldsche Verd¨unnungsgesetz stellt eine Beziehung zwischen S¨aurekonstante und α her. Beispiel: F¨ur eine schwache S¨aure ist der KS -Wert 1,3 · 10−7 mol/l. Welchen Protolysegrad hat die S¨aure in einer a) 0,1 und b) 0,001 molaren L¨osung? Bei einer schwachen S¨aure ist α sehr viel kleiner als 1 (α  1). Deshalb wird der Nenner im Ostwaldschen Verd¨unnungsgesetz vernachl¨assigt. mit KS = [c0 (HA) · α 2 ]/[1 − α ] und (α  1) gilt: α = (KS /c0 (HA)) a) α = 0,0011 b) α = 0,011 In L¨osung a) ist die S¨aure zu 0,11 % und in L¨osung b) zu 1,1 % dissoziiert.

158

11 S¨auren und Basen

Henderson-Hasselbalch-Gleichung Wendet man das Massenwirkungsgesetz auf die Protolyse schwacher S¨auren an, so erh¨alt man die S¨aurekonstante, KS . KS = [c(H+ ) · c(A− )]/c(HA) Bildung des negativen dekadischen Logarithmus ergibt dann die folgende Form des Massenwirkungsgesetzes: − lg KS = − lg c(H+ ) − lg[c(A− )/c(HA)] mit − lg c(H+ ) = pH und − lg KS = pKS ergibt sich daraus die Henderson-HasselbalchGleichung: pKS = pH − lg[c(A− )/c(HA)] Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung als Umformung des Massenwirkungsgesetzes erm¨oglicht eine Berechnung des pKS -Wertes eines schwachen Protolyten mit Hilfe des Dissoziationsgrades. Beispiel: Durch die Zugabe von 0,1 mol einer schwachen S¨aure HA zu einer w¨assrigen L¨osung, stellt sich ein pH-Wert von 4 ein. Wie groß ist KS ? F¨ur den Dissoziationsgrad mit c(H+ ) = 10−4 mol/l = c(A− ) gilt:

α = c(A− )/c0 (HA) = 10−4 mol l−1 /0,1 mol l−1 = 0,001 = 10−3 Streng genommen m¨usste die Gleichgewichtskonzentration c(HA) aus der Anfangskonzentration c0 (HA) = 0,1 mol/l abz¨uglich der Konzentration der dissoziierten S¨auremolek¨ule c(A− ) berechnet werden. Mit c(HA) = c0 (HA) − c(A−) und mit c(A− ) = c(H+ ) = 10−4 mol/l ergibt sich dann: c(HA) = 0,0999 mol/l = ca.0,1 mol/l Die Konzentration der undissoziierten S¨aure c(HA) kann also n¨aherungsweise dem Anfangswert c0 (HA) gleichgesetzt werden. Mit pH = 4 und − lg[c(A− )/c(HA)] = 3 ergibt sich f¨ur den pKS -Wert: pKS = pH − lg[c(A− )/c(HA)] = 7. Die S¨aurekonstante KS ist dann 10−7 mol/l. Indikatoren Farbstoffe, deren Farbe in einer L¨osung vom pH-Wert bestimmt wird, bezeichnet man als Indikatoren. Indikatoren sind in der Regel schwache S¨auren. Der Farbumschlag kommt dadurch zustande, dass ein Proton abgegeben oder aufnommen wird. Die undissoziierte S¨aure (HInd) zeigt

11.3 S¨aure- und Basegleichgewichte

159

eine andere Farbe als das Anion (Ind−). F¨ur c(HInd) = c(Ind−) liegt eine Mischfarbe vor. Nach Henderson-Hasselbalch entspricht der pH-Wert des Farbumschlages immer dem pKs-Wert. HInd

Farbe der S¨aure



Ind− + H+ Farbe der Base

Beispiele Lackmus: Phenolphthalein:

pH < 7 (rote Farbe)  pH > 7 (blaue Farbe) pH < 8 (farblos)  pH > 8 (rote Farbe)

Puffer Manchmal werden L¨osungen mit einem bestimmten oder konstanten pH-Wert ben¨otigt. Auch im menschlichen Organismus muss beispielsweise das Blut auf dem pH-Wert 7,4 gehalten werden. Schon eine Abweichung um 0,4 Einheiten wirkt sich lebensbedrohend aus. Werden im Rahmen einer chemischen Umsetzung S¨auren oder Basen gebildet, so m¨ussen s¨aure- oder basenempfindliche Produkte gesch¨utzt werden. Ein konkreter pH-Wert l¨asst sich leicht durch Hinzuf¨ugen einer bestimmten Menge einer S¨aure oder Base einstellen. Um den pH-Wert w¨ahrend einer chemischen Reaktion oder im Ablauf biologischer Prozese konstant zu halten, bedient man sich sogenannter Pufferl¨osungen. Pufferl¨osungen sind in einem gewissen Rahmen unempfindlich gegen¨uber dem Zusatz von S¨auren oder Basen. Puffer bestehen immer aus einem Gemisch einer schwachen S¨aure und ihrer konjugierten Base (Salz) in hoher Konzentration. Beispiel:

Acetatpuffer

Der Acetatpuffer setzt sich aus Essigs¨aure und dem Natriumsalz der Essigs¨aure (Natriumacetat) zusammen. In w¨assriger L¨osung dissoziieren die beiden Komponenten gem¨aß folgender Gleichungen: + K = [c(CH CO− ) · c(H+ )]/c(CH CO H) CH3 CO2 H  CH3 CO− S 3 3 2 2 +H 2 + K = [c(CH CO− ) · c(Na+ )]/c(CH CO Na) CH3 CO2 Na  CH3 CO− + Na B 3 3 2 2 2

Anwendung der Henderson-Hasselbalch-Gleichung ergibt folgende Beziehung: pKS = pH − lg[c(CH3 CO− 2 )/c(CH3 CO2 H)] Setzt man S¨aure- und Basepuffer im Verh¨altnis 1:1 (optimales Verh¨altnis) ein, so erh¨alt man nach Henderson-Hasselbalch: pH = pKS + lg1 = pKS (= 4,74) Der pH-Wert entspricht dann dem pKS -Wert der Essigs¨aure. Durch die Wahl eines geeigneten Puffersystems kann ein konkreter pH-Wert eingestellt und auch in gewissen Grenzen konstant gehalten werden.

160

11 S¨auren und Basen

Wie funktioniert ein solches Puffersystem? Werden bei einer chemischen Reaktion Protonen freigesetzt oder zugesetzt, dann reagiert das System entsprechend dem Prinzip von Le Chatelier (s. Kap. 10.2) und weicht aus. Die Protonen reagieren mit den Acetatanionen zu Essigs¨aure. + CH3 CO− 2 + H  CH3 CO2 H

Die erh¨ohte Protonenzahl hat zur Folge, dass der Z¨ahler im Massenwirkungsgesetz gr¨oßer wird. Da die Gleichgewichtskonstante einen konstanten Wert besitzt, m¨ussen die Protonen von den Acetatanionen zu Essigs¨aure gebunden werden. Der Nenner vergr¨oßert sich im gleichen Maß ¨ wie der Z¨ahler. Da ein großer Uberschuss an Puffer und damit an Essigs¨aure vorhanden ist, bleibt der pH-Wert ann¨ahernd konstant. Erst wenn alle Acetatanionen verbraucht sind, a¨ ndert sich der pH-Wert in st¨arkerem Ausmaß. Gibt man OH− -Ionen zu der gepufferten L¨osung hinzu, dann reagiert das System gem¨aß dem Prinzip vom kleinsten Zwang, indem die Hydroxidionen mit Essigs¨aure reagieren. CH3 CO2 H + OH−  CH3 CO− 2 + H2 O. Beispiel: Eine w¨assrige Pufferl¨osung enth¨alt 1 mol Essigs¨aure und 1 mol Natriumacetat. Der pH-Wert der L¨osung ist nach Henderson-Hasselbalch gleich 4,74, dem pKS -Wert der Essigs¨aure. Welchen pH-Wert hat die L¨osung nach dem Zusatz von 0,2 mol NaOH? pH = pKS + lg[c(CH3 CO− 2 )/c(CH3 CO2 H)] = 4,74 + lg[c(CH3 CO− 2 )/c(CH3 CO2 H)] Durch die Zugabe von 0,2 mol OH− -Ionen erh¨oht sich c(CH3 CO− 2 ) um 0,2 mol auf 1,2 mol/l und c(CH3 CO2 H) erniedrigt sich auf 0,8 mol/l. pH = 4,74 + lg(1,2/0,8) = 4,92 Der pH-Wert hat sich also nur geringf¨ugig ge¨andert. Folgender Vergleich soll die Effektivit¨at des Puffersystems veranschaulichen: Neutrales Wasser besitzt den pH-Wert 7. Welchen pH-Wert erh¨alt man, wenn man soviel NaOH hinzugibt, dass eine 0,2 molare L¨osung entsteht? mit c(OH− ) = 0,2 mol/l und c(H+ ) = KW /c(OH− ) = 10−14 mol2 l−2 /0,2 mol l−1 = 5 · 10−14 mol/l gilt: pH = − lg c(H+ ) = 13,3 Der pH-Wert erh¨oht sich auf 13,3. Salze Auch durch das L¨osen und Dissoziieren von bestimmten Salzen in w¨assriger L¨osung kann ein pH-Wert ver¨andert werden. Salze werden bei der Reaktion von S¨auren und Basen gebildet. In w¨assriger L¨osung zerfallen sie in Kationen und Anionen. Sie dissoziieren vollst¨andig.

11.3 S¨aure- und Basegleichgewichte Beispiel:

161

NaCl HCl + NaOH + H2O  H3 O+ + OH− + Na+ + Cl−  2H2 O + Na+ + Cl−

Natriumchlorid entsteht bei der Umsetzung von a¨ quimolaren Mengen HCl und NaOH. HCl unterliegt der Protolyse. NaOH dissoziert in die Ionen Na+ und OH− . Man spricht hier von einer Neutralisationsreaktion, weil sich Wasserstoffionen und Hydroxidionen zu neutralen Wassermolek¨ulen verbinden. Natriumchlorid ist ein Neutralsalz. Neutralsalze sind Salze starker S¨auren und Basen (z.B. KCl und Na2 SO4 ). L¨ost man Natriumchlorid in Wasser so werden die das Natriumchlorid aufbauenden Ionen Na+ und Cl− freigesetzt. Der pH-Wert der w¨assrigen L¨osung zeigt den Wert 7. Nicht alle w¨assrigen Salzl¨osungen reagieren neutral. Salze einer schwachen S¨aure und einer starken Base bzw. Salze einer starken S¨aure und einer schwachen Base unterliegen der Protolyse. Durch das L¨osen des betreffenden Salzes in Wasser, stellt sich ein pH-Wert im basischen bzw. sauren Bereich ein. Beispiel: NH4 Cl Ammoniumchlorid ist das Salz der starken S¨aure HCl und der schwachen Base NH3 . HCl + NH3  NH4 Cl Gibt man NH4 Cl in Wasser, so reagiert die erhaltene L¨osung sauer. Warum ist das so? Die schwache Base Cl− reagiert nicht mit Wasser. Das Ammoniumion verh¨alt sich wie eine S¨aure und gibt ein Proton ab. Die dabei gebildete starke S¨aure HCl ist nahezu vollst¨andig dissoziiert. NH4 Cl + H2 O  NH3 + H3 O+ + Cl−

Beispiel: CH3 CO2 Na Natriumacetat ist das Salz der schwachen S¨aure (CH3 CO2 H) und der starken Base NaOH. CH3 CO2 H + NaOH  CH3 CO2 Na + H2O Gibt man Natriumacetat in Wasser, so reagiert die erhaltene L¨osung basisch, weil dabei NaOH gebildet wird, dass in Na+ und OH− dissoziiert. Die gebildete Ethans¨aure ist als schwache S¨aure kaum dissoziiert, und daher nicht in der Lage die starke Base vollst¨andig zu neutralisieren. CH3 CO2 Na + H2 O  CH3 CO2 H + Na+ + OH− Wenn ein Salz aus einer schwachen S¨aure und schwachen Base gebildet wird, ist das Verhalten in w¨assriger L¨osung davon abh¨angig, welcher Partner der st¨arkere Protolyt ist, d.h. welcher KS -Wert gr¨oßer ist. Der pH-Wert der L¨osung kann im neutralen, sauren oder auch im basischen Bereich liegen.

162

11 S¨auren und Basen

¨ Ubungsaufgaben zu 11.1 1. Gegeben ist eine 0,027 molare, w¨assrige L¨osung einer vollst¨andig dissoziierten S¨aure. Berechnen Sie mit Hilfe des Ionenprodukts des Wassers die Konzentration an Hydroxidionen in der L¨osung. 2. Berechnen sie die Konzentration an Wasserstoffionen in einer w¨assrigen L¨osung mit pOH = 4,78. 3. Die Wasserstoffionenkonzentration in einem Liter einer w¨assrigen Ca(OH)2 -L¨osung ist 10−13 mol/l. Berechnen Sie den pH-Wert und die Molarit¨at der L¨osung. 4. Berechnen Sie den pH-Wert einer 0,5 molaren w¨assrigen Sr(OH)2 -L¨osung.

zu 11.2 ¨ 1. Uberlegen Sie, welche Stoffe in folgenden Gleichgewichten nach der Definition von Br¨onsted eine S¨aure bzw. Base darstellen. 2− − HSO− 4 + HS  SO4 + H2 S − NH3 + H2 S  NH+ 4 + HS

2. Geben Sie jeweils die konjugierte Base bzw. S¨aure zu den folgenden Stoffen an. S¨auren: H2 SO3 , HNO3 , H2 O und NH3 2− Basen: NO− 2 , SO4 , H2 O und NH3

3. Welche S¨aure ist st¨arker H2 S oder H2 Se?

zu 11.3 1. Formulieren Sie die Gleichungen f¨ur die S¨aurekonstante des Ammoniumions und die Basenkonstante des Ammoniaks. ¨ 2. Uberlegen Sie, auf welcher Seite das Gleichgewicht f¨ur die folgenden S¨aure/Base-Paare liegt. − NH+ 4 /NH3 (pKS = 9,25) und HNO2 /NO2 (pKS = 3,35)

3. Gegeben ist eine 0,005 molare, w¨assrige Salpeters¨aure. Berechnen Sie den pH-Wert der L¨osung. 4. Geben Sie den pH-Wert einer 0,2 molaren, w¨assrigen KOH-L¨osung an. 5. Wieviel g KOH wird ben¨otigt, um in einem Liter Wasser einen pH-Wert von 9 einzustellen?

11.3 S¨aure- und Basegleichgewichte

163

6. Eine 0,1 molare schwache Base ist zu 8 % dissoziiert. Welchen pH-Wert hat die L¨osung? 7. Berechnen Sie die S¨aurekonstante einer 0,3 molaren, schwachen S¨aure, die zu 0,48 % dissoziiert ist. 8. F¨ur eine Base ist KB = 1,5 · 10−5 mol/l. Wieviel Prozent der Base unterliegen der Protolyse, wenn die Konzentration der Base 0,2 mol/l betr¨agt? 9. Welchen pH-Wert hat eine w¨assrige L¨osung, die 0,25 mol NH3 und 0,15 mol NH4 Cl als Puffer enth¨alt? (KB = 1,8 · 10−5 mol/l) 10. Welchen pH-Wert hat eine w¨assrige 0,45 molare Natriumacetatl¨osung (CH3 CO2 Na)? (KS = 1,8 · 10−5 mol/l)

12

Redoxreaktionen

In diesem Kapitel werden wir etwas u¨ ber die Begriffe Redoxreaktion, Oxidation, Reduktion, Oxidationszahl und Redoxgleichungen lernen. Redoxreaktionen lassen sich mit Hilfe von Elektronen¨uberg¨angen erkl¨aren. Es werden Stoffe so miteinander zur Reaktion gebracht, dass ein Stoff Elektronen abgibt und ein anderer diese aufnimmt. Viele chemische Prozesse (s. Kap. 14) laufen als Redoxreaktionen ab. Verbrennungsprozesse oder auch das Rosten eines Eisennagels (Korrosion) (s. Kap. 14.3) sind anschauliche Beispiele daf¨ur.

12.1

Oxidation und Reduktion

Der Begriff Redoxreaktion beinhaltet die Begriffe Reduktion und Oxidation. Unter Oxidation versteht man die Abgabe von Elektronen und unter Reduktion die Aufnahme von Elektronen. Redoxreaktionen sind Reaktionen, in deren Verlauf Elektronen ausgetauscht werden. Dem Reduktionsmittel (Elektronendonator) werden dabei Elektronen entzogen, die dem Oxidationsmittel (Elektronenakzeptor) zugef¨uhrt werden. Das Oxidationsmittel wird dabei reduziert (nimmt Elektronen auf) und das Reduktionsmittel wird oxidiert (gibt Elektronen ab). Da Elektronen nicht frei existent sind, treten Oxidation und Reduktion immer gleichzeitig auf; d.h. wird ein Stoff reduziert, dann muss gleichzeitig ein anderer Stoff oxidiert werden. Bei diesem Prozess m¨ussen sich die Reaktanden quasi ,,ber¨uhren“, um den Elektronentransfer zu erm¨oglichen. Beispiel: L¨asst man elementares Chlor auf metallisches Natrium einwirken, so erh¨alt man als Reaktionsprodukt Natriumchlorid. Oxidationsmittel

+

2Na Reduktionsmittel

Cl2 −→



−→ 2Na+

wird reduziert zu

+

2Cl−

wird oxidiert zu

Elementares Chlor wirkt hier als Oxidationsmittel. Jedes neutrale Chloratom wird zu einem Chloridanion reduziert. Die Natriumatome reagieren als Reduktionsmittel und werden zu Natriumkationen oxidiert. Die Gesamtreaktion l¨asst sich formal in die beiden Halbreaktionen (Oxidation und Reduktion) aufteilen. Hinreaktion: Oxidation

Na − e−

Ruckreaktion: ¨ Reduktion

→ Na+

und Cl2

+ 2e−

Reduktion

→ 2Cl−

Na+ + e−

Oxidation

→ Na und 2Cl− − 2e− → Cl2

Na/Na+ und Cl2 /Cl− bilden jeweils ein korrespondierendes Redoxpaar. In einer Redoxreaktion sind die Reaktionsteilnehmer bestrebt in den schw¨acheren Partner des korrespondierenden

166

12 Redoxreaktionen

Redoxpaares u¨ berzugehen. Das starke Reduktionsmittel Natrium und das starke Oxidationsmittel Chlor gehen in das schwache Oxidationsmittel Na+ und das schwache Reduktionsmittel Cl− u¨ ber. In der R¨uckreaktion wirkt das Natriumion als Oxidationsmittel (wird reduziert) und das Chloridion als Reduktionsmittel (wird oxidiert). Bei einfachen Redoxreaktionen ist leicht zu erkennen, welcher Stoff Elektronen aufnimmt oder abgibt. Um bei komplizierteren Redoxvorg¨angen beurteilen zu k¨onnen, welcher Stoff ist das Oxidationsmittel und welcher Stoff ist das Reduktionsmittel, bestimmt man die Oxidationszahl der jeweiligen Atome.

12.2

Oxidationszahl

Unter der Oxidationszahl versteht man die Zahl der aufgenommenen oder abgegebenen Elektronen. Die Oxidationszahl wird als Ziffer mit vorangestelltem Vorzeichen u¨ ber das Elementsymbol geschrieben. In einatomigen Ionen entspricht die Oxidationszahl der Ladung des Ions. Beispiel:

+1 −1

NaCl

Im Natriumchlorid, aufgebaut aus Natriumkationen (Na+ ) und Chloridanionen (Cl− ), ordnet man dem Natrium die Oxidationszahl +1 und dem Chlor die Oxidationszahl −1 zu. Einzelatome erhalten die Oxidationszahl 0. 0

Beispiele:

0

Na, C

In kovalenten Verbindungen l¨asst sich die Oxidationszahl eines Atoms bestimmen, indem man dem elektronegativeren Partner die Bindungselektronen zuweist. Molekulare Elemente erhalten dabei die Oxidationszahl 0, da es sich hier um Bindungspartner gleicher Elektronegativit¨at handelt. Betrachten wir eine ideale Atombindung, wie man sie im Wasserstoffmolek¨ul vorfindet. 0 0

Beispiel:

H2 , H-H

Jedem Wasserstoffatom kann formal ein Bindungselektron zugeordnet werden. Die Elektronenzahl entspricht der eines neutralen Wasserstoffatoms. In Metallhalogeniden zeigen Halogenatome die Oxidationszahl −1. Beispiel:

+1 −1

H -Cl

In einem Chlorwasserstoffmolek¨ul liegt eine polare Atombindung vor, in der das Chloratom den elektronegativeren Bindungspartner bildet. Bei der Aufspaltung des Molek¨uls in w¨assriger

12.2 Oxidationszahl

167

L¨osung (Dissoziation) geht das gemeinsame Bindungselektronenpaar ganz zum Chloratom u¨ ber (HCl → H+ + Cl− ). Um die Oxidationszahlen zu ermitteln, ordnet man dem Chloratom formal das Bindungselektronenpaar zu. Das Chloratom besitzt dann acht Außenelektronen (und damit Edelgaskonfiguration) und weist formal die Ladung −1 auf. Dem Chloratom wird deshalb die Oxidationszahl −1, dem Wasserstoffatom die Oxidationszahl +1 zugeordnet. In einem neutralen Molek¨ul ist die Summe der Oxidationszahlen aller beteiligten Atome gleich Null. In einem Ion entspricht die Summe der Oxidationszahlen der Ladung des Ions.

