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German Pages 634 Year 1778
C. Niebuhrs
eiſebeſchreibung nach
Arabien und andern umliegenden Ländern l
STOF
Zweyter Band. /2.
Kopenhagen, Gedruckt in der Hofbuchdruckerey bey Nicolaus Möller,
1 778.
/39
-
PSüd...
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Vorerinnerung.
Daſ
unter meinen Leſern die etwa auf die Fortſetzung meiner
Reiſebeſchreibung gewartet haben, muß ich um Entſchuldigung bitten, daß die Ausgabe dieſes zweyten Bandes ſo lange verzögert worden iſt. Die
Liebhaberder Naturwiſſenſchaft werden mir deswegen, hoffentlich,keinen Vor wurf machen, da ſie ſeit der Ausgabe des erſten Bandes andere Früchte der arabiſchen Reiſe erhalten haben, nemlich: die Deſcriptiones Animalium und die Flora AEgyptiaco-Arabica meines Reiſegefährten, des verſtorbenen
Profeſſors Forſkäl, und die Icones rerum naturalium die dieſer durch
den Mahler Baurenfeind nach der Natur hat zeichnen laſſen.
Seine
Königliche Majeſtät ,
welche die Wiſſenſchaften überhaupt gnädigſt unterſtützen, und den Gelehrten die auf der Reiſe nach Arabien gemach ten Beobachtungen bekannt machen laſſen, hatten allergnädigſt mir auf getragen, die Ausgabe der erwähnten Werke zu beſorgen; und ich habe
dieſe Arbeit nicht nur aus Pflicht, ſondern auch mit Freuden übernommen, um dadurch deſto beſſer das Andenken meiner Reiſegefährten zu erhalten, die ein Opfer für die Wiſſenſchaften geworden ſind.
Da ich ſchon im Anfange des Jahrs 1764 alle meine Reiſegefährten verloren hatte, ſo that ich die Rückreiſe von Indien über Basra nach Haleb ganz allein.
Aus dieſen Gegenden alſo kann der Naturkündiger
durch die vom Könige von Dännenmark veranſtaltete Reiſe keine Beob achtungen erwarten. Allein ich bin gewiß, daß die Erdbeſchreibung dadurch viel gewonnen hat: und die hier gemachten geographiſchen Beobachtun
gen ſind um ſo viel wichtiger, da das Land, wodurch ich gereiſt bin, das älteſte iſt, das wir kennen.
Überall habe ich geſucht Grundriſſe von
den jezt daſelbſt befindlichen Städten zu entwerfen, die den europäiſchen ( 3 Gelehrten
Inhalt
Inhalt des Zweyten Bandes.
Anmerkungen zu Bombay und Surät. Seite,
Bºrn
der Inſel und der Stadt Bombay. Handlung und Macht der engliſchen oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft in dieſer Gegend, und Handlung ihrer Bedienten nach andern Hafen jenſeit des Vorgebürges der guten Hofnung. Einwohner auf der
-.
Inſel Bombay: als Europäer, in Indien geborne Catholiken oder ſogenannte Portu giſen; Hindu oder Heiden; Parſi oder Feueranbeter, und Mohammedaner. Beſchrei bung der Pagode auf der Inſel Elephanta. Beſchreibung der Stadt Surat. Macht
der Engländer daſelbſt.
Uebrige Einwohner u. a. m.
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-
I - ZO,
Reiſe von Bombay nach Maſkät und Abuſchähhr. Reiſe nach Maſkat. Beſchreibung dieſer Stadt und ihrer Einwohner. nach Abuſchähhr. -
-
-
Reiſe von Maſkat -
8o- 93.
Anmex
Anmerkungen zu Abuſchähhr, Schiräs und Perſepolis. Seite,
Beſchreibung der Stadt Abuſchähhr. Anmerkungen auf der Reiſe nach Schiras; von den herumſtreifenden Kurden und Turkmannen, und von einer perſiſchen Armee die das Land verwüſtete. Anmerkungen zu Schiras. Beſchreibung der Ruinen des Palaſtes
zu Perſepolis und der übrigen Alterthümer dieſer Gegend. Schiras.
Rückreiſe nach Abuſchähhr
-
Fernere Anmerkungen zu -
-
93 – 181.
Anmerkungen zu Charedſch. Lage dieſer Inſel der Holländer. Krieg zwiſchen den Perſern und dem Herrn von Benderrigk, woran die Engländer Theil nahmen. Anmerkungen von Charedſch und ihren Ein
wohnern. Reiſe nach Basra. Anmerkungen von dem Compaß der Morgenländer 181-209
Anmerkungen zu Basra.
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Beſchreibung dieſer Stadt und ihrer Regierungsform. Einwohner daſelbſt. Lage des alten Basra. Krieg des arabiſchen Stammes Kaab mit den Perſern, Türken und Eng ländern; und hernach zwiſchen den Stämmen Kaab und Montefidſch, wobey die Dattelgärten der Basraner geplündert wurden. Reiſerouten durch die Wüſte von Basra und Bagdad nach Haleb. Taubenpoſt 209 - 240. -
-
Reiſe von Basra nach Bagdäd. Reiſe auf dem Euphrat von Basra bis Lemlum. Städte und arabiſche Stämme in dieſer Gegend. Reiſe über Rumahie nach Meſched Ali. Beſchreibung dieſer Stadt und des hier befindlichen koſtbaren Tempels der Schiiten, ingleichen der Ueberbleibſel von
Kufa.
Reiſe nach dem Grabe Heſekiels, Helle und Meſched Höſſein. Beſchrei bung von Kerbela und des Grabes Höſſeins. Unterſchied der Sunniten und Schiiten.
Veränderung der Religion dieſer leztern unter der Regierung des Nadir Schah
Andre Nachrichten von dieſem perſiſchen Helden. Beſchreibung der Stadt Helle Lage der hangenden Gärten zu Babylon und des Tempels Belus. Reiſe von Helle nach Bagdad
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–
24o – 292
Anmer
Anmerkungen zu Bagdad. Seite.
Beſchreibung dieſer Stadt, und der Lage des alten Bagdad.
Gräber des Muſa el kadem,
eines Imams der Perſer; und des Abu Hanifa, des Stifters einer Sekte der Sunni ten. Agerkuf und Madeien. Handel der Stadt Bagdad. Neuere Geſchichte der ſelben. Regierungsform in dieſer Provinz. Nacht des Paſcha. Anmerkungen von Kurdeſtan; ſowohl von dem Theil der jezt zu dem Gouvernement Bagdad gehört,
als von dem, der meiſtentheils unabhängig iſt
293-334.
-
-,
Reiſe von Bagdäd nach Moſul. Anmerkungen zu Jänkſcha, Tauk, Kerkuk, Altun kupri und Arbil oder Arbela.
ſätze der Jeſidier, Leute, wovon man ſagt, daß ſie den Teufel anbeten.
Grund:
Anmerkun
gen zu Karmelis und dem großen Fortgange der römiſchen Miſſionaren in dieſer Ge gend. Von der chaldäiſchen als einer hier noch lebenden Sprache. Lage der Stadt Ninive. Verſchiedene Wege zwiſchen Moſul und Bagdad. Beſchreibung der Stadt Moſul und ihrer Einwohner. Namen der Dörfer welche zu dieſem Paſchalik ge hören 334-370. -
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Reiſe von Moſul nach Mardin. Vorbereitung der Morgenländer welche durch die Wüſte reiſen wollen.
Reiſe mit einer großen
Karwane bis Niſſabin. Anmerkungen von dieſer alten Stadt, und den Diſtrikten an beyden Seiten des Weges von Moſul nach Mardin. Beſchreibung der Stadt und des Gouvernements Mardin; von ihren verſchiedenen Einwohnern, und beſonders von den Schemſie, Anhängern einer ſehr alten Religion, die ſich neulich unter den
Schutz des Patriarchen der Jacobiten begeben haben
-
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Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Haleb.
370–397.
-
Beſchreibung der Städte Diarbekr, Söverek, Orfa und Biradſik; ingleichen übrige Anmer kungen auf dem Wege von Mardin bis Haleb. Liſten von den vornehmſten Stäm men der Turkmannen und Kurden, die in Armenien, Natolien und Syrien unter Zelten herumwandern. Entfernung verſchiedener Städte in Armenien und Na tolien
-
-
-
b
-
398 - 422.
Anmer
Anmerkungen von Syrien, und beſonders von den Bewohnern des Berges Libanon. Seite. Eintheilung dieſes Landes.
Verſchiedene Nationen und Sprachen. Sunniten, Metaneli,
Juden und Chriſten. Annerkungen von den Druſen. Ihr Urſprung, Charakter und Religion. Wohnung und Religion der Naſſairier und der Ismaeliten. Regie rungsform der Drnſen. Neuere Geſchichte dieſer Nation. Ihr Adel. Geographiſche Beſchreibung ihres Gebiets. Herrſchaft der Maroniten auf dem Berge Libanon. Adel der Maroniten. Von den ſogenannten Prinzen vom Berge Libanon. Be ſchreibung der Provinz Kesroan und der Stadt Beirut. Verſchiedene Diſtrikte im
Paſchalik Tripolis, die von Chriſten bewohnt werden. dem Berge Libanon
-
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-
Neueſte Veränderungen auf -
-
423 - 479.
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eſeite.
«Täéelle. – VII. Aééildung der Figuren key 5 Cä6 m. - VIII. Aééil Oung der Figuren éey 6. und 12. Wä6. 11. - IX Aéildung der Figuren 6ey z. C7ä6 III. vX. Aééildung der Ölauptfigur éey 9. 67aé. III. V XI. «Aééildung Der Figuren éeſ 13. und 14. C7ä6. m.
38. 4O. 42
-
44
46.
vXII. A. Gähári der Özidier B. Feidung der Fidier. – c. CRegenmantel der indiſchen C3auern
66.
XIII. A. ein Falanguin deſſen die CTidier ſich im oſom
-
zner éédienen. B. ein ZWinterpalanquin – XIV. Lage der Gſtadt Cſurät am Fuſſe 7äppi, und
72.
Gruidriſz eines Gartens éeſ dieſer Gſtädt
XV Cruidriſz der oſtadt Céféit XVI. Cruiörifz der Gegend um
-
Auf ihr
8O.
-
88.
-
96.
vXVII. Reiſecharte von Aéufchähhr nach CFerſepolis
II2.
« XVIII. Grujörfz der ERuinen des CFalaſtes zu CFer fepolis (NB. wird ausgeſchlagen gegen)
I2I.
vXIX. Froſpect Oer ERuinen dieſes CFaſaftes.
I22.
-
vXX A
Aldung
der C7hiere an den 7Wänden A.
u,8 E. 676 xvIII. b, d TV07 der
-
-
geſchnittene Sſeine
Figur a, c. uid e ein A6öruch des
eſiegels d.
–
-
-
-
126.
XXI.
7abelle. XXI. «Aééildung
Cſeite.
-
der Figuren an der ZWaiió c. C/a5.xvIII. 128.
* XXII. «Aééildung der Figuren an der 7Wand d.
I3O,
- XXIII. «Mééildung der übrigen Figuren an der 7. and d. C7ä6. xvIII. Gngleichen die verſchiedenen E3uchſtaben der älteſten perfiſchen Oſchrift
I32
- XXIV. ZPerſchiedene perfepolitaniſche Tiſchriften von drei verſchiedenen Alphabeten – -
I34
*XXV. a. b. «Aildung einer eſäule zu Ferſepolis c. Abbildung einer vornehmen CPerſon die ver muthlich einen Geiſtlichen vorfellen ſoll d e. «Aééldung alter Gºelden. fg. h. i. k. Gefäßze die von andern CFerſonen die an dieſen Fuinen
abgebildet ſind, getragen werden
-
- XXVI. Froſpect des Gebäudes G. Ca6 xvIII.
136. I38
XXVII. Äuſſche, arakiſche und andre Crſchriften zu
CFerſepolis , ÖWaſchi Sadjaé und CYaſchi é Ruftamt
-
-
-
-
vXXVIII. Froſpect des Cebäudes 1. 76 xvmr.
T42,
I44
vXXIX. Aktil dung der Figuren an den C7hürpfofen w. w. r46. “XXX. «Abildung der 67guren an den G77hürpfoſten r. a. 15c. XXXI.
Ferſepolitaniſche Inſchriften von drei verſchie denen vlphaéeten
-
53
-
-
15z
XXXII.
*F==ÄF=-Jeite.
67äkelle.
XXXII. «Aildung der 67guren éey CWaſchi CRadjab 154. "XXXIII. «Aßbildung einiger Figuren zu Wachſchi GRuſtam 158. » XXXIV. Inſchriften zu Wachſchi Zuftam
I6o,
-
- XXXV. Cruidriſz der ſtädt Oſchirás
–
-
I68.
Y XXXVI. GFroſpect der oſtadt Oſchirás
–
-
17O.
vXXXVII. Leibesüßungen der Ferfer
–
-
I74.
- XXXVIII. Grundriſz des Gaſtels und der «ſtädt Gharéoſch 200. vXXXIX. Grundriſz Der eſtäôt Basra
–
2I6.
-
* XL. CReiſecharte von dem perſiſchen CI/erkuſen bis Oſemaue 248.
vXLI. CRefecharte von Oſemaue éis Caratöppe
256.
-
vXLII. Cruidriſz der ſtädt Wefehé0 Ali A. Froſpect der großzen Cºosgué in dieſer ſtädt. B. Cruid c. CFroſpect riſz Der CYosqué zu Cºfa. der WZosqué Cºeſché0 élöſſein. D. e. Ciu chen von 67honerde, deren ſich die oſchiiten éeym Gebet bedienen. F. Als berühmtes zwey
ſchneidiges Oſchwerdt. G. Cºohamméos prophe H. Froſpect der CT/osqué tiſches eſiegel Cºfa el Ciadem key E3agd. 0 – -
272.
XLIII.
A
-*-* =”– =----
"HIS=#FFE
«Taleffe.
dſeit'
'-XLIII. A. B.cd. EInſchriften zu Sºfa.
E. C77eil einer
Aufſchrift an einer 67ähie zu BajdfO. F. «Auf G. EInſchrift auf ei
ſchrift zu Gffi Cºoful
nem oſtein zu Gasr Gſcherridſch am ZWege von CZoful nach ÖWifakin
–
–
vXLIV Crundriſz der oſtadt Zajdºſo – -XLV. EReiſecharte von Ciaratöppe éis eſacho
- XLVI Cruidriſz der oſtadt Tofu
–
-
288.
-
296.
-
352
–
360.
“XLVII. Froſpect der Stadt Clarºin unô des Dorfes SYunia
-
-
-
-
vXLVIII. Grunioriſz der OſtaÖt Ziaréefir - XLIX Fºufiſche Önſchriften an der Oſtädtmauer zu -
ZDiarber
–
-
-
-
V L. Refecharte von Auend O bis Orfa – Y LI. Frun Drifz der Oſtädte Orfa und Zamáſé – -
- LII, CRefecharte von Orſa éis Adene –
-
392, 4OO
4O2,
406 4O8
416
Verbeſſerungen. 2 - Seite 3. Zeile leſe man: um ihm deſto beſſer Eingang bey ſeinen Landsleuten zu verſchaffen. -
- 24. – –
3O.
– I e. –
54. – 21“ – -
mehr ähnliches mit den unſrigen, als der Araber ihre. von ihnen, anſtatt von ihren – Europäer, aber ihre Schiffe ſind gut. Sie finden die
84. - 19. – – – I 14 - 18. – –
–
26ſten Tabelle, anſtatt 16ten Tabelle. aus den verſchiedenen Provinzen von Perſien
I 36. – 19. – – – die übrigens mit Erde bedeckt ſind. 143. - 3. – –
– von dem abgetragenen Felſen
146. - 23. – – – G. anſtatt H. I49. - 29. – – – hat er ſelbſt, anſtatt, ſelbſt erſterer 157. - 27. – – – Tabelle 33 anſtatt 32. 159. – 5. – – – Tabelle 27 anſtatt 2r. 182. – 22. – –
–
und beſonders mit den
1. – –
–
Bücherſchreiber, anſtatt Schreiber. wenige, und da ſie alle geringe Leute ſind, ſo werden ſie nicht viel geachtet.
2 16. –
22c. – 7.
–
469. – 21. – – – Die vornehmſten Einwohner von dieſer Religion AaA - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - –– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –* - - - - - - - - - - - - - - - - -
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Bombay und SUrat.
S
ie Inſel Bombay liegt auf der weſtlichen Küſte von Indien, und ge
hört ſchon ſeit 1oo Jahren der engliſchen Oſtindiſchen Handlungs geſellſchaft, welche hier eine Regierung niedergeſezt hat, worunter alle Facto reyen ſtehen, die ſie auf dieſer ganzen Küſte, von Ceylon an nach Norden bis
Basra beſizt. Der hieſige Hafen iſt groß und vor allen Winden ſicher, und deswegen der Nation ſehr ſchätzbar. Die Inſel ſelbſt iſt von keiner ſo großen Erheblichkeit. Sie iſt an einigen Stellen kaum eine halbe deutſche Meile breit, und überhaupt nur zwey Meilen lang, wenn man nicht eine kleine unbedeutliche Inſel mit darzu rechnet, welche die Engländer Old Womens Island (Alt-Wei ber Inſel) nennen. Der Boden der See zwiſchen dieſen beiden Inſeln iſt ein Fels, und ſo hoch, daß man zur Zeit der niedrigſten Ebbe trockenes Fußes von einer zu der andern gehen kann. Wenn alſo das Waſſer auch auf der Malabar
küſte, wie im arabiſchen Meerbuſen und vielen andern Gegenden der Welt, ab nimmt, ſo wird man hier einen Beweis davon ſehen können, weil alsdann
künftig Bombay mit Old Womens Island nur eine Inſel ausmachen wird. Cocusnußbäume und Reis iſt das vornehmſte was auf der Inſel Bombay gebaut wird, und auf der Küſte wird auch viel Salz geſammlet. Faſt alle übrige Le bensmittel müſſen die Einwohner vom feſten Lande, und beſonders von Salſet II. Theil. A erhalten
Anmerkungen zu Bombay.
2
erhalten: Lezteres iſt eine große und ſehr fruchtbare Inſel, die nur durch einen ſchmalen Canal von Bombay abgeſondert iſt, ehmals den Portugiſen gehört hat, und jezt den Maratten gehört. Die Engländer haben nach meiner Abreiſe aus dieſen Gegenden einen Verſuch gemacht um dieſe Inſel an ſich zu bringen, und
nach den Zeitungen haben ſie ſelbige auch würklich erobert. Ich weiß aber nicht ob ſie Salſet gegen die große Landmacht der Maratten werden vertheidigen können. Auf der Tabelle I. ſieht man einen Grundriß von Bombay, den ich auf dieſer Inſel copiirt, und hernach verkleinert habe.
Die Stadt Bombay liegt auf dem ſüdlichen Theil der Inſel unter der Polhöhe 1 8“. 5 5 . 43%. Sie iſt ohngefehr eine viertel Meile lang, aber nur ſchmal. An der Seeſeite und in der Stadt liegt ein altes Ca ſtell von keiner großen Bedeutung. Die Stadt ſelbſt iſt nach der Landſeite mit einem guten Wall und einem breiten Graben umgeben, und hat Ravelins vor ihren drey Thoren. Dieſe Werke ſind gröſtentheils erſt während des lezten
Krieges mit den Franzoſen errichtet, in welchem die Engländer, wie man mich verſicherte, jährlich 3ooooo Rupees, (ohngefehr 2ooooo Rthlr.) auf die Befeſtigung dieſer Infel wandten. Weil zu meiner Zeit der Friede längſt ge ſchloſſen war, ſo arbeitete man nicht mehr ſo eifrig daran, indeß waren die Eng länder noch entſchloſſen die in ihrem neuen Plan angezeigten Werke nach und nach völlig zu Stande zu bringen, und Bombay muß daher bald eine der wichtig
ſten Feſtungen in ganz Indien werden.
Der Stein, den man zur Bekleidung
dieſer Feſtungswerke braucht, und der auf der Inſel ſelbſt gebrochen wird, hat die gute Eigenſchaft, daß er in der Grube weich, und daher leicht zu bearbeiten iſt, an der freyen Luft aber nach und nach ſehr hart wird. Außer dieſer Hauptfeſtung findet man auf der Inſel Bombay noch ver
ſchiedene kleinere: als, ein kleines Caſtell bey dem Flecken Mahim auf dem nörd
lichen Ende der Inſel, und Batterien bey Riwale, Sion, Suré, Maza gon, Worlé u. ſ. f. Die meiſten derſelben ſind zwar von geringer Bedeu tung, ſie können aber doch einem Feinde, beſonders einem indiſchen, bey einer
Landung ſehr hinderlich ſeyn, -
Alle
Anmerkungen zu Bombay.
3
Alle Einwohner auf Bombay genießen unter der engliſchen Regierung eine völlige Gewiſſensfreyheit. Daher hat ſich ihre Anzahl, beſonders in den lezten Jahren, ſeitdem die Portugiſen aus dieſer Nachbarſchaft vertrieben worden, ſehr vermehrt. Ein Engländer, der noch nicht 2 o Jahre auf dieſer Inſel geweſen war, verſicherte mich, daß bey ſeiner Ankunft die Anzahl aller Einwohner nur
auf 7.oooo Seelen gerechnet worden, und daß man jezt, ( 1764) ganz ge wiß 1 4o Tauſend anträfe.
zuvermuthen, nur klein.
Darunter iſt die Anzahl der Europäer, wie leicht
Die übrigen ſind indiſche Catholiken oder ſo ge
nannte Portugiſen, Hindu oder ſo genannte Heiden von allerhand Caſten, An
hänger verſchiedener Sekten Mohammedaner, beſonders Sunniten und Schii ten, und überdieß findet man hier Parſis oder ſo genannte Feueranbeter. Alle dieſe verſchiedene Religionsverwandte vertragen ſich unter einander ſo wohl,
daß jede Parthey ihren Gottesdienſt nicht nur ruhig in ihren Tempeln abwartet, ſondern auch ihre Proceſſionen öffentlich hält, ohne daß die übrigen daran ein
Ärgerniß zu nehmen ſcheinen.
Auch habe ich einige Armener und Griechen zu
Bombay angetroffen. Ich weiß nicht, ob man in dieſer Gegend Thomas Chriſten findet, es ſollen aber deren noch viele in Indien ſeyn, welche noch jezt
einen Biſchoff von den Syrianern zu Halé6 erhalten.
-
Das Clima zu Bombay iſt wegen der kühlenden Seewinde, und weil es hier in den Monaten viel regnet da die Sonne dem Scheitelpunkt am nächſten iſt*), ſehr gemäßigt. Seitdem man einige Teiche in und um die Stadt ausge trocknet hat, iſt die Luft hier auch nicht mehr ſo ungeſund als man ſie ehmals
beſchrieben hat *). tet.
Hier ſterben freylich noch viele Engländer ganz unerwar
Aber meiner Meynung nach vornemlich durch ihre eigene Schuld.
Sie
eſſen viele alzunahrhafte Fleiſchſpeiſen, beſonders Rind- und Schweinfleiſch, welches die alten Geſezgeber der Indier aus guten Gründen gänzlich verboten haben: ſie trinken heiſſe portugiſiſche Weine, und dieß in den heiſſeſten Stunden des Tages. Sie tragen hier auch die enge europäiſche Kleidung, welche für dieſen A 2
*) Erſter Band. S. 493, 494, 503
**) Voyage d' Ovington. Tom, I. 136.
Him
4
Anmerkungen zu Bombay.
Himmelsſtrich gar nicht bequem iſt.
Denn, weil verſchiedene Theile des Kör
pers dadurch gleichſam zuſammengeſchnürt werden, ſo hindert ſie den Umlauf des
Geblüts, und macht uns die Hitze viel empfindlicher als den Indiern in ihren langen und weiten Kleidern. Wir ſind auch gar zuſehr geneigt uns des Abends zuviel zuentblößen, und uns dadurch gefährliche Erkältungen zuzuzie hen. Die Morgenländer hergegen, welche des Vormittags ein Frühſtück eſſen, und erſt bey Sonnenuntergang ihre Hauptmahlzeit halten; die Fleiſchſpeiſen und ſtarke Getränke meiden, die, wenn ſie auch des Abends in freyer Luft ſitzen, immer ihren Kopf und die Bruſt wohl bedeckt halten: dieſe ſind in den heiſſen Ländern viel weniger Krankheiten unterworfen, und erreichen oft auch ein hohes Alter. Die Europäer und diejenigen, welche von Europäern abſtammen, woh nen meiſtentheils im ſüdlichen Theile der Stadt. Hier iſt auch die Wohnung des Statthalters, ein großes und ſchönes Gebäude, und nicht weit davon eine große und ſchöne Kirche. Die platten Dächer ſind in dieſen Gegenden nicht Mode, ſondern alle Häuſer haben ſchräge Dächer, und ſind mit Dachſteinen
belegt. Die Engländer haben Glasſcheiben in ihren Fenſtern. Sonſt braucht man ſtatt derſelben auch dünne Muſchelſchalen viereckigt geſchnitten, und reihen weis in Holz eingefaßt, welches die Zimmer ſehr dunkel macht. Indeß ſind dieſe Fenſter in der Regenzeit doch beſſer als die eiſernen oder hölzernen Gitter, oder als Fenſterthüren; denn erſtere ſchützen gar nicht gegen den Regen, und
letztere laſſen gar kein Licht in das Zimmer kommen.
Die Morgenländer ſitzen
in der trockenen Jahrszeit, der freyen Luft wegen, gern in Zimmern die nach einer Seite ganz offen ſind. Sonſt muß man in ihren Häuſern weder viele Bequemlichkeit noch Pracht ſuchen.
Unter den vielen und guten Anſtalten welche die Engländer wegen der Handlung und Schiffahrt zu Bombay haben, iſt die Docke wohl eine der vor nehmſten. Davon war zu meiner Zeit ſo viel fertig, daß in derſelben zugleich zwey Schiffe hinter einander liegen und ausgebeſſert werden konnten, und man arbeitete daran, um noch ein Behältniß zu einem dritten Schiffe zu erhalten.
Dieß Werk, welches zum theil aus dem Felſen gehauen und übrigens von ge hauenen
Anmerkungen zu Bombay.
5
hauenen Steinen gebaut iſt, muß der Handlungsgeſellſchaft ſehr viel Geld geko ſtet haben. Es iſt aber auch wieder einträglich; denn ſie erlaubt nicht nur Kaufleuten von ihrer eigenen Nation ihre Privatſchiffe darin auszubeſſern, ſon
dern auch Fremde können ſich derſelben bedienen. Zu meiner Zeit kam ein Kriegs ſchif des Imams von Omänin dieſe Docke. Die Fluth ſteigt hier am Tage des Neu- und Vollmondes 16 bis 18 Fuß hoch.
An dieſen Tagen iſt außen
vor dem Eingange des Hafens, etwa 15 bis 1 # deutſche Meilen ſüdlicher als Bombay, um 11 Uhr, bey der Stadt aber kurz vor 12 Uhr das höchſte
Waſſer.
Und in einer gewiſſen Jahrszeit ſteigt (nach dem Berichte der Schiffer)
die Fluth des Nachts höher als bey Tage, in einer andern aber des Tages höher als bey Nacht. Die Abweichung der Magnetnadel iſt hier ohngefehr 2 Grad nach Weſten.
Die Oſtindiſche Handlungsgeſellſchaft hielt zu meiner Zeit in ihren verſchie denen Pflanzörtern auf der Malabarküſte, wovon Bombay gleichſam der Mit telpunkt iſt, 17 Compagnien Infanterie und drey Compagnien Artillerie.
Davon ſind die meiſten Europäer, die übrigen ſind Topaſen d. i. indiſche Catho liken welche europäiſche Kleider tragen. Jede Compagnie hält gemeiniglich 1 oo bis 12 o Mann; und wenn auf einmal viele Recruten aus Europa kommen, ſo wird ſie, die Topaſen mit eingerechnet, wohl 17o Mann ſtark. überdieß
hatten die Engländer bloß auf der Inſel Bombay, bey 3ooo Sepois d. i. indi ſche Soldaten, die meiſtentheils Mohammedaner oder Heiden ſind. Dieſe haben die indiſche Kleidung und ihre eigene Officiers. Aber bey jeder Compag
nie iſt ein europäiſcher Unterofficier der ſie in den Waffen übt. Zu Surät ha ben ſie auch einige Araber in ihrem Dienſte. Dieſe genießen eine höhere Be ſoldung als die Sepois, und ein engliſcher Officier verſicherte mich daß ſie auch viel tapferer wären. Die Tapferkeit der Araber (vermuthlich derer aus Omän oder dem perſiſchen Meerbuſen, und nicht aus Jemen) ſoll in Indien ſo berühmt ſeyn, daß faſt jeder Rajah oder heidniſcher Prinz einige von ihnen in ſeinem Dienſte hat.
Indeß thun auch die Sepois, wann ſie nur von Euro
päern angeführt werden, gute Dienſte. A 3
Die
6
Anmerkungen zu Bombay.
Die Artillerie der Engländer zu Bombay iſt in einem ſehr guten Stande. Etwa in den Jahren 175 1 oder 1 75 2 ſchickte die Handlungsge ſellſchaft einen gebornen Schweden, der viele Jahre in franzöſiſchen Dienſten ge weſen war, als Ingenieur und Artillerie Hauptmann mit einer ganzen Com pagnie, die er ſelbſt in Deutſchland angeworben hatte, nach dieſer Inſel. Sie erhielt dadurch viele gute Handwerker, beſonders Zimmerleute und Maurer. Viele Deutſche die von den Holländern zu den Engländern kamen, wandten ſich an dieſe ihre Landsleute. Daher findet man in den hieſigen Artillerie-Corps noch bis jezt ſehr viele von dieſer Nation, und nicht blos Gemeine, ſondern auch brave Officiers. -
Die fremden Europäer können ihr Glück hier nicht als Kaufleute machen; allein bey Kriegsdienſten wird zwiſchen ihnen und gebornen Engländern, Ire ländern und Schottländern kein Unterſchied gemacht. Ich habe unter den hie ſigen Officiers einen Liefländer, einen Pohlen, einige Schweizer, Holländer, Schwe den und verſchiedene Deutſche angetroffen. Alle müſſen als Cadet anfangen. Aber dann ſteigen ſie auch nach ihrem Alter bis ſie eine Compagnie erhalten, und dieß oft ſehr geſchwind. Denn viele wollen hier eben ſo leben als ſie es in Europa gewohnt waren, und ſterben daher bald; andere bleiben im Kriege, einige werden Kaufleute, ſehr wenige gehen nach Europa zurück, um ihre in Indien erworbene Gelder in Ruhe zu verzehren, und einige reiſen wieder nach England, weil ſie Indien nicht ſo finden als ſie es erwartet haben. Der vornehmſte Offi cier auf Bombay hatte zu meiner Zeit nur den Titel Major. Die hieſigen Mi litairbedienten haben eine gute Bezahlung. Aber dieß iſt es auch allein was den Dienſt bey den Kaufleuten angenehm machen kann. Denn da ſich jeder
Schreiber Hofnung macht dereinſt General, (Präſident, Statthalter) von Bombay zu werden, ſo bilden ſich dieſe jungen Herren oft ſchon ein, viel wich tigere Perſonen zu ſeyn als die alten Officiers, die ihr Leben zur Beſchüßung der Handlung der Engländer ſchon in mancher Schlacht gewagt haben. Weil die Malwanen, die Sangerier, die Kuli und andere kleine Na tionen auf dieſer Küſte, ingleichen die Araber im perſiſchen Meerbuſen oft See räuberey treiben, ſo iſt die Handlungsgeſellſchaft genöthigt ihrentwegen auch Schiffe
Anmerkungen zu Bombay.
7
Schiffe zu halten. Sie hat zu Bombay und Surät gemeiniglich 8 bis 1o kleine Kriegsſchiffe, die man Kreuzer nennt, und überdieß noch eine Menge Galwetten oder kleine bewafnete Schiffe. Die Officiers und Steuerleute auf denſelben ſind Engländer. Die Matroſen aber, ſowohl auf dieſen als auf
den Schiffen der Kaufleute ſind gemeiniglich lauter indiſche Catholiken, und auch wohl Mohammedaner. Es würde für die Engländer leicht ſeyn, alle die erwähnten Seeräuber auszurotten. Allein ſie finden dabey ihren Vortheil nicht. Nun ſind ſie ſicherer, daß ſowohl ihre Kriegs- als Kaufmannsſchiffe zuerſt be
frachtet werden.
Wann dann noch indiſche Schiffe von einem Hafen zum
andern gehen wollen, ſo müſſen ſich gleichſam Karwanen verſammlen, eine Be
deckung von den Engländern ſuchen, und dafür gut bezahlen. Die Engländer haben auf dieſer Küſte von Niemand etwas zu befürchten, als nur von den Maratten. Denn weil dieſelben Herren von dem feſten Lande und allen Inſeln um Bombay ſind, ſo müſſen ſie ihre meiſten Lebensmittel bey
ihnen ſuchen. Ihr Regent wohnt zu Puna. Seine Seemacht iſt nicht groß, wenigſtens den Engländern nicht furchtbar. Aber er kann, wie man mich ver ſichert hat, wenigſtens 8oooo Reuter ins Feld ſtellen, und iſt alſo durch ſeine Landmacht ſeinen Nachbaren ſehr fürchterlich. Dieſe heidniſche Nation iſt in Indien jederzeit noch ſo mächtig geblieben, daß ſelbſt der große Aurengzeß
ihr in vielen Städten ſeines Reichs den vierten Theil des Zolls hat einräumen müſſen, um nur Friede mit ihnen zu haben.
Die Mogols haben es ſich ſo gar
gefallen laſſen müſſen, jederzeit einen Officier der Maratten auf ihren Zollhäu ſern zu dulden, der genaue Rechnung von aller Einnahme hielt. Der Regent und ſeine vohrnehmſten Bedienten ſind alle Bramanen, und dieſe regieren eben ſo unumſchränkt als die Mohammedaner. Die Provinzen werden bey ihnen verpachtet, wie in der Türkey, gemeiniglich an Bramanen, die wiederum klei nere Diſtrickte an andere Bramanen verpachten. Man ſagt, daß in ihrem Lande die gröſte Ordnung herſche, daß Gerechtigkeit gehandhabet werde, daß Ackerbau und Fabriken in gutem Stande ſind, und daß daher ihr Land ſehr be
völkert ſey. Sie ſuchen aber oft Gelegenheit in die benachtbarten Länder einzu fallen, die von Mohammedanern regiert werden; und da rauben und plündern ſie
Anmerkungen zu Bombay.
F
ſie als Barbaren.
Selbſt gegen die Engländer bezeigen ſie ſich ſehr ſtolz.
Jahr 1764. brachten ſie einen Kreuzer von Bombay nach ihrem Hafen.
Im Man
hätte denken ſollen, die Engländer würden ihnen ſogleich den Krieg angekündigt haben. Weil ſie aber viele Truppen nach Bengalen und Madras geſandt, und ſich vorgenommen hatten, in dem folgenden Jahre die Malwanen anzugreifen, vielleicht auch weil der Statthalter von Bombay, der nicht viele Jahre mehr in Indien zu bleiben dachte, ſeinen Privathandel nach dem Lande der Maratten nicht verderben wollte, ſo hielt die hieſige Regierung es für rathſam, die Strei tigkeiten jezt gütlich beyzulegen. Die Regierungsform der Engländer in Oſtindien iſt von der Holländer, Franzoſen und Portugiſen ihrer ſehr verſchieden. Alle oſtindiſche Colonien die
ſer letztern ſind von den Regierungen zu Batavia, Pondicheri und Goa ab hängig. Die Engländer haben dagegen vier Haupt-Etabliſſements. Nemlich: auf der Malabarküſte zu Bombay, in Bengalen zu Calcutta, auf der Coro mandelküſte zu Madras und auf Sumatra zu Banculen. Jedes derſelben iſt von den übrigen gänzlich unabhängig, und erhält ſeine Befehle gerade von der Direction in London. Indeß müſſen ſie ſich im Nothfall einander unterſtützen. Als zu meiner Zeit zu Bombay die Nachricht ankam, daß in Bengalen neue Unruhen ausgebrochen wären, wurden gleich Truppen und Kriegsbedürfniſſe
dahin abgeſandt, ohne darzuerſt Befehl von England zuerwarten. Die hie ſigen Engländer richten auch alle ihre Unterthanen, von welcher Nation und Religion ſie ſeyn mögen, nach ihren Geſetzen, und dieß ohne Advocaten und
ſolche Richter die die Geſetze ſtudirt haben. Die Regierung zu Bombay beſteht aus dem Statthalter oder Präſidenten, und zwölf Rathsherren, die alle, den Major ausgenommen welcher die dritte
Stimme im Rath hat, Kaufleute ſind *).
Die übrigen Civilbediente der d
Handlungs
*) Seit meiner Abreiſe hat ſich hier vieles verändert. Weil die Engländer ſeitdem in dieſen Gegenden große Eroberungen gemacht haben, ſo haben ſie auch ſo wohl ihre Land
als Seemacht ſehr vermehrt.
Ihr vornehmſter Officier zu Bombay iſt jezt Briga Dier;
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Anmerkungen zu Bombay.
9
Handlungsgeſellſchaft ſind Oberkaufleute, Unterkaufleute, Factors und Schrei
ber.
Sie ſteigen gemeiniglich nach ihrem Alter vom Schreiber bis zum Raths
herrn. Wenn aber der Präſident nach England zurückreiſet oder mit Tode abgeht, ſo erhält nur derjenige von den Rathsherrn ſeine Stelle wieder, der die meiſten Freunde bey der Direction in London hat. Bisweilen werden ſie auch gar verſezt. So reiſete Herr Spencer, ein einſichtsvoller und rechtſchaf
fener Mann, der bey meiner Ankunft zu Bombay daſelbſt Rathsherr war, noch vor meiner Abreiſe als Statthalter nach Bengalen. Der Präſident muß beſtändig auf der Inſel wohnen. Die Rathsherrn haben auch theils hier Bedienungen als Schazmeiſter, Magazinverwalter, Buch halter u. ſ. f. oder ſie ſind Directeurs der Handlung in andern Pflanzörtern, die
zu dieſem Gouvernement gehören. Zu meiner Zeit war einer zu Surät, ein anderer zu Tellichery und ein dritter zu Anjengo. An dieſen dreyen Stellen hat die Handlungsgeſellſchaft Caſtelle mit einer ſtarken Beſatzung. Zu Basra war auch ein Rathsherr: und da die Engländer im Anfang des Jahrs 1765,
nemlich bald nach meiner Abreiſe, die Malwanen vertrieben, ſo ward gleichfals ein Rathsherr dahin geſandt. Doch dieß Gebiet haben ſie bald nachher wieder an die Indier gegen eine anſehnliche Summa Geldes abgetreten. Dagegen
haben ſie ſeit meiner Abreiſe auch Barädſch erobert, eine große Stadt nördlich von Surät, die ihren eigenen Nabäb hatte, und wo die Holländer über 1oo Jahr ein großes Handlungscomtoir gehabt haben. Daſelbſt reſidirt jezt auch ein Rathsherr von Bombay. Ueberdieß haben die Engländer auf dieſer Küſte noch verſchiedene kleine Etabliſſements, wohin Oberkaufleute, Unterkaufleute oderFactors geſandt werden: als in Scindi an dreyen Orten, nemlich zu Tatta einer groſ
ſen Stadt und der Reſidenz des Landesherrn, zu Lar Bunder und Schah Bunder
II
der: und anſtatt daß vormals der Major nur in Sachen gefragt ward, die das Kriegs weſen betraſen, ſo hat jetzt der Brigadier bey allen Vorfällen die dritte Stimme im Rath: und der Präſident von der Marine, welcher vorher gar nicht im Rathe war, hat jezt die vierte Stimme. Künftig ſoll auch der Gouverneur von Bombay nicht mehr unter den Kaufleuten ernannt werden, ſondern allezeit eine Militäirperſon ſeyn. Theil. B
Anmerkungen zu Bombay.
IO
Bunder.
Ferner zu Abuſchähhr im perſiſchen Meerbuſen, zu Cambay, zu
Onor, zu Calecut und zu Fort Victoria. Der letzte Ort liegt an einem groſ ſen Fluſſe der weit ins Land, und bis an Puna, die Reſidenz des Regenten der Maratten, geht.
Die Engländer tauſchten ſelbigen mit einigen Dörfern von
lezterm gegen Geri ein, eine Feſtung die ſie dem berühmten Seeräuber Angria abgenommen hatten. Sie hoften dadurch einen großen Handel nach dem Lande der Maratten zu erhalten.
Da aber ſelbiger noch nicht hat einſchlagen wollen, ſo
beſteht der gröſte Vortheil den ſie von dieſem Orte haben, darin, daß ſie von daher viel Vieh bekommen; denn in dieſer Gegend wohnen viele Mohammeda ner, in der Nähe von Bombay aber gröſtentheils Heiden die kein Thier tödten,
noch zum Schlachten verkaufen. Die Schreiber, die Kaufleute ja die Raths herren werden bisweilen verſezt, und erhalten nach ihrem Alter einträglichere Poſten. Sie bekommen dadurch Gelegenheit, den Handel eines jeden Orts ge nau zu kennen, welches in der Folge ſehr nüzlich iſt, wenn ſie im Rathe zu Bombay über alles die Aufſicht haben ſollen. Das Gehalt was die Handlungsgeſellſchaft ihren Bedienten in Indien
giebt, iſt nur ſehr gering. Dagegen erlaubt ſie ihnen nach allen Hafen, von Delegoa, nicht weit von dem Vorgebürge der guten Hofnung an, nach Oſten bis
China, und nach Norden bis Dſjidda und Basra zu handeln, und es iſt vor nemlich dadurch daß ſie die großen Reichthümer gewinnen, welche in Europa ſo viel Aufſehens machen. Es kann wohl nicht fehlen daß dabey oft Misbräuche
geſchehen, wodurch die Oſtindiſche Handlungsgeſellſchaft bisweilen verliert. Ueberhaupt aber ſcheint dieſe Einrichtung wohl überlegt zu ſeyn; denn ſie macht die Bedienten wirkſam: und wenn dieſe ſuchen ihren eigenen Handel auszubrei
ten, ſo finden ſie dabey auch oft Gelegenheit der Handlungsgeſellſchaft Vortheile zu verſchaffen, die ſie ſonſt nicht würde erhalten haben. Alle können Handlung treiben, von dem Präſidenten eines Etabliſſements an, bis auf den geringſten Schreiber. Die Macht die ein ſolcher Statthalter hat, verſchaft der Flagge ſeiner Nation überall Anſehen, und ſeine Reichthümer geben ihm Muth den Han
del immer weiter auszubreiten. Im erſten Bande S. 2 81. habe ich geſagt: die Europäer würden es nicht leicht wagen den Hafen Dſjidda vorbey, und von Indien
Anmerkungen zu Bombay.
II
Indien gerade nach Sués zu ſegeln. Allein ſeitdem haben die Engländer es ſchon gewagt. Als die Europäer anfänglich nach Dſjidda kamen, ſo bezahlten ſie hier viel weniger an Zoll und andern Abgaben, als die mohammedaniſchen Kauf leute. Jene wollte man aufmuntern den Hafen fleiſſiger zu beſuchen; dieſe, glaubte man, müſten kommen. So wie die Engländer in Indien mehrere Eroberungen machten, ſo vermehrte ſich auch ihre Schiffahrt nach dem arabiſchen Meerbuſen; dagegen ward die Anzahl der Schiffe der mohammedaniſchen Kauf
leute immer geringer, und der Zoll zu Dſidda fieng daher an abzunehmen. Von den Europäern konnte man hier nicht mehrere Abgaben fodern als in den Tractaten beſtimmt worden war. Allein man verlangte von den Kaufleuten, die Waaren von ihnen kauften, auch gewiſſe Procent, ſo daß die Regierung nun mehr erhielt, als wenn alles auf mohammedaniſchen Schiffen gekommen wäre. Die Engländer, die nun ihre Waaren, der großen Abgaben wegen, wohlfeiler verkaufen muſten, wurden dadurch nicht wenig aufgebracht. In Indien waren
ſie gewohnt nicht nur Nabäbs, ſondern gar den Mogol nach eigenem Gefallen abzuſetzen; das Betragen der Zollbedienten zu Dſfidda war ihnen daher uner träglich.
Sie hätten den Handel dieſer Stadt leicht ganz zu Grunde
richten können, wenn ſie nur einige Kreuzer (kleine Kriegsſchiffe) dahin hätten ſendeu, und alle von Sués und Indien kommende Schiffe anhalten wollen. Allein dadurch hätten ſie ſelbſt den Handel nach dieſer Gegend verlieren können: und da es den Schein hatte, als wenn der Paſcha und der Scherif die Tractaten genau beobachtet hätten, ſo war überdieß noch zu fürchten, daß der Sultän ſich beleidigt finden, und alle Engländer aus der Levante jagen möchte.
Sie konnten ſich alſo auf keine beſſere Art rächen, als wenn ſie Dſjidda vorbey, und gerade nach Sués ſegelten. Damit droheten ſie oft; allein man glaubte nicht, daß die Engländer ſich auf einen Weg begeben würden, den alle Schiffer von Sués für den gefährlichſten in der ganzen Welt halten: und ſelbſt die Eng länder mogten auch wohl nicht große Luſt darzu haben, da ſie von dieſem Theil des Meerbuſens noch gar keine Charte hatten.
Endlich war ein Herr Holford, ein erfahrner Seeman, der oft Verdrieß
lichkeiten mit den Zollbedienten zu Dſjidda gehabt hatte, mit Ernſt darauf be B 2
dacht
I2
Anmerkungen zu Bombay.
dacht ſeine Drohungen wirklich zu machen. Dieſer erhielt eine Abſchrift von mei ner Charte vom arabiſchen Meerbuſen (Beſchreibung von Arabien Tab.XX) die ich anfänglich nach einem großen Maasſtabe entworfen, und einem Freunde zu Bombay mitgetheilt hatte. Er konnte davon freylich keinen ſo großen Nutzen erwarten, als von einer guten Seecharte; denn die Europäer ſuchen die weite See, das tür kiſche Schiff aber auf welchem ich die Reiſe gemacht hatte, war faſt beſtändig an der Küſte geblieben, und ich hatte daher auch nur die Küſte entwerfen können.
Indeß fanden die Engländer ſelbige brauchbar, und es fehlte ihnen jezt nur noch
an einer Verſicherung von der Regierung zu Kähira, daß ſie ihre Waaren mit Sicherheit nach dieſer Stadt bringen, und daſelbſt verkaufen durften.
In dem
türkiſchen Reiche, wo die Provinzen gleichſam verpachtet werden, ſucht gemeinig lich jeder Statthalter nur ſeinen Vortheil, ohne ſich um die benachbarten Paſchäs zu bekümmern, und einen gegenwärtigen Vortheil läßt er ſelten aus den Händen.
Die Regierung zu Kähira hat von der koſtbaren Leinwand, die von Bengalen nach Dſjidda, und von da zu Lande mit der großen Karwane nach Egypten zu ge
hen pflegt, faſt gar keine Einkünfte. Ali Bey hergegen, der jezt faſt unum ſchränkt regierte, erwartete von den Engländern nicht nur eine anſehnliche Sum ma an Zoll, ſondern auch noch große Geſchenke. Er bekümmerte ſich alſo gar nicht darum was auch der Paſcha zu Dſidda und der Scherif zu Mekke, ja ſelbſt der Sultän darzu ſagen würden, ſondern verſprach den Engländern alles, was ſie nur verlangt hatten. Hierauf ſchickten die Kaufleute in Bengalen ſchon im Jahr 1772 ein
Schiff nach Sués ab; allein dieß litt Schaden im Golf von Bengalen, und muſte wieder zurück kehren. 1773 trat Herr Holford abermal die Reiſe an.
Dießmal war er glücklich, und alſo der erſte Engländer der ein Schiff bis Sués geführt hat.
Im folgenden Jahre kamen andere, und im Jahr 1776 ſollen
fünf engliſche Privat-Schiffe von Indien gerade nach Sués gegangen ſeyn. * Dieſer
*) Die Handlung der Engländer von Indien nach Káhira hat jezt, da dieß gedruckt wird wahrſcheinlich ſchon wieder aufgehört. Als von den indiſchen Waaren alle Abgaben zu Dj OO3
Anmerkungen zu Bombay.
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Dieſer Weg iſt nun auch ſchon einigemal als eine Poſtſtraße gebraucht worden, Denn die Regierung in Indien ſchickt jezt bey wichtigen Vorfällen einen Courier über Sués nach England, und kann faſt eher Antwort von London erhalten,
als ihre Briefe auf dem gewöhnlichen Wege um das Vorgebürge der guten Hof nung nach Europa kommen können. Alle Schiffe der Oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft welche aus Europa
kommen, gehen nach einem der vier Haupt-Etabliſſements.
Die, welche für
die Malabarküſte beſtimmt ſind, gehen alſo gerade nach Bombay.
Die mitlere
Zeit welche die Engländer brauchen, um dieſe Reiſe zurück zu legen, wenn ſie in einer bequemen Jahrszeit abgegangen ſind, iſt 5 Monate. Ein Schiffer hatte ſie in 3 Monaten und 18 Tagen gemacht, aber dieß war auch die geſchwin
deſte Reiſe, der man ſich erinnerte.
Wenige Schiffe gehen von Bombay gleich B 3
wieder –
Dſjidda und der Transport von hier zu Lande bis Egypten und Syrien bezahlt wer
den muſte, wurden ſie in der Levante ſo theuer, daß die Oſtindiſche Handlungsgeſell ſchaft noch vieles nach der Levante verkaufen konnte. Nun wurden ſie in der Levante ſo wohlfeil, daß man ſie nicht mehr von England kommen ließ.
Die Bedienten der
Handlungsgeſellſchaft gewannen alſo zwar durch den Handel von Indien nach Egypten, ſie ſelbſt aber verlor dabey, und hat daher jenen verboten künftig Schiffe nach Sués zu ſenden.
Allein der Weg iſt nun einmal bekannt, und zu vortheilhaft als daß er nicht
noch ferner von Europäern geſucht werden ſollte. Vielleicht ſendet ſelbſt die engliſche Oſtindiſche Handlungsgeſellſchaft einen Bedienten von Bengalen nach ZRáhira, wie bisher von Bombay nach Basra ; ja die egyptiſchen Kaufleute laſſen nach einigen
Jahren vielleicht die Caffebohnen aus Jemen auf europäiſchen Schiffen gerade nach Sués bringen. Sollte dieß geſchehen, ſo wird dadurch nicht nur die Schiffahrt der Türken auf dem arabiſchen Meerbuſen aufhören, ſondern Dſjidda und MTekke werden auch nicht mehr die Niederlage von indiſchen und arabiſchen Waaren blei ben; der hieſige Paſcha und der Scherif, ja ſelbſt die Bedouinen welche die Waaren ſonſt zu Lande fortſchaften, werden dadurch gar viel an ihren Einkünften verlieren: und unter den Pilgrimmen aus den nordlichen mohammedaniſchen Ländern wird man
dann auch nicht viele große Kaufleute, ſondern nur gröſtentheils Miethlingen, die für verſtorbene wallfahrten, und Soldaten finden, die die Karwane gegen die Araber
ſchützen ſollen. (Beſchreibung von Arabien S 365.) Wie vortheilhaft aber auch die Handlung der Europäer von Indien gerade nach Egypten ſcheinen mag, ſo halte ich ſie, wegen der Unbeſtändigkeit der Regierung zu Záhira, doch immer für ſehr gefährlich.
I4
Anmerkungen zu Bombay.
wieder zurück nach England. Einige machen noch vorher eine Reiſe nach dem perſiſchen Meerbuſen, nach Mochha, Bengalen, Madras, Banculen und
wohl nach China. Auf dieſen Nebenreiſen verdienen die engliſchen Schiffer ſehr viel Geld, und es ſteht gemeiniglich in der Macht des Präſidenten, welchem er dieſen Vortheil zuwenden will. Es pflegen jährlich 4 Schiffe von London hieher zukommen. Während des lezten Krieges kamen bisweilen weniger. Da gegen erwartete man 1764 auch 6 Schiffe.
Ehmals pflegte jedes der vier
Schiffe 4oooo Rthlr.baar Geld mit nach Bombay zu bringen, und die Eng länder ſchickten überdieß noch viel Geld nach ihren übrigen Etabliſſements. Man
hat mich verſichert, daß alles dieß ſeit dem nicht nöthig wäre, da die Handlungs geſellſchaft ſich Meiſter von Bengalen gemacht hat; ja daß ſie aus Indien noch viel Geld nach China ſchicken können. Der gröſte Artikel den die Engländer nach Bombay bringen, iſt Laken, und davon geht wohl das Meiſte nach Perſien und Basra. Die übrigen Waa -
ren, die ſie hieher bringen, ſind Cochenille, Elephantenzähne, Eiſen, Stahl, Zinn, Kupfer, Eiſenblech, Anker, Canonen und ander Gewehr.
Die Schif
fer bringen dann auch noch viele Kleinigkeiten für ihre eigene Rechnung mit nach Indien. Ein großer Theil von den europäiſchen Waaren wird bald nach der Ankunft der Schiffe, und alſo zu einer gewiſſen Jahrszeit, die allen Indiſchen Kaufleuten bekannt iſt, auf öffentlicher Auction verkauft; was hier nicht abgeht, wird nach den kleinen Pflanzörtern geſandt. Die Waaren, welche von Bombay nach England geſandt werden, ſind vornemlich Pfeffer von der Malabar-Küſte, Salpeter von Scindi und allerhand Leinwand von Surät. Von dem Leinwand
geht wiederum ſehr viel von London nach Guinea. Räuchwerk, Gummi und andere Specereywaaren aus verſchiedenen Gegenden von Indien, dem perſiſchen und
arabiſchen Meerbuſen, nehmen die Schiffer für ihre eigene Rechnung mit zurück. Vorhin habe ich bemerkt, daß die Engländer zu Bombay eine große und ſchöne Kirche haben. Bey derſelben ſteht auch ein Prediger; ſtirbt aber dieſer, ſo iſt während der Zeit bis ein anderer aus Europa ankömmt, kein einziger engli ſcher Geiſtlicher auf dieſer ganzen Küſte. Denn ihre Oſtindienfahrer haben nicht, wie die von andern Nationen, Schiffsprediger, und zu Surát, Tellichery und Anjengo,
Anmerkungen zu Bombay.
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Anjengo, wo doch die Anzahl der Engländer ziemlich groß iſt, haben ſie weder Kirche noch Geiſtliche. Wenn die, welche an den beyden lezten Oertern woh nen, etwa ein Kind taufen laſſen wollen, ſo laſſen ſie einen Däniſchen Miſſionair kommen. Aber unter den Engländern in Oſtindien ſind ſo wenige verheyrathet, daß ſelbſt zu Bombay oft in einem ganzen Monat kein Kind getauft wird. Die Anzuhl der Catholiken auf dieſer Inſel iſt viel größer als der Proteſtanten ihre,
und die haben keinen Mangel an Geiſtlichen. Ich hörte, daß der Pabſt vor nicht vielen Jahren noch einen Biſchof nach Bombay geſandt habe, daß aber der Statthalter ihm bey ſeiner Ankunft habe wiſſen laſſen, man brauche hier keinen Geiſtlichen mit einem ſo hohen Titel. Indeß ſind hier noch vier Carme
liter Mönche, und unter dieſen ſtehen wiederum verſchiedene indiſche Geiſt liche die zu Goa oder auch nur zu Bombay ſtudirt haben. Der älteſte von den Carmelitern war hier viele Jahre geweſen, und nach Europa zurückgegangen, aber neulich wieder nach Bombay gekommen. Dieß konnte ihm gewiß Nie mand verdenken; denn hier konnte er mit mehrer Bequemlichkeit und Freyheit leben, er hatte auch ein viel größeres Anſehen als in einem Kloſter in Europa,
Der zweyte war bey der Kirche Signora eſperanza, einem ſchönen Gebäude auſ ſerhalb der Stadt, das noch nicht ganz fertig war.
Der dritte war bey der
Kirche St. Michael zu Mahim, und der vierte bey der Kirche Salvatione. Die Catholiken haben überdieß noch eine kleine Kirche in der Stadt, und eine andere zu Mazagon. Die Jeſuiten hatten ehmals ein ſchönes Kloſter bey dem Dorfe Parell, mitten auf der Inſel. Dieß iſt ſchon ſeit vielen Jahren ein Landhaus des Statthalters, und die ehmalige Kirche iſt jezt ein ſo ſchöner Saal zum Spei ſen und Tanzen, daß man ſeines Gleichen wohl nicht in ganz Indien findet.
Die Engländer laſſen zwar einem jeden völlige Gewiſſensfreyheit, aber damit erlauben ſie den Mönchen nicht, ſo viele Proſelyten zu machen, als ſie bekommen können. Wenn ein fremder Religionsverwandter ein Catholik wer den will, ſo müſſen die Mönche es der Regierung vorher anzeigen: und wenn
dieſe die Urſache, warum er ſeine alte Religion verlaſſen will, gültig findet, ſo erlaubt ſie, daß er getauft werden möge.
Lezteres geſchieht wohl nur ſelten;
denn der Carmelit zu Mahim beklagte ſich gegen mich, daß er noch nicht die Er --
laubniß
Anmerkungen zu Bombay.
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laubniß hätte erhalten können, eine arme Heidin zu taufen, die ſchon einige Kinder mit einem Catholiken gehabt hätte, und als Ehefrau mit ihm lebte.
Indeß machen ſie doch einige Proſelyten.
Alle Sclaven, ſowohl der Englän
der als der ſo genannten Portugiſen ihre halten ſich zu der römiſchen Kirche, und
wenn hier neue Africaner ankommen, ſo gewöhnen ſich auch dieſe, es für artig zu halten, wenn ſie das Bildniß eines Heiligen auf der Bruſt tragen können. Ich ſelbſt kaufte hier einen ſchwarzen Knaben von 16 Jahren, der von africani ſchen catholiſch gewordenen Eltern geboren war, und ließ ihn von einem catholi ſchen Geiſtlichen im Chriſtenthum unterrichten; denn anfänglich war ich Willens ihn über China mit nach Dännemark zu nehmen: als ich mich aber entſchloß über Basra durch die Türkey zu gehen, ſo verſchenkte ich ihn lieber zu Bombay, aus Furcht, die Mohammedaner möchten ihn mir abnehmen. Wenigſtens hätte ich ſeinetwegen viel Verdruß haben können, weil es in der Türkey nicht gewöhnlich iſt, daß die Europäer africaniſche Sclaven haben, und man hätte vielleicht vorgege
ben, ich wolle einen von mohammedaniſchen Eltern gebornen Knaben mit nach
Europa nehmen, um daſelbſt einen Chriſten aus ihm zu machen. Die alten Einwohner dieſer Gegend, wovon man zu Bombay noch ſehr viele antrift, ſind Hindu oder Indier. Wir Europäer pflegen ſie Heiden und Gö zendiener zu nennen, und bey ſo verächtlichen Namen nicht viel Gutes von ihnen zu denken.
Allein diejenigen, welche Gelegenheit haben ſie etwas genauer zu
kennen, werden finden, daß ſie ſanftmüthige, tugendhafte und fleiſſige Leute ſind, die vielleicht unter allen Nationen in der Welt am wenigſten ſuchen ihren Nebenmenſchen zu ſchaden.
Dagegen iſt auch wohl keine Nation in der Welt,
die weniger Geſellſchaftlich iſt, als dieſe Hindu; denn ſie werden von ihren Geiſt lichen ſo geſchoren, daß ſie von allen andern Nationen, ja unter ſich ſelbſt gleich ſam abgeſondert leben müſſen. Die Juden und die Schiiten halten zwar alle Menſchen die nicht ihre Religionsverwandte ſind, für unrein, und eſſen nicht mit ihnen. Indeß eſſen die Juden mit Juden, und die Schiiten mit Schiiten, aus welcher Gegend, wie vornehm oder gering ſie auch ſeyn mögen. Bey den Hindu aber darf einer von einer vornehmern Abkunft; z. E. ein armer Bramän,
der einem reichen Banianen dient, nicht einmal mit ſeinem Herrn eſſen. -
Dage gen
Anmerkungen zu Bombay.
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gen hat ein reicher Baniän die Erlaubniß, ſich bey ſeinem armen aber mehr ade lichen bramaniſchen Bedienten zu Gaſte zu bitten.
Nach den Begriffen, die
ich von den Hindu in dem nördlichen Theil von Indien erhalten habe, beſtehen ſie aus vier Hauptſtämmen, nemlich: 1 ) Bramanen oder Geiſtlichen, 2) Rasbuten oder Soldaten, 3) Banianen oder Kaufleuten und 4) aus Bauern. Aber Jeder dieſer Stämme oder Stände iſt wiederum in eine Menge Nebenſtän
de, welche man Caſt nennt, eingetheilt, wovon immer einer für vornehmer ge halten wird als der andere, und wovon der Vornehmere nicht bey dem Geringern ſpeiſen darf. Man hat mich verſichern wollen daß jeder Caſt, deren über 80 ſeyn ſollen, ſeine beſondern Religionsgebräuche beobachtet. Doch weiß ich nicht, ob ſie im Grunde nicht einerley Religion haben, und nur als verſchiedene Zünfte anzuſehen ſind, wovon jede ihren Patron, Schuzheiligen oder Untergott hat, der bey gewiſſen Gelegenheiten mit beſondern Ceremonien verehrt wer den muß. In Europa glaubt man gemeiniglich, daß in Indien der Sohn allezeit das Handwerk ſeines Vaters ergreiffen muß. Dieß iſt wohl nicht ſo ganz nothwen dig; denn die Bramanen, welche Geiſtliche ſind, können zugleich Regenten ſeyn, wie davon im vorhergehenden ein Beyſpiel von den Maratten angeführt worden iſt. Bey andern heidniſchen Prinzen, die Rasbuten ſind, bekleiden die Bramanen auch viele Civilbedienungen, und bey den Mohammedanern ſind ſie oft Zollbediente und Pächter. Ich habe Kaufleute gekannt, die Bramanen,
und Handwerksleute die Banianen oder Rasbuten waren.
Die Urſache, wa
rum ſie ſich noch immer nach dem Stamm nennen, worin ſie geboren ſind, iſt vermuthlich, damit ſie den Stand ihrer Vorfahren nicht vergeſſen, und ihre
Nachkommen ſelbigen wieder ergreiffen können, wenn ſie etwa Luſt darzu haben, oder um gewiſſe Heilige ihrer Vorfahren zu verehren.
Kein Hindu von einer niedrigen Caſt kann in einen vornehmern aufge nommen werden. Ich habe zwar gehört, daß einmal ein weltlicher Prinz in den Stamm der Bramänen erhoben, und alſo gleichſam mehr geadelt worden ſey; allein dieß war mit ſo vielen Umſtänden und Koſten verknüpft, daß nur ſelten je
mand ſeinem Beyſpiel folgen kann. II. Theil.
Man erzählt nemlich, einer von der Sol E
daten
18
Anmerkungen zu Bombay.
daten Caſte habe ſich in dem ſüdlichen Theile von Indien nach und nach viele kleine Nachbaren unterwürfig gemacht, und ſey zulezt Herr von einem großen und überaus reichen Lande geworden. Nun wollte er auch ein Bramän werden. Die Geiſtlichen machten dagegen ſehr viele Einwendungen, ja ſie hielten die Sache für unmöglich, weil ſie vorgeben von der Gottheit abzuſtammen, und ein anderer ſchon geborner Menſch nicht noch einmal geboren werden könne. Endlich aber ward ihm ſeine Bitte unter der Bedingung gewährt, daß er einen großen Tempel bauen, und darin eine ſo große Kuh von Gold ſchenken ſollte, daß ein Menſch in deſſen Hintern hinein, und zum Maul wieder heraus kriechen könnte: und der Prinz ſoll nicht nur den Tempel haben bauen, und den Bramänen die große goldene
Kuh (ohne Zweifel auch große Einkünfte, wovon eine Menge Geiſtliche unterhal ten werden konnten) geſchenkt haben, ſondern auch ſelbſt zu verſchiedenenmalen von hinten durch dieſe Kuh gekrochen, und erſt dann als ein Bramän aufgenom men worden ſeyn. Durch eine Kuh zu kriechen würde in jedem andern Lande für einen gemeinen Mann, und noch mehr für einen vornehmen Herrn als eine große Erniedrigung angeſehen werden. In Indien aber, wo man einer leben digen Kuh faſt göttliche Ehre erweiſt, mögen wohl viele gewünſcht haben, mit der gröſten Ehrerbietung durch eine ſolche Kuh (weil es durch eine lebendige Kuh
nicht möglich iſt) kriechen zu dürfen, ohne dieß Glück zu erhalten.
Dadurch
daß die Bramänen ihren weltlichen Fürſten in den Hintern der Kuh hinein krie chen ließen, ward ohne Zweifel ſeine niedrige Abkunft, und dadurch daß er aus dem Maul wieder hervorkam, gleichſam angedeutet, daß die Gottheit ihn als einen Abkömmling von ſich ſelbſt d. i. für einen Bramänen erklärt habe.
Eben ſo wenig als ein Indier von dem Caſt der Soldaten in den Caſt der Geiſtlichen aufgenommen werden kann, eben ſo wenig kann einer von einem an dern geringen Caſt in einen höhern aufgenommen werden. Noch viel weniger kann ein Chriſt, ein Mohammedaner oder jeder andre fremde Religionsver wandte in einen indiſchen Caſt kommen; d. i. die Indier nehmen gar keine Pro ſelyten an. Dieſer Grundſaz iſt, meiner Beurtheilung nach, die vornehmſte Urſache warum die Indier in den beklagenswürdigen Zuſtand gekommen ſind,
worin man ſie jezt findet.
Denn hätten ſie die Afganen und Tataren, welche ihr
Anmerkungen zu Bombay.
I9
ihr Land zuerſt eroberten, zu Bramänen oder nur zu Rasbuten erheben wollen, ſo würden ſelbige ſich vielleicht eben ſowohl bequemt haben, die Landesreligion
anzunehmen als die Eroberer von China: und Indien hätte dann auch noch jezt ein blühendes Reich ſeyn können.
So aber blieben ſie unter ihren fremden Be
herrſchern eben ſo ruhige und fleiſſige Unterthanen, als ſie es unter ihren eigenen Regenten geweſen, und waren dabey ſtolz daß ſie doch von Indiern abſtammten. Den fremden Regenten kann es freylich nicht gefallen haben, daß ſie in einem Lande, wo ſie als Deſpoten regierten, nicht naturaliſirt werden konnten; ja daß die Einwohner nicht einmal mit ihnen eſſen wollten, und ſie alſo gleichſam als unrein anſahen.
Indeß ließen ſie ſich dieß alles gern gefallen, da die Heiden
ihnen ganz gedultig die Kaſten füllten.
Die mohammedaniſchen Eroberer nah
men zwar alle diejenigen als ihre Glaubensgenoſſen auf, die ſich freywillig dar
zu meldeten: allein ſie ſuchten die Heiden weder durch Gewalt noch durch Über redung zu bekehren, und dieß aus einem ſehr guten Grunde; denn alle die In dier welche Mohammedaner wurden, hörten auf fleiſſige Bürger zu ſeyn, und wurden gemeiniglich nur ſchlechte Soldaten. Dagegen ließen die mohammeda niſchen Regenten immer mehrere Afganen und Tataren, als abgehärtete Solda ten kommen, um ein ſo reiches Land in der Unterwürfigkeit zu erhalten, und um weiter um ſich zu greiffen. Was dieſe Mohammedaner nicht verwüſteten, das verwüſteten nachher die Europäer, die ſich auch durch den Fleiß der arbeitſamen Indier bereichern wollten. Doch man findet in Indien noch jezt mächtige ein ländiſche Prinzen. Die mohammedaniſchen Statthalter (Ömmera, Nabäbs) von großen Previnzen, haben ſich nach und nach von ihrem gemeinſchaftlichen
Oberhaupte dem Mogol unabhängig gemacht; lezterer iſt ſo ſchwach, daß er ſchon von Nadir, dem Könige der Perſer, nachher von Achmed dem Könige der Af ganen oder Patanen, alſo von ſeinen eigenen Glaubensgenoſſen, und zulezt gar von den engliſchen Kaufleuten in Indien abgeſezt worden iſt.
Nicht nur der
jezige Mogol iſt gänzlich von den Engländern abhängig, ſondern auch ſchon ei nige große Nabäbs. Die Macht der Mohammedaner in Indien iſt alſo jezt
nicht mehr groß.
Sollte einmal auch die Macht der Engländer in dieſer weit ent
legenen Gegend fallen, welches vielleicht eher geſchieht als man jezt vermuthet, C 2
ſo
2O
Anmerkungen zu Bombay.
ſo kann es ſich ereignen daß die Indier doch einmal wieder empor kommen, und die ehmals volkreichen Provinzen, die von fremden Nationen verwüſtet worden, wiederum in Flor bringen. Die Indier ſind wohl ſo tolerant als keine andere Nation in der Welt. Denn in welchem Lande in Europa würde man es wohl fremden Religionsver wandten erlauben, öffentlich gegen die im Lande herrſchende Religion zupredi gen? In Indien ſcheint man ſich darum nicht zu bekümmern. Allein ihre Re gierungsform iſt auch von unſerer und anderer Nationen ihrer gar ſehr verſchieden.
Jeder Caſt beobachtet die Aufführung aller ſeiner Mitglieder ſo genau, daß die Obrigkeit nur ſelten genöthigt iſt Verbrechen zu beſtrafen.
Wenn einer gegen
ihre Geſetze ſündigt, ſo legen ſie ihm eine Wallfahrt, Geld- oder andere Buße auf. Hat er ein grobes Verbrechen begangen, und ſieht man bey ihm keine Hofnung zur Beſſerung, ſo wird er nur von ſeinem Caſt oder Stamme ausge
ſchloſſen.
Aber dann nimmt ihn auch kein anderer Caſt wieder auf, als nur
der allerniedrigſte, und nicht nur er, ſondern auch alle ſeine Nachkommen müſ ſen beſtändig in Verachtung und Elend leben. Für ſolche Indier iſt es ein Glück, daß Mohammedaner und Chriſten unter ihnen wohnen, zu denen ſie ihre Zuflucht nehmen können, und ſelbſt Europäer, die viele Jahre auf der Co romandelküſte zugebracht haben, haben mich verſichern wollen, daß alle Proſe lyten, welche die europäiſchen Miſſionaren in Indien machen, entweder ſolche Leute, oder Leute von den niedrigſten Caſten ſind. Dieſe werden Chriſten oder Mohammedaner, um in Geſellſchaft, und wenn ſie fleiſſig ſind, ſchicklich leben zu können. In den türkiſchen Ländern iſt es nicht ſelten, daß die europäiſchen Mönche einen Prieſter oder gar einen Biſchoff von einer andern chriſtlichen Ge meine gegen Verſprechung eines jährlichen Gehalts überreden, den Pabſt als das Oberhaupt der Kirche anzunehmen, und gewinnen dadurch ſehr viel, weil dann
auch viele andere dem Beyſpiel eines ſo angeſehenen Mannes folgen.
In In
dien ſollen ſie noch nie einen Bramänen haben bekehren können, obgleich die mei ſten von ihnen äußerſt unwiſſend ſind, und in großer Armuth leben. Einmal
ſollen die Jeſuiten auf der Coromandelküſte einen Knaben der Bramänen an ſich gebracht, ihn in der catholiſchen Religion erzogen und ihm ſeine Geburt nicht cer
Anmerkungen zu Bombay.
2I
eher entdeckt haben, als bis ſie ihn für einen eifrigen Chriſten hielten, und auch ihn als Miſſionair brauchen wollten. Sie trugen nun kein Bedenken ihm alle Beweiſe zu geben, daß er würklich von Bramänen abſtammte, um deſto beſ ſern Eingang bey ſeinen Landsleuten zu finden. Allein als er dieß erhalten hatte, ſoll er ſich zu ſeinem Caſt begeben, und eine erſtaunliche Buße gethan, oder vielmehr Marter ausgeſtanden haben, um ſich, ſeiner Meynung nach, von dem
Chriſtenthume zu reinigen und nun wieder als ein Bramän aufgenommen zu werden.
Es wird für uns Europäer ſehr ſchwer ſeyn, die Religion der Indier und ihre verſchiedenen Secten kennen zu lernen; denn nicht nur ihre älteſten Ge ſezbücher, die ſie als göttlich anſehen, ſind in einer Sprache geſchrieben, die jezt
nur ſehr wenige gelehrte Bramänen recht verſtehen, ſondern auch die jezigen Indier haben verſchiedene Sprachen, und ganz verſchiedene Schriftzüge.
Lez
teres ſieht man aus einigen Probeſchriften auf der Tabelle II. die ich von Bania nen erhalten habe, deren Geburtsörter nicht weit von einander entfernt ſind. Dieſe Alphabete ſind zwar nicht ſchön geſchrieben, indeß hoffe ich, ſie werden dem Sprachforſcher ſo lange angenehm ſeyn bis er beſſere Abſchriften erhält. Meines Wiſſens ſind ſie noch von keinem andern Reiſenden in Europa bekannt gemacht worden. A iſt das Alphabet der Banianen in der Provinz Guzurat.
Dieß erhielt ich von einem indiſchen Kaufmann zu Mochha.
bet der Indier Multani Ben Penjab.
B iſt das Alpha
Dieß ſchrieb ein Banian zu Charedſh.
Das Alphabet C erhielt ich von einem Banianen zu Abuſhähhr, der zu Devuli gebürtig war. Die Zeichen wodurch die Indier die Zahlen ausdrücken, haben viel ähnliches mit den unſrigen.
Es iſt für einen reiſenden Europäer, der ſich nach der Religion der Indier erkundigen will ſehr unangenehm, daß die gelehrten Bramänen ſich gar nicht um die eurºpäiſchen Sprachen bekämmern. Für einen, der mit ihnen reden kann, halte ich es ſehr leicht die Freundſchaft eines ſolchen Mannes zu erhalten, und von ihm viele zuverläſſige Nachrichten zu bekommen; denn ſie ſind nicht ſo geheim mit den Grundſäßen ihrer Religion und ihrer Moral als die Druſen, die Nas
ſeirier und Jeſidier, welche unter dem Druck der Türken leben und ſich Mo E 3
hammedaner
Anmerkungen zu Bombay.
22
hammedaner nennen müſſen. Ich habe mit den für gelehrt gehaltenen Indiern nicht anders als durch Hülfe eines Dolmetſchers ſprechen, und alſo nicht viel von ihnen erfahren können. Aber man findet unter den indiſchen Kaufleuten ſehr viele die Portugiſiſch und Engliſch reden, und unter dieſen bisweilen Leute, von denen man doch glauben ſollte, daß ſie in ihrer Religion nicht unwiſſend ſind.
Solche haben mich verſichert, daß die Vernünftigen unter ihnen nur ein almäch tiges, algegenwärtiges und unſichtbares Weſen als den Schöpfer und Erhalter aller Dinge verehrten: daß aber die Bramanen des Pöbels wegen, der nicht ſo abſtract denken kann, Untergötter erdacht, denen ſie gewiſſe Geſtalten und Ver
richtungen beygelegt hätten. *)
Ihre drey vornehmſten Gottheiten nennen ſie
Brama, Wiſtnu und Madeo, und man lehrt das Volk, daß Brama der große
*) Ohngefähr eben die Antwort erhielt Bernier von den gelehrten Bramanen zu Banares, ihrer berühmteſten Univerſität in Indien. Voyage de Monſ Bernier Tom. II. 158. ZDow beweiſet eben dieß aus den Büchern, welche bey den Indiern für heilig gehalten
werden.
Abhandlung zur Erläuterung der Geſchichte, Religion und Staats
verfaſſung von Hindoſtan S. 24, 36, 38, 40, 58, 90. Mir iſt kein Reiſender bekannt, der beſſer Gelegenheit gehabt, die Indier keunen zu lernen, und der ihre Religion unpartheyiſcher unterſucht hätte als dieſe beyden. Wollte man ihre Religion nach der Aufführung des gemeinen Mannes beurtheilen, ſo würde man ſich ſehr betrie
gen. Thevenot erzählt unter andern, daß die Heiden zu Baſſain bisweilen ein Ma rienbild beſuchten, von welchem die Catholiken vorgaben daß es Wunderwerke thun könnte. Sie hielten es für das Bildniß einer Chita, der Frau eines ihrer Götter Rann. Sie wollten ſich anfänglich nach heidniſcher Weiſe vor dem Bilde mit Oel be ſchmieren, und den Mönchen ein wenig Früchte bringen. Allein dieß wollten leztere nicht erlauben. Dieſe verlangten Wachskerzen und Oel zu Lampen, und ließen ſie Geld in den Armenblok werfen. Die Heiden, welche ſich vor dieſem Marienbildenie derwarfen und den Mönchen Opfer brachten, dachten ohne Zweifel eben ſo, wie die ges meinen Mohammedaner, welche ſehr begierig nach Amulete ſind, und ſich nicht darum bekümmern ob ein Chriſt, Mohammedaner oder Jude ſie geſchrieben habe. Sie ſagen, ſelbige können nicht ſchaden, vielleicht aber könnten ſie ihnen Nutzen bringen. Ich
habe in Indien auch oft gehört, daß Chriſten die urſprünglich Heiden waren, bey der Geburt eines Kindes, bey Hochzeiten und Begräbniſſen beydes die chriſtlichen und heids
niſchen Ceremonien beobachteten, alles in der Meynung, es wäre beſſer zu viel als zu wenig zu thun.
Anmerkungen zu Bombay.
23
große Schöpfer ſey, der es dem Wiſtnu aufgetragen habe für alle lebendige Ge ſchöpfe, und dem Madeo für die Seelen der Verſtorbenen zu ſorgen. *)
Die
Bramanen haben überdieß in der langen Reihe von Jahren noch ſo viele heilige Fabeln erdichtet, und ihren Anhängern ſo viele Ceremonien aufgebürdet, daß wohl die meiſten unter ihnen ſelbſt einen ganz unvollſtändigen Begriff von ihrer alten Religion haben. Eben die Bamianen welche mich verſicherten, ſie verehr ten nur ein almächtiges, unſichtbares und ewiges Weſen, trieben die Verpfle gung der Kühe ſo weit, daß es nicht anders ſchien, als vergötterten ſie ſelbige.
Machte ich ihnen deswegen Vorwürfe, ſo antworteten ſie: ſie preiſeten den Schö pfer in dem Geſchöpfe, und die Menſchen hätten beſonders Urſache Gott zu danken daß er ihnen ein ſo frommes Thier gegeben hätte, welches ihnen nicht nur das Feld baut, ſondern ſie auch reichlich mit Milch verſorgt. Bey der übertriebenen
Vorſorge welche die Banianen für die Kühe haben, und bey ihrer Begierde nach Abbildungen von einer Kuh, von welcher Materie ſie auch ſeyn mag, iſt mir oft eingefallen, ob man nicht ſchon unter den alten Egyptern indiſche Seeten gefun den habe; ja ob nicht die Iſraeliten welche am Berge Sinai ſo begierig waren die Abbildung eines Kalbes in Gold zu erhalten, vorher einer ſolchen Secte zu
gethan geweſen ſind.
Allein es iſt nicht meine Sache dieß zu unterſuchen. Ich
kann mich irren. Die Seele eines Menſchen wandert, nach der Meyuung der Indier, ſo lange in verſchiedenen Körpern herum, bis ſie völlig gereinigt worden iſt. Ba nianen haben es gegen mich ſelbſt geſtanden, daß ſie glauben, die Seelen der Menſchen beleben nachher auch Thiere. Allein dieß iſt doch wohl nicht die Haupt
urſache, warum die Bramänen und Banianen nichts eſſen wollen was Leben ge habt hat. Denn die Rasbuten (alſo ſelbſt Heiden) eſſen Schaffleiſch, und die indiſchen Prinzen verbieten es ihren chriſtlichen und mohammedaniſchen Unter -
thanen
*) Ein Goldſchmidt zu Bombay von dem Caſte der Banianen nannte Brama, Wiſtnu und U7adeo den dreyeinigen Gott, Vater, Sohn und heiligen Geiſt, und meynte, ſeine Religien wäre, nachdem was er von den indiſchen Portugiſen gehört hätte, nur wenig von der Chriſtlichen verſchieden,
Anmerkungen zu Bombay.
24
thanen nicht einmal Kühe zu ſchlachten.
Ich habe einen europäiſchen Schiffer
und einen Kaufmann geſprochen, die während ihrer Gefangenſchaft bey den Ma ratten, auf ihre Vorſtellung, daß ſie ohne Fleiſchſpeiſen nicht leben könnten,
täglich Schaf- und Hünerfleiſch erhalten hätten. *)
Glaubten die Indier, daß
die Seelen ihrer Vorfahren in dieſen Thieren wohnten, ſo würden ſie es ihren chriſtlichen und mohammedaniſchen Unterthanen wohl kaum erlauben al lerhand Thiere, und darunter gar die Kuh zu ſchlachten, und ſelbſt Bramänen
würden ihren Gefangenen wohl keine Schafe und Hüner zu ſchlachten geben. Es hat vielleicht einen phyſicaliſchen Grund, warum die Indier kein Rindfleiſch eſſen. Die Mohammedaner in Egypten, Syrien ja zu Conſtantinopel, wo es doch nicht ſo heiß iſt als in Indien, halten das Ochſenfleiſch, beſonders in der
heiſſen Jahrszeit, für ungeſund, und eſſen es daher ſehr ſelten.
Die Geſezge
ber der Indier hielten es vielleicht für nothwendig, das Fleiſcheſſen der Geſund heit wegen gänzlich zu verbieten, weil der Pöbel mehr gewohnt iſt, dem Befehl der Religion, als dem Rath des Arztes zu folgen. Eben ſo iſt es vermuthlich
wegen der Geſundheit, daß die morgenländiſchen Religionen die Reinigung des Körpers ſo ſehr empfehlen. Die Bramänen und Banianen ſind überhaupt gegen alle Thiere ſehr barm
herzig.
Ein reicher Kaufmann zu Mochha ließ alle Morgen Gerſte auf das
Dach ſeines Hauſes tragen, und alle Tauben und andere Vögel, die nur kom men wollten, füttern. Zu Bombay ſah ich einen Bedienten eines Banianen außerhalb der Stadt, der die Raubvögel fütterte. Dieſe ſchienen ihn ſchon zu kennen; denn ſie ſchwärmten ſo bald um ihn herum, als ſie ihn nur kommen ſa
hen, und es war ganz artig zu ſehen, wie ſie ein in die Höhe geworfenes Stück Brod im Fluge auffingen. Man hat mich verſichert, daß die Hindu auch Ameiſen füttern, und ein Kaufmann ſagte, daß er den Ratzen und Mäuſen in
ſeinem Magazin Eſſen hinſezte, damit ſie ihm ſeine Güter nicht beſchädigten. Einige derſelben ſollen ſo weit gehen, daß ſie ihr Waſſer niemals auf die Erde fallen laſſen, aus Furcht daß ſie ein Inſect tödten möchten.
Die übertriebene Barm
**) In Fryers Account of Eaſt India and Perſia p. 81. werden hievon gleichfals Bey ſpiele erzählt. -
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Anmerkungen zu Bombay.
25
Barmherzigkeit der Indier gegen die Thiere wiſſen andere Religionsverwandte
bisweilen gut zu nutzen.
Ein europäiſcher Soldat zu Bombay pflegte einen
Gaſſenhund an einem Strick in die Marktſtraſſe zu führen, ihn hier zu bedrohen und wohl gar zu ſchlagen. Es fand ſich dann bald ein barmherziger Heide, der dem Engländer einige Stüver zum Brandtwein reichte, um es zu verhindern,
daß ein unſchuldiges Geſchöpf nicht ſo barbariſch gemißhandelt würde. *)
Zu
Mochha iſt es nicht ſelten, daß mohammedaniſche Fiſcher Schildkröten an Ba nianen verkaufen, damit dieſe ein gutes Werk thun und ſie wieder in Freyheit ſetzen können. Die Banianen zu Bombay legen ihre Todten auf einen Haufen Holz, und
verbrennen ſie, und zwar zur Ebbezeit dicht an der See, damit die nächſte Fluth alle Aſche wegſpühlen möge. Dießhabe ich ſelbſt einigemal geſehen. *) Ihre Kinder, die noch nicht 18 Monate alt ſind, werden begraben. Auch ſagte man, daß man die verſtorbenen ſchwangern Weiber öfnet, das Kind heraus nimmt und begräbt, und die Mutter verbrennt. Aber lebendige Weiber dür fen ſich ſo wenig zu Bombay als in den Städten wo die Regierung mohammeda niſch iſt, mit ihren verſtorbenen Männern verbrennen. Dieß wird ſelbſt unter ihrer eigenen Regierung nur ſelten erlaubt. Ein Kaufmann zu Maskät von dem Stamme der Bramänen erzählte mir, daß ſeine Familie vor vielen andern da
durch einen groſſen Vorzug erhalten, daß ſeine Großmutter ſich mit ihrem Manne hätte verbrennen dürfen; denn dieß würde keiner erlaubt, die nicht eine Menge Beweiſe von ihrer Tugend und Liebe gegen ihren Mann bey der Obrigkeit vor gezeigt hätte. Die
*) Andere ähnliche Erfindungen armer Europäer, wodurch die Banianen bisweilen um ihr Geld geprellt werden, bemerkt Ovington Tom. I. 132. *) Groſe ſah hieſelbſt, daß eine Frau von dem Stamme Ketteri oder Soldaten Caſt be graben ward. Reiſe nach Oſtindien S. 299. In Bengalen verbrennen die Vornehmen ihre Todten, andere werfen ſie in den Ganges und andere laſſen ſie von
Geyern und wilden Thieren freſſen. Dows Abhandlung zur Erläuterung der Religion von Hindoſtän. S. 16. Voyages de Bernier Tom. II. 12o.
II. Theil.
D
Anmerkungen zu Bombay.
26
Die Bramänen theilen die Zeit von dem Anbeginn der Welt bis zu Ende derſelben in vier Perioden von folgender Dauer.
1) Die Zeit Sata Iug hat 172 8ooo Jahre. 2) Die Zeit Treta Iug hat 1296ooo Jahre. 3) Die Zeit Doapör Jug hat 864.ooo Jahre. 4) Die Zeit Calla Iug hat 432 ooo Jahre. Von dieſer lezten Periode waren am Ende des Jahrs 1764 nach Chriſti Geburt ſchon 48 65 Jahre verfloſſen. Folglich wird die Welt, nach der Rech nung der Bramänen noch 427 1 35 Jahre dauern. Das was ſich in dieſen vier Perioden zugetragen hat, ſoll in folgenden vier Büchern enthalten ſeyn.
1) Das Buch Ruger Wèd handelt von der Zeit Sata Iug. 2) Sudſjur Wèd von der Zeit Treta Iug. 3) Scham Wèd von der Zeit Doavör Jug und
4) Attorwa von der Zeit Calla Jug. *) Aus dieſen vier Büchern hat man einen Auszug gemacht den man Sriba hagawant Poram nennt, und mit dem behelfen ſich jezt die meiſten Bramänen.
Die Indier rechnen auch uach andern Zeitpunkten. Sie zählten 1764 nach Chriſti Geburt, 1686 nach der Zeit eines Schah Liwän, (andere mann ten ihn Sallawan und Sanka Radſja) Königs zu Mundſipatan. Ver muthlich alſo geſchah unter ſeiner Regierung eine Hauptveränderung im geiſtli
chen oder politiſchen Syſtem der Indier. den und 12 Minuten.
Dieß Jahr hat 365 Tage, 6 Stun
Ihre Monate dauern:
Scheiter 31 Tage. Weiſäk
3 1 Tage.
Dſad Aſar
31 Tage.
3 1 Tage.
Aſſo Kartig Mogſtr > Poos
3 o Tage.
29 Tage. 30 Tage. 29 Tage. Srauen
*) Der Obriſtlieutenant Dow nennt dieſe Bücher Bedas.
ham Beda, Judger Beda und Obatar Bah. Zagerbed, Refbed und Sºmabed.
Nemlich Rug Beda, Sche
Bernier nennt ſelbige Atherbed,
Anmerkungen zu Bombay. Sratten 31 Tage. Badrowa 31 Tage.
Maag
27
30 Tage.
Paggen 3o Tage. *) Nach der bürgerlichen Rechnung zählten die Indier auf der Malabarküſte am Ende des Jahrs 1764 nach Chriſti Geburt, 182 1 Jahre nach Radſja Wir Wikkrum Mandji, eines Königs zu Udſen in Malawa, und Vaters
des vorher erwähnten Schah Liwan.
Dieß ſind Mondenjahre, von welchen
der Monat an dem Tage anfängt, wenn die Sonne und der Mond in Conjunc tion ſtehen. Es wird bisweilen ein ganzer Monat eingeſchaltet, damit die Feſt tage beſtändig in eine Jahrszeit fallen. Dieſer heißt Adik Meino, d. i. zuge ſezter Monat, der aber nicht für heiliger gehalten wird als jeder andere Monat des gemeinen Jahrs.
Die Indier in Guzurat und Scindi fangen ihr bürgerliches Jahr mit dem Monate an, in welchem ihr großer Held Ramſchi, zu deſſen Andenken ſie viele Feſttage feyern, nach ihren Provinzen gekommen iſt. Daher fällt das Neujahrsfeſt bey den Indiern in Guzurat, welchen auch die zu Bombay folgen,
in den Monat Kartig; die in Scindi aber feyern es im Monat Aſar. Uebri gens folgen die bürgerlichen Monate in eben der Ordnung auf einander wie die aſtronomiſchen. Von den verſchiedenen Feſttagen der Indier dieſer Gegend habe ich folgen
de Nachrichten erhalten, welche uns nicht nur mit ihren vornehmſten Heiligen oder Helden bekannt machen, ſondern auch einigen Begrif von ihrer jezigen Re ligion geben können. Das Feſt Diwali oder das Neujahrsfeſt dauert 3 Tage, und fällt auf die beyden lezten Tage des alten, und den erſten im neuen Jahr. Weil aber
das Jahr nicht allenthalben zugleich anſäugt, ſo wird das Feſt auch nicht überall D 2
zugleich
*) Nach dieſer Rechnung iſt das Jahr nur 364 Tage. Es muß alſo bey einem Monate ein Tag zu wenig bemerkt ſeyn. Ich erhielt dieſe Nachricht von einem Bramän, mit dem ich durch Hülfe eines Dolmetſchers reden muſte, dem die aſtronomiſchen und aſtro logiſchen Kunſtwörter ſowohl in der engliſchen als in der indiſchen Sprache unbekannt
waren. Die aſtronomiſchen Inſtrumente dieſes Bramänen ſind in der Beſchreibung von Arabien S. 1 I9. erwähnt.
28
Anmerkungen zu Bombay.
zugleich gefeyert. Die Indier brennen an ihren Feſttagen oft Feuerwerke ab, und erleuchten ihre Häuſer mit Lampen. Rawán ein mächtiger König auf Ceylon, der mit 1 o Köpfen abgebildet, und ſo wie ſeine Großmutter, als ein abſcheulicher Menſchenfreſſer beſchrieben wird, entführte die Frau eines Radſja Ramſchi. Lezterer ging darauf nach Ceylon, und ermordete Rawän und ſeine vielfreſſige Großmutter.
Zur Erin
nerung dieſer Geſchichte wird das Feſt Hulli am 12, 13, 14 und 15ten des Monats Paggen gefeyert. Wenn man die ſonſt ernſthaften Indier in dieſen Tagen ſieht, ſo kann man von ihnen nicht anders urtheilen, als ein gewiſſer Türk, der die Europäer während der Zeit ihres Carnawals für närriſch erklärte.
(Erſter Band S. 1 85.) Sie beſchmieren alsdann ihre Kleider, Geſicht und Hände mit gelber und rother Farbe,
zur Erinnerung daß die Kleider des Ram
ſchi und ſeiner Leute nach der Schlacht auf Ceylon ganz mit Blut beſprüzt ge weſen; ja ſie laufen mit ganz beſudelten Händen und mit Sprüßen, die mit Far ben angefüllt ſind, auf den Straßen herum, und beſudeln ihre Glaubensgenoſ
ſen, und Niemand wiſcht es ab, weil doch gleich ein anderer ihn wieder ſchmu zig machen würde. Die mohammedaniſche Regierung zu Surät hat es den da ſigen Indiern bisweilen verboten, dieß ihr Carnewal mit den gewöhnlichen Poſſen öffentlich zu feyern, aber man hat es ihnen für gute Bezahlung bald wieder er laubt. Zu Bombay ward dieß Feſt zu meiner Zeit mit allen Ceremonien ge feyert.
-
Der erſte Tag im Monat Scheiter iſt auch ein Feſttag, ich weiß aber nicht zu weſſen Andenken. Der 9te dieſes Monats iſt ein Feſttag zur Erinne rung einer gewiſſen Geſchichte ihres Helden Ramſchi. Der 14te des Monats Weiſak iſt ein Faſttag zur Erinnerung eines Ne
ſchinga Wanter. Am 15ten des Monats Srauen wird zu Bombay eine vergoldete Cocus nuß mit großer Ceremonie in die See geworfen, und der Tag ſonſt gefeyert. Die Indier erzählen folgende Fabel von dem Urſprunge dieſes Feſtes. Ein Bra
män prophezeyte dem vorhererwähnten Rawán, daß ein gewiſſes Mädgen der einſt Anleitung zu ſeinem Tode geben würde.
Er ließ ſie darauf ſtark bewachen. Als
Anmerkungen zu Bombay.
29
Als ſie 6 Monate alt war, fiel ein ſo ſtarker Plazregen, daß alle Leute um ſie
her ertrunken: das Kind aber, welches in einem Kaſten lag, trieb von der In ſel Ceylon weg, und an das Ufer eines Radſia auf dem feſten Lande, der ſich über deſſelben Ankunft ſo freuete, daß er zur Erinnerung ihrer Geſchichte alle Jahre an einem gewiſſen Tage eine Cocusnuß in die See werfen ließ.
Dieß
Mädgen ſoll nachher an den Ramſchi verheyrathet ſeyn, der Rawán ermordete. Aber die Indier auf der Malabarküſte feyern das Cocusnußfeſt wohl nicht allein um ſich an dieſem Tage der wunderbaren Erhaltung des erwähnten Mädgens zu erinnern. Denn hier wird es allezeit am Ende der Regenzeit gehalten. In den vorhergehenden regnichten Monaten iſt die See ſo ſtürmiſch, daß ſich kein
indiſches Schiff aus dem Hafen wagt: ſobald aber die Cocusnuß der See gleich ſam geopfert worden, ſo tragen die Heiden kein Bedenken auszulaufen. In Scindi und Guzurat fällt dieß Feſt erſt in den folgenden Monat; vielleicht weil die Regenzeit daſelbſt etwas ſpäter aufhört.
Am 2oſten des Srauen wird der Geburtstag des Kiſch Nawanter ge feyert. An dieſem Tage ſoll ſich folgendes Wunderwerk zugetragen haben. Ein
Bramän hatte einem mächtigen Könige mit Namen Kauns geſagt, ſeine Schwe ſter Jasſada, die an einen Nandadſi verheyrathet war, würde einen Sohn gebähren, der ein großer Mann werden, und ihm das Leben nehmen würde. Kauns ließ darauf gleich ihre 6 Kinder tödten. Als ſie wieder ſchwanger ward,
ließ er ſie in ihrem Hauſe an die Wand ſchließen.
Indeß gebahr ſie einen Sohn,
den ſie Kiſch Nawanter d. i. den almächtigen Kiſch nannte, und der gleich ſo klug war, daß er ſeinem Vater den Anſchlag gab, ihn gegen ein Mädgen zu ver tauſchen, das zu gleicher Zeit mit ihm geboren war. Allein das Mädgen war an der andern Seite eines großen und tiefen Fluſſes, und Nandſſi wußte nicht, wie er über ſelbigen kommen könnte, da er kein Boot hatte. Kiſch redete ſei nem Vater zu, nur getroſt zu gehen.
Er ging alſo zu Fuß über den Fluß, ver
tauſchte ſeinen Sohn, und kam mit dem Mädgen zu Fuß wieder zurück. Dieß ward dann auch gleich getödtet, ſo bald Kauns von der Niederkunft ſeiner Schweſter Nachricht erhalten hatte. D 3
Am
Anmerkungen zu Bombay.
ZO
Am 1 oten des Monats Aſſo haben die Indier ein Feſt daß ſie Deſſära nennen.
Dieſer Tag wird vornemlich mit Verehrung eines Baums Samorie
zugebracht, und wenn ich nicht irre, deswegen, weil Ramſchi unter einem ſol chen Baume ſaß, als er ſeine Leute verſammlete, mit welchen er nach Ceylon
ging, um Rawán zu tödten. Derjenige welcher an dieſem Tage einen gewiſſen Vogel, mit Namen Nilſchahs, zu ſehen bekommen kann, hoft ganz gewiß, daß er in dem bevorſtehenden Jahre viel Glück haben werde. Dieß ſind die wenigen Nachrichten welche ich von der jezigen Religion der Indier habe erhalten können. Vergleicht man ſie mit dem, was ihre älteſten Philoſophen in den von ihren für heilig gehaltenen Büchern gelehrt, wovon der
Obriſtlieutenant Dow etwas überſezt hat, *) ſo muß man glauben, daß ſo wohl in der Religion der Indier als anderer Nationen ſeit einigen tauſend Jahren große Veränderungen vorgefallen ſind, wenn auch gleich die gelehrten Bramä nen die Religion ihrer Vorfahren noch unverfälſcht erhalten haben.
Die vornehmſte Nahrung der Indier iſt Reis, Milch und Butter, und der gemeine Mann behilft ſich mit Brod von kleinem Mais (Holcus, ar. Durra). Sie lieben viele Specereyen, beſonders Pfeffer an ihren Gerichten, und ſind, als Waſſertrinker, große Freunde von Zuckerwerk. Kein Hindu, von wel chem Stamme er auch ſeyn mag, ißt Rindfleiſch. Aber die Rašßitten oder die von der Soldaten Caſte eſſen Schaf- und vielleicht auch noch anderer Thiere Fleiſch. Niemand iſt an der Wahl der Speiſen ſo ſehr gebunden als ein Bramän. Die ſer darf gar nichts eſſen was Leben gehabt hat: und wenn er alle Pflichten beob achten will, die ſeiner Caſte vorgeſchrieben ſind, nicht einmal Zwiebeln, Rettige und viele andere von den verſchiedenen Gartengewächſen und Kräutern, die an dern Caſten zu eſſen erlaubt ſind. Sein Eſſen muß alles von Bramänen zuberei tet, und das Waſſer, was er trinken will, muß von einem Bramän in ſeinem eige
nem Gefäß geſchöpft werden, und dieß zu einer Zeit wenn kein anderer zugleich Waſſer aus demſelben Brunnen holt. Ueberdieß hat er faſt die Hälfte des Jahrs Faſttage, *) Abhandlung zur Erläuterung der Geſchichte, Religion und Staatsverfaſſung von 3indoſtän,
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Anmerkungen zu Bombay. Faſttage, an welchen er nur gewiſſe Speiſen eſſen darf.
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Kurz die Pflichten ei
mes Bramänen ſind ſo vielfältig und ſo beſchwerlich, daß ſelbſt ein Bramän, ein großer Kaufmann zu Maskát, mich verſicherte, es wären nur wenige von ſei nem Caſt im Stande, ſie alle zu beobachten. Die Banianen eſſen gleichfals nichts was Leben gehabt hat, ſie ſind aber an der Wahl der übrigen Speiſen doch nicht ſo ſehr gebunden als die Bramänen. Ueberhaupt würde man wohl wenige Europäer finden, die ſich würden bequemen wollen, ſo mäßig zu leben als die Indier. Dagegen ſind leztere auch nur ſelten Krankheiten unterworfen; heftige Leidenſchaften ſind bey ihnen unbekannt, ſie ſind auch allezeit heiter zum arbeiten, anſtatt daß wir Europäer uns durch gar zu vieles oder unzeitiges Eſſen und Trin
ken nicht nur oft zur Arbeit untüchtig machen, ſondern uns noch wohl Krankhei ten und gar den Tod zuziehen. Die Bramänen haben den Indiern gar viele Regeln vorgeſchrieben, wie ſie eſſen und trinken ſollen. Sie ſitzen mit untergeſchlagenen Beinen auf Teppi chen oder Sofäs, wie die Türken und Araber; bey Tiſch aber ſo weit von ein ander, daß ſich nicht einmal ihre Kleider berühren. Sie brauchen beym Eſſen weder Meſſer noch Löffel, und nur ſolche Teller die ſie nach jeder Mahlzeit zur Thür hinaus werfen, nemlich große Blätter. Sie eſſen und trinken niemals
aus einem Gefäß, das von einem andern Religionsverwandten gebraucht iſt. Wenn ich nach der Inſel Elephanta fuhr, ſo hatten meine Matroſen einen ge meinſchaftlichen Waſſerkrug. Aber ſie ſezten ihn beym Trinken nicht an den Mund, ſondern goſſen das Waſſer in die Hand die ſie vor den Mund hielten; oder ſie goſſen es auch gerade in den Mund ohne den Krug mit den Lippen zu be
rühren.
Vielleicht alſo gehörte der Krug den Heiden, und unter den Matroſen
waren vielleicht Mohammedaner, oder die Heiden waren von verſchiedenen Ca ſten. Die Reinlichkeit iſt ihnen noch mehr anbefohlen, als den Mohammeda
nern.
Sie waſchen ſich nicht nur vor und nach dem Eſſen und bey andern ge
wiſſen Gelegenheiten, ſondern des Morgens und des Abends allezeit den ganzen Körper.
-
Man findet in Indien, wo Künſte und Wiſſenſchaften vielleicht eben ſo
frühe geblüht haben als in Egypten, auch noch jezt Werke des Alterthums wor über
Anmerkungen zu Bombay.
32
über man erſtaunen muß. viel geachtet zu haben.
Indeß ſcheinen die Europäer darauf bisher noch nicht Verſchiedene Reiſebeſchreiber haben des alten heidniſchen
Tempels auf der kleinen Inſel Elephanta, nahe bey Bombay, zwar erwähnt, aber alle gleichſam nur beyläufig. *) Ich fand ihn für die Liebhaber der Alter thümer ſo merkwürdig, daß ich dreymal eine Reiſe dahin machte, und das merk würdigſte, was man in demſelben findet, abzeichnete. Dieſer Tempel liegt ziemlich hoch an, oder vielmehr in einem Berge, wo er in einen harten Felſen eingehauen worden. Seine Länge iſt ungefähr 12 o Fuß und ſeine Breite eben ſo groß, ohne die Nebenkammern oder Capellen an beyden Seiten. Man ſieht von allem einen Grundriß auf der Tabelle III. Der Haupteingang zu dieſem Tempel liegt nach Norden, und vor demſelben iſt eine, wie es ſcheint, durch Kunſt gemachte Ebene, von welcher man eine vortreffliche Ausſicht nach der See und den nahe liegenden Inſeln hat. Nach Oſten und Weſten ſind auch Eingän ge. Es kann alſo in dem Tempel nicht an reiner Luft fehlen, wenn man ihn nur reinlich hält. Aber jezt iſt er eine Wohnung für Thiere, und beſonders für
Hornvieh, das in der gröſten Hitze des Tages hier Schutz ſucht, und auch eine angenehme Kühle findet. Der Fußboden des Tempels iſt von hineingewehtem Staube, und von Erde die durch Regenwaſſer hineingeſpült worden, zwar etwas erhöht, aber doch nur ſo wenig, daß es ſcheint er ſey vor nicht gar vielen Jah ren noch gereinigt worden. Das Hauptgebäude iſt inwendig noch 14. Fuß hoch. Viele Säulen unterſtützen den über dem Tempel liegenden Berg, und dieſe hat der Baumeiſter alle von dem Felſen ſelbſt ſtehen laſſen. Nur einige
davon, deren Lage auf dem Grundriß durch Punkte angedeutet iſt, ſind unten durch die Zeit zerſtört worden; die übrigen ſind noch jezt in gutem Stande. Ihre
Abbildung ſieht man auf der Tabelle IV; nur muß ich bemerken, daß man an einigen dieſer Säulen auf den Ecken bey A eine Abbildung des Gottes Gunnis, nemlich eine kleine ſitzende menſchliche Figur mit einem Elephantenkopf ſieht, die hier *) Voyages de Jean Ovington Vol. I. 153. Freyers Account of Eaſt India & Perſia p. 72. 75. Hamiltons Account of the Eaſt Indies Vol. I. 241. Zend-aveſta Tom. I. Part. I. 419. Groſes Reiſe nach Oſtindien S. 73. Jves Reiſen nach Jndien und Perſien S. 82.
Tab. IV.
„Väulenordnung zz der Pagode zu FERRTET
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Anmerkungen zu Bombay. hier nicht angedeutet worden iſt.
33
Auch findet man in dieſem Hauptgebäude eine
Kammer A Tabelle III. deren Wände der Baumeiſter bey der Anlage des Gan zen gleichfals von dem Felſen ſelbſt hat ſtehen laſſen. Dieſe hat vier Eingänge, und an jeder Seite einer ſolchen Thüre ſteht eine menſchliche Figur 13 Fuß hoch: alle ſo ſehr erhaben, daß wenig mehr als der Rücken an der Wand ſteht, und alles iſt bey der erſten Anlage auf der Stelle im Felſen ſelbſt ausgehauen worden. Dieſe acht Figuren ſind an den Füſſen ſehr beſchädigt. Aber nicht von den Por tugiſen durch Canonen, wie andere Reiſende berichtet haben, ſondern durch das Regenwaſſer, welches nun ſchon ſeit vielen Jahren während der Regenzeit in den Tempel hineinläuft, und gemeiniglich lange darin ſtehen bleibt. Wenn die Portugiſen dieſe heidniſchen Figuren wirklich mit Fleiß hätten zerſtümmeln wol len, ſo müſten ſie ſehr thörigt gehandelt haben, wenn ſie deswegen Feldſtücke
auf einen ſo hohen Berg hätten ſchleppen wollen. Dergleichen konnte mit viel weniger Mühe durch einen guten Hammer geſchehen, und dieſer iſt vielleicht auch wirklich bey vielen Figuren gebraucht worden. Die Seitenwände dieſes Tempels ſind auch mit ganz erhabenen Figuren angefüllt, die der Bildhauer von dem Felſen ſelbſt hat ſtehen laſſen. Dieſe ſollen ohne Zweifel die Geſchichte der indiſchen Götter und Helden vorſtellen, und können daher den Gelehrten zu vielen Anmerkungen Anlaß geben. Sie
ſind zwar nicht ſo ſchön als die Basreliefs und Statüen von griechiſchen und römiſchen Meiſtern, aber doch viel beſſer in der Zeichnung und Stellung, als die
egyptiſchen Figuren: und für ihr großes Alter ſehr hübſch. Bey 1. auf dem Grundriß, und alſo gerade vor dem Eingange ſieht man die Hauptfigur, die vermuthlich Brama, Wiſtnu und Madeo oder eine andere Gottheit vorſtellen
ſoll, welcher zu Ehren dieſer Tempel gebaut worden.
Ich habe ſie mit den ne
benſtehenden Figuren an den Pfeilern 2. und 3, auf der Tabelle V. abgebildet. Sie iſt ein Bruſtbild mit drey Köpfen, von der Erde bis an das öberſte der Mü zen ohngefähr 13 Fuß hoch, und hat vier Hände. Dieſe, ſo wie die meiſten der übrigen Figuren, welche man hier findet, haben dicke Unterlippen und ſchwe re Ohrenringe, die die Ohrlappen weit herunter ziehen; eine Mode die unter den jezigen Indiern noch gebräuchlich iſt. Nur der eine von dieſen Köpfen hat einen II. Theil. E Knebelbart,
Anmerkungen zu Bombay.
34
Knebelbart.
Die andern beyden, und alle übrige Hauptfiguren in dieſem Tem
pel haben weder Knebel- noch Kinnbart. (Jezt tragen alle junge Indier einen Knebelbart, und die alten laſſen den ganzen Bart wachſen.) Zwey von dieſen großen Geſichtern machen eine ernſthafte Mine. Das dritte ſcheint eine Schlange
(Cobra capella) anzulachen. *)
Das, was das Bruſtbild in den beyden linken
Händen hält, iſt nicht mehr kenntlich. Die Mützen ſind mit vielem Fleiß aus gearbeitet, und ſollen vermuthlich, nach den Zierathen zu urtheilen, Metall
vorſtellen. Die vorderſte Figur ſcheint vor der Stirn einen großen Edelſtein, und einen prächtigen Halsſchmuk von Edelſteinen und Perlen auf der Bruſt ge tragen zu haben. Der Kopf mit dem Knebelbart ſcheint einen Todtenkopf an der Mütze zu haben.
Die Figur, welche der vorhergehenden zur Rechten (bey 2. auf dem Grundriß) ſteht, iſt etwa 1 o Fuß hoch, hat aber durch die Zeit ſchon beyde Füße und einen Arm verloren. Es ſcheint, daß ſie ſich mit ihrem rechten Arm
auf den Kopf einer andern Perſon ſtützen will, indem dieſe ſich niederſezt und lacht.
Die Hauptperſon an der andern Seite (bey 3. auf dem Grundriß) lehnt
ſich mit ihrem linken Arm auf den Kopf eines Zwerges.
Beyde dieſe großen
Figuren haben einen dünnen Strick über der Schulter, ingleichen ſchwere Ohren
ringe, und Armbänder über und unter den Ellbogen, wie die Abbildung zeiget. Bey 4 auf dem Grundriß ſieht man bey 30 Figuren, die ohne Zweifel die Begebenheit eines indiſchen Helden oder Gottes vorſtellen ſollen. nur die vornehmſten davon auf der Tabelle VI. abgezeichnet.
Ich habe
Die Hauptperſon
in dieſer Gruppe iſt eine Frauensperſon, die nur eine Bruſt hat, und alſo viel
leicht eine Amazonin vorſtellen
. Sie hat vier Arme.
Mit dem vorderſten
rechten Arm ruhet ſie auf einem Ochſenkopf, in der hintern rechten Hand hält ſie eine Schlange, in der vordern linken Hand ein Tuch oder etwas dem ähnliches, und in der hintern einen kleinen Schild. Sie trägt eben eine ſolche Müße wie die
*) Dieſe Art Schlangen ſoll auf der Inſel Elephanta ſehr häufig ſeyn, und die Indier tödten ſie nicht: ſie halten ſie für Menſchenfreunde, und ſagen daß ſie keinen angreift wenn ſie nicht gereizt wird,
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Anmerkungen zu die übrigen Hauptfiguren in dieſem Tempel.
Bembay.
35
Uebrigens hat ſie auch Ohrenringe,
einen Halsſchmuck, einen Gürtel, und Ringe um die Arme und Hände. Un ten iſt der Felſen, in dem alles ausgehauen worden, durch die Zeit verdorben. Zur linken Seite ſteht eine kleine Frauensperſon mit einem Fliegenwedel von eben der Geſtalt, wie man ihn noch jezt in Indien braucht. Unter den übrigen Figu ren ſcheint mir die an der rechten Seite und über dem Elephantenkopf ſtehende merkwürdig zu ſeyn. Dieſe hat drey Köpfe und vier Arme, und an ihrem Sitze ſind Gänſe abgebildet. Die Figur, welche einer andern auf den Schultern ſizt, kömmt an mehrern Stellen vor. Ob die eine Figur einen indiſchen Neptunus? ob die
obenſchwebenden Engel? und überhaupt was das Ganze vorſtellen ſoll? das über laſſe ich den Kennern der indiſchen Alterthümer zu entſcheiden.
Wenn man erſt
mehrere Nachrichten von der Religion der Hindu erhalten hat, oder wenn nur ein künftig Reiſender dieſe Abbildungen einem gelehrten Bramänen zeigt, ſo wird man vielleicht alles erklären können.
Die Gruppe auf der Tabelle VII. ſieht man bey 5 auf dem Grundriß. Die Hauptfigur iſt etwa 1 1 Fuß hoch, und lehnt ſich mit der vordern linken
Hand auf einem Zwerg, der kläglich in die Höhe ſieht, als wolle er ſich über die große Laſt ſeines Herrn beklagen. Der Zwerg hat in der linken Hand einen groſ ſen Fliegenwedel, um die rechte Hand eine Schlange, und das was er auf dem Kopf hat, ſcheint ein Turbän zu ſeyn. Die große Frauensperſon lehnt ſich auf
eine kleine Zwergin, die auch unter der Laſt zu ſinken ſcheint.
Zur rechten ſteht
eine kleine Frauensperſon mit Beinkleidern.
Bey D (Grundriß Tabelle III.) ſind ganz dunkle Kammern, in welchen zu der Jahrszeit da ich dieſen Tempel beſuchte, noch Waſſer war, welches den hieher kommenden Kühen ſehr gut zu ſtatten kömmt. Bey E iſt eine ähnliche große dunkle Kammer.
Die Reiſende pflegen gemeiniglich, wenn ſie unterirdi
ſche Gänge beſuchen wollen, vorher ein Gewehr abzuſchießen, um die wilden Thiere, die etwa in denſelben verborgen liegen, zurückzutreiben. Ich meines Theils bin lieber weder in dieſe noch in andere unterirdiſche Grüfte gegangen, wo ich wilde Thiere vermuthen konnte; vornemlich wann ich nicht gewiß wuſte daß
ſelbige, nachdem man ſie erſchreckt hat, noch andere Ausgänge hätten, oder ſich E 2
wenigſtens
36
Anmerkungen zu Bombay.
wenigſtens weiter zurück begeben könnten.
Alexander Hamilton ſchoß in eine
dieſer unterirdiſchen Kammern ſein Gewehr ab, und gleich darauf kam eine Schlange 15 Fuß lang und 2 Fuß dick zum Vorſchein, die ihn und ſeine ganze
Geſellſchaft zur Pagode herausjagte, und ſeinen Beobachtungen ein Ende machte.“) Ein Officier von Bombay ſchoß in einem ähnlichen Tempel zu Kánari auf der Inſel Salſet, und gleich darauf kam ein Schwarm Weſpen über ihn her, die ihn bald zur Erde warfen, wo ihn ſeine Kammeraden die den Schuß hörten, und
darauf hingingen, um zu ſehen ob er etwa von einem wilden Thiere wäre ange fallen worden, erbärmlich zugerichtet fanden. Dieſe Weſpen hatten große runde Neſter, die wie an einem Strick oben an dem Gewölbe hingen. Sie würden
den Officier gar nicht angegriffen haben, wenn ſie von ihm nicht wären beunru
higt worden. *) Die Figuren A. Tabelle VIII. ſtellen eine Gruppe vor, welche man auf dem Grundriß dieſes Tempels bey 6 findet. Die Hauptperſon derſelben iſt ſit zend abgebildet. Sie hat vier Arme gehabt, es ſind aber davon drey zerſtüm
melt. Die kleine Figur, welche ihr zur rechten Hand ſitzt, hat ihren Kopf verloren, und der Felſen ſelbſt iſt unten ſehr beſchädigt. An der linken Seite der Hauptfigur ſteht eine Frauensperſon die ihr Kind eben ſo trägt, wie die In
dianerinnen ihre Kinder noch jezt zu tragen pflegen. ***)
Dieſe Gruppe iſt von den
*) Account of the Eaſt Indies Vol. I. 242. **) Herr Holmberg, ein Schwede, der zu meiner Zeit im Dienſte der holländiſchen oſtindi ſchen Compagnie zu Surát war, erzählt mir nach ſeiner Zurükkunft auf einer Reiſe
durch Kopenhagen, daß auch er von den Weſpen aus der Pagode zu Kánari ver trieben worden ſey. Seine Leute wollten vorne in der Pagode Eſſen kochen, und die Weſpen wurden durch den Rauch ſo aufgebracht, daß ſie die ganze Geſellſchaft nicht nur aus der Pagode heraus jagten, ſondern auch weit ins Feld verfolgten: und das Pferd des Herrn Boye, eines Capitains im Dienſte der Engländer zu Bombay ward von ihnen ſo zugerichtet, daß es den folgenden Morgen ſtarb.
**) Ich weiß nicht, ob dieſe Manier die Kinder zu tragen nicht die vornehmſte Urſache ſey, daß die Indier ſo gerade gehen, und ihre Füße, ohne jemals einen Tanzmeiſter ge
habt zu haben, auswärts halten.
Denn wenn das Kind auf einer Hüfte ſitzt, ſo kann die
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–Abbizalung
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Figuren Bey
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af elern Gruner
Taz. III.
Anmerkungen zu Bombay.
37
den übrigen noch darin verſchieden, daß vor derſelben zwey Perſonen bis an den Hals gleichſam eingegraben ſind, die eine klägliche Mine machen. Das was die eine auf dem Kopf hat, könnte man für eine Parucke halten, und daraus
den Schluß machen, daß nicht die Europäer die erſten Erfinder von dieſem Kopf putz ſind. Ueber dieſen Figuren ſchweben eine Menge kleine Figuren in der Luft, und unter den glaube ich eine mit einem Barte geſehen zu haben.
Bey 7 auf dem Grundriß ſieht man die Gruppe Tabelle IX.
Hier wird
ein Frauenzimmer zur Hauptperſon geführt, die vier Arme hat, und alſo ver
muthlich eine Gottheit vorſtellen ſoll.
Zur linken ſteht eine andere Perſon mit
vier Armen, und unten ſitzt eine Gottheit mit drey Köpfen.
Auch auf dieſer
Tabelle findet man einige Kopftrachten, die Parucken nicht unähnlich ſcheinen. Die Figuren in der Gruppe bey No. 8 auf dem Grundriß ſind alle, wie
es ſcheint, muthwillig zerſtümmelt; denn die meiſten haben die Köpfe verloren. Die Hauptfigur iſt ſitzend und mit 6 Armen abgebildet, und mit der einen Hand
hat ſie ein Frauenzimmer angefaßt.
Bey No. 9 Tabelle III. ſieht man eine ſehr große Figur mit acht Armen, wie ſelbige auf der Tabelle X. abgebildet worden. und macht eine zornige Mine.
Sie hat den Mund offen,
Die beyden vorderſten Hände und beyde Beine
ſind durch die Zeit verloren gegangen. In der zweyten rechten Hand hält ſie ein großes Schwerdt, und in der dritten ein Kind bey einem Bein; auf der zweyten linken Hand trägt ſie ein Becken, in der dritten hat ſie eine kleine Glocke, und
mit den beyden hinterſten Händen hält ſie ein großes Tuch.
Um und über dieſer
großen Figur ſind noch verſchiedene kleine, die alle eine furchtſame Mine machen. Andere Reiſende haben dieß ſür eine Vorſtellung des Gerichts Salomons ge halten. Ein Indier ſagte mir, die Figur ſollte Kos oder Kauns vorſtellen, deſſen ſchon im vorhergehenden erwähnt worden. Dieſer tödtete eine Menge Kinder ſeiner Anverwandten, welches hier durch eine Schnur von Köpfen vor E 3
geſtellt
die Mutter den Rücken mit einer Hand unterſtützen, und ſeine Füße haben auch meh rere Freyheit, als wenn es nach der europäiſchen Manier auf dem Arm getragen wird. Auch werden die Kinder in dieſen Ländern niemals gewickelt.
Anmerkungen zu Bombay.
38
geſtellt wird. Die Schüſſel ſoll anzeigen, daß er darin das Blut von den era mordeten Kindern aufgefangen, und die Glocke, daß er dadurch ſeine Ankunft bekannt gemacht habe. Endlich ſoll ihn das Gewiſſen über ſeine begangene Grau ſamkeiten ſo gerührt haben, daß er ſuchte ſich vor allen Menſchen zu verbergen, und dieß ſoll durch das Tuch vorgeſtellt werden das er in den beyden hinterſten Händen hält.
Die Figuren in der Gruppe bey 1 o (Tabelle 3) ſind faſt alle zerſtümmelt. Verſchiedene derſelben findet man gleichfalls auf einer oder der andern vorherge henden Tabellen, aber hier war auch einer zu Pferde. Bey No. 1 1 iſt die Hauptperſon ſehr groß. Dieſe hat ſechs Arme gehabt, aber alles iſt ſehr be ſchädigt. An der linken Seite ſtehen drey Frauensperſonen, und zur rechten eine Perſon mit einem Spies in der Hand. Ueber derſelben ſieht man einen Elephantenkopf, und zwey Perſonen auf einander ſitzen; und gegen über eine ſitzende Figur mit drey Köpfen. Unter den kleinen Figuren die gleichſam in der
Luft ſchweben, iſt auch ein Gonnis oder Hanna want mit einem Schwerdt in der Hand. Ich werde deſſen bald mit mehrerm erwähnen. -
Die inwendige Höhe der Capellen auf beyden Seiten iſt etwa 9 Fuß. Sie ſind alſo nicht ſo hoch als das Hauptgebäude; indeß iſt auch hier alles aus dem
Felſen gehauen worden.
Hinter der einen iſt eine kleine Kammer C in welcher
ich nichts gefunden habe als einen umgeworfenen Stein. Die Seitenwände in der Capelle vor derſelben ſind ganz mit eben ſo ſchönen Figuren bedeckt, als man
in der großen Pagode findet: nur ſind ſie im Verhältniß kleiner. Die Hauptfigu ren der Gruppe bey 1 2. Tabelle III ſieht man auſ der Tabelle VIII. bey B. Hier ſitzt die vornehmſte Perſon ohngefähr eben ſo, wie die Morgenländer ſich noch
jezt zu ſetzen pflegen, wenn ſie allein, oder bey ihres Gleichen ſind; nur mit dem Unterſchied, daß man es jezt für unanſtändig halten würde, wenn einer ſeine Fußſohlen zeigen wollte. Die beyden Nebenfiguren, wovon die eine zer
ſtümmelt iſt, ſitzen hier eben ſo auf ihren Hacken, wie ſich noch jezt ein geringer Mohammedaner in Gegenwart eines Vornehmen ſehen muß.") Auch hier ſieht man unter dem Boden noch verſchiedene kleine ſchwebende Figuren, ſie ſind aber ſehr beſchädigt. Die *)
Beſchreibung
von Arabien S. 61.
–Hzbilaluny
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Aguren Bez
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auf dern Grur als « Tº B III.
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Anmerkungen zu Bombay.
39
Die drey Figuren A Tabelle XI. findet man bey No. 1 3 Tabelle III. dieſe ſind noch wohl behalten. Die Hauptfigur, welche 6 Fuß 2 Zoll hoch iſt, hat an jeder Seite einen Zwerg, die, wie es ſcheint, große Parucken tragen. Einer davon hat eine große Schlange auf der Schulter ſitzen. Nahe bey dieſer iſt noch eine andere Gruppe von vielen Figuren, die alle ſehr beſchädigt ſind. Die Hauptfigur hat vier Arme gehabt. Unter den kleinen Figuren findet man zwey Perſonen auf einander; die obere hatte gleichfalls vier Arme, und die,
welche die andere auf ihren Schultern trägt, hat einen Knebelbart.
Hier ſieht
man auch einen Elephantenkopf; die ſitzende Figur mit drey Köpfen; eine Per ſon auf einem Büffelochſen mit langen Hörnern, und eine große Schlange. Die Capelle an der andern Seite des Tempels iſt viel größer als die vor
hin beſchriebene, aber ohngefähr von gleicher Höhe.
Die Pfeiler, welche vor
dem breiten Eingange derſelben geſtanden haben, ſind ſo ſehr durch die Zeit ver dorben worden, daß man davon kaum Spuren mehr finden kann. Die Figuren an den Wänden aber ſind zum Theil noch in einem guten Stande. Bey 14 der 3ten Tabelle ſieht man eine Gruppe, wovon ich die vornehmſten Figuren
bey B Tabelle XI. gezeichnet habe.
Die gröſte davon iſt 7 Fuß hoch, und
lehnt ſich mit einem Spieß auf ein kleines Frauenzimmer, daß zu dem Ende ein Küſſen auf den Kopf gelegt zu haben ſcheint. Unter den Nebenfiguren, die ich nicht abgezeichnet habe, iſt die dreyköpfige auf einem Sitz, der mit Gänſen ge ziert iſt; eine Perſon mit vier Armen, die einer andern auf den Schultern ſitzt; und ganz oben ſind noch viele kleine Figuren. An den beyden Wänden 15 und 16 haben die Figuren ſehr viel durch die Zeit gelitten. Die Hauptperſonen, welche ſehr groß, und daher am wenigſten
beſchädigt ſind, ſollen einen Untergott Gonnis oder Hanna want vorſtellen. Die Geſchichte deſſelben iſt ſchon aus andern Reiſebeſchreibungen bekannt; indeß will ich ſie hier noch ſo erzählen, wie ich ſelbige von den Matroſen gehört habe,
die mich von Bombay hieher brachten. Parwotti, Madeos Frau, ſagten ſie, badete ſich einmal in einem Fluß, wo ſie gute Geſellſchaft fand, die ſie verhin derte bald wieder nach Hauſe zu gehen. Sie machte ſich daher von den Unrei
nigkeiten, die ſie von ihrem Leibe abwuſch, einen Knaben den ſie Gonnis nannte, Und
Anmerkungen zu Bombay.
4O
und ſchickte den ab, damit er während ihrer Abweſenheit aufs Haus Achtung
geben möchte.
Unterdeß kam Madeo zurück. Dieſer fragte ihn, wer er wäre,
und was er hier machte? Gonnis antwortete: er wäre ein Sohn der Parwotti die ihn zurück geſandt hätte, um das Haus zu bewachen. Hierüber ward Madeo, der von einem ſolchen Stiefſohn nichts wiſſen wollte, ſo zornig, daß er dem jun
gen Gonnis den Kopf abſchlug. Nachher erzählte Parwotti ihrem eiferſüchtigen Mann, von welcher Materie ſie dieſen ihren Sohn gemacht hätte. Madeo, der nun ſah, daß ſeine Frau nicht ſo ſchuldig war, als er es ſich eingebildet hatte, ging die Mordthat ſo ſehr zu Herzen, daß er den ungen Gonnis gleich wieder lebendig machen wollte. Allein er konnte ſeinen Kopf nicht wieder finden: und da Gonnis nicht ohne Kopf leben konnte, ſo hieb Madeo einem jungen Elephan ten den Kopf ab, und ſezte den auf den Körper des Knaben. Daher wird Gonnis als ein Menſch mit einem Elephantenkopf abgebildet, und auf der Ma
labarküſte unter dieſer Geſtalt noch jezt verehrt. Es ſcheint daß die Einwohner der Inſel Elephanta, deren Anzahl etwa aus 1 oo armen Familien beſtehen mag, ſich um nichts in dieſem ganzen Tempel bekümmern, als nur um dieſe kleine Capelle. Daß ſie ſelbige noch jezt beſu chen, davon bin ich ein Augenzeuge; denn an einem Tage als ich in dem großen Tempel war, ſah ich einen dieſer Inſulaner hineingehen, um ſeine Andacht zu verrichten. Die Capelle wird auch noch ziemlich rein gehalten, und nicht nur
die erwähnten beyden Abbildungen des Gonnis, ſondern auch noch einige unförm liche Steine, die vor der Capelle aufgehäuft lagen, waren erſt neulich mit rother Farbe beſchmiert.
Dieſer kleine Steinhaufen ſollte wahrſcheinlich auch einen
Untergott, Helden oder Heiligen vorſtellen; denn man findet dergleichen noch ſehr oft ſelbſt auf Bombay am Wege, beſonders unter gewiſſen Bäumen, die von den Indiern für heilig gehalten werden.
Es befremdete mich dergleichen in
einer Pagode anzutreffen, wo man eine ſo große Menge Abbildungen von Göt tern und Helden findet.
Vielleicht aber verehren die Indier von den alten Göt
tern des Landes jezt keinen, als nur Gonnis, und ein kleiner Steinhaufen mit Farbe beſchmiert ſoll vielleicht einen neuen Helden vorſtellen, wovon man in die ſer Pagode keine Abbildung findet, und den die Bramänen, in Ermangelung VON
Tab . VIII.
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Anmerkungen zu Bombay.
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von Bildhauern und andächtigen Reichen, nicht beſſer vorzuſtellen wiſſen. Künf
tig Reiſende werden davon leicht Nachricht bey den Banianen erhalten können. Bey 17. Tabelle III. ſieht man eine große Figur, die eine Schlange in
der zweyten rechten Hand hält, und mit dem vordern linken Ellbogen auf dem Kopf einer kleinen Perſon ruhet. Bey 18 findet man noch eine große und zwey kleine Figuren, aber ſehr zerſtümmelt.
In dieſer Capelle findet man eine Kammer B, deren Wände der Banmeiſter, wie die in der Kammer A, von dem Felſen ſelbſt hat ſtehen laſſen.
Sie iſt von
lezterer darin verſchieden, daß ſie nur einen Eingang hat, und daß ihre Wände noch ganz glatt ſind: und weil der Fußboden hier reinlich gehalten wird, ſo ſieht man auch noch, daß ſie höher liegt als die Capelle. In der Mitte dieſer Kam mer iſt ein Loch im Fußboden, das wieder mit einem Stein zugedeckt worden iſt. Es hat alſo nicht nur die Hauptpagode, ſondern auch jede der beyden Nebenpa
goden oder Capellen eine beſondere Kammer A, B, C, die vermuthlich alle zu .…erley Gebrauch beſtimmt geweſen ſind. Ob hier etwa die Aſche der verſchie denen Stifter derſelben begraben, oder ob hier die heiligen Sachen die zum Tem
pel gehörten, aufbewahrt, oder zu welchem andern Gebrauch ſie angewendet worden, das überlaſſe ich andern zu entſcheiden.
Inſchriften habe ich hier gar
nicht gefunden.
Die jezigen Einwohner dieſer kleinen Inſel wiſſen von dem Alter und der
Geſchichte dieſes prächtigen und koſtbaren Tempels nichts. Nach ihrer Meynung ſind einmal des Abends Leute hieher gekommen, die das ganze Werk in einer Nacht aus dem Felſen gehauen haben, und gleich den folgenden Morgen wieder abgereiſt. Ohngefehr eben ſo denken auch die jezigen Egypter von den prächti gen überbleibſeln ihrer Vorfahren. Man ſoll nicht weit von hier noch eine kleine im Felſen ausgehauene Pa
gode finden; ich habe ſie aber nicht geſehen, weil dahin kein gebähnter Fußſteig geht, und das Gras damals ſo hoch war, daß meine Begleiter ſich vor Schlan gen und wilden Thieren fürchteten. Nicht weit vom Ufer der See und auffreyem Felde ſieht man noch einen Elephanten von einem harten ſchwärzlichen Stein. Es iſt ohne Zweifel darum, II. Theil. F daß
42
Anmerkungen zu Bombay.
daß die Europäer die ganze Inſel Elephanta nennen; denn die Indier nennen
ſelbige, nach dem Berichte des Herrn Anquetil, Gali Pouri.
Die erwähnte
Statüe iſt ziemlich groß, aber doch nicht ſo groß als der gröſte Elephant, den ich zu Surät geſehen habe. Sie trägt etwas auf dem Rücken, das durch die Zeit ganz unkenntlich geworden iſt. Die Statüe ſelbſt iſt ſchon geborſten, und
fällt vielleicht bald zuſammen.
Das Pferd, deſſen Ovington und Hamilton
erwähnen, habe ich nicht geſehen.
Auf der Inſel Salſet, welcher ich S. 2. erwähnt habe, findet man noch verſchiedene alte im Felſen ausgehauene Tempel, in eben dem Geſchmack wie der auf Elephanta. Leztere Inſel gehört zwar auch den Maratten. Weil aber ſelbige nur klein iſt, und wenige Einwohner hat, ſo bekümmert man ſich darum nicht viel, und die Engländer können nach Elephanta reiſen wenn ſie wol len. Wenn aber ein Europäer die alten Pagoden auf der großen und fruchtba
ren Inſel Salſet beſuchen will, ſo muß er darzu die Erlaubniß bey dem Statt halter zu Tana, und wohl gar von dem Oberhaupte der Maratten zu Puna ſuchen. Dieß war die Urſache warum ich nicht nach Salſet gereiſt bin; denn die Maratten hatten nicht lange vor meiner Ankunft nach Bombay ein däniſches Schiff genommen, und hielten noch einige Leute zurück; und in den lezten Mo naten hatten ſelbſt die Engländer Streitigkeiten mit den Maratten.
es alſo nicht für rathſam, einen Paß zu ſuchen.
Ich hielt
Nicht weit vom Fort
Victoria ſoll auch eine große im Felſen ausgehauene Pagode ſeyn, oder, wie
ein anderer ſagte, 25 im Felſen ausgehauene Häuſer mit Kammern: *) und LUU.
*) Freyer beſuchte einen ſolchen Tempel zu Dunganeſſ, Account of Eaft India and Perſia 135. 137. Thevenot ſah einen andern zu Elora oder Iloura , Voyages des Indes 221 – 223. Anquetil beſchreibt gleichfalls dieſen Tempel (Zend-Aveſta Tom. I. prem. part. P. 234–249.) den auf der Inſel Elephanta (Eben d. 419.) und die zu Kanari, Poniſer und UIonpeſer auf der Inſel Salſet. (Eb. d. 394–413.)
Er hat hier einige Inſchriften copirt die dem Sprachforſcher wichtig ſeyn können. Es gereicht dieſem Reiſenden aber nicht zum Ruhm, was er S. 39o von ſich ſelbſt erzählt.
Die Maratten, welche Heiden ſind, erlauben ihren catholiſchen Unterthanen auf Sak ſet
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Anmerkungen zu Bombay.
43
ein engliſcher Officier verſicherte mich gleichfalls, bey Teridſchanapoli eine große im Felſen ausgehauene Pagode gefunden zu haben.
Kurz man trift bey den
Indiern, einer der älteſten Nationen in der Welt, noch ſo viele prächtige über bleibſel des Alterthums an, daß ſie wohl eine größere Aufmerkſamkeit der euro päiſchen Gelehrten verdienen, als man bisher darauf gehabt hat. Sie fallen zwar nicht ſo in die Augen, als die großen Pyramiden in Egypten. Allein ſie erforderten wohl nicht weniger Arbeit, und dagegen weit mehr Kunſt. Denn um die großen Pyramiden welche man in der Nähe von Kähira findet, ganz von ge hauenen Steinen aufzuführen, brauchte der Bauherr vornemlich nur Geld und Leute. Der Baumeiſter fand den Stein, den er brauchte, einen weichen Kalk ſtein der leicht zu bearbeiten iſt, in der Nähe. Um ſie auf einander zu häufen, brauchte er nur ſehr einfache Maſchinen, weil die Pyramiden zwar hoch ſind, aber wegen der großen Breite ihrer Grundfläche eine ſo ſchräge Oberfläche haben, daß man die Steine leicht mit einer Winde hinaufziehen konnte. Wenn nun die Steine alle gleichſam treppenweis über einander gelegt waren, ſo haute man nur F 2 die
ſet die Ceremonien der römiſchen Kirche öffentlich mit eben der Freyheit auszuüben wie in Europa; und dennoch war Herr Anguetil, ein Catholik, ein Europäer ja ein Ge lehrter, ſo unbarmherzig, aus der Pagode Poniſer das Bildniß einer Kuh wegzuneh
men, das die Bramänen erſt neulich aus Ehrerbietung mit Oel beſchmiert hatten. Die Branmänen, welche in ihrem eigenen Lande waren, baten die Bedienten des Fremdlings, daß er ihneu dieß ihr Heiligthum wiedergeben möchte, allein vergebens. Mit Gewalt konnten ſie es ihm nicht nehmen, da er bewafnet war. Man ſieht aus dieſem und vielen andern Beyſpielen, die Herr Anquetil anführt, den ſanftmüthigen Carakter der Indier. Man leſe ſeine Reiſebeſchreibung, und urtheile dann, ob nicht
ein Bramän oder jeder anderer Fremdling, der ſich in Europa ſo gegen die Chriſten be tragen würde, als er ſich gegen die Indier betrug, oft in Ungelegenheit kommen würde.
Viele Reiſende beklagen ſich, daß ihre Unterſuchungen ihnen von den Einwohnern ſchwer gemacht werden, und daß ſie oft zu den merkwürdigſten Sachen keinen Zutritt erhalten können. Kann man ſich aber darüber wundern, wenn ſich ihre Vorgänger ſo betra
gen haben, als Herr Anguetil? Wer könnte es den Bramänen auf Salſet verden ken, wenn ſie künftig, ſo lange dieſe Inſel noch unter der Regierung der Maratten
ſteht, keinem Europäer erlauben wollten, ihre alten Tempel zu beſuchen?
44
Anmerkungen zu Bombay.
die äußerſten Ecken ab, und dann hatte die Pyramide ein ganz glattes Dach, wovon oben auf der 2ten Pyramide bey Kähira noch etwas übrig, bey den übri
gen aber verwittert iſt. *) Um einen der erwähnten Tempel der Indier zu bauen, muſte man einen Felſen mit erſtaunlicher Arbeit aushölen, und um die vielen Gruppen von Figuren an den Wänden auszuhauen, darzu gehörte gewiß mehr Kunſt in der Zeichnung und Steinhauerey, als die Egypter jemals gehab haben. Es iſt wohl kein Zweifel, daß die Religion der alten Indier viel ähnli
ches mit der Religion der Egypter gehabt habe.
Indeß wiſſen wir von der Göt
ter- und Heldengeſchichte der alten Egypter nur wenig mehr, als was durch die Griechen, und alſo durch eine fremde Nation auf uns gekommen iſt; denn die Egypter ſind oft von fremden Nationen ganz unterwürfig gemacht worden; ihre Religion und Sprache haben ſich ganz verändert: und damit ſind auch ihre Bü cher verloren gegangen. Die Religion und die Sprachen der Indier haben ſich in der langen Reihe von Jahren auch zwar ſehr verändert; allein bey weitem nicht ſo viel als der Egypter ihre. Sie ſind niemals ganz von fremden Nationen bezwungen worden, und ſelbſt in den Provinzen, die von den Mohammedanern unters Joch gebracht ſind, hat man den Einwohnern ihre Religion gelaſſen. Daher findet man bey ihnen noch immer alte Bücher, und Bramänen, die ſie leſen können. Wenn alſo auch viele Untergötter und Helden der alten Indier, wovon man hier Abbildungen in den Tempeln findet, jezt nicht mehr geachtet werden, ſo iſt doch kein Zweifel, daß man auch noch jezt Bramänen antreffe,
die mit ihrer Geſchichte bekannt ſind.
Es wäre daher zu wünſchen, daß eigent
lich dieſer Alterthümer wegen ein unpartheyiſcher Gelehrter nach Indien geſandt, und dieſem ein guter Zeichner mitgegeben würde. Erſterer müſte ſich bequemen eine indiſche Sprache zu lernen, um mit den Bramänen reden zu können. Hat
er dann erſt gute Zeichnungen von den in den Pagoden befindlichen Figuren, wo von das, was ich auf Elephanta gezeichnet habe, nur ein kleiner Theil iſt, und kann er mit den Bramänen reden, ſo zweifle ich nicht er werde auch ſchon Leute -
*) Erſter Band S. 197.
finden
Tab. X .
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– bbz-/-9 eler Azur Bey 9 auf elem-
Gruner.
Zab. IZ - .
Anmerkungen zu Bombay.
finden die ihm alles erklären.
45
Und wer weiß, ob dieß nicht vieles beytragen
würde, die älteſten griechiſchen und andere heidniſchen Schriftſteller beſſer zu verſtehen.
Man kann nicht verlangen daß ein Gelehrter auf eigene Koſten eine Reiſe nach Indien machen, und daſelbſt Unterſuchungen wegen der Alterthümer, Spra chen und Religion der Einwohner anſtellen ſoll; denn ſelten hat ein Gelehrter ſo viel Vermögen, und wenn man auch einen findet der reich iſt, ſo wird er ſich dergleichen Beſchwerlichkeiten nicht leicht unterwerfen. Hat aber der König von Dännemark blos zur Aufnahme der Wiſſenſchaften eine Geſellſchaft von fünf Perſonen nach Arabien geſandt, ſo ſollte man doch hoffen daß andere
Nationen die große Eroberungen in Indien gemacht haben, zur Erweiterung unſrer Kenntniſſe von einem ſo berühmten Lande auch einige Perſonen dahin ſchi cken werden, wenn nur die Gelehrten ſolches ernſtlich verlangen. Die Eng
länder haben darzu die beſte Gelegenheit. *) Ihre Reiſende können mit ihren Schiffen bis nach Bombay gehen, und ſelbſt in Indien die meiſte Zeit unter ih ren Landsleuten leben. Sie brauchen von ihren Pflanzſtädten nach Bequem lichkeit nur kleine Nebenreiſen zu machen; und dieß alles wird bey weitem nicht ſo koſtbar und beſchwerlich werden als die Reiſe welche Friderich V. und Chri ſtian VII. nach den Morgenländern großmüthig haben unternehmen und vollen den laſſen.
Ohne dergleichen Unterſtützung werden die Indier uns Europäern
noch immer eine fremde Nation bleiben. Die Engländer ſind faſt hundert Jahre Herren von Bombay geweſen, von welcher Inſel man in wenigen Stunden bei
des nach Elephanta und Salſet kommen kann. F 3
Faſt jeder Europäer der nach -
Bombay
*) Im verwichenen Jahre iſt durch die Veranſtaltung des Gouverneurs in Bengalen und auf Koſten der oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft zu Londen gedruckt worden: A Code of Gentoo Laws, or ordinations of the Pundits, from a Perſian Translation, made from the original, written in the Shanſcrit Language. Dieß ſcheint ein ſehr wichti
ges Werk zu ſeyn. Es iſt daher zu wünſchen, daß die Bedieuten der engliſchen oſtin diſchen Handlungsgeſellſchaft fortfahren mögen, den Europäern Ueberſetzungen von ſol chen Schriften zu liefern; denn dieß iſt wohl das zuverläſſigſte Mittel, um mit der
Religion, den Sitten und Gebräuchen der Indier bekannt zu werden.
46
Anmerkungen zu Bombay.
Bombay kömmt, beſucht auch die in der Nähe liegende prächtige Pagoden. Indeß findet man in ihren Beſchreibungen von dieſen Gegenden noch bis jezt nur unvollſtändige Nachrichten von dieſen Alterthümern. Mehr konnte man auch nicht erwarten, weil ihre Reiſende gemeiniglich andere Beſchäftigungen hatten,
die ſie verhinderten auf dergleichen Achtung zu geben. Die Portugiſen ſind Jahr hunderte Herren von Salſet und Elephanta geweſen; ſie haben gar eine Pagode zu Kánari in eine Kirche verwandelt; ſie hatten alſo die beſte Gelegenheit uns umſtändliche Beſchreibungen und Zeichnungen von dieſen merkwürdigen Alterthü mern zu geben. Allein meines Wiſſens iſt davon auch nicht viel durch ſie in
Europa bekannt gemacht worden. Man ſagt im Gegentheil, ſie hätten die präch tigen in Felſen gehauenen Denkmähler mit Kalk bedekt, und alſo geſucht ſie gar in Vergeſſenheit zu bringen.
