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German Pages 353 Year 2004
Carl Schmitt und Älvaro d'Ors Briefwechsel
Carl Schmitt und Älvaro d'Ors Briefwechsel
Herausgegeben von Montserrat Herrero
Duncker & Humblot • Berlin
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-11279-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 © Internet: http://www.duncker-humblot.de
„Es frage wer kann, es antworte wer weiß" Alvaro d'Ors ,Was blieb? Die Unterscheidung von Freunden und Feinden" Carl Schmitt
Gewidmet Älvaro d'Ors, dessen auctoritas stets über der mir von ihm zugestandenen potestas stand.
Danksagung Es gehört zur Natur einer Publikation wie der vorliegenden, dass sie nicht im Alleingang bewältigt werden kann. Von Anfang an fand ich bei dieser Arbeit, die ursprünglich im Jahre 1996 in Angriff genommen wurde, die jedoch hauptsächlich in den beiden letzten Jahren durchgeführt wurde, hilfreiche Unterstützung von vielen Personen. Zuallererst möchte ich Günter Maschke meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Er hat mir bei der Vorbereitung der Edition durch zahlreiche Verbesserungsvorschläge und Korrekturen außerordentlich geholfen. Ich möchte Herrn Prof. Dr. Renato Cristi danken, der mir bei einem Spaziergang durch die Straßen von Utrecht nahelegte, die Möglichkeit dieser Edition ins Auge zu fassen. Ich danke auch Herrn Prof. Dr. Reinhart Koselleck, der mir durch seine Empfehlung den Zugang zum Nachlass von Carl Schmitt erleichtert hat. Dem verstorbenen Prof. Dr. Josef Kaiser, der mir unbeschränkten Zugang zum Nachlass gewährte, wo ich die unveröffentlichten Dokumente mit Unterstützung von Dr. Weber einsehen konnte, gilt auch mein herzlicher Dank sowie ganz besonders Prof. Dr. Rafael Alvira, dem ich so viele nützliche Anregungen und Verbesserungsvorschläge während der Ausarbeitung dieses Buches verdanke. Nicht zuletzt danke ich Prof. Dr. Kurt Spang für die Mühe und die Sorgfalt bei der Übersetzung dieses Buches. Ich danke auch der Familie Otero Schmitt für ihre Freundschaft und ihren Beistand bei dieser Publikation und dem Verleger Prof. Dr. Norbert Simon für sein Interesse. Für Älvaro d'Ors, dem ich diese Arbeit widme, finde ich keine Worte, die meinen Dank hinreichend ausdrücken könnten. Ich danke ihm für seine Großzügigkeit, die es möglich machte, mir sein Wissen ohne jegliche Gegenleistung zu eigen zu machen und für seine unablässige Verfügbarkeit, die sich in einen fast ununterbrochenen Dialog im Laufe der letzten Jahre verwandelt hat. Montserrat Herrero
Vorwort Vor einigen Jahren erfuhr ich durch Älvaro d'Ors, dass eine spanische Wissenschaftlerin an einer Dissertation über Carl Schmitt arbeitet. Seit langer Zeit hatte ich nichts von Arbeiten über meinen Großvater - so nennen wir ihn immer in der Familie - aus der Feder von spanischen Forschern gehört. Erst nach der Veröffentlichung gelangte die Dissertation von Montserrat Herrero in meine Hände. Jahre danach vereinbarten wir auf ihre Bitte hin ein Treffen im Hostal de los Reyes Catölicos am Obraidoiroplatz von Santiago de Compostela. Ihr Vorhaben, den Briefwechsel zu veröffentlichen, der jetzt fertig gestellt ist, schien mir von Anfang an interessant. Merkwürdigerweise erschien diese Professorin in meinen Augen unserer Familie nicht fremd, denn sie kam auf Empfehlung von Don Älvaro zu uns und erzählte Dinge von unserem Großvater, die wir selbst nicht kannten; wenn auch ihr Interesse an dieser Arbeit strikt theoretisch und nur forschungsbedingt biographisch war. Von Anfang an ahnte ich, dass dieser Briefwechsel dem deutschen Publikum die Figur „Carl Schmitt in Spanien" in ihrer wahren Dimension zeigen würde, d.h. im Dialog mit der Person, die er in Spanien am meisten schätzte und mit der am meisten Umgang pflegte. In der Tat bleiben in meiner Erinnerung die zahllosen Zusammenkünfte im Haus meiner Eltern in Santiago: Versammlungen, an denen so viele Professoren der Juristischen Fakultät teilnahmen, unter anderen Barcia Trelles, Legaz Lacambra, Gonzalez Casanova, Poch, Rodriguez Mourullo und Don Älvaro. Alle Zusammenkünfte sind im Speisekarten-Tagebuch meiner Mutter festgehalten und kommentiert - eine Gewohnheit, die sie von der Großmutter Schmitt übernommen hatte. Die Ankunft des Großvaters in Santiago, praktisch jedes Jahr zwischen 1959 und 1979, löste die Zusammenkunft und den Dialog aus. Unser Haus stand für die Professoren der Universität von Santiago ständig offen; wenn er da war, nahm er immer an diesen Versammlungen teil und verwandelte sich alsbald in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Unterhaltung mit seinen originellen, immer interessanten Ansichten und dieser Leutseligkeit, die er meiner Mutter vererbt hatte.
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Vorwort
Auch für die Enkel war es stets interessant, bei ihrem Großvater sein zu können: Der Eindruck, den man beim Spazierengehen und in der Unterhaltung von ihm gewann, war, dass er alles wusste. Unter allen Professoren war Don Älvaro ohne Zweifel derjenige, der der Familie am nächsten stand. Meine Eltern haben sich durch ihn kennen gelernt und bis zu dem Zeitpunkt, als er von Santiago fortzog, war er immer vertraut mit allen Familienereignissen. Er ist mein Taufpate und ich bewahre ihn in herzlicher Erinnerung. Außerdem bemerkte man bei den lebhaften Gesprächen die intellektuelle Affinität zwischen ihm und meinem Großvater. In dem erwähnten Tagebuch findet man häufig Bemerkungen meiner Mutter wie: „Das Treffen war sehr lebhaft, Papa und Don Älvaro sprachen während einer Stunde über politische Theologie". Zweifelsohne zog Spanien den Großvater an. Nicht nur weil wir hier wohnten, sondern auch wegen seiner Geschichte und seiner Wesensart. Wie er selbst in einem Brief sagt, fühlte er eine „existentielle Verbundenheit" mit diesem Land. Man kann wohl behaupten, dass die „spanische Existenz" von Carl Schmitt aus vielen Gründen ein wichtiger Teil seines Lebens war. Er fand in unserem Land viel geistigen Trost und viel Verständnis in der letzten Etappe seines Lebens, zugleich auch intellektuelle Denkanstöße. Die Korrespondenz, die jetzt publiziert wird und deren Inhalt hauptsächlich wissenschaftlicher Natur ist, zeigt, dass Carl Schmitt wirklich ein „intellektueller Abenteurer" war, wie Ernst Jünger ihn zu nennen pflegte. Das Leben hatte für ihn keinen Sinn ohne „das Verstehen": er hörte nie auf zu denken, zu lesen, zu schreiben und Zwiegespräch zu halten. Ich freue mich, dass diese Seiten an das Licht der Öffentlichkeit gelangen, dazu noch im Verlag Duncker & Humblot: seinem Verlag. Sie werden sicherlich dazu beitragen, die wahrhafte Persönlichkeit dessen darzustellen, von dem man trotz der Familienbande, die mich an ihn binden und die ich jedem anderen Gesichtspunkt voranstelle, sagen kann, dass er einer der großen Denker des 20. Jahrhunderts ist. Santiago de Compostela, im März 2002 Dusanka Otero Schmitt
Inhalt Álvaro d'Ors und Carl Schmitt: Eine Einleitung Von Montserrat Herrero Die Briefe
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Anhang: „Carl Schmitt in Compostela" von Álvaro d'Ors Mit einer Nachbemerkung von Günter Maschke
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Literaturverzeichnis
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Personenregister
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Älvaro d'Ors und Carl Schmitt Eine Einleitung Von Montserrat Herrero I. Kleine Geschichte einer Freundschaft Die erste Kunde, die Älvaro d'Ors vom Namen und der Person Carl Schmitts erhielt, stammte von seinem Vater, Eugenio d'Ors, in dessen Glosario Rang und Originalität der Denkweise des deutschen Juristen hervorgehoben werden und der ihn auch persönlich kannte. Wie Älvaro d'Ors berichtet1, erhielt er auf diesem Weg das Buch Carl Schmitts Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, das, wie er eingesteht, für sein zukünftiges antiliberales Denken maßgeblich war. Die persönliche Begegnung ereignete sich 1944 (vgl. Br. v. 17.12.1948). Zu Beginn dieses Jahres war der junge Professor d'Ors Ordinarius an der Universität von Granada geworden, an die Carl Schmitt zu einem Vortrag über „Vitoria und sein Ruhm" eingeladen worden war. Älvaro d'Ors begleitete ihn bei dieser Gelegenheit. Diese Tage in Granada waren der Beginn einer tiefen Freundschaft und eines fruchtbaren Gedankenaustausches zwischen beiden. Auf diese Begegnung folgten zahlreiche andere, die meisten von ihnen in Santiago. Das ist einerseits darauf zurückzuführen, dass d'Ors im September 1944 nach Santiago berufen wurde, um dort einen Lehrauftrag für Römisches Recht wahrzunehmen, andererseits darauf, dass die einzige Tochter Schmitts einige Jahre später, 1959, den Ordinarius für Rechtsgeschichte in Santiago, Alfonso Otero, heiratete. Die Tatsache, dass dort seine einzige Tochter Anima wohnte, war der Grund, warum er lange Zeiträume in Santiago verbrachte, sodass das Gespräch zwischen beiden Juristen nicht abriss. Wie auch immer, sie ließen keine Gelegenheit verstreichen, sich entweder in Santiago oder in Deutschland zu sehen. Gerade bei einem dieser Treffen, und zwar in Heidelberg (vgl. Br. v. 2.9.56 und Br. v. 6.9.56), lernte Anima den Mann kennen, der später ihr Ehemann werden würde. Älvaro d'Ors stellte sie einander vor und war danach Pate ihrer Tochter Dusanka, der er eines seiner Catalipömenos widmet. 1 In seinen noch unveröffentlichten Catalipömenos metaescoldsticos. nach dem Manuskript.