Beispiele:

+1 +6−2

+5−2

Na2 S O 4 und P O 4 3−

Im Natriumsulfat besitzt Sauerstoff die Oxidationszahl −2. Bei vier Sauerstoffatomen der Oxidationszahl −2 ergibt sich mit zwei Natriumatomen der Oxidationszahl +1 f¨ur den Schwefel die Oxidationszahl +6. Im Phosphatanion (PO4 3− ) ergibt sich aus der Oxidationszahl −2 f¨ur die Sauerstoffatome und der Gesamtladung des Anions f¨ur das Phosphoratom die Oxidationszahl +5. Elektronegative Bindungspartner (besonders Sauerstoff und Halogene) erhalten h¨aufig negative Oxidationszahlen und weniger elektronegative wie die Metalle erhalten positive Oxidationszahlen. Alkali- und Erdalkalimetalle zeigen die Oxidationszahlen +1 bzw. +2. Sauerstoff tritt bevorzugt in der Oxidationszahl −2 auf. Beispiele sind Oxide wie Na2 O, CaO usw., sowie sauerstoffhaltige S¨auren wie HNO3 , H2 SO4 usw. Die Oxidationszahl −1 f¨ur Sauerstoff kommt in Peroxiden vor.

Beispiel:

+1 −1 −1 +1

H2 O2 = H - O - O - H (Wasserstoffperoxid)

Da es sich beim H2 O2 um ein symmetrisches Molek¨ul handelt, erhalten die Sauerstoffatome die Oxidationszahl −1. Jedem Sauerstoffatom werden theoretisch sieben Elektronen zugeordnet, was einem Ladungszustand von −1 entspricht. Positive Oxidationszahlen zeigt Sauerstoff nur in Fluorverbindungen (Beispiel: OF2 ). Dem Sauerstoffatom wird hier die Oxidationszahl +2 zugeordnet. Fluor als stark elektronegatives Element hat keine positiven Oxidationszahlen Wasserstoff tritt in Verbindung mit Nichtmetallen in der Oxidationszahl +1 und in Verbindungen mit Metallen in der Oxidationszahl −1 auf.

Beispiele:

+1 −1 +1 −1

H Br, Na H

Die h¨ochste positive Oxidationszahl ergibt sich in der Regel aus der Gruppennummer im Periodensystem (Ausnahme: Edelgase, Sauerstoff, Fluor und 1. Nebengruppe). Manche Elemente k¨onnen viele verschiedene Oxidationszahlen annehmen, die sowohl positiv wie auch negativ sein k¨onnen.

168

12 Redoxreaktionen

Beispiele:

NaNO3 , NH4 Cl und KNO2

Wir ermitteln die Oxidationszahlen der Stickstoffatome in Natriumnitrat, Ammoniumchlorid und Kaliumnitrit. Im Natriumnitrat besitzt das Stickstoffatom die Oxidationszahl +5. Einem Natriumatom mit der Oxidationszahl +1 und drei Sauerstoffatomen mit der Oxidationszahl −2, kann nur ein Stickstoffatom der Oxidationszahl +5 zugeordnet werden. Im Ammoniumchlorid tritt das Stickstoffatom in der Oxidationszahl −3 auf, w¨ahrend das Stickstoffatom im Kaliumnitrit die Oxidationszahl +3 zeigt. +1 +5−2

−3+1 −1 N H 4 Cl

Na N O 3

+1+3−2 K N O2

Mit Hilfe der Oxidationszahlen l¨asst sich in einer Reaktionsgleichung ermitteln, welcher Stoff Oxidationsmittel bzw. Reduktionsmittel ist. Betrachten wir die Verbrennung von Kohle. Die klassische Definition von Oxidation war gleichbedeutend mit der Aufnahme von Sauerstoff und der Bildung von Oxiden. 0

+4−2

0

C + O2 → C O 2 Die Elemente auf der linken Seite (das Kohlenstoffatom und die Sauerstoffatome) erhalten die Oxidationszahlen 0. Im Kohlendioxid erh¨alt das Kohlenstoffatom die Oxidationszahl +4 und die Sauerstoffatome die Oxidationszahl −2. Das Reduktionsmittel Kohlenstoff wird oxidiert und gibt dabei vier Elektronen ab. Das Oxidationsmittel Sauerstoff wird reduziert, wobei jedes der beiden Sauerstoffatome zwei Elektronen aufnimmt. Beurteilen wir bei den nun folgenden Beispielen, welche Stoffe Oxidationsmittel und welche Stoffe Reduktionsmittel sind. 0

+2 −1

0

1. Zn + Cl2 → ZnCl2 0

−1

−1

0

2. Cl2 + 2Br− → 2Cl− + Br2 Im ersten Beispiel dient Zink als Reduktionsmittel und wird dabei oxidiert. Molekulares Chlor wirkt als Oxidationsmittel und wird zu Chloridanionen reduziert. Im zweiten Beispiel werden die Bromidanionen als Reduktionsmittel zu elementarem Brom oxidiert. Die Chloratome wirken als Oxidationsmittel und werden zu Chloridanionen reduziert.

12.3

Redoxgleichungen

Das Aufstellen von Reaktionsgleichungen und das Auffinden der st¨ochiometrischen Koeffizienten bereitet oft Schwierigkeiten, weil die Bilanz bez¨uglich der Atommasse und der Ladungen auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung ausgeglichen sein muss. Redoxreaktionen lassen sich mit Hilfe der Elektronen¨uberg¨ange leicht vervollst¨andigen. Am Beispiel der Ammoniaksynthese aus Wasserstoff und Stickstoff soll die Vorgehensweise erl¨autert werden:

12.3 Redoxgleichungen

169

1. Alle Reaktanden, also Edukte und Produkte, werden aufgef¨uhrt. H2 + N2 → NH3 2. Die Oxidationszahlen der Atome werden ermittelt, um festzustellen, welcher Stoff als Oxidationsmittel und welcher Stoff als Reduktionsmittel wirkt. 0

0

−3+1

H2 + N2 → N H 3 Die molekularen Elemente Wasserstoff und Stickstoff besitzen die Oxidationszahl 0. Im Ammoniakmolek¨ul zeigt das Stickstoffatom die Oxidationszahl −3, w¨ahrend die Wasserstoffatome die Oxidationszahl +1 aufweisen. Daraus l¨asst sich folgern, dass Stickstoff das Oxidationsmittel und Wasserstoff das Reduktionsmittel ist. 3. Oxidations- und Reduktionsreaktion werden getrennt aufgef¨uhrt. 0

+1

0

−3

Oxidationsreaktion: H2 − 2e− → 2 H Reduktionsreaktion: N2 + 6e− → 2 N

In der Oxidationsreaktion werden zwei Wasserstoffatome der Oxidationszahl 0 in zwei Wasserstoffatome der Oxidationszahl +1 u¨ berf¨uhrt und geben dabei zwei Elektronen ab. In der Reduktionsreaktion werden zwei Stickstoffatome der Oxidationszahl 0 unter Aufnahme von sechs Elektronen in zwei Stickstoffatome der Oxidationszahl −3 u¨ berf¨uhrt. Aus der Differenz der Oxidationszahlen der Atome in der Oxidations- und Reduktionsreaktion ermittelt man die Zahl der ausgetauschten Elektronen. Da bei der Reduktion sechs Elektronen verbraucht werden, muss daher die Oxidationsreaktion dieselbe Anzahl an Elektronen, also sechs, zur Verf¨ugung stellen. Die Zahl der abgegebenen Elektronen muss gleich der Zahl der aufgenommenen Elektronen sein. Zum Ausgleich wird die Oxidationsgleichung mit dem Faktor drei multipliziert. 0

+1

Oxidationsreaktion: 3H2 − 6e− → 6 H 0

−3

Reduktionsreaktion: N2 + 6e− → 2 N Eine Addition der beiden Gleichungen ergibt: 0

0

−3+1

3 H2 + N2 → 2 N H 3 In der beschriebenen Weise lassen sich die fehlenden st¨ochiometrischen Koeffizienten einer Reaktionsgleichung mittels der Elektronen¨uberg¨ange bestimmen. Beispiel: Wir vervollst¨andigen folgende Reaktionsgleichung mit Hilfe der Elektronen¨uberg¨ange: − MnO− 4 + N2 H4 → MnO2 + N2 + OH + H2 O

170

12 Redoxreaktionen

Diese Gleichung l¨asst sich durch Probieren (s. Kap. 9.5) kaum vervollst¨andigen, obwohl die Bilanz bez¨uglich der Mangan-, Stickstoff- und Sauerstoffatome und der Ladungen bereits ausgeglichen ist. Der Ausgleich der Wasserstoffatome bereitet Probleme. Bestimmen wir also die Oxidationszahlen. Im Permanganatanion (MnO− 4 ) zeigt das Manganatom die Oxidationszahl +7. Im Reaktionsprodukt MnO2 (Braunstein) besitzt das Manganatom die Oxidationszahl +4. Beim MnO− 4 -Anion handelt es sich offensichtlich um das Oxidationsmittel. Im N2 H4 weisen die Stickstoffatome die Oxidationszahl −2 auf. Die Stickstoffatome wechseln also von der Oxidationzzahl −2 im Edukt zur Oxidationszahl 0 im Reaktionsprodukt N2 . Das Reduktionsmittel ist in diesem Fall N2 H4 . −2

0

Oxidationsreaktion: 2 N − 4e− → N2 +7

+4

Reduktionsreaktion: Mn + 3e− → Mn Nach Multiplikation der Oxidationsreaktion mit dem Faktor drei und Multiplikation der Reduktionsreaktion mit dem Faktor vier, erhalten wir folgende Reaktionsgleichung: − 4MnO− 4 + 3N2 H4 → 4MnO2 + 3N2 + OH + H2 O

Als n¨achstes m¨ussen wir daf¨ur sorgen, dass auf beiden Seiten der Gleichung gleich viele Ladungen auftreten. Ordnen wir den Hydroxidionen auf der rechten Seite den st¨ochiometrischen Koeffizienten vier zu, dann ist auch ein Ausgleich der negativen Ladungseinheiten erzielt. − 4MnO− 4 + 3N2 H4 → 4MnO2 + 3N2 + 4OH + H2 O

Im letzten Schritt muss noch die Zahl der Wasserstoff- und Sauerstoffatome ausgeglichen werden. Mit dem st¨ochiometrischen Koeffizienten vier f¨ur das Wassermolek¨ul auf der rechten Seite lautet die vollst¨andige Reaktionsgleichung: − 4MnO− 4 + 3N2 H4 → 4MnO2 + 3N2 + 4OH + 4H2 O

¨ Ubungsaufgaben zu 12.1 1. Bestimmen Sie, welcher Stoff Reduktionsmittel, und welcher Oxidationsmittel ist. 2SO2 + O2 → 2SO3 3Zn + 8HNO3 → 3Zn2+ + 6NO3 − + 2NO + 4H2O H2 SO4 + 3H2S → 4S + 4H2O 2. Geben Sie die Reduktions- und Oxidationsreaktion folgender Redoxgleichung an. − 2ClO2 + 2OH− → ClO− 2 + ClO3 + H2 O

12.3 Redoxgleichungen

171

zu 12.2 1. Geben Sie die Oxidationszahl an f¨ur: P in AlPO4 S in Na2 S2 O3 S in PbSO4 N in Cu(NO3 )2 2. Welche Oxidationszahl hat das Bromatom in BrF− 6? 3. Bestimmen Sie die Oxidationszahl aller Atome in Mg(ClO)2 und CaWO4 .

zu 12.3 1. Ermitteln Sie die st¨ochiometrischen Koeffizienten folgender Redoxgleichungen. MnO2 + KOH + O2 → K2 MnO4 + H2 O MnO + PbO2 + H2 SO4 → HMnO4 + PbSO4 + H2 O 2. Vervollst¨andigen Sie die Reaktionsgleichungen. Nennen Sie Oxidations- und Reduktionsmittel. + 2+ + SO2− + NO + H O CuS + NO− 2 3 + H → Cu 4 K2 Cr2 O7 + HCl → CrCl3 + KCl + Cl2 + H2 O

13

Elektrochemie 1 – Grundlagen

Die Elektrochemie ist ein Teilgebiet der physikalischen Chemie. Sie besch¨aftigt sich mit der Natur von Elektrolyten, das sind ionenleitende Medien wie z.B. w¨assrige L¨osungen oder Salzschmelzen, und mit den Vorg¨angen an Elektroden, welche mit den Elektrolyten in Ber¨uhrung stehen. Es handelt sich um ein Grenzgebiet zwischen Chemie und Elektritzit¨atslehre mit großem technischen Interesse, das sich mit der gegenseitigen Umwandlung von chemischer und elektrischer Energie besch¨aftigt und damit Vorg¨ange erfasst, bei welchen chemische Reaktionen mit der Wanderung von elektrischen Ladungen oder dem Auftreten von elektrischen Potentialen verbunden sind. Elektrochemische Vorg¨ange sind Oxidations-Reduktions-Vorg¨ange, welche durch Redox-Gleichungen beschrieben werden (s. Kap. 12.3). Die Umwandlung von elektrischer in chemische Energie wird bei der Elektrolyse durchgef¨uhrt, großtechnisch wird z.B. eine Reihe wichtiger Metalle, wie verschiedene Edelmetalle oder Elektrolytkupfer, durch Elektrolyse hergestellt. Weiterhin spielen elektrochemische Vorg¨ange in der Galvanotechnik, z.B. der Lackierung von Autokarosserien, eine große Rolle. Die Konvertierung von chemischer in elektrische Energie erfolgt in galvanischen Zellen, auch die zukunftstr¨achtige Brennstoffzellentechnik basiert auf elektrochemischen Vorg¨angen. Nicht zu¨ letzt spielt die direkte Umwandlung von chemischer in elektrische Energie bei der Ubertragung von Nervenimpulsen in lebenden Organismen eine entscheidende Rolle.

13.1

Strom, Spannung und Widerstand

Der elektrische Strom ist ein Fluss von elektrischer Ladung, im Metall sind die Elektronen Tr¨ager der Ladung. Dabei kann man sich die Elektronen als im Metallgitter frei bewegliches Gas vorstellen (vgl. Kap. 5.3.1), bei Stromfluss durch ein Metall treten auf der Eingangsseite genauso viele Elektronen ein wie auf der Ausgangsseite austreten. Die Einheit der elektrischen Ladung q ist Coulomb (Abk¨urzung: C), die Stromst¨arke I wird in Amp`ere (Abk¨urzung: A) gemessen. 1 Amp`ere entspricht dem Fluss von 1 Coulomb pro Sekunde. Die Stromdichte J ist der Quotient Strom/Fl¨ache. Die elektrische Spannung oder das elektrische Potential stellt die ,,Triebkraft“ f¨ur den Elektronenfluss dar. Je gr¨oßer die Differenz zwischen Elektronenangebot auf der eine Seite des Metalls und dem Elektronenbedarf auf der anderen Seite des Metalls ist, desto gr¨oßer ist die Potentialdifferenz ΔE bzw. die Spannung U und desto gr¨oßer ist der Strom I. Die Einheit der Spannung U ist Volt (Abk¨urzung: V). Der elektrische Widerstand eines Metalls beruht auf den Schwingungen der Metallionen im Metallgitter um ihre Gitterpositionen, hierdurch wird die Elektronenbewegung behindert. Bei Erw¨armung nehmen die thermischen Schwingungen zu und damit steigt im Metall der Widerstand. Bei Abk¨uhlung sinkt bei einer großen Zahl von Metallen der Widerstand unterhalb einer

174

13 Elektrochemie 1 – Grundlagen

Temperatur von 10 K sprunghaft auf einen unmessbar kleinen Wert, man spricht dann von Supraleitung. Je gr¨oßer der Widerstand R desto gr¨oßer ist das Potential um einen definierten Stromfluss sicherzustellen. Nach dem Ohmschen Gesetz ist die Spannung U das Produkt aus Strom I· Widerstand R: U = I · R Die Einheit des Widerstands ist Ohm (Abk¨urzung: Ω). Die elektrische Leitf¨ahigkeit χ ist der Kehrwert des Widerstands. Die Einheit der Leitf¨ahigkeit ist Siemens (Abk¨urzung: S), 1 Siemens = 1/Ω. Damit gilt: 1 A = 1 C/s, 1 C = 1 A s, 1 Ω = 1 V/A, 1 V = 1 Ω A, 1 S = 1/Ω, 1 Ω = 1/S.

13.2

Elektrolytische Leitf¨ahigkeit

Metalle sind Elektronenleiter (s. Kap. 5.3), man bezeichnet sie auch als Leiter I. Klasse; die Elektronenleitung l¨asst den Leiter in unver¨andertem Zustand zur¨uck. In ionenleitenden Medien wie Schmelzen oder Salzl¨osungen werden die Ladungen durch die Ionen transportiert, man bezeichnet daher diese Leiter als Ionenleiter oder auch als Leiter II. Klasse (s. Kap. 5.2). Bei der Ionenleitung bewirkt der Stromfluss eine chemische Ver¨anderung der Ionen. Dies soll am Beispiel eines Stromflusses durch eine Kupfer(II)chlorid-L¨osung dargestellt werden (siehe Abb. 13.1): Der Elektronenfluss in die L¨osung hinein und aus der L¨osung heraus wird durch zwei Elektroden, die nicht mit der L¨osung reagieren, bewirkt. Werden diese 2 Elektroden an eine Gleichspannungsquelle angeschlossen, wird eine Potentialdifferenz zwischen den 2 Elektroden erzeugt, d.h. eine Elektrode ist positiv und die andere Elektrode ist negativ geladen. An der negativ geladenen Elektrode, welche als Kathode bezeichnet wird, werden der L¨osung Elektronen zugef¨uhrt, an der positiv geladenen Elektrode, der Anode werden die Elektronen aus der L¨osung abgezogen. Die positiv geladenen Cu2+ -Ionen werden von der Kathode angezogen, w¨ahrend die negativ geladenen Cl− -Ionen zur Anode wandern. Ein Ladungstransport durch die Grenzfl¨ache Elektrode–Elektrolyt erfolgt nur, wenn an der Kathode die Cu2+ -Ionen 2 Elektronen aufnehmen, dabei entsteht durch Reduktion elementares Kupfer, und gleichzeitig an der Anode 2 Cl− -Ionen ihr Elektron abgeben, dabei entstehen durch Oxidation Chlormolek¨ule (s. Kap. 12.1). Das heißt der Stromfluss bewirkt eine chemische Ver¨anderung der am Ladungstransport beteiligten Ionen, solange Ionen in der L¨osung vorhanden sind, wird ein Strom fließen. Reduktion an der Kathode Oxidation an der Anode Gesamtreaktion1

Cu2+ + 2e− 2Cl− Cu2+ + 2Cl−

→ → →

Cu(f) Cl2(g) + 2e− Cu(f) + Cl2(g)

Elektrode negativ Elektrode positiv

Der Gesamtvorgang wird als Elektrolyse bezeichnet, dabei wird unter Einsatz von elektrischer Energie die Erzeugung von Kupfer und Chlorgas erzwungen. Die elektrolytische Leitung ist abh¨angig von der Beweglichkeit der Ionen in der L¨osung. Je h¨oher die Konzentration und je tiefer die Temperatur2, desto unbeweglicher sind die Ionen; auch die Ionenform beeinflusst die Beweglichkeit. Unterschiedliche Salzl¨osungen leiten den Strom unterschiedlich gut, d.h. sie weisen unterschiedliche elektrolytische Leitf¨ahigkeiten χ auf: 1 (fl)

= fl¨ussig; (f) = fest; (g) = gasf¨ormig Widerstand von Ionenleitern nimmt mit der Temperatur ab.

2 Der

13.3 Elektrochemische Zellen

175

Schwefels¨aure (Stoffmengenkonzentration = 1 mol/l): NaCl-L¨osung (Stoffmengenkonzentration = 1 mol/l):

χ bei 18 ◦ C = 0,366 S/cm χ bei 18 ◦ C = 0,074 S/cm

Im Idealfall ist die Gesamtleitf¨ahigkeit Λ0 3 die Summe der Anionenleitf¨ahigkeit4 λ0− und der Kationenleitf¨ahigkeit λ0+ : Λ0 = λ0+ + λ0−

13.3

Elektrochemische Zellen

Der in Abb. 13.1 dargestellte Versuchsaufbau, bestehend aus einer Elektrolytl¨osung, zwei Elektroden und einer Gleichspannungsquelle wird als Elektrolysezelle bezeichnet.

Abbildung 13.1: Versuchsanordnung zur Elektrolyse einer Kupferchloridl¨osung nach [6]

Ersetzt man eine Elektrode durch eine Zinkelektrode, w¨urde an der Oberfl¨ache der Zinkelektrode folgende Redox-Reaktion spontan, d.h. ohne angelegte Spannung, ablaufen: Cu2+ + Zn(s) → Cu(s) + Zn2+ D.h. Kupfer scheidet sich an der Zinkelektrode ab, gleichzeitig geht das unedlere Zink in L¨osung: Oxidation Reduktion

Zn(s) Cu2+ + 2e−

→ →

Zn2+ + 2e− Cu(s)

3 Λ wird bezogen auf die Elektrolytmenge: Λ = χ /c, der Index 0 steht f¨ ur extrem geringe (= unendliche) Verd¨unnung. Die zugeh¨origen Ionenleitf¨ahigkeiten λ0 werden als Ionengrenzleitf¨ahigkeiten bezeichnet, es handelt sich dabei um die Leitf¨ahigkeiten der Ionen bei unendlicher Verd¨unnung dividiert durch die entsprechende Ionenladung. 4 Beispiel f¨ur Ionengrenzleitf¨ahigkeiten λ0+ bzw. λ0− in w¨assrigen L¨osungen bei 25 ◦ C: Kationen: H3 O+ : − λ0+ = 349,8 (S/eq) cm2 , Na+ : λ0+ = 50,11 (S/eq) cm2 ; Anionen: OH− : λ0− = 197 (S/eq) cm2 , SO2− 4 : λ0 = − − 2 − 2 − 2 80,8 (S/eq) cm , Cl : λ0 = 76,4 (S/eq) cm , CH3 COO : λ0 = 40,9 (S/eq) cm [engl.: equivalent (eq)].