In dieſer Gegend von Indien wohnen auch viele Parſi oder Abkömmlinge von den Perſern die vor 1 too Jahren von den mohammedaniſch gewordenen Arabern aus ihrem Vaterlande vertrieben wurden. Wenn jemand von der Re ligion dieſer alten Perſer unterrichtet ſeyn will, ſo kann er ihr Hauptbuch leſen,
welches Herr Anquetil neulich in einer franzöſiſchen Überſetzung bekannt gemacht hat. *) Dieſer war eigentlich nach Indien gereiſt, um die Geſetzbücher der Parſi aufzuſuchen, und die alten Sprachen, worin ſie geſchrieben ſind, zu lernen. Er hat ſich daher umſtändlicher nach ihrer Religion und ihren Gebräuchen erkun digt, als meine Beſchäftigungen es mir erlaubten. Indeß will ich hier auch dasjenige anführen, was ich davon durch Umgang mit ihneu gelernt und beyläu
ſig aufgezeichnet habe.
Die Parſi, als Schüler des Zerduſt oder Zoroaſter, verehren ein al mächtiges und ewiges Weſen, das alles erſchaffen hat und erhält.
Weil aber die
*) Der Titel dieſes Werks iſt: Zend-aveſta, ouvrage de Zoroaſtre, contenant les Idées theo logiques, phyſiques & morales de ce legislateur, les ceremonies du culte religieux quila établi, & pluſieurs traits importants relatifs à lancienne hiſtoire de Perſe par M. Anquetil du Perron.
Das Werk des gelehrten Tb. Hyde de religione veterum Perſarum iſt bekannt.
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Anmerkungen zu Bombay.
47
die meiſten Menſchen etwas ſichtbares haben wollen, wobey ſie ſich an den Schö pfer erinnern können, ſo richten die Perſer ihr Gebet auch an die Sonne, den Mond, die Sterne und andere erſchaffene Dinge; beſonders an das Feuer, als das reinſte und wirkſamſte von allen Elementen. Sie haben daher nicht nur in
ihren Tempeln ein Feuer das ſie beſtändig durch wohlriechendes Holz unterhalten, ſondern es laſſen auch reiche Kaufleute ein ſolches Feuer in ihren Häuſern bren nen.
In einem ihrer Tempel zu Bombay ſoll es beynahe ſchon 2oo Jahre ge
brannt haben.
Ihre Ehrfurcht für dieß Element geht ſo weit, daß ſie kein Licht
ausblaſen, damit ſie es nicht durch ihren Hauch verunreinigen: ja man ſagte,
daß ſie das Feuer nicht mit Waſſer löſchen würden, wenn auch ihr Haus darüber aufbrennen ſollte. Die Reinigung des Körpers iſt ſowohl bey den Parſis als den Indiern und Mohammedanern ein Hauptpunkt der Religion. Sie beten auch ſtehend. Sie beſchneiden ſich eben ſo wenig als die Indier; ſie verheyrathen
ihre Kinder, ſo wie dieſe, oft vor ihrem 6ten Jahre, und haben nicht mehr als eine Frau.
Wenn aber dieſe unfruchtbar iſt, ſo nimmt der Mann eine zweyte.
Wein und andere ſtarke Getränke ſind ihnen erlaubt. Das Rindfleiſch iſt nach ihrem eigenem Geſetze nicht verboten; allein bey ihrer Ankunft in Indien muſten ſie es dem heidniſchen Prinzen, der ſie in Schutz nahm, verſprechen, kein Horn
vieh zu ſchlachten, und dieß iſt nachher bey den Parſis ſo ſehr zum Geſetz wor den, daß auch diejenigen von ihnen die unter der mohammedaniſchen und engli ſchen Regierung leben, und alſo jezt ungeſtraft Rindfleiſch eſſen könnten, ſich
deſſelben doch gänzlich enthalten. Der Haaſe iſt bey ihnen das unreinſte Thier.*) Sie kleiden ſich faſt wie die Indier; ſie ſcheren auch ihren Kopf, laſſen aber an
jeder Seite einen Zopf Haare über dem Ohr ſtehen, wie die Juden. Die
-
*) Ein europäiſcher Kaufmann hat unter ſeinen Bedienten oft Indier, Parſis, Mohammeda ner und Catholiken. Aber gewiſſe Dienſte kann er nur von leztern verlangen. Z. E. ſein indiſcher Bedienter trägt keinen geſpikten Haaſen auf den Tiſch, weil es wider ſeine Religion iſt ein Thier zu tödten; der Parſi rührt dieſe Schüſſel nicht an, weil der Haaſe ein unreines Thier iſt, und der Mohammedaner nicht, weil der Haaſe mit Schweinfleiſch
geſpikt iſt.
Alle dieſe Leute ſehen alſo ihren Herrn für unrein an,
Anmerkungen zu Bombay.
48
Die Parſi haben ſo wie alle geſittete morgenländiſche Nationen, ein
großes Zutrauen zu der Aſtrologie. Bey der Geburt eines Kindes, bey Hoch zeiten und andern wichtigen Vorfällen, nimmt man allezeit dieſe Wiſſenſchaft zu Hülfe, und dieß erhält bey ihnen auch noch das Andenken der Aſtronomie, wo
mit übrigens in dieſen Ländern nichts zu verdienen iſt.
Man kann leicht
denken, daß die Parſi es in der Sternkunde nicht weit gebracht haben. Indeß bedienen ſie ſich doch wohl der beſten Tabellen welche in den Morgenländern be
kannt ſind: nemlich des Ulugh Beighs ſeiner, die ſie von ihren Glaubensgenoſ ſen aus Kirmän, und dieſe wiederum von den Mohammedanern erhalten haben. Sie rechnen ihren Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang.
Ihr Jahr hat
zwölf Monate, jeder zu 30 Tagen; aber zu dem lezten Monate werden noch 5 Tage hinzugeſezt. Ihr Jahr hat alſo 365 Tage. Vom Schaltjahre wiſſen ſie nichts. Damit aber ihr Neujahrstag beſtändig in dieſelbe Jahrszeit falle, ſo ſezen ſie alle 12 o Jahre, außer den erwähnten 5 Tagen, noch einen ganzen Monat hinzu, und haben alſo in dieſem Jahre 13 Monate. Ihre Zeitrechnung benennen ſie von der Flucht Jesdejerds, ihres lezten Königs der von den Mo hammedanern aus ſeinen Staten vertrieben ward. Dieſe hat im Herbſt des Jahrs 63 1 nach Chriſti Geburt ihren Anfang genommen; denn der 25ſte No vember 1764 war bey den Parſis zu Bombay der 1 ote Tag ihres zweyten Mo
nats im Jahr 1 1 33. Im Jahr Chriſti 1763 war der 18te October, und 1764 (welches ein Schaltjahr war) der 17te October ihr Neujahrs Tag. Man hat mich verſichern wollen, die Zeitrechnung der Parſi in Kirmän, und derer die in Indien wohnen, ſey faſt um einen ganzen Monat verſchieden.
Hieraus ſcheint zu erhellen, daß ſich leztere von den erſtern gänzlich getrennt ha
ben. Der Unterſchied der Zeitrechnung rührt vielleicht auch daher, daß die per ſiſchen Parſi ſich der verbeſſerten Tabellen des Mohammedaners Ulug Beigh eher bedient haben, als die indiſchen. Die Namen der 12 Monate der Parſi ſind ſchon bekannt, und heiſſen: -
1) Forwardin. 2) Ardibeſcht. 3) Gordäd. 4) Tir. 5) Amerdäd. 6) Scherewar. 7) Mer. 8) Awän. 9) Ader. 1 o) Däh. 11) Boman. 12) Asfendar.
Wie der Monat genannt wird den ſie alle 120 Jahre ein ſchalten,
Anmerkungen zu Bombay. ſchalten, darnach habe ich mich nicht erkundigt.
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Aber dieſer wird nicht für hei
liger gehalten als ein anderer.
Die Parſi haben gewiſſe Feſttage die ſie Ghumbär nennen, und an de nen ſie ſich der Schöpfung erinnern. Dieſe dauern allezeit fünf Tage nach ein ander. Bey dem Ghumbär, das am 11ten des Monats Ardibeſcht ſeinen An fang nimmt, erinnern ſie ſich der Schöpfung des Firmaments; bey dem was am 1 1ten des Monats Tir anfängt, an die Schöpfung des Waſſers; bey dem vom
26ſten bis den 3oſten des Monats Scherewar an die Schöpfung der Erde; bey dem vom 26ſten bis 3oſten des Monats Mer an die Schöpfung der Kräuter und andrer Gewächſe; und bey dem vom 16ten bis den 2oſten des Monats Däh an die Schöpfung der Thiere. Die lezten 5 Tage im Jahr, welche nemlich einge
ſchaltet werden, feyern die Parſ zur Erinnerung daß Gott den Menſchen erſchaf fen habe. Dieß iſt ihr gröſtes Feſt, und wird Gata Ghumbär genannt. Ich habe es nicht bemerkt, daß die Parſi an dieſen ihren Ghumbärs öf fentlich viel Aufſehens machen, wie z. E. die Indier bey ihrem Cocusnußfeſt und
dem Feſte Hulli, wie die Sunniten an ihrem Beiräm, die Schiiten am Feſte
Höſſeins u. ſ. f.
Sie feyern ſelbige mit Übungen der Andacht in ihren Häu
ſern und Tempeln, ſie kleiden ſich beſſer als gewöhnlich, und beſuchen ihre Freun de. Ich habe mich erkundigt, ob ihre Wahrſager beſonders an dieſen Ghumbärs
mit Prophezeyungen beſchäftigt wären; ob ſie ihre Hochzeiten und andre feyer liche Handlungen bis auf ſolche Feſttage verſparten, allein dieß ward geläugnet. Dieſe Leute überhaupt genommen, leben ſehr ruhig und einig, ſie treiben aller
hand Handthierungen, und ſind ſehr fleiſſig.
Sie ſind bey den Indiern gut ge
litten, und haben ſich in dieſen Gegenden ſehr vermehrt, anſtatt daß die
Anzahl ihrer Glaubensgenoſſen unter dem harten Joche der Mohammedaner in Perſien ſehr abgenommen hat. Sie unterſtützen ihre Arme mit großem Eifer, und erlauben es keinem von ihrer Nation von fremden Religionsverwandten Al moſen zu verlangen. Und wenn etwa einer von ihnen in die Hände der Obrigkeit
fällt, ſo ſparen ſie kein Geld, wenn ſie ihn dadurch von der öffentlichen Strafe loskaufen können.
Aber liederliche Mitglieder, an denen ſie keine Beſſerung
ſehen, jagen ſie aus ihrer Gemeine. Man ſagte, ein Parſi, der zu meiner Zeit wegen II. Theil.
G
Sodo
Anmerkungen zu Bombay.
5O
Sodomiterey gehangen ward, wäre urſprünglich nicht von ihrer Nation, ſondern von einem ihrer Kaufleute als ein Selave gekauft worden. Sie verwerfen alſo die fremden Religionsverwandten nicht gänzlich, wie die Hindu, ſondern nehmen auch Proſelyten an.
Die Parſi haben eine beſondere Manier ihre Todten zu begraben.
Sie
wollen weder in der Erde verfaulen wie die Juden, Chriſten und Mohammeda mer, noch verbrannt werden wie die Indier, ſondern ſie laſſen ihre Todten in den
Magen der Raubvögel verdauen. *)
Sie haben zu Bombay einen runden
Thurm auf einem Berge ziemlich weit von der Stadt, der oben mit Brettern belegt iſt. Darauf legen ſie ihre Todten: und nachdem die Raubvögel das Fleiſch davon verzehrt haben, ſammlen ſie die Knochen unten im Thurm, und zwar die Knochen der Männer und Weiber in beſondern Behältniſſen. Dieß Gebäude iſt jezt verſchloſſen, wie man ſagt, weil einmal eine junge und ſchöne Frauens perſon die plözlich geſtorben, und nach morgenländiſcher Manier gleich begraben war, noch auf dieſem Todtenacker einen Beſuch von ihrem Liebhaber erhalten hätte. Da ich Gelegenheit hatte, zwey alte Alphabete dieſer Parſi zu bekommen, ſo habe ich ſelbige mit auf der 2ten Tabelle ſtechen laſſen. D iſt das Alphabet
Pelwi, Schriftzüge, mit welchen ihre für heilig gehaltene Bücher geſchrieben ſind, und E das Alphabet Dſan-chän, deſſen ſie ſich in andern Büchern be dienen.
Ihr vornehmſter Geiſtlicher zu Surät, einer von denen, die Herr An quetil zwang, ihm bey der überſetzung des Zend-aveſta behülflich zu ſeyn, hat
ſie geſchrieben. Ich habe ſie aber nicht unmittelbar von ihm erhalten, ſondern durch den P. Medard, einen Capuciner aus Elſas, der ein vieljähriger Freund
von ihm war, und zweifle daher nicht, daß ſie zuverläſſig ſind. *)
Die Na UNet.
*) Zu Conſtantinopel hörte ich, daß in dem ſüdlichen Theit von Rußland eine Völkerſchaft ſey, die glaubt, daß ſie ihren verſtorbenen Freunden und Anverwandten keine größere Ehre erzeigen können, als wenn ſie ſelbſt ſie verzehren. So ſehr ſind die Meyuungen der Menſchen verſchieden
*) Herr Anquetil nennt das Alphabet Dſjan.chan, Zend.
Man vergleiche dieſe Alphabete
mit den Abſchriften, welche der erwähnte Gelehrte auf der 8ten Tabelle ſeiner Ueber ſetzung
Anmerkungen zu Bombay.
5I
men der verſchiedenen Buchſtaben hat der P. Medard nach der Ausſprache des erwähnten Geiſtlichen geſchrieben. Am Ende des erſten Bandes hat der Leſer geſehen, daß Herr Cramer und ich im September 1763 beyde krank zu Bombay angekommen waren. Hier fanden wir die Hülfe eines geſchickten Arztes der Engländer, und es fehlte uns auch nicht an Ruhe und Bequemlichkeit, woran wir in Arabien einen ſo großen Mangel gehabt hatten. Wir hoften alſo unſere Rückreiſe über Basra mit einem Schiffe antreten zu können, daß im Januar 1764 von Bombay dahin abgehen ſollte. Allein nicht nur meine Geſundheit war zu dieſer Zeit noch ſehr ſchwach, ſondern die Krankheit des Herrn Cramers hatte noch mehr zugenommen: und die ſer mein lezter Reiſegefährte muſte endlich am 1oten Februar auch das Zeitliche verlaſſen. Nunmehr war von unſrer zahlreichen Geſellſchaft Niemand mehr übrig als ich allein. Wenn ich mir den mir vorgeſchriebenen Rückweg über Basra, und von hier zu Lande durch die ganze Türkey vorſtellte, ſo konnte ich auf demſelben nicht wenigere Beſchwerlichkeiten erwarten, als wir auf der Reiſe von
Egypten bis nach Bombay ausgeſtanden hatten, und ich hatte alſo wenig Hof nung Europa jemals wieder zu ſehen. Indeß hielt ich mich vorzüglich jezt ver bunden für meine Erhaltung zu ſorgen; denn wenn zulezt auch ich geſtorben wäre, ſo war es ſehr ungewiß, ob meine Papiere jemals nach Europa gekommen ſeyn
würden. *) Dieſe und andere Gedanken brachten mich auf den Entſchluß eine Ge legenheit zu erwarten um mit einem Schiffe der engliſchen oſtindiſchen Handlungs geſellſchaft von Bombay gerade nach London gehen zu können. Da unterdeß ein
großes engliſches Schiff, Capt. James Maffat, fertig lag, um nach Surät zu ſegeln, und daſelbſt Waaren für China einzunehmen, ſo entſchloß ich mich damit vorher noch eine Reiſe nach dieſer berühmten Handelsſtadt zu machen. Wir ſegelten am 24ſten März 1764 vor Mittag aus dem Hafen von Bombay, und zwar mit ſo wenig günſtigem Winde, daß wir erſt gegen Abend d G 2 Mahim ſetzung des Zend-aveſta Tom. II. 424. hat in Kupfer ſtechen laſſen.
Er hat ſeine
Schriftproben aus alten Handſchriften genommen die von dieſen ziemlich verſchieden ſind.
*) So ſind die Papiere des Herrn Donati verloren gegangen. Erſter Band S.453. Ein Freund zu Haleb ſchrieb mir im Jahr 1773 daß ein Herr Toretti durch dieſe Stadt nach Indien gereiſt ſey, um ſie wieder auszuforſchen.
Reiſe von Bombay nach Surät.
52
Mahim erreichten. *)
Von hier an aber ging unſere Reiſe geſchwinder; denn
wir warfen ſchon am 26ſten des Morgens auf der Rehde von Surät und unter
der Polhöhe 2 1“. Anker.
Die Stadt iſt von hier etwa drey deutſche Meilen
entfernt; und weil Wind und Strom uns entgegen waren, ſo ging ich mit dem Schifscapitain und andern Engländern nach Domus, um von hier zu Lan de nach Surát zu reiſen. Domis iſt ein kleines Dorf, und nur merkwürdig weil hier beſtändig Unterofficiers der Europäer liegen, die den in der Stadt wohnenden Kaufleuten von allen ankommenden Schiffen gleich Nachricht geben müſſen. Man findet hier auch einen überaus großen Baum, der den Seefahrenden als ein Merkzei
chen dient.
Dieſer Baum hat die beſondere Eigenſchaft, daß von ſeinen Äſten
dünne Faſern unterwärts wachſen, die, ſobald ſie die Erde erreichen, Wurzeln
ſchlagen und nachher den Baum mit unterſtützen.
Er iſt in Indien nicht ſelten,
und daher von allen, nicht nur neuern, ſondern auch ſchon von alten Reiſenden beſchrieben
*) mahim iſt eine kleine Stadt mit einem Caſtell auf dem nördlichen Ende der Inſel, wo allezeit ein Rathsherr von Bombay reſidirt. Hier geht eine große Sandbank weit in die See, wo die Fiſcher eine Menge Stöcke 2o bis 3o Fuß lang in den Grund geſchla gen haben, die man, vornemlich zur Zeit der niedrigſten Ebbe, für lauter Maſten von kleinen Schiffen halten könnte: und dafür hatten die Portugiſen ſie auch noch neulich angeſehen, und tapfer darauf gefeuert. Dieſe Nation hat noch immer Krieg mit allen Indiern, ſo daß ihre Unterthanen ſich faſt niemals auf die See wagen dürfen, wenn ſie nicht von einem Kriegsſchiffe bedeckt werden. Zu der Zeit als ich zu Bombay war, kamen ein paar Fregatten von Goa mit einer Menge kleiner Fahrzeuge, die uns ter ihrem Schutz auf der Küſte Handlung trieben, und nach Diu gehen wollten. In der Nacht nach ihrer Abreiſe hörten wir ein ſtarkes Canoniren, und glaubten, die Por
tugiſen hätten etwa Maratten angetroffen. Den folgenden Tag aber zeigte es ſich, daß ſie dieſe Fiſcherſtöcke für eine Flotte der Maratten gehalten hätten. Sie hatten ein Fiſcherboot genöthigt an Bord zu kommen, und weil ſie dieſe arme Leute für Heiden und Unterthanen ihrer Feinde hielten, unter ſie geſchoſſen, und einige ſtark verwundet. Da es ſich aber zeigte, daß dieſe Fiſcher von MTahim, und alſo Unterthanen der Eng länder waren, ſo nöthigte Herr Crommelin, Gouverneur zu Bombay, den hier woh
menden portugiſiſchen Conſul, die Leute nicht nur wieder heilen zu laſſen, ſondern ihnen auch ihre Schmerzen gut zu bezahlen.
---
Anmerkungen zu Surát.
53
beſchrieben worden. Er iſt auch einer von den Bäumen die von den Indiern in großen Ehren gehalten werden: vermuthlich weil er faſt unſterblich iſt; denn je älter er wird, deſtomehr breitet er ſich aus, und deſto mehrere Stämme bekömmt er, die der Krone noch immer Nahrung geben, und wenn auch der Haupt ſtamm ſchon längſtens verfaukt iſt.
Von Domüs nach Surät fuhren wir Europäer auf einer Bauer-Häkkri, d. i. einer ſchlechten Karre mit zwey Rädern, die von Ochſen gezogen wird. Nie mals bin ich in einer Karwäne von einigen hundert Kameelen, Pferden und Mauleſeln ſo vom Staube beſchwert worden als auf dieſem Wege, wo wir be ſtändig in einer dicken Wolke von Staub fuhren, die von zween Ochſen und der Karre verurſacht ward: und die, weil man gar keinen Wind verſpürte, uns überall begleitete. Allein auf Reiſen muß man ſich in Zeit und Umſtände ſchicken.
Die Stadt Surät liegt in einer ebenen und ſehr fruchtbaren Gegend an ei nem großen Fluß mit Namen Tappi, wovon man auf der Tabelle XIV. eine kleine Charte findet. Sie hat die Figur eines halben Mondes. An der Seite des Fluſſes iſt ſie mit einer Mauer, nach der Landſeite aber mit einer doppelten Mauer umgeben, und hat alſo eine innere und äußere Stadt. Alles iſt ſo groß,
daß man es etwa in 24 Stunden umgehen kann. *)
Aber von dem Platz zwi
ſchen den beyden Mauern oder von der äußern Stadt, iſt kaum der vierte Theil be
wohnt; das übrige beſteht aus lauter Gärten.
Das Caſtell liegt am Fluſſe und
in der Stadt, und iſt mit einem Graben umgeben in dem man zur Regenzeit Waſſer findet. In der Mauer nach der Waſſerſeite ſind 5 Thore und Pforten, in der innern Stadtmauer nach der Landſeite ſind 6, und in der äußern I 2. G 3 Thore.
*) Surät war nach Robert Covertes Bericht, ſchon 1609 eine große Handelsſtadt Col lection of Voyages & Travels, compiled from the library of the Earl of Oxford Tom. II. 25o. Erſt 1666 fing man an die innere und damals einzige Stadtmauer von gebrannten Ziegelſteinen aufzuführen, die vorher nur von Erde geweſen war. Vo
yage de Thevenot p. 42. Aber der Bau ging ſo langſam vonſtatten, daß ſelbige 1674 noch nicht ganz fertig war. Fryers Account of Eaſt India & Perſia p. 99. Die äußere Stadtmauer iſt erſt im Aufange dieſes Jahrhunderts auſgeführt worden.
Hamiltons account of the Eaſt Indies Vol. I. 149.
Anmerkungen zu Surät.
54
Thore.*)
Weil die Stadt ſo viele Jahre unter der Herrſchaft der Mohamme
daner geſtanden hat, ſo findet man hier viele Mosquéen; ſie ſind aber in Ver gleichung mit den türkiſchen nicht prächtig, und nur wenige haben Minären, an ſtatt daß man an den großen türkiſchen Mosquêen nicht ſelten zwey und bisweilen vier Thürme ſieht. Die großen Häuſer haben hier, ſo wie in Arabien und Egypten, platte Dächer, und jedes derſelben hat gemeimiglich inwendig einen viereckigten Platz. Die meiſten übrigen Häuſer aber haben ein ſchräges Dach. Man ſindet in dieſer Stadt mehr freye Plätze, und die Straßen ſind breiter als zu
Kähira.
Sie ſind aber hier eben ſo wenig gepflaſtert als in andern morgenlän
diſchen Städten, welches in der heiſſen Jahrszeit wegen des vielen Staubes ſehr unbequem iſt. Auf allen Hauptſtraßen ſind Pforten die des Nachts, und vor memlich bey innerlichen Unruhen, welche hier eben ſo häufig ſind als in der Haupt ſtadt Egyptens, verſchloſſen werden.
Surät iſt der vornehmſte Hafen in dem ganzen Reiche des Mogols, und daher die Handlung dieſer Stadt ſehr groß. Die hieſigen Kaufleute ſchicken Schiffe nach den perſiſchen und arabiſchen Meerbuſen, nach der afrikaniſchen, nach der Malabar- und Coromandelküſte, ja bis nach China; und die vielen koſt baren Fabrikwaaren, die in den verſchiedenen Provinzen und Städten des mo golſchen Reichs verfertigt werden, erhalten ſie mit großen Karwänen zu Lande. Die hieſigen Einwohner ſind in der Schifsbaukunſt zwar nur Nachahmer der Eu ropäer; ſie finden aber die vornehmſten Materialien dazu gröſtentheils in Indien ſelbſt, und für einen billigen Preis. Das Holz, deſſen ſie ſich zu ihren Schif
fen bedienen, iſt ſo hart, daß die Würmer ſich nicht daran wagen.
Daher iſt Lß
*) Die Thore an der Waſſerſeite heiſſen: Paſſay Bagel, Tſchappatni Bagel, Radſa Bagel, Mirbaarſu Bagel und Said Sadulla Bagel.
Die ſechs in der innern
Stadtmauer: Borju Bagel, Saiidpoera Bagel, Bramport Bagel, Tuſſari Bagel, UNIaſura Bagel und Taanpura Bagel. Die zwölf in der äußern Stadt mauer: Borju Derwaji, Katarkhan Derwaji, Lal Derwaji, Dehli Derwaji, Sara Derwaji, Salawet pura Derwaji, MTan Derwaji, WTuſſari Derwaji, Jafer Ali Deuwaji, M7aſira Derwaji, Attuwa Derwaji und Cottik. Der W3].
Anmerkungen zu Surát.
55
es nicht ſelten hier Schiffe zu finden die 80 bis 9o Jahr alt ſind, und in die ſem Stücke ſind ſie alſo beſſer als die unſrigen. *) Die Lebensmittel ſind in dieſer Stadt ſehr wohlfeil, die Luft geſund, jeder hat hier völlige Gewiſſens Freyheit ;
*) Die Indier nennen das Holz welches ſie vorzüglich zu ihren Schiffen brauchen, Täk. Das beſte Täk kömmt von Gundewie, Calecut und Baſſain.
Ein Deutſcher, der zu
meiner Zeit Officier bey dem Feſtungsbau zu Bombay war, hat mir folgende Nach richt von andern in dieſer Gegend gebräuchlichen Holzarten gegeben.
Ziſſow wird vornemlich zu Hausgeräth gebraucht.
Die Engländer nennen es blak wood,
und erhalten das gröſte von Calecut. Bible iſt ein leichtes Holz, und wird viel zu Karren gebraucht. Wenn in einer ſolchen Karre nur eine Nacht lang Waſſer ſteht, ſo wird es grün, ja ein Stück von dieſem Holze würde einen ganzen Teich verderben können. Eiſenholz iſt ſehr ſchwer und von brauner Farbe- Dieß wird nur von Drechslern gebraucht.
%ét.
Dieß Holz wird 30 bis 40 Fuß lang, aber nicht dick. Es wird vornemlich zu Fi;
ſcherſtöcken gebraucht. Aſſana iſt ein gelbes Holz, deſſen ſich die Drechsler bedienen.
Dannmon wird zu HäEfris gebraucht. Bendi wird gleichfals zu Häkkris gebraucht, und wächſt auf dieſer Küſte ſehr häufig. Siwen iſt ein leichtes Holz. Inſtrumenten.
Dieß nimmt man zu Kutſchen, Palanquins und zu Saiten
Tattar ein dünnes und ſchlechtes Holz wovon die Indier keinen andern Gebrauch zu machen wiſſen, als zu den Wänden die ſie mit Leimerde ausfüllen wollen. Der Cocusnußbaum wird auch zum Bauen gebraucht, er muß aber immer trocken liegen;
ſonſt iſt er von keiner Dauer.
(Dieß iſt ein ſehr nützlicher Baum.
Er giebt ein ange
nehmes Getränk; das Fleiſch in der Nuß braucht man zum Eſſen, vermemlich zum Zarri,
ein ebenſolcheslieblings Gericht bey den Indiern als der Pilaubey den Türken und Arabern; die Schale giebt eine gute ſchwarze Farbe, welcher man ſich bedient um die Häuſer an zuſtreichen; von den Faſern auſſen um die Nuß und unter der Rinde des Baums macht man Taue; mit den Blättern des Baums deckt man die Häuſer, man macht davon Körbe und viele andere nützliche Sachen). Der Arrábaum wächſt eben ſo wie der Cocusnußbaum, nur nicht ſo dick. Dieſen pflanzt man vornemlich wegen ſeiner Nuß, die die Indier, wie bekannt, gerne kauen.
JäE giebt ein gelbes Holz das zu Hausgeräthe gebraucht wird.
Dieſer Baum trägt eine gute
Frucht zum Eſſen. Das Tamernden Holz wird vornemlich zu Schrauben gebraucht. Bamvo iſt ein b.kanntes Rohr.
56
Anmerkungen zu Surät.
Freyheit: und weil man in dieſen Gegenden noch nicht die Zünfte kennt, ſo hat auch jeder völlige Freyheit, ſein Brod auf eine ehrliche Art ſo gut er kann zu ver
dienen.
Überdieß iſt der arme Indier ſchon in einer ſchlechten Hütte vergnügt,
er braucht wenig oder faſt gar keine Kleidung, er trinkt nichts als Waſſer, und iſt faſt nichts als Brod von kleinem Mais (ar. Durra) und Butter, und iſt dabey ſehr arbeitſam. Es iſt alſo kein Wunder, wenn eine ſolche Handelsſtadt als Surät, wo der fleiſſige immer Arbeit, und wo der Kaufmann immer Waaren finden kann, ſehr volkreich iſt. Indeß iſt die Anzahl ihrer Ein wohner doch wohl nicht ſo groß, als man gemeiniglich glaubt. Selbſt angeſe hene Europäer die hier viele Jahre gewohnt haben, reden gemeiniglich von einer
Million, wenn man ſich hier nach der Bevölkerung erkundigt.
Sollten aber
alle Einwohner gezählt werden, ſo fürchte ich man würde kaum den dritten Theil finden: und auch dieß iſt für eine Stadt ſchon ſehr viel.
Die Polhöhe von Surät iſt nach meinen Beobachtungen 2 1“. 12 . Die Hitze iſt hier im März ſo groß, daß das fahrenheitiſche Thermometer in den kal teſten Tagen während meines Aufenthalts in dieſer Stadt ſchon bis 92“, und am 29ſten März bey einem Nordwinde bis 98 Grad ſtieg.
Dagegen kam es
am Ende des Monats May zu Bombay, welche Stadt 2“. 16%. ſüdlicher und auf einer Inſel liegt, nur bis auf 93 Grad, wie im erſten Bande S. 494 be merkt worden.
Ueber Ebbe und Fluth habe ich ſelbſt hier keine Beobachtung anſtellen kön nen. Aber nach glaubwürdigen Nachrichten iſt zur Zeit der Springfluth, nem lich bey dem Neu- und Vollmond, auf der Rehde um 2 Uhr, und bey der Stadt um 4 Uhr das höchſte Waſſer. Der Unterſchied zwiſchen dem höchſten und nie drigſten Waſſer iſt auf der Rehde 18, und bey der Stadt 14 Fuß. Die Fluth dauert bey der Stadt gemeiniglich nur drey, und alſo die Ebbe neun Stunden. Hier iſt das Flußwaſſer auch 8 Monate ſüß; in den übrigen vier Monaten aber etwas brackiſch. Man will gleichfalls bemerkt haben, daß die Fluth in den Mo naten November, December, Januar und Februar, in welchen nördliche Winde
herrſchen, bey Tage ohngefähr 5 Fuß höher als des Nachts, und bey den ſüd weſtlichen Winden in den übrigen Monaten des Nachts bey 6 Fuß höher ſteige als
Anmerkungen zu Surät. als am Tage.
57
In dem Meerbuſen von Cambay ſteigt die Fluth noch viel höher
als in der Gegend von Surät. Ein Kaufmann, der ſich einige Jahre zu Cam bay aufgehalten hatte, verſicherte, daß es zur Zeit des Neu- und Vollmondes,
vornemlich um die Zeit des AEquinoctii, ſcheine, als wenn an der andern Seite des Meerbuſens eine große Menge Schiffe wären, wovon einige dieſen, andere jenen Weg ſegelten. Die Urſache davon iſt vermuthlich nichts anders als die Fluth, welche mit einer großen Gewalt in dieſen Meerbuſen hineindringt. Der Tappi iſt ſo voller Sandbänke, daß man in manchen Jahren Mühe hat, die neuen Schiffe, welche zu Surät gebaut werden, den Fluß ledig hinunter zu bringen. Aber er ergießt ſich bisweilen in der Regenzeit auch ſo
ſtark, daß das aus dem Lande kommende Waſſer bey der Stadt plözlich bis auf 28 Fuß ſteigt, und dann werden die Sandbänke gemeiniglich ſo weggeſpült, daß ziemlich große Schiffe beladen bis an die Stadt hinauf kommen können. Wäre die Regierung darauf bedacht, dieſen Fluß durch Deiche in ſeinen Grän zen zu halten, ſo würde man hier nicht nur viel vortreffliches Ackerland gewinnen, das jezt durch ſolche Fluthen überſchwemmt wird, ſondern der Fluß würde da durch auch mehr von Sandbänken gereinigt werden, und alſo zur Schiffahrt be quemer ſeyn. Allein ſo weit geht die Vorſorge der mohammedaniſchen Regenten für ihre Unterthanen nicht. -
Surát hat ſchon ſeit vielen Jahren zu dem Reiche des Mogols gehört, und wird noch jezt darzu gerechnet. Aber ſeitdem Nadir Schah Dehli geplün dert hat, haben ſich die Gouverneurs von verſchiedenen abgelegenen großen Pro vinzen nur wenig um den Mogol bekümmert, und Surät iſt ihm auch nur dem
Namen nach unterwürfig geblieben. Die Nabäbs oder Statthalter dieſer Stadt haben ſich der Regierung erſt durch Liſt oder Gewalt bemächtigt, und ſich nach her darin vom Mogol beſtätigen laſſen; ebenſo wie die lezten Paſchäs zu Bag däd ſich ſelbſt ernannt, und dann ihre Beſtallung von dem Sultän gleichſam er preßt haben. Der Mogol hatte zu Surät allezeit zwey Nabäbs, wovon jeder eine kleine Armee hielt, und die beyde von einander ganz unabhängig waren. Der
eine regierte in der Stadt, und der andere im Caſtell.
Lezterer war zugleich
Admiral des Mogols, und hatte große Einkünfte von gewiſſen Diſtricten, um II. Theil. H nicht
58
Anmerkungen zu Surät.
nicht nur die nöthigen Soldaten und Matroſen zu bezahlen, ſondern auch um allezeit eine kleine Flotte gegen die Seeräuber auf dieſer Küſte in gutem Stande zu
haben. Der Hof zu Dehli ſuchte unter dieſen beyden Statthaltern beſtändig Uneinigkeit zu unterhalten, und dadurch blieben beyde unterwürfig. Tek beg khän aber, der Nabäb von der Stadt war, wuſte es bey der ſchwachen Regie rung zu Dehli dahin zu bringen, daß ſein Bruder Nabäb von dem Caſtell ward. Dieſe beyden vereinigten ſich, Surät mit ihrem Gebiete als ihr gemeinſchaftli ches Eigenthum anzuſehen; ſie ſammleten ſich große Reichthümer, und fingen an die Befehle des Mogols faſt gar nicht zu achten. Tek begkhän ſtarb im Jahr 1746 und theilte ſein großes Vermögen, das
er durch ſeine vieljährige Regierung über die Stadt erworben hatte, unter ſeine Anverwandte und Bediente. Dadurch wurden einige ſo mächtig, daß ſie ſelbſt Luſt zur Regierung bekamen, oder wenigſtens einen oder den andern Anverwand
ten ihres verſtorbenen Herrn unterſtützten. Deſſelben Bruder, der Nabäbvom Caſtell, ſtarb bald darauf im Jahr 1747, und hinterließ eine überaus reiche und herrſchſüchtige Witwe. Dieſe wollte ihren Schwiegerſohn nicht allein als Nabab vom Caſtell, ſondern auch zugleich als Nabäb von der Stadt angeſehen
wiſſen.
Dieß gab Anlaß zu innerlichen Kriegen, an welchen alle große Herren
in dieſer Stadt Theil nahmen, indem jeder nach ſeinem Vermögen eine kleine
oder große Anzahl Leute zuſammen brachte, und die Regierung entweder für ſich ſelbſt, oder einen ſeiner Freunde zu erhalten ſuchte. Die kleinen Tyrannen
griffen ſich einander in ihren Häuſern an, und erklärten bald dieſen, bald jenen als Nabäb von der Stadt oder vom Caſtell. Der Mogol ſchickte unterdeß weder NEUE Statthalter noch Truppen, um dieſen oder jenen, der ſich ſelbſt als Nabäb
aufgeworfen hatte, in der Regierung zu befeſtigen: und wenn auch einer ſich ei nen Firmän oder die Beſtallung vom Hofe zu verſchaffen gewuſt hatte, ſo ließen die übrigen ſich dadurch nicht abhalten, ihn aus ſeinem Poſten zu vertreiben, wenn ſie darzu vermögend waren.
-
Von den europäiſchen Nationen, die zu Surät Handlung trieben, waren die Holländer und die Engländer die mächtigſten. Beyde hatten hier ſchon vor
her Soldaten und Canonen, um das ihrige bey einem unvermutheten Aufruhr zu vertheidigen.
Anmerkungen zu Surät.
59
vertheidigen. Bey dem langwierigen innerlichen Kriege ließen ſie noch mehr Leute, Gewehr und andere Kriegsbedürfniſſe kommen. Sie verſchanzten ſich auch in ihren Häuſern und Gärten, ſo wie die Großen des Landes. Leztere hiel ten es der Mühe werth, die Freundſchaft ſolcher Kaufleute zu ſuchen: und da ſie nicht nur gut bezahlten, ſondern auch noch viele Freyheiten verſprachen, wenn man ihnen behülflich ſeyn wollte, die Regierung zu bekommen, ſo ließen die Eu
ropäer ſich nicht lange bitten ſie reichlich mit Kriegsbedürfniſſen zu verſorgen, ja
auch ſelbſt an dem Kriege Theil zu nehmen.
Jede der beyden erwähnten Na
tionen wollte nun denjenigen als Nabäb erklärt wiſſen, der ihr die meiſten Vor theile verſprach. Vielleicht war in dem Vergleich noch mit begriffen, daß er der andern nicht ſo viele Freyheit in der Handlung verſtatten ſollte. Einige von den kleinen Deſpoten, die ſich als Nabäbs aufwarfen, riefen ſogar die Maratten zu Hülfe. Dieſe zogen davon den gröſten Vortheil. Denn wenn auch derjenige, der ſich an ſie gewandt hatte, von einem andern vertrieben
-
ward, ſo verlangten ſie das ihnen verſprochene von deſſen Nachfolger: und wenn der nicht Krieg mit ihnen haben wollte, ſo muſte er bezahlen. Von der Zeit an haben die Maratten den dritten Theil des ganzen Zolles zu Surät gezogen,
da ſie vorher nur den vierten Theil gehoben haben. Es iſt ſogar beſtändig ei ner von ihren Officiers auf dem Zollhauſe, der von allen einkommenden Geldern Gegenrechnung führt. } Bey allen dieſen innerlichen Unruhen blühete Handlung und Gewerbe. Wenn die kleinen Tyrannen ſich in der Stadt ſelbſt angriffen, ſo verſchloſſen die
übrigen Einwohner die Straßen welche nicht auf ihrem Wege waren, (ebenſo wie die Einwohner zu Kähira bey den innerlichen Kriegen der Beys) und her nach ging jeder wieder an ſeine Arbeit. Der Bürger ward dabey nicht geplün dert: und wenn dieß auch bisweilen geſchah, oder wenn ſein Haus bey einer ſol chen Gelegenheit ein Raub der Flamme ward, ſo erhielt er gemeiniglich eine Schadloshaltung.
Endlich ward der Nabäb, den die Engländer unterſtüzten, aus Surät vertrieben. Er kam aber im Jahr 1758 wieder zurück, und ſeine Schwiegermutter,
die vorher erwähnte Witwe, brachte es durch ihr Geld, das ſie bey dieſer Ge H 2
legenheit
6o
Anmerkungen zu Surät.
legenheit nicht ſparte, dahin, daß der damalige Nabäb ihm die Regierung der Stadt wieder überlaſſen muſte.
Nun waren die Engländer mit Ernſt darauf
bedacht, ſich ſelbſt Meiſter von dem Caſtell zu machen. Die Regierung zu Bom bay ſchickte zu dem Ende im Anfang des Jahrs 1759 den Herrn Spencer, ei nen ihrer Rathsherrn, einen Mann der von allen, ſowohl Indiern als Euro
päern ſehr geliebt war, mit einer anſehnlichen Macht nach Surät. Sie brauch ten viele Zeit bevor ſie ihre Schiffe, wegen der vielen Sandbänke in dem Fluß
Tappi, bis zur Stadt hinauf bringen konnten.
Endlich ward alles ausgeſchift.
Der Nabäb von der Stadt erhielt die Verſicherung, daß er ruhig in ſeinem
Poſten bleiben ſollte, wenn er den Engländern die Stadtthore öfnen, und ihnen bey der Einnahme des Caſtells nicht hinderlich ſeyn wollte.
Er gab darzu ſeine
Einwilligung, und ſo ward das Caſtell innerhalb wenigen Tagen erobert, ohne
daß es viele Leute koſtete. Unterdeß würden die Engländer nicht viel gewonnen haben, wenn ſie das Caſtell und die darzu gehörige Beſatzung von dem Gewinn hätten unterhalten ſol len, den ſie von ihrer Handlung zu Surät haben.
Wenn ſie ſich auch gleich auf
die Freundſchaft des Nabäbs hätten verlaſſen können, ſo fanden ſie unter den übrigen Großen dieſer Stadt noch verſchiedene mächtige Gegner, die das Joch einer europäiſchen Nation nicht ruhig tragen wollten.
Die Kaufleute fingen
auch an zu fürchten, daß ihre Handlung nunmehr von den Feinden Englands und zu dieſer Zeit beſonders von den Franzoſen beunruhigt werden möchte. Herr
Spencer hatte alſo auch nach der Eroberung des Caſtells noch vieles in Ordnung zu bringen. Aber er überwand alle Schwierigkeiten durch ſeine Klugheit und Leutſeligkeit. Er verſicherte die Einwohner, daß ſie nicht als engliſche Unter thanen angeſehen werden ſollten, und daß die Engländer das Caſtell nicht für ſich ſelbſt, ſondern für den Mogol erobert hätten; zum Beweis davon ließ er die Flagge des Mogols wieder vom Caſtelle wehen. Er erinnerte die hieſigen großen Kaufleute daran, daß die Herren, welche ſich in den lezten Jahren die Regierung über ſie angemaßt, die Einkünfte zu ihrem Privatnutzen verwandt hätten, die zur Unterhaltung einer Flotte, und zur Beſchüßung des Handels beſtimmt gewe ſen, und daß daher die Küſte voll Seeräuber geworden wäre. Dagegen verſprach f.
Anmerkungen zu Surät.
6I
er daß die Engländer ihre Handlung ſchützen ſollten, wenn der Mogol ihnen die
Einkünfte zugeſtehen wollte, die die vorigen Nabäbs im Caſtell zur Unterhaltung der Flotte, der Feſtung und der Beſatzung gehabt hätten. Hiemit waren die Kaufleute zufrieden. Sie zweifelten nicht, die Engländer als Kaufleute wür den es ſich beſſer angelegen ſeyn laſſen, die Seeräuber auszurotten, als ihre vo rigen Tyrannen, die alles Geld was ſie nur aufbringen konnten, zu Landtruppen anwendeten, um ſich gegen ihres Gleichen zu behaupten.
Die Regierung zu Bombay ſchickte darauf einen weitläuftigen Bericht von ihrem Verfahren nach Dehli. Sie zeigte darinn daß Surät während der in nerlichen Unruhen beſonders dadurch viel gelitten hätte, weil die Deſpoten, die
ſich hier nach und nach aufgeworfen, die Flotte ganz verſäumt, daß ſie dadurch die Schiffe dieſer Stadt den Seeräubern Preis gegeben, und daß die Einwohner von Surät die Engländer erſucht hätten ſie in ihren Schutz zu nehmen. Dieß ward von verſchiedenen Vornehmen und Kaufleuten unterſchrieben. Die Eng länder verlangten daher, daß der Mogol den allezeit zu Surät reſidirenden Di
recteur ihrer Handlung zum Nabab vom Caſtell, und Admiral der hieſigen Flotte ernennen mögte; wobey es ſich von ſelbſt verſtand, daß ſie die damit verbundene Einkünfte verlangten. Weil der Mogol nicht einmal im Stande geweſen war,
die kleinen Rebellen in dieſer Stadt im Zaum zu halten, ſo konnte er noch viel weniger Hofnung haben, die Engländer aus einem Caſtell zu vertreiben, das ihm ſo weit entfernt, und einem der Haupt-Etabliſſements der Engländer ſo nahe war; er räumte ihnen deswegen alles ein was ſie verlangten. Die Engländer vertreten alſo ſeit der Zeit die Stelle eines Nabäb vom
Caſtell zu Surät, und eines Admirals unter der Hoheit des Mogols. Sie haben auch außer dem dritten Theil des Zolls noch andere große Summen, wovon ſie nicht nur das Caſtell mit der gehörigen Beſatzung, ſondern noch ver ſchiedene kleine Kriegsſchiffe unterhalten können, die ihren Handel ſehr befördern. Es würde für ſie zu weitläuftig und beſchwerlich ſeyn, wenn ſie die Regierung über die Bürgerſchaft übernehmen wollten.
Dieſe Ehre überlaſſen ſie einem
andern Nabäb, der dem Namen nach blos unter dem Mogol ſteht, und auch ſeine eigene Truppen hat. Allein die Engländer haben es in ihrer Macht, ihn abzuſetzen
Anmerkungen zu Surät.
62
abzuſetzen und einen andern an ſeine Stelle zu erheben, und daher muß er ſich jeder zeit nach ihrem Willen richten. Sie erlauben ihm ſo große Einkünfte, daß er nach morgenländiſcher Manier, einen großen Staat führen kann; aber auch nicht mehr, damit er ihnen nicht zu reich und mächtig werde. Sie behaupten alle Rechte des vorigen Nabäbs ſo genau, daß ſogar bey Proceſſionen an großen Feſt tagen, wenn die Sunniten ihre Andacht auf einem gewiſſen Platz außerhalb der
Stadt feyerlich halten, immer ein Engländer mitreitet.
Ich werde davon mach
her ein Beyſpiel anführen.
Die reichen Kaufleute zu Surät welche Freunde der Engländer ſind, haben jezt zwar nicht mehr zu befürchten, daß der Nabäb große Summen von ihnen er preſſen werde, welches ehmals nicht ſelten geſchah. Allein in andern Fällen ſcheint es auch, daß ſie mit der neuen Regierungsform eben nicht zufrieden ſind. Sie müſſen z. E. für ihre Schiffe von dem Directeur der engliſchen Handlung, als dem Admiral des Mogols, Päſſe nehmen. Wann nun die Engländer nach eben den Hafen auch Schiffe ſenden wollen, ſo iſt es ihnen nicht allezeit gleichgültig, wenn andere vor ihnen kommen. Daher ſoll es oft geſchehen, daß die Päſſe
für die Schiffe der Indier bis gegen das Ende der Monſons aufgehalten wer
den, und daß manches Schiff den beſtimmten Hafen in der Jahrszeit nicht errei chen kann.
Ich traf ein ſolches Schiff von Surät zu Bombay an, das nach
Dſjidda beſtimmt, aber von Socatra zurückgekommen war, und nun einige Mo nate überliegen muſte, um die Jahrszeit abzuwarten, in welcher es ſeine Reiſe nach dem arabiſchen Meerbuſen fortſetzen konnte. Dieß war ein großer Verluſt für die Kaufleute. Unterdeß waren die Schiffe der Engländer, auf welchen die Schiffer und Steuerleute allezeit Europäer, und alſo beſſere Seeleute ſind als
die Mohammedaner, noch zeitig genug nach Dſjidda gekommen, und hatten ihre Waaren gut bezahlt erhalten.
Nach den Engländern iſt von den europäiſchen Nationen zu Surät, die holländiſche die ſtärkſte. Dieſe hat hier einen Directeur, einen Oberkaufmann, Kaufleute, Unter-Kaufleute, eine große Menge europäiſche Schreiber und an dere Bediente, und auch noch einige Soldaten. Indeß iſt ihre Handlung bey
weitem nicht mehr ſo groß als im vorigen Zeiten.
Es ſcheint auch bey dieſer Nation
Anmerkungen zu Surät. Nation nicht ſehr ordentlich zuzugehen.
63
Doch es iſt nicht meine Sache dieſer
wegen Anmerkungen zu machen.
Die Handlung der Franzoſen in dieſer Stadt iſt (1764) noch in einem ſchlechtern Zuſtande, als Fryer ihn vor 1oo Jahren beſchrieben hat. *) Wenn ich nicht irre, ſo haben ſie jezt nicht einmal eine Flagge auf ihrer Faktorey, eine
Freyheit worauf die übrigen hier etablirten Europäer ſich nicht wenig einbilden. Ihr Agent oder Directeur hatte ſeit dem Verluſt von Pondicheri faſt gar keine Unterſtützung erhalten, und es ward ihm ſchwer ſo viel auf Credit zu bekommen daß er nothdürftig leben konnte. Indeß lebte der P. Medard, ein Capuciner von dieſer Nation, deſſen ich ſchon S. 5 o erwähnt habe, hier nach ſeinen Um ſtänden recht wohl, und war bey allen Nationen, ſowohl europäiſchen als mor
genländiſchen, ſehr beliebt. Die Capuciner ſind ſchon ſeit 16 38 zu Surät, und ha ben ſeit 1676 ſorgfältig aufgezeichnet, wenn in der Landesregierung oder bey den hier wohnenden Europäern merkwürdige Veränderungen vorgefallen ſind.
Ihre Anmerkungen ſind zwar nur kurz, und hauptſächlich zu ihrem eigenen Ge brauche beſtimmt, um ſich erinnern zu können, an welchem Tage dieſe oder jene Begebenheit geſchehen iſt. Indeß könnten ſie auch einem andern nüzliche Dien ſte leiſten, der die Veränderungen wiſſen will die hier ſeit 1oo Jahren geſche hen ſind.
Die Handlung der Portugiſen zu Surät iſt auch von keiner Bedeutung. Ihr Agent oder der Directeur ihrer Handlung, der in ihrer Faktorey wohnt, iſt
ein in Hamburg geborner Jude. *) Außer den Engländern, Holländern, Franzoſen und Portugiſen haben keine andere europäiſche Nationen Faktoreyen zu Surät. Während der Zeit da die
*) The factory of the French is better ſtor'd wich Monſeur than with caſh , the live well, borrow money and make a ſhew: here are french Capuchins who have a Convent, & live in Eſteen
*) Nach meiner Abreiſe haben die Portugiſen wiederum einen Directeur von ihrer eigenen Nation hieher geſandt, der zu Goz geboren iſt, und jezt ſoll ihre Handlung zu Surát
in gutem Flore ſeyn
64
Anmerkungen zu Surát.
die Engländer das Caſtell eroberten, war hier ein däniſches Schiff, welches noch einen ſehr guten Handel machte.
Allein die engliſchen Kaufleute waren zu der
Zeit hier noch nicht ſo mächtig als ſie nachher geworden ſind: zudem leiſtete der
däniſche Schiſscapitain ihnen wichtige Dienſte; ſie gönnten ihm alſo gern alle Vortheile die er erhalten konnte.
Ein paar Jahre nachher kam ein ſchwediſches
Schiff, das auch von dem Nabäb der Stadt gegen eine gewiſſe Abgabe Erlaub niß erhielt, frey zu handeln. Weil die Schweden ihr Eiſen und Kupfer für einen wohlfeilern Preis verkauften, als die Indier es von den Engländern erhalten konnten, ſo wurden ſie ihre Ladung bald los. Aber zulezt, als ſie ſchon fertig waren nach China abzureiſen, verlangte der Nabäb noch eine außerordentliche Ab gabe von 1 oo, ooo Rupees (etwa 66666# Rthlr.) und befahl dem Kaufmann, nicht aus der Stadt, und folglich auch nicht mit dem Schiffe von der Rehde zu gehen, bis erſt dieſe Summe bezahlt worden wäre. Der Schwede kam darüber in eine große Verlegenheit, vornemlich da er gar keine Hülfe bey den Engländern erhalten konnte, und nun vermuthete, dieſe Nation ſelbſt hätte dem Nabäb An leitung gegeben eine ſolcheFoderung zu machen. Er hielt es alſo bey dieſen Um
ſtänden fürs beſte, dem Schiffer heimlich wiſſen zu laſſen, daß er gleich ſein An ker lichten, und die Reiſe nach China fortſetzen ſollte. Er ſelbſt blieb zurück und brachte es mit vieler Mühe dahin, daß der Nabäb ſich mit 2 o,ooo Rupees
begnügen ließ.
Indeß war ihnen dieß eine gute Warnung, künftig nicht wie
der zu kommen. So hat der Nabäb während der Zeit daß die Engländer im Beſitz des Caſtells ſind, auch einmal 90,ooo Rupees von den Holländern er
preßt, und ſie bey dieſer Gelegenheit genöthigt, alle ihre Canonen, bis auf ei nige kleine, die ſie noch zum ſalutiren brauchen dürfen, von Surät wegzuſchicken. Bey ſolchen Umſtänden werden die Engländer den Handel dieſer Stadt nach und
nach ganz an ſich ziehen, und den übrigen europäiſchen Nationen wird die Luſt benommen werden, ihr Glück hier zu ſuchen.
Der Nabäb oder Statthalter und andere vornehme Bediente zu Surät ſind alle Mohammedaner. Es ſcheint aber daß ſie bey weitem nicht ſo eifrig ſind als ihre Glaubensgenoſſen in Egypten und der Türkey. Z. E. ein abgeſezter Nabäb
hatte einen großen Hund bey ſich auf dem Sofa liegen, und machte ihm viele Lieb
-
Anmerkungen zu Surät.
65
Liebkoſungen, da hingegen die Türken und Araber ſich ſchon für unreinhalten, wenn dieß Thier nur ihre Kleider berührt; die indiſchen Mohammedaner leihen Geld auf Zinſen; ſie ſcheuen ſich auch eben nicht, öffentlich Wein und andere ſtarke Getränke
zu trinken. Alle Vornehme in ganz Indien reden nicht nur die perſiſche Sprache, ſondern bedienen ſich derſelben auch in ihren Briefen. Das Perſiſche iſt daher gleichſam die Hofſprache in allen den Provinzen, die von Mohammeda nern regiert werden. Die Mohammedaner von mittlern und geringen Stande
aber bedienen ſich des Alphabets der Indier, und unter ihnen findet man alſo vermuthlich nur wenige die perſiſch reden.
Am 2ten April des Abends um 10 Uhr ließ der Nabäb es dem engliſchen Directeur, Herrn Hodges wiſſen, daß man den Neumond geſehen hätte, und ihn bitten daß das Ende des Ramadans, und alſo der Anfang des Feſtes Bei räm durch Canonen vom Caſtell bekannt gemacht werden möchte. Dieß geſchieht in allen mohammedaniſchen Feſtungen, und zwar deswegen, damit die Ein
wohner ſich zum Feſte vorbereiten; denn da man hier keinen Calender hat, und nicht einjeder nach dem Neumond ſehen, oder ſich bey dem Kadi erkundigen kann, deſſen Pflicht es eigentlich iſt, zu dieſer Zeit darnach ſehen und es dem Gouver neur wiſſen zu laſſen, ſo iſt es faſt eine Nothwendigkeit, es dem Publico auf eine ſolche Art bekannt zu machen, wenn es aufhören kann zu faſten. Weil die
Engländer ſich des Mogols Nabäb vom Caſtell nennen, und alle Vortheile ge nießen die damit verbunden ſind, ſo hätten ſie den mohammedaniſchen Einwoh mern von Surät auch leicht ſo viele Achtung bezeigen, und es ihnen andeuten kön
nen, daß der folgende Tag ein Feſttag ſeyn würde. Allein Herr Hodges ließ dem Nabäb wiſſen, daß er ſo ſpät nicht canoniren laſſen könnte, daß aber ſeiner ſeits an dem folgenden Tage alles zum Feſte bereit ſeyn ſollte. Nemlich daß ein engliſcher Kaufmann als Nabäb vom Caſtell mit einer Menge Soldaten der Pro ceſſion nach dem Gebetplatz außerhalb der Stadt beywohnen, und daß nachher die beſtimmte Anzahl Canonen gelöſet werden ſollte. Ich ſah nur ihre Zurükkunft, und dieſe geſchah in folgender Ordnung.
-
Ganz voran fuhr eine Menge bürgerliche Perſonen in Häkkris, einem kleinen und leichten Fuhrwerk mit zwey Rädern.
II. Theil.
J
Man ſieht davon eine Abbil dung
66
Anmerkungen zu Surät.
dung auf der Tabelle XII. bey A...
Der Herr ſizt in demſelben oder vielmehr
oben drauf mit untergeſchlagenen Beinen und auf Küſſen. Sein Sitz iſt oben und hinter dem Rücken bedeckt, und gemeiniglich hangen an den übrigen dreyen Seiten Gardinen. Der Kutſcher hat ſeinen Platz vorne, auf einer breiten
Deichſel von vielen Bomboröhren.
Eine ſolche Häkkri wird von zwey großen
weiſſen Ochſen gezogen, deren Hörner eine lange Spitze von Meſſing oder Sil ber haben. Uns Europäern gefällt dieſes Ochſenfuhrwerk anfänglich nicht, und ich ſelbſt habe mich darüber auf der Reiſe von Domus nach Surät ſchon beklagt. Allein die Maſchine worauf ich fuhr, war nicht ſo bequem eingerichtet, ſondern auf der Achſe ſtand nur ein großer Kaſten in welchem der Bauer ſonſt Lebens mittel zur Stadt zu bringen pflegte; weil ich und meine Reiſegefährten alle auf europäiſch gekleidet waren, ſo konnten wir nicht wohl mit untergeſchlagenen Bei nen in dem Kaſten ſitzen, ſondern muſten uns auf dem Rande deſſelben herum ſetzen: und wenn der Staub uns auf dieſer Reiſe ſo ſehr beſchwerlich war, ſo war die Urſache davon, daß das Land damals ſehr dürre war, und man eben an dieſem Tage gar keinen Wind verſpürte, der den Staub von uns weggewehet
hätte.
Die Indier finden ihre Stadthäkkris ſehr bequem, und ſie ſind auch
eben ſo gut als unſere Cariole oder andere Fuhrwerke mit zween Rädern. Nur laufen die Ochſen nicht ſo gut als Pferde. Indeß bezahlt man hier für ein paar große weiſſe Ochſen wohl 6oo Rupee (4oo Rthlr.) und ſelbſt die Europäer zu
Bombay haben ſie noch vor wenigen Jahren bisweilen vor Kutſchen gebraucht. Sie haben, ſo wie das Hornvieh in Arabien, einen großen Klumpen Fett auf dem Rücken über den Vorderbeinen.
-
Nach den Häkkris folgte die Proceſſion im eigentlichen Verſtande. Vor aus gingen Muſikanten mit den bey den Türken gebräuchlichen Feld-Inſtrumen ten. Einige hatten auch Trompeten 5 bis 6 Fuß lang, deren Ton dem Ge ſchrey der Thiere ſehr ähnlich iſt. Ich erinnere mich nicht mehr, ob bey den ſelben auch ein Herold war der die Ankunft des Nabäbs anzeigte, vermuthe es aber; denn ich hörte nachher daß dieß zu Surät nicht nur gebräuchlich ſey wenn der Nabab ausreitet, ſondern auch wenn der Directeur von einer europäiſchen
Handlungsgeſellſchaft ausfährt oder reitet.
Wenn z. E. der engliſche Directeur auf
lab.XII.
„GO
) !
- - -
- -
-
Anmerkungen zu Surät.
67
auf der Straße erſcheint, ſo öft ſein Herold in der indiſchen Sprache: Macht Platz, es kömmt Herr N. N. des Mogols Admiral und ſein Nabäb von dem
Caſtell zu Surät, der Directeur der engliſchen oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft
in dieſer Stadt u. ſ. f. *) Nach den erſten Muſikanten folgten 6 kleine Canonen, ein Officier der Artillerie zu Pferde, und einige Canoniers mit kleinen Fahnen auf einem Ele phanten. Hierauf eine Menge Vornehme auf ſchönen arabiſchen und perſiſchen
Pferden, (wovon einige, ſo wie die weiſſen Ochſen vor den Häkkris, mit Henne bemahlt waren) mit einigen Compagnien Soldaten und Feldmuſik vorauf. Dann folgte der engliſche Kaufmann als Nabäb vom Caſtell, zu Pferde, und in europäiſcher Kleidung. Er hatte an jeder Seite einen Bedienten mit ei nem großen Fliegenwedel, und auch einige Compagnien Soldaten mit indiſcher
Muſik vor ſich gehen.
Dieſe Soldaten hatten europäiſche Flinten; die Solda
ten des Nabäbs hatten Flinten mit Lunten.
Nachher ſah man verſchiedene koſtbare Palanquins, welche die Vorneh men, die ſelbſt zu Pferde waren, zur Pracht ledig tragen ließen. Sowohl Europäer als vornehme Indier bedienen ſich derſelben ſtatt unſerer Kutſchen und Tragſeſſel, ſowohl in der Stadt als auf Reiſen.
der Tabelle XIII.
Ihre Figur ſieht man auf
A. iſt ein Sommerpalanquin. Über demſelben liegt gemei
niglich eine große Gardine, die denjenigen der ſich tragen läßt, gegen die Sonne ſchüzt. Ich habe ſelbige nicht gezeichnet um die übrigen Stücke deſto beſſer an deuten zu können. Man ſieht daraus, daß ein Palanquin nichts weiter iſt als
ein kleines Ruhebett an ein dickes Bomborohr befeſtigt, das von vier Kerlenge tragen wird. An den beyden Enden des Bombo und oben auf demſelben ſieht man große Knöpfe mit geſchlagenem Silber bedeckt; die vier Füße ſind von eben dem Metall, und ſo auch die Einfaſſung der großen ſeidenen Quaſten. Die Matra ke und der Polſter ſind mit ſchönem Seidenzeuge überzogen: kurz, man findet
Palanquins wovon einer einige hundert ja wohl bis : , I 2
Rthlr. koſtet. -
Dar über
*) Aehnliche indiſche Ceremonien werden in der 88ſten von der Tauſend und eine 7acht be ſchrieben.
68
Anmerkungen zu Surät.
über wird der Leſer ſich nicht ſehr wundern, wenn ich noch hinzuſehe, daß al lein das Rohr über dem Palanquin des Statthalters zu Bombay wegen ſeiner
proportionirten Dicke und ſchönen Krümmung 1ooo Rupees (666# Rthlr.) ge koſtet hat. *) In der Regenzeit hängt man ein Dach von Cocusnußblättern mit Leinwand gefüttert, über einen ſolchen Palanquin. (Fig. B.) Dieß wird an der einen Seite ganz in die Höhe geſchlagen, wenn ſich einer hineinlegen will. Es iſt aber an jeder Seite ein kleines Fenſter, damit man friſche Luft ſchöpfen, und die Vorbeygehende ſehen kann. Die Palanquins der indiſchen Weiber ſehen einem viereckigten Kaſten ähnlich. Dieſer wird an einer geraden Stange getra
gen, und iſt überhaupt ſo ſchlecht, daß er kaum verdient bemerkt zu werden. Zudem ſah man in dieſer Proceſſion weder Winter- noch Weiberpalanquins. Nach den Palanquins folgten die Bedienten des Nabäbs mit vielen von
den Vornehmſten zu Surät, auch mit Soldaten und Muſik vorauf. Endlich kam der Nabäb ſelbſt auf einem ſer großen und mit Henne bemalten Elephan ten. Er ſaß mit kreuzweis untergeſchlagenen Beinen auf einem prägtigen Sitz oder Thron mit einer Decke über ſich, die auf vier kleinen Pfeilern ruhete. Vor und hinter ihm ſaßen Bediente mit Fliegenwedeln, und der Treiber ſaß auf dem Hals des Elephanten. Der Nabäb warf nach beyden Seiten, wie man es
nannte, ſilberne Blumen unter den Pöbel.
Allein dieſe Freygebigkeit war nicht
ſo groß, als man vielleicht glauben möchte. Eine ſolche Blume iſt nichts wei ter als ein kleines Stück Silberblech an dem einem Ende einigemal eingeſchnitten, und dann krum gebogen, und etwa einen Lübſchilling werth. Hinter dem Nabäb folgte ein lediger Elephant, hierauf noch einer mit einem Pauker und zulezt ein ſehr mageres Kameel. Nach geendigter Proceſſion ging jeder Sunnit nach Hauſe, und that ſich an dieſem Tage etwas zu gute.
Die Schiiten haben nicht nur zu Bombay ſondern auch zu Surät ſo viele Freyheit, daß ſie ſogar das Feſt Höſſeins öffentlich feyern und Proceſſionen hal ten,
*) Dieſer Gouverneur ſetzt ſich auf einen prächtigen Lehnſtuhl in ſeinem Palanquin.
Er un
terſcheidet ſich alſo dadurch von andern Europäern und den Indiern die ſich legen; doch
zweifle ich, ob einer ſitzend ſo bequem getragen werden könne, als liegend.
Anmerkungen zu Surät.
A
G9
ten, welches ihnen in den türkiſchen und arabiſchen Städten gewiß nicht erlaubt werden würde.
-
-
Von Indiern oder den Anhängern der Bramänen iſt zu Surät eine große Menge. Die Banianen als gute Rechenmeiſter und fleiſſige Haushalter, wer den oft Steuereinnehmer, Pächter und Zollbediente bey den Mohammedanern.
Sie ſind gleichſam geborne Kaufleute, und haben den Handel von Indien derge ſtalt in ihrer Gewalt, daß faſt alle fremde Nationen genöthigt ſind, ſich ihrer als Mäkler zu bedienen, Aber die hieſigen europäiſchen Kaufleute ſind auch beſſer
mit ihnen zufrieden, als die zu Conſtantinopel und Kähira, wo Juden Mäkler ſind. Es iſt in Indien nicht ſelten, daß Europäer faſt ihr ganzes Vermögen einem Banianen anvertrauen, und man hört oft Beyſpiele von der Treue und
Redlichkeit dieſer Heiden die einen in Erſtaunen ſetzen. Die indiſchen Kaufleute, wenn ſie auch einige Tonnen Goldes beſitzen, kleiden ſich nach europäiſcher Art zu reden, doch nur ſchlecht, nemlich in weiſſen Catun. Sie tragen Beinkleider oder auch nur ein großes herunterhangendes
Tuch um die Hüfte gewickelt, und darüber eine lange Kleidung, die oben eng iſt, und unten, ſo wie die europäiſchen Weiberröcke, viele Falten hat. Man ſehe die Figur B Tabelle XII. Die Ermel in dieſem Kleide ſind ſehr lang, aber eng, und über die Hand zurück geſchoben. Um die Hüfte haben ſie einen Gürtel; ihre Pantoffel ſind groß und ſtehen vorne krum aufwärts, wie unſere
Schrittſchuh, oder die Schuh der Finnlappen. In den Ohren tragen ſie große goldene Ringe, und die reichen Kaufleute bangen auch wohl in jedes Ohr eine große ächte Perle. Die Figur ihres Turbans, das Meſſer das ſie vor dem Leibe tragen, kurz die ganze Kleidung der Indier iſt von der Kleidung der Ara ber, Türken und Perſer verſchieden, aber auch für das Clima ſehr bequem. Die
Armen Indier gehen, ſo wie die Armen in allen heiſſen Ländern, meiſtens ganz nackend.
Sie haben nur einen Gürtel, und wohl nur einen Strick um die Hüf
te mit einem ſchmalen Stücke Leinwand zwiſchen den Beinen, ſo wie die Leute
welche den Palanquin A. Tabelle XIII. tragen. Nur haben leztere eine beſondere Art kleine Mützen die man als eine Liverey anſehen kann. *) Die übrigen ge J 3 *)
Den
meinen
Europäerinnen welche nach Indien kommen, mag der Aublik von dieſen nackten Leuten anfänglich wohl ſehr befremden, allein ſie gewöhnen ſich bald darzu ſich auch von ihnen tragen
Anmerkungen zu Surät.
7o
meinen Indier haben einen Turban. Wenn es regnet, trägt der indiſche Bauer einen Mantel von Palmen- oder Cocusnußblättern von der Figur C. Ta
belle XII.
Dieß iſt ohne Zweifel der Rock der Indier den Herodotus im 3ten
Buche § 93 beſchreibt.
Die Weiber der Indier von niedrigem Stande tragen ein großes Tuch von rothgeſtreifter Leinwand um die Hüfte gebunden, und das eine Ende zwiſchen den Beinen ſo aufgezogen, daß es kurzen und weiten Beinkleidern ähnlich ſieht.
Auch haben ſie ein großes Tuch um den Leib gewickelt und über den Kopf geſchla gen. Dieſe Weiber der Heiden haben keine lange hangende Brüſte, wie die Mohammedanerinnen. Sie tragen ſie nemlich in Futteralen von proportionirter Größe in einem kleinen Wambs mit halben Ermeln, das blos die Bruſt, und weder den Rücken noch den Unterleib bedeckt. Dieß Kleidungsſtück ſoll die Brü ſte ſo wohl erhalten, daß viele Europäerinnen, die nach Indien kommen, ſich ſelbiges anſchaffen, ſo wie ſie den Indianerinnen auch in dem Punkte der Rein lichkeit nachahmen müſſen, wenn ſie die Liebe ihrer Männer nicht verlieren wollen.
Die Weiber der Indier ſind nicht weniger arbeitſam als ihre Männer.
Ich
habe zu Bombay viele geſehen, die Holztrugen, und alſo ihr Brod ſchwer ver dienten, und doch viel Silber, Gold und Steine am Leibe hatten. Aber alles beſteht in Ringen wovon auch ihre Kinder, ja Kindeskinder Nutzen haben können. Sie tragen z. E. in einem Naſeloch einen Ring mit einem Stein, eben ſolche
Ringe in dem ganzen Rande des Ohrs, Ringe über den Fingern und über den Zähen, und große Ringe um die Fußknöchel und Arme.
Sieht man dagegen eine
Mohammedanerin, ſo iſt dieſe, ſo wie die in Arabien und der Türkey, ganz bedeckt; und Weiber, die Fremden nicht ihr Angeſicht ja kaum die Hände zeigen dürfen, können nicht viel außer ihrem Hauſe verdienen.
-
Den Verſammlungen der Indier an ihren Feſttagen habe ich nur ein ein zigesmal beygewohnt, und dieß zu Loheia in Arabien. Hier ſaßen 12 bis 13 Banianen in einem Kreiſe. Jeder von ihnen hatte ein paar metallene Teller, Oder
tragen zu laſſen. Zu Hauſe iſt unter andern auch die Pflicht dieſer Leute die Zimmer rein zu halten.
-
Anmerkungen zu Surát.
71
oder eine kleine Trommel. Wenn einer von ihnen eine Strophe in der indiſchen Sprache geſungen hatte, ſo wiederholten alle übrige eben dieſelben Worte, und ließen dabey ihre Inſtrumente hören. Ich war in der Geſellſchaft eines Mo hammedaners, und da ich merkte, daß wir den Banianen eben nicht willkommen waren, ſo entfernte ich mich wieder in weniger als in einer Viertelſtunde, um ſie in ihrer Andacht nicht zu ſtören. -
Alle Verrichtungen eines Bramänen als Geiſtlichen ſind mir nicht bekannt worden. Wenn aber einem Hindu ein Kind geboren wird, ſo muß ein Bramän
gleich nach aſtrologiſchen Regeln beſtimmen: ob es in einer glücklichen oder un glücklichen Stunde in die Welt gekommen iſt; und wenn er dieß verrichtet hat, ſo hängt er dem Knaben einen dünnen Strick über die Schulter, welches Kenn
zeichen ſeiner Nation er dann Zeit Lebens trägt.
Dieſe Gewohnheit ſcheint ſehr
alt zu ſeyn; denn man findet ſchon unter den Figuren in der Pagode auf der Inſel Elephanta ſehr viele die einen ſolchen Strick über der Schulter haben. Wenn ein Banian ſein Kind verheirathen will, wofür er oft ſorgt wenn es nur 6 bis 8 Jahre alt iſt, ſo muß auch ein Bramän die Zeit beſtimmen, wenn der Vater um die Braut werben, und wenn die Hochzeit ſeyn ſoll. Unterdeß bleiben die Kinder noch bey ihren Eltern bis ſie mannbar werden. Dann müſſen die Bra
mänen auch die Feſttage beſtimmen, und ſie dem Volke vorher bekannt machen.*) Jeder Banian muß ſich des Morgens, wenn er ſich gewaſchen und gebadet hat, von einem Bramänen gleichſam ein Siegel vor den Kopf drucken laſſen. Dieß iſt die Verrichtung ihrer gemeinen Prieſter. Ich ſah an einem Morgen eine ganze Reihe derſelben nahe bey dem Caſtell am Fluſſe ſitzen, wo eine Menge
Weiber und Mädchen hinkamen um ſich zu baden, und ihr Morgengebet zu hal ten.
Jedes gab die reinen Kleider, die ſie den Tag tragen wollte, an einen
dieſer Prieſter, und ging dann in den Fluß. Nachher verwechſelte ſie ihre naſ ſen Kleider mit den trockenen öffentlich am Ufer, welches aber mit ſolcher Geſchick lichkeit geſchieht, daß auch der aufmerkſamſte Beobachter von dem, was bedeckt ſeyn
*) Von ihrer Kenntniß in der Aſtronomie und Wahrſagerkunſt iſt ſchon in der Beſchreibung von Arabien S. 1 18 geredet
Anmerkungen zu Surät.
72
ſeyn ſoll, doch nichts zu ſehen bekömmt. Der Bramän tunkte darauf ſeinen Daum in eine rothe Farbe, und drückte dem Mädchen gleichſam ein Siegel vor die Stirn; und ſie zeichnete ihn auch, aber nur ſehr wenig; denn ſonſt würde dieſem bald der ganze Vorderkopf beſchmiert worden ſeyn.
Zulezt nimmt die
Perſon, welche gezeichnet, oder für den Tag gleichſam geheiligt worden iſt, die Farbeſchachtel in die Hand, hält ein kurzes Gebet, giebt dem Prieſter eine oder mehrere Handvoll Reis, und geht mit ihren naſſen Kleidern in der Hand wieder nach Hauſe. Einige nehmen auch wohl einen Topf voll Flußwaſſer mit zurück,
um ihren Favoritbaum zu tränken, oder es zu einem andern Gebrauch anzu wenden.
Meines Wiſſens haben die Indier zu Surät kein Hoſpital für Menſchen, aber ein großes Hoſpital für ein altes oder krankes Pferd, ſo nehmen ſie es gern auf, ſtirbt. Ich ſah hier eine
Thiere. Wenn andere Religionsverwandte ihnen eine Kuh oder ein anderes Thier überlaſſen wollen, und verpflegen es bis es von Alter oder Krankheit ſehr große gelähmte und blinde Landſchildkröte,
welche man über 125 Jahr alt zu ſeyn glaubte. *) Lahmes Hornvieh, Schafe, Caninchen, Hüner, Tauben u. d. gl. waren hier in Menge: und bey dem Ho ſpital iſt ein Arzt, der davor ſorgen muß, daß das Vieh wohl gepflegt wird. Unter den Indiern giebt es oft Leute, die freywillig grauſame Marter
übernehmen, in der Meynung dadurch Gott gefälliger zu werden als andere. Einige ſollen ſich mit dem Kopf unterwärts lebendig begraben laſſen. Einer that ein Gelübde, in einem Bauer, die Hände gefalten und in die Höhe haltend, 20 Jahre in freyer Luft zu ſitzen, ſich nachher zu einer Pagode in der Gegend von Dehli tragen und daſelbſt den Kopf abſägen zu laſſen. Er hat würklich viele Jahre in ſeinem Bauer vor einem Garten außerhalb Surät geſeſſen, war aber nicht lange vor meiner Ankunft in dieſe Stadt, und vor dem Verlauf der erwähn ten 2o Jahre geſtorben. Weil er ſich gar nicht rührte, ſo waren ſeine Glieder in der Stellung wie er ſich einmal geſezt hatte, gleichſam angewachſen. In den lezten
*) In dem Caſtell zu Bombay war auch eine Schildkröte, von der man ſagte, daß die Eng länder ſie hier ſchon gefunden hätten, als ſie dieſe Inſel von den Portugiſen erhielten
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Anmerkungen zu Surät.
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lezten Jahren hat er kein Wort mehr geſprochen, und beſtändig auf eine Stelle vor ſich niedergeſehen: und da ihm in ſeinem Bauer niemals die Nägel und die
Haare abgeſchnitten worden, ſo kann man ſich vorſtellen, daß er ſcheuslich aus geſehen haben mag. An Aufwärtern, welche glaubten durch den Dienſt, den ſie dieſem vermeynten Heiligen erzeigten, auch eine Heiligkeit zu erlangen, oder
die vielleicht nur von den reichlichen Almoſen die man ihrem Herrn brachte, be quem leben wollten, hat es ihm niemals gefehlt. Ein anderer hatte das Gelüb de gethan, daß er beſtändig einen Arm in die Höhe halten wollte, und dieſe
übung ſoll er viele Jahre getrieben haben. Noch ein anderer glaubte Gott dadurch einen Dienſt zu erzeigen, wenn er beſtändig eine ſchwere Kette mit einem Stein
trüge. Ein Weib ſoll ihre Natur nach und nach ſo zum Faſten gewöhnt haben, daß
ſie innerhalb 40 Tagen nichts genoſſen habe, als täglich ein wenig reines Waſſer. Kurz, das Faſten und die Caſteyungen der chriſtlichen Mönche iſt nur eine Klei nigkeit in Vergleichung mit dem, was ſich gewiſſe Indier auflegen.
Man findet bey den Hindu auch zwey Orden heiliger Bettler oder Pil grimme die man Bargais und Guſſeins nennt. Dieſe ſind geſchworne Feinde.
Beide reiſen bewafnet, und bisweilen bey tauſenden: und wenn ſie ſich irgendwo begegnen, ſo geht es ſelten ohne eine blutige Schlacht ab.
Vor einigen Jahren
lagerte ſich die eine Parthey dieſer prätendirten heiligen Helden während einiger Monate nahe bey Surät. Die Regierung ſchien ſich zu fürchten, und ließ täg lich nur eine kleine Anzahl von ihnen in die Stadt kommen um Lebensmittel und andere Nothwendigkeiten zu kaufen.
Es fehlt in dieſer Stadt auch nicht an mohammedaniſchen Fakirs.
Dieſe
ſitzen gern bey einem Grabe, oder unter einem Baum, und haben große Töpfe bey ſich ſtehen, die ihnen alte Weiber, in der Meynung Gott dadurch einen Dienſt zu thun, mit Waſſer angefüllt halten. Mit dieſem Waſſer ſind ſie ſehr freygebig. Sie ſegnen alle Vorübergehende, und machen bisweilen vortrefliche Wünſche, ſowohl an Europäer und andre Religionsverwandte, als an ihre ei
geue Glaubensgenoſſen. Aber dieſe Fakirs ſind auch unverſchämte Bettler. Sie ſetzen ſich bisweilen vor einem Hauſe nieder, und laſſen ſich nicht überreden von da wegzugehen, bis ihnen die Summa welche ſie verlangen, entweder ganz, oder II. Theil. K ſo
Anmerkungen zu Surät.
74
ſo viel als ſie mit dem Eigenthümer einig werden können, bezahlt worden iſt. Die Polizey miſcht ſich in ihre Foderungen nicht. Jeder ſucht daher ſie ſo bald als möglich zu befriedigen, um von ihrem Geſchrey befreyt zu werden.
Parſ findet man zu Surät eine große Anzahl.
Sie ſind gute Kaufleute,
fleiſſige Handwerker und gute Bediente. Auch ſind hier Armener, einige we nige Georgier und Juden, und ziemlich viele indiſche Catholiken. Leztere nennt man Portugiſen, und ihre Sprache, welche ſo ſchlecht iſt, daß die von Enropa kommenden Portugiſen ſie faſt erſt lernen müſſen, iſt die lingua franca in Indien; ſo wie ein ſchlechtes Italiäniſch die algemeine Sprache der Europäer in der Levante. Die Mohammedaner zu Sturät fangen ihren Tag von Sonnenuntergang an,
ſowie die Araber und Türken.
Aber ſie rechnen nicht nach Stunden, ſondern,
ſo wie die alten Einwohner dieſes Landes, nach Poär, Garri, Poll und Wipoll. Tag und Nacht werden in 8 Poär oder 6o Garri eingetheilt; eine Garri hat wiederum 6o Poll, und ein Poll 6o Wipoll. Zur Beſtimmung
der Zeit einer Garri bedienen ſich die Indier einer Waſſeruhr. *)
Die, welche
ich ſah, war eine kupferne und unten runde Taſſe, von der Figur unſerer Tüm ler, unten mit einem Loch wodurch das Waſſer ſo ſtark hineindrang, daß ſie nach meiner Uhr in 23 Minuten voll ward und zu Boden ſank. Wenn 6o Garri 24 Stunden ausmachen, ſo ſollte die Taſſe erſt nach 24 Minuten zu Bo den ſinken. Man hatte aber wohl aus der Erfahrung bemerkt daß der Uhrwärter
nicht allezeit genau aufpaßt, und die zu Boden geſunkene Taſſe gleich wieder aufs Waſſer ſezt, und daher das Loch, wodurch das Waſſer hineindringen ſoll, et was zu groß gemacht. Die Glocke der Indier iſt eine dicke runde kupferne
Scheibe, etwa 2 # Fuß im Durchmeſſer. Dieſe wird aufgehangen, und bey je der Garri d. i. jedesmal wenn die Waſſeruhr zu Boden ſinkt, mit einem hölzer Net
*) Dieſe Waſſeruhr iſt auch noch in Siam gebräuchlich.
Voyage d'Ovington Tom. I.
290. Ich erinnere mich irgendwo geleſen zu haben, daß die alten Perſer eine Schüſſel auf das Waſſer ſetzten die erſt nach drey Stunden zu Boden ſank, und daß alsdann die
Zeit durch Trommel und Trompeten bekannt gemacht ward. Es ſcheint alſo daß ſelbige nach Poär gerechnet haben, wie noch jezt die Indier. Die Poll und Wipoll werden vermuthlich nur von Bramanen zu aſtronomiſchen und aſtrologiſchen Rechnungen ge braucht,
Anmerkungen zu Surát. wen Hammer geſchlagen. Poär 7 Garri. nicht.
75
Wenn 8 Poär, 6o Garri ausmachen, ſo iſt jede
Aber ſo genau nimmt man es in der bürgerlichen Rechnung
Man rechnet auf die erſte und dritte Poär 7, und auf die zweyte
und vierte Poär, 8 Garri.
Wenn ein ganzer Poär verfloſſen iſt, und die ſie
ben oder 8 Garri geſchlagen worden ſind, ſo ſchlägt man die Anzahl Poär noch langſam nach; aber nur bis vier, ſo wie unſere Uhren mur bis 12 ſchlagen. Des
Morgens wird wieder mit ein Poär angefangen. Zu Surät rechnet man 32 Garri auf den längſten, und 28 Garri auf den kürzeſten Tag. Ich habe dieſe Waſſeruhr und Glocke in dem Hauſe eines abgeſezten Nabäß geſehen, wo es micht an europäiſchen Wand- und Taſchenuhren fehlte. Sie ſind alſo aus alter Gewohnheit, und vielleicht auch mur zum Staat beybehalten worden; denn man ſagte, daß Perſonen von großem Range dieſe Glocke bey Proceſſionen auf der Straße vor ſich her tragen laſſen, ſich aber alsdann anſtatt der Waſſeruhr, einer Sanduhr bedienen. Thurmuhren findet man hier ſo we
nig als in der Türkey und Arabien. Unter den Gärten zu Surät iſt beſonders derjenige merkwürdig, den der
S. 58 erwähnte Tek begkhän hat anlegen und bauen laſſen, und dieſem Na bäb 5 Lack Rupées (ohngefehr 33 3ooo Rthlr.) gekoſtet haben ſoll. In den vielen Gebäuden dieſes Gartens findet man verſchiedene große Zimmer, die an der einen Seite ganz offen ſind, und des mehrern Schattens wegen ein weit her
vorſtehendes Dach haben. Hier ſind koſtbare Bäder, ein Waſſerfall und ver ſchiedene Teiche mit Springbrunnen, welches alles in dieſem Himmelsſtrich ſehr bequem iſt. Aber der Weg von dem Haupteingange nach dem Hauptgebäude iſt
ſo ſchmal, krum und mit ſo vielen kleinen Thüren verſehen, daß einer ſich daſelbſt leicht bey hellem Tage verirren könnte.
Die Gänge zwiſchen den übrigen Ge
bäuden ſind eben ſo ſchmal und krum; vermuthlich weil der Bauherr ſich dadurch
für einen unvermutheten überfall in Sicherheit ſetzen wollte. Außer den erwähn ten großen Zimmern ſind die übrigen alle ſehr klein. Die Wege im Garten und viele Plätze vor den Gebäuden ſind ganz mit Eſtrich belegt. Aber dieſer koſtbare Garten mit ſeinen nach indiſcher Art prächtigen Gebäuden wird nur ſchlecht un terhalten. Die hieſigen Mohammedaner denken ebenſo wie die Türken und Ara K 2
ber.
76
Anmerkungen zu Surát.
ber. Sie ſelbſt bauen gern große Paläſte, um ſich einen Namen zu machen, ſie wenden aber nicht gern viel Geld an, um das Gebäude eines andern in gutem Stande zu erhalten. Um dem Leſer einen deutlichen Begriff von der Anlage dieſes Gartens zu
geben, habe ich von allen Haupttheilen deſſelben auf der Tabelle XIV. einen Grundriß entworfen.
1. Iſt das Hauptgebäude, drey Stockwerke hoch, und
oben mit einer Terraſſe. 2. Ein großer Altän oben auf der Gartenmauer. 3. Seiten-Gebäude von einem Stockwerk, jedes mit einem offenen Diwän (Ver ſammlungszinmer) und vielen kleinen Kammern. 4. Verſchiedene große und kleine Waſſerbehältniſſe mit Springbrunnen.
5. Wege und Plätze die alle mit
Eſtrich belegt ſind. 6. Die innere Wache unten in dem Gebäude, und über der ſelben Wohnzimmer. 7. 8. Ganz eingeſchloſſene Harems oder Wohnungen für zwey Gemahlinnen des Eigenthümers, mit Gärten und Springbrunnen. Alles auf einem höhern Grunde als der Hauptgarten: vermuthlich damit man nicht leicht von außen hineinſehen könne. Dieſe Quartiere ſind ſo angelegt, daß jede der beyden Gemahlinnen alle Bequemlichkeiten zu einer eigenen Haushaltung ha ben, und ihre viele Aufwärterinnen und Sclavinnen ſo logiren kann, daß ſie mit den übrigen gar keine Verbindung haben. In dem Quartier 8, wo vielleicht die gröſte Favoritinn wohnte, iſt ein ſehr prächtiges Bad mit geſchliffenen Spie gelgläſern, welche hier überaus koſtbar ſind, in den Fenſtern. Dieß Badpflegte der alte Nabab fleißig zu beſuchen, und ſich in demſelben von lauter ſchönen und nakten Frauenzimmern aufwarten zu laſſen, die ſich alle nur erſinnliche Mühe ge ben muſten, um das in ihm ſchon erloſchene Feuer wieder anzuzünden. 9. Ein Gebäude zwey Stockwerk hoch, mit großen offenen Diwäns, und vielen kleinen Kammern. 1 o. Ein niedriges Gebäude mit verſchiedenen offenen Diwäns.
Auch dieß iſt zu einem Harém eingerichtet.
An beyden Seiten und an der Mauer
des Gartens ſind kleine Zimmer für die Aufwärterinnen und Sclavinnen der
jenigen Gemahlin, welcher der Eigenthümer ihre Wºhnung in dieſem abgeſon derten Quartiere anzuweiſen pflegte. 11. Ein ſehr weitläuftiges Gebäude von einem Stockwerk, mit verſchiedenen offenen Diwäns, Bädern und vielen kleinen
Kammern.
In dieſem Quartiere pflegte Tek beg khän ſeine Gäſte zu bewir then,
Anmerkungen zu Surät. then, und auch Rathsverſammlung zu halten.
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12. Kleine Gebäude an einem
Waſſerfall. 13. Zwey bogenweis durchgebrochene Mauern. 14. Ein großes Thor mit verſchiedenen Wohnungen für die Wache. Dieß liegt außerhalb dem
Garten; in der eigentlichen Gartenmauer ſind nur kleine Pforten.
15. Drey
Brunnen aus welchen das Waſſer vermittelſt eines Paternoſterwerks durch Ochſen in die Höhe gebracht, in Behältniſſe geſchüttet, und von da nach den Spring brunnen und andern Waſſerkünſten geleitet wird. Unter den Gärten der Europäer iſt der Garten der holländiſchen Nation der ſchönſte. Er hat eine überaus angenehme Lage dicht am Fluſſe Tappi. Die Europäer haben zu Surät auch ihre eigene Todtenäcker, und auf denſelben einige Grabmähler die von einem Reiſenden geſehen zu werden verdienen. Das gröſte Monument auf dem Todtenacker der Engländer iſt ein Gebäude über 4o Fuß hoch, mit einem ſchönen Gewölbe, und an zween Ecken mit Thürmen. In -
demſelben liegen zwey Brüder, Chriſtopher und Georg Oxinden begraben. Erſterer ſtarb 1659 zu Surät, und lezterer, welcher Gouverneur zu Bombay war, ſtarb i 669. Unter dem koſtbarſten Grabmahl auf dem Todtenacker der
Holländer liegt Hendrich Adrian Baron Rehden zu Drachenſtein. Dieſer Herrward von der Niederländiſchen Oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft nach Surät geſandt, um die Haushaltung ihrer daſigen Bedienten zu unterſuchen; hatte aber eben das Schickſal, was ſchon andere, die in eben dieſer Abſicht nach Indien
gekommeu waren, gehabt hatten.
Er ſtarb 1697 auf dem Wege von Batavia
nach Surät, und ward hier prächtig begraben. Mein Aufenthalt in dieſer Stadt war zu kurz, als daß ich davon einen Grundriß hätte entwerfen können. Zudem iſt eine ſolche Arbeit bey den Euro
päern in Indien viel gefährlicher als bey Türken und Arabern *), und ich wollte K 3
bey
*) Ein Friſeur, der im lezten Kriege mit andern Franzoſen als ein Kriegsgefangener nach Bombay gebracht ward, und, wie ein engliſcher Officier mich verſicherte, gar nicht zeichnen konnte, aber die Unvorſichtigkeit hatte ſeine Papilloten mit einer Bleyfeder auf dem Wall auszukramen, ward von der hieſigen Regierung als ein Spion nach St.
78
Rückreiſe von Surät nach Bombay.
bey den Engländern, welche mir überall viele Höflichkeit erzeigten, nicht einmal den Verdacht erwecken, als wollte ich Riſſe von ihren Beſitzungen machen. In deß erhielt ich eine Charte von dem Ausfluß des Tappi, die vor einigen Jahren von einem Engländer entworfen worden, und worauf mir ein holländiſcher See mann, der viele Jahre zu Surät geweſen war, die ezige Lage der Sandbänke verbeſſerte. Dieſe habe ich verkleinert, und auf der 14ten Tabelle abdrucken laſſen, um dem Leſer einen deutlichen Begrif von der Lage dieſer Stadt zu geben. Am 8ten April reiſete ich von Surät, um mit eben dem Schiffe womit ich gekommen war, wieder nach Bombay zurück zu gehen. Es war verabredet worden daß wir des Morgens ganz früh abgehen wollten. Wir kamen aber nicht eher als um 1 o Uhr von der Stadt, und die Folge davon war, daß wir das
Schiff nicht eher als um 3 Uhr nach Mitternacht erreichten. Auf eine ſolche Nachtreiſe in einem offenen Boote hatte ich mich nicht vorbereitet, und dieß brachte mir eine ſehr ſtarke Verkältung zuwege. Unſer Schifscapitain James Moffat ging am folgenden Tage des Morgens um 5 Uhr von Surät, und kam ſchon des Nachmittags um 1 Uhr an Bord. Ein anderes Boot, das nur eine Stunde ſpäter abgegangen war, erreichte das Schiff erſt am 1oten des Nach mittags um 2 Uhr. So ſehr kann man hier vom Winde und der ſtarken Fluth aufgehalten werden. Indeß lag unſer Schiff auch ziemlich weit vom Lande. Am
St. Helena geſandt. Zu meiner Zeit kam ein Gasconier nach Bombay, der ſein Schiff an die Engländer verkaufte, und das Geld in kurzer Zeit verzehrte. Dieſer pralte ſehr viel von der Fertigkeit mit welcher er Grundriſſe von Feſtunaen entwerfen
konnte, und er mochte anch wohl geſagt haben, daß er darum hier nicht aus ſeinem Zimmer gehen durfte, weil er in einem hohen Hauſe nicht weit vom Wall wohnte. Dießgab Gelegenheit, daß der Eigner des Hauſes gleich Befehl erhielt, den Gasconier nicht länger in ſeinem Hauſe wohnen zu laſſen. Indeß ward ihm nicht verboten auf dem Wall überall herum zu gehen; denn daß man dadurch beſſer einen Grundriß von einer Feſtung entwerfen kann, als wenn man in einem hohen Hauſe die Stadt und
einen Theil des Walls überſieht, das war dem Gouverneur vielleicht unbekannt. Ueberhaupt aber hatten die Engländer von dieſem Menſchen wohl nichts zu fürchten. Zu UJochha hörte ich, daß die Holländer zu Batavia einen arabiſchen Kaufmann aus
Jemen deswegen weil er die Neugierigkeit gehabt hatte die Länge und Dicke einer großen Canone zu meſſen, einige Jahre ins Gefängniß geſezt hätten.
Rückreiſe von Surát nach Bombay.
79
Am 1 1ten April gingen wir mit vierzig bis funfzig kleinen Fahrzeugen un
ter Segel, die ſich verſammlet hatten um unter unſerm Schutz nach Bombay zu gehen. Am 12ten kamen einige Raubſchiffe gerade auf uns zu, und ſchienen Luſt zu haben ſich unter unſere Flotte zu miſchen, worauf alle kleine Fahrzeuge ſich gleich um uns herum verſammleten. Unſer Schiſscapitain gab es den Frem den durch verſchiedene Canonenſchüſſe zu verſtehen, daß uns an ihrer Geſellſchaft nichts gelegen war. Allein ſie kehrten ſich nicht daran, bis ein Schuß ſo wohl traf, daß die Kugel vor einem ihrer Fahrzeuge die Oberfläche des Waſſers ſtreifte, ſich wieder hob und an der andern Seite deſſelben ins Waſſer fiel. Dieß hatte die Wirkung, daß die Räuber ſich entfernten. Indeß verließen ſie uns nicht ganz, und wir fürchteten daß ſie ſich des Nachts uns wieder nähern würden. Denn es geſchieht nicht ſelten daß ſie eine ſolche Flotte wie die unſrige war, des Nachts von verſchiedenen Seiten angreifen, und, wenn das engliſche Schiff nach der einen Seite feuert, an einer andern Seite einige kleine Fahrzeuge wegführen.
Allein ſie wagten es nicht ſich uns wieder zu nähern, und wir kamen alle am 13ten April glücklich wieder nach Bombay. Die Engländer erwarteten bey meiner Abreiſe zwey Schiffe, die ſie noch vor dem Anfang der Regenzeit nach Europa zurück ſchicken wollten. Dieſe hofte ich ſchon zu Bombay anzutreffen; hörte aber nun daß ſie vor dem Regen gar nicht kommen würden, weil ſie von Bengalen und Madras erſt nach Batavia und Banculen geſandt worden wären. Ich nahm daher den Entſchluß, mit dent ſelben Schiffe womit ich nach Surät gegangen war, nach China, und von da mit einem däniſchen Schiffe nach Kopenhagen zu gehen. Allein am 2oſten April als dieß Schifabſegelte, war ich ſchon wieder ſo krank, daß ich ohne augenſchein
liche Gefahr eine ſolche Reiſe nicht unternehmen konnte. Ich war alſo genöthigt, noch während der Regenzeit zu Bombay zu bleiben, und nahm dabey den feſten Vorſatz den mir vorgeſchriebenen Rückweg über Basra zu nehmen, wenn ich meine Geſundheit nur einigermaßen wieder hergeſtellt haben würde.
Alle unſere im
arabiſchen Meerbuſen geſammlete Naturalien hatten Herr Cramer und ich ſchon nach Tranquebar geſandt. Nachher ſchickte ich alle Manuſcripte meiner Reiſe gefährten, ingleichen einen Theil von meinen eigenen Papioren gerade über London nach
Reiſe von Bombay nach Maſkät.
8O
nach Kopenhagen.
Denn da ich nicht wiſſen konnte, was mir noch auf der
Rückreiſe begegnen würde, ſo hielt ich es für rathſam, leztere durch einen andern Weg zu ſchicken, damit nicht die ganze Frucht der Reiſe verloren ginge, wenn auch ich etwa hätte ſterben oder geplündert werden ſollen.
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«He-
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Reiſe von Bombay nach Maſkat und Abu ſchähhr. 1764.
M„ Abreiſe von Bombay verzögerte ſich noch bis den 8ten Dee. 1764.
“TO da ich an Bord
eines kleinen Kriegsſchiffes der oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft
ging, das eine Reiſe nach Maſkät und dem perſiſchen Meerbuſen machen ſollte. Die Winde ſind in dieſer Gegend ſo beſtändig, daß ein erfahrner Schiffer es gemeiniglich ſchon vorher wiſſen kann, was für Wind er zu einer gewiſſen Jahrs zeit unter dieſer oder jener Länge und Breite antreffen werde. In gewiſſen Mo
naten kann er von Bombay gerade nach Maſkär, ja bis nach Basra gehen, ohne daß er nöthig hat ſein Topſegel einzunehmen; in andern hergegen muß er ſeinen Weg erſt ſo weit ſüdlich nehmen, bis er die Linie paſſirt iſt, dann weit nach Weſten ſegeln, bis er die Paſſatwinde antrift, mit welchen er wieder nach der arabiſchen Küſte und dem perſiſchen Meerbuſen kommen kann. Die jezige Jahrszeit war weder die beſte, noch die ſchlechteſte, um dieſe Reiſe zu machen. Unſer Schifscapitain erwartete viele nördliche Winde; er hütete ſich daher ſo viel möglich, um bey dem Anfang der Reiſe nicht zu weit nach Weſten zu kommen, weil ihm der Nordwind ſonſt nachher gerade entgegen geweſen ſeyn würde. So lange wir uns nicht über zwey bis drey Grade von der indiſchen Küſte entfernten, ſahen wir die kleinen Waſſerſchlangen ſehr oft, deren ich im erſten Bande S. 45 2. erwähnt habe. Man ſoll ſelbige auch häufig im perſiſchen Meerbuſen antreffen. Am 12ten Dec. des Abends leuchtete das Seewaſſer ſo
ſtark, als ich es ſonſt niemals geſehen habe. Denn hier ſchien die Oberfläche der See wohl eine halbe deutſche Meile weit mit breiten Flammen bedeckt zu ſeyn, anſtatt
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Reiſe von Bombay nach Maſkät.
ZI
anſtatt daß man in andern Gegenden nur kleine Funken ſieht, wenn das Waſſer 1764.
geſchlagen wird. *)
In dem erſten Bande S. 7. habe ich die Vermuthung Dec.
geäußert, daß das Leuchten des Seewaſſers vornemlich von den Meduſen (dä- TT“ niſch Maneter, engl. Blubbers) herrühre. Davon ſah ich an den folgenden Tagen bey ſtillem Wetter auch eine ſo große Menge, und darunter viele ſo groß, als ich ſie nirgends geſehen habe. Vermuthlich findet man hier auch noch andere Seethiere die des Nachts leuchten. Zu Bombay habe ich des Nachts oft ein ſolches phosphoriſches Licht auf den Straßen oder Miſthaufen geſehen, und es anfänglich für verfaultes Holz oder Johannis- Würmer gehalten. Es war aber das Eingeweide von einem kleinen ſchleimigen Fiſch, der hier die algemeine Speiſe der Armen iſt.
Auf der Reiſe nach Maſkät gab ich alle Abend, wenn wir klar Wetter hatten, auf das Funkeln der Sterne Achtung, wovon der Ritter Michaelis in ſeiner 88ſten Frage Nachricht verlangt hatte, weil einige Reiſende haben ver ſichern wollen, daß die Firſterne in einigen Gegenden des Orients nicht ſo fun keln als in Europa. Am 15ten Dec. war der Horizont am allerreinſten, und
an dieſem Abend ſahen wir nicht nur den Jupiter, ſondern auch den Syrius ſobald ſie nur über den Horizont hervor kamen; Procyon aber erſt 2 Grad hoch; die kleinern Sterne erſt nachdem ſie 1 0 Grad hoch geſtiegen waren, und die Sterne von der erſten Größe funkelten ſchon auf 25 Grad Höhe eben ſo ſtark, als in den Sommernächten bey uns. Am 2 1ſten und 22ſten ſahen wir erſtaunlich große Heere von Meerſchwei nen, die mit uns gleichſam in die Wette liefen, und weit voraus kamen, ohn
geachtet unſer Schiff doch einer deutſchen Meile in einer Stunde ſegelte.
Acht
bis zehn Stück neben einander ſprangen oft aus dem Waſſer, ohne dadurch von ihrem geraden Wege abzukommen, oder zurückzubleiben.
*) Eben einen ſolchen Anblick hatte der
An dieſem lezten Tage
Hauptmann Sarris im Jahr 1612. unter der Polº
höhe 8 Graden 12 Minuten. Er fand nachher, daß dieſer furchtbare Schein von Blackfiſchen (Cuttlefiſh) verurſacht worden. Algemeine Reiſen iſter Band S. 777.
II. Theil.
-
L
-
Reiſe von Bombay nach Maſkät.
82
Tage erblickten wir Räs Kalhät, ein Vorgebürge auf der Küſte von Omäft,
*
-
einer Provinz von Arabien.
Die engliſchen Reiſebeſchreiber pflegen ſie zu
dem glücklichen Arabien zu rechnen. Am 23ſten kamen wir bis in die Nähe von Maſkát. Hier erhielten wir Windſtille, und der Strom war auf dieſer Küſte ſo ſtark, daß wir dadurch in einer Nacht bey 6 deutſche Meilen zurück geſezt wurden. In den folgenden Tagen war der Wind uns immer entgegen, und der Strom noch immer ſo ſtark, daß wir alle Mähe hatten, nur vom Lande
abzuhalten.
Die Küſte von Omän iſt ſehr ſteil und gefährlich, und das Waſſer
ſo tief, daß man in der Nähe vom Lande oft auf 50 Faden noch keinen Grund findet. Am 28ſten waren wir noch bey dem Vorgebürge Kalhät. Von dieſem Tage an ſuchten wir wiederum die weite See, und waren alſo nicht mehr in Ge
1765. fahr zu ſcheitern.
Indeß muſten wir noch bis den 2ten Januar 1765.meiſten
Jan. theils beſtändig gegen Wind und Strom herum kreuzen.
Wir hatten dabey oft
“TT-Sturm und Regen; und da es mir an Winterkleidern fehlte, (ich hatte zu Bombay wiederum die europäiſche Kleidung angelegt) ſo war die kalte Witterung mir ſehr empfindlich. An dem erwähnten Tage des Nachmittags erhielten wir einen
guten Wind, und damit erreichten wir endlich am 3ten Januar den Hafen Maſkät. Am 4ten des Morgens kamen verſchiedene indiſche Fahrzeuge in den Ha ſen, die, nach Landesgewohnheit, ihre Ankunft und ihre Freude über die glücklich zurückgelegte Reiſe, durch Trommeln und Schalmeyen anzeigten. Eins derſelben warf ſeinen Anker dicht bey unſerm Schiffe. Ich fand auf dem ſelben zu meiner Verwunderung, zwey arme Franzoſen, die nach dem Verluſt
von Pondichery über ganz Indien gelaufen, nnd nun Soldaten bey einem in diſchen Schiffer waren, deſſen Fahrzeug nicht einmal ein Verdeck hatte. Sehr viele brave Leute von dieſer Nation ſind durch den lezten Krieg ſo zerſtreut und
genöthigt worden, ihr Brod kümmerlich bey Mohammedanern und Heiden zu verdienen.
Maſkät gehört einem unabhängigen arabiſchen Prinzen, der zu Roſták reſidirt, und ſich Imam von Omän nennt. *) Die Einwohner dieſer Pro vinz
-
)
Beſchreibung von Arabien S. 295.
Anmerkungen zu Maſkät. vinz ſind Mohammedaner.
Geſetzbuch.
Sie halten alſo den
Korän für ihr
83 vornehmſtes 1765.
Allein ſie bekennen ſich zu einer Sekte, die ſich Abädi oder Jan.
Beiaſt nennt, die zwar aus den arabiſchen Schriftſtellern ſchon längſt bekannt, TT“ von den europäiſchen Reiſenden aber meines Wiſſens, gar nicht bemerkt iſt. Die Sunniten ſowohl als die Schiiten nennen ſie Ary”- Chau
aredsji: aber dieß iſt ein Schimpfname, der in Omän eben ſo verhaßt iſt, als der Name Räfedi den Perſern, oder der Name Ketzer, den Deutſchen. Abul
Faragius erwähnt ſchon dieſer Chawaredsji, *) und ich zweifle nicht, daß ſie eben dieſelben ſind, welche Sales **) und andere Schriftſteller Kharejites MCUREM,
Ihre Grundſätze, wovon einiges in der Beſchreibung von Arabien
S. 2 1. angeführt worden, ſtimmen ziemlich mit dem überein, was andere vom
den Kharejiten behauptet haben.
Nemlich, daß ſie den Nachkommen Mo
hammeds oder Alis keinen Vorzug vor andern Arabern von alten Familien einräumen.
Keine von den mir bekannten Mohammedanern machen ſo wenig Pracht,
und leben ſo mäßig als dieſe Beiaſt. Sie rauchen keinen Toback, ſie trinken nicht einmal Caffe, und alſo noch viel weniger ſtarke Getränke. Der vornehme kleidet ſich nicht prächtiger, als der geringere, außer daß er etwa einen feinern Turbän auf dem Kopf, und einen koſtbarern Säbel an der Seite, oder Meſſer vor dem Leibe hat. Sie laſſen ſich nicht leicht von heftigen Leidenſchaften hin
reiſſen; ſie ſind höflich gegen Fremde, und erlauben ſelbigen zu Maſkät unge ſtört nach ihren eigenen Geſetzen zu leben. Anſtatt daß die Banianen in Jemen gezwungen ſind, ihre Todten zu begraben, ſo können die hieſigen ſie verbren nen: und wenn die Juden in den übrigen Ländern der Mohammedaner genöthigt ſind, ſich durch ihre Kleidung von andern Nationen zu unterſcheiden, ſo dürfen
ſie ſich hier völlig wie die Araber kleiden.
Wenn in den Ländern der Sunniten
ein Banian, Jude oder Chriſt bey einer Mohammedanerin betroffen wird, ſo
muß er ein Mohammedaner werden, oder wenigſtens eine große Strafe an Geld -
L 2
bezahlen.
*) Pocockii ſpecimen hiſtoriae arabum p. 26. 269. **) Preliminary diſcourſe p. 173. Hiſtory of the Ottoman Empire by Rycaut p. 227.
84 1765. bezahlen. Jan.
Anmerkungen zu Maſkät. Bey den Beiafiten zu Maſkät aber bekümmert die Regierung ſich
darum nicht, wofern der Fremde ſich blos an ſolche Weibsleute wendet, von
“TT“denen es bekannt iſt, daß ſie ſich ſonſt auch den Mohammedanern für Geld über laſſen.
Von dieſen liederlichen Weibsleuten wohnt eine ganze Menge in einem
beſondern Quartier außerhalb der Stadt. *)
übrigens iſt die Polizey hier ſo
vortreflich, daß man gar nicht von Diebſtahl hört, obgleich es nicht ſelten iſt, Kaufmannswaaren ganze Wochen lang an der Straße liegen zu ſehen. Nie mand darf des Nachts ohne Leuchte auf der Straße erſcheinen: und damit keine
Waaren eingebracht, und dadurch die Regierung wegen des Zolls betrogen werde, ſo
*) Unter den verſchiedenen Caſten in Indien giebt es auch Tänzerinnen, die, ſo wie die Ga ſie in Egypten, und die Tſchingame zu Conſtantinopel bey einem jeden der davor be zahlen will, ſür Geld tanzen und ſingen. Aber die heidniſchen Tänzerinnen verhey rathen ſich niemals. Ihre Töchter lernen das Handwerk der Mütter, und die Söhne werden gemeiniglich Soldaten. Zwey Engländer und ich ließen zu Maſkat an einem Abend einige von dieſen Tänzerinnen, die ſich daſelbſt wegen der indiſchen Kauf leute aufhielten, kommen, allein ihren Tanz und ihre Muſik fand ich nicht beſſer, als
der Gaſie ihre in Egypten.
An einem andern Abend ließen wir drey junge Indier
holen, wovon der eine eine ſolche Violin ſpielte, als bey Eauf der 16ten Tabelle des erſten Bandes abgebildet iſt; der andere hatte ein paar metallene Teller, und der dritte eine Trommel quer vor dem Leibe gebunden. Alle drey ſangen und tanzten. Dieſe jungen Leute ſah ich mit Vergnügen. Von ihren indiſchen Geſängen konnte ich zwar kein Wort, aus ihren Geberden und der Muſik aber faſt alles verſtehen. Sie ſangen meiſtentheils von Liebe und Heldenthaten, und ein Stück worinn ſie die Portugiſen in ihrem jezigen Zuſtande vorſtellten. Dieſe ſind nicht mehr die Helden, die ſie in dem Jahrhunderte waren, als ſie Indien eroberten. Sie haben von ihren großen Be ſitzungen in dieſer Weltgegend nur wenig mehr übrig; indeß bezeigen ſie ſich in ihren Unterredungen und ganzem Betragen noch eben ſo ſtolz als jemals: letzteres ward von
den Indiern ſo wohl ausgedrückt, daß es nicht beſſer von europäiſchen Comödianten hätte geſchehen können. Anſtatt daß die Tänzerinnen faſt immer auf einer Stelle ſtehen bleiben und nur ihren Körper bewegen, ſo machten dieſe Tänzer bisweilen ziemliche Sprünge. Ueberhaupt tanzten und ſpielten ſie vollkommen taktmäßig. Alle ihre Melo dien waren, ſo wie die, welche ich bey den Arabern, Perſern und Turkmannen gehört habe, in einem vier viertel oder # Takt. Sie ſingen oft alternative; und wenn mehrere zugleich ſingen, ſo hört man von allen dieſelbe Melodie, wofern nicht einer einen
beſtändigen Baß ſingt.
Anmerkungen zu Maſkät.
Z5
ſo darf nach Sonnenuntergang kein Boot ans Land kommen, ja nicht einmal von 1765. einem Schiffe zum andern gehen.
Jan.
-
Der Imäm hat in dieſer Stadt einen Wäli oder Commandanten, einen Wektl oder Directeur von dem hieſigen Zoll, unter welchem auch alle Kaufleu
te und Fremde ſtehen, und einen Kadi.
Die Anzahl der Banianen oder In
dier, ſowohl Kaufleute als Handwerker und Bediente, die ſich hier aufhalten,
rechnet man auf zwölf Hundert.
Juden wohnen hier nur ſehr wenige, und gar
keine Europäer. Ich hatte von Bombay Empfehlungsſchreiben an den hieſigen Wekil, und an den Mäkler der Engländer einen Banianen, welche beyde mir viele Höflichkeit erzeigten. Erſteren beſuchte ich nur ſelten, um ihm nicht von meinen Geſchäften Rechenſchaft geben zu dürfen, beſonders von der Urſache, warum ich in und außerhalb der Stadt ſo viel ſpazirte, welches er von den übri
gen hier ankommenden Europäern nicht gewohnt war.
Letzterer verſchafte mir
die Bekanntſchaft mit ein paar Arabern, und dem Schech der Juden, welche alle dieß Land ſehr gut kannten. Dadurch erhielt ich verſchiedene geographiſche und andere Nachrichten von Omän, die man ſchon in der Beſchreibung von Ara
bien findet.
Ich will alſo hier nur noch einiges von der Lage der Stadt Maſkät
anführen, wovon ich auf der Tabelle XV. einen Grundriß entworfen habe. Maſkät iſt ſowohl durch die Natur als Kunſt gut befeſtigt. Auf und an den ſteilen Klippen an beyden Seiten des Hafens, in welchem die gröſten
Schiffe vor allen Winden ſicher vor Anker liegen können, ſind verſchiedene Batterien und Caſtelle, die ſtark mit Canonen beſetzt ſind. Von letztern ſind
beſonders die beyden Caſtelle Miräni (1.) und Jeläli (2.) merkwürdig, weil ſie am geräumigſten ſind, und dicht an der Stadt auf ſteilen Klippen liegen. Die Batterien und Thürme (3.) ſind nur klein. Die Stadt iſt mit einer Mauer umgeben, die zwar nur ſchwach iſt, aber acht Thürme oder vielmehr Batterien mit Canonen hat. Am ſchwächſten iſt ſie an der Nordweſtſeite; denn hier (4.) iſt in der Stadtmauer ein großes Gitter von Holz, um dem Waſſer das in der
DRegenzeit mit groſſer Gewalt von den umherliegenden Bergen herabſtürzt, Ab lauf zu verſchaffen. Weil die hieſigen Einwohner noch weniger Pracht und Be quemlichkeit ſuchen, als andere Mohammedaner, ſo ſind ihre Häuſer durchge L 3
hens
Anmerkungen zu Maſkät.
86 1765. hens nur ſchlecht.
Sogar die zwey Moſqnéen die ſie haben, ſind nur klein
Jan
und dunkel, und keine derſelben hat einen Minäre. Die beſten Gebäude in “TT“ dieſer Stadt ſind zwey portugiſiſche Kirchen, wovon die eine jezt die Wohnung des Wäli, und die andere ein Waarenlager iſt. Außerhalb der Stadt iſt eine ziemlich große Ebene mit einigen Gärten, die in der heiſſen Jahrszeit wegen des Schattens, den man hier von Datteln - und andern Bäumen haben kann, ange nehm genug ſind. Kunſt aber muß man hier gar nicht erwarten. Und die
Häuſer außerhalb der Stadtmauer, welche man eine Vorſtadt von Maſkät nen nen kann, ſind, ſo wie ein Theil der Häuſer innerhalb der Stadt, lauter ſchlechte Hütten mit Matten bedeckt. Alles iſt von Natur gut befeſtigt. Die Ebene iſt mit ſteilen und kahlen Klippen umgeben, und hat nur drey ſchmale Ausgänge,
die leicht vertheidigt werden können. Der eine Ausgang (5.) führt nach Söd dof, der andere (6.) nach Kalbu und der dritte (7.) nach Mattrach. Die
erſten beyden Örter ſind ſchlechte Dörfer.
Der letzte iſt eine ſchlechte Stadt mit
einem Caſtell, und alle drey liegen an der See.
Maſkät liegt alſo an dem
Ende eines Meerbuſens, zwiſchen ſteilen Klippen auf einem Vorgebürge oder
einer Halbinſel.
Ihre Polhöhe iſt nach meinen Beobachtungen 2 3“. 37“, und
ihre Entfernung von Bombay iſt, nach den Anmerkungen der engliſchen Schiffer
12“ nach Weſten.
Dieſe wollen auch bemerkt haben, daß hier am Tage des
Neu- und Vollmonds um 11 Uhr das höchſte Waſſer ſey, und daß die Fluth
12 bis 14 Fuß hoch ſteige. und 5“ nach Weſten.
Die Abweichung der Magnetnadel iſt zwiſchen 4
An dem Fuß eines Berges, (bey 8.) iſt ein Brunn, der Maſkät in der trockenen Jahrszeit mit friſchem Waſſer verſorgt.
Dieß wird hier ſehr mühſam
von einem Ochſen (ſo wie bey B auf der 15ten Tabelle der Beſchreibung von Arabien von einem Menſchen) in einem großen ledernen Sack in die Höhe gezo gen, in ein Waſſerbehältniß geſchüttet, und durch Röhren bis an den Hafen
geleitet: ſo daß auch Boote hier mit leichter Mühe Waſſer einnehmen können. Dieſe Waſſerleitung ſcheint noch ein Werk der Portugiſen zu ſeyn.
Es läuft
(bey 9.) aus zwey eiſernen Röhren, die wahrſcheinlich ehmals von Hahnen ver ſchloſſen wurden.
Jezt werden ſie nur mit Leder zu gebunden, das ſo oft auf gelößt
Anmerkungen zu Maſkät.
87
gelößt werden muß, als einer Waſſer holt. In den beyden Caſtellen 1.2. ſind 1765. große Waſſerbehältniſſe, die immer mit dieſem Waſſer angefüllt gehalten werden. Jan.
Andere Reiſende haben verſichern wollen, daß es zu Maſkät in einem TT“ ganzen Jahre kaum einmal regne. *)
Während meines Auffenthalts in dieſer
Stadt regnete es von dem 1 2 bis den 17ten Januar täglich, und wir hatten
überhaupt ſo viel trübes Wetter, daß ich hätte von hier reiſen müſſen, ohne hinlängliche Beobachtungen über die Polhöhe erhalten zu haben, wenn ich des pegen nicht in der Nacht vom 11. auf den 12ten Januar aufgepaßt hätte. In
den Sommermonaten aber, wenn die Sonne hier nahe bis zum Scheitelpunkt kömmt, und die Sonnenſtrahlen überdieß noch von den umherliegenden kahlen Felſen zurückprallen, iſt es in dieſer Stadt ſo heiß, als wohl an wenigen Orten
in der Welt. Die Berge auf der Küſte von Omän überhaupt ſcheinen kahl und unfruchtbar zu ſeyn. Dagegen ſind die Thäler deſto beſſer bebaut. Zu Maſkát
iſt daher ein Überfluß von allerhaud ſchönen Früchten, das Fleiſch iſt hier in
Menge und ſehr gut, und die See liefert einen überfluß von Fiſchen. **) Von den Produkten, die von Oman ausgeführt werden, ſind die Datteln das Vor
nehmſte.
Hievon gehen aus verſchiedenen Hafen ganze Schifsladungen voll
nach dem arabiſchen Meerbuſen, nach Indien und andern Gegenden. Maſkät iſt auch die Niederlage der meiſten Waaren, die aus dem perſiſchen Meerbuſen
nach Hadramaut, Jemen, Hedsjäs und ganz Indien, oder von da nach dem perſiſchen
*) Voyage d'Ovington Tom. II. p. 127. Dieſe Reiſebeſchreibung iſt ſonſt ſehr gut. Ein Beweis, daß ein Reiſender nicht von allen gleich zuverläſſige Nachrichten erhalten könne.
**) Alexander Hamilton verſichert, die Araber zu maſtät können die Fiſche beſchwören. Er ſelbſt will es geſehen haben, daß einer hier am Ufer geſtanden, und gerufen habe, Täl, Täl, Täl! (komme !) und daß die Fiſche hierauf in großer Menge gekom men wären. Ich habe in dieſem Hafen ſo viele Fiſche geſehen, als ſonſt an keinenr Ort in der Welt, aber niemals gehört, daß die Fiſche ans Ufer kommen, wenn ein Araber ſie ruft. Die Fiſcher ſaßen hier auf eben ſo kleinen Flöſſen, als deren ſich die Fiſcher in dem arabiſchen Meerbuſen bedienen (Beſchreibung von Arabien S. 215.)
und fingen die Fiſche entweder mit Neßen oder mit Ageln, oder einem gewiſſen Saa men, wovon ſie betäubt werden, wenn ſie davon freſſen,
Anmerkungen zu Maſkát.
88
1765. perſiſchen Meerbuſen gebracht werden ſollen.
Eben dieß ſagt Arrianus nnd
Jan. andere alte griechiſche Schriftſteller von Moſca, einem Hafen in dieſer Gegend,
“TT und vermuthlich Maſkät ſelbſt.
Denn nicht nur die Namen haben eine große
Ahnlichkeit, ſondern weil die Küſte aus einem harten Felſen beſteht, und das Waſſer nahe bey demſelben tief iſt, ſo kann man nicht anders ſchließen, als daß der Hafen von Maſkät vor einigen tauſend Jahren ſchon eben ſo gut geweſen ſey, als noch jezt. Bey Abulfeda und in den Tabellen des Naſſer eddin und Ulug Beigh finde ich der Stadt Maſkát nicht erwähnt. Sohär war damals die vornehmſte Handelsſtadt in Omän.
Vielleicht alſo war die Regierung zu
Maſkät zu der Zeit von der Beſchaffenheit, daß die Unterthanen keinen Handel mit Auswärtigen treiben konnten. Daher kaun ihr Name den erwähnten Schrift ſtellern unbekannt geblieben ſeyn. Meines Wiſſens iſt noch kein Europäer von Maſkät landwärts eingereiſt.
Indeßverdient die Provinz Omänvon Erdbeſchreibern und Naturkündigern genauer beſucht zu werden, und nach dem, was ich zu Maſkät gehört habe, ſo reiſet
man in dem Gebiet des hieſigen Imäms mit eben ſo großer Sicherheit als in
Jemen. *)
Theils meine Geſundheit, theils auch andere Umſtände erlaubten
mir nicht dieſe Reiſe zu unternehmen. Man trift hier zwar oft Gelegenheit an, mit einem kleinen Schiffe, welches die Araber Taräd oder Tränki nennen
(deſſen Bauart ſchon im erſten Bande S. 28.5. beſchrieben worden) nach dem perſiſchen Meerbuſen zu gehen. Ich hielt es aber nicht für rathſam damit zu reiſen, weil man auf demſelben in dieſer Jahrszeit der rauhen Witterung zu ſehr ausgeſezt, und oft auch nicht vor Seeräubern ſicher iſt. Dagegen hat man auf
einem europäiſchen Schiffe vor letztern gar nichts zu fürchten. Capit. Price, mit dem ich von Bombay gekommen war, hatte ich ſchon nach dem perſiſchen
Meerbuſen abſegeln laſſen, weil ich ein engliſches europäiſches Schiff, das bald nach uns von Bombay abgehen ſollte, erwartete.
fommen.
Dieß war am 12ten ange
Weil ich nun fürchtete, nachher nicht wieder eine ſo gute Gelegen -
v.
heit
*) Was Ovington Tom. II. p. 136. und Hamilton (Account of the Eaſt Indies T.I. p. 58.) von der Aufführung der Araber in Omän gegen einen Eduard Sajj erzählen, der auf ihrer Küſte Schiffbruch gelitten, beſtätigt das, was ich oben von ihnen geſagt habe.
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Reiſe von Maſkät nach Abuſchähhr.
89
Heit anzutreffen, um nach dem perſiſchen Meerbuſen zu kommen, ſo überließ ich die 1765. DReiſe in das innerſte von Omän denen von meinen Nachfolgern, welchen Zeit und Um- Jan. ſtände ſelbige beſſer erlauben, und reiſete am 18ten von Maſká. A-N Am 19ten des Abends von 8 Uhr 3o Minuten bis 9 Uhr 30 Minuten,
da wir ſo ſtark ſegelten, daß wir in einer Stunde # deutſche Meile zurück legten, war die Oberfläche der See, ſoweit wir ſehen konnten, ſo weiß als eine Ebene
die mit Schnee bedeckt iſt.
Nach 1 o Uhr ſahen wir einen andern ſolchen
weiſſen Strich, der ſich von Oſten her näherte, unſer Schiff aber nicht erreichte. Die Urſache dieſes weiſſen Scheins war vermuthlich eben dieſelbe, welche das
Leuchten des Seewaſſers hervorbrachte, welches ich am 12ten December des Abends zwiſchen Bombay und Maſkät ſah: heute aber bemerkte ich gar keine Funken von dem bewegten Waſſer, ſondern, wie erwähnt, bloß einen weiſſen Schein. *) Der Mond war zu dieſer Zeit nicht über dem Horizont. Wir hatten aber ſtern klar Wetter, und nur hin und wieder eine dünne Wolke am Himmel. Am 2oſten des Abends ſahen wir Cap
Jaſk,
ein Vorgebürge auf der
perſiſchen Küſte. Am 2 1ſten des Mittags waren wir unter der Polhöhe 2 5. 48. EU- G= Kohumbäreck, oder wie es auf den europäiſchen Charten genannt wird Bombarek war etwa 3# deutſche Meilen nach O. z. N. und liegt alſo unter der Polhöhe 2 5.5 1 . Am 23ſten des Mittags war die Polhöhe des Schiffes 26“. 38 . und ich beſtimmte daraus die Polhöhe der In
ſel Saläme 26“. 2 8; allein dieſe meine Beobachtung iſt wohl nicht ganz zuver läſſig, weil mir bey derſelben eine Ecke von Räs Muſſendom, oder eine vor dem ſelben liegende Inſel im Horizont war. Am 24ſten fand ich die Polhöhe der Inſel Tunb nach einer in der Nähe angeſtellten Beobachtung, 2 6“. 14'. Wir hat
ten bisher ſehr veränderlichen Wind, oft Windſtille, viel trübe Luft und bis weilen Regen, und dieß veränderliche Wetter dauerte noch ferner, bis wir in die Nähe von Abuſchähhr kamen. **) Vom -
*) Ein M. de Reville ſah eben ein ſolches Phoenomenon am 14ten Julius 1754 des Abends um 9 Uhr, unter 8 Grad 47 Minuten Breite, und 73 Grad Länge Oſt von Paris.
S. The Gentleman's Magazine for Sept. 1768. **) Die Beſchr. v. Ar. S. 308 bis 339. wo die vornehmſten von dieſer Gegend geſammleten Nachrichten ſchon angeführt ſind, kann hiebey nachgeſchlagen werden. -
II. Theil.
M
Reiſe don Maſkát nach Abuſchähhr.
9O
Vom 27ſten bis den 31ſten Januar hatten wir ſo viel trübe Luft und Febr- Regen, daß wir in aller der Zeit nur einmal die Polhöhe erhalten konnten. "TT"Niemals habe ich in ſo kurzer Zeit ſo große Veränderung des Windes erlebt, als 1 765.
wir in dieſen Tagen hatten.
Bald hatten wir Windſtilte, bald darauf einen
fliegenden Sturm, und oft drehete der Wind ſich plötzlich nach der entgegen geſetzten Seite. Bey ſolchen Umſtänden erwartete ich Waſſerhoſen zu ſehen, welche auf dieſem Meerbuſen fehr häufig ſeyn ſollen; allein ich habe ſelbige hier
nicht bemerkt. Von der Gefahr, worinn wir uns bey dieſer Gelegenheit bis weilen befanden, will ich gar nichts erwähnen. Die Seeleute ſind dergleichen ſehr oft ausgeſezt; es würde daher unbillig ſeyn, wenn wir andere auf unſern nur ſeltenen Seereiſen uns über Unbequemlichkeit und Gefahr beklagen wollten.
Am 1ten Februar kamen wir das Vorgebürge Berdiſtän vorbey. Dieſe Gegend wird von den europäiſchen Schiffern für die gefährlichſte auf der ganzen Reiſe gehalten; denn nicht nur vor Räs Berdiſtän liegen viele Klippen, die weit in die See gehen, ſondern ein Engländer ſoll nicht weit von hier zur Ebbzeit eine Inſel geſehen haben, deren Lage auf den Seecharten noch nicht bemerkt iſt. Wenn ſie alſo auf der einen Seite die Klippen vor dem Vorgebürge ausweichen wollen, ſo fürchten ſie auf der andern auf der erwähnten Inſel, die bey der
höchſten Fluth mit Waſſer bedeckt ſeyn ſoll, zu ſcheitern. Araber zu Abuſchähhr wollten mich verſichern, daß dieſe kleine Inſel ohngefehr mitten zwiſchen Räs Berdiſtän und der Inſel Bahhrein liege. Endlich am 4ten Februar gegen Abend erreichten wir die Rehde von Abu
ſchähhr.
Weil der Eingang zu dieſem Hafen ſehr ſchmal iſt, und ein ſo großes
Schiff als das unſrige war, ohne einen guten Lothſen nicht wohl hinein gebracht werden kann, ſo warfen wir, etwa 2 deutſche Meilen nach Weſten von der Stadt, Anker.
Bald nach unſerer Ankunft erhielten wir Nachricht von einem Engländer
mit Namen Sutherland, der ein Schiff von Bengalen commandirte.
Wir
hatten ihn am 26ſten des vorigen Monats bey der Inſel Surdé oder Schech
Suré angetroffen, nachdem er 6 Tage vorher von Abuſchähhr abgeſegelt Er ſelbſt, ſeine zwey Steuerleute und ein Bootsmann waren Europäer.
TVNU.
Unter den
Reiſe von Maſkät nach Abuſchähhr.
91
den Matroſen war ein Spanier von Manilla, die übrigen waren lauter Indier. 1765. Letztere ſind von Natur ſehr feig, ſonſt aber ihren Befehlshabern gehorſam.
Die Febr.
Engländer bedienen ſich derſelben in Indien auf allen ihren Schiffen, die bloß TT“ von einem Hafen zum andern, oder nach dem arabiſchen oder perſiſchen Meerbu ſen gehen. Weil die meiſten dieſer Matroſen indiſche Catholiken oder ſo genannte Portugiſen ſind, ſo müſſen die übrigen, und ſelbſt die Engländer ſo viel Portu giſiſch lernen, daß ſie in dieſer Sprache commandiren, oder das Commando ver
ſtehen können.
Übrigens bekümmert man ſich nicht darum, von welcher Nation
oder Religion die Matroſen ſind, oder welche Sprache ſie unter einander reden,
weil man eben kein Beyſpiel hat, daß ſie einen Aufſtand gegen ihren Schiffer gemacht haben. Sutherland hatte auf ſeiner Ausreiſe und zu Basra ſo viele Leute verloren, daß er genöthigt worden war, an ihrer Stelle 1 2 arabiſche Matroſen anzunehmen. Dieſe Mohammedaner ſind gewohnt, von ihren eigenen Glaubensgenoſſen mit Gelindigkeit begegnet zu werden. Zwiſchen den verſchie denen kleinen Herren in und an dem perſiſchen Meerbuſen, iſt beſtändig Krieg. Die hieſigen Matroſen ſind daher tapferer als die Judiſchen, und überdieß noch ſtolz auf ihre Religion, indem ſie alle übrige Religionsverwandte ohngefehr eben ſo verächtlich anſehen,. als wir die Juden. Es ſey nun daß es den Arabern
nicht gefallen habe unter dem Befehl einiger weniger Chriſten zu ſtehen, oder ob ſie ſich vor der langen Reiſe nach Indien fürchteten, oder ob es bloß aus Raub begierde geſchah, ſo bemächtigten ſie ſich dieſes Schiffs noch eher als ſie aus dem perſiſchen Meerbuſen kamen.
Zwey Tage nachher, als wir mit dem Capitain Sutherland geſprochen
hatten, ankerte dieſer wegen eines ſtarken Sturms bey der Inſel Käs.
Er
ſchickte hier einen von ſeinen Steuerleuten ans Land, um Waſſer zu holen, und dieſer Gelegenheit bedienten ſich die arabiſchen Matroſen, um die übrigen Euro päer zu ermorden. Der Steuermann, der an Bord geblieben war, ward auf dem Verdeck durch einen Schlag zu Boden geworffen.
Den Schiffseapitain,
4welcher auf dieſen Lernn aus der Cajüte kam, durchbohrten ſie mit einer Lanze: und als er hievon nicht gleich ſtarb, gaben ſie ihm noch einige Hiebe mit einem
Säbel.
Der Bootsmann wellte ſich verkriechen, ward aber aufgeſucht und M 2
erſchlagen,
92
-
Reiſe von Maſkät nach Abuſchähhr.
1765. erſchlagen, und der zweyte Steuermann bey ſeiner Zurückkunft im Boot er Febr. ſchoſſen. Die zwölf Araber waren alſo Meiſter von dem Schiffe; denn die in
“TT“diſchen Matroſen und einige armeniſche Kaufleute hatten ſich alle unten im Schiff verkrochen, und um alle dieſe bekümmerten ſie ſich nicht viel, da ſie glaubten
nichts von ihnen befürchten zu dürfen. Weil aber die Araber nicht im Stande waren, ein ſo großes Schiff zu regieren, und vorans ſahen, daß man es ihnen doch nicht laſſen würde, wenn ſie es auch irgendwo ſicher in einen Hafen bringen könnten, ſo ſuchten ſie haupt
ſächlich das baare Geld, wovon die bengalſchen Schiffe auf ihrer Rückreiſe von Basra gemeiniglich große Summen an Bord haben.
Andere koſtbare Waaren,
die keinen großen Platz einnahmen, glanbten ſie auch mitnehmen zu können.
Da
ſie von letztern keine große Kenner waren, ſo riefen ſie einen armeniſchen Kaufmann, der ihnen bey der Wahl derſelben behülflich ſeyn ſollte. Mit dieſem aber ver uneinigten ſie ſich, und erſchlugen ihn gleichfals. Hierauf packten die Räuber alles was ſie wegbringen konnten, in ein Boot, und verließen das Schiff, um nach dem feſten Lande zu entfliehen. Die Leute welche Waſſer geholt hatten, und in deren Boot der eine Steuer
mann erſchoſſen war, waren wieder nach Käs, zurück gegangen, und der Schech von dieſer Inſel hatte nicht ſo bald von einem Aufſtand auf dem Schiffe gehört, als er ein ſtark bemanntes Fahrzeug dahin abſchickte. Dieß verfolgte erſt die
Räuber, die ſie von Bord abgehen ſahen.
Als dieſe merkten, daß ſie nicht
entfliehen konnten, wollten ſie wieder nach dem Schiffe zurück kehren; der Spa nier aber kam auf den Einfall, eine Canone abzufeuern. Hiedurch ließen die Araber ſich abſchrecken, und hielten es für beſſer ſich ihren Landsleuten zu erge ben. Der Schech zu Käs nahm hierauf alles, nicht allein das, was er bey den Räubern im Boote, ſondern auch das was er im Schiffe fand, in Verwah rung. Sein Herr, der Schech zu Tſarek verlangte bald Rechnung, und ließ ſich alles was jener nicht verbergen konnte, ausliefern. Auch der behielt die Beute nicht allein, ſondern muſte ſie wieder mit ſeinen Nachbarn, dem Herrn
vom Ormus, und Naſſer Khän, jezigem Herrn von Lariſiän theilen, wenn er mit ſelbigen deswegen nicht Krieg haben wollte. Kurz alle Baarſchaften und Güter,
Reiſe von Maſkät nach Abuſchähhr.
93
Güter, die in dieſem Schiffe geweſen waren, wurden unter den kleinen unab- 1 765. hängigen Herrn auf dieſer Küſte ſo vertheilt, daß die Eigenthümer davon wahr- TOT ſcheinlich niemals etwas wieder erhalten haben.
Febr.
Anmerkungen zu Abuſchähhr, Schiras und Perſepolis.
Auss, oder wie die Engländer dieſe Stadt nennen,
Buſcheer, war bey den Auswärtigen nur wenig bekannt, bis Nadir Schähes ſich in den Kopf ſetzte auch zur See Eroberungen zu machen. Dieſer ließ hier einige Schiffe bauen, und kaufte darzu noch ſo viele von fremden Nationen, daß er eine Flotte
von 22 bis 25 Schiffen zuſammen brachte, die ſich zu Abuſchähhr verſammle ten.
Dadurch kam die Stadt ſehr in Aufnahme.
Jezt iſt ſie gleichſam der
Hafen von Schiräs, und von allen Städten auf dieſer Küſte auch noch dem jezigen Wekil oder Statthalter von Perſien am meiſten unterwürfig. Indeß
hat der Wekil kein einziges Schiff.
Der Schech von Abuſchähhr aber, welcher
nicht nur einen anſehnlichen Diſtrikt in Kermaſtr beſitzt, ſondern auch Herr von Bahhrein iſt, (Beſchreibung von Arabien S. 3 15. 33 1.) hat noch ein großes Schiff, und verſchiedene kleine Kriegsſchiffe die man Galwetten (ar.Kalbet) nennt.
Auf der Tabelle XVI. ſieht man die Lage von Abuſchähhr und der umlie genden Gegend, doch nicht von mir ſelbſt entworfen, ſondern nach der Zeichnung eines Engländers verkleinert. Die Stadt hat die Figur eines Dreyecks, wovon zwey Seiten an der See liegen. Die dritte iſt durch eine ſchlechte Mauer mit
einigen Thürmen befeſtigt: und weil bey einer hohen Fluth auch hier das Land bis weilen mit Waſſer bedeckt wird, ſo kann man von ihr, wie von Loheia in Jemen
(erſter Band S. 3 o5.) ſagen, daß ſie bald auf dem feſten Lande, und bald auf einer Inſel liege. Ihre Polhöhe iſt nach meinen Beobachtungen 28.59 . und die Magnetnadel weicht hier 7“. 3 o^. nach Weſten ab. Ebbe und Fluth iſt bey dieſer Stadt wegen der vielen in der Nähe liegenden Inſeln und Sand M 3 bänke, -
Anmerkungen zu Abuſchähhr.
94
1765. bänke, nicht ſehr regelmäßig.
Man ſagte, daß das Waſſer oft 9 Stunden
Febr. ſteige, und dann wieder in 3 Stunden falle.
Im Sommer ſoll es des Tages
“TT höher ſteigen, als des Nachts, im Winter aber des Nachts höher als am Tage. Die Veränderung zwiſchen dem niedrigſten und höchſten Waſſer ſoll ſelten größer ſeyn als 6 Fuß. Ich konnte darüber weiter keine Beobachtungen anſtellen, als am 1oten Februar da es des Vormittags um 11 Uhr anfing zu fallen. Im Som mer iſt es hier ſehr heiß. Im Winter aber fehlt es in dieſer Gegend nicht an
Regen, wie ſchon auf der Reiſe von Maſkát nach Abuſchähhr bemerkt worden. Während meines kurzen Aufeuthalts in dieſer Stadt hatten wir am 4., 5., und 6ten Februar beſtändig dunkle Luft, und viel Regenwetter, und am 7ten ein ſtarkes Gewitter mit Hagel. Die Berge, welche wir in einer Entfernung von 7 bis 8 Meilen ſahen, waren ganz mit Schnee bedeckt. Vor den innerlichen Unruhen in Perſien reſidirte immer ein Rathsherr von
Bombay zu Isfahän, und zu Kermän und Gambrön (Bender Abbas) welches letztere zu der Zeit der vornehmſte Hafen in Perſien war, wohnten engliſche Kaufleute. In allen dieſen Städten fand man auch Kaufleute von den hollän diſchen und franzöſiſchen Handlungsgeſellſchaften. Letztere haben Perſien gänzlich
verlaſſen, und von den Engländern wohnt uur ein Kaufmann zu Abuſchähhr. Zu meiner Zeit war hier Herr Jervis, ein Mann der ſich in ſeiner Ingend den Wiſſenſchaften gewidmet hatte, und auch noch die Stunden, welche ihm von ſeinen Handlungsgeſchäften übrig blieben, ſehr wohl anwandte.
Er redete
nicht nur die perſiſche Sprache, ſondern hatte es darin auch ſchon ziemlich weit im Leſen und Schreiben gebracht. -
-
-
Er ſammlete zugleich perſiſche Handſchriften.*) Ich
*) Ich fand unter ſelbigen WTadir Schähs Leben, von ſeinem Geheim- Secretair Mohant uned Mahädi ZÄhän, ein Werk das erſt vor 8 Jahren aus des Verfaſſers Händen gekommen, und daher ſelbſt in Perſien noch ſehr ſelten und koſtbar war. Denn ein vornehmer Herr, der ein ſeltenes Werk beſitzt, leihet es nicht gern aus, theils aus Eitelkeit, um das, was ihm viel Geld gekoſtet hat, nicht algemein zu umachen, theils auch damit das Eremplar beym Abſchreiben nicht beſchmutzt werde: und wenn es nur
in den Händen einiger weniger Schreiber iſt, ſo wiſſen auch dieſe einen Preis darauf zuſetzen, weil ſie ſür die Abſchriften von ſolchen Büchern, die jeder anderer Schrei ber
Anmerkungen zu Abuſchähhr.
95
Ich zweifle daher nicht, die Wiſſenſchaften werden von ſeinem Aufenthalt in 1755. Perſien Nutzen haben, wenn er wieder nach Europa zurück kommen ſollte. Der Febr. Q-N Schreiber bey der hieſigen Faktorey war ein Sohn des geſchickten Steinſchneiders Natter, deſſen Name in ganz Europa bekannt iſt. Dann waren hier noch zwey.
Mönche, wovon der eine ſich Biſchoff von Isfahän nannte.
Sonſt habe ich
zu Abuſchähhr keinen Europäer angetroffen. Die Engländer ſchicken viel europäiſches Lacken nach dieſem Hafen, und ſonſt auch viele indiſche Waaren von Surät und Bengalen. Die Artikel, -
-
welche von hier ausgeführt werden, ſind vornemlich: Seideneſtoffen von Jezd und Kaſchän, rohe Seide aus Ghilän, Teppiche, (die koſtbarſten kommen von Isfahän) feine Wolle oder Ziegenhaar aus Kermän*), Rhabarber aus Usbeck, und andere Arzneywaaren aus Perſien. Ferner Baumwolle, aller hand ſchöne Früchte aus der bergigten Gegend, Roſenwaſſer, und eine große
Menge Wein von Schiräs.
Um verſchiedene dieſer Artikel bekümmert die eng
liſche oſtindiſche Handlungsgeſellſchaft ſich nicht.
Sie ſind ein Theil des Privat
handels des Herrn Jervis, der bloß ſeiner eigenen Geſchäfte wegen einen jun
gen Kaufmann zu Schiräs hält.
Auch gehen von Perſien Pferde und Mauleſel
nach Oſtindien. Mir Mahenna, deſſen ſchon S. 3 1 6 – 3 18. der Beſchreibung von
Arabien erwähnt worden, lebte ſeit einiger Zeit öffentlich in einem Kriege mit Kerim
-
T
ber liefern kann, gemeiniglich ſehr mäßig bezahlt werden. Man redete von der Zu verläſſigkeit des erwähnten Werks ſo viel, daß ich mich nachher zu Schiräs auch be mühete, davon eine Abſchrift für die Königliche Bibliothek zu erhalten- Dieß iſt das Original von der Hiſtoire de Nadir Scháh welche Herr Jones 177o ins Franzöſiſche überſetzt hat, und wovon 1773 wieder eine deutſche Ueberſetzung unter dem Titel: Ge
ſchichte des WTadtr Schäh, in Greiffswalde gedruckt worden iſt. *) Man bringt auch eine beſondere Art großer Katzen mit ſehr langen Haaren, als eine Selten
heit aus Kermän nach Abuſchähhr.