Wir zitieren
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Nach seiner Übersiedlung an die Universität von Navarra im Jahre 1961 lud d'Ors Carl Schmitt am 15. März 1962 zu einem Vortrag mit dem Titel „Moderne Theorien über den Partisanen" ein. Er hielt diesen Vortrag ebenso in Zaragoza, wo er auch veröffentlicht wurde (vgl. Br. v. 14.1.62, 23.1.62 und 13.4.62). Nicht nur die Treffen waren ein Anlass zum Gedankenaustausch, sondern auch der Briefwechsel, den wir jetzt herausgeben und der den Zeitraum von 1948 bis kurz vor dem Tod Carl Schmitts umfasst; wenngleich in den letzten Jahren fast ausschließlich Älvaro d'Ors schrieb, weil Schmitt kaum noch dazu imstande war, wie aus dem letzten Brief Schmitts vom 23.5.1978 an d'Ors und der Postkarte vom 12.7.1983 hervorgeht, die letzten Schreiben, mit denen sich Schmitt an den spanischen Freund wandte. Sie wurden teilweise von seiner Tochter Anima bzw. seiner Enkelin Dusanka geschrieben. Im Laufe des Briefwechsels wird offenbar, wie sehr die theoretischen und praktischen Interessen beider Juristen miteinander verbunden waren und auch die verschiedenen Denkansätze und die Reichweite der Reaktionen. Schon sehr früh entdeckten beide ihre gegenseitige Bewunderung. Bereits im Brief vom 30.12.1948 teilt Schmitt d'Ors mit, dass er ihn in seinem Vortrag über „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft" zitiert habe und zwar aus seinen Presupuestos criticos para el estudio del Derecho 2, die einzige Publikation von d'Ors, die Schmitt zu diesem Zeitpunkt kannte. Wie Älvaro d'Ors selbst anerkennt 3, war Carl Schmitt für ihn ein großer Meister, wenngleich d'Ors im eigentlichen Sinne nicht sein Schüler war, man kann ihn auch nicht als einen neuen Verbreiter seiner Thesen betrachten, denn d'Ors besitzt einen eigenen Denkansatz, der verschiedene, von Schmitt nicht behandelte Bereiche umfasst, ganz abgesehen von den Divergenzen in gemeinsamen Themen. Er war eher ein ständiger Bezugspunkt, jemand, den er verstehen und mit dem er Zwiesprache halten konnte, mit dem ihn viele Affinitäten verbanden, mit dem er Fragen und Antworten zu Ende denken konnte. Meines Erachtens war es die Möglichkeit des gegenseitigen Verstehens und des wahrhaften Dialogs, trotz der Divergenzen in einigen Fragestellungen, die nicht den geringsten Schatten auf diese Dialoge warfen, die die gegenseitige Hochachtung begründete. Dazu sollte man die ehrfurchtsvolle 2 Sie enthalten die Memoria de oposiciones a cätedra de Derecho Romano [eine Art Habilitationsschrift; A.d.Ü.] vom Dezember 1943. 3 AO anerkennt diesen Einfluss an vielen Stellen; so im Vorwort seines Buches De la Guerra y de la Paz; in der „Retrospectiva de un Jurista" und noch später in seiner Schrift „ E l ,Glossarium' de Carl Schmitt".
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Haltung von d'Ors gegenüber Schmitt hervorheben, eine natürliche und verbindende Ehrfurcht, die auch durch den Altersunterschied bedingt war. Durch den Briefwechsel wird offenbar, dass die Hochachtung des deutschen Juristen für unseren Romanisten nicht geringer war (vgl. Br. v. 30.12.48; 10.1.49 und 20.6.55). Ein klarer Beweis der Anerkennung d'Ors' für den Juristen aus Plettenberg ist die Widmung seines Buches De la guerra y de la Paz von 1954, die folgendermaßen lautet: Carolo Schmitt clarissimo viro gratus solvit amicus. Wie d'Ors selbst im Vorwort sagt, sind alle dort erscheinenden Schriften miteinander verbunden durch die gleiche Inspiration, die sie Schmitt verdanken. Einen hervorragenden Platz unter den dort zusammengestellten Schriften, die in verschiedenen Jahren veröffentlicht worden waren, nimmt „Carl Schmitt in Compostela" ein 4 . Compostela war für beide Juristen mehr als ein bloßer geographischer Ort; die Stadt bildete den Kontext ihres Dialogs, sie war auch das Symbol einer geistigen und geistlichen Ortung. Das Werk und das Gedankengut dieser beiden hervorragenden Persönlichkeiten der zeitgenössischen Geisteswelt können nicht in genauen Grenzen des Wissensbereichs, dem sich beide hauptsächlich widmeten, verglichen und in Beziehung gebracht werden, denn sie waren verschieden: Schmitt widmete sich hauptsächlich dem Öffentlichen Recht, d'Ors dem Römischen Recht. Es gibt jedoch gemeinsame Themen allein schon durch die Tatsache, dass beide sich anschickten, das Recht und die Politik radikal zu durchdenken. Man kann also sagen, dass hauptsächlich die politische Philosophie der Begegnungsort war, an dem beide Denker sich trafen. Die Tatsache, dass man bei beiden von politischer Philosophie reden kann, bedeutet, dass beide, unabhängig davon, dass sie einen gewissen Argwohn gegenüber der reinen Abstraktion empfanden und eine Vorliebe für das Konkrete besaßen, doch „einen metaphysischen Sitz in der Welt" hatten 5 . F. D. Wilhelmsen hatte dies im Falle von Älvaro d'Ors behauptet, ich möchte es jedoch auch für den deutschen Juristen gelten lassen. Der Briefwechsel führt uns durch einen Dialog zu grundlegenden Aspekten des Denkens beider Autoren. Um den Dialog richtig zu verstehen, ist eine Orientierung in der Begriffswelt beider Juristen vonnöten. In den nun folgenden Zeilen werden wir die gemeinsamen Interessengebiete und Divergenzen zu thematisieren versuchen, die in diesem fruchtbaren Dialog zutage treten.
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Aus diesem Grunde erscheint der Aufsatz als Anhang im vorliegenden Buch. Wilhelmsen, „La filosofia politica de Älvaro d'Ors", S. 464.
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I I . Die Nomik D'Ors sagt, wenn er die „Syntaxis" seinem Vater verdankt, dann verdankt er Schmitt die „Nomik" oder die Wissenschaft vom „Nomos" 6 . Damit zeigt d'Ors, dass er das ursprüngliche Wesen des Schmittschen Denkens sehr wohl begriffen hat, denn wie wir bereits zu zeigen versuchten 7, geht seine gesamte politische Denkweise vom Begriff des Nomos der Erde aus: die ursprüngliche Landnahme durch die Völker 8 . Die Landnahme ist ein historisches Ereignis, das eine transzendentale menschliche Disposition voraussetzt, die die praktische Entfaltung des Lebens der menschlichen Gemeinschaften auslöst. Daher beziehen sich für Schmitt der Besitz, die Wirtschaft, das Völker- und das politische Recht irgendwie immer auf die grundlegende Konstitution dieses ursprünglichen Aktes. Meines Erachtens ist dies nicht einfach ein Anfang, sondern ein Prinzip, wenngleich dieser Punkt im Werk Schmitts nicht explizit behandelt wird. Sehr früh übernimmt d'Ors die Anregungen aus Der Nomos der Erde, besonders in seinem Begriff des etymos nomos9. Für den Romanisten bezieht sich dieser Begriff unmittelbar auf das Wesen und den Ursprung der Institutionen. „Es gibt gewisse Konstanten oder Prinzipien, denen angeblich die »Institutionen4 notwendigerweise unterworfen sind, obwohl die historische Erfahrung eventuelle Abweichungen und eine Art Verletzung dieser Notwendigkeit aufweisen kann" 1 0 .
So wie man in der Sprache die Etymologie, das etymos logos suchen muss, so muss man im juristischen und politischen Denken den ursprüng6
So ist eingraviert in einem Balken der Hausbar der Familie Otero-Schmitt; „Patri syntaxis debeo nomicen autem vestro". 7 Vgl. Herrero, El nomos y lo politico. Man könnte vielleicht behaupten, dass die Entdeckung dieses Begriffs die letzte ist, denn das Buch, das diesen Titel trägt, erschien 1950. Indessen können wir die Forschung in das Jahr 1934 zurückdatieren, wenn wir den Zusammenhang des genannten Begriffes mit dem des Raumes bedenken. Ich würde meinen, dass die Schrift, in der die Reflexion einsetzt, die kleine Note „Illyrien" ist. Das, was anfänglich nicht mehr als eine Intuition ist, festigt sich im Bereich der Rechtstheorie in der konkreten Ordnungstheorie in Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens; und im Bereich des Völkerrechts in dem großen Buch Der Nomos der Erde. 8 „Ich verstehe hier unter Nomos nicht so sehr eine Reihe von Regeln und internationalen Abkommen, sondern das grundlegende Verteilungsprinzip der Erdoberfläche. Die Struktur des Völkerrechts ruht auf gewissen Raum- und Maßvorstellungen, die den Boden betreffen und die Erdoberfläche." „Cambio de estructura en el Derecho Internacional", Ex Manuscripto. 9 AO, „Para una metahistoria juridica", S. 53. Dieser Ausdruck erscheint zum ersten Mal in Forma de Gobierno y Legitimidad Familiar, ein Vortrag aus dem Jahre 1959, der als solcher veröffentlicht wurde. 10 AO, „Para una metahistoria juridica", S. 56.
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liehen nomos jedweder Institution suchen, sagt d'Ors in Forma de Gobierno y Legitimidad Familiar. Auf diese Weise werden wir die Rechtfertigung und die Norm der Entwicklung dieser Institution finden. Er wendet diesen Gedanken auf seine Analyse der Institution des Eigentums in seiner Schrift „La funeiön de la propiedad en la historia del ordenamiento c i v i l " 1 1 an, wo er in der ursprünglichen Tatsache der „Landnahme" den Ursprung des Gegensatzes von öffentlich und privat sieht. Er formuliert das so: „Die gesamte juristische, soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung der Gegenüberstellung von öffentlich und privat geht von dieser fundamentalen Tatsache einer besonderen Zuschreibung eines Teils des Bodens aus: es ist das, was der Formulierung Carl Schmitts folgend, der Nomos der Erde genannt werden kann. Der Nomos der Erde ist der Titel eines seiner bedeutendsten Werke" 1 2 .