176

13 Elektrochemie 1 – Grundlagen

Die bei der Oxidation von Zink frei werdenden Elektronen werden direkt an der Elektrodenoberfl¨ache an die Kupferionen abgegeben. Der Elektronenfluss kann nicht genutzt werden, da beide Halbreaktionen an der Zinkelektrode ablaufen. Ver¨andert man den Versuchsaufbau nun so, dass die zwei ablaufenden Halbreaktionen an zwei unterschiedlichen Elektroden ablaufen, kann man den elektrischen Strom messen bzw. nutzen. Abbildung 13.2 zeigt eine geeignete Versuchsanordnung.

Abbildung 13.2: Aufbau eines Daniell-Elements nach [6]

Die rechte H¨alfte des Versuchsaufbaus besteht aus einer Zinkelektrode im Kontakt mit einer ZnSO4 -L¨osung, die linke H¨alfte des Versuchsaufbaus besteht aus einer Kupferelektrode im Kontakt mit einer CuSO4 -L¨osung. Die beiden L¨osungen sind durch eine por¨ose (halbdurchl¨assige) Wand (z.B. aus Ton) getrennt, welche eine Vermischung der L¨osungen verhindern, jedoch die Wanderung vor allem der Sulfatanionen zwischen ZnSO4 -L¨osung und CuSO4 L¨osung erm¨oglicht. Sobald die beide Elektroden mit einem Metalldraht verbunden werden, fließen Elektronen von der Zinkelektrode zur Kupferelektrode. Die bei der chemischen Reaktion freigesetzte Energie wird in elektrische Energie umgewandelt, der Versuchsaufbau wird als galvanische Zelle bezeichnet. Bei der beschriebenen galvanischen Zelle handelt es sich um das Daniell-Element5 : Reduktion Oxidation Gesamtreaktion

Cu2+ + 2e− Zn(s) Cu2+ + Zn(s)

→ → →

Cu(s) Zn2+ + 2e− Cu(s) + Zn2+

Elektrode positiv Elektrode negativ

Elektrolysezellen und galvanische Zellen werden als elektrochemische Zellen bezeichnet. Eine elektrochemische Zelle besteht aus zwei r¨aumlich getrennten Elektroden, einem Elektrolyten 5 nach

ihrem Erfinder, dem Engl¨ander J. F. Daniell (1790–1845)

13.4 Elektromotorische Kraft

177

und einem metallischen Leiter, der die beiden Elektroden verbindet. An der Elektrode 1 erfolgt die Halbreaktion 1, an der Elektrode 2 erfolgt die Halbreaktion 2. Elektrode 1 mit Elektrolyt wird als Halbzelle 1 oder Halbelement 1 und Elektrode 2 mit Elektrolyt wird als Halbzelle 2 oder Halbelement 2 bezeichnet. Die Vorg¨ange in elektrochemischen Zellen werden konventionsgem¨aß so dargestellt, dass zuerst die Oxidation (Halbreaktion 1) und dann die Reduktion (Halbreaktion 2) genannt wird. Die Elektrode, an welcher die Reduktion stattfindet, wird als Kathode bezeichnet, und die Elektrode, an welcher die Oxidation stattfindet, wird als Anode bezeichnet, unabh¨angig von der Ladung der Elektroden6. Die Kurzschreibweise f¨ur das Daniell-Element ergibt sich damit wie folgt: Halbreaktion 1 (Halbzelle = Halbelement 1) Oxidation Zn(s) | Zn2+ (a in mol/l) Anode

||

Halbreaktion 2 (Halbzelle = Halbelement 2) Reduktion Cu2+ | Cu(s) (a in mol/l) Kathode

Dabei entsprechen die einfachen senkrechten Striche (|) der Phasengrenze zwischen Metall und Elektrolyt und der doppelte senkrechte Strich (| |) entspricht der Phasengrenze (= semipermeable Membran) zwischen den beiden unterschiedlichen Elektrolytl¨osungen.

13.4

Elektromotorische Kraft

In galvanischen Zellen laufen die Elektrodenreaktionen freiwillig unter Stromlieferung ab. Die zwischen den beiden Elektroden gemessene Potentialdifferenz7 wird als elektromotorische Kraft (= EMK) bezeichnet, die EMK wird in Volt angegeben. Je gr¨oßer die EMK ist, desto gr¨oßer ist die Tendenz zum Ablauf der Redoxreaktion in der elektrochemischen Zelle. Die EMK ist abh¨angig von der Art der beteiligten Substanzen, deren Konzentration und von der Temperatur. Die EMK ist die Differenz zwischen dem Potential der Kathode EKathode und dem Potential der Anode EAnode : EMK = ΔE = EKathode − EAnode Nur wenn EKathode > EAnode l¨auft die Redoxreaktion freiwillig und damit unter Erzeugung von elektrischer Energie ab. F¨ur den Zusammenhang der freien Enthalpie ΔG (s. Kap. 7.3) und der EMK gilt: ΔG = −n · F · EMK n: Mol der bei der Reaktion ausgetauschten Elektronen; F: Faraday-Konstante (= 96 485 C/mol) Da eine chemische Reaktion nur f¨ur ΔG < 0 freiwillig, spontan (exergonisch) abl¨auft, kann eine galvanische Zelle nur Strom liefern, wenn die EMK > 0 ist. 6 Ladung der Kathode: + in galvanischen Zellen und − in Elektrolysezellen; Ladung der Anode: − in galvanischen Zellen und + in Elektrolysezellen. 7 ohne Stromfluss, da sonst der Innenwiderstand der Zelle und die Konzentrations¨ anderungen w¨ahrend der Reaktion einen niedrigeren EMK-Wert ergeben w¨urden.

178

13 Elektrochemie 1 – Grundlagen

Liegen Edukte und Produkte in ihren Standardzust¨anden vor, entspricht die gemessene Potentialdifferenz der Standard-EMK ΔE0 . Bei Standardbedingungen gilt f¨ur Gase und gel¨oste Stoffe, dass deren Aktivit¨at a = 1 ist. F¨ur ideale Gase ist a = 1, wenn der Partialdruck des Gases 101,3 kPa betr¨agt; bei gel¨osten Stoffen bedeutet a = 1, dass a = 1 mol/l ist. Da in stark verd¨unnten L¨osungen der Aktivit¨atskoeffizient f ≈ 1, wird oft die Aktivit¨at a gleich der Stoffmengenkonzentration c gesetzt. Der Standardzustand eines Feststoffes oder einer Fl¨ussigkeit entspricht dem reinen Feststoff bzw. der reinen Fl¨ussigkeit. ΔE0 -Werte werden i. d. R. f¨ur 25 ◦ C angegeben. 0 0 − EAnode Standard-EMK ΔE 0 = EKathode

13.5

Elektrodenpotential

13.5.1

Entstehung

Wird ein Zink-Stab in Wasser eingetaucht, geben einzelne Zinkatome an der Metalloberfl¨ache ihre Valenzelektronen an das Metall ab und gehen als Zn2+ -Ionen in L¨osung: Zn(s)

⇒ Oxidation ⇒ ⇐ Reduktion ⇐

Zn2+ + 2e−

Abbildung 13.3: Elektrische Doppelschicht und Potentialdifferenz an der Phasengrenze Metall/Elektrolyt nach [7]

Es baut sich an der Grenzfl¨ache Metall/L¨osung eine elektrische Doppelschicht8 auf, welche nur einige Atomlagen dick ist. Die zwischen der Metall-Elektrode und der Elektrolyt-L¨osung entstehende Potentialdifferenz wirkt der weiteren Aufl¨osung von Zn-Atomen entgegen, d.h. in 8 wird

oft auch als elektrolytische oder elektrochemische Doppelschicht bezeichnet

13.5 Elektrodenpotential

179

L¨osung vorliegende Zn2+ -Ionen werden wieder reduziert (siehe auch Abb. 13.3). Entspricht die Anzahl der pro Zeiteinheit in L¨osung gehenden Zn-Atome der Anzahl der pro Zeiteinheit abgeschiedenen Zn2+-Ionen, hat sich ein Gleichgewicht mit einem definierten GleichgewichtsPotential eingestellt; das Gleichgewicht und somit das Potential h¨angt von der vor Eintauchen des Stabes vorhandenen Zn2+ -Konzentration in Wasser und von der Temperatur ab. Das Gleichgewichtspotential entspricht dem Elektrodenpotential E, man bezeichnet diese alleine nicht messbare Spannung auch als Galvanispannung oder Galvanipotential. Das Potential, welches sich bei Standardbedingungen einstellt, wird als Standard- oder Normalpotential E0 bezeichnet. Das Elektrodenpotential ist ein Maß f¨ur die Menge an Metallatomen, welche bei Eintauchen des Metalls in einen Elektrolyten bis zum Erreichen des Gleichgewichtszustandes in L¨osung gehen. Unedle Metalle geben mehr Elektronen an das Metall ab als edlere Metalle, d.h. beim Eintauchen von unedleren Metallen in Wasser bildet sich im Gleichgewichtszustand eine h¨ohere Metallionen-Konzentration aus als bei edleren Metallen.

13.5.2

Messung

Eine direkte Messung des Elektrodenpotentials ist nicht m¨oglich, da das auf die Potentialdifferenz ansprechende Messsystem in Kontakt mit beiden Phasen treten muss, dabei bildet sich bei Kontakt des Messinstruments mit dem Elektrolyten wiederum eine Phasengrenze Metall/Elektrolyt aus. An dieser Phasengrenze entsteht nun ebenfalls ein Elektrodenpotential. Daher werden Elektrodenpotentiale nicht absolut sondern relativ gegen eine willk¨urlich ausgew¨ahlte Bezugselektrode gemessen, das Standardpotential der ausgew¨ahlten Bezugselektrode wird gleich Null gesetzt und stellt somit den Ursprung einer Potentialskala dar. Als Bezugselektrode oder Referenzelektrode wird die Normalwasserstoff-Elektrode (NWE) eingesetzt.

Abbildung 13.4: Messaufbau zur Bestimmung des Elektrodenpotentials einer Cu/Cu2+ -Halbzelle mit der Normalwasserstoffelektrode nach [8]

180

13 Elektrochemie 1 – Grundlagen

Eine derartige Elektrode wird realisiert, indem H2 -Gas mit einem Druck von 101,3 kPa eine Platin-Elektrode umsp¨ult, die in eine S¨aurel¨osung mit einer Aktivit¨at der H3 O+ -Ionen von a = 1 mol/l eintaucht, gemessen wird bei einer Temperatur von 25 ◦ C. Folgende Halbreaktion l¨auft in der Wasserstoffelektrode ab: 2H2 O + H2(g)  2H3 O+

0 E(NWE) = 0,00 V

Kurzschreibweise der Normalwasserstoffelektrode: Pt | H2 | H3 O+ In Abb. 13.4 ist schematisch die Messung des Elektrodenpotentials der Cu/Cu2+ -Halbzelle mit der Normalwasserstoffelektrode dargestellt.

13.5.3

Elektrochemische Spannungsreihe

Wird die Normalwasserstoffelektrode mit einer zweiten Halbzelle kombiniert, so erfolgt entweder eine Reduktion oder eine Oxidation an der Phasengrenze H2 | H3 O+ : • Verbindet man die NWE mit der Halbzelle eines unedleren Metalls, wie z.B. mit dem Halbelement Zn/Zn2+, so werden die H3 O+ -Ionen zu H2 umgewandelt, die Konzentration des Elektrolyten sinkt, der H2 -Druck steigt, d.h. die NWE wird zur Kathode, w¨ahrend sich die Zn-Elektrode anodisch aufl¨ost. Anode:

Zn(s) → Zn2+ + 2e−

Kathode: 2H3 O+ + 2e− → H2(g) + 2H2O

In Kurzschreibweise: Zn(s) | Zn2+ (a = 1 mol/l) | | H3 O+ (a = 1 mol/l) | H2(g) (101,3 kPa) | Pt Der senkrechte Doppelstrich (| |) kennzeichnet die Salzbr¨ucke zwischen den beiden Halbzellen, welche die Ionenleitung zwischen den beiden Halbzellen sicherstellen soll. Das gemessene Standardpotential des unedlen Halbelements bekommt ein negatives Vorzeichen. • Verbindet man die NWE mit dem Halbelement eines edleren Metalls, Elements, z.B. Cu/Cu2+ , so wird H2 zu H3 O+ -Ionen umgesetzt, die Konzentration des Elektrolyten steigt, der H2 -Druck sinkt, d.h. die NWE wird zur Anode, w¨ahrend sich Cu kathodisch abscheidet. Anode:

H2(g) + 2H2 O → 2H3 O+ + 2e−

Kathode: Cu2+ + 2e− → Cu(s)

Kurzschreibweise: Pt | H2(g) (101,3 kPa) | H3 O+ (a = 1 mol/l) | | Cu2+ (a = 1 mol/l) | Cu(s) Das ermittelte Standardpotential des edlen Halbelements bekommt ein positives Vorzeichen. Ordnet man die experimentell ermittelten Standardpotentiale der Halbelemente gegen¨uber der Normalwasserstoffelektrode tabellarisch so an, dass die unedleren (negatives Vorzeichen) oberhalb, die edleren (positives Vorzeichen) unterhalb stehen, so erh¨alt man die Elektrochemische Spannungsreihe. Die in der Tabelle 13.1 h¨oher stehenden Halbelemente geben an die tiefer stehenden Elektronen ab, d.h. sie sind Reduktionsmittel und bilden die anodische Seite eines galvanischen Elements. Die in der Tabelle tiefer stehenden Halbelemente nehmen Elektronen von den h¨oher stehenden Halbelementen auf, d.h. sie sind Oxidationsmittel und bilden die kathodische Seite eines galvanischen Elements.

13.5 Elektrodenpotential

181

Das Halbelement mit dem h¨oheren (positiveren) Standardpotential E 0 bildet immer die Kathode in einer galvanischen Zelle. Je gr¨oßer der Potentialunterschied (EMK), umso schneller verl¨auft der elektrochemische Prozess (die Redox-Reaktion). Tabelle 13.1: Die elektrochemische Spannungsreihe (Normalpotentiale bei 25 ◦C)

← ← ← ← ← Oxidierende Wirkung nimmt zu ← ←

← ←



← ← ←

← ←

Reduzierende Wirkung nimmt zu ←





− 3,045 V − 2,925 V − 2,906 V − 2,866 V − 2,714 V − 2,363 V − 1,662 V − 0,828 V − 0,763 V − 0,744 V − 0,440 V − 0,403 V − 0,250 V − 0,136 V − 0,126 V 0,000 V + 0,337 V + 0,521 V + 0,536 V + 0,771 V + 0,799 V + 1,065 V + 1,229 V + 1,330 V + 1,359 V + 1,51 V + 2,87 V



Li K Ba Ca Na Mg Al H2 + 2 OH− Zn Cr Fe Cd Ni Sn Pb H2 + 2 H2 O Cu Cu 2 I− Fe2+ Ag 2 Br− 6 H2 O 2 Cr3+ + 21 H2 O 2 Cl− Mn2+ + 12 H2 O 2 F−



13.5.4

Li+ + e− K+ + e− Ba2+ + 2 e− Ca2+ + 2 e− Na+ + e− Mg2+ + 2 e− Al3+ + 3 e− 2 H2 O + 2 e− Zn2+ + 2 e− Cr3+ + 3 e− Fe2+ + 2 e− Cd2+ + 2 e− Ni2+ + 2 e− Sn2+ + 2 e− Pb2+ + 2 e− 2 H3 O+ + 2 e− Cu2+ + 2 e− Cu+ + e− I2 + 2 e− Fe3+ + 3 e− Ag+ + e− Br2 + 2 e− O2 + 4 H3 O+ + 4 e− + − Cr2 O2− 7 + 14 H3 O + 6 e − Cl2 + 2 e + − MnO− 4 + 8 H3 O + 5 e − F2 + 2 e

Normalpotential E0



Li/Li+ K/K+ Ba/Ba2+ Ca/Ca2+ Na/Na+ Mg/Mg2+ Al/Al3+ Pt/H2 /OH− Zn/Zn2+ Cr/Cr3+ Fe/Fe2+ Cd/Cd2+ Ni/Ni2+ Sn/Sn2+ Pb/Pb2+ Pt/H2 /H3 O+ Cu/Cu2+ Cu/Cu+ Pt/I2 /I− Fe/Fe3+ Ag/Ag+ Pt/Br2 /Br− Pt/O2 /H3 O+ 3+ Pt/Cr2 O2− 7 /Cr − Pt/Cl2 /Cl 2+ Pt/MnO− 4 /Mn − Pt/F2 /F

Elektrodenreaktion Oxidationsmittel ⇔ Reduktionsmittel





Halbzelle

Elektrodenpotential und Konzentration

Wie in Abschn. 13.5.1 ausgef¨uhrt h¨angt das Elektrodenpotential von der Aktivit¨at der Edukte und Produkte ab, welche an der Grenzfl¨ache Elektrode/Elektrolyt vorkommen und von der Temperatur. Walther Nernst hat 1889 f¨ur eine beliebige Halbreaktion der Form: Reduzierte Spezies d·A+c·B d Mol Stoff A + c Mol Stoff B

 

Oxidierte Spezies b · C + a · D + n · e− b Mol Stoff C + a Mol Stoff D + n Mol Elektronen

182

13 Elektrochemie 1 – Grundlagen

die Nernst’sche Gleichung, welche die Konzentrations- und Temperatureinfl¨usse auf das Elektrodenpotential angibt, abgeleitet. Das Elektrodenpotential f¨ur die vorstehende allgemeine Halbreaktion lautet: Elektrodenpotential E = E0 + [(R · T)/(n · F)] · ln [(a(C)b · a(D)a )/(a(A)d · a(B)c )] Die Aktivit¨aten der oxidierten Spezies werden im Z¨ahler ber¨ucksichtigt, die Aktivit¨aten der reduzierten Spezies gehen in den Nenner ein E 0: R: F: n: a: T:

Normalpotential des Halbelementes gemessen gegen die NWE in [V] ideale Gaskonstante R = 8,3144 in [V A s/(K mol)] = [J/(K mol)] Faradaykonstante F = 96 485 [A s/mol] (entspricht der Ladung von 1 Mol e− ) Zahl der bei der Redox-Reaktion ausgetauschten (Mole) Elektronen Aktivit¨at des betrachteten Ions in [mol], kann n¨aherungsweise durch die Stoffmengenkonzentration c ersetzt werden Temperatur des Elektrolyten in [K]

Wird die Messung bei Raumtemperatur (25 ◦ C) durchgef¨uhrt, ergibt sich f¨ur den Term [RT /F] ein Wert von 0,02569 V. F¨uhrt man dann mit Hilfe der Beziehung ln x = ln 10 · lgx = 2, 303 · lgx noch den nat¨urliche Logarithmus in den dekadischen Logarithmus u¨ ber, so ergibt sich folgende Vereinfachung der Nernst’schen Gleichung: E = E 0 + [0,02569 V/n] · 2,303 · lg[(a(C)b · a(D)a )/(a(A)d · a(B)c )] = E0 + (0,0592 V/n) · lg[(a(C)b · a(D)a )/(a(A)d · a(B)c )] Metallionenelektrode In einer Metallionenelektrode ist die Aktivit¨at der reduzierten Spezies, d.h. die Aktivit¨at des Metalls a = 1; das Elektrodenpotential EMetallelektrode einer Metallionenelektrode ergibt sich damit wie folgt: EMetallelektrode = E0 + (0,0592 V/n) · lg[(a(C)b · a(D)a )/1] Ersetzt man die Aktivit¨at a durch die Stoffmengenkonzentrationen c ergibt sich: EMetallelektrode = E 0 + (0,0592 V/n) · lg[(c(C)b · c(D)a )/1]

Beispiele: Halbreaktion

Zn(s)  Zn2+ + 2e−

E0Zn = −0,7628V

EZn = [−0,7628 + (0,0592/2) · lg [c(Zn2+)1 /1]] V

c = 1 mol/l c = 5 mol/l c = 0,001 mol/l

= −0,7628 V EZn = [−0,7628 + 0,0] V EZn = [−0,7628 + 0,0207] V = −0,7421 V EZn = [−0,7628 + (−0,0887)] V = −0,8515 V

13.5 Elektrodenpotential

183

Halbreaktion

Cu(s)  Cu2+ + 2e−

E0Cu = +0,337V

ECu = [+0,337 + (0,0592/2) · lg [c(Cu2+)1 /1]] V

c = 1 mol/l c = 5 mol/l c = 0,001 mol/l

ECu = [+0,337 + 0] V = +0,337 V = +0,3577 V ECu = [+0,337 + 0,0207] V ECu = [+0,337 + (−0,0887)] V = +0,2483 V