Ich habe eben ſolche Katzen zu Conſtantinopel
geſehen, die man von Angora erhalten hatte. Man will bemerkt haben, daß dieſe Art Katzen ſich nirgend anders fortpflanzen, als nur in ſolchen Gegenden, wo die Zie gen mit der bekannten feinen Wolle, die wir Kameelhaar zu nennen pflegen, zu
hauſe ſind.
96
Anmerkungen
zu Abuſchähhr.
1765. Kerim Khän, dem Statthalter von Perſien, und alſo auch mit dem Schech Fehr von Abuſchhhr, der ſich des letztern Vaſallen nennt. Er hatte die Karwanen
“TT zwiſchen Abuſchähhr und Schiräs ſchon einigemal beunruhigt, und dadurch die Handlung zwiſchen dieſen beyden Städten ziemlich unterbrochen. Er hatte neulich ſogar dicht bey Abuſchähhr vieles Vieh weggetrieben. Jezt aber ſtand eine kleine Armee des Kerim Khän, die Mir Mahenna in ſeiner Hauptſtadt Ben
derrigk angreifen ſollte, zu Kormudſch, und die Reiſenden, welche nur dieſen Umweg nehmen wollten, hatten eben nicht viel zu fürchten. Beyde ſuchten die Freundſchaft der Engländer. Kertm Khän nemlich verlangte, daß ſie ge meinſchaftlich mit dem Schech von Abuſchähhr, den Mir Mahenna in ſeiner Reſidenz zur See angreifen ſollten, wenn ſeine Truppen ein gleiches von der Landſeite unternehmen würden. Mir Mahenna hergegen wünſchte, daß die Engländer, anſtatt zu Abuſhähhr, ſich zu Ben errigk niederlaſſen ſollten: und da er hierzu nicht große Hofnung haben konnte, daß ſie dem Schech von Abu ſchähhr jezt gar nicht beyſtehen, ſondern ihn mit ſeinen Reichthümern zur See
entwiſchen laſſen möchten, wenn er nicht im Stande ſeyn ſollte der Landmacht des Kerim Khäns zu wiederſtehen. Herr Jervis ſuchte beyde Partheyen mit guten Worten hinzuhalten, um unterdeſſen ſeine eigene und der Oſtindiſchenge
ſellſchafts Handlung deſto ſicherer zu treiben.
Er ſchickte bald nach meiner An
kunft eine große Menge Waaren über Kornnudſch nach Schiräs. Bey dieſer Gelegenheit verſammleten ſich noch verſchiedene Reiſende, theils kleine Kaufleute, theilsarme armeniſche Familien, die Perſien wegen der innerlichen Unruhen verlaſſen hatten, jezt aber nach ihrem Vaterlande wieder zurück kehren wollten.
Hiedurch entſtand eine ziemliche Kafle (Karwane).
Wie ſehr ich alſo auch
Urſache hatte zu eilen, um bald nach Europa zurück zu kommen, ſo wollte ich doch eine ſo ſchöne Gelegenheit nach Schiräs und den berühmten Ruinen von
Perſepolis zu kommen, welche nur zwey kleine Tagereiſe von der erwähnten Stadt entfernt ſind, nicht vorbey gehen laſſen, ſondern entſchloß mich am 15ten Februar mit der Kaffe landwärts zu reiſen. Ich behielt meine von Indien mitgebrachte europäiſche Kleidung noch auf der Reiſe nach Perſepolis, fand aber auch alle Un bequemlichkeiten die mit kurzen und engen Kleidern auf Reiſen mit Kerwanen verknüpft
-
Abu ſchä
Tab. XVI.
4.
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs. verknüpft ſind.
97
An dieſem Tage kamen wir nur bis Tänkeſir.
Hin und wieder. 1765.
ſahen wir Dattelgärten; die Dörfer bey denſelben aber waren entweder ganz oder Febr.
zum theil zerſtöhrt, und das Land wenig bebaut, ob es gleich von Natur ziem-'TT“ lich fruchtbar zu ſeyn ſcheint.
Auch fand ich in Kermaſir Weinreben, die ich
in dieſem heiſſen Lande nicht vermuthete.
Sie ſtanden in einem ganz felſigten
Boden, und gleichſam in Brunnen 6 bis 10 Fuß tief.
Die öberſten Aſte la
gen auf Steinen um der Grube. Damit die Trauben nicht durch Feuchtigkeit verdorben werden, ſo hat man ſorgfältig Rinnen gemacht, in welchen das Re genwaſſer zu dem Stamm geleitet wird. -
In unſerer ganzen Kafle war kein einziges Kameel.
*
Die meiſten Waa
ren wurden auf Eſeln fortgebracht. Einige Kaufleute hatten Pferde beladen, und diejenigen, welche nur einigermaßen bezahlen konnten, ritten auch zu Pferde; andere auf Eſeln, und die übrigen gingen zu Fuß. Unter meinen Reiſegefähr ten war ein armeniſcher Kaufmann, der in Perſien gebohren war, ſich aber ei nige Jahre in Italien aufgehalten hatte, und ſich deswegen europäiſch kleidete um für einen Europäer angeſehen zu werden. Die Geſellſchaft dieſes Mannes war mir ſehr nützlich und angenehm; denn er war bey den Perſern oft mein Dolmet
ſcher. ten.
Sonſt traf ich in unſerer Kaſſe noch einige wenige an, die arabiſch rede Mit den übrigen konnte ich gar nicht ſprechen.
Kurz vor unſerer Ankunft zu Tänkeſtr hörten wir verſchiedene Canonenſchüſſe, Trommeln, Schalmeyen und ein großes Freudengeſchrey.
Einige von meinen
Reiſegefährten waren der Meymung, daß ein Detachement aus dem Lager bey Kormudſch in dieſem Dorfe angekommen wäre: andere fürchteten, daß wir die Truppen des Mir Mahenna antreffen würden. Ich war dabey ganz ruhig, ohn
geachtet ich nicht einmal einen Paß hatte. Ich nannte mich einen Engländer, und zweifle nicht daß dieſer Name mich der vorher erwähnten Urſache wegen ge ſchützt haben würde, wenn ich auch Mir Mahenna ſelbſt angetroffen hätte. Bey unſerer Ankunft zu Tänkeſir hörten wir, daß der nach Kormudſch gekom mene Khän ein Ehrenkleid an den hieſigen Reis (ein Oberhaupt von einem kleinen Diſtrikt, ar. Schech) geſandt hätte, und daß dieß durch die erwähnte Freudenbezeugung bekannt gemacht wäre. II. Theil. N Wir
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
98 1 765.
Wir lagerten hier bey einer Feſtung, die erſt vor wenigen Jahren aufge
Febr. worffen worden war, damit die Einwohner ihr Vieh und andere Sachen bey
"TT"einem plözlichen Überfall von einem Rebellen in Sicherheit bringen könnten. Die Figur derſelben iſt ein Viereck, wovon jede Seite etwa 1 6o doppelte Schritte lang iſt. Auf jeder Ecke iſt etwas aufgemauert, das einen runden Thurm, oder eine Baſtey vorſtellen ſoll, und überdieß ſind noch an jeder Seite zwey ſolche Thürme. Alles iſt von ungebrannten Ziegelſteinen. In dieſer Mauer, oder vielmehr in dieſem Wall iſt ein Thor und zwey Pforten.
Letztere
Die Feſtung ſind ſo klein, daß man nicht aufrecht hindurch gehen kann. iſt auch mit einem 6 Fuß breiten Graben umgeben, der aber an vielen Stellen wieder angefüllt iſt.
Vor dem Thor liegen zwey alte eiſerne Canonen, aufzer
brochenen Lavetten. Weder in noch außer der Feſtung habe ich ein Haus von Steinen, oder nur mit Mauern von Erde geſehen, ſondern der Reis wohnt, ſo wie ſeine Unterthanen, in kleinen Hütten, die mit Matten bedeckt ſind. In deß glaubt er Herr in ſeinem Gebiete zu ſeyn. Bevor die Armee nach Kor
mudſch kam, zwang er die vorbeykommende Kaufleute eine Bedeckung von ihm zu nehmen, und ließ ſich dafür gut bezahlen. In der folgenden Nacht zog eine ganze Heerde wilder Schweine unſer La
gernahe vorbey. Aber kein Chriſt in unſerer Karwane wollte ſich die Mühe ge ben eins davon zu ſchießen, weil er es doch nicht hätte ins Lager bringen können, ohne ſich der Verachtung der Mohammedaner auszuſetzen. Die Perſer ſind übrigens viel höflicher gegen Fremde, als die Türken und Araber, und man hat ſie in dieſer Abſicht ganz richtig die Franzoſen des Orients genannt. Wenn andere Reiſebeſchreiber ſie als betrügeriſch im Handel, und als eine Nation
beſchreiben, der man auf ihr Wort nicht viel glauben muß, ſo können ſie auch darin Recht haben. Indeß glaube ich, daß ein Europäer, der kein Kaufmann iſt, mit mehrerm Vergnügen unter Perſern, als unter Türken oder Arabern Das unangenehmſte iſt, daß die Perſer mit keinem indiſchen reiſen werde.
Heiden, keinem Feueranbeter, keinem Chriſten oder Juden, ja nicht einmal mit einem Mohammedaner von einer andern Sekte eſſen oder trinken wollen, ſondern
alle für unrein halten. Die Sunniten machen ſich deswegen keine große Bedenklich keit,
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
99
keit, wenn man ihnen nur nicht zumuthen will, daß ſie verbothene Speiſen 1755. mit uns eſſen ſollen.
Febr.
Am 16ten muſten wir den ganzen Tag zu Tänkeſir bleiben, weil derjenige, TT“ dem die meiſten Laſtthiere in unſrer Kafle gehörten, und der alſo als unſer Kar wanbaſchi angeſehen ward, erſt heute von Abuſchähhr abreiſete. Ich erhielt dadurch Gelegenheit hier die Polhöhe zu nehmen: und da wir immer nur ſehr kleine Tagereiſen machten, ſo bekam ich auf dieſer Reiſe überhaupt ſo viele aſtro nomiſche Beobachtungen, als ſonſt in keiner andern Gegend. Die Entfernung der Dörfer habe ich hier eben ſo ſorgfältig aufgezeichnet, als auf meinen Reiſen in Arabien. Ich halte es aber für überflüſſig, dieß jedesmal weitläuftig an
zuführen.
Auf der Tabelle XVII. habe ich eine Reiſecharte entworffen, worauf
man die ganze Reiſe von Abuſchähhr bis Perſepolis mit einem Blick über ſehen kann. Am 17ten, des Morgens frühe, ſetzten wir unſere Reiſe weiter fort. Wir ſahen auch Heute hin und wieder Dattelbäume, aber bey den wenigſten nur ſchlechte Hütten. Die Ebenen, wodurch wir kamen, nannte man Utta und
Daſti; die Reihe Hügel an der Weſtſeite des Weges Dräſi, und die hohen Berge nach Oſten Ahhram. Es iſt bekannt, daß viele Turkmannen und Kurden mit ihren Heerden gegen eine kleine Abgabe in Perſien herumziehen. Heute trafen wir einen turk manniſchen Schäfer an, der die türkiſche Flöte bließ, welche auf der 26ſten Ta belle des erſten Bandes bey L. abgebildet iſt. Selbige war von Rohr, über 2 Fuß languud hatte 5 Löcher, alle auf einer Seite. Mein vorher erwähnter Reiſegefährte, der zu Basra türkiſch gelernt hatte, wo das Arabiſche die Lan
desſprache, das Türkiſche aber gleichſam die Hofſprache iſt, konnte dieſen und andere Schäfer von dieſer Nation, die wir auf unſerer Reiſe antrafen, kaum verſtehen. Hierüber wird man ſich auch nicht ſehr wundern, da man in allem weit ausgebreiteten Sprachen ſehr verſchiedene Mundarten antrift.
Weil ich dieſen Abend meinen Bedienten ausgeſandt hatte um Futter für mein Pferd zu kaufen, ſo muſte ich ſelbſt Koch ſeyn, und hiebey bemerkte ich einen Aberglauben der Armener, woran ich noch gar nicht gedacht hatte. Als N 2
ich
IOO
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
1765. ich ein Huhn ſchlachten wollte, hatte ich das Geſicht von ohngeſehr nach Weſten Febr. gekehrt. Gleich kamen einige Armener, und erinnerten mich, daß ein Chriſt
“TT ſein Angeſicht eben ſowohl gegen Oſten kehren müſſe, wenn er ein Huhn ſchlach
-
ten, als wenn er beten wolle; andere meynten, ich kehrte das Geſicht nach Mekke, damit auch mein Bedienter, der ein Mohammedaner war, von dem Huhn eſſen könnte. Da ich alſo merkte, daß man daraus, wie ich einem Huhn den Kopf abſchnitt, meine Religion beurtheilen wollte, ſo gab ich mich mit die ſem Geſchäfte nachher lieber gar nicht mehr ab. Am 18ten reiſeten wir beſtändig auf einer Ebene, 5 Stundenweges
bis Kormudſch.
Wir paſſirten auf demſelben einen Meerbuſen, der von Abu
ſchähhr landwärts eingeht, hier ſchon das Anſehen eines Fluſſes hat, der ſich hernach weiter nach Süden wendet, und ſich endlich wieder in den perſiſchen
Meerbuſen ergießt.
Ein großer Theil von Kermaſtr iſt alſo eigentlich eine In
ſel. Dieß wird aber dereinſt wohl feſtes Land werden, vornemlich wenn der Meerbuſen an mehrern Stellen ſo ſchmal und ſeichte iſt, als in dieſer Gegend. Das Land nahe an dieſem Fluß oder Meerbuſen, ſo weit es noch bisweilen vom Seewaſſer überſchwemmt wird, iſt unfruchtbar. In einiger Entfernung von
demſelben aber findet man vortreffliches Erdreich, allein auch hier liegt das meiſte unbebaut, weil es an Einwohnern fehlt.
Kormudſch Zy-Rey” liegt an der bergigten Gegend in einer fruchtbaren Ebene, und iſt die Reſidenz eines Emirs von einem anſehnlichen Diſtrikt.
So
wie Kerim Khän ſich von den verſchiedenen Provinzen dieſes Königreichs nach und nach Meiſter machte, ſo nöthigte er auch die Häupter von den Familien, die als erbliche oder gar als unabhängige Herren angeſehen ſeyn wollten, in der Stadt Schiräs zu wohnen, oder Dienſte bey ſeiner Armee zu nehmen. Alles unter dem Vorwand, daß er ſie in der Nähe haben wollte, wenn er ihres Raths be dürſte oder wenn ſie gute Soldaten waren, daß ſie ihm behülflich ſeyn ſollten, die Ruhe von Perſien wieder herzuſtellen. Die eigentliche Abſicht des Wekels aber war, alle dieſe kleine Herren unter Aufſicht zu haben, damit ſie nicht Luſt bekommen möchten, ſich aufs neue zu empören. Unter dieſen war auch der
Herr von dem Gebiete Kormudſch.
Dieſer übergab die Regierung wäh Tend
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
IOI
rend ſeiner Abweſenheit an ſeinen Oheim, einen Mann auf den er ſich verlaſſen 176 $. konnte. Sein Bruder, Emir Jafär aber ließ ihm bald nachher die Augen Febr.
ausbrennen, und machte ſich ſelbſt zum Statthalter, in der Hofnung daß ſein TT“ Bruder gar nicht wieder zurück kommen würde.
Jezt, da Kerim Khän eine
Armee nach dieſer Gegend ſandte, vermutete Emir Jafär, der, außer daß er ſeinem Oheim des Geſichts beraubt, noch andere Grauſamkeiten ausgeübt hatte, nicht viel gutes. Man ſagte Emir Kuneh Khän, der Sardar oder comman dirender General, hätte Befehl gehabt, ihm ein Ehrenkleid als ein Zeichen daß er die Regierung noch ferner behalten ſollte, zu überreichen. Emir Jafar aber, der vielleicht vom Gegentheil überführt war, machte ſich bereit, einen Feind zu empfangen. Er beſetzte einen engen Paß in der bergigten Gegend, wo die Armee paſſiren ſollte, war aber viel zu ſchwach als daß er großen Schaden hätte thun können. Hierauf ſuchte er ſeine Sicherheit auf den umliegenden Ber gen, wo er nach einigen Tagen mit ſeinen Gefährten erwiſcht, und als ein Ge
fangener vor den Sardär gebracht ward, der ihn nach Schiräs ſandte.
Hier
ſollte Emir Jafar einen Hügel in der Stadt nach einem gewiſſen Platz außer dem Thore tragen. *) Da nun der kleine Haufen dieſer Rebellen, entweder ge fangen oder gänzlich zerſtreut, und die Hauptabſicht dieſes Feldzuges war um Mir Mahenna zum Gehorſam zu bringen, ſo ſollte man glauben, der Sardär
würde dies Gebiet, das Kerim Kähn nun wieder völlig unterwürffig war, ge ſchont haben, und gerade nach Benderrighk gegangen ſeyn. Allein dieß wäre nicht nach der jezigen Manier der Perſer, Krieg zu führen. Emir Kuneh Khän war nicht ſo bald zu Kormudſch angekommen, als er alle Einwohner in die Feſtung bringen, ihre Häuſer niederreiſſen, und ihre Hütten aufbrennen ließ.
Nur die
Mosqué und das Begräbniß eines Imäms (vermeynten Heiligen) blieben verſchont. N 3
In
*) Dieß Urtheil wird man in Europa für einen Herrn von ſo vornehmer Geburt, als Emkr
Jafar war, ſehr hart finden.
Es iſt aber einem Kerim Khän vollkommen anſtän und es ſeine Feinde gerne empfinden läßt, daß ihre Arme und Rücken zu ſchwach ſind, die Strafe dig, der ſich ſehr viel auf ſeine außerordentliche Leibeskräfte einbildet ,
auszuſtehen, die er ihnen auſlegen kann.
IO2
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
In dieſem kläglichen Zuſtande fanden wir die Einwohner dieſes Orts, der Febr. noch vor wenigen Wochen eine artige kleine Stadt geweſen war. Ich nahm «-V-/ gleich Beſitz von einem der zum Theil niedergeriſſenen Häuſer des Emir Jafar, in welchem noch ein paar Zimmer waren, worinn man trocken liegen konnte. Dieß kam mir ſehr wohl zu ſtatten. Ich hatte geglaubt Perſien eben ſo ſtark bewohnt zu finden als Jemen, wo wir alle Nacht unter Dach ſchlafen konnten. Da ich kurz vor der Abreiſe von Abuſchähhr hörte, daß keiner von den Reiſenden (die freylich gröſtentheils arme Leute waren) ein Zelt mit nehmen würde, und ich eben nicht Luſt hatte, hier einen großen Herrn vorzuſtellen, welches in dieſen Ländern 1 765.
nicht nur viel koſtet, ſondern auch noch ſonſt große Unbequemlichkeiten hat, ſo hatte ich mein Zelt zurück gelaſſen. Ich muſte aber dafür leiden; denn wir hatten ſehr viel Regenwetter, und muſten faſt beſtändig unter freyem Him mel ſchlafen. Die Feſtung zu Kormudſch war nicht viel beſſer als die zu Tankeſir. Nur ſah man answärts in der Mauer hin und wieder Kieſel- oder gebrannte Steine. Die Mauern des Hauſes, welches ich bewohnte, waren gleichfalls nur von un
gebrannten Ziegelſteinen aufgeführt, und hin und wieder mit Kieſel- oder ge brannten Steinen untermiſcht worden. Der Graben um die Feſtung war trocken, wie der zu Tankeſtr, aber tiefer und etwa 1 o Fuß breit. Da wo die Hütten der armen Einwohner abgebrannt waren, ſah man viele tiefe Löcher, aus welchen der Sardär Korn und was ſonſt darinn verwahrt geweſen war, hatte holen laſſen. Der perſiſche General hatte ſich dicht bey der Feſtung ſo verſchanzt, als
wenn er ſeinen Feind in der Nähe hätte.
Er hatte rund um ſein Lager einen
Graben gezogen, und von der Erde aus demſelben, von Steinen und einer großen Menge Dattelbäume, die er zum großen Schaden der Einwohner hatte
umhauen laſſen, einen Wall 5 Fuß hoch aufgeführt.
Die Armee, welche
hier verſammlet war, ſollte aus 4ooo Mann Reuterey und 2ooo Mann Fuß
volk beſtehen; ein Georgier aber wollte mich im Vertrauen verſichern, daß von erſtern nicht über 1 1 oo, und von letztern nur 5 oo Mann zum Fechten tüchtig wären. Hier war nicht die geringſte Ordnung. Jeder hatte ſein Zelt aufge ſchlagen, oder ſeine Hütte gebaut, wo es ihm am beſten gefiel, und ſein Pferd angebun
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs. angebunden, wo er es für gut befunden.
IO3
Die perſiſchen Pferde ſind ſchön. 1765.
Die Reuter haben Carbiner und Piſtolen (von letztern tragen ſie gemeiniglich Febr. die eine vorne, und die andere hinten im Gürtel) mit Schlöſſern; die Fußvöl- TT“ ker aber Flinten mit Lunten.
Statt daß ein Chriſt bey den Türken nicht ein
mal gemeiner Janitſchar werden kann, ſo wird bey der perſiſchen Armee kein Unterſchied zwiſchen einem rechtſchaffenen Chriſten und Mohammedaner gemacht. Ich traf bey dieſer kleinen Armee verſchiedene Officiers und Unterofficiers an, die Georgier und Chriſten waren. Alle dieſe Leute waren ſchön gewachſen. Anſtatt daß die Armener und Griechen, beſonders letztere, in Gegenwart der Osmanli ſehr kriechend zu ſeyn pflegen, ſo fand ich hingegen in dem Betragen dieſer Georgier etwas ſtolzes, das ihnen ſehr gut lies. Auch hatten ſie die ſchönſten damascir
ten Flinten, Piſtolen und Säbel.
An der Kleidung konnte man ſie gar nicht
von Mohammedanern unterſcheiden. Die Perſer theilen ihre Armee noch eben ſo ein, wie in den älteſten Zei
ten, und benennen ihre Befehlshaber nach der Anzahl der Soldaten, welche unter ihnen ſtehen. Indeß würde man ſich ſehr irren, wenn man aus der Zahl der Officiers, die Größe der Armee des Kerim Khäns beurtheilen wollte; denu ich habe einige gekannt, die ihrem Namen nach über 1 oo zu befehlen haben ſoll
ten, aber nur eine Compagnie von 50 bis 6o Mann hatten. Dagbaſchi iſt bey ihnen einer der über zehn, Panſcha baſchi einer der über funfzig, Usba ſchi einer der über Hundert, Panſad baſchi, einer der über fünf Hundert, und Mim baſchi einer der über tauſend Mann zu befehlen hat. Die Mim
baſchis ſtehen wiederum unter dem Befehl eines Sultäns, ſo wie dieſe unter dem Befehl eines Khäns. Es iſt bekannt daß die Tartaren ihren Regenten Khän und die Türken den ihrigen Sultän nennen. Es ſcheint daher, daß die ſtolzen perſiſchen Regenten, die ſich ſelbſt Schah und gar Padi ſchah nannten, ihren hohen Bedienten die Ehrentitel Khän und Sultän beygelegt haben, um ſich ſelbſt, die nun über eine Menge Khäns und Sultäns zu befehlen hatten,
in den Augen ihrer Unterthanen deſtomehr zu erheben. Als ich vor dem Zelt des Emir Kuneh Khän vorbey ging, ward ich hineingerufen, und zum Sißen genöthigt. Hier ſaß der Sardar auf prächti gen
IO4
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
1765. gen Teppichen, womit das ganze Zelt überlegt war, ich fand aber keine
Polſter,
Febr- wie auf den türkiſchen Sofäs." Vor dem Zelte ſtand eine große Menge Be
“TT diente, und unter dieſen auch die Scharfrichter.
Alle hatten die Hände ſehr demüthig vor dem Leibe übereinandergelegt, und alle Officiers, ſowohl Sultäns und Khäns als die geringern, bückten ſich beym Kommen und Weggehen mit niederhangenden Armen ſo tief vor ihrem Sardär, daß ſie faſt die Füße mit
den Händen berührten.
Die Officiers, welche ich hier verſammlet fand, rede
ten Türkiſch und Perſiſch, aber keiner Arabiſch.
Dicht bey dem Sardär aber
ſaß ein Geiſtlicher, der gut arabiſch redete, und alſo mein Dollmetſcher ſeyn konnte.
Es war ſchon im Lager bekannt worden, daß ich ein Inſtrument
hätte, womit ich des Tages die Sonne, und des Nachts die Sterne beobachtete. Emir Kuneh Khän verlangte daß ich ihm ſelbiges zeigen möchte.
Ich vermu
thete daß auch er, ſo wie der Paſcha zu Dsjidda (erſter Band S. 274.) einige Kenntniß von der Aſtronomie hätte; allein dieſe Wiſſenſchaft war ſowohl
ihm als ſeinem Mullah gänzlich unbekannt. Ich ließ des Nachmittags meinen Duadranten ins Lager tragen, aber der Sardär erſparte mir die Mühe ihn auf zuſtellen. Er war ſchon zufrieden da er nur den Fuß des Inſtruments, deſſen eiſerne Stange er für ein Fernglas hielt, in der Ferne ſah.
Ich ward indeſſen
beydemal mit Caſſe und Früchten bewirthet, und der Sardär that an mich viele Fragen wegen Hedsjäs und Jemen, und beſonders wegen des Zuſtandes der Engländer in Oſtindien.
"
.
Am 19ten des Abends ſtarb ganz plöglich ein Eſeltreiber von unſerer Kafe.
Sein Bruder bezeigte darüber ſeine Betrübniß durch ein entſetzliches
Schreyen und Heulen, bis ſpät in die Nacht. Er ſchlug ſich bald auf den Kopf, bald auf die Bruſt, bald auf die Beine, und that überhaupt ſo kläglich daß
ich ihn bedauerte, daß ſein Bruder nicht in einer Stadt geſtorben war, wo er zu dieſer Ceremonie von ſeinen Anverwandten oder gemietheten Klageweibern
hätte Hülfe erhalten können.
Niemand in der Karwane ſchien Antheil an ſeiner
Betrübniß zu nehmen.
*
-
-
Am 2oſten reiſeten wir von Kormudſch bis Lauwär. - Nicht lange nach unſerer Abreiſe wurden wir von einer Wache angehalten, weil unſer Kar -
wanbäſchi
105
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs. wanbäſchi keinen Paß von dem Sardär mit genommen hatte.
Indeß koſtete uns 1765.
dieß nichts weiter, als daß wir etwa ein paar Stunden warten muſten, bis der Febr.
Paß geholt ward.
Bey dieſem Vorpoſten fand ich Araber, die Nadir Schah“TT“
mit Gewalt aus der Gegend von Bagdad weggeführt hatte, und die ſeitdem beſtän dig als Soldaten, bald bey dem einem, bald bey dem andern Khän in Perſien gedient hatten. Das Dorf Lauwär liegt auf einer fruchtbaren Ebene in der ber
gigten Gegend, und hat eine kleine Feſtung mit einem erblichen Reis, wie Tanke ſir.
Der Vater des gegenwärtigen Réis war von dem vorher erwähnten Emir
Jafär getödtet worden.
Der jezige hatte bey Kerim Khän Hülfe geſucht, um
ſeines Vaters Todt zu rächen, und verſprochen, die Armee, welche deswegen nach dieſer Gegend kommen würde, mit Lebensmitteln zu verſorgen. Jezt konnte er nicht ſo viel liefern als der Sardär verlangte, und muſte daher das übrige mit
ſeinem Rücken und ſeinen Fußſohlen in der Feſtung zu Kormudſch bezahlen. Am 2 1ſten des Morgens kamen wir nicht weit von Lauwär eine Waſſer mühle vorbey, eine Maſchine, die ich weder in Egypten noch Arabien ange troffen hatte. Das Waſſer ward auf einer Mauer 7 Fuß hoch, aus einem Berge ziemlich weit zu der Mühle geleitet, und hier war es noch ſo warm, daß
der Dampf davon in die Höhe ſtieg. *)
Nachdem wir eine halbe Stunde weiter
gereiſet waren, wunderte ich mich nicht wenig, das Waſſer wodurch die Mühle getrieben ward, auch an der andern Seite des Berges zu finden. Das von den Bergen herunterſtürzende Regenwaſſer hatte hier ein tiefes Thal gemacht, und die Ader unterbrochen, wodurch dann das Waſſer als aus einer Quelle in das Thal abgefloſſen, und die Mühle gänzlich unbrauchbar geworden war. Der Eigenthümer der Mühle war daher genöthigt worden, an der Seite dieſes Thals eine kleine Mauer aufzuführen, und auf ſelbiger ſo viel Waſſer aus einem Berge in den andern zu leiten, als er brauchte. Der Weg den es
durch den letzten Berg nimmt, iſt wenigſtens eine viertel Meile lang, und doch
war es da, wo es in den Berg hineingeleitet ward, kaum ſo warm als bey der Mühle
*) Auch bey Kormudſch ſoll eine Mühle ſeyn die von heiſſem Waſſer getrieben wird.
II. Theil.
O
IO6
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
1765. Mühle. Es muß alſo noch wohl in dem Berge einen neuen Zuſatz von Wärme Febr. erhalten. Die Berge in dieſer Gegend beſtehen aus einem ſehr weichen Felſen,
"TT"der getrockneter Thonerde nicht unähnlich ſieht. Von hier hatten wir Heute einen ſo ſchlimmen Weg, als ich ihn nirgends in Jemen angetroffen habe. Er iſt an einigen Stellen ſo ſchmal zwiſchen den
Felſen, daß kaum ein beladener Eſel durch kommen kann, und wir muſten auch einen kleinen Fluß 12 bis 16 mal durch kreuzen.
Auf dieſem rauhen und fel
ſigten Wege lag das Gerippe von vielen Pferden und Eſeln, die hier geſtürzt waren. Auch ein beladener Eſel von unſerer Kafe fiel, und zerbrach den Hals. Der Eigentümer zog ihm gleich das Fell ab, und verkaufte es in kleinen Stücken an ſeine Kammeraden, die noch dieſen Tag Schuhe davon machten. Sie ſta
chen nemlich nur Löcher am Rande des Leders, banden in ſelbigen Bindfaden, und befeſtigten es damit unter ihren Fußſohlen.
Wir lagerten nicht weit nach Oſten von Dattelgärten, bey welchen ein Dorf mit Namen Sehn geweſen war, das vor einiger Zeit von dem Reis zu Lauwär zerſtört worden. Kurz vorher haben wir geſehen, daß der Emir von Kormudſch, Lauwar, und die Armee des Kerim Khäns endlich Kormudſch zer ſtört habe. Dieß iſt noch jezt der unglückliche Zuſtand der armen Perſer, und
doch ſagte man, Kerim Khan hätte die Ruhe in dieſem Königreiche ziemlich wieder hergeſtellt. Er hat freylich keine Nebenbuhler mehr: allein der Herr von einem jeden Dorfe will hier unabhängig ſeyn. Der ſtärkere Nachbar un terdrückt den ſchwächern, und der Wekil von Perſien bekümmert ſich um dieſe kleine Kriege oft nicht eher, als bis einer ſich große Reichthümer geſammlet hat, oder ſeinen Tribut nicht mehr bezahlen will. Alsdann ſchickt er eine Armee, die noch die Städte und Dörfer, welche ihr in den Weg kommen, und vorher
uoch nicht durch kleine innerliche Kriege zerſtört ſind, gänzlich zu Grunde richtet. Solche Unruhen haben nunmehr ſchon viele Jahre in Perſien gedauert. Was Wunder alſo, daß dieß ehmals volkreiche Königreich jezt ſo von Einwohnern entblößt iſt. Die Regierung der Türken iſt nicht beſſer. Daſelbſt werden auch große Provinzen, wovon einige in den ältern Zeiten mächtige Königreiche waren,
an Paſchas verpachtet.
Dieſe verpachten die kleinern Diſtrickte wiederum an Agä5.
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs. Agäs.
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Jeder will gewinnen; der mächtigere Nachbar und Mitunterthan un- 1765.
terdrückt den ſchwächern, und weder der Sultän noch die Paſchäs ſcheinen ſich Febr.
darum zu bekümmern, wenn ſie nur die jährliche Pacht erhalten.
Bleibt aber TT“
dieſer aus, ſo überfällt der Paſchädie Agäs, oder der Sultän die Paſchäs, und
ſie beſtrafen nicht nur die Verbrecher, ſondern plündern auch die unſchuldigen Unterthanen.
Wenn nun dieſe Unglücklichen ſehen, daß ſie ihr Brod nicht
durch Fleiß und Arbeit verdienen können, ſo ſuchen ſie Kriegsdienſte bey den Großen, um auf Koſten ihrer Mitbürger zu leben; und wenn ihnen dieß nicht glücken will, ſo verſammlen ſich ganze Haufen um die Karwanen zu
plündern.
Daher fehlt es in den mohammedaniſchen Ländern nicht leicht an
Soldaten und Räubern.
Wir ſahen heute noch eine andere Plage der unglücklichen Einwohner dieſer Gegend: nemlich einen großen Zug Heuſchrecken. Es war aber nicht die Zug heuſchrecke die man ſo häufig in Arabien ſieht, und die daſelbſt gegeſſen wird. Sie hatte einen grünlichen Kopf, ſchwarze Flecken auf dem Leibe, und war dick und alſo ſchwer zum Fliegen. Auch am 22ſten hatten wir noch einen ſehr ſchlimmen Weg. Wir
paſſirten ein Dorf Kunar Bender, wovon nichts mehr übrig war, als einige Dattelbäume.
Hin und wieder ſahen wir große Todtenäcker, zerfallene Waſſer
leitungen und wüſte Felder, die, dem Anſehen nach, noch vor wenigen Jahren bebaut geweſen waren.
Wir lagerten Heute 2# Meile von unſerm vori
gen Nachtlager in einer unbebaueten Gegend, welche man Sar Mashak oder Sar Biſcha nannte. Indeß beobachtete ich auch hier die Polhöhe. Am 23ſten reiſeten wir etwa 3 deutſche Meilen nach N. N. W. da wir
hingegen vorher nach Oſten, und gemeiniglich noch etwas ſüdlich gegangen wa ren. Wir lagerten bey einem zerſtörten Dorfe Tſenir. Dies gehörte zu dem Gebiete von Bosgün, deſſen Herr die Reiſende noch vor einiger Zeit nöthigte ihm ein Wegegeld zu bezahlen. Jezt, da eine Armee in der Nähe war, durfte er dergleichen nicht verlangen. So wie wir weiter in die bergigte Gegend und alſo höher kamen, ſo fanden wir es auch immer kälter. Nach N, N. O. ſahen
Kwir Gebürge die ganz mit Schnee bedeckt waren. O 2
Amt
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
IO8
Am 24ſten kamen wir über einen hohen Berg den die Einwohner San Febr. del nennen, und lagerten bey Auis, dicht an einer Reihe hoher Berge. Hier
1765.
"TT ſind verſchiedene heiſſe Quellen, und bey einer derſelben findet man eine Kam mer zur Bequemlichkeit derer die ſich baden wollen. Am Wege ſieht man hin und wieder noch lange Reihen von Steinen, als wenn daſelbſt ſtarke Grund
mauern wären.
Sie ſind vielleicht überbleibſel von Waſſerleitungen, die in
den neuern Zeiten vernachläſſigt worden.
Auis war noch vor wenigen Monaten
ein großes Dorf, ſeitdem aber von Mir Mahenna geplündert, zerſtört, und von den Einwohnern gänzlich verlaſſen worden. Firaſchbend, ein anderes Dorf in der Nähe, ſoll auch nicht den vierten Theil Einwohner mehr haben, die es ehmals gehabt hat. Von Kunar Bender bis hier hörte ich viel von Turkmannen, die nicht weit vom Wege wohnten. Heute nahm ich einen kleinen Umweg, um eins ihrer Lager zu beſuchen. Dieſe Leute führen eben die Lebensart, wie die herum ſtreifende Araber. Auch ſind ihre Zelte eben ſo beſchaffen, wie dieſer letztern ihre, welche ich S. 61. der Beſchreibung von Arabien erwähnt habe. Ihr Reichthum beſteht in Kameelen, Pferden, Eſeln, Kühen und Schafen. Letztere ziehen ſie nicht bloß zum Nutzen, ſondern auch zur Üppigkeit der Perſer. Dieſe tragen nicht nur Mützen, ſondern auch ganze Pelze von Lämmerfellen; und weil ſie die krauſeſten und feinſten am theuerſten bezahlen, ſo ſchlachten die Turkmannen bloß dieſer Felle wegen viele trächtige Schafe, und tödten alſo die armen Lämmer auf eine grauſame weiſe ſchon eher als ſie geboren ſind. Anſtatt daß die Perſer ſowohl als die Türken und die Araber welche in Städten wohnen, ihre Weiber vor Fremden zu verbergen ſuchen, ſo ſcheueten die Weiber dieſer Turkmannen ſich eben ſo wenig uns ihr Angeſicht zu zeigen, als die Weiber der Bedouinen. Sie ſollen auch ſehr arbeitſam ſeyn. Man ſagte daß vornem
lich die Weiber der Turkmannen die kleinen Teppiche verfertigen, wovon jährlich ſo viele aus Perſien ausgeführt werden. Dieſe ſind zwar nur grob, und nicht mit den feinen perſiſchen Teppichen zu vergleichen welche in den Städten verfer
tigt werden. Indeß muß man ſich wundern, wie dieſe armen Leute die Wolle ſo ſchön färben, und mit der wenigen Bequemlichkeit die ſie haben, die Teppiche -
doch
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
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doch ſo gut machen können. Nachher ſprach ich mit einem Schäfer, der in einer 1765. herumſtreifenden Familie in der Gegend von Bagdad gebohren war, aber jezt Febr. -V
einem Turkmannen in dieſer Gegend diente. Er redete arabiſch. Ich hörte unter andern von ihm, daß ſein Herr ihm jährlich 12 Lämmer ſtatt des Lohns gäbe, und lernte alſo daraus, daß die herumſtreifenden Nationen in den Mor genländern ihren Hirten noch jezt, ſo wie ſchon in den älteſten Zeiten, einen ge wiſſen Theil ihrer Heerde geben.
Am 25ſten lagerten wir an der andern Seite von Khaniek.
Dieß Dorf
liegt in einer großen Ebene, wo wir auf unſerm Wege verſchiedene Moräſte und kleine Flüſſe, alle mit ſchlechten Waſſer antrafen. Bey demſelben liegt auch
ein kleines ſchlechtes Caſtell, das erſt, ſo wie die meiſten Feſtungen an dieſem Wege, nach Nadir Schahs Tode aufgeworfen worden iſt. Die Einwohner aber hatten beydes verlaſſen, und ſich nach einem in der Nähe liegenden Dorfe Naudjün begeben. Diodorus bemerkt, daß Semiramis in Perſien kleine Hügel habe zuſammen tragen, und ihr Zelt auf denſelben aufſchlagen laſſen, um das ganze Lager überſehen zu können. Einen ſolchen ziemlich hohen Hügel von der Figur eines abgeſchnittenen Kegels, ſieht man bey Khaniek. Er iſt aber wohl nicht ſo alt; denn auch in der europäiſchen Türkey findet man viele Hügel, die von den türkiſchen Armeen, und alſo in den neuern Zeiten zuſammen getra
gen worden ſind, um auf denſelben das Zelt des Sultäns aufzuſchlagen. Ein Schah von Perſien kann alſo in ähnlicher Abſicht dieſen Hügel haben auffüh ren laſſen.
In dieſer Gegend ſah ich auch eine Familie herumwandernder Kurden. Dieſe Nation hat ſich nicht nur weit in Perſien, ſondern auch in Meſopotamien
und Syrien ausgebreitet, und überall ihre Sprache erhalten, welche doch verſchiedene Dialekte hat, und ſchon ſehr mit dem Perſiſchen, Türkiſchen oder Arabiſchen vermiſcht iſt.
In unſerer Kaſſe waren Sunniten, Schiiten, Armener, Georgier oder Griechen, ein Catholik und einige Juden. Die beyden erſtern, als Moham medaner, faſteten ſeit dem Anfang des Ramadän.
In dieſem Monat freſſen
ſie zwar des Nachts übermäßig, wenn ſie Gelegenheit darzu haben, allein von O 3 Sonnen
IIO
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
1765. Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dürfen ſie nichts genießen, ja nicht einmal Febr. Tobak rauchen.
Ihr Faſten iſt alſo ſehr beſchwerlich.
Heute fing die große
“TT-Faſten der morgenländiſchen Chriſten an, welche während dieſer Zeit weder Fleiſch, Fiſche, Milch noch Butter eſſen dürfen. Die Armener laſſen ſogar ihre Kinder die Faſten ſo genau beobachten, daß einer es ſehr übel nahm, als ich ſeinem Sohn, einem Knaben von drey Jahren Milch zu trinken gegeben hatte. Mein
Reiſegefährte, der armeniſche Italiäner hatte als ein römiſch Catholiſcher ſchon ſeit 8 Tagen kein Fleiſch eſſen dürfen, und mit dieſem faſteten auch die Juden und ich die meiſte Zeit auf dieſer Reiſe, weil wir ſelten Fleiſch bekommen konn ten. Es faſtete alſo die ganze Reiſegeſellſchaft. Am 26ſten reiſeten wir nicht viel über zwey deutſche Meilen bis Grä. Dieß iſt ein neues Dorf an einem Orte, wo ein kleiner Fluß in einen größern fällt. Man findet bey demſelben auf zwey Inſeln, zwey Caſtelle, die kaum ſo gut als das bey Kormudſch, und auch erſt von den Einwohnern während der
innerlichen Unruhen gebaut ſind.
Von dem alten Grä, das ehmals die Reſidenz
eines Beglerbegs war, und eine halbe Stunde von hier lag, ſieht man nichts
mehr, als nur einige Überbleibſel von deſſen Caſtell. *) In dieſer Gegend ſahen wir hin und wieder gut bebauete Felder, ja ſogar
noch gemauerte Waſſerleitungen unter der Erde, wodurch die Äcker gewäſſert wurden. In den älteſten Zeiten war der Ackerbau durch ſolche, oft ſehr koſtbare Waſſerleitungen ſehr hoch gebracht. Die Mohammedaner haben ſie beybehal ten; ſo wie aber die Regierung immer mehr und mehr tyranniſch geworden, und beſonders während der letzten innerlichen Unruhen, iſt das Land ſo arm und ent völkert worden, daß man weder Leute noch Vermögen findet, um die alten Werke zu unterhalten.
Acht Stunden von Grä liegt die Stadt - 22//US= Kaſſerün.
Zwiſchen
dieſen beyden Orten iſt ein Berg Kammeritſch, bey welchem Aſſad Khän ein mal von Kerim Khan gänzlich geſchlagen worden iſt. Aun
*) Zu dem Gebiete von Grä gehören jezt noch folgende kleine Dörfer. Tſchätde, Deſchech, ZKasr Ali, Sirisgün, Jöafin, Sarekün, Zuruſchät, Bolade, Garib Abad, um ukräm Abad, zulucherd, Dahdin, Tamin, Autari, Badáſt.
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
II
Am 27ſten kamen wir über einen hohen Berg, der aber doch bey weitem 1765. nicht ſo hoch und ſteil iſt, als der Berg Sumära oder M'harras in Jemen. Febr.
Wir lagerten an der andern Seite deſſelben an einem Fluß.
In Jemen ſind die TT“
Namen der Berge und Flüſſe eben ſo bekannt, als die von Städten und Dörfern. Hier wuſte man mir den hohen Berg, und den doch ziemlich ſtarken Fluß nicht
anders zu benennen, als Mosgün, welches auch der Name eines Dorfes in dieſer Gegend ſeyn ſoll.
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-
Von dem Schnee welcher noch denſelben Tag die umherliegende Berge bedeckte, war an dem folgenden Morgen, nach einem ſtarken Regen, nichts mehr zu ſehen.
-
Am 28ſten Februar ging unſer Weg über Hügel, die mit wilden Man delbäumen und Eichen bedeckt waren. Hier hatten wir wegen des ſtarken Re gens und Hagels eine ſo ſchlechte Reiſe, daß wir nach 3 Stunden, da wir etwa
1 # deutſche Meilen zurückgelegt hatten, wieder lagerten. Ich ging gleich nach dem Dorfe Romchün, welches nicht weit von uns auf einem hohen Berge lag.
Hier miethete ich ein Haus, um den Überreſt des Tages und die folgende Nacht vor dem ungeſtümen Wetter bedeckt zu ſeyn. Ich ließ Holz bringen, und bat einige Armener dieſe Bequemlichkeit mit mir zu theilen. Bald darauf aber kam
auch eine Menge armeniſcher Weiber und Kinder.
Dieſe waren anfänglich froh,
daß ich ihnen einen Platz bey der Thüre erlaubte. Als ich aber einmal aus dem Hauſe ging, vertauſchten die Männer ihren Platz mit den Weibern, und bey
meiner Zurückunft fand ich den Harèm beym Feuer.
Alle Weiber hatten ihr
Angeſicht während der ganzen Reiſe ſorgfältig verborgen, und ſich von der Ge
ſellſchaft aller fremden Mannsperſonen entfernt.
Es würde daher unhöflich ge
weſen ſeyn, wenn ich mich hätte zu ihnen ſetzen, oder ſie gar vom Feuer vertrei ben wollen. In einer andern Ecke des Hauſes wo ich ein Feuer machen wollte,
rauchte es ſo ſtark, daß es nicht auszuſtehen war. Kein anderes Haus konnte ich bekommen. Ich muſte alſo Gedult haben, und meinen Reiſegefährtinnen ihre Kleider zuerſt trocknen laſſen, ehe ich wieder zum Feuer kommen konnte. In der Nacht muſte ich auch den Weibern und Kindern den beſten Plaß des Zim mers, oder vielmehr des Hauſes einräumen. Wir hatten einen ſtarken Sturm mit
II 2
Reiſe von Abuſchähhr nach Schiräs.
mit Hagel, Schnee und Regen.
Vor dem Gitter in den Fenſteröfnungen
waren keine Fenſterladen; das Dach war ſo ſchlecht, daß das Waſſer durchdrang; kurz, ich muſte meine Matratze von einer Stelle zur andern tragen, und konnte keinen Platz finden, wo ich trocken liegen konnte. In der Nacht entſtand noch ein neuer Lerm. Die Häuſer dieſes Dorfes liegen an einem ſteilen Berge, und ich wohnte hier in dem zweyten Stockwerk, ohne es kaum zu wiſſen. Nicht weit von mir ſtand mein Pferd im Stall. Daſelbſt zerbrach der Fußboden, und das Pferd fiel dem Wirth, welcher unter uns wohnte, ins Haus. An dem folgenden Morgen erhielten wir die Nachricht, daß ein kleiner Fluß, den wir paſſiren ſollten, in der lezten Nacht von dem ſtarken Regen ſo angewachſen war, daß wir Heute nicht weiter kommen konnten. Wir hatten auch noch ſo viel Regen
und Hagelwetter, daß ich, bey aller Unbequemlichkeit mich glücklich ſchätzte, noch 24 Stunden in dieſem Dorfe bleiben zu können. Die umherliegenden Berge waren wieder ganz mit Schnee bedeckt.
Nicht
weit von Romchin ſoll ein Berg ſeyn wo Steinſalz gehauen wird. Am 2ten März paſſirten wir einen Fluß der ſich mit verſchiedenen an März dern vereinigt, ſeinen Weg nach Grä nimmt, und ſich endlich zwiſchen Abu
1 765.
“TT-ſchähhr und Benderrigk in den perſiſchen Meerbuſen ergießt.
Nachher paſſirten
wir noch einen größern Fluß den man Rodhüna nennt, und lagerten an der
Oſtſeite deſſelben.
Dieſer ſoll ſeinen Weg nach o-/s-, Firus abäd neh
men. Zwiſchen den erwähnten beyden Flüſſen ſoll man die Dörfer Maſor, Bendu, Deſalb, Retſchi Kotali, Karabas u. a. m. fnden. In der Nacht vom 2. auf den 3ten März hatte es ſo ſtark gefroren, daß das Eis auf dem Waſſer ſo dick als der Rücken eines Meſſers war. Wir reiſe
ten Heute 3 deutſche Meilen, und lagerten bey Tſchinar Raddar, einem Zollhauſe an einem Fluß. Auf dem Wege von Aluſchähhr nach Schiräs ſind eigentlich 6 Zollſtäte. Die Europäer ſollen, nach ihren Privilegien, nicht genöthigt ſeyn auf denſelben etwas zu bezahlen. Allein die perſiſchen Zollbe dienten ſehen es eben ſo gerne, daß man ihnen ein Trinkgeld giebt wenn man auch nichts ſchuldig iſt, als die Viſitirer bey den Zöllen in Europa. Man
thut daher beſſer, wenn man ſich in dergleichen Fällen nicht allezeit auf ſein Mecht beruft.
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Anmerkungen zu Schiräs. beruft.
II 3
Die Stadt Schiräs, welche wir endlich am 4ten März erreichten, liegt 1765.
von Tſchinar Raddar nur 1 Meilen nach Oſten.
März.
Wir brauchten alſo 18 Tage um von Abuſchähhr nach Schiräs zu TT“ kommen, anſtatt daß einer dieſe Reiſe ſonſt ganz bequem in 6 Tagen machen kann. Die Urſache, warum wir ſo lange unterweges waren, war nicht bloß
das ſchlechte Wetter und der Umweg über Kormudſch, ſondern vornemlich, daß die meiſten Waaren in unſerer Kafle auf ſchlechte Eſel geladen waren, die nur kurze Tagereiſen machen konnten.
Zu Schiräs wohnte ich bey Herr Hercules, einem jungen Kaufmann von einer guten Familie aus Engeland, der
Jervis beſorgte.
Höflichkeit.
hier die Privatgeſchäfte
des Herrn
Er erwies mir, ſo wie letzterer zu Abuſchähhr, ſehr viele
Übrigens lebte er in dieſem Lande gleichſam von der Welt ganz ab
geſondert. Denn zu Schiräs war kein Europäer als er, nicht einmal ein Mönch; von den Perſern, die als Schiiten alle fremde Religionsverwandte für unrein
halten, kann ein Chriſt nicht leicht eine vertraute Freundſchaft erwarten, ob ſie
gleich übrigens ſehr höflich ſind; *) und unter den wenigen Armenern die hier wohnen, konnte Herr Hercules mit keinem Umgang haben, als mit einem Artillerie-Officier des Kerim Khäns. Der hatte als Kaufmann in Bengalen die engliſche Sprache gelernt, und war jezt ſein Dolmetſcher. Der Auf
enthalt des Herrn Hercules zu Schiräs war deswegen noch ſehr unangenehm, weil er der Vornehmen und großen Kaufleute wegen, mit denen er viele Geſchäfte hatte, ſich ein gewiſſes Anſehen geben, z. E. nicht auf der Straße als zu Pferde erſchei nen, und allezeit verſchiedene Bediente bey ſich haben muſte. In andern Städten
ging ich in der morgenländiſchen Kleidung von dem Pöbel unbemerkt überall her um, ohne mich darum zu bekümmern, ob man mich für einen Europäer oder einen morgenländiſchen Chriſten, für vornehm oder gering hielt, wenn ich nur Beob achtungen
*) Chardin, welcher viele Jahre in Perſien geweſen iſt, und die Einwohner beſſer kennen lernen konnte als andere Reiſende, die ſelten ſo viele Geſchäfte mit ihnen haben,
beſchreibt ihren Character ſehr genau. II. Theil. -
Voyages Tom. III. P. 45. ſequ. P
Anmerkungen zu Schiräs.
II4
1765. achtungen machen konnte.
Zu Schiräs ſtellte ich einen Europäer vor, und konnte
März, alſo meines Wirths wegen nicht ſo herumlaufen. Indeß machte ich hier eine mir angenehme Bekanntſchaft mit einigen vornehmen Perſern. Unter denen,
welche Herr Hercules beſuchten, war ein groſſer Kaufmann der gut arabiſch redete. Von dieſem erhielt ich verſchiedene Nachrichten, und beſonders die von den Hauptveränderungen in dieſem Konigreiche, von Nadir Schahs Tode an
bis jezt, die als ein Anhang zu der deutſchen überſetzung der Geſchichte dieſes Helden oder vielmehr Tyrannen, ſchon gedruckt ſind. *) Die Stadt j/º Schiräs liegt auf einer großen und überaus frucht baren Ebene. Sie iſt mit einer Mauer umgeben, und hat auch einen Graben. Aber die Mauer iſt ſo, wie alle neue perſiſche Feſtungen, nur von ungebrann ten Ziegelſteinen, und von Erde, und von dem Platz innerhalb derſelben iſt etwa ein drittel wieder bebaut, das übrige iſt mit Ruinen angefüllt, oder mit Korn beſäet.
Indeß ſcheint es daß Kerim Khän, der ſeine jezige Größe
vornemlich der Tapferkeit und Treue der Einwohner dieſer Provinz zu danken hat, ſich Mühe gebe, vorzüglich dieſe Stadt wieder empor zu bringen. Nicht nur er ſelbſt hat hier einen Pallaſt bauen, und bey demſelben einen ſchönen Garten anlegen laſſen, ſondern er nöthigt auch viele Vornehme aus verſchiedenen Pro vinzen hier zu wohnen. Von dieſen wird nicht nur die Stadt verſchönert, ſon dern auch viel Geld verzehrt, und dadurch Handlung und Gewerbe wieder em por gebracht. In den übrigen morgenländiſchen Städten bekümmert man ſich gar nicht um die, welche aus und ein paſſiren. In Schiräs kann zwar jeder hin ein kommen, wenn aber Jemand zum Thore hinaus will, und nicht ſehr wohl bekannt iſt, ſo muß er der Wache einen Paß bringen. Weiber wurden zu mei ner Zeit faſt gar nicht aus der Stadt gelaſſen, weil man befürchtete, daß Staats
gefangene verkleidet entwiſchen möchten.
Die armeniſchen Weiber, welche in
unſerer Kaſſe gekommen waren und weiter zu gehen dachten, muſten daher vor dem Thore bleiben. Am
*) Geſchichte des WTadir Schach, von UTirſa U17ohammed U7ahadi Khän.
Aus dem
Perſiſchen ins Franzöſiſche überſetzt vom Herrn William Jones, und nach der franzö
ſſchen Ausgabe ins deutſche überſetzt.
Greifswald 1773.
115
Anmerkungen zu Schiräs.
Am 5ten März führte Herr Hercules mich zur Audienz bey dem Begler- 1765. beg von Farſiſtän, der in dieſer Stadt reſidirt. Wir beyde, ingleichen derQ-N-/ März Dolmetſcher waren zu Pferde, und die vier Bedienten des Herrn Hercules, lauter Armener, gingen mit ihren Stäben in der Hand, vorauf.
Selten
reitet in Káhira ein europäiſcher Conſul zur Audienz bey dem Paſcha, ohne von dem Pöbel durch Schimpfworte gemishandelt zu werden, ohngeachtet jeder zeit einige Janitſcharen vorauf reiten. Hier ſagte uns Niemand ein unhöfliches Wort. Als wir durch die Marktſtraße ritten, wo hin und wieder viele Leute waren, fürchteten die armeniſchen Bedienten ſich nicht, ſelbſt Mohammedaner
mit ihren Stöcken zu drohen, wenn ſie nicht gleich Platz machten.
Der Pallaſt
des Beglerbegs iſt erſt von ſeinem jezigen Herrn gebaut worden, und ſteht an einem großen Platz der beſäet iſt. Das vorderſte Gebäude hat kein beſſeres
Anſehen, als ein anſehnliches Haus eines Bürgers. Hinter demſelben ſteht das Hauptgebäude, an einem freyen Platz mit einem großen Waſſerbehältniß
und Springbrunnen. Wir wurden in einen großen Saal geführt, der nach der Seite dieſes Platzes ganz offen war. Der Fußboden deſſelben war mit einer großen ſchönen Tapete belegt. Anſtatt des Sofäs aber, den man in den türkiſchen Zimmern rund um an den Wänden findet, ſah ich hier bloß koſtbare Teppiche von Filz, die ich viel weniger ſchön fand als die gewöhnlichen perſiſchen Tape ten, und an den Wänden waren gar keine Polſter. Es ſcheint alſo, daß die Perſer in dieſem Stücke die Bequemlichkeit nicht ſo ſehr ſuchen, als die Türken.
Herr Hercules und ich wurden von dem Ceremoniemeiſter bey der Thür dieſes Saals empfangen und zu dem Beglerbeg geführt, der am Ende deſſelben ſaß.
Bey einer Audienz die ich und meine Reiſegefährten bey dem Paſcha zu Kähira hatten, küßten wir den Zipfel ſeines Pelzes. Dem Paſcha zu Dſidda grüßten wir nur ganz ehrerbietig; dem Imäm zu Saná küßten wir in und auf die
Hand, ingleichen ſein Kleid auf dem Knie. genöthigt.
Nirgends wurden wir zum Sitzen
Hier fanden wir, mitten in dem Saal, zwey Stühle, worauf
wir uns gleich nach einer tiefen Vorbeugung ſetzten. Der Beglerbeg hieß Sadik Khän, und war ein älterer Bruder des Wekils Kerim Khän. Wenn letzterer nicht Statthalter von Perſien geworden wäre, ſo würde, dem Anſchein P 2
nach
J 16
Anmerkungen zu Schiräs.
1765. nach, auch erſterer kein großes Glück in der Welt gemacht haben.
Indeß ſagte
man, daß er doch ſeit einiger Zeit zugleich mit ſeinen Söhnen, leſen und ſchrei
“TT“ben lernte, und alſo ſchon gelehrter wäre als ſein Bruder, der Wekil.
Die
wichtigen Geſchäfte dieſer Provinz wurden durch geſchickte Leute beſorgt, und der
Beglerbeg, ſo wie der Sultän zu Conſtantinopel, beſchäftigte ſich hauptſächlich . mit der Policey.
Einige Tage nach meiner Ankunft in dieſe Stadt, ließ er
zwey Schlachter die ſchlechtes Fleiſch verkauft hatten, bey den Ohren an einen Pfahl nageln, und ſie ſo den ganzen Nachmittag ſtehen.
Bey dieſer Gelegen
heit ließ er bekannt machen, daß künftig alle Schlachter, die eben dieß Verbre chen begehen würden, in der Mitte von einander gehauen werden ſollten. Bey der Audienz war er überaus gnädig. Er verſicherte mich unter andern, daß er allen denen die mir in ſeinem Gebiete etwas zu Leide thun würden, die Köpfe abſchlagen laſſen wollte. Der Ceremoniemeiſter, mit einem ſchönen Rohr in der Hand, ſtand zwi
ſchen uns und dem Beglerbeg, ſo wie zu Saná der Fakih Achmed zwiſchen uns und dem Imäm. Herr Hercules ſprach mit ſeinem Dolmetſcher auf Eng liſch, dieſer mit dem Ceremoniemeiſter Perſiſch, welches alſo der Beglerbeg verſtehen konnte; allein er ließ ſich alles noch einmal von dem Ceremoniemeiſter
ſagen. (Ich erinnere mich jezt nicht mehr, ob letztere nicht etwa Türkiſch rede ten; denn dieſe Sprache iſt unter den Vornehmen in Perſien ſehr gemein.) Ich fand es beſonders, daß der Ceremoniemeiſter, jedesmal wenn er zu dem Begler beg geredet hatte ſich nicht nur ſehr tief bückte, ſondern auch ſeinen Stab fallen
ließ. Nach der Audienz führte ein Freund des Herrn Hercules, der bey dem Beg lerbeg ſehr wohl angeſchrieben war, uns in dem Pallaſt herum, um mir noch einige Zimmer zu zeigen. In einem, dicht bey dem Audienz-Saal, waren die Wände mit ſchönem Marmor von Tauris bekleidet, der Fußboden war mit ſchönen Teppichen belegt, an den Wänden herum ſtanden viele Spiegel von europäiſcher Arbeit, und hier fand ich auch über zehn Gemählde von menſch lichen Figuren. Letztere erwartete ich in dem Hauſe eines Mohammedaners nicht zu finden. Allein die Schiiten fürchten nicht ſo ſehr als die Sun
niten daß die Abbildungen von Menſchen zur Abgötterey verleiten wer den,
Anmerkungen zu Schiräs den *) ſchön.
117
Die Zeichnung der Perſer iſt nur ſchlecht, ihre Farben aber ſind ſehr 1765. Die meiſten dieſer Figuren waren in perſiſcher Tracht.
Eins ſtellte ein März
Frauenzimmer vor, das faſt bis auf die Hälfte entblößt war, und ein anderes TT“ eine Frauensperſon im Bade, faſt ganz nackend.
Nachher wurden wir in den Harem geführt, der noch nicht ganz fertig, und daher noch nicht bewohnt war. Hier waren die Zimmer alle ſehr klein. In einem derſelben ſtanden ein paar kleine achteckigte Säulen, ganz mit kleinen Spiegeln bedeckt, und über denſelben war artiges Schnitzwerk von Holz, welches die Fugen bedeckte. Unter dem Boden waren Sterne von Spiegelglas. In einem andern Zimmer war der Boden über demſelben, ingleichen die Wände ganz mit Spiegeln bedeckt. Einige derſelben waren 2 Fuß hoch; von den übrigen hatten die gröſten kaum einen Fuß Höhe. Letztere waren alle, ſo wie die Glasſcheiben in den Fenſtern, ſowohl von weiſſem als gefärbten Glaſe, zu Schiräs verfertigt. Der Beglerbeg ſchlief unter einer ſtarken Wache in einem runden Thurm, den er hinten am Hauſe hatte bauen laſſen. Von den Gärten in Schiräs fand ich keinen merkwürdig, als nur den, welchen Kerim Khän hat anlegen laſſen. Man muß ſo wenig in dieſem als in andern morgenländiſchen Gärten ſeltene Gewächſe ſuchen. Man findet hier aber eine Menge ſchöner Fruchtbäume, und zwiſchen denſelben auch Gänge, die aber nur ſchlecht gereinigt werden. Mitten im Garten ſteht ein hohes achteckig tes Gebäude, mit einem chineſiſchen Dache, und zwey hohen Nebengebäuden. Der Saal in dem Hauptgebäude iſt auch ein Achteck, und geht durch beyde Stock werk. Oben in demſelben iſt rund um eine Gallerie, und in den Ecken ſind oben und unten kleine Kammern. Die Scheiben in den Fenſtern ſind alle nur klein, und gröſtentheils von gefärbten Glaſe. Die Wände ſind unten mit Marmor von Tauris bekleidet. Das übrige iſt alles mit Laubwerk und Blumen bedeckt, zum theil verguldet, zum theil mit lebhaften Farben angemahlt. So gar außen an dem Hauptgebäude ſieht man gemahlte menſchliche Figuren. So wohl in dem großen Saal als außen vor demſelben ſind Springbrunnen. In P 3 jedem *) In den erſten Abſchriften des vorher erwähnten Werks von M7ohammed Nahadi Khän waren auch Portraite von Yadir Schah und dem Mogol
Anmerkungen zu Schiräs.
I I8
1.765. jedem der Nebengebäude iſt in dem zweyten Stockwerk ein großer, nach der einen
März. Seite offener Saal.
Kurz ich habe in der Türkey, Egypten und Arabien kein
-T-T-Gebäude angetroffen, das mit ſo vielem Geſchmack gebaut worden, als dieſes Gartenhaus. Die eine Seite des einen Nebengebäudes ſteht an der Mauer des Gartens und an einem großen viereckigten Platz, der auch mit einer guten Mauer umgeben iſt. In letzterer ſind Gewölbe oder kleine Wohnungen angelegt wor
den, die als Caſernen gebraucht werden, wenn der Wekil ſich hier einige Zeit aufhält. An der andern Seite des Platzes ſteht ein ſchmales und hohes Ge bäude. Auf dieß, ſagte man, ſtellen ſich die Muſikanten, nemlich die Trom melſchläger, Pauker und Schalmeyenbläſer; denn die Feldmuſik der Perſer iſt in der Nähe ebenſo unangenehm als der Türken ihre. Indeß brauchen ſie in
ihren Zimmern auch Saiten- und andere ſanfte Inſtrumente, und die Muſik iſt hier nicht ſo verachtet, als bey den Türken und Arabern.
Das Glas welches zu Schiräs verfertigt wird, iſt ziemlich weiß und gut. Schwarzes Glas habe ich hier gar nicht geſehen. Selbſt die großen Flaſchen, worinn der Wein auswärts geſandt wird, ſind von dünnem und weiſſem Glaſe, und müſſen daher mit Körben bekleidet werden. Daß die hie
ſigen Fabrikanten ſich Mühe geben würden, auch gute Sachen zu machen wenn ſie ſie nur bezahlt erhalten könnten, ſieht man aus den Tobacksmaſchinen, welche ſie hier ſehr gut machen, weil ſelbige fleiſſig geſucht werden. Sie haben eben
die Figur wie die Kerim Khäni von Metall, welche S. 175. des erſten Ban
des beſchrieben und daſelbſt auf der 25ſten Tabelle bey Q. abgebildet iſt.
Aber
der Boden iſt inwendig ganz mit Blumen von gefärbten Glaſe (nicht auf dem Boden gemahlt, ſondern auf Stengeln perpendiculär ſtehend) bedeckt, wel ches ſehr artig ausſieht. -
An einem andern Tage ſah ich die Canonen, welche hier vor dem Zeug hauſe liegen.
Sie lagen alle auf plumpen und ſchlechten Lavetten mit drey Rä
dern, und zwiſchen denſelben lagen auch zwey Mörſer auf eben ſolchen Lavetten. Die Canonen waren meiſtentheils alle unter der Aufſicht eines Georgiers gegoſſen,
der ehmals in ruſſiſchen Dienſten geweſen, nachher aber ein Mohammedaner ge
worden, und jezt ein Khän im Dienſte des Wekils war. -
Dieſer ward als der gröſte
Reiſe von Schiräs nach Perſepolis. gröſte Artilleriſt in Perſien angeſehen.
II9
Nadir Schah ſoll oft die großen Cano- 1765.
nen haben in kleine Stücke ſägen laſſen, um ſie auf Kameelen und Mauleſeln März fortbringen zu können. Aber dann muſte er ſie vor der Stadt, welche er bela --gern wollte, aufs neue gießen laſſen, womit immer viel Zeit und Koſten verlo ren gingen. Der erwähnte Khä ſoll hier große Canonen gegoſſen haben, die aus ſo kleinen Stücken beſtehen, daß ſie auf Mauleſel geladen werden können.
Man beſchrieb mir eine ſolche Canone, welche 9o Pfund Kupfer ſchießt. *) Dieſe beſteht aus 4o Stücken, die von 2 o Mauleſeln getragen werden können.
Jedes dieſer Stücke oder Ringe hat am Rande herum acht viereckigte Löcher, durch welche, wenn ſie zuſammen geſetzt werden ſoll, acht eiſerne Stäbe geſteckt werden. Dieſe Canone ſoll brauchbarer gefunden ſeyn, als eine andere, deren
Stücke der Khän durch Schrauben befeſtigt hatte. alle dieſe Künſteleyen nicht viel.
Überhaupt aber taugen wohl
Mit Bomben wiſſen die perſiſchen Artilleriſten
noch gar nicht gut umzugehen. Ich hörte nachher zu Charedſch, daß Emir Kuneh Khän auch einen Mörſer vor Benderrigk gehabt, daß aber die Bombe,
welche ein Panſcha baſchi (ein Officier über funfzig) in die Stadt werffen ſollte, einige von ihren eigenen Leuten erſchlagen hätte.
Die Perſer ſind ſo wenig argwöhniſch, wenn Fremde die Alterthümer in ihrem Lande ſehen wollen, daß ich nicht zweifle, es würde ſich Niemand darum bekümmert haben, wenn ich nach Perſepolis gereiſt wäre, ohne jemanden etwas davon zuſagen. Da aber derjenige, welcher die Einkünfte von den Dörfern hebte, die am nächſten bey den daſigen Alterthümern liegen, zu Schiräs wohnte,
und ich durch Herr Hercules leicht eine Addreſſe an ihn erhalten konnte, ſo er ſuchte ich ihn, mir einen Brief an das Oberhaupt eines Dorfes mit zu geben. Ich erhielt nicht nur dieß, ſondern der perſiſche Herr ſchickte auch einen Bedien ten mit, der mich bis dahin begleiten ſollte. Mit dieſem reiſete ich am 12ten März von Schiräs. Nicht weit außer dem Thore kamen wir über eine große
und hohe Brücke, die über einen Fluß gebaut iſt, der von Norden nach Süden fließt. Etwa eine viertel Meile von der Stadt kamen wir zu einem großen und prächti *) Weil man in Perſien einen größern Ueberfluß an Kupfer als an Eiſen hat, ſo bedient man
ſich hier des erſtern Metals bisweilen auch zu Kugeln.
I 2O
Reiſe von Schiräs nach Perſepolis.
1765. prächtigen, gröſtentheils von gehauenen Steinen gebauetem Thor, das aber jezt
März ſchon ſehr verfallen iſt. *) Von vielen Gebäuden, die ehmals außerhalb dem 'TT ſelben und an den umherliegenden Bergen lagen, ſieht man nichts mehr als trau rige Überreſte; und von der ganzen Vorſtadt, die ehmals zwiſchen hier und Schiräs geweſen, iſt nichts mehr übrig als zwey Mosquéen. Wir kamen nach 5 Stunden bis Zarkän. Der Weg iſt meiſtentheils bergigt und ſtei
nigt.
Die fruchtbareſten Ebenen liegen wüſte, ja ſogar die Bäume ſcheinen ſich
über die vielen innerlichen Kriege, welche in dieſer Gegend geführt worden ſind zu beklagen. Denn die Bäche und Waſſerleitungen, wodurch ehmals ihre Wurzeln gewäſſert worden, haben andere Wege genommen, oder ſind gänzlich verfallen. Eine große Karwanſeroy, Badsja, war zu ſtark gebaut, als daß ſie von ſelbſt hätte einfallen können. Indeß ſind von einem Dorfe, welches dabey gelegen hat, kaum Merkmale mehr übrig. An dieſem Wege zeigte man mir
auch noch die Ruinen eines Hauſes, bey welchem ein Baum ſteht, der des wegen merkwürdig iſt, weil ehmals der Statthalter von Schiräs unter demſelben das Ehrenkleid anlegen, und von hier in Proceſſion nach der Stadt reiten muſte,
wenn der Schah ihn in ſeinem Amte beſtätigte.
Das Dorf - L// Zarkän liegt in der Figur eines halben Mondes an einem hohen Berge, und hat an der untern Seite eine ſchwache, ſieben Fuß hohe Mauer. Dieſer Ort hatte vor einigen Jahren das Unglück, daß ſich in
ſeiner Nachbarſchaft zwey Khäns ſchlugen. Die Folge davon war, daß der Sieger alle Einwohner deſſelben ins Gefängniß ſteckte, und ihre Häuſer nieder reiſſen ließ. Daher iſt jezt nur ein kleiner Theil am Berge bewohnt. Die Wände der Bauerhäuſer ſind hier, ſo wie in allen perſiſchen Dörfern die ich ge
ſehen habe, bloß von Erde, oder Ziegelſteinen die nur in der Sonne getrocknet ſind.
Die Dächer aber ſind ſchräg und mit Stroh bedeckt.
Da wir noch im
Ramadän waren, in welchem Monat die Mohammedaner den ganzen Tag nichts genießen dürfen, ſo ließ mein Führer ſich des Nachts deſto beſſer bewirthen. Er aß drey gute Mahlzeiten zwiſchen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Ich bekam
*) S. die Lage deſſelben bey A. Tab. XXXV. und eine Abbildung davon beyle Bruyn.
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Reiſe von Schiräs nach Perſepolis. bekam des Abends ein Huhn mit ganz ſchwarzen Knochen.
I 2I
Ich weiß nicht ob 1765.
dieß etwa eine beſondere Art Hüner iſt, oder ob die Knochen von einer beſondern März. Nahrung die man ihnen giebt, ſchwarz werden: man findet ſie aber ſehr oft in
Perſien, und man hält ſie für beſſer als die Hüner mit weiſſen Knochen. Am 13ten März brauchten wir noch zwey Stunden bis an den Fluß Bend
emir.
Dieß iſt der Arares der alten griechiſchen Schriftſteller.
An dieſem
Wege iſt jezt kein einziges Dorf mehr. Der erwähnte Fluß iſt ſehr reiſſend, und die Brücke über demſelben, welche von gebrannten Ziegelſteinen gebaut iſt,
über 3oo Fuß lang. Von Schiräs bis an dieſe Brücke waren wir auf dem Wege nach Isfahän geblieben. Wir verließen ſelbigen hier, und giengen mehr öſtlich,
gerade nach den prächtigen überbleibſeln von Perſepolis; denn ob ich gleich wuſte, daß daſelbſt kein Dorf in der Nähe war, wo ich gleichſam mein Haupt quartier nehmen könnte, ſo hatte ich mir, nach dem was ich von dieſen Ruinen gehört und geleſen hatte, ſolche Vorſtellungen davon gemacht, daß ich mich nicht ent halten konnte ſelbige gleich zu beſuchen, und mich erſt nachher wegen eines Quar
tiers umzuſehen.
Mein Führer brachte mich gegen Abend nach Merdaſt, einem
ſchlechten Dorfe eine Stundeweges nach Süden von den Ruinen.
Hier empfahl
er mich dem Kalantär oder Dorfſchulzen, der mich ſehr freundlich empfing, und mir eine Kammer in einem kleinen Hauſe anwies, in welchem Reiſende zu logi ren pflegten.
Von der eigentlichen Stadt Perſepolis findet man jezt wohl nicht viel
mehr Überbleibſel, als von Memphis, der ehmaligen Hauptſtadt von Egypten. Beyde dieſe Städte lagen in ſehr fruchtbaren Ebenen. Nach ihrer Zerſtöhrung wurden die beſten Baumaterialien, die ohne allzu große Mühe transportirt wer den konnten, nach den neuen Hauptſtädten gebracht; das übrige ward nach und
nach von dem dahin geweheten Staub gleichſam begraben, und zulezt der Grund der ehmals berühmten Städte zu Kornfeldern gebraucht. Die prächtigen Ruinen
von Perſepolis, die wir noch jezt bewundern, ſind wahrſcheinlich überbleibſel von einem Tempel, oder Königlichen Pallaſt, und dieſe haben ihre Erhaltung nicht ſo wohl der Menge und Größe ihrer Steine, als ihrer hohen Lage zu dan“ ken. Der Staub welcher hieher gewehet wird, wird gröſtentheils gleich in die II. Theil. Q. UNLT
122
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. unterliegende Ebene geführt.
Man ſieht daher noch an vielen Stellen den
März bloßen Felſen, oder den mit überaus großen Marmorſtücken belegten Fußboden "TT" der Gebäude: ſo wie man bey den großen Pyramiden in der Nähe von Káhira, die gleichfals auf einer Anhöhe gebaut ſind, auch noch den bloßen Felſen ſieht, der ihrentwegen abgetragen iſt.
Die Perſer nennen dieſe Alterthümer Tacht Jamſchid, d. i. die Reſidenz des Jamſchid, und ſind der Meynung daß dieſer, einer ihrer älteſten Könige, den Grund darzu gelegt habe. Gemeiniglich nennet man ſie Tſchil minär d. i. vierzig Säulen. Den letzten Namen haben ſie vielleicht daher erhalten, weil die Mohammedaner bey ihrer Ankunft in Perſien hier etwa noch vierzig Säulen auf
recht fanden.
Jezt ſtehen davon noch 19 innerhalb der Ringmauer, eine auf
der ſüdweſtlichen Ecke auf der Ebene, und dann findet man 1 Meile von hier,
noch zwey anfrecht ſtehende Sänlen zu Iſtakr, deren ich nachher erwähnen werde. Die mitlere Direction des Weges von Schiras nach Tſchil minär iſt nach mei
nen Anmerkungen Nordoſt zum Norden, und ihre Entfernung in gerader Linie 7 deutſche Meilen. Schiräs liegt nach meinen Beobachtungen unter der Pol
höhe 29“. 36. 4o^.
Man kann alſo die Polhöhe von Tſchil minär ziem
lich genau auf 30 Grad rechnen. Einige Reiſende haben behaupten wollen, Tſchil minär ſey ein Tempel, und andere daß hier der Pallaſt eines weltlichen Regenten geweſen. Meiner -
Meynung uach hat alles anfänglich einen Tempel vorſtellen ſollen. Denn anſtatt daß man vor den großen egyptiſchen Tempeln, die mit dieſem perſepolitaniſchen vielleicht ein Alter haben, große Sphinre findet, ſo ſieht man hier, gleich ben dem Aufgange, andere erdichtete Thiere von einer erſtaunlichen Größe. Die Figur welche an den Faeaden der Begräbniſſe vor dem Altar ſteht, ingleichen die bey C. auf der 25ſten Tabelle, welche man an vielen Stellen unter dieſene Ruinen antrift, ſollen ohne zweifel geiſtliche Perſonen vorſtellen. Eine Perſon in eben der Kleidung ſieht man auf der 29ſten und 3oſten Tabelle auf einem Stul ſitzen, wo ſie vielleicht eine weltliche Perſon vorſtellen ſoll. Vielleicht alſo war das damalige geiſtliche Oberhaupt der Perfer zugleich ein weltlicher Fürſt: und ſo kann dieſer Tempel, der nach und nach die Wohnung des Khalifen oder Pabſtes -
ward
122
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. unterliegende Ebene geführt.
Man ſieht daher noch an vielen Stellen den
März bloßen Felſen, oder den mit überaus großen Marmorſtücken belegten Fußboden "TT"der Gebäude: ſo wie man bey den großen Pyramiden in der Nähe von Kähira, die gleichfals auf einer Anhöhe gebaut ſind, auch noch den bloßen Felſen ſieht, der ihrentwegen abgetragen iſt.
Die Perſer nennen dieſe Alterthümer Tacht Jamſchid, d. i. die Reſidenz des Jamſchid, und ſind der Meynung daß dieſer, einer ihrer älteſten Könige, den Grund darzu gelegt habe. Gemeiniglich nennet man ſie Tſchil minär d. i. vierzig Säulen.
Den letzten Namen haben ſie vielleicht daher erhalten, weil die
Mohammedaner bey ihrer Ankunft in Perſien hier etwa noch vierzig Säulen auf recht fanden. Jezt ſtehen davon noch 19 innerhalb der Ringmauer, eine auf der ſüdweſtlichen Ecke auf der Ebene, und dann findet man 1 Meile von hier,
noch zwey anfrecht ſtehende Säulen zu Iſtakr, deren ich nachher erwähnen werde. Die mitlere Direction des Weges von Schiras nach Tſchil minär iſt nach mei nen Anmerkungen Nordoſt zum Norden, und ihre Entfernung in gerader Linie 7 deutſche Meilen. Schiräs liegt nach meinen Beobachtungen unter der Pol
höhe 29“. 36. 4o^.
Man kann alſo die Polhöhe von Tſchil minär ziem
lich genau auf 30 Grad rechnen. Einige Reiſende haben behaupten wollen, Tſchil minär ſey ein Tempel, und andere daß hier der Pallaſt eines weltlichen Regenten geweſen. Meiner -
Neynung nach hat alles anfänglich einen Tempel vorſtellen ſollen. Denn anſtatt daß man vor den großen egyptiſchen Tempeln, die mit dieſem perſepolitaniſchen vielleicht ein Alter haben, große Sphinre findet, ſo ſieht man hier, gleich ben dem Aufgange, andere erdichtete Thiere von einer erſtaunlichen Größe. Die Figur welche an den Faeaden der Begräbniſſe vor dem Altar ſteht, ingleichen die bey C. auf der 25ſten Tabelle, welche man an vielen Stellen unter dieſen Ruinen antrift, ſollen ohne zweifel geiſtliche Perſonen vorſtellen. Eine Perſon in eben der Kleidung ſieht man auf der 29ſten und 3oſten Tabelle auf einem Stul ſitzen, wo ſie vielleicht eine weltliche Perſon vorſtellen ſoll. Vielleicht alſo war das damalige geiſtliche Oberhaupt der Perfer zugleich ein weltlicher Fürſt: und
ſo kann dieſer Tempel, der nach und nach die Wohnung des Khalifen oder Pabſtes Ward
Tab. XIX.
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Reiſe von Schiräs nach Perſepolis.
I 2I
bekam des Abends ein Huhn mit ganz ſchwarzen Knochen. Ich weiß nicht ob 1765. dieß etwa eine beſondere Art Hüner iſt, oder ob die Knochen von einer beſondern März. Nahrung die man ihnen giebt, ſchwarz werden: man findet ſie aber ſehr oft in
Perſien, und man hält ſie für beſſer als die Hüner mit weiſſen Knochen. Am 13ten März brauchten wir noch zwey Stunden bis an den Fluß Bend emir. Dieß iſt der Arares der alten griechiſchen Schriftſteller. An dieſem Wege iſt jezt kein einziges Dorf mehr. Der erwähnte Fluß iſt ſehr reiſſend, und die Brücke über demſelben, welche von gebrannten Ziegelſteinen gebaut iſt,
über 3oo Fuß lang. Von Schiräs bis an dieſe Brücke waren wir auf dem Wege nach Isfahän geblieben. Wir verließen ſelbigen hier, und giengen mehr öſtlich,
gerade nach den prächtigen überbleibſeln von Perſepolis; denn ob ich gleich wuſte, daß daſelbſt kein Dorf in der Nähe war, wo ich gleichſam mein Haupt quartier nehmen könnte, ſo hatte ich mir, nach dem was ich von dieſen Ruinen gehört und geleſen hatte, ſolche Vorſtellungen davon gemacht, daß ich mich nicht ent halten konnte ſelbige gleich zu beſuchen, und mich erſt nachher wegen eines Quar
tiers umzuſehen.
Mein Führer brachte mich gegen Abend nach Merdaſt, einem
ſchlechten Dorfe eine Stundeweges nach Süden von den Ruinen.
Hier empfahl
er mich dem Kalantär oder Dorfſchulzen, der mich ſehr freundlich empfing, und mir eine Kammer in einem kleinen Hauſe anwies, in welchem Reiſende zu logi ren pflegten.
Von der eigentlichen Stadt Perſepolis findet man jezt wohl nicht viel
mehr Überbleibſel, als von Memphis, der ehmaligen Hauptſtadt von Egypten. Beyde dieſe Städte lagen in ſehr fruchtbaren Ebenen.
Nach ihrer Zerſtöhrung
wurden die beſten Baumaterialien, die ohne allzu große Mühe transportirt wer den konnten, nach den neuen Hauptſtädten gebracht; das übrige ward nach und nach von dem dahin geweheten Staub gleichſam begraben, und zulezt der Grund
der ehmals berühmten Städte zu Kornfeldern gebraucht.
Die prächtigen Ruinen
von Perſepolis, die wir noch jezt bewundern, ſind wahrſcheinlich überbleibſel von einem Tempel, oder Königlichen Pallaſt, und dieſe haben ihre Erhaltung
nicht ſo wohl der Menge und Größe ihrer Steine, als ihrer hohen Lage zu dan“ ken. Der Staub welcher hieher gewehet wird, wird gröſtentheils gleich in die
II. Theil.
Q.
UNters
122
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. unterliegende Ebene geführt.
Man ſieht daher noch an vielen Stellen den
März bloßen Felſen, oder den mit überaus großen Marmorſtücken belegten Fußboden
"TT"der Gebäude: ſo wie man bey den großen Pyramiden in der Nähe von Kähira, die gleichfals auf einer Anhöhe gebaut ſind, auch noch den bloßen Felſen ſieht, der ihrentwegen abgetragen iſt.
Die Perſer nennen dieſe Alterthümer Tacht Jamſchid, d. i. die Reſidenz des Jamſchid, und ſind der Meynung daß dieſer, einer ihrer älteſten Könige, den Grund darzu gelegt habe. Gemeiniglich nennet man ſie Tſchil minär d. i. vierzig Säulen.
Den letzten Namen haben ſie vielleicht daher erhalten, weil die
Mohammedaner bey ihrer Ankunft in Perſien hier etwa noch vierzig Säulen auf recht fanden. Jezt ſtehen davon noch 19 innerhalb der Ringmauer, eine auf der ſüdweſtlichen Ecke auf der Ebene, und dann findet man 1 Meile von hier,
noch zwey anfrecht ſtehende Säulen zu Iſtakr, deren ich nachher erwähnen werde. Die mitlere Direction des Weges von Schiras nach Tſchil minär iſt nach mei nen Anmerkungen Nordoſt zum Norden, und ihre Entfernung in gerader Linie 7 deutſche Meilen. Schiräs liegt nach meinen Beobachtungen unter der Pol
höhe 29“. 36. 4o/.
Man kann alſo die Polhöhe von Tſchil minär ziem
lich genau auf 30 Grad rechuen.
-
Einige Reiſende haben behaupten wollen, Tſchil minär ſey ein Tempel, und andere daß hier der Pallaſt eines weltlichen Regenten geweſen. Meiner Meynung nach hat alles anfänglich einen Tempel vorſtellen ſollen. Denn anſtatt daß man vor den großen egyptiſchen Tempeln, die mit dieſem perſepolitaniſchen vielleicht ein Alter haben, große Sphinre findet, ſo ſieht man hier, gleich bey dem Aufgange, andere erdichtete Thiere von einer erſtaunlichen Größe. Die Figur welche an den Faeaden der Begräbniſſe vor dem Altar ſteht, ingleichen die bey C. auf der 25ſten Tabelle, welche man an vielen Stellen unter dieſen Ruinen antrift, ſollen ohne zweifel geiſtliche Perſonen vorſtellen. Eine Perſon in eben der Kleidung ſieht man auf der 29ſten und 3oſten Tabelle auf einem Stul ſitzen, wo ſie vielleicht eine weltliche Perſon vorſtellen ſoll. Vielleicht alſo war das damalige geiſtliche Oberhaupt der Perfer zugleich ein weltlicher Fürſt: und
ſo kann dieſer Tempel, der nach und nach die Wohnung des Khalifen oder Pabſtes ward
Tab. X X.
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
I 23
ward (wenn ich das Oberhaupt der alten perſiſchen Religion ſo nennen darf) bey 1765. veränderter Religion zulezt auch die Reſidenz eines bloß weltlichen Königs ge-
März.
worden ſeyn. Wenigſtens ſcheint dieß eben der Pallaſt geweſen zu ſeyn, der von TT“ Alexander muthwillig verbrannt worden iſt.
Um dem Leſer einen deutlichen Begriff von der Lage der Überbleibſel dieſes Pallaſtes oder Tempels zu geben, habe ich davon auf der Tabelle XVIII. einen
Grundriß entworfen, worauf die Lage aller Haupttheile deſſelben genau angedeu tet iſt. Der Proſpekt war nicht ſo nöthig weil Chardin ſelbigen ſchon von zwey, und le Bruyn ihn gar von vier Seiten vorgeſtellt hat. Da ich aber von der
Stelle P. auf dem Grundriß, auch einen Proſpekt entworfen habe, und wohl nicht jeder meiner Leſer die Werke der erwähnten Reiſenden bey der Hand hat, ſo habe ich ſelbigen auf der Tabelle XIX ſtechen laſſen. Weder auf dem Grundriß noch auf dem Proſpekt von der Oſtſeite, hat es angedeutet werden können, daß die Ruinen gleichſam auf dem Fuß eines großen Gebürges liegen.
Dieſer hohen
Lage wegen aber ſind drey Seiten von einer ſtarken Mauer unterſtützt: und an
den Stellen, wo der Fels weiter heraus ging, hat der Baumeiſter ihn ſenkreche
abgetragen.
An der Nordweſtecke liegt noch ein kleiner Fels in der Mauer. *)
Man ſieht hier aber ſchon halblosgeriſſene Steine, die man noch zum bauen brauchen wollen. Daraus erhellt alſo daß auch dieſer Fels außerhalb der Mauer abgetra
gen werden ſollen, und daß man den Bau noch nicht ganz geendigt habe, als der Pallaſt zerſtört worden.
A
-
-
Daß nicht alles auf einmal angelegt worden ſey, davon ſieht man ver ſchiedene Beweiſe.
An der Südſeite,
und nicht weit vom Berge, iſt die
Mauer ganz gewiß weiter ausgerückt: vermuthlich weil man daſelbſt ein Gebäude erweitern wollen. Es iſt auch wahrſcheinlich eben dieſer Urſache wegen, daß man in dem Umriß ſo viele Ecken findet, welches mit der vortrefflichen Anlage des ganzen eben nicht übereinſtimmt. Alle hier befindliche Mauern und andere Alterthümer beſtehen aus einem
grauen und ſehr hartem Marmor, der eine ſchöne Politur annimmt, und dann . .
.
. .
. . .
.
Q. 2 .
.
.
.
.
.
mehr
*) Man ſehe den Grundriß, welchen ich bey dieſer ganzen Beſchreibung fleiſſig nachzula "
gen bitte.
* - --
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-
-
-
.
I 24
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. mehr ſchwarz wird. Aus eben dieſer Steinart beſteht auch nicht nur der Hügel, März ſondern der ganze Berg Rachmed. Es war alſo ein großer Vortheil für den
“TT Bauherrn, daß er alle Steine auf der Stelle haben konnte.
Kalk brauchten
die perſiſchen Baumeiſter weder zu der Mauer noch zu den Gebäuden innerhalb
derſelben. Man ſieht zwar noch Merkmale, daß die Steine durch Klammern verbunden geweſen ſind; allein dieſe ſind ſchon längſtens verroſtet, und doch lie gen die Steine noch jezt ſo genau auf und an einander, daß man an vielen Stellen kaum die Fugen erkennen, und an andern kaum ein Federmeſſer zwiſchen denſelben
hineinſtecken kann. Kurz, man findet in ganz Europa wohl keine Mauer von einem beſſern Marmor und mit ſo vielem Fleiſe aufgeführt, als die um Tſchil minär. - - -
-
-
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-
Die Oberfläche des Hügels, wo man jezt die vielen Ruinen von Gebäuden findet, iſt nicht horizontal, und daher die äußere Mauer auch nicht überall gleich
hoch.
Ich habe ihre Höhe an verſchiedenen Stellen gemeſſen, und ſelbige auf
dem Grundriß angedeutet: nemlich an der Südſeite iſt ſie 14 bis 18# Fuß, an der Weſtſeite 32 bis 4 1 Fuß, und auf der Nordſeite 16 bis 27 Fuß hoch.
Das Gebäude 1 liegt am allerhöchſten, (wohl 5o Fuß hoch über dem Horizont,
wie nachher bemerkt werden wird) und dieß ſcheint auch das allerälteſte zu ſeyn. H liegt ein paar Fuß niedriger.
Der Grund des Gebäudes G iſt beynahe eben
ſo hoch als H, aber der Platz zwiſchen denſelben iſt niedriger geweſen, welches aus den Figuren erhellt, die hier an den Wänden ſtehen, und von dem hieher geweheten Staube zum theil mit Erde bedeckt ſind. Die große Colonnade B, c, D, E liegt wiederum niedriger als das Gebäude G, und höher als der große Platz A, E, a. gerade vor der Haupttreppe. Die Ruinen bey O und L liegen niedriger als die Gegend A, E, a. Das kleine Gebäude K., liegt am aller niedrigſten, und daher ſind deſſen überbleibſel am meiſten mit Erde bedeckt. Da gegen findet man in den Colonnaden H, I, und an einigen Stellen von B, C, D, E nicht einmal Staub auf dem Boden. Bey H und 1 ſieht man ſehr
deutlich, daß daſelbſt die Spitze des Felſens abgetragen worden iſt.
Der Fuß
boden dieſer Gebäude iſt ein marmorner Fels, und alſo der ſchönſte und dauer
hafteſte, den man ſich nur einbilden kann.
Die ganze ſüdliche Seite R, R iſt
eben ſo niedrig als der Grund des Gebäudes k. A
Die
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
125
Die äußere Mauer hat keine Bruſtwehr mehr, ſondern dieſe iſt abgetra- 1765,
gen, und die Steine davon mit vielen andern Stücken dieſer prächtigen Ruinen März
nach Iſtakr, Schiräs und wohl noch weiter gebracht worden.
An der Süd-TT“
und Nordſeite iſt die Mauer ſo beſchädigt, daß man an einigen Stellen, die auf dem Grundriß angedeutet ſind, mit weniger Mühe hinauf klettern kann. Eigentlich aber führt zu dieſen Ruinen nur eine doppelte Treppe, die wohl die
ſchönſte und dauerhafteſte iſt, die jemals gebaut worden. *)
Jede hat in der
Mitte einen Ruheplatz. Die an der linken Hand hat unten noch 57, und oben 47 Stuffen. Ihre perpendiculaire Höhe iſt 33 Fuß, und alſo jede Stuffe nicht vier Zoll hoch. Alles iſt von dem härteſten Marmor, der hier freylich in
überfluß aber deswegen nicht minder ſchön iſt.
Die Steine derſelben ſind ſo
groß, daß einer oft mehr als die halbe Treppe, und ſeine Höhe viele Stuffen ausmacht, und alles iſt ſo wohl gebaut, daß man hier, ein paar tauſend Jahre nachdem der Pallaſt zerſtört worden, noch zu Pferde hinauf reiten kann. Ganz oben auf der Treppe findet man an drey Stellen Löcher in den großen Steinen, in welchen Thürangel geſtanden zu haben ſcheinen. Der ganze Pallaſt konnte alſo wahrſcheinlich durch drey Thüren verſchloſſen werden, und wenn dieſes, ſo muß auch die Mauer an der Treppe noch viel höher geweſen ſeyn, als ſie jezt iſt. Gerade vor der Treppe bey A auf dem Grundriß, ſtehen noch zwey Wände von ſehr großen Steinen. Dieß Gebäude hat ohne zweifel einen Thor weg vorſtellen ſollen; es iſt aber inwendig nur 13 Fuß breit, und alſo für ein ſo prächtiges Werk ſehr ſchmal. Indeß ward es nicht dazu gebaut, daß man mit Pferden und Wagen dadurch reiten und fahren ſollte. Der Fußboden iſt
mit überaus großen Stücken polirten Marmors belegt, und alſo nur für Fußgän ger beſtimmt geweſen. Die Wände ſind ohngefehr 3o Fuß hoch, und haben gar keine Fenſter. An jeder derſelben ſteht, 4 Fuß 8 Zoll hoch von dem Fuß
boden, eine Abbildung des Thiers A auf der Tabelle XX. deſſen Größe man daraus beurtheilen kann, daß die Entfernung von ſeinem vorderſten bis an den
hinterſten Fuß, 18 Fuß beträgt.
Der ganze Körper dieſes Thiers iſt erhaben Q. 3
*) S. die Anlage dieſer Treppe auf der 18ten Tabelle, und eine perſpektiviſche derſelben bey Chardin.
(* 16
Abbildung
I 26
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. ausgehauen. Der Kopf aber und die Vorderfüße ſtanden gleichſam aus der März. Wand, und alſo ganz frey. *) Beyde Thiere an dieſen Wänden haben die U-V “Köpfe verloren, und dieß wahrſcheinlich durch Gewaltthätigkeit. Indeß ſieht man aus den geſpaltenen Klauen und der übrigen Bildung derſelben, daß ſie das erdichtete Einhorn vorſtellen ſollen, welches man unter dieſen Ruinen ſo häufig findet. Weiter nach Oſten bey E, ſieht man noch eben ſolche zwey Wände, an jeder derſelben aber das erdichtete Thier B auf der Tabelle XX. Dieß ſteht auch 4 Fuß 8 Zoll hoch von dem Fußboden, und die Entfernung von dem vor derſten bis an den hinterſten Fuß iſt 17 Fuß 6 Zoll. Dieſem perſiſchen Sphinx
hat man gleichfals den Kopf abſchlagen wollen, aber daran nicht viel mehr be ſchädigen können, als nur die Naſe, welche in der Zeichnung wiederhergeſtellt worden iſt. Über jeder der erwähnten vier Figuren, und ſehr hoch, findet man 3 Inſchriften, deren Buchſtaben alle ausgeraden Strichen beſtehen. Daß die großen Figuren in den Wänden A ihre Köpfe nach Weſten, und die in den Wänden E ſelbige nach Oſten gekehrt haben, iſt ſchon aus andern Reiſebe ſchreibungen bekannt.
Bey dieſer Gelegenheit muß ich noch zweyer Agatſteine von der Figur a und c erwähnen, wovon ich den einen zu Basra und den andern zu Haleb er halten habe.
Es iſt wohl kein Zweifel, daß die Figur b die große Figur B vor
ſtellen ſoll.
Die Arbeit des Steinſchneiders iſt nur ſchlechter, als des Bild
hauers ſeine. Die Figur d hat Klauen, und der Kopf zeigt auch, daß es wohl nicht das erdichtete Einhorn vorſtellen ſoll. Dieß Stück aber iſt den Sprach kündigern wegen der Schrift merkwürdig, die man am Rande deſſelben findet. Die Schriftzüge ſcheinen von eben der Art zu ſeyn, als die, welche man auf den
Münzen 17. 18. 19. 2 o. 2 1. auf der 11ten Tabelle der Beſchreibung von Arabien findet. Sie ſind alſo erſt nach der Zerſtöhrung des Pallaſtes geſtochen worden, und man ſollte daher vermuthen, daß ein Kenner der alten perſiſchen Sprache ſie leicht werde dechifriren können.
Auf keiner alten perſiſchen oder
parthiſchen Münze wird die Schrift ſo deutlich ſeyn, als auf dieſem Stein, wo ſie *) Lezteres iſt ſowohl bey dieſem, als dem folgenden Thiere B auf der Platte nicht angedeutet worden. Der Grund vor dieſen beyden Thieren hätte nicht überlegt werden ſollen.
Tab. XX.
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-T-A-KISK
Abb/a/unz
der Thzere azz aMen
/ ärz der Aura AR - Tab XVIII .
Beſchreibung
der Ruinen von Perſepolis.
127
ſie ſehr tief eingegraben iſt. Ich habe deswegen auch noch die Zeichnung von 1765. einem Abdruck des Siegels e beyfügen wollen. März.
Zwiſchen den erwähnten beyden großen Eingängen A und E ſtehen“TT“ noch zwey Säulen aufrecht, und von zween andern welche umgefallen ſind, ſieht
man noch Merkmale. *) Die aufrecht ſtehenden Säulen ſind nur wenig höher, als die erwähnten großen Wände. Vielleicht war alles dieß ehmals unter einem
Dache.
Auch findet man hier noch Grundmauern von kleinern Gebäuden, in
gleichen viele Steine die überall zerſtreut herum liegen, aber von einem Rei ſenden nicht viel geachtet werden, weil ſie mit den annoch aufrecht ſtehenden Alterthümern gar nicht in Vergleichung kommen.
-
Nicht weit von hier, bey a (auf dem Grundriß) iſt ein Waſſertrog 3 doppelte Schritte lang, 3 dieſer Schritte breit, und jezt noch 2 Fuß hoch über der Erde. Alles von einem einzigen Stein. Vielleicht war hier eine Erhöhung des Felſen, die der Baumeiſter hat abtragen, und davon dieſen Trog ſtehen laſſen. Von hier nach Süden kömmt man zu den großen und prächtigen Colonna
den B, C, D, E, welche 8 Fuß höher liegen, als der Grund der vorher be ſchriebenen Alterthümer. Verſchiedene Treppen führen zu denſelben, wie auf dem Grundriß angedeutet worden. Von den beyden vorderſten Treppen b hat jede 3o Stuffen; alſo iſt jede Stuffe nicht einmal 3 Zoll hoch. Die Facade dieſer Treppe iſt zum theil nieder gefallen. Indeß ſieht man an derſelben noch Überbleibſel von den Figuren mit Spießen und Schilden, welche unter dieſen Ruinen ſo häufig vorkommen; ingleichen Cypreßbäume, und die Vorſtellung wie ein erdichtetes Einhorn von einem Löwen angegriffen wird. Die Wand vor der Colonnade B iſt voller menſchlichen Figuren, und des wegen eins der merkwürdigſten Stücke für den Alterthumsforſcher. Sie iſt, ſo
wie die Treppe nur 8 Fuß hoch, aber höher geweſen.
Wenigſtens hat ſie eine
Bruſtwehr gehabt, die bis auf den Fußboden der Colonnade abgetragen worden iſt. Dieß ſieht man aus der obern Reihe Figuren, wovon nur die untere Hälfte mehr *) Die aufrecht ſtehenden Säulen ſind auf dem Grundriß durch einen doppelten, und die um gefallenen oder weggebrachten durch einen einzelnen Cirkel angedeutet worden. An den
Stellen, wo man dasZeichen D» findet ſieht man noch Ueberbleibſel von Waſſerleitungen.
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
I 28
1765. mehr übrig iſt.
Jezt ſind an jeder Seite der Treppe, bey c und d noch zwey
März. Reihen dieſer Figuren, jede 2 Fuß hoch.
"T-Tºc, ſind auf der Tabelle XXI. abgebildet.
Die an der Oſtſeite der Treppe bey
Nur habe ich in jeder Reihe 27 Figu
ren, die an dem Aufgang der Treppe ſtehen, weggelaſſen, weil ſelbige alle eben ſo gekleidet ſind, wie die vorderſte in der langen Kleidung, die einen Spieß in beyden Händen hält (bey A). Die unterſte Reihe war ganz mit Erde be
deckt, welche ich erſt wegräumen laſſen muſte, um die Figuren derſelben zeichnen zu können. Dieß iſt wohl die Urſache, warum ſie weder von Chardin noch le Bruyn gezeichnet worden ſind.
Es iſt beſonders, daß man unter dieſen Figuren ſo wenig Veränderung, aber doch zweyerley ſehr verſchiedene Kleidungen antrift, die mit den perſiſchen
Kleidertrachten, welche Herodot, Curtius und 3eenophon beſchreiben, viele
Ahnlichkeit haben.
Einige nemlich tragen eine hohe Mütze, die dem Kaük der
Türken ſehr ähnlich iſt; nur haben letztere um ſelbige ein Tuch gewunden.
Die
Figuren die dieſe Mütze tragen, haben ein ſehr weitev Oberkleid, das ihnen faſt bis auf die Füße herunter hängt, und in demſelben ſehr weite Ermel.
Die mit
dem Spieß, (bey A) welche eben ein ſolches Oberkleid tragen, haben nur einen Strick um den Kopf.
Die übrigen haben eine kleine glatte Mütze oder einen
Helm, an welchem hinten etwas als ein breites Band herunter hängt. Dieſe haben ein Kleid an, das nur bis an die Knie reicht, und enge Ermel hat. Ei nige derſelben haben auch einen Oberrock mit engen Ermeln, der dem Oberkleide der jezigen Perſer faſt ähnlich iſt, auf der Schulter hangen. Beyde haben einen Bart, und ſtarkes krauſes Haar, wo nicht gar eine Paruque auf dem Kopf. Beyde tragen Ringe oder eine Schnur um den Hals, und um die Hände, und kleine Ringe in den Ohren. *) Beyde haben Gürtel um den Leib. Beyde tragen, aber nicht allezeit, einen Bogen in einem Futteral, und etwas rundes,
das vielleicht auch ein Gewehr vorſtellen ſoll, in der Hand.
Ihr Dolch iſt ver ſchieden.
*) Die alten Perſer trugen langes Haar, und haben ſich in der ſpätern Zeit ſogar mit fremden Haaren geſchmückt. Sie trugen gerne Hals- und Armbänder, die aus Gold oder Edelſteinen oder Perlen beſtunden, und Ohrenringe. Einleitung in die Alterthü nner von MJoldenhauer S. 39.
W---
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis. ſchieden.
129
Die mit dem langen Kleide tragen ſelbigen im Gürtel vor dem Leibe, 1765.
und die in dem kurzen Kleide haben ihn an der Hüfte hangen, und an ein Bein ge- März.
bunden.
Auch ihre Schuhe ſind in Kleinigkeiten verſchieden.
-V
Es iſt wohl ſchwer zu beſtimmen was dieſe Figuren eigentlich haben be deuten ſollen. Da ſie bewafnet ſind, ſo könnte man vermuthen, daß ſie zwey Leibwachen vorſtellen. Sie ſind ohne Zweifel vornehme Perſonen im Dienſte des hier regierenden Herrn, dieſer mag nun ein geiſtlicher oder weltlicher Fürſt geweſen ſeyn. Denu man findet ſie überall, und beſonders hier ſcheinen ſie ver traulich miteinander umzugehen. Die in der langen und weiten Kleidung aber
waren vermuthlich doch die vornehmſten, weil ſelbige eben ſo gekleidet ſind, als die Hauptperſonen, und in den folgenden Zeichnungen immer voran gehen. Sie haben auch gleichſam die Wache bey den Eingängen zu den Gebäuden, wo ſie nemlich mit Spießen in der Hand an den Thürpfoſten ſtehen. Am Ende dieſer Reihe Figuren iſt Platz zu einer Inſchrift, die nicht hineingeſchrieben worden. Zulezt, an der Treppe a folgt moch die Vorſtellung, wie das erdichtete Einhorn von einem Löwen angefallen wird. In der oberſten Reihe, wovon nur die unterſte Hälfte der Figuren übrig iſt, waren bey der Haupttreppe b. 43 Männer in langen Kleidern, und mit Spießen in den Händen. Dann folgten 5 Perſonen in einer andern Kleidung, und 3 Pferde, und zulezt zwey Wagen oder vielmehr Karren, wovon jeder von 2 Pferden gezogen wird. Die Proceſſion in dieſer Reihe hat alſo viel ähnliches mit der auf der folgenden Tabelle. Die Wand d. an der andern Seite der Treppe b. iſt eben ſo voller Figuren. Allein an keiner Stelle unter dieſen Ruinen hat der Aberglaube der Mohamme daner ſo ſehr gewüthet als hier, und dieß iſt juſt das Stück, auf welchem man die gröſte Verſchiedenheit in der Kleidung antrift. Die meiſten dieſer Figuren *
-
-
haben die Köpfe verloren. Es muß aber viele Mühe gekoſtet haben, nur dieſe zu zerſtümmeln; denn es iſt davon noch ſo viel ſitzen geblieben, daß man
aus verſchiedenen die Figur ihrer Mützen wieder zuſammen ſuchen kann.
Ich
habe mich bemüht, ſie auf den Tabellen XXII. und XXIII. alle wieder herzu ſtellen. Es iſt wohl kein Zweifel, daß dieſes Stück eine Proceſſion an einem II. Theil. , R. . . . . . . . . . außer-"
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
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1765. außerordentlichen Feſttage vorſtellen ſoll. März. V-N
Allein ob Leute von verſchiedenen
Nationen ihrem Könige Tribut oder Geſchenke, oder ob verſchiedene Nationen oder Stände einem Tempel Opfer bringen, das überlaſſe ich andern zu entſcheiden. Um ſich einen Begrif von dieſer Proceſſion zu machen, ſtelle man ſich vor, daß die drey doppelten Reihen auf den erwähnten Tabellen, nach den am Rande bemerkten Zeichen hinter einander folgen, und daß jede menſchliche Figur 2. Fuß
hoch ſey.
Man findet hier alſo in jeder Reihe 6, und in allem 1 2 Abtheilun
gen, die durch Cypreßbäumen von einander abgeſondert ſind. Die Figuren in der erſten Abtheilung in der unterſten Reihe tragen die lange Kleidung, welche auf der vorhergehenden Tabelle ſchon oft vorgekommen iſt. Jede derſelben hat einen Köcher auf dem Rücken, einen Bogen über den linken Arm, und ſeinen Spieß
gerade vor ſich ſtehen. Sie ſind alſo bewafnet, und ſcheinen eine Wache vor ſtellen zu ſollen. Man findet hier (ſo wie an der andern Seite der Treppe) auf jeder Stufe eine, und alſo 28 bis 3o dieſer Figuren.
Ich habe
aber davon nur 6 gezeichnet; die übrigen wird der Leſer ſich ſelbſt leicht vorſtel
len können. *)
In jeder der übrigen Abtheilungen iſt nur einer von den beyden
Officieren, welche auf der 21ſten Tabelle ſo oft vorkommen. Ich will der Kürze halber den in der langen Kleidung, den erſten, und den in der kurzen Klei dung, den zweyten Officier nennen. In der zweyten Abtheilung ſcheint der erſte Officier 6 Fremde zur Audienz zu führen. Er hat in der einen Hand einen Stock (ſo wie der Ceremoniemeiſter
des Beglerbegs von SchiräsS. 116.) und mit der andern Hand hat er einen der Fremden angefaßt, der vielleicht einen Abgeordneten von einer gewiſſen Zunft, Stamm oder gar Nation vorſtellen ſoll. Zwey von den übrigen tragen Gefäße
auf den Händen, der dritte hat in jeder Hand einen länglichten Ring mit 2 Schlangenköpfen. Hinten nach folgt ein Wagen mit zwey kleinen Pferden. Das Rad iſt ſo ſauber im Stein ausgehauen, daß alle Nägel, womit es beſchlagen iſt, gut angedeutet ſind. Dagegen iſt der Wagen ſelbſt noch ſo plump, daß es
ſcheint, der Steinhauer habe dieſen nicht ausgearbeitet.
Das Pferdegeſchirr hat
*) Chardin hat ſie alle in Kupfer ſtechen laſſen.
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. außerordentlichen Feſttage vorſtellen ſoll. März. V-N
Allein ob Leute von verſchiedenen
Nationen ihrem Könige Tribut oder Geſchenke, oder ob verſchiedene Nationen oder Stände einem Tempel Opfer bringen, das überlaſſe ich andern zu entſcheiden. Um ſich einen Begrif von dieſer Proceſſion zu machen, ſtelle man ſich vor,
daß die drey doppelten Reihen auf den erwähnten Tabellen, nach den am Rande bemerkten Zeichen hinter einander folgen, und daß jede menſchliche Figur 2. Fuß
hoch ſey.
Man findet hier alſo in jeder Reihe 6, und in allem 1 2 Abtheilun
gen, die durch Cypreßbäumen von einander abgeſondert ſind. Die Figuren in der erſten Abtheilung in der unterſten Reihe tragen die lange Kleidung, welche auf der vorhergehenden Tabelle ſchon oft vorgekommen iſt. Jede derſelben hat einen Köcher auf dem Rücken, einen Bogen über den linken Arm, und ſeinen Spieß
gerade vor ſich ſtehen. Sie ſind alſo bewafnet, und ſcheinen eine Wache vor ſtellen zu ſollen. Man findet hier (ſo wie an der andern Seite der Treppe) auf jeder Stufe eine, und alſo 28 bis 3o dieſer Figuren. Ich habe aber davon nur 6 gezeichnet; die übrigen wird der Leſer ſich ſelbſt leicht vorſtel
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len können. *) In jeder der übrigen Abtheilungen iſt nur einer von den beyden Officieren, welche auf der 21ſten Tabelle ſo oft vorkommen. Ich will der Kürze halber den in der langen Kleidung, den erſten, und den in der kurzen Klei dung, den zweyten Officier nennen. In der zweyten Abtheilung ſcheint der erſte Officier 6 Fremde zur Audienz zu führen. Er hat in der einen Hand einen Stock (ſo wie der Ceremoniemeiſter
des Beglerbegs von SchiräsS. 116.) und mit der andern Hand hat er einen der Fremden angefaßt, der vielleicht einen Abgeordneten von einer gewiſſen Zunft, Stamm oder gar Nation vorſtellen ſoll. Zwey von den übrigen tragen Gefäße auf den Händen, der dritte hat in jeder Hand einen länglichten Ring mit 2 Schlangenköpfen. Hinten nach folgt ein Wagen mit zwey kleinen Pferden. Das Rad iſt ſo ſauber im Stein ausgehauen, daß alle Nägel, womit es beſchlagen iſt, gut angedeutet ſind. Dagegen iſt der Wagen ſelbſt noch ſo plump, daß es ſcheint, der Steinhauer habe dieſen nicht ausgearbeitet. Das Pferdegeſchirr hat *) Chardin hat ſie alle in Kupfer ſtechen laſſen,
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1 765. außerordentlichen Feſttage vorſtellen ſoll. März. U-N
Allein ob Leute von verſchiedenen
Nationen ihrem Könige Tribut oder Geſchenke, oder ob verſchiedene Nationen oder Stände einem Tempel Opfer bringen, das überlaſſe ich andern zu entſcheiden. Um ſich einen Begrif von dieſer Proceſſion zu machen, ſtelle man ſich vor,
daß die drey doppelten Reihen auf den erwähnten Tabellen, nach den am Rande bemerkten Zeichen hinter einander folgen, und daß jede menſchliche Figur 2. Fuß
hoch ſey. Man findet hier alſo in jeder Reihe 6, und in allem 1 2 Abtheilun gen, die durch Cypreßbäumen von einander abgeſondert ſind. Die Figuren in der erſten Abtheilung in der unterſten Reihe tragen die lange Kleidung, welche auf der vorhergehenden Tabelle ſchon oft vorgekommen iſt. Jede derſelben hat einen Köcher auf dem Rücken, einen Bogen über den linken Arm, und ſeinen Spieß
gerade vor ſich ſtehen. Sie ſind alſo bewafnet, und ſcheinen eine Wache vor ſtellen zu ſollen. Man findet hier (ſo wie an der andern Seite der Treppe) auf jeder Stufe eine, und alſo 28 bis 3o dieſer Figuren.
Ich habe
aber davon nur 6 gezeichnet; die übrigen wird der Leſer ſich ſelbſt leicht vorſtel
len können. *)
In jeder der übrigen Abtheilungen iſt nur einer von den beyden
Officieren, welche auf der 21ſten Tabelle ſo oft vorkommen.
Ich will der Kürze
halber den in der langen Kleidung, den erſten, und den in der kurzen Klei dung, den zweyten Officier nennen. In der zweyten Abtheilung ſcheint der erſte Officier 6 Fremde zur Audienz /
zu führen.
Er hat in der einen Hand einen Stock (ſo wie der Ceremoniemeiſter
des Beglerbegs von SchiräsS. 116.) und mit der andern Hand hat er einen der Fremden angefaßt, der vielleicht einen Abgeordneten von einer gewiſſen Zunft, Stamm oder gar Nation vorſtellen ſoll. Zwey von den übrigen tragen Gefäße auf den Händen, der dritte hat in jeder Hand einen länglichten Ring mit 2 Schlangenköpfen. Hinten nach folgt ein Wagen mit zwey kleinen Pferden. Das Rad iſt ſo ſauber im Stein ausgehauen, daß alle Nägel, womit es beſchlagen iſt, gut angedeutet ſind. Dagegen iſt der Wagen ſelbſt noch ſo plump, daß es
ſcheint, der Steinhauer habe dieſen nicht ausgearbeitet.
Das Pferdegeſchirr hat
*) Chardin hat ſie alle in Kupfer ſtechen laſſen,
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
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hat viel ähnliches mit dem, welches ich in einer Pferdemühle zu Kähira, und zu 1765. Zebid auf einem Ochſen geſehen habe, der Waſſer aus einem Brunnen zog. Die März.
Proportion der verſchiedenen Glieder des menſchlichen Körpers iſt bey allen hier TT“ befindlichen Figuren noch ſo ziemlich getroffen. Die Figuren ſtehen aber alle zu ſteif, und zeigen gar keine Bewegung an. In dieſer Abtheilung iſt es gar nicht natürlich, daß ein Mann ſeinem Arm über die Hälſe beyder Pferde legt, um ſie zu halten.
Den Schnitt der Kleidung dieſer Gäſte ſieht man aus der Zeichnung.
Sie hat
gar keine Falten, und ſcheint daher von groben Zeuge zu ſeyn. Jeder hat et was das vielleicht eine Coralle an einem ſeidenen Faden vorſtellen ſoll, hinter dem linken Ohr herunter hangen. In der 3ten Abtheilung in der unterſten Reihe werden 5 Fremde von dem zweyten Officier zur Audienz geführt. Dieſer er ſcheint hier allezeit ohne Dolch und bloß in der Weſte, oder wie die Türken ſelbige nennen, im Entari. Weil dieß kurze Kleid keine Falten hat, und die Perſon doch gewiß was vorſtellen ſoll, ſo kam es ſeyn, daß es von Leder gewe ſen iſt, wie die kurze Kleidung der alten Perſer beſchrieben wird. Die Kleidung der übrigen ſcheint grob zuſeyu. Vier haben das Oberkleid mit einer Art Schnalle befeſtigt. Zwey tragen Beniſche, oder Oberkleider von der Art, wie ſie einige mal auf der vorhergehenden Tabelle vorkommen. Das was der hinterſte auf den
Händen vor ſich trägt, ſcheinen Strümpfe von groben Zeuge zu ſeyn. *)
In
der vierten Abtheilung iſt wiederum der erſte Officier der Anführer. Hier gehen die Fremden mit bloßen Köpfen. Ihre Haare ſind unten kraus, der Bart aber gerade. Das Unterkleid ſoll vielleicht Schafsfelle, oder Filzvorſtellen. Sie
haben kleine Stiefeln an, wie die in der 2ten Abtheilung.
Von dem was ſie
auf den Händen tragen, kann ich nicht mehr ſagen, als was der Leſer ſelbſt aus der Zeichnung ſehen kann. In der 5ten Abtheilung auf der 23ſten Tabelle iſt
der zweyte Officier der vornehmſte.
Die, welche er anführt, haben nur einen
Strick einigemal um den Leib gewunden, eine ſchmale Binde um den Kopf, und gerade herunter hangende Haare. Der hinterſte führt einen Dromedar, der
eine Glocke über den Hals hangen hat.
Noch jezt hängt man den Kameelen und R 2
auch
*) Jezt tragen die vornehmen Perſer Strümpfe von engliſchen Laken, die alſo in Vergleichung umit den unſrigen noch immer grob ſind.
I 32
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. auch wohl Eſeln und Mauleſeln ſolche Glocken an, vornemlich in den Karwanen: März. In der 6ten Abtheilung werden ſechs geringe Leute von dem erſten Officier an
“TT geführt.
Fünf davon gehen oben nackend. Sie haben nur ein breites Tuch
von der Hüfte herunter hangen, und ein anderes dickes Tuch als einen Gürtel
um den Leib gewunden, ſo wie ſich noch jezt die von der ärmſten heiſſen Ländern kleiden.
Claſſe in den
Der erſte, der vielleicht einen Schech oder Abgeord
neten vorſtellen ſoll, hat ein großes Tuch über die Schulter geſchlagen. Alle gehen mit bloßen Beinen, und haben, anſtatt der Schuhe oder Stiefeln, nur Sohlen unter den Füßen, die von den Sohlen der jezigen Araber darinn ver ſchieden ſind, daß ſie Hackleder haben, und auch auf eine andere Manier unter den Fuß gebunden worden ſind. In der 7ten Abtheilung (S. die öberſte Reihe der 22ſten Tabelle) führt der erſte Officier ſeinen Kammeraden. Nach ſelbigen fol
gen zwey Perſonen die Beniſche tragen; der dritte hat ein paar grobe Strümpfe, und der vierte kleine Schüſſel auf den Händen.
Dieſer ihre Köpfe ſind ſo be
ſchädigt, daß ich nicht gewiß bin, ob ſie die Mützen gehabt, die ich ihnen wie der gegeben habe. *) In der 8ten Abtheilung führt der 2te Officier 6 Fremde an, die alle ein großes Tuch um ſich geſchlagen haben, wie die Bedouinen in einigen Gegenden von Arabien. Nur ſehen leztere nicht darauf, daß ſie ihr Tuch ſo in Falten legen. Der Stier den ſie führen, hat einen großen Klumpen Fett auf dem Rücken, ſo wie alles fettes Hornvieh in Arabien, Indien und Perſien.
In der 9ten Abtheilung werden Schäfer von dem erſten Officier angeführt.
Ihre Kleidung iſt eng und hat kurze Ermel. Ihr Kopfputz iſt von eben der Art, wie der Kameel- und Eſeltreiber ihrer. Der eine ſcheint ein paar zubereitete Schafsfelle zu tragen. Die Art Schafe, welche man hier abgebildet ſieht, fin det man noch häufig in den Morgenländern. Sie haben Wolle wie unſere Schafe. Aber dieß und die krauſen Haare des Löwen hat der Steinhauer ſchlecht angedeutet; denn man kann ſelbige faſt nicht von Federn unterſcheiden. In der 1 oten Abtheilung iſt der zweyte Officier der Anführer. Seine Fremde ſind eben ſo *) Bey Chardin ſtehen die verſchiedenen Abtheilungen nicht gerade über einander. Er zeich nete vermuthlich jede ganze Reihe auf einem beſondern Papier, und hatte nachher ver
geſſen, daß die, welche ich die 7te Abtheilung genannt habe, neben der Treppe ſteht.
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> dern Treppen die Abbildung, wie das erdichtete Einhorn von einem Löwen ange fallen wird. (Tabelle 2 3.) Hier iſt das Einhorn noch ganz unbeſchädigt, und man ſieht ſehr deutlich, daß es eben das Thier vorſtellen ſoll, welches bey A. auf der 2oſten Tabelle abgebildet worden. Die erwähnte Inſchrift iſt ſchon von Kaempfer und le Bruyn copiirt worden, aber ſo undeutlich, daß man daraus die verſchiedenen Buchſtaben nicht erkennen kann, welche man doch auf dem Ori
ginal ſehr deutlich unterſcheidet. Die Wandy (Tab. 18.) iſt zum Theil zerſtreut, und alſo auch die Figuren an derſelben.
Indeß ſind auch hier verſchiedene Abtheilungen, die durch Cy
preßbäumen von einander abgeſondert ſind, und in jeder iſt einer von den er
wähnten zween Officiers, der die Fremden gleichſam anführt. Die Thiere wel che man hier noch abgebildet ſieht, ſind: ein Pferd, ein Kameel, ein fetter Stier und ein Ziegenbock. Hier könnt auch der Wagen mit 2 Pferden wieder vor, und zwar beſſer ausgearbeitet, als der vorher erwähnte. Verſchiedene
Figuren mit bloßen Beinen und Sohlen unter den Füßen ſind noch ſo wohl conſervirt, daß in der langen Reihe von Jahren nicht einmal die Nägel auf den
Zehen beſchädigt worden ſind. Die Wand diſt noch mehr verfallen als die bey 'y. Ein Reiſender achtet daher die an denſelben befindlichen Figuren nicht viel, ob gleich dieſe allein an einem andern Orte ſeine Aufmerkſamkeit verdienen würden.
Der Wandy gegen über ſtehen noch einige große Steine mit Figuren in langen Kleidern, die Spieße in der Hand haben. Dieß ſind vielleicht überbleibſel von einem beſondern Gebäude, wovon alles übrige weggetragen werden iſt.
Die verſchiedenen Treppen führen zu der großen Colonnade, oder vielmehr zu vier Colonnaden B, C, D, E, (Tab. 18.) Davon ſtehen jezt noch 17. Säulen aufrecht, deren Lage auf dem Grundriß durch einen doppelten Cirkel an
gedeutet worden. Die bey c, ingleichen die beyden Säulen bey dem Thorwege, haben das Capiräla. auf der Tabelle XXV. Aber keins derſelben iſt ganz un beſchädigt, ſondern man muß verſchiedene Capitäle zuſammen nehmen, um davon eine vollſtändige Zeichnung zu machen. Auf vielen derſelben liegt noch ein un förmlicher
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Hinter dieſen drey Reihen Figuren ſteht die große Inſchrift A. auf der
März. Tabelle XXIV. und unten an der Treppe G. ſo wie bey a. und faſt an allen an
“TTºdern Treppen die Abbildung, wie das erdichtete Einhorn von einem Löwen ange fallen wird. (Tabelle 2 3.)
Hier iſt das Einhorn noch ganz unbeſchädigt, und
man ſieht ſehr deutlich, daß es eben das Thier vorſtellen ſoll, welches bey A. auf
der 2oſten Tabelle abgebildet worden. Die erwähnte Inſchrift iſt ſchon von Kaempfer und le Bruyn copiirt worden, aber ſo undeutlich, daß man daraus die verſchiedenen Buchſtaben nicht erkennen kann, welche man doch auf dem Ori
ginal ſehr deutlich unterſcheidet. Die Wandy (Tab. 18.) iſt zum Theil zerſtreut, und alſo auch die Figuren an derſelben.
Indeß ſind auch hier verſchiedene Abtheilungen, die durch Cy
preßbäumen von einander abgeſondert ſind, und in jeder iſt einer von den er
wähnten zween Officiers, der die Fremden gleichſam anführt.
Die Thiere wel
che man hier noch abgebildet ſieht, ſind: ein Pferd, ein Kameel, ein fetter Stier und ein Ziegenbock. Hier könnmt auch der Wagen mit 2 Pferden wieder
vor, und zwar beſſer ausgearbeitet, als der vorher erwähnte. Verſchiedene Figuren mit bloßen Beinen und Sohlen unter den Füßen ſind noch ſo wohl conſervirt, daß in der langen Reihe von Jahren nicht einmal die Nägel auf den
Zehen beſchädigt worden ſind. Die Wand iſt noch mehr verfallen als die bey "/. Ein Reiſender achtet daher die an denſelben befindlichen Figuren nicht viel, ob gleich dieſe allein an einem andern Orte ſeine Aufmerkſamkeit verdienen würden.
Der Wandy gegen über ſtehen noch einige große Steine mit Figuren in langen Kleidern, die Spieße in der Hand haben. Dieß ſind vielleicht überbleibſel von einem beſondern Gebäude, wovon alles übrige weggetragen worden iſt.
Die verſchiedenen Treppen führen zu der großen Colonnade, oder vielmehr zu vier Colonnaden B, C, D, E, (Tab. 18.) Davon ſtehen jezt noch 17. Säulen aufrecht, deren Lage auf dem Grundriß durch einen doppelten Cirkel an
gedeutet worden. Die bey c, ingleichen die beyden Säulen bey dem Thorwege, haben das Capiräla. auf der Tabelle XXV. Aber keins derſelben iſt ganz un beſchädigt, ſondern man muß verſchiedene Capitäle zuſammen nehmen, um davon
eine vollſtändige Zeichnung zu machen.
Auf vielen derſelben liegt noch ein un förmlicher
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ginal ſehr deutlich unterſcheidet. Die Wandy (Tab. 18.) iſt zum Theil zerſtreut, und alſo auch die Figuren an derſelben.
Indeß ſind auch hier verſchiedene Abtheilungen, die durch Cy
preßbäumen von einander abgeſondert ſind, und in jeder iſt einer von den er
wähnten zween Officiers, der die Fremden gleichſam anführt.
Die Thiere wel
che man hier noch abgebildet ſieht, ſind: ein Pferd, ein Kameel, ein fetter Stier und ein Ziegenbock. Hier könnt auch der Wagen mit 2 Pferden wieder
vor, und zwar beſſer ausgearbeitet, als der vorher erwähnte. Verſchiedene Figuren mit bloßen Beinen und Sohlen unter den Füßen ſind noch ſo wohl conſervirt, daß in der langen Reihe von Jahren nicht einmal die Nägel auf den
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Der Wandy gegen über ſtehen noch einige große Steine mit Figuren in langen Kleidern, die Spieße in der Hand haben. Dieß ſind vielleicht überbleibſel von einem beſondern Gebäude, wovon alles übrige weggetragen werden iſt.
Die verſchiedenen Treppen führen zu der großen Colonnade, oder vielmehr zu vier Colonnaden B, C, D, E, (Tab. 18.) Davon ſtehen jezt noch 17. Säulen aufrecht, deren Lage auf dem Grundriß durch einen doppelten Cirkel an gedeutet worden. Die bey c, ingleichen die beyden Säulen bey dem Thorwege, haben das Capiräla. auf der Tabelle XXV. Aber keins derſelben iſt ganz un beſchädigt, ſondern man muß verſchiedene Capitäle zuſammen nehmen, um davon
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Hinter dieſen drey Reihen Figuren ſteht die große Inſchrift A. auf der
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der 2oſten Tabelle abgebildet worden. Die erwähnte Inſchrift iſt ſchon von Kaempfer und le Bruyn copiirt worden, aber ſo undeutlich, daß man daraus die verſchiedenen Buchſtaben nicht erkennen kann, welche man doch auf dem Ori
ginal ſehr deutlich unterſcheidet. Die Wandy (Tab. 18.) iſt zum Theil zerſtreut, und alſo auch die Figuren an derſelben.
Indeß ſind auch hier verſchiedene Abtheilungen, die durch Cy
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wähnten zween Officiers, der die Fremden gleichſam anführt. Die Thiere wel che man hier noch abgebildet ſieht, ſind: ein Pferd, ein Kameel, ein fetter Stier und ein Ziegenbock.
Hier könnmt auch der Wagen mit 2 Pferden wieder
vor, und zwar beſſer ausgearbeitet, als der vorher erwähnte. Verſchiedene Figuren mit bloßen Beinen und Sohlen unter den Füßen ſind noch ſo wohl conſervirt, daß in der langen Reihe von Jahren nicht einmal die Nägel auf den
Zehen beſchädigt wordeu ſind. Die Wand diſt noch mehr verfallen als die bey "/. Ein Reiſender achtet daher die an denſelben befindlichen Figuren nicht viel, ob gleich dieſe allein an einem andern Orte ſeine Aufmerkſamkeit verdienen würden.
Der Wandy gegen über ſtehen noch einige große Steine mit Figuren in langen Kleidern, die Spieße in der Hand haben. Dieß ſind vielleicht überbleibſel von einem beſondern Gebäude, wovon alles übrige weggetragen worden iſt.
Die verſchiedenen Treppen führen zu der großen Colonnade, oder vielmehr zu vier Colonnaden B, C, D, E, (Tab. 18.) Davon ſtehen jezt noch 17. Säulen aufrecht, deren Lage auf dem Grundriß durch einen doppelten Cirkel an
gedeutet worden. Die bey c, ingleichen die beyden Säulen bey dem Thorwege, haben das Capiräla. auf der Tabelle XXV. Aber keins derſelben iſt ganz un beſchädigt, ſondern man muß verſchiedene Capitäle zuſammen nehmen, um davon eine vollſtändige Zeichnung zu machen. Auf vielen derſelben liegt noch ein un förmlicher
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
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förmlicher Stein, von dem man nicht mit Gewißheit ſagen kann, was er eigent-1765.
lich habe vorſtellen ſollen.
Von den Säulen der beyden Colonnaden D, E, März.
zeichnete ich das Piedeſtal b. auf der erwähnten Tabelle 25.
Auf den beye, TT“
(Tab. 18) lag, anſtatt des Capitäls, ein doppeltes, oder vielmehr zwey Vor
dertheile eines Thiers, das, nach den Kennzeichen die ich daran finden konnte, kein anderes ſeyn kann, als das erdichtete Einhorn, welches unter dieſen Ruinen ſo oft vorkommt, und daher ein merkwürdiges Sinnbild bey den alten Perſern geweſen zu ſeyn ſcheint. Nach meiner Meſſung iſt die ganze Höhe der Säulen
in der Colonnade c, 48 Fuß, und derer bey E, 52 Fuß. *)
Der Schaft be
ſteht aus verſchiedenen Stücken. Sie ſind alſo in Anſehung der Größe und Schwere bey weitem nicht mit der Colonne Pompei zu Alexandrien, ja nicht ein mal mit den Säulen von Granit im Caſtell zu Kähira zu vergleichen, aber auch ſchön. Beſonders wegen des vortrefflichen Marmors, und der Genauigkeit, womit man die verſchiedenen Stücke zuſammen geſetzt hat.
Das oberſte Stück
einer Säule bey E, iſt ſchon ſo weit aus ſeinem vorigen Platz gerückt, daß es vielleicht von dem erſten Erdbeben herunter geworfen wird. *) Dieſe Colonnaden liegen noch voller Ruinen. An einigen Stellen iſt der Fußboden mit Erde bedeckt, an andern aber ſieht man noch, daß er mit überaus
großen Stücken Marmor belegt iſt.
Hier ſind auch noch Merkmahle von Waſ
ſerleitungen, die im puren Felſen ausgehauen worden, und zwiſchen den Colon
maden B und C findet man noch vier Wände (e. e.) welche Eingänge geweſen zu ſeyn ſcheinen. Andere Reiſende ſind der Meynung geweſen, daß dieſe große Colonnade gar nicht bedeckt geweſen ſey. Ich weiß nicht, warum man nicht eben ſo gut annehmen kann, daß auf der Colonnade c wenigſtens noch ein Stock werk
T*) Die Höhe der Säulen iſt nur nach ihrem Schatten gemeſſen, weswegen ich ſie eben nicht für ganz genau ausgebe. Auch iſt der Aufriß des Capitälsa Tabelle XXV. nur nach dem Augenmaaß gezeichnet.
*) The philoſophical transactions abridged Tom. III. p. 527. Hier findet man einen Proſpekt von Tſchtl minär nach welchen das obere Stück der erwähnten Säule ſchon vor 1oo Jahren weit aus dem Mittelpunkt gerückt geweſen iſt. Seit der Zeit alſo müſſen hier keine ſtarke Erdbeben geweſen ſeyn,
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. werk geſtanden habe, und daß über den Seitencolonnaden B, D, E, Terraſſen ge März weſen ſind.
Jezt findet man davon zwar gar keine Merkmahle mehr.
Alle der
“TT gleichen Materialien aber können nach Perſepolis, welche Stadt unter dem Na men Iſtakr noch lange nachher bewohnt war als dieſer Pallaſt von Alexander zerſtört worden, oder auch nach andern Städten gebracht worden ſern.
An der Südweſtecke dieſer Colonnade bey F (Tab. 18.) ſcheint ein Ge bäude geweſen zu ſeyn, wovou man jezt nichts weiter ſieht, als daß der Fels hier eben gemacht worden, und daß man davon viereckigte Stücke, vielleicht um Pfeiler darauf zu ſetzen, von dem Felſen ſelbſt hat ſtehen laſſen.
Das Gebäude G (Tab. XVIII.) liegt wenigſtens 8 Fuß höher als die Colonnaden.
Es ſcheint im Verhältniß ſeiner Größe mit den übrigen, am
ſtärkſten gebaut geweſen zu ſeyn, und die Wände oder vielmehr die Fenſter und blinden Fenſter ſind hier auch noch am beſten polirt.
Auf der Tabelle XXVI.
findet man davon einen Proſpekt, den ich auf der Südoſtſeite in dem Gebäude r. in einer Camera obſcura gezeichnet habe.
Weil der Wind hier nicht ſo frey
durchſtreichen kann als bey den Colonnaden, ſo iſt in und um dieſes Gebäude viel Erde zuſammen geweht. Daher iſt auch die Grundmauer h. i. an der Süd ſeite des Gebäudes, nur 2# Fuß hoch über der Erde. Hier ſieht man noch die Nützen von Figuren, die mit Erde bedeckt ſind, drey Inſchriften und verſchiedene
Zierathen.
Wenn ich Chardins und le Bruyns Reiſen bey mir gehabt, und alſo
gewuſt hätte, was von meinen Vorgängern noch nicht gezeichnet worden wäre, ſo würde ich unter andern hier die Erde haben wegräumen laſſen, und alles ge zeichnet haben. Jezt iſt dieß einem meiner Nachfolger vorbehalten. An den Ccken h. . ſind Treppen, und an den Seiten derſelben Figuren 2 Fuß hoch.'
Dieſe ſcheinen die Treppe aufwärts zu gehen, anſtatt daß die an der Treppe b. ſtehen, und jeder trägt etwas, als ein Lamm, eine Melone u. d. gl. Die Kleidung der Männer iſt eben ſo, wie die Kleidung derer, welche im vorherge
benden die Officiers vom zwepten Range genannt worden ſind. Die Weiber ſind ſo gekleidet, wie die mit dem Fliegenwedel auf der 29 und 30ſten Tabelle. Oben
An der Weſtſeite dieſes Gebäudes ſieht man noch eine große Treppe f auf derſelben, ehmals in dem Vorgebäude, ſtehen zwey Thürpfoſten, und -
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
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ſo gekleidet, wie die in der 7ten Abtheilung, nur haben ſie andere Mützen, und 1765. der erſte von ihnen hat das Futteral eines Bogen an ſeinem Gürtel hangen. Die- März.
jenigen, welche den Stier in der 11ten Abtheilung (Tabelle 2 3) führen, ſind-faſt eben ſo gekleidet wie die Eſeltreiber in der 6ten Abtheilung. Nur haben ſie ein langes Oberkleid. Einer von ihnen hat einen Spieß und einen Schild, und von den beyden hinterſten hat jeder zwey Spieße. Die in der 12ten Abthei lung, welche von dem 2ten Officier angeführt werden, haben eine beſondere
Kleidung, nemlich Beinkleider, die ihnen bis auf die Füße reichen, (wie die Schakſchir der Türken,) und ihre Mützen oder ein Tuch unter dem Kinn gebun den. Die fünf erſtern haben ſchlecht gearbeitete Bogenfutteral an den Gürteln hangen. Der zweyte trägt den Dolch welchen man ſo oft auf der 2 1ſten Ta belle an der Seite des 2ten Officiers findet. Der dritte hat Ringe, und der 4te und 5te haben Hammer in den Händen. Sollten dieſe nicht etwa Schmiede vorſtellen können? In der oberſten Reihe waren 7 Abtheilungen; nemlich 6 über den Ab theilungen 7. 8. 9. 1 o. 1 1 - 12. und eine noch weiter zur linken, an dem obern Theil der Treppe b. Aber von allen hier befindlichen Figuren iſt nur die untere Hälfte übrig. Chardin hat auch dieſe Reihe auf ſeiner 58ten Tabelle angedeutet, doch ſelbige gewiß nicht nach dem Original gezeichnet. Hier ſind die beyden erwähnten Officiers wiederum wechſelsweiſe gleichſam Ceremoniemei ſter. In der erſten Abtheilung war ein Pferd. In der zweyten ſieht man eine Löwin. Bey dieſer waren 6 Perſonen in der Kleidung des erſten Officiers, wo von der vorderſte von dem 2ten Officier geführt ward. Vielleicht alſo war es nur den Perſonen vom erſten Range vorbehalten, auf die Löwenjagt zu gehen. In der dritten Abtheilung war ein Dromedar, wovon der obere Theil noch an der Erde liegt. Die Fremden haben kurze Weſten, aber Beinkleider die bis unter die Waden gehen. Einer von ihnen hatte ein Löwenfell auf der Schulter, wovon der Schwanz hinten nach ſchlept. In der vierten Abtheilung war gleich fals ein Dromedar oder Kameel, und auch eine Perſon mit einer Löwenhaut. In der 5ten Abtheilung ward ein Stier geführt. Das was von den Figuren in der 6ten Abtheilung noch übrig iſt, iſt denen in der 3ten und 4ken ſehr ähn lich. In der 7ten Abtheilung war ein Pferd. Hinter
I 34 1 765.
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
Hinter dieſen drey Reihen Figuren ſteht die große Inſchrift A. auf der
März. Tabelle XXIV. und unten an der Treppe G. ſo wie bey a. und faſt an allen an
“TT>dern Treppen die Abbildung, wie das erdichtete Einhorn von einem Löwen ange fallen wird. (Tabelle 2 3.) Hier iſt das Einhorn noch ganz unbeſchädigt, und man ſieht ſehr deutlich, daß es eben das Thier vorſtellen ſoll, welches bey A. auf der 2oſten Tabelle abgebildet worden. Die erwähnte Inſchrift iſt ſchon von Kaempfer und le Bruyn copiirt worden, aber ſo undeutlich, daß man daraus die verſchiedenen Buchſtaben nicht erkennen kann, welche man doch auf dem Ori
ginal ſehr deutlich unterſcheidet. Die Wandy (Tab. 18.) iſt zum Theil zerſtreut, und alſo auch die Figuren an derſelben.
Indeß ſind auch hier verſchiedene Abtheilungen, die durch Cy
preßbäumen von einander abgeſondert ſind, und in jeder iſt einer von den er
wähnten zween Officiers, der die Fremden gleichſam anführt. Die Thiere wel che man hier noch abgebildet ſieht, ſind: ein Pferd, ein Kameel, ein fetter Stier und ein Ziegenbock. Hier könnt auch der Wagen mit 2 Pferden wieder vor, und zwar beſſer ausgearbeitet, als der vorher erwähnte. Verſchiedene
Figuren mit bloßen Beinen und Sohlen unter den Füßen ſind noch ſo wohl conſervirt, daß in der langen Reihe von Jahren nicht einmal die Nägel auf den Zehen beſchädigt wordeu ſind. Die Wand iſt noch mehr verfallen als die bey "/. Ein Reiſender achtet daher die an denſelben befindlichen Figuren nicht viel, ob
gleich dieſe allein an einem andern Orte ſeine Aufmerkſamkeit verdienen würden. Der Wandy gegen über ſtehen noch einige große Steine mit Figuren in langen Kleidern, die Spieße in der Hand haben. Dieß ſind vielleicht Überbleibſel von einem beſondern Gebäude, wovon alles übrige weggetragen werden iſt.
Die verſchiedenen Treppen führen zu der großen Colonnade, oder vielmehr zu vier Colonnaden B, C, D, E, (Tab. 18.) Davon ſtehen jezt noch 17. Säulen aufrecht, deren Lage auf dem Grundriß durch einen doppelten Cirkel an gedeutet worden. Die bey c, ingleichen die beyden Säulen bey dem Thorwege, haben das Capiräla. auf der Tabelle XXV. Aber keins derſelben iſt ganz un beſchädigt, ſondern man muß verſchiedene Capitäle zuſammen nehmen, um davon eine vollſtändige Zeichnung zu machen. Auf vielen derſelben liegt noch ein un förmlicher
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
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förmlicher Stein, von dem man nicht mit Gewißheit ſagen kann, was er eigent- 1765.
lich habe vorſtellen ſollen. Von den Säulen der beyden Colonnaden D, E, März. zeichnete ich das Piedeſtal b. auf der erwähnten Tabelle 25. Auf den bey ETT“ (Tab. 18) lag, anſtatt des Capitäls, ein doppeltes, oder vielmehr zwey Vor dertheile eines Thiers, das, nach den Kennzeichen die ich daran finden konnte, kein anderes ſeyn kann, als das erdichtete Einhorn, welches unter dieſen Ruinen ſo oft vorkommt, und daher ein merkwürdiges Sinnbild bey den alten Perſern geweſen zu ſeyn ſcheint. Nach meiner Meſſung iſt die ganze Höhe der Säulen
in der Colonnade c, 48 Fuß, und derer bey E, 52 Fuß. *)
Der Schaft be
ſteht aus verſchiedenen Stücken. Sie ſind alſo in Anſehung der Größe und Schwere bey weitem nicht mit der Colonne Pompei zu Alexandrien, ja nicht ein mal mit den Säulen von Granit im Caſtell zu Kähira zu vergleichen, aber auch ſchön. Beſonders wegen des vortrefflichen Marmors, und der Genauigkeit, womit man die verſchiedenen Stücke zuſammen geſetzt hat. Das oberſte Stück einer Säule bey E, iſt ſchon ſo weit aus ſeinem vorigen Platz gerückt, daß es
vielleicht von dem erſten Erdbeben herunter geworfen wird. *) Dieſe Colonnaden liegen noch voller Ruinen. An einigen Stellen iſt der Fußboden mit Erde bedeckt, an andern aber ſieht man noch, daß er mit überaus
großen Stücken Marmor belegt iſt.