Dort benutzt d'Ors das Schmittsche Konzept, seinem eigenen Begriffsschema und nicht dem Carl Schmitts folgend, als etymos nomos einer Institution, nämlich des Privateigentums. D'Ors ist sich bewusst, dass die Einschätzung der Abhängigkeit vom Ursprung eine grundlegende Bedeutung in der gesamten historischen Forschung von Recht und Politik besitzt, bis hin zu der Tatsache, dass man historische Analogien nur von Institutionen erstellen kann, die einen ähnlichen Ursprung besitzen. Das heißt, dass es zur Erstellung einer Analogie vorgängig der Betrachtung der homogenen Genealogie, die er Homoclisis nennt, bedarf 13 . Das d'Orssche Konzept in seiner ersten Formulierung, die er in Forma de Gobierno y Legitimidad Familiar anführt, bezieht sich jedoch nicht auf die Abhängigkeit vom Ursprung in einem historischen Sinn, sondern eher in einem gestalterischen Sinn, der eine ursprüngliche Ordnungsdisposition besitzen könnte. In der Revision des Begriffs, der in „Para una Metahistoria Juridica" erscheint, wird die Etymonomie auf das gesamte Gebiet des Juristischen ausgedehnt und wird unabhängiger von ihrem historischen Ursprung, was dann auch eine Erweiterung beinhaltet, begnügt er sich doch nicht damit, eine Erklärung des Nachfolgenden durch den Ursprung der Bezeichnungen zu liefern, was dem Schmittschen Ansatz des nomos als Schlüssel zur Erklärung der juristisch-politischen Entwicklungen nahekommen würde. „Vielmehr versucht [die Etymonomie] gewisse institutionelle, archetypische Modelle in der Natur der Sache selbst aufzuzeigen: notwendige Prinzipien jenseits des konkreten Ursprungs der Termini zu finden" 1 4 .
11 Ursprünglich war es ein Vortrag, den er in der Universität von La Coruna am 21. März 1988 gehalten hatte. 12 AO, Parerga Historica, S. 337. 13 AO, Parerga Historica, S. 106. 2 Herrero
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Es scheint, dass d'Ors einen Schritt weiter geht als Schmitt, denn er beschränkt sich nicht darauf, den Zusammenhang und die Kohärenz zwischen den soziokulturellen, juristischen und politischen Formen und den ursprünglichen Phänomenen des menschlichen Lebens darzulegen, ohne die dies nicht möglich wäre - nehmen, teilen, weiden würde Schmitt sagen - , sondern er fügt hinzu, dass dieser Zusammenhang eine notwendige Daseinsberechtigung in der Natur der Dinge selbst besitzt: es ist ein realer, aber metahistorischer Grund. In diesem Punkt hat d'Ors die Zeit, den Anfang, zugunsten der Prinzipien, des Prinzips, überwunden. Erst vor sehr kurzer Zeit, in La posesiön del espacio, antwortete Älvaro d'Ors ausdrücklich auf eine andere implizite Anregung in Der Nomos der Erde, nämlich auf die juristischen Konsequenzen der ursprünglichen Beziehungen, die der Mensch mit seinem „Habitat" besitzt und die er Geonomik nennt, insbesondere bezüglich der Verteilung der dem Menschen zugänglichen Raumparzellen, die er Geodieretik nennt und als Überwindung der Geopolitik ansieht. D'Ors schließt die Anregung neuerlich in seine Begriffsbildung ein und es entsteht eine andersgeartete Frucht als die des Samens (vgl. Br. v. 17. 2. 49). Für d'Ors ist das Recht keine geonomische Wissenschaft, weil sie sich nicht auf soziale Tatsachen bezieht {facta), sondern auf Texte der Jurisprudenz (dicta). Die Schmittsche Landnahme wäre von diesem Gesichtspunkt aus eine politische Tatsache und keine juristische, wenngleich die Artikulierung der Vorzüge, die sich bezüglich der Raumaufteilung aus ihr ableiten, in der Tat juristisch sind, und zwar in dem Maße, in dem die Richter sie gemäß der Gesetze und Dokumente gutheißen. Für Schmitt scheint jedoch in Der Nomos der Erde der Akt der Landnahme selbst, ein Recht zu setzen. Bevor ein Richter existiert, existiert die juristische Substanz und diese wird durch den Begriff Nomos ausgedrückt. Das meint er, wenn er Nomos sagt: das Recht besteht vor dem Gesetz 15 . Es gibt also zwischen beiden Autoren unterschiedliche Konzeptionen des Rechtes selbst und logischerweise Unterschiede in der nachfolgenden Reflexion. Älvaro d'Ors entwickelt sich auf das Zivilrecht hin, indem er das Prinzip der Subsidiarität ins Spiel bringt, Carl Schmitt in Richtung auf das Völkerrecht, indem er zahlreiche Beziehungen zu politischen Problemstellungen ins Auge fasst. Folglich ist das, was d'Ors einfach Urteil nennt, bei Schmitt eine politische Entscheidung. Daher die Kritik von d'Ors an Schmitt wegen seiner Juridifizierung des Politischen 16 . Das heißt seiner Meinung nach, dass
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AO, Parerga Historica, S. 59. Vgl. CS, „Nehmen, Teilen, Weiden" und Ders., Glossarium, S. 46. Vgl. AO, De la Guerra y de la Paz, S. 182.
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Schmitt das, was zum Bereich des Juristischen gehört, in den Bereich des Politischen verlagert. Von der Nomik her kann man noch eine für beide Juristen relevante Frage beleuchten, nämlich die Frage des Großraums, die bereits eine politische Frage ist, d.h. die Frage, wie die Raumeinheit als eine politische Einheit der ganzen Welt gestaltet werden kann.
I I I . Die Einheit der Welt Im Sommer 1951 hielt Schmitt in Murcia und Madrid einen Vortrag mit dem Titel „La unidad del mundo" [Die Einheit der Welt] der in den Anales de la Universidad de Murcia im akademischen Jahr 1950-1951 veröffentlicht wurde und später als Vortrag des Ateneo von Madrid im Jahre 1951 (vgl. Br. v. 2.8.1951 und 13.9.1951). Jahre zuvor, 1947, hatte d'Ors einen Artikel unter dem Titel „Ordo Orbis" (vgl. Br. v. 10.1.1949) in der Revista de Estudios Politicos veröffentlicht, in dem er bereits zwei Schriften des deutschen Autors zitierte: Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff und Cambio de estructura del derecho internacional [Strukturwandel des Internationales Rechts], ein Vortrag, den Schmitt 1943 im Institut für Politische Studien gehalten hatte. Man kann sich vorstellen, dass Schmitts Vortrag von Murcia für d'Ors wie ein Echo seiner eigenen Gedanken geklungen haben mag. Man kann sagen, dass auch in Bezug auf dieses Thema, das Gegenstand der Korrespondenz in verschiedenen Aspekten gewesen ist, ein gegenseitiger Einfluss beider Juristen stattgefunden hat, denn einerseits war die Beeinflussung von d'Ors in einem Schmittschen Kontext situiert, andererseits kannte Schmitt die d'Orssche Schrift Ordo Orbis sehr gut, deren Erhalt er im Brief vom 10.1.1949 bestätigt. Man kann das Thema auf keinen Fall auf die zwei Behandlungen in den beiden Referaten beschränken; m.E. muss der Schmittsche Vortrag in Murcia mit zwei späteren Artikeln in Verbindung gebracht werden, nämlich: Die geschichtliche Struktur des heutigen Weltgegensatzes von Ost und West und El orden del mundo despues de la Segunda Guerra Mundial [Die Ordnung der Welt nach dem zweiten Weltkrieg]. Im Falle von d'Ors wurde Ordo Orbis von La posesiön del espacio übertroffen, ein Buch, das er selbst als von Schmitt inspiriert betrachtet und das die Theorie des Nomos in die Problematik der Weltordnung einbringt. Die in dieser Gruppe von Schriften abgehandelte Fragestellung ist die Bedingung der Möglichkeit der Einheit der menschlichen Macht, d.h. die Möglichkeit einer „zentralisierten/gut funktionierenden Organisation". An einem Extrem sieht Schmitt den großen Leviathan, der durch die Technik 2*
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ermöglicht wird; d.h. er denkt an die Möglichkeiten, die sich einer Einheit der gesamten Welt in staatlichen Begriffen auftut, d.h. in einem weltweiten Superstaat. In dem Augenblick, in dem er dieses Bändchen, La unidad del mundo, schrieb, schien es, dass diese unabdingbare Tendenz nicht nur von der Macht der Technik potenziert wurde, sondern auch von einer Geschichtsphilosophie, die letztlich auf Hegel zurückging und die bis heute nicht überwunden wurde. Sowohl die vorherrschende marxistische Geschichtsphilosophie als auch die progressistische Geschichtsphilosophie, die in ihren letzten Versionen vom Positivismus Comtes geprägt war, sahen die Aufgipfelung der Geschichte in einer unpolitischen Einheit (vgl. Br. v. Gründonnerstag 1950). Nach Schmitts Auffassung ist diese Einheit nicht erstrebenswert, denn der technische und moralische Fortschritt gehen nicht Hand in Hand. Die Menschheit ist moralisch nicht dazu vorbereitet, unter einem einzigen Machtzentrum zu leben. Gegenüber diesem Modell eines weltweiten Superstaates, der damals bereits als eine Möglichkeit angesehen wurde, schlug Schmitt einerseits vor, die philosophische Interpretation der Geschichte durch eine Geschichtstheologie zu überwinden; andererseits sollte die politische Raumkonzeption des modernen Staates durch eine Ordnung der Großräume überwunden werden. Ich möchte im Folgenden diese beiden Aspekte analysieren, den zeitlichen und räumlichen Aspekt der Einheit der Welt. Aus einem zeitlichen Blickwinkel gesehen liegt die Einheit der Menschheitsgeschichte jenseits der historischen Zeit. Diese Einheit kann nichts Anderes sein als der Sinn, der imstande ist, jedes Ereignis in eine Einheit einzubringen. Dieser Sinn ist nur in einer definitiven Weise vom Ende der Geschichte her begreifbar. Nur wenn es einen Anfang und ein Ende der geschichtlichen Zeit gibt, können wir die Geschichte als Ganzheit, als Einheit behandeln. In dem Schmittschen Ansatz ist der Zugriff auf den Sinn nur möglich für ein „historisches Denken", das zugleich „diesseitiger" und „jenseitiger" ist, d.h. es muss imstande sein, die einzigartigen und unwiederholbaren Situationen zu begreifen, das, was nur einmal geschieht und zu wissen, was an ihnen ewig ist. Schmitt findet diesen Interpretationsschlüssel in einer christlichen Auffassung der Geschichte. In ihr erfährt jedes persönliche und geschichtliche Ereignis einen definitiven Sinn in der Bezugnahme auf die zentralen Ereignisse der christlichen Geschichte: Der Sieg über die Mächte des Bösen durch die Menschwerdung Christi. Die Beziehung, die aufgestellt wird, ist nicht die
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zwischen heute und morgen, nicht die zeitliche, sondern - qualitativ - zwischen der jenseitigen Zeit und der Jetztzeit 17 . Es scheint, dass der Motor und der Sinn der Geschichte teilweise außerhalb ihrer selbst liegen. Die eschatologische Macht ist der wahre Rektor der Geschichte, sagt Schmitt. Die Verbindung zwischen dem „Schon" und dem „Noch nicht" zieht in präziserer Form in die Schmittsche politische Philosophie mit dem Begriff des Katechon ein. Er nimmt den rätselhaften Begriff 1 8 aus einer Passage des 2. Brief an die Thessaloniker des Apostels Paulus, Kap. 2. Dort erzählt Paulus, dass vor der Ankunft des Weltendes der Gegner kommen muss, der Gott von seinem Thron stürzen will. In Wirklichkeit, sagt der Apostel, ist das Geheimnis des Bösen wirksam, es fehlt nur, dass derjenige, der es jetzt noch aufhält, entfernt wird. Diese Kraft, die aufhält, spielt die entscheidende Rolle, indem sie den Geist des Bösen zurückdrängt. Als Funktion des Katechon bleibt die Politik in einen theologischen und ethischen Horizont eingefügt. Verlieren wir jedoch nicht aus dem Blick, dass es sich um ein historisches Konzept handelt und dass es daher besonders bedeutsam für das anti-universalistische Denken Schmitts ist. Es setzt eine letzliche Dualität der Mächte in der historischen Zeit voraus, angesichts derer alle späteren Trennungen interpretiert werden müssen, nämlich: die Trennung zwischen Christus und Satan, zwischen der Macht des Bösen und der Macht des Guten. Durch diesen Begriff öffnet Schmitt das Tor zu allen historischen Unterscheidungen, die die Voraussetzung jeglicher politischer Ordnung darstellen. Die geschichtliche Legitimität der politischen Macht ist theologisch, weil sie sich darin äußert, dass sie imstande ist, die Macht des Bösen in einem bestimmten historischen Augenblick aufzuhalten. Daher muss von der theologischen Interpretation der Geschichte her die Frage nach der möglichen Einheit der Welt damit beantwortet werden, dass diese bis zum Ende der Zeiten nicht möglich sein wird, bis Christus endgültig den Antichristen besiegt hat. Unterdessen wird die wesentliche Unterscheidung in vielfältigen und vielgestaltigen historischen Unterscheidungen aufscheinen und demzufolge wird es keinen Platz für ein einziges Machtzentrum geben, von dem die Ordnung der Welt ausgehen kann. Bemühungen um die Einheit der Welt hat es im Verlauf der Menschheitsgeschichte viele gegeben. Sowohl Schmitt 1 9 als auch d'Ors 2 0 betrachten das römische Reich als eine Gestaltung dieser Einheit. Indessen war, wie d'Ors anmerkt, dieses Reich nicht universal, sondern ein Reich von romanisierten 17 18 19 20
Vgl. Spaemann, „Theologie, Prophetie, Politik", S. 57-76. Vgl. CS, „Drei Stufen historischer Sinngebung", S. 927-931. CS, „Drei Stufen historischer Sinngebung", S. 929-930. Vgl. AO, „Ordo Orbis", S. 91-118.