Gaselektrode In einer Gaselektrode ist die Aktivit¨at des gel¨osten Gases dem Druck in der Gasphase proportional. Je nachdem, ob das Gas die reduzierte Form oder die oxidierte Form darstellt, geht der Gasdruck9 im Z¨ahler oder im Nenner ein. Beispiel: Halbreaktion

2H2 O + H2(g)  2H3 O+ + 2e−

E0(NWE) = 0,000V

E(WE) = [0 + (0,0592/2) · lg [c(H3O+ )2 /p(H2 )]] V

c = 1 mol/l, c = 0,01 mol/l, c = 1 mol/l,

13.5.5

p = p0 p = p0 p = p0 /10

EWE = [0,000 + 0] V = 0,0 V EWE = [0,000 − 0,1183] V = −0,1183 V EWE = [0,000 + 0,0296] V = +0,0296 V

EMK-Berechnung

F¨ur die elektromotorische Kraft EMK gilt: EMK = EKathode − EAnode Werden zwei Metallionenelektroden miteinander kombiniert, errechnet sich die resultierende EMK wie folgt: 0 EMK =[EKathode + (0,0592 V/nKat. ) · lg c(Men+ )Kathode ] 0 + (0,0592 V/nAn. ) · lg c(Men+ )Anode ] − [EAnode 0 0 − EAnode + (0,0592 V/nKat. ) · lg c(Men+ )Kathode =EKathode − (0,0592 V/nAn. ) · lg c(Men+ )Anode

Unter der Voraussetzung, dass die Zahl der ausgetauschten Elektronen n gleich ist, gilt: EMK =E0Kathode − E0Anode + (0,0592V/n) · (lg c(Men+ )Kathode − lg c(Men+ )Anode ) =E0Kathode − E0Anode + 0,0592V/n · lg (c(Men+ )Kathode /c(Men+ )Anode ) 9 bezogen

auf den Normaldruck von 101,3 kPa

184

13 Elektrochemie 1 – Grundlagen

Ist die Ionenaktivit¨at bzw. Ionenkonzentration in beiden Halbzellen 1 mol/l, so ergibt sich die EMK als Differenz der Standardpotentiale E 0 : EMK = E0Kathode − E0Anode

Beispiele: Daniell-Element

Zn(s) | Zn2+ (a in mol/l) | | Cu2+ | Cu(s) (a in mol/l)

E0Zn = −0,7628V; E0Cu = +0,337V cCu = cZn = 1 mol/l EMK = +0,337 − (−0,7628) V = 1,0998 V cCu = 0,001 mol/l; cZn = 5 mol/l EMK = +0,2483 − (−0,7421) V = 0,9904 V cCu = 5 mol/l; cZn = 0,001 mol/l EMK = +0,3577 − (−0,8515) V = 1,2030V

13.5.6

Konzentrationskette

Sind beide Halbelemente gleicher Art und unterscheiden sich einzig in der Konzentration der beiden Elektrolyte, so tritt ein galvanischer Prozess ein, dessen Ziel der Konzentrationsausgleich beider Elektrolytl¨osungen ist. Dies bedeutet, dass an der Elektrode, mit hoher Elektrolytkonzentration Ionen reduziert werden und an der Elektrode mit niedriger Elektrolytkonzentration Ionen gebildet werden, d.h. die Halbzelle mit hoher Elektrolytkonzentration stellt die Kathode dar, w¨ahrend die andere Halbzelle die Anode ist. Betrachten wir hierzu 2 Cu-Elektroden, die in unterschiedlich konzentrierte CuSO4 -L¨osungen eintauchen (c2 > c1 ), folgende Prozesse laufen ab: Cu(s) → Cu2+ + 2e−

Anode: c(CuSO4 ) = c1

Im Verlauf der Reaktion nimmt die Konzentration von Cu2+ + 2e− → Cu(s)

Kathode: c(CuSO4 ) = c2

Im Verlauf der Reaktion nimmt die Konzentration von

negativer Pol Cu2+ -Ionen

in der L¨osung zu.

positiver Pol Cu2+ -Ionen

in der L¨osung ab.

Kurzschreibweise: Cu | Cu (c1 ) | | Cu | Cu (c2 ) 2+

2+

Da auf der anodischen Seite Cu2+ -Ionen produziert werden, auf der kathodischen Seite durch Entzug von Cu2+ -Ionen SO2− ¨ brigbleiben, muss eine zwischen den Halbelementen be4 -Ionen u findliche Salzbr¨ucke10 die Wanderung der Sulfationen zur Anode hin zulassen. Parallel dazu kann das Volumen der Elektrolytfl¨ussigkeit im anodischen Halbelement auf Grund osmotischer Prozesse deutlich zunehmen. Die EMK der Konzentrationskette ist nur von den Konzentrationen in den beiden Halbzellen abh¨angig, da in beiden Halbzellen das identische Standardpotential gegeben ist (E0Kathode = E0Anode ). Die EMK errechnet sich damit wie folgt: 10 Rohr gef¨ ullt mit einer konzentrierten Salzl¨osung, welche die Stromleitung zwischen den Zellen erm¨oglicht, aber ein Vermischen der beiden Elektrolyte verhindert

13.5 Elektrodenpotential

185

EMK = +(0,0592V/n) · [lg(cKathode /cAnode )] f¨ur c2 = 0, 1 mol/l, c1 = 0, 01 mol/l und n = 2 ergibt sich: EMK = 0,0296 · lg 10 V = 0,0296 V.

¨ Ubungsaufgaben zu 13.3 Formulieren Sie die Elektrodenvorg¨ange an der Anode und an der Kathode bei der Elektrolyse einer w¨assrigen NiCl2 -L¨osung. Formulieren Sie die Prozesse an Anode und Kathode!

zu 13.5 1. Berechnen Sie das Elektrodenpotential einer Normalwasserstoffelektrode bei 25 ◦ C, c = 0,01 mol/l und p = 1013 kPa. 2. Berechnen Sie das Elektrodenpotential einer Ni/Ni2+ -Metallionenelektrode bei 25 ◦ C und c(Ni2+ ) = 0,00001 mol/l. 3. Welche EMK hat die Zelle Zn|Zn2+ (1 mol/l)| |Pb2+ (0,001 mol/l)|Pb?

14

Elektrochemie 2 – Anwendungen

14.1

Elektrolyse

Elektrolyseverfahren haben große technische Bedeutung. Mittels Elektrolyse werden u.a. Chlorgas, Wasserstoff, Natriumhydroxidl¨osung (= Natronlauge), Natrium und andere reaktionsf¨ahige Metalle wie z.B. Kalium, Magnesium oder Aluminium hergestellt. Des weiteren werden hochreine Metalle wie z.B. Elektrolytkupfer durch elektrolytische Raffination aus Rohmetallen gewonnen. Natrium und Chlorgas entsteht bei der Elektrolyse einer Natriumchloridschmelze, an der Kathode bildet sich Natrium und an der Anode entsteht Chlorgas: 2NaCl(l) → 2Na(l) + Cl2(g) Die Elektrolyse einer Natriumchlorid-L¨osung liefert Chlorgas, aber kein Natrium sondern Natriumhydroxidl¨osung. Bedingt durch die Eigendissoziation des Wassers liegen in L¨osung auch H3 O+ - und OH− -Ionen vor, da Natrium ein sehr unedles Metall ist, werden nicht die Na+ -Ionen, sondern die H3 O+ -Ionen entladen: Anode: Kathode: Gesamtreaktion

Elektrode positiv 2Cl− Elektrode negativ 2H2 O + 2e− 2Na+ + 2H2O + 2Cl−

→ → →

Cl2(g) + 2e− H2(g) + 2OH− H2(g) + Cl2(g) + 2OH− + 2Na+

Durch Eindampfen der L¨osung erh¨alt man festes Natriumhydroxid. Zur Gewinnung von Elektrolytkupfer mittels elektrolytischer Raffination wird Rohkupfer (verunreinigt mit Pb, Ag, Au, Ni usf.) in einer saueren Kupfersulfatl¨osung als Anode geschaltet, dabei geht von der Anode Cu2+ in L¨osung und an der Kathode scheidet sich reines Cu (99,99 %) wieder ab (vgl. Abb. 14.1). ¨ Die Abscheidung metallischer (korrosionssch¨utzender) Uberz¨ uge in der Galvanotechnik erfolgt nach dem gleichen Prinzip. Das abzuscheidende Metall stellt die Kathode dar, das zu beschichtende Bauteil wird als Anode geschaltet. Die quantitativen Zusammenh¨ange bei der Elektrolyse wurden von Michael Faraday beschrieben. Das auf ihn zur¨uckgehende Gesetz besagt, dass die abgeschiedene Stoffmenge n proportional der transportierten Ladungsmenge q ist: ,,Werden 96 485 Coulomb durch eine Elektroly¨ sezelle geleitet, so wird an jeder Elektrode die Stoffmenge von 1 Aquivalent umgesetzt“. Die elektrische Ladung q von einem Mol Elektronen betr¨agt: q = 6,022045 · 1023 mol−1 · 1,6022 · 10−19 C = 96485 C/mol. Dies ist die Faraday-Konstante F (F = 96 485 C/mol). Werden 96 485 C durch die Zelle geleitet, so wird eine dieser Elektrizit¨atsmenge entsprechende ¨ (= a¨ quivalente) Stoffmenge umgesetzt. Diese Stoffmenge bezeichnet man als 1 Aquivalent. Die

188

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Abbildung 14.1: Elektrolytische Kupferraffination (Anodenschlamm enth¨alt u. a. Au, Ag und schwerl¨osliches Bleisulfat) nach [8]

¨ ¨ Masse von einem Aquivalent wird als molare Aquivalentmasse bezeichnet: ¨ ¨ molare Aquivalentmasse = molare Masse M/Aquivalentzahl z1 Beispiele: 1 mol Cl− − 1 mol e− → 12 mol Cl2 ; 1 mol Cu2+ + 2 mol e− → 1 mol Cu; 1 mol Al3+ + 3 mol e− → 1 mol Al;

¨ 1 Aquivalent M/z = 35,453 g/mol ¨ 2 Aquivalente M/z = 31,773 g/mol ¨ 3 Aquivalente M/z = 8,994 g/mol

Faradaysches Gesetz: abgeschiedene Masse m = (M/z) · (q/F) Die Ladungsmenge q errechnet sich aus der Stromst¨arke I und der Zeit t: q = I · t Beispiele: 1. Aluminium wird mittels Schmelzflusselektrolyse bei sehr hohen Stromst¨arken hergestellt. In welcher Zeit wird bei einer Stromst¨arke I = 170 kA = 170 000 C/s im Idealfall gerade eine Tonne Aluminium abgeschieden? L¨osung:

es gilt: m = (M/z) · (q/F) = (M/z) · [(I · t)/F] daraus folgt: t = (m · z)/M) · (F/I)

t = (1000 kg mol · 96 485 C s)/(8,994 g · 170 000 C mol) = 63 104 s 1 die

¨ Aquivalentzahl z entspricht meist der Ladung des oxidierten/reduzierten Ions

14.2 Galvanische Zellen

189

2. Mittels Elektrolyse sollen 750 g Cu innerhalb einer Zeit von 400 s abgeschieden werden; wie groß ist die erforderliche Stromst¨arke I ? L¨osung:

es gilt: m = (M/z) · (q/F) = (M/z) · [(I · t)/F] daraus folgt: I = (m · z)/M) · (F/t) I = (750 g mol · 96,485 C)/(31,773 g · 400 s mol) = 5694,35 A

14.2

Galvanische Zellen

Luigi Galvani (1780) und Alessandro Volta (1800) entdeckten die M¨oglichkeit mit Hilfe chemischer Prozesse elektrische Energie zu gewinnen. Elektrochemische Zellen, an deren Elektroden Reaktionen freiwillig unter Stromlieferung ablaufen, werden als galvanische Elemente oder galvanische Zellen bezeichnet. Die an den Polen gemessene Klemmenspannung ist die elektromotorische Kraft EMK (vgl. Kap. 13.4). Galvanische Elemente, welche auch als galvanische Ketten bezeichnet werden, erh¨alt man durch Hintereinanderschalten von zwei geeigneten Halbzellen. Liegt in beiden Halbzellen der gleiche Elektrolyt vor, spricht man von Nass- oder Fullelementen, ¨ in Volta-Elementen enthalten die beiden Halbzellen unterschiedliche Elektrolyte, auch Konzentrationsketten z¨ahlt man zu den Volta-Elementen (vgl. Kap. 13.5.6). Galvanische Zellen k¨onnen wie folgt unterteilt werden: 1. Prim¨arelemente (= Batterien): Batterien sind nicht aufladbar, d.h. die bei der Entladung ablaufende Redox-Reaktion ist irreversibel 2. Sekund¨arelemente (= Akkumulatoren): Akkumulatoren sind aufladbar, d.h. die bei der Entladung ablaufende Redoxreaktion ist reversibel. 3. Brennstoffzellen

14.2.1

Prim¨arelemente (Batterien)

Leclanch´e-Element (Zink-Braunstein-Zelle) Die auf G. Leclanch´e zur¨uckgehende Zink-Braunstein-Zelle bzw. Zink-Kohle-Batterie ist ein lageunabh¨angiges Trockenelement mit folgendem Aufbau: Ein Zinkbeh¨alter, welcher die Anode darstellt, enth¨alt als Elektrolyt eine mit z.B. Mehl oder St¨arke eingedickte, feuchte Paste (Auslaufschutz) aus Ammoniumchlorid und Zinkchlorid, und mittig ist, um einen Graphitstab als Elektronenleiter, Mangandioxid, welches die Kathode darstellt, angeordnet. Folgende Reaktionen laufen beim Entladungsvorgang ab: Anode: Kathode: Elektrolyt: Zellreaktion

Zn 2MnO2 + 2H2O + 2e− − − Zn2+ + 2NH+ 4 + 2OH + 2Cl + − Zn + 2MnO2 + 2NH4 + 2Cl

→ → → →

Zn2+ + 2e− negativer Pol 2MnO(OH) + 2OH− positiver Pol Zn(NH3 )2 Cl2 + 2H2 O 2MnO(OH) + Zn(NH3)2 Cl2

190

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Die an der Anode gebildeten Zn2+ -Ionen reagieren mit dem gebildeten Ammoniak, damit wird die Konzentration der Zink-Ionen an der Anode klein gehalten. Am Ende der Lebensdauer der Zelle sinkt die Zellspannung auf ca. 0.8 V ab, da nun soviel Zn(NH3 )2+ 2 -Ionen vorhanden sind, dass (Zn(NH3 )2 Cl2 ) ausf¨allt und die Stromleitung stark behindert. Das Salz diffundiert von der Anode weg, wenn man die ersch¨opfte Zelle f¨ur einige Stunden vorsichtig erw¨armt, dadurch l¨asst sich das Zellpotential teilweise wiederherstellen, die Spannung steigt wieder auf ca. 1,3 V an. Die Zellspannung einer Zink-Kohle-Batterie betr¨agt ca. 1,5 Volt, die Selbstentladung liegt bei 5–6 % pro Jahr. Werden 6 Zellen in Serie (hintereinander) geschaltet, erh¨alt man eine 9-VoltZink-Kohle-Batterie (E-Block). Alkali-Mangan-Zelle Diese Zelle weist eine 2–8-fach h¨ohere Leistung als Zink-Kohle-Batterien auf. Sie unterscheidet sich von der Zink-Kohle-Batterie durch den Elektrolyten und durch den Aufbau. Als Elektrolyt wird Kaliumhydroxid anstelle von Ammoniumchlorid eingesetzt. Die Zelle ist wie folgt aufgebaut: pulverf¨ormiges Zink vermischt mit dem Elektrolyten aus KOH und Wasser als Anode befindet sich in der Mitte der Batterie, w¨ahrend Mangandioxid als Kathode die Anode umgibt. Ihre Lebensdauer ist l¨anger, weil das Zink nicht mehr der saueren Umgebung ausgesetzt ist, die in der konventionellen Zelle durch die NH+ 4 -Ionen entsteht. Die Ionenbeweglichkeit im Elektrolyten ist groß, auch noch bei tiefen Temperaturen, weiterhin werden an der Kathode entstehende Hydroxid-Ionen an der Anode verbraucht, dies h¨alt die Ionenkonzentration im Elektrolyten konstant und f¨uhrt zu einem konstanten Stromfluss. Alkalizellen sind aber teurer, weil man zus¨atzliches Dichtungsmaterial einsetzen muss, welches das Auslaufen des Hydroxids verhindert. Anode: Kathode: Elektrolyt: Zellreaktion

Zn 2MnO2 + 2H2 O + 2e− Zn2+ + 2OH− Zn + 2MnO2 + 2H2 O

→ → → →

Zn2+ + 2e− negativer Pol − 2MnO(OH) + 2OH positiver Pol Zn(OH)2 2MnO(OH) + Zn(OH)2

Die Zellspannung betr¨agt ebenfalls 1,5 Volt, die Selbstentladung liegt bei 3–5 % pro Jahr. Abbildung 14.2 zeigt den Aufbau einer Alkali-Mangan-Rundzelle. Silberoxid-Zink- und Quecksilberoxid-Zink-Batterien Diese Batterien werden auch als Knopfzellen bezeichnet, sie sind in Lagen aufgebaut: Ein Stahlbecher enth¨alt als Kathode Silberoxid bzw. Quecksilberoxid vermischt mit Graphit zur Erh¨ohung der Leitf¨ahigkeit, Zinkpulver als Anode vermischt mit einer feuchten KOH-Paste als Elektrolyt, stellt die n¨achste Lage dar. Ein Separator (z.B. por¨oses Papier) trennt Ag2 O bzw. HgO von der Zinkanode. Anode: Kathode: oder

Zn + 2OH− HgO + H2 O + 2e− Ag2 O + H2 O + 2e−

→ → →

Zn(OH)2 + 2e− Hg + 2OH− 2Ag + 2OH

negativer Pol positiver Pol

Bei Ag2 O-Batterien ist die Zellspannung ca. 1,55 V, bei HgO-Zellen betr¨agt sie 1,35 V. Die Selbstentladung liegt bei ca. 2–3 % pro Jahr. In Abb. 14.3 ist der Aufbau einer Knopfzelle dargestellt.

14.2 Galvanische Zellen

191

Abbildung 14.2: Aufbau einer Alkali-Mangan-Rundzelle nach [9]

Abbildung 14.3: Schnitt durch eine AgO-Knopfzelle nach [10]

Zink-Luft-Batterie In der Zink-Luft-Batterie wird Luftsauerstoff als Oxidationsmittel eingesetzt. Der Aufbau ist vergleichbar dem Aufbau von Ag2 O- bzw. HgO-Knopfzellen, jedoch fehlt die Kathode. Charakteristisch f¨ur diese Knopfzelle sind die w¨ahrend der Lagerung verklebten Luftl¨ocher. Anode: Kathode:

2Zn + 4OH− O2 + 2H2 O + 4e−

→ →

2Zn(OH)2 + 4e− 4OH−

negativer Pol positiver Pol

Die Zellspannung betr¨agt 1,4 V, die Selbstentladung liegt bei 6-7 % pro Jahr.

192

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Lithium-Batterien Batterien auf der Basis des sehr unedlen Metalls Lithium zeichnen sich dadurch aus, dass deutlich h¨ohere Nennspannungen zu realisieren sind als bei herk¨ommlichen Batterien. Da das sehr unedle Metall Lithium als Anode jedoch mit w¨assrigen Elektrolyten sofort reagieren w¨urde, werden als Elektrolyte organische Systeme, wie z.B. eine Mischung aus Propylencarbonat und Dimethoxyethan (H3 C–O–C2 H4 –O–CH3 ), eingesetzt. Als Kathodenmaterial kommen verschiedene Verbindungen in Betracht: Anode: Kathode: Mangandioxid Zellspannung: 2,8 Volt Kathode: Graphitfluorid (CFx ) Zellspannung: 3,0 Volt

2Li− 2MnO2 + 2e−

→ →

2Li+ + 2e− 2MnO− 2

negativer Pol positiver Pol

CFx + xe−



xC + xF−

positiver Pol

Schwefeldioxid als Kathodenmaterial ergibt als Zellspannung 3,0 V, Thionylchlorid (SOCl2 ) ergibt ein Spannung von 3,6 V, besonders umweltvertr¨aglich ist das System Lithium-Eisensulfid mit einer Spannung von 1,7 V.