Hier ſind auch noch Merkmahle von Waſ
ſerleitungen, die im puren Felſen ausgehauen worden, und zwiſchen den Colon
maden B und C findet man noch vier Wände (e. e.) welche Eingänge geweſen zu ſeyn ſcheinen. Andere Reiſende ſind der Meynung geweſen, daß dieſe große Colonnade gar nicht bedeckt geweſen ſey. Ich weiß nicht, warum man nicht eben ſo gut annehmen kann, daß auf der Colonnade c wenigſtens noch ein Stock werk
*) Die Höhe der Säulen iſt nur nach ihrem Schatten gemeſſen, weswegen ich ſie eben nicht für ganz genau ausgebe. Auch iſt der Aufriß des Capitäls a Tabelle XXV. nur nach dem Augenmaaß gezeichnet.
*) The philoſophical transactions abridged Tom. III. p. 527.
Hier findet man einen
Proſpekt von Tſchtl minär nach welchen das obere Stück der erwähnten Säule ſchon
vor 1oo Jahren weit aus dem Mittelpunkt gerückt geweſen iſt. müſſen hier keine ſtarke Erdbeben geweſen ſeyn,
Seit der Zeit alſo
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. ſie hätten wegbringen können. Denn die Pfoſten der Thüren ſind 1 2 und mehr März: Fuß hoch und aus einem Stücke; einige Fenſter und blinde Fenſter beſtehen gänz “TTlich aus einem Stücke, und ſind über 6 Fuß breit und 7 Fuß 9 Zoll hoch. Ein Stück, woraus ein ſolches Fenſter gehauen worden, iſt über 1 o Fuß hoch. Die mittlere Abtheilung dieſes Gebäudes hat noch alle Thüren und Fenſter an allen vier Seiten. An den Pfoſten der Thüre l. ſieht man abermal die große Figur c.
(Tabelle 2 5.) mit den zwey Bedienten, wovon einer einen Sonnenſchirm trägt, und der andere etwas als einen Fliegenwedel in der Hand hat. Über dieſen Figuren, etwa 12 Fuß hoch von der Erde, ſind an jeder Seite die drey
Inſchriften B. C. D. Tabelle XXIV. alle neben einander. Es iſt beſonders, daß jede derſelben ein eigenes Alphabet hat: und nicht nur hier, ſondern auch an andern Stellen, gen einander über.
findet man dieſelben Schriften an beyden Pfoſten ge Es ſcheint alſo, daß die alten Perſer ſich alle Mühe
gegeben haben, ſich durch ihre Inſchriften zu verewigen, ſo wie die alten Egypter, die ihre Obelisquen oft an allen vier Seiten mit denſelben Hiero glyphen beſchrieben. Beyde Nationen haben ihre Schriftzüge auch bis auf uns gebracht. Allein nicht nur die egyptiſchen Hieroglyphen, ſondern auch dieſe alten perſiſchen Alphabete ſind, leider! jezt ganz unbekannt. Sollten indeß die
Gelehrten letztere endlich wieder dechifriren können, ſo muß man dem Bauherrn danken, daß er dieſe Schriften doppelt hat einhauen laſſen.
Denn ſie ſind an
beyden Thürpfoſten etwas beſchädigt, aber ſo, daß man die Buchſtaben, wel che an einer Seite fehlen, an der andern wieder findet, und daß ich ſie daher vollſtändig habe abſchreiben können.
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In den Ecken aller Fenſter ſind Löcher, worin vermuthlich die Angeln der Thüren geſtanden haben, wodurch ſie bey ſchlechtem Wetter verſchloſſen werden konnten. Auch in den Ecken der meiſten blinden Fenſter ſind ſolche Löcher. Alle Fenſter und blinde Fenſter in dieſem Gebäude haben oben und an beyden Seiten
alte Inſchriften.
Einige Reiſende haben daraus den Schluß machen wollen,
daß die alten Perſer, ſo wie die Chineſer, auch von oben nach unten geſchrieben
haben. Wenn man aber die Schriften genauer betrachtet, die hier von einigen copirt worden ſind, und ſie mit meinen Abſchriften vergleicht, ſo wird man fin den,
Talb . XXVI.
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an jedem zwey große Figuren in der langen Kleidung mit Spießen in den Hän- 1765. den, wie die Figuren an der Treppe b.
geworfen.
Zwey andere Thürpfoſten ſind um- März
Außen vor der Thürg an der Oſtſeite dieſes Gebäudes ſtehen“TT“
auch nech zwey Thürpfoſten. An einem derſelbenſieht man die Figuren c. (Ta belle XXV) wovon die gröſte 7 Fuß hoch iſt. Dieſe Perſon ſoll vielleicht einen vornehmen Geiſtlichen vorſtellen. Sie iſt eben ſo gekleidet wie die, wel che man auf der 2 1ſten Tabelle, und noch an vielen andern Stellen unter dieſen Ruinen bewafnet, und alſo als weltliche Perſonen antrift. Anſtatt aber, daß letztere erhabene Streifen auf ihrer hohen Müße, und große Ringe um den Hals Haben, welches alles im Stein ausgehauen iſt, ſo iſt die Mütze hier noch ein rauher Stein mit vielen Löchern, woraus man faſt ſchließen ſollte, daß ſie mit koſtbarem Metall bedeckt geweſen ſey. Auf der Schulter, vor der Bruſt und an den Händen ſind auch Löcher in dem Stein, worinn vielleicht Ringe von Netall befeſtigt waren. Die Bedienten ſind eben ſo gekleidet wie der Herr. Sie tragen auch kleine Ringe in den Ohren, wie faſt alle Figuren in dieſer lan
gen Kleidung. Sie haben aber keinen langen und unten ſpitzen Bart, keine hohe Mütze, und man ſieht auch kein Zeichen daß ſie einen Ring um den Hals gehabt hätten. An dem andern Pfoſten ſtehen eben dieſe drey Figuren. Hier
aber hat die Hauptperſon in der linken Hand das Gefäß (oder was es ſonſt ſeyn
ſel)f und in der rechten Hand einen Keſſel g. (Tab. 25.) Mitten auf dem Vorgebäude beyo p. (auf dem Grundriß) ſind auch noch große Thüren. An den Pfoſten o. ſieht man abermal die Figuren c. (Tabelle XXV.) und an den
Pfoſten der Thüre p. wovon einer umgeworfen iſt, die Perſon d. welche einen jungen Löwen von der Erde hebt, und feſt an ſich drückt. Dieſe iſt 5 Fuß hoch. Nicht weit von hier iſt ein großes Loch in einem Stein, das, wie es ſcheint, durch die Grundmauer geht. Vielleicht war unter demſelben eine Waſ ſerleitung. Dieß Gebäude hatte drey Abtheilungen,
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und die eine derſelben zwey
Zimmer. (S. G. Tabelle XVIII.) Die Mauern waren 4 Fuß 9 Zoll bis 5 Fuß 1 Zoll dick. Davon aber ſtehen nur ſolche Eingänge, Fenſter und blinde Fenſter, die aus zu großen Stücken beſtehen, als daß die neuern Perſer II. Theil.
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1765. ſie hätten wegbringen können. Denn die Pfoſten der Thüren ſind 1 2 und mehr März: Fuß hoch und aus einem Stücke; einige Fenſter und blinde Fenſter beſtehen gänz
“TTlich aus einem Stücke, und ſind über 6 Fuß breit und 7 Fuß 9 Zoll hoch. Ein Stück, woraus ein ſolches Fenſter gehauen worden, iſt über 1 o Fuß hoch. Die mittlere Abtheilung dieſes Gebäudes hat noch alle Thüren und Fenſter an allen vier Seiten. An den Pfoſten der Thüre l. ſieht man abermal die große Figur c.
(Tabelle 2 5.) mit den zwey Bedienten, wovon einer einen Sonnenſchirm trägt, und der andere etwas als einen Fliegenwedel in der Hand hat. Über dieſen Figuren, etwa 12 Fuß hoch von der Erde, ſind an jeder Seite die drey
Inſchriften B. c. D. Tabelle XXIV. alle neben einander. Es iſt beſonders, daß jede derſelben ein eigenes Alphabet hat: und nicht nur hier, ſondern auch an andern Stellen, findet man dieſelben Schriften an beyden Pfoſten ge gen einander über. Es ſcheint alſo, daß die alten Perſer ſich alle Mühe
gegeben haben, ſich durch ihre Inſchriften zu verewigen, ſo wie die alten Egypter, die ihre Obelisquen oft an allen vier Seiten mit denſelben Hiero glyphen beſchrieben. Beyde Nationen haben ihre Schriftzüge auch bis auf uns gebracht. Allein nicht nur die egyptiſchen Hieroglyphen, ſondern auch dieſe alten perſiſchen Alphabete ſind, leider! jezt ganz unbekannt. Sollten indeß die Gelehrten letztere endlich wieder dechifriren können, ſo muß man dem Bauherrn danken, daß er dieſe Schriften doppelt hat einhauen laſſen. Denn ſie ſind an beyden Thürpfoſten etwas beſchädigt, aber ſo, daß man die Buchſtaben, wel che an einer Seite fehlen, an der andern wieder findet, und daß ich ſie daher vollſtändig habe abſchreiben können. In den Ecken aller Fenſter ſind Löcher, worin vermuthlich die Angeln der Thüren geſtanden haben, wodurch ſie bey ſchlechtem Wetter verſchloſſen werden konnten. Auch in den Ecken der meiſten blinden Fenſter ſind ſolche Löcher. Alle Fenſter und blinde Fenſter in dieſem Gebäude haben oben und an beyden Seiten -
alte Inſchriften.
Einige Reiſende haben daraus den Schluß machen wollen,
daß die alten Perſer, ſo wie die Chineſer, auch von oben nach unten geſchrieben haben. Wenn man aber die Schriften genauer betrachtet, die hier von einigen
copirt worden ſind, und ſie mit meinen Abſchriften vergleicht, ſo wird man fin den,
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den, daß die aufrecht ſtehenden Reihen alle auf der Seite liegen. Die Anzahl 1765. der Buchſtaben iſt daher bey weitem nicht ſo groß, als man es vielleicht aus den März.
Abſchriften meiner Vorgänger vermuthet hat.
Ich habe die verſchiedenen Buch-TT“
ſtaben eines Alphabets, welches am meiſten vorkommt, auf der 23ſten Tabelle geſammlet, und deren nicht mehr als 42 gefunden. Von verſchiedenen kufiſchen, arabiſchen und perſiſchen Schriften, wodurch Mohammedaner ihre Namen an den Überbleibſeln dieſer Kammer verewigt haben, habe ich einige bey A. B. C. E.
auf der Tabelle XXVII. copirt. *)
Letztere ſind erhaben.
Die alten perſ
ſchen Schriften aber ſind ſcharf in den Stein gehauen. Von den Schriften B C. E.
hat ein Herr Jean François Rouſſeau, der zu Isfahäu geboren, und zu meiner Zeit
Secretair bey dem franzöſiſchen Agenten zu Basra war, mir folgende überſetzung gegeben, welche ich unverändert einrücken will.
überſetzung der Aufſchriften B. Dieu eſt le reſtant
Pour le noble des fideles Aly, dont Dieu a remply la face de clemence. Ou ſont ces Rois quietoient elevés plus que toute choſe Ils n' ont ſubſiſtés que jusqu'à ce que le deſtin leur a preſenté la coupe de la mort.
Combien de villes ſuperbes ont été elevées dans l'univers 1eur declin etant leur ruine la mort a entoure leur citoyens.
Ay ben Soltan Kalil fils de Soltan Haſſan a ecrit cecy 1'année 869 (1464) L'écriture du plus petit des creatures le pauvre fils de
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Höſſein eſclave du reſpectable deſcendant du Roide 1'univers, Myrza Ay, 1'année 88r (1476) Ou ſont les princes & les conquerans paſſés
Ils ont amaſſes des treſors, ny ceuxcy ny eux ne ſubſiſtent pas Ibraim Soltan fils de Charok a ecrit cecy 1'année 826 (1422) S 2
über
*) Die unterſte von den drey kufiſchen Inſchriften findet man ſchon Vol. 3. part. 2. pl. 7. p. 528. der philoſophical transactions abridged. Der Copiiſt aber hat eine Reihe hinter der andern geſchrieben, und zwar ſo, als wenn dieſe Schrift, ſo wie die euro päiſchen, von der linken zur rechten geſchrieben würde.
bar.
Die Abſchriſt iſt daherunbrauch
Dieſe kufiſchen Schriften ſind ſchon über 8co Jahr alt und ſchlecht eingehauen.
s
I4O
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis. überſetzung der Aufſchrift C.
O Creature ſache qu'il ny a que Dieu qui ſubſiſte toujours Sans penſer nous ſouhaitons les biens de ce monde mais fachons qu'il n'eſt rien reſté a perſonne pour qu'il nous en reſte Suppoſé que le Royaume de Soliman ſoit accordé au demandeur le royaume, il eſt vray, ſera le meme, mais ou eſt Soliman?
Cette elevation, cette ſplendeur & ces threſors ſans nombres dites nous le quel d'eux le renommé Soliman a emporté. Devient pouſſiere ce qui s'etend ſur la pouſſiere quel profit dont que la pouſſiere nous decouvre ſes threſors Chacun de ſes couches peut preſenter a face d'un homme libre & chaque pas peut fouler un deſcendant de Roy -
O vie paſſée, donc en contentant les coeurs fes oeuvres auſſi ayent lieu de ſe louer de Vous
Tout ceux que Vous verres inclinés a la vertu vous les verres auffi nimplorer quelle.
Ay fils de Soltan Kalil fils de Soltan Haſſan, que Dieu eleve ſon etat, a ccrit cecy dans les mois de l'année 88I. (1476) C'eſt une des graces de Dieu davoir puecrire ſur la pierre cecy.
überſetzung der Aufſchrift E. Dans Tamnée 826 (1422) au mois de Chawal. Sous les loix agſſamkes ſages & moderées du reſpektable appui Calife & Roi de la terre.
Le plus
juſte des Empereurs de la Perſe & du Tourän; le protecteur de la verité, de la Royaute du monde & de la religion; le poſſeſſeur des Victoires Ibraim
Soltan , qui Dieu conſerve toujours ſon pais & ſon Royaume; Cette place par cette circonſtance vient dere rendue heureuſe & hors d'inſulte, parce quelle eſt le lieux des tentes elevées, & le depoſitaire du pavillon de la Royauté. - Le plus petit des ekres, au quel Dieu pardome foujours, Kamaldin Inak, *
etant un des efclaves de cette ſublime porte; a l'écriture de ces paroles a acquis
k titre le plus grand parmy es res heureux. -
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Son
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
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Son deſir eſt que ce tableau parvienne a la poſterité parce qu'il voit impoſſibilité de pouvoir exiſter lui méme Seulement il ſouhaite que quelqu'un par pitie & meſericorde
x 765. März. L-V-.
faſſe quelques prieres pour la verite de la conduite des Derviches. In der Wand nach Norden in dieſem Zimmer ſind drey blinde Fenſter und
zwey Thüren, wie die bey l.
Die Hauptfiguren an den Pfoſten der Thü
ren ſind mit der bey c auf der 25ſten Tabelle völlig einerley. Jede hat zwey Bedienten hinter ſich, wovon einer einen Fliegenwedel iu der einen, und ein Tuch in der andern Hand hat. Was aber der zweyte in den Händen gehabt
hat, iſt nicht mehr kennbar. zwey Thüren.
An der Weſtſeite ſind zwey blinde Fenſter und
In der bey m ſieht man die Figur e auf der 25ſten Tabelle,
welche ohne Zweifel einen Held der alten Perſer vorſtellen ſoll, der mit einem erdichteten Thiere ſtreitet. Die Perſon iſt 7 Fuß 4 Zoll hoch. An jedem Thürpfoſten bey m, iſt eine Perſon in eben der Stellung und Kleidung wie die
eben erwähnte; das Thier aber, womit ſie ſtreitet, iſt das erdichtete Einhorn, welches man ſo häufig an den Treppen findet. In der Wand nach Oſten ſind
drey blinde Fenſter und eine Thür. Hier ſieht man denſelben Held mit einem Löwen fechten. Auf der Südweſtecke des Gebäudes ſteht bey i noch ein Stein aufrecht, über 20 Fuß hoch. Oben an demſelben ſind drey ſogenannte perſepo
litaniſche Inſchriften, *) und weiter unterwärts, aber noch ziemlich hoch,
eine
ſehr wohl geſchriebene Aufſchrift D auf der 27ſten Tabelle. Weiter iſt von den Wänden nach Süden und Weſten nichts mehr übrig, als ein blindes Fenſter und eine Thüre k.wo an jedem Pfoſten 2 Perſonen in langen Kleidern, und wait
Spießen ſtehen. Von der Wand nach Oſten ſteht in dieſer Kammer auch faſt
nichts mehr, als etwa die Hälfte von einem hohen Eckſtein bey h. Sehr vieles von dieſem Gebäude iſt von hier weggebracht worden, und darunter vermuthlich auch die Thüren, welche man jezt auf einem Hügel nicht weit von Schiräs ſiehet. Die erwähnte Aufſchrift D Tabelle XXVII. lautet nach der Überſetzung des Herrn
DRouſſeau wie folget: -
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S 3
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*) Le Bruyn hat ſie copirt, aber ſehr undeutlich.
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Si
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Perſepolis.
Si l'empire & le royaume de la Perſe ont été ſoutenu par les loix de Feridon Zehak & Wakam
jusqu'à preſent, ſon throne n'ayant regu aucun domage Et n'ayant été jamais affoibli par les revolutions
cependant il n'a pas été auſfielevény dans ſanaiſance ny dans ſon declin que le throne de Soliman que Dieule recompenſe Mais a la fin n'a tupas vu qu'il eſt en pouſſière
donc heureux celui qui a repandu des bienfaits avant que de partir Quique Vous ſoyés, il faut que Vous cultivés 1'arbre de clemence pour gouter les ſituations des bien heureux & de 1'abondance. L'ecrivain de cecy eſt Ibraim Soltan fils de Charok
1'année 826 (1422)
Von dem Gebäude H, welches etwas höher lag als das vorhergehende bey G. Tabelle 18, iſt weiter nichts mehr übrig als die Merkmale auf dem Felſen, wo Säulen geſtanden haben, und darnach ſind ſelbigeunten 3 Fuß dick
Beyq iſt eine Treppe, die aber, ſo wie die Mauer q. r. gröſten
geweſen.
theils mit Erde bedeckt iſt. Das, was man davon noch ſieht, iſt alles mit Fi guren und Schriſten geziert. Erſtere haben einen Spieß vor ſich ſtehen, einen
Bogen über der linken Schulter, und einen Köcher auf dem Rücken, ſo wie
die an der Treppe b.
Sie ſind aber viel größer.
Zwiſchen den beyden Ge
bäuden H. und I. war ein ſchmaler Gang beyr. deſſen Wände auch mit Figuren - bedeckt ſind. *) -
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Von den überbleibſeln des Gebäudes I. ſieht man auf der TabelleXXVIII. einen Proſpekt. Vergleicht man dieſe mit den überbleibſeln des Gebäudes G auf der 26ſten Tabelle, ſo kann man nicht anders urtheilen, als daß entweder der Stein
ſchlechter, oder daß es um viele hundert Jahre älter ſey. Dieß war
vielleicht das allererſte Gebäude, was von dem ganzen Tempel oder Palaſt ange legt worden iſt. Es liegt einige Fuß höher als das Gebäude G, wenigſtens 3 1
Fuß über der Fläche R(Tab. 18.) und alſo mit der Höhe der Hauptmauer, mehr als -
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–*) Die zwey Wände an dem ſchmalen Gang ſind aus Verſehen im Kupfer als eine dicke Mauer angedeutet worden.
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als 50 Fuß über dem Horizont, und auf einem Felſen. Die ſteile Mauer ſt. 1765. beſteht meiſtentheils aus dem Felſen ſelbſt. Bey ſ hat der Baumeiſter eine März Treppe von dieſem Felſen ſtehen laſſen, wovon jezt noch 29 Stuffen übrig ſind. TT“ Davon iſt jede Stuffe ungefähr 6 Zoll hoch. Dieſe Treppe iſt alſo nicht ſo be quem als die übrigen unter dieſen Ruinen, die wahrſcheinlich erſt nachher ge baut ſind. Bey t. ſcheint auch eine Treppe geweſen zu ſeyn, aber von gehauenen Steinen, die nach und nach weggetragen worden ſind. An beyden
Stellen, / und t. ſind oben noch Treppen in einem Theil des Gebäudes I. Der ganze Fußboden in dem Hauptzimmer dieſes Gebäudes iſt ein purer Fels, von welchem der Baumeiſter an allen Stellen, wo Säulen ſtehen ſoll ten, eine Erhöhung von 2 Zoll, und 3 Fuß im Durchſchnitt hat ſtehen laſſen. Daraus ſieht man daß in dieſem Zimmer 36 Säulen geweſen, die aber alle weggetragen ſind. Mitten in dieſer Colonnade iſt eine Waſſerleitung in dem Felſen ausgehauen. Dieſe war bedeckt geweſen; jezt iſt ſie zum Theil wieder offen. In der Wand nach Norden waren 2 Thüren, wovon die bey zu. am wenigſten durch die Zeit gelitten hat. Ihre Pfoſten ſind 3 Fuß 3 Zoll dick,
und 7 Fuß 2 Zoll (die ganze Dicke der Mauer) breit.
Mit dem Stein welcher
über dem Eingang liegt, iſt ſie 14# Fuß hoch. Auch hier ſieht man die Figu ren c. der 25ſten Tabelle, welche ſo oft inwendig in dem Gebäude G vorkom men, und über denſelben an beyden Pfoſten, die Schriften E. F. G. der 24ſten Tabelle. An dieſer Seite waren 5 Fenſter, wovon die drey zwiſchen den Thü ren, und eins an der Oſtſeite verfallen ſind. In einem Fenſter an der Weſtſeite der Thüre u. ſtehen an jeder Seite drey Figuren. Von der Wand nach Oſten iſt faſt nichts mehr übrig, als die Pfoſten von einer Thür. Die Figuren und
Inſchriften an denſelben ſind mit denen in der Thür zu einerley. *)
In der
Wand nach Süden ſcheint auch eine Thür geweſen zu ſeyn, die an jeder Seite drey *) Bey dieſen Inſchriften machte ich die Anmerkung, daß zwey Buchſtaben, die man in der einen Thür am Ende der dritten Reihe findet, in der andern in Anfang der vierten
Reihe ſtehen.
Die Gelehrten alſo, die ſich die Mühe geben wollen, ſelbige zu dechi
friren, können ziemlich gewiß ſeyn, daß ſie, ſo wie die europäiſchen Schriften, von der linken zur rechten geſchrieben ſind.
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. drey Fenſter gehabt hat. Von den an der Oſtſeite der Thüre ſteht noch das März. Mittlere, welches inwendig an jedem Pfoſten 3 Figuren hat. Die vorderſte,
“TT eine Frauensperſon, trägt ein Geſchirr h. (Tabelle 2 5.) zwiſchen beyden Händen. Die mittlere, eine Mannsperſon, trägt das Gefäß , in der einen Hand, und hat die andere Hand auf ſelbiges gelegt.
Die dritte, wiederum eine Frauens
perſon, trägt etwas rundes, als einen Kuchen, auf beyden Händen welche ſie unter einander hält. Von den 3 Fenſtern an der Weſtſeite der Thüre iſt nur ein Pfoſten mehr übrig, auf dem man gleichfals die Figuren ſieht, welche eben be ſchrieben worden ſind. In der Wand an der Weſtſeite dieſer Colonnade war auch in der Mitte eine Thüre, wovon noch ein Pfoſten ſteht, auf welchem eben die Figuren ſind, die man an der Thüre zu. findet. Die Inſchriften aber ſind verſchieden. Von 3 Fenſtern die an jeder Seite waren, ſtehen nur 3 Pfoſten,
mit eben den Figuren, wie an dem vorherbeſchriebenen Fenſter. Nach Norden iſt ein Zimmer, ſo lang als der ganze Saal.
In der einen
Wand deſſelben ſteht noch eine hohe Thüre, und an jedem Pfoſten derſelben zwey Männer mit Spießen. Auch ſieht man hier noch einen Pfoſten von einem Fen ſter, mit 3 Figuren. In der Nordweſt und Nordoſtecke ſtehen Steine aufrecht, die 22 Fuß hoch ſind. Jeder hat drey Inſchriften, ſo wie der Eckſtein in dem
Gebäude G, ſie ſind aber mehr durch die Zeit verdorben und alſo älter. Von der Wand nach Norden iſt gar nichts mehr übrig. Die Zimmer an beyden Sei ten des großen Saals ſind völlig auf einerley Art angelegt, wie aus dem Grund riß erhellt. Sogar ihre Ruinen ſind noch faſt in gleichem Zuſtande. Jedes der beyden Eckzimmer nach Süden hatte zwey Abtheilungen, und war alſo in
drey kleine Kammer getheilt.
War alſo dieß Gebäude das älteſte und ein Tem
pel, ſo waren die Nebenkammern vermuthlich die Wohnung der Geiſtlichen. Inwendig an den Pfoſten eines Fenſters ſteht eine Frauensperſon, und hinter derſelben einer, der ein Schaf bey den Hörnern gefaßt hat. In jedem der mitlern Seitenzimmer ſind Merkmale von 4 Säulen. Hier ſtehen noch Thür
pfoſten mit ähnlichen Figuren wie bey c der 25ſten Tabelle. Einige davon haben
die Gefäße fg. k. in den Händen. dorben.
Dieſe Stücke ſind durch die Zeit ſehr ver
Von den äußern Wänden in den Eckzimmern nach Norden iſt nichts -
mehr
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
I45 -
mehr übrig.
Dieß Gebäude ſtand nur an der Nordſeite auf der Hauptmauer, 1765.
an den übrigen drey Seiten war ein ſchmaler freyer Gang.
März
An der Nordſeite, und dicht an dem Gebäude 1 ſtand ein anderes, wo-TT“ von jezt nichts mehr übrig iſt, als die beyden Treppen N. N und Merkzeichen von vier Säulen. Vielleicht war dieß ein Theil des Gebäudes I. Denn da an den Gebäuden G und H ſo ſchöne Treppen ſind, ſo iſt es nicht zu vermuthen, daß der Baumeiſter zu dem Gebäude 1 nicht beſſere Treppen angelegt haben ſollte,
als die bey ſ und t. treppe.
Beyde Treppen N ſind eben ſo angelegt, wie die Haupt
Jede hat nemlich zwey Aufgänge, und in der Mitte einen Ruheplatz.
Die eine derſelben welche zwiſchen den Gebäuden 1 und G liegt, iſt faſt ganz mit
Erde bedeckt. Die andere ſteht noch ganz frey, und hat an jeder Seite zweymal 13 oder 26 kleine Stuffen. An dieſer ſieht man viele Figuren und Schriften, ſie haben aber durch die Zeit ſehr viel gelitten. Zwiſchen den beyden Treppen iſt
ein großer unterirdiſcher Gang (vermuthlich eine Waſſerleitung) in dem Felſen ausgehauen. *) Auf dem Hügel bey M war ehmals auch ein Gebäude. Davon ſind noch 5 Pfoſten von 3 Thüren, oder vielmehr ſo viel Seitenwände von drey Eingän gen übrig, die eben ſo groß ſind, als die in dem Gebäude L. deren ich nachher
erwähnen werde.
Die Hauptfigur an den Wänden v. iſt eben dieſelbe, welche
auf der 29 und 3oſten Tabelle auf einem Stul ſitzend, mit einem Becher in
der einen und einem Stock in der andern Hand vorgeſtellt wird. Derjenige aber, welcher *) Die Bauern aus dieſer Gegend verſichern, daß Leute ſo weit in denſelben hinein gegangen
ſind, daß kein Licht mehr brennen wollen, ohne daß Ende davon erreicht zu haben. Dieß iſt nicht unwahrſcheinlich. Aber ſie ſagen auch, daß darin große Schätze vers borgen ſind, wozu Niemand kommen kann, weil man unterweges ein großes Rad, ganz mit Diamanten beſetzt, antrift, das ſich beſtändig mit einer großen Geſchwindig keit herumdreht, und jeden der ſich ihm nur nähert, mit ſortreißt. Ich habe nie mals Luſt gehabt, mich weit in ſolche unterirdiſche Gänge zu wagen, weil ſie Woh
nungen wilder und giftiger Thiere zu ſeyn pflegen. Hier würde meine Mühe auch ver gebens geweſen ſeyn; denn Chardin, der ſich ziemlich weit hinein wagte, kam wieder zurück, ohne etwas merkwürdiges angetroffen zu haben, -
II. Theil.
T
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. welcher hinter dem Stul ſteht, hat auch einen Becher in der Hand. Unten März ſtehen viele kleine Figuren, die ihre Hände in die Höhe halten. Dieſe ſind zunu
“TT“Theil, wie es ſcheint, muthwillig zerſtümmelt.
An den übrigen dreyen Pfo
ſten ſieht man die Figuren c. der 25ſten Tabelle.
Sonſt iſt von dieſem Gebäu
de, das, nach den Eingängen zu urtheilen, ſehr anſehnlich geweſen ſeyn muß, nichts mehr übrig, als einige Grundmauern, und die Piedeſtäle von zwey groſ ſen Säulen. Das übrige iſt nach und nach entweder mit Erde bedeckt, oder von hier weggebracht worden. -
Die Überbleibſel von dem kleinen Gebäudek. ſtehen, nach den an demſel ben befindlichen Figuren zu urtheilen, ohngefehr 3 Fuß tief in der Erde. Es ſcheint daß ſelbiges nur zwey Zimmer gehabt habe. Das an der Südſeite hatte 4 Thüren. An den Pfoſten der Thüre nach Weſten findet man den Held, der mit einem Löwen ſtreitet. An dieſer Seite ſtehen auch noch drey blinde Fenſter.
Von der Thür und den Fenſtern an der Oſtſeite iſt das meiſte niedergefallen. Von der Wand nach Süden ſteht noch eine Thüre. An den Pfoſten derſelben ſieht man einen Mann, der in der einen Hand einen Becher, und in der andern einen Stab hat. Der eine von ſeinen Bedienten hat in der einen Hand einen Flie genwedel, und in der andern eine Serviette. Das was der zweyte Bediente trägt, iſt mit Erde bedeckt. An den Thürpfoſten in der Scheidewand ſtehen die Figuren c. der 25ſten Tabelle. Von dem andern Zimmer dieſes Gebäudes ſte hen noch zwey Thüren. An jedem Pfoſten derſelben ſieht man zwey Männer mit Spießen. Auch hier ſtehen auf den Ecken hohe Steine, wie in den Ge bäuden H, und I. aber ohne Inſchriften. Das Gebäude L. iſt das weitläuftigſte von allen, wenn nicht die Colonna den B, C, D, E, nur ein Gebäude ausgemacht haben. An jeder der vier Seiten waren zwey Eingänge, wovon die bey w. w und X.X beſonders groß und merk würdig ſind. Bey w. w war die Mauer 1 o Fuß dick, und alſo die Wände der hier befindlichen Thorwege eben ſo breit. Doch beſteht eine ſolche Wand
nicht aus einem einzigen Stücke, wie die Thürpfoſten y. z. aa. bb. und die in den übrigen Gebäuden, ſondern aus verſchiedenen ſehr großen Stücken, die ho rizontal auf einander gelegt ſind. An jedem der vier großen Thürpfoſten W. ſtehen
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*) Bey den Perſern ſieht man jezt keine Stüle mehr, aber noch ſehr oft bey den Indiern
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ſtehen
Beſchreibung der Ruinen
von Perſepolis.
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ſtehen die Figuren der 29ſten Tabelle. Hier ſcheint der König oder der oberſte 176 5. Geiſtliche Audienz zu geben, oder Gericht zu halten. Er ſitzt auf einem Stul, März.
und hat einen Schemel unter den Füßen. *)
An den Händen ſieht man noch TT“
Löcher in dem Stein, vermuthlich alſo waren in demſelben goldene Armbänder befeſtigt. Auch ſcheint die Mütze oder die Krone mit Metall belegt geweſen zu ſeyn. Die Perſon welche mit dem Fliegenwedel hinter dem Stul ſteht, ſoll meiner Meynung nach, eine Frauensperſon vorſtellen; denn ſie hat einen beſon
dern Kopfputz, der dem Schleyer der morgenländiſchen Weiber nicht unähnlich iſt, anſtatt daß die Verſchnittenen, wofür andere Reiſende ſie angeſehen haben, ſich in den Morgenländern eben ſo kleiden als die Mannsperſonen. Die unten ſtehenden Figuren, welche alle bewafnet und übrigens eben ſo gekleidet ſind,
wie die auf der 21ſten Tabelle, ſollen wohl die Leibwache vorſtellen.
Von den
großen Thürpfoſten bey x, x, welche 9 Fuß breit ſind, iſt eine auf der Tabelle
XXX. gezeichnet. In der Hauptſache ſind alle vier gleich. Die Kleidung der unterſten Figuren aber, die gleichſam den Thron ihres Herrn tragen, iſt etwas verſchieden; ich habe ſie daher auf der erwähnten Tabelle alle geſammlet. Es iſt merkwürdig, daß man hier Perſonen in der langen Kleidung, alſo vornehme
Perſer, und auch Kafrs aus Africa antrift.
Letztere erkennt man ganz deutlich
an ihren kurzen krauſen Haaren und dicken Lippen.
Ganz oben, ſowohl an
den Eingängen x. als w. ſind kleine Figuren, die gleichſam in der Luft ſchweben. Dieſe findet man nicht auf meiner Zeichnung, aber ſchon bey Chardin. An den Pfoſten der Thüre y. ſieht man den Helde. Tabelle 2 5. das Thier aber womit er ſtreitet, hat einen krummen Schnabel, und der Held faßt es bey einem Ohr. In der Thüre Z. ſteht eben dieſe Perſon mit einem Löwen; in der Thüre a. a.
mit einem geflügelten Einhorn, und bey b. b mit dem Einhorn, welches faſt an allen Treppen unter dieſen Ruinen vorkommt.
In der Wand nach Norden ſtehen, außer den 2 Thorwegen, noch 9 Fen ſter, die ein anderer ſonſt aufmerkſamer Reiſender für kleine Thüren angeſehen hat. Er ſcheint alſo nicht bemerkt zu haben, daß der Fußboden von dem hieher geweheten Staube wenigſtens zwey Fuß erhöht worden iſt. An der Weſt -
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Süd
*) Bey den Perſern ſieht man jezt keine Stüle mehr, aber noch ſehr oft bey den Indiern.
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. Süd- und Oſtſeite ſieht man eben ſo viele blinde Fenſter, d. i. daſelbſt ſind die März Steine, anſtatt der Fenſteröfnungen, nur halb durchgebrochen. Wahrſchein
“TT"lich aber war auch dieß Gebäude oben bedeckt.
Vielleicht waren über den blin
den Fenſtern noch ordentliche Fenſter, die nach und nach herunter geworfen, und weggeführt worden ſind. Vor dem Gebäude waren zwey ſtarke Mauern c. c.
und an jeder derſelben, wie es ſcheint, eben daſſelbe große Thier, welches man an den Wänden A. Tabelle 2 o findet. In den Thüren dieſer Mauer (ſo wie an den Haupteingängen zu den übrigen Gebäuden) ſtehen an jedem Pfoſten zwey Männer mit Spießen.
Dieſe ſollen alſo die Wache vorſtellen.
Merkwürdig
ſcheint es, daß man hier die Figur c. Tabelle 25, die in den übrigen Gebäuden ſo oft vorkommt, nicht anders ſieht, als wo ſie auf dem Stul ſitzt. Dießwar alſo vielleicht ein weltliches Gebäude, wo etwa Fremden Audienz gegeben ward.
In und vor demſelben liegen noch viele Stücke von Säulen zerſtreut auf der Erde. Gerade vor dieſem Gebäude bey o. Tab. 18. liegen noch viele Steine von einem ebenſo großen Thorwege, als die bey A. und E. Man findet hier
auch noch Stücke von großen Säulen die glatt ſind, (nicht geriffelt, wie die übrigen Säulen unter dieſen Ruinen) und den doppelten Vordertheil eines Thiers, das ohne Zweifel als ein Capital gedient hat. Nicht weit von hier nach Weſten
ſtehen die großen Eingänge A. E. nahe bey der Haupttreppe. Welch ein präch tiger Anblick muß es alſo nicht für einen Fremden geweſen ſeyn, der durch dieſen Weg, zwiſchen ſo vielen Säulen und Wänden von dem ſchönſten Marmor, die mit erſtaunlich großen und wohlausgehauenen Figuren geſchmückt waren, zudem Gebäude L geführt ward.
Dieß ſind die vornehmſten Überbleibſel von dem ehmals prächtigen Palaſt zu Perſepolis, der ſchon vor mehr als 2ooo Jahren zerſtört worden iſt. Alle brauchbare Stücke, die ohne gar zu große Mühe weggebracht werden konnten, ſind längſtens nicht mehr hier. Indeß verdient dasjenige, was übrig iſt, noch von einem jeden bewundert zu werden.
Man ſieht daraus, daß die Perſer die
Bau- und Bildhauerkunſt ſchon lange vor den Griechen auf einen hohen Grad gebracht haben.
Das meiſte iſt ſehr wohl angelegt.
In der Südweſtecke lie
gen zwar die Gebäude gleichſam auf einander, und hier ſind in der Hauptmauer auch
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
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auch ſo viele Winkel, daß der Umriß dadurch verunſtaltet worden iſt.
Man 1765.
weiß aber nicht, wie lange der Palaſt bewohnt geweſen iſt, bis Alexander ihn März
zerſtörte.
Er mag anfänglich ein Palaſt oder Tempel geweſen ſeyn, ſo kann er TT“
verſchiedene Baumeiſter gehabt haben; denn ſo wie die Eigner, ſie mögen Geiſt liche oder Weltliche geweſen ſeyn, reicher wurden, und mehrere Leute in ihren Dienſt nahmen, ſo können ſie auch neue Gebäude aufgeführt haben. So wird oft ein Platz bebaut, der nach der Anlage des erſten Baumeiſters hätte ganz frey bleiben ſollen.
Le Bruyn rechnet die Anzahl aller Figuren, die man noch jezt unter die ſen und den nahe dabey liegenden Alterthümern findet, auf 1 3oo.
Ich habe
mir nicht die Mühe gegeben, ſie zu zählen, glaube aber nicht, daß die erwähnte Anzahl zu groß angegeben iſt. Es würde überflüſſig ſeyn, ſie alle zu zeichnen, weil man ſo wenig Veränderung unter denſelben findet. Unter meinen Zeich
nungen wird man die meiſten Kleidertrachten ſehen, die man hier antrift, und einige erdichtete Thiere und Proſpekte, die ich nicht gezeichnet habe, findet man bey Chardin und le Bruyn.
Ich meyne alſo nicht, daß die Gelehrten in
dieſer Abſicht noch mehrere Zeichnungen von Perſepolis brauchen werden. *) Aber das wünſchte ich, daß ein künftig dahin kommender Europäer noch mehrere T 3
VOIT
*) Da wir bey unſerer Ausreiſe gar keinen Befehl hatten nach Perſien zu gehen, und ſchon in Eaypten die Nothwendigkeit fanden, auf der Reiſe nach Arabien ſo wenig als nur
möglich bey uns zu führen, ſo ſchickten wir von ZKáhira alle Bücher zurück, welche wir vlaubten, nur einigermaßen entbehren zu können.
Ich hatte daher jezt keine Be
ſchreibung von Perſepolis bey mir, als nur diejenige, welche Rämpfer in ſeinen Amoenit. exot. geliefert hat, und habe daher die Zeichnung der oben erwähnten Rei ſenden nicht mit dem Original vergleichen können. Die meinige iſt bisweilen von bey den verſchieden. Künftig Reiſende werden es entſcheiden wer den meiſten Fleiß ange wandt hat.
Das kann ich aber nicht billigen, daß le Bruyn die Zeichnung des Herrn
Chardin ſo ſehr tadelt.
Meiner Benrtheilung nach, hat ſelbſt erſterer viele Zeichnun
gen auf der Stelle nur mit der Bleyfeder entworfen, und ſie erſt hernach mit Dinte
gezeichnet, wodurch wohl vieles unkenntlich worden iſt. Er würde alſo beſſer gethan haben, wenn er ſeine Anmerkungen über Chardin und Kämpfer aar nicht bekannt gemacht hätte; denn darinn giebt er dieſen Reiſenden oft Fehler Schuld, um ſeine eigene fehlerhafte Zeichnungen zu vertheidigen.
I 5O
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765. von den daſelbſt befindlichen alten Schriften copiren möchte, und zwar ſo, daß März. man in der Zeichnung, wie auf dem Original jeden Buchſtab unterſcheiden könne.
“TT-Dieß iſt weder von Kämpfer, Chardin noch le Bruyn geſchehen, und ich ver muthe, daß dieß die Urſache ſey, warum noch kein Gelehrter ſich an ihre Erklä rung gemacht hat. Ich will auf der Tabelle XXXI. noch eine, oder vielmehr vier Inſchriften H, I, K, L beyfügen, die ich etwa in der Mitte an der Haupt mauer nach Süden, alle neben einander, angetroffen habe. Der Stein wor auf ſie ſtehen, iſt 26 Fuß lang, und 6 Fuß hoch, und dieſer iſt ganz damit be deckt. Man kann alſo daraus die Größe der Buchſtaben beurtheilen. Auch hier
ſind drey verſchiedene Alphabete. Hinter dem Gebäude L. und in einer ziemlichen Höhe am Berge Rachmed bey P. Tabelle 18, iſt ein prächtiges Stück des Alterthums, auch noch ſehr wohl behalten. Hier iſt ein großes Stück aus dem Felſen gehauen, um ihn ſenkrecht zu machen; und dieſe prächtige Facade prangt mit vielen Figuren, Säulen und
andern architectoniſchen Zierathen. An einigen Stellen, wo der Fels vielleicht nicht weit genug heraus ging, hat man den Platz mit andern Steinen ausgefüllt.
Dieß ſieht man daran ſehr deutlich, daß einige große Steine mit Figuren, die hier geſtanden haben, herunter gefallen ſind. Unten ſind verſchiedene Stufen, ſo lang als das ganze Werk breit, aber viel höher als daß ſie zu einer Treppe hätten dienen können.
Vielleicht alſo ſtanden daſelbſt Gebäude, die in der langen
Reihe von Jahren nach und nach abgetragen ſind; oder die großen Stufen wur den mit kleinern ausgefüllt, wenn man Geſchäfte zu dieſem Gebäude hatte. Meine Augen hatten durch die Zeichnung der Ruinen des Palaſtes, und beſon ders bey dem Abſchreiben der vielen Schriften, vornehmlich der hoch ſtehenden, die man nicht recht deutlich ſehen kann, als wenn die Sonne darauf ſcheint, ſo viel gelitten, daß ich mich nicht an die Zeichnung dieſer hohen Facade wagen konnte. Dieſe Mühe würde auch überflüſſig geweſen ſeyn, da man davon ſchon Abbildungen in verſchiedenen andern Reiſebeſchreibungen findet. Man wird daraus bemerken, daß die hier befindlichen Figuren und andere Zierathen mit de
nen am Palaſt eine große Ähnlichkeit haben.
Man kann alſo den Schluß machen,
daß der Herr, welcher ſie bauen ließ, von eben der Religion geweſen, worzu der Stifter
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
I5
Stifter des Palaſtes oder Tempels ſich bekannte. Ob aber dieß die Religion 1765. des Zoroaſters oder der jezigen ſogenannten Feueranbeter geweſen ſey, daran März ſollte man faſt zweifeln. Wenn in den Tempeln der Parſis, wovon man noch viele in Perſien und Indien antrift, der Prieſter vor dem heiligen Feuer ſteht, um ſeine Andacht zu halten, ſo hat er ein Tuch vor dem Munde, damit das Feuer nicht von ſeinem Othem verunreinigt werde. Derjenige welcher oben an dieſer Facade vor dem Altar ſteht, auf welchem ein Feuer brennt, hat dagegen das Ge ſicht ganz frey. Der Prieſter hat jezt etwas in der Hand, womit er das Feuer aufrühren kann. Die Figur welche hier vor dem Feuer ſteht, hat einen Bo gen in der Hand, der zu der erwähnten Arbeit wohl nicht gebraucht werden konnte. Die Kammern, welche man hinter dieſer und andern ähnlichen Facaden in dieſer Gegend findet, und die von außen ſo lange verſchloſſen waren, bis ſie durch Ge walt geöfnet worden, ſind jederzeit, und dieß nicht ohne große Wahrſcheinlich keit, für Begräbniſſe gehalten worden. Die jezigen Parſis aber begraben ihre
Todten nicht, ſondern laſſen ihr Fleiſch von Raubvögeln freſſen.
(S. 5o)
Doch dieſe Werke des Alterthums können älter ſeyn, als die Gewohnheit der Perſer ſich, nach dem Beyſpiel der Magier, von wilden Thieren freſſen zu laſſen,
und ſelbſt die perſiſchen Könige, welche würklich Anhänger der Lehre des Zoroa ſters waren, können die Erlaubniß gehabt haben, ſich begraben zu laſſen. Da von den verſchiedenen Caſten der Indier, die einerley Religion haben, einige ihre Todten verbrennen, andere ſie begraben, und noch andere ſie ins Waſſer wer fen, ſo kann es ſeyn, daß man mit den todten Körpern der perſiſchen Könige und anderer großen Herren auch nicht eben ſo verfahren iſt, als mit den Todten
aus den niedrigen Claſſen.
Derjenige der hier vor dem Altar ſteht, kann
einen weltlichen Fürſten vorſtellen, und er iſt zu weit vom Feuer, als daß dieß
Element von ſeinem Hauch erreicht werden könnte.
Bey Q_ Tabelle 1 8 iſt ein Waſſerbehältniß, Brunn, oder was es ſonſt geweſen ſeyn mag, ohngefehr 1 2 Fuß im Viereck, ganz aus dem Felſen
gehauen.
Es iſt etwa noch 16 Fuß tief, das übrige iſt mit Erde und Steinen angefüllt. Die obere Öfnung ſcheint bedeckt geweſen zu ſeyn ; und aus einigen Löchern, die man in dem Felſen ſieht, könnte man muthmaßen, daß hier Thü ren,
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1765.ren, und alſo auch ein Gebäude geſtanden habe. Man findet hier gleichfals noch März -N-
Waſſerleitungen aus dem puren Felſen gehauen. Weiter ſüdlich ſieht man eine andere Facade von einem Begräbniß die von
der vorher erwähnten nur wenig verſchieden iſt, aber weit mehr durch die Zeit gelitten hat. Auch davon hat Chardin eine Zeichnung geliefert. Weil der Eingang zu dieſem nicht ſo beſchwerlich iſt, als zu dem andern, ſo kroch ich durch
die Öfnung, fand aber, zu meiner Verwunderung, nur ein länglichtes Zim mer, und in demſelben Waſſer. Nach unſerer jezigen Bauart zu urtheilen, iſt es nicht wahrſcheinlich, daß man um dieſer kleinen Kammer willen ſo viele Mühe und Koſten angewandt habe, um den Felſen ſenkrecht zu machen, und ihn mit ſo vieler Bildhauerarbeit zu zieren. Warum aber baueten die alten Egypter ſo
prächtige Pyramiden? Man hat bisher auch in ſelbigen nur wenige Kammern gefunden, um derentwillen man jezt gewiß kein Gebäude aufführen wird, daß nur den hunderten Theil Koſten und Mühe erfodert. Eine Viertelſtunde Weges weiter nach Süden, und an demſelben Berge hat man gleichfals ein Stück des Felſen, der auch hier ſchräg unterwärts geht,
ſenkrecht gemacht.
Die Steine, welche man hier weggenommen hat, ſind gleich
oben auf die Facade gelegt, um ſelbige zu erhöhen: und an dem Felſen ſelbſt hat
man gleich die Figuren ausgehauen.
Mit dieſem Werke aber iſt man nicht weit
gekommen. Nur die Figur, welche oben in freyer Luft zu ſchweben ſcheint, ein runder Körper der vermuthlich die Sonne vorſtellen ſoll, und die Perſon in der
langen Kleidung mit einem Bogen in der Hand, welche vor einem Altar ſteht, ſind ganz, und einige Figuren an der Seite ſind halb fertig geworden. So iſt
dieß Stück, vielleicht weil der Bauherr ſtarb, oder weil zu der Zeit eine andere Religion in Perſien eingeführt ward, oder aus andern Urſachen, liegen geblie
ben. Indeß ſind ſchon viele große Steine von dem Felſen abgeriſſen, die noch nicht weggebracht worden ſind. In der Ebene und nicht weit von der Südweſtecke des Palaſtes ſind noch
einige Überbleibſel von einem Gebäude.
Darunter iſt eine aufrecht ſtehende
Säule, die auf dem Proſpekt Tabelle 19 angedeutet worden.
Dieß iſt alſo
die zwanzigſte Säule, welche von den hier befindlichen Ruinen noch aufrecht ſteht.
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Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
I6 I
theils arme Handwerksleute, die mit ihrer ſchlechten Geräthſchaft von Dorf zu 1765.
Dorfzogen, um Arbeit zu ſuchen.
Die Bauern, ſowohl aus Merdaſt als März
andern nahe liegenden Dörfern, beſuchten mich fleiſſig.
An den Feſttagen kam TT“
bisweilen eine ganze Parthey Weiber und Mädgen, die gleichfalsbegierig waren, einen Europäer zu ſehen. Alle dieſe guten Leute bezeigten ſich ſehr beſcheiden, und ich lebte ſo ſicher unter ihnen, als in irgend einem Dorfe in Europa. Ich war faſt täglich von des Morgens um acht bis des Abends um 5 Uhr bey den Rui
nen zu Tſchil minär. Am 19ten März zeichnete ich zu Hauſe. Die Bauern machten daraus den Schluß, daß ich das Feſt Naurüs feyerte. Der Kalantär oder Dorfſchulze erkundigte ſich deswegen, wann wir Naurüs, d. i.AEquinoëtium haben würden ? denn dießfeyern ſie noch jezt, ſo wie ſchon in den älteſten Zeiten. Ich verſicherte ihn, daß wir an dem folgenden Tage Tag und Nacht gleich haben würden. Hieraufward gleich beſchloſſen, daß man in dieſem Dorfe am 2oſten März Naurüs halten wollte, ohne ſich darum zu bekümmern, wann man dieß Feſt in den benachbarten Dörfern feyern würde. Es ſcheint alſo, daß die Perſer,
in Anſehung ihrer Feſttage eben ſo ungewiß ſind, als die Egypter und Araber.*) Am 2oſten waren die Bauern beſſer gekleidet als gewöhnlich, und arbeiteten an dieſem Tage nicht. Dieß war es alles, woran man ſah, daß heute ein Feſttag
war.
Weil der Ramadän noch nicht zu Ende war, ſo durften ſie den ganzen
Tag über weder eſſen noch trinken. Dieſen Verluſt erſetzten ſie zwar des Nachts, aber auch in aller Stille. Am 22ſten ſah man den Neumond, und darauf ward
an dem folgenden Tage das Feſt Beiräm, aber auch in aller Stille, gefeyert. Tſchil minär liegt ſchon in einer Einöde. Während der Zeit, da ich mich daſelbſt aufhielt, kamen nach und nach 8 bis 1o herum wandernde Fami lien Turkmannen und Kurden, die mit kleinen Heerden die umherliegenden vor treflichen, aber zum Theil unbebaut liegenden Felder beſuchten. Da ſie einen Menſchen in europäiſcher Kleidung bey den Ruinen ſahen, kamen ſie oft zu mir, und wunderten ſich, daß einer die Neugier haben könnte ſo weit zu reiſen, und hier *) Beſchreibung von Arabien S 117, 118.
II. Theil.
3:
162
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
1 765. hier ganze Tage zu zeichnen und zu ſchreiben. März.
Keiner aber ſagte mir ein unhöfli ches Wort, ob ich gleich gemeiniglich keinen Menſchen bey mir hatte, als bloß
-N
'meinen Bedienten. Dieſer hatte noch den Vortheil von ihrem Beſuch, daß er Milch in überfluß von ihnen bekommen konnte, und alſo nicht nöthig hatte, täg lich Eſſen von Merdaſt mitzunehmen.
An den drey Tagen des Beyräms kamen
viele Bauern, und auch Weiber und Mädgen aus den benachbarten Dörfern, theils auf Eſeln theils zu Fuß; vielleicht bloß um nach den Ruinen zu ſpazieren, vielleicht auch um den Fremden zu ſehen, der hier in ihre Nachbarſchaft gekom
men war.
Die wenigſten, ſowohl von dieſen als den Weibern der Turkman
nen und Kurden, hatten ihr Angeſicht bedeckt. Weil die Perſer ſehr abergläu biſch ſind, ſo findet man ſelten einen, der nicht einige geſchriebene Zettel in Leder eingewickelt, oder Amulete von anderer Art trägt. Eins dieſer Bauermädgen hatte ein Stück Silber mit hebräiſcher Schrift auf der Bruſt hangen, und glaubte ganz gewiß, daß es ihr nicht an Freunden fehlen könnte, ſo lange ſie dieß Stück beſitzen würde. Ich hörte bey dieſer und verſchiedenen andern Gelegenheiten, daß die Mohammedaner ſich nicht darum bekümmern, von welcher Religion der jenige iſt, der Amulete für ſie ſchreibt. Es iſt genug, wenn man ihn für einen frommen oder gelehrten Mann hält. Man hat auch oft von mir derglei
chen Zettel für Krankheiten und andere unglückliche Zufälle verlangt. Der angenehmſte Beſuch, den ich hier von den Einwohnern hatte, war
von einem Araber aus Syrien, vermuthlich einem Metaueli.
Er nannte ſich
aber einen Araber von Bahhrein, und dieß gab ihm kein geringes Anſehen, weil die Schiiten ihre gröſten Gelehrten von dieſer Inſel zu erhalten pflegen. Dieß war der einzige, mit dem ich ohne Dolmetſcher reden konnte. Er war ſchon über dreyßig Jahre in Perſien, und hatte von einem Dorfe in dieſer Gegend
mit Namen Kämara ſo viele Einkünfte, daß er ſehr bequem leben konnte. Als ein Araber ſchien er noch ſtolz auf ſeine Geburt zu ſeyn. Er kleidete ſich meiſten theils als einen Araber, und ließ ſich auch Schech nennen: mein Dorfſchulz hergegen, der auch leſen und ſchreiben konnte, ward nur Molla genannt. Da mein Schech ein Gelehrter ſeyn wollte, und mich verſicherte, daß er ſehr oft nach
Tſchilmingr zu reiten, und die prächtigen Ruinen zu bewundern pflege, ſo hofte ich,
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis.
163
ich, er würde mir Nachricht geben können, was die arabiſchen und perſiſchen 1765. Schriftſteller davon ſagen.
Allein er kannte kein Buch, worinn dieſer Ruinen
März.
erwähnt werden, als das mit dem Titel: „sºy“4) -*0J) Z / FAUSTT“ *U. J! Tarich morüdſcheddähhabel mösüdi elſchafei, deſſen Verfaſſer unter andern verſichert: Salomo habe ſein Gebet des Morgens zu Jeruſalem, des
Mittags zu Báalbeck, des Nachmittags zu Tadmor (Palmyra) und des Abends zu Tſchil minär gehalten. Nachrichten die bey den Mohammedanern wichtig ſeyn können, warum aber die Europäer ſich nicht bekümmern. Ich ging mit dem Schech überall unter den Ruinen herum, und führte ihn unvermerkt zu den kuſ ſchen Inſchriften, in der Hofnung, daß er ſelbige leſen, und ſie mir mit neu arabiſchen Buchſtaben ſchreiben ſollte. Er hielt es aber für ſehr unnöthig, ſich den Kopf darüber zu zerbrechen. Nachher beſuchte er mich noch einmal mit ſei
nem Sohn, einem Knaben von 14 Jahren.
Wir wurden wiederum ſehr gute
Freunde; allein mit den Inſchriften wollte er ſich gar nicht abgeben. Auch hatte ich Beſuch von einigen vornehmen Perſern, welche es auf ihrer Reiſe von Is
fahan nach Schiräs gehört hatten, daß ein Europäer bey den Ruinen wäre, und die einen kleinen Umweg nahmen, um dieſe ſeltene Erſcheinung zu ſehen.
Am 3ten April verlegte ich mein Quartier von Merdaſt nach Tſchül, ei nem Dorfe in der Nähe von NakſchiRuſtäm, um in der Nähe von den daſelbſt befindlichen Alterthümern zu ſeyn, die mir auch noch einige Tage Arbeit verſchaffen konnten. Einige Stunden nach meiner Ankunft daſelbſt, ließ Herr Hercules mir
wiſſen daß er zu Tſchilminär wäre.
Ich eilte alſo noch dieſen Abend wieder
zurück, und blieb mit meinem Freunde bey dieſen Ruinen noch zwey Tage, welche ich gröſtentheils anwandte, um meine Zeichnungen mit dem Original zu verglei chen, und vollſtändiger zu machen. Am 5ten April ritt auch Herr Hercules mit nach Tſchül.
Einen mohammedaniſchen Bedienten, den ich von Abuſchähhr mitge nommen hatte, ſchickte ich ſchon von Schiräs wieder zurück, und nahm an deſ ſen ſtatt einen Armener. Dieſer ward zu Merdaſt unpäßlich. Es fehlte uns nicht an Hünern, Reis und Butter. Ich hatte täglich einen guten Pilau, und an andern geſunden Lebensmitteln, die man in einem ſchlechten Dorfe erwarten ZE 2
kann,
I64
Beſchreibung der Ruinen von Perſepolis. -
1 765. kann, war auch kein Mangel. April. -N-.
Mein Bedienter aber ſollte nach dem Befehl ſeiner Kirche, oder wie er glaubte, nach dem Befehl Gottes, jezt faſten: und weil die morgenländiſchen Chriſten in ihrer Faſtenzeit, außer Fleiſch, auch nicht
Fiſche, Butter, Milch und Eyer eſſen ſollen, ſo kann man leicht denken, daß er unter den mohammedaniſchen Bauern, die ſich nicht auf armeniſche Faſtenſpei ſen gerichtet hatten, rechtſchaffen müſſe gefaſtet haben. Er war theils dadurch, theils auch von ſeiner Unpäßlichkeit ſchon ſehr abgemattet, als wir am 3ten nach
Tſchül kamen, und ich hatte ihn deswegen hier zurückgelaſſen, als ich dem Herrn Hercules entgegen reiſte. Heute ward beſchloſſen, daß er am 6ten nach Schiräs zurück gehen ſollte.
Er ſtarb aber noch vor ſeiner Abreiſe.
Glück für mich, daß Herr Hercules gekommen war.
Nun war es ein
Da ſeine Bedienten auch
Armener, und Freunde des Verſtorbenen waren, ſo ſorgten die für ſeine Be erdigung, die mir ſonſt viel Verdruß gemacht haben würde; denn da die Schii ten glauben ſchon verunreinigt zu werden, wenn ein lebendiger Chriſt nur ihre Kleider anrührt, ſo würde ich gewiß Mühe gehabt haben, Leute zu finden, die es hätten übernehmen wollen ihn zu begraben. Wäre mein Bedienter am Leben und geſund geblieben, ſo würde ich mich gern noch länger bey dieſen Ruinen aufgehalten haben. Meine Augen aber hatten ſchon ſo viel gelitten, und meine Geſundheit überhaupt war ſo ſchwach, daß ich eben nicht Urſache hatte, das äußerſte zu wagen. Ich ließ mir den To desfall meines Bedienten eine Warnung ſeyn, und reiſete am 7ten April mit
Herr Hercules wieder nach Schiräs zurück.
Wir brauchten von dem Dorfe
Tſchül, oder von Nakſchi Ruſtäm vier Stunden bis Polochän, der vorher erwähnten großen Brücke über dem Fluß Bend emir. Der Weg geht immer durch die fruchtbare Ebene, an oder vielmehr in welcher Perſepolis gelegen hat. Man ſieht auf derſelben noch hin und wieder Dörfer, aber von fünf Dörfern ſind gewiß drey zerſtört, die Waſſerleitungen und gegrabenen Canäle ſind verfallen,
oder mit Erde angefüllt, und die umherliegenden Felder liegen wüſte. Überhaupt findet man hier wohl kaum den vierten Theil Einwohner mehr, welche dieſe vor
treffliche Gegend vor Nadir Schahs Zeit gehabt hat; und die Bevölkerung konnte zu der Zeit noch wohl gar nicht mit der verglichen werden, welche man hier vor der
Anmerkungen zu Schiräs.
165
der Zeit der Mohammedaner fand, als das Land von einer Nation bewohnt ward, 1 765. die den Ackerbau gleichſam für einen göttlichen Befehl anſah, und ihn daher ſehr April. -N-)
hoch brachte.
Von der erwähnten Brücke brauchten wir noch zwey Stunden
bis Zarkän.
Jezt war dieſer Weg ganz gut.
Nach einem lange anhalten
den Regen aber iſt er ſehr ſchlecht, weil alsdann oft die ganze Ebene unter Waſ
ſer ſteht.
Am 8ten April kamen wir nach Schiräs zurück. Der Weg zwiſchen
Zarkäm und dieſer Stadt iſt mehr bergigt, wie ſchon aus andern Reiſebeſchreibun
gen bekannt iſt.
Von Nakſchi Ruſtäm bis Schiräs iſt ohngefehr 8 deutſche
Meilen.
Nach meiner Zurückunft nach Schiräs war meine erſte Sorge mich wieder von einem ſtarken Huſten, einem geſchwollenen Halſe und andern kleinen Unpäß lichkeiten zu befreyen, die ich mir bey Perſepolis, gröſtentheils durch Verkältung zugezogen hatte. Der Weg zwiſchen Schiräs und Abuſchähhr war wegen des
Krieges zwiſchen Kerim Khän und Mir Mahénna noch immer unſicher.
Ich
muſte daher noch lange auf eine Karwane warten, und erhielt dadurch nicht nur Zeit, um erſt meine Geſundheit wieder in Ordnung zu bringen, ſondern auch
noch einige Alterthümer in der Gegend von Schiräs zu ſehen, die gemeiniglich von europäiſchen Reiſenden beſucht zu werden pflegen. Eine halbe Stunde nach Norden von Schiräs liegt, vor einem hohen Ge bürge, ein kleiner Fels, auf welchem man eine vortreffliche Ausſicht nach der Stadt und der großen und fruchtbaren Ebene hat, und weit entfernt ſieht man hohe Berge. Die Lage dieſes kleinen Felſen hat alſo ſehr viel ähnliches mit der Lage desjenigen, auf welchem der Palaſt von Perſepolis gebaut worden. Hier hatte ein Mohammedaner einen Palaſt gebaut, aber ſo ſchwach daß man von ſei nem ganzen Gebäude faſt nichts mehr findet, als den Fuß einer kleinen Säule,
und dieſen ſcheint er von Tſchil minär geholt zu haben.
Denn er iſt von eben
dem harten und ſchwarzen Marmor, woraus die Ruinen von Perſepolis beſtehen, der Fels bey Schiräs aber iſt ein weiſſer Stein, und nicht hart. Der Auf gang zu dieſem Gebäude war eine abhängige Fläche, an beyden Seiten mit einer Mauer unterſtützt. Hier konnte alſo der Mohammedaner bis vor ſeine
Thür reiten: eine Bequemlichkeit die man bey der Anlage des Palaſtes zu Per 3. 3
ſepolis
I 66
Anmerkungen zu Schiräs.
1765. ſepolis nicht geſucht hat. Nach dem freyen Felde, und gleichſam unter dem April. Hauptgebäude, hat der Baumeiſter den Felſen Stuffenweis ausgehauen, und ein kleines fließendes Waſſer unter dem Gebäude weggeleitet, ſo daß er hier einen ſchönen Waſſerfall hatte. Dieſer aber iſt jezt nichts mehr nütze, da die Duelle wiederum ihrem natürlichen Weg genommen hat. Nicht weit von hier in der Ebene ſieht man auch noch ein großes Waſſerbehältniß, mit Kennzeichen
von Springbrunnen? Kurz, dieß muß nach mohammedaniſcher Manier ein arti ger Palaſt geweſen ſeyn; jezt aber verdient dieſer Ort eben nicht, daß er von einem Reiſenden beſucht werde. Unten an dem Felſen ſieht man noch halb ein geſtürzte Gewölbe, die vermuthlich Pferdeſtälle und Wohnungen für Bediente haben ſeyn ſollen. Höher am Berge iſt das Begräbniß eines vermennten Heili
gen, Babe Quée, welches von den Mohammedanern ſehr fleiſſig beſucht wird.
Nach O. S. O. eine deutſche Meile von Schiräs ſieht man, gleichfals auf einem Hügel, noch einige Überbleibſel von einem Gebäude, das Kämpfer von einem nahe dabey liegenden Dorfe Sjubaſär, Chardin und le Bruyn aber die Mosqué der Mutter Salomons nennen.
Es ſtehen davon nur 3 Thüren,
alle von eben dem Marmor, und mit eben den Figuren und andern Zierathen,
welche man ſo häufig zu Tſchil minär findet.
Es iſt auch wohl kein Zweifel,
daß ſie von da abgeholt worden; ſie ſind hier aber eben ſo ſchlecht angebracht, als die Säulen der alten Egypter in den Gebäuden der Neuern. Denn man hat nicht einmal darauf geſehen, daß die Steine auf einander paſſen. Außer dieſen
und noch einigen andern Stücken von alter perſepolitaniſcher Arbeit, die hier zer ſtreut herum liegen, iſt von dem Gebäude nichts mehr übrig.
Das Begräbniß des berühmten perſiſchen Poeten Hadsji Hafes lag ehmals in einer Vorſtadt von Schiräs. Jezt liegt es eine Viertelſtunde von dem Stadtthor, und auf dieſem ganzen Wege findet man kein einziges Ge
bäude mehr, außer eine große Mosqué, Schach Mir Hamza, welche auf dem Proſpekt Tabelle XXXVI. angedeutet worden, und dabey einige ſchlechte Hütten. Dagegen ſieht man hier fruchtbare Felder, und das Begräbniß liegt noch immer in einer angenehmen Gegend.
in gutem Stande.
Das darzu gehörige Gebäude iſt noch
Es hat einige große, nach morgenländiſcher Art ſehr gute Zimmer,
Anmerkungen zu Schiräs.
167
Zimmer, zu welchen ſchmale Wendeltreppen führen. Vor dieſem Hauſe ſieht 1765. man das Begräbniß des Gelehrten, und einiger andern bey den Perſern berühm- April.
ten Männer, ingleichen einen großen Todtenacker mit einer Menge Grabſteinen, TT“ welches alles mit einer Mauer umgeben iſt.
Weil die mohammedaniſche Reli
gion ihren Anhängern die Reinigung ſo ſehr empfiehlt, ſo findet man bey dieſem
Gebetplaß (Muſálla) auch ein kleines fließendes Waſſer, das ſeinen Weg durch ein großes Waſſerbehältniß nimmt, und hernach auf die umliegende Felder ver theilt wird. Von der großen Menge erſtaunlich großer Cypreßbäume die ehmals hier ſtanden, ſind die meiſten bey den innerlichen Unruhen umgehauen worden.
Schech Sáde, ein anderer berühmter perſiſcher Gelehrter, liegt nicht weit von hier nach Süden in einer Mosqué begraben. Dieß Gebäude iſt ſehr verfallen,
und wird gar einfallen, wenn ſich nicht bald ein reicher Mohammedaner darüber erbarmt, und es ausbeſſern läßt. Hier ſah ich es am deutlichſten, wie die neuern Perſer die Schriften, welche man ſo häufig an den Wänden ihrer Mos quéen findet, auf die Mauer tragen. Die Buchſtaben ſind alle von Thonerde geſchnitten oder geformt, ſo gebrannt und oben mit einer Glaſur von grüner, gelber oder einer andern Farbe bedeckt. Sie haben ein beſſeres Anſehen als die in harten Marmor gehauene Schriften zu Perſepolis. Da es aber nur Töpfer arbeit iſt, und die Buchſtaben nur in Kalk an die Mauer geklebt ſind, ſo ſind dieſe neuern Aufſchriften, in Vergleichung mit den Alten auch nur von kurzer
Dauer.
In der Mosqué desSchechs Sáde war an vielen Stellen der Kalk,
und damit auch die Buchſtaben von der Wand herunter gefallen, und alles lag hier noch zerſtreut auf dem Boden. Das ſchönſte was man hier ſieht, iſt gleich ſam ein Brunn, der in Figur eines achtecks ziemlich tief in die Erde hineinge baut iſt. Unten iſt ein fließendes Waſſer, ſo klar als ein Cryſtall, und ſo voller Fiſche, daß ich mich nicht erinnere irgendwo ſo viele beyſammen geſehen zu haben,
Aber dieſe Fiſche leben hier auch unter dem Schutz des Schech Sáde, weswe gen Niemand ſich unterſtehen darf, nur einen davonzufangen. Nan ſteigt auf einer bequemen Treppe hinunter, und um das Waſſer ſind bequeme Sitze. Auch an den beyden Seiten des Achtecks, wo das Waſſer hineinfält, und wieder her ausfließt, ſieht man einen Theil des unterirdiſchen Canals, und an demſelben bequeme
Anmerkungen zu Schiräs.
I68
1765. bequeme Sitze von gehauenen Steinen.
Kurz, dieß iſt, beſonders in der heiſſen
April. Jahrszeit, ein überaus angenehmer Platz.
Dieß Waſſer nimmt ſeinen Lauf
“TT nachher mitten durch einen Garten, in welchem ſehr artige Waſſerfälle, und große Waſſerbehältniſſe angebracht ſind. Nach einem Behältniß iſt es unter der Erde weggeleitet, und kommt daſelbſt als aus einer ſtarken Quelle hervor, welches ſehr artig ausſieht.
Aber jezt liegt der Garten ſchon wüſte, und die
ſchön gebaueten Waſſerbehältniſſe, Canäle und Waſſerfälle werden alſo auch wohl nach und nach verfallen. Die Perſer ſcheinen noch jezt viel auf Waſſerleitungen zu wenden, beſonders auf ſolche, wodurch die Felder gewäſſert werden. In deß iſt der Ackerbau nirgends unter den Mohammedanern empor gekommen. Sie haben ſowohl hier, als in Egypten, viele Canäle verfallen laſſen. Die Waſſerleitungen werden noch immer mehr und mehr vernachläßigt, und daher die Länder immer mehr und mehr wüſte und von Einwohnern entblößt.
Da ich in Perſien auf europäiſch gekleidet war, ſo konnte ich zu Schiräs nicht überall ſo herumgehen, als in den übrigen morgenländiſchen Städten, und habe da her von dieſer Stadt keinen genauen Grundriß entwerfen können. Indeß wird der Leſer ſich doch aus der Tabelle XXXV. einen hinlänglichen Begrif von ihrer Lage und Größe machen können. Die Lage und die Namen der Thore ſind hier genau angedeutet worden. Bey A ſteht das ehmals ſchöne Stadtthor Tandſji allah akbar, (S. 12 o.) und B deutet die Lage des Begräbniſſes des Hadſi Häfes an. Sarbach heiſt die Faktorey der Engländer. Bey a. b. c. ſieht man die Ruinen der ehmaligen franzöſiſchen, holländiſchen und portugiſiſchen Faktoreyen. Auch iſt die Lage einiger Mosquéen auf dieſem Grundriß angezeigt worden.*) Aber von letztern ſieht man mehr auf dem Proſpekt Tabelle XXXVI.
den ich in dem Gebäude bey dem Begräbniß des Hadſi Häfes entworfen habe. Auf demſelben bedeutet: 1. Schah Mir Hamza. 2. Schahi Scherá.
3- Mäddraſſe. 4. Zeiid el Höſſein. 5. Chatün Dſamea.**)
6. Bebe
Dochter. bedeutet Todtenäcker, ſo wohl auf dieſem als den übrigen Grundriſſen. **) Dieſe Mosqué lag auch zu le Bruyns Zeiten außer der Stadt. Es ſcheint alſo, daß
*) Das Zeicheu
Schiräs ſich zu der Zeit nicht weiter nach Süden erſtreckt habe als jezt.
E. Jarbe eh
Gehahi Yeh-re.
S c H 1 R As
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Zezz-Zel Her/2zrz
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169
Anmerkungen zu Schiräs.
Dochter. Dieß ſind lauter anſehnliche Mosquéen, die bey der oftmaligen 1765. Plünderung der Stadt ſtehen geblieben ſind. Keine derſelben hat einen Mi- April. näre, und man wollte verſichern, daß dieſe Thürme in ganz Perſien nicht
gebräuchlich ſind: ſondern der Muäſſem, oder derjenige welcher zum Gebet ruft, ſteht vor oder auf der Mosqué.
7. Das Haus des Beglevbegs.
8. Das
Pulvermagazin. 9. Das Thor Sáade. 1 o. Das Isfahän Thor. 1 1. Kerim Abád, ein kleines Dorf, das erſt neulich von dem jezigen Wekilange legt worden iſt. Die beſten Häuſer in der Stadt ſind von gebrannten Mauer ſte nen gebaut, und nach außen ohne alle Pracht. Die Mauern ſind kaum ge
reinigt, und noch vielweniger übertüncht.
Die Baſärs, oder die Straßen
mit den Buden der Kauf- und Handwerksleute ſind zum Theil bedeckt, und ei
nige ſowie der Bezenſtein zu Conſtantinopel, gewölbt. pflaſtert.
Die Straßen ſind ge
Die Goſſe iſt in der Mitte derſelben: und weil fließendes Waſſer in
ſelbige geleitet werden kann, ſo ſind die Straßen ziemlich rein. Die Witterung zu Schiräs iſt wohl nicht von der zu Perſepolis, aber ſehr von der auf der Küſte des perſiſchen Meerbuſens verſchieden.
Im Anfang des
März hatten wir viel Regenwetter, und dabey war es ziemlich kalt.
Im
April und May hatten wir noch viel trübe Luft, und ſehr oft Gewitter.
Auf
dem Gipfel der weit entfernten und hohen Berge ſah man noch am 25ſten April Schnee; am 14ten May aber nur zwiſchen den Klüften, wohin die Sonne nicht kommen konnte.
Am 23ſten April des Morgens um 8 Uhr war hier ein
ſo ſtarkes Erdbeben, daß dadurch das alte Gebäude, worinn ich wohnte, ſo ſehr erſchüttert ward, daß man große Urſache zu fürchten hatte, es möchte einfallen. Allerhand ſchöne Baumfrüchte, die man theils in Europa theils in Indien antrift, waren hier auch noch in dieſen Monaten im Überfluß. Von Weintrauben nannte man mir 2 o verſchiedene Sorten. Einige davon werden getrocknet, und als Roſinen ausgeführt, andere ausgepreßt, und andere bloß friſch gegeſſen. Un
ter denen, welche man trocknet, iſt die, welche man hier Kiſchmis und in Jemen Zebib nennt, die vornehmſte.
Dieſe iſt ſehr klein, und hat einen ſo weichen
Saamen, daß man ihn faſt gar nicht bemerkt. *) Die Sorte Askari iſt von eben „
*)
Beſchreibung von Arabien S 147.
II. Theil.
17o
Anmerkungen zu Schiräs.
1765. eben derſelben Art, nur iſt der Saame in derſelben etwas härter.
Gurtſcheſch
April iſt die Sorte woraus der vortreffliche rothe Wein gepreßt wird; und Angur rangi
“TT“eine andre Sorte, welche einen ſo dunkelrothen Wein giebt, daß man dieſen faſt nur braucht, um dem andern damit eine beſſere Farbe zu geben. Roſen waſſer und das koſtbare Roſenöl wird auch in ziemlicher Menge von hier verführt.
Der Schiräswein wird vornemlich von Armenern verfertigt.
In Er
mangelung von Tonnen wird er in großen Töpfen aufbewahrt, und in großen Fla
ſchen nach Abuſchähhr, und von da weiter nach Basra und Indien verſandt. Er iſt bekanntermaßen ſehr ſchön; ich weiß aber nicht, ob der Wein der Ju den zu Saná nicht eben ſo gut iſt. Letztere können ihn in Ermangelung von Gefäßen nur nicht auswärts ſenden, ja ſie haben unter der Regierung der Araber nicht einmal Erlaubniß öffentlich mit Wein zu handeln. Die Juden wohnen zu
Schiräs, ſo wie in den meiſten morgenländiſchen Städten, in einem beſondern Quartier, und leben, dem Anſehen nach, in großer Armuth. Jezt wohnen etwa nur 2 o Banianen in dieſer Stadt: weil man aber dieſe indiſchen Kaufleute aufmuntern will, wieder fleiſſig hieher zu kommen, ſo bauete man ihrentwegen eine große Karwanſeroj.
Die Anzahl der Armener, welche ſich aufs neue zu Schiräs niedergelaſ
ſen haben, iſt auch nicht groß. *)
Sie haben im Serbach oder der Faktorey
der Engländer, in welcher Herr Hercules wohnte, eine Capelle, in der ſie ſich täglich verſammlen, beten und ſingen. Ich ſah am 13ten April, als am Sonnabend vor Oſtern, ihren Gottesdienſt mit an, und ſtellte mir dabey eine Ver
*) Indeß findet man in Perſien noch ganze Dörfer, in welchen bloß Armener wohnen.
Ein
ſolches Dorf mit Namen Rouin, nicht weit von Kaſſerün, ſchenkte ZKerim Khän neulich dem Kalantär (dem Schech oder älteſten) der Armener.
In einer Provinz
Burwär, nach Norden von Isfahän, ſollen 14, umd in einer andern Provinz, Peria, gleichfals in dieſer Gegend, ſollen 30 ſolcher armeniſcher Dörfer ſeyn.
Letztere
nannte man: Schahijän, Daramera, Iſpis, Gusgarat, Darabir, Hadän, Taral, Tamagird, Singird, Gargün, MJugän, Choijän, Scanderie, Bágri, MJihagiſt, Singiſt, Schah bulach, Schuriſchkan, Sangibarän, Potifand, Basgoigan, Duskeſchän, UNIizikiah, Polorän, Sardjerib, Agroe, MJevriſtän, Ponniſtän, Aggſchg, G8dſchagalg
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Hº-SZZ#
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Anmerkungen zu Schiräs.
17 I
Verſammlung der erſten Chriſten vor. Denn der erſte Geiſtlicher dieſer kleinen 1765. Gemeine, war ein Weber, von den übrigen Kirchenbedienten war einer Koch, und April. der andere Bedienter bey Herr Hercules, der dritte war ein Schuſter, und der vierte ein Tiſchler. Die Capelle war artig genug. Auf dem Altar ſtand ein Kreuz, ein großer Kelch, ein großes Buch, ſtark mit Silber beſchlagen, und verſchiedene Wachslichter.
Alle Kirchenbediente hatten Mäntel um, auf deren
Rücken ein Kreuz genäht war. Die Armener laſſen ſich den Kopfmit dem Scheer meſſer abſcheren. Sie tragen, ſo wie alle Morgenländer, eine kleine Mütze, und darüber eine größere rauhe Mütze, ſo wie die Perſer.
Leztere hatten ſie in
der Kirche abgenommen, anſtatt daß die Mohammedaner ihren Turban oder ihre
Mütze auch in der Mosqué aufbehalten.
Der Prieſter aber hatte etwas auf
dem Kopf, das einem niedergeſchlagenen europäiſchen Reiſehut vollkommen ähn lich war. Daß die Armener ſich, ſo wie die Mohammedaner, bey ihrem Gebet bisweilen zur Erde werffen, ingleichen ihre übrigen gottesdienſtlichen Ceremonien,
die gröſtentheils im Singen beſtehen, ſind ſchon genug bekannt. *) Hier kommte man keine Predigt erwarten. Der Prieſter nahm nur das große Buch, welches auf dem Altar lag, und laß der Gemeine einige Stücke aus den Evangeliſten vor.
Als er die Stelle geleſen hatte, wo der Engel zu Maria Magdalena und
Maria Jacobi ſagt: entſetzet euch nicht, ihr ſucht Jeſum von Nazareth, den gekreuzigten, er iſt auferſtanden und nicht hie ; klopfte die ganze Gemeine in die Hände.
Bey einer andern Stelle, wo Chriſtus ſeine Jünger zum Frieden
ermahnt, küßte jeder ſeinen Nachbarn auf beyde Backen u. ſ. f.
Hierauf legte
der Prieſter ein Tuch über ſein Buch, trug es auf beyden Händen rund um den Altar, und reichte es einem jeden um es zu küſſen. Hinter ihm ging einer mit einem langen Stock, an welchem oben dünne runde Scheiben, und an der Mitte ein kleines ſeidenes Tuch befeſtigt war. Dieſen hielt er über den Prieſter, und
machte mit dem dünnen Blech ein kleines Geräuſch, wenn er ſeinen Stock ge ſchwind bewegte. Hiedurch ſoll die Gegenwart der Engel vorgeſtellt werden.
Die übrigen Kirchenbedienten hatten alle Wachslichter in der Hand. P) 2 +
*) Relation d'un Voyage du Levant par de Tournefort,
Nachher vard
*
Anmerkungen zu Schiräs.
172
1765. ward das Abendmahl, ſowohl an Kinder, als Erwachſene ausgetheilt. Das April. Brod war in kleine Stücken gebrochen und in den Wein geworffen, woraus der
“TT“Prieſter ein Stück nach dem andern mit ſeinen Fingern heraus nahm, und es dem Communicanten in den Mund ſteckte.
Gegen Abend kam der Prieſter mit zween
Kirchenbedienten, wovon jeder ein großes Wachslicht in der Hand hatte, zu
Herr Hercules, um uns ein Geſchenk von gefärbten Eyern zu machen, und uns etwas vorzuſingen und den Segen über uns zu ſprechen. Beſuch hatten wir an dem folgenden Morgen.
Eben einen ſolchen
Die Perſer haben öffentliche Häuſer, die ſie Surchöne (Haus der Stär ke) nennen, und wo jeder hingehen kann, um ſeine Kräfte öffentlich zu zeigen. Als ich das erſtemal ein ſolches Surchöne beſuchte, fand ich die Luft daſelbſt ſo unrein, daß ich es für rathſam hielt, bald wieder wegzugehen. In deß wagte ich noch einen zweyten Beſuch, und dießmal ölieb ich ſo lange, daß ich glaube, meinen Leſern einen deutlichen Begriff von den Leibesübungen geben zu können, die hier vorgenommen werden. Das Gebäude war nur klein, aber hoch, und ſtark gebaut. An jeder der vier Seiten war eine Niſche, oder offene Kammer. Der Platz in der Mitte war bloß für diejenigen welche ihre Geſchick
lichkeit zeigen, oder ſich üben wollten.
Die Thüre zu dieſem Schauplatz war
klein und niedrig, und in dem ganzen Gebäude keine Fenſteröfnung; nur oben in dem Gewölbe war ein Loch, durch welches etwas Licht fallen konnte: und da dieß nicht hinlänglich war, ſo muſte der Schauplatz mit Lampen erleuchtet wer den. Kurz, es ſchien, daß man bey der Anlage dieſes Gebäudes nur darauf
geſehen hätte, um allen Zugwind abzuhalten. Dieß war freylich nothwendig. Allein man hätte oben in dem Gewölbe mehr Zuglöcher machen, und dadurch das Haus von den ſchlimmen Dünſten reinigen ſollen, die jezt den ſich hier ver
ſammlenden nicht nur beſchwerlich, ſondern ihrer Geſundheit gewiß auch ſchäd lich ſind.
-
Ich ſaß mit einigen wenigen Zuſchauern in einer Niſche. Die Vorneh men und die Kaufleute, welche hieher kamen um ſich zu üben, ſetzten ſich in zwey andern Niſchen, und rauchten erſt eine Pfeiffe Tobak, wie die Figur a. auf der Tabelle XXXVII. wo ich geſucht habe, das ganze Schauſpiel abzubilden. ,
"
Man
Anmerkungen zu Schiräs. Man konnte hier auch Caffe bekommen.
I73
Drey Muſikanten ſaßen in der vierten 1765.
Niſche. Der eine derſelben ſpielte eine Art Cyther, der zweyte ſchlug eine April. kleine Paucke, ohne welche die Morgenländer niemals ſingen oder tanzen, und der dritte ſang bisweilen ein perſiſches Lied. Als die Liebhaber ihren Caffe ge trunken hatten, und nicht mehr rauchen wollten, kleidete einer nach
dem andern"
ſich ab, und ſprang ganz nackend, außer in ein paar engen ledernen Beinklei dern, die mit einem Riemen um den Leib geſchnallt waren, mitten auf den Platz. War einer in ſeiner Kunſt ſchon ſehr geübt, ſo ſtellte er ſich hier gleich auf die Hände, und mit den Füßen in die Höhe, wie die Figur b. Bald darauf aber ſtellte er ſich wieder auf ſeine Füße, und hielt ſein Gebet mit dem Geſichte gegen Mekke gewandt. Denn die Mohammedaner ſollen bey allem, was ſie unter Rehmen, erſt beten, und dieſe Pflicht vergeſſen ſie alſo auch nicht, wenn ſie
dieſe Art von Comödie anfangen.
Die meiſten hielten gleich ihr Gebet, und
warfen dabey, wie gewöhnlich, ihr Angeſicht verſchiedenemal zur Erde.
Fig. c.
Die erſte Übung welche vorgenommen ward, iſt bey d. und e. abgebildet, in ſo weit ſich dergleichen Künſte abbilden laſſen. Die ganze Geſellſchaft ſtellte ſich neben einander auf Händen und Füßen. War einer noch ein Anfänger, ſo ſtand er ungefehr wie d, ein Meiſter aber ſtreckte Hände und Füße ſo weit aus einander, als nur möglich, nur muſte die Erde nicht mit dem Bauch berührt werden. Fig. e. Alle muſten in dieſer Stellung, ohne die Hände oder Füße zu verrücken, mit dem Kopf gleichſam einen Cirkel, und wenn dieß zweymal ge
ſchehen war, auch den Durchmeſſer beſchreiben. Je öfter nun einer dieſe Übung wiederholen kann, deſto größer iſt er in ſeiner Kunſt. Ich glaube gewiß, daß einige ſie über 60 mal wiederhohlten. Alles geſchah nach der Muſik, und ſehr
taktmäßig.
Dann nahmen einige in jede Hand ein großes Stück rundes Holz,
und warfen es auf die Schulter f.
Dabey hatten ſie weiter nichts zu thun, als
die Hölzer taktmäßig von vorne nach hinten auf der Schulter zu bewegen. Nach her hüpften einige mit ihren Füßen gegen ein Brett, das ſie ſchreg an die Wand
geſtellt hatten, wie bey g. Andere, die ſchon mehr geübt waren, gingen mit ihren Füßen höher, wie bey h, und endlich einige, die es in ihrer Kunſt noch höher gebracht hatten, ſtellten ſich mit den Händen auf die Erde, wie die Figur b. W) 3
Es
Anmerkungen zu Schiräs.
I74
Es konnte nicht fehlen, daß die Leute nach ſolchen übungen ſehr ſtark
1765. April.
ſchwitzten.
Diejenigen alſo, die davor bezahlen wollten, ſetzten ſich in eine
Niſche, und ließen ſich von einem Bedienten brav reiben; (i) auch dieſer arbei tete taktmäßig, und gab demjenigen, der ſich unter ſeine Hände begeben hatte,
bisweilen einen düchtigen Streich mit der platten Hand auf den naſſen Rücken. Nachher drückte und reckte er ihm alle Glieder.
zen.
Hierauf fingen alle an zu tan
Nicht nach europäiſcher Manier, wo man unterrichtet wird, die Füße
auswärts zu ſetzen, den Körper gerade und leicht zu tragen u. ſ. f. ſondern jeder
hüpfte für ſich allein; einige in einem Kreis herum (k) und andere gegen eine Wand, (l) alle bald auf einem, bald auf dem andern Fuß, und dieß ſo ſtark als möglich, um den Körper brav zu erſchüttern.
Einige legten ſich auf den Rücken (m) mit Küſſen unter dem Kopf und den Armen, um zwey dicke und
ſchwere Stücke Holztaktmäßig in die Höhe zu heben.
Zu dieſer Übung fanden
ſich nur wenige, weil ſelbige außerordentliche Kräfte erfodert. Der Meiſter ſaß dabey, und zählte laut, wie oft der Schüler die Hölzer in die Höhe hob; man kann daher leicht denken, daß der Nachfolgende ſich immer beſtrebte, den vorhergehenden zu übertreffen. Hierauf ſtellten ſich alle in eine Reihe, und der
Meiſter hielt vor ihnen eine Rede, oder weitläuftiges Gebet, worin er Ali, Haſſan und Höſſein oft nannte, wobey alle Ringer oder Klopfechter ſehr an dächtig zu ſeyn ſchienen. Es war nicht möglich alle die verſchiedenen Stellungen des Körpers, die ich bey den folgenden übungen ſah, zu zeichnen und zu beſchrei
ben.
Ich habe mur eine bey (m) angezeigt; und dieſe dauerte nicht lange. Die
Füße blieben immer auf einer Stelle, den Körper aber bewegten ſie bald auf wärts, bald unterwärts, bald wach vorne bald nach hinten. Dann fingen einige paarweiſe an zu ringen, und auch dieß nicht ohne vorhergehende Complimente. Unter andern ſchlugen zwey ihre Hände zuſammen, und legten ſie kreuzweis vor
die Stirn, wie bey (o), welches ich als einen Gruß anſah.
Dann ſetzten ſie
ſich gegen ein ander auf die Erde. Jeder ſuchte wie er ſeinen Gegner am vortheilhafteſten angreiffen konnte; und wenn ſie erſt Handgemenge wurden, ſo rungen ſie ſo lange herum, bald auf den Knien bald auf den Füßen, bis einer
auf der Erde lag.
Dann küßte der überwundene dem Sieger ganz ehrerbietig die
Tab XXXVII
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Anmerkungen zu Schiräs.
175
die Hand.
Hiebey gab es keine Stöße oder Schläge, als wenn die Engländer 1 765.
ſich boren.
Indeß fühlten doch einige, wenn ſie vom Platz gingen, nach ihren April. -N
Armen und Beinen, als wenn ihre Glieder Ruhe nöthig hätten. Einer von ihnen warf nach und nach alle, die ihre Kräfte mit ihm meſſen wollten, zu Bo den: und als zulezt keiner mehr erſchien, ſo foderte er ein kleines Trinkgeld von den Zuſchauern. Kann einer den Beweis bringen, daß er in einer Hauptſtadt der
Mohammedaner, z. E. zu Isfahän, Conſtantinopel oder Delhi es bekannt gemacht habe, daß er zu einer beſtimmten Zeit mit dem ſtärkſten ringen wolle, und daß ſich keiner gefunden, der ihn hätte zu Boden werffen können, ſo hat er die Freyheit, einen Löwen in Stein ausgehauen auf ſein Grab legen zu laſſen.
Ich habe zu Schiräszwey ſolche Gräber geſehen, das eine auf einem Todten acker nahe bey dem neu angelegten Garten des Kerim Khän, und das andere
bey der Mosqué Schahi Scherá.
Ich vermuthete anfänglich, daß die, welche
hier begraben wären, große Herren ſeyn müſten, die ihre außerordentliche Tapferkeit entweder im Kriege, oder auf der Löwenjagd gezeigt hätten: hörte aber nachher, daß ihre gröſte Tapferkeit im Ringen beſtanden hätte. Wer weiß wie oft große Gelehrte, die die Alterthümer erklären wollen, eben ſo große Fehler machen.
In des Schech Sáade perſiſchem Roſenthal ſind einige artige Fabeln von Rin
gern die der europäiſche Leſer jezt beſſer verſtehen wird.
S. Olearii Über
ſeßung S. 56, 15 4.
Zu Schiräs ſind drey ſolche öffentliche Surchörfe, wo ſich nicht nur Perſonen vom mittlern und geringen Stande, ſondern auch bisweilen vornehme Militair- und Civilbediente verſammlen, um ihren Körper durch dergleichen
übungen zu ſtärken.
Die großen Herren haben bisweilen auch in ihren Häuſern
darzu eingerichtete Zimmer, um daſelbſt mit ihren Freunden und Bekannten zu ringen. Dieſe Leibesübung treiben die vornehmen Perſer des Morgens; am Nachmittage ſind ſie zu Pferde. Die Kleidertracht der Perſer iſt ſehr von der Araber und Türken ihrer ver ſchieden. Ein vornehmer Officier trägt eine viereckigte Mütze mit einem großen
Saſch, (Binde) die meiſten aber tragen eine Mütze von krauſen Lämmerfellen, und um ſelbige einen Saſch; nicht breit um ſelbigen gewickelt, wie bey der eben et
176
Anmerkungen zu Schiräs.
1765. erwähnten viereckigten Mütze, und dem Kaük der Türken, ſondern in der Länge April
zuſammen gerollt, und reihenweis um den Kopf gewunden.
Alle Perſer laſſen
“TT jezt ihren Knebelbart lang wachſen, den Backen- und Kinnbart halten ſie kurz mit der Schere. Alle tragen einen Rock, der ihnen bis an die Waden reicht und viele Ähnlichkeit mit der Kleidung hat, welche man ſo häufig an den Über bleibſeln von Perſepolis findet. (Tabelle 2 1.) den Händen gemeiniglich zugeknöpft.
genländer, einen Gürtel.
Die Ermel ſind eng, und über
Um die Hüfte binden ſie, wie alle Mor
In dem Lager zu Kormudſch trugen alle Officiers,
ſo wie alle Unterofficiers und Gemeine ihre Patrontaſche unter dem linken Arm, und ihr Pulverhorn an der rechten Seite. Der Säbel hängt an der linken Hüſte. Ihre Beinkleider, die gemeiniglich von geſtreifter Leinwand, oft aber auch von Seidenzeuge gemacht ſind, ſind weit und lang, doch bey weitem nicht
ſo groß als die Schakſchir der Türken. Die vornehmen Officiers tragen ſchwarze Stiefeln, die ihnen bis an die Knie reichen, und ſo hohe und ſpitze Abſäße ha ben, daß ſie zum Gehen faſt ganz unbrauchbar ſind. Ein Bedienter muß ihnen
daher gleich ein paar Pantoffel bringen, ſobald ſie vom Pferde ſteigen. (Die vornehmen Türken tragen kurze gelbe oder rothe Stiefeln ohne Abſätze.) Die Pantoffeln, womit die vornehmen Perſer in Geſellſchaft gehen, haben gleichfals hohe und ſpitze Abſäße, und auf der inwendigen Sohle, unter dem Hacken, ſchön gemahlte Blumen. Erſteres iſt unbequem, und letzteres eine ſonderbare Pracht, die indeß den Nutzen hat, daß die Mahler etwas dabey verdienen. Das Ober leder der Pantoffel iſt gemeiniglich von grünem, ſo wie der Türken ihres von gel ben Leder. Die Strümpfe ſind von europäiſchen Lacken gemacht, und gehen über die Beinkleider bis an die Knie. Die Kleidung einer vornehmen bür gerlichen Perſon, iſt von der vorhergehenden nur darin verſchieden, daß ſie einen
überrock (türk. Beniſch) an hat, der im Winter gemeiniglich mit einem Pelz gefüttert iſt.
Ein Kaufmann trägt gemeiniglich eine rauhe Mütze ohne Saſch,
einen kurzen Pelz ohne Ermel, Pantoffeln mit breiten Abſätzen und Socken, die nur bis an die Knöchel gehen. Der gemeine Perſer trägt eine Mütze die unten
ſehr weit iſt, und an jeder Seite zwey Zipfel hat wie die Figurenp. Die Perſer, welche ſonſt, ſo wie alle Morgenländer, ſehr reinlich ſind, wechſeln ihr
Rückreiſe nach Abuſchähhr.
177
ihr Leinenzeug nur ſelten. Sie tragen deswegen gemeiniglich Hemden von ge-I765. ſtreifter Leinwand. Die Weiber vom mittlern Stande (vornehme habe ich nicht May.
geſehen) kleiden ſich ſehr beſonders.
Um ihre Beine haben ſie viel Leinwand ge-TT“
wunden, damit ſelbige fein dick und plump werden. Ihre Oberkleider ſind kurz. Um den Kopf haben ſie eine Menge Lumpen gewickelt, und darüber hangen ſie ein großes weiſſes Tuch. Auch vor dem Geſichte haben ſie ein weiſſes Tuch han
gen, daß nur nicht ſo lang iſt, als der Araberinnen ihres.
Kurz, die ganze
Kleidung der perſiſchen Weiber, ingleichen die Stiefeln und Pantoffeln der Vor nehmen verdienen gar nicht von fremden Nationen nachgeahmt zu werden. Die übrige Kleidung der Männer hat viel vorzügliches vor der türkiſchen, und iſt der polniſchen ſehr ähnlich.
Man hofte von einer Woche zur andern, daß eine Karwane von Schiräs nach Abuſchähhr abgehen würde. Allein die Handlung zwiſchen dieſen beyden Städten war noch ſo unterbrochen, daß ich bis den 14ten May warten muſte,
bevor ſich eine ſo große Anzahl Reiſende verſammlete, daß man es mit einiger Sicherheit wagen konnte, ſich auf den Weg zu begeben. Auch noch jezt ging unſere
Reiſe ſehr langſam vonſtatten; denn die Tſcharwadärs (Eigenthümer derLaſtthiere) bekümmerten ſich wenig darum, wie lange ſie auf dem Wege blieben, wenn ſie nur ihre Pferde, Mauleſel und Eſel umſonſt, und gut füttern konnten. Und weil wir jezt überall Gras in überfluß fanden, ſo machten wir immer nur ſehr kurze Tagereiſen. Am erſten Tage kamen wir nicht weiter, als etwa eine hal
be Meile von der Stadt. Hier ſollte ſich die Kafle erſt verſammlen. Am 15ten May reiſeten wir nur 2 Stunden bis Tſchisma Seftd, (Tab. 17.) und am 16ten 4 Stunden bis zu der Ebene bey Bendu. Dieß Dorf liegt ſehr hoch an der Oſtſeite eines Gebirges, und hat viele Gärten mit Weintrauben,
Mandeln, Pfirſchen, Feigen und andern Obſtbäumen. Noch dieſen Tag ſah ich Schnee in den Klüften der hohen Berge. Am 17ten hatten wir einen et was ſchlimmen Weg über Berge und Hügel. Wir lagerten aber ſchon wieder nach 2 Stunden.
An dieſem Tage begegnete uns eine Kafle, in welcher 30 bis 4o Araber
von Bähhrein und Katif waren, die alle nach Meſched reiſen wollten, um II. Theil.
Z
da6
Rückreiſe nach Abuſchähhr.
178
1765. das Begräbniß des Ali ibn Muſa erridda, eines der 1 2 Imäms der Schiiten May. zu beſuchen.
Unter denſelben waren auch einige arabiſche Weiber.
Jeder “TT Schiit, deſſen Geſundheit, Vermögen und Amtsgeſchäfte es erlauben, iſt nach dem mohammedaniſchen Geſetze eben ſo wohl als ein Sunnit verbunden, einmal nach Mekke zu reiſen. Da aber dieſes nicht nur gefährlich und koſtbar, ſondern für ſie auch deswegen unangenehm iſt, weil ſie auf dieſer Reiſe von den Sun niten als Ketzer verächtlich behandelt werden, ſo begnügen ſich viele damit, daß
ſie nur ein oder mehrere Gräber ihrer Imams beſuchen.
Hat einer Vermögen,
und reiſet ſelbſt nicht nach Mekke oder nach den Gräbern ihrer Imäms, ſo wird nach ſeinem Tode ſo viel von ſeinem Nachlaß ausgeſetzt, daß ein anderer in des Verſtorbenen Stelle die Reiſe thun kann. Daher findet man ſo viele Pilgrim me von Profeſſion, die eine ſolche Reiſe für eine Kleinigkeit machen, und doch
noch dabey gewinnen.
Selbſt in unſer Kafle waren drey von dieſen Landſtrei
chern aus Bähhrein und Lächſa, wovon der eine ſchon 9 Reiſen für 9 verſchie dene Todte gemacht hatte. Die von Bähhrein kommende ſchienen auch gröſten theils gemiethete Pilgrimme zu ſeyn. Nur wenige von ihnen ritten auf Eſeln, die übrigen gingen alle zu Fuß. Sie waren überaus ſchlecht gekleidet, und je der hatte ſeine ganze Bagage, nemlich einen Bündel mit Brod und trockenen Datteln, und eine kupferne Gießkanne, die ſie zum waſchen brauchen, auf ſeinem
Rücken.
Selbſt in Arabien habe ich niemals eine ſo bettelhafte Karwaue geſe
hen als dieſe. Die unvermuthete Zuſammenkunft dieſer Araber in einem frem den Lande machte mir viel Vergnügen. Sie küßten einen nach dem andern wohl - viermal beyde Backen, und eben ſo oft die Hand, und wiederholten dabey im mer die Frage, wie ſie gelebt hätten. Die von Bhhrein kommende erkundig
ten ſich bey unſern Arabern nach dem Wege nach Meſched. Unſere fragten jene nach dem Wege nach Abuſchähhr, und beyde Partheyen verſicherten, daß man in keinem Lande in der Welt mit ſo großer Sicherheit reiſen konnte, als in Perſieu. In ihrem Aufzuge hatten ſie gewiß auch nichts von Räubern zu fürchten. Dann
ward gefragt; wie viel ein Pfund Brod, Reis oder Butter in den Gegenden koſte, woher ſie gekommen wären? Beyde Partheyen, welche vielleicht aus einer ma
gern Gegend ſeyn mochten, glaubten in ein Paradies verſetzt zu ſeyn ; ich -
WUN
Rückreiſe nach Abuſchähhr.
179
wunderte mich alſo gar nicht darüber, daß dieſe armen Leute ſo gern als gemiethete 1765. Pilgrimme nach Meſched reiſen. Endlich ward noch von Hausangelegenhei- May. ten geſprochen, da einige Nachrichten wiſſen, und andere beſtellen laſſen wollten,-T-T> und ſo endigte ſich dieſe Zuſammenkunft mit vielen inbrünſtigen guten Wünſchen.
Es war betrübt, in Perſien, 18 Jahre nach dem Tode des Nadir Schah, noch ſo viele einäugige anzutreffen, die das andere Auge durch die Wuth des er
wähnten Tyrannen verloren hatten.
auch verſchiedene dieſer Unglücklichen.
Unter den Arabern von Bähhrein waren
Sogar zu Surát, Maſkát, Basra
und Bagdäd habe ich noch Beweiſe ſeiner Grauſamkeit, ſowohl an armeniſchen als mohammedaniſchen Kaufleuten geſehen, die nachher ihr Vaterland verlaſſen hatten.
Am 18ten reiſte ich mit einigen von der Kafle voraus bis Mordha, wo die übrigen uns erſt den folgenden Tag einholten.
Am 2 oſten kamen wir bis
Grä, am 21ſten nach Khaniek und am 22ſten bis Auis.
So wie wir uns
dem perſiſchen Meerbuſen näherten, und alſo niedriger, und in eine dickere Luft kamen, ſo nahm auch die Hiße immer zu. Niemals habe ich ſo viele und ſo
große Sternſchneußen geſehen, als bey Auis und Mordha; auch habe ich nir gends ſo viele Johanniswürmer angetroffen, als bey Mordha und Khaniek. Die Luft war daſelbſt mit ihnen und dem phosphoriſchen Lichte, das ſie von ſich geben, gleichſam angefüllt. Das Zodiacallicht habe ich gleichfals nirgends ſo ſchön geſehen, als auf dieſer Reiſe in Perſien.
Kerim Khan hatte vor einiger Zeit ein Commando nach einem Dorfe in der Gegend von Kaſſerün geſandt, um ſich eines Rebellen zu bemächtigen, der ſich ſeinem Befehl widerſetzt, oder der vielleicht nicht ſo viel hatte bezahlen kön nen, als verlangt worden war. Er war aber mit ſeiner ganzen Familie vorher
nach einem Dorfe in der Nähe von Auis entwiſcht, und die Truppen hatten, wie gewöhnlich, ſein Dorf geplündert und zerſtört. Wir trafen hier etwa 2 oo Bauern unter dem Befehl ihrer Kalantärs und eines Khäns an, die vier Tage Zeit gebraucht hatten, um ſich zu verſammlen.
Bey unſerer Ankunft rückten ſie
endlich aus, um den Rebellen zu holen. Sie kamen aber gegen Abend mit der Nachricht zurück, daß er ſchon längſt von hier nach Benderrigk geflüchtet wäre.
So iſt jezt die Kriegsverfaſſung in Perſien beſchaffen. Der gröſte Theil der Vorne Z 2
MLU.
IZO
Rückreiſe nach Abuſchähhr.
1765. men iſt mit der Regierung der kurdiſchen Familie unzufrieden. Wenn ſie daher May. ausgeſandt werden, um ihre Landsleute als Rebellen aufzuſuchen, ſo laſſen ſie
“TT“ihnen gern ſo lange Zeit, daß ſie vorher entſliehen können. Des Abends kam Nachricht, daß ein Bauer, der auf ſeinem Eſel von Grä nach Auis reiten wollen, unterweges geplündert wäre.
Darum ſchien der Khän und ſein ganzes
Commando ſich eben ſo wenig zu bekümmern, als ein Janitſchar, den ich in einem Dorfe in Egypten antraf, und der ſtolz darauf war, daß die Räuber ſich noch nicht
gewagt hätten, des Nachts bey ihm und ſeinem Kammeraden, (die dieß Dorfſchützen ſollten) einzubrechen, ob dieß gleich ſehr oft bey ihren Nachbaren geſchehen war. Von Auis an reiſeten wir des Nachts, um uns bey der großen Hitze am Tage auszuruhen. Wir nahmen nicht den Umweg nach Kormudſch, ſondern
- gingen von dem Berge Sandel nach einem Dorfe Pir, wo wir am 23ſten des Morgens ankamen. In der folgenden Nacht reiſeten wir Bosgün, ein großes Dorf mit einem Caſtell, vorbey, und lagerten am 24ſten auf einer großen Ebene bey dem Dorfe Täle. Am 25ſten des Morgens an einem kleinen Fluß bey
Gätſch.
Am 26ſten bey Chäwis, einem Dorfe mit vielen Dattelbäumen, die
jezt ſehr viel von Heuſchrecken gelitten hatten; und am 27ſten bey Ahhräm,
einem Dorfe außerhalb dem Gebürge, und alſo in Kermaſtr.
Bey Gätſch
waren ſchon alle Kräuter von der großen Hitze verdorrt. Dieſe kamen durch die Unvorſichtigkeit eines Eſeltreibers in Brand, und die Kaufmannswaaren, in
gleichen meine kleine Bagage kamen dadurch in große Gefahr.
Das Feuer aber
ward durch Schlagen mit Pferdedecken und Säcken noch glücklich gedämpſ, ohne
ſonderlich Schaden verurſacht zu haben.
Bey Grä und in andern Gegenden,
wo man das ſchöne Land, welches daſelbſt aus Mangel an Leuten oft wüſte liegt,
wieder aufbrechen will, ſteckt man das Gras mit Fleiß in Brand (wie bey uns die Heiden) weil die Aſche eine gute Düngung giebt. Emir Kuneh Khän, den ich ſchon im Februar mit einer kleinen Armee zu Kormudſch antraf, war daſelbſt bis jezt geblieben. Erſt dieſen Morgen war er von Ahhräm aufgebrochen, um endlich die Belagerung von Benderrigk anzufangen: und da es ihm ſelbſt an Zeit fehlte Schatzungen von den Bauern zu
Ayhräm und den benachbarten Dörfern einzutreiben, ſo hatte er hier zu dem Ende
Rückreiſe nach Abuſchähhr.
I8 I
Ende ein Commando zurück gelaſſen, welches die armen Einwohner ſeine Stöcke 1765. rechtſchaffen fühlen ließ. Zu Ahhräm verließ ich mit einigen andern die auch May
zu Pferde waren, die Kaſſe, und kam am 28ſten May zwar etwas unpäßlich TT“ und ſehr ermüdet, doch glücklich nach Abuſchähhr. Hier wohnte ich wiederum bey Herr Jervis, und war alſo in dieſer Ab
ſicht ſehr wohl.
Die große Hitze aber war mir, beſonders da ich eben von Schi
räs, und alſo aus einer kältern Gegend kam, ſo empfindlich, daß ich eilte um meine Reiſe weiter fortſetzen zu können. Gleich bey meiner Ankunft fand ſich darzu eine ſehr ſchöne Gelegenheit; denn ein engliſches Schiff, das nach Cha
redſch und Basra gehen wollte, lag eben ſegelfertig.
Allein ich muſte auf meine
Reiſeſäcke warten, die erſt am 29ſten mit der Kafle anlangten. Nun war das Schiff abgeſegelt, und ich konnte zu Abuſchähhr kein Fahrzeug bekommen, das mich nach Charedſh bringen wollte, weil die hieſigen Schiffer ſich für Mir Ma
hennäs Galwetten fürchteten.
Am 3oſten kam ein kleines Fahrzeug von Cha
redſch. Weil die Holländer ſowohl mit Mir Mahenna als dem Schech von Abuſchähhr in Friede lebten, ſo miethete ich ſelbiges gleich, und kam damit am 3 1ſten May nach der erwähnten Inſel. Das engliſche Schiff aber war einige Stunden vor meiner Ankunſt von hier geſegelt. Ich muſte alſo noch einige Zeit auf Charedſch bleiben, welches mich nachher auch nicht gereuete; theils weil ich von den Holländern ſehr wohl aufgenommen ward, theils auch weil ich hier ei nen Krieg erlebte, desgleichen man in Europa wohl nicht geſehen hat. -SS
»Sº.–>> -->YY-----------
A
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S :-
z-Fer
Anmerkungen zu Charedſch.
D. Lage der Inſel T/LS Charedſch oder Karek iſt
ſhon in der Be
ſchreibung von Arabien auf der 19ten Tabelle angezeigt worden. Daſelbſt habe ich auch Nachricht gegeben, wie dieſe Inſel unter die Herrſchaft der hollän diſchen oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft gekommen iſt, und wie letztere ſie wie der verloren hat. Der Baron von Kniphauſen nemlich war der Stifter dieſer Colonie. Er war ſchon vorher Directeur der holländiſchen Handlung zu Basra; ward aber hier, vielleicht aus eigenem Triebe der Türken die mit ihm misver Z 3
gnügt
I82
Anmerkungen zu Charedſch,
gnügt waren, vielleicht auch etwas mit auf Anſtiften anderer Europäer, die auf die Holländer eiferſüchtig waren, ins Gefängniß geworffen, genöthigt eine große
Summa Geldes zu bezahlen, und Basra zu verlaſſen.
Herr van der Hulſt,
nunmehr der Vornehmſte in der holländiſchen Factorey, ward von dem Muta
ſillim gleich als Agent erkannt, aber auch ſo begegnet, daß er nach Abuſchähhr abreiſete, wohin ihm die übrigen Bedienten der Holländer bald folgten. Die Basraner dachten an nichts weniger, als daß ein Kaufmann im Stande ſeyn würde ſich an ihnen zu rächen; und die Kaufleute von den übrigen europäiſchen Nationen in dieſer Stadt glaubten ſchon, daß die Holländer fernerhin von dem Handel nach dem perſiſchen Meerbuſen gänzlich ausgeſchloſſen ſeyn ſollten. Herr
von Kniphauſen aber traf einen Vergleich mit dem Herrn zu Benderrigk, nach welchem dieſer den Holländern erlauben ſollte, auf der Inſel Charedſch ein Waa renlager zu bauen. Darauf ging er nach Batavia, kam in dem folgenden Jahre
zurück, und befeſtigte nicht nur die Handlung auf Charedſch, ſondern nöthigte auch die Türken zu Basra alles wieder zu bezahlen, was ſie theils ihm, theils den übrigen holländiſchen Bedienten abgenommen hatten. Nach dem Baron
von Kniphauſen ward Herr van der Hulſt Gouverneur von Charedſch : und als dieſer bald nachher zurück berufen ward, weil er nicht das Glück hatte an
dem neuen Gouverneur zu Batavia einen Gönner zu haben, ſo kam Herr Buſch mann an ſeine Stelle, der hier zu meiner Zeit als ein kleiner Souverain regierte.
Sowohl Herr von Kniphauſen als Herr van der Hulſt hatten mit den Arabern am perſiſchen Meerbuſen, und mit den zu Benderrigk beſtändig Krieg
geführt, welches den Holländern viel koſtete. ſich gleich anfangs Achtung zu verſchaffen.
Herr Buſchmann hatte gewuſt
Mir Mahenna ſchickte ſeinen vor
nehmſten Officier mit einem anſehnlichen Gefolge an ihn, um eine gewiſſe Sache abzumachen. Vielleicht hatte dieſer auch den Auftrag die Holländer zu überrum peln, wie es hernach wirklich geſchehen iſt. Aber der Gouverneur war auf ſeiner Hut. Alle Soldaten muſten auf ihre Poſten, und die Matroſen auf die Galwetten. In das Caſtell ließ er nur ſo viele Leute von dem Gefolge des Geſandten ein, als er haben wollte. Letztern empfing er auf einem großen Lehn
ſtul in ſeinem Saal.
Seine Schreiber und der Fähnrich ſtunden bey ihm als -
ſeine
Anmerkungen zu Charedſch.
183
ſeine Räthe, und alle ſeine Schwarzen und die übrigen Bedienten ſtanden an beyden Seiten des Saals mit blanken Säbeln.
Nach der Audienz führte er
den Geſandten auf die Mauer des Caſtells, zeigte ihm ſeine Canonen, und daß er im Stande wäre, ſich zu vertheidigen, von welcher Seite er auch angegriffen werden möchte. Dieß alles mit ſo großer Entſchloſſenheit und mit ſeiner gewöhn lichen Lebhaftigkeit, welche die Araber Tollkühnheit nannten, daß der Geſandte, der niemals ein ſolches Caſtell geſehen, und ein ſolches Canoniren gehört hatte, ihm ganz treuherzig auf die Schulter ſchlug und ausrief: "wenn du dir eine ſol che Feſtung nehmen läßt, ſo biſt du nicht werth hier Gouverneur zu ſeyn.«
Er ging darauf zurück; Mir Mahenna nahm alle Bedingungen an, die Herr Buſchmann vorgeſchlagen hatte, und ſeitdem trieben die Holländer ganz ruhig einen ſtarken Handel, ſowohl nach Perſien als nach Basra.
Herr Buſchmann war eines angeſehenen Predigers Sohn aus Holland, der ihn, weil er ihn zum Studiren zu lebhaft fand, mit guten Empfehlungs ſchreiben nach Batavia ſandte. Man ſagte, er hätte vor ſeiner Abreiſe von Amſterdam die Thorheit begangen, und ſich mit einigen luſtigen Reiſegefährten an einen Wahrſager gewandt, der ihm verſchiedene wichtige Begebenheiten ſei nes Lebens vorher ſagte. Bisher war alles eingetroffen, und er zweifelte alſo auch nicht, daß er, wie ihm propheceyt worden war, noch vor ſeinem vierzig ſten Jahre ſterben würde. Dieſer Gedanke quälte ihn ſo ſehr, daß er kein Mit tel fand ſich aufzumuntern, als beym Wein, und dieſem ward er zuletzt ſo ſehr ergeben, daß er ſich dadurch bey ſeinen Landsleuten viele Feinde machte. Indeſ war er zu bedauern, und ich habe ſein Beyſpiel nur andern zür Warnung anfüh ren wollen, die auch begierig ſind ihr Schickſal in dieſer Welt vorher zu wiſſen. Er war ein rechtſchaffener Mann, und eifrig im Dienſte der holländiſchen Hand lungsgeſellſhaft. Er war gaſtfrey gegen Fremde, aber ein Feind von vielen Complimenten. Diejenigen welche ſeine Einladung gleich annahmen, und es
ſich eben ſo gut ſchmecken ließen als in ihrem eigenen H. uſe, oder die es rein heraus ſagten wenn ſie nicht bleiben konnten, waren ihm am liebſten. Dann, ſagte er, weiß ich daß ſie mit mir zufrieden ſind, und ich biu vergnügt mit ihuen.
Waren ſie unſchlüſſig, ob ſie ſeine Dienſte annehmen wollten oder nicht, ſo ward
I84 ward er verdrieslich.
Anmerkungen zu Charedſch. Ich ſelbſt habe einmal geſehen, daß er zwey franzöſiſche
Officiers und einen engliſchen Schiffer, die den ganzen Nachmittag und Abend vergnügt bey ihm zugebracht hatten, zum Caſtell heraus jagte, weil ſie ſich nicht entſchließen konnten, ob ſie in ſeinem Hauſe oder an Bord ſchlafen woll ten. Als die Complimenten ihm zu lange dauerten, rief er der Schildwache zu: ſie ſollte eilig das Thor öfnen laſſen, damit die Leute zum Caſtell hinaus kommen könnten. Die Gäſte, welche kein Holländiſch verſtanden, glaubten ſie ſollten in die Wache geführt werden. Sie liefen was ſie konnten, ohne einmal
Abſchied zu nehmen; Herr Buſchmann rief ihnen im Portugiſiſchem nach: Gute Nacht, gute Nacht. Allein ſie waren froh das Thor offen zu finden, und hörten nicht auf zu laufen, bis ſie ihr Boot erreicht hatten.
Auch Kerim Khän, der Statthalter von Perſien hatte einigemal Tribut von den Holländern verlangt, war aber immer ſo abgewieſen worden, daß er ſich deswegen in den lezten Jahren nicht wieder gemeldet hatte. Jezt war er mit verſchiedenen Schechs auf dieſer Küſte misvergnügt. Die womit er am wenigſten zufrieden war, waren Mir Mahenna, Herr zu Benderrigk, und Soleiman,
Schech von dem arabiſchen Stamme -8-S- Káab, der nach und nach Herr von allen Inſeln im Schät el ärrab, und über einen anſehnlichen Diſtrikt von
Perſien geworden war.
Wenn er ihnen wiſſen ließ, daß er mit einer Armee
kommen würde, wofern ſie nicht bezahlten, ſo antworteten ſie ganz ruhig: ſie wüſten wohl, daß er mächtig genug wäre, um ſie von dem feſten Lande vertrei
ben zu können; wenn er es aber dahin bringen wollte, ſo würden ſie ſich auf ihre Schiffe begeben, und dann würde er ſie nicht weiter verfolgen können. In die ſem Jahre rückte Kerim Khän ſelbſt mit einer anſehnlichen Armee gegen Schech Soleiman, und ſchickte eine andere unter dem Befehl des Emir Kuneh Khän gegen Mir Mahenna. Der General blieb über drey Monate zu Kormudſch, wie im
vorhergehenden bemerkt worden,
um erſt Bundesgenoſſen zu ſuchen, die
eine kleine Seemacht hatten, und dieſe waren ſchwer zu finden.
Alle kleine
Schechs, von dem Vorgebürge Berdiſän an bis Hormus, waren in gleichem Fall
mit Mir Mahenna; ſie bezahlten nemlich auch keinen Tribut. Die Einwohner zu Konkün, welche Kormudſch am nächſten waren, ſchliefen ſchon alle Nächte auf
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
185
auf ihren Schiffen, um gleich davon ſegeln zu können, wenn ſie von den Perſern überfallen werden ſollten. Kerim Khän konnte ſich nur einzig und allein auf
Schech Naſſer, Herrn von Abuſchähhr verlaſſen; denn dieſer gewann durch die Handlung ſeiner Stadt mit Schiräs ſehr viel, und durfte ſich ihm alſo des
wegen nicht widerſetzen.
Überdieß war er ſelbſt auch noch mit Mir Mahenna in
einen Krieg verwickelt.
Aber ſeine Seemacht war zu ſchwach, als daß er allein
den Feind bezwingen konnte. Der Wektl wandte ſich alſo an die Europäer. Die Holländer auf Charedſch wollten ſich in dieſen Krieg gar nicht miſchen. Die Engländer zu Abuſchähhr wollten auch nicht gern etwas damit zu thun haben:
weil aber Mir Mahenna zu inſolent geworden war, ſo verſprach Herr Jervis endlich, daß er dem Schech Naſſer einen Kreuzer (kleines Kriegsſchif der Englän der zu Bombay) zu Hülfe geben wollte.
Der Feind ſollte nun von Emir Ku
neh Khän zu Lande, und von den Schiffen des Schechs Naſſer und von dem engländiſchen Kreuzer zur See angegriffen werden.
Mir Mahenna hatte unterdeß Zeit, ſich in Vertheidigungsſtand zu ſetzen. Benderrigk verſorgte er erſt reichlich mit Lebensmitteln. Viele Einwohner aus dieſer Stadt begaben ſich nach Charedſch.
Weil aber die Holländer fürchteten,
daß ihre eigene Unterthanen durch dieſen Zuwachs von Leuten Mangel an Lebens mitteln leiden möchten, oder daß Kerim Khän und Schech Naſſer ihnen des
wegen, daß ſie die Rebellen in Schutz nahmen, den Handel nach Perſien ver bieten würden, oder daß die neuen Ankömmlinge gar ſuchen könnten Mir Ma henna ſelbſt auf die Inſel zu locken, ſo wurden ſie alle wieder zurück geſandt.
Mir Nahenna ſchickte darauf ſeine ganze Familie und die Einwohner von Ben
derrigk nach Chouéri -525- einer kleinen unbewohnten Inſel # bis eine deutſche Meile von Charedſch. Man ſollte denken, Schech Naſſer würde ge ſucht haben, den Feind zu verhindern, daß er ſich daſelbſt feſtſetzen möchte.
Es ſchien aber, daß er ſich darum gar nicht bekümmerte. Er ſah es voraus, daß Mir Mahenna der Landmacht nicht würde widerſtehen können, und gönnte es den Perſern nicht, daß ſie eine große Beute zu Benderrigk finden ſollten. Er hofte indeſſen, ſie würden den Feind ſo ſchwächen, daß es ihm, mit Hülfe der
Engländer, nachher leicht werden würde, alle nach Chouéri gebrachte Reichthü II. Theil.
-
A a
Mer,
186
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
1765. mer, ja den Feind ſelbſt in ſeine Hände zu bekommen. Dieſe kleine Inſel Junius. ward unterdeß in kurzer Zeit volkreicher, als irgend eine andere im ganzen per
'-T-T>'ſiſchen Meerbuſen. Endlich am Ende des May, nachdem Mir Mahenna Zeit genug gehabt hatte, ſich auf Chouéri feſt zu ſetzen, kam Emir Kuneh Khän mit ſeiner Armee vor Benderrigk an, und zu ihm ſtießen noch einige tauſend Mann, welche Ke
rtm Khän von ſeiner Armee, die jezt bey Gobän ſtand, abgeſandt hatte. Die Flotte von Abuſchähhr aber war noch lange nicht zum Auslauffen fertig, und Mir Mahenna hatte alſo von der Seeſeite noch nichts zu fürchten. Unterdeß entlief ihm eine große Anzahl Soldaten, die es jezt für beſſer hielten, es mit der ſtärkern Parthey zu halten. Dieß brachte ihn faſt zur Verzweiflung. Er ließ alles Vieh, was er nicht mit fortbringen konnte, todtſchlagen, oder zum Ge brauch untüchtig machen. Die Häuſer, oder vielmehr die Hütten ſeiner Stadt waren ſchon längſtens leer. Er ſelbſt hatte bereits einige Nächte auf dem Waſ ſer geſchlafen. Am 1ſten Junius muſte alles an Bord, und am 2ten kam er
mit 17 Segeln, wovon 5 Galwetten, *) die übrigen aber lauter kleine Fahr zeuge waren, nach Chouèri. Dieſe kleine unfruchtbare Inſel war jezt das ganze Gebiet des Mer Ma henna, der kurz vorher noch Herr über einen anſehnlichen Diſtrikt auf dem feſten -
Lande war. Für Menſchen hatte er zwar Lebensmittel genug hieher gebracht; es fehlte ihm aber bald an Futter für das Vieh, und er würde ſehr übel daran
geweſen ſeyn, wenn die Holländer es ihm nicht erlaubt hätten, daß er ſeine Schafe nach Charedſch ſchicken durfte. Weil faſt die ganze Inſel aus Sandhügeln be ſteht, ſo ſchützten die ſchlechten Hütten die neuen Einwohner nur wenig gegen
die große Hitze, und es ſturben daher viele Menſchen. jezt faſt zu allen Geſchäften untüchtig.
Mir Mahenna ſelbſt war
Mit einem Auge war er ganz blind;
an dem an vern hatte er eine ſtarke Entzündung, und überhaupt wuſte er ſich bey der
*) Die Eingebornen nennen ein ſolches kleines bewafnetes Fahrzeug eigentlich Äalbet, und
die noch kleinern, die ſie im Nothfall auch bewafnen, Batil. Ueberhaupt haben die Araber in allen Gegenden für alle ihre Schiffe von verſchiedener Größe und Bauart eben ſo verſchiedene Namen, als die Europäer.
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
187
der jezigen Lage der Sachen ſo wenig zu helfen, daß er faſt alles auf ſeine Offi-
1 765.
ciers ankommen laſſen muſte, von welchen er einigen, theils in der Trunkenheit, Junius.
theils wegen ihres Ungehorſams ſchon die Ohren hatte abſchneiden laſſen. Dieß-TYT“ Geſindel aber blieb ihm beſtändig getren. Um dieſe Zeit erhielten wir Nach
richt, daß auch Soleiman der Schech des Stammes Käab durch Kerim Khän von dem feſten Lande wäre vertrieben worden, und ſich auf die Inſeln im Schat el ärrab begeben hätte. Am 4ten Junius lief endlich die Flotte von Abuſchähhr aus, die Mir Mahenta den letzten Stoß geben ſollte.
Selbige beſtand aus einem Kreuzer
der Engländer, den Capitain Price commandirte.
Schechs Naſſer, drey Galwetten und zwey Batils.
Ferner aus dem Schiffe des
Herr Natter, der Schrei
ber der Engländer zu Abuſchähhr, welcher in ſeiner Jugend einige Seereiſen als Cadet gemacht hatte, commandirte die gröſte Galwette, und zeigte ſich hier als einen beſſern Seeofficier, als irgend ein Araber auf dieſer ganzen Flotte.
Der
Sohn des Schechs war auf dem großen Schiffe und wollte bey ſeinen Lands leuten als Admiral angeſehen werden; war aber theils dadurch, theils wegen
ſeiner Feigheit den Engländern mehr hinderlich als behülflich. Dieſe Flotte warf gegen Abend bey Charedſch Anker. Mir Mahenna, der ſchon alle ſeine
Schiffe aufs Land gezogen hatte, brachte gleich in der folgenden Nacht ſeine 5 Galwetten und ein Batil wieder ins Waſſer. Am 5ten des Morgens ſah man Anfänglich ſchien es, als wenn die
ſie ſchon nach der perſiſchen Küſte ſegeln.
Flotte von Abuſchähhr ſich darum gar nicht bekümmerte, ſondern gerade nach Chouéri gehen wollte. Als aber der Feind ihr ſchon den Wind abgewonnen hatte, ſegelte ſie nach, ein Schiff hinter dem andern, beyde Partheyen ſchoſſen, doch in einer ſo großen Entfernung, daß dadurch kein Schade geſchehen konnte: und wenn wir es nicht gewuſt hätten, daß dieß zwey feindliche Flotten wären,
ſo hätte man glauben ſollen, daß ſie lauter Freudenſchüſſe thäten.
Bey Son
nenuntergang ſahen wir ſie alle nach Südoſt, noch immer hinter einander anſe
geln. Am 6ten des Morgens früh lagen die Galwetten des Mir Mahenna zwiſchen Charedſch und Chouéri; der engliſche Kreuzer und eine Galwette nach
der Gegend von Benderrigk und das Schiff des Schechs Naſſer nicht weit von Aa 2
Den!
I88
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
1765. dem Hafen Abuſchähhr. Der junge Schech hatte geglaubt, er würde mit Hülfe Junius, der Engländer den Feind gleich den erſten Tag bezwingen. Da ſeine Hofnung
“TT“fehl geſchlagen war, ſo ſetzte er ſich des Nachts auf die eine Galwette und nahm noch eine andere und ein Batilmit, um ſeinem Vater Nachricht von ſeinen Hel denthaten zu geben, wobey er ſeine Landsleute überreden wollte, daß die feind
liche Flotte gänzlich geſchlagen ſeyn würde, wenn nur die Engländer ſeinem Rath hätten folgen wollen. Gern würde er anch die dritte Galwette mit zurück ge nommen haben, wenn Herr Natter ſich ihm nicht widerſetzt hätte. Das Schiff von Abuſchähhr ward nunmehr von einem Lotſen commandirt. Dieſer ſegelte nach der Weſtſeite der Inſel Charedſch, und kehrte gegen Abend
wieder zurück.
Mir Mahenna ſegelte um ſeine Inſel herum. Capitain Price
und Herr Natter, die von ihren Bundesgenoſſen verlaſſen waren, gingen allein gerade auf den Feind zu, in der Hofnung, mit ihm handgemein zu werden; al lein dieſer ankerte gleich, nnd canonirte, theils von der Inſel, theils von ſeinen Galwetten ſo ſehr auf die Engländer, daß letztere es für rathſam hielten, wieder umzukehren. Des Nachmittags warfen ſie bey Charedſch Anker, wo ſie auch noch einige Tage blieben. Das arabiſche Schiff kreuzte beſtändig zwiſchen Abu ſchähhr und Charedſch, konnte, oder vielmehr wollte aber nicht eher nach dieſer Inſel kommen, als am 15ten, da es bey den Engländern ſein Anker warf.
Mir Mahenna hatte auf der Inſel Chouéri keinen Hafen.
Am 1oten
hatten wir einen ſtarken Sturm aus Nordweſt, wodurch die eine ſeiner Galwet ten ſo beſchädigt ward, daß ſie gänzlich unbrauchbar war. Indeß ſahen wir am 15ten des Morgens daß 3 Galwetten und ein Batil bey der Inſel Chouéri fehl
ten. Capitain Price hatte Nachricht, daß die Galwetten von Abuſchähhr wie der ausgelaufen wären. Er zweifelte nicht, daß Mir Mahenna ſeine Schiffe ausgeſandt hätte um ſelbige aufzuſuchen. Da aber die Araber ſich von ihm ge trennt, und nichts von der neuen Expedition geſagt hatten, ſo konnte er ſie nicht aufſuchen. Dieſen Abend war der holländiſche Gouverneur über die maßen aufgeräumt. Nach dem Eſſen fiel es ihm ein, daß s wohl nicht übel angebracht wäre, wenn
er den beyden kriegenden Partheyen etwas nachzudenken gäbe.
Um Mitternacht ließ
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
189
ließ er eine Canone abfeuern, worauf ſich alle Europäer, die auf Charedſch wa- 1765. ren, ſogleich nach dem Caſtell verfügten. Einige hatten geglaubt, daß die Inſel Iunius.
entweder von Mir Mahenna, oder den Arabern von Abuſchähhr angegriffen wür-TT de; ſie hörten aber bald, daß Herr Buſchmann nur verſuchen wollte, ob auch einjeder bereit ſeyn würde, ſich gleich einzufinden, und den Befehl ſeines Gou verneurs zu vernehmen. Er ließ hierauf noch 5 achtzehnpfündige Canonen von dem Caſtell, und einige kleinere von den Galwetten, alle ſcharf geladen, nach der Gegend von Chouéri abfeuern. Dieß gab den Fremden Anlaß allerhand zu muthmaßen. Das Schiff der Engländer und das von Abuſchähhr lichteten gleich ihre Anker, und beym Anbruch des Tages waren ſie ſchon ſo weit von der In ſel entfernt, daß wir ſie kaum mehr ſehen konnten. Mir Mahenna mag ge glaubt haben, daß entweder eine Rebellion auf Charedſch entſtanden, oder daß die Engländer ſich mit ihren Bundesgenoſſen veruneinigt hätten, oder daß dieſe beyden ſich des hieſigen Caſtels bemächtigen wollten. Am 16ten kamen drey Galwetten und ein Batil des Mtr Mahenna ſo
nahe zu zwey Galwetten und ein Battl des Schechs Naſſer, daß eine Seeſchlacht unvermeidlich ſchien.
Zum Glück für beyde Partheyen, kam juſt ein engliſches
Kauffardeyſchiff von Madras, nach Basra beſtimmt, das erſt zu Charedſch anlegen wollte, um einen Lotſen zu nehmen. Dieß ſegelte gerade auf ſie zu, ohne einmal zu wiſſen, was es für kleine Schiffe wären, die ſich hier ſchlagen wollten. Beyde Flotten glaubten alſo eine hinlängliche Urſache zu haben, ſich wieder za trennen. Jeder nemlich gab vor, daß er es nicht hätte wiſſen können, weſſen Parthey das große Schiff würde ergriffen haben.
Als Capitain Price ſah, daß er mit den Arabern von Abuſchähhr nichts ausrichten würde, ſchlug er vor, daß die Perſer ihm einige tauſend Mann geben ſollten, mit welchen er eine Landung auf Chouéri machen wollte. Emir Ku
neh Khän, der ſeine Truppen nunmehr in den ledigen Hütten zu Benderrigk einquartiert hatte, verſprach gleich ſo viele Leute herzugeben, als vonnöthen ſeyn würden. Herr Jervis aber wollte noch erſt einen Verſuch machen, ob er nicht die Holländer mit ins Spiel bringen könnte. Die ganze Flotte von Abu
ſchähhr, und auf derſelben auch der Sohn des Schechs, der ſich gleich in der Aa 3
erſten
I9O
Feldzug der Perſer gegen einem arabiſchen Schech.
1765. erſten Nacht zurück gezogen hatte, kam in dieſer Abſicht am 19ten wieder nach Cha Junius. redſch. Herr Buſchmann aber blieb bey ſeinen einmal gefaßten Entſchluß,
“TT ſich gar nicht in dieſen Krieg zu miſchen.
-
Am 2 oſten ward dem Sohn des Schechs berichtet, daß zwey Fiſcherboote des Mir Mahenna zu Charedſch angekommen wären. Nur ein Fiſcher war in denſelben geblieben, die übrigen Leute waren alle in die Stadt gegangen.
Der
junge Herr gab gleich Befehl, daß man dieſe Fahrzeuge an ſein Schiff bringen ſollte. Weil die Araber ſo wenig Widerſtand fanden, ſo bemächtigten ſie ſich derſelben ſehr leicht; allein die holländiſchen Galwetten verbothen ihnen vom Lande zu gehen. Als ſie ſich hieran nicht kehrten, ſondern doch die Segel auf ſetzten, ſo ſchoſſen die Holländer mit Flinten, aber auch noch vergebens. Dieß ward den Gouverneur berichtet. Dieſer ließ gleich Canonen auf ſie richten: und als eine Kugel dicht vor ihnen ins Waſſer fiel, ſo hielt das eine Fahrzeuges für rathſam zurück zu kehren; das andere aber nahm ſeinen Weg doch gerade nach dem Schiffe des Schechs. Hierauf lief eine Menge Araber ans Ufer, um zu ſehen was nun die Holländer mit den Arabern von Abuſchähhr anfangen wür den. Als die Mohammedaner von Charedſch den armen Fiſcher ermordert und geplündert im Bost liegen ſahen, konnten ſie ſich nicht enthalten, heftige Wün ſche gegen den grauſamen Thäter auszurufen, und auch auf die von Abuſchähhr
überhaupt zu ſchimpfen. Dieſe befürchteten überfallek zu werden, und zogen ihre Säbel. Die Araber von Charedſch (welche keine Soldaten waren und alſo keine Säbel trugen) griffen gleich nach ihren großen Meſſern und nach Stei nen; und ſo ſahen wir das unordentlichſte Scharmützel, das man ſich nur vorſtel len kann, bis die holländiſchen Matroſen von den Galwetten mit Flinten unter ſie ſchoſſen, ohne ſich darum zu bekümmern, ob Freund oder Feind fallen möchte.
Verſchiedene wurden verwundet, aber doch keiner getödtet. Indeß verloren die von Abuſchähhr alle ihre Säbel und Piſtolen. Das bey dem ermordeten Fiſcher geraubte Geld muſte gleich zurück gegeben werden, und beſonders der Mörder
bekam viele Hiebe. Herr Buſchmann ließ auch diejenigen, welche mit dem einem Fahrzeuge hatten entfliehen wollen, ſo lange anhalten, bis der junge Schech das zweyte wieder ausliefern, und wegen des Vorgefallenen um Vergebung bit
ten ließ, welches alles noch vor Sonnenuntergang geſchah.
Un
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
191
Unterdeß kam ein kleines Jagtſchiff des engliſchen Agenten zu Basra, 1765.
nach Charedſch.
Capitain Price, welcher am 21ſten mit der ganzen Flotte des Junius.
Schechs Naſſer von hier ſegelte, nahm auch dieß mit, um zu Benderrigk die TT“ perſiſchen Truppen einzunehmen, womit er eine Landung auf Chouéri machen wollte. Als ſie dieſe Inſel in der Nähe vorbey ſegelten feuerten ſie tapfer. Mir
Mahenna, der dieß als einen Gruß anzunehmen ſchien, antwortete nur mit einem Schuß.
Zwey von ſeinen Galwetten waren jezt unbrauchbar, und lagen
mit allen ſeinen kleinen Fahrzeugen auf dem Lande.
Von ſeinen drey übrigen
Galwetten und einem Batil hatten wir ſeit einigen Tagen gar keine Nachricht.
Man zweifelte nicht, daß er ſie in einer wichtigen Angelegenheit würde abgeſandt haben, man wuſte aber nicht wohin. Schon am 23ſten kam die ganze Flotte von Benderrigk wieder zurück. Es
ſchien daß der junge Schech ſich uns mit Fleiß nicht nähern wollte; denn er hielt anfänglich ſo weit ab, daß es nachher nicht wohl möglich war, gegen den Wind aufzukommen. Die übrigen legten alle noch heute oder den folgenden Tag
bey Charedſch vor Anker. Truppen hatten ſie nicht bekommen. Indeß hatte Emir Kuneh Khän dem Capitain Price nochmals verſichert, daß 5 ooo Mann
zu ſeinem Befehl bereit ſeyn ſollten, ſobald nur das Feſt Höſſeins vorbey ſeyn würde, und dieß dauerte vom Anfang bis den 1 oten ihres Monats, oder bis den 29ſten Junius. Der Engländer hätte ſich auf das Verſprechen dieſes per ſiſchen Generals lieber gar nicht verlaſſen ſollen. Er glaubte ſchon große Thaten ausgeübt zu haben, da er von der nicht nur von allen Soldaten, ſondern gar von allen Menſchen verlaſſenen Stadt Benderrigk Beſitz genommen hatte. Nun
ließ er die Engländer und den Schech von Abuſchähhr für das übrige ſorgen:
und die Schiffe des letztern entfernten ſich auch immer ſo weit, wenn Capit. Price ſich dem Feinde näherte, daß man deutlich ſah, daß alle mit einander ſich auf die wenigen Engländer verließen, die ſie durch große Verſprechungen überredet
hatten, ihnen gegen ihren Feind behülflich zu ſeyn. Capitain Price hatte un terdeß noch große Hofnung von ſeiner vorgeſchlagenen Landung. Er wollte Mir Mahenna alle Zufuhr abſchneiden.
Alle Schiffe, beſonders die Galwet
ten kreuzten beſtändig um Chouéri herum, und durchſuchten alle Fahrzeuge, die dieſen
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Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
1765. dieſen Weg kamen. Dabeyward tapfer auf die Inſel gefeuert. Mir Ma Iunius. henna antwortete dagegen faſt gar nicht, und ſeine armen Unterthanen hätten es
“TT gerne geſehen, daß die Feinde noch mehr geſchoſſen hätten; denn ſie erhielten für jede Kugel, die ſie im Sande wieder finden konnten, einen Rupee (Gulden) und waren daher beym Suchen nicht müſſig. Auf der Inſel war
alles in Bewegung.
Große Sandwälle, hinter welchen ſie vor allen Kugeln
die von der Seeſeite kamen, ſicher ſitzen konnten, waren ſchon längſtens aufge worfen. Nun führte Mir Mahenna eben einen ſolchen Wall vor ſeinen beyden ſchadhaft gewordenen Galwetten auf, damit die Zimmerleute ſelbige ruhig wie der ausbeſſern konnten, und weil er vielleicht von der vorhabenden Landung et
was gehört hatte, ſo warf er auch überall Batterien auf, wo er eine Landung
für möglich hielt.
Zugleich ward das Feſt Höſſeins jezt mit allem Eifer ge
feyert, welches die Inſel noch mehr lebhaft machte.
Alle Schiiten, die nicht
bey der Arbeit beſchäftigt waren, liefen in großen Haufen, (wovon einige Feld muſik hatten) mit bloßen Meſſern und Säbeln in der Hand herum; bisweilen
hielten ſie Scharmützel, um die Schlacht bey Kerbela vorzuſtellen, in welcher ihr großer Imam das Leben verloren hat: andere ſchlugen ſich auf die Bruſt,
und beklagten den Tod des Höſſeins mit einem ſo kläglichen Geſchrey, daß die Engländer hätten glauben können, daß auf der Inſel das gröſte Elend, und die gröſte Uneinigkeit herrſchte, wenn ſie es nicht gewuſt hätten, daß dieß eine geiſtliche Ceremonie vorſtellen ſollte. Am 27ſten erhielten wir Nachricht, daß die drey Galwetten und das eine Batil des Mir Mahenna, wovon wir lange nichts gehört hatten, eine Galwette und zwey Batil angegriffen hätten, die von Bahhrein nach Abuſchähhr beſtimmt geweſen waren, und wovon erſtere viel Geld und Perlen eingehabt hätte. Die
zwey Batil kamen zu Charedſch an, und brachten die Nachricht, daß ſie entwiſcht wären, als ihre Galwette von dem Feinde wäre angegriffen worden.
Am
29ſten kam Mir Mahennäs kleine Flotte mit der eroberten Galwette von Nor den, und ſegelte gerade auf Chouéri zu. Capitain Price und der junge Schech lagen mit ihren Schiffen auf der Nordoſtecke der Inſel vor Anker, und das kleine Jagtſchiff, die 3 Galwetten und 3 Batil von Abuſchähhr, kreuzten alle an der
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
193
der Nordſeite der Inſel, alſo auf dem Wege, den die kleine feindliche Flotte 1765.
nehmen wollte.
ſeyn würde.
Nun glaubten wir, daß endlich eine Schlacht unvermeidlich Junius.