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Menschen gegenüber einer wilden Welt. Auch das mittelalterliche christliche Reich besaß Unterscheidungen, trotz seiner universellen Bestrebungen, und diese wurden getroffen nach Maßgabe der Treue oder Untreue Christus gegenüber, wie es in aller Deutlichkeit in De Civitate Dei von Augustinus nachzulesen ist. Mit der Neutralisierung, die die staatliche Organisation und die Einführung des vitorianischen Völkerrechts aus Anlass der Entdeckung Amerikas mit sich brachte, glaubte man, dass der Unterschied nun überwunden wäre. Es schien, als würde das Bindeglied zwischen der universellen Gesellschaft aller Menschen, unabhängig von allen religiösen, kulturellen und rassistischen Betrachtungen, verwurzelt nur in der Rationalität des Naturrechts, das tatsächlich universell ist und endlich jegliche Art von Diskrimination 21 ausräumt. Die neue Ordnung erzeugte jedoch neue Diskriminierungen, die bereits nichts mehr mit den Grenzen zu tun hatten, die aber politisch wirksam blieben und die bis heute ein Hemmschuh für die politische Einheit der Welt bilden. Die diskriminatorischen Unterscheidungen, die die alten ersetzt haben, kamen in immer neuen Folgen: angefangen mit den zivilisierten und nicht zivilisierten Völkern bis zu der in unserer Zeit vielleicht relevantesten Unterscheidung zwischen demokratischen und antidemokratischen Ländern, und auch der, die Schmitt in seinem Vortrag von 1962 vorschlug, zwischen entwickelten und unterentwickelten 22 Ländern, die seines Erachtens die Weltordnung nach dem zweiten Weltkrieg definiert. Offenbar braucht die juristische Ordnung Unterscheidungen: „Das Wesen der großen historischen Gemeinschaften mit universellen Bestrebungen macht" nach d'Ors „ [ . . . ] eine Grenzsetzung notwendig, eine Ausgrenzung des Exotischen, entweder als barbarisch, untreu, unzivilisiert, bürgerlich oder antidemokratisch. Daher ist ein wirklich universeller Staat ein Widerspruch in sich selbst, denn er verhindert durch seine Universalität die ausgrenzende Diskrimination, die er benötigt. [...] Man braucht daher weder zu fürchten noch zu hoffen, dass irgendeine Macht der Welt sich zum Herren der Erde aufrichtet" 23 .
Der nordamerikanische Imperialismus ist die vorerst letzte Utopie, die die politische Geschichte erlebt und er birgt - nach allem bisher Gesagten - notwendigerweise das Streben nach Beseitigung aller Diskrimination in sich, um so die Einheit der Welt zu verwirklichen. Das kann er jedoch nur von der Diskrimination selbst her unternehmen, denn auch er existiert in dieser konkreten historischen Welt. So erklärt Schmitt diesen subtilen historischen Prozess in seinem Vortrag vom Mai 1943 mit dem Titel „Cambio
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Für d'Ors ist dieser Terminus nicht pejorativ, sondern wird gemäß der Wurzel ,icrimine' im Sinne von Urteil, Unterschied, qualitative Unterscheidung gebraucht. 22 CS, „El orden del mundo", S. 21. 23 AO, „Ordo Orbis", S. 57.
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de estructura en el Derecho International" [„Strukturwandel des internationalen Rechts"]: „Das amerikanische Vorhaben, eine neue, nicht korrupte Welt darzustellen, war für die anderen erträglich, während es mit einer bewussten Absonderung einherging. Eine globale Linie, die die Welt nach Maßgabe des Guten und Bösen in zwei Hälften teilt, ist eine moralische Bewertungsgrenze nach einem Mehr und einem Weniger. Wenn sie nicht strikt auf die Defensive und die Selbstabsonderung hinarbeitet, stellt sie eine permanente politische Herausforderung für den anderen Teil des Planeten dar. [...] Die Linie der Selbstabsonderung verwandelt sich genau in ihr Gegenteil, wenn sie als eine Linie der Disqualifizierung und Diskriminierung des Restes der Welt begriffen wird. Weil nämlich die internationale Neutralität, die dieser Linie der Selbstabsonderung entspricht, wegen ihrer Voraussetzungungen und Grundlagen ein absolutes Prinzip [...] ist. Die defensive Haltung, die der Selbstabsonderung entspricht, verwandelt sich, indem sie ihre inneren Widersprüche offenbart, in einen extremen, zum Unendlichen neigenden Pan-Interventionismus ohne räumliche Begrenzung. [...] Wenn die Selbstabsonderung gegenüber der restlichen Welt sich in eine Diskriminierung dieser Welt verwandelt, dann wird der Krieg zur primitiven Sühnehandlung, die den Gegner als Kriminellen diskriminiert" 2 4 .
Das mutet wie eine historische Vorwegnahme des eschatologischen Endes an. Und jeglicher Versuch, die aktuelle Einheit der Welt zustande zu bringen, kann letztendlich auch nicht anders verlaufen. (Vgl. Br. v. 13.9.1951). Sowohl d'Ors als auch Schmitt schließen diese Einheit aus. Die Argumentation Schmitts gründet auf der Ablehnung eines Totalitarismus der Macht, auf der Sehnsucht nach einer auf klaren und genau begrenzten juristischen Unterscheidungen beruhenden Ordnung und auf der Ablehnung der progressistischen Geschichtsphilosophie. Diese letztere ist der Hauptgrund, den er in „Die Einheit der Welt" anführt, indem er Goethe zitiert: „Nichts zerstört den Menschen so wie eine Vermehrung seiner Macht, die nicht mit einer Vermehrung seiner Güte verbunden ist" 2 5 . Der Einwand von d'Ors aus dem Jahre 1947 argumentiert in zwei sich ergänzende Richtungen: einerseits, wie wir bereits sahen, ist eine juristische Ordnung ohne Diskriminierung nicht möglich; andererseits, und dieser zweite Einwand ist hauptsächlich gegen Vitoria gerichtet, können wir nur von einer politischen Ordnung reden, wenn aus ihr eine auctoritas hervorgeht. Und dies ist seiner Meinung nach nicht der Fall bei einer universellen Gemeinschaft, weder in der vitorianischen, noch in der amerikanisch-imperialistischen, die, weil sie keine einheitliche politische Struktur besitzen, jener auctoritas entbehren, und da diese nicht existiert, kann die universelle Ordnung nicht aus einer universellen Gemeinschaft hervorgehen, sondern aus einer anderen Einrichtung, die auctoritas besitzt. 24 25
Ex manuscripto. CS, „Die Einheit der Welt", S. 503.