14.2.2

Sekund¨arelemente (Akkumulatoren)

Bleiakkumulator (Blei-Bleidioxid-System) Der Bleiakkumulator ist das wichtigste Sekund¨arelement, er wird als Notstromquelle und vor allem als Starterbatterie f¨ur Kraftfahrzeuge eingesetzt. Er ist wie folgt aufgebaut: als Anode wird metallisches Blei und als Kathode wird Bleidioxid verwendet, als Elektrolyt wird Schwefels¨aure eingesetzt. Bleidioxid wird in einem Elektrodenger¨ust aus Hartblei (Pb mit einigen % Sb-Zusatz) in por¨oser Form eingebettet, so wird sichergestellt, dass die elektrochemische Reaktion an einer m¨oglichst großen Oberfl¨ache abl¨auft. Damit steigt die Stromdichte bei gr¨oßeren Stromst¨arken nicht allzu rasch an, d.h. dass die Spannung des Elements auch bei hoher Strombelastung nicht zusammenbricht. Ein Blei-Akku liefert somit hohe Stromst¨arken und ist deshalb als Starterbatterie in Autos einsetzbar. Zur Herstellung der so genannten Masseelektroden wird eine Pb/PbO/PbSO4-Paste mit mehr als 50 Vol-% Wasseranteil in das Hartbleigitter eingestrichen, im folgenden Trockenprozess entsteht durch Wasserverlust die erforderliche Porosit¨at. Die Platten werden dann in S¨aure geladen (Formationsprozess), dabei bildet sich Bleischwamm bzw. por¨oses Bleidioxid. Die Konzentration der als Elektrolyt eingesetzten w¨assrigen Schwefels¨aure liegt zwischen 37,5 Massen-% im geladenen Zustand (Dichte ca. 1,28 g/ml; c ≈ 4,9 mol/l) und ca. 7,5 Massen-%, im entladenen Zustand (Dichte ca. 1,05 g/ml; c ≈ 0,8 mol/l). Der Ladungszustand l¨asst sich u¨ ber die Dichtebestimmung mittels eines Ar¨aometers ermitteln. Bei h¨oheren Konzentrationen des Elektrolyten wird das metallische Blei angegriffen, bei Konzentrationen < 7,5 % ist die Ionenleitf¨ahigkeit zu gering. Folgende Reaktionen laufen beim Entladevorgang bzw. beim Ladevorgang ab: Anode: Pb(s) + 2H3O+ + SO2− → PbSO4(s) + 2H3O+ + 2e− 4 2− + − → PbSO4(s) + 6H2O Kathode: PbO2(s) + 4H3O + 2e + SO4 Entladen:

Pb(s) +PbO2(s) +4H3 O+ +2SO2− 4



2PbSO4(s) + 6H2O

negativ positiv

14.2 Galvanische Zellen

193

Der Entladevorgang ist beendet bevor noch alle aktive Masse in PbSO4 umgewandelt ist, da reines Bleisulfat keine Leitf¨ahigkeit besitzt. Die Ausnutzung der aktiven Masse betr¨agt maximal 80 %, i. d. R. liegt sie bei 50 %. Laden:

Pb(s) + PbO2(s) + 4H3O+ + 2SO2− 4



2PbSO4(s) + 6H2O

Der Akku gast, wenn beim Laden des Akkus kein festes Bleisulfat mehr vorhanden ist. Bei konstantem Strom erh¨oht sich dann sprunghaft die Spannung auf ca. 2,4–2,45 V, es wird Wasser elektrolysiert, dabei wird eine Mischung von O2 und H2 freigesetzt (Wasserverlust). Die Zellspannung betr¨agt ca. 2,0 Volt, (2,06 V im geladenen Zustand bei stromloser Messung). Der weitverbreitete 12-Volt-Akku besteht aus 6 in Serie (Reihe) geschalteten Zellen. Die Selbstentladung des Akkus durch Reaktionen an der Elektrodenoberfl¨ache (z.B. Reaktion zwischen Pb und H2 SO4 usw.) liegt bei 0,1–0,5 % pro Tag. In der Regel liegt die Lebensdauer h¨oher als 1000 Ladezyklen. Die Alterung des Blei-Akkus ist darauf zur¨uckzuf¨uhren, dass in zunehmendem Maße grobk¨orniges Bleisulfat entsteht, welches im Gegensatz zu feink¨ornigem Bleisulfat schwer zu oxidieren bzw. zu reduzieren ist. Dieser Vorgang wird als Sulfatierung bezeichnet. Nickel-Cadmium-Akku Der Ni-Cd-Akku ist ein gasdichter Akku der folgendermaßen aufgebaut ist: Cadmium als Anode und Nickeloxidhydroxid = NiO(OH) als Kathode werden in Elektroden aus perforiertem Stahlblech oder in por¨osen Sinterelektroden aus Ni eingebettet. Als Elektrolyt wird KOH zwischen den Elektroden in einem mikropor¨osen Kunststoffvlies verwendet. Folgende Reaktionen laufen beim Entladen und Laden ab: Anode: Kathode:

Cd + 2OH− 2NiO(OH) + 2H2O + 2e−

→ →

Cd(OH)2 + 2e− 2Ni(OH)2 + 2OH−

Entladen: Laden:

Cd + 2NiO(OH) + 2H2O Cd + 2NiO(OH) + 2H2O

→ ←

Cd(OH)2 + 2Ni(OH)2 Cd(OH)2 + 2Ni(OH)2

negativer Pol positiver Pol

¨ Der Akku muss gegen Gasbildung bei einer Uberladung oder einer Tiefentladung gesch¨utzt ¨ werden. Dies wird erreicht durch ,,Uberdimensionierung“ der Cd-Elektrode (Ladungsreserve ca. 20 %) und durch Zusatz von Cd(OH)2 zur NiO(OH)-Elektrode als antipolare Masse. Die Zellspannung liegt bei 1,2 Volt, die Selbstentladung bei 12–15 % pro Monat. Ein Problem des Ni-Cd-Akkus ist der bei falschem Aufladen auftretende Memory-Effekt, welcher auf die Bildung gr¨oßerer Cd(OH)2 -Kristalle an der Anode zur¨uckgef¨uhrt wird. Weiterhin ist zu ber¨ucksichtigen, dass die Schwermetallbelastung der Umwelt durch Cd aus Ni-Cd-Akkus betr¨achtlich ist, da die R¨ucklaufquote f¨ur Ni-Cd-Akkus nur ca. 65 % betr¨agt. Nickel-Metallhydrid-Akku Die Nickel-Metallhydrid-Zelle (NiMH) kommt ohne giftige Schwermetalle aus, Nickel-Metallhydrid-Akkus zeigen auch nicht den unerw¨unschten Memory-Effekt. Eine NiMH-Zelle besteht aus Nickeloxidhydroxid = NiO(OH) als Kathode und KOH als Elektrolyt. Die Anode besteht aus einer speziellen Metalllegierung aus Ti, Ni mit V, Zr und Cr, diese Metalllegierung speichert Wasserstoff. Zellreaktion: H2 + 2NiO(OH)  2Ni(OH)2

194

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Die Zellspannung liegt bei 1,2 Volt, die Selbstentladung bei 15–17 % pro Monat. Akkumulatoren mit besonders hoher Energiedichte (angegeben in Wh/kg) sind der NatriumSchwefel-Akku mit einer Zellspannung von ca. 2,0 V und der Natrium-Nickelchlorid-Akku mit einer Zellspannung von ca. 2,57 V. Der Na-S-Akku erscheint geeignet als Traktionsbatterie im Elektroauto. Nachteilig ist jedoch die hohe Arbeitstemperatur zwischen 290 ◦ C–350 ◦ C, auch beim Na-NiCl2 -Akku liegt die Betriebstemperatur zwischen 260 ◦ C–370 ◦ C.

14.2.3

Brennstoffzellen

Die Stromerzeugung durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Gas, Kohle oder ¨ in kommerziellen W¨armekraftwerken weist einen elektrischen Wirkungsgrad von maximal Ol 53 % auf: ¨ • Dampfkraftwerk (Kohle- oder Ol-befeuert): Wirkungsgrad bis 43 % • Gasturbinenkraftwerk: Wirkungsgrad bis 35 % • GuD-Kraftwerk: Wirkungsgrad bis 53 % Im GuD-Kraftwerk (Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk) wird mehr als 500 ◦ C heißes Abgas der Gasturbine zur Erzeugung von Dampf f¨ur eine nachgeschaltete Dampfturbine ausgenutzt. In Brennstoffzellen (engl.: Fuel Cell = FC) erfolgt eine direkte Umwandlung der chemischen Energie der Brennstoffe in elektrische Energie, es handelt sich also um eine kalte Verbrennung. Theoretisch betr¨agt der elektrische Wirkungsgrad 100 %, technisch realisierte Brennstoffzellen weisen elektrische Wirkungsgrade bis zu 70 % auf. In der Brennstoffzelle wird das Prinzip der Wasserelektrolyse umgekehrt: aus Sauerstoff und Wasserstoff entsteht direkt – also ohne thermischen Zwischenschritt – Wasser. Da es sich nicht um eine ,,heiße“ Verbrennung handelt, sind die Schadstoffemissionen sehr gering. An zwei Elektroden wird dabei elektrische Leistung bereitgestellt: 2H2 + O2 → 2H2 O + Elektrische Energie Prinzipiell besteht eine Brennstoffzelle aus 2 Elektroden, der Kathode und der Anode, sowie einem Elektrolyten. Die Brennstoffzelle kann mit Wasserstoff, CO, Methan, Reformergas (s. S. 196) oder Methanol als Brennstoff und Sauerstoff als Oxidationsmittel betrieben werden. Nachfolgend wird der Reaktionsablauf bei der Wasserstoffoxidation dargestellt: Anode: Kathode:

H2 + 4OH− O2 + 2H2 O + 4e−

Gesamtreaktion:

2H2 + O2

→ →

4H2 O + 4e− 4OH− →

negativer Pol positiver Pol

2H2 O

Zur Erzeugung von hohen Stromdichten m¨ussen die drei Phasen Reaktionsgas, Elektrolyt und Elektrodenmaterial in engen Kontakt gebracht werden. Dies erfolgt bei der PolymermembranBrennstoffzelle (PEFC) an einer Polymermembran, welche den Elektrolyt darstellt: die Membran ist beidseitig mit einem Katalysator (Pt) und Elektroden beschichtet, die Membran ist im

14.3 Korrosion

195

nassen Zustand protonenleitend und als Elektroden-Membran-Elektroden-Einheit das zentrale Bauelement der FC (siehe Abb. 14.4). An den Katalysatoren laufen in der Reaktionszone zwischen Gasdiffusionselektrode und Polymermembran die anodische und kathodische Teilreaktion ab. PEFCs weisen hohe Stromdichten auf, sie werden in Prototypen von Brennstoffzellenfahrzeugen eingesetzt.

Abbildung 14.4: Funktionsweise einer Brennstoffzelle (Brennstoff: Wasserstoff, Oxidationsmittel: Luftsauerstoff) nach [8]

Bei Brennstoffzellen unterscheidet man zwischen Niedertemperaturbrennstoffzellen (Betriebstemperaturen bis 200 ◦ C), welche insbesondere f¨ur den mobilen Einsatz (Elektroauto) und dezentrale Anwendungen z.B. in kleinen Blockheizkraftwerken eingesetzt werden k¨onnten, und Hochtemperaturbrennstoffzellen (Betriebstemperaturen bis 1000 ◦ C), welche f¨ur station¨are Anwendungen wie z.B. Kraftwerke mittlerer Gr¨oße geeignet sind. Brennstoffzellen werden entsprechend des verwendeten Elektrolyten in verschiedene Typen unterteilt (siehe Tabelle 14.1). Brennstoffzellen als Alternative zu herk¨ommlichen Methoden der Energieversorgung sind momentan preislich noch nicht konkurrenzf¨ahig; jedoch wird angenommen, dass gegen 2010 diese Konkurrenzf¨ahigkeit in bestimmten Bereichen gegeben ist (Fahrzeugantrieb, dezentrale Energieerzeugung in kleineren Anlagen).

14.3

Korrosion

Korrosionsvorg¨ange spielen sich an der Oberfl¨ache eines Werkstoffs ab. Durch Reaktion des Werkstoffes mit dem ihn umgebenden Medium erfolgt eine qualit¨atsmindernde Ver¨anderung des Werkstoffes. Nach DIN 50900 T1 versteht man unter Korrosion eine von der Oberfl¨ache ausgehende, durch unbeabsichtigten chemischen oder elektrochemischen Angriff hervorgerufene qualit¨atsmindernde Ver¨anderung eines metallischen Werkstoffs. Korrosion f¨uhrt zu betr¨achtlichen wirtschaftlichen Einbußen; die j¨ahrlich entstehenden Kosten werden auf 2–4 % des Bruttosozialproduktes gesch¨atzt.

196

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Tabelle 14.1: Charakteristika verschiedener Brennstoffzellentypen (Bz) Typ

Betriebstemperatur

Elektrolyt

Ladungstr¨ager

Brennstoff

Wirkungsgrad

alkalische Bz ABz PolymerMembran Bz PEBz Phosphorsaure Bz PABz∗∗ Karbonatschmelzen Bz MCBz Festkeramik Bz SOBz

50–90 ◦ C

KOH

OH−

H2

50–65 %

60–90 ◦ C

PolymerMembran

H+

50–60 %

200 ◦ C

Phosphors¨aure

H+

H2 , Re-Gas∗ , Methanol H2 , Re-Gas*

650 ◦ C

Calciumcarbonat

CO2− 3

H2 , CH4

45–60 %

850– 1000 ◦ C

ZrO2

O2−

H2 , CH4 Kohlegas

50–60 %

U [Volt]

0,8

35–45 %

∗ Re-Gas = Reformergas: Gemisch aus Wasserstoff und Kohlendioxid. Herstellung erfolgt in 2 Schritten z.B. CH4 + 2H2 O → CO + 4H2 ; CO + H2 O → CO2 + H2 . ∗∗ Aufbau: zwei por¨ ose mit Platinkatalysatoren belegte Graphitelektroden, dazwischen eine Matrix beladen mit phosphorsauerem Elektrolyten.

Je nachdem in welcher Form das die Werkstoffoberfl¨ache angreifende Medium vorliegt unterscheidet man zwischen Gaskorrosion und elektrochemischer Korrosion.

14.3.1

Chemische und elektrochemische Korrosion

Gaskorrosion Bei der Gaskorrosion erfolgt die (oberfl¨achliche) Ver¨anderung des metallischen Werkstoffs durch die Reaktion mit heißen (trockenen) Gasen. Von Zunderung spricht man bei der Reaktion des Metalls mit oxidierenden Gasen wie z.B. Sauerstoff. Die dabei entstehenden, weitgehend porenfreien Metalloxidschichten werden auch als Zunderschichten, diese verhindern meist die Korrosion des darunter befindlichen Metalls, stellen also einen wirksamen Korrosionsschutz dar. Elektrochemische Korrosion Eisen korrodiert bei geringen Luftfeuchtigkeiten kaum. In Anwesenheit von Wasser oder falls die Luftfeuchtigkeit > 70 % ist, korrodiert Eisen jedoch sehr schnell. Dies ist darauf zur¨uckzuf¨uhren, dass sich die Metalloberfl¨ache dann wie eine (oder viele) kurzgeschlossene elektrochemische Zelle verh¨alt. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Eisen ist mit Kupfer mittels einer Schraube oder Niete leitend verbunden. Beide Metalle stehen in Kontakt mit demselben w¨assrigen Elektrolyten, welcher durch Kontakt mit der Luft auch Spuren von Luftsauerstoff enth¨alt. Man beobachtet, dass Eisen, welches unedler als Kup-

14.3 Korrosion

197

fer ist, einem verst¨arkten Metallabtrag unterliegt. An der Fe-Oberfl¨ache wird Fe zu Fe2+ oxidiert, d.h. Eisen stellt die Anode dar. Der im Metall erzeugte Elektronen¨uberschuss, welcher als Anodenstrom oder auch anodischer Teilstrom bezeichnet wird, fließt zum edleren Kupfer; dort erfolgt die Kathodenreaktion, der Elektronenstrom wird als Kathodenstrom oder kathodischer Teilstrom bezeichnet. Ist die L¨osung sauer (pH ≤ 4) bildet sich u¨ ber die Reaktion 2H3 O+ + 2e− → H2(g) + 2H2O bevorzugt Wasserstoff. In schwachsaueren, neutralen und basischen Elektrolyten werden die Elektronen vor allem durch die Reduktion von im Elektrolyten gel¨ostem Sauerstoff verbraucht: O2(g) + 2H2 O + 4e− → 4OH− . Die entstehenden Hydroxid-Ionen reagieren mit den freigesetzten Fe2+ -Ionen, es bildet sich schwerl¨osliches Eisen(II)hydroxid, welches anschließend durch im Elektrolyten vorhandenen Sauerstoff zum Teil zu Fe(III)hydroxid weiteroxidiert wird. Je nach Art der Kathodenreaktion unterscheidet man zwischen S¨aurekorrosion (pH ≤ 4) oder Sauerstoffkorrosion (pH ≥ 4): S¨aurekorrosion (pH ≤ 4) Anode: Fe → Fe2+ + 2e− + − Kathode: 2H3 O + 2e → H2(g) + 2H2O

Sauerstoffkorrosion (pH ≥ 4) 2Fe → 2Fe2+ + 4e− − O2(g) + 2H2O + 4e → 4OH−

Da Regenwasser i. d. R. einen pH > 4 aufweist und genauso wie Oberfl¨achenwasser Sauerstoff in gel¨oster Form enth¨alt, unterliegen Metalle in der Umwelt haupts¨achlich der Sauerstoffkorrosion. Alle Metalle mit einem Standardpotential von E 0 < +0, 82 V werden korrodiert; auch dabei bilden sich bei vielen Metallen porenfreie Metalloxidschichten, welche zum Teil nur einige Nanometer dick sind. Diese Schichten verhindern einen weiteren korrosiven Angriff, man bezeichnet diese Schichten daher auch als Passivschichten. Erfolgt die Anoden- und die Kathodenreaktion auf der Metalloberfl¨ache nicht am gleichen Ort, sondern an verschiedenen Stellen, spricht man von Korrosionselementen, sind die Elektrodenoberfl¨achen sehr klein (A < mm2 ) spricht man von Lokalelementen. In DIN 50900 T2 werden Korrosionselemente definiert als ,,Galvanische Elemente mit o¨ rtlich verschiedenen Teilstromdichten f¨ur den Metallabtrag“. Die Ursachen der Ausbildung anodischer und kathodischer Stellen auf der Metalloberfl¨ache k¨onnen sein: • Unterschiedliche Metalle, welche leitend miteinander verbunden sind (Makroelemente) • Gef¨ugeinhomogenit¨aten im Metall oder ungleichm¨aßige Metallbedeckung (Mikro- oder Lokalelemente) • o¨ rtlich verschiedene Elektrolytkonzentrationen

14.3.2

Korrosionsarten

Sind unterschiedliche Metalle leitend miteinander verbunden, erfolgt in Anwesenheit eines Elektrolyten Kontaktkorrosion. Gef¨ugeinhomogenit¨aten in Messing (Legierung aus 30 % Zn und 70 % Cu) mit lokalen CuGehalten > 50 Massen-% bewirken, dass Zn als unedleres Metall herausgel¨ost wird (Entzinkung).

198

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Lochfraßkorrosion (auch: Lochkorrosion) und Spaltkorrosion sind i. d. R. auf o¨ rtlich unterschiedliche Elektrolytkonzentrationen zur¨uckzuf¨uhren. In beiden F¨allen unterscheidet sich die O2 -Konzentration an der Anode und an der Kathode, die O2 -Konzentration an bzw. in der N¨ahe der Grenzfl¨ache Tropfen/Luft ist gr¨oßer als im Zentrum des Tropfens bzw. am tiefsten Punkt des Spaltes: Lochkorrosion, welche z.B. an einer schlecht passivierten Metalloberfl¨ache unter einem Wassertropfen auftreten kann, l¨asst sich unter Anwendung der Kurzschreibweise f¨ur ein galvanisches Element wie folgt beschreiben: Fe | Fe2+ | | O2(g) | OH− Anode: Zentrum Tropfen

Kathode: Grenzfl¨ache Luft/Wasser

Die Phasengrenze ist nicht exakt lokalisierbar, im Tropfen entsteht sie durch die langsame O2 Diffusion von der Oberfl¨ache in die Mitte des Tropfens. Als Korrosionsprodukt entsteht Rost, ein Gemisch aus Eisen(II)oxid, Eisen(III)oxid und unterschiedlichen Mengen Wasser welches durch die Formel (x·FeO·y ·Fe2 O3 ·z ·H2 O) n¨aherungsweise beschrieben werden kann. Der Mechanismus der Lochkorrosion ist in Abb. 14.5 dargestellt.

Abbildung 14.5: Lochkorrosion an einer Eisenoberfl¨ache nach [8]

14.3.3

Korrosionsschutz

Korrosionsschutz umfasst alle Maßnahmen, die Korrosion verhindern oder die Korrosionsrate reduzieren. Methoden mit dem Ziel die Metalloberfl¨ache vom korrosiven Medium durch Aufbringen einer Schutzschicht zu isolieren, werden als passiver Korrosionschutz bezeichnet. Aktiver Korrosionsschutz umfasst Methoden ohne Aufbringen einer sch¨utzenden Schicht. Passiver Korrosionsschutz Die aufgebrachten Schichten k¨onnen sein: • Metalle: z.B. Zn, Au, Sn, Cr, . . . Zn-Schichten lassen sich entweder durch Eintauchen des Werkst¨ucks in eine Zinkschmelze (Feuerverzinken) oder galvanotechnisch erzeugen. In der Galvanotechnik wird das zu

14.3 Korrosion

199

verzinkende Werkst¨uck als Kathode geschaltet, als Elektrolyt wird ZnSO4 -L¨osung vorgelegt und die Anode besteht aus Zn. • Oxide, Phosphate, Keramik: Aluminiumwerkst¨ucke werden sehr oft ,,anodisiert“, dabei bilden sich 5–150 μ m dicke Al2 O3 -Schutzschichten auf der Metalloberfl¨ache aus, welche auch als Eloxalschichten bezeichnet werden. Diese Schichten werden durch elektrolytische Oxidation von Aluminiumoxid erzeugt (Eloxal). Die Oxidation erfolgt in 20-%iger Schwefels¨aure, das Aluminiumwerkst¨uck wird als Anode geschaltet. • Organische Materialien wie Lacke oder Kunststoffe Aktiver Korrosionsschutz Zum aktiven Korrosionsschutz z¨ahlt der kathodische Korrosionsschutz. Beim kathodischen Korrosionsschutz wird das zu sch¨utzende Metall durch Kombination mit einem geeigneten unedleren Metall zur Kathode gemacht. Als Anode findet Magnesium oder sehr reines Zink Verwendung. Das Anodenmaterial ist mit dem zu sch¨utzenden Bauteil leitend verbunden, Bauteil und Anode befinden sich im Boden, als Elektrolyt wirkt die Bodenfeuchtigkeit, die gesamte Anordnung entspricht einem kurzgeschlossenen galvanischen Element: Anode: Kathode:

Zn O2(g) + 2H2O + 4e−

→ →

Zn2+ + 2e− 4OH−

Die Anode verbraucht sich mit der Zeit und wird daher auch als Opferanode bezeichnet, der Ablauf der Reaktion ist in Abb. 14.6 dargestellt.