Als aber die Leute auf den kleinen Schiffen von Abuſchähhr einsTT“
ihrer Schiffe in des Feindes Händen ſahen, entſtand ein algemeines Klagen und Weinen über ihre Freunde und Anverwandte, die in demſelben gefangen oder getödtet wären: und anſtatt daß dieß ihnen mehr Muth hätte geben ſollen, um
den Feind anzugreiffen, ſo zogen ſich alle nach ihrem großen Schiffe zurück. Mir Mahennäs Leute waren nicht ſo thörigt ſie zu verfolgen, ſondern legten auf der norderſten Ecke ihrer Inſel an Land, und verſorgten ſich in aller Geſchwin digkeit mit Lebensmitteln, um gleich wieder auslaufen zu können.
Capitain
Price war ſehr unzufrieden, daß die Galwerten dem Feinde nicht entgegen ge Er ſchickte ſie gleich wieder aus, um ſie am Lande zu beſchieſ
gangen wären. ſen.
Es ward auch brav canonirt.
Die beyden Schiffe lichteten gleichfals ihre
Anker, um den Galwetten behüflich zu ſeyn.
Nun aber hatte Mir Mahenna
die eroberte Galwette, welche ſehr beſchädigt war, ſchon aufs Land ſchleppen, und ſeine eigene mit Lebensmitteln verſehen laſſen. Dieſe gingen wieder unter
Segel.
Die Flotte von Abuſchähhr folgte nach; und da ſie den Feind nicht
einholen konnte, ſo kam ſie noch des Abends wieder nach der Inſel zurück, und warf Anker.
Heute würden die drey Galwetten des Mtr Mahenna gewiß zu Grunde gerichtet worden ſeyn, wenn die Engländer nicht immer von den Arabern wären verlaſſen worden. Es war aber beſtändig eine große Uneinigkeit zwiſchen ihnen.
Capitain Price hatte allen Schiffen eine geſchriebene Nachricht gegeben, woraus ſie ſehen konnten, ob ſie Anker lichten, den Feind verfolgen, zurückkommen
ſollten u. d. gl. wenn er ihnen dieſes oder jenes Zeichen gäbe; allein die Araber bekümmerten ſich darum ſehr wenig. Der junge Schech vornemlich hielt es ſei ner Ehre zu nahe, daß er dem Befehl eines Europäers gehorchen ſollte. Wenn die Engländer dem Feind entgegen gingen, ſo entfernte er ſich gern ſo, daß er ſich nachher damit entſchuldigen konnte, er hätte wegen widrigen Windes nicht wieder zu der Flotte kommen können. Das Schiff des Capitain Price bekam heute eine Kugel vom feſten Lande, da indeſſen der Schech mit ſeinem Schiffe II. Theil. B b weit
194
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
1765. weit entfernt war, und gegen den Wind krenzte.
Herr Natter war dem Feinde
Julius. ſo nahe, daß ein Stück Holz von ſeiner Galwette geſchoſſen ward, welches
"TT"einige von ſeinen arabiſchen Matroſen verwundete.
Dieß brachte ſelbige, die
ſich ſchon oft über ſeine Tollkühnheit, wie ſie es nannten, beſchwert hatten, aus aller Faſſung: und wenn er ſich nun nicht der Gefahr ausſetzen wollte, von den Arabern niedergehauen zu werden, ſo muſte er nach ihrem Willen commandiren, nemlich weit aus dem Schuß bleiben. Dieſer und anderer Verdrießlichkeiten wegen verließen Herr Natter und die wenigen übrigen Europäer, welche als Canoniers auf den Schiffen vertheilt waren, am folgenden Tage die Araber von Abuſchähhr, und begaben ſich theils auf das Jagtſchiff von Basra, theils auf den
Kreuzer des Capitain Price. Am 2ten Julius verlor der Schech zwey kleine Fahrzeuge. Das eine ward von dem ſtarken Wind auf den Strand geſetzt, und das andere ward ge nommen. Am 9ten kam ein großes engliſches Schiff von Bengalen, das nach Basra wollte. Der Schiffer war ſo höflich mir eine freye Reiſe anzubieten, und ich konnte in Anſehung der Bequemlichkeit, und dem Anſchein nach auch der Sicherheit, keine beſſere Gelegenheit wünſchen. Allein er wollte innerhalb einer Stunde wieder unter Segel gehen, und ich konnte ſo bald nicht abreiſen; über dieß achtete ich die Bequemlichkeit nicht viel, ſondern wollte lieber in einem klei
nen offenen Fahrzeuge mit einem arabiſchen Schiffer gehen, der die Ausflüſſe
des, und die Dörfer am, Schát elárrab kannte, als mit einem großen europäi ſchen Schiffe, und dieß war mein Glück. Das kleine Jagtſchiff, welches die Nachricht von Basra gebracht hatte: die Engländer hätten von den Arabern Käab nichts zu fürchten, durfte es jezt wegen der Galwetten des Mir Mahenna nicht wagen allein wieder zurückzugehen. Dieß ging mit dem großen Schiffe,
und beyde wurden bald darauf im Schat von den Galwetten des Schechs Solei man genommen, wie nachher bemerkt werden wird. Wäre ich mit gereiſt, ſo hätte ich wahrſcheinlich meine Inſtrumente, und vielleicht auch meine Papiere verloren. Am 1oten ſahen wir nicht weit von der perſiſchen Küſte zehn Gal
wetten, und noch einige kleinere Fahrzeuge, und hörten nachher, daß einige
derſelben Mir Mahenna, und die übrigen dem Schech Soleiman Káabi gehör LW),
Feldzug der Perſer gegen einen arabiſchen Schech.
195
k
ten.
Dieſe beyden gemeinſchaftlichen Feinde des Kerim Khän hatten alſo ihre 1765.
Seemacht vereinigt. Rachher aber ſahen wir ſie nicht mehr. Capitain Price Julius. hatte ſo viele Verdrießlichkeiten mit dem jungen Schech, daß er am 11ten rein TT“ aus erklärte, er würde in der folgenden Nacht zurück gehen. Der Schech hatte weder Geld noch Lebensmittel für ſeine Leute. Er nahm daher auch den Ent ſchluß wieder nach Hauſe zu gehen, und ſo hatte der Krieg vor dießmal ein Ende.
Mir Mahenna, welcher jezt landflüchtig war, und gewiß ganz zu Grunde gerichtet worden ſeyn würde, wenn nur Capitain Price und Herr Natter nicht immer ſo ſchändlich von den Arabern zu Abuſchähhr wären verlaſſen worden, ver trieb einige Monate nachher ſogar die Holländer von Charedſch. Die hieſigen Feſtungswerke waren zwar ſehr gut. Die Holländer hatten 90 bis 1ooMann ſie zu vertheidigen, außer 4o bis 5 o europäiſche Matroſen auf ihren Galwetten.
Es fehlte ihnen aber an Anführern.
Der einzige Officier, ein Fähnrich, den
ſie hier zu halten pflegten, war längſtens geſtorben.
In dieſem Jahre,
als
Herr Buſchmann nach Batavia zurück ging, brachte der neue Gouverneur, Herr van Houting, welcher am 22ſten Julius ankam, zwar einen Fähnrich mit, allein man ſagte, daß der vorher niemals Kriegsdienſte gethan hätte, und die
Soldaten waren nicht wohl mit ihm zufrieden. Ein Schreiber mit Namen Tamm hatte mit dem Herrn van Houting zugleich Antheil an der Regierung haben ſollen, ſich aber wenige Tage vor der Ankunft des Gouverneurs erſchoſſen. Lezterer, der weder die Sprache noch die Sitten der Araber im perſiſchen Meer buſen kannte, war alſo ſehr übel daran, da er einen ſo wichtigen Poſten in einer ſo
critiſchen Zeit übernehmen ſollte, ohne tüchtige Leute um ſich zu haben, auf deren Rath er ſich verlaſſen konnte. Mir Mahennader dieß merkte, ward gleich nachher als Herr Buſchmann ſein Amt niedergelegt hatte, undCapitain Price nach Indien zurück gegangen war, ſo verwegen, daß er anfing die Handlung der Holländer zu beunruhigen. Dieſe vereinigten ſich nun mit dem Schech von Abuſchähhr, machten bald die Galwetten des Feindes unbrauchbar, und landeten im October ſogar auf Chouéri. Weil aber dabey keine Ordnung gehalten ward, ſondern
ſowohl die Holländer als ihre Bundesgenoſſen ſich gleich vertheilten, ſo wurden
ſie von einer Cavallerie des Mir Mahenna, die ſie hier gar nicht vermutheten, -
-
Bb 2
über
I96
Anmerkungen zu Charedſch.
1765. überfallen, und niedergehauen.
Bald darauf landete Mir Mahenna aufCha
Julius. redſch, und bemächtigte ſich, durch Verrätherey eines Perſers, des Caſtells
“TT und alſo auch der ganzen Inſel, mit einer Menge Waaren die erſt neulich von Batavia angekommen waren.
Die perſiſche Armee hatte ſich zu dieſer Zeit
gröſtentheils von Benderrigk zurück gezogen.
Mir Mahenna konnte alſo auch
davon wieder Beſitz nehmen. Ich bin bey der Erzählung des kleinen Krieges im perſiſchen Meerbuſen, ſo weit ich ſelbſt ihn mit angeſehen habe, etwas weitläuftig geweſen, um meinen Leſern zu zeigen, wie wenig die Europäer ſich auf die Mohammedaner verlaſſen
können, mit denen ſie ſich in ein Bündniß gegen Mohammedaner einlaſſen. Man wird keine große Hülfe von ihnen haben. Hier war dem Schech zu Abu ſchähhr gewiß ſehr viel daran gelegen, daß Mir Mahenna gänzlich zu Grunde gerichtet werden möchte. Allein auf ſeinen Schiffen war nicht die geringſte Ord nung. Seine Officiers ſuchten allezeit, vielleicht aus Furcht für ihr Leben, vielleicht auch weil ſie beſtochen worden, eine Schlacht zu vermeiden, und ſo wur
den die Engländer, und nachher die Holländer beſtändig von ihnen verlaſſen. So lange die Holländer ihre Handlungshäuſer zu Basra und Gambrön hatten, wo ſie weder Feſtungswerke, Beſatzung noch Galwetten halten durften, mögen ſie viel gewonnen haben. Die Ehre eine Inſel mit einer Feſtung im perſiſchen
Meerbuſen zu beſitzen, iſt ihnen ſo koſtbar geworden, daß ſie ſich wohl ſchwerlich Mühe geben werden Charedſch wieder zu erobern. *) Die Stadt Charedſch, welche die Holländer erſt ſeit wenigen Jahren auf der Nordoſtecke dieſer Inſel angelegt haben, liegt unter der Polhöhe 2 9“. 15 . Ihre Anlage und Größe ſieht man auf der Tabelle XXXVIII. -
A iſt das Ca ſtell
*) In dem folgenden Jahre haben die Engländer eine anſehnliche Macht von Bombay nach Charedſch geſandt, um M7ir MTahenna zu vertreiben; ſie haben aber unverrichteter
Sache wieder zurück gehen müſſen. Endlich wurden Mir UMTahennäs eigene Leute ſei ner Tyranney überdrüſſig. Um nicht den Perſern überliefert zu werden, flüchtete er nach Basra : allein auch hier fand er keine Sicherheit, ſondern der Mutaſillinn ſchickte ſeinen Kopf an den Paſcha zu Bagdád, und ſeinen Körper ließ er in einen Graben werfen. Charedſch ward darauf den Perſern übergeben.
Anmerkungen zu Charedſch.
ſtell welches der Baron von Kniphauſen banete.
197
In demſelben war die Woh- 1765.
nung des Gouverneurs, ein artiges Gebäude. In der gegenüberliegenden Julius. Courtine wohnte der Fähnrich, und überdieß fand man hier noch einige Zimmer, TT * welche der Gouverneur allezeit für ſeine Gäſte bereit hielt. An den beyden Sei
ten gegen Norden und Süden waren Waarenlager.
Weil aber dieſe nicht die La
dung von zwey großen Schiffen faſſen konnten, welche jährlich von Batavia zu kommen pflegten, ſo waren auch Waarenlager in der Stadt, beſonders bey B.
Hinter dem Caſtell war ein artiger Garten, und am Ende deſſelben die Küche. Bey c iſt eine Karwanſeroj. Die übrigen ſteinernen Gebäude waren von den Bedien ten der holländiſchen oſtindiſchen Handlungsgeſellſchaft, von Armenern und Ba nianen bewohnt. Die perſiſchen und arabiſchen Krämer, Fiſcher, Handwerks leute u. d. gl. wohnten alle hinter dieſen Gebäuden in ſchlechten Hütten die mit Matten bedeckt ſind, und daſelbſt war auch der Baſär oder die Marktſtraßen. Die Proteſtanten und Catholiken hatten in dieſer Stadt angewieſene Zimmer wo ſie ihren Gottesdienſt halten konnten, aber keinen Prieſter. Doch kam der
letzten wegen bisweilen ein Carmelit von Abuſchähhr.
Die Armener haben
außerhalb der Stadt bey D eine kleine artige Kirche, und auf derſelben eine Glo
cke, welches in dieſen Ländern etwas ſeltenes iſt. Von den Kafrs aus Africa, die als Sclaven auf Charedſch verkauft worden, waren die meiſten bey ihrer Religion geblieben.
Dieſe hatten ihrem großen Heiligen zu Ehren, den ſie
Schech Feradſch nennen, bey E ein kleines Gebethaus gebaut.
Ihr Gottes
dienſt beſteht meiſtentheils aus Tanzen, nach Trommeln und andern ſehr ſchlechten Inſtrumenten, wobey ſie ganze Reihen Kerne von einer indiſchen Frucht Mango
um die Beine binden, da dann derjenige, welcher am beſten mit den Füßen ſtampfen und alſo das meiſte Geräuſch machen kann, glaubt, die gröſte Andacht zu zeigen. Dieſe Ceremonien beobachten ſie allezeit bey der Abreiſe oder dem Tode eines Freundes, bey der Geburt eines Kindes, bey Hochzeiten u. d. gl. Die Mohammedaner auf dieſer Inſel ſind theils Sunniten, theils Schiiten. Beyde
beſuchen die Mosqué eines Emir Mohämmed der Alis Sohn geweſen, und hier begraben ſeyn ſoll. *) Auf das Gebet dieſes Heiligen ſoll ein Schiff, aufwel Bb 3
chem
*) Er war nicht ein Sohn der Fatima ſondern von einer andern Frau. Die mohammedani -
ſchen
I98
Anmerkungen zu Charedſch.
1765. chem viele gottloſe Heiden waren, ans Land geworfen, und verſteinert worden Julius. ſeyn.
Auch ſoll ſeinetwegen kein Hund auf dieſer Inſel haben leben können:
“TT-ſeitdem aber die Holländer ſich hier niedergelaſſen haben, leben die Hunde ſo gut auf Charedſch als anderwärts. Der vornehmſte Unterſchied zwiſchen den Sunniten und Schiiten beſteht, wie bekannt, darinn, daß erſtere es als eine gleichgültige Sache anſehen, ob die Familie ihres Propheten zur Regierung gekommen, und darinn erhalten wor
den iſt, oder nicht. Sie ſagen, es ſey Gottes Wille geweſen, daß Abu beckr Omar und Othmann von den Muſelmännern als Khalifen erkannt worden, und überhaupt könnten ſie es nicht ungeſchehen machen, daß dieſe Freunde Mo
hämmeds, und nicht gleich ſein Schwiegerſohn und uachher deſſen Kinder zur Regierung gekommen ſind. Die Schiiten aber verfluchen die erwähnten dreyer ſten Khalifen, weil ſie ſich der Regierung vor Ali bemächtigt haben: und da
Höſſein, von den Truppen des Jezid, eines der folgenden Khalifen in einer Schlacht deswegen ermordet ward, weil er ſich nicht unterwerfen, ſondern ſelbſt Khalif ſeyn wollte, ſo ſeyern ſie zum Andenken dieſer Begebenheit noch alle Jahre ein Feſt, das zehn Tage dauert. In Perſien, wo ihre Sekte die herſchende iſt, werden ſie dabey bisweilen ſo eifrig, daß ſie ſich ein Verdienſt daraus machen, wenn ſie zu dieſer Zeit einen Sunniten, d. i. einen Mohammedaner der bey
einer ſo wichtigen Sache, als die Folge der erſten Khalifen, gleichgültig ſeyn kann, niederhauen können. Daſelbſt iſt es alſo für alle fremde Religionsver wandte rathſam, während dieſes Feſtes nicht auf der Straße zu erſcheinen. Zu
Charedſch haben ſie zwar auch freye Religiousübung, hier aber dürfen ſie ihren Eifer nicht ſo weit treiben; denn theils iſt die Anzahl der Sunniten auf dieſer Inſeleben
ſo groß, als die ihrige, theils müſſen ſie ſich auch vor den Holländern fürchten. Der Gouverneur hatte verboten, daß während dieſes Feſtes keiner in der Stadt
ſo laut weinen und heulen ſollte, daß die übrigen Religionsverwandten dadurch beunruhigt werden könnten.
Sie hielten alſo die erſten 9 Tage ihre Proceſſio MLU
ſchen Schriftſteller haben ihn den Beynamen Hanifyah gegeben. Semmlers Ueberſe ung der Agemeinen Weichiſtorie der neuern Zeiten erſter Theil § 387.477.
Anmerkungen zu Charedſch.
I99
nen und andere Ceremonien außerhalb der Stadt. Da ich aber dieſe Feyerlichkeiten 1765. der Schiiten noch nicht geſehen hatte, ſo ward ihnen meinetwegen erlaubt, am Julius.
letzten Tage, nemlich am 29ſten Junius mit ihrer Proceſſion in die Stadt zu TT“ kommen, und die Tragödie daſelbſt auf dem großen Platz zu ſpielen.
Hier ver
ſammleten ſich nun faſt alle Mohammedaner, die aufCharedſch wohnten. Man konnte es aber einem jeden anſehen, ob er ein Sunnite oder Schiite war. Denn auch zwar viele von den erſtern ſchienen durch dieſe Vorſtellung von dem unglück lichen Enkel ihres Propheten ſehr gerührt zu ſeyn; allein ſie waren ruhige Zu
ſchauer. Letztere ſchlugen ſich auf die Bruſt, oder gaben andere klägliche Kenn zeichen ihrer großen Betrübniß; ſehr viele weinten ſo herzlich, daß ihnen die
Thränen auf den Backen herunter floſſen, und alle ſchrien Höſſein! Höſſein! Diejenigen, welche die Armee des Khalifen Jezid unter der Anführung ſeines Generals Schamer vorſtellen ſollten, *) liefen mit bloßen Schwerdtern an der einen Seite des Platzes herum, als wenn ſie den Feind ſuchten.
Hierauf kam
Höſſein mit einigen wenigen Freunden, die bald in voller Wuth angefallen wur den. In den Geſichtern und dem ganzen Betragen derſelben ſah man Züge, als wenn ſie in die gröſte Verzweifelung gebracht, und entſchloſſen wären, ihren
nahe bevorſtehenden Tod thener zu erkaufen; es ſchien daher auch, als wenn ſie ſich in allem Ernſt zur Gegenwehr ſetzten. Einer, den man mir Khaſſem nannte ward einigemal aus dem Sattel geworfen. Wenn er wieder zu Pferde ſteigen wollte, ſo baten ſeine Töchter ihn flehentlich, er möchte ſich nicht wieder ins
Gefecht begeben; ſie weinten dabey auch ſo herzlich, als wenn ihr Vater ſich
hier wirklich der gröſten Gefahr ausſetzen wollte. Abbäs, ein Bruder des Höſſeins, dem, als er zu einem Brunnen kam um ſeinen Durſt zu löſchen, beyde Arme abgehauen wurden, ward hier auch ziemlich natürlich vorgeſtellt. Er hatte nemlich ſeine Arme am bloßen Leibe, und die Ermel ſeines Oberrocks hingen loß von der Schulter herunter. Die, welche die vornehmſten Perſonen vorſtellen ſollten, waren alle zu Pferde, und die übrigen zu Fuß, weil man auf dieſer Inſel nur wenige Pferde und gar keine Kameele hat.
Und weil die hie ſige
*) Ockley's hiſtory of the Saracens II, p. 21 o.
Anmerkungen zu Charedſch.
2OO
1765.ſige Gemeine faſt aus lauter armen Leuten beſteht, ſo waren alle nur ſchlecht ge Julius. kleidet, doch ſo gut, als eine arabiſche Armee vor 1 1 oo Jahren im Felde er
“TTſchienen ſeyn mag.
Die Feldmuſik, welche man hier hörte, ward bloß mit
metallenen Becken gemacht, die fleiſſig zuſammen geſchlagen wurden. Dieß, mit dem vielen Schreyen des Namens Höſſein machte gewiß ein recht fürchterli
ches Geräuſch. -
-
Die kleine Armee des Höſſeins ſchlug den zahlreichen Feind zu
verſchiedenenmalen zurück.
Endlich aber ward ein Officier nach dem andern,
und zuletzt Höſſein ſelbſt vom Pferde herunter geworfen, und die übrigen alle
gefangen genommen.
Vielen Kindern des Höſſeins wurden nun große Hölzer
um den Hals gelegt, und ein Scharfrichter, den man ſehr fürchterlich ausgeklei det hatte, muſte ſie vor den feindlichen General bringen. Einige derſelben ant
worteten dem überwinder ſehr trotzig.
Es ward darauf Befehl gegeben, daß
ſelbige hingerichtet werden ſollten; es kam aber die Nachricht, daß der Scharf richter allen das Leben genommen hätte, worüber der General ſo erbittert ward, daß er auch ihn zum Tode verurtheilte.
Das Schlachtfeld, wo Höſſein ſein Leben verlor, war, wie bekannt, zu Kerbela, in der Nähe von dem alten Babilon. lif, reſidirte zu Damáſk.
Jezid, der damalige Kha
Dieſer ward hier an der andern Seite des Platzes
vorgeſtellt. Er ſaß auf einem europäiſchen Stul, mit einem Derbaſch (Streit hammer) in der Hand. Nach der Geſchichte der Mohammedaner war zu der
Zeit, als die wenigen welche von der Familie des Höſſeins übrig geblieben wa ren, vor den Jezid gebracht wurden, ein Geſandter des griechiſchen Kayſers bey ihm, und dieſer ward hier auch vorgeſtellt. Aber in einer europäiſchen Klei dung ohne Strümpfe, und mit einem mit Gold beſetzten Hut aufſeinem kahlen Kopf:
eine Kleidung die die Griechen gewiß niemals gehabt haben.
Vielleicht wollten
ſie uns Europäern damit ein Compliment machen, um den Sunniten zu zeigen,
daß die Chriſten größere Freunde des Höſſeins, und überhaupt gerechter gewe ſen wären, als ihre Khalifen. Denn, als ein Sohn des Höſſein mit Namen Ali, der nachher unter dem Namen Seien el abedin bekannt worden iſt, vor den
Khalifen geführt, und ihm vorgeſtellt ward, daß er ſich unterwerffen (oder wie die Schiiten ſagen,) daß er ſeinen Glauben verläugnen ſollte, und er darauf LINE
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ax/taz vor zºo.coPeezzer Se/ritter.
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Grurtclrte der Caſtel
und der
Stadt Chareclſch
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Anmerkungen zu Charedſch.
2OI
eine ſehr troßige Antwort gab, ſo ward ihm auf Vorbitte dieſes Geſandten zwey- 1765. mal das Leben geſchenkt.
Als er zum drittenmal vorgeführt ward, und der Auguſt.
Geſandte nochmals für ihn bat, ließ der Khalif den Fremden tödten; der Knabe“TT“ ſollte auch das Leben verlieren, ward aber heimlich entführt.
Es wurden hier
noch viele andere Perſonen vorgeſtellt, deren Namen und Geſchichte ich mir nicht bemerkt habe. Von dem Aberglauben der hieſigen Einwohner muß ich noch folgendes be
merken.
Vor einigen Jahren erſchoß ein Soldat ſeinen Unterofficier, worauf
ihm die eine Hand abgehauen, und er ſelbſt nachher gehangen ward.
Als kaum
die Hand abgehauen war, drangen ſich, zur großen Verwunderung der Hollän
der, eine Menge Weiber hinzu, um etwas von dem vergoſſenen Blute zu bekom men. Sie ſchlugen ſich um den Sand, der mit Menſchenblut benetzt worden war, und als der Mörder am Galgen hing, liefen viele Weiber unter ihm hin und her, alles in der Meynung, daß dieß ihnen behülflich ſeyn würde ſchwan ger zu werden.
-
Die Inſel Charedſch hat im Umkreis 4 bis 5 deutſche Meilen.
Daß ſie
ehmals ganz mit Waſſer bedeckt geweſen ſey, erhellt daraus, daß die Hügel und Berge, welche man mitten auf der Inſel findet, gröſtentheils aus Corallen ſteinen und Muſcheln beſtehen.
Der unterſte Fels iſt ein weicher Kalkſtein.
An demſelben findet man noch verſchiedene Überbleibſel von der Arbeit der alten Einwohner, aber alle von geringer Erheblichkeit, in Vergleichung mit denen, welche man zu Nakſchi Ruſtäm in einem harten Felſen ausgehauen ſiehet: als einige große Löcher im Felſen, die Wohnungen oder kleine Tempel geweſen ſeyn
können. In einem derſelben ſcheint eine Geſchichte des Ruſtams an der Wand ausgehauen geweſen zu ſeyn. Sie iſt aber ſehr beſchädigt; theils weil der Stein ſehr weich, und in der langen Reihe von Jahren ausgewittert iſt; vielleicht auch weil die Figuren durch eifrige Sunniten zerſtümmelt worden ſind. Andere Löcher von der Fi gur eines Sarges auf dem platten Felſen, wovon einige 14 Zoll, und andere nur 4 Zoll tiefſind, verdienen nicht einmal bemerkt zu werden. Das beſte, und zugleich das nützlichſte Stück desAlterthums, welches man hier findet, iſt eine Waſſerleitung durch welche das Waſſer von einer Quelle an der einen Seite eines Hügels durch den Felſen II. Theil. C c nach
Anmerkungen zu Charedſch.
2O2
1765. nach der andern Seite geleitet wird, um daſelbſt die Felder zu tränken.
Über
Julius. dieſer Waſſerleitung ſind, ſo wie über den in Perſien, in kleinen Entfernungen
“TT Luftlöcher, gleichſam als Schorſteine durch den Felſen gehauen. auf dieſer Inſel überhaupt iſt ſehr gut.
Das Waſſer
Die nach dieſer Gegend kommende
Schiffe nehmen daher hier gern einen guten Vorrath davon ein. Auf der ganzen Inſel iſt nur ein einziges Dorf.
-
Vor der Ankunft der
Holländer ſtand ſelbiges zwar unter dem Schutz des Herrn von Benderrigk. Weil aber jeder kleiner Herr in und am perſiſchen Meerbuſen unabhängig ſeyn will, und mit ſeinem Nachbarn Krieg führt, wenn er nur glaubt ihm Abbruch
thun zu können, ſo iſt es hier voller Seeräuber, und die armen Einwohner auf Charedſch litten dadurch ſehr viel, ja es iſt eben dadurch die Inſel ſo entvölkert worden. Sonſt iſt ſie ziemlich fruchtbar. Es wachſen hier ſchöne Weintrau ben, Feigen, Datteln und andere Früchte. Man findet bey dieſer Inſel auch Perlen, aber nicht in großer Menge, und darzu liegen ſie tief. Diejenigen, welche Koſten darauf gewandt haben, um ſie zu fiſchen, haben ſelten Vortheil davon gehabt. Beſonders klingt es, wenn man hört, daß die Perlen hier auf Bäumen wachſen. Indeß habe ich ſelbſt einige dieſer Büſche von hier nach Kopenhagen geſandt. Damit aber die Auswärtigen, welche nicht Gelegenheit haben ſelbige in Augenſchein zu nehmen, dieſe meine Nachricht nicht ganz in Zweifel ziehen, ſo muß ich bemerken, daß ich dieſe Büſche ohne Blätter von dem Grunde des Meers habe heraufholen laſſen, und daß die Perlen eigentlich nicht an den Zweigen, ſondern in großen Muſcheln befindlich ſind, die ſich an denſelben befeſtigt haben. Gleich in der erſten Muſchel die ich eröfnete war eine
ziemlich große Perle.
Weil ſie aber nicht geöfnet werden können, ohne ſie zu
gleich von dem Zweig abzureiſſen, ſo habe ich die übrigen uneröfnet gelaſſen. Auf Charedſch iſt es im Sommer ſehr heiß. Doch iſt die Hiße auf dieſer Inſel nicht ſo groß, als auf der gegenüberliegenden Küſte. Im Junius und Julius hatten wir beſtändig Nordweſtwind, ausgenommen in wenigen Tagen,
da der Wind aus Südoſt wehete.
Erſterer, oder der Wind welcher von der
Wüſte kommt, iſt trocken und erfriſchend, und bringt in der Nacht gar keinen
Thau.
Er macht alle harte Körper, als Glas, Eiſen, ja auch hartes Holz, ſelbſt
Reiſe von Charedſch nach Basra.
2O3
ſelbſt wenn ſie im Schatten ſtehen, ſehr heiß, und dagegen das Waſſer welches 1765.
man in Gorgolets oder Bardaks d. i. in Töpfen die nicht glaſſirt ſind, in die Julius.
freye Luft ſtellt, ſehr kalt.
Bey dem Südoſt- oder Seewinde aber hat man TT“
viel Windſtille, und dieſer iſt ſo feucht, daß die Bettlacken, (weil man hier
gern in freyer Luft ſchläft) des Morgens bisweilen ſo naß ſind, daß man das Waſſer daraus drücken kann. Dieſer ſtarke Thau wird für die Geſundheit nicht ſchädlich gehalten, vornemlich wenn man das Geſicht, nach der Gewohnheit der Morgenländer, mit dem Bettuch bedeckt hat. Aber die Augenkrankheiten ſind hier ſehr gemein; auch ich blieb davon nicht befreyt. Die Holländer haben hier unter ihren Häuſern Sommerſtuben, ſo wie die Vornehmen in Perſien, zu Basra und Bagdad. Unter dem Hauſe, welches
Herr Buſchmann mir hatte einräumen laſſen, war ein ſolches Zimmer, in welchem vermittelſt eines Ventilators ein ſo ſtarker Zug war, daß ich mich deſſel ben nur ſelten bediente, um mich nicht zu viel von der Hiße abzugewöhnen. Der Ventilator iſt von einem Camin nur darin verſchieden, daß er bloß an der
Seite offen iſt, woher man den Wind in der heiſſen Jahrszeit erwartet. Am letzten des Julius gegen Abend reiſete ich mit einem ſo günſtigen Win
de von Charedſch ab, daß wir ſchon in der Nacht von dem 1ſten auf dem 2ten
Auguſt bey der Mündung des Schat el árrab ankamen. So nennt man den großen Fluß von Korne an, wo ſich der Euphrat und der Tiger vereinigen, bis an den perſiſchen Meerbuſen; oberhalb Korne nennen die Araber erſte
ren noch jezt Frat und letztern Didsjele, welche Namen man ſchon in der Bi bel findet. Der Schat el ärrab theilt ſich unterhalb Basra wiederum in ver ſchiedene Arme. *) Die in demſelben liegende Inſeln und das Land umher iſt ſehr niedrig, und daher ſind die Ausflüſſe des Schat für diejenigen welche aus Cc 2
*) Arrianus nennt dieſen Fluß Sintho.
S.
der
Ramuſ Tom. I. fol. 285.
Andere grie Auf der Tabelle XL.
chiſche und lateiniſche Schriftſteller nennen ihn Paſitigris. ſieht man davon eine Charte, die ich theils nach eigenen Beobachtungen theils nach den zu Basra erhaltenen Schiffernachrichten entworffen habe. Dieſe wird hin länglich ſeyn, meinen Leſern einen Begriff von der Mündung dieſes Fluſſes zu geben,
-
2O4
Reiſe von Charedſch nach Basra.
1765. der See kommen, eben ſo ſchwer zu finden, als die Ausflüſſe des Nils , womit
Auguſt ſelbige überhaupt viele Ähnlichkeit haben. Für große Schiffe iſt jezt nur der weſt “TTliche Arm den man Chör Hälte nennt, brauchbar, und dieß nicht einmal allezeit.
Denn vor dem Ausfluß deſſelben iſt nach und nach eine ſo hohe Bank
angewachſen, daß die großen Schiffe darüber nur zur Zeit der höchſten Fluth bey
dem Neu- und Vollmond kommen können.*)
Wenn alſo der Schatel ärrab
nicht einmal ſo außerordentlich ſtark anwächſt, daß dieſe Bank durch den Strom weggeriſſen wird, ſo wird hier eine Inſel anwachſen, und dann wird man einen Ausfluß mehr haben. Wenn man erſt in den Fluß gekommen iſt, ſo ſieht
man an beyden Seiten, vornemlich an der weſtlichen, überall Dattelgärten, und zwiſchen denſelben eine Menge kleine Dörfer, und zerſtreuete Häuſer. Doch
findet man darunter keinen einzigen merkwürdigen Ort, als etwa Haſſan ben Hanefte, ein ſchlechtes Dorf, wo ein Haſſan begraben liegt, der ein Bruder des Emir Mohammed geweſen ſeyn ſoll, deſſen ich bey Charedſch erwähnt habe. Beyde ſollen Alis Söhne, und Mohammeds Enkel geweſen ſeyn. Meiner Vermuthung nach aber war der Ort wo der erwähnte Haſſan begraben liegt, vor 1 1oo Jahren noch mit Waſſer überſchwemmt. Denn das Ufer iſt hier überall ſehr niedrig, ja an vielen Stellen ſo niedrig, daß die Einwohner
ihre Gärten durch Dämme vor Überſchwemmungen verwahren müſſen.
Man
ſieht überall gegrabene Canäle, vermittelſt welcher das Waſſer zu den Dattel gärten geleitet wird: und da dieß Flußwaſſer viel Erde mit ſich führt, ſo muß dieſe Gegend bloß dadurch in der langen Reihe von Jahren ziemlich erhöht wor den ſeyn. Die vornehmſten Dörfer an der Oſtſeite dieſes Arms, auf der Inſel
Mohärzi, ſind vor wenigen Jahren zerſtört worden, als Soleiman, Schech des Stammes Käab, ſich derſelben bemächtigte. Hier ſieht man noch Überbleibſel von einem Orte, den die Einwohner Scheraie nennen. Ein europäiſcher Kauf mann zu Basra wollte mich verſichern, dieß wären Überbleibſel von dem Basra, welches vom Khalifen Omar angelegt worden. Auch ſchon im Reiſebeſchreilun gen
-
*) Nach dem Bericht der Schiffer fängt die Fluth hier an, wenn der Mond im Horizont iſt. Folglich iſt zur Zeit des Neu- und Vollmondes ohngefehr um Mittag und Mitternacht das höchſte Waſſer. -
Reiſe von Charedſch nach Basra. gen wird dieß Scheraie, Alt Basra genannt.
2O5
Allein das unter der Regierung 1765.
des Khalifen Omar gebaute Basra lag auf einer andern Stelle, wie bald nach-Auguſt
her gezeigt werden wird.
Die Ruinen auf der Inſel Mohärzi beſtehen bloß aus TT“
ſchlechten Mauern, von Mauerſteinen die nicht gebrannt, ſondern nur in der Sonne getroknet ſind, welches allein ſchon beweiſt daß ſie nicht alt ſeyn können.
Die Namen aller Dörfer am Schatel arrab, von dem perſiſchen Meer buſen an bis Basra, haben auf der Reiſecharte Tabelle XL. nicht angezeigt wer den können. Die meiſten ſind ſo klein, daß der Erdbeſchreiber ſich darum wohl nicht viel bekümmern wird; überdieß meine ich, daß viele ihre Namen bisweilen verändern. Da ich aber ſie alle aufgezeichnet habe, ſo will ich die ganze Vielleicht ſind darunter Namen, die einem oder dem andern Liſte einrücken. meiner Leſer merkwürdig ſcheinen, obgleich ich ſie für unbedeutend halte. Alle
gehören zu dem Gouvernement Basra, aber nicht alle liegen dicht am Fluſſe.
An der Weſtſeite des SP-)! =º Schatel arrab und an dem perſiſchen Meerbuſen liegt ein kleiner Diſtrikt, den man -3 G Dauaſir nennt. Darzu gehören: v0-25S Tſchwäbde, sº sº Tſchäbde, - SesC = Kut ben Chaläf, sºl*C3= Kutchalifa, und - LSGy= Kut ganem. Nachher folgen: - =-- Sehän, eDA/ Zén, C2 sº Kauis, LºS= Kléſia,
--- Schmirte, „se sey- M'taua ſogaire, Aºssy- Mtaua Kbire, Ls « Salem Ali, Cº-e- Haſſeinad, es- Dº Belled Dſän, sº es Amie, &ºyº Abu bukäa, voUS Abade, „L.e-Lº Bab Kungi, e-tº «ay-)! Bab el aride, O2y-Jºe-Lº Bab el tauil, S20) -- Babeddibág
– a= »
Abul chaſib, sºs Ghobeie, Yºgs Nähar Chus, sº - Abu Megäre, Gºº“ Sibiliät, *-*/gs Nähar Hababe, 0 LJJ El belled,
„so gº Jehudi, s=-e Sabcha, atº-CºST- Kut ibu Fais, Sy=
„se 2 0«> Kut Achmed ibn Ali, -/-5V Wesley= Kut ibn Komärly,
/2/> Dſeſire, Sº.“ - - >> Belled ibn Sbäa, „so=UJoe Belled el nedſedi, 0.2 Belled, e.oºya Jusfän, e. Jo- Hamdän, sa/S= Kreie, ox«JJoº Belled eſſeiid, ſº =”0.2 Belled muchſim, L-U20-2 Belled Jäs, e Ägº Mehägrän, SU2ss=” Fedſa musläh, UN-> Abuſillal, e-Lºaye
Auäſtän, A-Ae Saradſi, e-Lº Meitän, sº SA Baradaie, Z. Je Qmen nadſch, „s-U-• Menaui.
-
Cc 3
Auf
Reiſe von Charedſch nach Basra.
2O6 1 765.
Auf der Inſel Mohärzi liegen: --> 9.9 Menuhi, e-Woº!-45. Chodder
Auguſt. Abadän, scº/Lº Barde, US-“) G2C3= Kut ibn Ismaeil, Aº.U Sxy
“TT Swenich el Kbir, Asa Sys Ye Swenich el ſogair, Cºay-> Haueiſch, Uy-ºe.º.-3-F Kut ibn Belbul, so=' C-/ Räsel hadde, sºx-”Mu hälile, „5//+“ Mohärzi, Sº., 3s Näher eſſchech, -SC5= Kut amer, Äs! Cy= Kut Mufti, L-SC5= Kut Iſa, MJC3= Kut el mulla, == SA? > Dſeſiret el mahälle.
Folgende Orter liegen an der Oſtſeite des Fluſſes, und gehören gleichfals
unter Basra. 9-s Abd, sº Sable, Au-Hafür, „º - sºs Kallá el mohärz, „uz sº Kalá el hafar, Gºsa SAS F- KütSchechIa küb, º2/yº Mäamurie, 02/ º Derbend, 82&S 9? Abu dſedeia, e-ºº Che én, AL“ Timär, C-,“- Hämranád, LFS0 Daeidſi, eLACy= DA/-9 A/D-Dſeſiret elbarin, S>= Cy= Kut eldſoa, sºyÄTennume, sºa/+ Scheriá, GWG/F Gurdelän, ein verfallenes Caſtell Kut eſſenäd,
gegen Basra über.
sºY=' Sy= Kut eldſeläbe, -ºya/gs Näher Juſof,
--> Tſchubaſ, ss-Fey= Kut indſana, -2/ Reiän, s-5-Heuta, e-Lº Schtebän, ASL-F“ Ridſadſir, >--> Hamamele, /Lº Mogäre, «-M- Haläf, EAA- Om eſſtät, egº Schälha, sº »L-«aº Muſtafawie, sº.- / Rumelie, Gº Wr. Om ettüt, sº/0J Gy= Kut eddardſa, als Chult, -25“ Suäb, der Hafen von Haviza, - sº Schameli. Andere Schriftſteller haben uns verſichern wollen, die Araber, Türken und Perſer hätten für den Compaß keinen andern Namen, als den europäiſchen,
Buſſola.
Die Araber, welche dieß Inſtrument nicht etwa auf einem Schiffe
geſehen haben, kennen es faſt gar nicht. Doch können ihre Gelehrten deſſen nicht gänzlich entbehren. Denn da ſie ihr Angeſicht beym Gebet allezeit gegen
die Kaba richten ſollen, ſo haben ſie Tabellen berechnet, in welchen angemerkt iſt, nach welcher Weltgegend Mekke von dieſer oder jener Stadt liegt: und wenn ſie eine Mosqué bauen, ſo muß die Lage der Kebla, eine Niſche nach der Seite von Melke, darnach angelegt werden. Zu dieſem Gebrauche fand ich eine
Magnetnadel bey einem mohammedaniſchen Gelehrten zu Káhira, und der
nannte ſie U- - LG
El magnatis.
Der Name ſcheint anzudeuten, daß man Den
Anmerkungen vom Compaß der Morgenländer.
207
den Compaß in dieſer Gegend von den Europäern erhalten habe. Allein von 1765. der Abweichung der Magnetnadel, und daß dieſe ſich gar jährlich verändert, hatte Auguſt.
mein erwähnter Schech nichts gehört. Sonſt habe ich die Araber den CompaßTT“ Deir A 9 oder Alo und Beitel Ibbre nennen hören, und die Araber am per ſiſchen Meerbuſen nennen ihn Käble Näma oder Rach Näma.
In dieſer Ge
gend benennt man die verſchiedenen Weltgegenden zum Theil nach dem Auf- und
Untergang gewiſſer Sterne.
Z. E. Norden, Ja. Süden, Zel. Oſten, Mötla
Weſten, Marib. Nordnordoſt, Mötla Heiſſen. N. N. W. Marib Heiſſen, N. O. Mötla Näſch, N. W. Martb Näſch, O. N. O. Mötla Simak, W. R. W. Marib Simak, O. S. O. Möcla Zir, W. S. W. Marib Zir, S. O. Mötla akrab und S. W. Maribakrab. *) Nur wenige von meinen Leſern werden ſich darum bekümmern, wie andere Nationen die verſchiedenen Striche des Compaſſes nennen; vielleicht aber möchten einige auch dieß wiſſen, um etwa darnach zu unterſuchen, ob ſie den Compaß von den Europäern oder den Chine ſern erhalten haben, und um derer Willen will ich hier noch die verſchiedenen Benennungen der Türken, der Indier, der Malayen und der Siameſer an führen. -
Die Türken nennen: Norden oa Joldis, Süden LS Kißla, Oſten - Assº-F Gundagruſü, Weſten L-Lº Bati, Nordoſt v2/ 5* Foreäs, Südoſt s». «E= Keſchislama, Südweſt U- 5. Lodos und Nordweſt U25/ Karajel. Die Indier nennen den Compaß Hökke. Sie theilen ihn in 32 Stri che (ind. Chän, jeden zu 1 1 *) haben aber davor nur 17 Namen; nemlich alle Striche an der Weſtſeite des Mittagscirkels nennen ſie eben ſo, als die an der Oſtſeite, und unterſcheiden ſelbige durch die Wörter Atmana und Ukmana Bey ihnen heißt: Arr
*) 7äſch ſind einige Sterne im großen Bären, Simak der Arcturus, Akrab der Scorpion
und Sir vermuthlich der Syrius.
Anmerkungen vom Compäß der Morgenländer.
2O8
An der Oſtſeite. IN.
An der Weſtſeite.
Duru.
N.
N. z. O. Darum.
Duru.
N. z. W. Darum.
N. N. O. Satiſara.
-
N.N W. Satiſara.
N.O. z. N. Utini.
N. W.z.N. Utini.
N. O. Po-is. N.O.; O. Gösgir.
S
Sara un.
|#
O.N. O. Schetra.
=
O. z. N. Katiſara.
#
N. W. Pois. N.W.z.W. Gösgir. W. N. W. Schetra. W. z. N. Katiſara.
O.
#
W.
Sara Un.
O. z. S. Harran.
W. z. S. Harran.
O. S. O. Loda.
W. S. W. Loda.
S.O. z. O. Dſjet hauel. S. O. Kagra.
S.W.z.W. Dſjethauel. S. W. Kagra.
S. O. z.S. Turan.
-
S. S. O. Tſchoki. S. z. O. Agas. Süden.
Tam.
S2
S.W.z.S. Turan.
S. S. W. Tſchoki. -
.
S. z. W. Agas. Süden.
Tam.
Den Maleyiſchen und Siamiſchen Compaß habe ich zu Bombay von einem
indiſchen Portugiſen aus der Gegend von Batavia erhalten.
Der Menſch hatte
bey verſchiedenen, ſowohl indiſchen als europäiſchen Nationen als Steuermann gedient; bey dem Imäm von Omän war er auch Soldat geweſen: kurz, er
ſchien ein wahrer Landſtreicher zu ſeyn.
Dem ohngeachtet aber konnte er wohl
den Compaß kennen, und dieß habe ich nur von ſeinen Erzählungen aufgezeich net. Nach ſeinen Nachrichten haben die Siameſer nur 8 Striche auf ihrem
Compaß, und dieſe nennen ſie ſo wie den Wind der aus dieſen Gegenden kömmt: Norden Wao, Nordoſt Utra, Oſten Teba nok, Südoſt Tap hao, Süden Selatan, Südweſt Prehia, Weſten Teban tok und Nordweſt Prat luan. Die Malayer haben eigentlich auch nur 8 Namen für ſo viele Striche. Nemlich:
Norden Utara, Nordoſt Timor lauad, Oſten Timor, Südoſt Selatan deia, Süden Selatan, Südweſt Baradeia, Weſten Barad und Nordweſt Bara laUad.
Anmerkungen vom Compaß der Morgenländer.
209
lauad. . Indeß hat ihr Compaß 32 Striche, und da ſie die Lage der kleinern
Striche nach den Hauptſtrichen angeben, ſo ſind dieſe Benennungen in ihrer Sprache ſehr lang. Z. E. Norden zum Oſten heißt: Utara de Kaman Jarun
pende. N. N. O. Utara de Kanan Jarun penjan. N. O. z. N. Timor lauad Jarun de Kiri Jarun pende. *)
N. O. z. O. Timor lauad de
Kanan Jarun pende. O. N. O. Timor lauad de Kanan Jarun penjan. O. z. N. Timor Jarun de Kiri. O. z. S. Timor de Kanan Jarun pende. O. S. O. Timor de Kanan Jarun penjan. S. O. z. O. Selatan deia Jarun de Kiri. S. O. z. S. Selatan deia Jarun de Kanan. S. S. O. Selatan deia de Kanan Jarun penjan. S. z. O. Selatan de kiri Jarun pende. u. ſ. f. Einige Reiſende haben uns verſichern wollen, daß die Bedouinen ſich auf ihren Reiſen in der Wüſte des Compaſſes bedienen; allein ich habe dergleichen
bey ihnen nicht angetroffen.
Sie kannten dieß Inſtrument nicht einmal, ſon
dern wenn es bemerkt ward daß ich darnach ſah, und man wiſſen wollte was es wäre, ſo nannte ich es eine Uhr, welche mir die Kebla, d. i. die Gegend der Stadt Mekke zeigte, und darin glaubten ſie mir ſo ſehr, daß ſie ſich bisweilen nach der Kebla erkundigten, wenn ſie beten wollten. Da ſie beſtändig in der Wüſte herum wandern, ſo kennen ſie die Wege auch ſo gut, daß ſie darzu
keinen Compaß brauchen.
Vielleicht aber richten ſie ſich des Nachts etwas nach
den Sternen. Maaf
H
–
M.
SYS>&a-
AP =-L=4
W--s"-F
Anmerkungen zu Basra.
D. Stadt
- aJº Basra liegt unter der Polhöhe 30“ 3o“, und an der
Weſtſeite des Schatel arrab.
Ihr Umkreis iſt, nach dem Grundriß den ich
davon auf der Tabelle XXXIX. entworfen habe, ohngefehr 1 # deutſche Meilen. Sie iſt aber, im Verhältniß ihrer Größe, nicht ſtark bebaut, ſondern voller Dattel *) ZKanan heißt in dieſer Sprache, nach der rechten Seite, Jarun ein viertel.
II. Theil.
Dd
Zir,
nach der linken Seite,
Anmerkungen zu Basra.
2 IO
Dattelgärten und Kornfelder, und hat alſo in dieſer Abſicht viele Ähnlichkeit mit der ehmaligen Stadt Babylon. Felſen findet man in dieſer marſchigten Gegend gar nicht; es iſt daher ſelten, daß man hier einen gehauenen Stein antrift, außer etwa über der Thür einer Mosqué. Das Bauholz, dasjenige ausgenom men, was man von den Dattelbäumen zu den ſchlechten Häuſern braucht, iſt auch koſtbar. Nur ſehr wenige Gebäude ſind von Kalk und gebrannten Ziegelſteinen gebaut; viele Mauern ſind nur mit ſolchen Steinen bekleidet, und die allermeiſten Häuſer, ingleichen die Stadtmauer ſind blos von geformten und in der Sonne getrockneten Ziegelſteinen aufgeführt. Wenn alſo die Stadt ein
mal verlaſſen werden ſollte, ſo wird man einige Zeit nachher, eben ſo wenige
überbleibſel von ihr finden, als jezt von der ehmals berühmten Stadt Babylon. Der Schat iſt in dieſer Gegend etwa eine viertel Meile breit. In Basra ſelbſt iſt nicht nur ein großer, ſondern man findet hier noch verſchiedene kleine Canäle, die alle mit dem großen Fluß verbunden ſind: und weil in letzterm die Fluth etwa
9 Fuß hoch ſteigt, ſo könnte dieß viel beytragen, um die Stadt reinlich zu hal ten. Allein ich habe nirgends eine ſchmutzigere Stadt der Mohammedaner ge funden als dieſe.
Die meiſten Häuſer leiten das unreine Waſſer aus ihren Kü
chen auf die Straßen, welche nicht gepflaſtert ſind, und viele haben nach dieſer Seite ſogar ihre Abtritte.
Die Stadt hat fünf Thore. Nemlich 1) - RAW / 2./s Derwaſet oder Bäb Robäd. 2) Sokº 5./) / 9 Bäb Bagdad. 3) S-a> /*/o ARA. Bäb Zobeier. 4) -- -- S/L2/3 Bäb Seradſe. 5)s/L. 0 SS
-
Bäb Medſemoá.
Bey 6 auf dem Grundriß iſt die Wohnung des
Caputän Paſcha. Bey 7 die Wohnung des Mutaſillim. Bey 8 die Faktorey der Engländer, und bey 9 die Faktorey der Franzoſen. Man findet in dieſer Stadt eine Mosqué mit 2 Minären, und acht wovon jede nur eine Minäre hat.
Alle neuntman Dſameá.
Auch zählt man hier etwa noch 4o kleine Mosquêen,
wovon aber die meiſten nur Capellen genannt werden können.
Es kann uns ziemlich gleichgültig ſeyn, wie die Morgenländer die Quar tiere ihrer Städte nennen. Weil aber das jezige Basra noch eine neue Stadt iſt, und man nicht wiſſen kann, ob wir nicht dereinſt eine Überſetzung von einer umſtänd
Anmerkungen zu Basra.
2 II
umſtändlichen Beſchreibung dieſer Gegend erhalten, wornach man den ehmaligen Namen dieſer Stadt beſtimmen kann, ſo wie der ehmalige Name der Stadt
Damiät nach dem Namen eines ſolchen Quartiers beſtimmt worden iſt, *) ſo will ich hier die Namen der verſchiedenen Quartiere der Stadt Basra einrücken.
Man hat mir genannt: SU.» Menäch, -5, ... Miſchräk, SC Uso Dena nik, 0.Seº Ibn aid, saUs Abaieh, 0...') e. Jox» Meidän elabid,
& - 99 Doägh, JºWºº! Omelbellabil, eaſy Jr. Omelbiſſaſin, „solº S. Schech Badi, «s S. Schech Kumbar, „dy-SÄ Schech Dſjohar, -sya) - Omettonük, sº Käble, „s S & Schech Omar, ssº 0- Medbuge, CL-J/gs Näher el beinäd, ---> SÄ Schech ha
bib, T 90/>> Dſjuſſer ellauh, U2 - Megkül, -0- * Mäadän,
«Sº 9.-* Mohammed Tochte, G5 U.-Hammam Kud, -Lös-“ Mehallet el Kadi, sº Jä=* Mehallet el ärſa, e. L4 / 9xx E-" Me
hallet Seiid Ramadän, e-GºY" --* Mehalletelafghän, - Ka-Hakäke, s3o- Hadade, exº- Chalilie, Ä-A/- Scherebatie, dys lºs" Mehalletel Ihüd, sº- &l=” Mehallet Murdſana, so'oe -> Haſſan dade, Fly= Kauäs, -sºes-Lº BuſtänKaſſab, - S/Wy= Kau
archin, GºoJ/s Äs eddin, AUF -> *** Mehallet Ehän Zikkär, säU-Ü! El Kotana, –x“ Sif, LLP Cº - Hauſchelpaſcha, /“> e. ÄJ Dſüſſerelgurbän, es - Medſemoá, /º Mogäber, sº «e
Samgonie, 0/52-0.--* Mohammed Dſioäd, sº „e Arroá, sº Gämke, s/tx? Baharna, 2xx)! -> Dſjuſſer el abid, U-U-JJ os
Belled eſäs, Sºo! Doag, 0>Holä, sº Mokäm, s929=
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Mehallet eldſedide, -/s Nadurän, s=-e Sabchä, -a* Maasra, --- Elchodder, „sU“JJ E-“ Mehallet eſſai, „sºlº Menaui, sºA/2 Brähe, U-Ls Abbäs, sº S/-a-> Haſirtſchie, L“A Firſi, +“ Sei
mar, sº 9,-. - Choddrauie, «JUX Fatale, L/-5V S5= Kudelkum merli, Ä= /“> Dſüſſerelhaus, «a«aºs“ Medſöſſaſa, sº-S- Cha ſch abe.
Dd 2
*) S. des Ritter Michaelis AbyMedac deſcriptio Aegypti P. 23. 115.
Das
2I2
Anmerkungen zu Basra.
Das jezige Basra iſt erſt unter der Regierung eines Siäb oder Efraſä5 empor gekommen, der ein Ajäl oder einheimiſcher Edelmann war, und dieß Gouvernement von den Türken erhalten hatte. Dieſer ermunterte die Auswär tigen ſich hier niederzulaſſen, und brachte dadurch die Handlung empor, worzu
die Stadt eine vortreffliche Lage hat.
Sein Sohn Ali Paſcha kam nach ihm
zur Regierung, und dieſem folgte Höſſein Paſcha, ein Sohn des erwähnten Ali Paſcha. *) Alle ſahen Basra und das darzu gehörige Gebiet als ihr Ei genthum an. Ali machte Korne, einen offenen Ort am Zuſammenfluß des Euphrats und des Tigers zu einer Grenzfeſtung, welche Höſſein noch durch eine zweyte Mauer verſtärkte.
Lezterer erweiterte auch die Stadt Basra.
Denn, anſtatt daß ſelbige ehmals weit vom Schät el ärrab entfernt war, ſo verlängerte er die Mauer bis an den Fluß, wodurch dann viele Gärten und Korn felder mit in die Stadt kamen, die niemals mit Häuſer bebaut worden ſind. Auch das Dorf Menaui ließ er befeſtigen, und bekam dadurch ein Caſtell in
ſeiner Reſidenzſtadt. Überdieß ließ er zu Basra eine Mosqué aufführen, die noch bis jezt als die vornehmſte Dſameá angeſehen wird: und da er den Chri ſten viele Freyheit verſtattete, ſo zog er viele von dieſer Religion nach ſeiner Reſidenz, wodurch dann die Handlung immer mehr und mehr empor kam. Höſſein Paſcha ward durch ſeine Reichthümer ſo ſtolz, daß er wagte ſich verſchie dener Dörfer zu bemächtigen, die zu dem Paſchalik Bagdäd gehörten, und war mächtig genug, die Türken die gegen Basra anrückten, einigemal zurück zu
ſchlagen.
Als er aber merkte, daß er es mit den angränzenden Paſchäs doch
nicht würde aushalten können, ſo ſandte er einen nahen Anverwandten mit
großen Geſchenken nach Conſtantinopel, um ſich dem Sultän zu unterwerffen. Dieſer junge Herr brauchte das ihm Anvertraute, um ſich ſelbſt dadurch Freunde zu machen. Er verſprach jährlich eine gewiſſe Abgabe zu bezahlen, wenn man
ihm das Gouvernement geben wollte: und weil der Sultän dieß als das leichteſte Mittel fand, um ſich Basra wieder unterwürfig zu machen, ſo ſandte er ihn mit einer kleinen Armee zurück, die ihn in den Beſitz davon ſetzen ſollte. –
*) Pietro de le Palle und Tavernier haben dieſe beyden lezten Paſchäs gekannt.
An
ſtatt
Anmerkungen zu Basra.
21 3
ſtatt daß Höſſein Paſcha vorher alle Einwohner und die benachbarten Araber auf ſeiner Seite gehabt hatte, ſo wandten ſich nun viele derſelben an ſeinen neuen Feind.
Seine Armee ward bald ſo ſchwach, daß er ſich in ſeiner Reſidenz einſchließen muſte. Die Parthey ſeines Gegners ward in der Stadt ſelbſt nach und nach ſo groß, daß er es für nöthig hielt ſich nach Menaui zu begeben: und als ihm nun faſt keine Truppen mehr übrig blieben, ſo verließ er ſein Gouvernement ganz, und flüchtete nach Perſien. Einige Jahre nachher ward Basra von den Perſern erobert. Dieſe wurden endlich wieder von den Türken vertrieben, und der Sultän pflegte von nun an einen eigenen Paſcha nach dieſem Gouvernement zur
ſchicken.
Haſſän Paſcha, Vater des berühmten Achmed Paſcha aber brauchte
die großen Stämme Araber, um die neuen Paſchäs auf ihrem Wege in der
Wüſte anzugreiffen und zu tödten, oder ſie wicder nach Haleb zurück zu treiben. Und als nun keiner mehr Luſt hatte, dies Paſchalik zu ſuchen, ſo erbot ſich Haſſan Paſcha die gewöhnlichen Abgaben davon zu bezahlen, worauf es dann
mit dem Gouvernement Bagdad vereinigt ward, worunter es noch jezt ſteht. *) So lange noch Paſchäs von Conſtantinopel nach Basra geſandt wurden,
war hier auch beſtändig ein Caputän Paſcha, der von dem Sultän ernannt ward, und immer eine Perſon von hohem Range war.
Er hatte zu der Zeit
50 bis 6o Täkne (kleine Kriegsſchiffe mit einem platten Boden,) womit er nicht nur den Euphrat und den Tiger, ſondern auch den perſiſchen Meerbuſen von Seeräubern reinigen ſollte. Zur Unterhaltung dieſer Flotte und der darzu
nöthigen Mannſchaft, waren ihm, nach türkiſcher Gewohnheit, die Einkünfte von großen Diſtrikten in den beyden Paſchaliks Bagdäd und Basra angewieſen worden.
So wie nun der Paſcha zu Bagdäd immer mächtiger ward, ſo zog er
nach und nach auch die Diſtrikte an ſich, die dem Caputän Paſcha angewieſen waren. Endlich überließ der Sultän es dem Paſcha ſelbſt, die Handlung zu Waſſer in ſeinem großen Gouvernement zu ſchützen, und von der Zeit an iſt der
Caputän Paſcha zu Basra allezeit nur ein Bedienter des Paſcha von Bagdäd. Er wohnt zu Menaui, ſo wie der Mutaſillim (der Gouverneur) in der Stadt. Dd 3
Seine
*) 1776 im April iſt Basra nach einer ſehr langen Belagerung an Kerim ZKhän, den Statt halter von Perſien, übergangen
Anmerkungen zu Basra.
2 I4
Seine wenigen Täkne liegen vor ſeiner Thür auf dem Schät: und wenn etwa der Caputän Paſcha oder der Mutaſillim vorbey fährt, ſo wird davon fleiſſig canonirt.
Zum Gebrauch aber taugen dieſe Schiffe nicht viel.
Sie ſind ſehr
ſchwach gebaut, und mit Bitumen (ar. Sift, Kir) überſchmiert, welches man in großer Menge von Het, einer Stadt am Euphrat, einige Tagereiſe nach Norden
von Helle erhält.
Alle kleine Schiffe, die zwiſchen Bagdäd, Helle und
Basra gehen, ſind zwar nicht beſſer gebaut, und das Bitumen erhält ſich im friſchen Waſſer ſehr gut.
Man ſagt aber, daß es ſich im ſalzen Waſſer auflößt,
und die Täknès des Caputän Paſcha dürfen ſich daher niemals in den perſ ſchen Meerbuſen wagen. Man hört auch ſo viel von Räubereyen auf dem Euphrat und dem Tiger, daß es ſcheint, als wenn der Caputän Paſcha ſich
nicht einmal darum bekümmert. *)
Indeß iſt er noch immer ein wichtiger Offi
eier zu Basra, und der Mutaſillim muß ſowohl ihn als den Defterdär, die Ajä, den Gümrukſchi oder Schäh bunder d. i. den Zollverwalter, und den Kádi in den Diwan rufen laſſen, wenn Sachen von Wichtigkeit überlegt wer den ſollen.
Der Defterdär iſt der Schatzeinnehmer, und dependirt in andern Städten gemeiniglich bloß von dem Sultän.
Der zu Basra iſt, wenn ich nicht irre,
nur ein Bedienter des Paſcha zu Bagdad.
Der Kádi wird alle Jahre in ſei
nem Amte beſtätigt, oder von einem andern aus Conſtantinopel abgelößt.
Man
ſagt, daß oft Kadis hieher kommen, die ihren Firmän von einem andern kaufen, und deſſen Namen annehmen. Man kann alſo leicht denken, daß dieſe
*) Anſtatt der Boote brauchen die Basraner große runde Körbe, die ſie Kuffe nennen, und auswärts ganz mit Bitutnen überſchmiert haben.
Sie ſind brauchbar genug, vornem
lich auf einem ſeichten Grunde, weil ſie nicht tief gehen, und ſich leicht drehen. Uebrigens aber ſind ſie für einen der nicht gewohnt iſt in Körben zu fahren, ſehr unbe quem, weil der Matros der eine ſolche ZKuffe fortſchieben ſoll, es nicht verhindern kann, daß ſie ſich auch oft mitten auf dem Fluß rund um drehet. Die Schiffe welche
man zu Basra Goräb und Dauneck nennt, ſind nur in der Bauart von den Täfnen
verſchieden.
Sie werden zum Transport der Waaren zwiſchen Basra, Bagdad
und Helle gebraucht.
Anmerkungen zu Basra.
2I5
dieſe Stelle nur ſelten mit einem rechtſchaffenen Manne beſeßt ſeyn wird. Indeß haben ſie allezeit einen Naib oder Gevollmächtigten, der beſtändig hier bleibt, und alſo wenigſtens das Land und die Sprache kennt; ein aus Conſtantinopel kommender Kadi redet oft nichts als türkiſch, und der gemeine Mann zu Basra verſteht nichts als die arabiſche Sprache.
Ajal el belläd nennt man hier die vornehmſten von dem einheimiſchen Adel.
Der angeſehenſte unter ihnen, welcher zu meiner Zeit faſt den ganzen
Diwän regierte, war Schech Derwiſch Kauäſi, ein Abkömmling von einem in dieſer Stadt berühmten Gelehrten mit Namen Kauäs, der unter andern auch das Verdienſt gehabt hat, daß er eine anſehuliche Mosqué hat bauen laſſen, die von ſeinen reichen Nachkommen noch immer in einem guten Stande erhalten wird.
Der Muftiel Hanefi iſt auch von dieſem Adel.
Seine Stelle iſt erblich, man
kann alſo leicht denken, daß ſie nicht allezeit mit einem Gelehrten beſetzt iſt. Dieß
aber iſt auch nicht nöthig; denn er hält ſich einen Naib oder Gevollmächtigten. Ferner gehört darzu der Nakibes Scheräf, oder das Oberhaupt von allen präten dirten Nachkommen Mohammeds die ſich in dieſem Gebiete aufhalten.
Seine
Stelle iſt gleichfals erblich. Vor wenigen Jahren hat Soleiman Paſcha einen von dieſen adelichen zum Mufti el Schafei erhoben, deſſen Stelle auch erblich ſeyn ſoll: und dann gehört zu dieſen Ajals noch ein Kaufmann, mit Namen
Seiid Derwiſch ibn Seiid Talib, deſſen Vorfahren ſchon die Karwanen wach Haleb begleiteten, und der auch noch jezt oft das Amt eines Karwanbäſchi über nimmt, weil er am beſten mit den verſchiedenen Schechs bekannt iſt, durch de ren Gebiet die Karwanen reiſen, und an welche gewiſſe Abgaben oder Geſchenke bezahlt werden müſſen.
Die Ajäl haben, außer dem Rechte daß der Mukaſillim nichts wichti ges vornehmen ſoll, ohne darüber vorher ihre Meynung in einer Rathsverſamm lung gehört zu haben, noch viele andere Freyheiten: als, ſie bezahlen nichts von ihren liegenden Gründen, anſtatt daß die andern Unterthanen davon, beſonders von ihren Dattelbäumen, worinn ihr gröſter Reichthum beſteht, anſehnliche Ab
gaben erlegen müſſen. Sie haben das Recht ihre Bauern, welche jedoch nicht keibeigen ſind, zu ſtrafen. Alle Geiſtliche, worzu man auch die Schulmeiſter Utd
2I6
Anmerkungen zu Basra.
und Schreiber rechnet, ſtehen unter der Gerichtsbarkeit des Mufti, ſo wie alle Seiids und Scherifs unter dem Nakib es Scheräf, und beyde haben Ge fängniſſe, in welche ſie diejenigen von ihren Untergebenen werffen, die etwas ver brochen haben. Wenn ein vornehmer Mohammedaner eine Mosqué baut, ſo behalten ſeine Nachkommen auch das Recht die Güter zu verwalten, welche der Stifter ausgeſetzt hat, um ſie zu unterhalten. Sie ſind nur verpflichtet, zu gewiſſen Zeiten Rechnung vor der Obrigkeit abzulegen; ſie haben ſogar das Recht alle Geiſtliche bey ihrer Mosqué zu ernennen. Iſt aber die Familie des Stifters ausgeſtorben, oder wenn andere Perſonen einen Theil ihres Vermögens an Mos
quéen oder Schulen geſchenkt haben, ſo iſt der Mufti der Mutawélli d. i. er führt Rechnung von allen ihren Einkünften und Ausgaben. Mein Sprachmei ſter, ein Bücherabſchreiber, wollte mich verſichern, daß dabey ſehr viel zu ver dienen wäre, weil nemlich der Rechnungsführer und derjenige vor welchem Rech
nung abgelegt werden ſoll, oft einen Theil der Einkünfte theilten. Eben dieſe Klagen über die Mutawéllis habe ich in andern türkiſchen Städten gehört, wo
ich oft große Mosquéen in Ruinen fand.
Überall hieß es: der Mutawélli hat
die Einkünfte derſelben verzehrt. Wenige Mosquéen würden daher viele Jahre unterhalten werden können, wenn ſie nicht immer neue Zuſchüſſe erhielten. Die Janitſcharen haben zu Basra, ſo wie in allen türkiſchen Städten, ſehr große Freyheit, und untern andern auch die, daß ſie blos von ihrem eigenen Corps können arretirt und geſtraft werden, wenn ſie ein Verbrechen begangen haben. Hier aber iſt keine vollſtändige Orta. Ihre vornehmſten Officiers müſſen mit ihren Keſſeln zu Korne bleiben, und zu Basra ſind nur Unteroffi
ciers, die zum großen Nachtheil des Mutaſillim und der fleiſſigen unter den Einwohnern, alles liederliche Geſindel in ihr Corps aufnehmen, das ſich nur an bietet. Darum aber wird der Angeworbene oder vielmehr eingeſchriebene, nicht mehr Soldat, als er vorher war. Ein Aga, Kaufmann, Laſtträger, Matros u. ſ. f. bleibt bey ſeiner vorigen Handthierung, und bekömmt nicht nur gar keine Löhnung, ſondern muß auch die Janitſcharen für ihren Schutz bezahlen. Sie
ſind niemals mehr ausſchweiffend, als zu der Zeit wenn zu Bagdad kein Paſcha iſt. Als Soleiman Paſcha geſtorben war, war der hieſige Mutaſillim mit allen
Tab. XXXIX.
Anmerkungen zu Basra.
217
allen ſeinen Truppen nicht im Stande es zu verhindern, daß die Janitſcharen bey hellem Tage in die Häuſer der Chriſten, Juden und Banianen, ja gar bey den Mohammedanern einbrachen, die ſich bey ihrem Corps nicht hatten einſchrei ben laſſen. Sehr oft inſultirten die von einer Orta ſolche Mohammedaner oder andre Religionsverwandte, die ſich unter den Schuß einer andern Orta bege ben hatten. Die Janitſcharen geriethen darüber unter ſich ſelbſt an einander. Es war nicht ſelten daß an einem Tage 8 bis 12 von ihnen erſchlagen wurden, und von den ehrlichen Leuten die keine Janitſcharen waren, blieben nicht weniger. Um nun bey einer andern Gelegenheit nicht wiederum der Wuth dieſes Geſindels ausgeſetzt zu ſeyn, und um wenigſtens von ihnen einigen Beyſtand zu haben, ließen ſich noch mehrere bey ihrem Corps einſchreiben. Daher heiſſen jezt die
meiſten Mohammedaner zu Basra, von dem Mutaſillim an bis auf den gering
ſten Laſtträger, Janitſcharen. *) Weil die Ajäls und die Janitſcharen zu Basra wirklich ſehr viele Frey heiten haben, und ſich oft noch mehrere nehmen, ſo ſollte man glauben, daß der
Mutaſillim hier nicht viel zu bedeuten habe.
Hat er aber nur Verſtand, ſo
weiß er auch ſchon ſich in Anſehen zu erhalten. Unter den adelichen herrſcht eine ſo große Uneinigkeit, daß ſie oft unter einander Krieg führen, und ihre
Dörfer plündern.
Will nun der Mutaſillim einen ſtürzen, weil er ſich ihm etwa
öffentlich im Diwän oder ſonſt widerſetzt hat, ſo wartet er bis er, wenigſtens mit einem Schein, ſagen könne, der Ajälſey zu weit gegangen. Nun wird bey den Türken ein kleines Verbrechen eines Reichen allezeit viel größer angeſe hen, als ein viel größeres das von einem Armen begangen worden iſt. Der Ajäl wird in der Geſchwindigkeit erdroßelt, und ein Theil ſeines Vermögens confiſeirt: und wenn das Geld erſt in des Paſchäs Caſſe gekommen iſt, ſo iſt es gemeiniglich eben ſo ſchwer, etwas daraus wieder zu erhalten, als den Erwürg LU.
*) Sie heiſſen eigentlich Jnki ſchari „4,-FXa Weil aber das Wort Janitſchar in uns ſerer Sprache gleichſam naturaliſirt worden iſt, ſo habe ich ſelbiges beybehalten. Eben deswegen brauche ich auch das Wort UJosqué. Die Mohammedaner nennen ihre
kleine Tempel eigentlich Wedſjid und die großen Dſjamca
II. Theil.
Ee
2 IZ
Anmerkungen zu Basra.
ten wieder zum Leben zurück zu bringen.
Die Anverwandten und die übrigen
Ajäls können nachher ſelten mehr ausrichten, als ſich im Geheim über die Tyranney der Türken zu beklagen. Der Titel Janitſchar ſchützt einen reichen oft eben ſo wenig. Hadſji Juſof ein großer Kaufmann zu Basra, der Ali
Paſcha viel Geld vorgeſtreckt,
und überdieß ihm Anleitung gegeben hatte,
große Summen von andern Kaufleuten zu erpreſſen, wuſte es bey demſelben
dahin zu bringen, daß Achmüd Kichja, damaliger Mutaſillim nach Bag Einige däd zurück berufen, und ein anderer an ſeine Stelle geſetzt ward. Zeit nachher erhielt Achmüd Kichja ſeinen vorigen Platz wieder. Er ſtellte ſich, als ob er ſich alle Mühe gäbe, um die Freundſchaft eines Mannes zu gewinnen, der ſchon einmal im Stande geweſen war ihn abzuſetzen. Allein Juſof traute ihm ſo wenig, daß er niemals ausging ohne heimlich eine Wache bey ſich zu ha ben, die ihn bey einem unvermutheten überfall ſchützen könnte.
Endlich muſte
er einmal wegen Handlungsgeſchäfte mit dem Täffenkſchi Baſchi (dem Ober ſten eines Regiments Infanterie des Mutaſillim) ſprechen, den er jederzeit für ſeinen Freund gehalten hatte. Dieſer zeigte ihm jezt einen Befehl, nach wel chem er ihn erdroßeln ſollte. Die Execution ward gleich vorgenommen, und der Körper dieſes Kaufmanns, der ſich ſo viel auf ſein Geld, auf die Gunſt ſei
nes Paſcha, als Hadsji oder einer der zu Mekke geweſen war, auf den Schuß der Geiſtlichkeit, und als Janitſchar auf den Beyſtand ſeiner Brüder verlaſſen hatte, ward auf einen Miſthauffen geworfen. Achmüd Kichja wuſte bald Be ſchuldigungen gegen Hadsji Iuſof auszuſtreuen, und ſeine Handlung vor dem Pöbel zu rechtfertigen: und Ali Paſcha ward dadurch befriedigt, daß er bey dieſer Gelegenheit nicht nur ſeine Verſchreibung auf 2 oo,ooo Piaſter, welche
Summa er von Hadsji Inſof erhalten hatte, wieder zurück erhielt, ſondern nun auch noch den gröſten Theil des übrigen Vermögens dieſes Unglücklichen an ſich ziehen konnte.
Eben dieſer Mutaſillim erpreßte von einem armeniſchen Kaufmann eine anſehnliche Summe wegen einer Handlung, wofür jede Regierung in Europa ihw ein großes Lob würde bengelegt haben. Der Armener nemlich ließ dicht bey der Stadt über einem Canal eine ſchöne Brücke von gebrannten Steinen bauen, Und -
Anmerkungen zu Basra.
219
und den öffentlichen Weg der durch Nachläſſigkeit der Regierung im Winter faſt unbrauchbar war, bis an den Todtenacker ſeiner Nation ausbeſſern. Er hatte ſich dieſe Erlaubniß vorher von der Regierung ausgebeten, allein ſich deswegen keinen ordentlichen Firmän geben laſſen, und dieſen muſte er nachher rechtſchaffen bezahlen. Es iſt in der Türkey überhaupt nicht ſelten, daß Leute, die prächtige Gebäude aufführen laſſen, genöthigt werden, der Regierung Geld vorzuſchieſ ſen, wovon ſie dann ſelten etwas wieder bekommen. Es iſt daher kein Wunder,
daß die reichen Unterthanen der Türken ſo wenig Pracht zeigen.
Übrigens ſcheint
die Policey zu Basra ſehr gut zu ſeyn. Auf dem Marktplatz mitten in der Stadt liegen viele Kornhauffen, die nur mit Strohmatten bedeckt ſind, und man hört nicht, daß davon, oder ſonſt etwas geſtohlen wird.
Weil man in den Morgenländern gar keine Liſten von Gebornen und Ge ſtorbenen hat, ſo iſt es ſehr ſchwer hier etwas gewiſſes von der Bevölkerung der Städte zu erfahren. Erkundigt man ſich deswegen bey den Einwohnern, ſo reden dieſe allezeit von einigen hundert tauſenden: überhaupt aber wird man fin den, daß die Bevölkerung hier bey weitem nicht ſo groß iſt, als man in Europa
auf ſolche Nachrichten geglaubt hat.
Innerhalb der Mauer von Basra ſind 7o
Mahálle oder Quartiere.
In einigen derſelben findet man zwar 3 bis 4oo in andern hingegen nur 1o bis 2 o Häuſer, das übrige beſteht aus lauter Dattel gärten, und zudem findet man hier ſehr große Todtenäcker. Leute, die dieſe Stadt ſehr genau kannten, verſicherten mich, daß man überhaupt genommen, auf jede Mahälle kaum 1oo Häuſer rechnen könnte. Nun aber ſind die meiſten derſelben bloß von Steinen gebaut die in der Sonne getrocknet worden, und nur
klein. Rechnet man auf jedes Haus 7 Einwohner, welches, durchgehends genommen, wohl zu viel ſeyn wird, ſo iſt die Anzahl der Einwohner höchſtens funfzigtauſend. Sollten ſie gezählt werden, ſo zweifle ich, daß man 4oooo antreffen werde.
Die herſchende Religion iſt die von der Sekte Sunni. Seit
den innerlichen Unruhen in Perſien haben ſich in dieſer Stadt auch viele Schiiten niedergelaſſen: weil aber dieſe von erſtern viel mehr gehaßt werden, als alle
übrige Religionsverwandte, ſo nennen die meiſten derſelben ſich auch Sunniten.
überhaupt ſcheint es, daß die hieſigen Mohammedaner die Pflichten ihrer Reli Ee 2
gion
Anmerkungen zu Basra.
22O
gion nicht ſehr genau beobachten.
Die Reichen verſäumen es nicht, täglich fünf
mal zu beten, damit die Regierung ſie, in Ermangelung eines andern Verbre chens, nicht wegen Verſäumung der ihnen vorgeſchriebenen Andacht, zur Re chenſchaft fodern möge. Ob aber der Arme betet, darum bekümmert man ſich nicht. Von den morgenländiſchen Chriſten iſt die Gemeine der Armener die zahlreichſte, und auch davon ſind die meiſten aus Perſien hieher gekommen.
Sabäer ſind hier nur wenige. Ich ließ mir ihr Alphabet von einem Schmid ſchreiben, (Tabelle II. bey F.) von welchem man mich verſicherte, daß er ihr beſter Schreiber wäre. *) Auch findet man zu Basra viele Banianen, und etwa 1oo jüdiſche Familien. Von den europäiſchen Nationen treiben die Englän der den gröſten Handel, vornemlich mit europäiſchem Lacken, mit feiner Leinwand von Bengalen und allerhand Stoffen von Surät. Von ihnen reſidirt hier, ſeit
dem ſie Isfahän und Gambron (Bender Abbas) haben verlaſſen müſſen, allezeit ein Rathsherr von Bombay mit einigen Schreibern, und ein Kaufmann dieſer
Handlungsgeſellſchaft wohnt zu Bagdad. Der franzöſiſche Agent lebte hier ohne Handlung, und wie man ſagte, ohne ſein Gehalt ordentlich zu erhalten, ſo gut er konnte. Holländer waren hier gar nicht, ſondern die hieſigen Kaufleute hol
ten ihr Gewürz und Specereyen von Charedſch.
Die einländiſchen Kaufleute
treiben einen ſtarken Handel mit Caffe aus Jemen.
Man findet zu Basra
auch verſchiedene Italiäner, die einen ziemlich ſtarken Privathandel über Haleb nach Venedig und Livorno treiben; ingleichen zwey Römiſchcatholiſche
Mönche.
Letztere baueten jezt eine kleine Kirche wieder, da die erſtere, welche
unter der Regierung des vorher erwähnten Höſſein Paſcha gebaut worden, ein gefallen war. Dicht unter der Mauer von Basra fängt ſchon die große Wüſte an. Der -
Boden iſt hier eben ſo fruchtbar, als dicht am Fluſe, wo alles mit Dattelgär -
tett
*) In einem Werke: Relations de divers Voyages curieux, welches zu Paris gedruckt iſt, findet man ein Alphabet der Chaldäer, Sabäer oder St. Johannis Chriſten, welches von meiner Abſchrift nur in Kleinigkeiten verſchieden iſt.
Ziärnpfers Abſchrift iſt von
beyden ſehr verſchieden, und alſo wohl nicht zuverläßig, Amoenit, exotic. falcicul. II. P. 44 I.
Lage der alten Stadt Basra.
22 I
ken und Reisfeldern bedeckt iſt. Es fehlt nur an Einwohnern, und zwar an wohlhabenden, die Canäle graben und unterhalten können. Nicht weit nach Südweſten von der Stadt ſieht man davon ein Beyſpiel. Daſelbſt war vor 3o bis 4o Jahren noch ein großes Dorf, wovon jezt nichts mehr übrig iſt, als ein kleines Gebäude über dem Grabe eines mohammedaniſchen Heiligen, das jezt ſchon ziemlich weit in der Wüſte liegt. Von hier bis Zobeier, wo auch ſchö ner Marſchboden iſt, iſt alles mit Küchenſalz bedeckt, vornemlich an ſolchen Stellen, wo man kleine Dämme gemacht hat, um Regenwaſſer zu ſammlen und ausdünſten zu laſſen. -
Das Basra welches unter der Regierung der erſten Khalifen berühmt war, lag unſtreitig 1 bis 2 deutſche Meilen Südweſt nach Süden von der jezi gen Stadt dieſes Namens, und in einer mehr ſandigten Gegend. Daſelbſt fin
det man noch überbleibſel von einer Stadtmauer, die, nach dem Augenmaaß, wenigſtens zwey Stunden im Umkreis gehabt hat; ingleichen die Mauern von
zween großen Mosquéen, Dſjämea Ali Barmäki, und Dſjämea Saffrän.
überdieß zeigt man hier noch die Begräbniſſe des bekannten Gelehrten Haſſan el Basri, des Zobeier ibn Alwän, des Telha ibn Obeid allah und anderer, von welchen man gewiß weiß, daß ſie zu Basra begraben worden ſind. Alle dieſe berühmten Araber ſind bey den Schiiten ſehr verhaßt, beſonders
Zobeier und Telha, weil ſie den Eid der Treue gegen ihren großen Imäm ge brochen, und wider ihn für die Ayeſcha gefochten haben. Die Sunniten her gegen verehren ſie, weil ſie unter Mohammed als brave Officiers gedient haben, und weil es ihnen vor ihrem Tode noch geräut haben ſoll, daß ſie ſich gegen Ali,
den Schwiegerſohn Mohammeds und nachherigen Khalifen, empört haben.
Sie
haben über ihren Gräbern, ſo wie über den Gräbern ihrer andern Heiligen, Ge bethäuſer gebaut. Dieſe wurden im Jahre der Hedſera 1 15 6 (1743) als Nadir Schah das jezige Basra belagerte, von den Perſern gänzlich niederge riſſen.
Allein die Sunniten haben ſie, nach Abzug des Feindes, bald wieder
aufgebaut, und dabey ſollen ſich, nach der Verſicherung eines mohammedaniſchen
Geiſtlichen zu Zobeier, folgende Wunderwerke zugetragen haben.
Ein Eſel ent
lief ſeinem Herrn, der von dem neuen Basra nach dem alten reiten wollte. Der Ee 3
(RWINE
Lage der alten Stadt Basra.
222
arme Mann ging zu den Arbeitern bey dem Grabe des Telha, und klagte es ihnen, daß er lange in der Wüſte herum geloffen wäre ohne ſein Thier wieder finden zu können. Alle nahmen Antheil an ſeinem Verluſt, und vereinigten ihr
Gebet an den Heiligen, daß er doch den Eſel wieder zurück führen mögte. Bald darauf ſah man ihn auch in vollem Gallop ankommen, und gerade nach dem Begräbniß des Telha zu laufen, als wenn einer mit der Peitſche hinter ihm
geweſen wäre.
Die neue Kubbe welche man über Haſſan el Basri baute, fiel
wieder ein, ohne daß man den Baumeiſter beſchuldigen konnte, daß es durch ſeine Schuld geſchehen wäre. Der Heilige erſchien hierauf jemanden im Traum,
und verſicherte ihn, daß ihm mit einer Kubbe (Kuppel) nicht gedient wäre, ſon dern daß man einen kleinen Thurm über ihn bauen ſollte: ingleichen wolle er auch nicht mitten unter dieſem Thurm, ſondern mit dem Kopf dicht an der Mauer
liegen, damit man nicht rund um ſein Grab ſollte gehen können. *) Zobeier liegt unter einer großen Kubbe, dicht an einer artigen Mosqué mit einem Mi näre. Der Imäm dieſer Mosqué, welcher mir die vorher erwähnten Hiſtörchener zählte, verſicherte mich, daß er einmal Antwort erhalten, als er Zobeier ge
grüßt hätte. Ich fragte nachher ein paar andere, ob ſie niemals von ihrem Hei ligen wieder gegrüßt wären; dieſe aber waren ſo beſcheiden daß ſie glaubten, ſie wä ren zu große Sünder, als daß ſie eine ſolche Gnade erwarten könnten.
Der
Imäm zeigte mir noch den Baum, unter welchem Zobeier getödtet ſeyn ſoll; allein dieſer ſteht innerhalb der Ringmauer, und Zobeier verlor, nach der ara
biſchen Geſchichte, ſein Leben außerhalb der Stadt.
Nicht weit von dieſer al
ten Stadt liegt ein Abdilla ibn annas begraben, deſſen Vater Mohammeds Pförtner geweſen iſt. Weil die Mohammedaner gern bey ihren Heiligen begraben ſeyn wollen,
ſo bringt man von dem neuen Basra noch jezt viele Leichen nach dem alten Basra. Die Stadt war ſo ſehr zerſtört, daß man erſt vor 30 bis 40 Jahren wieder anfing, um das Begräbniß des Zobeier einige kleine Häuſer zu bauen, und von der Zeit an
nennet man das ehmalige Basra, Zobeier.
Seit 8 bis 10 Jahren haben ſich hier ſo
“) Nahe bey ihm liegt ein UIohammed ibn Sitin, deſſen Andenken bey den Mohammeda nern gleichfals ſehr geehrt iſt, unter einer beſondern Äubbe.
Lage der alten Stadt Basra.
223
ſo viele Sunniten niedergelaſſen, die von Abdul wäheb, dem Stifter einer neuen Religion, aus Nedsjed vertrieben worden ſind (Beſchreib. v. Ar. S. 349.) daß Zobeier ſchon eine kleine Stadt genannt werden kann; denn hier iſt, außer der erwähnten Mosqué auch ſchon eine andere gebaut worden. Ich habe zu Zobeier keine Nachricht erhalten können, zu welcher Zeit, und bey welcher Gelegenheit das alte Basra zerſtört worden ſey. Der erwähnte
Imämmeynte, ein ſtarker Sturm hätte alle Häuſer und Mosquéen auf einmal umgeworfen, und die Einwohner hätten darauf gleich das neue Basra gebaut. So geſchwind ging es wohl nicht, ſondern der Verfall dieſer Stadt war wohl
eine natürliche Folge von der ſchlechten Regierung der Mohammedaner, wodurch das ehmals volkreiche Chaldea ſo ſehr von Einwohnern entblößt worden, daß man darin jezt keine Dörfer mehr findet, als nahe an den großen Flüſſen. In dem alten Basra ſieht man noch das Bett von einem trockenen Fluß, oder viel
mehr gegrabenen Canal, den die Araber Dſärri Zäade oder Haffar Záade nennen. Dieſer war von einer kleinen Stadt Het, etwa 6 Tagereiſe nach Norden
von Helle, aus dem Euphrat nach Kufa, und von da weiter nach Basra geleitet, wo er ſich ungefehr 3 deutſche Meilen unterhalb der Stadt in einen Meerbuſen ergoß, den man Chör abdilla nennt. (Tabelle XL.)
Die Araber erzählen,
daß dieſer Canal an beyden Seiten mit Bäumen beſetzt geweſen, und daß er das
Land weit umher fruchtbar gemacht habe.
Seit vielen Jahren kömmt gar kein
Waſſer mehr hieher, und das ehmals fruchtbare Land iſt eine Wüſte, die bloß von
Bedouinen geſucht wird. Es iſt alſo kein Wunder daß Basra verlaſſen worden iſt, als es ſeinen Fluß, und damit auch alle benachbarte Dörfer verlor, und daß
die Einwohner ſich nach dem Ufer des Euphrats begeben haben, wo ſie Waſſer in überfluß fanden, und wo es vermuthlich ſchon zu der Zeit an Einwohnern fehlte. *) Die
*) Dſärri Záade iſt unſtreitig der Fuß Pallacopas der Griechen, wohin Alerander kurz vor ſeinem Tode von Babylon ans eine Reiſe machte, die Arrianns in ſeinem 7ten Buche foſaendermaßen beſchreibt: Interea dumtriremes paranrur, poreasque opud
Babylonem effoditur, Alexander ad Pallaeopam amnem per Euphratem devečtus eſt.
Anmerkungen zu Basra.
224
Die berühmte Schlacht zwiſchen Ali und der Ayeſcha ſoll, nach der alge meinen Welthiſtorie, bey Khoreiba, nicht weit von Basra vorgefallen ſeyn, Die jezigen Einwohner zu Zobeier wiſſen die Wahlſtatt nicht genau anzugeben.
Sie ſagen aber, die Schlacht ſey in Wadi Seiid Sebän, einem großen Thal zwiſchen eft. Diſtat is a Babylone ſtadiis ferme DCCC. Porro amnis hic ex Euphratis in alveum ſuum diffuſione , non expeculiari fonte oritur. Euphrates enin ex mon tibus Armeniis oriens, hyberno tempore intra ripas labitur, utpote non multum
aquar trahens.
Ineunte autem vere multoque magis ſub ſolſtitium aeſtivum grandis
exit, ripisque ſuperatis Aſſyriorum campos inundat. Tunc enim nives in Armeniis montibus liquatar aquas eius mirum in modum augent, atque ita in magnam al
titudinem elatus, univerſam circumiečtam regionem obruat, niſi quis non nihil deducens in Pallacopam & in paludes ac ſtagna eum exoneret. Quae quidem pa ludes abhoc alveo initio faêto vsque ad regionem Arabia proximam, per vadoſa loca ac tandem per occultos meatus in mareferuntur. Reſolutis vero nivibus, prz eipue circa Virgiliarum occaſum, Euphrates minor labitur: at nihilominus magna eius pars per Pallacopam in lacus derivatur: niſi vero quis rurſus Pallacopar alveum obſtruat, ita ut in adverſum nitens ripas tranſcendat, facile ita Euphratem laben
tem exhauriat, ut Aſſyriorum campi ab eo irrigari nequeant.
Quapropter Baby
loniorum Satrapa magno laboe Euphratis in Palacopam exitus obſtruit (quamvis
non magna cum difficultate aperiantur ) quod limoſa iis in partibus terra, quippe quae fuminis aqua proluitur, minime facilem aquae reflexionem admittat : adeo ut X. M Aſſyrii tres integros menſes in hoc opere conſumpſerint. Quae Alexandro enarrata incitarunt eum ut aliquid in utilitatem Aſſyriae meditaretur. Itaque qua
in Pallacopam Euphrates derivatur, eius exitum firmius obſtruere inſtituit. Quum que ad ſtadia triginta progreſſus eſſet, petroſam terram reperit, quae ſi interciſa ad veterem Pallacopae alueum perduceretur, nequaquam, propter terrae firmitatem aquam transmiſſura eſſe videbatur: atque ita ſtatis anni temporibus facilem aqua
rum converſionem atque exundationem fore judicabat.
Id circo Alexander per
Pallacopam vectus, navigando per lacus deſcendit in Arabum regionem: ibi com modum quendam locum contemplatus, urbem aedificavit, moenibusque cinxit, &
coloniam eo deduxit ex Gracis mercenariis, voluntaris, & qui aut ſenectute aut caſualiquo ineptibello faëtierant. Welche Ordnung muß man nicht in dieſem Landege funden haben,wo ſich die Einwohnervereinigten einen Canal von vielen Tagereiſen zu graben, und dadurch eine Wüſte fruchtbar zu machen! Wie volkreich muß es nicht geweſen ſeyn; denn man dachte doch wohl nicht eher daran, den Fluß Pallacopas zu graben, ehe
nicht ganz Meſopotamien, wo man von beyden Seiten Waſſer erhalten konnte, be" -
baut
Anmerkungen zu Basra.
225
zwiſchen Basra und dem Berge Senäm gehalten worden, und daſelbſt findet
man ein Dorf Kowäbdes0-25S= welchen Namen die Schriftſteller leicht in Kho reiba haben verändern können.
Man findet wohl an wenigen Orten in der Welt ſo viele verſchiedene Sor ten Datteln als zu Basra.
Die Araber theilen ſie gar, ſo wie ihre Arzney
mittel, in kalte und heiſſe ein.
ungeſund.
Erſtere halten ſie für geſund, und letztere für
Überhaupt aber will dieſe Unterſcheidung nichts weiter ſagen, als
daß die, welche nach der Sprache der Einwohner kalt ſind, einen beſſern Ge ſchmack baut war. Bey der Ankunft der Mohammedaner in dieſe Gegend muß der erwähnte Fluß noch in einem guten Stande geweſen ſeyn, weil beydes ZKufa und Basra, zwey ihrer berühmten Städte daran gelegen haben: und da dieſe ſchon einige hundert Jahre zerſtört ſind, ſo muß dies Land unter ihrer Regierung in kurzer Zeit erſtaunlich ver
nachläſſigt worden ſeyn. Bähhr Tedſef oder Baheire, bey Meſched Ali, war vermuthlich eine von den Landſeen, die nach dem Berichte des Arrians, ihr Waſſer durch den Fluß Pallacopas aus dem Euphrat erhielt. Andere ſumpfige Gegenden, die noch jezt von dem Euphrat überſchwemmt werden, findet man zwiſchen Semaue und Helle. Alexander ſcheint durch dieſen Weg wieder zurück gekommen ſeyn. Der Pallacopas war alſo beydes oberhalb und unterhalb Babylon mit dem Euphrat verbunden, und wer weiß ob der Canal nicht noch an mehrern Stellen Waſſer aus
dem Hauptfluſſe erhalten habe. So findet man noch jezt verſchiedene Arme, die mit ten durch das alte Meſopotamien von dem Euphrat in den Tiger, oder von dieſem in jenen Fluß gehen. Ich habe in dem Tagebuch eines Engländers, der von Haleb nach Basra gereiſet war, gefunden, daß er 44 Stunden Südoſt nach Oſten von Hét eine ganz verlaſſene Stadt in der Wüſte angetroffen habe, wovon die Mauer 5o Fuß hoch
und 40 Fuß dick war. Jede der vier Seiten hatte 7oo Fuß, und in der Mauer waren Thürme.
In dieſer Stadt oder großem Caſtell, findet man noch ein klei
nes Caſtell. Von eben dieſer verlaſſenen Stadt hörte ich nachher, daß ſie von den Arabern Elkhader genannt werde, und nur 10 bis 12 Stunden von Meſched Al entfernt ſey.
Sie iſt ohne Zweifel gleichfals wegen Mangel an Waſſer ver
laſſen worden: und da man hier gar keine Städte oder Dörfer in der Nähe findet, ſo iſt dieß wohl die Urſache, daß man davon nicht alle brauchbare Steine weggebracht hat, wie von ZKufa und Basra, wo faſt nichts mehr übrig iſt. Der Pallacopas ſcheint
von Plinius (lib. 6. cap. 27.) und andern alten Schriftſtellern auch der Euphrat ge nannt zu werden.
II. Theil.
Ff
Anmerkungen zu Basra.
226
ſchmack haben, und theurer bezahlt werden.
Die heiſſen hingegen findet man
in größerer Menge, ſie ſind wohlfeil, und die vornehmſte Nahrung der armen
Einwohner.
Die Sorte, welche man „53 -->9-5 d.i. die Dattel Chaſtaui
nennt, wird für die allerbeſte gehalten, weil ſie den Magen gar nicht beſchwert,
wie viel man auch davon ißt.
Die Sorte Zähedi „50*Ä dargegen wird zu
Basra für die allerſchlechteſte gehalten, weil ſie viele Blähungen verurſacht. Man giebt ſie hier dem Vieh, man brennt Branntwein davon, und nur die Armen, die nichts beſſers kaufen können um ihren Hunger zu ſtillen, wollen ſich beque men ſie zu eſſen. Zu Bagdäd aber wird dieſe Sorte nicht ſo verächtlich angeſe hen; vielleicht weil ſie in dem daſigen Boden beſſer gedeiht, oder weil man da ſelbſt nicht ſo viele Wahl hat, als zu Basra.
Die übrigen Datteln, welche
hier wachſen, nennt man: Hellaue „5 - M- Iſtäamerän es, «sº- Schu
kar Al- Dſauſ -5./5> Däri –/23 Chaſäb --a> Chadraui, - - - > Iſchtrſ --- Bräm 2/2 Mekrun - YB-» von dieſer Sorte hat man rothe und gelbe, Kintär „Ja” Lului „475 Tammer bint eſſabá &“J -º/«S
Chanäſ „Zºé- Sabiáel arits L. /*) &ast-) Dikgel Jºº beydes roth und gelb, Dſouſ „ſy- Aſchkar A.“ Tſchäbſchäb, Chaſauiel baggel, Schiis, Möddäd, Bumkie, Kiſſib, Hottrie und Ibrahimi. *)
Alle dieſe
Sorten Datteln brancht man um Dibs d. i. einen Syrop davon zu machen, den
die Araber zum Brod eſſen; die aber welche man Hellaue d. i. die ſüße nennt,
iſt darzu am geſchickteſten.
Selbſt die harten Kerne der Datteln werden hier
nicht weggeworfen, ſondern für das Vieh aufgehoben. Ich meyne in einer Reiſebeſchreibung geleſen zu haben, daß die Araber zu Basra eine große Menge Dattelkerne pyramidenförmig auf einander in die Erde legen, wenn ſie einen jun gen Baum ziehen wollen. Jezt macht man deswegen nicht ſo viele Umſtände, ſondern ſchon aus einem einzigen Kern wächſt ein Baum, und man hat hier nicht einmal nöthig die Kernen zu ſäen, man findet ſo ſchon Pflanzen genug. Der
manuigfaltige Nutzen der verſchiedenen Theile des Dattelbaums iſt ſchon hinläng lich *) Zu Bagdäd habe ich nur folgende Sorten Datteln nennen hören: Chaſtaui, 3ähedi, Sabiá el arüs, Dikgel, Ibrahimi, Bedraie, Owäraie, Sánde, Bärben, ZÄuſ Churmáſ, GPm fšttel, Uraſſº, Aeſchärſ, Wektavi.
Anmerkungen zu Basra.
ſich bekannt.
.
227
Gartenfrüchte und andere Lebensmittel ſind hier im überfluß, es
fehlt aber an Holz.
Man brennt hier, ſo wie in Egypten, vielen Miſt, und
verfertigt von dem Ruß auch Salmiak.
-
In der heiſſeſten Jahrszeit iſt die Hitze hier ſo groß, daß man, obgleich nicht alle Jahre, Beyſpiele hat, daß Leute vor Hitze auf der Straße umfal len. überdieß iſt die Luft wegen der umherliegenden ſumpfigen Gegend, und wegen der Unreinigkeiten in der Stadt ſelbſt, nicht ſehr angenehm.
In
dem ganzen Monat Auguſt hatten wir nur 5 bis 6 Tage Südoſtwind, und im September war der Wind auch nur wenige Tage ſüdlich.
Sonſt hatten wir be
ſtändig Norden oder Nordweſtwind. Die Hitze iſt dem menſchlichen Körper mit dem Süſtoſtwind am empfindlichſten, weil man dann gemeiniglich viel Windſtille hat, und auch ſehr ſchwitzt. In der letzten Hälfte des October ward der Wind mehr veränderlich. Im Auguſt und September hatten wir faſt beſtändig klare Luft gehabt. Am 7ten October zeigten ſich einige Wolken, die immer zunah men bis den 27ſten, als die Regenzeit mit Donner und Blitz ihren Anfang nahm.
An der Oſtſeite des Schatel arrab und an dem Ausfluß deſſelben regiert ein arabiſcher Stamm Käab --s= deſſen ich ſchon in der Beſchreibung von Arabien S. 3 19. erwähnt habe. Er wohnt nicht in Zelten, wie die Araber in der Wüſte, ſondern in Städten und Dörfern, ſo wie die an der Oſtſeite des
perſiſchen Meerbuſens. Der jezt regierende Schech Soleiman war bey dem An tritt ſeiner Regierung nur Herr über ein kleines Gebiet, das ganz zu Perſien ge hörte. Während der innerlichen Unruhen in dieſem Königreiche aber bemäch
tigte er ſich hier noch verſchiedener kleinen Diſtrikte; der Stadt Basra nahm er eine Inſel im Schat nach der andern, und ſogar den Diſtrikt Dauaſir /“> > (AT der Weſtſeite des Fluſſes: kurz, er war zu meiner Zeit Herr von einem anſehnli
chen Diſtrikte in Perſien, und von allen Inſeln und Ausflüſſen des Schatelárrab die vorher zu Basra gehört hatten. An Kerim Khän bezahlte er gar nichts, weil dieſer ſo weit entfernt war, daß er nicht viel von ihm zu befürchten hatte, Wenn dieſer Tribut foderte, ſo beklagte er ſich, daß er nichts bezahlen könnte, weil die Türken viel Geld von ihm erpreßten; und wenn der Paſcha zu Bagdäd Ff 2
Schatzungen
228
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern.
Schaßungen verlangte, ſo beſchwerte er ſich über die Perſer. Er wuſte die vor nehmſten Ajäls der Stadt Basra durch Geld ſo ſehr auf ſeine Seite zu bringen, daß ſie es geſchehen ließen, wenn er ein Dorf nach dem andern an ſich riß, und
wenn die Ajäl ſolches ruhig anſehen konnten, ſo hielt der Mutaſillim es nicht für rathſam, auf ſeine eigene Koſten einen Krieg mit Soleiman anzufangen; denn weil er gemeiniglich nur eine kurze Zeit in ſeinem Poſten bleibt, ſo war er zufrie den, wenn er nur ſo lange die Einkünfte davon erhielt, und dieſe bezahlte So
leiman reichlich: dem neuen Mutaſillim bezahlte er gar nichts, wenn nicht auch der andere Dörfer an ihn abtreten, oder Krieg haben wollte. Die Paſchäs von Bagdad ſelbſt ſind einigemal gegen Soleiman zu Felde gezogen. Dann hielt er es bisweilen für rathſam eine anſehnliche Summe zu bezahlen, und ſich wieder einen Vaſallen der Türken zu nennen; bisweilen aber gab er das Geld lieber an andere arabiſche Schechs, die dem Paſcha auf einer andern Seite Beſchäftigun
gen geben muſten. Er machte Gobän e. Lºs eine kleine Stadt an dem öſtlichen Arm des Schat, zu ſeine Reſidenz, und baute einen ſtarken Damm in einem andern Arm, um den Strom nach ſeiner Seite zu leiten, und mehr ſchiffbar zu machen. 1765 hatte er ſchon 1 o Galwetten und überdem 7o Dauneks oder kleinere Fahrzeuge, womit er Handlung trieb. Die Macht des Mutaſillim zu Basra hatte dagegen von Jahr zu Jahr abgenommen, und zu meiner Zeit war er ſo ſchwach, daß er ſich nicht einmal dieſem kleinen Schech widerſetzen konnte.
Kerim Khän hatte ſich endlich vorgenommen, den Tribut von Schech Soleiman ſelbſt abzuholen. Er rückte in dieſem Jahre mit einer anſehnlichen Armee in ſein Gebiet ein; es ging aber ihm nicht beſſer, als ſeinem General
Emir Kuneh Khän gegen Mtr Mahenna. (S. 1 86)
Soleiman begab ſich
auf ſeinen Schiffen von einer Inſel zu der andern, und überließ dem Feind die ledigen Städte und Dörfer. Kerim Khän wardes, in Ermangelung von Fahrzeu gen, ſehr ſchwer, auf die Inſeln zu kommen. Wenn er auch mit vieler Mühe auf einer Inſel anlangte, ſo war Soleiman ſchon auf einer andern, ja dieſer be
gab ſich zuletzt gar nach der Weſtſeite des Schat el ärrab, in das Gebiet von Basra.
Kerim Khän wandte ſich endlich an die Regierung dieſer Stadt, und
ſtellte ihr vor, daß es ihr eigener Vortheil erfoderte, ihm jezt behülflich zu ſeyn, Und
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern. und Schech Soleimans Macht auszurotten.
229
Der Mutaſillim verſprach alle
Hülfe, entſchuldigte ſich aber von einer Zeit zur andern damit, daß er mehrere Leute und Schiffe von Bagdäd erwartete, die niemals ankamen. Ohne Zweifel hatte Soleiman die Regierung zu Basra wieder beſtochen, oder es fehlte dieſer an Geld einen Krieg anzufangen. Als die Perſer endlich ſahen, daß es den Türken kein Ernſt war, ihnen beyzuſtehen, ſo zogen ſie ſich zurück, und überließen es dem Araber wiederum Beſitz von ſeinem Gebiete zu nehmen. Das meiſte,
was Soleiman durch dieſen Feldzug des Kerim Khäns litte, war, daß dieſer den Damm in Chor Sable hatte durchgraben laſſen. Die Häuſer in ſeinen Städten und Dörfern ſind ſo ſchlecht, daß er nicht viel daran verlor, wenn auch der Feind ſich die Mühe gegeben hatte ſie niederzureiſſen.
Man wird ſich wundern, daß Kerim Khän, der in dieſem Jahre zwey Rebellen, Schech Soleiman und Mir Mahenna gänzlich aus ihren Ländern vertrieben, ſelbigen erlaubt hat, wiederum Beſitz davon zu nehmen. Nach der hieſigen Regierungsverfaſſung aber konnte er ſie nicht behalten. Die Städte waren gänzlich von Einwohnern entblößt, alle Nahrung und Gewerbe hatte alſo daſelbſt aufgehört. Die Dörfer konnte er gar nicht ſchützen, weil der Feind mit ſeinen Schiffen überall anlegen, und die, welche perſiſch geſinnt ſeyn wollten,
zerſtören konnte. Wenn alſo Kerim Khän eine Beſatzung in den Städten des Schechs Soleiman hätte zurück laſſen wollen, ſo hätte dieſe ſehr groß ſeyn, und er hätte ſie gänzlich unterhalten müſſen: er würde einen beſtändigen Krieg und gar keinen Vortheil davon zu erwarten gehabt haben. Soleiman hatte ver muthlich auch eine anſehnliche Summe an die Perſer bezahlen müſſen; denn ſie
hatten ſeine Dattelbäume ziemlich geſchont, da ſie ihm doch einen nicht leicht überwindlichen Schaden hätten zufügen können, wenn ſie ſelbige hätten umhauen laſſen. Nun gaben die Türken vor, es wäre zwar in ihrer Macht geweſen, alles wieder zu erobern was Schech Soleiman ihnen nach und nach abgenommen hätte, ja ſie hätten ihn mit geringer Mühe ganz vertilgen können, wenn ſie ihn zugleich mit Kerim Khän hätten angreiffen wollen; es wäre aber gegen ihre Religion und
gegen die Gaſtfreyheit eines Sunniten, einem Verfolgten nicht Schutz zu geben: Ff 3
ſie
230
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern.
ſie hätten gegen ihren ganz aus ſeinem Lande vertriebenen Nachbarn großmüthig gehandelt, indem ſie ihm erlaubt hätten, mit ſeinen Truppen in einem ihnen ge hörigen Diſtrikte einen Zufluchtsort zu ſuchen. Allein Soleiman hatte nicht Luſt ſeine Truppen ſo bald aus dem Gebiete der Basraner zurück zu ziehen. Er wollte vors erſte noch die Dattelerndte abwarten. Dieß fanden die Türken ſehr unverſchämt. Der Paſcha zu Bagdäd gab Befehl, die Basraner ſollten gleich gegen den treuloſen Araber zu Felde ziehen, und ſein ganzes Gebiet erobern. Der
Mutaſillim hatte, außer ſeine Haustruppen, noch zwey Regimenter Fußvölker (Barátoli und Täffenkſchi.) Allein damit unterſtand er ſich nicht zu Felde zu ziehen. Er ließ noch ein Corps Serdengeſchti anwerben, in welches alle auf genommen wurden, die ſich nur meldeten, ohne ſich darum zu bekümmern, ob
dieſe Leute mit dem Gewehr umzugehen wuſten oder nicht.
Kurz, der Mutaſillim
brachte in der Geſchwindigkeit eine Armee von 4 bis 5 ooo Mann zuſammen, und mit dieſen glaubte er Soleiman angreiffen zu können, der ſich jezt mit 14
bis 18.oo Mann iu dem Diſtrikte Dauaſir, und alſo noch an der Weſtſeite des Schatel arrab aufhielt. (Tab. 4 o.) Bey dem Auszuge aus der Stadt bezeigten alle Truppen einen großen Muth. Sie brauchten aber viele Tage, um nur 1 o bis 12 Meilen zurück zu
legen, und der Mutaſllin ſelbſt blieb mit dem beſten Truppen immer ein paar Stunden zurück. Die Flotte des Capntän Paſcha war auch anſehnlich. Er
ſelbſt beſtieg die Bäſchterde (die gröſte Täkne) und hatte überdieß noch 10 Täkne und eine Galwette (Kalbet.) Dieß ſollten lauter Kriegsſchiffe ſeyn. Viele kleinere Schiffe folgten mit Proviant und Leuten. Die Türken verließen ſich am meiſten auf ein engliſches Kauffardeyſchiff, welches der hieſige Agent, der ein beſſerer Kaufmann als Staatsmann war, zu dieſer Expedition geliehen
hatte; und auf zwey junge Engländer, die zwey Täkne commandiren ſollten. Die Vortruppen lagerten auf dem weſtlichen Ufer des Schat, der nördlichſten Spitze der Inſel Mohärzi gegen über. Ein Theil der Flotte, beywel cher die Engländer waren, ankerte auch hier, und die feindlichen Galwetten
lagen bey der Spitze der erwähnten Inſel. Der Mutaſillim hatte ſein Zelt zwey Stunden näher zu der Stadt aufgeſchlagen, und bey ihm ankerte der Ca pUkam
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern.
231
putan Paſcha. Die Türken legten ſich die erſte Nacht, ſtolz auf ihre große Land- und Seemacht, ganz ruhig zum ſchlafen. Nach Mitternacht aber kamen einige Galwetten des Soleiman mitten unter die Flotte des Caputän Paſcha. Als die Türken von dem Feinde aufgeweckt worden waren, verließen ſie ihre
Schiffe in der gröſten Eilfertigkeit; in Lager des Mutaſllim ward auch alles munter: bevor aber einige Anſtalten zur Vertheidigung gemacht werden konnten,
waren Soleimans Leute ſchon mit 3 erbeuteten Täknen zurück gegangen.
An
dem folgenden Tage ſegelten ſeine Galwetten die türkiſche Flotte vorbey, plün
derten einige Dörfer in der Nähe von Basra, und bemächtigten ſich einiger kleinen Fahrzeuge. Soleiman hatte indeß doch nicht Luſt, den Krieg mit den Basranern lange fortzuſetzen.
Er ſchloß einen Vergleich mit ihnen, nach wel
chem er verſprach eine gewiſſe Summe Geldes zu bezahlen, und hierauf kam die ganze Armee, nach einer Abweſenheit von 18 bis 2 o Tagen, wieder nach Basra
zurück.
Alle Serdengeſchti wurden gleich verabſchiedet. Nach der Politik des engliſchen Agenten konnte Schech Soleiman es ſei
uer Nation gar nicht übel nehmen, daß er den Basranern ein Schiff geliehen, und auch Leute hergegeben hatte, um einige ihrer kleinen Schiffe zu eommandi ren. Soleiman dagegen dachte, er wäre ſowohl von den Engländern als Tür ken angegriffen, oder wenigſtens gedroht worden. Mit letztern hätte er Frieden geſchloſſen, aber nicht mit den Engländern, welche es verſäumt hatten ihrer in dem Vergleich erwähnen zu laſſen: es wäre ihm daher erlaubt ſich zu rä
chen, wenn er eine Gelegenheit darzu finden könnte.
Der Agent ſchickte ſein
kleines Jagtſchiff nach Charedſch und Abuſchähhr, und Soleiman ließ es ſeine Reiſe diesmal ruhig fortſetzen. In der Mitte des Julius kam ein Schiff von
Madras in den Schät, und war ſchon nicht weit mehr von Basra.
Der Steuer
mann, welcher des Nachts die Wache hatte, ſah verſchiedene kleine Schiffe den Strom herunter kommen, es fiel ihm aber gar nicht ein, daß dieß Feinde wären. Soleimans Leute, welche ſahen, daß die Engländer gar nicht vorbereitet waren,
ſprangen mit großem Geſchrey gleich ins Schiff, und bemächtiten ſich deſſelben
faſt noch eher als der Schiffer aus der Cajüte kommen konnte. *). Das große engliſche *) Nur die Officiers waren Europäer, die Matroſen lauter Indier
232
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern.
engliſche Schiff, welches das Jagtſchiff von Charedſch mitgenommeo hatte, (S. 1 94) war nun auch in der Mündung des Fluſſes angekommen. Schech Soleimans Leute, welche das eroberte Schiff aus dem weſtlichen Arm des Fluſſes nach dem öſtlichen, und zu ihrem Hafen Gobän bringen wollten, begegneten an dem fol genden Tage zuerſt dem Jagtſchiffe, welches voraus geſegelt war, weil es glaub te hier nichts befürchten zu dürfen. Dieß ward auch überrumpelt und mitgenom men. Als der dritte Schiffer die zwey engliſchen Fahrzeuge mit vielen Galwet ten zurück kommen ſah, vermuthete er gleich, daß ſie genommen wären, und wollte wieder nach dem perſiſchen Meerbuſen zurück ſegeln, weil er ſein großes Schiff daſelbſt beſſer regieren konnte, als auf dem Fluß. Er gerieth aber auf die Bank, welche vor der Mündung liegt. Die Araber warteten, bis das
Waſſer ſo weit abgeloffen war, daß das Schiff ſich auf die Seite legte, wodurch alle Canonen unbrauchbar wurden. Nun ſprangen ſie an Bord und mach ten die Beſatzung zu Gefangene, und bey der nächſten Fluth brachten ſie alle
Schiffe nach e-Lº Gobän.
Dieſen Streich hatte der Agent der Engländer
von Soleiman nicht erwartet. Er correſpondirte lange wegen der Zurückgabe der Schiffe, und endlich ward ein Vergleich getroffen, den aber Soleiman
nicht eher erfüllen wollte, als bis er von der Regierung zu Bombay wäre ge nehmigt worden. Indeß ſchickte er alle Schiffer und Steuerleute, etwa 3 Wochen nachher als ſie gefangen genommen worden, nach Basra, und bald darauf kamen auch alle Matroſen an.
Dieſe Engländer erzählten verſchiedene Hiſtörchen, welche von der Unwiſ ſenheit der Araber mit den Sitten und Gebräuchen der Europäer zeugen, und unter andern auch folgendes. Ein Officier des Soleiman bemerkte es, daß ein Schiffer nach ſeiner Uhr ſah. Er verlangte das Ding zu ſehen, und als er
hörte, daß ſich darin etwas bewegte, ſteckte er es geſchwind in einen Eimer voll
Waſſer, um das Thier zu erſauffen.
Als die Uhr demohngeachtet noch ging,
ſchlug er ſie auf den Boden. Dadurch ſprang das äußere Gehäuſe ab, die Kette fing an, auf einmal abzulauffen, und über alles dieß ward der Araber ſo erſchrocken, daß er die Uhr geſchwind über Bord warff. An
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern.
233
Am 24ſten Auguſt des Nachmittags ſahen wir 8 Galwetten des Schechs Soleiman den Fluß hinauf ſegeln.
Die ganze Stadt kam darüber in Bewe
gung. Weil der Mutaſillim fürchtete, die Araber möchten die Täknes vor dem Hauſe des Caputän Paſcha wegführen, oder gar in der Stadt ſelbſt landen, ſo begab er ſich mit allen ſeinen Truppen in der folgenden Nacht nach Menaui, wie ungern dieſe Leute auch ſonſt ihre Ruhe verſäumen. An dem folgenden Tage hörten wir, daß Soleimans Leute ein paar ſchlechte Dörfer des Schechs von dem
Stamme Montefik SWX-9 geplündert und angezündet hätten.
Dieſe Araber
wohnen zwiſchen Basra und Ardſje; ſie haben bisweilen die Stadt belagert, ja ſie gar unter Waſſer geſetzt. Jezt aber bezahlten ſie Tribut an den Paſcha zu
Bagdád, und lebten alſo mit den Basranern in Frieden.
Abdillah, der jezt
regierende Schech des Stammes, ſtellte ſich, als wäre er durch das Betragen des Soleiman ſo aufgebracht worden, daß er gleich in ſein Land fallen wollte. Er
ließ den Mutaſllim durch einen ſeiner nächſten Anverwandten zu dieſem Feldzuge einladen: und ehe er noch die Antwort des türkiſchen Gouverneurs erhielt, ſah
man ſchon einen Theil ſeiner Armee der Stadt vorbey ziehen.
Aber welch eine
Armee! Einige Araber gingen mit Weib und Kind in Kähnen den Fluß hin unter, andere zogen mit ledigen Kameelen der Stadt vorbey, alle hatten ledige
Säcke bey ſich und gingen gerade nach den Dattelgärten, welche auf der ſüdlichen Grenze des Gebietes der Stadt Basra liegen. Soleiman kam mit ſeinen Gal wetten und andern kleinen Fahrzeugen wiederum bis nahe zu der Stadt, und der Mutaſillim begab ſich abermal mit ſeinen Truppen nach Menaui. Es war aber Soleimans Abſicht nicht, irgendwo zu landen, wo er Widerſtand vermuthen
konnte. Er fing auf den Dörfern dicht bey der Stadt an, Datteln zu erndten, und ging mit dieſer Arbeit immer weiter nach Süden; die Araber des Stammes
Montefik dagegen erndteten von Süden nach Norden, und beyde auf dem Gebiete der Stadt Basra. Am 1oten October gingen die Araber des Stammes Káab, und in den beyden folgenden Tagen begaben ſich die von dem Stamme Montefik
wieder nach Hauſe, und nun konnten die Basraner Nachleſe von den Datteln halten, die ihre Nachbarn übrig gelaſſen hatten. Man ſah es ſehr deutlich, daß beyde Schechs, Abdilla und Soleiman es verabredet hatten, die Datteln der II. Theil. Gg türkiſchen
234
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern.
türkiſchen Unterthanen abzuholen. Indeß wollten die Araber des Stammes Montefik als Freunde der Basraner angeſehen ſeyn. Es kamen täglich Leute in die Stadt, welche vieles von den Scharmützeln redeten, die ſie mit den Káabs gehabt hätten, um ſie von der Plünderung der Dattelgärten abzuhalten.
Schech Abdillah ſchickte einmal ſogar zwey Köpfe an den Mutaſillim, die vorher als Siegeszeichen in den Marktſtraßen herumgetragen wurden. Die Einwohner der Stadt durften ſich kaum merken laſſen, was ſie von dieſem Kriege dachten. Sie waren der Meynung, die Araber hätten ſolchen Bauern, die von Krankheit ge
ſtorben waren, oder die ihre Gärten nicht hatten plündern laſſen wollen, die Köpfe abgehauen. Die türkiſche Regierung bezeigte ſich unterdeß über den guten Fortgang ſehr zufrieden; denn eigentlich fürchtete ſie, die Montefiks möchten gar die Stadt von der einen und die Käabs ſelbige von der andern Seite angreiffen. End
lich gerieth ein Araber des Stammes Montefik mit einem Soldaten des Muta ſillim in einen Streit, und ſchlug ihn.
Dieſe Beſchimpfung konnten ſie inner
halb ihrer eigenen Stadtmauer doch nicht ertragen.
Es verſammlete ſich eine
große Menge Barátoli, Täffenkſchi und Janitſcharen, und die Araber wel che nun nicht eilten, um bald aus der Stadt zu kommen, wurden rechtſchaffen geprügelt.
Die Europäer welche nach Basra Handlung treiben, bezahlen von allen Waaren die ſie aus Indien dahin bringen 3 pro Cent Zoll; alle morgenländiſche Nationen aber müſſen 7 pro Cent erlegen: und da letztere ihre Waaren von den Zollbedienten ſchätzen laſſen müſſen, ſo ſteigt dieſe Abgabe oft noch höher. Die Regierung verlor alſo dadurch, daß die beyden indiſchen Schiffe nicht angekom men waren, ſehr anſehnlich, und verſuchte deswegen alles, um Soleiman da hin zu bringen, daß er die Schiffe wieder ausliefern ſollte. Ein vornehmer Seiid zu Bagdäd, der erſt vor einigen Monaten 6oo Ducaten von Soleiman
erhalten hatte, um eine gewiſſe Sache bey dem Paſcha abzumachen, erbot ſich als Geſandter an ſeinen Freund abzugehen. Er kam in der Mitte des Octobers zu Basra an, und ſetzte ſeine Reiſe gleich weiter nach Gobän fort. Soleiman aber wollte ihn jezt nicht kennen. Wenn der Seiid ihm die Dienſte vorhielt, die theils
er ſelbſt, theils der Paſcha ihm erwieſen hätte, ſo rechnete er die Summen auf, die (E
Krieg zwiſchen den Basranern und Arabern. er davor bezahlt hätte.
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Den koſtbaren türkiſchen Pelz, den der Paſcha ihm
als ein Merkzeichen ſeiner Gnade ſandte, wollte er gar nicht annehmen. Er verſicherte, ein grober Abba kleidete einem arabiſchen Schech weit beſſer, als eine ſolche türkiſche Liberey, vornemlich wenn ſie von einem Mann käme, der eben ſowohl ein Bedienter des Sultans wäre, als er ſelbſt. Kurz, der Seiidward ſo empfangen, daß er froh war ſeinen Bart zu behalten, und ohne Prügel wieder nach Basra zurück kommen zu können. Am 26ſten October kam ein anderer
Geſandter des Paſcha an, der mehr zu bedeuten hatte. Dieß war Abdallah Beg, ein Araber von vornehmer Geburt, der im Dienſte des Paſcha von Bag däd ſtand, und bey allen Arabern ſehr beliebt war.
Dieſer ſchickte gleich einen
Bothen nach Gobän ab, um Schech Soleiman ſeine Ankunft wiſſen zu laſſen. Am 28ſten reiſte er ſelbſt in Geſellſchaft des Schechs Derwiſch ab, welcher einer der vornehmſten Ajäls zu Basra war. Dieſe beyden wurden mit aller Achtung empfangen, aber mit lauter Complimenten hingehalten.
Weil der
Paſcha dem Soleiman die Ehre erzeigt hatte, zwey ſo vornehme Bediente an ihn zu ſchicken, ſo ſandte er wiederum ſeinen vornehmſten Rathgeber mit ihnen
nach Bagdäd, und gab ihnen Hofnung, daß dieſer ſich mit ihrem Herrn in einen Vergleich einlaſſen ſollte.
Welche Erniedrigung für einen Paſcha,
der über ein Land regiert, das größer iſt, als manches Königreich in Europa! So ſchwach aber iſt die türkiſche Regierung in den abgelegenen Provinzen. Basra war in dieſem Jahre ſehr unglücklich. Hier pflegen im Herbſt
bey 5 o Tränkis aus verſchiedenen Hafen von Omän anzukommen, die alle mit Caffebohnen von Mochha und Hodeida beladen ſind. Die erſten, welche an kamen, muſten einen guten Zoll an Schech Soleiman bezahlen, wenn ſie ihre Reiſe nach Basra fortſetzen wollten, und bey ihrer Rückreiſe muſten ſie ihm Datteln abkauffen. Als zu Maſkät die Nachricht von den Unruhen im Schat el arrab einlief, ward der übrige Caffe daſelbſt aus den kleinen Schiffen in ein
Kriegsſchiff des Imäms geladen. Dieß kam zwar gegen Ende des Octobers zu Abuſchähhr an, es unterſtand ſich aber nicht, die Reiſe fortzuſetzen. In dem folgenden Jahre hörte ich, daß dieß Schiff ſeine ganze Ladung zu Charedſch in ein Magazin gelegt habe, und daß ſelbige mit der ganzen Inſel Mir Mahenna in Gg 2
die
Verſchiedene Wege durch die Wüſte.
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die Hände gefallen ſey.
Ob Soleiman nachher von den aufgebrachten Schiffen
etwas an die Engländer zurück gegeben habe, davon habe ich keine zuverläſſige Nachrichten erhalten.
Der kürzeſte Weg von Basra nach Haleb iſt der durch die Wüſte.
Auf
dieſem Wege aber findet man ſo viele Stämme Araber, wovon jeder glaubt in ſeinem Gebiete unabhängig zu ſeyn, und von den Reiſenden ein Geſchenk fo dern zu können, daß Niemand ſelbigen wählt, wenn er nicht Gelegenheit hat, mit
einer großen Karwane gehen zu können. Zu meiner Zeit war die Handlung zu Basra ſo ſchlecht, daß ſich hier nicht einmal ſo viele Kaufleute verſammleten, daß ſie eine hinlänglich ſtarke Karwane hätten ausmachen können, und ich war alſo ge nöthigt einen andern Weg zu nehmen. Da ich aber Gelegenheit hatte, mit einem Bedouinen bekannt zu werden, der die Reiſe durch die Wüſte zwiſchen Basra
und Haleb mehr als zwanzigmal gemacht hatte, ſo will ich meinen Leſern die Reiſerouten mittheilen, die ich von ihm erhalten habe, und die durch einen Kaufmann noch mit einigen Namen vermehrt worden iſt.
Der gewöhnliche Weg geht über Aº- Zobeier, so-A5= Kowäbde, sX- Chaneke, - a) Koſär, ein verfallenes Caſtell.
sAL. Schäkra,
Wadi abul m'ris, 0 99 - 9 S Aijün Säd, Um Grän ein Birket oder Teich, der auf Koſten einer Gemahlinn eines Khalifs ausgegraben worden.
„s/Las!! Ghadäri, Dſürtemi, AU Gaim oder «WX El äldtle. Ra häme, in der Nähe von Meſched ali. ssUK-Ä-JJ El tuktegäne oder s»-U El heiadte, Elhöſſtän, -aS-X Elchäder, das alte Caſtell deſſen unten auf der S. 225 erwähnt worden. - *) U-/ Räselain, 04.5 Tamäl.
*-W El Kobäſe, ex-sºs uket Haurän, Cº-+-ºs Tagab eldſamüs, As-
El manäi, säA
Rotge, E-M-JJ Elburdän,
Ruchba, ein altes Caſtell am Euphrat. *S ->> Dſübgannem, Cé Elhamd, Dſäbbel Buſchir. *ös). El äddeme, s«aJJ Taiebe, ein Berg.
Ein Dorf dieſes Namens iſt vor 2 o bis 3o Jahren gänzlich zerſtört
worden. Kuſſur el choen ſind zwey alte Schlöſſer in dieſer Gegend. »Sº Léº Käaabu el fäd, eL-AL - Ans erröthe, Fº/Lºe Saharidſch, MUR
,
von Basra nach Haleb. an dem Berge - Ä Schöbed.
237
In dieſer Gegend iſt auch ein Berg Lahas.
«Wä> Hökle, / «es Ain Sefire oder aindähhab. --a-Haleb. *) Wenn der vorige Weg unſicher iſt, ſo nehmen die Karwanen folgenden der höher auf in der Wüſte liegt, und auf welchem ſie bisweilen Waſſer für 4 bis 5 Tage
mit ſich führen müſſen.
Von Basra nach Zobeier, Kowäbde, Schäkra,
Chaneke, Elkoſär, e. L. Salmän, GX El ädtle, „s/as Ktert, «„so«JJ Elbiddi, s/+* Hödſiere oder Ä5-* Mhävis, „sº Elghara. «-yºe Souäb, 2,- a) Saraim, * =-a! Suchne, 205/s Bir Kdäm,
C-Lºy Abu elfad, e-Hamam, Cae-Y0-Däbbel elahas, Hökle, Sfire, Haleb. Von Bagdad nach Haleb gehen die Karwanen über -*2Äs Aker Küf,
L-3) El häs, sº Jº Feludsje, sa>> Elwahale, U- A- Um er
rüs, Sº 9x- Senädidſch, – sº Het, ein Dorf. «-3/X exS Ain el arneb.
A**- Elmaimire,
Uklet Haurän und von hier weiter auf dem Wege
von Basra nach Haleb. Wenn zwiſchen den verſchiedenen arabiſchen Stämmen, oder zwiſchen die ſen und den türkiſchen Paſchäs kein Krieg iſt; wenn der Karwänbaſchi ein recht ſchaffener Mann iſt, und wenn der Reiſende die Landesſprache verſteht, und
ſchon gewohnt iſt nach morgenländiſcher Manier zu leben; ſo iſt die Reiſe durch die Wüſte weder unangenehm noch gefährlich. Selten aber trift alles dieß zu ſammen. Aus dem vorhergehenden hat der Leſer ſchon geſehen, wie geſchwind in dieſen Ländern bisweilen Krieg angefangen, und wieder geendigt wird. Bey der Abreiſe aus einer Stadt glaubt man bisweilen, daß man auf ſeiner ganzen Gg 3 Reiſe *) Dieſen Weg findet man auf der Charte eines Herrn Carmtſchal, welche dem zweyten Theiſ von Ives Reiſen beygefügt iſt. Nur ſteht daſelbſt Iſſabeer (anſkatt Zobeier) QYuibda
(Kowäbde). Schagara (Schäkra). Canaga (Chan fe). Battan Cuſſora (Battan Koſär). Abd murris (Abul n'ris). Gersme (Dſjürtemi). Ruckina (Rahame). Tickdegana (Etuktegane). AlFader (Elchäder). Ainil Raſalin (Raselain). Tann
mel (Tamäl). Cabaſſe (Kobäſe). Oglet Haran (Uklet Hauran)- Cocab jamus (Tagab Dſamus). U17oneaval (Elmanai). Jubilgarein (Dſübgannem). Geboul
Buſhir (Dſäbbel Buſchir). Lahauz (Lahas)- Zagla (Höfla)- Indahab (Ain dahhab.
238
Verſchiedene Wege durch die Wüſte.
Reiſe nichts zu fürchten haben werde, und mitten auf dem Wege trift man oft Feinde an, die entweder mit ihren benachbarten Schechs oder den türkiſchen Paſchäs unzufrieden ſind; und dann könnmt es immer darauf an, wie der Karwanbäſchi ſich mit den Arabern wegen des freyen Durchzugsvergleichen könne. Am aller
ſicherſten reiſet man mit den Arabern von Beni Chaled, die jährlich eine große Anzahl Kameele nach Haleb zum Verkauf bringen, und auf ihrem Wege der Stadt Basra in der Nähe vorbey kommen. Mit einer Karwäne Kaufleute, die
von einem Ajäl der Stadt Basra angeführt wird, der ſelbſt ein Kaufmann iſt, hat man auch nicht viel zu fürchten; denn ihm ſelbſt iſt an der Erhaltung der Karwäne und ſeines guten Rufs zu viel gelegen, als daß er die Reiſende nicht ſchützen ſollte.
Er iſt von Jugend aufgereiſt, und kennt alle vornehme Schechs perſönlich, wel ches zur Sicherheit der Reiſenden ſehr viel beyträgt. Am koſtbarſten und ge fährlichſten iſt es für einen Reiſenden, wenn die Karwäne von einem Türken an
geführt wird, und dieß iſt gemeiniglich der Fall mit den Karwanen, die von Bag däd nach Damáſk und Mekke reiſen. Bey dieſen verkauft der Paſcha das Amt ei nes Karwanbaſchi bisweilen an den Meiſtbietenden. Z. E. in dieſem Jahre ver ſprach einer 4ooo Ducaten zu bezahlen, wenn er die Karwäne der perſiſchen Pilgrimme, welche zu einer gewiſſen Jahrszeit von Bagdäd nach Damáſk abrei ſen, und womit gemeiniglich auch viele Sunniten und Chriſten gehen, anführen durfte. Drey Wochen nachher kam ein anderer, der 6ooo Ducaten bot, und dieſer erhielt den Vorzug. Ein ſolcher Mann muß dann viele Soldaten anwer ben, er muß an alle Stämme Araber, die er unterweges antrift, große Ge ſchenke geben: und nicht nur dieß alles muß die Karwäne bezahlen, ſondern er will auch noch eine große Summe bey dieſer Reiſe gewinnen. Solche Karwan baſchis ſollen bisweilen mit den Arabern Abrede genommen haben, die Karwane
in einer gewiſſen Gegend anzugreiffen, und zu plündern.
Überhaupt haben alte
und erfahrne Kaufleute mich verſichern wollen, daß die türkiſchen Anführer ge meiniglich ſelbſt Schuld daran wären, wenn die großen Karwänen von den Arabern
geplündert würden, wie auch davon in der Beſchreibung von Arabien S. 382 ſchon Beyſpiele angeführt worden ſind. Einer, der mit einer ſolchen Kar wane gereiſt war, erzählte, daß alle Kaufleute für ihre Ladungen, und andere Reiſende -
von Basra nach Haleb.
239
Reiſende für ihre Perſonen eine gewiſſe Summe vor ihrer Abreiſe hätten bezah len müſſen, wogegen der Karwanbaſchi verſprochen hätte, ſie, ohne etwas weiter zu verlangen, ſicher bis an den Ort ihrer Beſtimmung zu begleiten. Wenn ſie einige Araber in der Ferne ſahen, ſo ritt der Karwanbaſchi ihnen mit einigen von ſeinen Leuten entgegen. Die Karwane muſte unterdeß Halte machen, und Niemand durfte auf die Araber ſchießen, und wenn ſie auch dicht zu der
Karwane kamen, und droheten ſie zu plündern.
Die Unterhandlungen zwiſchen
dem Karwanbaſchi und dem Schech dauerten oft ſehr lange. Bald wollte der eine, bald der andere zurück reiten, und die Waffen ergreiffen; bald ward der Karwanbaſchi von den Arabern inſultirt. Endlich ward der Vergleich getroffen, und der Anführer der Karwane wuſte ſo Rechnung zu machen, daß jeder Rei ſender wenigſtens noch einmal ſo viel bezahlen muſte, als bey dem Anfang der Reiſe verlangt worden war. Den Schiiten beſonders wird die Reiſe durch die
arabiſche Wüſte ſehr beſchwerlich; denn dieſe müſſen an den Karwanbäſchi nicht nur vielmehr bezahlen als die Sunniten, ſondern werden überdieß oft noch als Ketzer gemishandelt. Einige Reiſebeſchreiber haben der Taubenpoſt erwähnt, die in den ältern
Zeiten in den Morgenländern gebräuchlich geweſen iſt. *) Man findet derglei chen noch jezt in verſchiedenen Städten. Man muß ſich aber nicht einbilden, daß man dieſe Tauben, ſo wie andere Bothen, nach verſchiedenen Gegenden ſchicken könne; ſondern weil man hier keine Poſt kennt, die zur beſtimmten Zeit von einer Stadt nach der andern abgeht, ſo haben einige Kaufleute ſolche Tauben abgerichtet,
um ihrer Familie von einer glücklich zurückgelegten Reiſe bald Nachricht geben zu können. Ich traf zu Basra einen Kaufmann von Bagdäd an, der ſich dieſer Tauben
poſt bey jeder Reiſe zu bedienen pflegte. Die Taube war in ſeinem eigenem Hauſe er zogen, und angewöhnt worden, auf einer gewiſſen Stelle ihr Futter zu erhalten.
übrigens konnte ſie frey herum fliegen, und die umherliegende Gegend kennen lernen.
Auf der erſten Reiſe hatte er ſie bis Helle, auf der zweyten bis Lem
lum, auf der dritten bis Ardsje, und zuletzt bis Basra mitgenommen, und ſie mit
*) Voyages de Pietro della Valle Tom. I. P. 284. Gabriel Siomita in Anhang zu der Geogr. Nub. P. 29.
24O
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
mit einem kleinen Zettel fliegen laſſen, worauf ſie dann gerade nach Hauſe
zurück gegangen war.
Die Tauben welche Junge zu Hauſe verlaſſen haben,
gehen am allerſicherſten. Man wollte verſichern, daß man die beſten Tauben, welche zu dieſer Art Poſt gebraucht werden, zu Bagdad finde, und daß ſie von einer beſondern Art ſind. Ich zweifle aber nicht, daß die europäiſchen eben ſo gut abgerichtet werden könnten, wenn einer ſich deswegen Mühe geben wollte: und man hat mich verſichern wollen, daß auch ein Italiäner ſich derſelben bedient habe, um eher als ſeine Mitbürger zu erfahren, welche Nummern in der Zahlen
Lotterie gezogen worden.
Übrigens brauchen wir derſelben nicht ſo nothwendig,
da wir überall ziemlich geſchwind und mit wenigen Koſten Briefe abſenden können.
Alexander Hamilton ſagt: *) man finde in der Gegend von Basra ſchwar ze und weiſſe Krähen, wovon erſtere ſich an der Weſt- und letztere ſich an der Oſt
ſeite des Euphrats aufhalten, und wenn die eine Parthey nach der andern Seite des Fluſſes komme, ſo werde ſie von da von der andern Parthey zurück ge trieben. Dieſer Reiſende ſcheint oft ſehr leichtgläubig geweſen zu ſeyn. Ich habe hier ſowohl ganz ſchwarze, als graue Krähen oder Raben mit einem ſchwar zen Kopf, Schwanz und Flügeln geſehen, aber bald an der einen, bald an der andern Seite des Fluſſes, und oft zwiſchen einander. Kein Araber hatte auch
jemals gehört, daß dieſe ſchwarzen und weiſſen Krähen den Euphrat zur Grenze hätten. =-------- M.
A
NYS Ad-- -A-L A.
SN:
Reiſe von Basra nach Lemlum, Meſched Ali, Meſched Höſſein, Helle und Bagdad. 1 765.
V.
Basra nach Bagdad ſind zwey Wege, nemlich: der auf dem Tiger
Nov. (ar. Didſele), und der auf dem Euphrat. Erſterer iſt wegen der vielen und 'TT großen Krümmungen des Fluſſes ſo langwierig, daß die Reiſenden ſich deſſelben kaum bedienen wenn ſie von Bagdad nach Basra wollen, und alſo mit dem Strom
*) A new account of the Eaſt Indies Vol. I. p. 78.
Reiſe von Basra nach Lemlüm. Strom gehen können.
24I
Der Euphrat hat dagegen nicht ſo viele Krümmungen. 1765.
Man reiſet auf demſelben auch nur bis Helle, und von hier zu Lande gerade nach Nov. Bagdád, welches den Weg ſehr abkürzt.
Auf dem Euphrat iſt gar eine Art TT“
Poſt (Menſil) angelegt. Wenn ein Reiſender ſich in einem ganz kleinen Fahrzeuge behelfen will, ſo kann er auf Vorzeigung eines Bojurüldi (Paſſes von der Re gierung) und gegen eine billige Bezahlung auf gewiſſen Stationen Leute bekom men die ſein Boot ziehen müſſen, und mit dieſen kann er Helle in 8 bis 1 o Ta gen erreichen. Allein darzu gehört im Winter eine ſtarke Geſundheit: und weil man auf dieſem Wege viele Räuber antrift, ſo wählt Niemand gern dieſe Poſt, als nur Leute von der Regierung, an welche die Araber ſich nicht leicht wagen dürfen, und überhaupt ſolche, deren Reiſe keinen Aufſchub leidet, und die nicht mehr mit ſich nehmen, als ſie nothwendig auf der Reiſe brauchen. -
Ich wartete bis ich ein kleines Schiff fand das nach Helle beladen war, und miethete auf demſelben die Cajüte; eine kleine nach vorne zu ofne Kammer vor derſelben nahm ich für meinen Bedienten.
-
Als ich an Bord kam fand ich in lezterer einen tödlich kranken Officier der Janitſcharen der auch nach Helle wollte.
Dieſer war nun freylich ein ſehr un
angenehmer Reiſegeſellſchafter, vornemlich da ich nicht wuſte, welche Art Krank heit der Menſch hatte. Allein der Schiffer hatte die Bezahlung von mir voraus genommen. Mein Bedienter, ein Mohammedaner von Basra, ließ ſich überreden daß er ſeinen Platz überlaſſen, und ſelbſt auf dem Verdeck bleiben wollte; und um nicht weniger barmherzig gegen einen Elenden zu ſeyn als die Mohamme
daner, die mich verabſcheut haben würden, wenn ich den Kranken hätte vertrei ben wollen, ſo war auch ich damit zufrieden, und überließ mich dem was die Vorſicht über mich beſchloſſen hätte.
In Anſehung meines kranken Nachbars war mir dieſe Reiſe freylich ſehr unangenehm. Sonſt hatte ich, der ich ſchon gewohnt war unter Arabern zu le ben, keine Urſache mit meinem Entſchluß, dieſe Schifsgelegenheit erwählt zu
haben, misvergnügt zu ſeyn. *)
Wir brauchten zwar von Basra bis Lemlüm, WO
*) Wer eine Nachricht von allerhaud Verdrieslichkeiten leſen will, die ein Europäer in die II. Theil. Hh ſen
242
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
1765. wo ich das Schiff verließ, 2 1 Tage, nemlich vom 28ſten November bis den Nov. 19ten December, und hatten alſo eine ſehr lange Reiſe. Dieß aber gab mir "TT"Gelegenheit verſchiedene aſtronomiſche Beobachtungen zu machen, wobey meine Reiſegefährten oft ſo dienſtfertig waren, daß ſie ſich mit ihren langen Kleidern
um mich herum ſtellten um den Wind abzuhalten, wenn ich meinen Quadranten am Ufer aufſtellte. Ich erhielt die Polhöhe nem Wege. Nemlich:
von verſchiedenen Ortern auf me
Zu Basra, wie im vorhergehenden bemerkt worden 3o“.3o. Am 1ſten December dicht bey Manſurie Am 2ten zu Abada Am 4ten zu Kud
s-
-
Am 6ten zu Ardſje
–
–
Am 12ten zu Graim – Am 16ten bey Seunatte
–
-
-
-
Am 18ten in einer Gegend die man Abu harük nennt Am 19ten bey Lemlüm und nachher zu Helle
--
3o“. 5 2 . 3 o. 5 5 . 3 o. 58. 39 59 . . 31. 17 . 31“. 19 . 31. 28. 31. 43 -
2. 28 . Weil der Euphrat nicht gerade von Norden nach Süden, ſondern in die ſer Gegend mehr von Weſten nach Oſten läuft, ſo iſt es ſchwer die Länge des -
Weges auf demſelben zu beſtimmen, vornemlich wenn man gegen den Strom reiſet, wo man bald von der Fluth vorwärts, bald von der Ebbe oder vom Ge
genwinde zurück gehalten wird.*)
Zudem muſten wir das Schif oft ziehen laſſen; Und
ſen Gegenden zu erwarten hat, der kann nur den zweyten Theit von Jves Reiſen nach Indien und Perſien nachſehen. Es hat mir auf dieſer Reiſe auch nicht an Verdrieslichkeiten und allerhand Beſchwerlichkeiten gefehlt. Aber ſehr vielen von der Art, welche Herr Jves anführt, konnte ich ausweichen, da ich ſchon gewohnt war, unter Mohammedanern zu reiſeu
") Auf dem Euphrat findet man Ebbe und Fluth bis Ardſfe, d. - 14 deutſche Meilen oberhalb Korne, und etwa 28 bis 30 Meilen von dem perſiſchen Meerbuſen. Auf dem Tiger aber iſt Ebbe und Fluth nicht weiter merklich als bis Oeſer, ein Dorf
das ſeinen Namen von Eſa erhalten hat, deſſen Begräbniß hier bis auf den heutigen Tag noch fleiſſig von Juden beſucht wird.