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Die Diskriminierung scheint in beiden Fällen notwendig zu sein, jede ursprüngliche Diskriminierung schlägt sich jedoch in der Raumordnung nieder. Wie Schmitt in seinem Vortrag vom Mai 1943 zu Recht behauptet, und das impliziert Diskriminierung, auch sind die Beurteilungskriterien, Kriterien der Raumaufteilung. Schmitt weist in seinen Überlegungen zu diesem Punkt auf ein entscheidendes Thema der Metaphysik der Macht hin: es gibt eine notwendige Entsprechung zwischen der Macht und dem Ort oder dem Raum, an dem diese Macht ausgeübt wird. Ebenso wie für beide Denker ein absolutes Maß der Zeit notwendig ist, von dem aus die gesamte Geschichte begriffen werden kann, so muss auch ein Raummaß gefunden werden, anhand dessen die Ordnung der Welt begriffen werden kann. Die Idee des Maßes und der Grenze ist sowohl bei Schmitt als auch bei d'Ors von zentraler Bedeutung für das politische Denken. Die Fragestellung, mit der wir uns beschäftigen müssen, ist folgende: auf welche Weise kann man die Einheit des Raumes als politische Einheit der ganzen Welt gestalten? Es handelt sich jetzt darum, die Möglichkeit der Einheit der Welt von der „Nomik" her zu denken. Die politische Antwort, die sowohl Schmitt als auch d'Ors auf diese Frage geben, ist, so eine Paraphrase des ersteren, dass wir heute planetarisch und in Großräumen denken 2 6 . Der Großraum ist das politische Maß einer planetarischen Weltordnung. In dieser Antwort erscheinen zwei Begriffe, Nomos und Großraum, die meiner Meinung nach eng zusammengehören. Unter allen Begriffen, die wir dem Juristen aus Plettenberg verdanken, ist m.E. „der Nomos der Erde" der relevanteste Leitbegriff zum Verständnis seines Denkens. Der Nomos der Erde ist eine ursprüngliche Beziehung des Menschen zu den Elementen Erde, Meer und Luft. Diese Elemente sind das der menschlichen Erfahrung Gegebene; der Raum entsteht in ihrem Zusammenwirken. Für d'Ors hingegen ist der Raum „die Gesamtheit des Bereichs des sinnlich Wahrnehmbaren". Alles das, was unsere Sinne wahrnehmen, siedelt sich im Raum sowie in einer begrenzten Zeit an. Es ist keine Summe von Orten - „topoi" - , sondern der totale und einzige Raum" 2 7 . Während d'Ors die Welt im Raum sieht, erblickt Schmitt den Raum in der Welt 2 8 . Das bewirkt, dass der Zusammenhang zwischen Raum und 26 27 28
231.
Vgl. CS, Völkerrechtliche Großraumordnung. AO, La posesiön del espacio, S. 13. So beurteilt es auch d'Ors in „Das ,Glossarium' vom Carl Schmitt", S. 230-
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Macht bei beiden entgegengesetzt ist: für d'Ors ist der Raum das Maß der eigenen Ohnmacht, während er für Schmitt die Reichweite der Macht selbst darstellt. Konsequenterweise gehen beider Auffassungen bezüglich der Beschreibung des „Großraums" in vielen Nuancen auseinander. Für d'Ors ist die Frage der Verteilung des Erd-, See- und Weltraums eine bloß juristische Frage. Aus der Besitznahme der Erde seitens des Menschen ist nicht die Figur eines Herrschers abzuleiten, sondern die eines verantwortlichen Verwalters. Für die Legitimierung dieser Verwaltung greift er nicht auf politisch-kulturelle Argumente zurück, sondern auf personal-institutionelle: secundum propriam virtutem, d.h. aufgrund seiner natürlichen Bedürfnisse und seiner persönlichen Fähigkeiten 29 . Er entfernt sich damit definitiv von der Problemstellung der Geopolitik, die sich das Studium der Beziehung zwischen Mensch und Raum zur Aufgabe setzt und damit die kontinuierliche Ausdehnung der Staaten bis zur Erreichung der Einheit im Grenzfall. Ein Beispiel hierfür ist die Schaffung des Begriffs des Lebensraums. Im Gegensatz zur Geopolitik interpretiert d'Ors den Besitz des Raumes als die existentielle Notwendigkeit eines Lebensraums der allen Expansions» und Machtstrebens enthoben ist. Seiner Meinung nach „ist das Raumbedürfnis immer relativ und es darf nicht an der Möglichkeit einer Kontrolle durch die Macht gemessen werden, sondern an der Notwendigkeit einer natürlichen Existenz" 3 0 .
Er nennt diese Art des Verständnisses Geodieretik. Im Bereich der Geodieretik sind die politischen Einheiten nicht das Subjekt des Raumbesitzes, sondern die verschiedenen menschlichen Gruppierungen und Institutionen. Er errichtet somit eine Hierarchie von Subjekten des Raumbesitzes, deren Unterordnung durch das Prinzip der Subsidiarität geregelt wird. Jedes Element dieser Hierarchie nennt er Ebene des Besitzvorzugs und unterscheidet stufenweise: die Familien, die Unternehmen, die Städte, die Kreise, die Regionen, die Nationen und die Großräume, indem er für diese letzteren den von Schmitt geprägten Begriff benutzt. In dieser Besitzordnung betrachtet er jenseits der Großräume die nicht territorialen Netze, die selbstverständlich an den Luftraum gebunden sind. Letztere sind in die verschiedenen Vorzugsebenen des Territorialbesitzes eingegliedert, müssen jedoch keinen von ihnen ersetzen. Beim Thema der Großräume angelangt, sagt d'Ors: „wenn unsere Geodieretik als oberste Ebene die Großräume setzt, dann gerade weil sie die staatliche Struktur leugnend, auch die Idee eines einzigen Universalstaates ablehnt, innerhalb dessen die aktuellen Nationalstaaten verschwänden, aber mit dem Preis der Gründung eines Weltsuperstaates" 31. 29 30
AO, La posesiön del espacio, S. 17. Ibd. S. 43.
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D'Ors denkt tatsächlich an eine Weltordnung ohne Staat, wenngleich nicht ohne eine Art von „Diskriminierung" der bereits erwähnten Art. Die Idee des d'Orsschen Großraums ist die eines Bundes, der die Freiheit garantiert, weil er die einzige universelle Macht verhindert, die naturwidrig ist, weil auch die Unmöglichkeit sowohl des freiwilligen als auch des strafrechtlichen Exils gegen die menschliche Natur ist. Wie wir bereits darlegten, ist das, was in diesem Modell den Großraum rechtfertigt, nicht die Möglichkeit einer militärischen Kontrolle, sondern die natürliche Notwendigkeit einer Gruppe von Menschen mit einer funktionellen Befähigung, ihren Raum zu besitzen. Gerade aus diesem Grunde müsste auch die Kontrolle der Macht im Großraum begründet liegen. Bei Schmitt finden wir nicht diese so deutliche Artikulierung der verschiedenen Räume von einer kleineren bis zur größten Ausdehnung. Der Begriff des Nomos ist die dynamische Idee, die diese Hierarchisierung „ersetzt". Der Nomos ist für ihn auch der Lebensraum, in dem eine Menschengruppe Wohnen, Recht und Wirtschaft ausübt. Wie E. Przywara unter Bezugnahme auf Schmitt verdeutlicht, verbleibt unter der Grenzidee einer absoluten Ordnung der gesamten Welt die real existierende Person in einem Nomos der Erde, das auf einem Kyrios der Erde gründet, auf einer Herrschaft über die Erde 32 . Der Nomos, sagt Schmitt im Glossarium, ist „Ordnung und Ortung: Haus und Hof; Stadt und Land, Land und Meer; mein Leib, mein Kleid, mein Haus, (mein Heim), mein Land" 3 3 .
Wie man sieht, fehlt die d'Orssche Hierarchisierung in dieser Aufzählung, wenngleich die Instanzen ähnlich sind. Es entsteht eher der Eindruck einer dynamischen Bewegung, eines Hin und Her. Einem ersten Akt, dem Nomos, entsprechen verschiedene Bezugspunkte und Kategorien des gemeinschaftlichen Lebens der Menschen, die immer noch Nomos sind; nehmen, teilen, weiden sind ursprüngliche Vorläufer der Menschheitsgeschichte, „drei Akte eines Urdramas. Jeder dieser drei Akte hat seine eigene Struktur und sein Verfahren" 34 , aber im Blick auf die globale Einheit der Welt sind sie in einer politischen Einheit nicht hinreichend artikuliert. Die einzige relevante Besitzebene ist die letzte, der Großraum. Dieser Raum ist für Schmitt mit der politischen Einheit identisch. Die Gestaltung einer Landnahme, einer Ansiedlung ist zugleich die Reichweite der eigenen Macht: eine Setzung. Es gibt im politischen Denken Schmitts, 31 32 33 34
Ibd. S. 55. Vgl. Przywara, Mensch, S. 211-213. CS, Glossarium, S. 31. CS, „Der neue Nomos der Erde", S. 7.