Abbildung 14.6: Korrosionsschutz einer Rohrleitung mittels einer Mg-Opferanode nach [8]

Zink-Schichten ¨ Zn-Uberz¨ uge auf Stahl isolieren die Metalloberfl¨ache vom korrosiven Medium, zus¨atzlich wird durch Ausbildung einer Deckschicht von basischem Zinkcarbonat (ZnCO3 ·3Zn(OH)2 ) ein oxidativer Angriff des unedlen Zinks verhindert.

200

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Bei mechanischer Sch¨adigung der Verzinkung bildet sich an der gesch¨adigten Stelle ein galvanisches Element aus einer Zink-Anode, einer Eisenkathode und einem O2 -haltigen Elektrolyten. Zn geht als Zn2+ in L¨osung, stellt somit die Opferanode dar, an der Fe-Kathode werden OH− -Ionen erzeugt, Zn2+ und OH− -Ionen bilden eine Zinkhydroxidschicht (siehe Abb. 14.7).

Abbildung 14.7: Korrosionssch¨utzende Wirkung einer Verzinkung nach [8]

14.4

Potentiometrie

In der Potentiometrie erfolgt mittels einer elektrochemischen Potentialmessung (ohne Stromfluss) die Bestimmung der Menge eines gel¨osten Stoffes. Die Potentiometrie spielt bei der Messung des pH-Wertes (s. Kap. 11.1.2) eine große Rolle, mittels entsprechender ionenselektiver Elektroden lassen sich auch die Aktivit¨aten bzw. Konzentrationen anderer Ionen (z.B. Fluorid, Chlorid, Bromid, Cyanid, Cadmium, Blei, Cu) in L¨osung messen. Es sind auch Elektroden zur potentiometrischen Bestimmung von gel¨osten Gasen wie z.B. O2 , CO2 , SO2 , NO2 , oder NH3 verf¨ugbar.

14.4.1

Messung des pH-Wertes

Der pH-Wert eines Elektrolyten mit unbekannter H3 O+ -Ionenkonzentration l¨asst sich messen, indem man eine Wasserstoffhalbzelle mit der L¨osung unbekannter H3 O+ -Ionenkonzentration mit einer Normalwasserstoffelektrode kombiniert. Werden in beiden Halbzellen die beiden elektronenableitenden Pt-Elektroden mit H2 -Gas unter einem Druck von 101,3 kPa umsp¨ult, so unterscheiden sich die beiden Halbzellen nur durch die Aktivit¨at der H3 O+ -Ionen, d.h. es liegt eine Konzentrationskette vor (siehe Kap. 13.5.6). Kurzschreibweise der Konzentrationskette (falls c(H3 O+ )unbekannt < 1 mol/l): Pt | H2(g) (101,3 kPa) | H3 O+ (cunbekannt ) | | H3 O+ (1 mol/l) | H2(g) (101,3 kPa) | Pt F¨ur die Zellspannung gilt bei 25 ◦ C: EMK = +0,0592/1 · lg(c(H3O+ )unbekannt /1) V Da definitionsgem¨aß der pH = − lg c(H3 O+ ) gilt: EMK = −0,0592 · pHunbekannt V

bzw.: pH = EMK/0,0592 V

14.4 Potentiometrie

201

Abbildung 14.8: Aufbau einer Glaselektrode nach [8]

Zur pH-Messung wird heute jedoch fast ausschließlich die Glaselektrode verwendet. Sie besteht aus einer kleinen, d¨unnwandigen Glaskugel (Wandst¨arke: einige Mikrometer), in der sich eine Pufferl¨osung bekannten pH-Wertes befindet (siehe Abb. 14.8). Beim Eintauchen der Glaselektrode in eine L¨osung mit einem anderen pH-Wert, entsteht an der a¨ ußeren Quellschicht der Glasmembran ein Potential, welches fast ausschließlich durch die Konzentration an Wasserstoffionen bestimmt ist. Dieses pH-abh¨angiges Potential kann u¨ ber den Innenpuffer und die innere Ableitungselektrode mit dem konstanten Potential einer sogenannten Bezugselektrode (z.B. Ag/AgCl, Elektrolyt KCl) verglichen werden. Die gemessene Potentialdifferenz ist ein direktes Maß f¨ur den pH der Messl¨osung. In den heute meist verwendeten Einstabmessketten sind Glaselektrode und Bezugselektrode in einer Einheit zusammengefasst. Dabei dient das Diaphragma als Salzbr¨ucke. Die Elektrode muss immer u¨ ber das Diaphragma hinaus eingetaucht werden. Glaselektroden sind u¨ ber einen großen Konzentrationsbereich hoch ionenselektiv, d.h. sie sprechen nur auf Wasserstoffionen an.

14.4.2

Messung des O2 -Gehalts

Der O2 -Gehalt einer L¨osung (z.B. Abgas oder auch Metallschmelze) l¨asst sich potentiometrisch mit Hilfe einer Zirkoniumdioxid-Messzelle durch Vergleich mit dem O2 -Gehalt in reiner Luft (20,8 %) messen. Die elektrochemische Messzelle besteht aus aus einer ZirkoniumoxidKeramik (= Festk¨orperelektrolyt), welche mit Yttrium zur Erzeugung von Gitterfehlern (O2− Leerstellen) dotiert ist. Der Festk¨orperelektrolyt ist beidseitig mit einer por¨osen Platinschicht versehen, die die Elektroden des Systems bildet. Ab einer Temperatur von 400 ◦ C wird der Festk¨orperelektrolyt zum Ionenleiter, d.h. O2− -Ionen k¨onnen im Gitter wandern. Folgende Reaktionen laufen ab: Anode: O2 -Gehalt< 20,8 %

2O2−



O2 + 4e−

negativer Pol

Im Verlauf der Reaktion nimmt der O2 -Gehalt < 20,8 % der L¨osung zu. Kathode: O2 -Gehalt= 20,8 %

O2 + 4e−



2O2−

Im Verlauf der Reaktion nimmt der O2 -Gehalt der L¨osung ab.

positiver Pol

202

14 Elektrochemie 2 – Anwendungen

Kurzschreibweise: Pt | O2− | O2 (O2 -Gehalt < 20,8 %) | | O2 | O2− (O2 -Gehalt = 20,8 %) | Pt Es handelt sich ebenfalls um eine Konzentrationskette. Gibt man den O2 -Gehalt durch den Sauerstoffpartialdruck an, gilt f¨ur die Zellspannung: EMK = (R · T )/(4F) · 2,303 · lg[p(O2 Luft )/p(O2 Abgas )] Die Zellspannung nimmt mit fallendem Sauerstoffgehalt im Messgas zu. Sauerstoffgehalte von bis zu 10−16 bar k¨onnen noch erfasst werden. Der Hauptvorteil dieses Messprinzips liegt in der sehr guten Eignung f¨ur Verbrennungsprozesse bei Temperaturen bis zu 1600 ◦ C. Weiterhin wird die Sonde in chemischen und petrochemischen Prozessen, der Keramik- und Glasproduktion und auch bei der Bestimmung des O2 -Gehalts in Reinstgasen eingesetzt.

Abbildung 14.9: Schema einer Lambda-Sonde (Zirkoniumdioxid-Messzelle) nach [11]

14.4 Potentiometrie

203

¨ Ubungsaufgaben Zu 14.1 1. Magnesium gewinnt man aus einer Magnesiumchlorid-Schmelze bei 700 ◦ C. Wie lange ben¨otigt man zur elektrolytischen Gewinnung von Magnesium bei einer Elektrolysestromst¨arke von 90 000 A und welches Volumen an Chlorgas entsteht dabei als Nebenprodukt (bei 25 ◦ C und p = 101,3 kPa)? 2. Formulieren Sie die Elektrodenvorg¨ange an der Anode und an der Kathode bei Verkupferung eines Stahlbauteils. 3. Rechteckige Stahlbauteile der Abmessung 100 mm · 20 mm · 10 mm sollen vollst¨andig mit einer Kupferschicht der Dicke 50 μ m (= 50 · 10−6 m) beschichtet werden. Wie lange ben¨otigt man zur Erzeugung dieser Schicht bei einer Elektrolysestromst¨arke von 7,5 A (Dichte von Kupfer: ρ = 8,92 g/cm3).

Zu 14.2 Der Ladungszustand eines Bleiakkumulators l¨asst sich aus der Konzentration der als Elektrolyt dienenden Schwefels¨aure ermitteln. Im geladenen Zustand betrage die Konzentration der Schwefels¨aure c(H3 O+ ) = 4,9 mol/l, das Schwefels¨aurevolumen sei 1 Liter. 1. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung des Entladevorgangs. 2. Berechnen Sie welche Konzentration die Schwefels¨aure nach der Entnahme von 350 000 C aufweist.

Zu 14.4 Wie hoch ist die Konzentration an OH− -Ionen einer unbekannten L¨osung, wenn ein pH-Meter bei 25 ◦ C eine EMK von −0,786 V anzeigt und wie viel Mol OH− -Ionen sind in 500 ml der L¨osung enthalten?

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben Kapitel 2 zu 2.1 1. a) Nukleonen (Protonen und Neutronen), b) Elektronen 2. Summe aus Protonen- und Neutronenzahl 3. Zahl der Protonen im Atomkern, und Stelle im Periodensystem (Ordnungzahl) 4. 45 Sc: 21 232 Th: 90 84 Kr: 36

p+ 21 90 36

e− 21 90 36

n 24 142 48

5. Ordnungszahl Protonenzahl Neutronenzahl Elektronenzahl

12 C

70 Ge

72 Ge

206 Pb

6 6 6 6

32 32 38 32

32 32 40 32

82 82 124 82

6. Beschuss einer d¨unnen Goldfolie mit He2+ -Teilchen. Die Auswertung der Ergebnisse des Streuversuchs lieferte ein neues Atommodell. Ein Atom besteht aus einem Atomkern und einer Atomh¨ulle. Die Elektronen der H¨ulle kreisen um den Kern wie Planeten um die Sonne. An der Goldfolie findet eine st¨arkere Streuung statt. Die gr¨oßere Kernladung verursacht eine gr¨oßere Ablenkung der α -Strahlen.

zu 2.2 1. Isotope besitzen die gleiche Protonenanzahl, aber eine unterschiedliche Neutronenzahl. 2.

235 U 92

besitzt 143 Neutronen und 238 92 U besitzt 146 Neutronen.

3. Die relative Atommasse des unbekannten Elements ergibt sich aus: 0,601 · 68,926 + 0,399 · 70,925 = 69,79. Das Element mit der relativen Atommasse 69,72 ist Gallium (31 Ga).

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

206

zu 2.3 1. Die Elektronenh¨ulle des Atoms erf¨ahrt eine Ver¨anderung. 2. Das Bohrsche Modell beschreibt diskrete Elektronenbahnen auf denen Elektronen strahlungsfrei existieren k¨onnen. Es postuliert Spr¨unge zwischen diesen Bahnen, die unter Aussendung elektromagnetischer Strahlung ablaufen.

3. E = h · ν = h · c/λ = 6,63 · 10−34 J s · 3 · 108 m s−1 /720 · 10−9 m = 2,76 · 10−19 J

zu 2.4 1. Mit p · λ = h gilt: λ = h/p = h/m · v

λ = 6,63 · 10−34 kg m2 s−1 /9,1 · 10−31 kg · 2,18 · 106 m s−1 = 3,34 · 10−10 m = 334 pm Es handelt sich um eine sehr kleine Wellenl¨ange (R¨ontgenbereich, γ -Strahlen). 2. Ein Orbital ist ein Aufenthaltsbereich in dem sich maximal zwei Elektronen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufhalten. 3. Die 3. Schale (M-Schale) kann maximal 18 Elektronen aufnehmen (2 s-, 6 p- und 10 d-Elektronen) 4. Die Hauptquantenzahl entspricht der Elektronenschale im Bohrschen Atommodell. 5. Alle Elektronen in einem Atom m¨ussen sich mindestens in einer Quantenzahl unterscheiden. 6. Orbitale gleicher Energie werden zun¨achst mit einem Elektron besetzt. Wenn alle energetisch gleichwertigen Orbitale einfach besetzt sind, werden die Orbitale mit einem zweiten Elektron entgegengesetzten Spins aufgef¨ullt.

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben 7. Ein Aluminiumatom besitzt 13 Elektronen. m s e− n l 1 1 0 0 +1/2 2 1 0 0 −1/2 3 2 0 0 +1/2 4 2 0 0 −1/2 5 2 1 +1 +1/2 6 2 1 0 +1/2 7 2 1 −1 +1/2 8 2 1 +1 −1/2 9 2 1 0 −1/2 10 2 1 −1 −1/2 11 3 0 0 +1/2 12 3 0 0 −1/2 13 3 1 +1 +1/2 8. Ein Fluoratom besitzt 7 Valenzelektronen. e− n l m s 1 2 0 0 +1/2 2 2 0 0 −1/2 3 2 1 +1 +1/2 4 2 1 0 +1/2 5 2 1 −1 +1/2 6 2 1 +1 −1/2 7 2 1 0 −1/2

zu 2.5 1.

17 Cl:

1s2 2s2 2p6 3s2 3p5

207

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

208

2.

23 V:

1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 3 4s2

15 P:

1s2 2s2 2p6 3s2 3p3

20 Ca: 22 Ti:

1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s2

1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d 2 4s2

3. Stabile Elektronenkonfiguration eines Edelgases mit abgeschlossener Schale. 4. Es handelt sich um das Element Zink (30 Zn). 5. K+ (18 Elektronen): 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 (Elektronenkonfiguration des Argons) Isoelektronische Teilchen: Ar, P3− , S2− , Cl− , Ca2+ , Sc3+

Kapitel 3 zu 3.1 1. Das Periodensystem besteht aus sieben Perioden, acht Hauptgruppen und acht Nebengruppen. Die waagerechten Zeilen nennt man Perioden. Die senkrechten Spalten bezeichnet man als Gruppen. Die Gruppennummer gibt bei den Hauptgruppen die Zahl der Valenzelektronen an. 2. Haupt- und Nebengruppen unterscheiden sich durch die Reihenfolge der Besetzung der h¨ochsten Energieniveaus mit Elektronen. Bei den Hauptgruppenelementen werden die s- oder p-Orbitale zuletzt mit Elektronen besetzt. Es gibt s- und p-Valenzelektronen. Bei den Nebengruppenelementen werden die energieh¨ochsten s-, d- oder f -Orbitate zuletzt mit Elektronen gef¨ullt. Es gibt keine p-Valenzelektronen.

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

209

3. Es handelt sich hier um die ersten drei Elemente der ersten Hauptgruppe (Alkalimetalle). Sie besitzen auf der a¨ ußersten Schale ein Elektron (Valenzelektron). Es werden bevorzugt einfach positiv geladene Kationen gebildet (Li+ , Na+ und K+ ).

zu 3.2 1. a) Ca

b) P c) Sb

d) Al e) Ba

f) Cs

g) Ga

2. Die Ionisierungsenergie ist die Energie, die ben¨otigt wird, um ein Elektron aus dem Anziehungsbereich des Atomkerns zu entfernen. Viele innere Schalen schirmen das zu entfernende Elektron gegen die Anziehung des Atomkerns ab. Die Ionisierungsenergie nimmt bei gr¨oßeren Atomen ab. 3. Unter Elektronegativit¨at versteht man die Tendenz eines Atoms Elektronen innerhalb einer Bindung an sich zu ziehen. Mit Hilfe der Elektronegativit¨at l¨asst sich das chemische Verhalten vieler Elemente erkl¨aren. 4. Ionisierungsenergie Elektronegativit¨at Atomradius Metallcharakter 5. a) Ar

b) Ar

c) Sr

(Periode) links nach rechts zu zu ab ab d) Ba

(Gruppe) von oben nach unten ab ab zu zu

e) As f) Xe

6. Elektronenkonfiguration: 19 K: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s1 2 2 6 2 6 2 20 Ca: 1s 2s 2p 3s 3p 4s Beim Kalium f¨uhrt die Entfernung des 4s-Elektrons zur Bildung des Kaliumkations, K+ . Das Kaliumkation besitzt die Edelgaselektronenkonfiguration des Argons. Die Entfernung der zwei 4s-Elektronen des Calciums f¨uhrt zur Bildung des Ca2+ -Ions, das ebenfalls die Elektronenkonfiguration des Argons zeigt. Beim Kaliumatom w¨urde die Entfernung eines zweiten Elektrons (Bildung von K2+ ) die stabile Edelgaskonfiguration zerst¨oren.

Kapitel 4 zu 4.1 1. Es handelt sich um den spontan auftretenden Zerfall von instabilen Kernen unter Aussendung von radioaktiver Strahlung. 2. Es treten α -, β - und γ -Strahlung auf. α -Strahlung besteht aus He2+ -Kernen, w¨ahrend β -Strahlung eine Elektronenstrahlung darstellt. γ -Strahlung ist eine elektromagnetische Strahlung sehr hoher Energie. 3.

106 Ag 47

→ 106 48 Cd + β

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

210 4.

223 Ac → 219 Fr + α 89 87 210 Po → 206 Pb + α 84 82 212 Rn → 208 Po + α 86 84

5. 31 H → 32 He + β 39 Cl → 39 Ar + β 17 18

6.

208 Pb 82

7. a) k = 0,693/t1/2 = 0,0396 h−1 , N0 = 100% b) aus ln N/N0 = −kt folgt: ln N/100 = −0,0396 h−1 · 26 h ln N/100 = −1,0296 N/100 = e−1,0296 = 0,357 N = 35,7 % 8. a) k = 0,693/t1/2 = 0,613 h−1 b) aus ln N/N0 = −kt folgt: ln 3 mg/N0 = −0,613 h−1 · 16 h ln 3 mg/N0 = −9,808 3 mg/N0 = e−9,808 = 5,5 · 10−5 N0 = 54 545 mg 9. a) k = 0,693/t1/2 = 1,21 · 10−4 a−1 , N : 11 Zerf¨alle/min, N0 : 15 Zerf¨alle/min b) aus ln N/N0 = −kt folgt: ln 11 min−1 g−1 /15 min−1 g−1 = −1,21 · 10−4 a−1 · t t = −0,310/ − 1,21 · 10−4 a−1 t = 2562 a

zu 4.2 1. K¨unstliche Radioaktivit¨at oder elektromagnetische Strahlung wird hervorgerufen durch den Zusammenprall von Atomkernen mit Teilchen sehr hoher Energie. 2.

43 Ca + 4 He 2 20

1 → 46 21 Sc + +1 p

3.

1 9 9 1 4 Be + +1 p → 5 B + 0 n 35 Cl + 1 n → 32 P + 4 He 0 2 17 15 133 Cs + 4 He → 133 La + 41 n 2 0 55 57

4.

10 4 13 1 5 B + 2 He → 7 N + 0 n 12 C + 1 p → 13 N + γ 6 7 +1

[94 Be(p, n)95 B] 32 [35 17 Cl(n, α )15 P] 133 [133 55 Cs(α , 4n) 57 La]

[105 B(α , n)137 N] [126 C(p, γ )137 N]

5. Das Gold-Isotop l¨asst sich herstellen, indem man den Tantal-Atomkern mit 12 C-Kernen 12 188 1 beschießt, gem¨aß: 181 73 Ta + 6 C → 79 Au + 50 n 6. Die bei der Kernspaltung freigesetzten Neutronen k¨onnen wieder Kernspaltungen einleiten. Die Reaktion steigert sich bis zur Explosion. 139 94 1 7. Es kommt zur Bildung einer Neutronenstrahlung: 235 92 U → 54 Xe + 38 Sr + 20 n

8. Die elektrostatischen Abstoßungskr¨afte der Atomkerne m¨ussen u¨ berwunden werden. Die zu verschmelzenden Atome m¨ussen eine extrem hohe kinetische Energie aufweisen.

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

211

Kapitel 5 zu 5.1 1.

2.

3. Das Phosgenmolek¨ul ist trigonal aufgebaut. 4. MgCl2 ist linear aufgebaut. SnCl2 ist gewinkelt und AlH3 ist trigonal aufgebaut.