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
243
und weil das Waſſer jezt ſehr niedrig war, ſo geriethen wir oft auf den Grund. 1765. Dann muſten die armen Matroſen ins Waſſer, und bisweilen lange arbeiten Dec.
um das Schiff wieder in den Strom zu bringen.
An einer Stelle in dem Ge- TT“
biete des Stammes Beni Hächkem hatten die Einwohner einen Damm in den Euphrat geworffen, um das Waſſer zu ihrer Saat zurück zu halten. Hier war in der Mitte nur eine ſchmale Durchfahrt, und der Strom ſo ſtark, daß wir faſt einen halben Tag brauchten, um unſer Schiff dadurch zu ziehen. Ich habe die Länge unſers Weges nicht genauer beſtimmen können, als nach den Stationen der Leute welche die Poſtboote ziehen.
Dieſe rechnen: von Basra bis Korne
12, von Korne bis Manſurie 7, von Manſurie bis Kud 12, von Kud nach Ardſje 2, von Ardſje bis Semaue 14, von Semaue bis Lemlüm 18, von Lemlüm bis Diwanie 7, und von Diwanie bis Helle 14 Adäk, d. i. Ruhe plätze, wo die eine Hälfte der Arbeiter die andere Hälfte abzulöſen pflegt. Nach meinen Anmerkungen kann jede Station auf 2 bis 3 Minuten, d. i. ungefehr # einer dentſchen Meile gerechnet werden. Hiernach und nach den beobachteten
Polhöhen habe ich die Reiſecharten Tab. XL. und XLI. entworffen, auf welchen der Leſer den ganzen Lauf des Euphrats, von Helle an bis in den perſiſchen Meer buſen, gleichſam mit einem Blick überſehen kann. Zwiſchen Basra und Bagdäd trift man verſchiedene Stämme Araber an, die alle Tribut an den Paſcha bezahlen müſſen. Der nächſte iſt der Stamm
Montefik, deſſen im vorhergehenden, und auch ſchon in der Beſchreibung von Arabien S. 386 erwähnt worden.
Faſt alle Dörfer und kleine Städte an der
Weſtſeite des Schatel arrab und des Euphrats, von Basra an bis Ardſe, in gleichen an der Oſtſeite dieſes Fluſſes von Korne an eben ſo weit nach Norden,
gehören ihm.
Er reſidirt einige Monate zu Nähhr Antar, zieht aber auch einen
großen Theil des Jahrs mit ſeinen Heerden in der Wüſte herum, wo er dann, wie andere Bedouinen, unter Zelten lebt.
Er hat den Weg auf dem Euphrat
und in der Wüſte oft ſehr unſicher gemacht, ja bisweilen Basra belagert: und wenn der Paſcha von Bagdad Truppen gegen ihn ſendet, ſo zieht er, ſobald er Nachricht davon erhält, tief in die Wüſte, wohin die Türken ihn nicht folgen können. Bey Menſchengedenken iſt er niemals ſo gezüchtigt worden, als von Hh 2
Soleiman
244
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
1765. Soleiman Kichja, der nachher ſelbſt Paſcha von Bagdäd ward. Dec.
Dieſer
und ſein Schwiegervater, der berühmte Achmed Paſcha pflegten gegen die Ara
"TT"ber gleichſam auf die Jagd zu gehen, d. i. ſie plötzlich zu überfallen. Man reiſte daher in dieſer Gegend niemals mit größerer Sicherheit als unter ihrer Regierung.
Achmed Paſcha bekam einmal Schech Sähdün, einen Bruder des jezt regie renden Schechs Abdilla gefangen, ſchickte ihn aber großmüthig mit der War nung zurück, daß er künftig ſeinen Stamm beſſer in Ordnung halten, und ſei nen Tribut ordentlich bezahlen ſollte.
Bald nachher empörte er ſich aufs neue.
Achmed ſchickte nun ſeinen Schwiegerſohn Soleiman Kicha gegen ihn, der ihn auch mit einer kleinen Anzahl Leute bald überrumpelte, und ihn abermal gefan
gen nahm.
Die Araber beſingen noch jezt die Tapferkeit welche ihr Schech bey
dieſer Gelegenheit zeigte: wie er ſich nemlich mit ſeiner Lanze, nachher mit ſei
nem Säbel, dann mit dem Dabüs (einem Streithammer den die Morgenländer auf dem Sattel zu führen pflegen) und zuletzt noch gar mit den Steigbügeln und dem Zaum ſeines Pferdes vertheidigt habe, aber alles umſonſt.
Soleiman
hatte Befehl den Sáhdün als einen Gefangenen mit nach Bagdad zurück zu brin
gen.
Als Sieger aber verlangte er eine gewiſſe Ehrenbezeigung von dem über
wundenen.
verſtehen.
Darzu wollte der ſtolze und in der Freyheit geborne Araber ſich nicht
Er rechnete ſeine vielen Ahnen auf, und fragte den Kichja, wie
er, der nicht einmal ſeinen Vater kennte, (er war ein Georgier, und in ſeiner Jugend als Sclav verkauft worden) dergleichen Erniedrigungen von einem edlen Araber fodern könnte? Dieß brachte Soleiman dergeſtalt in Eifer, daß er dem Schech gleich den Kopf abſchlagen ließ, und ihn als ein Zeichen ſeines Sieges an den Paſcha ſandte. Die übrigen Schechs hielten es nun für rathſam ſich zu unterwerffen. An einem Tage kamen 15 bis 18 von den vornehmſten dieſes Stammes, in der Meynung daß ſie mit dem Paſcha ausgeſöhnt wären. Solei man aber dachte, er könnte nicht leicht wieder ſo viele Schechs beyſammen be
kommen, und ließ auch ihnen allen die Köpfe abſchlagen. *)
Dadurch iſt der Stamm
-
*) Er war nachher eben ſo treulos gegen die Jeſidier auf dem Berge Sindſjär. Er überredete. die vornehmſten Schechs von dem Gebürge zu kommen, und Vergebung wegen ihrer Plünderung
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
245
Stamm Montefik ſo geſchwächt worden, daß er ſich bis jezt noch nicht wieder 1765. unterſtanden hat ſich zu empören. Achmed Paſcha, der die perſönliche Tapfer- Dec.
keit auch bey ſeinen Feinden hoch ſchäzte, und überhaupt groß dachte, ſoll über TT“ dieß Verfahren ſeines Kichja anfänglich ſehr aufgebracht worden ſeyn. Der große Haufe der Türken aber führt dieſen Feldzug des Soleiman als einen Beweis von ſeiner Tapferkeit an, und die Araber erzählen ihn als einen Beweis von der
niederträchtigen Grauſamkeit ihrer türkiſchen Tyrannen. Am Tiger regiert ein großer Stamm Araber mit Namen Beni Lam, der
den Paſchäs zu Bagdäd auch oft viel zu ſchaffen macht. Als Achmed das erſte mal Paſcha zu Bagdäd war, zog er einigemal gegen dieſe Araber zu Felde, konnte aber ihnen nicht recht ankommen, weil ſie beſtändig Kundſchafter in der Stadt hatten, und ſich auf die erſte Nachricht, daß Truppen ausrücken würden, auf ihren Kameelen in weit entlegene Gegenden begaben. Als Achmed die Regie rung zum zweytenmal erhielt, lagerte er mit allen ſeinen Haustruppen vor der Stadt, und ließ große Anſtalten machen, als wenn er den folgenden Tag einen prächtigen Einzug halten wollte. Die Araber Beni Lam, welche davon un terrichtet waren, waren ganz ruhig. Sie glaubten gar nicht daß er ſie eher angreifen würde, als bis ſie ihn aufs neue beleidigt hätten, und daß er we nigſtens erſt Beſitz von der Hauptſtadt nehmen würde. Er brach aber gleich in der folgenden Nacht auf, und eilte ſo ſehr, daß er die Araber erreichte, bevor ſie die geringſte Nachricht von ſeiner Abſicht erhalten hatten. Bey dieſer Gele genheit machte er eine große Beute an Kameelen, Pferden, Hornvieh und Schafen; er ließ auch den vornehmſten Schechs die Köpfe abſchlagen, und
ſchwächte dieſen Stamm dadurch ſo ſehr, daß er ſich in einer langen Zeit nicht unterſtehen konnte ſein Haupt wieder empor zu heben. Durch ſolche Mittel müſſen die Paſchäs die Araber im Zaum halten, die in ihren Gouvernements wohnen, und daſelbſt Dörfer und Städte haben. Man kann ſich alſo,leicht vorſtellen, wie wenig die arabiſchen Stämme, welche beſtän Hh 3 dig V
Plünderung zu verlangen. die Köpfe abſchlagen.
Sobald ſie aber in ſein Zelt gekommen waren, ließ er ihnen
246
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
1765.dig in der Wüſte herum ziehen, ſich um die Macht des Sultäns und ſeiner Pa Dec
ſchäs bekümmern.
4-N-
Montefik, Beni Lam und andere ächte Stämme Araber nennt man ähhl
el bäaroder Bedoui.
Ihre vornehmſte Beſchäftigung iſt die Kameelzucht, wobey
ſie die meiſte Zeit des Jahrs unter Zelten wohnen. Den Ackerbau überlaſſen ſie den Bauern; die edlen Araber kommen nur zu gewiſſen Jahrszeiten, um die
Schatzungen mit aller Schärfe einzutreiben. Den Stamm Käab am Ausfluſſe des Schat el Arrab und andere die beſtändig in Städten und Dörfern wohnen, nennt
man Arrabhöddri.
überdieß findet man noch andere Araber, die Pferde, Kühe
und Büffel ziehen, auch Ackerbau treiben, und ihre ſchlechten Hütten von einer Stelle zur andern bringen, wie die Bedouinen ihre Zelte.
Möädän.
Dieſe nennt man
An der Oſtſeite des Euphrats trift man zwey von dieſen Stämmen
an, die beyde Schiiten ſind, nemlich Beni Hähkem und Js Ä- Chaſäel. Erſterer iſt nur klein und den Türken gar nicht furchtbar. Der Stamm Chaſäel aber, deſſen Schech zu Lentlum wohnt, wird bisweilen übermüthig, und macht dem Paſchäs viel zuſchaffen. Die Truppen des Ali Paſcha wurden vor einigen Jahren von ihm gänzlich geſchlagen; und als der Paſcha bald nachher gar ermordet ward, ſo wurden dieſe Araber noch übermüthiger. Sie ließen faſt kein Schiff auf dem Euphrat vorbey gehen, wenn es ſich nicht bequemen wollte anſehnlich zu bezahlen. Wenige Monate vor meiner Ankunft aber war dieſer Stamm von Omar Paſcha gedemüthigt worden. Dieſer hatte 6 bis 7 vorneh men Schechs die Köpfe abſchlagen laſſen, und einen neuen regierenden Schech
ernannt.
Allein der vorige, mit Namen Hammüd, welcher geflüchtet war,
kam nach dem Abzuge der Türken wieder zurück: und da Omar Paſcha nicht Luſt hatte wieder zu Felde zu ziehen, ſo muſte er ihm die Regierung wieder übertra gen. Jezt unterſtanden dieſe Araber ſich zwar nicht die Schiffe anzuhalten. Allein die Türken, welche auf dem Euphrat vorbey ſegelten, muſten es hier, in ihrem eigenen Lande, doch ganz ruhig anhören, wenn die Schiiten ſie Ketzer nannten, uud die drey erſten Khalifen Abubekr, Omar und Othman verfluchten.
In dem Gebiete des Stammes Chaſäel iſt das Ufer des Euphrats ſehr niedrig, beſonders in einer Gegend die man Um el chanſir nennt, wo man er ſtaunlich
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
247
ſtannlich viel Rohr, und in demſelben viele wilde Schweine findet.
Hier muß 1765.
der Fluß auch viele Arme haben; denn bisweilen iſt er nicht über 40 bis 5o Fuß Dec.
breit. *) Nach Norden von dem Gebiete dieſes Stammes liegt ein großes Amt“TT“ *L-> Haſke, das allezeit von einem Aga des Paſchä von Bagdäd regiert wird, der zu Diwanie reſidirt. ganzen Gouvernement.
Dieß iſt eins der vornehmſten Ämter in dem
Der hieſige Aga hat eine ſtarke Cavallerie, und ſoll
damit die Araber zu ihrer Schuldigkeit anhalten ; aus dem vorhergehendeu aber hat man geſehen, wie wenig dieſe ſich bisweilen um ihn bekümmern. Die merkwürdigſten Örter welche man auf der Reiſe von Basra bis
Lemlüm antrift, ſind folgende:
-
-
-
-
-
„4 ---> Menaue, die Reſidenz des Caputän Paſcha. . Sie liegt eigent lich in Basra, wie ſchon im vorhergehenden, und auf der 39ſten Tabelle be merkt worden. Der Ort iſt den Reiſenden auch deswegen merkwürdig, weil hier ein kleiner Zoll bezahlt werden muß, den der Caputän Paſcha heben läßt. An der andern Seite des Schatel arrab, und gegen Menaue über liegt ein jezt ganz ver
fallenes Caſtell mit Namen e-X3AF Kurdelän. AG Där, ein großes Dorf, liegt an der Südſeite des Schat, und etwa eine Tagereiſe von Basra. Hier ſieht man noch große Hügel von den Ruinen einer Stadt, die nach der Meyuung meiner Reiſegefährten den Portugi
ſen gehört haben ſoll.
Von den alten Gebäuden aber iſt nichts mehr übrig als :
-
-
ein.
-
*) Dieß ſcheint die Gegend zu ſeyn, durch welche Alexander wieder zurück kam, als er noch
kurz vor ſeinem Tode von Babylon aus eine Reiſe nach dem Pallacopa, (jezt Dſärri Jägde) machte. (S.223.) Arrian beſchreibt ſelbige im 7ten Buche fol gendermaßen. Ipſe rurſum per paludes navigat, Babylonem a finiſtra habens.
Quumque in iis anguſtiis pars exercitus inopia ducis errarer, praemiſſo duce, qui viam monſtraret, in alveum eos reduxit.
Huiusce modi vero quidam narrant:
multa eſſe Aſſyriorum regum ſepulcra in iis paludibus exftruêta.
Quunque Alex
ander navigande pergeret, obortum ingentem ventum, dum navigaret, regiuin
capitis ornamentum & diadema ei alligatum abripuiſſe , atque illud quidern utpote gravius in aquam procidiſſe: iſtud vero vento abreptum arundini cuidan ex iis quae monimentis regum adnatae erant, haeſille. Auch Plinius erwähnt der Sümpfe nach Süden von Babylon.
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
248
1765. ein ſchöner Minäre, der einzige Thurm den man auf der ganzen Reiſe von Basra Dee bis Helle (Korne ausgenommen) antrift. -U-N-
- Ay“ Suäb liegt an der Nordſeite des Schat, und an einem Fluß
der von Fay-Hawiſa kömmt. Daß ehmals auch hier eine anſehnliche Stadt geweſen ſey, zeigen große Hügel von Ruinen.
Entweder der Fluß, der hier
in den Schat fällt, oder der Fluß Hafär war der Choaſpis der alten Erdbeſchreiber.
i
-
*/* Korne liegt auf der Ecke wo der Euphrat und der Tiger ſich ver einigen. Der Ort iſt nur ſchlecht gebaut, hat aber nach der Landſeite eine dop pelte Mauer von Mauerſteinen die bloß in der Sonne getrocknet ſind. Alles
dieß iſt, nach den Nachrichten die ich zu Basra erhalten habe, nicht ſehr alt, ſondern erſt von den S. 2 12. erwähnten Paſchäs Ali und Höſſein gebaut
worden, die dieſen Ort zu einer Grenzfeſtung gegen die Türken und Perſer machten.
Jezt liegen hier 5 Ortäs oder Compagnien Janitſcharen, die alle
ihre Keſſel bey ſich haben.
Die Handlung zu Korne iſt von gar keiner Bedeu
tung, obgleich der Ort eine vortreffliche Lage darzu hat.
Indeß müſſen alle vor
bey kommende Schiffe hier anlegen, und einen Zoll an die Janitſcharen bezahlen. Die Polhöhe dieſer Feſtung habe ich nicht erhalten. Ich überlieferte ein Empfehlungsſchreiben an einen vornehmen hier wohnhaften Officier der Janit ſcharen, der ſich ſehr höflich gegen mich bezeigte, und verlangte, daß ich bey ihm eſſen ſollte, welches ich nicht abſchlagen konnte. Als er hörte daß ich um 12 Uhr an Bord gehen wollte, um die Mittagshöhe der Sonne zu nehmen, ſo muſte ich ihm zu Gefallen meinen Quadranten holen laſſen. Nun ſtellte ich
zwar das Inſtrument auf; bald aber wollte dieſer bald jener durch das Fernglas ſehen, und ich ward überdieß ſo mit Fragen überhäuft, daß meine Arbeit um ſonſt war. -
-
ALS 45 Nähhr Antar iſt die Reſidenz des Schechs von dem Stamme Montefik, wie ſchon im vorhergehenden bemerkt worden. Alle vorbeykommen de Schiffe müſſen auch ihm einen Zoll bezahlen, den er zu sx-” Tachte heben
läßt, an welchem Orte kein anderes Haus iſt, als nur das worin die Zollbedien te wohnen.
Noch vor wenigen Jahren bezahlten die kleinen mit Datteln be ladenen
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Reiſe von Basra nach Lemlüm.
249
ladenen Schiffe hier nur zwey Mohammedte, (nicht einmal einen halben Rupee) 1765. jezt müſſen davor 5 Rupee erlegt werden.
sº/y aº Manſurie iſt ein großes Dorf.
Dec.
Hier ſind Zollbediente von TT“
dem Aga der Janitſcharen zu Korne. Wenn aber ein von Basra kommendes Schiff zu Korne ſchon bezahlt hat, ſo wird hier nur der Beweis davon abgege
ben. In dem Dorfe Kud oder «sº Sy= Küd Mäammar findet man Zollbediente des Caputan Paſcha zu Basra. Der Zoll zu says Ardſie gehört Al Salech, einer der vornehmſten Familien des Stammes Montefik. Ehmals war auch zu Graim eine Zollſtäte: ſeitdem aber dieſer Ort gänzlich verlaſſen worden iſt, wird dieſe Abgabe zu Semaue gehoben. Die Zollbedienten in dieſer letzten Stadt ſtanden noch vor wenigen Jahren unter dem Aga von Haske, und alſo unter den Türken. Jezt zieht der Schech von dem Stamme Chaſäel dieſe Ein künfte.
Zu Ardſje und Semaue ſaßen hungrige Schechs auf dem Zollhauſe, die ſehr unverſchämt waren, ob ſie gleich mir die Ehre erwieſen mich zu beſuchen. Um den Paß, den ich von dem Mutaſillim zu Basra hatte, bekümmerten ſie ſich
gar nicht; ſie nahmen es beſonders ſehr übel, daß ich ihnen einen Firmän des Sultäns zeigen wollte. Ich hielt es fürs beſte ſie in der Geſchwindigkeit ſo gut als möglich zu befriedigen; denn wenn ein Chriſt ſich mit ſolchen Leuten in einen Zank einläßt, und nur das geringſte Wort ſagt, worüber ſie ſich beleidigt finden, ſo muß er nicht nur doppelt, ſondern wohl zehnfach bezahlen, und wird darzu noch ausgelacht. Die Häuſer zu Semaue ſind alle von Leimerde in der Sonne ge trocknet, und alſo ſehr ſchlecht. Indeß ſcheinen ſie Paläſte zu ſeyn, in Ver
gleichung mit den noch viel ſchlechtern Hütten der Bauern dieſer Gegend. Vor einigen Jahren ſtarben faſt alle Einwohner dieſer kleinen Stadt an der Peſt, Die umher liegende Wüſte iſt voller Löwen, Tyger und Tſchakkals. Auch fin det man daſelbſt viel Salz. An beyden Seiten des Schatel arrab, und an beyden Seiten des Eu phrats, von Korne an bis Ardſe, ſieht man viele kleine Dörfer. Nan ſagt aber, daß das Land an der Nordſeite des Euphrats nur eine Stunde, und
an der Südſeite höchſtens zwey Stunden Weges bebaut ſey.
II. Theil.
Ji
Weiter vom Fluſſe liegt
25O
Reiſe von Basra nach Lemlüm.
1 765. liegt dieß fruchtbare Land aus Mangel an Einwohner und Canälen jezt alles wü Dec. ſte. Die Dörfer liegen ziemlich weit vom Fluß. Sie ſind alle ſo ſchlecht ge "T-baut, daß man ſchon daraus ſieht, daß die arabiſchen Schechs den armen Ein wohnern nicht viel übrig laſſen. Häuſer und Zäune ſind alle von Rohr: kurz, ich habe nirgends ſo ſchlechte Hütten angetroffen, als in dieſer von Natur frucht baren, und in den allerälteſten Zeiten berühmten und volkreichen Gegend. Zwi
ſchen Ardſe und Semaue iſt alles wüſte; die Namen welche man daſelbſt auf der 4oſten Tabelle findet,
ſind nicht einmal Namen von Dörfern.
Die
Gegend an beyden Seiten des Euphrats nennt man A/> Dſeſire, d. i. die Inſeln; vermuthlich weil noch jezt viele, und ehmals noch weit mehrere Canäle das Land zu lauter Inſeln machte. Die Einwohner der Dörfer am Euphrat ſind eben ſo geſchickte Schwimmer als die am Nil, und auch eben ſo geſchickte Diebe. Die Schiffer ſind auch hier, ſo wie die in Egypten, ſo nachläßig, daß ſie des Nachts nicht Wache halten. Die kleinen Räuber kommen daher bisweilen an Bord: und wenn ſie alle Reiſende ſchlafend finden, ſo raffen ſie in der Geſchwindigkeit alles zuſammen was ſie auf dem Verdeck, wo gemeiniglich die Reiſende liegen, finden können, und ſpringen damit ins Waſſer. Einmal da ſie einen ſolchen Verſuch auf unſerm Schiffe ma
chen wollten, wurden ſie von dem kranken Janitſcharen Officier, der nicht ſchla fen konnte, in ihrem Vorhaben geſtört.
Ein anderesmal kamen ſie in kleinen
und ganz leichten Kähnen hinter das Schiff, und nahmen mir durch ein Loch am Ruder ein Waſchbecken und andere Kleinigkeiten aus meiner Kammer. Weil
ich aber darüber erwachte, ſo bekamen ſie doch nicht viel, und ein Piſtolenſchuß ſetzte ſie in ein ſolches Schrecken, daß ſie aus ihren kleinen Kähnen ins Waſſer ſprangen.
Zwiſchen Ardſje und Semane fanden wir ſo wenig Waſſer, daß das Schiff oft auf den Grund kam: und weil ſowohl Wind als Strom uns entgegen war, ſo muſten wir übrigens das Schiff ziehen laſſen. Bey dieſen Umſtänden wurden wir einigemal von Arabern angehalten. Ich ſetzte mich alsdann wohl bewafnet, und mit einem großen Turban des kranken Officiers auf das Verdeck, und
einige Kaufleute von Bagdád, die auf unſerm Schiffe waren, ſtanden in der Ferne,
Reiſe von Basra nach Lemlüm. Ferne, als wenn ſie meine Befehle erwarteten.
25 I
Wenn nun die Araber fragten 1765.
wer an Bord wäre, ſo antwortete der Schiffer allezeit: ein Aga von Bagdäd Dee mit 6 Tſchokadaren.
ſolchen gehalten haben.
Ich weiß nicht, ob die Araber mich wirklich für einen
Sie wurden indeß ſehr höflich, und verlangten gemei
niglich einige Datteln, die dann ich als Aga ihnen auch willig reichen ließ. Drey Wochen vorher ward in dieſer Gegend ein kleines Schiff, das mit Datteln bela den war, ganz geplündert, und einige von den Reiſenden, die das Ihrige nicht gutwillig hergeben wollten, wurden getödtet. Bald darauf ſegelte ein anderes Fahrzeug auf den Grund, und die Araber machten den Anfang auch dieß auszu laden. Weil aber das Schiff dadurch leichter ward, ſo ſegelte der Schiffer da von, und ein paar Araber die noch an Bord waren, und dem Schiffer befehlen wollten zu bleiben, wurden niedergehauen. Kein Europäer wird dieß den Rei ſenden verdenken. Allein die Araber denken anders. Sie wuſten daß auf dem
Schiffe Leute von Korne und von Semaue geweſen wären; ſie foderten alſo die Bezahlung des Blutes von dieſen beyden Städten, und man meynte, daß ſie wegen dieſer ihrer Foderung befriedigt werden würden. Wenn ich auf dieſer Reiſe einen Araber erſchoſſen oder nur verwundet hätte, ſo würden ſeine Brüder ſich an den Schiffer, und dieſer wiederum an mich gehalten haben; und ich als ein Chriſt, der mohammedaniſches Blut vergoſſen hätte, würde noch viel theurer haben bezahlen müſſen als ein Mohammedaner. Man ſieht alſo, daß gute
Gewehre einem in dieſen Ländern reiſenden Europäer mehr nutzen, um den Ara bern eine Furcht einzujagen, als ſie wirklich zu brauchen.
Am 19ten December erreichten wir Lemlüm, ein großes Dorf. Dieß iſt die Reſidenz des Schechs von dem Stamme Chaſäel. Aber der Schech wohnt nicht beſſer als ſeine Unterthanen, nemlich in einer ſchlechten Hütte von Rohr. Der kranke Officier, der vor meiner Cajüte lag, war weder geſtorben noch beſſer geworden, und ich war der Reiſe in ſeiner Geſellſchaft herzlich überdrüſſig. Da ich nun hörte, daß der Weg von hier über Rumahie nach Meſched Ali, welche letztere Stadt ich von Helle zu beſuchen dachte, ziemlich ſicher wäre, ſo entſchloß ich mich das Schiff ſchon hier zu verlaſſen, und ein armer mohammedaniſcher Geiſtlicher
von Bagdad, dem ich eine freye Reiſe, beydes nach Meſched Ali und Meſched Höſ, Ji 2
ſein
252
Reiſe von Lemlüm nach Meſched Ali.
1765. ſein verſprach, war willig mir Geſellſchaft zu leiſten. Sowohl dieſem meinen Dec. Reiſegefährten als meinem Bedienten zu Gefallen, die beyde Sunniten waren, “TT und der Schiiten wegen zu Lemlüm nicht gern an Land gehen wollten, ging ich
noch an demſelben Tage nach einem ſchlechten Dorfe Miſchwära, an der an dern Seite des Fluſſes. Hier räumte der Schech mir eine ſchlechte Hütte von Rohr ein, worin kaum drey Perſonen liegen konnten. Indeß war ſein eigen Haus weder geräumiger noch beſſer, und ich hatte alſo in dieſer Abſicht keine Urſache mich über ihn zu beklagen. Aber die Pferde, welche er mir auf den
folgenden Tag verſprochen hatte, kamen nicht an, und ich ward dadurch genö thigt noch eine Nacht bey ihm zu bleiben. Der Menſch gefiel mir nicht, weil er ſich ſo ſehr freundlich ſtellte, und alles was ich bey mir hatte, ſo begierig be
trachtete. Ich, der Mulla und mein Bedienter wollten daher wechſelsweiſe Wache halten, und wir ließen auch die ganze Nacht Licht brennen. Mein Be dienter aber, der nicht gewohnt war, des Nachts zu wachen, ſchlief ein.
Dieß
merkte der Dieb, und war ſchon beſchäftigt meinen kleinen Schreibkaſten hinten durch die Wand zu ziehen, als ich ſelbſt darüber erwachte und Lerm machte. Nun kam mein Schech gleich herzu, und war ſehr böſe, daß mir dergleichen in ſeinem Dorſe begegnen ſollte. Er lief aufs Feld um den Dieb aufzuſuchen; er ſchickte ſeine Bauern nach andern Gegenden, aber alle kamen wieder zurück ohne jeman
den angetroffen zu haben. Ich zweifelte im geringſten nicht, daß der Schech ſelbſt der Dieb wäre, hielt es indeß für rathſam jezt noch ſeinen bezeigten Eifer zu rüh men, und ihm gar noch ein kleines Geſchenk zu geben. Und da er nun nicht Hof nung hatte, daß wir uns wieder im Schlaf überraſchen laſſen würden, ſo fand ich gleich am folgenden Morgen die Pferde zu meiner Abreiſe bereit. Am 2 1ſten reiſete ich 7 Stunden oder etwa 5 Meilen nach Nordweſt zum Norden bis Rumahte. Auf dieſem Wege ſah ich keine Mosqué, aber ſo wie bey den Dörfern, und oft auf freyem Felde am Euphrat, viele Kubbets oder kleine Gebäude über den Gräbern vermeynter Heiligen, bey denen ver muthlich ehmals Dörfer gelegen hatten. Der Boden iſt überall ſehr fruchtbar. Aber viele kleine Canäle, wodurch das Land ehmals gewäſſert ward, ſind jezt trecken, und Dörfer ſehr ſelten. Doch ſieht man hin und wieder große Heerden -
-
VON
Reiſe von Lemlüm nach Meſched Alt. von Hornvieh, Schafen und Pferden.
253
Nahe bey Rumahie iſt noch ein großer 1765.
Canal, der ſein Waſſer etwa 1 Meilen von hier aus dem Euphrat erhält, und Dec.
ſich in der Nähe von Semaue wieder in dieſen Fluß ergießt. (Tab. 41.) Dieſer TT“ war vor nicht gar vielen Jahren noch ſchiffbar, jezt aber findet man in demſelben nur alsdann Waſſer, wenn der Euphrat ſehr hoch iſt. In dieſer Jahrszeit war er ganz trocken. Rumahie iſt eine weitläuftig gebaute Stadt von etwa 4oo Häuſern. Sie
iſt mit einer hohen Stadtmauer umgeben; allein dieſe beſteht nur (ſo wie die zu Basra und Korne) aus ungebrannten Ziegelſteinen; ſie iſt überdieß ſo ſchwach, und wird ſo ſchlecht unterhalten, daß man hin und wieder hindurch kriechen kann. Man findet hier eine anſehnliche Mosqué, und ein ganz hübſches öffentliches Bad. Die meiſten Häuſer ſind von ungebrannten, und nur wenige von gebrannten Ziegelſteinen gebaut. Die Einwohner haben ihre vornehmſte Nahrung vom Ackerbau, und von ihren Dattelgärten. Sie ſollen ſehr reich ſeyn, aber wahr ſcheinlich doch wohl nur in Vergleichung mit den armen Bauern in den Dörfern dieſer Gegend. Der Schech des Stammes Chaſael läßt zu Rumahie einen klei nen Zoll heben. Es ſcheint alſo, daß die Schiiten hier die Oberhand haben.
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Ich wohnte zu Rumahte bey einem Sunniten, wo wir recht vergnügt wa Mein Wirth, welcher Mulla bey einer Mosqué, und alſo ein College
von meinem Reiſegefährten war, ſetzte ſich zu uns in ein nach der Vorderſeite offenes Zimmer, um einige Nachrichten zu hören, worin ich die Sitten der Mo
hammedaner von den unſrigen verſchieden gefunden hätte.
Seine Schwieger
mutter ſaß außen vor, zur Seite, und ſeine Frau war, nicht weit von uns, beſchäftigt einen Pilau zu kochen. Ich erzählte ihm unter andern, daß ein Eu ropäer, der ſeine Tochter verheirathet, nicht nur gar kein Geld von dem Bräu tigam bekömmt, ſondern daß der Vater, wenn er reich iſt, ihm noch eine an ſehnliche Summe giebt, damit er in den Stand geſetzt wird, anſtändig leben zu können. Dieſe Gewohnheit gefiel meinem Wirth. Er fragte ſeine Schwieger mutter, ob ſie das gehört hätte was ich erzählte. So ſeyd ihr nicht mit mir um gegangen, Mutter, ſagte er, ich habe bezahlen müſſen, bevor ihr mir eure
Tochter gegeben habt, u. ſ. f. -
Nachdem der Mann lange in dieſem Ton gere Ji 3
det
254
Reiſe von Lemlüm nach Meſched Ali.
1765. det hatte, ſagte die Mutter endlich: Ach mein Sohn, wovon hätte dann ich Dec.
mit meiner Tochter leben ſollen, wenn ich euch meinen Acker und meinen Dattel
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garten gegeben hätte? Hierauf erzählte ich weiter, daß nach unſerm Geſetze kein Mann bey Lebensſtrafe mehr als eine Frau haben dürfte; daß die Güter gemein ſchaftlich wären, und wiederum ihren Kindern zufielen. Dieß machte die Alte beredt. Sohn, ſagte ſie, habt ihr das gehört was der Herr ſagte? Welche
Gerechtigkeit in dem Lande wovon er redet !
Ach hättet ihr keine andere Frau
als meine Tochter, und wäre ich gewiß, daß ihr ſie nicht verſtoßen würdet, wie gern wollte ich euch mein Haus und mein ganzes Vermögen geben! Die junge Frau, welche beſtändig gethan hatte als wenn ſie von allem nichts hörte, kam auch herzu. Ach Mann, ſagte ſie, wie könntet ihr verlangen, daß meine Mutter euch ihr Haus geben ſollte. Ihr würdet alles euren übrigen Weibern ſchenken, ihr liebt ſelbige mehr, ich ſeh euch ſo ſelten. Mutter und Tochter
redeten in einem fort. Endlich fragte ich meinem Wirth, wie viele Weiber er dann hätte? Er antwortete vier. Er hätte nur eine kleine Bedienung, aber je des ſeiner Weiber hätte ein Haus und Garten, wovon ſie mit ihren Kindern le ben könnten; er ſelbſt hätte kein Haus, brauchte auch keins, weil er bey jeder ſeiner Frauen Eſſen und alle Bequemlichkeiten anträfe. Auf die Frage: ob er
zu der Zeit ruhiger und glücklicher gelebt, als er nicht mehr als eine Frau hatte, oder jezt da er deren vier hätte? wollte er ſo wenig aufrichtig antworten als an
dere Mohammedaner, die die Vielweiberey gegen mich gerühmt haben. Am 22ſten December reiſete ich 7 Stunden oder etwa 5 Meilen nach Nordweſt zum Weſten bis Meſched Ali. Auch auf dieſem Wege fand ich viele trockene Canäle und kleine Kubbets, welche letztere den armen Einwoh nern, in Ermangelung von ordentlichen Mosquéen, als Bethäuſer dienen.
Doch waren hier mehr bebauete Felder als an der andern Seite von Rumahie.
Die Stadt Le Ogº Meſched Ali hat ihren Namen von einer prächtigen Mosqué erhalten, die Ali, dem vierten Khalifender Mohammedaner zu Ehren gebaut worden, und von den Schiiten aus allen Gegenden, ſo wie Mekke von den An
hängern aller mohammedaniſchen Sekten mit großer Andacht beſucht wird. Die Schiiten wollen nach dieſer bey ihnen für heilig gehaltene Stadt ſogar noch nach ihrem
Anmerkungen zu Meſched Ali.
255
ihrem Tode Wallfahrten; denn nicht nur von Rumahie, Lemlüm, Helle,
1 765.
Bagdäd und andern benachbarten Städten werden Todte hieher gebracht, ſondern Dec.
auch aus Perſien, ja gar aus Indien.
Zu Zobeir oder Alt Basra redete man-T-T
davon, daß man neulich einen Todten, der ſchon ein Jahr in der Erde gelegen hatte, wieder aufgegraben hätte, um ihn nach dieſer Stadt zu bringen. Dieß iſt ihr ſehr einträglich. Auf dem Wege von Rumahie nach Meſched Ali ſah ich vier, und von hier nach Helle begegnete ich fünf Todte. Als ich fragte, ob man auf jeden Tag wohl ſieben Todte rechnen könnte, die von fremden Örtern hieher gebracht würden, meynte man dieſe Anzahl wäre nicht zu groß angenommen. Nach dieſer Rechnung alſo ſollten hier jährlich über 2ooo fremde Todte begraben werden. Wer reichlich bezahlt, bekömmt ein Grab in der Nähe der Mosqué ihres Imäms. Wer mittelmäßig bezahlt, kann auch noch in der Ringmauer der Stadt begraben werden, und wer nicht mehr als 4 bis 8 Stüver geben will, dem wird ein Platz außerhalb der Stadt angewieſen. Ich glaube nicht daß in der Mosqué ſelbſt Todte begraben werden. Man findet wenigſtens in andern Mosquéen der Mohammedaner keine Begräbniſſe, als nur des Stifters, und
etwa auch ſeiner Frauen und Kinder.
Überhaupt haben die Mohammedaner
die Todtenäcker nicht gern innerhalb der Ringmauer. Verſchiedene gelehrte Sunniten haben mich verſichern wollen, daß man es
nicht mit Gewißheit wiſſe, wo Ali, der Schwiegerſohn ihres Propheten begra benſey; und es iſt auch nicht unwahrſcheinlich, daß ſeine Familie geſucht habe, ſein Begräbniß vor ſeinen Feinden zu verbergen. *) Die Schiiten aber zeigen ſein.
*) Abulfedar Annales moslemieip. 99. Quidam in oratorii Cufenſs eo traëtu, qui al Keb lam ſpečtat ſepultum tradunt, aliiapud palatium, quod Amiratus ideo appellatur, quod in eo ſedere ſolebant al Cufe immiſſi ab al Chalifis legati. Ali volunt sl Ha ſanum patris reliquias ad al Medinam tranſtuliſſe, & in al Pakio (ſeu pubico ejus urbis coemeterio) ad Fathinae latus, quae illi uxor, fibi mater fuerat, condidiſſe.
Certiſſima eſt ea ſententia, juxta quan ibn ol Atſchiri ſepulcrum ejus collocat in an Nagjaf illud adeo hodiefama, numeroque religioſe frequentantium celebratum.
Ockley's hiſtory of the Saracens II p. 79.
Semlers Ueberſetzung der algemeinen Welt
256
Anmerkungen zu Meſched Ali,
1765. ſein Grab hier in der Mosqué. Dec.
Sie ſagen, Ali habe befohlen,
daß man ſeinen
Körper, wenn er geſtorben wäre, auf einen Dromedär legen, und ihn dabe
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graben ſollte wo dieß Thier ſtehen bleiben würde, nachdem man es aus Kufa getrieben hätte. Ein ſonderbarer Befehl von einem ſo klugen Herrn als Ali beſchrieben wird. Indeß hat dieß vermeynte Begräbniß Gelegenheit gegeben, daß hier eine Stadt gebaut worden iſt.
Selbige liegt in einer eben ſo dürren
und unfruchtbaren Gegend als Sués und Dſjidda.
Sie hat gar kein Waſſer.
Das, welches man hier zum kochen und waſchen braucht, kömmt durch eine Waſſerleitung unter der Erde, und das gute Trinkwaſſer wird drey Stundenwe
ges auf Eſeln geholt.
An der einen Seite der Stadt iſt das Erdreich ſo voller
Kalk, daß man nur den Staub mit getrocknetem Miſt zuſammen häuffen und
brennen darf, um guten Kalk zum bauen zu bekommen.
Weil alſo Kalk hier
ſehr wohlfeil, das Holz aber ſehr theuer iſt, ſo ſind alle Häuſer von gebrannten
Ziegelſteinen in Kalk gelegt, gebaut, ſie ſind gar gewölbt, und daher ſehr dauerhaft.
An der andern Seite der Stadt iſt eine große niedrige Gegend die
mit Salz bedeckt iſt. Die Araber nennen ſelbige El buheire, ingleichen Bähhr Nedſjef, und verſichern, daß dieß der Buheiret Sawe ſey, der bey der Ge burt Mohammeds ausgetrocknet ſeyn ſoll. *) : Die Einwohner dieſer Stadt ſind theils Sunniten, theils Schiiten. Zwiſchen den Anhängern dieſer beyden Sekten iſt anderwärts ein ſo großer Haß, daß, wenn ein Sunnit nach Perſien, oder ein Schiit nach einer türkiſchen Stadt kömmt, er ſein Gebet gemeiniglich nach Landes Manier verrichten muß, um nicht vom Pöbelübel begegnet zu werden. Zu Meſched Ali und zu Meſched Höſſein vertragen ſie ſich ziemlich gut. Denn die Sunniten leben hier gröſtentheils von
den Schiiten, und müſſen ſich alſo etwas nach ihnen bequemen; und die Schiiten müſſen ſich auch ruhig halten,
wenn ſie nicht dem Paſcha Gelegenheit geben wollen,
-
Welthiſtorie der neuern Zeiten I. S. 533.
Hier wird bemerkt daß Als Grab unter
der Regierung der Khalifen aus dem Hauſe CPinnmiah (alſo bey nahe 100 Jahre) ver borgen gehalten ſey. Im Jahr der Hedsjera 366 ward ein Tempel über dieſem Grabe gebaut. -
-
*) S. Semlers Ueberſetzung der algemeine Welthiſtorie der neuern Zeiten erſter Theil§. 14.
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176 Dec
Anmerkungen zu Meſched Ali.
257
wollen, daß er den Perſern die Freyheit das Grab ihres erſten Imäms zu be- 1765. ſuchen, noch theurer bezahlen läßt.
Es pflegen jährlich etwa 5 ooo Pilgrimme
nach den Gräbern Alis und Höſſeins zu kommen.
Sie haben zur Verrichtung TT“
ihrer Andacht keine beſtimmte Tage, wie die Pilgrimme zu Mekke. Doch glauben die Schiiten, daß ihr Gebet in gewiſſen Monaten beſſer erhört werde, und ſie wählen deswegen vorzüglich den 27ſten des Monats Radſjeb, den Mo
nat Ramadän und den 1 oten des Muhárrem.
Selten hört man hier jeman
den etwas bey dem Namen Gottes betheuern, ſondern alle ſchwören bey dem
Namen Ali, ſowie zu Meſched Höſſein bey dem Namen Höſſein und zu Moch ha bey dem Namen Schädeli. *)
Alle Augenblicke hört man jemanden mit
einem andächtigen Seufzer rufen: O du Märtyrer Ali! O du Märtyrer Höſſein, geſegnet ſey euer Andenken.
Die äußere Figur der Stadt Meſched Ali hat viel ähnliches mit dem Um riß des jezigen Jeruſalem, und ſie iſt ohngefehr auch von gleicher Größe. Ich habe davon auf der Tabelle XLII. einen Grundriß entworfen. Sie iſt ganz mit einer Mauer umgeben, und hat jezt nur zwey Thore; Bäb Meſchedbey 1.
und Bäb Nähhr bey 2. Ein drittes Thor, Bäb Schäm bey 3. iſt zuge mauert. Die Stadtmauer iſt ſo verfallen, daß man wohl an 20 Stellen hineingehen kann. Außer der prächtigen Mosqué über dem Grabe Alis bey 4. ſind hier noch drey kleine Mosquéen. Die Hügel 5. ſind (ſo wie
verſchiedene große Hügel bey Kähira **) von den Unreinigkeiten entſtan den, welche man von den Straßen auf Eſeln dahin gebracht hat. Bey 6. iſt der algemeine Todtenacker, und 7. zeigt die Gegend an, von welcher das Waſſer unter der Erde in die Stadt geleitet wird. Das merkwürdigſte, was man in dieſer Stadt findet, iſt die Mosqué welche über dem vermeynten Grabe des Khalifen und Imäms Ali gebaut wor den iſt. Ich habe davon, ſo gut es die Umſtände erlaubten, bey A. auf der
42ſten Tabelle einen Proſpekt entworfen.
Auf keinem Gebäude in der Welt iſt
wohl ein ſo koſtbares Dach als auf dieſem Tempel der Schiiten, und dieß Dach iſt
º) Erſter Band S. 44e.
II. Theil.
**) Erſter Band S. 112. Kf
Dee
Anmerkungen zu Meſched Ali.
258 -
1765. iſt von Perſiens Zerſtörer, Nadir Schah, bezahlt worden. Was thut aber Dec. nicht ein ſolcher Tyrann, um dem Pöbel ein Blendwerk vorzumachen. Daß er
“TT die große Kuppel und das Dach der beyden dabey ſtehenden Thürme mit Kupfer hat bedecken laſſen, iſt nicht ſo außerordentlich. Alles dieß Kupfer aber iſt im Feuer verguldet, und ſo ſtark, daß zu jeder Platte 8# Zoll im Viereck ein To
män Gold d. i. ohngefehr 1 o Rthlr. verbraucht worden. *)
Dieß giebt ein
prächtiges Anſehen, vornemlich wenn die Sonne darauf ſcheint: und weil nicht nur das Gebäude hoch iſt, ſondern auch die ganze Stadt hoch liegt, ſo ſieht man die erwähnte Kuppel ſchon in einer Entfernung von fünf bis ſechs deutſchen Meilen. Oben auf der Kuppel, wo man auf den türkiſchen Mosquéen gemeinig lich einen halben Mond, oder nur eine Stange ſieht, ſteht hier eine ausgebreitete Hand, welche die Hand des Ali vorſtellen ſoll. Um dem Tempel iſt ein freyer Platz wo täglich Markt gehalten wird. Vor demſelben ſteht ein überaus großer Armleuchter mit vielen Lampen. Alles iſt mit Gebäuden umgeben, wor in die vornehmſten Bedienten der Mosqué wohnen. Alle Bediente derſelben können hier nicht Platz finden; denn man hat mich verſichern wollen, daß man deren über hundert antrift, worunter aber viele Derwiſche, und ſo arm ſind, daß ſie vor dem Eingang ſtehen, und den Pilgrimmen ihr Gebet für eine kleine
Bezahlung anbieten.
Mit der gröſten Ärgerniß hörte ich hier, wie dieſe Leute ihr
*) MJohanned U17ahadi ZKhän bemerkt davon folgendes in der Geſchichte des WTadir Schah S. 374 der deutſchen Ueberſetzung.
"Die Frömmigkeit des Nadir Schah
"veranlaßte ihn, das Dach der heiligen Mosqué (Meſched Ali, oder wie der perſiſche "Verfaſſer dieſen Ort nennt, zu Tedſjef esſcheräf) vergolden zu laſſen. - - - - "Die Koſten betrugen eine ſehr anſehnliche Summe. Die Mauern dieſes heiligen Ge "bäudes wurden durch die Freygebigkeit Ihrer Majeſtät der Kayſerin, der erlauchten * Cuherſchad Begum ausgebeſſert, welche dazu aus ihrem eigenem Schatze hundert "tauſend U7aderis (vermuthlich Rupée und alſo ohngefehr 66,666 Rthlr.) ſchickte. "Ueberdem gab ſie ein Rauchfaß mit Edelſteinen, und ein Geſäß von reinem Gºlde, * um Weyhrauch im heiligen Hauſe darin anzuzünden. - - - - -
Zur Ausbeſſerung
"der Mosqué zu Kerbelai (Meſched Höſſein) ließ die Sultanin Razia Begun,
"Techter des Schah Höſſein durch den Schazmeiſter ihres Serails zwanzigtauſend "Naderis (etwa 1 3333 Rthlr.) auszahlen.
Anmerkungen zu Meſched Ali.
259
ihr Gebet herausſtrichen um ein Almoſen zu erhalten, oder vielmehr um dem 1765. abergläubigen Pöbel das Geld aus der Taſche zu ſpielen. Ich hatte ſchon genug gewagt, da ich mich dieſem ſowohl von den Sunni ten als Schiiten für heilig gehaltenem Orte nur ſo weit näherte. Wäre ich in den Tempel hineingegangen, ſo hätte man vielleicht von mir verlangt, daß auch ich ein Mohammedaner werden ſollte, und ſo theuer wollte ich meine Neugier nicht bezahlen. Indeß verſicherte mich mein Reiſegefährte und viele Schiiten, daß man inwendig einen erſtaunlichen Reichthum antreffe. Auch hier iſt die Kuppel ſtark verguldet, und in derſelben ſieht man Sprüche aus dem Koran mit großen Buchſtaben von Email. An den Wänden ſind Schriften mit großen gol denen Buchſtaben. Unten auf dem Fußboden ſtehen nicht nur viele große Leuch ter von Silber, ſondern auch einige von purem Golde, und mit Edelſteinen be ſetzt. Beſonders rühmt man die Koſtbarkeit eines Meſſers von der Figur wie es die Indier im Gürtel vor dem Leibe tragen. Dieß hängt an demaufgemauer ten Grabe des Imams. Es ſoll mit Steinen von unſchätzbarem Werth beſetzt,
und dem vor vielen hundert Jahren ermordeten Khalifen von Aurengzeb, ge ſchenkt worden ſeyn. Man hat mir noch ſo viele andere Stücke, die in dieſem Tempel zur Schau aufgeſtellt ſind, aufgerechnet, daß es mir gar nicht unwahr ſcheinlich iſt, was man von einem Araber erzählt, der bey dem Anblick derſelben wie erſtarrt ſtehen blieb; und als man ihn endlich erinnerte zu beten, antwortete:
wahrlich ich hatte über die großen Koſtbarkeiten, womit man dieß Grab ausgeſchmückt hat, vergeſſen an Gott zu denken. Dieſer große Schatz iſt in den Händen des Mutawélli (Vorſtehers der Mosqué) und des Häkem (Gouverneurs), und der Paſcha zu Bagdäd pflegt alle Jahre einen vornehmen Officier hieher zuſenden, der nachſehen ſoll, ob noch alle Stücke vorhanden ſind.
Da aber alle dieſe Herren Sunniten und Türken
ſind, die Gold und Edelſteine beſſer zu brauchen wiſſen, als daß ſie es an ſolche Stellen hinhangen wo es ihre Andacht ſtöhrt, ſo glauben die Schiiten, daß oft Stücke vertauſcht werden. Bey dieſer Gelegenheit kann ich nicht umhin einer Fabel zu erwähnen, die mir ein Kaufmann aus Mekke, und alſo ein Mohammedaner, zu Bombay ev Kk 2 zählte,
Dec.
Anmerkungen zu Meſched Ali.
26Q
1765. zählte, als ich ihm meine Verwunderung bezeigte, daß ſeine Glaubensgenoſſen Dec. hin und wieder ſo prächtige Mosquéen über den Gräbern ihrer Heiligen aufge
"TT"führt hätten.
Er war in Tunis gebohren, hatte aber Egypten, Basra, Surät
ja Bengalen und Delhi geſehen, und auf ſeinen Reiſen viele Vorurtheile ſeiner Glaubensgenoſſen abgelegt. Vielleicht war er gar ein Freygeiſt. Die Klugheit und
die Einfalt, ſagte er, ſtritten mit einander, welche von ihnen beyden die gröſte Macht in der Welt hätte, und es ward verabredet, daß die Einfalt zuerſt den Verſuch machen ſollte, was ſie auszurichten im Stande wäre. Beym Nachſuchen fand ſie zu ihrer Abſicht nichts bequemer als einen Eſelskopf, der an einem Wege lag, wo
nach einigen Tagen der Sultän vorbey kommen ſollte. In dem Gefolge dieſes Regenten war ein berühmter Mulla. Dem muſte der Kopf in die Augen fallen, und er glaubte gleich anfangs etwas beſonders daran zufinden.
Nach einer
genauern Unterſuchung ward er gewahr, daß dieſer Kopf einem Eſel des Khalifen Omar gehört hätte.
Dieß war anfänglich allen vernünftigen Leuten unglaub
lich. Allein der Kopf that Wunder: und als man nun gar nicht mehr daran zweifelte, daß dieß der Kopf des vorgegebenen Eſels wäre, ſo befahl der Sul tän, daß man ihm eine anſtändige Beerdigung geben, und eine Kubbe über ihn bauen ſollte.
Das Gerücht von der wunderbaren Entdeckung dieſes Kopfes ver
breitete ſich bald in alle benachbarte Provinzen. Einheimiſche und Fremde ka men, um deſſen Grab zu beſuchen, und um die Geſchichte deſſelben ſowohl als die Geſchichte des Khalifen Omär, der ſo vieles zur Ausbreitung der moham medaniſchen Religion beygetragen hat, zu hören. Der Aufſeher erhielt von den Neugierigen immer Geſchenke. So wie dieſe nach und nach anſehnlicher wurden, ſo nahm er mehrere Derwiſche in ſeinen Dienſt,
er verſchönerte
das Grab und Gebäude, und ſo wie dieß alles an Pracht zunahm, ſo ver mehrte ſich auch die Neugier der Menſchen, das Begräbniß dieſes merkwürdi
gen Kopfs zu beſuchen.
Nach einigen Jahren ſah man über dieſem Eſelskopf
ein großes und prächtiges Gebäude, das von vielen Derwiſchen bedient ward, und Pilgrimme kamen ſchon aus weit entlegenen Gegenden. Nun glaubte die Einfalt gewonnen zu haben. Sie foderte die Klugheit auf, auch ihre Kunſt zu beweiſen; aber die ſagte: du haſt dein Spiel lange genug getrieben, jezt will ich -
Anmerkungen zu Meſched Ali.
ich dir zeigen wie geringe du biſt, wenn ich die Menſchen regiere.
26 I
Sie gab 1765.
dem Sultan zu verſtehen, daß ein Eſel allezeit ein Eſel bliebe, ein vornehmer Herr oder ein Bauer möchte ihn reiten, oder man möchte darauf die Unreinigkei ten von der Straße aus die Stadt hinaus bringen. Die Hofleute fanden den Gedanken ganz richtig. Er ward bald algemein. Wenn nun noch jemand von
dem Grabe des Eſelskopfs redete, ſo hörte man gleich die Anmerkung: aber Omars Eſel war doch nur ein Eſel! der Zulauf und folglich auch die Geſchenke nahmen ab, die Derwiſche und andere Bediente, welche vorher ein reichliches Einkommen gehabt hatten, muſten ihren Unterhalt anderswo ſuchen, und der prächtige Tempel über dem Eſelskopf ward nach und nach ein Steinhaufen. Ich konnte mich bey dem Grabe Alis nicht enthalten zu wünſchen, daß die Schiiten doch endlich einmal bedenken möchten, daß dieſer ihr großer Imäm, obgleich der Schwiegerſohn ihres Propheten, und für eine kurze Zeit ein Khalif, doch nur ein Menſch geweſen ſey. Bedächten ſie dieß, ſo würden jährlich nicht ſo viele tauſende ihre Geſchäfte verſäumen um ſein Grab zu beſuchen, wo
durch nur die türkiſchen Einwohner dieſer Stadt bereichert werden; ſie würden ihre Leichen an dem Orte begraben, wo ſie geſtorben ſind, und nicht ſo viele Koſten anwenden um ſie hieher zu bringen. Etwa fünfviertel Meile von Meſched Ali nach Oſtnordoſt lag die ehmals
berühmte Stadt sº »E>Kufa, in einer niedrigern und fruchtbarern Gegend. Hier ſieht man noch das Bett des DſjärriZáade (Pallacopas S.223.)
Jezt aber
kömmt kein Waſſer mehr hieher; das umliegende Land liegt alles wüſte, und die Stadt hat gar keine Einwohner mehr. Das merkwürdigſte was man hier noch findet, iſt die große Mosqué, in welcher Ali tödlich verwundet ward; und auch davon iſt nur wenig mehr übrig als die vier Wände. Auf der Tab. XLII.
bey B ſieht man davon einen Grundriß. Die Thür 1. nennt man Bäbel fil. Bey 2. iſt ein Gebäude das ziemlich tief in die Erde geht, aber nicht hoch iſt. Es war vermuthlich ein Waſſerbehältniß. Die Araber nennen es Sefine, und mein Führer, ein Einwohner von Meſched Ali, der den perſiſchen Pilgrimmen die hieſigen Merkwürdigkeiten zu zeigen pflegte, und verſichern wollte, er wäre
ein Abkömmling von den alten Kufanern, wollte behaupten, daß Noahs Arche Kk 3
ſich
Dec.
Anmerkungen zu Meſched Ali.
262
1 765. ſich auf dieſer Stelle niedergelaſſen hätte. Dec.
nennt man Sikke Khane.
Das kleine runde Gebäude bey 3. Ehmals ward in demſelben Waſſer zum Trinken
Q-N
ausgetheilt, wie es auch der Name zu erkennen giebt.
Es iſt aber nicht alt;
denn man findet über der Thüre deſſelben einen Stein mit den jezt gewöhnlichen arabiſchen Schriftzügen, die zu Alis Zeiten noch nicht bekannt waren.
Auf der
Stelle wo Haſſan und Höſſein ihre Andacht zu halten pflegten, hat man ein kleines Gebäude 4. gebaut, in deſſen hinterſten Wand eine Niſche auf der Stelle
iſt, wo Muſa el Kádem gebetet haben ſoll.
Die Pfeiler 5. 6. 7. nennt man
Makäm Seidna Iſa, Makäm Muſa und Makäm Ibrahim el chalil, und die Mohammedaner ſind der Meynung, daß Chriſtus, Moſes und Abraham auf dieſen Stellen gebetet haben. Bey 8 zeigt man die Stelle wo Sein elabedin
zu beten pflegte.
Bey 9. ſollen Noah und Ali ihre Andacht gehalten haben.
Hier iſt auch eine kleine Canzel mit einer Treppe, etwa zehn Fuß hoch.
Auf der
Stelle 1 o. ſoll das erſte Haus geſtanden haben, welches Noah baute als er aus der Arche kam. Bey 1 1. iſt das Begräbniß eines Jafar, des Sohns Moam mer, ſo wie bey 12. das Begräbniß Muslims ibn Akel.
Dieſer Muslim war
eines Brudersſohn des Khalifen Ali, und ward zugleich mit einem Hani ibn Aroä hiagerichtet, der ihn in ſein Haus aufgenommen hatte. *) Des letztern Begräb niß ſieht man bey 13. Beyde dieſe Capellen ſind erſt in den ſpätern Zeiten von den Schiiten gebaut; denn bey ihnen werden Muslim und Hani, ſowie alle die, welche Ali und ſeiner Kinder wegen ihr Leben verloren haben, als Märtyrer an
geſehen.
Man hat innerhalb der Ringmauer dieſer Mosqué auch einige gemau
erte Pfeiler, jeden mit einer kleinen Kammer zur Bequemlichkeit derer Pilgrim me gebaut, die ſich hier einige Tage aufhalten wollen. In der Capelle des Muslim fand ich eine etwas durch die Zeit beſchä
digte Inſchrift, woraus erhellt, daß ein Mohammed ibn Machmüder Razi, und ein Abul M'haſſen ibn Achmed el Tabriſ ihm dies Denkmal im Jahr der Hedſera 68 1 haben errichten laſſen.
Sie lautet wie folget: vôºd
*) Semlers Ueberſetzung der algemeinen Welthiſtorie der neuern Zeiten erſter Theil §. 428. Ockley's hiſtory of the Saracens II. p. 184. Abulfeda annales moslemici p. 112.
Anmerkungen zu Meſched Ali.
263
e-JU- A U-2) Jººs exºº.“ . . . . . . . Ogº / L**) sèd 1765.
. . . . e-o.-- = As - - - - -- a 3 Mººsse Ä ts-Lºº/Las VWs - = 9.--* es 9-* -sel, es 9" C--- »-------- AL - Alex-“ e-2-“ - * 9-- --------
„-NV
«W.» «y 2“-" so Als U Bey dem Grabe Jafars des Sohns Moammer ſieht man die kufiſche Inſchrift A. Tabelle XLIII. Mit den jezt gebräuchlichen arabiſchen Buchſtaben lautet ſelbige wie folget:
FJ - 0.2 º. 0-2 a) «UJ o=> *U) ** USA *A) e. «2/J) «U) a«s *) 0.-"U) „S : 0-“ Als
8U
„Le
Die Inſchrift B welche ich an der Mauer dieſer Mosqué fand, enthält, weiter nichts, als den 25 6ſten Vers der zweyten Sura nach Maraccii Abthei
lung.
Weil aber Herr Dr. Reiſke den Wunſch äußerte, daß ich alle von mir
abgeſchriebene Kufiſche Schriften um derer Willen ſtechen laſſen möchte, die ſich mit dieſen Schriftzügen bekannt machen wollen, ſo laſſe ich nicht nur dieſe, ſon
dern auch die beyden kleinen C und D mit folgen. Von dem letztern Spielwerk der arabiſchen Schreibmeiſter mit den kufiſchen Buchſtaben findet man auch viele Proben zu Bagdad, die in den neuern Zeiten geſchrieben worden ſind.
Adile Chatün, die Gemahlin des vor einigen Jahren verſtorbenen So leiman Paſcha, hat die Nordweſtliche Mauer dieſer Mosqué zum theil neu auf
führen, zum theil unterſtützen laſſen.
Sie ließ bey dieſem verfallenen Tempel auch
*) d. i. Im Namen des barmherzigen Gottes. Sage, Gott iſt der einzige Gote, der ſelbſt ſtändige. Er zeuget nicht und wird anch nicht gebohren. Riemand iſt ihm gleich.
Dieß iſt das Grab Jäfars des Sohns UTIoanmers. Gott erbarme ſich ſeiner und vergebe ihm ſeine Sünden. Gott ſey gnädig und freundlich dem Mohammed und dem Geſchlechte Mohanumeds
Anmerkungen zu Meſched Ali.
264
1765. auch der Tochter Noah zu Ehren ein kleines Gebäude mit einer Kubbe (Ge Dec. wölbe) bauen.
Hier ward mir die Stelle gezeigt, wo der Leichnam des Khali
“TTfen Ali abgewaſchen ſeyn ſoll; und eine kleine Kammer dieſes Gebäudes ſoll, nach dem Vorgeben meines Führers, genau auf der Stelle ſtehen, wo Noahs
Tochter Brod backte. gewidmet.
Ein anderes kleines Gebäude iſt dreyen Töchtern des Ali
Vielleicht liegen ſie daſelbſt begraben.
Etwa eine viertel Stunde
nordweſtlich von der großen Mosqué zeigte man mir eine andere die Sähhele oder Sáhheb ſamän und Möchdi genannt wird.
Man erzählte mir davon eine
weitläufige Fabel, deren Meynung ich nicht recht verſtehen konnte.
Übrigens
trift man von Kufa nichts mehr an, als viele kleine Hügel von den Trümmern ihrer Gebäude, woraus man ſieht, daß man hier viel mit gebrannten Steinen, und alſo dauerhafter gebaut hat als zu Basra. Man findet unter dieſen Ruinen noch bisweilen alte Münzen, ſie werden aber nicht geachtet. Weil die Moham medaner keine dergleichen Sammlungen machen, und keine Europäer nach Me
ſched Ali zu kommen pflegen (meines Wiſſens iſt hier noch kein Europäer gewe ſen) ſo kann ein Reiſender nicht erwarten dergleichen hier kaufen zu können. Mein Bedienter fand zu Kufa nichts ſo merkwürdig als ein Stück von einer Säule, die Ali in eigener hoher Perſon von Basra hieher getragen haben ſoll. Sie ſteht nahe bey dem Gebäude Sefine innerhalb der großen Mosqué, und ſoll die Eigenſchaft haben, daß einer, deſſen Mutter ſeinem Vater nicht ge treu geweſen iſt, ſie nicht ganz umfaſſen könne. Alle gemeine Leute die zugleich
mit mir an dieſem Orte waren, wollten die Probe machen, ob derjenige wirklich ihr Vater wäre den ihre Mutter davor ausgegeben hätte. Alle gingen auch vergnügt zurück, bis auf einen Pferdewärter. Dieſen wollte man überreden, die Säule dehnte ſich ſeinetwegen aus, und es war lächerlich genug zu ſehen, wie viele Mühe der arme Menſch ſich gab ſie ganz umfaſſen zu können. Ver nünftige Mohammedaner halten dieſen Verſuch für das was er iſt, nemlich für einen Zeitvertreib des gemeinen Mannes. Am 25ſten December reiſete ich von Meſched Ali 4 Stunden nach Nor -
den bis Kefil, und nachher noch eben ſo weit Nordnordoſt bis Helle. Die Entfernung dieſer beyden Städte iſt alſo 9 Stunden oder 7 deutſche Meilen. Kefil
Reiſe von Meſched Ali nach Helle.
265
Kefil iſt der arabiſche Name von Heſekiel, deſſen Grab hier jährlich noch von 1765. vielen hundert Juden beſucht wird.
Dieſer Prophet aber beſitzt keine Schätze Dec.
von Silber, Gold und Edelſteinen; denn wenn auch die Juden ihm dergleichen TT“ ſchenken wollten, ſo würden die Mohammedaner es ihm doch nicht lange laſſen. Sie müſſen zufrieden ſeyn, daß man ihnen erlaubt hieher zu wallfahrten.
In der Capelle des Propheten unter einem Thürmchen, ſieht man weiter nichts als ein aufgemauertes Grab. Der Eigenthümer oder der Beſchützer dieſes Hei ligthums iſt eine Familie Araber, die hier eine kleine artige Mosqué mit einem Minäre hat, und des Propheten wegen von den umherliegenden Lände reyen faſt gar keine Abgaben an die Türken giebt. überdieß gewinnt dieſe arabiſche Familie noch vieles von den Reiſenden, welche hier gern etwas aus ruhen. Heſekiels Grab, die Mosqué und die wenigen ſchlechten Woh nungen der Araber ſind mit einer ſtarken, über 3o Fuß hohen Mauer umgeben, die 25 o doppelte Schritte (etwa 1 2 oo Fuß) im Umkreis hat. Dieſe ſoll anfänglich auf Koſten eines Juden zu Kufa mit Namen Solei man gebaut ſeyn, und wird wahrſcheinlich noch jezt auf Koſten der Juden unterhalten; denn die haben davon den vornehmſten Nutzen. In der Jahrs zeit wenn die Juden hieher wallfahrten kommen nicht ſelten Araber, die ihnen zu ihrer Ankunft Glück wünſchen, oder vielmehr Geſchenke von ihnen verlangen. Wenn ſie ſich mit ſelbigen gütlich vergleichen können, ſo iſt es allezeit am vor theilhafteſten für ſie. Allein die Juden ſind ſo zaghaft, daß wenige Moham medaner eine zehn ja wohl zwanzigmal größere Anzahl von ihnen in Schrecken ſetzen kann; die Araber ſind deswegen bisweilen ſehr unverſchämt: und dann iſt für ſie keine andere Hülſe, als daß ſie ſich in ihrem kleinen Caſtell, oder wie man
ſelbiges nennt, Chän, einſchließen.
Die Juden unterſtehen ſich nicht einmal
von hier aus auf ihre Feinde zu ſchießen, und wenn ſie auch Gewehr bey ſich hät
ten und es zu brauchen wüſten. Denn das mohammedaniſche Blut das ſie ver gießen würden, würde nicht nur erſtaunlich theuer bezahlt werden müſſen, ſon dern die Araber würden auch nicht ermangeln ihrer Karwane ein andermal unter
weges aufzupaſſen, ſie anzugreiffen und zu plündern.
Die Pilgrimme müſſen
deswegen ſo lange in dem Chän bleiben, bis der Gouverneur von Helle, und II. Theil.
Ll
WeUlz
266
Reiſe von Helle nach Kerbela,
1765. wenn die Anzahl der Araber ſehr groß iſt, bis der Paſcha von Bagdäd ſie von der Dec. Belagerung befreyt. Dieß koſtet allezeit vielmehr als die Araber verlangt ha L-N-/ ben. Weil aber letztere dann vor dießmal umſonſt, oder mit einem kleinen
Geſchenke abziehen müſſen, ſo iſt es eine Warnnng, daß ſie ein andermal nicht gar zu unverſchämt gegen die Juden ſind.
Auf dem Wege von Keſil nach Helle trift man viele kleine Flüſſe an, die in dieſer Jahrszeit faſt alle trocken ſind.
Weiter ſieht man nichts merkwürdiges
als hin und wieder ein Bauerhaus von ungebrannten Ziegelſteinen, und verſchiedene kleine Kubbets über den Gräbern kleiner mohammedaniſchen Heiligen.
Am 26ſten blieb ich zu Helle. Den folgenden Tag begab ich mich gleich auſ die Reiſe nach Meſched Höſſein, einer Stadt welche auf der Stelle erbaut worden, die bey den Mohammedanern unter dem Namen Kerbela berühmt iſt. Sie liegt ohngefehr nach Nordweſt 7 Stunden oder 5 deutſche Meilen von Helle,
und auf dieſem ganzen Wege (Tab. XLI.) ſieht man weiter nichts als Tomaſie, ein großes Dorf mit vielen Dattelgärten, das erſt von Schah Abbäs angelegt ſeyn ſoll.
-
Der Diſtrikt Kerbela war zu der Zeit als Höſſein und viele von ſeinen Anverwandten und Freunden hier ihr Leben verloren, noch unbewohnt. *) Dieſe Schlacht aber hat Gelegenheit gegeben, die Gegend urbar zu machen. Man hat nemlich Waſſer aus dem Euphrat dahin geleitet, und jezt ſieht man hier gleich ſam einen großen Dattelwald. *) Die Stadt welche in demſelben liegt, iſt größer, und hat auch mehr Einwohner, als Meſched Ali. Die Häuſer aber ſind nicht ſo dauerhaft gebaut, ſondern, ſo wie die zu Basra und Helle, gröſtentheils
nur von ungebrannten Ziegelſteinen.
Die Stadtmauer hat 5 Thore. Übrigens
iſt ſie auch nur von Leimerde und von Ziegelſteinen gebaut, die blos in der Sonne getrocknet ſind, und jezt ganz verfallen. Das
*) Abulfedae annales moslemici p. 113.
Ockley's hiſtory of the Saracens II. p. 195.
Semlers Ueberſetzung der algemeinen Welthiſtorie der neuern Zeiten I. S. 195.
**) MJohammed Yahadi Khän nennt daher den Ort den Garten. Geſchichte des 7g/ dir Schah S. 374. der deutſchen Ueberſetzung
Anmerkungen zu Kerbela.
267
Das merkwürdigſte was man hier findet iſt eine große Mosqué, und in 1765.
verſelben eine Capelle welche die Schiiten Medbach Höſſein nennen. Sie ſoll Dec. genau über der Stelle gebaut ſeyn, wo der Körper dieſes Enkels Mohammeds TT“ von Pferden zertreten und begraben worden iſt.
Indeß zweifeln die Sunniten
gar ſehr, daß man die Stelle, wo Höſſein erſchlagen und begraben worden, :
ſo genau beſtimmen könne, ob ſie gleich nicht läugnen, daß die Schlacht in dieſer Gegend vorgefallen ſey. Ich hielt es für noch gefährlicher einen Proſpekt von dieſer Mosqué zu zeichnen als zu Meſched Ali. Ich durfte mich nicht einmal bey Tage auf den Vorhoff derſelben wagen. Indeß ging ich mit einem türkiſchen Turban in Geſellſchaft meines Reiſegefährten des Nachts dahin, und weil jezt we gen eines großen Feſtes alles erleuchtet war, ſo zeichnete ich nach meiner Zurück kunft in mein Quartier, den Proſpekt C Tabelle XLII. der dem Leſer wenig ſtens einen Begriff von der Bauart dieſes Tempels geben wird. Die vorderſte Wand iſt voller Fenſter, ein Anblick der in dieſen Ländern, wo man ſonſt gar keine Glasſcheiben ſieht, befremdet. Dieß war vielleicht ein Geſchenk von einem
Perſer, der ſelbige von der Fabrike zu Schiräs hieher ſandte.
Hinter dem
Vorgebäude ſteht eine hohe Kuppel, unter welcher, wie man vorgiebt, Höſſein begraben iſt. Um ſelbige ſtehen vier kleine Minären. Weiter zurück iſt noch eine viel breitere Kuppel, aber nicht ſo hoch; ſie hat deswegen in der Zeichnung von dieſer Seite nicht angedeutet werden können. Alles ſteht auf einem freyen Plaß, der an allen vier Seiten mit den Wohnungen der Geiſtlichen und der Derwiſche umgeben iſt; und vor dem Haupteingange zu der Mosqué ſteht, wie
vor Meſhed Ali, ein ſehr großer Armleuchter von Kupfer mit vielen Lampen. Auswendig ſieht man gar kein Gold. Doch ſollen auch bey dem Grabe Höſſeins viele Koſtbarkeiten ſeyn, die aber mit denen bey dem Grabe Alis befindlichen, in keine Vergleichung geſezt werden können.
Die Schiiten zeigen hier auch noch die Gräber verſchiedener Anverwandten und Freunde des Höſſeins, die in der Schlacht zu Kerbela ihr Leben verloren
haben, und die alle bey ihnen als Märtyrer angeſehen werden.
Abbäs, ſeinem
Halbbruder zu Ehren haben ſie eine große Mosqué innerhalb der Stadt gebaut.
Man erzählte mir vieles von ihm, wovon ich nur folgendes anführen will. L l 2
Als
Höſſein
268
Anmerkungen zu Kerbela.
1765. Höſſein großen Durſt litt, ließ dieſer Abbäs an dem Orte Cheima Käa, deſſen Dee gleich nachher erwähnt werden wird, graben, und da er kein Waſſer fand, ritt
“TT'er eine Stunde nördlicher, wo er ſeine Kürbe (Ziegenfell) füllte.
Auf dem
Rückwege ſtieß er auf eine feindliche Parthey, die ihm das Waſſer abnehmen
wollte, und ihm dabey eine Hand abhieb.
-
Er ergriff die Kürbe mit der andern
Hand, und die ward ihm auch abgehauen. Zuletzt nahm Abbäs den Waſſerſack zwiſchen den Zähnen, und nun ſchoß einer einen Pfeil in die Kürbe, worauf alles Waſſer verſchüttet ward, und er wieder zurück kam, ohne ſeinem geliebten Bru der den Durſt löſchen zu können.
Zu den merkwürdigen Örtern, welche von den hieher kommenden Pilgrim men beſucht werden, gehört auch die Stelle, wo Höſſeins Pferd mit ihm fiel. Man findet ſelbige außerhalb der Stadt am Wege nach Meſched Ali. Darüber ſteht ein kleines Gebethaus. Mein Führer erzählte mir weitläuftig, was der Imäm hier mit ſeiner Familie geſprochen, und welche Befehle er ſeinen Officiers gegeben habe; ich halte es aber für überflüſſig alles anzuführen. Er ließ ſein Zelt
zum leztenmal bey Cheima Käa aufſchlagen.
Dieß iſt jezt ein großer Garten
an der andern Seite der Stadt. Auf eben der Stelle, wo Abbas kein Waſſer finden konnte, ſieht man jezt einen großen Brunnen, der nach der Meynung der Schiiten ſein Waſſer durch ein Wunderwerk erhalten hat. Er wird bey ihnen für ſo heilig angeſehen, daß noch bisweilen Leute aus Perſien kommen, um ſich
hier aus Liebe zu Höſſein zu erſaufen, in der Meynung daß auch ſie als Märty rer werden angeſehen werden. Ein jezt ganz verfallenes Gebäude in dieſem Gar ten ſoll gerade auf der Stelle ſtehen, wo Höſſeins Zelt geſtanden hat, und nahe
bey demſelben ſieht man noch ein kleines niedriges Gebäude, wo Khaſſemelaris und verſchiedene andere Märtyrer (Schuchde) begraben ſind. Meine Wirthin, eine alte Witwe und eifrige Schiitin freuete ſich ungemein, als ſie hörte, ich
hätte auch das Grab des erwähnten Khaſſem beſucht.
Dieſer war ihr Favorit
heiliger. Sie erzählte mir mit Thränen in ihren Augen, daß dieſer junger braver Herr Hochzeit gehalten hätte, d. i. daß ſein Eheontrakt ſchon von den Richter in Gegenwart von Zeugen geſchrieben wäre, daß er aber an dem Tage da er in der
folgenden Nacht das Beylager hätte vollziehen ſollen, mit Höſſein und andern Närtyrern
Anmerkungen zu Kerbela. Märtyrern wäre ermordet worden.
269
Die gute Frau wuſte noch jedes Wort, das 1765.
die beyden Verliebten vor dem Anfang der Schlacht mit einander geredet hätten.
Auch Sunniten gehen in die Mosqué Höſſeins, um ihre Andacht zu hal-TT“ ten, aber allezeit mit ihrer gewöhnlichen Ernſthaftigkeit. Die Schiiten machen ein gar jämmerliches Geſchrey. Ich war hier juſt im Vollmond des Monats Radſjeb, gegen welche Zeit viele hundert Pilgrimme kommen, um die ganze
Nacht bey dem Grabe Höſſeins zuzubringen: ja da ſie keine gedruckte Calender haben, und daher wegen ihrer Feſttage oft ungewiß ſind, ſo bleiben viele zwey Nächte in der Mosqué, um gewiß zu ſeyn daß ſie des rechten Zeitpunkts nicht verfehlen.
Ich ſah hier alſo mit großer Verwunderung, mit welcher Andacht die
abergläubigen Leute ſchon die Thür des Vorhofes küßten, und nachher küßten ſie auch die Thür der Mosqué. In dem Tempel ſollen ſie nicht nur den Fußbo den eifrig küſſen, man verſicherte mich auch daß einige vor Betrübniß über den Tod Höſſeins ihre Köpfe gegen die Wand und eiſerne Gitter ſchlagen. Einige
ſollen in eine ſolche andächtige Raſerey gerathen ſeyn, daß ſie bey dem Grabe ihres großen Imäms ſich ſelbſt ermordet haben, in der Meynung, daß auch ſie als Märtyrer angeſehen werden, und gewiß in den Himmel kommen würden,
weil ſie ihr Leben um Höſſeins willen aufopferten. Ich muß geſtehen, daß ich nichts kläglicheres gehört habe als die Andacht der Schiiten in dieſer Mosqué. Die Leute ſchrien und heulten als wenn Höſſein ihr Vater, und erſt heute ermor det wäre; und dieß war nicht verſtellt, wie bey den Klageweibern, die vor Geld einen Todten beweinen, ſondern ſo herzlich gemeynt, daß die Augen derer, wel che aus der Mosqué wieder heraus kamen, vom Weinen ganz aufgeſchwollen
waren.
Überhaupt glaube ich die Schiiten in dieſer Stadt viel eifriger gefunden
zu haben, als zu Meſched Ali.
Hätten ſie ihre eigene Obrigkeit, ſo würde ſich
hier gewiß kein Sunnit ſehen laſſen dürfen.
Jezt aber müſſen ſie ſich ruhig hal
Die türkiſche Obrigkeit läßt ihnen, wegen des großen Vortheils den ſie davon hat, zwar alle Freyheit, ihre Andacht an allen bey ihnen für heilig f€N.
gehaltenen Örtern nach ihrer eigenen Manier zu halten.
Vernünftige Sunniten
widerſprechen ihnen auch nicht, wenn ſie Höſſein einen Imäm und Märtyrer nennen.
Aber die drey erſten Khalifen dürfen ſie hier nicht verfluchen, und Ll 3
ſchon
Anmerkungen zu Kerbela.
27o
1765. ſchon dieß iſt ein hartes Verbot für einen eifrigen Schiiten, vornemlich an ſol Dec L-V-
chem heiligen Örtern, als Meſched Ali und Meſched Höſſein. Das meiſte wofür ein Reiſender, und beſonders die Schiiten ſich hier in
acht zu nehmen haben, iſt eine Geſellſchaft von liederlichen Janitſcharen, die zum theil ihrer ſchlechten Aufführung wegen von Bagdad vertrieben worden ſind.
Dieſe ſuchen gern die Bekanntſchaft reicher Perſer.
Sie machen ihnen von der
türkiſchen Regierung und den Sunniten überhaupt, wovon die Schiiten ſo nicht viel gutes denken, einen fürchterlichen Begriff. Läßt ſich der Fremde mit ihnen ein, ſo ſuchen ſie bald Händel. Sie beſchuldigen ihndaß er dieſes oder jenes gegen die Re gierung, oder gar gegen die Religion geſprochen habe. Sie haben gleich Zeugen: und
wenn nun der Perſer, der oft weder türkiſch noch arabiſch verſteht, der Obrigkeit nicht in die Hände fallen will, ſo muß er rechtſchaffen bezahlen. Einer dieſer Renomiſten,
der wohl gekleidet war, wollte in einem Caffehauſe auch Bekanntſchaft mit mir machen. Er hielt mich für einen armeniſchen Kaufmann. Als er gar einen Europäer vor ſich fand, ward er noch mehr erfreut. Er rühmte die vielen Dienſte, die er von den Europäern zu Haleb und Conſtantinopel genoſſen hätte; er nannte gar einige Europäer bey Namen, und verſicherte daß es ihm ſehr angenehm ſeyn würde, wenn er mir hier, an einem Orte, wo ich ganz fremd wäre, und wo man die Europäer eben ſo gering achtete als die morgenländiſchen Chriſten,
wieder Gefälligkeiten erzeigen könnte. bedeutende Complimente oft gehört.
In Perſien hatte ich dergleichen nichts Von rechtſchaffenen Türken und Arabern
aber war ich ſolche eilfertige Anerbietungen nicht gewohnt.
Ich nahm mich da
her gleich ſehr in Acht: und als ich nachher hörte, mit welchem Manne ich ge ſprochen hätte, ſo vermied ich hier überhaupt alle Geſellſchaften.
Beyläufig will ich noch bemerken, daß bey den Mohammedanern nicht die Kabá allein eine Freyſtatt für Tauben iſt. Auf den Mosquéen über den Grä
bern des Ali und des Höſſein, auf der Dſameá oder Hauptmosqué zu Helle und auch in andern Städten werden ſie eben ſo wenig geſtört. Da ich der Schiiten ſo oft erwähnt habe, ſo muß ich auch noch etwas von
dem Unterſchiede zwiſchen ihrer und der Religion der Sunniten ſagen. *) -
Sie
halten
*) In Semlers Ueberſetzung der algemeinen Welthiſtorie der neuern Zeiten Ton. I, S. 538. ſagt
Unterſchied der Sunniten nnd Schiiten.
271
halten, ſo wie dieſe, den Korän für ihr vornehmſtes Geſetzbuch.
Sie be- 1765. haupten auch, daß nur ein einziger Gott, und daß Mohammed ſein Prophet Dec.
ſey; ſie ſollen die Reinigung des Körpers beobachten, täglich fünfmal beten, TT“ reichlich Almoſen geben, im Ramadän faſten und einmal nach Mekke reiſen. Verſchiedene Stellen des Koräns aber erklären ſie anders als die Sunniten. Und da ſie ſich von dieſen darum getrennt haben, weil nicht die Familie ihres gemein ſchaftlichen Propheten das Khalifät erhalten hat, ſo haben ſie noch verſchiedene dahin abzielende Zuſätze zu Glaubenspunkten gemacht, wovon die Sunniten nichts wiſ ſen wollen. Das vornehmſte iſt, daß ſie die drey erſten Khalifen, Abubekr, Omar und Othman verfluchen. Dieß verurſacht den gröſten Haß zwi ſchen den Anhängern der beyden Sekten. Dann muß ein Schiit auch an die
zwölf Imäms glauben, die ihrer Meynung nach alle nach einander hätten re gieren ſollen, aber von den Khalifen verdrängt, ja gar verfolgt worden ſind. Der erſte Imäm iſt Ali, der Schwiegerſohn Mohammeds, deſſen im vorherge
henden erwähnt worden. Die Schiiten haben zu dem Glaubensbekenntniß: es iſt nur ein einziger Gott, und Mohammed iſt ſein Prophet, noch hinzugeſeßt, und Ali iſt ſein Statthalter (Wali.) Einige europäiſche Schriftſteller haben behaupten wollen, daß ſie Ali den Vorzug vor Mohammed geben. So hoch aber halten ſie ihn nicht, ob ſie gleich ſeinem Andenken außerordentlich große Ehre erweiſen. Der zweyte Imäm iſt Haſſän, älterer Sohn des Ali und der
Fatima. Er iſt zu Mekke begraben. Der dritte iſt der eben erwähnte Höſſein, Haſſäns Bruder. Der vierte Imäm heißt Ali, der fünfte Mohammed mit dem Beynamen elbaker, und der ſechſte Jafar eſſadik. Dieſe drey liegen zu Medine begraben. Der ſiebente Imäm iſt Muſa el Kädem, deſſen Begräb niß bey Bagdäd erwähnt werden wird.
Der achte iſt Ali erridda, und liegt
zu Meſched in Khoraſſan begraben.
Mohammed el dſjoäd, der neunte Imäm der Schiiten, liegt bey ſeinem Großvater Muſa in einer Mosqué in dem alten Bagdád. ſagt der Verfaſſer: die Sunniten brauchen das Wort Schiiten als ein Schmähwork. Die Anhänger des Ali nennen ſich Ada'iyah. Ich habe niemals gehört daß die von der perſiſchen Sekte ſich Adaliyah nannten, und das Wort Schia ſehen ſie gewiß nicht
als ein Schimpfwort an. Die Türken nennen die Perſer ſpotweiſe Küſilbäſc).
272
1765. Bagdäd.
Unterſchied der Sunniten und Schiiten.
Ali el hadi und Haſſän el áskari werden als der rote und 1 1te
Dec. Imäm angeſehen.
Dieſer ihre Gräber werden zu Samurra oder Samarra,
“TT einer Stadt am Tiger, nach Norden von Bagdad, gezeigt. hieß Mohammed.
Der zwölfte Imäm Alle, von Höſſein, dem dritten Imäm an bis den letzten,
folgen von Vater auf Sohn. Mohammed, der letzte Imäm ward von den da maligen Khalifen ſo nachgeſtellt, daß er ſich faſt niemals öffentlich ſehen laſſen durf te. Doch weiß man, daß er ſich die meiſte Zeit ſeines Lebens in einem tiefen Keller zu Samarra aufgehalten hat, und daſelbſt zeigt man auch ſein Begräbniß. Die Schiiten aber glauben, daß Gott ihn lebendig von der Erde habe ver ſchwinden laſſen, und daß er kurz vor dem Ende der Welt unter dem Namen
Möchdi wieder zurück kommen, und alle Menſchen zu der Sekte Schia bekehren werde. Die S. 2 64.bey Kufa erwähnte Mosqué, welche man Sahheb Sa män und Möchdi nennt, iſt vermuthlich dieſem Imäm zu Ehren gebaut worden. Die Gräber des erſten, dritten, ſiebenten, achten und neunten Imäns werden von den Schiiten am meiſten beſicht, weil dieſe ihnen am nächſten liegen. Einige gehen auch als Pilgrimae nach Samirra. Keiner aber kann ſich mit
Recht des Titels Hadſch anmaßen, als nur der, welcher bey der Kabá zu Nekke geweſen iſt. Die Gräber der Schuch.de oder Freunde Mohammeds, die, nach der Meynung der Schiiten als Märtyrer geſtorben ſind, werden nur bey Gelegenheit beſucht. überdieß findet man, ſowohl bey den Sunniten als Schiiten, nur ſelten ein Dorf, das nicht ein Begräbniß von einem vorgegebe nen Heiligen aufweiſen kann. Dieſe leztern aber werden von auswärtigen Mo hammedanern wenig mehr geachtet, als daß ſie im Vorbeyreiſen daſelbſt etwa ein kleines Gebot halten, ohne daß ſie ſich auch nur um den Namen des Heili gen bekümmern. Die Sunniten überhaupt ſind ſehr genau ihr Gebet zur geſezten Zeit
des Tages zu halten.
Nemlich das Mittagsgebet zwiſchen 12 und ohngefehr
3 Uhr Nachmittags, das Nachmittagsgebet zwiſchen 3 Uhr und Sonnenunter
gang u. ſ. f.
Wenn ſie die beſtimmte Zeit übergehen laſſen, ſo glauben ſie nicht
daß Gott ſich damit befriedigen läßt, wenn einer ſein Gebet nachholen will. Einige
ven den Seiten (vielleicht Jafarianer) mit welchenichin Perſien reiſte, machten es ſich
–” – “ 3 4/ – “– “–**_**_**Fazp. Sch-,
Báñhr Nelſºf z.
Unterſchied der Sunniten und Schiiten.
273
ſich bequemer; denn ſie beteten des Abends für den ganzen Tag. beteten auch beyweitem nicht mit der Andacht der Sunniten.
Dieſe Leute 1765. Ich habe oft Dec.
geſehen, daß einer mitten im Gebet aufhielt, um zu hören was erzählt ward --
und daß er ſelbſt mit redete.
Indeß waſchen ſie ſich auch vor dem Gebet, und
breiten einen Teppich, oder in Ermangelung deſſelben ihren Oberrock aus, da mit ſie ſich beym oftmaligen Niederwerfen nicht ſchmutzig machen. Und damit
ihr Gebet deſto kräftiger ſey, legen ſie einen Kuchen von der vermeynten
heiligen Erde auf welcher Höſſein getödtet worden, auf die Stelle die ſie beym Niederwerfen mit der Stirn berühren; denn ſo ſoll das Gebet eben ſo angeſehen werden, als wenn ſie es bey dem Grabe dieſes ihres großen Imäms verrichtet hätten. Nach dem ordentlichen Gebete ziehen ſie einen Roſenkranz hervor, der von eben dieſer Erde verfertigt iſt, und wiederholen darnach gewiſſe Worte ſo oft, bis ſie alles abgebetet haben. Zulezt kämmen ſie ſich den Bart. Die erwähnten Kuchen und Roſenkränze von Thonerde, welche durch den oftmaligen Gebrauch bald abgenutzt, und daher erſtaunlich viel geſucht werden,
werden in einer Fabrique zu Meſched Höſſein verfertigt, die ſeit vielen Jahren einer Familie gehört, welche ſich zu dem Geſchlechte der Seiids oder Nachkom
men Mohammeds rechnet, und ſich zu der Sekte Schia bekennt.
Sie muß
aber für dieſe Freyheit jährlich eine anſehnliche Abgabe an den Paſcha zu Bagdäd
bezahlen.
Die Heiligthümer werden in einem kleinen Gebäude an der Mosqué
des Imäms verkauft.
Ich ließ durch meinen Mulla eine Parthey davon kau
fen, und habe von den Kuchen, die er mir von verſchiedener Figur und Größe brachte, ein paar kleine bey D und E auf der Tabelle XLII. gezeichnet, woraus waan ſieht, daß ſie darzu artig geſchnittene Formen haben. Hier kaufte ich auch eine Rolle Papier 6 Fuß 3 Zoll lang und 8 Zoll breit, mit Abbildungen von der Kabá, von dem Grabe Mohammeds, von den Gräbern der vornehmſten
Imäms, und den merkwürdigſten Sachen die einem Pilgrimm bey denſelben ge zeigt werden. Alles ſehr ſchlecht gezeichnet und mit Farben überlegt, wobey Silber und Gold nicht geſpart worden.
Das Thier El borak,
e-/?
auf
welchem Mohammed die Reiſe nach dem Himmel machte, ein Kameel das das koſtbare Tuch trägt, welches jährlich von Kähira nach Mekke geſandt wird, ein II. Theil. M nn Löwe
274
Veränderung der Religion der Schiiten
1765. Löwe (wodurch Ali vorgeſtellt werden ſoll), Alis berühmtes buntes Pferd
Dec. U0Jo Duldul, ſein getreuer Sclave / S Ghanbar, ſein berühmtes Schwerdt “TT“ „Us Lë Dülfakär und das prophetiſche Siegel welches Mohammed auf ſeinem Rücken gehabt haben ſoll,
alles dieß iſt auf dem Papier abgebildet.
Meine Leſer würden es mir wenig Dank wiſſen, wenn ich die ganze Zeichnung in Kupfer ſtechen laſſen wollte.
Da aber in der arabiſchen Geſchichte oft von
dem Schwerdte Dülfakär geredet wird, ſo habe ich dieß bey F abgebildet.
Es
hat eine beſondere Figur, und iſt von einer außerordentlichen Größe. Aber ein ſo außerordentlich berühmter und ſtarker Mann, als Ali war, mußte auch ein beſonderes Schwerdt von einer außerordentlichen Größe haben. Das auf der
erwähnten Zeichnung iſt, im Verhältniß mit den übrigen Figuren, etwa 6#Fuß lang.
Die Europäer werden deſſen Abbildung ſonderbar finden.
Wenn man
aber zum voraus ſezt, daß dieſem Ali vielleicht ein zwey ſchneidiges Schwerdt zugeeignet wird, und man weiß, daß die jezigen Mohammedaner nur den Sä bel kennen, ſo kann man es den morgenländiſchen Mahlern nicht ſehr verdenken,
wenn ſie das Dülfakär als eine doppelte Sabelklinge abbilden.
Machen nicht
die europäiſchen Mahler oft eben ſo beſondere Abbildungen von morgenländiſchen
Sachen die ſie ſelbſt nicht geſehen haben? Auf eben dieſer Tabelle bey G ſieht man noch einen Abdruck von dem pro phetiſchen Siegel, womit Mohammed gleichſam gebranntmarkt geweſen ſeyn ſoll. Hier iſt es mit arabiſcher Schrift ausgefüllt; ein ſunnitiſcher Geiſtlicher aber hat mich verſichern wollen, daß die Gelehrten ſich über die eigentliche Be
ſchaffenheit dieſes Siegels noch gar nicht einig ſind. Er wollte die Nachricht haben, daß Mohammed darin zwey kleine Augen gehabt hätte, womit er durch ſeine Kleider alles hätte ſehen können was hinter ihm vorging. Das Thier Elborak iſt auf dem erwähnten Papiere als ein geſatteltes Pferd abgebildet, das einen Frauenzimmerkopf mit langen Haaren, zwey kleine Flügel, und einen breiten in die Höhe ſtehenden Schweif hat.
Die Sekte Schia, welche ſchon über 2oo Jahre in Perſien die herſchen de geweſen iſt, und ſich auch über die Gränze dieſes Königreichs ausgebreitet
hat, war vor einigen Jahren in großer Gefahr ganz ausgerottet zu werden, Der
unter der Regierung des Nadir Schah.
275
Derjenige, der dieß große Werk auszuführen dachte, war Nadir Schah.
Es 1765.
geſchah vielleicht aus Stolz, daß er ſich den Ruhm erwerben wollte, eine neue Dec. Q-N-A
Sekte geſtiftet zu haben; vielleicht aber ſah er es voraus, daß ſeine Nachkom men ihm an Tapferkeit nicht gleich ſeyn würden, und dachte alſo daß die neue
Sekte ſeine Familie auf dem perſiſchen Thron erhalten ſollte. Schah Iſmael war dieß ehmals geglückt. Allein Nadir war mit dem Korän und den verſchie denen Erklärungen deſſelben zu wenig bekannt. Ob er gleich Wunder der Tap ferkeit und Weltklugheit gezeigt, und nicht nur ganz Perſien, ſondern auch Indien erobert hat, ſo fehlten ihm doch die vornehmſten Eigenſchaften eines Stifters einer neuen Sekte, und er hat daher durch ſeine Neuerungen unendlich mehr Schaden als Nutzen geſtiftet.
Doch, bevor ich von dieſem Unternehmen
des perſiſchen Helden weiter rede, wird es nöthig ſeyn meine Leſer etwas genauer mit ſeiner Abkunft und ſeiner Perſon bekannt zu machen.
Die Familie des Nadir hieß Kirklu, und war ein Stamm der Afſcha ren, eines turkmanniſchen Geſchlechts, das ehmals in Turkeſtän gewohnt, ſich aber, ſo wie viele andere turkmanniſche, kurdiſche und arabiſche Stämme, in Perſien niedergelaſſen hatte. Er war alſo ein turkmanniſcher, in Perſien gebor
ner Edelmann, und kein Holländer, wie man in Europa ausgebreitet hat, *) und er kann in Anſehung ſeiner Geburt etwa mit einem kleinen arabiſchen Schech verglichen werden, deſſen Familie ſich unter den Schutz eines großen Stammes
begeben hat. *)
Allein er wußte die Unruhen, welche zu der Zeit in Perſien
herſchten, zu ſeinem Vortheil zu nutzen. Faſt das ganze Reich hatte ſich gegen den Schah empört, und beſonders in der abgelegenen Provinz Khoraſſan hatten ſich viele Herren aufgeworfen.
Hier ſuchte auch Nadir anfänglich mit Hülfe eini
ger Leuten der Schutzherr von wenigen Dörfern zu werden; ſo wie er ſich mehr Geld durch Schatzungen und Plünderungen verſchafte, ſo warb er mehrere Leute an, und vertrieb andere Waghälſe, die ſich eben ſo wie er, als Beſchützer von Dörfern aufgeworfen hatten: hatte er einen Nachbarn der mächtiger als er ſelbſt
war, ſo ſuchte er deſſen Freundſchaft unter der Verſprechung ihm gegen einen Mm 2
*) Hiſtoire de Thamas Kuli Kan, Sophi de Perſe. *) Beſchreibung von Arabien S. 793.
noch
276
Veränderung der Religion der Schiiten
1765. noch mächtigern beyzuſtehen.
4
War aber dieſer geſchlagen, ſo wußte er auch ſei
Dec. nen Bundesgenoſſen durch Liſt oder Gewalt aus dem Wege räumen zu laſſen,
“TT und den gröſten Theil ſeiner Leuten, die nur einen Anführer ſuchten, der ihnen am meiſten Gelegenheit zu plündern geben konnte, an ſich zu ziehen.
Durch der
gleichen Mittel, durch ſeine Tapferkeit und durch ſeinen Verſtand ward er nach und nach der Anführer von einigen tauſend Mann, und Herr von einem anſehn lichen Diſtrikte mit einigen kleinen Caſtellen. Doch hierin hat er vor und nach her viele ſeines Gleichen gehabt. Bey den innerlichen Unruhen in Perſien ha ben ſich viele ſolche Waghälſe von nichts bis zu unabhängige Herrn von anſehn
lichen Provinzen empor geſchwungen. Selbſt Kherim Khän, der jezige Beher ſcher von dem gröſten Theil des perſiſchen Reichs, iſt nicht von vornehmerer Ab kunft als Nadir, ſondern ein Kurd von einer kleinen Familie Sand, die un ter Zelten herumwanderte, und ſich hauptſächlich von der Schafzucht nährte. Nadir legte eigentlich erſt dadurch den Grund zu ſeiner nachmaligen Größe, daß
er ſich zu rechter Zeit dem Tähmas Schah nothwendig zu machen wußte, dem theils die Aghwanen, theils andere Rebellen, worunter Nadir ſelbſt mit ge
hörte, faſt alle Provinzen abgenommen hatten.
Er bot dem Könige ſeinen ero
berten Diſtrikt und ſeine Dienſte gegen einen mächtigerern Rebellen an, der ihm ſelbſt viel zu ſchaffen gemacht hatte, und erhielt leicht Vergebung, da er eine kleine Armee mitbrachte.
Tähmas Schah war ein zu ſchwacher Herr, als daß er auch nur die we nigen Truppen, die die Rebellen ihm übrig gelaſſen hatten, ſelbſt hätte anführen können. Er mußte ſich gänzlich auf ſeinen General verlaſſen, und der, den er jezt hatte, war zwar ein rechtſchaffener Mann, aber kein ſo guter Soldat und nicht ſo liſtig, oder wenn man es mit einem andern Namen benennen will, er war nicht ſo klug, er kannte die Menſchen nicht ſo gut als Nadir. Dieſer
hätte ſich zwar der kleinen Armee des Schah widerſetzen, und vielleicht auch ſie zurück ſchlagen können. Allein er übergab ſeine eroberte Caſtelle ihrem rechtmäſ ſigen Herrn freywillig, und verlangte von ſeinem Könige nichts mehr, als nur die Ehre, ihm mit ſeinen Truppen, unter dem Befehl des Generals, behülflich ſeyn
zu können, um die Rebellen zu vertreiben.
Er war auch dem Befehl dieſes Generals
unter der Regierung des Nadir Schah.
277
Generals anfänglich ganz gehorſam. Sein Nachbar und Feind, dem er allein 1765. nicht gewachſen geweſen war, ward nun bald geſchlagen. Die Perſer liebten Dec.
ihren König; ſie hatten ihn nur verlaſſen weil er ſelbſt nicht im Stande war eine TT“ Armee anzuführen, und nicht einmal einen tüchtigen Officier hatte, der ſie gegen die Rebellen ſchützen konnte. Nadirs Tapferkeit war in Khoraſſän bekannt. Die Armee des Königs ward täglich größer, und die ganze Provinz ward in kur zer Zeit unterwürfig. Aber damit war der junge Held nicht zufrieden. So wie er die Rebelleu nach und nach zum Gehorſam brachte oder gänzlich vertrieb,
ſo erhielt er auch einen nähern Zutritt bey dem Schah, und nun brachte er es bey dieſem ſchwachen Herrn dahin, daß er ſeinen alten und treuen General hin richten ließ. Darauf ward Nadir der Befehlshaber über alle Truppen ſeines Herrn. Von dem vorigen General wurden allerhand Nachrichten und Briefe ausgeſtreut, die beweiſen ſollten daß er ein Verräther geweſen wäre. Dagegen ward Nadir, der ſich freywillig unterworfen hatte, ja der das Anſehen haben wollte, als hätte er von Anfang an nichts für ſich ſelbſt geſucht, und der ſeinen Herrn nun wieder in den Beſitz von ganz Khoraſſän geſetzt hatte, als ein treuer Diener angeſehen. Der Zulauf zu der Armee des rechtmäßigen Königs, die
jezt von einem tapfern und wachſamen General angeführt ward, war ungemein ſtark; und es ward auch bald eine Provinz nach der andern wieder zum Gehor ſam gebracht. Endlich aber fürchtete Nadir, ein anderer möchte ſich bey dem Regenten einſchmeicheln, und ihn eben ſo aus dem Wege räumen laſſen, als er es mit ſeinem Vorgänger gemacht hatte. Um dieß zu verhindern brachte er es dahin, daß ſein König bey den vornehmſten Officiers lächerlich ge macht, darauf in einer großen Verſammlung förmlich abgeſetzt, ein Prinz, der
noch ein Kind war, und eine ſchwache Geſundheit hatte, wieder als Schaher wählt, und er ſelbſt als Reichsverweſer ernannt ward.
Nach dem Tode des
Nadir Schah brauchten die Rebellen eine ähnliche Politik. Verſchiedene ſuchten einen Abkömmling von der königlichen Familie zu bekommen, (nemlich von einer Princeſſin, die Prinzen von Geblüte waren alle hingerichtet worden, wie be kannt) unter dem Vorwand, daß ſie den auf den Thron ſetzen wollten: und dieſe
hatten gemeiniglich einen viel größern Zulauf als andere Rebellen, die es nicht Mm 3 Vere
278
Veränderung der Religion der Schiiten
1765. verhelten, daß ſie ſelbſt regieren wollten. Dec.
durch dieſen Kunſtgriff gemacht.
Auch Kherim Khän hat ſein Glück
Er bekam einen Knaben mit Namen Ismael
“TT in ſeine Gewalt, deſſen Vater Seiid Muſtafa geheiſſen hatte, und deſſen Mutter eine Tochter des Schah Höſſeins war.
Dieſen nannte er Ismael Schah, er
erwieß ihm im Felde königliche Ehre und verſicherte, er ſuchte die Regierung nicht für ſich ſelbſt, ſondern für dieſen Abkömmling von der alten königlichen Fa milie. Aber jezt, da er von großen Rebellen nichts mehr zu fürchten hat, läßt
er ſeinem Ismael Schah, deſſen Wekil oder Statthalter er ſich nennt, in ei uem Caſtell alle königliche Ehre erweiſen, und regiert übrigens ſelbſt unumſchränkt.*) Nadir regierte als Reichsverweſer bis der junge König ſtarb, und er die
berühmte Verſammlung der Perſer in der Ebene Mogän veranſtaltete.
Hier
rechnete er alle die Dienſte auf, die er dem Reiche erwieſen hatte, und überließ es
den Großen, ob ſie nun Tähmas Schah, der noch am Leben war, wieder zu rückrufen, oder einen neuen König wählen wollten.
Allein er hatte eine Ar
mee von 1ooooo Mann bey ſich, die mit ihm ſehr zufrieden waren, weil ſie unter ſeiner Anführung faſt beſtändig geſiegt, und gute Beute gemacht hatten.
Als nun einer von ſeinen Anhängern, ein angeſehener und beredter Mann, ſeine Meynung dahin äußerte, daß Niemand verdiente dieß Reich zu regieren, als der
General der es den Feinden wieder entriſſen hätte; ſo ward dieſer Vorſchlag von der Armee unterſtützt, und keiner von den Großen, die weiter ſahen, unter ſtand ſich, etwas dagegen einzuwenden. Nadir ſchien ganz gleichgültig zu ſeyn,
ob er oder ein anderer als Schah ernannt werden würde; ja er überließ es den Perſern dieſe wichtige Sache noch weiter zu überlegen, und den zum Könige zu erwählen, den ſie für das Reich am nützlichſten hielten. Er verſicherte dabey, er wünſchte jezt, nachdem er das Glück gehabt hätte die algemeine Ruhe in Per ſien wieder herzuſtellen, nichts mehr, als die übrige Zeit ſeines Lebens in einem Diſtrikte der Provinz Khoraſſän, den er ſich vorbehalten wollte, in Ruhe zu bringen zu können. Nadir *) In einem Anhange zu der deutſchen Ueberſetzung der Geſchichte des MTadir
Schah
VOR
Mohammed Mahadi Khan habe ich umſtändlichere Nachrichten von ZKherim Khän und andern Rebellen gegeben, die nach dem Tode des Tadir Schah in Perſien be rühmt worden ſind.
unter der Regierung des Nadir Schah.
279
Nadir hatte das meiſte, was die benachbarten Mächte und die Rebellen 1765. von dem Reiche abgeriſſen hatten, wieder damit vereinigt, und alſo dem Lande Dec.
große Dienſte geleiſtet.
Wenn man ihn auf den Thron ſetzte, ſo konnte man TT“
erwarten, daß Perſien ſich in ſeiner Größe erhalten würde; wenn man aber den
rechtmäßigen Schah wieder zurück berufen, oder einen von den Khäns, die unter Nadir dienten, wählen wollte, ſo mußte man fürchten, daß die Arme damit nicht zufrieden ſeyn, ſondern ſich gleich zerſtreuen würde; ja daß die verſchiede nen großen Officiers, die, nach morgenländiſcher Manier, ihre eigene Stämme und angeworbene Truppen anführten, die Provinzen wieder unter ſich theilen würden. Die Perſer waren alſo genöthigt Nadir auf den Thron zu ſetzen: und weil er wegen der Wahl ganz gleichgültig zu ſeyn ſchien, ſo hofte man, er würde
bald des Krieges überdrüßig ſeyn, und als Schah nicht nur ſeiner Unterthanen, ſondern auch ſeiner ſelbſt wegen den Frieden ſuchen. Die ganze Armee und die übrige Verſammlung ward unterdeß verſchiedene Tage, da er ſie in der Unge wißheit ließ, ob er die Regierung annehmen wollte, oder nicht, herlich bewirthet. Nicht nur Nadir bekannte ſich zu der Sekte Sunni, ſondern auch ein großer Theil der Armee; denn darunter befanden ſich ſehr viele Aghwanen, Turk mannen, Kurden und Araber, die alle als Sunniten erzogen waren. Man wollte auch bemerkt haben, daß der General dieſe Fremde weit mehr liebte, als die einheimiſchen, welche Schiiten waren. Es war alſo ſehr bedenklich einen König zu wählen, der ſich zu einer fremden Sekte bekannte, und ſo viele von ſeinen Glaubensgenoſſen in der Armee hatte, die alle von ihren eigenen Häuptern angeführt wurden. Allein man hatte eben nicht bemerkt, daß alle dieſe Leute ſich viel um die Religion bekümmerten: und wenn Nadir ihnen mehr gewogen war, ſo glaubte man, es wäre deswegen, weil ſie gröſtentheils von Jugend auf gewohnt waren unter Zelten zu leben, und überhaupt mehr kriegeriſch, und alſo beſſere Soldaten waren als die Perſer, die lieber Ackerbau und Gewerbe in Ruhe treiben, und ſich der Pracht ergeben wollten. Nadir ſelbſt hatte ſich bisher nicht weiter um die Religion bekümmert, als daß er geſucht hatte den
Religionshaß aus ſeiner Armee zu vertreiben, und Einigkeit unter ſeinen Trup pen zu erhalten.
Man hofte er würde als Schah eben ſo tolerant bleiben, als L
2Zo
Veränderung der Religion der Schiiten
1765. er es als General geweſen war. Dec.
Aber darin irrten die Perſer gar ſehr.
Nach
dem er ſie einige Tage hatte warten laſſen, ohne ihnen ſeine Entſchließung be
“TO-T-kannt zu machen: ob er die Laſt der Regierung übernehmen wollte oder nicht, oder vielmehr, nachdem er merkte daß ſie keinen andern wählen konnten als ihn, ſo verſammlete er die Großen des Reichs, und ſtellte den die üblen Folgen vor, die jederzeit durch Religionsſpaltungen entſtanden ſind. Er erinnerte ſie an die blu tige Kriege die deswegen zwiſchen den Türken und Perſern geführt worden ſind; ingleichen daran, daß viele brave Turkmannen, Kurden und Araber in Perſien wohnten die gröſtentheils Sunniten wären; ja daß die Armee womit er die große Anzahl Rebellen wiederum zum Gehorſam gebracht hatte, zum theil aus Sun niten beſtünde. Es wäre unrecht, daß dieſe Befreyer des Königreichs Perſien
als Ketzer verachtet werden *) und es immer hören ſollten, daß die Schiiten die drey erſten Khalifen Abu bekr, Omar und Othman verfluchten. Die Sunniten, ſagte er, beten ſelbige zwar nicht an, allein ſie verehren ihr Anden ken, weil ſie Mohammeds Freunde geweſen ſind, und es Gottes Wille geweſen iſt ſie von den damaligen Mohammedanern, die weder Sunniten noch Schiiten kannten, als Khalifen ernennen zu laſſen. überhaupt können ſie jezt, tauſend Jahre nach ihrem Tode, Niemanden mehr ſchaden; Ali, welcher der vierte Khalif geweſen iſt, kann nicht mehr der erſte, zweyte oder dritte werden, und es iſt daher Aberglaube und Unſinn, daß die Schiiten die erſten Anführer der Gläu bigen und Freunde unſers gemeinſchaftlichen Propheten verfluchen wollen. Wenn ihr euch mit den Sunniten vereinigt, fuhr er fort, ſo wird dadurch nicht nur vieles Blutvergießen verhütet, ſondern ihr thut den Willen Gottes, der den Moham
medanern, die alle einen Gott und einen Propheten glauben, befohlen hat, daß ſie ſich untereinander brüderlich lieben ſollen.
Die Türken haben die Lehre des
Abu Hanifa, die Egypter die Lehre des Schafei, die Africaner die Lehre des Malek, und andere haben die Lehre des Hanbal angenommen; aber alle ſind Sunniten
*) Eben ſo glaubten die Jeſuiten, der König von Habbeſch mit allen ſeinen Unterthanen könnte wohl für beſtändig Römiſchcatholiſch werden, weil die Portugiſen ihm einmal gegen
ſeine mohammedaniſche Nachbarn bey geſtanden hätten. P. Jerome Lobo par le Grand,
Voyage d'Abyſſinie du R.
unter der Regierung des Nadir Schah.
28 I
Sunniten, und ſehen ſich unter einander als Rechtgläubige und als Brüder an. 1765. Die Sekte der Schiiten, ſagte er, iſt neu, ſie hat ſich von den Sunniten ge- Dec. trennt, und dadurch viel Unglück angerichtet. Wenn ihr wahre Mohammeda- TT nerſeyd, ſo müßt ihr ſuchen wiederum Einigkeit unter den Anhängern der Lehre des Propheten herzuſtellen.
Indeß iſt es nicht nöthig, daß ihr euch zu einer
der vier Sekten der Sunniten haltet. Ihr verehrt Dſjafar eſſädik als einen eurer gröſten Imäms, und gegen ſeine Erklärung des Koräns habt ihr nichts einzuwenden, ob ſie gleich älter iſt als die Sekte Schia. Haltet euch bloß daran, und nennt euch mit dem Namen Dſjafarianer die fünfte Sekte der Sun niten. Wollt ihr dieß nicht, ſondern Schiiten bleiben und fortfahren andere
Mohammedaner zu haſſen, ſo verlange ich nicht über Perſien zu herrſchen. Nachdem Nadir dieſen Vorſchlag wegen der Veränderung der Religion gethan hatte, verließ er die Verſammlung um ihr noch ferner Zeit zu laſſen ſich berath ſchlagen zu können: ob ſie ihn oder einen andern auf den Thron erheben wollte.
Unterdeß ſtand die ganze Armee von 1ooooo Mann unter den Waffen. Es fehlte nicht an beredten Männern, die nicht nur des Generals Tapfer
keit und die großen Dienſte die er dem Reiche erwieſen hatte, ſondern auch ſeinen Eifer in der Religion erhoben. Seine Gedanken gegen andere Religionsver wandte fand man gerecht, und ſein ganzes Betragen ſo uneigennützig, daß man glaubte, einem ſo tapfern und rechtſchaffenen Herrn, dem das Wohl der Men ſehen ſo ſehr am Herzen läge, müſſe man alles einräumen was er verlange.
Indeß thaten einige die weiter ſahen, und Nadirs Herz beſſer kannten, den Vorſchlag, man möchte mit einer ſo wichtigen Sache als die Veränderung der Religion eines Landes iſt, nicht gar zu eilig ſeyn, ſondern darüber erſt die Mey
- nung des Schech el Islam (Mufti) vernehmen.
Dieſer erhob die Verdienſte
des Generals um das Reich, und ſagte auch, es wäre Niemand beſſer im Stande die algemeine Ruhe zu erhalten als Nadir, der alle Provinzen wiederum mit einander vereinigt hätte. Allein wegen der Religionsveränderung bat er,
der neue Schah möchte damit nicht anfangen, ſondern dieſe wichtige Sache den
Geiſtlichen zur weitern überlegung übergeben.
Gleich entſtand ein Geſchrey
über den Stolz und den Eigennutz der Geiſtlichen, die ihres Vortheils wegen II. Theil. N n den
282
Veränderung der Religion der Schiiten
1765. den einen Mohammedaner gegen den andern aufbrächten, die immer die Urſache Dec. der Verfolgungen geweſen wären u. ſ. f. und der alte Greis ward von denen die
"TT"kurz vorher ſo menſchlich von fremden Religionsverwandten geredet hatten, nie dergehauen. Run hatte Niemand etwas mehr gegen die Religionsveränderung ein
zuwenden, und Nadir ward zum Schah erklärt.
Er ließ gleich eine Acte
ausfertigen, in der geſagt ward, er hätte ſich auf Bitte der Perſer entſchloſſen die Regierung anzunehmen, nachdem ſelbige freywillig erklärt hätten, daß ſie
ſich mit den Sunniten vereinigen wollten.
Er ſchickte bald darauf Befehl nach
allen Provinzen, daß die Einwohner die drey erſten Khalifen nicht länger ver ſuchen, ſondern ihrer bey jeder Gelegenheit in Ehren gedenken, und daß ſie auch das Feſt Höſſeins nicht mehr feyern; kurz daß ſie nicht länger Schiiten ſeyn, ſon
dern unter dem Namen Dſjafarianer die fünfte Sekte der Sunniten ausmachen ſollten.
Durch dieſen Befehl zeigte Nadir Schah gleich beym Antritt der Regie rung, was die Perſer von ihm zu erwarten hätten. Es fehlte nicht an Geiſtli chen die die Gedanken des neuen Regenten von der Religion vortrefflich fanden, und dieſe wurden dann bald zu den beſten Bedienungen erhoben. Nun redete man ſehr viel von der Menſchenliebe, von der Duldung fremder Religionsver wandten, von Abſchaffung des Aberglaubens u. d. gl. Man nannte die Schii ten dumme Heuchler die deu Korän unrecht auslegten, die abgeſchmackte Ceremo
nien beobachteten, und glaubten ſich durch ihr Weinen und Heulen über den Tod Höſſeins bey Gott einen Verdienſt zu erwerben. Allein wie ſehr die Dſjafaria ner ſich auch bemühten die Anhänger der alten Sekte lächerlich zu machen, ſo
ging es mit der Ausbreitung ihrer neuen Lehre doch immer ſehr langſam; denn durch die Preſſe konnten ſie ſelbige nicht bekannt machen, und ſie hatten, überhaupt ge nommen, nur wenige Bedienungen an ihre Anhänger zu vergeben, weil die Fa milie des Stifters einer Mosqué gemeiniglich auch ſelbſt alle Bediente bey derſel ben ernennt. Sie mochten es den Schiiten ſo oft vorpredigen als ſie wollten,
daß es abgeſchmackt und unmenſchlich wäre auf die dreyerſten Khalifen zu fluchen,
und den Tod des Höſſeins noch jezt zu beweinen, ſo hatten ſelbige nun anfer ſtere ſchon ſo viele Jahre geſchimpft, daß ſie ſie nicht auf einmal als "chtſchaffeneLeute anſehen
unter der Regierung des Nadir Schah.
283
anſehen konnten: und da ſie ſo oft im Weinen über den Tod des Enkels ihres I765. Propheten Troſt gefunden hatten, ſo wollten ſie ſich den auch nicht nehmen laſſen. Dec. Man beobachtete dagegen die Handlungen der Dſafarianer, und fand bald, daß TT ſie mit der Religion nicht ihr Herz verbeſſert hätten. Wenn man die Geiſtlichen der Schiiten beſchuldigte, daß ſie ehrgeizig wären, ſo bemerkte man daß die Dſafa rianer gleichfals gern fette Pfründe und Anſehen ſuchten. Beſchuldigte man jene des Aberglaubens, ſo beſchuldigte man dieſe des Unglaubens, da man bemerkt
haben wollte, daß ihre Geiſtlichen die Mosqué nur beſuchten, weil ſie davor be zahlt wurden, und daß die weltlichen ſich wenig um die Religion bekümmerten,
indem ſie ſich einbildeten ſchon weit gekommen zu ſeyn, da ſie nicht mehr aber gläubig wären. Wenn man es den Schiiten zur Laſt legte, daß ſie geſchworne Feinde von fremden Mohammedanern wären, ſo tadelte man es eben ſo ſehr, daß die Dſjafarianer, die ſo freundſchaftlich gegen fremde Mohammedaner zu ſeyn vorgaben, nun die ärgſten Feinde von den Anhängern der Sekte ihrer eigenen
Vorfahren wären. Man fand beſonders letzteres gar nicht mit ihren Lehren übereinſtimmend. Man nannte Nadir Schah einen Ketzer, einen Ungläubigen der die Familie ihrer rechtmäßigen, und ihrer Meynung nach rechtgläubigen Kö nige verdrängt, und ſich des Throns mit Liſt und Gewalt bemächtigt hätte. Die
Unterthanen ennpörten ſich, wenn ſie nur Gelegenheit darzu fanden. Nadir hergegen, der ſich als einen Befreyer der Perſer von dem Joche der einheimiſchen
Tyrannen ( worzu er nur ſich ſelbſt nicht mitrechnete ) der Aghwanen, Türken und Ruſſen anſah, ja der ſich das Anſehen geben wollte, als hätte er
ſich nur auf ihre Bitte überreden laſſen die Krone anzunehmen, hielt die Perſer für undankbar. Er ſtrafte die Rebellen: und da demohngeachtet immer neue
Aufrührer entſtanden, gegen welche er allezeit glücklich war, ſo ward er nach und nach ein ſehr grauſamer Tyrann. Hätte Nadir Schah keine Veränderung mit der Religion vorgenommen, ſo würden ſeine Unterthanen mehr Liebe für ihn ge
habt, und er würde wahrſcheinlich auch den türkiſchen Sultän haben abſetzen, und Conſtantinopel plündern können, wie er den Mogol wirklich abgeſetzt und Dehli
geplündert hat. So aber war ſein ganzes Leben ein beſtändiger Krieg. Er hatte nicht allein mit auswärtigen Feinden, ſondern auch beſtändig mit Rebellen N n 2
zU
284
Veränderung der Religion der Schiiten
1765. zu ſtreiten, und endlich ward er, nachdem er das Land, ohngeachtet er immer Dec. ſiegte, ganz arm gemacht und entvölkert hatte, des Nachts in ſeinem Zelte er “TT-mordet. Eigentlich bekümmerte Nadir Schah ſich wohl gar nicht um die Religion, ſondern folgte nur ſeinen Hauptleidenſchaften, Stolz, Herrſchſucht und Geiz. Man ſagte, er ſey gar Willens geweſen, aus der mohammedaniſchen , der chriſt
lichen und der jüdiſchen Religion eine algemeine Religion zu machen; er habe zu dieſer Abſicht das neue Teſtament von einem catholiſchen Mönch, und die Bü
cher Moſes von Juden ins perſiſche überſetzen laſſen, und mohammedaniſchen Gelehrten aufgetragen, daraus und aus dem Korän ein neues Geſetzbuch zu ma chen. Ob dieß gegründet ſey, kann ich nicht behaupten. Daß er aber ſehr ernſtlich daran gearbeitet hat, die Sekten der Sunniten und der Schiiten mit
einander zu vereinigen, davon hat Mohammed Mahadi Khän uns umſtänd lich Nachricht gegeben.
In der gewiſſen Erwartung, der Sultän würde ge
gen die Errichtung der 5ten ſunnitiſchen Sekte nichts einwenden, weil Dſjafar, ſo wie Abu Hanifa und die übrigen orthodoxen Lehrer, vor der Entſtehung der
Sekte Schia gelebt hätte, ſchickte er gleich nach ſeiner Gelangung zum Throne, einen Geſandten mit folgendem Auftrage nach Conſtantinopel: *) 1)" Daß zufolge deſſen, daß wir unſere vorigen Meynungen verworffen, " und die Lehre der Sunniten angenommen haben, auch die hohe Würde des
" Dſafar des Wahren, auf dem der Friede des Herrn ruhe! erkennen, die ” türkiſchen Gelehrten und Lehrer unſern Beytritt beſtätigen, und uns als die " fünfte Sekte anſehen. «
2)" Daß man, da in dem heiligen Tempel zu Mekke vier Gebethäuſer
" zur Ehre der vier Sekten vorhanden ſind, *) noch eins zur Ehre des Dſjafar " errichten laſſe. «
3) " Daß, wenn alle Jahre ein Emir Hadſch oder Anführer der Pil "grimme, aus Perſien in Geſellſchaft der egyptiſchen und ſyriſchen Emirs zur " Verthei *) Geſchichte des Tadir Schah von Mohammed Mahadi Khan S. 237. der deutſchen Ue berſezung.
") Beſchreibung von Arabien S. 362.
unter der Regierung des Nadir Schah.
285
" Vertheidigung der perſiſchen Pilgrimme abgeſchickt werde, ſich Abſeiten der 1765.
" Pforte noch ein Emir mit dieſen zu gleicher Abſicht vereinige. «*) Dec. 4)" Daß alle Gefangene aus beyden Reichen losgegeben, und ein TT“ " freyer Handel zwiſchen beyden Nationen ſeyn ſolle. «
5)” Die Beherrſcher beyder Reiche werden an den gegenſeitigen Höfen
" Abgeſandte halten, um die Angelegenheiten zu beſorgen, und den Frieden ” zwiſchen ihnen zu befeſtigen. « Der Sultän bewilligte die beyden letzten Punkte gleich, entſchuldigte ſich aber daß er den Vorſchlag wegen der neuen Sekte nicht annehmen, und ihr kein Gebethaus zu Mekke verſtatten könnte. Wegen der perſiſchen Pilgrimme ſchlug
er vor, daß ſelbige ihren Weg nicht durch Syrien nehmen, ſondern über Meſched Ali gerade durch die Wüſte nach Mekke reiſen ſollten, da unterdeß der Paſcha zu Bagdäd für die Sicherheit des Weges ſorgen, d. i. ihnen einen Karwänbaſchi
mitgeben würde. Ich erinnere mich wegen dieſes Artikels zu Bagdäd gehört zu haben, die Türken hätten gefürchtet, es möchte dem Nadir Schah ſelbſt oder einem künftigen perſiſchen Regenten einfallen, eine Pilgrimsreiſe mit ſeiner Armee zu machen, und bey dieſer Gelegenheit nicht nur alle ſunnitiſche Pilgrim me zu Mekke, ſondern auch die Kabá und Mohammeds Grab zu plündern, und
Syrien zu erobern. Ungegründet war dieſe Furcht nicht. Es wurden der erwähnten beyden Punkte wegen noch verſchiedene Geſandte von Perſien nach Conſtantinopel, und von hier nach Perſien geſandt; Nadir ſchrieb ſogar an den Sultän: "Er
" wäre entſchloſſen, ſich ſelbſt mit freundſchaftlichen und brüderlichen Geſinnun ” gen nach der Türkey zu
begeben ,
weil er hofte, daß in einer Unterredung zwi
"ſchen ihm und dem Sultän dieſe große Sache zur beyderſeitigen Befriedigung * würde abgemacht werden; « allein die Sache blieb beſtändig beym alten. Es ward nur ein türkiſcher Karwänbaſchi von Bagdäd gerade nach Mekke geſandt, und mit dieſem reiſeten die perſiſchen Pilgrimme. Als die Türken die von Nadir Schah vorgeſchlagene Sekte der Dſafaria
ner gar nicht unter die rechtgläubigen Sunniten aufnehmen wollten, ſo machte er Nn 3
endlich
*) In dem perſiſchen Original ſteht vielleicht, daß, da alle Jahre türkiſche Anführer die
P
grimme von Syrien und Egypten begleiten, auch ein perſiſcher Anführer mit den per ſiſchen Pilgrimmen möge reiſen dürfen.
286
Reiſe von Kerbela nach Helle.
1765. endlich ſelbſt (im Jahr 1743) eine Pilgrimsreiſe nach Meſched Ali.
Hier ver
Dec. ſammlete er nicht allein Gelehrte aus Perſien, die alſo urſprünglich Schiiten “TT waren, ſondern auch aus Aghwaneſtän, Balk und der Bukarey, wo die Ein wohner Sunniten ſind. Dieſe muſten von der Urſache, warum er die Sekte Schia abſchaffen wollte, und von allen Unterhandlungen mit dem türkiſchen Sul tän, einen weitläuſtigen Bericht auſſetzen, und das neue Glaubensbekenntniß
hinzufügen. *)
Alles dieß ward von den gegenwärtigen Gelehrten von beyden
Partheyen unterſchrieben. Eine Abſchrift ward in der hieſigen Mosqué nieder gelegt, und andere wurden in Perſien öffentlich bekannt gemacht. Aber aller dieſer Bemühungen des Nadir Schah ungeachtet, ſind die Perſer ſowohl als die Einwohner zu Meſched Ali und Meſched Höſſein, doch immer Schiiten geblieben, und jezt vielleicht ſchlechtere Mohammedaner als vorher. Nach dieſer Ausſchweiffung von Nadir Schah und ſeiner Manier zu bekeh
ren, komme ich wiederum auf die Beſchreibung meiner eigenen Reiſe.
Ich
ging am 3oſten December in Geſellſchaft von etwa 2 oo Pilgrimmen von Me
ſched Höſſein oder Kerbela nach Helle zurück. Viele die vor dem Vollmond nicht zu Meſched Ali geweſen waren, reiſeten ihrer Andacht wegen jezt dahin, und andere nahmen den Weg von Kerbela gerade nach Bagdad. Der Weg von Meſched Höſſein nach Meſched Ali wird auf 7 Stunden oder 5 deutſche Meilen gerechnet. Etwa eine Meile von der zuerſt erwähnten Stadt ſieht man lauter Dattelgärten; nachher iſt der Weg ſandigt, und man trift kein Gebäude
an, als nur Chan Kneſä, eine Karwanſero nicht weit von Kefil. zelne Reiſende iſt er gemeiniglich unſicher.
Für ein
Zu meiner Zeit kamen einmal Leute
nach Meſched Höſſein zurück die von den Arabern, und an dem folgenden Tage andere, die ſelbſt von den Reutern des Paſcha, welche für die Sicherheit des
Weges ſorgen ſollten, geplündert worden waren.
Die Reiſende hatten alles
abgegeben was ſie von einigem Werth bey ſich hatten, ihr Gewehr nicht ausge nommen, und ſo hatte man ſie wieder gehen laſſen. Der Weg von Kerbela
nach Bagdad wird auf 16 Stunden gerechnet, nemlich: 5 Stunden bis Mu
ſeib, ein Dorf am Euphrat wo man eine Schiffbrücke findet; 4 Stunden bis zu.
*) Geſchichte des Nadir Schah S. 372. der deutſchen Ueberſetzung.
:
Anmerkungen zu Helle.
287
zu einer Karwanſeroj mit Namen Bir u nus, und von hier auf dem Wege von 1765, Helle noch 7 Stunden bis Bagdäd.
Die Stadt sa- Helle liegt unter der Polhöhe 32“. 28 . 3o”. an der TT“ Weſtſeite des Euphrats, und iſt jezt noch ziemlich weitläuftig, aber voller Dat telgärten. Nur wenige Häuſer ſind von gebrannten Steinen gebaut. Zu den
übrigen hat man nur Ziegelſteine gebraucht, die bloß in der Sonne getrocknet worden ſind. Innerhalb der Stadt iſt nur eine Dſamea oder Mosqué mit einem Minäre. Außerhalb ſieht man noch ein paar andere, wovon die, welche man
Meſched eſſchäms nennt, bey den Schiiten berühmt iſt, und vielleicht nur des wegen unterhalten wird. Denn als Ali einmal ſein Morgengebet verzögerte, und die Sonne (ihrer Erzählung nach) ſo höflich war, zwey Stunden ſpäter aufzugehen,
ſo ſoll er ſein Gebet auf eben der Stelle gehalten haben, wo nachher die Meſched
eſſchäms d. i. die Mosqué der Sonne gebaut worden iſt.
Wenn ein recht from
mer Schiit ein gewiſſes Gebet, das an Ali gerichtet iſt, herfagt, ſo ſoll der
Minäre dieſer Mosqué ſich jezt bewegen, gleichſam als wenn er ſeinen Beyfall geben will. Dieß haben verſchiedene mich verſichern wollen. Allein nach ge nauerer Erkundigung: ob ſie ſelbſt die Probe gemacht hätten? waren auch alle ſo beſcheiden, ſich für zu unwürdig zu halten, als verlangen zu wollen, daß der
Thurm ſich auf ihr Gebet bewegen ſollte.
Der Häkim (Gouverneur) dieſer
Stadt ſteht unter dem Paſcha von Bagdäd. Letzterer hat hier allezeit auch einen Zollverwalter, der eine anſehnliche Bedienung hat, weil die Kaufleute zu Basra und Bagdäd ihre Waaren gemeimiglich lieber dieſen Weg, als auf dem Tiger
von einer Stadt zur andern ſenden. Das Amt des Kadi zu Helle ſcheint erblich zu ſeyn; denn der, welcher es zu meiner Zeit bekleidete, hatte es ſchon ſeit vie
len Jahren, und ſein Vater war hier auch Kadi geweſen. Der Euphrat iſt bey dieſer Stadt ohngefehr 400 Fuß breit. Über demſelben liegt eine ſchfechte Brücke auf 32 kleinen Fahrzeugen, die durch Ketten mit einander verbunden ſind. Jezt war der Fluß am allerniedrigſten. Am Ende des Decembers oder im Anfang des Januars aber fängt er wieder an zu ſteigen.
Daß Babylon in der Gegend von Helle gelegen habe, daran iſt gar kein Zweifel, Denn nicht nur die Einwohner nennen dieſe Gegend noch bis auf den heutigen
Anmerkungen zu
288
Helle
heutigen Tag Ard Babel, ſondern man findet hier auch noch überbleibſel von
17 65.
Dec. einer alten Stadt, die keine andere als Babylon geweſen ſeyn kann.
Nach
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letztern zu urtheilen ſcheint es gar, daß Helle innerhalb der Ringmauer des alten Babylon liege. Wenn man aber von babyloniſchen Alterthümern redet, ſo muß man keine ſolche prächtige Denkmähler erwarten, als man noch in Perſien und
Egypten antrift.
Zu Perſepolis fand man den prächtigſten Marmor dicht bey
der Stadt, ja in dem Hügel worauf der berühmte Palaſt gebaut ward.
Der
Kalkſtein, woraus die großen Pyramiden in der Nähe von Kähira aufgeführt ſind, iſt auch auf der Stelle gebrochen; überdieß findet man von hier nach Süden überall nicht weit vom, und oft dicht am Nil Kalkſteingebürge, und in dem ſüd lichſten Theil von Egypten gar Granitgebürge dicht am Fluſſe. Am Euphrat und Tiger hergegen, von dem perſiſchen Meerbuſen an bis Helle und Bagdad und noch viel weiter nordlich, findet man dergleichen nicht, ſondern blos Marſch land. Wenn die Babylonier mit gehauenen Steinen hätten bauen wollen, ſo hätten ſie ſolche ſehr weit holen müſſen, und dieß würde zu koſtbar geworden ſeyn. Sie bauten daher ihre beſten Häuſer von Ziegelſteinen etwa von der Dicke der unſrigen und einen Fuß im Viereck, und dieſe brannten ſie ſo gut als ich je mals Ziegelſteine geſehen habe. Hätten ſie dieſe Steine mit Kalk gemauert, ſo
würde man auch noch viel mehrere Überbleibſel von ihren Gebäuden finden, als jezt noch vorhanden ſind. So aber legten ſie ſie in eine ſchlechtere Materie, die nicht ſo ſtark bindet, und daher hat man die alten Gebäude nach und nach abge tragen, um davon in den benachbarten Städten und Dörfern am Euphrat !! Ue
Häuſer zu bauen.
Selbſt eine große und ſchöne Karwanſeroi zu Helle, in wel
cher ich wohnte, war erſt vor einigen Jahren von dieſen Steinen gebaut worden. Von dem Caſtell und den berühmten hängenden Gärten, die, nach dem
Berichte des Strabo und anderer griechiſchen Schriftſteller dicht am Euphrat la geu, ſieht man, meiner Meynung nach, überbleibſel # einer deutſchen Meile nach Nordnordweſt von Helle, und dicht an dem öſtlichen Ufer des Fluſſes. Alles beſteht nur aus großen ganz durchgewühlten Hügeln. Die Mauern über der Erde ſind ſchon längſtens weggetragen. Aber Grundmauern ſind noch übrig,
und ich ſelbſt habe hier Leute gefunden die Steine ausgruben um ſie nach Helle zu -
bringen.
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Anmerkungen zu
288
Helle
1765. heutigen Tag Ard Babel, ſondern man findet hier auch noch Überbleibſel von Dec. einer alten Stadt, die keine andere als Babylon geweſen ſeyn kann.
Nach
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zu urtheilen ſcheint es gar, daß Helle innerhalb der Ringmauer des alten Babylon liege. Wenn man aber von babyloniſchen Alterthümern redet, ſo muß man keine ſolche prächtige Denkmähler erwarten, als man noch in Perſien und
Egypten antrift.
Zu Perſepolis fand man den prächtigſten Marmor dicht bey
der Stadt, ja in dem Hügel worauf der berühmte Palaſt gebaut ward. Der Kalkſtein, woraus die großen Pyramiden in der Nähe von Kähira aufgeführt ſind, iſt auch auf der Stelle gebrochen; überdieß findet man von hier nach Süden überall nicht weit vom, und oft dicht am Nil Kalkſteingebürge, und in dem ſüd lichſten Theil von Egypten gar Granitgebürge dicht am Fluſſe. Am Euphrat und Tiger hergegen, von dem perſiſchen Meerbuſen an bis Helle und Bagdad und noch viel weiter nordlich, findet man dergleichen nicht, ſondern blos Marſch land. Wenn die Babylonier mit gehauenen Steinen hätten bauen wollen, ſo hätten ſie ſolche ſehr weit holen müſſen, und dieß würde zu koſtbar geworden ſeyn. Sie bauten daher ihre beſten Häuſer von Ziegelſteinen etwa von der Dicke der unſrigen und einen Fuß im Viereck, und dieſe brannten ſie ſo gut als ich je mals Ziegelſteine geſehen habe. Hätten ſie dieſe Steine mit Kalk gemauert, ſo
würde man auch noch viel mehrere Überbleibſel von ihren Gebäuden finden, als jezt noch vorhanden ſind.
So aber legten ſie ſie in eine ſchlechtere Materie, die
nicht ſo ſtark bindet, und daher hat man die alten Gebäude nach und nach abge tragen, um davon in den benachbarten Städten und Dörfern am
Häuſer zu bauen.
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Selbſt eine große und ſchöne Karwanſeroj zu Helle, in wel
cher ich wohnte, war erſt vor einigen Jahren von dieſen Steinen gebaut worden.
Von dem Caſtell und den berühmten hängenden Gärten, die, nach dem Berichte des Strabo und anderer griechiſchen Schriftſteller dicht am Euphrat la geu, ſieht man, meiner Meynung nach, überbleibſel # einer deutſchen Meile nach Nordnordweſt von Helle, und dicht an dem öſtlichen Ufer des Fluſſes. Alles beſteht nur aus großen ganz durchgewühlten Hügeln. Die Mauern über der Erde ſind ſchon längſtens weggetragen. Aber Grundmauern ſind noch übrig,
und ich ſelbſt habe hier Leute gefunden die Steine ausgruben um ſie nach Helle zu -
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Anmerkungen zu Helle. bringen.
289
Anſtatt daß man in der ganzen Gegend, von dem perſiſchen Meerbu-1765.
ſen an bis nach Kerbela, faſt keinen Baum ſieht als Dattel- und andere Frucht-
Dec.
bäume, ſo trift man zwiſchen dieſen Hügeln von Ruinen hin und wieder einen TT“ andern Baum an, der ein hohes Alter zu haben ſcheint. Kleine durchwühlte Hügel voller Scherben von Mauerſteinen ſieht man in dieſer ganzen Gegend an beyden Seiten des Euphrats.
Südweſtlich von Helle 1 Meile, und alſo an der Weſtſeite des Euphrats Hier iſt ein ganzer Hügel von
ſieht man noch andere überbleibſel von Babylon.
den erwähnten ſchönen Mauerſteinen, und oben auf demſelben ſteht ein Thurm der, wie es ſcheint, auch inwendig ganz mit gebrannten Mauerſteinen ausge füllt iſt. Aber die äußern Steine ſind, wer weis wie viele Fuß dick, durch die Zeit verlorengegangen. In dieſer dicken Mauer oder vielmehr in dieſem großen Steinhaufen ſind hin und wieder kleine Löcher, die ganz durchgehen; vermuth
lich damit die Luft frey durch ſpielen, und ſich in der Mitte keine Feuchtigkeit ſammlen könne, die dem Gebäude zulezt würde geſchadet haben. Zu der Zeit als Babylon noch im Flor, und die ganze umliegende Gegend bebaut war, muß auf dieſem Thurm eine vortreffliche Ausſicht geweſen ſeyn; denn am Fuße deſſel
ben ſieht man Meſched Ali, welche Mosqué doch wenigſtens 8 Stunden von hier entfernt iſt.
-
Ich ſah dieſen Thurm oder Steinhaufen ſchon auf meiner erſten Reiſe nach Helle, da ich ihn für einen alten Wartthurm hielt. Meine Begleiter nannten ihn Birs d. i. Nimrod, und erzählten, daß ein König dieſes Namens hier einen
großen und prächtigen Palaſt gebaut; daß er, wenn es donnerte, Pfeile in die Luft geſchoſſen habe, als wenn er mit Gott Krieg führen wollte; daß er ſich ge rühmt habe er hätte Gott verwundet, wobey er einen Pfeil vorzeigte, der blutig aus der Luft wieder herunter gefallen wäre; daß Gott ihn zulezt mit In
ſekten geſtraft habe, die ihn dermaßen verfolgten, daß er ſelbſt in dieſem Palaſt nicht Ruhe vor ihnen gehabt, ſondern von dieſen kleinen Thieren getödtet worden wäre u. ſ. f. Zu Helle hatte ich keine Gelegenheit mit mohammedaniſchen Ge lehrten bekannt zu werden, außer mit dem Kadi, und dieſer wußte von Birs und ſeinem Palaſt auch nichts mehr als die erwähnte Fabel. Nachdem ich II. Theil. Oo aber
Anmerkungen zu Helle.
29O
1765. aber wieder geleſen habe, was Herodot im erſten Buch § 17o von dem Tem Dec. pel des Belus und ſeinem feſten Thurm aufgezeichnet hat, ſo iſt es mir ſehr
“TT wahrſcheinlich geworden, daß ich davon hier überbleibſel wieder gefunden habe, und ich wünſche daher, daß einer meiner Nachfolger ſelbige genauer unterſuchen und beſchreiben möge. Ich machte die Reiſe dahin ganz allein mit einem Wegwei ſer; hatte mich aber bey dieſem Steinhaufen nur wenig umgeſehen, als ich einige Araber auf mich zu reiten ſah, und es für das ſicherſte hielt, wieder nach der Stadt zurück zu reiten.
Hätte ich damals vermuthet, daß ich bey dem baby
loniſchen Thurm wäre, ſo würde ich mehr gewagt haben. So aber hielt ich es uicht für rathſam, mich wegen eines Steinhaufens plündern zu laſſen, oder des wegen eine zweyte Reiſe zu machen. In der Nähe von dieſem Thurm ſieht man zwey kleine Gebethäuſer (Kub bets) die ohngefehr vor 4oo Jahren gebaut, und zum theil wieder verfallen ſind. An denſelben ſind kleine Aufſchriften von gebrannter Thonerde merkwür
dig. Es iſt bekannt, daß die Babylonier ihre aſtronomiſchen Beobachtungen auf gebrannten Steinen auf die Nachwelt gebracht haben. Europäiſche Gelehrte haben daraus den Schluß machen wollen, daß ſelbige nur wenige oder gar keine
Gelehrſamkeit gehabt haben können. *)
Allein wenn ſie ſich der oben erwähn
ten Manier bedient haben, ſo bin ich von anderer Meynung. Denn zu Bag däd und in andern Städten dieſer Gegend, wo gehauene Steine ſelten und koſt bar ſind, ja gar in Perſien, wo man mit wenigen Koſten den ſchönſten Marmor haben kann, findet man gleichfals Aufſchriften von gebrannten Steinen: und man kann weder behaupten, daß die Araber und Perſer keine andere Materialien
zum Schreiben gehabt haben, uoch daß ſie mit den Wiſſenſchaften unbekannt ge weſen ſind.
Man kann daraus vielmehr den Schluß machen, daß die Baby
lonier es in der Schreibkunſt und den Wiſſenſchaften ſchon ſehr weit gebracht ha ben
*) Der gelehrte Bryant ſagt unter andern: Jeannot help forming a judgment of the lear ning of a people from the materials with wich it is expedited and carried on and J ſhould tink that litterature muſt have been very ſcanty, or none at all where the means abovementioned were applied to &c.
Reiſe von Helle nach Bagdad.