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wie sehr er auch die Institutionen bewunderte, keine Hierarchie von Besitzebenen; und das ist einer der Unterschiede zur Konzeption von d'Ors. Es ist auch der Unterschied zwischen der territorialen polis und der personalen civitas (vgl. Br. v. 15.5.1963). Jeder globale menschliche Raum kann für Schmitt nicht mehr als ein Raum unter Räumen, unter Positionen sein. Daher ist seines Erachtens ein abstrakter Raum als allgemeiner Ort der Verortung nur möglich für die Physik und die Mathematik. Deswegen kann man auch laut Schmitt, im Gegensatz zu d'Ors, den Raum nur als eine Summe von Orten wahrnehmen; und den globalen Raum als ein Pluriversum von Großräumen. In diesem Sinne ist jegliche Ansiedlung und jegliche Ordnung wesentlich politisch, weil sie eine Macht mit sich bringt und weil sie andere Besitzungen außerhalb der eigenen Ordnung beläßt: „der Raum ist das Bild unserer Macht" 3 5 . Und dies ist eine weitere Differenz zu d'Ors. Letzterer scheint eher „sozietaristisch" zu sein. Er verfährt „von unten nach oben" bei der Konstitution der verschiedenen Ordnungen und das Politische ist nur die letzte Instanz des Sozialen. Dahingegen ist Schmitt eher „politisch" und für ihn sind Land- und Raumnahme immer sogleich politisch. Die Gesellschaft entsteht von der polis her und nicht die polis aus der Gesellschaft. In Völkerrechtliche Großraumordnung, das Buch, in dem Schmitt am ausführlichsten von dem redet, was für ihn „Großraum" bedeutet, beharrt er bezüglich der Weltordnung auf zwei Gedanken: einerseits auf der Notwendigkeit, die Staatsidee als Ordnungsprinzip des Raumes aufzugeben; und andererseits auf der Ablehnung eines Universalismus, der die Verwischung aller Grenzen und Unterscheidungen vertritt, der sich ideologiefrei gibt und seines Erachtens beabsichtigt, die Welt in eine Abstraktion zugunsten des Kapitalmarkts zu verwandeln 36 . Die Schmittsche Raumtheorie ist nicht zu verstehen ohne diese Opposition gegen den räumlichen Universalismus als Theorie des Interventionismus, der Expansion und des Imperialismus. Der Schmittsche Begriff des Großraums liegt meiner Meinung nach jenseits dessen, was in den 30er und 40er Jahren in Deutschland Lebensraum bedeutete 37 . Es ist ein neuer Nomos der Erde: ein Entwicklungsraum, ein Leistungsraum, d.h. „Großraum ist ein aus einer umfassenden gegenwärti35
CS, Glossarium, S. 187. Großraumordnung, S. 66. CS, Völkerrechtliche 37 Bendersky sieht das ebenso in Carl Schmitt Theorist for the Reich, S. 259. Auch in den Antworten auf die Verhöre am 18. April 1947 auf die Frage „Wieweit haben Sie die theoretische Untermauerung der hitlerischen Großraumpolitik gefördert", antwortet er: „Ich ging vom Raumbegriff aus und lehnte biologische Gesichtspunkte und Argumente ab. Ebenso vermied ich es von Rasse zu sprechen, weil die36
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gen Entwicklungstendenz entstehender Bereich menschlicher Planung, Organisation und Aktivität" 3 8 . Er übernimmt einen Begriff, und das verdeutlicht er auch 39 , aus dem technisch-industriellen und ökonomischen Bereich und verleiht ihm einen weiteren geschichtlich-politischen Inhalt. Sein Legitimationsargument des Großraums ist nicht so sehr juristisch im Stile von d'Ors, sondern politisch. Daher läuft er Gefahr, der Geopolitik verhaftet zu bleiben. Vom räumlichen Gesichtspunkt aus kommt die d'Orssche Begründung der Vielfalt der politischen Räume aus dem Naturrecht: das Recht auf Exil, die Möglichkeit, die politische Gemeinschaft zu wechseln. Die Schmittsche Begründung leitet sich aus der Notwendigkeit der Existenz des Politischen ab. Es ist die politische Unterscheidung zwischen Freund und Feind, die das Gleichgewicht der Mächte notwendig macht, in dem die Weltordnung der Großräume besteht und die die Möglichkeit eines universellen Superstaates beseitig. Und in diesem Punkt kommen wir auf den Anfang zurück: die Diskriminierung [Distinktion] ist der Grund der Verteilung des Raumes. Die neue Weltordnung wird aus dem Gleichgewicht zwischen den Großräumen entstehen, insofern diese ein Maß für den Frieden finden, in dem der Sinn der Einheit festgelegt wird. Sinneinheit und Raumeinheit sind nur von einer Grenze aus möglich; darin stimmen beide Denker überein. Die mögliche Einheit der Welt im Sinne einer globalen Ordnung, ein Pluriversum, und nicht als eine einzige Macht, ist keine ununterscheidbare oder ununterschiedene Einheit, sondern - in einer konsequenten trinitarischen, politischen Theologie 40 - eine Einheit, die die Vielfalt bewahrt; letztendlich des Arcanum jeder politischen Problematik und, ich wage zu behaupten, einer jeden Realität. A m Ende des Vortrags von Madrid im Jahre 1943 hatte Schmitt den prophetischen Vers der 4. Egloge von Vergil aufgeschrieben und dann wieder durchgestrichen: Novus ab integro seclorum nascitur ordo 41. Es könnte als Motto stehen am Beginn eines neuen Jahrhunderts. ses vieldeutige Wort damals bereits ganz von Hitler okkupiert war". Nachlass , RW 265 K 344 Mt. 9. Danach in CS, Antworten in Nürnberg, S. 72. 38 CS, Völkerrechtliche Großraumordnung, S. 6. 39 Ibd. S. 66 40 Vgl. CS, Politische Theologie IL 41 „Schon beginnt eine neue Ordnung der Jahrhunderte zu entstehen". Wir erinnern daran, dass ein ähnlicher Aphorismus Der Begriff des Politischen abschließt: „Denn das Leben kämpft nicht mit dem Tod und der Geist nicht mit der Geistlosigkeit. Geist kämpft gegen Geist, Leben gegen Leben, und aus der Kraft eines integren Wissens entsteht die Ordnung der menschlichen Dinge. Ab integro nascitur ordo u.
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I V . Gewalt und Ordnung - Ausnahme und Normalität Die ursprüngliche Beziehung zum Nomos führt Carl Schmitt zur Betrachtung der sozialen und politischen Wirklichkeit als einer Ordnung, die zusammen mit dem Begriff der Ausnahme der Grundbegriff des Politischen in seiner complexio oppositorum - in der Schmittschen Ausdruckweise - ist. Bei Älvaro d'Ors entsteht die complexio zwischen der Gewalt und der Ordnung, so der Titel des von ihm am meisten geschätzten Buches 42 . Die d'Orssche Begründung ist metaphysisch und anthropologisch: „Wenn wir von der Ordnung reden können, dann deswegen, weil der Mensch zur Unordnung imstande ist, er neigt sogar relativ dazu, denn die Erbsünde führte die Unordnung in seine Natur ein. [...] Man muss zugeben, dass der Mensch fähig ist, seine eigene Unordnung zu überwinden durch die Gewalt, die er sich selbst antut" 4 3 .
Die Begründung Schmitts ist dieser verwandt, wie aus dem Brief vom 18.9.1957 aus Anlass der Kritik des Buches von Peter Schneider, Ausnahmezustand und Norm hervorgeht: „Die zentrale (theologische) Frage: ist die Welt heute normal oder in einem Ausnahme-(d.h. Sünden-)zustand?, hat der völlig neutrale und neutralisierende Schweizer Autor nicht behandelt".
Wenn das beim Einzelmenschen vorkommt, dann kann man dasselbe von der Gesellschaft behaupten: die Gewalt liegt jeder sozialen und politischen Ordnung zugrunde und zwar als Überwindung der Unordnung. Diese Idee der Gewalt unterscheidet sich von der uns geläufigeren, nämlich, diejenige, die man als Kraft versteht, die eine Ordnung zerstört. Wie d'Ors in seiner scharfsinnigen Unterscheidung bemerkt, gibt es noch eine dritte Art der Gewalt und diese zersetzt eine Ordnung, um eine andere einzusetzen, die sie für besser hält. Die Rede von einer durch die Gewalt „gestützten" Ordnung führt uns unmittelbar, wie es bereits beim Begriff des Nomos der Fall war, vom juristischen in den politischen Bereich. Keine juristische Ordnung hätte einen Sinn, wenn sie nicht von einer gerichtlichen Einrichtung der Macht getragen würde, die imstande ist, Gewalt auszuüben, um die Anwendung des Rechts zu gewährleisten. So ist, wie Wilhelmsen zu recht behauptet, für den spanischen Juristen die Gewalt kein Epiphänomen der Politik, sondern sie ist konstitutiv 44 . Wir finden in diesem originellen Gedanken von d'Ors ein - wenngleich am Anfang nicht genau formuliertes - Echo des Schmittschen, nämlich der Gegenüberstellung der Ordnung und der Ausnahme oder 42 43 44
Vgl. AO, La violencia y el orden. Ibd. S. 73. Wilhelmsen, „La filosofra polrtica de Älvaro d'Ors", S. 465.
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der Ordnung und des Konflikts, eine Gegenüberstellung, die durch die Schmittsche Definition des Souveräns erhellt wird: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet" 45 . In dieser letzten Behauptung wird die Gewalt als die Macht dargelegt, die eine Ordnung errichtet. Der Logik der Unterscheidung zwischen Freund und Feind folgend, ist der Konflikt die Gewalt, die die Ausnahme mit sich bringt, die einer existierenden Ordnung zuwiderhandelt oder ihr ein Ende setzt. Daher bedarf es einer souveränen Entscheidung, die die Unordnung überwindet und eine neue Ordnung herstellt. In diesem Punkt sind sich beide Juristen der Unterscheidung bewusst und zugleich der Abhängigkeit zwischen der Macht als einem Akt der Gewalt und der Ordnung, die auf diesen Akt folgt. Bei Älvaro d'Ors hat die Gewalt den zeitlichen Vorrang vor der Ordnung. Schmitt drückt diese Priorität nicht so deutlich aus, obwohl er das anhand der anthropologischen Voraussetzungen, von denen er ausgeht - und die denen von d'Ors ähnlich sind - tun könnte. Dieser Vorrang bedeutet jedoch in keinem Fall eine Abtrennung der Ordnung: sie sind wesentlich und begrifflich miteinander verbunden. Es ist der Mensch als „problematisches" 46 Wesen, der ihn zu der Behauptung der Freund-Feind-Unterscheidung als eines Kriteriums führt, das den Bereich des Politischen definiert. Diese Schmittsche Sicht der Ausnahme war eine Inspirationsquelle für den spanischen Romanisten bei seinen Vörüberlegungen zu La violencia y el orden, ein Buch, das mir jedoch nicht sonderlich unter dem Einfluss Schmitts zu stehen scheint. Das ist seinen Schriften „Silent leges inter arma", „Cicerön, sobre el estado de exception", und „La perdida del concepto de exception a la ley" zu entnehmen. (Vgl. Br. v. 5.11.58 und 2.5.1961.) Die erste Schrift ist einer von drei unabhängigen Essays, die unter dem Titel Tres Temas de la Guerra Antigua(vgl. Br. v. 10.1.1949) zusammengestellt wurden und unter dem Eindruck jener ersten Gespräche in Granada enstanden, auf die eingangs hingewiesen wurde. Diese Schriften von d'Ors untersuchen den Status des Ausnahmezustands im römischen Recht und bedeuten eine große Hilfe bei der Begriffsbildung dessen, was der deutsche Denker häufig nur angedeutet lässt. Darin finden wir eine Verdeutlichung des Begriffs der Ausnahme im juristisch-politischen Rahmen 48 . 45
CS, Politische Theologie, S. 11. Vgl. CS, Der Begriff des Politischen, Kap. 7. 47 Die beiden anderen Essays sind: „Mare Nostrum" und „La teologia pagana de la victoria legitima". 48 Die Notwehr nimmt einen grundlegenden Raum in den letzten Schriften des spanischen Romanisten ein wie z.B. Nueva Introducciön al Estudio del Derecho und Derecho y Sentido Comün. 46
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Die Ausnahme hat jedoch für Schmitt eine weitere Konnotation als die juristische. Sie sagt uns etwas über das Wesen der Realität. V. Legalität und Legitimität Die Diskussion über die Legitimität ist vielleicht das am häufigsten wiederkehrende Thema in dem Briefwechsel, den wir hier vorstellen. In ihr erkennen wir eine der größten theoretischen Besorgnisse beider Juristen. Im Folgenden versuchen wir, den Begriff der Legitimität im Schmittschen Denken näher zu beleuchten. Wir stützen uns dazu auf die Gespräche mit Älvaro d'Ors, auf die Korrespondenz und die Schriften, auf die dort hingewiesen wird. Die Legitimität wird permanent und grundsätzlich in den Werken beider Autoren besprochen. In diesem Sinne gehen wir auch nicht von dem Ansatz Hofmanns 49 aus, der behauptet, die Idee der Legitimität Schmitts hätte sich im Laufe der Zeit gewandelt von einer rationalen Legitimität in den ersten Jahren, über eine irrationale und eine rassische Legitimität, um dann schließlich in eine geschichtliche Legitimität zu münden. Die Tatsache, dass die Korrespondenz sich auf die letzte Etappe im Leben Schmitts konzentriert, müsste aufgrund dieser Hypothese zu der Annahme führen, dass hier der letzte Typ vorherrscht. Selbst wenn dem wirklich so wäre, beobachten wir in den Briefen eine Bemühung, die verschiedenen Aspekte aller Legitimität zu integrieren 50 . Der vorliegende Briefwechsel bietet ausgezeichnete Möglichkeiten zur Untersuchung dieses Themas. Man kann in der Behandlung der Legitimität durch beide Juristen zwei Momente feststellen: Das Moment der Verfassung und das ursprüngliche Moment der Bildung der Macht. Wir werden sie hier getrennt untersuchen.