¨ 5. Es kommt zu einer Uberlappung des mit einem Elektron besetzten 1s-Orbitals des Wasserstoffatoms mit dem mit einem Elektron besetzten 3p-Orbital des Chloratoms. Dabei bildet sich ein Molek¨ulorbital. 1

2

3

¨ 6. CH3 -C≡C-H: C(1) ist sp3 -hybridisiert. Drei σ -Bindungen werden durch Uberlappung 3 von je einem sp -Hybridorbital mit einem 1s-Orbital der Wasserstoffatome gebildet. C(2) und C(3) sind sp-hybridisiert. Ein sp-Hybridorbital von C(2) u¨ berlappt mit dem vierten sp3 -Hybridorbital von C(1) (σ -Bindung). Das zweite sp-Hybridorbital von C(2) u¨ berlappt mit einem sp-Hybridorbital von C(3) (σ -Bindung). Das zweite sp-Hybridorbital von C(3) u¨ berlappt mit dem 1s-Orbital des Wasserstoffatoms (σ -Bindung). Die zwei ¨ π -Bindungen kommen durch die jeweilige Uberlappung der py - und pz -Orbitale von C(2) und C(3) zustande. 7. Jedes Stickstoffatom besitzt f¨ur seine Valenzelektronen die Elektronenkonfiguration 2s2 2p3 . Bindungen zwischen den N-Atomen sind nur u¨ ber die drei mit einem Elekt¨ der ron besetzten 2p-Orbitale m¨oglich. Die σ -Bindung wird durch die Uberlappung ¨ px -Orbitale erm¨oglicht. Die beiden π -Bindungen werden durch Uberlappung der py - und pz -Orbitale gebildet.

212

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

8. μ = 0,779 D = 2,6 · 10−30 C m; μ (theor.) = 1,6 · 10−19 C · 1,43 · 10−10 m = 2,29 · 10−29 C m; μ /μ (theor.) = 0,114. Der Ionenanteil betr¨agt 11,4 %. 9. Die N-H-Bindung ist polarer als die P-H-Bindung und die C-O-Bindung ist polarer als die C-S-Bindung.

zu 5.2 1.

2. Die Bindungen in CS2 sind kovalent, und in KBr liegt eine ionische Bindung vor. 3. Atombindung = Cl2 und S8 polare Atombindung = CCl4 Ionenbindung = CaO, Na2 S und KCl 4. ΔEN(HBr) = 0,8 (polare Atombindung); ΔEN(BaBr2 ) = 2,1 (Ionenbindung); ΔEN(K2 S) = 1,8 (Ionenbindung); ΔEN(CS2 ) = 0 (Atombindung); ΔEN(C2 H6 ) = 0,4 (Atombindung) 5. Einen h¨oheren ionischen Bindungsanteil findet man in FeO (in FeO liegt ein geringer geladenes Kation vor), MgO (Mg ist das gr¨oßere Kation) und BeO (Sauerstoff bildet das kleinere Anion). 6. Das Aluminiumatom besitzt die Formalladung −1. 7.

8. BaO, Ba3 (PO4 )2 , Ba(NO3 )2 und Al2 O3 , AlPO4 und Al(NO3 )3

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

213

zu 5.3 1. Elektrische Leitf¨ahigkeit tritt auf, wenn bewegliche Ladungstr¨ager vorhanden sind. In Metallen sind die beweglichen Ladungstr¨ager die Valenzelektronen. Im Elektronengasmodell sind die Valenzelektronen zwischen den positiv geladenen Metallionen delokalisiert. Im Energieb¨andermodell wird die Beweglichkeit der Valenzelektronen durch ein ¨ nicht vollst¨andig besetztes Valenzband oder durch die Uberschneidung eines gef¨ullten Valenzbandes mit einem Leitungsband erm¨oglicht. 2. Die elektrische Leitf¨ahigkeit von Metallen sinkt bei steigender Temperatur. 3. Viele Metallatome treten u¨ ber ihre Valenzelektronen miteinander in Wechselwirkung. Es kommt zur Bildung einer Metallbindung. Die Bindungsorbitale bezeichnet man als Energieb¨ander. 4.

5. Nichtmetalle besitzen eine sehr schlechte elektrische Leitf¨ahigkeit. Halbmetalle zeigen eine schwach ausgepr¨agte und Metalle eine gute elektrische Leitf¨ahigkeit. 6. Kupfer > Germanium/Arsen > Germanium > Diamant

zu 5.4 1. Van der Waals Bindungen sind zwischenmolekulare Wechselwirkungen, die durch induzierte Dipole hervorgerufen werden. 2. Die van der Waals Bindungskr¨afte nehmen mit der Gr¨oße der Atome zu. Beim Verdampfen der jeweiligen Substanz muss dann entsprechend mehr Energie aufgebracht werden.

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

214

3. CH4 (−164 ◦ C), CH3 CH3 (−89 ◦ C), CH3 CH2 CH3 (−44,5 ◦ C), CH3 (CH2 )2 CH3 (+36 ◦ C) 4. In Alkoholen wie Methanol bilden sich Wasserstoffbr¨ucken aus. Die Siedepunkte von Alkoholen sind daher viel h¨oher, als bei vergleichbaren unpolaren Kohlenwasserstoffen.

Kapitel 6 zu 6.3 1. V =

0,3 mol · 8,314 · 103 Pa l mol−1 K−1 · 393 K n·R·T = p 90 · 103 Pa = 10,9 l.

2.

p ·V p1 ·V1 p0 ·V0 120 · 103 Pa · 0,75 l · 273 K = konst; = 0,78 l = ; V0 = T T1 T0 313 K · 1,013 · 105 Pa V0 , T0 , p0 (Volumen, Temperatur und Druck unter Normalbedingungen)

Kapitel 7 zu 7.1 1. Ein geschlossenes System ist eine definierte Ansammlung von Materie und Energie. Mit der Umgebung kann nur Energie, aber keine Materie ausgetauscht werden.

zu 7.2 1. Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden. Energie kann nur von der einen Form in eine andere u¨ berf¨uhrt werden. 2. ΔU = Q + W = +41 kJ. Die Reaktion ist endotherm.

zu 7.3 1. Unter Ber¨ucksichtigung der tats¨achlich gegebenen st¨ochiometrischen Verh¨altnisse ergibt sich nach dem Hess’schen Satz: 1 ΔH = [Gleichung a)] + 3[Gleichung b)] − 3[Gleichung c)] 2 = − 767,5 kJ/mol + (−1106,1 kJ/mol) − (−858,6 kJ/mol) = − 1015 kJ/mol

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben 2NH3 + 32 O2 → N2 + 3H2O 3N2 O + 3H2 → 3N2 + 3H2O 3H2 O → 3H2 + 32 O2 2NH3 + 3N2O → 4N2 + 3H2O

215 (ΔH (ΔH (ΔH (ΔH

= − 767,5 kJ/mol) = − 1106,1 kJ/mol) = + 858,6 kJ/mol) = −1015 kJ/mol)

zu 7.4 1. Beim Verdampfen eines L¨osungsmittels muss dem System Energie in Form von W¨arme zugef¨uhrt werden, damit die Molek¨ule ihre intermolekularen Anziehungskr¨afte durch Eigenbewegung u¨ berwinden k¨onnen, um in die Gasphase zu gelangen: ΔH hat ein positives Vorzeichen. Das Vorzeichen ΔS wird positiv. Die Unordnung nimmt zu, da die Molek¨ule aus dem h¨oher geordneten fl¨ussigen Zustand in die weniger geordnete Gasphase gelangen. 2. ΔG = ΔH − T · ΔS. Mit den in der Aufgabenstellung angegebenen Werten ergibt sich: ΔG = −573 kJ/mol − 296 K · 0,0983 kJ/(K mol) = −602,09 kJ/mol Die Reaktion verl¨auft spontan, d.h. exergonisch.

Kapitel 8 zu 8.3 1. Zunahme der Konzentration eines Produkts oder Abnahme der Konzentration eines Edukts pro Zeiteinheit. 2. Ein Katalysator beschleunigt eine chemische Reaktion und geht aus der Reaktion unvera¨ ndert hervor.

zu 8.4 1. −k · 70 min = ln

0,0168 mol l−1 ; k = 2,49 · 10−3 min−1. 0,02 mol l−1

2. Summe der Exponenten der Konzentrationen der Reaktanden in einem Geschwindigkeitsgesetz

Kapitel 9 zu 9.1 1. M(Na2 S2 O3 ) = 158,1 g/mol und M(HClO4 ) = 100,5 g/mol

216

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

2. F¨ur das Molekulargewicht 62 g/mol ergibt sich die Summenformel C2 H6 O2 . 3. M(Al2 O3 ) = 101,96 g/mol In 101,96 g Aluminiumoxid sind 53,96 g Aluminium enthalten. Das sind 52,9 %. 4. M(NaCl) = 58,4 g/mol (39,3 % Chlor); M(HClO) = 52,6 g/mol (67,6 % Chlor) und M(HClO3 ) = 84,5 g/mol (42 % Chlor) Den h¨ochsten Chloranteil findet man in HClO.

zu 9.2 1. M(BaCrO4 ) = 253,3 g/mol; n = m/M = 0,13 mol 2. 44,6 mol H2 ; 0,28 mol H2 SO3 ; 7 mol CH4 3. M(SO2 ) = 64,06 g/mol; n(SO2 ) = 0,7 mol. Man ben¨otigt 0,7 mol O2 . 4. 24 g Schwefels¨aure (= 0,25 mol H2 SO4 ) enthalten 1,5 · 1023 Schwefels¨auremolek¨ule. 82 g Wasser (= 4,6 mol H2 O) enthalten 2,7 · 1024 Wassermolek¨ule.

zu 9.3 1. V0 = p1 ·V1 · T0 /T1 · p0 = 1,5 bar · 17 l · 273 K/341 K · 1,013 bar = 20,15 l 2. M(C4 H10 O) = 74 g/mol; n(C4 H10 O) = 0,05 mol p = n · R · T/V = 0,05 mol · 8,31 kPa l mol−1 K − 1 · 333 K/2 l = 69,1 kPa = 0,691 bar 3. n = p ·V /R · T = 90 kPa · 4 l/8,31 kPa l mol−1 K−1 · 293 K = 0,148 mol 4. Man ben¨otigt 0,5 mol Chlor. Das sind 11,2 l Chlor unter Normalbedingungen.

zu 9.4 1. M(NaOH) = 40 g/mol; n(NaOH) = m/M = 0,2 mol; c = n/V = 0,8 mol/0,35 l = 0,57 mol/l. Die L¨osung ist 0,57 molar. 2. In einem Liter einer 0,2 molaren Bariumhydroxidl¨osung sind 0,4 mol Hydroxidionen enthalten. Dann gilt: n(OH− ) = c(OH− ) ·V = 0,4 mol l−1 · 0,45 l = 0,18 mol. Man ben¨otigt 0,18 mol Hydroxidionen. 3. Aus 80 g SO3 erh¨alt man 98 g H2 SO4 . Aus 20 g SO3 erh¨alt man dann 24,5 g H2 SO4 . Das ergibt eine 10,9 %-ige L¨osung. 4. M(Ca(OH)2 ) = 74,1 g/mol; m(Ca(OH)2 ) = n · M und n = c ·V m(Ca(OH)2 ) = c ·V · M = 136,3 g M(H2 SO4 ) = 98 g/mol; m(H2 SO4 ) = c ·V · M = 73,5 g 5. M(CaSO4 ) = 106 g/mol. Die L¨osung ist 0,02 molar und 0,01 normal. 6. c1 (HCl) = 1,5 mol/l, c2 (HCl) = 0,6 mol/l V1 = c2 ·V2 /c1 = 0,16 l Man muss 0,16 l der 1,5 molaren Salzs¨aure mit Wasser auf ein Volumen von 0,4 l auff¨ullen.

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

217

zu 9.5 1. I2 O5 + 5CO → I2 + 5CO2 Cl2 + 2KOH → KCl + KClO + H2O CH4 + H2 O → CO + 3H2 2. 2Ga + 6HCl → 2GaCl3 + 3H2 2MnO2 + 4KOH + O2 → 2K2 MnO4 + 2H2 O 4FeS2 + 11O2 → 2Fe2 O3 + 8SO2 3. Die vollst¨andige Verbrennung von Propan liefert Kohlendioxid (CO2 ) und Wasser als Verbrennungsprodukte. C3 H8 + 5O2 → 3CO2 + 4H2 O

zu 9.6 1. M(Fe2 O3 ) = 159,8 g/mol; M(CO) = 28 g/mol Zur Umsetzung von 159,8 g Eisenoxid werden 84 g CO ben¨otigt. Zur Reduktion von 800 g Eisenoxid werden 420,5 g CO ben¨otigt. 2. M(CS2 ) = 76,12 g/mol; M(H2 S) = 34,08 g/mol Zur Produktion von 34,08 g Schwefelwasserstoff werden 76,12 g Schwefelkohlenstoff verbraucht. Um 16 g Schwefelwasserstoff zu erhalten, muss man 35,7 g Schwefelkohlenstoff einsetzen. 3. 20 g NH3 = 1,18 mol; 20 g O2 = 0,63 mol Bei der Umsetzung von 4 mol Ammoniak werden 3 mol Sauerstoff verbraucht. Es k¨onnen maximal 0,84 mol Ammoniak mit 0,63 mol Sauerstoff oxidiert werden. Aus 0,84 mol NH3 lassen sich 0,42 mol N2 gewinnen. 4. F¨ur die Verbrennung von 12 g Kohlenstoff ben¨otigt man 32 g Sauerstoff. Zur Verbrennung von 2,5 g Kohlenstoff braucht man dann 6,67 g Sauerstoff (= 0,208 mol). 0,208 mol O2 ergeben 4,66 l O2 unter Normalbedingungen. Bei 23 ◦ C und 1,013 bar sind das 5,05 l O2 .

Kapitel 10 zu 10.1 1. K p = p(N2 O4 )/p2 (NO2 ) 2. Homogenes Gleichgewicht: Alle Reaktionspartner (NO2 Cl, NO2 und Cl2 ) liegen in der Gasphase vor. Man formuliert das MWG u¨ ber die Partialdr¨ucke. K p = [p2 (NO2 ) · p(Cl2 )]/p2 (NO2 Cl) Heterogenes Gleichgewicht: Die festen Reaktionspartner (Ag2 O und Ag) erscheinen nicht im MWG. Die Gleichgewichtskonstante h¨angt nur vom Partialdruck des Sauerstoffs ab. K p = p(O2 ).

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

218 3. Kc = [c(CS2 ) · c4 (H2 )]/[c2 (H2 S) · c(CH4 )]

Mit Δn = +2 und K p = Kc (R · T )Δn gilt: K p = Kc · R2 · T 2 4. H2 + I2  2HI und Kc = c2 (HI)/[c(H2 ) · c(I2 )] mit c(H2 ) = c(I2 ) gilt: Kc = c2 (HI)/c2 (H2 ) c2 (H2 ) = (0,8 mol/l)2 /54,4 c(H2 ) = c(I2 ) = 0,108 mol/l

zu 10.2 1. Das Gleichgewicht muss nach rechts verschoben werden. Eine Verschiebung des Gleichgewichts nach rechts l¨asst sich durch eine erh¨ohte Temperatur und einen erh¨ohten Druck erreichen. Damit die Reaktion nicht so langsam abl¨auft, sollte man einen Katalysator einsetzen. 2. Gasf¨ormiger Chlorwasserstoff (HCl) wird freigesetzt und entweicht. Das Gleichgewicht muss sich immer wieder neu einstellen, bis alle Edukte fast vollst¨andig umgesetzt worden sind. Kc = [c2 (HCl) · c(Na2 SO4 )]/[c(H2 SO4 ) · c2 (NaCl)] Der Wert des Z¨ahlers im MWG wird kleiner, da HCl entfernt wird. Das System weicht aus, indem mehr von den Edukten (H2 SO4 + NaCl) verbraucht wird. − 3. BaCl2 + SO2− osliches Barium4  BaSO4 + 2Cl . Die Sulfationen werden als schwerl¨ sulfat gef¨allt. F¨ur das L¨oslichkeitsprodukt gilt: L(BaSO4 ) = c(Ba2+ ) · c(SO2− 4 ). Bedingt durch das L¨oslichkeitsprodukt bleibt ein gewisser Teil an Barium- und Sulfat¨ ionen in L¨osung. Setzt man Bariumchlorid in einem Uberschuss ein, so ist die Konzentration an Bariumionen h¨oher als dem L¨oslichkeitsprodukt entsprechen w¨urde. Die Konzentration an Sulfationen im Gleichgewicht muss sich deshalb verringern. Es f¨allt weiteres BaSO4 aus.

4. CaF2  Ca2+ + 2F− und L(CaF2 ) = c(Ca2+ ) · c2 (F− ) mit c(F− ) = 2c(Ca2+ ) gilt: L(CaF2 ) = c(Ca2+ ) · 4c2(Ca2+ ) = 4c3 (Ca2+ ) mit c(CaF2 ) = c(Ca2+ ) = 2,1 · 10−4 mol/l erh¨alt man: L(CaF2 ) = 3,7 · 10−11 mol3 /l3 . 5. Mg(OH)2  Mg2+ + 2OH− L(Mg(OH)2 ) = c(Mg2+ ) · c2 (OH− ) = 1,2 · 10−11 mol3 /l3 bei 18 ◦ C mit c(OH− )/2 = c(Mg2+ ) gilt: L(Mg(OH)2 ) = 12 c(OH− ) · c2 (OH− ) = c3 (OH− )/2 c3 (OH− ) = 2,4 · 10−11 mol3 /l3 3 − c(OH ) = 2,4 · 10−11 mol3 l−3 = 2,88 · 10−4 mol/l 6. Die Reaktion ist exotherm. Die Erh¨ohung der Temperatur verschiebt das Gleichgewicht zur linken Seite. Die Molzahl auf der rechten Seite des Gleichgewichts ist niedriger als auf der linken Seite. Eine Druckerniedrigung verschiebt das Gleichgewicht nach links. Die Produktausbeute wird geringer.

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

219

7. Bei 900 ◦ C ist die Gleichgewichtskonstante sehr viel gr¨oßer als bei 700 ◦ C. Der Z¨ahler im MWG und die Konzentration an Produkten ist groß. Bei erh¨ohter Temperatur verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung der Produktseite. Es handelt sich um eine endotherme Reaktion. 8. Das Gleichgewicht wird nach rechts verschoben. ¨ 9. Beim Offnen einer Mineralwasserflasche wird der Druck erniedrigt und Kohlendioxid entweicht. Im Kohlens¨auregleichgewicht finden wir auf der rechten Seite eine h¨ohere Teilchenzahl als auf der linken Seite. Nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges wirkt das Gleichgewicht dem Zwang der Druckerniedrigung entgegen. Kohlens¨aure zerf¨allt in CO2 und H2 O. Da CO2 entweicht, wird der Partialdruck des Reaktionsproduktes Kohlendioxid verringert. Das Gleichgewicht verschiebt sich weiter nach rechts.

Kapitel 11 zu 11.1 1. c(H+ ) = 0,027 mol/l; c(OH− ) = 10−14 mol2 l−2 /0,027 mol l−1 = 3,7 · 10−13 mol l−1 2. pOH = 4,78; pH = 9,22; c(H + ) = 10−pH mol/l = 6,03 · 10−10 mol/l 3. c(H+ ) = 10−13 mol/l; pH = − lg c(H+ ) = 13; pOH = 1; c(OH− ) = 10−1 mol/l In der L¨osung sind 0,1 mol OH− -Ionen enthalten. Die L¨osung ist 0,05 molar (enth¨alt 0,05 mol Ca(OH)2 ). 4. c(OH− ) = 1 mol/l; pOH = − lg c(OH− ) = 0, pH = 14 − pOH = 14

zu 11.2 1. Hinreaktion: HSO− aure), HS− (Base); R¨uckreaktion: SO2− aure) 4 (S¨ 4 (Base), H2 S (S¨ Hinreaktion: NH3 (Base), H2 S (S¨aure); R¨uckreaktion: NH+ aure), HS− (Base) 4 (S¨

− − − 2. konjugierte Basen: HSO− 3 , NO3 , OH , und NH2 − + konjugierte S¨auren: HNO2 , HSO4 , H3 O , und NH+ 4

3. H2 Se ist die st¨arkere S¨aure. Die S¨aurest¨arke nimmt mit der Gr¨oße des Zentralatomes zu.

zu 11.3 + 1. NH+ 4 + H2 O  NH3 + H3 O − NH3 + H2 O  NH+ 4 + OH

KS = [c(NH3 ) · c(H3 O+ )]/c(NH+ 4) − KB = [c(NH+ 4 ) · c(OH )]/c(NH3 )

− 2. HNO2 + NH3  NH+ 4 + NO2 HNO2 ist die st¨arkere S¨aure und NH3 ist die st¨arkere Base. Das Gleichgewicht liegt auf der rechten Seite.