29 I
ben müſſen. Denn eine Nation die Buchſtaben ſchneiden, formen und ſo gut 1766. brennen kann, daß ſie neben einander eingemauert (wie der Sezer ſeine Form Januar.
mit Buchſtaben ausfüllt) noch nach 6 bis 700 Jahren lesbar ſind, (ſo alt habe“TT“ ich Aufſchriften dieſer Art geſehen) die kann in der Kunſt zu ſchreiben gewiß nicht mehr unerfahren ſeyn. Und wenn die Babylonier Nachrichten von wichtigen Him melsbegebenheiten auf dieſe Art aufzeichnen wollten, ſo gehörte darzu doch wohl mehr Wiſſenſchaft als zu ihren übrigen Aufſchriften, wodurch ſie der Nachwelt etwa wiſſen ließen, wer ein Gebäude aufgeführt hatte. Die gewöhnlichen Schreibmaterialien der Babylonier mögen wohl ſchlecht, und zum aufbewahren unbequem geweſen ſeyn; ihre Sternkundige mögen durch lange Erfahrung wohl gefunden haben, daß wichtige Beobachtungen verloren gegangen, oder durch vöfteres Abſchreiben verfälſcht worden; ſie handelten daher ſehr weislich wenn ſie ſelbige einmauerten. Waren ſolche Aufſchriften der freyen Luft ausgeſezt, ſo
brauchten ſie etwa nur alle 5 bis 600 Jahre, in einem Gebäude aber wo ſie nur einigermaßen in Acht genommen wurden, wohl erſt nach tauſend und mehr Jahren erneuert zu werden. Ein Mohammedaner hat in dieſer Gegend dem Propheten Elias zu
Ehren eine kleine Kubbe gebaut, und der gemeine Mann glaubt daß der er wähnte Prophet hier begraben ſey.
Dieß aber iſt eben ſo ungewiß, als daß
Hiobbey einer Quelle, eine halbe Stunde ſüdlich von Helle, gewohnt habe. Die Juden beſuchen weder die Kubbe über dem vermeynten Grabe Elias, noch die über der Quelle des Nebbi Ejüb.
1766 am 5ten Januar reiſete ich von Helle.
Der Weg von hier nach
Bagdäd geht faſt gerade nach Norden (Tab. 41.) nemlich bis M'havie 4 Stun den, von hier bis Scanderie 4 Stunden, weiter bis Birunus 3 Stunden, von da bis Chän aſſad 3 Stunden und von Chän aſſad nach Bagdäd 4 Stun den.
An jedem der erwähnten Hrter findet man eine große Karwanſeroj, wo
von ein reicher Kaufmann erſt vor einigen Jahren zwey, und überdieß noch eine
ſchöne Brücke nahe bey Bagdad hat bauen laſſen.
In Europa würde man
einem ſolchen Mann für ſeine Verdienſte um das algemeine Beſte Ehrenzeichen
gegeben haben.
Soleiman Paſcha dagegen ſoll ihn genöthigt haben, ihm eine Oo 2
große
292
Reiſe von Helle nach Bagdad.
1766. große Summe Geldes zu leihen, die wohl niemals wieder bezahlt worden iſt. Januar. Bey jedem der vier erwähnten großen Karwanſerojs liegen nur wenige Hütten.
“TT-Öſtlich von M'havie iſt ein Dorf gleiches Namens, und zwiſchen Bir unus und Chan aſſad liegt ein Dorf Mahamüdi, das erſt vor wenigen Jahren von Adile Chatün, der Gemahlin des Soleiman Paſcha angelegt worden iſt. Das übrige Land liegt alles wüſte. Indeß iſt der Boden überall ſehr fruchtbar, und könnte mit weniger Mühe und Koſten aus dem Euphrat und dem Tiger gewäſſert wer den, wenn es dem Lande nicht an Einwohnern, und dieſen an Vermögen fehlte. Die beyden Flüſſe nähern ſich hier ſo ſehr, daß ſie einige Meilen nördlich von
Bagdad, wie man mich verſichert hat, nur 6 Stunden von einander entfernt ſind.
Ein Reiſender kann die 13 bis 14 Meilen zwiſchen Helle und Bagdäd im Sommer bequem in 2 Tagen, und im Winter in 3 Tagen zurücklegen. Weil es aber ſtark regnete, und ich eben nicht eilte, ſo brauchte ich darzu 4 Tage. Während dieſer ganzen Zeit hatte ich keine andere Reiſegefährten als einige Maul eſeltreiber, die Kaufmannswaaren nach Bagdäd brachten. Dieſe hatten ſo viele liederliche Schimpfwörter als ich nirgends auf meiner ganzen Reiſe von Moham
medanern gehört habe. Anſtatt daß andere Araber ihre Weiber und Töchter gar nicht zu nennen pflegen, ſo wünſchten dieſe ſich alle Augenblicke daß ſelbige ver unehrt werden möchten; ſie nannten der andern Mütter, Großmütter bis ins
fünfte und ſechſte Glied mit den ſchändlichſten Namen, und dieß alles im Scherz. Die Katerdſſi waren von Helle oder dem alten Babylon, wo die Sitten ſchon in den älteſten Zeiten verdorben waren. Man könnte daraus vielleicht den
Schluß machen, daß ſie die Sitten ihrer Vorfahren noch nicht abgelegt haben. Allein ich habe die übrigen Einwohner zu Helle nicht von andern Mohammedanern ver ſchieden gefunden: und überhaupt kann man die Sitten einer ganzen Stadt nicht nach den Sitten der Mauleſeltreiber, der geringſten Claſſe von Leuten, beurtheilen.
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Anmerkungen zu Bagdad.
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D. Stadt
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Mos? Bagdäd liegt in der Provinz C-JLS Chäles unter der Pol
höhe 33“. 2 o. an dem öſtlichen Ufer des Tigers, und iſt die Reſidenz eines Paſcha vom erſten Range.
Sie iſt an der Landſeite mit einer Mauer von gebrannten
Ziegelſteinen umgeben.
Ein großer Theil innerhalb derſelben liegt gänzlich un
bebaut und wüſte. Doch iſt der bewohnte Theil dieſer Stadt ſehr ſtark bebaut, beſonders in der Gegend des Fluſſes und des Seroj (Palaſtes) des Paſcha, wo
man die meiſten Baſärs (Marktſtraßen) findet.
Bagdad iſt daher in Verglei
chung mit den meiſten der übrigen
morgenländiſchen Städte, in welchen man viele Gärten findet, ſehr Volkreich. Die Straßen ſind nur ſchmal, und die vornehmſten Baſars ſind alle gewölbt. Man findet hier auch, wie zu Káhira, viele Nebenſtraßen, die alle Abend verſchloſſen werden. Die meiſten Häuſer ſind von gebrannten Ziegelſteinen gebaut, und ziemlich hoch. Sie haben,
nach mohammedaniſcher Bauart, nach der Seite der Straße nur wenige oder gar keine Fenſter, und ſind alſo von außen unanſehnlich. Inwendig aber iſt gemeiniglich ein kleiner eingeſchloſſener viereckigter Platz, gegen welchen die mei ſten, und allezeit die beſten Zimmer Ausſicht haben. Dieſe morgenländiſche Bauart ſcheint die vornehmſte Urſache zu ſeyn, daß man ſich hier im Sommer ſo ſehr über die Hitze beſchwert. Denn, wenn die Sonne hoch ſteht, ſo ſind alle die kleinen, mit hohen Mauern umgebene viereckigten Plätze gleichſam ſo viele Backöfen, worin die Hitze faſt unerträglich wird, weil man in denſelben nicht einmal Zugwind haben kann. Jeder Einwohner von einiger Bedeutung hat
deswegen unter ſeinem Hauſe einen Serdap, d. i. ein hohes gewölbtes Zimmer im Keller, mit einem Ventilator, einer Art Schorſtein, der oben eine weite Öfnung nach Norden hat; denn auch hier, wie zu Kähira und auf der Inſel
Charedſch kömmt der Wind in der heiſſeſten Jahrszeit gemeiniglich aus dieſer Ge gend. Im Winter friert es zu Bagdäd freylich nicht ſo ſtark, als in unſern Ländern. Wir ſahen aber doch im Anfang des Februar Eis, das einen halben Finger dich war.
Dieſe Witterung nannte man eine erſtaunliche Kälte, und Oo 3 NIMM
Anmerkungen zu Bagdäd.
294
man wollte verſichern, daß in ein paar Nächten in der Stadt ſelbſt über 2 o Menſchen erfroren wären. Ganz unwahrſcheinlich iſt dieß eben nicht, wenz man bedenkt, daß die Armen in dieſen Ländern faſt nackend gehen, und des Nachts zum theil an den Straßen liegen.
Um dem Leſer von der Lage und Größe dieſer Stadt einen deutlichen Be grifzu geben, habe ich davon auf der Tabelle XLIV einen Grundriß entwor
fen.
Sie hat nach der Landſeite 3 Stadtthore.
Bey 1. iſt Bäb Maäddem.
Dieß hat ſeinen Namen von Abu Hänifa, dem die Sunniten den Beynamen Adem, d. i. den geehrten, beylegen, und deſſen Begräbniß nur eine halbe Stunde von dieſem Thor entfernt iſt. Bäb wuſtäni oder das mittlere Thor liegt bey 2.
Ein großer Thurm bey 3, den man el Talism nennt, hatte eh
mals auch ein Stadtthor.
Als aber Snltän Muräd (Amurath) Bagdäd von
den Perſern erobert, und durch ſelbiges ſeinen Einzug gehalten hatte, ließ er es
gleich zumauern, und ſeitdem iſt es nicht wieder geöfnet worden. *) Karolog Kapi liegt bey 4. Dann iſt vor der Brücke bey 5. auch ein Thor das man Bäb Dſüſſer oder das Brückenthor nennt. Auf jedem der zehn Baſtionen oder großen Thürmen, die man in der Stadtmauer ſieht, liegen 6 bis 7 Cano nen, aber nicht die Hälfte davon hat Lavetten. Zudem ſind die Thürme für
ſo viele Canonen zu klein.
Auf Karolog kapi, Talism und Bäb wuſtäni liegt kein
-
*) Ich copirte hier eine weitläuftige Aufſchriſt, woraus erhellt, daß der Khalif Taſer den Bau dieſes Thurms im Jahr der Hedſjera 618 (122 1) vollendet habe. So alt
ſcheint alſo das jezige Bagdäd zu ſeyn
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Anmerkungen zu Bagdad. kein grobes Geſchütz.
295
Es war vermuthlich deswegen, daß Achmed Paſcha
bey 6. 6. noch zwey hohe Batterien hat aufführen laſſen. Zwiſchen den großen Thürmen iſt noch eine Menge kleiner Thürme, die aber nur mit dem Handge wehr vertheidigt werden können. In der Mauer ſelbſt iſt nach der innern Seite eine gar große Menge Schwibbogen in zwey Reihen über einander, und auch darin ſind Schießlöcher, um den Graben mit dem Handgewehr vertheidigen zu können. Die Mauer iſt alſo nur ſchwach. Der Graben iſt trocken, und Außen werke findet man hier gar nicht. Für einen europäiſchen Feind würde es daher leicht ſeyn, eine ſolche Stadt einzunehmen. In dieſen Ländern aber iſt Bagdad eine ſehr ſtarke Feſtung. Dieß ſieht man daraus, daß ſie zu verſchiedenenma
len von Nadir Schah belagert worden iſt, ohne daß er ſie hat einnehmen können. In der weſtlichen Ecke der Stadt liegt ein kleines Caſtell, welches man
Mß Kallá nennt.
Dieß wird jezt als ein Zeughaus und Pulvermagazin ge
braucht, und weiter iſt es nicht viel nütze. In demſelben wohnen bloß Janit ſcharen. In Europa würde man es einem Fremden nicht leicht erlauben in eine ſolche Feſtung zu gehen. Hier verſuchte ich es, und ward beym Hinein- und Herausgehen eben ſo wenig augehalten, als bey den Stadtthoren, welche auch mit Janitſcharen beſetzt ſind. Denn die türkiſchen Soldaten machen ſich den Dienſt überhaupt ſo bequem als möglich. Sie treten vor keinem ins Gewehr, ſie brauchen von den Ein- und Auspaſſirten keine Rechenſchaft zu geben: bey ſchlechtem Wetter ſitzen ſie in der Wachtſtube, und bey gutem ſitzen ſie vor der
ſelben, rauchen eine Pfeiffe Tobak, oder ſpielen auch wohl Schach.
Kurz,
ſie haben ſich um nichts zu bekümmern, wenn ſie nur auf ihrem Poſten ſind,
wann etwa Unordnung auf der Straße vorfallen ſollte. des Paſcha) liegt vor dem Caſtell und am Tiger bey 7.
Das Seroj (der Palaſt Es iſt ſehr weitläuftig,
und beſteht aus vielen, gröſtentheils ſchlechten Gebäuden. Mäddraſſe el Mo ſtanſerte, wovon die arabiſchen Schriftſteller ſo viel Rühmens gemacht haben, *) liegt bey 8.
Aber jezt iſt dieß Gebäude nicht mehr für Gelehrte beſtimmt. Die
Küche dieſer ehmaligen academiſchen Wohnung iſt ein Zollhaus geworden, und €!!.
*) Semmlers Ueberſetzung der algemeinen Welthiſtorie der neuern Zeiten 2ter Theil § 7r.
296
Anmerkungen zu Bagdäd.
ein großer Theil des übrigen Gebäudes iſt eine Karwanſeroj, die man LÖtmedäni
Chän nennt: und alles iſt ſehr verfallen.
An der ganzen Länge des Gebäudes
an der Seite nach dem Fluß, iſt eine weitläuftige Aufſchrift, aus welcher man
ſieht, daß der Khalif Moſtanſer es im Jahr der Hedſera 63o (1 2 32) habe bauen laſſen. Weil hier beſtändig ſo viele Leute über die Brücke gingen, daß ich ſelbſt die Aufſchrift nicht abſchreiben konnte, ohne viel Aufſehens zu machen, ſo ließ ich ſie durch einen Mullacopiren. Dieſe Abſchrift habe ich mit dem Original
verglichen, und ſie unten angeführt. *)
El Moſtanſer baute drey Jahr nachher
auch eine prächtige Mosqué im Quartier Sükelghaſſelbey 9. Davon iſt nichts mehr übrig, als der Minäre, und die forderſte Mauer mit zwey prächtigen Ein gängen, in deren einem jezt eine ſchlechte Kaffeſchenke iſt. Über dieſem Eingan
ge findet man noch untenſtehende Nachricht von dem Bauherrn. *)
Die
Schule, welche jezt die Haupt-Mäddraſſe zu Bagdäd iſt, iſt im Jahr der Hed ſera 758 von einem Mordſjän zum Beſten der Hanefiten und Schafeiten geſtif tet worden. Eben dieſer Mördſän ließ auch eine große Mosqué und andere öffentliche Gebäude aufführen: man glaubt daher von ihm, daß er die Kimia verſtanden, d. i. daß er habe Gold machen können. Er war aber in der Ab
weſenheit ſeines Herrn viele Jahre Statthalter von Bagdád. Es iſt alſo nicht unbegreiflich, daß er reich genug geworden iſt, um ſolche Stiftungen zu machen. Untenſtehende Aufſchrift, die ich durch einen Mulla habe abſchreiben laſſen, fin
det man an der erwähnten Mäddraſſe. Es iſt aber dabey zu bemerken, daß ich ſelbſt die Abſchrift nicht mit dem Original habe vergleichen können, weil ich in dieſer
*/9) -- - - -Nºsa-ºº sººo sºº Ursº - es (* 3 sºl= - «U) das -U a.) --- --Y- o*» - *) & - 2 -Las!!
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Anmerkungen zu Bagdad,
297
dieſer Gegend immer junge Leute fand, von denen ich wegen dieſer Arbeit Ver
druß befürchtete. *)
An einem Chän oder Karwanſeroj die man Dſjegälnennt,
und welche im Jahr 999 (159o) unter der Regierung des Sultäns Muräd auf Koſten eines Zenän Paſcha gebaut worden, fand ich eine weitläuftige türki ſche Aufſchrift, und unter derſelben ein paar Linien arabiſch. Letztere habe ich unten mit anführen wollen. **)
Man findet zu Bagdäd sºYS Täkkie, d. i. Klöſter von verſchiedenen Or den Derwiſche, als: der Kadrie, Bectaſchte, Mevlavie, Rofate, Naks bendte, Kalendrie und Schakerie. Die Täkkie dieſer letztern iſt eine Herber ge für arme indiſche Mohammedaner, die als Pilgrimme nach dieſer Gegend
kommen. Der Stifter des Ordens Kadrie war Abdulkadir, ein berühmter Schech aus Cheilän, der im Jahr der Hedſjera 5 6o geboren ward, und 91 Jahr alt geworden ſeyn ſoll. Er liegt zu Bagdäd in der Gegend 1 o. (Grundriß Tabelle 44) unter einer überaus großen Kuppel begraben, und ſein Kloſter hat jezt ſo viele Einkünfte, daß davon über 300 Perſonen unterhalten werden, wovon ſehr
viele auch freye Wohnung haben. Dieſe Täkkie, welche weit vom Fluß liegt, hat ſogar ihre eigene Waſſerleitung, wodurch ſie aus dem Tiger mit Waſſer ver ſorgt
- sº ºx)8-JJ-s! S3 U." JºëU2/ -->/Jºe“>A) *U - (* U-2/e) exº --" läsXſ-L»X! Als ºx)! -N- Als Kºa/ J. Fºx, 04) sôd –xs_» sôº „YO! –X»Us Gº! --**s rosX ---Y_» - Ja! „as- Jº 3 ---Y) ºts Sº." Es Y! --- a) A. Y! „y *U* - „Jo Fºx/o
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Anmerkungen zu Bagdäd.
298
ſorgt wird.
Als ich hier die große Kubbe über der Mosqué und dem Grabe
des Abdulkadir bewunderte, die mir aber doch nicht ſo groß zu ſeyn ſchien, als Kasr elain, ein Kloſter am Nil dicht bey Kähira, kam ein Derwiſch, der
mich ſehr höflich nöthigte bey ihm ein:vereten, und der mir unter andern auch
folgendes Wunderwerk von ſeinem großen Schech erzählte.
Als Abdulkadir ein
mal auf ſeinem Lehrſtul vor einer großen Menge Zuhörer redete, hörte er auf
einmal auf, ergrif ſeinen Kabkab (einen hölzernen Pantoffel von der Figur A. B. c. Tabelle II. der Beſchreibung von Arabien) und warf ihn gegen die Wand, worauf der Pantoffel verſchwand. Einige Minuten nachher warf er ſeinen an dern Kabkab gegen die Wand, der auch gleich unſichtbar ward. Seine Zu hörer wußten nicht, was dieß bedeuten ſollte, und konnten es gar nicht begrei
fen, wo die Pantoffel ihres Schechs geblieben wären.
Unterdeß hatte ſich fol
gendes zugetragen. Einige Kaufleute, die theils ihres Handels wegen, theils auch um dem Schech Abdulkadir ihre Ehrfurcht zu bezeigen, nach Bagdäd reiſen wollten, wurden unterweges von den Arabern angegriffen, und geplündert. In dieſem ihren kläglichen Zuſtande nahmen ſie ihre Zuflucht im Gebet, zu dem
großen Schech, und der Kabkab, den dieſer vor den Augen ſeiner Schüler ge gen die Wand warf, fuhr einem der vornehmſten Räuber an den Kopf. Die Araber, welche anfänglich glaubten, daß der Pantoffel einem von den Reiſenden gehörte, wurden noch unbarmherziger. Sie ſahen aber bald den zweyten Kab kab, der den Kopf eines andern Arabers traf. Dieß brachte ſie gleich auf die
Gedanken, daß ein großer Heiliger ſich dieſer Reiſenden annähme.
Sie gaben
ihnen alles wieder zurück, und ließen ſie ihre Reiſe in Ruhe fortſetzen.
Vier
Wochen nachher kamen die Kaufleute nach Bagdad, brachten dem Heiligen ſeine Kabkab, dankten ihm für ſeinen Beyſtand, und machten das Wunderwerk überall bekannt.
-
Der Tiger iſt bey dieſer Stadt ungefehr 6oo bis 620 Fuß breit. über demſelben iſt eine ſchlechte Schiffsbrücke auf 34 kleinen Fahrzeugen, die alle durch drey ſtarke Ketten mit einander verbunden ſind. Bey ſtillem Wetter, oder wenn der Strom nicht zu reiſſend iſt, iſt dieſe Brücke brauchbar genug. Wenn
aber der Wind und Strom gegen einander ſind, ſo iſt ſie unſicher.
Und wenn Der
Anmerkungen zu Bagdad.
299
der Fluß auf einmal ſtark ſteigt, und man die Ketten an dem einen Ufer nicht gleich loß macht, ſo iſt es nicht ſelten daß ſie gar zerreißt. Von letzterm hat ten wir im Januar 1766 bey einem ſtarken Südoſtwinde ein Beyſpiel. Im Anfang dieſes Monats hatten wir ſehr gelindes Wetter, wobey der Schnee auf den Gebürgen geſchmolzen war, deren Waſſer ſich in den Tiger ergießt. Davon ſtieg der Strom gegen die Mitte des Januar ſo ſtark, daß die Ketten zerriſſen, und alſo Schiffe und Brücke den Fluß hinunter trieben. Einiges Vieh erſoff bey dieſer Gelegenheit, die Menſchen aber ſprangen in die Fahrzeuge, wo ihr Leben in Sicherheit war. Der Fluß fuhr noch einige Tage nachher fort, ſo zu ſteigen, daß er austrat, und am 19., 2 o und 2 1ſten Januar alles Land um die Stadt unter Waſſer ſetzte. Doch fing es ſchon am 2oſten wieder an zu fallen, und der Fluß war nicht mehr ſo reiſſend bis im März, als er (zu Moſul und alſo auch
zu Bagdad) von dem auf den Bergen geſchmolzenen Schnee wieder anfing ſtark zu wachſen.
Der Unterſchied zwiſchen der gröſten und niedrigſten Höhe des Ti
gers, ſoll ohngefehr 2o Fuß ſeyn. Den Umkreis der Vorſtadt an der Weſtſeite des Tigers habe ich nur ohn gefehr andeuten können, weil das umherliegende Land ſehr niedrig iſt, und zu meiner Zeit entweder ganz unter Waſſer ſtand, oder doch ſehr feucht war. In dieſer Vorſtadt findet man viele Gärten, und ſie iſt überhaupt nicht ſo ſtark be wohnt, als der bewohnte Theil der Stadt ſelbſt. Das nördliche Ende derſelben liegt ohne Zweifel auf einem Theil von dem alten Bagdäd, welches ſich von hier
wenigſtens bis Muſa el Kádem erſtreckte; denn daſelbſt findet man noch überall Merkmale von Gebäuden, ja noch Mosquéen und Gräber berühmter Moham
medaner, die in dieſer Stadt geſtorben ſind.
Bey 1 1 auf dem Grundriß (Ta
belle 44) liegt eine Täkkie (ein Kloſter) der Derwiſche von dem Orden Beetäſch. Dieß iſt ein altes und hohes Gebäude, über deſſen Eingang man noch eine Auf ſchrift ſieht, die zwar ſehr beſchädigt iſt, wovon man aber untenſtehendes noch
deutlich leſen kann. *)
Kilidſch Arslän ibn elmalek Möſud, von dem Ge Pp 2
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ſchlechte
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3OO
Anmerkungen zu Bagdad.
ſchlechte Seljük hat es alſo wahrſcheinlich im Jahr 584 (1 1 88) gebaut. Oben, rund um das Gebäude ſteht ein Capitel aus dem Korän mit großen kufiſchen Buchſtaben von gebrannter Thonerde. Auch das meiſte davon iſt durch die Zeit verdorben, worüber man ſich nicht verwundern wird; denn wer wird es wohl erwarten, daß Aufſchriften von Töpferarbeit nach 6oo Jahren noch unbeſchä digt ſeyn ſollen. Um aber dem Leſer eine Probe von dieſer Schrift, und den
zwiſchen und über denſelben befindlichen Zierathen zu geben, habe ich den An fang davon, der am wenigſten beſchädigt iſt, auf der Tabelle XLIII. bey E ſte chen laſſen. *) Dieſe Schriftzüge haben viel ähnliches mit den auf der 9ten Ta belle der Beſchreibung von Arabien, die ich in Jemen copirte. Nan ſieht dar aus, daß die Araber in den Jahrhunderten als die Wiſſenſchaften unter ihnen blüheten, auch an ihrem Alphabet gekünſtelt haben. Wären ſie ſo fortgefah ren, ſo würden die europäiſchen Gelehrten jezt noch unendlich mehr Mühe haben, um arabiſche Bücher und Aufſchriften leſen zu können. Die Schrift auf dem Deckel eines irdenen Gefäſſes das bey Tacht Kesra gefunden worden, und
wovon man eine Abbildung bey Ives Reiſen ſieht, iſt von eben dieſer Art. Dem erwähnten Reiſenden hatte man verſichert, es wäre alt Perſiſch oder Partiſch. Bey 1 2 ſteht noch ein kleiner alter Thurm, unter welchem Zobeida, eine in der arabiſchen Geſchichte berühmte Dame, und die Gemahlin des Khalifen
Harün erraſchid begraben liegt.
Sie iſt im Jahr 2 16 (831 ) geſtorben.
1 1 31 (171 8) hat Haſſan Paſcha ſeine verſtorbene Gemahlin Ayeſcha, die Toch ter eines Muſtafa Paſcha, ihr zur Seite legen, einen großen Stein mit unten
ſtehenden Aufſchriften aushauen, das Gebäude ausbeſſern, und noch einige Woh
nungen für arme Reiſende darzubauen laſſen. *)
Nicht weit von hier (bey 13) iſt
*) Die jezigen Araber würden es ſo ſchreiben:
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Anmerkungen zu Bagdäd.
ZOI
iſt das Begräbniß eines sº o Uygº Bählul däne, der ein Anverwandter des Khalifen Harün er raſchid und ſein Hoffnarr war.
Man hat ein ganzes Buch
voller kleiner Hiſtorien von ihm, die noch bisweilen des Abends von armen Ge lehrten im Caffehauſe erzählt werden. In der untenſtehenden Aufſchrift, die man lange nach ſeinem Tode nemlich erſt 5 o 1. auf ſein Grab geſetzt hat, wird
er der Sultän unter den blödſinnigen genannt. *)
Nach einigen Hiſtorien
aber, die man von ihm erzählt, ſcheint er auch ſeine klugen Stunden gehabt zu haben. Ich will nur folgendes bemerken. Zu ſeiner Zeit geſchah eine Wette zwiſchen zwey Perſonen zu Bagdád, wovon einer ſich verpflichtete, dem andern eine gewiſſe Summe Geldes zu bezahlen, wenn dieſer über den Tiger ſchwim men könnte. Der Menſch kam glücklich hinüber, ſeine Mutter aber hatte an dem andern Ufer des Fluſſes ein Feuer gemacht, wobey er ſich gleich wieder er wärmen, und ſich ankleiden konnte, und hierüber entſtand ein Streit. Der, welcher die Wette verloren hatte, ſagte: es wäre nicht bedungen worden, daß der andere ſich der Hülfe ſeiner Mutter bedienen ſollte, und der Kadi hatte dem
armen Menſchen ſein verdientes Geld ſchon aberkannt. Bählul däne, dem dieß verdroß, ſetzte in dem Garten des Khalifen einen Topf mit Fleiſch oben in einen Dattelbaum, und machte an der Erde ein großes Feuer an. Pp 3
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3O2
Anmerkungen zu Bagdäd.
gent lachte über dieſen Einfall.
Bähluldäne aber fragte: warum er auf dieſe
Art nicht eben ſowohl Fleiſch ſollte kochen, als die Frau ihren über den Fluß ſchwimmenden Sohn erwärmen können? Als nun der Khalif, der von dieſer
Geſchichte nichts gehört hatte, ſich darnach weiter erkundigte, ließ er die ſtrei tende Partheyen vor ſich kommen, und nöthigte denjenigen, der verloren hatte, die Wette zu bezahlen. Nahe bey Bählul däme ſieht man noch ein kleines ſchlech
tes Gebäude (bey 14) mit dem Begräbniß eines Joſua, welches ſehr fleißig von Juden beſucht wird. In dieſer jezt unbebaueten Gegend ſteht auch noch eine kleine Mosqué mit einem kleinen Thurm, unter welchem ein berühmter mohammedaniſcher Heiliger
mit Namen A/S= - *A* MäarüfKerchi Abu Däher begraben liegt. Das Thürmchen iſt nach einer daran befindlichen Aufſchrift im Jahr der Hedſjera 612
(1 2 1 5) gebaut worden.
Von dieſem Mäarüf erzählen die Mohammedaner,
daß er von chriſtlichen Eltern geboren worden, aber niemals habe ſagen wollen: im Namen des Vaters, des Sohns nnd des heiligen Geiſtes, ſondern an deſſen ſtatt immer geſagt habe: im Namen des barmherzigen und gütigen Gottes. Seine Mutter ſoll ihm dieſer Urſache wegen in einem dunkeln Keller eingeſperrt,
und in 40 Tagen nichts anders als Waſſer und Brod gereicht haben. Nach Verlauf dieſer Zeit ſah ſie ihren Sohn mit einem außerordentlichen Glanz um geben: und nach einer nähern Unterſuchung fand ſie noch alle Lebensmittel, die ſie ihm in ſein Gefängniß gebracht hatte. Dieß ſoll die Mutter auf die Ge
danken gebracht haben, daß ihr Sohn von einem böſen Geiſt regiert würde. Sie ſoll ihn aus ihrem Hauſe gejagt, er ſich aber an Muſa el kadem gewandt
haben, ein Mohammedaner und großer Gelehrter geworden ſeyn, und zulezt ſeine ganze Familie bekehrt haben.
-
-
-
Zwiſchen den Begräbniſſen der Zobeida und des Schechs Mäarüf iſt ein Platz, wo ſich die Großen von Bagdäd wöchentlich einmal zu verſammlen, und
ſich unter andern auch im Bogenſchießen zu üben pflegen.
Ein Mortada Pa
ſcha, der Selichdär (Schwerdträger) bey dem Sultän geweſen war, hat hier zwey kleine Säulen mit türkiſchen Aufſchriften zum Zeichen aufrichten laſſen, wie weiter einen Pfeil habe ſchießen können; und bey einer dieſer Säulen ſtehen zwey
Anmerkungen zu Bagdad. zwey Kubbets.
Dieß alles aber iſt nicht alt.
3O3
Wenn es wahr iſt, daß der er
wähnte Paſcha von dem einem Stein bis zum andern habe ſchießen können, ſo
muß er gewiß außerordentliche Kräfte gehabt haben; denn ihre Entfernung iſt 6oo doppelte Schritte, oder ohngefehr 27oo Fuß. Mártada aber war Pa ſcha zu Bagdád, und mag die Pfeiler, die er zum Beweiß ſeiner außerordentli
chen Kräfte aufrichten ließ, wohl etwas zu weit von einander geſetzt haben.
Eben einen ſolchen Platz mit ähnlichen Denkmählern findet man bey Häleb. Daſelbſt ließ ich ihre Entfernung durch meinen Bedienten meſſen, der ſie nicht größer als 32 5 doppelte Schritte fand. Auch ſieht man viele ſolche Pfeiler auf
dem Okmeidän, einem Hügel hinter dem Arſenal zu Conſtantinopel.
Daß
die Großen zu Kähira ſich gleichfals noch jezt im Bogenſchießen üben, iſt im erſten Bande S. 1 1 1 , 1 69 angezeigt worden. Drey Viertelſtunden nach Nordweſt zum Norden von Bagdád, und an
der Weſtſeite des Tigers, liegt ein großes Dorf Elkadem. Hier ſieht man die große Mosqué H. Tabelle XLII. mit den Gräbern zweyer Imäms der Perſer, nemlich Muſa el Kadem (der gedultige) und ſeines Enkels Mohämmed el dſoäd, deren S. 27 1 erwähnt worden. Dieſer mohammedaniſche Tempel muß ehmals ein gutes Anſehen gehabt haben; denn die beyden hohen Kubbets und der Minäre waren, nach perſiſcher Manier, mit glaſürten Steinen bekleidet, die jezt nach und nach herunterfallen. Dieſe Mosqué ſteht nicht ſo frey, als
Meſched Ali und Meſched Höſſein, ſondern zwey Seiten ſind mit Häuſern be baut. Muſa ward im Jahr der Hedſjera 185 auf Befehl des damahls regie renden Khalifen hingerichtet, weil es dieſem verdächtig ward, daß ſich eine große Anzahl von den Anhängern der Familie des Ali in ſeinem Hauſe verſammlete. Die Schiiten ſehen ihn daher als einen Märtyrer an, und machen noch viele An
dachtsreiſen nach ſeinem Grabe.
Faſt alle Einwohner dieſes Dorfs ſind Schii
ten: und da die Anhänger dieſer Sekte in Bagdäd keine freye Religionsübung
haben, ſo wird die hieſige Mosqué täglich auch von vielen aus der Stadt beſucht. Die meiſten Schiiten dieſer Gegend, welche nicht die Koſten anwenden wollen oder können, um ihre Verſtorbene nach Meſched Ali zu bringen, begraben ſelbi
gebey Muſa elkadem.
Dieß alles iſt dem Orte z. Plich einträglich. -
Es
3O4
Anmerkungen zu Bagdäd.
Das Bagdäd welches der Khalif Manſür baute, lag an der Weſtſeite des Tigers, und ohne zweifel in der eben beſchriebenen Gegend des nördlichen
Theils der jezigen Vorſtadt und des Grabes Muſa el Kadem.
An der Oſtſeite
des Fluſſes ward ein Caſtell oder die damalige Vorſtadt gebaut; aber auch davon
iſt jezt nichts mehr übrig, als ein Dorf Maádem, welches ſchräg gegen Muſa el Kadem über liegt, und eine halbe Stunde von dem jezigen Bagdäd entfernt iſt. Dieſer Theil der Vorſtadt des alten Bagdäd hat ſeine Erhaltung lediglich dem Abu
Hanifazu danken, der hier begraben iſt.
Abu Hanifa war ein ſehr gelehrter
und frommer Mann, der bey ſeinen Glaubensgenoſſen in einem großen Anſehen ſtand, dem ohngeachtet aber von dem Khalifen deswegen ins Gefängniß geworfen
ward, weil er zu gewiſſenhaft war, das Amt eines Kadi (weltlichen Richters) an zunehmen.
Nach ſeinem Tode erzeigte man ihm mehr Ehre.
Man gab ihm
den Beynamen el ádem oder elazem d. i. der geehrte. Alle Sunniten die ſich zu der Sekte Hänefibekennen, und wovon die Türken die gröſte Anzahl ausmachen, folgen ſeiner Lehre, und haben über ſeinem Grabe nicht nur eine ſchöne Mos qué mit einem Minäre gebaut, ſondern alles auch noch mit einem kleinen Caſtell umgeben, das 6 Baſteyen und einen Graben hat. Bey den Schiiten aber iſt Abu
Hanifa ſowohl als die Stifter der übrigen Sekten der Sunniten ſehr verhaßt, und das Grab deſſelben ward daher zu der Zeit, als die Perſer Herrenvon Bagdäd waren, nicht nur ganz vernachläſſigt, ſondern auch verunehrt, und vornemlich dieß ſoll den
Sultän Muräd bewogen haben, im Jahr Chriſti 1638 den berühmten Feldzug gegen Bagdäd zu unternehmen, und dieſe Stadt den Perſern wieder zu entreiſ
ſen.
Man erzählt davon folgende Anekdote.
Ein Gelehrter von Bagdädrei
ſete nach Conſtantinopel, und ſuchte Erlaubniß, an einem Freytage in einer der
Haupt-Mosquéen vor dem Sultäu zu predigen; und weil man ſeine Abſicht nicht wußte, ſo ward ihm dieß leicht zugeſtanden. Hier ſtellte er den kläglichen Zuſtand der Rechtgläubigen (Muslemin) zu Bagdäd auf das lebhafteſte vor. Beſonders eiferte er gegen das Verfahren der Rafediten (Ketzer) welche den Tempel des Imämsel azem mit Unreinigkeiten anfüllten, und ſagte, es wäre eine Schande für einen Sultän aus dem Hauſe Othman, der ſich zu der Sekte des Abu Hanifa bekannte, wenn er dieß nicht rächte, und die Rechtgläubigen
zu Bagdäd nicht von dem Joche der Ketzer befreyete.
Das
W
Anmerkungen zu Bagdad.
3O5
Das Grab des Achmed ibn Hanbal, eines andern der vier großen Junäms der Sunniten, lag zwiſchen Elkadem, und Maäddem, und iſt von dem Tiger weggeriſſen worden.
e–* 2/s Agerküfliegt 2 Stunde nach Weſten von Bagdäd. Dieß iſt ein Thurm, der viele Ähnlichkeit mit dem ThurmbeyHelle hat, deſſen S. 289 erwähnt worden.
Er iſt aber nicht von gebrannten Ziegelſteinen gebaut, ſondern von ſol
chen, die bloß in der Sonne getrocknet worden ſind: und über jeder 6ten bis
8ten Lage liegt eine Lage Schilfrohr zwey Finger dick. In dieſem Gebäude oder gemauerten Hügel findet man auch kleine Löcher die horizontal, vermuthlich durch das ganze Werk, gegangen,
aber meiſtemtheils verſtopft ſind.
Die ganze
Höhe iſt etwa noch 7o Fuß. Die nördliche Seite iſt faſt ſenkrecht, und hier ſcheint auch ein Eingang geweſen zu ſeyn, der aber viel zu hoch iſt, als daß man ohne
eine Leiter hinauf kommen kann.
An den übrigen Seiten, wo die Erde mehr
von der Sonne getrocknet, und in Staub verwandelt werden kann, iſt viel von
dieſem Gebäude durch den Wind weggeführt worden.
Überall aber ſieht man,
daß es von dem Schilf ſehr unterſtützt wird; denn dieß ſteht am meiſten hervor, und iſt alſo dauerhafter, als die in der Sonne getrockneten Ziegelſteine. Ver
ſchiedene Reiſende haben Agerküf für den babyloniſchen Thurm gehalten. Die ſer aber lag ohne Zweifel in der Nähe des Euphrats, und Agerküfliegt nicht weit vom Tiger.
Indeß kann man jezt wohl nicht leicht beſtimmen, worzu
dieß Gebäude aufgeführt worden iſt. Vielleicht war es der Grund, worauf einer der erſten Khalifen von Bagdad, oder gar einer der perſiſchen Könige, welche zu El madeien reſidirten, ein Landhaus hatte, um in der Höhe eine friſche und kalte Luft zu ſchöpfen. In der Nähe ſind noch viele kleine Hügel
wo man Kennzeichen von Häuſern, nemlich viele Stücke von gebrannten Ziegel
ſteinen ſieht, die vielleicht Überbleibſel von Gartenhäuſern oder einer kleinen Stadt, wo nicht gar von dem alten Bagdäd ſelbſt ſind.
Elmadeien, eine ehmals prächtige Stadt, welche noch einige Jahre nach Mohammeds Tode die Reſidenz der perſiſchen Könige war, lag etwa vier
Stunden nach Südoſt von Bagdäd und am Tiger. Davon iſt jezt nichts mehr üb
rig, als ein Theil eines großen Palaſtes, den man Tacht Kisrad. i. Kosrüs O q
Palaſt
306
Anmerkungen zu
Palaſt nennt.
Bagdad.
Dieß Gebäude iſt von gebrannten Ziegelſteinen und Kalk gebaut,
und man findet an demſelben keine Aufſchrift.
Weil ich verhindert ward ſelbſt
dahin zu reiſen, ſo will ich davon weiter nichts bemerken, als daß ein europäiſcher Kaufmann mich verſichert hat, daß einer, der den Eingang zu dieſem Palaſt in
ſeiner Gegenwart gemeſſen, ihn 98 Fuß breit, und 1 1 o Fuß hoch gefunden
habe.
Das Gebäude ſelbſt muß alſo ſehr groß geweſen ſeyn. *) In dieſer jezt ganz verlaſſenen Stadt liegen einige Freunde Mohammeds
begraben. Der merkwürdigſte davon iſt der in der arabiſchen Geſchichte berühmte Salman Päk, der auch oft von ſeinem Vaterlande, Salman der Perſer ge nannt wird.
Er ſoll von vornehmen Eltern geboren, und ein Feueranbeter ge
weſen ſeyn.
In Syrien ſoll er ein Chriſt haben werden wollen, aber ein Mönch
ſoll ihm gerathen haben, nach Arabien zu reiſen, wo er einen Propheten antref fen könnte, der die Religion Abrahams wieder einführen würde. Und damit
er ſich nicht von einem Betrüger einnehmen ließe, ſo ſoll der Mönch ihm geſagt haben, daß der wahre Prophet ein Siegel auf dem Rücken hätte.
phetiſche Siegel ſoll Salman Päk ſich haben zeigen laſſen.
Dieß pro
übrigens muß Mo
hammed damit doch ſehr geheim geweſen ſeyn, weil die gröſten mohammedani
ſchen Gelehrten ſich noch nicht darüber einig ſind, welche Beſchaffenheit es ei gentlich mit dieſem Siegel gehabt habe. Die Mohammedaner zu Bagdád, mit welchen ich von dieſem Salman geſprochen habe, waren nicht einig, ob er als Statt halter, oder als Kadi zu Madeien geſtorben ſey. Er iſt aber unter dem Na men von Mohammeds Barbierer algemein bekannt, und noch jezt der Patron, oder Schutzheilige von allen mohammedaniſchen Barbierern. Die zu Bagdäd reiſen alle Jahre an einem gewiſſen Tage nach El Madeien, um ihre Andacht bey ſei nem Grabe zu halten, und dem Wärter deſſelben Wachslichter und andere Ge
ſchenke zu bringen. **) Bey einer ſolchen Gelegenheit werden dann auch noch die Gräber eines Hödeifed el Jémani, und Abdalla ibn Saläm beſucht, die ſich gleichfals um Mohammed verdient gemacht zu haben ſcheinen.
Zu Bagdad ſind wenigſtens 2 o Mosquéen mit Minären, ohne eine große Menge kleinere, die keine Thürme haben. In der Stadt ſelbſt zählt -
(!!
*) Abbildungen von Tache Kesra und Agerfüf findet man in Jves Reiſen. Letztere aber ſcheint mir im Verhältniß der Höhe, zu ſchmal gezeichnet zu ſeyn. *) Erſter Band S.44o.
Anmerkungen zu Bagdad,
i
307
man jezt 22, und in der Vorſtadt 4 Chäns, oder Karwanſerojs, wovon aber nur 6 bis 7 von großem Kaufleuten bewohnt werden. Die übrigen ſind alle nur klein. Von öffentlichen Bädern iſt hier eine große Menge. Auch findet man in dieſer Stadt ein Hoſpital, oder vielmehr ein verſchloſſenes Quartier mit ſehr ſchlechten Hütten, in welchem alle diejenigen eingeſperrt werden, die den Aus ſaß oder ſchlimme veneriſche Krankheiten haben. Die großen und von Natur fruchtbaren Provinzen Basra und Bagdä haben, außer Datteln, Reis, Salz, Weizen, Hornvieh und Pferde, nicht viele Produkte die von Auswärtigen geſucht werden. Indeß haben ihre beyden Hauptſtädte eine ſo vortrefliche Lage, gleichſam mitten zwiſchen Indien, Perſien und der Türkey, daß der Handel daſelbſt immer noch ſehr anſehnlich iſt. Wegen der innerlichen Unruhen in Perſien ſind auch viele Armener dahin gekom men, die Fabriquen angelegt haben. Anſtatt aber daß zu den Zeiten der Kha lifen die Wiſſenſchaften hier ſehr belohnt wurden, ſo werden ſie jezt wenig geach tet, ja noch wohl weniger als zu Kähira und in Jemen. Wenigſtens meyne ich zu Bagdäd wenigere Leute angetroffen zu haben, die leſen und ſchreiben konnten. -
Zu Kähira iſt doch noch eine Bude, in welcher Mohammedaner alte Bücher kauf fen können. Zu Bagdäd findet man dergleichen gar nicht. Wenn einer hier Bücher ſammlen, und ſie ſelbſt weder abſchreiben oder abſchreiben laſſen will, ſo muß er warten, bis einer ſtirbt, da dann die Bücher, ſo wie die alten Kleider im Baſär herumgetragen, und von einem Ausrufer feil geboten werden. Ein Europäer der arabiſche, türkiſche und perſiſche Manuſcripte kaufen will, findet
darzu wohl nirgends eine ſo gute Gelegenheit, als zu Conſtantinopel; denn da ſelbſt iſt eine Art Buchladen, wo auch Chriſten, wenigſtens morgenländiſche Chriſten, Bücher kaufen können. -
Der Handel der Europäer nach Bagdäd iſt nicht groß.
Die engliſche oſt
indiſche Handlungsgeſellſchaft hatte hier zwar einen ihrer Bedienten von Bom bay, er ward aber noch zu meiner Zeit zurück berufen, weil ihre Handlung nicht ſo einträglich war, daß ſie einigen Vortheil davon hatte. Dagegen war hier ein junger Kaufmann aus Venedig, der nicht ſo vielen Aufwand machte als die Kaufleute der großen Handlungsgeſellſchaften gemeiniglich zu thun pflegen, ſon -
Q q 2
Der z
3O8
Anmerkungen zu Bagdad.
dern in aller Stille einen anſehnlichen Handel trieb.
Herr Leoni, ein reicher
italiäniſcher Kaufmann zu Basra, deſſen Geſchäfte er hier beſorgte, hatte mir
ein Empfehlungsſchreiben an ihn mitgegeben, worauf ich von ihm viele Höflich keit genoß. Dann wohnen hier zwey europäiſche Mönche von dem Orden der Carmeliter. Einer derſelben hat zwey ſehr verſchiedene Ehrentitel. Er iſt
nemlich päbſtlicher Biſchoff von Babylon, und franzöſiſcher Conſul zu Bagdäd. Er war ſowohl bey Mohammedanern als Chriſten ſehr beliebt, aber zu meiner Zeit nach Europa gereiſet. Sein Amtsbruder war auch ein artiger Mann, ſo wie ich die meiſten Patres von dieſem Orden gefunden habe. Die Capuciner haben dieſe Stadt ſchon längſtens verlaſſen. Alle nach dieſen Gegenden kom mende Mönche verſtehen gemeiniglich etwas von der Arzneywiſſenſchaft, welches ihnen große Beſchützer unter den vornehmen Türken verſchaft. Sie ſind auch alle Miſſionarien. Nicht aber um Mohammedaner zu bekehren; denn dadurch wür den ſie bald zu der Ehre gelangen Märtyrer zu werden; ſondern um die morgen ländiſchen Chriſten dahin zu bringen, daß ſie den Pabſt als das Oberhaupt der Kirche erkennen. Man kann leicht denken, daß die Geiſtlichen von den andern Partheyen dabey nicht gleichgültig ſind, und wenn ſie ſich über die europäiſche Geiſtliche beſchweren, daß die türkiſche Regierung die abtrünnig gewordene, vornemlich wenn ſie reich ſind, gut bezahlen laſſen. Demohngeachtet haben die Carmeliter zu Bagdäd ſchon den gröſten Haufen der hier befindlichen morgenlän diſchen Chriſten an ſich gezogen, ja die Neſtorianer, die alten Chriſten dieſes Landes, haben den Unirten ſogar ſchon ihre Kirche räumen müſſen. Juden ſind hier ſehr viel. Banianen und Feueranbeter aber gar nicht. Ich habe eben geſagt, daß die Arzneywiſſenſchaft den europäiſchen Mön
chen in der Türkey große Beſchützer verſchaffe. Ein geſchickter europäiſcher Arzt aber wird ſein Glück daſelbſt ſchwerlich finden. Ein Doctor D'Erbel, der mit dem Kayſerlichen Internuntio nach Conſtantinopel kam, und aus Begierde die Welt zu ſehen, weiter nach Aſien reiſete, in der Hofnung daß er mit ſeiner Wiſſenſchaft wenigſtens die Reiſekoſten würde verdienen können, kam auch nach
Bagdäd.
Hier ward er gleich Hakim Baſchi (des Paſchäs Leibmedicus) und
fand überdieß viele Beſchäftigungen bey den Vornehmen der Stadt. Letztere aber - bezahl
Neuere Geſchichte der Stadt Bagdäd.
ZO9
bezahlten nur ſchlecht, und der Paſcha faſt gar nichts, wie oft er ſich auch dar über beſchwerte. Endlich beſchloß er, ſein Glück bey den Engländern in Oſtin dien zu ſuchen. Er war ſchon außerhalb der Stadt, um nach Helle zu reiſen,
mußte aber auf Befehl des Kichja wieder zurück kommen, der ſich damit ent ſchuldigte, daß der Paſcha gegen die Araber zu Felde gezogen wäre, und ver
muthlich Verwundete mit zurückbringen würde, da dann ein guter Arzt nothwen dig wäre. Unterdeß ſchickte er durch Hülfe der Engländer alle ſeine Sachen nach Basra: und, als er einmal Erlaubniß erhalten hatte, einen vornehmen Kran
ken zu Meſched Ali zu beſuchen, reiſete er ſelbſt auch dahin. Ich traf dieſen Herrn D'Erbel zu Basra an, als er mit einem engliſchen Schiffe nach Bombay und Bengalen gehen wollte. Er iſt auch wieder nach Europa zurückgekommen. Vielleicht erhalten wir alſo noch von ihm ſelbſt eine Reiſebeſchreibung. Im vorhergehenden iſt bemerkt worden, daß Sultän Muräd die Stadt
Bagdäd im Jahr 1 638, oder der Hédſjera 1 o48 von den Perſern erobert hat.
Seitdem haben hier folgende Paſchäs regiert. *) Antr. der Dau
Regierung
1. Kutſckik (der kleine) Haſſan Paſcha 2. Derwiſch (einer der ſich nicht viel aus der Welt macht) A
Mohammed Paſcha
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5. Muſa Paſcha
3.
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6. Mohämmed Paſcha
2
2-
2
A
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2-
A
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IO5O I O 52 I O 54 1 O 55
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1 c 5 6 | 1.
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3. Kutſckik Haſſan Paſcha 4. Delli (der tolle) Haſſan Paſcha A
7. Maktül (der ermordet worden) Ibrahim Paſcha 8. Arslan Paſcha –
9. Höſſein Paſcha
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2. 2. 1« I.
I O 57 | 1.
1 O 58 | I.
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A
I O 59 | I.
1 o. Mellik
*) Die Morgenländer haben keine Familien Namen. Zudem ſind die meiſten Paſchäs Kinder von chriſtlichen Eltern, und ſehr jung nach der Türkey gekommen. Wenn alſo der mohammedaniſche Name, den man ihnen beygelegt hat, öfterer vorkommt, ſo ſetzt man gemeiniglich einen Beynamen voran, um den einen Paſcha von dem andern zu unterſcheiden.
Die Bedeutung einiger dieſer Beynamen habe ich mit angeführt, wel
ches dienen kann, den Geſchmack der vornehmen Türken in dieſem Stücke kennen zu lernen.
Neuere Geſchichte der Stadt Bagdad.
3 IO
Antr. der DaU I O. I I .
Mellik (der Engel oder der ſchöne) Achmed Paſcha Kara (der ſchwärzliche) Muſtafa Paſcha
Regierung
(T
I o6 o I o61
I .
1 O 65
3
-
1 2«
Mortada Paſcha
I 3. I 4.«
Kärräm (der viele Almoſen gab) Mohammed Paſcha Chaſäki Mohämmed Paſcha (dieſer hat den Beynamen
-
A
-
Z
Io68
Chaſäki deswegen erhalten, weil er zu Conſtantinopel in
dem Corps gedient hatte, welches die Straßenräuber auf ſuchen ſoll)
-
A.
-
-
A
-
1 o69
I 5. 1 6.
Kenbür (der puckligte) Muſtafa Paſcha Pombog (der ſehr weiſſe) Muſtafa Paſcha
1 o72
17.
Kara (der ſchwärzliche) Muſtafa, Paſcha
1 o75
I 8.
Ibrahim Paſcha
I 9.
Kara Muſtafa Paſcha Selichdär (der Schwerdträger bey dem Sultän geweſen)
2 O.
Höſſeil 2 I •
Z
Paſcha
2-
Z
I O 74
A
2-
-
-
-“
Abderrachmän Paſcha
A 3 24.« 25
Kaplän Paſcha Omar Paſcha Ibrahim Paſcha Omar Paſcha -
2 6.
Serhatſch (der Trunkenbold) Achmed Paſcha
27.
Omar Paſcha
22 •
28.
-
2-
A
I O 82
A
I O8 6 1 o87 I o89
2
2
-
-
hren eigenen Patriarchen haben, der von dem Jacobitiſchen Patriarchen zu Diar bekr ganz unabhängig iſt; und eben ſo wenig einen Firmän von dem Sultän ver
langt, als der neſtorianiſche Patriarch zu Häkerte in Kurdeſtän. (S. 332.) Er reſidirt in einem Kloſter Midiäd auf einem ſehr hohen Berge. Am Fuße dieſes Berges liegt ein anderes Kloſter in einem Dorfe Mäarin. Nicht weit
davon findet man ein Dorf Kaſr Marbaba oder Marabaein mit einem Kloſter Där Eſſeide, nach welchem die jacobitiſchen Chriſten ihre Todten wohl 5 Tagereiſe weit bringen, und nach alter Gewohnheit das Maulthier, welches den Todten getragen hat, dem Kloſter ſchenken.
Nach einem andern Kloſter
Där Mar Mälki werden Leute gebracht, die die fallende Sucht haben, und man will behaupten, daß ſelbige durch das Gebet der daſigen Geiſtlichen wieder geheilt werden. Überhaupt ſollen auf dieſem Gebürge wohl 7o verfallene Klö ſter ſeyn. Die Jacobiten reden vieles von den hier befindlichen prächtigen Rui nen, theils von Klöſtern, theils von Städten und Dörfern; ich zweifle aber daß ſie der Baukunſt wegen verdienen von einem Europäer beſucht zu werden.
An der Südſeite unſers Weges ſahen wir das Gebürge AU-F.“ Sindſär. *) Es liegt in einer überaus fruchtbaren Ebene, und hat eine ſehr reine und geſunde Luft. Man findet hier einen Überfluß von den ſchönſten Früchten, beſonders von Feigen, und die Feigen von Sindſär werden ſehr weit geſucht. Dieß Gebürge hatte zu der Zeit der lezten Khalifen ſeinen eige
nen Sáhheb, (mohammedaniſchen Prinzen,) deſſen Reſidenz am Fuße des Berges und zwey Tagereiſe von Moſul lag. Man fand überdieß in ſeinem Gebiete noch zwey andere anſehnliche Städte. Aber alles iſt ſo zerſtört, daß man auf dem ganzen Gebürge Sindſjär jezt nichts als ſchlechte Dörfer antrift. Anſtatt daß die meiſten Einwohner zu der Zeit der Khalifen noch Chriſten waren, ſo bekennt ſich jezt die gröſte Anzahl derſelben zu der Religion der Jeſidier wel cher S. 344 erwähnt worden; und die übrigen ſind Mohammedaner. Sie be zahlen *) Wahrſcheinlich das Singara der griechiſchen Schriſtſteller. ähnliches mit dem Sinear der Bibel
Der Name hat auch viel
nicht weit vom Wege nach Mardin.
389
zahlen faſt gar keinen Tribut, ja ſie plündern oft kleine Karwänen.
Da Moſul 1766.
in der Nähe liegt, ſo ſind dieſe Räuber mehr oder weniger übermüthig, nach- April. dem der daſige Paſcha kriegeriſch iſt. Iſt er ein guter Soldat, ſo überfällt TT er ſie unverſehens, nimmt Männer, Weiber und Kinder und verkauft ſie als
Sclaven; er verbrennt ihre Früchte unten auf dem Felde, und erlaubt ihnen nicht das geringſte in der Stadt zu verkaufen bis ſie erſt gut bezahlen und Beſſerung
verſprechen.
Der Paſcha von Bagdäd hat ſelten etwas gegen ſie ausrichten
können; denn ſobald die Jeſidier Nachricht von dem Aufbruch ſeiner Truppen erhalten, ſo begeben ſie ſich auf das Gebürge, wohin die Türken ſie nicht verfol gen dürfen. Die vornehmſten Stämme oder Familien auf dem Berge Sindſjär nennen
ſich:
2/U US- Kabarie, sº Ex- Schechanie, "ay- Dſenuie, * A
Charakie und „604,50 Dennädi. Die beyden erſtern ſind Mohammedaner. Die drey leztern ſind Jeſidier, und dieſe haben die beſondere Gewohnheit, daß ſie ihre Haare lang wachſen laſſen. Alle wohnen in Dörfern. Unten in der Ebene leben auch verſchiedene Stämme Jeſidier unter Zelten und von der Vieh zucht, wie die Bedouinen.
Die vornehmſten Stämme Kurden welche in dieſer Gegend unter Zelten herumwandern, und davor etwas an den Woiwoden zu Mardin bezahlen, ſind:
Kiki, Milli, Sadſeli und Muſeſän.
Herumſtreifende Araber findet man
hier nicht, als nur den Stamm „- Tai.
Dieſer aber iſt ſehr groß, und der
regierende Schech erhält gar,
als Begk von dem fruchtbaren jezt aber wüſten
Amte Khabür, einen Togk von dem Woiwoden zu Mardin. *) Weil dem Erdbeſchreiber daran gelegen ſeyn kann zu wiſſen, ob die Städte, deren Namen oft bey den alten Geſchichtſchreibern vorkommen, noch jezt vor handen, oder ob ſie ſchon gänzlich zerſtört ſind, ſo will ich auch noch folgender
Örter erwähnen, ob ich gleich ſelbſt nicht nach dieſen Gegenden gekommen bin, ſondern ſie nur durch Leute habe kennen lernen, die ſie vielleicht ſelbſt auch nicht geſehen haben. Ccc 3 *) Beſchreibung von Arabien S. 391.
es)! U-/
Anmerkungen von einigen Diſtrikten
39O
e.ox) L-/ Räselain lag 12 bis 14 Stunden nach Südweſt von
1 766.
April. Mardin, und bey der Quelle des Fluſſes K-V-, iſt gauz zerſtört.
v»=
Khabür.
Dieſe Stadt
/gº-A-Urän Schähhr, eine jezt ganz ruinirte Stadt, lag zwiſchen Mardin und Orfa. -
Haſſan Kaif, eine ehmals bekannte Stadt, iſt jezt nur ein kleiner Ort am
Tiger, 16 Stunden von Mardin. Weſtlich von Sindſär liegt in einem Landſee eine kleine von Arabern be
wohnte Inſel, die man sº 35L> Chatonie nennt, und die durch einen ſchmalen Damm mit dem feſten Lande verbunden iſt.
Auf derſelben findet man eine dau
erhaft gebaute Pyramide, die vielleicht verdient von einem Reiſenden geſehen zu werden. *)
„s Js Tel afär liegt ſüdlich von dem Gebürge Sindſär.
Dieſer Ort
und Chatomie bezahlen jährlich gewiſſe Abgaben an den Schech des arabiſchen Stannmes Tai.
Von dem Berge Sindſär an bis Jeruſalem ſoll ein gerader Weg ſeyn, auf welchem man in den ältern Zeiten auf jeder Tagereiſe eine Karwanſerojfand.
Von dieſen öffentlichen, für Reiſende beſtimmte Gebäude ſollen noch viele über bleibſel, die umherliegende Dörfer dieſer fruchtbaren Gegend aber ſollen alle gänzlich zerſtört ſeyn. Dieſer Weg war alſo für die Chriſten zu Moſul und
Mardin, welche nach Jeruſalem wallfahrten wollten, und jezt den weiten Umweg über Haleb und Damáſf, oder gar von Scanderone nach Jafa zur See machen müſſen, ſehr bequem. Unterdeß hatte man ihn ſchon ganz vergeſſen, bis vor einigen Jahren ein Araber ſich anbot, einen Chriſten von Mardin auf demſelben zu begleiten, der verhindert worden war ſo früh nach Haleb abzureiſen, daß er mit
den übrigen Pilgrimmen auf Oſtern nach Jeruſalem kommen konnte.
Der Chriſt
ſoll dieſen Weg von Mardin bis Jeruſalem auch würklich in acht Tagen zurück gelegt haben. Einige
*) Otter hat gleichfals von einer Pyramide in dieſer Gegend gehört, aber ſie auch nicht ſelbſt geſehen.
nicht weit vom Wege nach Mardin.
39 I
Einige Araber von dem Stamme Tai haben mich verſichern wollen, man 1766. fände etwa zwey Tagereiſe von Moſul auf dem Wege nach Ana (einer Stadt am April. M-M Euphrat) noch viele Ruinen von einer großen Stadt El Höddür, und darunter
eine Menge verſteinerter Menſchen. *)
Sie wollten daſelbſt Muftis, Kadis,
Agäs, kurz, Männer, Weiber und Kinder geſehen haben, die alle in einer Nacht verſteinert worden wären. Man könnte ſich eben nicht ſehr darüber ver wundern, wenn ein Bedouin, der die ganze Zeit ſeines Lebens in der Wüſte zu gebracht, alſo niemals Werke der Kunſt geſehen hat, ja vielleicht den Mufti und Kadi nur vom Hörenſagen kennt, ſteinerne Bildſäulen für verſteinerte Menſchen halten wollte. Man findet hier alſo vielleicht noch würklich Ruinen einer Stadt und Bildſäulen, die verdienen daß ein nach Moſul kommender Europäer eine Reiſe dahin mache. Nachher hörte ich zu Haleb, ein von Indien zurückgekom
mener Europäer hätte ſeine daſige Landsleute verſichert, er ſelbſt hätte in der Wüſte Ruinen einer Stadt geſehen, in welcher alle Einwohner in einer Nacht verſteinert worden wären. Einer ſeiner Landsleute, der die Nachrichten dieſes Mannes nicht für ſehr zuverläßig hielt, bezeigte eine große Luſt auch eine Reiſe dahin zu machen; denn, ſagte er, ſind die Menſchen alle in einer Nacht verſtei nert worden, ſo muß man daſelbſt auch viele Männer und Weiber in beſonderer Stellung finden. Der Reiſende konnte nun ſein Wort nicht wieder zurück neh
men, wenn er nicht als ein Lügner angeſehen werden wollte; er ſchwur alſo dar
auf, er hätte dergleichen würklich angetroffen.
Er hat alſo noch mehr beſtätigt
als ich von den Arabern gehört habe.
Die Stadt Gaº/L• Mardin liegt oben an einem hohen und ziemlich ſtei len Gebürge, unter der Polhöhe 37“. 1 9 . Sie war ehmals eine ſtarke und berühmte Feſtung; von der Stadtmauer aber findet man jezt nur hin und wieder
überreſte, und das Caſtell iſt auch ganz verfallen. Lezteres liegt auf einem ſteilen und hohen Felſen, gleichſam über der Stadt. Es iſt lang, aber nur ſchmal. Die nördlichſte Ecke deſſelben iſt am höchſten, und war beſonders befeſtigt; denn der Weg zu dieſem innern oder noch höhern Caſtell iſt nur ſchmal, und hat am bey
*) Sind die "eherbleibſel von der Stadt Atra oder Jatra?
392
Anmerkungen zu Mardin.
beyden Seiten überreſte von Thürmen.
Der Aufgang zu dem Hauptcaſtell iſt
zum Theil ganz aus dem Felſen gehauen, und vor demſelben findet man noch jezt
eine eiſerne Thür, ingleichen von der Zeit der Chriſten noch Figuren im Stein gehauen. Die Stärke dieſes Caſtells beſteht vornemlich darin, daß der Felſen faſt ſenkrecht iſt; denn dieſer iſt oben nicht einmal ganz mit einer Mauer umge ben, ſondern um mehr als die Hälfte ſtehen die Häuſer dicht am Rande. Man findet hier zwar Brunnen, man ſammlet überdieß aber im Frühling auch Regen waſſer in großen Behältniſſen. Wenn die Einwohner zu Mardin die Stärke ihres Caſtells beſchreiben wollen, ſo erzählen ſie, daß Timur lengk (Tamurlan) es ſo lange belagert habe, daß er Feigen und Weintrauben von den Bäumen habe eſſen können, die er auf den Hügeln unter der Stadt pflanzte, und doch habe abziehen müſſen. Indeß will dieſe Redensart der Morgenländer wohl weiter nichts ſagen, als daß das Caſtell ſehr lange belagert worden ſey. Denn der Tatar mag ſich die Feigen und Weintrauben, die er hier fand, wohl ſehr gut haben ſchmecken laſſen, er dachte aber wohl nicht daran, während der Belagerung Bäume zu pflanzen. Die Stadt ward von ihm erobert und zerſtört. Man
fand hier auch noch zwey andere Caſtelle, Tärchänkállaſ und Kallá el márra. Erſteres lag in der Stadtmauer, und lezteres auf einem beſondern Berge, beyde aber ſind jezt gänzlich verfallen. Das Gebürge worauf Mardin liegt, beſteht aus einem weichen Kalkſtein, der leicht zu bearbeiten iſt. Die meiſten Häuſer der Stadt ſind daher von ge hauenen Steinen gebaut und gewölbt. Sie liegen gleichſam übereinander; denn da der Grund worauf die Stadt gebaut worden, ſehr abhängig iſt, ſo dient das Dach einiger Häuſer, ja ganzer Straßen den obenſtehenden zum Vorplatz, und an einigen Stellen iſt es gar die Straße. Alle Häuſer haben die Ausſicht nach der großen und fruchtbaren Ebene von Meſopotamien. In dem Caſtell wa ren ehmals über 2 oo Häuſer; jezt ſind davon kaum 8c bewohnt. Die Anzahl der Häuſer, beydes in der Stadt und dem Caſtell, kann wohl nicht viel über
3ooo gerechnet werden. *)
Davon ſollen etwa 2ooo von Mohammedanern, lauter
*) Ein anderer wollte mich verſichern, man fände zu U7arden über 6oooo Seelen. Anzahl aber ſcheint unir viel zu groß angegeben zu ſeyn.
Dieſe
Anmerkungen zu Mardin.
393
lauter Sunniten, und die übrigen von Chriſten bewohnt werden. man hier etwa 1 o Familien Juden.
Auch findet
Die Mohammedaner haben außer den
kleinen Mosquéen, 1 o Dſamea oder Hauptmosquéen, wovon einige alt und recht hübſch gebaut ſind; aber nur zwey davon haben Minären.
In dieſer
Stadt iſt auch eine Hoheſchule (Mäddraſſe) deren Gebäude ſehr weitläuftig ſind. Sie wird von ihrem Stifter, Khaſſem Padiſcha Täkkie genannt, und hat von ihm jährlich noch bey 1oooo Piaſter Einkünfte, wovon viele Bediente unterhalten werden, deren Stellen zum Theil erblich geworden ſind. Indeß
müſſen ſie ihre Beſtallung zu Conſtantinopel ſuchen. Der Mutuälli, welcher Rechnung von allen Einkünften der Täkkie führt, und den übrigen Bedienten Anweiſung giebt, worauf ſie ihr Gehalt von gewiſſen liegenden Gründen oder
Häuſern heben können, iſt von ihnen der vornehmſte. Dann ſind hier noch vier Mädderaſin oder Lehrer. Ferner ein Imäm oder Prieſter und Vorbeter, ein Daadſji der für den Sultän betet, ein Muäddem der zum Gebet ruft, einer der die Teppiche zum Gebet in Verwahrung hat, ein Sarukdſſi der alle
Freytage um einen hohen Stein auf dem Grabe des Khaſſem Padiſcha einen reinen Turbän wickeln ſoll, ein Pförtner, einige die die Täkkie im Winter von
Schnee reinigen müſſen (leztere ſind gemeiniglich Chriſten) ein Kiälder die Lebensmittel austheilt, ein Koch, ein Gärtner, und gar einer der die Abtritte
rein halten muß.
Die Söchtaute oder Studenten erhalten wöchentlich etwas
gewiſſes. Dieſe aber Koſten der Täkkie jezt nicht viel, weil die Mädderaſſin ſelten Zuhörer haben. Außerhalb Mardin findet man noch einige Täkkie, die ſchon ganz unwohnbar geworden ſind. Indeß haben ſelbige gleichfals noch Ein
künfte, die bey einem gewiſſen Collegio zu Conſtantinopel geſucht werden müſſen; und auch bey dieſen wird gemeiniglich der Sohn eines verſtorbenen Bedienten
einem Fremden vorgezogen.
Der Mufti zu Mardin iſt von der Sekte Hanef,
und wird von dem Mufti zu Conſtantinopel ernannt. dem Kadi zu Diarbekr hieher geſandt.
Der Kadi aber wird von
Weil Mardin an einem ſteilen Berge liegt, ſo habe ich davon einen Proſpekt auf der Tabelle XLVII. entworfen, der dem Leſer einen beſſern Be
grif von ihrer Lage geben wird als ein Grundriß, der hier überdieß ſehr ſchwer II. Theil. D dd zU
394
Anmerkungen zu Mardin.
zu entwerfen geweſen ſeyn würde. Bey 1. ſieht man das Hauptcaſtell. Bey 2. iſt die Gegend wo Timur lengk ſein Lager aufgeſchlagen hatte. Jezt ſieht
man daſelbſt ſchöne Fruchtgärten. 3. das Caſtell Tärchän källaſi. 4. Kalla el märra. 5. Überbleibſel von einer großen Kirche Mar Johanna. 6. Där Safferän, die Reſidenz eines Jacobitiſchen Biſchofs in einer ſehr ſchönen Ge gend, eine Stunde von der Stadt. Man findet zu Mardin eine große Menge Aufſchriften, alle im Neuarabiſchen und gröſtentheils von den Sahhebs (Prin zen) die hier regiert haben. Wenn einer die Geſchichte dieſer Stadt ſchreiben wollte, ſo könnten dieſe Aufſchriften darzu ſehr dienlich ſeyn.
Weil ich aber die
hieſigen Einwohner etwas argwöhniſch fand, und vornemlich weil die hier woh nende europäiſche Mönche, die mir viele Höflichkeit bewieſen, es nicht gern ſahen, daß ich eine ſolche in die Augen fallende Arbeit vornahm, ſo habe ich keine davon abgeſchrieben. Die Luft zu Mardin iſt ſehr rein und geſund. Weil die Stadt hoch liegt, ſo iſt es hier im Sommer nicht ſehr heiß, und im Winter ziemlich kalt. Wenn - -
die Einwohner ſich nicht bloß durch Pelze gegen die Kälte ſchützen können, ſo brennen ſie, wie die in andern Gegenden des Morgenlandes, Holzkohlen auf
einem mit Aſche angefüllten Topf, den mau / 95 nennt, oder man brennt
Holz in einem Camin, (e-3-E>. Kanün oder Sa. - Odſagh).
Die
Weiber haben auch hier, wie in andern Gegenden der Türkey, Feuer unter einem niedrigen Tiſch, über welchen ſie einen Teppich legen, den ſie über den
Schoß ziehen, wenn ſie ſich mit untergeſchlagenen Beinen um den Tiſch ſetzen. Dieſe Manier die Zimmer zu heizen iſt ſehr bequem, und koſtet nur wenig Feuerung, aber ſie iſt auch ſehr gefährlich. Denn da nicht nur der ganze Fuß boden, worauf der Topf mit Feuer ſteht, ſondern auch der Tiſch mit Decken
oder Tapeten belegt iſt, ſo entſtehen dadurch oft Feuersbrünſte.
Jemehr es im
Frühlinge zu Mardin regnet, eine deſto reichere Erndte erwartet man. Von der Mitte des May bis in den Monat October regnet es hier faſt gar nicht, und faſt alle Einwohner ſchlafen des Nachts in dieſer Zeit unter freyem Himmel. Das Waſſer iſt vortreflich und im Überfluß. Unter der Stadt und an der an
dern Seite des Berges findet man viele Fruchtgärten, beſonders von Weintran ben,
Anmerkungen zu Mardin. ben, Birnen, Äpfeln, Piſtacien, Haſelnüſſen u. d. gl.
395 Die Pflaumen von
Mardin ſind ſo berühmt, daß davon jährlich eine Menge an den Hof des Sul täns geſandt wird. An wilden Kirſchen iſt in dieſer Gegend ein ſo großer Über fluß daß mit deren Kern ein Handel nach Basra und Haléb getrieben wird. Wegen der Menge von Weintrauben ſchickt man auch viele Roſinen auswärts, und Wein und Branntwein iſt bey den hieſigen Chriſten ſehr wohlfeil. Daß
hier auch viel Manna geſammlet wird, iſt ſchon in der Beſchreibung von Ara bien S. 1 45, bemerkt worden.
Gerſte.
Der Ackersmann baut vornemlich Weizen und
Und da man in der ſchönen Ebene von Meſopotamien die vortrefflichſten
Weiden antrift, ſo iſt das Fleiſch hier beydes ſehr gut und wohlfeil. In der
Stadt ſind gute Fabriquen, beſonders von Leinwand und baumwollenen Zeugen. Man findet hier auch eine Glasfabrik, und überhaupt iſt der Handel mit den be nachbarten Städten anſehnlich.
Daß der hieſige Statthalter den Titel scºyº - Woiwode führe, ehmals unmittelbar vom Sultän ernannt worden ſey, jezt aber von dem Paſcha zu Bagdäd hieher geſandt werde, iſt ſchon im vorhergehenden bemerkt worden. In
den ältern Zeiten ſoll man in dem Diſtrikt von Meſopotamien der zu dieſem Gou vernement gehört, wohl 16oo Dörfer gezählt haben.
Jezt ſollen davon nur
noch 5oo übrig ſeyn, und dieſe Anzahl iſt vermuthlich noch zu groß angegeben.
Überdieß rechnet man etwa noch 2oo Dörfer in der bergigten Gegend zu dieſem Gebiet. Man ſagte daß der Sultän, außer 27 Beutel (9.ooo Rthlr.) Kopf ſchaß von Chriſten und Juden, jährlich nur 1 oo Beutel (33 333 Rthlr.) von dieſem Gouvernement erhalte.
Der Paſcha von Bagdäd aber ſoll, nach Abzug
aller Unkoſten, jährlich noch wohl 2oo Beutel überſchuß bekommen. Der hieſige Woiwode hat ſeine A)ß ágaſts, Tſchokadars und andere Bediente, wie ein Paſcha.
Er unterhält wenigſtens 4 Beirak Infanterie,
jeden zu 12 o Mann. Jeder Beirak hat einen Bulukbäſchi, Odabäſchi, Tſchaits und Beirakdär, und alle ſtehen unter dem Täffenkſchi bäſchi. Die Cavallerie (Lawends) iſt nicht allezeit gleich ſtark. Sie wird von dem Bäſch Aga angeführt, übrigens aber auch in Beirak eingetheilt, bey welchen die Offi ciers eben die Titel haben als bey den Täffenkſchis. Der Woiwode braucht vor D dd 2 nemlich
396
Anmerkungen zu Mardin.
uemlich dieſe Truppen gegen die in ſeinem Gebiete herumſtreifende Araber, Kur den und Jeſidier: und wenn die nicht hinreichend ſind, ſo läßt er mehrere wer ben. Es finden ſich hier Leute genug, die gern einige Wochen mitlaufen wollen um Beute zu machen. Denn alle Kameele, Schafe und Kühe, die den herum
ſtreifenden Stämmen oder den ungehorſamen Einwohnern der Dörfer abgenom men werden, gehören dem Woiwoden, die Pferde aber und alle übrige Beute wer den unter den Truppen vertheilt.
Die Häſſerlie oder die Beſatzung im Caſtell wird von dem Sultän bezahlt. Dieſe ſteht unter einem Desdär, der auch verſchiedene Officiers, als ſeinen Kichja, Töpſchi bäſchi u. ſ. f. unter ſich hat. Auch ſind zu Mardin etwa 5o Spahis.
Die Stadtmiliz wird – ZS Aſſab genannt, und gleichfals vom Sultän bezahlt. Dieſe hat eine große Trommel, (Tabbel.)
Die Truppen des Woiwoden haben
nur kleine kupferne Pauken.
Sowohl die Armener welche ſich mit der römiſchen Kirche vereinigt haben,
als die ſogenannten Chaldäer (mit der römiſchen Kirchen vereinigten Jacobiten
und Neſtorianer) haben Kirchen zu Mardin. hübſch.
Die Kirche der erſtern iſt recht
Die alten Jacobiten haben 3 Kirchen, nemlich eine innerhalb, und die
beyden übrigen außerhalb der Stadt.
Ihr Biſchoff hat etwa eine Stunde von
hier ein Kloſter in einer ſehr angenehmen Gegend, wie im vorhergehenden be merkt worden, wohnt aber die meiſte Zeit in der Stadt.
Zur Gemeine der
Jacobiten gehören jezt auch die Schemſte. Dieſe ſcheinen die Religion beybe halten zu haben, welche in dieſem Lande nicht nur vor der mohammedaniſchen ſondern auch vor der chriſtlichen im Schwange geweſen iſt. Ein alter Mann wollte mich verſichern, daß in ſeiner Jugend noch verſchiedene Dörfer in der um
herliegenden bergigten Gegend ſich zu dieſer Religion bekannt hätten.
Jezt
meynte man, wären auf dem Lande keine Schemſe mehr, zu Mardin aber woh nen etwa noch 1 oo Familien in zwey beſondern Quartieren. Dieſe machten bis vor
wenigen Jahren noch eine beſondereGemeine aus. Als aberSultän Muſtafa einmal auf den Einfall kam, daß alle Chriſten und Juden in ſeinem Reiche gezwungen werden ſollten, entweder Mohammedaner zu werden oder das Land zu räumen,
und als die Großen des Reichs, ſelbſt der Mufti darzu ihre Einwilligung nicht geben
Anmerkungen zu Mardin.
397
geben wollten, weil ſelbſt Mohammed die Chriſten und Juden gegen einen jähr lichen Kopfſchatz geſchützt hätte, ſo ward, um den Regenten in etwas zu befrie digen, der Befehl erneuert, daß künftig Niemand als ein Unterthan geduldet werden ſollte, der keine göttliche Bücher hätte, d. i. der weder Mohammedaner,
Chriſt noch Jude wäre.
Die Jeſidier, die Druſen, die Naſſairier und andre
fremde Religionsverwandten welche unter ihren eigenen Schechs und Emirs in ber
gigten Gegenden wohnten, kehrten ſich an dieſen Befehl gar nicht. Die Schemſe aber waren gar zu ſchwach, zudem wohnten ſie alle in Städten, wo ſie leicht von der
mohammedaniſchen Obrigkeit beobachtet werden konnten. Sie unterwarfen ſich alſo dem jacobitiſchen Patriarchen zu Diarbekr: und ſeitdem nennen ſie ſich Chriſten und kleiden ſich auch ſo. Aber darin, und daß ſie ihre Kinder taufen laſſen, beſteht auch faſt ihr ganzes Chriſtenthum. Selten ſieht man mehrere von ihnen in der Kirche, als etwa ein paar, die ſie ſorgfältig abſchicken, damit man ſie nicht beſchuldigen könne, ſie kämen gar nicht in die Kirche. Sie laſſen ihre Todten auch zwar
von einem jacobitiſchen Geiſtlichen zur Erde begleiten; allein dieſer wird nicht in das Haus des Verſtorbenen gerufen, als bis der Sarg ſchon zugenagelt iſt, da er dann der Leiche nach dem Todtenacker der Schemſe folgt. Kurz, ſie leben noch ſo von andern Religionsverwandten abgeſondert, daß ſie ſich nicht einmal
mit den Jacobiten verheyrathen.
Von den Grundſätzen ihrer Religion habe ich
nichts mit Gewißheit erfahren können. Die Chriſten zu Mardin ſagen, daß ſie die vornehmſte Thüre ihres Hauſes allezeit gegen Aufgang der Sonne bauen, daß ſie ihr Angeſicht gegen die Sonne wenden wenn ſie beten, daß ſie ihren Todten die Haare ausrupfen, und einem Verſtorbenen ein paar Ducaten in den Mund le
gen. Bey Hochzeiten werden zwar Braut und Bräutigam von einem jacobitiſchen Geiſtlichen getraut, allein man führt ſie auch auf der Straße herum, und man
meynt, daß lezteres deswegen geſchehe, um ſie einem gewiſſen großen Stein vorbey zu bringen, dem ſie große Ehrerbietung bezeigen ſollen. EF-(SSSSSSS)-E
Dd d 3
Reiſe
398
S-H
S-H
S-H
«4-M. –A-M. ->S"-> A-L4 –A -a
SNC
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=>é
4
Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Haleb. 1766.
An 1oten May des Morgens frühe reiſete ich mit einer kleinen Kaſſe von
May. Mardin ab um nach Diarbekr zu gehen. Die Entfernung dieſer beyden Städte
“TT“ iſt in gerader Linie etwa 1 1 deutſche Meilen nach Nordweſt. Man kann ſelbige bequem in 2 Tagen zurück legen. Weil aber die Eigner der Laſtthiere in dieſer Jahrszeit überall die ſchönſten Wieſen fanden, ſo reiſeten ſie ſehr langſam, und wir erreichten Diarbekr nicht eher als am 12ten des Vormittags. Der Weg iſt anfangs bergigt und beſchwerlich, und die umherliegenden Gegenden ſind, we gen Mangel an Leuten, auch nur ſchlecht bebaut. Die ſchönſten Quellen, wel che das Land fruchtbar machen könnten, werden nicht genutzt; doch ſieht man noch an vielen Stellen verfallene Weingärten, ein Beweis daß dieſe Gegend ehmals beſſer bebaut geweſen iſt. Nachher kamen wir durch einen kleinen Ei chenwald, von deſſen Bäumen viel Manna geſammlet wird. (Beſchreibung
von Arabien S. 146. )
Ferner nach Schech Chän, einem Dorfe das im
Winter von Kurden bewohnt wird, die im Sommer unter Zelten herum ziehen. Dieß Dorf liegt an einem großen und fruchtbaren Thal, und hat ſeinen Namen von einer ganz aus dem Felſen gehauenen Karwanſeroj erhalten, die gewiß viel Geld gekoſtet hat, übrigens aber weder ſchön, noch bequem iſt, vornemlich da ſie gar nicht gereinigt wird. Der ganze Chän iſt ein Pferdeſtall; nur ſind in den Wänden große Niſchen, die den Reiſenden als Kammern dienen ſollen.
Ein Caſtell, das Sultän Muräd auf ſeinem berühmten Feldzuge nach Bagdad, in dieſer Gegend bauen ließ, iſt ſchon längſtens wieder zerſtört. Von Alterthümern die einige Aufmerkſamkeit verdienen,
-
habe ich auf
dieſer Reiſe nichts angetroffen, als Kasr Zerzaua, ein ganz verlaſſenes Ca ſtell auf der Spitze eines hohen Berges. *) Wir lagerten hier kurz vor Mit tag. Der Hitze ungeachtet ſtieg ich den ſteilen Berg hinauf, in der Hofnung UNCT
*) In der Gegend von Diarbekr ſollen auch Ruinen ſeyn die man
So
nennt; ich weis aber nicht ob ſie von Zasr Ferzaug verſchieden ſind.
El madek
Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Haleb.
399
unter den Ruinen, die wir ſchon weit in der Ferne geſehen hatten, noch einige 1766. ſchöne Denkmähler zu finden. Meine Neugier aber ward nicht ſehr befriedigt. May.
Ich fand nichts als die Mauern von verfallenen Gebäuden, alles von großen TT“ gehauenen Steinen; ja von einigen Häuſern war das unterſte Stockwerk grö ſtentheils aus dem Felſen gehauen. Einige Giebel ſehr hoher Gebäude ſind ſpiz, ein Beweis, daß man in den älteſten Zeiten auch in dieſen Gegenden ſchräge Dächer gehabt habe, wie in Europa. Inſchriften fand ich gar nicht. Man konnte mir keine Nachricht geben, zu welcher Zeit dieß Caſtell zerſtört, und noch viel weniger von wem es gebaut worden ſey. Man ſieht es aber den Ruinen an, daß ſie ſehr alt ſeyn müſſen; denn der Stein iſt ſehr hart, und hat dem ohngeachtet durch die Zeit viel gelitten. Nach der Tradition ſoll es lange von einem kleinen Herrn bewohnt worden ſeyn, der von den Vorbey reiſenden nicht nur Zoll und Wegegeld verlangte, ſondern ſie oft gar plünderte. Nicht weit vom Wege, bey einem Dorfe Surtannel, liegt ein Kloſter
welches die Armener Där Robät, und die Türken Kara Kliſe (die ſchwarze Kirche) nennen.
Dieß Kloſter iſt ganz von großen gehauenen Steinen gebaut,
ja man ſagt, daß ſogar einige Thüren von eben dem Stein ſind. *)
In dem
ſelben wohnt noch jezt ein Maträn, ein Prieſter und der Teufel. Man erzählt nemlich, und der gemeine Armener glanbt es in allem Ernſt, daß ein hieſiger Maträn (Biſchof) einen Teufel, den er aus einem Beſeſſenen getrieben, darzu verdammt habe, daß er alle Nächte das ganze Kloſter fegen, und alle Unrei
nigkeiten wegſchaffen muß: und man verſichert, daß man ſeitdem die Kirche, die Wohnung der Geiſtlichen, ja ſogar die Küche und den Feuerheerd alle Morgen
ganz rein finde.
Der Teufel verſchaft den Geiſtlichen auch den Nutzen, daß
bisweilen Reiſende ſie beſuchen, um Zeugen von dem Wunderwerke zu ſeyn,
bey welcher Gelegenheit dann ein Geſchenk gegeben zu werden pflegt.
Ich ward zU.
*) In Indien hörte ich, daß man auch daſelbſt in den alten im Felſen ausgehauenen Pago den ganz ſteinerne Thüren antreffe, die bisweilen ſauber ausgehaucn und als ein Gitterwerk gemacht ſind. In den ſogenannten Gräbern der Könige bey Jeruſalem
findet man gleichfals ſteinerne Thüren, wie nachher bemerkt werden wird.
4OO
Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Haleb.
1766. zu ſpät davon unterrichtet, und zu dem hatte ich nicht Luſt meine Reiſegeſell May. ſchaft zu verlaſſen, da ich nicht erwartete, daß der Fegeteufel mich nachher gegen
“TT-Räuber würde ſchützen können.
Sonſt hätte ich wohl Luſt gehabt, auch Där
Robät zu beſuchen. In der Nähe von Diarbekr iſt der Weg etwas ſumpfig. Man findet daſelbſt verſchiedene kleine Flüſſe, über den meiſten derſelben aber ſchöne Brücken von einem harten ſchwarzen Stein, und der Weg vor denſelben iſt gemeiniglich eine lange Strecke gepflaſtert. Die Namen der Dörfer welche man in dieſer Gegend antrift, findet man auf der Reiſecharte Tab. 5 o. Ein Carmelit zu Mardin hatte mir ein Empfehlungsſchreiben an die Ca puciner zu Diarbekr mit gegeben, und dabey verſichert, daß es letztern weder an Plaß noch an gutem Willen fehlen würde, mich in ihre Wohnung aufzu nehmen. Bey meiner Ankunft in dieſer Stadt ging ich alſo gerade dahin, und
ward ſehr höflich empfangen.
Die Patres waren alle gute ehrliche Capuciner.
Ihre vornehmſte Stütze war ein Frater, ein vernünftiger Mann und guter Arzt, der bey allen Großen ſehr beliebt war, ja ſo ſehr, daß die guten Väter eiferſüchtig auf ihn zu ſeyn ſchienen. Dieſer verſchafte mir bald die Bekannt ſchaft mit einigen angeſehenen chriſtlichen Kaufleuten. Ich brachte alſo die kurze Zeit meines Aufenthalts in dieſer Stadt, theils in dem Kloſter, theils mit den einländiſchen Chriſten ſehr angenehm zu: und obgleich die Mohamme daner hier bey weitem nicht ſo höflich gegen die Chriſten ſind, als zu Mardin
und Moſul, ſo ward doch ich in meinen Beobachtungen gar nicht von ihnen geſtört.
Der Name A2/20 Diarbekr iſt nicht alt.
Ehmals hieß dieſe Stadt
Amid, und dieſen Namen braucht man gemeiniglich auch noch jezt in den türki ſchen Urkunden. Sie liegt an dem weſtlichen Ufer des Tigers, auf der
Fläche eines Felſens der nach der Seite des Fluſſes ſehr ſteil iſt.
(S. den
Grundriß Tabellen XLVIII.) Die Stadt iſt ganz mit einer hohen Mauer von einem harten ſchwarzen Stein umgeben, wovon die Türken ſie
auch Kara Amid (das ſchwarze Amid) nennen.
In der Mauer ſind
verſchiedene Baſteyen oder große Thürme, auf welchen Canonen gebraucht wer Den
Tab.XLVIII
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Reiſe vom Mardin über Diarbekr nach Haleb.
4OI
den können. Man findet hier vier Thore. 1. Jengi kapüſi, 2. Mardin 1766. kapüſi, 3. Orum kapüſi und 4. Däg kapüſi. Das Caſtell A. hat nach der Mav. Seite der Stadt eine eben ſo ſtarke Mauer als die Stadt ſelbſt; nach der Seite“TT“ des Fluſſes aber ſtehen die Häuſer an einigen Stellen aufdem Rande des Felſens,
der hier ſehr ſteil iſt.
Es hatte ehmals drey Thore.
Ogrun kapüſi bey 5.
aber iſt zu gemauert, und Damir kapüſi bey 6. beſtändig geſchloſſen, ſo daß jezt nur ein Thor, nemlich das nach der Seite der Stadt offen iſt.
Der hieſige
Paſcha, welcher allezeit drey Roßſchweife hat, wohnt in dieſem Caſtell. Die ehmaligen Sahhebs (mohammedaniſche Fürſten) dieſer Stadt hatten auf einem hier befindlichen Hügel einen Palaſt, wovon aber nichts mehr übrig iſt, als die
Grundmauer.
Jezt ſoll der Hügel wohl als eine Batterie dienen; denn es lie
gen auf demſelben einige Canonen, aber ohne Lavetten und im Graſe. Man kann hier die ganze Stadt überſehen. Ich zählte noch 16 Minären innerhalb der Stadt. Die meiſten derſelben ſind rund, wie die Minären in andern Städten. Einige aber ſind viereckigt. Die Chriſten wollen behaupten, daß letztere alle Glockenthürme auf Kirchen geweſen ſind, die die Mohammedaner
ihnen genommen haben.
Dieß iſt auch nicht unwahrſcheinlich, ob ich gleich
ſelbſt an einem dieſer viereckigten Thürme eine arabiſche Aufſchrift mit der Jahr zahl 55 o geſehen habe; denn dieſe kann von einem Mohammedaner herrühren, der den Thurm etwa hat ausbeſſern laſſen. Die Hauptmosqué, ein prächtiges Gebäude, ſoll ganz gewiß die Hauptkirche der Chriſten geweſen ſeyn. Ich habe davon nicht viel ſehen können, da ein Chriſt nicht einmal auf den Platz kommen darf der dieſen Tempel umgiebt. Die Polhöhe zu Diarbekr iſt
37“. 5 5 . Es iſt in den morgenländiſchen Städten ſehr ſchwer, -
ja faſt unmöglich
zuverläſſige Nachrichten von ihrer Bevölkerung zu erhalten. Weder Chriſten noch Mohammedaner bekümmern ſich darum, und es iſt ihnen daher allezeit un
erwartet, wenn ein Europäer frägt: wie viele tauſend Einwohner die Stadt ha ben möge? Ihre erſte Antwort iſt gemeiniglich: die Stadt ſey eine Welt. Sol
len ſie ſich genauer erklären, ſo reden ſie von einigen hunderttauſend, ja man hat wohl von einer Million Einwohner geſprochen, wo ich kaum hundert tauſend
II. Theil.
Eee
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4O2
Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Haleb.
1766. vermuthete. Das ſicherſte Mittel, die Bevölkerung der morgenländiſchen Städte May. zu beurtheilen, ſind alſo Grundriſſe: und man kann ſicher annehmen, daß die
“TT“ſtark bevölkerten Städte, Conſtantinopel, Kähira, Damáſk, Haleb, Diarbekr, Moſul und Bagdad im Verhältniß ihrer Größe kaum ſo viele Ein wohner haben, als die volkreichen Städte in Europa. Wer alſo die Bevölke
rung von Diarbekr gern wiſſen möchte, der kann nur den Grundriß den ich da von entworfen habe, mit dem Grundriß einer europäiſchen Stadt vergleichen. Der Platz innerhalb der Ringmauer iſt faſt ganz bebaut, und hier waren vor der
letzten großen Hungersnoth, etwa vor 9 Jahren, ſo viele Einwohner, daß alle Häuſer ſehr ſtark bewohnt waren.
Jezt ſtehen viele davon leer.
Indeß ſollen
noch bey 1 6ooo bewohnt ſeyn, und davon etwa der vierte Theil von Chriſten. Die Häuſer dieſer Stadt ſind nicht gewölbt, wie die zu Mardin und Moſul, ſon dern oben platt. Das unterſte Stockwerk iſt gemeiniglich von gehauenen Stei nen gebaut, und das öbere von Leimerde. Die Kuppeln (Kubbets) einiger
Mosquéen und eines großen Chan ſind mit Bley bedeckt, welches ich von Basra an bis hier nicht, aber in Syrien und Natolien oft angetroffen habe. Die Straſ ſen ſind alle gepflaſtert, und werden ziemlich rein gehalten. Waſſer hat man
hier im Überfluß, theils von einem kleinen Fluß Alipoar, und theils aus Quellen.
Bey 7. auſſerhalb der Stadt ſind Graben, um darin Eis zu ſamm
len, und bey denſelben (8) große Eiskeller.
Die Todtenäcker, wovon auf dem
Grundriß nur ein Theil durch die Zeichen . . angedeutet iſt, ſind ſehr groß. übrigens findet man un der Stadt artige Frucht- ja auch Weingärten, und das übrige Land iſt wohl bebaut.
Etwa 14 bis 16oo doppelte Schritte von Mar
din kapüſi ſieht man noch eine ſchöne Brücke von 1 o Bogen über dem Tiger. Die Brücke ſelbſt iſt von einem harten ſchwarzen Stein gebaut, eine kufiſche Auf ſchrift aber, die man an derſelben findet, ſteht auf einem weichen Stein, und hat daher ſehr durch die Zeit gelitten. Man kann daraus nicht mehr ſehen, in welchem Jahre ſie gebaut worden. Die Schrift aber ſcheint älter zu ſeyn als die
älteſten an der Stadtmauer, die ich copirt habe; und es iſt daher nicht unwahr ſcheinlich, daß dieß noch eben die Brücke ſey, welche im Jahr der Hedſera 124
gebaut ward. *)
Die
*) Semmlers Ueberſetzung der algemeinen Welthiſtorie der neuern Zeiten 2ter The S. 35.
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Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Haleb.
4O3
Die Baſteyen und Thürmer in der Stadtmauer ſind rund, achteckigt oder 1766. viereckigt, und nicht zu einer Zeit gebaut. Die viereckigten ſcheinen die älteſten May. zu ſeyn; denn an denſelben findet man lauter kufiſche Aufſchriften. Ich habe
davon drey auf der Tabelle XLIX. abgeſchrieben.
A iſt vom Jahr 444 nach
der Hedſera, und in der unterſten Reihe der Aufſchrift B leſe ich die Jahrzahl
437.
Letztere ſteht an einem Thurm bey Jengikapü.
Hier liegt noch beſtän
dig eine Wache, zur Erinnerung, daß die Perſer ſich einmal der Stadt von dieſer Seite bemächtigt haben. Auf den übrigen Thürmen findet man gar keine Wache. Die meiſten kufiſchen Aufſchriften ſtehen entweder auf einem weichen weiſſen Stein, oder ſind auch von Thon und im Ofen gebrannt, wie die in der Gegend von Babel. Wenn man etwa eine auf eben dem Stein findet, woraus die Stadtmauer beſteht, ſo iſt ſelbige ſo ſchlecht, daß man deutlich ſieht, daß der Stein für die damalige Schrifthauer zu hart geweſen iſt, und daß man ſich des weiſſen Steins deswegen bedient habe, weil er leichter zu bearbeiten war. Von Aufſchriften mit den neuern arabiſchen Buchſtaben findet man hier viele, die, wenn ſie alle abgeſchrieben würden, gute Nachrichten von den mohammedaniſchen Fürſten geben könnten, die hier regiert haben. Dieſe ſind ſehr gut ausgehauen; die Buchſtaben aber ſind, nach der Manier der Araber, oft künſtlich durch- und übereinander geſchrieben. Ich ließ von einem chriſtlichen Kaufmann in meiner Gegenwart zwey davon abſchreiben; will aber nur die eine abdrucken laſſen, weil
die andere gar zu undeutlich und fehlerhaft copirt iſt. *) E e e 2
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4O4 1 766.
Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Haleb.
Es iſt in den Morgenländer für einen Reiſenden unmöglich von allen Einkünf
May. ten des Sultäns aus dieſer oder jener Provinz etwas gewiſſes zu erfahren. Und wer
“TT wird ſich darüber wundern?
Selbſt in Europa, wo doch ſo vieles von der Po
litik geredet und gedruckt wird, wird ein Reiſender nur ſelten zuverläſſige Nach richten von den Einkünften eines Landes erhalten können. Von dem Charadſch haben die Chriſten oft ziemlich zuverläſſige Nachrichten. Hier zu Diarbekr hatte der Ober-Zollverwalter, dem man den Titel Woiwode beylegt, dieſe Einkünfte gepachtet, und man ſagte daß er dafür jährlich 55 ooo Piaſter, und überdieß noch wohl 5 ooo Piaſter als Geſchenke an gewiſſe Bediente zu Conſtantinopel, bezahlte. Er hatte alles wieder an andere verpachtet, und erhielt bloß von dem,
der den Kopfſchatz in der Stadt Diarbekr einſammlen ließ,
12 bis 14.ooo
Piaſter.
Zu Diarbekr wohnen gemeiniglich zwey Patriarchen: nemlich der Patriarch der Jacobiten, der auch wohl, wenn ich nicht irre, Patriarch von Antiochien genannt wird, und der Patriarch der ſogenannten Chaldäer.
Erſterer heißt be
ſtändig Ignatius, und iſt das Oberhaupt von allen jacobitiſchen oder ſyriſchen Chriſten im ganzen türkiſchen Reiche, nur die auf dem Berge Tor ausgenom
men. (S. 388.)
Es ſoll auch dieſer ſeyn, der den St. Thomas Chriſten
in Indien einen Biſchof ſendet. Der 2te Patriarch heißt allezeit Juſof und iſt das Oberhaupt von allen den Neſtorianern und Jacobiten dieſer Gegend, die die Oberherrſchaft des Pabſtes erkennen. Der jezige iſt der vierte der dieſen hohen Ehrentitel führt; denn vor etwa 1 oo Jahren ging ein vornehmer Geiſtlicher der Neſtorianer, der ſich mit ſeinem Patriarchen veruneinigte, nach Rom, unter warf ſich dem Pabſt und ward von ihm mit Einwilligung des Sultäns als der
erſte Patriarch der mit der römiſchen Kirche vereinigten Neſtorianer und Jacobi ten nach Diarbekr zurück geſandt, und es iſt erſt ſeitdem daß man etwas von ei nem Patriarchen der Chaldäer gehört hat. Weil alle die neuen Patriarchen ur ſprünglich Neſtorianer waren, ſo iſt dadurch die alte Gemeine des Patriarchen zu
E koſch gar ſehr geſchwächt worden.
War einer z. E. zu Tilkäf geboren, ſo
nahm auch ein großer Theil der Einwohner dieſes Orts die Oberherrſchaft desPabſtes
an, und eben einen ſolchen Zuwachs erhielt die neue Gemeine von den Geburts ſtädten
Reiſe von Mardin über Diarbekr nach Hale5. ſtädten anderer Patriarchen.
4O5
Aber die von der alten Kirche machen den Abtrün- 1766.
nigen, und beſonders ihrem Patriarchen oft auch viel Verdruß. Lezterer hatte May. Q-N-4 darum, daß er Chriſten von den morgenländiſchen Gemeinen abſpenſtig gemacht hatte, ſo oft Strafgelder an die Türken bezahlen müſſen, daß er es für nöthig gefunden hatte von hier zu reiſen. Außer Jacobiten und ſogenannte Chaldäer findet man hier auch viele Armener, einige Neſtorianer und einige wenige Schemſe. Die Schemſe haben ſich hier, wie die zu Mardin, unter den Schutz der Jacobiten begeben. Die Gemeine der Juden iſt nur klein. Die herrſchende Religion iſt, wie bekannt, mohammedaniſch.
Von den verſchiedenen Sandſaklis in dieſem Gouvernement habe ich
keine zuverläſſige Nachricht erhalten können. Aber Ärgana, Tſchärmuk, Palu garpud, Maaddän und Gebbän ſollen noch alle anſehnliche Orter ſeyn, und bey zwey von denſelben ſollen Bergwerke getrieben werden. Ich fand bald Gelegenheit meine Reiſe nach Haleb mit einer kleinen Kar wane fortſetzen zu können. Dieſe verließ die Stadt am 19ten May, an wel chem Tage in dieſem Jahr das Opferfeſt der Mohammedaner gefeyert ward.
Die Reiſenden nehmen gemeiniglich den Weg nach Söverék über Chän Tſchär muk, wo noch viele Dörfer ſind, deren Namen man auf der Reiſecharte Ta belle 5 o. findet. Wir reiſeten faſt beſtändig Weſt nach Süden, und trafen
kein einziges Dorf an, als Alipoar welches nur eine Viertelſtunde von Diar bekr entfernt iſt. Indeß ſahen wir an vielen Stellen noch Kennzeichen von Dörfern, die von Turkmannen und Kurden, und wohl gar von türkiſchen Be
fehlshabern zerſtört worden ſind.
In der Gegend von Jognoi Ojük kamen
wir noch durch eine kleine Hölzung. Der Weg iſt faſt durchgehends ſchlecht, an vielen Stellen nach einem kleinen Regen gleich tief, und überdieß wie mit Stei
nenbeſäet.
Die Graſung aber iſt vortreflich, und dieß war die Urſache, warum
unſre Katerdſſi (Eigenthümer der Pferde und Mauleſel) durch dieſe Wüſte rei ſeten. Wir kamen erſt am 23ſten nach Söverék. Die Entfernung dieſer kleinen Stadt von Diarbekr iſt ohngefehr 1 c# deutſche oder geographiſcheMei len, und auf dieſem Wege reiſeten wir 2 1 Stunden. Eee 3
Sº/27“
406
Reiſe von Mardin über Diarbeke nach Haleb.
CAy» Söverék liegt in einem Thal unter der Polhöhe 37°. 46'.
1766.
May. Man rechnet die Anzahl ihrer Häuſer etwa auf 2ooo, und davon werden ohn gefehr 15o von Armenern bewohnt. Sie hat drey Mosquéen mit Minären, uud drey öffentliche Bäder. Feſtungswerke findet man hier jezt nicht. In der Stadt aber liegt ein hoher Hügel, dem Anſchein nach ganz von Erde, wie die zu Arbil und Kerkük, und auf demſelben ſieht man noch die Grundmauer von
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einem Caſtel.
Außerhalb dem Flecken ſind viele ſchöne Fruchtgärten, beſonders
von Weintrauben.
Die Vermehrung des Weizens in dieſer Gegend iſt ſchon
in der Beſchreibung von Arabien S. 1 52. bemerkt worden. Von Söverék nach Elbir kann man auch verſchiedene Wege nehmen. Ich wäre gern gerade nach Orfa gereiſt; denn da ich dieſer alten und berühm ten Stadt ſo nahe war, ſo wollte ich ſelbige ungern vorbey gehen. Unſere Ka terdſji aber nahmen abermal einen Weg durch eine unbebaute Gegend, und ich
mußte ihnen bis Mulla ſeroi, das erſte Dorf welches wir auf dieſem Wege antrafen, folgen. Am 28ſten May ließ ich meinen Bedienten mit der Kaſſe weiter reiſen. Ich ſelbſt wagte es mit meinem Katerdſji ganz allein nach Orfa zu gehen, und erreichte die Stadt auch glücklich, ohne von Räubern angehalten
zu werden. Von Söverék bis Mulla ſeroj ſind etwa 7#, und von dieſem Dorfe bis Orfa5 deutſche Meilen. Auf der lezten Tagereiſe kam ich durch eine kleine anmuthige Gegend, die man, von einem in derſelben befindlichen
Dorfe, Dſülbän nennt.
Hier waren verſchiedene kleine Flüſſe, und deren
Ufer ganz mit Gärten und Bäumen bedeckt.
Da ich mich zu sº/.» Orfa nur eine kurze Zeit aufhalten konnte, ſo war meine erſte Arbeit die Lage der Stadt zu unterſuchen, und davon einen Grund
riß zu entwerfen.
Dieſen ſieht man auf der Tabelle LI.
Ihre Lage hat viel
ähnliches mit der Lage der Stadt Tääs in Jemen; denn das Caſtell, welches hier an der einen Seite der Stadt auf einem Felſen liegt, wird von einem weit höhern Gebürge commandirt, und würde alſo gegen einen europäiſchen Feind nicht viel nußen. In dieſen Ländern aber iſt Orfa gut befeſtigt. Sie iſt ganz mit einer Mauer von einem weiſſen Kalkſtein umgeben. An der einen Seite der Stadt iſt ein Graben, der an einigen Stellen tief aus dem Felſen gehauen iſt, -
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Klis, einer noch jezt gut bewohnten Stadt. Bambädſch, ein Dorf nicht weit vom Euphrat, iſt vermuthlich das ehmalige Manbii oder Bambyce.
Auch ſoll man in der Ge
gend von Haleb noch Überbleibſel von einer Stadt finden, die man Chanäſera nennt; und Rawant, eine andere Stadt ſoll 7# Stunden nordweſtlich von
Aintab liegen. Die Nachrichten welche ich von den verſchiedenen Stämmen der Araber erhalten habe, die mit ihren Heerden in den von Städten und Dör fern entblößten Gegenden von Arabien und dem benachbarten Provinzen herum
wandern, findet man ſchon in der Beſchreibung von Arabien. Ich hatte auf meiner Reiſe keine Gelegenheit ſelbſt mit Turkmannen und Kurden bekannt zu
werden.
Indeß erhielt ich durch die Freundſchaft des Herrn Doct.Patrik Rüſſel
zu Haleb, der oft Beſuch von ihren vornehmſten Anführern hatte, folgende Liſten von ihren verſchiedenen Stämmen, die dem geographiſchen Leſer gewiß an genehm ſeyn werden.
Viele der darin erwähnten Stämme ſind zwar nur klein, ihre
Verſchiedene Stämme Turkmannen.
415
ihre Namen vielleicht neu, und werden bald wieder vergeſſen werden.
Überdieß
iſt die angegebene Größe dieſer Stämme auch wohl nicht allezeit zuverläſſig. Ei nige Stämme aber ſind alt und noch anſehnlich: und das, was dieſe Liſten be ſonders merkwürdig macht, iſt, daß darin angezeigt worden iſt, welche Stämme Kurden und Turkmannen ihren Aufenthalt verändern.
Liſte der verſchiedenen herumwandernden Stämme (AUs)
der Turkmannen (e. LAU).
-
Der Stamm „JoXº Bºkdeli hat 1 2ooo Häuſer, d. i. Zelte, und wohnt in dem Gouvernement Orfa.
„...*g* Baiindir Mahmalenli . Paſchlik Orfa. vo-atº hat hat 3oo5 oo ZelteZelte, l im Lºyºlsº Pehlivanli hat 15 000 Zelte und wohnt zwiſchen Siwäs und Angür (Angora.)
„X>y= Kudſikli hat 1oooo Zelte zwiſchen Siwäs und Angür. A - Auſchir hat 5oo Zekte Oa/a> Dſerid hat 5oo Zelte
in der Gegend von Si
EU Lek hat 1ooo Zelte wäs und Angür.
e./3s Beherlt hat 1ooo Zelte Asy” s=* Aghſe Kiüneli hat 5oo Zelte J
„Jetºſº Schäm biadli hat 5oo Zelte zwiſchen Siwäs und Angür. –*A Iräk hat 1ooo Zefte. Im Sommer bey Silváš ºs USA-Dſefr ghänli hat 2oo Zelte. und im Winter in Zör.*) „s-/ Rihanli hat 2 ooo Zelte. Im Sommer in der Gegend von Siwäs und im Winter in der Gegend von Haleb.
«-Uys
Kuluk hat 2 oo Zelte.
Im Winter bey Adene und im Sommer
in der Gegend Kaiſari.
Jeses *) Ich erhielt die Liſte erſt lange nach meiner Abreiſe von Haleb, und zwar ohne Ueberſe» kung. Der Turkmann hat geſchrieben / -A J 3 Wo dieß El Zór liegt, weiß ich nicht. ſernt iſt,
Tyrus ſoll es wohl nicht ſeyn, weil dieß weit von Siwäsenz
416
Verſchiedene Stämme Turkmannen.
Jo'o Dädli hat 2oo Zelte.
Im Sommer in der Gegend von Kaiſari
und im Winter im Paſchalik Orfa.
-
„LäW , Auliſchli hat 200 Zelte in der Gegend von Haleb. «„S-LS Dſädſeli hat 1ooo Zelte –// Kirſak hat 2ooo Zelte
in der Gegend von Aintäb.
e-/s so'o Dadé kirkan hat 1ooo Zelte sº Kabeli hat 1ooo Zelte in der Gegend von Damáſk. *) „ºyº /3 Karakojünli hat 5oo Zelte 9° Sufulir hat 500 Zelte ÄYs Kulindſéfli hat 5oo Zelte
* -
s
A.
in der Gegend von Siwäs.
EX/yº Burenik bat 1 2ooo Zelte in der Gegend von Angür. „X«a! Eilebkeli hat 2000 Zelte.
Von dieſem Stamme wohnt die eine
Hälfte im Paſchalik Siwäs, und die andere Hälfte in der
Gegend von Haleb.
Karadſekerd hat 500 Zelte in der Gegend von Kaiſar. -/- Scherefli hat 500 Zelte „U2 Aiali hat 1ooo Zelte L=, Fidſeli hat 2oo Zelte /a) Eimer hat 5oo Zelte
«PA.sº,
„/- =-2- Tuchtamarli hat 500 Zelte in Syrien Aa- / e Saradſjäller hat 5oo Zelte º „XS- Kikli hat 2ooo Zelte Ls es - Aſchdinli hat 5oo Zelte A//ys Auſſerli hat 1000 Zelte -- 0. º Dindeſchli hat 5oo Zelte
ſchalik Damáſk.
e-Lººxy Muſa beikli hat 500 Zelte ) ,
A-39 Ä hat 3ooo Zelte
vornemlich im Pa
*-- - A
in der Gegend von Aintäb. Liſte –=
*) Die Oberhäupter dieſer Stämme ſind im Dienſte des Paſcha, und wohnen zu Damáſk.
zwul Willlt. -Kollº
M., FooIll%
Muilliſ, wwn,
...36“.
1
PolhöhE> Obſervirfe
J
4. 3 „I 2 2-WM
:
Liſte von verſchiedenen herumſtreifenden
4 I7
Stämmen Kurden (o/S-N!). - VºxUS= Kaſekénli hat 1000 Zelte
Alo
Wadaklenli hat 5000 Zelte
„”%/- Bräſſeli hat 1ooo Zelte - DA/YS= Kurükleile hat 1ooo Zelte „Gää Schikaki hat 1000 Zelte A/y= Kuranli hat 5000 Zelte „3-952-5° Kudſumanti hat 5000 Zelte L.-U.» Mamanli hat 5ooo Zelte „L“ Sebki hat 500 Zelte „3/Ye Suranli hat 5 co Zelte „se-s/-a Iubbrabadenli hat 500 Zelte es eL-Dſümmadenli hat 1000 Zelte «Ä Serki hat 500 Zelte
Alle dieſe Stämme halten ſich im Sommer in der Ge
gend von Kars auf, und im Winter in der Gegend
von e-L2/ Ruän oder Er wän in Perſien.
"
e-202 Bädeli hat 2ooo Zelte JêL Schädli hat 1oooo Zelte „L/a) Aiſuli hat 1 000 Zelte
Alle dieſe Stämme wan dern in den Paſchaliks
e-VL-LED-Dſchančbkeli hat 1oooo Zelte
herum.
A-Ja
Arzerüm und Diarbekr
Jalianli hat 5oo Zelte
“A/Yº Mauriſ hat 1000 Zelte; im Sommer in der Gegend von
Arzerüm und im Winter in der Gegend von Orfa. Äslºx 3“ Muſiänli hat 2ooo Zelte in der Gegend des Berges Sindſär. - yº/ Riſchwän hat 1 2ooo Zelte; im Sommer in der Gegend von Siwäs und im Winter in der Gegend von Haleb.
AL. Milli hat 1 1ooo Zelte; im Sommer in der Gegend von Arzerüm und im Winter in der Gegend von Orfa. *)
esUL Dhätdeh hat 20000 Zelte zwiſchen Söwerek und Arzerüm. „st-Fºº Bidſakli hat 1oooo Zelte in der Nähe von Söwerek.
AX>s/Y= *) Dieſer Stamm iſt von dem S. 389. erwähnten Stamm UIilli verſchieden. etwa 2ooo Zelte.
II. Theil.
G gg
Lezterer hat
48
Verſchiedene Stämme Kurden
„La-s/ = Kurſekt hat 500 Zelte in der Gegend von Aintä5. „Zs sz-º.- Aukſe aſut hat 3000 Zelte in der Gegend von Klis.
„==/s Karakidſel hat 2000 Zelte zwiſchen Orfa und Diarbekr. „su-sº Hadſibanli hat 2co Zelte; im Sommer in der Gegend von Siwäs, im Winter in der Gegend von Orfa.
„L= Kiki hat 1000 Zelte in der Gegend von Mardin. - 23 Beiſeki hat 1000 Zelte
Äs Dukerli
in der Gegend von Orfa.
hat 1ooo Zelte
„X>s/YS-Kuréſekli hat 500 Zelte „U.- Atmal hat 1000 Zelte « Joº -> Hauidli hat 2ooo Zelte Sebanli 1ooo Zelte
Ä
Är
-
-- - - A
se nördlich von Aintä5.
„=s Kalidſeli hat 400 Zelte „sa-Dſakli hat 700 Zelte
j
Ein Kaufmann aus Mardin, der verſchiedene Reiſen zwiſchen ſeiner Va
terſtadt, Haleb und Conſtantinopel gemacht hatte, hat mir noch die Namen von folgenden Stämmen Kurden gegeben.
Der Stamm „A SYSchech Bisni hat 1oooo Zelte, und weidet ſeine Heerden zwiſchen Mardin und Boli.
„st. /* Scherkianli hat 800 Zelte in der Ebene zwiſchen Mardin und Orfa.
-
==/ Fºx Surkſch hat 2000 Zelte und Häuſer in der bergig ten Gegend von Mardin.
„s-/s Pirän Ali hat 1000 Zelte zwiſchen Mardin und Niſſabil.
# Ä-Ä d) 9 «X.
ba
Ä. O-
-
zwiſchen Mardin und Orfa.
„a/> Berift hat 400 Zelte zwiſchen Mardin und
Moſul.
sº Huleri hat 2oo Zelte zwiſchen Mardin und Orfa. LP/> Dſerki hat 25 o Zelte - Ä hat in der Gegend von Mardin. A
-
elte
- Sº -
Verſchiedene Stämme Kurden und Araber.
4 I9
«Ax-30 Dembali hat 5oo Zelte «Astº/º Driſchänli hat 350 Zelte ſüdlich von Diarbekr. *) € 4,- - -
«Asah e Suhänli hat 7oo Zelte.
-
k
Dieſer Stamm hat jezt kein Ober
haupt, ſondern hat ſich unter verſchiedenen der vorhergehen den Stämme vertheit.
J3»-S= Kiablör hat 3oo Zelte in der Gegend von Mardin. **** Selife hat 1000 Zelte zwiſchen Arſerüm und Perſien. „”,-- Eumeranli hat 900 Zelte in der bergigten Gegend von Mardin.
„AA = Kerkeri hat 300 Zelte zwiſchen Sindſär und Dſeſire. **-Sºº Schechanie hat 250 Zelte im Gouverment Mardin. *) „/ =” Nidſjäri hat 2oo Zelte und wohnt gleichfals in dem Ge biete Rard?n.
:-
Von dem vorher erwähnten Kaufmann aus Mardin habe ich auch die Na men folgender arabiſchen Stämme erhalten, die alle in der Gegend von Khabir wohnen. Sie ſind aber in Vergleichung mit dem Stamme Tai nur klein, und ſtehen vielleicht gar unter dem Schutz deſſelben. -*= -2 Beni Käab hat 1 100 Zelte.
„s/UXX2 Bekkhara hat 900 Zelte. *
aëU-S* Hedſ äſche hat 5oo Zelte. CLU23 Diabät hat 6oo Zelte. sº/+ Scherabe hat etwa 700 Zelte, und iſt unter andern Stäm men vertheilt.
Die Kurden und Turkmannen ſind Mohammedaner. Die vornehmſten Familien von erſtern ſind urſprünglich aus Kurdeſtän, ſo wie die von letztern aus Turkeſtän. Beſonders ſollen viele von den Turkmanmen zurück geblieben G gg 2
ſeyn,
*) Viele von den vorher erwähnten Stämmen in der bergigten Gegend wohnen vermuthlich im Winter in Dörfern, wie die Kurden zu Schech Chán S. 398. und die Einwohner zu Jänkſcha S. 336.
*) Dieß ſind vielleicht die eben erwähnten Kurden zu Schech Chäu.
- -
42O
Anmerkungen von Kurden und Turkmannen.
ſeyn, die mit der Armee des Timur lengk nach dieſen Gegenden kamen. Die gemeinen Turkmannen und Kurden aber ſind gröſtentheils urſprünglich aus den Gegenden, wo ſie jezt herumziehen, und zum theil von chriſtlicher Abkunft. Denn ſo wie die Dörfer dieſer armen Leute nach und nach theils von den türkiſchen Statthaltern, theils von den herumſtreifenden Horden zerſtört wurden, ſo fanden ſie kein ander Mittel ſich zu ernähren, als ſich ſelbſt unter den Schuß der Turk mannen, Kurden und Araber zu begeben: und da es ihnen hier an Kirchen und Geiſtlichen fehlte, ſo vergaßen ſie nach und nach beydes, Religion, und ihre Mutterſprache. Der unzeitige Eifer der morgenländiſchen Geiſtlichen hat auch vieles zum Untergang des Chriſtenthums beygetragen. . So ſagt man z. E.
daß der ganze Stamm Péhliwanli aus armeniſchen Chriſten beſtanden habe. Dieſe ſollen von ihrem Biſchofe verlangt haben, daß ihre Faſten gemildert, we
nigſtens daß ihnen erlaubt werden möchte, zu dieſer Zeit Milch, Butter und Eyer eſſen zu dürfen. Dieß aber ſoll ihnen abgeſchlagen und der ganze Stamm darauf mohammedaniſch geworden ſeyn. Jezt wird er zu den Turkmannen gerechnet. Die Oberhäupter der herumwandernden Kurden und Turkmannen nennt man Aga. Leztere ſollen ſich nicht viel um ihren Adel bekümmern. Die Kur den aber ſollen darauf eben ſo ſtolz ſeyn, als die Schechs der Bedouinen. Ihre Denkungsart iſt von der Araber ihrer darin verſchieden, daß ſie bey der Geburt einer Tochter mehr Freudensbezeugungen anſtellen, als wenn ihnen ein Sohn ge boren wird. Denn als Mohammedaner können ſie mehr als eine Frau heyra then, und ein kurdiſcher Aga nimmt nicht gern ein Mädgen von geringer Geburt. Man ſagt, daß ein Kurd von einer alten Familie wohl 5 o Beutel (über 1 65oo
Rthlr.) für ſeine Tochter verlangt, und ihr nur eine kleine Ausſteuer giebt, an ſtatt daß die vornehmen Araber und Türken gemeiniglich nicht nur alles, was ſie von dem Bräutigam erhalten, ſondern noch wohl mehr auf die Ausſteuer wen den. Viele Töchter ſind daher bey ihnen ein Reichthum. Auch die Kurden und Turkmannen, welche zerſtreut in Dörfern wohnen, haben oft unter ſich ein Oberhaupt. In den Dörfern zwiſchen dem Tiger und Kurdeſtän hörte ich z. E. von den kurdiſchen Familien Badſjelän, Lak, Sarilie
m. ſ.f, wovon jede einen Kichja hat.
Doch iſt ſelbiger nicht als eine obrigkeit lye
Reiſerouten in Armenien und Natolien.
421
liche Perſon anzuſehen, ſondern oft eben ſo wohl nur ein Bauer als die übrigen von ſeiner Familie. Weil er aber am beſten geſchickt iſt, ihrentwegen mit der türkiſchen Obrigkeit zu ſprechen, oder Streitigkeiten beyzulegen, ſo hält er es für ſeine Schuldigkeit ihr Fürſprecher zu ſeyn, ohne davor im geringſten Bezah lung zu erwarten. Man findet übrigens eben ſo ſelten kurdiſche und turkmanni
ſche Familien die Geſchlechtregiſter haben, als arabiſche.*)
Ob ich gleich nicht nach Kaiſart, Tokat, Arzerüm und Wan gekommen bin, ſo will ich doch einige Reiſerouten dahin bemerken, die ich von Leuten er halten habe, die Pferde und Mauleſel an Kaufleute vermietheten, und alſo die Wege wohl kannten. Sie rechnen nach Stundenweges. Weil aber die Wege nicht allezeit gerade, und oft auch über Berge gehen, ſo kann man in der Erd
beſchreibung auf jede Stunde wohl kaum eine halbe geographiſche Meile annehmen.
Weg von Diarbekr nach Ärzerüm. Von Diarbekr bis US-e Ä/º Scherbettin Chäne 6 Stunden. Wei ter bis „tº- Cº c/º Burdeniſch Chane 6 Stunden. Bis e. Lé-L-/ 9 Orta Chán 6 Stunden. Bis e-tº-Cºlº Bäſch Chán 4 St. Bis 'A Pälo. 8 St. Bis Ä Töppe 8 St. Bis - S Tſchün 8 St. Bis /yº/Yº Horhor 8 St.
Bis Aºf „5+ Koiſmir 7 St.
Bis e-GA- Melikan
8 St. Bis „5+Cº-e Bäſch koi 6 St. Bis L/- 0 Düsle 7 St. Bis =”> Chanedſe 6 St. und ferner bis 2.///) Ürzerüm 6 Stunden. Alſo
von Diarbekr bis Arzerüm 94 Stunden.
Von Arzerüm nach Kars rechnet
man 6 Tagereiſe.
Weg von Kaiſari nach Diarbekr, und von hier nach Tokat. Von Kaiſari nach Barſoma Chán 4 Stunden. Weiter bis Sultän Chän 4 St. Bis Dſjämerek 6 St. Bis Schäher Kisle 8 St. Bis Chane 9 St. Bis Ulaſch 9 St. Bis Kangal 9 St. Bis Aladſe Chan 6 St. Bis Haſſan tſchellebi7 St. Bis Hakim Chane 5 St. Bis Charrén 6 St. Bis Ogurli 4 St. Bis Dängisli 8 St. Bis Maäden 4 St. Bis Arpaud 7 St. G gg 3
*) Beſchreibung von Arabien. S. 15.
Bis
422
Reiſerouten in Armenien und Natolien.
Bis Charpud 6 St. Chän 4 St.
Bis Habuſ 6 St.
Bis Burdenis Chän 6 St.
und ferner bis Diarbekr 6 Stunden.
Bis Bäs Chän9 St.
Bis Orta
Bis Scherbettin Chane 6 St.
Alſo von Kaiſari bis nach Diarbekr
1 39 Stunden. . Von Diarbekr nach Tokät reiſet man meiſtentheils denſelben Weg. Nem lich von der zuerſt erwähnten Stadt bis Uläſch 99 Stunden. Weiter bis Siwäs 7 St. Bis Jengi Cháu 12 St. Bis Bolus 7 St. und ferner bis Tokät 7 Stunden. Alſo in allem von Diarbekr bis Tokät 1 32 Stunden.
Weg von Tokät nach Amaſia. Von Tokät bis Igna Chän ſind 6 Stunden.
Stunden, und bis Amaſia 8 Stunden.
Weiter bis Turhäl8
Alſo von Tokät bis Amaſia 22
Stunden.
Wege von Wan nach Diarbekr und Ärzerüm. Dieſe Reiſerouten habe ich von einem Armener erhalten, der in ſeiner Ju gend in dem daſigen Gegenden viel gereiſt war. Die Entfernung der Orter iſt alſo vielleicht nicht ſo zuverläſſig, als die vorhergehenden, die ich von Katerdſſis bekommen habe. Von Wan bis Miräk 8 Stunden. Ferner bis Ardiſch 7 Stunden. Bis Malasgerd 1o St. Bis Boſtandibi 9 St. Bis Jeſidkoi 8 St. Bis Mellik koi 1 1 St. Bis Chanis 8 St. Bis Turtan 8 St. Bis Ertif6
St. und von hier bis Ärzerüm 6 Stunden.
-
Auf dem Wege nach Diarbekr reiſet man: von Wan bis Waſtän 6 St.
Bis Pelia 8 St. Bis Tatwan 1o St. Bis Surp 9 St. Bis Zaik 8 St. Bis Sigurd 1 1 Stunden, und von Sugurd noch 4 Tagereiſe bis Diarbekr.
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Anſtler
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423
A4A.
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Anmerkungen von Syrien, und beſonders von den Bewohnern des Berges Libanon.
B.
meiner Ankunft zu Haleb begab ich mich gleich nach dem Hauſe des hol
ländiſchen General-Conſuls, Herrn von Maſſeyk, der mir ſchon eine Einla dung nach Basra entgegen geſandt hatte, und ward auf das freundſchaftlichſte aufgenommen. Ich fand hier die angenehmſte Geſellſchaft die ich ſeit einigen
Jahren angetroffen hatte, und gar Landsleute; denn Herr von Maſſeyk war ein Holſteiner, und alſo ein geborner Unterthan des Königs von Dännemark, und die Frau von Maſſeyk eine geborne Goverts aus Hamburg. Mein freund fchaftlicher Wirth unterließ überhaupt nichts, wodurch er mir den Aufenthalt in
dieſer Stadt angenehm machen konnte. Er verſchafte mir bald die Bekanntſchaft mit den übrigen hier wohnhaften Europäern; beſonders mit dem Herrn Pury, einem Kaufmann der mit ſeinem Handlungshauſe in Verbindung ſtand, und bey ihm wohnte; ingleichen mit dem Herrn Doct. Patr. Ruſſel, einem würdigen Bruder des Verfaſſers der Deſcription of Aleppo, dem Herrn Dawes, Prediger
bey der hieſigen engliſchen Faktorey, dem jezigen Pro-Conſul Herrn Preſton, den Herrn Smith, Abbot und übrigen engliſchen Kaufleuten. Ich ſah mich alſo auf einmal wieder nnter eine Menge von europäiſchen Freunden verſezt, durch deren Umgang ich bald alles Ungemach vergaß, was ich bisher ausgeſtanden hatte. Unterdeß fand ich zu Haleb einen Befehl Sr. Königlichen Majeſtät, von hier nach Cypern zu reiſen, und die Inſchriften aufzuſuchen welche Herr Doctor Pocock daſelbſt eopirt hat, und die von den Gelehrten in Europa für phöniciſch, und alſo für ſehr merkwürdig erklärt worden ſind. Die Einwohner dieſer Inſel
hatten vor einiger Zeit ihren Statthalter ermordet, und waren noch in den Waffen; es ſchien alſo nicht rathſam zu ſeyn, dieſe Reiſe gleich anzutreten. Da aber die Kriegsnachrichten in der Ferne oft gefährlicher lauten als ſie würklich ſind,
ſo eilte ich nach Scanderone zu kommen, um von hier, ſobald ich Nachricht erhalten würde daß es nur in der Gegend von Larneca, wo Pocock die In
ſchriften angetroffen hat, ruhig wäre, gleich nach Cypern abgehen zu können. Von
Anmerkungen von Syrien überhaupt.
424
Von Cypern reiſete ich nachher auch noch nach Jafa, Jeruſalem, Akke,
Seide, Damask, Tripolis, Ladakia, und kam wieder nach Haleb zurück, um hier eine Karwäne zu erwarten womit ich durch Natolien, nemlich über
Adene, Konje, Kutähia und Burſa nach Conſtantinopel gehen könnte. Allein die Beſchreibung dieſer Reiſe muß ich zu dem folgenden Bande verſparen: ich will hier nur noch einige Anmerkungen von Syrien überhaupt einrücken. Syrien wird in verſchiedene große Provinzen eingetheilt, deren Statthal
ter drey Roßſchweife haben.
Das Gouvernement Damásk iſt davon das gröſte
und einträglichſte; denn darzu gehört jezt auch das ganze Gelobteland. Dar nach folgt das Paſchalik Haleb. Die Paſchäs von Tripolis und Seide haben zwar auch große Diſtrikte unter ihrem Befehl; allein die meiſten von ihren Un
terthanen wohnen auf dem großen Gebürge - Leº Libanon, und dieſe ſind nicht nur Anhänger von verſchiedenen Sekten und Religionen, ſondern viele davon ſte hen auch noch unter Schechs und Emirs von ihren eigenen Nationen, die gewiſſe Diſtrikte von den Paſchaspachten, aber ihre Pacht oft nicht eher bezahlen als bis die Türken ſelbige mit einer Armee abholen, welches allezeit ſehr koſtbar 1wird.
Die alte ſyriſche Sprache iſt hier ſchon längſt von der arabiſchen ver Man ſagt zwar, daß man in dem Gouvernement Damásk noch einige wenige Dörfer antrift, wo noch jezt Syriſch geredet wird; allein
drängt worden.
dieß ſoll ſehr von der alten ſyriſchen Sprache abweichen. *)
Die Kurden und
Turkmanneu welche auf oAU! U-> Dſäbbel el kräd und in der Gegend «L.A. 8-Gi- M'katá el turkman wohnen, oder in Syrien unter Zelten le ben, reden ſchlechte kurdiſche und türkiſche Dialekte: und ſeitdem dieß Land unter türkiſcher Botmäßigkeit geweſen iſt, da oft Paſchäs hieher kommen die kein Ara
biſch verſtehen, ſo iſt das türkiſche ſowohl in dieſem Lande als in allen übrigen Provinzen
*) Ein ſogenannter Prinz vom Berge Libanon hat mich verſichern wollen: man fände auch
auf dem Gebürge nicht weit von Tripolis im Diſtrikte Dennte ein Dorf Radis wo die Bauern ein ſchlechtes ſyriſches redeten. Andere Reiſende mögen unterſuchen, ob dieß ſich ſo verhalte, und wie viel das jezige Syriſche von dem alten abweiche.
Verſchiedene Nationen in Syrien.
425
Provinzen des Sultäns gleichſam die Hofſprache geworden. Doch iſt dieſe Sprache hier noch nicht gemeiner als etwa das Franzöſiſche in Deutſchland. Die mohammedaniſche Religion und zwar die Sekte Sunni, iſt in die
ſem Lande die herrſchende. Man findet hier aber auch Juden, Chriſten, Metaueli, Druſen, Naſſairier, Ismaeliten und Anhänger anderer Sekten, um welche die übrigen Einwohner ſich wenig bekümmern, und die alſo ein Rei ſender nicht kennen lernen kann. Die Juden wohnen in Städten, und ſind faſt alle Talmudiſten. Man ſoll zu Damásk auch noch einige Karaiten und Samaritaner antreffen; allein deren Anzahl iſt überhaupt nur klein. Die Samaritaner haben ihren vornehm
ſten Aufenthalt zu Sichem und Nablös. Die Anzahl der Chriſten iſt in Syrien noch ſehr groß, vornemlich auf dem Berge Libanon, wo die Maroniten, unter dem Schutz der Druſen, noch eine Art Herrſchaft wenigſtens viel mehr Freyheit und Anſehen haben, als in den Städten. Die Maroniten ſind auch wohl die zahlreichſten. Sie erkennen den Pabſt als ihr geiſtliches Oberhaupt, und wollen verſichern daß ſie jederzeit
eifrige Anhänger der römiſchen Kirche geweſen ſud. *)
Sie wählen ihren Pa
triarchen ſelbſt, laſſen ihn aber vom Pabſt in ſeinem Amte beſtätigen, und dann -
erhält er, wenn ich nicht irre, zugleich den Titel Patriarch von Antiochien.
Übrigens ſcheinen ſie ſich nicht viel um den Pabſt zu bekümmern.
Denn man
ſoll Beyſpiele haben, daß die europäiſchen Mönche welche auf dem Berge Liba non wohnen, es dahin gebracht haben, daß einer erwählt worden der in Rom geweſen, und den europäiſchen Catholiken am meiſten gewogen war; daß aber eine ſtärkere morgenländiſche Parthey einen andern ernannt: und wenn dann der Pabſt *) Es ſcheint unterdeß daß ſie bis 16oo wenig Verbindung mit ihren europäiſchen Glaubens genoſſen gehabt haben. Um dieſe Zeit ſchickte der Pabſt einen Abgeſandten nach dem Berge Libanon, um ſich nach den Glaubenspunkten der Maroniten zu erkundigen; und dieſen verſicherten Sie in einer öffentlichen Verſammlung: Nous voulons ſinivre
l'Egliſe Romaine, & ne nous en ſeparer jamais en quelque part qu'elle aille, quand bien meme elle iroit en enfer. Voyage du Mont Liban du R. P. Dandini p. 122.
253. Seitdem alſo wird kein Catholik die Maroniten als Ketzer anſehen. H hh
II. Theil.
426
Verſchiedene Nationen in Syrien.
Pabſt leßtern nicht als Patriarch beſtätigen wollen, man ſich auch um erſtern weiter nicht bekümmert habe. Dieſer Patriarch der Maroniten ſoll noch 12 Bi ſchöfe unter ſich haben, die alle ſehr kümmerlich leben. Die meiſten Maroni ten halten noch einen Theil ihres Gottesdienſtes in der ſyriſchen Sprache; die zu Haleb aber ſollen das Syriſche auch in der Kirche ſchon abgeſchaft haben, und den ganzen Gottesdienſt im Arabiſchen, d. i. in der jezigen Landesſprache halten. Auf dem großen und fruchtbaren Gebürge Libanon wohnen auch viele Chri
ſten die man Griechen nennt, weil ſie ſich ehmals zu der griechiſchen Kirche ge halten haben. Allein ihre Geiſtlichen verſtehen oft weniger Griechiſch, als die Maroniten Syriſch, und daher wird der Gottesdienſt auch bey ihnen gröſtentheils
in arabiſcher Sprache gehalten.
Sie haben gleichfals ihren eigenen Patriarchen,
aber vermuthlich erſt ſeitdem da ſie ſich mit der römiſchen Kirche vereinigt haben: und ich meyne daß nicht einmal die übrigen unirten Griechen, welche nicht im Gebiete der Druſen wohnen, ſich um dieſen Patriarchen bekümmern; ſondern daß der Pabſt einem hieſigen Geiſtlichen nur deswegen den Titel beylegt, um in der Le
vante einen griechiſchen Patriarchen zu haben.
Eben ſo wohnt auf dem
Berge Libanon ein vom Pabſt ernannter armeniſcher Patriarch, der wahr ſcheinlich auch nicht viel zu befehlen hat. Überhaupt leben alle dieſe ſogenannte europäiſche Patriarchen hier unter dem Schutz der Druſen ganz ruhig, anſtatt daß der päbſtliche chaldäiſche Patriarch zu Diarbekr und andre abtrünnig gewor
dene morgenländiſche Geiſtliche von ihren alten Glaubensgenoſſen und den Paſchäs oft viel Verdruß haben. Denn man findet in allen ſyriſchen Städten auch noch viele Griechen, Armener und Jacobiten, die die Patriarchen zu Conſtantinopel
Adſchmiazin und Diarbekr für die Oberhäupter ihrer Kirchen erkennen, und die es gar nicht gleichgültig anſehen, daß der Pabſt den Abtrünnigen den Titel
Patriarch beylegt; daß die europäiſchen Mönche und ihre Schüler immer mehr von den alten Gemeinen abſpenſtig machen; dadurch Uneinigkeit ſtiften, und viele brave Familien gänzlich zu Grunde richten. Die Uneinigkeit der Chriſten iſt allezeit ein Gewinn für die türkiſche Obrigkeit.
Die LG
Metaueli bekennen ſich entweder ganz, oder doch zum Theil
zu der in Perſien herrſchenden mohammedaniſchen Sekte, und ſind alſo Schii
Verſchiedene Nationen in Syrien. Schiiten. *)
427
Sie wollen, ſo wie die Perſer, mit fremden Religionsver
wandten weder eſſen noch trinken, und nicht eher eine Schüſſel, woraus ein Fremder gegeſſen oder getrunken hat, wieder brauchen, als bis ſie ſie wohl ge ſcheuert haben; ja ſie halten ſich für unrein, wenn ein Fremder nur ihre Kleider berührt. Da ſie unter der Herrſchaft der Türken ſtehen, ſo dürfen ſie den Sun niten nicht allezeit ſo verächtlich begegnen. Sie müſſen gar bisweilen ſich als
Sunniten ſtellen. Überhaupt aber wollen weder Sunniten noch Chriſten gern unter ihnen wohnen: und die Maroniten, welche bey den Schechs der Me taueli als Schreiber dienen, bleiben bey ihnen ſelten viele Jahre. Unterdeß ſind ſie ſchon ſeit einigen hundert Jahren im Beſitz von verſchiedenen Diſtrikten.
Eine Familie Harfüſch, wovon der regierender Herr ſich Emir nennt, wohnt zu Baalbek, und bezahlt die Pacht von dieſem Diſtrikt unmittelbar nach Con
ſtantinopel.
Zu Sör und der umliegenden Gegend, Belläd Bſchérre genannt,
regieren 7 bis 8 ihrer Schechs von einer Familie Naſif, die ihre Pacht an den
Paſcha zu Seide bezahlen.
Zu Kirrente und Hürmel, *) einer Stadt am
Fluſſe Aſſi (Orontes), regieren auch Schechs der Metaueli von der Familie
Elkuänza. Dieſe bezahlen ihren Tribut an den Begk zu Häms. Zu meiner Zeit war gleichfals eine Familie Hämädi zu Dſjebail, Dennie und Tſchübbet Bſcherre, Diſtrikte auf und an dem nördlichen Theil des Berges Libanon in dem Gebiete des Paſcha von Tripolis. ***) Allein dieſe Metaueli ſind ſeit
dem von Juſof, einem Emir der Druſen, vertrieben worden, wie nachher be merkt werden wird.
-
H hh 2
Die
*) Sie werden von Pocock the Amadean Arabs, und von ZKorte Samojeden genannt. Ich habe dieſe Namen in Syrien nicht gehört.
**) Nicht weit von Hürmel liegt Tſchübbet el lebbue und Rées. bey der Quelle des Fluſſes Aſſi.
-
Lezteres Dorf liegt
***) Benjamin von Tudela (Itinerarium p. 34.) fand in dieſer Gegend die Hhaſſiſſin oder Aſſaſſinen. Withoff ſagt nach Wilhelm von Tyrus daß die Aſſaſſinen in der bergigten Gegend von Tyrus wohnten, und daß ſie ihre Religion aus Perſien erhalten hätten. Man könnte alſo daraus ſchließen, daß die in den Kreuzzügen be rühmten Aſſaſſinen M7etaueli geweſen ſind. Allein man hört jezt nicht mehr, daß ſie ihren Schechs ganz blindlings Gehorſam leiſten.
428
Anmerkungen von den Druſen.
Die Druſen ſtehen unter vielen Schechs von ihrer eigenen Nation, deren
Oberhäupter ſich Emir nennen. Ihr gröſter Emir reſidirt zu Deir el kammar, und regiert über den gröſten Theil des Berges Libanon. Er bezahlt Tribut oder Pacht an den Paſcha zu Seide. Ein Emir Ali regiert zu Raſcheia, einem bergigten Diſtrikt nicht weit von Damásk, und bezahlt ſeine Pacht an den in dieſer Stadt reſidirenden Paſcha. In einem Diſtrikte Hasbeia regiert noch ein anderer Emir mit Namen Smaejn.
Alle dieſe drey regierende Emirs ſind aus
einem Hauſe Schehäb. Überdieß habe ich noch von einem Schech der Druſen mit Namen Höſſein gehört, der auf Dſäbbel Keftin, einem Berge in dem Paſchalik Haleb mehr als 40 Dörfer unter ſich hat: allein die Einwohner der
ſelben, und der Schech ſelbſt ſind vermuthlich nicht ächte Druſen; denn man beſchuldigt ſie, daß ſie nächtliche Zuſammenkünfte halten, und andere ſchlimme Gebräuche der Ismaeliten haben, deren nachher erwähnt werden wird. Die Franzoſen haben uns verſichern wollen, daß die Druſen auf dem Berge Libanon von ihren Landsleuten abſtammen, die in der bergigten Ge
gend des gelobten Landes zurück blieben, nachdem die Europäer aus dieſen Ge genden vertrieben wurden.
Daß dieß ganz ungegründet ſey, erhellt daraus
daß Benjamin von Tudela ihrer ſchon erwähnt (Itinerarium p. 36.) da er doch in dieſen Gegenden reiſete, als die Europäer noch Herren vom gelobten Lande waren. Die Druſen ſind wohl urſprünglich Syrer; ſie haben aber ihre Religion von dem be
kannten Mohammed ibn Ismael el Darari erhalten, der im Anfange des fünften Jahrhunderts nach der Hedſera ſo viel Aufſehens in Egypten machte. Andre Schriftſteller haben behaupten wollen, daß man ſie an der ſpitzigen Figur ihres Kopfs erkennen könne. Ich habe mich deswegen eigentlich bey verſchiede nen Maroniten erkundigt, aber Niemand hatte es bemerkt, daß die Figur der Druſenköpfe von den ihrigen verſchieden wäre. Auch glaubten die Maroniten nicht, daß die Druſen die Figur eines Kalbes anbeten, obgleich ſie von den
Mohammedanern Abdul idſel genannt werden: und wenn andre Schriftſteller ſie beſchuldigt haben, daß ſie ihre Schweſtern und Töchter heyrathen, ſo haben die Mohammedaner und Maroniten, welche unter ihnen wohnen, mir das Ge gentheil davon verſichert. Die
429
Anmerkungen von den Druſen.