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Vgl. H. Hofmann, Legitimität gegen Legalität. Bedenken wir, dass die Schriften Carl Schmitts, die direkt mit dem Thema in Verbindung stehen, zahlreich sind: Der Hüter der Verfassung; Legalität und Legitimität; Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft; Der Zugang zum Machthaber, Gespräch über die Macht, „Die vollendete Reformation" und „Die legale Weltrevolution". Wie man aus den Daten ersehen kann, erscheint die Problematik der Legitimität als konkretes Problem im Denken Schmitts aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Studien, wenngleich von einem weiteren Gesichtspunkt aus das Thema der Legitimität bereits in der Politischen Theologie, behandelt worden war und auch gewissermaßen in Römischer Katholizismus und Politische Form. Das bedeutet, dass die Problematik der Legitimität von Anbeginn präsent ist, wenn sie auch in den konkreten Situationen sehr verschiedene Nuancen annimmt. 50
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a) Das Recht und das Politische: Legalität und Legitimität Die berühmte Schrift „Legalität und Legitimität" von 1932 wurde von Schmitt als ein Warnruf, ein Aufmerksam-Machen auf „die Gefahren" konzipiert, die der Weimarer Verfassung drohte, die unaufhaltsam in eine Krise geraten war 5 1 . Bei dieser Bemühung, die Widersprüche einer Verfassung zu erkennen, skizziert Schmitt eine Theorie über die Legitimität. Die Weimarer Verfassung war so widersprüchlich, weil sie verschiedene Typen der Legitimität miteinander verknüpfte, die ihrerseits vier verschiedenen Staatsformen entsprachen. Das heißt, sie schwankte zwischen vier verschiedenen Formalisierungsansätzen einer Repräsentation: dem Gesetzgebungsstaat, dem Jurisdiktionsstaat, dem Verwaltungsstaat und dem Regierungsstaat. Die Unterscheidung zwischen ihnen hängt laut Schmitt davon ab, welches „le dernier ressort" 52 ist, die letzte Instanz der Macht; ob es die Gesetze sind, in diesem Fall ist die letzte Instanz „der Gesetzgeber", ob es konkrete Entscheidungen für konkrete Fälle sind, dann ist „der Richter" die Machtfigur; ob es sachliche Anordnungen, von der Zweckmäßigkeit geleitete Maßnahmen sind, dann wird daraus als letzte Instanz die des „Diktators" abgeleitet; oder ob sie von autoritären Befehlen abhängt, dann ist die entsprechende Instanz eine Obrigkeit, „das Volk" oder sein Repräsentant, „der Präsident". Fast ohne es zu wollen, entwickelt Schmitt eine neue Formulierung der Einteilung der klassischen Regierungsformen; die Unterscheidung wird heute nicht nach der Anzahl der Regierenden getroffen, sondern eher nach dem Machttypus, der ausgeübt wird. Es handelt sich um eine qualitative Unterscheidung der Regierungsformen, die die nach der Entstehung des Staates obsolet gewordene Diskussion wieder bedeutungsvoll werden lässt. Die Unterscheidung wird hier wieder zum Begriff der Souveränität zurückgeführt. In ihm vereinen sich alle diese Elemente, denn der Souverän herrscht nicht nur, sondern er erlässt auch die Gesetze und ergreift Maßnahmen. Die letzte Triebkraft ist eine persönliche, daher lässt jeder Entscheidungstypus eine Figur entstehen, um die der Staatstypus kreist, letztlich auch die Souveränität selbst. Das Kriterium für die Unterscheidung der Staatsformen ergibt sich aus der Formulierung einer Entscheidung im Ausnahmefall, in einem Fall also, der nicht vom Gesetz vorgesehen ist; denn für den „Normalfall" gilt in al51
So bekennt er in einer zu der neuen Auflage der Verfassungsrechtlichen Aufsätze, S. 345 hinzugefügten Erklärung. Von hier an zitieren wir nach dieser Auflage von „Legalität und Legitimität" und „Das Problem der Legalität". 52 CS, „Legalität und Legitimität", S. 264.
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len Staatstypen im modernen Verfassungskontext das grundlegende Prinzip der gesetzlichen Legitimation: die Fiktion, dass die Gesetze und nicht die Menschen herrschen sollen. Das ist übrigens seit Plato ein klassisches Thema. Daher muss auch jede Entscheidung eine gesetzliche Form annehmen, die sich hinter dieser Form als Wille verbirgt. In der wahren Ausnahme jedoch offenbart sich die Entscheidung in der Gestalt des außergewöhnlichen Gesetzgebers. Wenn wir die Staatstypen in einer Graphik darstellen würden, wären sie in einem Raum angeordnet, der von der maximalen Präsenz der Entscheidung beim Regieren, im Falle des Verwaltungsstaates, bis zur maximalen Regulierung durch die Norm im anderen Extrem, im Falle des Gesetzgebungsstaates, verlaufen würde. Das Hauptgewicht der Schrift vom Juli 1932 lag auf der Tatsache, dass die „Fiktion der Legalität" bis zu einem solchen Extrem gelangen kann, dass „sie die Tür hinter sich schließt". So drückt er es Jahre danach in einem Vorwort für die Auflage in den Verfassungsrechtlichen Aufsätzen aus: „Der Vorgang, dass eine Partei durch die Tür der Legalität eintritt, um diese Tür dann hinter sich zu schließen, also der Modellfall einer legalen Revolution ist hier ein für allemal erkannt und festgehalten. [...] Der Schluss der Schrift ist ein Warnruf, der letzte Satz - ,Dann rächt sich die Wahrheit 4 - ein wahrer Notschrei. Der Notschrei ist damals verhallt" 5 3 .
Die Wahrheit rächt sich. Das bedeutet, dass man sich nicht über die Legitimität hinwegtäuschen kann. Legalität und Legitimität sind unreduzierbare Begriffe. Wenn man sich mit dem einen dem anderen annähern will im Falle von Weimar, die Legitimität an die Legalität - dann gewinnt die Legitimität in einer unbegrenzten Weise die Oberhand über die Legalität, sodass sie die letztere als solche annulliert. Schmitt spricht vom „Selbstmord der Legalität". Das ist möglich, wenn noch eine Tür zur Legalität offen bleibt. Das Besondere an der Weimarer Verfassung ist, dass sie hinter einer rein gesetzlichen, liberalen und funktionalen Maske eines Gesetzgebungsstaates, theoretische Versatzstücke offenbarte, die zu verschiedenen Staatsauffassungen gehören und hinter denen die Figur des „außordentlichen Gesetzgebers" verborgen war. Ihr zweiter Teil setzte eine Gegenverfassung voraus, weil die drei außerordentlichen Gesetzgeber, die sie zugestand, in einem gewissem Sinne die reine Legalität annullierten. Der außerordentliche Gesetzgeber ratione materiae erlaubt, dass gesetzmäßig eine höhere Art der Legalität entsteht, die durch eine qualifizierte 53
Ibid. S. 286; vgl. auch CS, „Die legale Weltrevolution", S. 333.
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Mehrheit verstärkt wird; aber damit wird die Legaliät beiseite geschoben und der Staat in einen Jurisdiktionsstaat verwandelt. Außerdem sieht die Weimarer Verfassung ein Volksgesetzgebungsverfahren der unmittelbaren Demokratie vor, indem sie einen außerordentlichen Gesetzgeber ratione supremitatis einführt, durch den ein Gesetz durch Volksentscheid und Volksbegehren erlassen werden kann. Man appelliert an das Volk aufgrund seiner Obrigkeit als Souverän. Zweifelsohne bringt das in diesem außerordentlichen Gesetzgeber implizite Konzept den Repräsentationscharakter des Parlamentes ins Wanken. Mit ihm rechnet jedoch notwendigerweise jeder Gesetzgebungsstaat, denn in diesem Falle hat die Volksentscheidung mehr Gewicht als das durch Parlamentsbeschluss zustande gekommene Gesetz. Der beste Beweis hierfür ist die Tatsache, dass für eine Verfassungsreform vom Parlament eine Dreiviertelmehrheit gefordert wird, während für eine Verfassungsreform, die durch ein Volksgesetzgebungsverfahren herbeigeführt werden soll, die einfache Mehrheit hinreichend ist. Im Ernstfall mündet das plebiszitäre System in eine andere Staatsform, in einen Regierungsstaat. „Ebenso ist die Folgerichtigkeit eines auf dem Gedanken der Repräsentation aufgebauten Systems eine andere, als die plebiszitär-demokratische Folgerichtigkeit des mit sich identischen, unmittelbar präsenten, souveränen Volkes" 5 4 .
Das dritte befremdliche Element in einem rein legalen System ist das Provisorium, durch das der Reichspräsident Recht schaffen kann, nicht nur praeter legem, sondern auch contra legem, das heißt, gegen den ordentlichen Gesetzgeber 55. Der Artikel 48 Abs. 2 RV erlaubt es, Maßnahmen für den Fall zu ergreifen. Wenn die Maßnahme als Gesetz erlassen ist, dann verwandelt sich der Präsident in einen legalen Diktator und wir stehen vor einem Verwaltungsstaat. Wenn dem aber so ist, ist jeder Versuch, auch nur eine einzige materiell-rechtliche Gewährleistung zu finden, nutzlos, es sei denn sie würden als Exemptionen oder Privilegierungen verstanden, aber in diesem Fall wäre der zweite Hauptteil der Verfassung wirklich eine GegenVerfassung im höchsten Grad 5 6 . Das heißt, der in Weimar vorausgesetzte Gesetzgebungsstaat kombinierte seine eigene legalistische, funktionale und neutrale Logik - „vor allem Neutralität gegen den Unterschied von Recht und Unrecht", in der das Recht mit dem Gesetz gleichgestellt ist und das Gesetz nicht mehr als ein formales Gesetzgebungsverfahren ist: „jede Äußerung des Volkswillens gelte als Gesetz" - , die im ersten Teil der Verfassung vorgesehen ist, mit einem zweiten Teil, in dem versucht wird, einige materielle Rechte zu ver54 55 56
CS, „Legalität und Legitimität", S. 315. Ibid. S. 320. Ibid. S. 329.