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

220

3. HNO3 ist eine starke S¨aure: c(H+ ) = 5 · 10−3 mol/l; − lg c(H+ ) = pH = 2,3 4. KOH ist eine starke Base: c(OH− ) = 2 · 10−1 mol/l; − lg c(OH− ) = pOH = 0,7 14 − pOH = pH = 13,3 5. pH = 9; pOH = 5, c(OH− ) = 10−5 mol/l; M(KOH) = 56 g/mol 10−5 mol KOH = 5,6 · 10−4 g KOH 6. schwache Base: α = 0,08; c(OH− ) = 0,1 · 0,08 = 8 · 10−3 mol/l; − lg c(OH− ) = pOH = 2,1; 14 − pOH = pH = 11,9 7. HA  A− + H+ KS = [c(A− ) · c(H+ )]/c(HA) mit c(A− ) = c(H+ ) gilt: KS = c2 (A− )/c(HA) c(A− ) = 0,3 mol/l · 0,0048 = 1,44 · 10−3 mol/l und c(HA) = 0,3 mol/l − 1,44 · 10−3 mol/l = 0,29856 KS = 6,9 · 10−6 mol/l 8. B + H2 O  BH+ + OH− KB = [c(BH+ ) · c(OH− )]/c(B) mit c(BH+ ) = c(OH− ) gilt: KB = 1,5 · 10−5 mol/l = c2 (BH+ )/c(B) c(B) = 0,2 mol/l und c(BH+ ) = KB · c(B) = 1,73 · 10−3 mol/l. α = 1,73 · 10−3/0,2 = 0,0087. Die Protolyse findet zu 0,87 % statt. konjugierte Base 9. S¨aure NH4 Cl + H2 O  NH3 + H3 O+ + Cl− pKS = pH − lg c(NH3 )/c(NH+ 4) pKB = − lg KB = 4,74; pKS = 14 − pKB = 9,26 pH = 9,26 + 0,22 = 9,48

10. CH3 CO2 Na ist das Salz der starken Base NaOH und der schwachen S¨aure CH3 CO2 H. − Die w¨assrige L¨osung reagiert basisch. CH3 CO− 2 + H2 O  CH3 CO2 H + OH − − −10 KB = [c(CH3 CO2 H) · c(OH )]/c(CH3 CO2 ) = KB = KW /KS = 5,56 · 10 mol/l 2 (OH− )/c(CH CO− ) und c(CH CO− ) = 0,45 mol/l folgt: mit KB = c 3 3 2 2 c(OH− ) = KB · c(CH3 CO2 − ) = 1,58 · 10−5 mol/l pOH = − lg c(OH− ) = 4,8; pH = 9,2

Kapitel 12 zu 12.1 1. Oxidationsmittel = O2 , Reduktionsmittel = SO2 Oxidationsmittel = NO− 3 , Reduktionsmittel = Zn Oxidationsmittel = H2 SO4 , Reduktionsmittel = H2 S +4

+3

+4

+5

2. Reduktion: ClO2 + 1e− → ClO− 2 Oxidation: ClO2 − 1e− → ClO− 3

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

221

zu 12.2 +5

+6

+2

+5

1. Al P O4 , Na2 S2 O3 , Pb S O4 , Cu( N O3 )2 +5

2. BrF− 6 +2 +1−2

+2 +6−2

3. Mg(Cl O )2 und CaW O 4

zu 12.3 +4

+6

0

+2

+7

+4

−2

1. Oxidation: Mn − 2e− → Mn, Reduktion: 2O + 4e− → 2 O 2MnO2 + 4KOH + O2 → 2K2 MnO4 + 2H2 O +2

Oxidation: Mn − 5e− → Mn, Reduktion: Pb + 2e− → Pb 2MnO + 5PbO2 + 5H2SO4 → 2HMnO4 + 5PbSO4 + 4H2O +5

+2

− 2. Oxidationsmittel NO− 3 wird reduziert: N + 3e → N −2

+6

Reduktionsmittel S2− wird oxidiert: S − 8e− → S

+ 2+ + 3SO2− + 8NO + 4H O 3CuS + 8NO− 2 3 + 8H → 3Cu 4 +6

+3

Oxidationsmittel K2 Cr2 O7 wird reduziert: 2Cr + 6e− → 2Cr −1

0

Reduktionsmittel Cl− wird oxidiert: 2Cl − 2e− → 2Cl K2 Cr2 O7 + 14HCl → 2CrCl3 + 2KCl + 3Cl2 + 7H2O

Kapitel 13 zu 13.5 1. E = −0,148 V 2. E = −0,398 V 3. ΔE = +0,548 V

Kapitel 14 zu 14.1 1. t = 22 054,2 Sekunden; Cl2 -Volumen V = 251 583,8 l 2. t = 1155,7 Sekunden

¨ L¨osungen zu den Ubungsaufgaben

222

zu 14.2 2. abgeschiedene Stoffmenge n(Pb) = abgeschiedene Stoffmenge n(Sulfat): n = q/2 · F; verbrauchte Stoffmenge n(H3 O+ ) = 2 ·n(Sulfat): n(H3 O+ ) = 3,628 mol, da das Volumen der Schwefels¨aure 1 Liter betr¨agt, ergibt sich f¨ur c(H3 O+ ): c(H3 O+ ) = (4,9–3,628) mol/l = 1,272 mol/l

zu 14.4 pH = 13,28 → pOH = 0,72 → c(OH− ) = 0,19 mol/l; n(OH− ) in 500 ml: 0,095 mol

Literatur Literatur zu den Kapiteln 1 – 12 [1] Mortimer, Chemie, 9. Auflage, Georg Thieme-Verlag, 2007. [2] Schwister, Taschenbuch der Chemie, 3. Auflage, Carl Hanser Verlag, 2004. [3] Fl¨orke, Wolff, Kursthemen Chemie I, Ferd. D¨ummlers Verlag, 1983. [4] Holleman, Wiberg, Lehrbuch der anorganischen Chemie, 102. Auflage, de Gruyter Verlag, 2007. [5] Christen, Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie, 4. Auflage, Verlag Sauerl¨ander Aarau, CVK & Salle, 1997.

Literatur zu den Kapiteln 13 und 14 [6] Mortimer, Chemie, 9. Auflage, Georg Thieme-Verlag, 2007. [7] Hamann und Vielstich, Elektrochemie, 4. Auflage, Wiley-VCH, 2005. [8] Jentzsch, Angewandte Chemie f¨ur Ingenieure, Wissenschaftsverlag, 1990. [9] Forst, Kolb und Roßwag, Chemie f¨ur Ingenieure, VDI-Verlag, 1993. [10] Thielmann, Die Batterie von A-Z, Fa. Energizer Deutschland GmbH, 2001. [11] Baumbach, Luftreinhaltung, 3. Auflage, Springer-Verlag, 1993.

Index α -Strahlen, 42 β -Strahlen, 42 γ -Strahlen, 42 σ -Bindung, 55 abgeschlossenes, isoliertes System, 95 Acetatpuffer, 159 Actinoide, 32 Aggregatzustand, 87 aktivierter Komplex, 110 Aktivierungsenergie, 109, 110 Aktivit¨at, 153, 178 Aktivit¨atskoeffizient, 153 Alkali-Mangan-Zelle, 190 Alkalimetalle, 30 Alkane, 57 Alkene, 62 Alkine, 63 allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase, 93 allgemeine, ideale, universelle Gaskonstante R, 92 amorph, 89 angeregter Zustand, 11 Anion, 6, 68 Anode, 6, 174 anodischer Teilstrom, 197 ¨ Aquivalentkonzentration, 122 ¨ Aquivalentmasse, 188 aromatischer Kohlenwasserstoff, 64 Arrhenius, 110 Atom, 3 Atomaufbau, 3 Atombindung, 54 Atomgitter, 60 Atomh¨ulle, 8 Atomkern, 6 Atommodell nach Rutherford, 5

Atomorbital, 15 Atomradius, 33 Aufbauprinzip der Elektronenschalen, 22 Autoprotolyse, 146 Avogadro, A., 92, 121 Avogadrokonstante, 120 Base, 145 Basegleichgewicht, 152 Basekonstante, 153 basische L¨osung, 147 Becquerel, 42 Benzen, 64 Benzol, 64 bimolekulare Reaktion, 115 Binnendruck, 93 Bleiakkumulator, 192 Bohr, Niels, 9 Bohrsche Elektronenbahn, 12 Bohrsches Atommodell, 8 Boyle, R., 91 Boyle-Mariotte, 93 Br¨onsted, J.N., 149 Brennstoffzelle, 194 Chalkogene, 32 chemische Bindung, 53 chemisches Gleichgewicht, 131 Coulombkraft, 8 Coulombsches Gesetz, 8, 70 Curie, Marie, 42 Curie, Pierre, 42 Dampfdruck, 90 Daniell-Element, 176 de Broglie, L.-V., 13 Debye, 67 Deuterium, 7 Diamant, 53

226

Index

Dickenmessung, 8 Dielektrizit¨atskonstante, 72 Dipolmoment, 67 Dispersion, 88 Dissoziationsgleichgewicht, 146 Dissoziationsgrad, 156 Doppelbindung, 54 Dotierung, 80 Dreifachbindung, 54

Energieniveau, 11 Energiezustand, 11 Enthalpie, 98 Entropie, 104 Erdalkalimetalle, 32 Erdmetalle, 32 erstarren, 88 Ethen, 62 exotherme Reaktion, 139

Edelgase, 32 Edelgaselektronenkonfiguration, 24 Edukt, 124 Eigenvolumen, 93 Einfachbindung, 54 einsame Elektronenpaare, 55 Einstein, A., 41, 124 elektrische Feldkonstante, 9 elektrische Leitf¨ahigkeit, 75, 174 elektrochemische Korrosion, 196 Elektrode, 6, 174 Elektrodenpotential E, 179 Elektrolyse, 71, 173 Elektrolysezelle, 175 Elektrolyt, 71, 173 elektrolytische Dissoziation, 145 elektromagnetische Strahlung, 44 elektromotorische Kraft, 177 Elektron, 3 Elektronegativit¨at, 38, 67 Elektronenaffinit¨at, 38 Elektronengasmodell, 76 Elektronenh¨ulle, 9 Elektronenkonfiguration, 22 Elektronenleiter, 174 Elektronenpaarbindung, 55 Elektronenstrahlen, 43 Element, 3 Elementarteilchen, 3 Elementarzelle, 89 Elementsymbol, 7 Eloxal, 199 EMK, 177 empirische Formel, 118 Emulsion, 88 endotherme Reaktion, 139 Energieb¨andertheorie, 76

Faraday-Konstante, 187 Festk¨orperelektrolyt, 201 Festpunkt, 91 Formalladung, 74 Formel, 118 freie Elektronenpaare, 55 freie Enthalpie, 105 freie Standard-Reaktionsenthalpie, 134 Galvanipotential, 179 galvanische Zelle, 176 Gay-Lussac, J.L., 92 Gefrierpunkt, 91 Gemenge, 88 gepaarte Elektronen, 20 ges¨attigte L¨osung, 135 geschlossenes System, 95 Geschwindigkeitsgesetz, 112 Gesetz der konstanten Proportionen, 117 Gesetz von der Erhaltung der Energie, 96 Gesetz von der Erhaltung der Masse, 124 Gibbs-Helmholtz-Gleichung, 105 Gitterenergie, 71 Glaselektrode, 201 Gleichgewichtskonstante, 106, 132 Gleichung von de Broglie, 14 Grundzustand, 11 Gruppe, 30 Guldberg, C. M., 132 Halbelement, 180 Halbleiter, 79 Halbmetalle, 35 Halbreaktion, 176 Halbwertszeit, 45 Halogene, 32 H¨artegrad, 71

Index Hauptgruppe, 30 Hauptquantenzahl, 17 Heisenberg, W., 14 Heisenbergsche Unsch¨arferelation, 14 Henderson-Hasselbalch-Gleichung, 158 Hess’scher W¨armesatz, 102 Hess, G.H., 102 heterogene Katalyse, 113 heterogene Phase, 88 heterogenes Gemisch, 87 heterogenes System, 135 heteropolare Bindung, 68 homogene Katalyse, 112 homogene Phase, 88 homogenes Gemisch, 87 homogenes System, 133 hom¨oopolare Bindung, 55 Hundsche Regel, 21 Hybridorbital, 57 Hydratationsenthalpie, 73 Hydroniumion, 146 ideale Gaskonstante, 110, 120, 133, 182 ideales Gas, 91 ideales Gasgesetz, 93, 120 Indikator, 158 induzierter Dipol, 81 Ion, 6, 71 Ionenabstand, 71 Ionenbindung, 68 Ionencharakter, 67 Ionengitter, 72 Ionenleiter, 174 Ionenprodukt, 146 Ionenprodukt des Wassers, 147 Ionenradius, 33 Ionisierungsenergie, 36 irreversibel, 189 isobar, 92 isochor, 92 isoelektronisch, 24 Isolator, 79 isotherm, 92 Isotop, 7 Joule, J.P., 95 Katalysator, 112, 141

227 Kathode, 6, 174 kathodischer Teilstrom, 197 Kation, 6, 68 Kernbindungskraft, 7 Kernfusion, 48 Kernladungszahl, 6 Kernreaktion, 41, 46 Kernspaltung, 48 Koh¨asion, 90 Koh¨asionskraft, 90 Kohlenstoffgruppe, 32 kondensieren, 88 konjugiertes S¨aure/Base-Paar, 149 Kontaktkorrosion, 197 kontinuierliches Spektrum, 10 Konzentrationskette, 184 korrespondierendes S¨aure/Base-Paar, 149 Korrosion, 195 kovalente Bindung, 55 Kovolumen, 93 Kristallgitter, 89 kristallisieren, 88 kritische Masse, 48 k¨unstliche Kernumwandlung, 46 Ladung, 3 Lanthanoide, 32 Lauge, 145 Lavoisier, A., 124 Le Chatelier, H., 137 Leclanch´e-Element, 189 Leiter 1. Klasse, 72 Leiter 2. Klasse, 71 Leitungsband, 77 Linienspektrum, 9, 10 Lochfraßkorrosion, 198 Lokalelement, 197 L¨oslichkeitsprodukt, 135 L¨osungsenthalpie, 73 Magnetquantenzahl, 17 Mariotte, E., 91 Massendefekt, 7, 41 Massenwirkungsgesetz, 131 Massenzahl, 6 Materialpr¨ufung, 8 Memory-Effekt, 193

228 mesomere Grenzformel, 65, 75 Mesomerie, 65 Mesomerieenergie, 65 Metallbindung, 75 Metalle, 35 Mischelement, 7 Mischorbital, 57 molare Masse, 118 Molarit¨at, 122 Molek¨ul, 38, 53 Molekulargewicht, 118 Molekularit¨at, 115 Molek¨ulorbital, 55 Molmasse, 118 Molvolumen, 93, 120 monomolekulare Reaktion, 115 M¨unzmetalle, 32 MWG, 132 n-Leiter, 81 nat¨urliche Kernumwandlung, 42 Nebel, 88 Nebengruppe, 32 Nebenquantenzahl, 17 Nernst’sche Gleichung, 182 neutrale L¨osung, 147 Neutralisationsreaktion, 161 Neutralsalz, 161 Neutron, 3 Neutronenstrahlung, 47 nichtbindende Elektronenpaare, 55 Nichtmetalle, 35 Nickel-Cadmium-Akku, 193 Nickel-Metallhydrid-Akku, 193 Nomenklatur von Ionenverbindungen, 73 Normalbedingungen, 93, 120 Normalpotential E 0 , 179 Normalwasserstoff-Elektrode, 179 Nukleonenzahl, 6 Nuklid, 7 offenes System, 96 Oktettregel, 56 Opferanode, 199 Orbital, 17 Orbitalmodell, 13 Ordnungszahl, 6

Index Ostwaldsches Verd¨unnungsgesetz, 157 Oxidation, 165, 174 Oxidationsmittel, 165 Oxidationszahl, 166 Oxoniumion, 146 p-Leiter, 81 Partialladung, 67 Passivschicht, 197 Pauli-Prinzip, 20, 55 Pauling, L., 39 Periode, 30 Periodensystem, 29 permanenter Dipol, 83 pH-Messung, 201 pH-Wert, 148 Phase, 87 Photon, 12 Planck, Max, 12 Plancksches Wirkungsquantum, 12 Plasma, 50 polare Atombindung, 66 Potentiometrie, 200 Prinzip vom kleinsten Zwang, 137 Produkte, 124 Protolyse, 147 Protolysegrad, 156 Protolyt, 149 Proton, 3 Protonenakzeptor, 149 Protonendonator, 149 Puffer, 159 Pufferl¨osung, 159 Quanten, 12 Quantenzahl, 11, 17 Quecksilberoxid-Zink-Batterie, 190 radioaktiver Zerfall, 42 Radioaktivit¨at, 42 Rauch, 88 Reaktionsgeschwindigkeit, 109, 111 Reaktionsgeschwindigkeitskonstante, 110 Reaktionsgleichung, 124 Reaktionsordnung, 113 reales Gas, 93 Redoxgleichung, 168

Index Redoxreaktion, 165 Reduktion, 165, 174 Reduktionsmittel, 165 Reinelement, 7 Reinstoff, 87 Resonanz, 65 Resonanzenergie, 65 resublimieren, 88 reversibel, 132, 189 Rutherford, E., 4, 46 Salz, 160 Sauerstoffkorrosion, 197 S¨aure, 145 saure L¨osung, 147 S¨auregleichgewicht, 152 S¨aurekonstante, 153 S¨aurekorrosion, 197 Schale, 11 schmelzen, 88 Schmelzpunkt, 91 Schr¨odingergleichung, 15 schwache Base, 156 schwache S¨aure, 156 Siedepunkt, 90 Silberoxid-Zink-Batterie, 190 Spalte, 29 Spaltkorrosion, 198 Spektrallinie, 10 Spektrum, 10 Spin, 20 Spinquantenzahl, 17 spontane Reaktion, 42 Standard-EMK ΔE 0 , 178 Standardbedingungen, 178 Standardpotential E 0 , 179 starke Base, 156 starke S¨aure, 156 Stickstoffgruppe, 32 st¨ochiometrische Massenberechnung, 126 st¨ochiometrischer Koeffizient, 124 Stoffmenge, 119 Stoffmengenkonzentration, 122

229 Streuversuch, 4 sublimieren, 88 Summenformel, 117 supraleitend, 78 Suspension, 88 System, 95 Teilordnung, 112 Thermodynamik, 95, 109 Tr¨agerkatalysator, 113 Transuran, 29 Tritium, 7 ¨ Ubergangselement, 32 Umgebung, 45 Universum, 104 Valenzband, 77 Valenzelektron, 27 Valenzstrichformel, 55 van der Waals Bindung, 81 van der Waals, J., 81, 93 van’t Hoff, J., 110 verbotene Zone, 78 verdampfen, 88 Verdampfung, 90 Vollkatalysator, 113 Volumenanteil, 105 Waage, P., 132 W¨armeleitf¨ahigkeit, 75 Wasserstoffbr¨uckenbindung, 83 Welle-Teilchen-Dualismus, 13 Welleneigenschaft, 13 Zeile, 29 Zentrifugalkraft, 8 Zerfallskonstante, 45 Zerfallsreihe, 42 Zunderschicht, 196 Zustandgleichung f¨ur reale Gase, 93 Zustandsfunktion, 92 Zustandsgr¨oße, 96, 120 zwischenmolekulare Bindung, 81

Formelzeichen, Abk¨urzungen Formelzeichen a A c c e e− E E0 E EA Ekin Epot f F FC FZ G h H I I j k K KB KS KW l L m m M

Aktivit¨at Fl¨ache Lichtgeschwindigkeit Konzentration Elementarladung Elektron Elektrodenpotential Standard- oder Normalpotential Energie Aktivierungsenergie kinetische Energie potentielle Energie Aktivit¨atskoeffizient Faradaykonstante, Kraft Coulombkraft Zentrifugalkraft freie Enthalpie Plancksches Wirkungsquantum, Weg Enthalpie Ionisierungsenergie Stromst¨arke Stromdichte Zerfallskonstante, Geschwindigkeitskonstante Gleichgewichtskonstante Basenkonstante S¨aurekonstante Ionenprodukt des Wassers Nebenquantenzahl L¨oslichkeitsprodukt magnetische Quantenzahl Masse Molekulargewicht

232 n n n NA p p p+ pH pOH pKS pKB pKW q Q r R R s S t t1/2 T U U v V VM W z α β γ δ Δ ΔE ΔE 0 ΔU ΔU 0 ΔH ΔS ΔG ΔG0 ΔV

Formelzeichen, Abk¨urzungen Hauptquantenzahl Neutron Stoffmenge Avogadrokonstante Druck Impuls Proton − lg c(H+ ) (pondus hydrogenii) − lg c(OH− ) − lg KS − lg KB − lg KW Ladung W¨armemenge Radius, Abstand allgemeine, ideale, universelle Gaskonstante Widerstand Spinquantenzahl Entropie Zeit Halbwertszeit Temperatur Innere Energie Spannung Geschwindigkeit Volumen Molvolumen Arbeit Equivalenzzahl Dissoziationsgrad, He2+ -Teilchen, Teilordung Elektronenstrahlung, Teilordnung Elektromagnetische Strahlung, Teilordnung Partialladung ¨ Symbol f¨ur eine Anderung EMK Standard-EMK ¨ Anderung der inneren Energie ¨ Anderung der inneren Energie unter Standardbedingungen ¨ Anderung der Enthalpie unter Standardbedingungen ¨ Anderung der Entropie ¨ Anderung der freien Energie ¨ Anderung der freien Energie unter Standardbedingungen Volumen¨anderung

Formelzeichen, Abk¨urzungen

ε0 λ μ ν Ψ κ λ Λ

Dielektrizit¨atskonstante Wellenl¨ange Dipolmoment Frequenz Wellenfunktion elektrische Leitf¨ahigkeit Ionengrenzleitf¨ahigkeit Gesamtleitf¨ahigkeit

Abk¨urzungen a AO b.p. Bz d D EMK EN eq f FC fl g h HInd n NiMH NWE m min MO m.p. MWG Ω PSE s S T

(anno) Jahr Atomorbital Siedepunkt Brennstoffzelle (dies) Tag Deuterium elektromotorische Kraft Elektronegativit¨at a¨ quivalent fest Brennstoffzelle (fuel cell) fl¨ussig gasf¨ormig (hora) Stunde Indikator normal Nickel-Metallhydridzelle Normalwasserstoffelektrode mol Minute Molek¨ulorbital Schmelzpunkt Massenwirkungsgesetz Ohm Periodensystem der Elemente Sekunde Siemens Tritium

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