Die Druſen theilen ſich in Akäl, d. i. geiſtliche, und Dſjähhel oder weltliche. Erſtere ſtehen unter dreyen Schechsel akäl. Davon wohnt einer in dem Diſtrikt Arküb, der andere in dem Diſtrikt Tſchüfel heite und der dritte in dem Diſtrikt Hasbeia. Die Akäl unterſcheiden ſich von den weltli chen durch ihre weiſſe Kleidung. Sie haben gemeiniglich ſchöne Häuſer oben auf
den Hügeln: und nach den wenigen von ihren Wohnungen zu urtheilen, die ich auf dem Wege von Seide nach Damásk geſehen habe, ſcheint es, daß ſie nicht die ſchlechteſten Gegenden gewählt haben. Am Donnerſtagsabend, der bey den Morgenländern die Freytagsnacht genannt wird, verſammlen ſie ſich in dem Hauſe eines ihrer Mitbrüder um den Gottesdienſt zu halten, und für die ganze Nation zu beten. Die Weiber der Geiſtlichen können dabey gegenwärtig ſeyn; aber kein Weltlicher, ſelbſt nicht ein Schech oder Emir wird zugelaſſen. Sie verachten alle weltliche Ehrenſtellen. Wahrſcheinlich aber machen ſie nur aus der Noth eine Tugend; denn im folgenden wird es ſich zeigen, daß ſie nach der Zurückunft
ihres Hakems, Könige, Weſirs und Paſchäs zu werden hoffen.
Sie ver
heyrathen ſich nicht mit den Töchtern der Weltlichen; ja ſie treiben ihren Abſcheu für die Güter der Großen, ſo weit, daß ſie nicht einmal bey den Schechs und
Emirs ihrer eigenen Nation eſſen wollen.
Die Akäls eſſen daher nur bey den
Alkals, und bey Bauern und andern geringen Leuten wovon ſie wiſſen, daß ſie ihr Brod durch ihre Arbeit verdienen. Ich habe gleichfals von einigen Geiſt
lichen der Sunniten gehört, die ſo gewiſſenhaft waren, daß ſie nicht mit einem Paſcha oder andern vornehmen Türken ſpeiſen wollten.
Deren aber giebt es
ſehr wenige, und dieſe werden von vernünftigen Leuten für Heuchler angeſehen. Auch die weltlichen Druſen wollen nicht mit einem jeden eſſen. Die Gemahlin eines vornehmen Schechs wohnte einige Tage in dem Gartenhauſe des franzöſi
ſchen Conſuls zu Seide, und als dieſer ihr ein Geſchenk von Gartenfrüchten und andern Lebensmitteln machte, ſagte ſie zu ihm: Sie würde dergleichen nicht vom Paſcha oder Kadi annehmen, ſie trüge aber kein Bedenken bey ihm zu eſſen, da ſie nicht zweifelte, er würde ſein Vermögen rechtmäßig erworben haben. Die gröſten Leidenſchaften der weltlichen Druſen ſind: Gaſtfreyheit, Ehr begierde, eine Tapferkeit die oft in Tollkühnheit ausartet, und auch wohl Geitz. H hh 3
Ein
43O
Anmerkungen von den Druſen.
Ein junger Schech oder Emir lernt zwar leſen und ſchreiben, aber um die Reli gion bekümmert er ſich gar nicht. Er iſt darzu auch nicht verbunden, weil ihre Geiſtlichen es übernommen haben, für alle weltliche zu beten und zu faſten. Der junge Herr wird von Jugend auf angewöhnt, große Beſchwerlichkeiten auszuſtehen. Er muß gut reiten, dem Säbel gut zu führen, die Lanze, und
beſonders das Schießgewehr gut zu brauchen lernen.
Ein Schech, d. i. ein
Adlicher würde ſehr verachtet werden, wenn man jemals, bey welcher Gelegen heit es auch immer ſeyn möge, Thränen in ſeinen Augen bemerkt hätte. Sie ſind auch ſo abgehärtet, daß ſie den Tod für nichts achten, und ſich wegen des geringſten Worts, wodurch ſie ihre Ehre beleidigt halten, einander nieder hauen oder erſchießen. Bey ihnen gilt das Fauſtrecht noch in einem hohen Grade. Sogar die Chriſten auf dem Berge Libanon beobachten eben dieß Geſetz, und die Bluträche. Ihre Biſchöfe können nur ſuchen die ſtreitenden Partheyen von ihrer Gemeine gütlich mit einander zu vergleichen, und weiter
geht auch nicht die Macht der Akäl über die Druſen. Man findet hier nicht einmal türkiſche Kadis. Wenn ein gemeiner Druß einen andern, einen Chri ſten oder Mohammedaner erſchlägt, ſo läßt der regierende Emir ſein Haus plündern, wenn er die ihm aufgelegte Geldſtrafe nicht bezahlen kann oder will. Der Emir ſtraft den Morder nur überaus ſelten am Leben.
Die Angehörigen des Mörders und des Ermordeten erwürgen ſich nachher unter einander, und ſogar des Nachts hinterliſtigerweiſe, ohne auf die Gleichheit der
Partheyen, oder darauf zu ſehen, wie viele ſchon von jeder Seite erſchlagen Der Emir läßt ſich für jeden Todſchlag nur Geld bezahlen. Die großen Schechs der Druſen üben das Fauſtrecht mit noch größerer Dreiſtig keit aus, weil ſie ſich dem Emir gleich zu ſeyn dünken, und dieſer ihnen weder
worden ſind.
das Leben nehmen, noch einen andern mit ihren Dörfern belehnen kann. Wenn zwey vornehme in einen Streit gerathen, ſo ſchicken ſie ihre Bauern in ein Dorf ihres Feindes, laſſen die Einwohner erwürgen, Maulbeer- und Oliven
bäume umhauen, und der Emir beſtraft dieß bisweilen gar nicht.
Bisweilen
verlangt er vom angreifenden Theile eine große Summa Geldes, oder er läßt auch ihm die Bäume umhauen, und das Haus anzünden. Wenn einer das Unglück -
Anmerkungen von den Druſen.
43 I
Unglück hat einen Mörder in ſeiner Familie zu haben, oder wenn einer von den Seinigen ermordet worden iſt, ſo kann er weder des Tages ruhig auf dem Felde arbeiten, noch des Nachts mit Sicherheit in ſeinem Hauſe ſchlafen. Viele entſchließen ſich zwar Friede zu machen. Aber viele einzelne Familien, ja ganze Dörfer leben, ſo zu reden, in einem beſtändigen Kriege. Man hat mich
verſichern wollen, daß in dem Gebiete der Druſen auf dem Berge Libanon jährlich wohl 30 bis 40 Perſonen ihr Leben gewaltſamerweiſe verlieren. Weil die Druſen ſich oft wegen eines einzigen unbedachtſamen Wortes er ſchießen, ſo begegnen ſich hier auch die gemeinen Leute mit der größten Behut ſamkeit, und vielen Freundſchaftsbezeugungen. Sie reden niemals übel von
ihrem abweſenden Feinde; ſie loben ihn gemeiniglich mehr als ihren beſten Freund. Wenn ein Mörder glaubt, daß er und ſeine Familie zu ſchwach ſind, um ſich gegen die Familie des Ermordeten zu vertheidigen, ſo geht er mit einem Strick oder
Tuch um den Hals zu dem nächſten Anverwandten des Ermordeten; entſchuldigt ſich, daß er als ein Mann von Ehre, nicht habe umhin können die Mordthat
:
zu begehen, weil der andre ihm ein ehrenrühriges Wort geſagt habe: er giebt ihm nun mit vielen Complimenten völlige Freyheit ihm das Leben wieder zu neh men. Dann muß der Anverwandte des Ermordeten ihm ſein Verbrechen verge ben. Indeß geſchieht dieß nicht ſo ſchlecht weg. Der Beleidigte läßt einen Barbier holen, und dem Beleidiger den Bart abſcheren. Vor einiger Zeit be klagte ſich eine Witwe bey dem Mörder ihres Mannes, daß ſie durch ihn unglück
lich geworden wäre. Der Mörder ſagte vieles zum Lobe des Ermordeten, be klagte aber, daß dieſer ſo unvorſichtig geweſen wäre, ſeiner Ehre zu nahe zu re den.
Unterdeß ſorgte er ſo gut für den Unterhalt der armen Witwe und ihrer
Kinder, als ſeine Umſtände es erlaubten.
Nicht ſelten geſchehen Mordthaten
beym Wein, wovon die Druſen große Liebhaber ſind.
Wenn die Druſen ſich ſo leicht unter einander todtſchlagen, da ſie doch noch etwas von den Angehörigen des Ermordeten zu fürchten haben, ſo glaubt man vielleicht daß ein Fremder gar keine Sicherheit unter ihnen antreffe.
Allein ſie
ſind eben ſo gaſtfrey als die Araber: und wenn ein Fremder ſich unter den Schutz der Druſen begeben hat, ſo ſchützen dieſe ihn auch gegen ſeine Feinde. Vor einigen
Anmerkungen von den Druſen.
432
einigen Jahren nahm das Oberhaupt von einer türkiſchen Räuberbande ſeine Zu flucht zu einem Schech von Beit Telhük, der vorher niemals Bekanntſchaft mit ihm gehabt hatte. Als der Paſcha zu Damáſk dieß erfuhr, verlangte er mit vielen Drohungen daß der Emir der Druſen den Räuber ausliefern ſollte. Weil der Emir und viele andre Große der Nation es nicht für rathſam hielten, dieſes
Fremdlings wegen mit den Türken Krieg zu führen, ſo ward dem Schech befoh len, ihn auszuliefern.
Allein dieſer ließ ſich lieber einige Häuſer plündern, ſie
anzünden, ja ſeine Maulbeer- nnd Olivenbäume umhauen, als daß er gegen die Gaſtfreyheit handeln, und einen Menſchen verlaſſen wollte, der bey ihm Schutz geſucht hatte. Er lieferte ihn nicht aus: und weil der Paſcha unterdeſſen andre Geſchäfte erhalten hatte, ſo ward die Sache auch nicht aufs äußerſte getrieben. Folgende Begebenheiten können zum Beweis von dem Charakter und der Tollkühnheit der Druſen dienen. Einmal gerietheiner von ihnen auf den Einfall,daß ſeine Tapferkeit berühmt werden würde, wenn er Damáſk, die Hauptſtadt von Syrien und die Reſidenz eines der größten Paſchäs im ganzen türkiſchen Reiche, bey hel lem Tage plündern konnte. Er brachte zu dieſer Abſicht ein paar hundert Mann zuſammen. Er führte davon etwa 5o verkleidete Druſen in den Hauptbaſär, welcher voller Leute war. Die übrigen hatte er theils bey den Thoren, theils in den Vorſtädten und theils hinter den Gärten vertheilt. Die in dem Baſär ſchoſſen auf ein gegebenes Zeichen mit ihren Piſtolen unter die Einwohner. Ei nige wurden dadurch getödtet, andre verwundet; alle zerſtreuten ſich, und ließen den Druſen Zeit, die offenen Kaufmannsbuden zu plündern. Weil man ihre Anzahl nicht wußte, ſo unterſtand ſich kein Bürger aus dem Hauſe zu gehen: und ehe die Truppen des Paſcha ſich verſammleten, waren die Druſen ſchon auſ ſerhalb der Stadt, wo ihre Kammeraden hinten den Gärten mit Pferden auf ſie
warteten.
Vor einiger Zeit gefiel es einem Schech von Beit Bunékkid, der
ſeine Dörfer in der Nähe von Seide hatte, einen vornehmen Bedienten des Paſcha zu erſchießen, der auf die Jagd geritten war. Die Türken verlangten
deswegen Genugthuung von dem Emir. Dieſer berief die vornehmſten Schechs der Nation nach Deier el Kammer, und hier ward beſchloſſen, daß der regie rende Emir dem Mörder ein kleines Haus aufbrennen und ihm einige Bäume umhauen
Anmerkungen von den Druſen. umhauen laſſen ſollte.
433
Nachdem dieß geſchehen war, ſchrieb er an den Paſcha,
daß er den Schech für die begangene Mordthat ſcharf beſtraft hätte. Der Paſcha ſtellte ſich als wäre er befriedigt. Unterdeß ließ er dem Schech heimlich nach
ſtellen, (denn bey einer ſolchen Gelegenheit ſchlafen die Druſen ſelten zwey Nächte
in einem Hauſe) und ihn tödten. Die übrigen Schechs von Beit Bunékkid, etwa drey und zwanzig, beſchloſſen ſich zu rächen, was es auch koſten möchte. Sie verkleideten ſich, und warteten einige Wochen in den Büſchen und Gärten auſ ſerhalb Seide vergebens. Als ſich endlich der Paſcha mit einem Gefolge von mehr als 5 o Mann etwas von der Stadt entfernte, ward er aus einem Hinter
halt von den Druſen angegriffen, und ſelbſt mit verſchiedenen von ſeinen vornehm
ſten Bedienten erſchoſſen.
Dieß konnten die Türken nicht ungeahndet laſſen.
Die benachbarten Paſchäs erhielten vom Sultän Befehl, die Druſen mit einer großen Armee anzugreifen. Dieſe verſammleten dagegen etwa 15 ooo Mann. Von beyden Seiten wurden einige Leute erſchoſſen; überhaupt aber konnten die Türken dem Feind keinen beträchtlichen Schaden zufügen. Die Druſen, welche ihre Feldarbeit verſäumen mußten, wurden ſchon nach ein paar Monaten des
Krieges überdrüſſig.
Sie nöthigten die ganze Familie Bunékkid ſich zu den
Metauelis zu begeben, verſicherten darauf die Türken, daß ſie ſie alle auf ewig aus ihrem Gebiete vertrieben hätten, und ſuchten einen Frieden zu ſchließen. Weil die Türken ihren Feinden, denen ihre ſteilen Berge als ſo viele Feſtungen dienten, nicht viel Schaden konnten, ſo hatten auch ſie nicht Luſt den Krieg noch
länger fortzuſetzen; ſie verlangten 1oo Beutel (jeden ungefehr zu 333 Rthlr.) zur Bezahlung der Kriegskoſten: und weil die Druſen nicht mehr als 50 Beutel bezahlen wollten, ſo ließen ſie ſich auch damit begnügen. Gleich nachher kamen die Schechs von Beit Bunékkid wieder zurück, und nahmen ihre Dörfer aufs neue in Beſitz, ohne daß die Türken ſich darum zu bekümmern ſchienen. Weil die Druſen ihre Religion vor den Türken nicht bekannt machen wol len, ja nicht einmal dürfen, weil man ſonſt einen Religionskrieg gegen ſie wür de anfangen müſſen, ſo nennen ſie ſich Mohammedaner. Der regierende Emir und andre Vornehme, die bisweilen Geſchäfte bey den Paſchäs und andern groſ
ſen Türken haben, ſind beſchnitten; ſie lernen auch das Gebet und die darzu ge II. Theil.
Ji i
hörigen
Anmerkungen von den Druſen.
434
hörigen Ceremonien, damit ſie ſich als Mohammedaner zeigen können. Übri gens bekümmern ſie ſich um die mohammedaniſche Religion gar nicht. Sie ha ben zwar zu Deier el Kammar eine Mosqué: aber gleichſam nur, um ihre vor nehmen Gäſte damit zu bewirthen. Wenn der Emir einen Beſuch von einem Aga erwartet, ſo wird die Mosqué gereinigt; nnd ſo lange ſein Gaſt bey ihm iſt, wird auch der mohammedaniſche Gottesdienſt darin gehalten. Sonſt ſteht ſie
ganz ledig, und der Minäre wird dann nicht gebraucht, um von demſelben die Gemeine zum Gebet zuſammen zu rufen, ſondern um es bekannt zu machen, wenn jemand ein Schaaf oder einen Mauleſel verloren hat, oder wie theuer das Fleiſch und andre Lebensmittel auf dem Markt verkauft werden ſollen. Mit den Chriſten trinken die Druſen nicht nur Wein und andre ſtarke Getränke, ſondern ſie eſſen
auch alles, ſogar Schweinfleiſch mit ihnen.
Wenn ſie ſich in einem Dorfe auf
halten wo viele Maroniten wohnen, ſo beſuchen ſie, vornemlich die vornehmen Druſinnen, oft die Kirche. Und wenn etwa ein europäiſcher Mönch oder ein Biſchoff der Maroniten den Sohn oder die Tochter eines Emir taufen will, ſo er laubt man ihm auch dieſe Ehre; ja man hat Beyſpiele, das alte Emirs und
Schechs, welche glaubten, daß ihre Nachkommen Vortheil von der Freundſchaft der Chriſten würden haben können, ſich noch auf ihrem Todbette haben taufen
laſſen. Im Leben aber ſind ſie immer wahre Dſjähhel geblieben, d. i.ſie haben ſich um keine Religion bekümmert. Bisweilen, obgleich ſehr ſelten, wählt ein Emir oder Schech in ſeinem Alter oder nach dem er viele Widerwärtigkeiten ge
habt hat, den Stand der Akäl, um die lezte Zeit ſeines Lebens in Ruhe zuzU bringen.
Man hat oft Beyſpiele, daß Druſen, die ſich zu Damáſk, Haleb
oder Seide niedergelaſſen, Mohammedaner werden; die Druſen aber nehmen gar keine Proſelyten an, wie nachher bemerkt werden wird.
-
Das Geſeß, oder vielleicht nur die Gewohnheit, erlaubt den Druſen die Vielweiberey.
Man findet aber nicht viele die mehr als eine Frau haben; und
ſelbſt bey den Vornehmen iſt es überaus ſelten, daß einer mehr als zwey Frauen hat. Bey ihnen wird vor der Hochzeit in Gegenwart eines Akäls, ſo wie bey den Mohammedanern in Gegenwart eines Kadi, ein Vergleich mit den Anver
wandten der Braut getroffen, wie viel der Mann ſeiner Frau in dem Fall geben ſoll, da
Anmerkungen von den Druſen.
435
da er ſie verſtößt. Wenn der Mohammedaner von ſeiner Frau geſchieden ſeyn will, ſo muß er ſich deswegen an den Kadi wenden, und vermuthlich wird eine ähnliche Ceremonie bey den Druſen erfodert. Man hat mich aber verſichern wollen, leztere brauchten darzu nicht allezeit ſo viel Umſtände. Wenn z.B. eine
Frau um Erlaubniß bittet ihre Eltern zu beſuchen, und der Mann ſagt bloß, gehe, und nicht: Gehe und komme wieder, ſo ſoll er ſie dadurch ſchon verſtoßen haben.
Die vornehmen Druſen erſcheinen bey der Beerdigung ihrer verſtorbenen Anverwandten alle zu Pferde, und erweiſen ihnen, nach ihrer Art, viele militä
riſche Ehrenbezeigungen. *)
Man ſagte auch, daß ſie ein Bund Stroh oder
ein Stück Holz mit den Kleidern des Verſtorbenen ankleiden, es während 7 Ta-, gen in dem Dorfe und auf den umherliegenden Feldern herumtragen, und nach
Verlauf dieſer Zeit auf dem Grabe des Verſtorbenen wieder auskleiden.
Über
hauptverſammlen ſich bey der Hochzeit und der Beerdigung der vornehmen Dru ſen ſehr viele Leute: und da dieſe alle bewirthet werden müſſen, ſo ſind ſolche Feyerlichkeiten bey ihnen ſehr koſtbar. Die vorhergehenden Nachrichten von den Sitten und Gebräuchen der Dru ſen habe ich alle von Maroniten erhalten, die viele Jahre auf dem Berge Liba non gewohnt haben. Dieſe hatten zwar von Jugend auf Umgang mit weltlichen Druſen gehabt, aber nicht mit ihren Geiſtlichen. Sie konnten mir daher gar -
:
keine Nachricht von ihrer Religion und den Ceremonien geben, die ſie bey ihren Zuſammenkünften beobachten. Man kann die Religion fremder Nationen auch nicht aus einigen Ceremonien und Gebräuchen, und am wenigſten aus den Nach
richten ihrer Nachbarn beurtheilen, weil dieſe gemeiniglich ihre größten Feinde zu ſeyn, und alles von der ſchlimſten Seite vorzuſtellen pflegen. Ich ſuchte da her ein Buch, worin ein Druß ſelbſt Nachricht von ſeiner Religion giebt, und
erhielt endlich ein ſolches durch Antün Beitär, den erſten Dolmetſcher des Herrn van Maſſeyk. Ein Jeſuit, der der arabiſchen Sprache vollkommen mächtig war, und dem ein gaſtfreyer Druß ein Nachtlager gab, ſoll es in der Ecke ſeines Ji i 2.
*) Eben dieß hat man mir von den Bedouinen erzählt.
-
Schlaf
436
Religion der Druſen.
Schlafzimmers gefunden, und gleich in derſelben Nacht abgeſchrieben haben. Aus dieſem Büchlein habe ich folgendes angemerkt.
„5 / 0JJ El durſi, oder wie die Europäer ſie zu nennen pflegen, die Druſen, folgen der Lehre des Mohammed ibn Ismael, und beten Häkem als Gott an. *) Sie nennen ſich auch Mauäheddin. Sie glauben, daß in dem
4ooten Jahre nach der Hedſera ( 1 oo 9 nach Chriſti Geburt) die Gottheit in Hakem gefahren ſey, doch habe ſich ſelbige den Menſchen nicht eher offenbahrt, als im Jahr 4o8, als nemlich Mohammed ibn Ismael anfing ſeine neue Reli
gion auszubreiten.
Das 4o9te Jahr nennen die Druſen ein Jahr der Be
trübniß, weil die Gottheit in demſelben ihren Hakem verlaſſen habe. Aber von dem Anfang des 41 oten Jahrs bis zu dem Anfang des 41 2ten, (als er
nemlich ſtarb) ſoll Gott wieder in ihm gewohnt haben. Gott ſoll, nach dem erwähnten Büchlein, zehnmal in menſchlicher Ge ſtalt erſchienen ſeyn. Nemlich: 1) Unter dem Namen Elali in Indien, in einer Stadt Tſchin matſchin. 2) Unter dem Namen El baar zu Isfahän.
3) Unter dem Namen Alia in Jemen. der Barbarey.
4) Unter dem Namen El maála in
5) Unter dem Namen Elkaim zu Möhhdi in der Barbarey.
6) Unter dem Namen Elmaás. 7) Unter dem Namen El aſs. 8) Un ter dem Namen Abu Zachariä. 9) Unter dem Namen El manſür und 1 o) Unter dem Namen Hakem und als König von Egypten. Die vornehmſten Apoſtel des Mohammed ibn Ismael waren:
1) Hamſa.
2) Ismael.
3) Mohammed el kilme.
4) Abu el chair
und 5) Báha eddin oder Ali ibn Mohammed eſſemitki. Des Mohammed ibn Ismael, als des Stifters der Religion der Druſen,
wird in dieſem Büchlein nur ſelten erwähnt.
Aber von Hamſa ibn Ali, ver
muthlich dem erſten von den erwähnten Apoſteln, redet der Verfaſſer ſehr oft. Dieſer
") Dieſer äÉem war Khalif von Egypten. Er wird in 117arai's Geſchichte der Re genten in Egypten (Büſchings U7agazin V Theil S. 384.) und in der Algemei
nen Welthiſtorie Vol XX. S. 493. als ein gottloſer Regent beſchrieben. An bevten Stellen wird auch der neuen Sekte des Mohammed ibn Ismael erwähnt.
Religion der Druſen.
437
Dieſer ſoll ſiebenmal in der Welt erſchienen ſeyn. Nemlich 1) zu den Zeiten Adams unter dem Namen Schat. 2) Zu der Zeit Noahs ſoll er Pythago ras; 3) zu der Zeit Abrahams David; 4) zu der Zeit Moſes, Schaib
( Jethro); 5) zu der Zeit Chriſti, Eliaſar; 6) zu der Zeit Mohammeds, Salman der Perſer, und 7) zu der Zeit Said ſoll er Salech geheiſſen haben. Das vornehmſte Geſetzbuch der Druſen iſt von ihm geſchrieben.
Nach demſel
ben ſind die Werke des Ismael und des Bähaeddin im gröſten Anſehen.
Von
den Büchern der fremden Religionsverwandten ſchätzen ſie das neue Teſtament am
höchſten.
Allein dieß iſt, ihrer Meynung nach, auch von Hamſa geſchrieben
worden. Dieſer ſoll in der Geſtalt eines Jüngers der wahre Meſſias geweſen ſeyn; und Jeſus, der Sohn Mariä, welchen der Verfaſſer den falſchen Meſſias nennt, im Geſetz unterrichtet haben. Die Seelen der übrigen Apoſtel der Druſen ſollen auch in den Jüngern und Apoſteln Chriſti gewohnt haben. Die Druſen bedienen ſich der Worte Engel und Teufel, verſtehen aber durch erſtere diejenigen welche an Hakem glauben, und durch letztere die Un gläubigen. Sie ſagen, die fünf Engel welche den Thron Gottes tragen, ſind
5 Apoſtel (Weſirs) ihres Lehrers.
Nemlich 1) Gabriel bedeute Hamſa,
2) Michael, Mohammed ibn Wäheb, 3) Israfil, Salame ibn Abd Wäheb, 4) Asraeil, Bäha eddin und 5) Matariin, Ali ibn Achmed. Jeder von ihnen hat auch noch Beynamen, als: der Alte, der Beſtändige,
die Poſaune u. ſ. f. Sie glauben ferner, daß Häkem noch einmal in menſchlicher Geſtalt auf Erden erſcheinen werde, und dieß ſoll man erwarten können wenn die Chriſten
große Siege über die Mohammedaner werden erhalten haben.
Alsdann wird
Häkem ſich die Welt durchs Schwerdt unterwürfig machen, und die Druſen über alle andere Religionsverwandte ſetzen. Doch ſollen von letztern die Chriſten
es am beſten, die Mohammedaner aber am ſchlimmſten haben. Damit ſie einen Fremden der ſich etwa für einen weltlichen Druſen ausge ben will, (welches leicht geſchehen könnte, weil dieſe wenig oder gar nichts von
der Religion erfahren) erkennen können, ſo fragen ſie ihn: Säen die Bauern in eurem Lande auch Habel haleds? (Ich meine, letzteres bedeutet Lin Ji i 3
ſen.)
438
Religion der Druſen.
ſen.) Antwortet er darauf: Ja es wird in den Herzen der Gläubigen ge ſäet; ſo halten ſie es für ein Zeichen, daß er zu ihrer Gemeine gehört. *) Proſelyten nehmen ſie gar nicht an. Sie ſagen, wenn auch ein Fremder recht gläubig werden wollte, ſo kehre er nach ſeinem Tode doch wieder zu ſeinen Glaubensgenoſſen zurück.
Das Buch ſey geſchloſſen, und die Feder trocken.
Von den Pflichten eines Druſen habe ich folgendes zerſtreut in dem Büch lein angetroffen. Er ſoll Häkem als Gott verehren, und glauben was die Akäl ihm von der Religion ſagen, ohne darüber Unterſuchungen anzuſtellen.
Er
ſoll glauben, daß die Seele eines Verſtorbenen gleich wieder in einen neugebor
nen Menſchen fahre. bekräftigen.
Er ſoll nicht ſchwören, ſondern alles mit Ja oder Nein
Er ſoll das Geheimniß der Religion ſeinem Weibe nicht vorenthal
ten, aber keinem Fremden etwas von der Weisheit offenbaren. Er ſoll in der Einſamkeit leben, und ſeinem geiſtlichen Brüdern Allmoſen geben. Ein Druß muß ferner glauben, daß andere Religionsverwandte und vornemlich ihre Großen,
die das Vermögen der Unterthanen an ſich ziehen, von Häkem (Gott) jederzeit verachtet ſeyn werden.
Er ſoll nicht bey ihnen eſſen, dagegen das Vermögen
der Geiſtlichen (Akäl), der Wayſen und derer, die vom Feld- und Garten bau leben, als rechtmäßig erworben, hochſchätzen.
ten.
Der Ehebruch iſt verbo
Unſer Verfaſſer ſagt: wenn es einem Geiſtlichen (Akäl) der Ehebruch
begangen hat, gereuet, ſo ſoll er ſieben Jahre bey den übrigen Geiſtlichen her UNI
*) Die morgenländiſchen Chriſten zu Haleb, welche gehört haben, daß die daſigen Englän der bisweilen Zuſammenkünfte unter verſchloſſenen Thüren halten, und gewiſſe Zeichen haben, woran ſie jeden von ihrem Orden erkennen können, haben daraus ſchließen wollen, daß die Druſen Freymäurer wären. Beyläufig will ich hier bemerken, daß man zu Haleb keine ſo ſchlechte Gedanken von den Freymäurern hat,
als in mancher Stadt in Europa.
Die Brüder ſchickten während einer langen Zeit
Brod in die Geſängniſſe, und ließen es ohne Unterſchied an Mohammedaner, Chri ſten und Juden austheilen, ohne daß man erſahren konnte, woher den Unglückli chen dieſe Wohlthat käme. Endlich ward es bekannt. Man redete viel von dieſen Europäern, die ſich wie Druſen und Ismaeliten, unter verſchloſſenen Thürenverſammleten. Man glaubte aber nicht, daß Leute, die einen unſträflichen Wandel führten, und ſo
viele Allmoſen gaben, etwas ſträfliches in ihren Verſammlungen vornehmen könnten.
Anmerkuugen von den Naſſairiern.
umgehen, und ſein Verbrechen beweinen.
439
Gereut es ihm aber nicht d. i.thut
er nicht Buße, ſo ſoll ſeine Seele nach ſeinem Tode in einen Ungläubigen fahren.
Die sº/.“as Naſſairier haben gleichfals eine beſondere Religion, die ſie vor Fremden verborgen halten.
Indeß nennen ſich ihre Oberhäupter, welche
oft Geſchäfte bey den Türken haben, auch Sunniten. *)
Ihr vornehmſter
Aufenthalt iſt zwiſchen dem Berge Libanon und Antiochien.
Einer von ihren
M'káddem **) wohnt zu Bählulte, nicht weit von Ladakia, und dieſer iſt von den Naſſairiern der mächtigſte. Zu Sümrin, in Belläd el choäbe, und in dem Diſtrikt Safeta wohnen gleichfals Mkáddem, und ein anderer ihrer
Schechs hat einen Theil von Dſjäbbel kälbte sº-S- 0.- gepachtet.
g
Alle
bezahlen Tribut an den Paſcha von Tripolis. Ihre Diſtrikte ſind ziemlich einträglich, weil ſie das meiſte von dem vortrefflichen Toback liefern, der von Ladakia ausgeführt wird. Allein dieſe Nation iſt bey weitem nicht ſo zahlreich als die Druſen; ſie bewohnt auch nicht ſo hohe Gebürge, und muß daher den Türken mehr unterwürfig ſeyn. Ein Maronit, der vielen Umgang mit ihnen gehabt hatte, rühmte ſie als gute ehrliche Leute. Sie hatten ihn in einen ihrer Tempeln geführt, und dieſen hatte er reinlich und mit Marmor belegt, aber darin ſonſt nichts merkwürdiges gefunden, als eine brennende Lampe. Von ihm hörte ich auch, daß die Naſſairier jährlich drey große Feſttage haben, an welchen ſie, nach geendigtem Gottesdienſt tanzen. Von der Religion der Naſſairier habe ich weder von morgenländiſchen Chriſten, noch von Mohamme
danern etwas erfahren können.
Dieſe nennen ſie Heiden, die Sonne und Sterne anbeten.
-
*) Schultz traf zu Antiochien und auf dem Wege nach Haleb Leute an, die ſich als Mo hammedaner kleideten, ſich aber gegen ihn Chriſten (UTusrani) nannten, und die er für Samaritaner hielt. Sie waren vermuthlich Taſſºirier oder Anhänger einer andern der obigen Sekten. **) der Titel ro.ä.» U17'Eáddem iſt mehr als Schech und weniger als Em?r.
Ich habe
ſonſt nirgends etwas gehört, als bey den Naſſairiern und Druſen.
„50 D
davon
ZOſſindi iſt auch ein Titel des Adels der Naſſairier.
Religion der Naſſairier.
44O anbeten.
Lezteres aber hat man vielleicht daraus geſchloſſen, weil ſie der
Sochra viele Ehrerbietung erweiſen; und das Wort Sochra bedeutet im ara biſchen nicht nur den Planeten Venus ſondern auch Fatima, die Tochter Mo
hammeds. Aus dem folgenden wird erhellen, daß ſie die Naſſairians ſind, deren Sales in ſeinem Preliminary Diſcourſe p. 176. erwähnt, *) und daß ſie alſo zu den Mohammedanern gerechnet werden können. Der Verfaſſer des vorhererwähnten Büchleins von der Religion der Dru ſen, ſagt: daß die Naſſairier ehmals auch Druſen geweſen ſind; daß aber ein
gewiſſer Naſſairi ſie verführt habe, die Gottheit des Häkems zu läugnen, und
an deſſen Statt Ali ibn Abi taleb (Mohammeds Schwiegerſohn) als Gott anzu beten.
Dieſer habe ſie ferner gelehrt: daß die Gottheit in den 12 Imäms aus
dem Hauſe Ali gewohnt habe, aber mit Mohammed el Möchdi (dem letzten dieſer Imäms (S. 272.) verſchwunden ſey, und jezt in der Sonne wohne. Der Druß ſagt auch: daß die Naſſairier die Seelenwanderung glauben, und zwar, daß die Seele eines Frommen von ihren Glaubensgenoſſen bey ſeinem
Tode in einen andern Naſſairier, und nach einer gewiſſen Zeit in einen Stern fahre. Wenn aber einer ungehorſam iſt, und dem Befehl des Ali nicht gehorcht, ſo ſoll ſeine Seele in einen Juden, Sunniten oder Chriſten fahren, und ſich ſo oft verwandeln, bis ſie gereinigt iſt, und ſich endlich in einen Stern erheben könne. Die Seelen der Ungläubigen, welche Ali ibn Abi taleb nicht anbe ten, ſollen in Kameele, Mauleſel, Eſel, Hunde, Schaafe und andre Thiere fahren.
Dieſe Nachrichten ſtimmen ziemlich mit denen überein, die ich in einem kleinen Büchlein von der Religion der Naſſairier angetroffen habe, welches An tün Beitär mir gleichfals verſchafte.
Türkiſche Gerichtsbediente, die einen
Naſſairier des Nachts überfielen und ins Gefängniß ſchlepten, ſollen es in ſeinem Hauſe gefunden haben.
Es war das Original ſelbſt, aber unvollſtändig, darzu
ſchlecht geſchrieben und mit ſo vielen dunkelnRedensarten angefüllt, daß der Verfaſſer
ſelbſt an einer Stelle ſagt: daß die Naſſairier eine Mauer vor dem Lande Gog Und
*) Man kann ihrentwegen auch nachſchlagen: Pocockii ſpecimen hiſtoria Arabum p. 25. 265. Hiſtory of the Ouoman Empire by Ricaut P. 227.
Religion der Naſſairier.
44I
und Magog gezogen hätten, oder daß ſie ſich in ihren Büchern dunkler Redens arten bedienten, um ihre Geheimniſſe vor den Ungläubigen zu verbergen. Nie mand, der nicht ein Naſſairier iſt, wird es auch verſtehen wenn der Verfaſſer z. B. Gabriel, die Krähe, die Arche, den Ring, die Belkis, den Stab Moſes, den Dromedar des Salech, die Kuh der Iſraeliten u. ſ. f. verborgene Apoſtel Solche Redensarten findet man auf jeder Seite, und es wird nicht er nennt. klärt was ſelbige bedeuten. Indeß will ich folgendes daraus bemerken.
Die Naſſairier nennen ſich Mümen.
Sie reden von der Einheit Gottes,
nemlich des Afi, der aus dem Auge der Sonne hervortreten und die Welt richten
wird; und von 5 Perſonen in derſelben. ſtand), 2) Ism (der Name).
Dieſe heiſſen: 1) Maäna (der Ver
In dieſem iſt allezeit die wahre Weisheit, und
er wird immer von Maäna begleitet.
3) Bäb (das Thor), 4) Itäm (die
Waiſen) und 5) Höſſein. Von dieſer Fünfeinigkeit verſtehe ich, der ich in den Geheimniſſen dieſer Religion nicht unterrichtet bin, gar nichts. Das folgende kann ich eben ſo wenig begreifen; indeß habe ich es mit anführen wollen, da es Wer nicht Luſt hat alles zu leſen, mag es Hauptlehrſätze der Naſſairier ſind. überſchlagen.
Gott iſt ſiebenmal in der Welt erſchienen. Zum erſtenmal war: 1) Maäna, Abel. 2) Ism, Adam. 3) Bäb, Gabriel. 4) Itäm waren wiederum
5 Perſonen, als a) Michael. (vielleicht der Erzengel.) b) Israfil. (vielleicht der Engel von dem die Mohammedaner ſagen, daß er zum jüngſten Gericht bla
ſen werde.) c) Asrael. (vielleicht der Engel des Todes.) d) Malek. (vielleicht der Thürhüter der Hölle bey den Mohammedanern.) e) Ridduän. (vielleicht
der Thürhüter des Himmels.) men Käſch ibn Meflüch.
5) Höſſein erſchien das erſtemal unter dem Na
Die Feinde der Gottheit bey der erſten Menſchwer
dung waren: 1) Kabil. (Cain.) (Cains Weſtr.)
4) die Schlange.
2) Anak. (Cains Schweſter.) 3) Bählu. 5) der Pfau.
Zum zweytenmal war: 1) Maäna, Schid, (Seth.) 2) Ism, Noah. 3) Bäb, Jael ibn Fatim. 4) Itäm waren: a) Ankil, b) Effrakün, c) Kinän, d) Effrikakil, e) Effrikäu. 5) Höſſein erſchien in der Perſon Hauſch, K kk II. Theil.
Religion der Naſſairier.
442
Hauſch.
Dießmat waren die Feinde der Gottheit: 1 ) Ham ibn Noah.
2) Schech Haſa. 3) Jaik. 4) Jafüt. 5) Riſſer. Zum drittenmal war: 1) Maána, Joſeph. 2) Isin, Jacob. 3) Bäb,
-
4) Itäm waren: a) Jahüd, b) Häſchur, e) Malek,
Ham ibn Kuſch.
d) Mämlek, e) Anki. ManſÜr.
5) Höſſein erſchien in der Perſeu
MÄgnße ión
Die Feinde, die ſich dießmal der Gottheit widerſetzten, waren:
1)Chadſelduſ, 2) Sima, 3) der König von Indien, 4) Habtar und 5)Naatel. Zum viertenmal war: 1) Maána, Joſua. 2) Ism, Moſes. 3) Bäb,
Dan ibn Sabacht.
4) Itäm waren: a) Jahudan, b) Harük, c) Ab
dulla, d) Israel, e) Omrän. 5) Höſſeiu war Rubil ibn Salech. Die gegenſeitige Parthey war: 1) Pharao, 2) Haman, 3) Karün. Zum fünftenmal war: 1 ) Maána, Aſaff, *) 2) Ism, Salomon. 3) Bäb, Abdulla ibn Schamáan. 4) Itäm waren: a) Schaeira, b) Schädláh, c) Haruaſch, d) Maſkul, e) Aſſtr. 5) Höſſein erſchien unter dem Namen Jantores Dekne.
Dießmal waren die Feinde der Gottheit:
a) Nimrod, 2) Aád, 3) Samüd. Zum ſechstenmal war: 1) Maána, Schemmaün (Petrus) 2) Ism, Jeſus.
3) Bäb, Rioba ibn merzaban.
füm eſſähab,
4) Itam: a) Johannes
4) Petrus,
b) Johannes Delami, 3) Paulus,
5) Matthäus. 5) Höſſein war Aijüſch ibn mankidſa. they war: 1) Herodes, 2) Jäbs, 3) Taüs. Zum ſiebentenmal war: 1), Maána, Ali.
el hämbd (der gelobte.)
Die Gegenpar
2) Ism, Mohammed
3) Bab, Soleiman in Buheire el chiddre.
4) Itäm waren: a) Mäkdad ibn elaswad elkendi. b) Abudur Jen dab ibn Junädael ghafari. c) Abdulla ibn Rüha el Naſſari. d) Ot man ibn Madün Nadſjeſchi.
hieß dießmal Hamdän.
ſämmel.
e) Segdu.
e) Kambar ibn Kaden Duſi.
5) Höſſein
Die Gegenparthey der Gottheit war: 1) Abu
3) Sedſkük. An
*) Aſaff war der Weſir des Königs Salomon. Von ihn nennen die Türken noch jezt einen tapfern und braven Weſir, Aſ;ff.
Religion der Naſſairier.
443
An einer andern Stelle ſagt der Verfaſſer: ein Naſſairier ſoll glauben,
daß Mohammed, Fatir (Fatima), Haſſan, Höſſein und Möchſen eine Ein heit ſey, und Ali bedeute.
Ferner muß ein Münnen glauben, daß allezeit
5 Itäm (Wäiſen) 1 2 Nükkaba (Häupter von der Familie Mohammeds) 28 Nüdſaba (auserleſene), Muchtaſſin (beſondere) Muchlaſſin (an dächtige), Muntachabin (auserwählte) geweſen ſind. Er muß gleichfals
die 4 Sittär für wahr halten. Nemlich 1) Sitter el Imäm, oder die Reihe der Imäms von Abel bis Ali. 2) Sitter Ei imma, d.i, die Altväter
von dem erſten Haſſan bis den letzten Haſſan.
3) Sitter Raſſala oder die
Reihe der Apoſtel, als: Eddris, Noah, Hud u. ſ. f.
4) Sitter Nibbua,
die Reihe der Poeten oder ehrwürdigen Männer Anüſch, Ishak, Jacob u. ſ. f. Adam, Abraham, Moſes, Jeſus und Mohammed nennt unſer Ver faſſer Propheten; und Jaél, Hamrudän, Abdulla, Salman, Abulchatil, Mohammed, Mufdil und Abuſchaiib, Apoſtel. Einen Ishäk nennt er den
gröſten Feind der Naſſairier, weil er Seiid Abu ſchaiib habe tödten wollen*). Die Seele eines ſehr frommen Naſſairier kann ſchon ins Paradies kom
men, nachdem ſie nur in wenigen Hembden (Körpern) geweſen iſt.
Aber die
Seele eines andern muß 8o Hembde annehmen. Letzteres nennen ſie die Hölle. Die Seelen der Ungläubigen ſollen durch 5 heßliche Stufen (Fesgh, Nesgh, Mesgh, Wesgh und Resgh) paſſiren; und nachher ſollen ſie in der Welt als Schafe bleiben, bis Söchra (Fatima) wieder kommen wird. (Wer ſollte es glauben, daß Stifter von ſolchen Religionen, Anhänger finden können!) Auch habe ich in dem erwähnten Büchlein der Naſſairier gefunden, daß
Maána ihnen verboten habe, Kameele, Haſen und Aal zu eſſen.
Ism habe
ihnen kein Schweinfleiſch, Blut, und überhaupt Fleiſch von Thieren erlaubt,
die nicht ordentlich geſchlachtet worden ſind; und Bäb verbiete ihnen den Zellör, K. kf 2
(einen
*) Sales erwähnt unter den verſchiedenen Sekten der Schiiten auch einer, die von einem
IshäE benannt wird. Sollte dieß etwa der oben erwähnte JshäE ſeyn? Sind etwa die Metaueli Jshafigner ? Letzteres überlaſſe ich künftig Reiſenden zu Umterſuchen.
Anmerkungen von den Ismaeliten.
444
(einen gewiſſen ſchwarzen Fiſch aus dem Orontes) und alles was verbrannt wor
den, zu eſſen. Sonſt verlangt der Verfaſſer noch von den Naſſairiern: daß ſie Fremden nichts von ihrer Religion entdecken; daß ſie ihre Brüder lieben; daß ſie freygebig ſeyn; daß ſie nicht ſtehlen; daß ſie nicht fluchen und ſchwören; daß ſie die Armuth gedultig ertragen, und daß ſie ſich auch von ihren Weibern übel ſollen begegnen laſſen können.
Von der Religion der Ismaeliten habe ich nichts mit Gewisheit gehört, und auch keins von ihren Büchern geſehen.
Die Mohammedaner und morgen
ländiſchen Chriſten erzählen unglaubliche Dinge von ihnen.
Z. B. daß ſich ihre
verheyrathete Weiber des Nachts in einem dunkeln Zimmer verſammlen, daß
ihnen zu einer beſtimmten Zeit eben ſo viele Mannsperſonen folgen, und daß während der Zeit, da ſich jeder mit der Perſon, die er im Dunkeln ertappt,
beluſtigt, ein Geiſtlicher in einem Nebenzimmer einige Stücke aus einem Buche lieſet. Sie ſollen es für ebenſo erlaubt halten, wenn ein Vater ſich mit ſeiner Tochter vermiſcht, als wenn ein Gärtner die Früchte von dem Baum ißt, den er ſelbſt gepflanzt hat. Einige ſagen, eine junge Weibsperſon ſeße ſich bey den Zuſammenkünften dieſer Ismaeliten aufgedeckt auf eine Erhöhung, als wie auf einen Altar, und ein gewiſſer Theil ihres Leibes werde von der Gemeine an
gebetet. Man nennt ſie daher auch Abüdel ferdſch. Allein welch abge ſchmacktes Zeug hat man nicht von jeher von den Religionsſätzen und Gebräuchen ſolcher Nationen geredet, die man nicht aus einem genauen Umgange, und
noch weniger aus ihren Büchern kannte? Die Anzahl dieſer Ismaeliten iſt nicht
groß.
Sie haben ihren vornehmſten Aufenthalt zu Killis, einem Flecken zwi
ſchen Schugr und Hama, und auf Dſjäbbel Kälbie, einem Berge nicht weit von Ladakia.
Zwiſchen Haleb und Antiochien nennt man ſie von einem Dorfe
dieſer Gegend, Keftiin.
In der Gegend von Moſul redet man von Licht
auslöſchern, und bey den Kurden und Turkmannen zwiſchen hier und Conſtan tinopel, ja in der Hauptſtadt des Sultäns ſelbſt, von Begk daſchli (Herren des Felſens) die eben ſolche ſchändliche Religionsgebräuche haben ſollen. Allein ich habe Niemand angetroffen, der bey ihren Verſammlungen gegenwärtig ge weſen wäre, oder der nur eins von ihren Büchern geleſen hätte. Man muß alſo
Regierungsform der Druſen.
445
alſo hoffen, daß ihre Moral nicht ſo verdorben iſt, als ſie ausgeſchrien wird.
Von den verſchiedenen Diſtrikten der Metaueli, der Naſſairier und Js .
maeliter habe ich weiter nichts erfahren, als was ſchon bemerkt worden iſt. Dieſe Nationen ſind, überhaupt genommen, auch nur ſo ſchwach, daß ſie ſich den türkiſchen Paſchäs nicht viel widerſetzen können. Die Druſen hergegen ſind Herren
von dem gröſten Theil des Berges Libanon, und alſo mächtiger.
Sie werden
von einer Menge erblichen Schechs regiert, die ein gemeinſchaftliches Oberhanpt aus einer Familie wählen, die den Titel Emir führt: und dieſer regierende Emir iſt ihr Vorſprecher und Anführer. Er muß jedes Jahr wegen der Pacht von ihren verſchiedenen Diſtrikten einen neuen Vergleich mit den Paſchäs ſchließen, und auch für die Bezahlung ſtehen. Bey jedem wichtigen Vorfall muß er die Häupter der Nation nach Deir el kammar berufen: und in dieſer Verſammlung wird es dann beſtimmt, wie viel jeder Schech von ſeinem Di ſtrikt, theils zu der Schatzung an die Türken, theils zu andern öffentlichen Aus gaben bezahlen ſoll. -
Die jährliche Schatzung welche die Druſen bezahlen müſſen, iſt größer oder kleiner, nachdem die Schechs untereinander einig, und alſo mächtig ſind; oder nachdem ſie etwas von den benachbarten Paſchäs zu fürchten haben. So
bezahlte Emir Heidar jährlich 1 6o Beutel, (etwa 5 3ooo Rthl.) und Emir Melhem, vor welchem die Türken ſich fürchteten, bezahlte zulezt jährlich nur
7e Beutel, (etwa 23ooo Rthl.) Zum Unterhalt des regierenden Emirs iſt etwas gewiſſes ausgeſezt: und wenn die Schechs ſich zu Deir el kammar ver ſammlen, ſo werden alle, die ganze Zeit über, auf Koſten der Nation unter halten. Nemlich jeder bekömmt für ſich und ſeine Leute, deren ſie gemeinig lich eine große Menge mitbringen, Reis, Butter, Brod, Caffe, Wachslicht,
(Tglglicht braucht man in dieſen Gegenden nicht); und Gerſte für ſeine Pferde. -
Die Abgaben der Unterthanen ſind ziemlich genau beſtimmt. Jedes 16te bis 2oſte Jahr wird es in dem ganzen Gebiete aufgezeichnet, wie viel
jeder Schech, Bürger oder Bauer an Acker, Wieſen, an Weinbau, Oli K kk 3
VER
446
Regierungsform der Druſen.
-
ven-Maulbeer- Citronen - und andern Bäumen hat; und davon wuß bis zu
einer neuen Satzung eine gewiſſe Abgabe, entweder an Früchten oder Gelde, jährlich in drey Terminen bezahlt werden. Einen Theil davon heben gemeinig lich die Kaufleute zu Beirüt und Seide. Wenn nemlich dieſe Reis oder an dere Waaren an den regierenden Emir geliefert haben, ſo giebt dieſer ihnen eine Anweiſung auf die Hälfte oder ganze Hebung von einem gewiſſen Diſtrikt. Da mag nun der Kaufmann ſeine Bezahlung holen, und ſich baares Geld, oder Oel, Wein, Seide oder andere Waaren geben laſſen.
Die Regierung bleibt bey denDruſen in derſelben Familie. Es wird aber nicht allezeit der Sohn nach dem Vaterregierender Emir, ſondern die großen Schechswäh len denjenigen von der Familie, den ſie am tüchtigſten finden; oder der am mei ſten bey dem Adel beliebt iſt: und der Paſcha läßt dieſem jedes Jahr bey Erneue rung des Firmäns einen Pelz, d. i. ein Ehrenkleid zuſtellen, zum Zeichen, daß er als regierender Emir beſtätigt worden iſt. Alle ihre Unterthanen, ſie mögen
Druſen, Mohammedaner, Chriſten oder Metaueli ſeyn, ſind freye Leute. Nem
lich
jeder hat völlige Freyheit ſeine liegende Gründe zu verkaufen und aus dem Lande zu reiſen. Aber alle ſind Soldaten. Man ſagte daß dieſe Nation wohl eine Armee von 4oooo Mann zuſammen bringen kann. Allein davon
werden nur zwey bis dreyhundert, wovon man in Europa einen großen Theil Gerichtsbediente, und nicht Soldaten nennen würde, aus dem öffentlichen Schatz Bezahlt.
übrigens iſt jeder Schech der Anführer ſeiner Unterthanen,
die er zur
Armee bringt; und der regierende Emir iſt gleichſam nur ihr commandirender General.
-
Durch dieſe Einſchränkung ihres Emirs haben die Druſen jederzeit verhin dert, daß die Türken eben ſo wenig ihnen ein fremdes Oberhaupt haben anfdrin gen können als den Bedouinen. Man hat Beyſpiele, daß bisweilen einer von der regierenden Familie ſich von den Paſchäs zum Oberhaupt der Druſen habe er nennen laſſen; ja daß die Paſchäs ihn mit einer Armee nach Deier el Kammar
gebracht, und der Ration vorgeſtellt haben.
Wenn aber die großen Schechs
nicht mit ihm zufrieden geweſen ſind, ſo iſt er immer genöthigt worden, ſelbſt
die Regierung niederzulegen, und wieder eine Privatperſon zu werden. -
Unter deß
Neuere Geſchichte der Druſen.
447
-
deß entſtehen dadurch Spaltungen. Die Nation iſt beſtändig geteilt, und bleibt den Türken unterwürfig. Eben dieſer Urſache wegen ſuchen die Türken auch
unter den Stämmen Araber, welche in der Nähe von ihren großen Städten un ter Zelten leben, beſtändig Uneinigkeit zu unterhalten. Die Druſen ſind in Europa wohl niemals ſo berühmt geworden, als nnter
der Regierung des Fekr eddin, eines Emirs aus dem Hauſe Maän. machte den Türken viel zu ſchaffen.
Dieſer
Er bemächtigte ſich nicht nur des ganzen
Berges Libanon, von Acca an nach Norden bis nahe zu Ladakia, ſondern auch der türkiſchen Seeſtädte Tripolis und Seide, und plünderte einmal die Stadt Damáſk. Aber auch zu ſeiner Zeit waren in dieſer Nation zwey Partheyen.
Die eine nannte ſich Kaiſſi, führte eine rothe Fahne, und hielt es mit dem Emir
Fekr eddin.
Die andere nannte ſich Jémeni, hatte eine weiſſe Fahne, und
war gegen den Emir.
Letztere brachte es mit Hülſe der Türken endlich ſo weit,
daßFekreddin die Regierung ſeinemälteſten Sohn mitNamen Aliübergeben mußte. Er ſelbſt ging nach Italien, und lebte einige Jahre zu Florenz. er wieder nach Syrien zurück.
Nachher kam
Die Parthey Jémeni aber ward wieder von den
benachbarten Paſchäs unterſtützt; eine türkiſche Flotte kam nach Seide; ſein tap ferer Sohn Emir Ali verlor in einer Schlacht ſein Leben, und Fekreddin ſelbſt
ward nach und nach ſo in die Enge getrieben, daß er ſeine Sicherheit in einer
großen Höle in einem ſteilen Felſen uahe bey Dſeſtn ſuchen mußte.
Endlich
unterwarf er ſich den Türken unter gewiſſen Bedingungen, worunter die vor
nehmſte dieſe war, daß man ihn zu dem Sultän nach Conſtantinopel führen ſollte. Alles ward ihm bewilligt und gehalten. Man meynt auch, daß er wieder zu rückgekommen ſeyn würde, wenn ſeines Bruders Sohn, Melhem, der wäh rend der Zeit zum regierenden Emir ernannt worden war,nnr ruhig geweſen wäre.
Denn die Tapferkeit des Fekr eddin war bekannt, und die Türken wiſſen dieſe Tugend oft auch bey ihren Feinden zu ſchätzen. Er hatte viel Verſtand und ein hübſches Anſehen; er machte zu Conſtantinopel einen großen Aufwand, be ſonders dadurch, daß er die vornehmſten Bedienten des Sultäns reichlich be
ſchenkte. Es war ſchon beſchloſſen, daß er als regierender Emir wieder zurück gehen ſollte. Aber es lief die Nachricht ein, daß Emir Melhem die Türken aufs U2UE
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448
Neuere Geſchichte der
- -- -
Druſen.
neue überfallen, und deren eine große Anzahl niedergehauen hätte.
Dadurch
ward der Sultän gegen die Druſen ſo aufgebracht, daß er Fekr eddin gleich hinrichten ließ. Ich habe von den Maroniten keine Nachricht erhalten können, wie lange
nachher die Familie Maän noch über die Druſen regiert habe.
Nach Arvieur
wurden Emir Achmed und Emir Corkas, zwey Söhne des Emir Melhem, regierende Emirs, und verwalteten die Regierung gemeinſchaftlich.
Dieſe bey
den heyratheten Töchter aus dem Hauſe Schehäb. Corkas ward von den Tür ken hinterliſtig getödtet. Nach La Roques Voyage de Syrie & du mont Liban Tom. II. p. 297. kam nach Emir Achmed einer mit Namen Abu Muſaben allah eddin zur Regierung. Wer aber dieſer Abu Muſa geweſen, ob aus dem Hauſe Maän oder nicht? wird nicht bemerkt. Die Maroniten Anjezt ſtehen die Druſen unter der Familie Schehäb. ſagen, die Emirs und Schechs hätten bey Erlöſchung des Hauſes Maán keinen unter ſich ſelbſt zum regierenden Emir ernannt, weil ſie ſich alle gleich waren, und ſie ihres Gleichen nicht als ihr Oberhaupt erkennen wollen. Sie hätten deswe
gen einen Emir Heidar von - gº! - º Beiteſchehab gewählt, welches durch Heyrathen mit dem Hauſe Maän nahe verwandt war, und zu Hasbeia regierte. Die Familie Schehäb welche jezt auf dem Berge Libanon regiert, ſoll 20 bis 25 Perſonen ſtark ſeyn. Ich habe nur von folgenden Nachricht erhalten. Emir
Heidar, der erſte regierende Herr aus dieſem Hauſe, war der Sohn eines Emir Manſür.
Er hatte einen Bruder, der nach dem Berichte eines Maroniten
Schehäb, und nach der Meynung eines andern Omar geheiſſen hat.
Dieſer
hinterließ einen Sohn mit Namen Khäſſem, der, ohngeachtet er ein Druß war und blieb, beydes, beſchnitten und getauft worden. Sein Sohn, welcher Khäſſem heißt, wohnt noch jezt zu Ghaſir, einer Stadt der Maroniten.
Emir Heidar zeugte mit drey Gemahlinnen, Achmed, Melhem, Manſür, Lezterer hinterließ einen Sohn Ali, Maán, Junes, Höſſein und Khäſſem. mit Namen Ali, und deſſen Sohn heißt Beſchir. Nach dem Tode des Emir Dieſer war mit zwey Druſ Heidar erhielt zuerſt Melhem die Regierung.
ſinnen verheyrathet, und nahm auch die Tochter eines vornehmen Scherifs zu Damáſk,
Adel der Druſen.
Damáſk, eine Sunnitin.
449
Mit dieſer letztern zeugte er einen Prinzen Juſof,
deſſen nachher weitläufiger erwähnt werden wird.
Seine übrigen Söhne heiſ
ſen: Mohammed, Ali, (beyde ſind älter als Juſof) Khäſſem, Omar und
Emir Effendi.
Emir Melhem war glücklich in allen ſeinen Unternehmungen.
Er führte Krieg gegen die Metaueli, die Araber und die türkiſchen Paſchäs, und hat faſt niemals eine Schlacht verloren.
Nachdem er 25 Jahr regiert hatte,
verlangte ein Sohn des Schech Däher zu Acca von ihm Hülfe gegen ſeinen Vater. Man ſagt, daß er geglaubt habe verpflichtet zu ſeyn, demjenigen beyzuſtehen,
der bey ihm Hülfe ſuchte; daß er dieſer Sache wegen auch einen Landtag ausge ſchrieben habe. Als aber die Schechs der Druſen es für unbillig hielten, einem aufrühriſchen Sohn Hülfe gegen ſeinen Vater zu leiſten, ſo ſoll er den Ring
mit dem Petſchaft eines regierenden Emirs abgegeben haben, und ein Akäl ge worden, d. i. in den geiſtlichen Stand getreten ſeyn. Es iſt mir nicht wahrſchein lich, daß blos dieß ihn zu einem ſo wichtigen Schritt verleitet haben ſollte. Ge nug er legte die Regierung nieder. Die Druſen wählten hierauf (etwa 1754) Achmed und Manſür, zwey Brüder des Emir Melhem : und als erſterer ei nige Jahr nachher ſtarb, ſo blieb Manſür allein regierender Emir. Dieſer lebte, nach den Zeitungen, noch im Jahr 1773. Sein älteſter Sohn heißt Sunaein.
-
-
Man findet unter dem Adel der Druſen noch jezt zwey Partheyen, nemlich
die Dſümbeläte und Jésbeki. Sie unterſcheiden ſich aber nicht mehr durch die Farbe ihrer Fahnen, wie in den ältern Zeiten die Kaiſſi und Jémeni; ſondern
alle Druſen haben nun eine rothe Fahne mit einer weiſſen Hand, ſo wie die Ma roniten eine rothe Fahne mit einem weiſſen Kreuz.
Von den Schechs der Ma
roniten halten es auch einige mit der einen, und andre mit der andern Parthey, und müſſen deswegen bisweilen theuer bezahlen.
-
Der Adel der Drnſen iſt, in Vergleichung mit dem kleinen Diſtrikt den ſie regieren, ſehr zahlreich. Ich will nur der Familien erwähnen, welche An theil an den wichtigſten Geſchäften haben, d. i. die einen regierenden Emir er
wählen, und die ihre Einwilligung dazu geben müſſen, wenn die Nation Krieg II. Theil.
Lll
erklären
45O
Adel der Druſen.
-
erklären oder Friede ſchließen will.
Diejenigen welche ſich dieſer Geſchäfte
WL
gen auf den Landtag zu Deier el Kalumar begeben, ſind:
1) Die Schechs von -Mºº –xº Beit Dſjumbelät. 2) Die Schechs von Uy-º/* 92 -Kº Beit Buharmüſch. 3) Die Schechs von U-«Ä -Kº Beit Schäms. 4) Die Schechs von 0.9 –Xxº Beit Aid.
5) Die Schechs von 0Xsy? -Kº Beit Bunékkid. -
6) Die Ömmera von Stayº) –xº Beit Schoeifät. Alle dieſe Fa milien ſind Anhänger des Schechs Ali Dſjümbeläte. Zu der Parthey des Schechs Abdeſſaläm el Jésbeki gehören:
1) Die Schechs von EX/2 -Kº Beit Jésbek. 2) Die Schechs von Goylºy? – º Beit Bualuän. 3) Die Schechs von e-5=G –º Beit Telhik. 4) Die Schechs von G- o4S –º Beit abd el mellik.
5) Die Ömmera (Emtrs) von &** -Kº Beit Billamá. Unter dieſen verſchiedenen Familien bemerkt man zwey, die den Titel Emir
führen; nemlich Beit Scheeifät und Beit Billamá.
Erſtere ſoll dieſen Titel
ſchon ſeit einigen hundert Jahren gehabt haben. Sie iſt auch zahlreich, aber, weil hier die jüngern Brüder von den liegenden Gründen ihres Vaters gemeinig lich einen eben ſo großen Antheil erhalten als die ältern, ſo findet man wenige
Reiche unter ihnen.
Das Hans Billamá hat den Titel Emir erſt vor etwa 15 o
Jahren angenommen. *)
Dieſe Familie beſitzt viele Dörfer. Beyde haben den
Vorzug vor den Schechs, daß ſie ſich mit dem Hauſe Schehäb verheyrathen können. Denn die Druſen heyrathen nicht gern unter ihrem Stande; die Emirs ver binden ſich alſo nicht mit den Töchtern derSchechs,und ein Schech nicht mit der Tochter eines Mannes von geringerer Abkunft. Aber auf einem Landtage gilt die Stimme eines
*) Vielleicht weil einer von dieſer Familie die Tochter eines Scherifs oder Eintrs heyrathete. Die Kinder dieſer Damen erben den Titel ihrer Mütter. Beſchreibung von Arabien -
SO. I3.
v
Beſchreibung des Gebietes der Druſen.
45
eines Emirs von Schoeifät oder Billamá nicht mehr als die Stimme eines Schechs von einer der übrigen Familien. In dem Gebiete der Druſen trift man gleichſam verſchiedene Himmelsſtri che an. Auf der Ebene an der Seeſeite iſt es im Sommer ſehr heiß: dagegen findet man im Winter auf dem Berge Libanon mehr Schnee, als in einigen nörd lichen Ländern von Europa. Die vornehmen Druſen verändern deswegen ihre
Wohnung, und leben faſt in einem beſtändigen Frühling.
Die Luft am Berge
Libanon iſt ſo vortrefflich, daß hier faſt alle Leute im Sommer auf den Dächern
ihrer Häuſer ſchlafen: es fehlt daſelbſt nicht an Regen und vielen Quellen, und daher auch nicht an Flüſſen, die die benachbarten Ebenen wäſſern; der Wein
des Berges Libanon, der ſchon von Hoſeas im 14ten Capitel gerühmt wird, iſt noch jezt vortrefflich; die Einwohner bauen ſo viele Maulbeer- und Olivenbäume,
daß ſie einen großen Handel mit Seide und Ol treiben können; ſie überlaſſen den Fremden auch Baumwolle, Wolle, Manna, Galläpfel, Pommeranzenſcha len, Seife, Weizen; ſie haben übrigens noch viele vortreffliche Feld- Baum und Gartenfrüchte, und an Weiden und Viehzucht fehlt es ihnen auch nicht.
Toback wird in dem Gebiet der Druſen nur wenig, aber deſtomehr und ſchöner bey ihren Nachbarn, den Naſſairiern in der Gegend von Ladakia, und bey den Metaui lis in der Gegend von Sör gebaut. Kurz, man findet hier in einer kleinen
Entfernung alles beyſammen, was die Menſchen zu einem notdürftigen, ja zu einem angenehmen Leben brauchen. Von den verſchiedenen Provinzen, und den darin liegenden Dörfern und Flecken habe ich folgende Nachrichten erhalten:
1) Die Provinz –sy-Jº Schüf. Darzu gehört: a) –-L! „sº?!! Wadi el M'naſif. In dieſem Diſtrikte findet man: «W/20 Deier el Kammar, eine anſehnliche Stadt nicht weit von Näher Damür, und eine Tagereiſe von Seide. Sie iſt die Reſidenz des regieren den Emirs, und hat für eine Stadt dieſer Gegend, viele große Gebäude, die theils dem Staat, theils den großen Schechs und Emirs gehören, die ſich auf dem Landtage verſammlen, oder ſich hier ſonſt wegen des Hofes aufhalten.
Sie hat auch eine Mosqué mit einem Minäre. ſucht, wie ſchon S. 434. bemerkt worden. L l l 2
Allein dieſe wird ſelten be *
e.º
452
Beſchreibung des Gebietes der Druſen.
«-Jäº Beklin, ein großes Dorf worin Druſen und Chriſten wohnen. Hier wachſen vortreffliche Weintrauben.
,- /Us Kafr Kattra, –º/ - /2e Deir Durit, Mſchitfi, e-LX
A 200 Buſtäneddoair, Pely eas Ain el moäſſir und E 20 º Ptit din ſind zum theil kleine Dörfer. Zwey andre kleine Dörfer Kafr Moham med und Näame ſind noch deswegen merkwürdig, weil bey jedem ein maro nitiſches Kloſter liegt. Letztere ſtehen unter dem Schutz von Beit Bunekkid. b)
--- e-sy & Schüfel heite.
In dieſem Diſtrikt wohnt ein Schechel Akäl, d. i. einer von den dreyen vornehmſten Geiſtlichen der Druſen. Darzu gehört:
„U- Elmachtära, die Wohnung des Schechs Ali Dſümbelät, des Anführers derjenigen Parthey, die jezt zu verhindern ſucht, daß der regie rende Emir nicht zu mächtig wird. (S. 449.)
e./9. º Baädrän, /y-Lº GS Ain matür, Ankenni, LS/A Elmäsräa und E- Ntha ſind anſehnliche Dörfer.
Die größte Anzahl
ihrer Einwohner ſind Druſen; man findet daſelbſt aber auch viele Chriſten.
Bey den Dörfern Maſchmuſchi und Keituli ſind Klöſter der Maroniten unter dem Schutz von Beit Dſjumbelät.
2) - > /*) Arküb.
Zu dieſem Diſtrikt gehört: EL/>" Barük,
eine kleine Stadt, und die Wohnung des Schechs Abdeſſaläm von der Fa milie Jésbek. Er iſt das Oberhaupt von der Parthey die jezt den regierenden Emir unterſtützt. In ſeinem Gebiete wohnt auch ein Schechel akäl. 3) ºM+ } Dſjurd, ein großer Diſtrikt auf dem Berge Libanon. Dar
zu gehören die Flecken, Lºº-Gºs Ain ſchälta, AJose Andära und Lºr Riſchmeia.
Bey letzterm liegt ein Kloſter der Maroniten unter dem Schutz
von Beit eſſchehäb.
4) eAA- Pºs! Aklim Dſjeſin.
Von dieſem Diſtrikt habe ich weiter
nichts gehört, als daß man in ſelbigem, nicht weit von einem Flecken Dſjeſin die große S.447. erwähnte Höhle findet, in welcher Fekr eddin lange von den
Türken belagert ward.
5) „L=-º) Schähär, ein kleiner Diſtrikt. Vº/US= Kfär metta, ein Flecken.
Darzu gehört: 6) ess
Beſchreibung des Gebietes der Druſen.
453
6) --- ºs! Aklim el charüb, ein großer Diſtrikt nicht weit von Deir el kammar und Seide. Die merkwürdigſten Örter in demſelben ſind:
Lazº Berdſa, Ainnüt.
F-J Schahim, Gysé- es Ain mesbüd, und Gyºs
Man findet daſelbſt Druſen, Chriſten und Mohammedaner.
Leß
tere aber wohnen meiſtentheils in Dörfern allein, und haben kleine Mosqnen.
Die Mohammedaner welche ich davon auf der Reiſe von Seide nach Damäſk geſprochen habe, waren mit der Regierung der Druſen beſſer zufrieden, als mit der Regierung der Paſchäs.
Auch hatten ihre Dörfer ein gutes Anſehen.
In dieſem Diſtrikte findet man einen Überfluß an den ſchönſten Früchten.
Die
Einwohner pflanzen beſonders viele Olivenbäume, und verkaufen daher viel Öel nach Damaſk und Seide.
-
In Aklim el charüb und ohngefehr 3 Stunden von Seide liegt
e-a-) AG Deir M'chällas, ein Kloſter und die gewöhnliche Reſidenz eines Patriarchen der mit der römiſchen Kirche vereinigten Griechen.
7) SULJJ ºs Aklim Tefäch.
Dieſer Diſtrikt liegt an der Grenze
der Metaueli nach der Gegend von Sör. Er wird meiſtentheils von Sunniten bewohnt. Man findet darin: „8 9 N=' &L=> Iſchbá el hellaue und Na ſar Auſchhur, zwey große Dörfer.
8) - „J Elgarb, ein großer Diſtrikt, und die Wohnung verſchie dener Schechs. Man findet darin & U eS Ain el nöbá, e-5-Lºs Bſchämün und SGayºº! Schoeifät, lauter Dörfer. Die Griechen haben -
in dieſem Diſtrikt ein Kloſter unter dem Schuß von Beit Telhük; und die Ma roniten zwey Klöſter unter dem Schutz eines Emirs von Beit Schehäb.
9) Lx- Solima.
In dieſem Diſtrikt iſt: Solima ein Flecken
und die Wohnung eines Emirs von Beit Billama.
Man findet daſelbſt auch
ein Kloſter der Griechen, und zwey Klöſter der Maroniten.
In dem einem
von letztern wohnt ein Maträn.
1o) U-AW Erräs.
In dieſem kleinen Diſtrikt iſt ein Flecken Erräs,
vnd die Wohnung eines vornehmen Druſen der den Titel Emir führt.
1 1) LL /? Brumäna, ein kleiner Diſtrikt mit einem Flecken gleiches Namens.
In demſelben wohnt ein Emir. L ll 3
Er hat in ſeinem Gebiete zwey Klöſter
Beſchreibung des Gebietes der Druſen.
454
Klöſter der Maroniten. Dieſe Nation hat auch noch ein Kloſter bey - WOW/e Näher el Kälb.
12) U2äJJ El Kata, ein anſehnlicher Diſtrikt nahe bey Kesroän.
Er
wird faſt von lauter Maroniten bewohnt, die, ſo wie drey Klöſter die ſie hier haben, unter einem Emir von Billama ſtehen, der zu Solima wohnt. Zu
dieſem Diſtrikt gehört: LºLº Bekfeia, ein Flecken, und Beit Schehäb. In dieſer Gegend wird der beſte und der meiſte Wein gebaut, der vom Berge Libanon verführt wird. Er wird, ſo wie bey den Juden in Jemen, und bey den Ar menern in Perſien, und wie ſchon zu Chriſti Zeiten im gelobten Lande, in großen erdenen Töpfen aufbewahrt. Zu dem Wein der ausgehen ſoll verſchreiben die Einwohner kleine Tonnen von Cypern. -
13) UXX- Beskinta, ein kleiner Diſtrikt der von lauter Chriſten bewohnt wird. eines Emirs.
Er hat einen Flecken mit 5 kleinen Kirchen und der Wohnung Nahe bey Beskinta liegt ein Kloſter der Maroniten.
14) erº
Elmatein.
In dieſem Diſtrikt findet man Druſen, Chri
ſten und Mohammedaner. Er wird von einem Emir regiert, der in dem Fle cken Elmatein wohnt. Die Maroniten haben in dieſem Diſtrickt zwey Klöſter.
Die Griechen haben ein Kloſter bey dem Dorfe Ayº Schoeir, und in dem ſelben die ſchöne arabiſche Druckerey, woraus man nicht ſelten Bücher in den
Bibliotheken der Europäer findet. *)
15) LU2- Hämmäna.
Von dieſem Diſtrikt habe ich weiter nichts
gehört, als daß in demſelben eine Stadt gleiches Namens liegt, und daß da
ſelbſt ein M'káddem wohnt.
16) s. -- J. Schebante. Dorfe.
Dieſer Diſtrikt hat ſeinen Namen von einem
In demſelben wohnt ein Emir.
17) /Joss Andära, ein großer Diſtrikt der von vielen Schechs regiert wird.
Er hat ſeinen Namen von einem Flecken.
18) ---E= Kesroän, eine an allerhand Früchten, beſonders an Seide, Weintrauben und Oliven ſehr fruchtbare und ſtark bewohnte Provinz, LIUlf
*) Stephan Schulz iſt ſelbſt in dieſer Druckerey geweſen, nennt dieß Kloſter Deier Hannah Schowyer.
S. deſſen Reiſen V. 452. Er
-
Herrſchaft der Maroniten auf dem Berge Libanon.
455
eine Tagereiſe lang nnd eben ſo breit. Sie ward bis zu der Zeit des Emir Fekr eddin von einem Mohammedaner regiert, der zu Ghaſir wohnte, und an den Paſcha zu Tripolis Tribut bezahlte. Der erwähnte Emir aber vertrieb dieſe mo hammedaniſche Familie durch die Hülfe der maronitiſchen Einwohner, nnd über ließ nachher dieſen Maroniten, unter ſich ſelbſt Oberhäupter zu ernennen. Jezt wohnt hier gar kein Mohammedaner und nur ein Druß, ein Emir von der Familie
Schehäb der zu Ghaſir als eine Privatperſon lebt.
Die ganze Provinz bezahlt
jährlich, wie man mich verſichert hat, 3o Beutel an den regierenden Emir zu
Deier el Kammar.
Dieß Geld wird von den maronitiſchen Schechs ſelbſt ein
getrieben. Wenn die Druſen mit ihren Nachbarn Krieg haben, ſo müſſen die Maroniten auch eine verhältnißmäßige Anzahl Soldaten zur Armee ſenden; und dieſe werden dann, unter dem Befehl der Druſen, von ihren eigenen Schechs angeführt. Sie haben ihre eigene Fahne und bey vielen Kirchen kleine Glocken.
Sie können ſich nicht nur grün kleiden, ſondern auch einen grünen Turbän tragen; eine Ehre die in den türkiſchen Provinzen nur den Nachkommen Mohammeds
vorbehalten iſt; ja ſie beſitzen einen Paß, wo die Mohammedaner ein kleines
Wege- oder Schutzgeld (Ghafär) an ſie bezahlen müſſen. überdieß das völlige Zutrauen der Druſen. laſſen ihre Söhne von Maroniten,
Dieſe Nation hat
Die großen Emirs und Schechs
ſo wie ihre Töchter von Maronitinnen erzie
hen. Sie laſſen ihre Güter von ihnen verwalten; ſie brauchen ſie als Schrei ber, ja wohl als Räthe ( Weſirs ); kurz die Maroniten haben bey den Druſen faſt alle Bedienungen, worzu Verſand und Treue erfodert wird. Die Geiſtli chen der Druſen ſind viel zu ſtolz, als daß ſie die Kinder der Schechs ſollten er ziehen wollen; ſie wollen nicht einmal mit ihnen eſſen, wie im vorhergehenden bemerkt worden. Die weltlichen Druſen haben nicht viel gelernt; ſie ſind von Natur auch unbiegſam. Wenn ein Herr einen ſolchen Bedienten wegen eines Verſehens ſollte ſtrafen wollen, ſo würde dieſer oder ſeine Familie ſich bald zu rächen ſuchen. Die Chriſten hergegen ſind mehr unterwürfig: und wenn ein
Schech der Druſen ſeinen maronitiſchen Bedienten auch wegjagt, oder gar nie derhaut, ſo hat er von ihm und ſeiner Familie nicht viel zu fürchten. Die
456
Herrſchaft der Maroniten auf dem Berge Libanon.
Die Maroniten erkennen den Pabſt für das Oberhaupt der Kirche wie ſchon S. 42 5. bemerkt worden. Weil Jeſuiten, Franciscaner und Capuciner
unter ihnen wohnen, ſo haben ſie mehr Verbindung mit den Europäern, als andere morgenländiſche Nationen. Allein ſie bekümmern ſich eben ſo wenig um Künſte und Wiſſenſchaften, als ihre Nachbarn, die Druſen, Araber und Türken. Kein reicher Maronit läßt ſeinen Sohn in Europa erziehen, weil er nur Sitten zurückbringen würde, die ihm nachher in ſeinem Vaterlande mehr ſchaden als nutzen. *) Man hat mich verſichern wollen, daß in dem Collegio der Maroniten zu Rom beſtändig 3o junge Leute von dieſer Nation freye Erziehung erhalten können; daß man aber daſelbſt ſelten mehr als vier bis fünf antreffe, weil nicht einmal die Armen ſich dieſes Vortheils bedienen wollen, aus Furcht daß ihre Kinder von den europäiſchen Sitten angeſteckt werden. Auch würde ein armer Maronit mit aller europäiſcher Geſchicklichkeit in ſeinem Vaterlande ver hungern müſſen. Denn er findet daſelbſt keine Bedienung, die ihn ernähren kann, außer wenn er ein Geiſtlicher iſt: und die morgenländiſchen Geiſtlichen haben nicht ſo große Einkünfte als die europäiſchen. Die Schechs der morgen
ländiſchen Chriſten dienen ihrer Nation aus Pflicht und der Ehrewegen.
Ob ſie
gleich Hebungsbediente ſind, ſo bezahlen die Druſen ihnen davor nichts, und die übrigen Schechs und gemeine Unterthanen ſorgen ſchon davor, daß ſie ihnen nicht mehr bezahlen, als ſie wieder an die Druſen abgeben müſſen. Eben dieſe Schechs
*) Es iſt überhaupt wohl ſelten daß es den Morgenländern in Europa gefällt, wenn ſie ihr Vaterland nicht ſehr jung verlaſſen haben. Nicht einmal Ehrentitel können ſie zu rück halten. Ein überaus reicher Armener z. B. ging bey den innerlichen Unruhen in
Perſien mit ſeiner ganzen Familie und ſeinem großen Vermögen von Jsfahan nach Venedig und ward in den Grafenſtand erhoben. Er ſelbſt blieb in Europa, weil er vielleicht zu viele Schwierigkeiten fand in ſeinem Alter mit einer Familie noch
mehrere Reiſen zu machen.
Allein den Herrn Grafen ſeinen Sohn, traf ich zu
Basra an, wo er wieder völlig als ein Morgenländer lebte, ja nicht einmal Um
gang mit den hier wohnhaften Europäern hatte. Mein Reiſegefährter in Perſien, deſſen S. 97. erwähnt worden, war gleichfals von ſeinem Vater wieder zurück ge ſandt worden; und dem Kaufmann Elias, deſſen Vater Dolmetſcher zu U7adrid geweſen war (S. 357.) hatte es auch in Spanien nicht gefallen.
Herrſchaft der Maroniten auf dem Berge Libanon. Schechs ſind ihre Anführer in Kriegszeiten.
457
Und da ihre Manier Krieg zu
führen von der unſrigen ſehr verſchieden iſt, ſo würde ein Maronit, der in Europa
als Officier gedient hat, hier nicht geſucht werden. Man würde ihn aus lachen, wenn er die Kriegsübungen der Europäer hier unter den Bauern ein führen wollte: und überhaupt würde ihm Niemand etwas für ſeine Wiſſenſchaft
geben.
Gerichtshöfe kennt man hier noch weniger als bey den Türken.
Wenn
zwiſchen den Maroniten ein Streit entſteht, ſo wenden ſie ſich an einen Maträn, oder gar an ihren Patriarchen, der für das Oberhaupt der Nation angeſehen wird.
Sie wählen auch wohl andere Schiedsrichter; und nicht blos Chriſten,
ſondern bisweilen Druſen oder Mohammedaner.
-
Es ſcheint daß man im Jahr 16oo, als Dandini auf dem Berge Liba non war, noch nichts von maronitiſchen Prinzen gewußt habe; denn er nennt die beyden vornehmſten weltlichen dieſer Nation Diaconos, oder im italiäni ſchen, li ſignoridiaconi. *) Indeß findet man in dem Diſtrikt Kesroän und
in dem Gebiete des Paſcha zu Tripolis noch drey Familien, die von den Chriſten
für adelich angeſehen werden. Dieſe nennen ſich U-«a> Höbeiſch, Awäkri und e-/LS- Khäſin. Die von der Familie Höbeiſch wollen behaupten, daß ihre Vorfahren ſchon vor 7 bis 8 hundert Jahren berühmt, und Herren von
vielen Dörfern auf dem Berge Libanon geweſen ſind.
Jezt findet man wohl
1oo Perſonen, die alle zu dieſer Familie gehören, und ſich wenn ſie reich ſind,
von ihren chriſtlichen Mitbürgern die ihrer Hülfe bedürfen, Schech nennen laſſen. Weil aber in dieſen Ländern der eine Sohn keinen Vorzug vor dem an dern hat, ſondern auch die liegenden Gründe getheilt werden, ſo findet man
jezt viele von dieſer Familie, die ihr Brod als Schreiber und Schulmeiſter bey den Druſen, ja durch gemeine Arbeit verdienen müſſen; und um die bekümmert ſich
kein anderer Maronit, und noch viel weniger ein fremder Religionsverwandter.**) Die
*) Voyage du Mont Liban du R. P. Jerome Dandini, nach der Ueberſetzung und mit den Anmerkungen eines franzöſiſchen Geiſtlichen Richard Simon p. 253. **) Einer von ihnen ſagte man, wäre ein Barbier. Er trieb alſo ein Handwerk das bey
den Morgenländern für ſehr verächtlich angeſehen wird. bien S. 39.
II. Theil.
M m mt
Beſchreibung von Arg
Adel der Maroniten.
458
Die von der Familie Höbeiſch haben ſich in folgende Linien getheilt: 1) Uläd Bujesbek, eine zahlreiche Familie. ſir, Ghuſta, Sähel und Beirüt.
Die vornehmſten davon wohnen zu Gha 2) Uläd Buſchedid und 3) Uläd Bu
fädil wohnen zu Ghaſir. 4) Uläd Buniſſär wohnen theils zu Ghaſir, theils zu Sähel. *)
Die Familie Awäkri wohnt in dem Gebiete des Paſcha zu Tripolis. Sie iſt auch ſchon alt, aber arm; indeß noch ſo ſtolz auf ihren Adel, daß ſie ihre Töchter lieber unverheyrathet laſſen, als ſelbige an Maroniten geben will, die nicht adlich ſind. Dieſe Familie beſteht etwa aus 2 o Schechs. Die Familie Khäſin iſt jezt die reichſte, aber nur ohngefehr 15 o Jahr Der erſte von dieſer Familie der auf dem Berge Libanon berühmt worden
alt.
iſt, nannte ſich Abu Nader.
Er war viele Jahre Weſir bey dem Emir Fekr
eddtn; d. i. er war ſein Geheimerrath, ſein Schatzmeiſter, und zugleich ein tapferer Officier. Sein Sohn hieß Nader Khäſin. Aber auch er veränderte ſeinen Namen, und nannte ſich nach ſeinem Sohne, Abu Nöfil. Schon der Vater hatte in dem vieljährigen Dienſt bey Fekr eddin große Reichthümer erworben, und in dem Diſtrikt Kesroän viele Ländereyen, ja ganze Dörfer ge
kauft.
Schech Abu Nöfil vermehrte ſelbige noch mehr, weil theils er, theils
Es war dieſer Schech, ſeine Söhne im Dienſte der folgenden Emirs waren. der den europäiſchen Mönchen zuerſt die Erlaubniß verſchafte, auf dem Berge Libanon Klöſter haben zu dürfen; ja er ſelbſt ſchenkte ihnen Häuſer. Dieß war
genug, den maronitiſchen Schech auch in Europa bekannt zu machen. Die Mönche empfohlen ihn zu Rom und Paris, als einen großen, tapfern und tugendhaften Prinzen; und als einen Beſchützer der catholiſchen Religion mitten unter den Ungläubigen.
Der Pabſt machte ihn und ſeine Söhne zu Ritter; der
König von Frankreich ſchickte ihnen auch einen kleinen Orden, und ernannte Abu
*) Arabiſche Schechs würden ſich Beni Jesbek, Beni Schedid u. ſ. f. nennen.
Ob die
Maroniten ſich durch das Wort Ulad oder Wallad, welches einen Sohn bedeutet, und dadurch daß ſie ſich nach ihren Söhnen benennen, von den Mohammedanern un
terſcheiden wollen, oder ob dieß ſchon bey den alten Syrern gebräuchlich geweſen, werden die Sprachforſcher entſcheiden können.
Von den ſogenannten Prinzen vom Berge Libanon.
A59
Abu Nöfil zu ſeinen Conſul zu Beirüt: und weil nicht nur er ſich ſelbſt, ſondern
auch die Mönche ihn in ihren Briefen einen Prinzen der Maroniten genannt hatten, ſo gaben der Pabſt und der König von Frankreich ihm in ihren Ant
wortſchreiben eben dieſen hohen Titel.
Abu Nöfil ward alſo ſchon von den
Europäern ein Prinz genannt, als die Schechs von den Familien Höbeiſch und Awákri ſeine Familie noch kaum für adlich anſahen. Man hat von dieſem Schech Abu Nöfil eine Lebensbeſchreibung des berühm
ten Fekreddin; es iſt aber wohl zweifelhaft: ob er ſelbige allein geſchrieben, oder ob die europäiſchen Mönche behülflich geweſen ſind, um ihn auch als Schriftſteller berühmt zu machen. Arvieur und la Roque haben ihn perſönlich gekannt, und beyde erwähnen ſeiner weitläuftig. Lezterer, ein Reiſender, lernte ihn bey den Mönchen kennen, die viele Wohlthaten von ihm empfangen hatten, und noch mehrere erwarteten.
Er rühmt ihn, ja er hat ſogar einige Antwortſchreiben drucken laſſen,
die der König von Frankreich und ſeine Miniſter an dieſen und andere ſeyn wol lende maronitiſche Prinzen geſchrieben haben, um den Europäern keinen Zweifel übrig zu laſſen, daß ſie würklich große Leute geweſen ſind. Arvieur hergegen der viele Jahre zu Seide war, und mit Abu Nöfil viele Geſchäfte hatte, beſchreibt ihn ſo, wie ich mir einen maronitiſchen Schech in ſeinem Vaterlande vorſtelle,
den die Mönche den Kopf mit den Titeln Prinz und Conſul, ſchwindelich ge macht haben.
Die Nachkommen des Aßu Nöfil haben ſich in folgende Linien getheilt.
1) Uläd Bukanzau, wohnhaft zu Ghuſta.
2) Uläd Bunaſif zu Adſel
tein. 3) Uläd Bunöfil zu Ghuſta und Adſeltein. 4) Uläd Muſe zu Sük Michael, und 5) Uläd Buſchedid zu Sähel el má. Wären die europäiſchen Mönche nicht auf dem Berge Libanon geblieben, ſo hätte man in Europa vermuthlich auch nichts weiter von maronitiſchen Prinzen gehört. So aber erinnern ſie uns noch oft daran. Sie ſchicken die Söhne ih rer arnen Wohlthäter, oder ſolche die durch innerliche Unruhen, oder durch die
Räubereyen der Metaueli arm geworden ſind, unter dem Namen Prinzen vom
Berge Libanon ja wohl gar Prinzen von Paläſtina nach Europa. ben dem Schech ein Empfehlungsſchreiben nach Rom. Mmm 2
Sie ge
Weil er ein Catholik iſt, ſo
46o ſo
Von den ſogenannten Prinzen vom Berge Libanon.
wird hier davor geſorgt, daß er ein neues Empfehlungsſchreiben an den Kaiſer
erhält. Zu Wien bekömmt er gemeiniglich freye Wohnung, und monatlich et was gewiſſes zu ſeinem Unterhalt. Das daſige Poſtamt giebt ihm eine Ordre,
vermöge welcher er nicht nur in den Kaiſerlichen Erblanden, ſondern durch das ganze römiſche Reich freye Beförderung genießt: und von der Canzeley erhält er einen Paß, den dieſe Leute ein Empfehlungsſchreiben an alle Könige und Fürſten zu nennen pflegen. Darauf bettelt dann der Prinz überall, unter dem Vorwand: daß die Türken, Araber, Metaueli, Naſſairier, kurz, die Ungläubigen ihn ſeiner Länder beraubt haben: ja wohl gar, daß ſeine Gemahlin, Prinzen und Prinzeſſinnen in die Gefangenſchaft geführt ſind. Sie bemerken auf ihren Reiſen nur die Namen der Städte, welche ſie beſuchen; die Münzſorten welche in jedem
Lande gebräuchlich ſind; die Almoſen die ſie erhalten haben; wo im Wirthshauſe für ſie bezahlt worden; was ſie an die Viſitirer auf den Zollplätzen oder ſonſt an Trinkgeld, oder zu ihrem Unterhalt haben bezahlen müſſen. Die meiſten reiſen wieder zurück, ſobald ſie ſo viel erübrigt haben, daß ſie einen Garten mit Maul
beer- und Olivenbäumen, und einige Ländereyen kaufen können. Sie erzählen es ihren Landsleuten, wie viel Ehre ſie von den europäiſchen Königen und Fürſten genoſſen haben; und lachen darüber daß man ſie oft gar mit zu fürſtlichen Tafeln gezogen hat. Es findet ſich bald einer ihrer Freunde, der auch eine Reiſe nach der Chriſtenheit nicht achtet, wenn er dabey ein paar tauſend Reichsthaler ver dienen kann. Dieſer leihet das Tagebuch, oder eigentlicher die Reiſeroute und die
Rechnung von der Einnahme und Ausgabe eines zurückgekommenen Olivenprinzen, (ſo pflegt man ſie in ihrem Vaterlande ſcherzweiſe zu nennen,) läßt ſich vom Pa triarchen und den europäiſchen Mönchen (vielleicht für baare Bezahlung oder ge gen Verſprechung eines Geſchenks bey ſeiner Zurückkunft) ein Empfehlungsſchrei ben nach Rom geben; kauft einen ſchönen Säbel und ein koſtbares Meſſer; mie
thet einen Bedienten der ſchon eine ſolche Reiſe gemacht hat, und beſucht dann alle die Länder und Städte in Europa, wo ſeine Vorgänger mehrere Geſchenke erhalten als Ausgaben gehabt haben.
Den erſten maronitiſchen Prinzen, die nach Europa kamen, war dieß
Handwerk ſehr einträglich.
Die großen Herren konnten und wollten die Sache nicht
Von den ſogenannten Prinzen vom Berge Libanon,
461
nicht genau unterſuchen; ſie ſelbſt oder die Hofdamen waren neugierig, einen
arabiſchen Prinzen, einen Prinzen vom Berge Libonon, von Paläſtina, zu ſehen. Er erhielt nicht nur Audienz, ſondern ward wohl gar zur Tafel eingeladen: und wenn man ſich ſo weit mit ihm eingelaſſen hatte, ſo mußte man
ihm auch ein anſehnliches Geſchenk geben.
Nachdem ihrer ſo viele, ja einige
gar mehr als einmal nach Europa gekommen ſind, ſo verdienen ſie nicht mehr ſo viel.
Ich habe verſchiedene von dieſen Oliven-Prinzen in Europa gekannt, die
ſich beklagten, daß die Könige und Fürſten nicht mehr ſo freygebig wären als vorher; beſonders darüber, daß man ihnen nicht mehr erlauben will, in den
Provinzen herum zu reiſen. Weil ſie überall freye Beförderung erhielten, ſo reiſeten ſie wohl von Dorf zu Dorf; ließen ſich von den Beamten bewirthen; verlangten gleichſam einen Kopfſchatz von den Bauern: und dieſe bezahlten an
fänglich gern, theils aus Mitleiden gegen einen chriſtlichen, von den Ungläubi gen verjagten Prinzen, theils glaubten ſie auch, ſie könnten eben ſo gut einige
Kreuzer
anwenden, um einen arabiſchen Prinzen in ſeiner morgenländiſchen
Kleidung, (die dieſe Leute wider die Gewohnheit der Morgenländer, oft mit
Gold oder Silber beſetzen laſſen) als etwa auf einem Jahrmarkt fremde Thiere, oder in einen Guckkaſten zu ſehen. Weil ihrer ſo viele kamen, ſo wurden Beamte und Bauern des Spiels überdrüſſig. Die meiſten europäiſchen Fürſten erlauben ihnen daher jezt nicht mehr, Abwege zu nehmen, ſondern laſſen ihnen ein Ge
ſchenk an Geld zuſtellen; etwa auch ihre Rechnung im Gaſthofe bezahlen, und dann gleich vorſpannen.
Daher reiſt wohl ſelten einer ſo geſchwind, als ein
maronitiſcher Prinz. Ich habe mit keinem von dieſen Leuten, die ich in Europa angetroffen habe, Mitleiden haben können, als nur mit einem Abüd ibn Sche
did. Dieſer war würklich von einer der angeſehenſten Familien der Höbeiſchi, und trug einen Orden (ich meine den Lazarus-Orden) den der König von Frank reich ehmals ſeinem Vater, und nachher auch ihm gegeben hatte. Sein Vater hatte einige Dorfer in dem Diſtrikte Ftüch, ingleichen anſehnliche Ländereyen,"
Gärten und Häuſer zu Ghaſir gehabt; war aber durch Privatkriege mit den Metaueli und ſeinen eigenen Anverwandten, ein armer Mann geworden. Abud hatte vielen Umgang mit vornehmen Druſen gehabt. Mmm 3
Er kannte ſein Va terland
462
Von den ſogenannten Prinzen vom Berge Libanon.
terland ziemlich gut, und ich habe ihm verſchiedene in dieſem Abſchnitt vorkom Unende geographiſche und genealogiſche Nachrichten zu danken. Er war aber nicht geſchickt, in Europa die Rolle zu ſpielen, die er übernommen hatte. Denn, er war für einen Bettler zu ehrgeizig und zu beſcheiden, und wird daher wenig
Vortheil von ſeiner Reiſe gehabt haben.
Man ſoll auch Beyſpiele haben, daß
einige von dieſer Familie zuerſt als Bediente herumgereiſt ſind, und nachher noch
einmal eine ſolche Reiſe als Prinzen unternommen haben. Einen von dieſen glaube ich zu Kopenhagen geſehen zu haben. Er hatte einen jungen Maroniten in europäiſcher Kleidung bey ſich, den er ſeinen Secretair nannte; der aber zu gleich ſein Bedienter und ſein Geſellſchafter war, und vielleicht darum die Reiſe mit that um das Handwerk zu lernen. Die Maroniten ſind in ihrem Vaterlande ſehr gaſtfrey. Weil man ſo wenig bey ihnen, als bey den Druſen, Arabern und Türken öffentliche Gaſthöfe antrift, ſo hat jeder ihrer Schechs eine ledige Kammer in ſeinem Hauſe um Reiſende aufzunehmen, und ſie unentgeltlich zu bewirthen. Und wenn mehrere
reiche Schechs in einem Flecken oder Dorfe wohnen, ſo hat gemeiniglich jeder ſeinen Monat, in welchem er dafür ſorgt, daß die Fremden wohl bewirtbet werden. Dieſe ihre Gaſtfreyheit wird bisweilen auch gemißbraucht. Einmal - kam ein Maronit, der zu Haléb geboren aber viele Jahre als Bedienter bey einem ſeiner Landsleute, in Wien geweſen war, in europäiſcher Kleidung und mit einem Dolmetſcher nach Ghaſir. Die hieſigen Schechs bewirtheten den ver
meynten deutſchen Edelmann vortrefflich; ſie führten ihn zu den übrigen Schechs ihrer Nation; ſie ſtellten ſeinetwegen Jagdbeluſtigungen an: kurz ſie thaten alles
um ihrem europäiſchen Gaſt den Aufenthalt auf dem Berge Libanon recht ange nehm zu machen. Er reiſete nach 6 Monaten auch ganz vergnügt zurück. Einige Jahre nachher kam der Sohn eines Schechs, der dieſem Menſchen viele Höflichkeiten erwieſen hatte, unter dem Namen eines Prinzen nach Wien. Hier ſah er den Gaſt ſeines Vaters wieder; aber nicht als einen deutſchen Edel
mann, ſondern als einen Maroniten, der ſich in dieſer Stadt als Kaufmann niedergelaſſen hatte,
Noch
Von den ſogenannten Prinzen vom Berge Libanon.
463
Noch im Herbſt 1777 kam einer von der Familie Höbeiſch nach Kopen
hagen, der ſich einen Prinzen von Paläſtina nannte, und von allen die ich gekannt habe, ſein Handwerk am beſten gelernt hatte. Er redete außer ſeine Mutterſprache, das Arabiſche, nicht nur Italiäniſch und Franzöſiſch, ſondern auch ziemlich gut Deutſch und etwas Engliſch. Allein ſein Vaterland, den Berg Libanon, kannte er nur wenig.
Ich vermuthe er ſey ein Sohn von einem
andern ſogenannten Prinzen, von dem ich gehört habe, er ſey mit ſeinem Sohne in Europa herumgereiſt, und in Deutſchland geſtorben. Irre ich darin nicht, ſo iſt unſer Prinz von Paläſtina wohl 2o Jahre in Europa geweſen: Und dann kann man ſich gar nicht darüber wundern, daß er ſo viele europäiſche Sprachen redet. Er ſchien auch überhaupt ſchon ſo gewohnt zu ſeyn nach europäiſcher Manier zu leben, daß er wohl nicht mehr große Luſt hat wieder nach Syrien zu rück zu reiſen: und er wird alſo wohl noch ſo lange in Europa herumwandern,
als die großen und reichen Herren ihm Reiſegeld und oben drein noch frey Vor ſpann geben wollen.
Aber er wird das Handwerk auch wahrſcheinlich ſo verder
ben, daß ſeine Nachfolger nur wenig Nutzen von einer Reiſe nach Europa ha ben werden.
Wenn jemand die Meynung anderer Reiſenden von den Prinzen vom Berge Libanon wiſſen will, der kann nachſchlagen: Pocockes Deſcription of the Eaſt
Vol. II. part. 1. p. 96.
Jonas Kortes Reiſen S. 465, und Stephan
Schulzes Reiſen fünfter Theil S. 1 57.
Lezterer ſagt: "die Abayſſiſche
"adeliche Familie theilet ſich in zwey Familien ein; die eine lebt ordentlich, und ” werden einige davon zu Staats- Miniſtern, auch wohl geringern Bedienten "bey dem Großfürſten vom Berge Libanon, oder auch deſſen appanagirten Prin "zen employrt; die andere Linie aber hat durch Spielen und Schwelgerey, "ſich ſo ruinirt, daß ſie nicht wieder aufkommen können, ſondern wie andere ge "meine Leute, als Bauern und dergleichen leben müſſen. (und nachher) Aus "dieſer lezten Linie kommen einige nach Europa.”
Vergleicht man dieß mit
dem vorhergehenden, ſo wird man finden, daß der gute Schulz ſich nicht genau .
nach der Abayſiſchen Familie erkundigt habe, und daher zu eilig und zu hart von
ihr urtheile.
Die morgenländiſchen Chriſten werden das ihrige eben ſo wenig aufs
464
Beſchreibung der Provinz Kesroän.
aufs Spiel ſetzen, als die Mohammedaner: und der vorher erwähnte AEüd ibn Schedid war gewiß nicht einer von den ſchlechten Leuten, die der Herr Paſtor Schulz beſchreibt.
Pocock hatte zu Ghaſir einen Beſuch von einem
ſolchen Prinzen. Von dieſem ſagt er: "der Schech der Maroniten redete "Italiäniſch und war 8 Jahre in Europa herum gereiſt. Auch waren hier noch
"zwey oder drey andere, die gleichfals gereiſt, und wahrſcheinlich als "Bediente mit ihm gegangen waren, und wovon einer in England geweſen
"war. *) - Ich glaube er reiſete unter dem Namen Prinz vom Berge Libanon; "denn die welche unter dieſem Titel nach Europa kommen, ſind Söhne ſolcher "Schechs, welche Dörfer von den Prinzen der Druſen pachten: und da ſie in "dieſem Lande die angeſehenſten ſind, ſo geben die Mönche ihnen als Principi v
"di Monte Libano Empfehlungsſchreiben nach Rom.
Sie kommen oft reich zu
"rück; denn ſie betteln auf eine höfliche Art unter dem Vorwand, daß die "Maroniten als Chriſten von dem harten Joche der Türken gar ſehr gedruckt "werden." Korte fragte einen Pater auf dem Berge Libanon: "was es für
"eine Beſchaffenheit mit den Emirs oder Prinzen vom Berge Libanon hätte, "die öfters in Europa herumreiſen. Er lachte, und der Frater, ſo dabey war, "lachte noch mehr, und wieſe von dem Altan in das Thal hinab auf einen Bauer, "der mit einer Lanze auf der Achſel vorbey ritt, und ſagte: ſolche Prinzen ſind "es; denn man nennt einen jeden Araber ſcherz- oder ſpottweiſe einen Prinzen,
"der ſo reich iſt daß er ein Pferd halten kann, und der eine Lanze auf der Achſel "trägt." De la Roque in ſeiner Voyage de Syrie & du Mont Liban erzählt vieles zum Lobe der maronitiſchen Prinzen, aber nicht der Reiſenden; denn die kannte man zu ſeiner Zeit noch nicht, ſondern derer die den europäiſchen Mönchen auf dem Berge Libanon viele Dienſte leiſteten.
Die merkwürdigſten Örter in der Provinz Kesroän ſind: A/S Ghaſir, eine kleine Stadt an einem Bache Mäameltein, der nur im Winter die See erreicht.
Im Sommer wird ſein Waſſer gänzlich auf den
*) So viele Bediente nimmt kein Maronit mit nach Europa; ſie waren alſo vielleicht Bediente bey andern, oder reiſeten ſelbſt als Prinzen.
Beſchreibung der Provinz Kesroän.
465
den umherliegenden Feldern und in den Gärten verbraucht. Die Einwohner dieſer Stadt ſind lauter Chriſten, und gröſtentheils Maroniten. Die meiſten
der umherliegenden Gärten und Acker gehören Schechs von der Familie Höbeiſch. Vier Schechs als Oberhäupter von ſo vielen Nebenlinien dieſer großen Familie,
heben die Schatzung welche die Einwohner an den Emir der Druſen bezahlen müſſen; und in Kriegszeiten ſind ſelbige auch die Anführer ihrer Mitbürger.
Übrigens findet man hier weder einen Gouverneur, noch einen Kadi.
In
Ghaſir ſind fünf Kirchen. Nahe bey dem Flecken liegt ein Kloſter der Maro niten, und ein anderes Kloſter der Armener die ſich mit der römiſchen Kirche
vereinigt haben.
Der Palaſt des mohammedaniſchen Prinzen, den Fekr eddin
von hier vertrieben hat, gehörte noch vor wenigen Jahren einem Buſchedid Seif, von der Familie Höbeiſch. Dieſer Herr ward einem Capuciner aus Frankreich ſo günſtig, daß er den Palaſt ſeinem Orden ſchenken wollte: allein der gewiſſenhafte Mönch wollte das Geſchenk nicht annehmen. Er kaufte ihn
in aller Form, wie man mich verſichert hat, für 33 Piaſter.
(22 Rthl.)
Jezt iſt der Orden ſicher, daß die Erben ihn niemals wieder fordern können, welches vielleicht geſchehen ſeyn würde, wenn nicht ein ordentlicher Kaufeontrakt errichtet worden wäre. Die Capuciner wohnen alſo jezt in dem Palaſt der ehmaligen Prinzen von Kesroän; und die Schechs der Maroniten, deren
Söhne mit dem Titel Prinz nach Europa kommen, wohnen in ſchlechten Häuſern. Man findet zu Ghaſir, von der Zeit der mohammedaniſchen Prinzen, auch noch eine große Mosqué mit einem Minäre. Dieſe dient den jezigen chriſt
lichen Einwohnern zu nichts, als bisweilen etwa zu einem Stall für ihr Vieh. In der Nähe von Ghaſir liegt ein Diſtrikt mit Namen El Ftüch, und in demſelben die Dörfer: Saffra, Elbnär, Ferſchahäm, Fetka, Giddres,
Ferſcherif, Hällän, Elhöſſein, Ghobèle, Elghine und Elkfür. s.O20- Dſjedeide,
Fluſſes bey Ghaſir. der Maroniten.
ein Dorf in der Nähe von der Quelle des kleinen Hier iſt eine Kirche, und außerhalb dem Dorfe ein Kloſter -
e,5°/s Aramün, ein Dorf mit einer Kirche.
Außerhalb demſelben
liegen zwey Klöſter der Maroniten, nemlich Mar abda für Mönche allein, und II. Theil. Nn n Seid
466
Beſchreibung der Provinz Kesroän.
Seidel hakte für Mönche und Nonnen.
Daß die Weiber abgeſondert leberr
und eingeſchloſſen ſind, wird nicht angemerkt werden dürfen. Schachtül iſt ein Dorf in dieſer Gegend, und Wata dſjös ein angenehmer Ort, wo ſich im Sommer viele Vornehme, ſowohl Druſen als Maroniten verſammlen.
Die Dörfer U&Jº Dlibta und /º e Lº Schnan naair haben jede nur eine Kirche.
U*SO->L“ Sahel alma hat drey Kirchen, und in der Nähe ein Kloſter der Maroniten. Nicht weit davon iſt Ghafär oder Burdſch Dſjunte bey Nähar el kälb, wo die Maroniten von jedem Mohammedaner, der daſelbſt paſſirt, 1 o Pará Wege- oder Geleitgeld verlangen. Dieſe Einkünfte gehörten ehmals der Familie Höbeiſch. Der Emir der Druſen aber hat ſie an ſich gezogen,
und ſie für wenige Piafter an einen von der Familie Khafin verpachtet.
Weil
die vornehmen Türken, die Janitſcharen und andere ſtolze Mohammedaner, den Maroniten nicht viele gute Worte geben, wenn ſie eine ſolche Abgabe von ihnen verlangen, ſo bezahlen nur kleine Kaufleute, die es nicht der Mühe wehrt halten ſich um dieſer Kleinigkeit wegen mit den Maroniten in einen Streit einzulaſſen. Das Wegegeld beträgt daher kaum ſo viel, daß der Menſch davon bezahlt werden kann, der darauf paſſen muß. Indeß ſind die Maroniten darauf, daß Mohammedaner ein Geleitgeld an ſie bezahlen müſſen, nicht wenig ſtolz.
A+“ Cº./a> Haret Sächer, ein Dorf mit einer Kirche.
Ein Kloſter
der Maroniten liegt außerhalb demſelben.
20s Ghadir hat zwey Kirchen und ein großes Nonnenkloſter. -/« Sarba war ehmals eine große Stadt mit einem Caſtell. Jezt iſt es nur ein ſchlechtes Dorf.
Ambſl hat auch nur eine Kirche.
JaUL – & Sük Michael.
Hier findet man drey Kirchen, und
außerhalb dem Flecken zwey griechiſche Klöſter; das eine für Mönche, und das andre für Nonnen.
S.“ • Lºs & Sük Mesbach, ein Flecken mit vier Kirchen nicht weit von Náher el kälb.
Nahe bey demſelben iſt ein Kloſter der Maroniten beydes für Männer und Weiber. --VJ) -g” Näher el kälb oder der Hundsfluß, hat ſeinen Namen von einem großen im Felſen ausgehauenen Hund erhalten. Dieſer
Beſchreibung der Provinz Kesroän. Dieſer Hund ſoll ehmals am Felſen befeſtigt geweſen ſeyn. Mündung des Fluſſes, und zwar ohne Kopf.
467 Jezt liegt er in der
In dieſer Gegend und nahe
am Wege findet man arabiſche, lateiniſche und noch ältere Inſchriften. Vielleicht verdienten leztere copirt zu werden. *) Bey der Quelle des Hundsfluſſes ſind viele unterirrdiſche Wohnungen im Felſen ausgehauen. uralte Inſchriſten ſeyn.
Auch hier ſollen noch
- -
C–S » Ö Sük el charäb hat zwey Kirchen, und in der Nähe drey Klöſter der Maroniten. Dſjaeita, ein Dorf in der Nähe von der Quelle des Hundsfluſſes, hat nur eine Kirche.
/yös Autüra.
Hier findet man eine Kirche.
ein Nonnenkloſter der
Maroniten, und ein Kloſter der Jeſuiten.
U /> Haräſch hat eine Kirche und ein Nonnenkloſter der Maroniten. E-5°/º Derrain. In dieſem Dorfe ſind zwey kleine Kirchen. Nahe
dabey iſt „Aiº Isſcherfa ein Kloſter für Mönche und Nonnen; ingleichen Laº/Lº Marſchellita, ein anderes Kloſter für Mönche und Nonnen, und der Sitz eines Maträn der Maroniten.
Laa/> Harihſa.
In dieſem Dorfe iſt ein Kloſter der Franciscaner.
Die Prieſter bey der Kirche des Kloſters ſind Maroniten.
U-/s Ghuſta, eine kleine Stadt auf einem Hügel, zwey Stunden von Ghaſir, und ohngefehr 3 Stunden von der See. Hier wohnen die vornehm ſten Schechs von der Familie Khäſin. Sie hat drey Kirchen, und nahe bey dem Flecken liegen drey Klöſter. Das eine gehört Armenern; das zweyte Maroniten, uud iſt bisweilen der Anfenthalt ihres Patriarchen; das dritte gehört gleichfals den Maroniten, und iſt der Sitz eines Maträn.
-Yº Maärrab, ein Dorf mit einer Kirche.
Nahe dabey ſieht man
noch überbleibſel von einem uralten Caſtell, in welchem noch oft alte Münzen
gefunden werden. Von den Dörfern =\kº Batha, e-Ä/ Raſchin und q„S! Ighbe hat jedes auch nur eine Kirche. Sº äs Aſchküt hat zwey Kirchen. Nn n 2
-
/-ĺ
*) Pocock erwähnt ſelbiger. Deſcription of the Eaſt Vol. I. P. 1. p. 92. und UMTaundrell hat ſchon eine hier beſindliche lateiniſche Inſchrift drucken laſſen. Journey from Aleppo to Jeruſalem.
468
Beſchreibung der Provinz Kesroän.
„U** B'ſümmär.
Hier in einem Kloſter wohnt der Patriarch derjeni
gen Armener, die ſich mit der römiſchen Kirche vereinigt haben. *)
- Ya/
Reifün hat eine Kirche, und in der Nähe ein Kloſter der Maroniten.
e,5x-sº Adſältün, ein Flecken mit 5 Kirchen. Außerhalb demſelben iſt ein kleines Kloſter der Maroniten. slºº! (Clººs) Kleiad, ein Dorf mit einer Kirche.
In der Nähe deſſelben liegt Deir Rumie, ein großes
Kloſter der Maroniten.
Folgende Dörfer liegen in einem Diſtrikt den man es/“S=cº/> Dſjürd Kesroän nennt. - /aº Feitrün, ein Dorf welches ehmals blos von Mohammedanern bewohnt war. Einige wenige der hieſigen Bauern bekennen dieſer Religion; ſie ſtehen aber unter einem chriſtlichen Schech. haben hier eine Kirche.
ſich noch jezt zu Die Chriſten
U-A- Haradſel, U2 º/ºº Miruba und 2/4 Fareija waren ehmals blos von Metauelis bewohnt; jezt findet man hier blos Chriſten, und dieſe haben in jedem der erwähnten Dörfer eine Kirche.
USy:ä Bkatüta, „N-JJ El äläle, Usslis B kaáta und Sabugha ſind kleine Dörfer, wovon jedes eine Kirche hat. findet man ein griechiſches Kloſter.
Bey jedem der beyden leztern
US/A El masrá liegt in dem öberſten Theil des Diſtrikts Dſjürd el Kesroän, und hat 5 Kirchen.
Dieß iſt im Sommer ein ſo angenehmer Ort,
daß viele vornehme in dem untern Theil des Berges Libanon wohnende Druſen und Maroniten die heiſſeſte Jahrszeit hier zubringen. Aber im Winter iſt es hier auch ſo kalt, daß die hieſigen Einwohner wegen des vielen Schnees kaum aus ihren Häuſern kommen können; und der Schneefriert ſelten ſo ſtark, daß man auf
demſelben gehen kann.
Nahe bey Elmasrá, (ein anderer ſagte bey Fareija
und Haradſel) findet man noch überbleibſel von einer großen Stadt A* Fakra, und unter denſelben, wie man mich verſichert hat, ſehr große Steine mit Inſchriften. Der
“) Ein anderer ſagt: der Patriarch der Armener wohne zu Deir el Kr;im, einem Kloſter dicht bey Chuſta.
-
Anmerkungen von Beirüt.
469
Der oberſte Theil oder der Rücken des Berges Libanon, zwiſchen Kesroän und Baálbek, iſt nicht bewohnt. Im Winter iſt es daſelbſt über aus kalt, und alles mit Schnee bedeckt. Im Sommer aber findet man hier die vortrefflichſten Weiden, und erſtaunlich große Heerden Schafe und Ziegen; theils den Unterthanen der Druſen, theils einigen Stämmen Turkmannen ge hörig. Leztere bleiben etwa nur einen Monat, und treiben dann ihre Schafe und Ziegen nach Damáſk oder andern benachbarten Städten. Sie müſſen etwas weniges an den Emir der Druſen bezahlen; die Unterthanen des Emirs aber können ſo viel Vieh hieher treiben, als ſie nur wollen.
Die Druſen haben gemeiniglich auch C. »/º Beirüt gepachtet.*) Dieſe Stadt liegt in einer angenehmen Gegend an der See, und an der Nordſeite eines Vorgebürges, zwiſchen Seide und Tripolis. Sie hat einen guten Hafen, und treibt auch einen ziemlichen Handel mit Seide, Oel, Baumwolle und andern Waaren, woran der Berg Libanon einen überfluß hat. Nach der Landſeite liegen viele ſchöne Gärten, und an der Seeſeite zwey kleine Caſtelle auf Felſen,
um den Hafen zu beſchützen.
Sie ſind aber in einem ſchlechten Zuſtande.
Sonſt haben die Druſen keine andere Feſtungswerke in ihrem ganzen Gebiete, als
ihre ſteilen Gebürge.
Die Stadt hat hübſche Häuſer, beſonders wohl gebaute
Chans**), und viele ſchöne Kaufmannsladen, wovor der Emir eine große Miethe hebt.
Die Mohammedaner haben hier verſchiedene Mosquéen.
Die
vornehmſten mohammedaniſchen Einwohner wählen ſelbſt ihren Mufti und ihren
Kádi; der regierende Emir beſtätigt ſie nur in ihren Bedienungen wenn ſie ihre Beſtallung bezahlt haben.
Aber die Einkünfte eines Kádi ſind hier nicht ſo ein
träglich, als in andern Städten.
Wenn die hieſigen Mohammedaner glauben daß er ein partheyiſches Urtheil geſprochen, oder eine unbillige Foderung gemacht N nn 3 hat, *) Nach meiner Abreiſe und während des Krieges zwiſchen Rußland und der Türkey hat Beirüt bald den Türken, bald den Druſen, bald dem Schech Däher Omar, ja am Ende des Jahrs 1773 für eine kurze Zeit auch den Ruſſen gehört. Zuletzt aber iſt die Stadt doch den Druſen wieder überliefert worden.
**) Dergleichen ZKarwanſerois oder Wohnungen für Reiſende, beſonders für Kaufleute, nennt man zu Beirüt Kaiſarie. Zu Kähira heiſſen ſie Oqáe.
47o
Verſchiedene Diſtrikte im Paſchalik Tripolis,
hat, ſo wenden ſie ſich an den Emir der ihn dann bald beſtraft. Der Aga oder Commandant zu Beirüt iſt kein Druß, ſonderu ein in dieſer Stadt geborner Mohammedaner, der aber völlig unter dem Befehl des Emirs ſteht. Von den hieſigen chriſtlichen Nationen ſind die Maroniten die zahlreichſten, und dieſe
haben eine ſchöne Kirche.
Sonſt findet man in dieſer Stadt auch Griechen,
und einige wenige Juden. Leztere ſcheinen bey den Druſen nicht wohl gelitten zu ſeyn; denn man findet auf dem ganzen Berge Libanon keinen Juden, als
nur zu Beirüt. Doch reiſen ſie des Handels wegen bisweilen für eine kurze Zeit auch nach andern Städten in dem Gebiet des Emirs, wie ſchon zu Benja min von Tudela Zeiten. *) Von europäiſchen Kaufleuten wohnt hier uur ein
in der Levante geborner Franzos.
Die Kaufleute von Marſeille, welche man
ſonſt in allen Hafen auf dieſer Küſte antrift,
haben zu verſchiedenenmalen ver
ſucht, ſich auch zu Beirüt niederzulaſſen; ſie haben aber den Ort immer wieder verlaſſen, und ſich nach Seide begeben. Denn wenn ſie hier Waaren an die Druſen verkaufen, ſo können ſie ſelbige durch Hälfe des Paſcha zwingen daß ſie bezahlen müſſen; zu Beirüt aber kauften die Druſen viele Waaren auf Credit, und die Kaufleute konnten ihr Geld daſelbſt nicht durch Gerichtszwang eintreiben.
Folgende Dörfer liegen in der Nähe von Beirut, und gehören vermuthlich zu den in der Nähe liegenden Diſtrikten der Druſen.
LÄUElkine, U-La-Hiäta, sa/«W) Elſchoreife, sº Lºé D'ba bie, sa/Äy? Bauſcherie, Sº) Esſchiáh, sº-/JJ TA Burdſch el
bradſjene, zºy“J U/> Hörſch esſ'nobar, s«-LU) El naáme und sºll Annaeime.
Eine viertel Stunde von Beirüt liegt U-SA/-%--- Aº
Deir el chadder, ein Kloſter das dem heiligen Georg gewidmet iſt.
Die
Maroniten glauben daß der Georg, der den Drachen getödtet hat, hier be
graben liegt.
Nicht weit von Beirät iſt auch eine uralte Kirche C-Mas! An
toliäs, in welcher, nach der Meynung der Maroniten, noch bis auf dieſen Tag viel Gold und andere Koſtbarkeiten begraben liegen, die weder die Moham medaner noch die Druſen haben wegbringen können. Folgende *) Itinerarium p. 36.
Nulli autem apud hos (Dogziin) Judaeiſumt, ſed non numquam
artifices & infectores veſtium ad hos veniunt artis vel mercaturar exercendae cauſſa»
rurſusque abeunt.
die von Chriſten bewohnt werden.
47 I
Folgende Diſtrikte liegen auch auf, oder an dem Berge Libanon, und ſind zum theil von Maroniten bewohnt.
Sie gehören aber nicht zum Gebiet der
Druſen, ſondern zu dem Paſchalik Tripolis.
1) „s/º –x- Tſchübbet Bſchérre, ein anſehnlicher Diſtrikt öſtlich von Tripolis.
Die Einwohner deſſelben ſind gröſtentheils Maroniten.
Man
findet hier aber nicht ſo anſehnliche chriſtliche Familien, als in der Provinz Kesroän; denn der Paſcha ernennt gemeiniglich einen von ſeinen maronitiſchen Bedienten, oder einen andern, der ihm das meiſte zu bezahlen verſpricht, zu
Steuereinnehmer; und dieſe Leute werden dann als ihre Schechs angeſehen.
Die merkwürdigſten Dörfer in dieſem Diſtrikt ſind: „/º Bſchérre, o3-’
Haddet, Ban - 2/2as Anturin, -ºº-> Hatſchid, Peyº Blauſa, e. /> Hasrün, -- /US= Kfar ſchäb, ey“? Böſün, º A Kirkaſcha, e- /*/U= Kfar Sarün. Die Chriſten haben bey den Dörfern auch verſchiedne Klöſter.
Das merk
würdigſte davon iſt exºys Canobin, die gewöhnliche Reſidenz des maronitiſchen Patriarchen.
Dieß Kloſter liegt ziemlich hoch am Berge, und hat vortreffliche
Ausſichten.
Es hat große Einkünfte; es werden aber davon auch viele Arme
nnterhalten, und der Paſcha zu Tripolis verlangt oft ſo große Abgaben von dem Patriarchen, daß dieſer genöthigt iſt, ſich nach einem andern Kloſter dicht bey Ghuſta zu begeben (S.467.), wo er mit den übrigen Chriſten in der Provinz Kesroän unter dem Schutz der Druſen alle Sicherheit findet. US-$ Kas heia, ein anderes Kloſter in dieſer Gegend, iſt in einem Felſen ausgehauen. Es ſoll die vortrefliche Eigenſchaft haben, daß alle tolle Leute die ſich darin nur drey
mal 24 Stunden aufhalten, wieder klug werden.
Überdieß haben die Carme
liter ein Kloſter in der Nähe von den großen Cedern.
Auch findet man ein
Kloſter bey dem Dorfe e. 20cd) Ähdin, und in dem untern Theil von Bºſchérre
ein Kloſter SL-/Lº Mar Liſchá. 2) sa - A Säwie ein kleiner Diſtrikt. 3) e. Aaº Batrün, ein Dorf mit einem kleinen Diſtrikt an der See. In dieſer Gegend findet man noch eine Menge verfallener Klöſter. 4) /55.
472
Verſchiedene Diſtrikte im Paſchalik Tripolis,
4) /3U-W Aküra, ein kleiner Diſtrikt mit einem Dorfe gleiches Namens, wo die vornehmſten von der S. 45 8. erwähnten Familie Awäkri wohnen. Hier reſidirt auch ein Biſchof der Maroniten. Nicht weit von
Akura, und in einer Gegend die man Watal breidſe nennt, ſoll man an einem Felſen noch uralte Inſchriften antreffen.
5) SYs Ftüch.
Dieſer Diſtrikt gränzt nach Süden an Maämeltein,
nach Norden an Näher Ibrahim und nach Weſten an Dſjebail, und gehört gröſtentheils der Familie Höbeiſch. Dieſe litten zu der Zeit als ich in dieſen Gegenden war, noch ſehr viel von ihren Nachbarn, den Metaueli, welche zu Dſie bail regierten; denn, die plünderten nicht nur die Häuſer der Maroniten, ſon dern hieben auch ihre Maulbeer-Bäume um, und ſezten ſie dadurch außer Stand Seidenwürmer zu ziehen. Die Metaueli aber ſind ſeitdem aus dieſer Gegend vertrieben worden, wie bald nachher bemerkt werden wird. Folgende Dörfer
liegen in dem Diſtrikt Früch, und ſind alle nur klein: --A/US= Kfäraſin, A. a) Safra, Jyº Elbuär, z“/L= Kfär Schahäm, Läº Fetka, U-/os Ghiddres, -2/>/US= Kfar Dſerif, e-Ma-Hällän, Elhöſſein, „Lºs Ghobäli, „º Elghine, / 3.0 Elk'für. 6) / 5 U Küra iſt ein anſehnlicher Diſtrikt der zum Theil von Grie chiſch- Catholiſchen bewohnt wird.
Dieſe haben verſchiedene große Klöſter,
als: /yºs Antura, 0-1-2 Balmand, sa/55 Nurie. 7) --- Dennie, ein Diſtrikt der von Metaueli und Chriſten bewohnt wird.
8) 0xx-Dſjebail, ein Flecken und Diſtrikt der gröſtentheils von Ma roniten bewohnt wird, die aber unter der Herrſchaft der Metaueli ſtehen.
Die
vornehmſten Orter in dieſem Diſtrikt ſind: Dſjebail, Maád, Galbün, Bi ſchi, Hakil, Miſchmiſch, Lächfid, Achmidſch, Wadi el mad, und Bim tael. Man ſoll hier, zwiſchen -530- Mödfün und/oº Fidär, in einer Strecke von 6 Stundenweges, noch viele Überbleibſel von Paläſten und Klöſtern und an denſelben auch noch einige Inſchriften finden.
„aº) -X>> Tſchübbet el m'neitre, ein anſehnlicher Diſtrikt der zu meiner Zeit noch meiſtentheils von Metauelis regiert ward. -
In dieſer Gegend entſpringt
die von Chriſten bewohnt werden.
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entſpringt Näher Ibrahim. Bey der Quelle dieſes Fluſſes ſoll man noch überbleibſel von alten Gebäuden, und große im Felſen ausgehauene Wohnun
gen finden, die man Us! S/Usº Maghäret afka nennt.
Auf -5° 0-2
Dſjäbbel Muſa, einem Berge zwiſchen dem Flecken M'neitre und Ftüch ſollen
auch noch überbleibſel von alten Caſtellen und Tempeln, und unter denſelben große Steine mit Inſchriften ſeyn. Seit meiner Abreiſe aus Syrien ſind in den zulezt erwähnten Diſtrikten
große Veränderungen vorgegangen.
Denn, ein Druß mit Namen Juſof
hat die Metaueli, die doch ihre Diſtrikte von den Paſchäs zu Tripolis faſt ſeit 2 oo Jahren zu Lehn, oder vielmehr gepachtet gehabt hatten, aus dieſen Ge
genden gänzlich vertrieben. Maroniten,
Abüd ibn Schedid und Michael Mäma, beyde
wovon erſterer 177 1 und lezterer 1774 zu Kopenhagen war,
haben mir dieſe Veränderung folgendermaßen erzählt. Sie wird manchem, der mit der Regierungsform der Morgenländer nicht bekannt iſt, fabelhaft ſcheinen.
Juſof war ein Sohn des Emir Melhem, aber nicht von einer Drußin, ſondern von der Tochter eines angeſehenen Scherifs geboren. (S. 449.) Er war noch jung als Emir Manſür, ſeines Vaters Bruder, die Regierung erhielt. Sein Hofmeiſter war ein Maronit mit Namen Salech, ein ſehr kluger Mann der alles anwendete, den jungen Herrn ſo zu erziehen, daß er dereinſt auf die
Regierung Anſpruch machen könnte: und hierzu war ſeine Hofnung um deſto größer, da alle übrige Söhne des Emir Melhem zu wollüſtig waren, oder weil es ihnen an einer guten Erziehung gefehlt hatte. Emir Juſof ward, ſo wie alle vornehme Druſen, beſchnitten, damit er ſich bey den Türken einen Mohammedaner nennen konnte. Weil die Maroniten auf dem Berge Libanon ſehr zahlreich ſind, und jederzeit getreue Unterthanen und Bundsgenoſſen der
Druſen gegen die Türken und Metaueli zu ſeyn pflegen, ſo ſuchte Schech Salech die Liebe dieſer Nation für ſeinen Herrn auch dadurch zu erhalten, daß er ihn nicht nur taufen ließ, ſondern auch bisweilen in die Kirche führte.
Indeß war
er noch zu jung, und ſein Oheim ihm zu mächtig, als daß er Hofnung haben konnte, bald regierender Emir zu werden. Er machte erſt einen Anſchlag die weniger mächtigen, und von ihren chriſtlichen Unterthanen verhaßten Metaueli
II. Theil,
Ooo
aus
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Neueſte Veränderungen auf dem Berge Libanon.
aus Dſjebail und andern Diſtrikten in der Provinz Tripolis zu vertreiben. Um dieß auszuführen, ward erfodert: daß der Paſcha zu Tripolis ihm die erwähnten Diſtrikte verpachtete, und daß er Geld genug aufbringen könnte um nicht nur die Pacht zu bezahlen, ſondern auch um eine kleine Armee zu halten, womit er die alten Beſitzer vertreiben, und ſich ſelbſt in deu zu erobernden Diſtrikten feſtſetzen konnte. Dieß war ſchon ein großes Unternehmen für einen Landjunker, der nicht mehr als die Einkünfte von einigen Dörfern hatte. Emir Manſür bemerkte es ungern, daß der junge Herr ſowohl bey Chriſten
als Druſen immer mehr und mehr beliebt ward.
Er ſuchte ihn einzuſchränken;
ja er ließ ihm unter allerhand Vorwand, ein paar von ſeinem Vater geerbteDörfer
anzünden. Aber dadurch gab er dem jungen Emir nur Gelegenheit, ſich über ihn beſchweren zu können. Juſof nahm ſeine Zuflucht zu dem Paſcha von Tripolis. Dieſer war ein Sohn des Paſcha zu DamáſF, und gleichfals noch ein junger Herr. Beyde errichteten eine vertraute Freundſchaft mit einander. Unterdeß arbei
tete der Paſcha an einer Ausſöhnung, und Juſof ging wieder nach Deir el kam mar zurück. Hier lebte er einige Monate in aller Stille. Er betrug ſich äußerlich als ein Freund ſeines Oheims; heimlich aber verband er ſich mit Schech Ali Dſüm belät, um ihn zu ſtürzen. Nachdem er ſich nun auch unter den vornehmen Dru ſen viele Freunde gemacht hatte, verließ er Deir el kammar auf einmal, unter dem Vorwand, als wenn er hier ſeines Lebens nicht ſicher wäre, und flüchtete mit ſeinem
Anführer und einem einzigen Bedienten nach Damáſk. *) Daſelbſt trat erbey ſeinem Mutterbruder ab, der ein Scherif und in dieſer Stadt ein angeſehener Mann war. Die Paſchäs in Syrien ſehen es jederzeit gern, wenn in der regierenden Familie der
Druſen Uneinigkeiten herſchen. Der zu Damáſk ließ alſo den Emir Juſof gleich zu ſich kommen, er erwies ihm viele Ehrensbezeigungen und ließ ihn ſeinem Stande ge mäß unterhalten.
Unterdeß beklagte ſich der Paſcha zu Tripolis bey ſeinem Vater
über die Hämädi, eine Familie Metaueli in dem Diſtrikt Dſebail. (S. 472.) Man war ſchon ſeit vielen Jahren mit ihrer Regierung nicht zufrieden geweſen; man hatte ſie aber nicht vertreiben können, weil darzu ein neuer Pächter erfodert ward, -
Der
*) Sonſt rühmt man es von Beit esſch-häb cder der regierenden Familie der Druſen, daß ſie noch niemals einem von ihrer eigenen Familie das Leben genommen habe.
Neueſte Veränderungen auf dem Berge Libanon. der ſich gegen die alten im Beſitz derſelben vertheidigen könnte.
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Weil die mei
ſten Einwohner des Diſtrikts Dſjebail Chriſten, und Freunde des Emir Juſof waren, ſo machte dieſer es ſehr wahrſcheinlich, daß er den Metauelis ſchon gewachſen ſeyn würde. Der Paſcha ſchrieb alſo an ſeinen Sohn, den Paſcha zu Tripolis, daß er Dſjebail (wie gewöhnlich auf ein Jahr) an Emir Juſof verpachten ſollte.
Mit dieſem Befehl reiſte der junge Held gleich von Damáſk
nach Ladakia, wo der Paſcha ſich zu der Zeit aufhielt, und ſammlete unterwe -ges einen Haufen von etwa 5 oo Mann, gröſtentheils Maroniten. Sobald er die Beſtallung oder den Pachtbrief erhalten hatte, ging er von Ladakia zurück, und vermehrte ſeine Armee in wenigen Tagen bis auf 1ooo Mann. Bey ſeiner Ankunft auf der Gränze von Dſebail kamen noch über 1ooo Maroniten zu ihm,
die alle bereit waren ihre Tyrannen vertreiben zu helfen.
An der Spitze dieſer
Armee von etwa 2 ooo Mann kündigte er es dem damals regierenden Schech
Schmaein ibn Sürhän an, daß der Paſcha ihm die Regierung dieſes Diſtrikts übertragen hätte: und weil die Schechs der Metaueli eine ſolche Bothſchaft gar nicht erwartet hatten, ſo mußten ſie der Macht weichen, und ſich auf die Dörfer begeben, die ihnen eigenthümlich gehörten. Einige Monate nachher machte Emir Juſof eine Reiſe nach dem Berge Libanon, um wegen der Ausführung ſeiner übrigen Projekte mit ſeinen Freun
den unter den Druſen, beſonders mit Ali Dſümbelät zu ſprechen. Dieſer ſeiner Abweſenheit benutzten ſich die Metaueli; ſie hieben den Maroniten ihre Oliven und Maulbeerbäume um, ſie trieben ihr Vieh weg, und thaten ihnen ſonſt noch ſehr großen Schaden. Aber dieß war für Emir Juſof eine gute Gelegenheit,
weiter um ſich zu greifen. Er vertrieb gleich den Schech Schmaein aus ſeinem Gebiete, und confiscirte alle ſeine Dörfer und Ländereyen, die er ihm nicht hatte nehmen können ſo lange er ſich als einen ruhigen Unterthanen bezeigte. Die Maroniten, Sunniten und Druſen, welche theils als Unterthanen, theils
als Nachbaren vieles von den Metauelis hatten leiden müſſen, eilten alle
zu ihm.
Er erhielt auch Hülfe von Schech Ali Dſümbelät. So verſtärkt grif er nun auch die benachbarten Metaueli an, die gleichfals ſeit vielen Jahren im Beſitz der
Diſtrikte Batrün, Dennie und Tſchübbet bſchérre geweſen waren. O oo 2
Die Feinde thaten
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Neueſte Veränderungen auf dem Berge Libanon.
thaten zwar anfangs einigen Widerſtand, mußten aber bald ihre Länder verlaſſen,
und ſich zu ihren Glaubensgenoſſen in der Gegend von Sör und Acca begeben. Emir Juſof hergegen erhielt die Beſtallung auf alle erwähnte Diſtrikte, und ward alſo in kurzer Zeit von einer Privatperſon, der Herr oder vielmehr der Pächter von einer anſehnlichen Provinz. Als nachher ein neuer Paſcha nach Tripolis kam der die ſo ſchnell anwach ſende Macht des Emir Juſof fürchtete, wollte dieſer ihm nicht alle Diſtrikte verpachten, ſondern einige davon wieder an die Metaueli geben, die dafür viel
Geld verſprachen, und auch ſchon eine kleine Armee geſammlet hatten.
aber wollte ſich in dem Beſitz behaupten.
Juſof
Er kam mit einer Armee nach der Ge
gend von Tripolis, ſchlug die Vortruppen des Paſcha, und drohete die Stadt
zu plündern.
Weil Däher Omar ſchon zu der Zeit gegen die benachbarten
Paſchäs rebellirte, ſo ſchrieb der Paſcha zu Damáſk, der alte Beſchützer des Emir Juſof, an den Paſcha zu Tripolis: das Intereſſe des Sultäns erfodere es jezt, Emir Juſof in dem Beſitz aller Diſtrikte zu laſſen, die ihm einmal abgetreten worden; und auf dieſe Vorſtellung erhielt Juſof eine neue Beſtallung, und ging wieder von Tripolis zurück. Er wandte ſich hierauf abermal gegen die
Netaueli, und ſchlug ſelbige bey Haddet ſo ſehr, daß ſie ihn ſeitdem nicht wieder haben angreifen können.
Sie haben indeß andere kleine Diſtrikte in der
Gegend von Baälbek gepachtet, und die alten Beſitzer daraus eben ſo vertrie ben, wie ſie vertrieben worden waren.
Emir Juſof ging bald nach der Schlacht bey Haddet mit einer Armee nach Baálbek, um auch den daſigen Emir Heidar, der gleichfals ein Metaueli war, anzugreifen. Dieſer hatte einem Schech der Druſen ſeit vielen Jahren Subſidien bezahlt, und erhielt jezt würklich 1ooo Mann zu ſeiner Hülfe. Aber als Juſof ſich mit ſeiner Armee näherte, wollten die Druſen nicht aus der Stadt,
und überhaupt nicht gegen einen Druſen fechten.
Heidar ging ihm mit ſeiner
ſchönen Cavallerie entgegen; ward aber auch noch von ſeinem Bruder verlaſſen, deswegen genöthigt die Flucht zu ergreifen, und ſich nach den Metauelis in der Gegend von Acca zu begeben. Emir Juſof konnte Baälbek nicht behalten,
weil die Pacht davon nicht an einen Paſcha, ſondern unmittelbar nach Conſtan /
tinopel
Neueſte Veränderungen auf dem Berge Libanon. tinopel bezahlt wird.
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Er übergab alſo die Regierung davon an den Bruder des
Emir Heidar. Weil aber die beyden Brüder einige Monate nachher mit einan der ausgeſöhnt wurden , ſo übernahm Emir Heidar die Regierung aufs neue, gegen die Verſicherung daß er einen jährlichen Tribut an Emir Juſof bezahlen,
(ein Verſprechen das ſelten lange gehalten wird) und daß er die benachbarten Druſen und Chriſten nicht wieder beunruhigen wollte. Juſof vertrieb nachher auch die Metaueli von Kerennie und Hürmel. Solche kleine Kriege unter den Pächtern des Sultäns ſind in den türki
ſchen Provinzen nicht ſelten. Die Paſchäs bekümmern ſich darum oft gar nicht, wenn ſie nur die geſetzte Pacht erhalten, und die in Syrien hatten jezt auch genug zu thun, um nur die Hauptſtädte dieſer Gegend gegen größere Rebellen zu ver theidigen. Denn Ali Bey, der ſich in Egypten unabhängig gemacht und ſchon Damäſkerobert hatte,
hatte
zwar dieſe leztere Stadt gleich wieder verlaſſen
müſſen, und war auch von ſeinem Nebenbuhler, Mohammed Abu dáhab, gänzlich aus Egypten vertrieben worden. Allein er hatte viel Geld mit ſich ge nommen, und ſezte, mit Hülfe des Däher Omar, den Krieg gegen die türki ſchen Paſchäs noch beſtändig fort. Der Sultän brauchte zu dieſer Zeit ſo viele Truppen gegen die Ruſſen, daß er nicht Leute nach Syrien ſchicken konnte. Die hieſigen Paſchäs allein konnten keine zahlreiche Armee zuſammen bringen, ſondern hatten die Druſen vom Berge Libanon zu Hülfe rufen müſſen. Emir
Manſür hatte bereits viel Geld von den Türken bekommen, und war ſchon einige mal mit einer ganzen Armee zu ihnen geſtoßen; war aber damit auch immer vor der Schlacht wieder zurückgegangen. Weil nun Juſof den türkiſchen Paſchäs viel
zu danken hatte, ſo glaubte man daß die Druſen unter ſeiner Anführung mehr ausrichten würden.
Der Paſcha zu Damáſk wünſchte daher, daß er mit guter
Manier an des Manſürs Stelle als regierender Emir ernannt werden möchte, und hierzu fand ſich folgende Gelegenheit. Emir Juſof ging nach Deir el kammar, um ſich mit einer Prinzeſſin aus dem Hauſe Schehäb zu verheyrathen. Bey dieſer Gelegenheit verſammleten ſich nicht nur die vornehmſten Schechs der Nation, beſonders die Anhänger des Bräutigams, -
ſondern auch viele vornehme Türken kamen mit einem großen Gefolge dahin, un Ooo 3
-
e.
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ter dem Vorwand der Hochzeit beyzuwohnen. Emir Manſur wußte die Abſicht der Osmanli; er ſah auch die große Parthey welche Juſof unter den Druſen
hatte. Er hielt es daher für rathſam, großmüthig zu ſeyn. Er zog den Ring mit dem Siegel eines regierenden Emirs von ſeinem Finger, und überreichte ihn mit vielen Complimenten an ſeinen Neffen, als den einzigen, der bey den gegenwärtigen Umſtänden im Stande ſeyn würde die Nation recht anzuführen: Emir Juſof machte viele Gegencomplimente; indeß ließ er ſich von den gegen wärtigen Türken und Druſen endlich überreden, das Siegel, und alſo auch die Regierung anzunehmen. Emir Manſür begab ſich darauf auf ſeine Güter. Nun commandirte Emir Juſof ein Land, das an Größe, und in Anſe hung der Menge ſeiner Einwohner mit einem kleinen Königreiche verglichen wer den kann; und die Türken hatten an ihm auch einen getreuen Officier. Er
rückte (im Jahr 1771 oder 1772) mit einer zahlreichen Armee nach der Gegend von Acca, um Kallá Juni, ein kleines Caſtell am Fluß Kasmie zu erobern,
welches Schech Däher und Ali Bey im Beſitz hatten, und das ſchon von einer anſehnlichen Armee des Paſcha von Damáſk belagert ward.
Er erwartete nur
noch die Ankunft einiger hundert Mann Druſen von Hasbeia, um den Angrif zu wagen. Allein Emir Manſºr hatte eine große Parthey, nemlich die Jés
beki, bey der Armee.
Dieſe vermutheten daß die Druſen von Hasbeia ge
treue Anhänger der Türken wären: ſie wollten daher ihre Ankunft nicht erwar ten, ſondern überredeten Emir Juſof das Caſtell gleich anzugreifen. Sobald
aber Schech Däher ihnen nur mit ſeiner kleinen Armee entgegen rückte, nahmen die Jésbeki die Flucht; die übrigen Druſen, welche nicht wußten wie groß etwa die Anzahl derer ſeyn würde, die Willens wären ihren Anführer zu unterſtützen, liefen in der Ungewißheit auch davon; die türkiſche Armee, die es ſah daß der Feind ſchon die Druſen, worauf ſie ſich ſo viel verlaſſen hatten, ver
folgte, kam gleichſals in Unordnung: und ſo zog ſich die mächtige Armee der Türken und Druſen gleich am erſten Tage 12 Stundenweges zurück. Däher Omar und Ali Bey verfolgten hierauf die Druſen bis in ihr Gebiet, und zerſtör ten viele Dörfer der Anhänger des neuen Emirs.
Der Paſcha von DamäſF und
Emir Juſof wagten nachher einen neuen Angrif, und trieben die vereinigten Trup
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Truppen des Schechs Däher und Ali Bey auch würklich zurück. Aber leztere erhielten kleine Canonen von den ruſſiſchen Schiffen, die ſich zu der Zeit in die ſem Gewäſſer aufhielten. Selbige nahmen ſie mit ins Feld: und da weder die ſyriſchen Türken noch die Druſen gewohnt waren, in freyem Felde gegen Cano nen zu fechten, ſo wurden ſie abermal zerſtreut. Juſof kam zum zweytenmal beſchämt nach Deir el kammar zurück, und hielt es für rathſam dem Emir Man ſºr die Regierung freywillig zurückzugeben.
Indeß behielt Emir Juſof Dſebail und die übrigen Diſtrikte, woraus er die Metaueli vertrieben hatte; und es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß er bald wieder regierender Emir der Druſen werden wird. Aber dadurch werden die Unterthanen nicht glücklicher werden.
Der regierende Emir iſt zu ſehr von den
großen Schechs abhängig; unter der großen Familie Schehäb finden ſich allezeit noch andere, die auch Verſtand und Tapferkeit beſitzen und regieren wollen; es werden immer zwey Hauptpartheyen in der Nation ſeyn, ſie mögen Kaiſi und
Jémeni, oder Dſümbeläti und Jésbeki genannt werden; und die Druſen werden daher beſtändig Unruhen unter ſich ſelbſt haben, oder auch gegen die tür
kiſchen Paſchäs zu Felde liegen.
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Ende des zweyten
Theis.
RCHARD BAUR BUC-bin Geroi N/Unchen
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