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stärken, außer dem in jedem rein legalen System obligatorisch vorgesehenen, ohne das es unmittelbar zerstört würde, nämlich die gleiche Chance, die Mehrheit zu erlangen. Man kann sagen, dass die Weimarer Verfassung zwei verschiedene Verfassungen enthält und der Vorschlag Schmitts ist, sie zu Gunsten der zweiten weiterzuentwickeln 57 . Aber uns interessiert in diesem Augenblick nicht so sehr die konkrete Verwandlung der Weimarer Republik, noch die Kritik Schmitts am Gesetzgebungsstaat, - vor allem seines Gesetzesbegriffs, des Begriffs des Gesetzgebers als Monopolisator des Gesetzes und des Prinzips der gleichen Chance in dieser Staatsform - sondern die Ideen, die sich aus diesem Text für das Verständnis des Legitimitätsbegriffs im Schmittschen Denken ableiten lassen. Erst einmal wird darin die Legitimität eines Regierungswillens mit Berücksichtigung des Willens einer Gemeinschaft, die als Wesen des Staates begriffen wird, dargestellt 58 . Die Frage ist, wieso ein Wille legitimiert ist, sich als Wille einer Gemeinschaft zu setzen. Die Lösung dieser Frage ist in einem Gesetzgebungsstaat eindeutig: ein Gemeinwille kann sich im Prinzip nur in Normen ausdrücken, nicht durch einen anderen Willen, wenngleich man in der Norm den Willen der Gesetzgeber anerkennen muss. Nun werden beide - der Wille des Gesetzgebers und der Wille der Norm - derart identifiziert, dass das, was in ihm noch von der „Persönlichkeit" im Gesetzgeber verbleibt, von der Beharrlichkeit und der Objektivität der Norm völlig absorbiert wird. Wieso ist nun diese Gleichung zulässig? Letzen Endes, und darauf weist Schmitt mehrmals in dieser Schrift hin, gründet die „legale Legitimität" auf dem Vertrauen zum Gesetzgeber 59, den ein Volk besitzt. Es ist dieses Vertrauen, das dem Gesetzgeber erlaubt, sich über seine eigene Kompetenz hinaus als außerordentlicher Gesetzgeber zu erheben. Es handelt sich trotz allem um eine Art „superlegale Legitimität": die Legitimität wird ihm vom Vertrauen verliehen, das die Regierten ihm entgegenbringen. Der Gesetzgeber ist eine Person, eine Instanz, wenngleich als Institution und nicht als konkrete Person: er setzt eine „konkrete Ordnung" voraus. Das Gesetz ist nicht mehr als ein Mittel, seine Legitimität in einem Gesetzgebungsstaat auszuüben. Es ist gewiss ein so rationales und objektives Mittel, dass die Fiktion entsteht, dass die Regierung in einem solchen Staat unpersönlich, allgemein, vorherbestimmt ist, bis hin zu dem Punkt, dass man nicht einmal sagen würde, dass die Norm regiert und die politische Gemeinschaft gehorcht, sondern nur dass die Norm „gültig" i s t 6 0 57 58 59
3*
Ibid. S. 345-350. Vgl. ibid. S. 263. Ibid. S. 325.
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Ein anderer Begriff der Legitimität erscheint in der Beziehung zwischen dem Willen, der regiert - denn nur ein Wille kann regieren - und dem Gesamtwohl, dem bonus communis. Der Satz Schmitts „wer bonus communis sagt, will betrügen" ist bekannt: der Begriff des Gemeinwohls gehört nicht zu seinem Begriffsbereich. Aber es interessiert uns in diesem Zusammenhang, wo er ihn benutzt: es ist in der Rede zur Jahrtausendfeier der rheinischen Zentrumspartei, die den Titel „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik" trägt. Sie wurde danach zweimal veröffentlicht: einmal in Flugschriften zum Rheinproblem und das andere Mal als Zusammenfassung in Die Schildgenossen mit dem Titel „ U m das Schicksal des Politischen". Darin erscheint eine Beurteilung der internationalen Politik zwischen den beiden Kriegen, in der Folge des Versailler Vertrags. Nach der Meinung Schmitts übte diese Politik einen willkürlichen Interventionismus zugunsten der Eigeninteressen der Sieger aus, losgelöst von aller Veranwortlichkeit bezüglich der Zukunft der anderen Staaten, sodass er nicht dazu imstande war, ein Gut für die politische Gemeinschaft hervorzubringen. Dieses Gut ist nur dann möglich, wenn eine Obrigkeit existiert. So sagt er: „Das was zu einer wirklichen staatlichen Obrigkeit gehört und was selbst bei einem einzelnen Tyrannen möglich ist, dass nämlich das Gesamtwohl des Volkes, das bonum commune, den Zweck seiner Herrschaft bestimmt, wird infolge der Zwischenstaatlichkeit eines solchen Gebildes unmöglich" 6 1 .
Daraus kann man ableiten, dass das Gemeinwohl eines Volkes nicht nur durch Gesetze bestimmt wird, sondern es muss Gegenstand einer konkreten politischen Aktion sein. Wenn etwas zustande gebracht werden soll, ein Zweck, dann wechselt die Legitimität, die Orientierung; das Vertrauen wird auf eine andere Weise gesetzt: Es wird nicht mehr dem Willen des Gesetzgebers entgegengebracht, der durch die Norm zum Ausdruck kommt, sondern einem konkreten persönlichen Willen, von dem man eine Tugend erwartet und der daher imstande sein soll, Gutes zu tun. Wir haben es dann mit einem Regierungsstaat zu tun: das Vertrauen der Regierten beruht auf der Tugend des Regierenden, auf seinen hervorragenden moralischen Qualitäten. In diesem Sinne war auch die griechische Tyrannei ein Regierungsstaat 62 . Der Inhalt selbst der Regierung ist völlig verschieden in beiden Fällen. Es muss jedoch noch eine dritte Möglichkeit erwähnt werden: der Verwaltungsstaat. Die Legitimität dieser Staatsform ist aus der Befreiung aus einer Gefahr herzuleiten. Wer in einem Ausnahmefall die Macht ausübt, ist der Retter der Gemeinschaft. Daher ist seine Legitimität die stärkste, obwohl er 60
Vgl. in diesem Zusammenhang die kritische Schrift Schmitts zur Theorie der Werte, „Die Tyrannei der Werte". 61 CS, „Die Rheinlande", S. 25. 62 Vgl. AO, „Tyrannis".
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nicht die bestimmte Aufgabe hat, Normen zu erlassen oder das Gemeinwohl zu organisieren, sondern eher das zu tun, „was nötig ist" Ordnung zu stiften. Das Vertrauen wird in diesem Fall nicht dem Gesetzgeber entgegengebracht, obwohl man sich in einem Gesetzgebungsstaat auf ihn als außergewöhnlichen Gesetzgeber ratione necessitatis beziehen wird, sondern der Persönlichkeit, die durch konkrete Entscheidungen den Ausweg aus der Unordnung ermöglicht. In der Schrift von 1932 erscheint eine Phänomenologie der Legitimität, in der gewissermaßen die Weberschen Typen zusammengefasst sind: der Gesetzgebungsstaat entspricht der rationalen Legitimität; der Regierungsstaat der charismatischen Legitimität; und, vielleicht ein bisschen forciert, der Verwaltungsstaat der geschichtlichen Legitimität. Es scheinen in der Tat die drei wirklichen Möglichkeiten im Rahmen des modernen Staates zu sein. Als Folge dieser Reflexion schließt er, dass die Kraft der Legitimation aus dem Ethos entsteht 63. Jede Staatsform entspricht einem Gesellschaftstyp. Der Jurisdiktionsstaat entpricht dem konservativen status quo mit erworbenen Rechten; der Gesetzgebungsstaat, ist, so Schmitt, das „typische Vehikel" einer reformistischen, revisionistischen, evolutionistischen, parteiorientierten Ära, das heißt, so interpretiere ich es, einer Epoche, die keine absoluten Maßnahmen kennt, die auf die Möglichkeit verzichtet, Wahres zu sagen; der Regierungsstaat und der Verwaltungsstaat entsprechen einem revolutionären beziehungsweise einem reaktionären Ethos. Die Typologie der Staatsformen entwickelt für die neue Situation des modernen Rechtsstaates die alte Typologie der Regierungsformen. Ein großer Teil der Diskussion über die Legitimität in der klassischen politischen Philosophie dreht sich um die Regierungsformen: Monarchie, Aristokratie, Demokratie und ihre entarteten Formen. Machiavelli, der sich in seinen Discorsi dafür interessiert, aber bereits in II Principe entwickelt eine neue Typologie der Fürstentümer, die man nicht auf die alten Formen zurückführen kann. Die Entstehung des Staates macht die alten Unterscheidungen obsolet. Deren Differenzierungskriterium war hauptsächlich die Anzahl und der Typus der Regierenden. Jetzt ist es die Art der Regierungsentscheidungen, die Instanz, in der sie sich ausdrücken. Obgleich wir diese hergebrachten Begriffe weiterbenutzen, sind sie nicht imstande, uns etwas über die Legitimität zu sagen, seit sich der Staat als politische Form durchgesetzt hat. Auch d'Ors verbindet früh die Reflexion über die Legitimität mit der Reflexion über die Regierungsformen, wenngleich seine Analyse völlig ver-
63
CS, „Legalität und Legitimität", S. 268.
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schieden ist, denn sie konzentriert sich nicht auf den Staat, sondern auf die Regierung. D i e Darstellung befindet sich i n „ F o r m a de gobierno y l e g i t i m i dad f a m i l i a r " , ein Text, den w i r weiter oben bereits behandelt haben, als w i r v o m etymos nomos sprachen. I m B r i e f v o m 5.11.1958 bezieht er sich auf den Vortrag, der zu dieser Schrift Anlass gegeben hat und fasst seine Haltung w i e folgt zusammen: „es [gibt] keine andere Legitimität als die der Familie. Und die Form der Monarchie entspricht Gesellschaften, die diese Legitimität authentisch leben und sie für ihre Regierung nicht durch einen König, sondern durch eine Familie transzendieren lassen. Die Demokratie verzichtet wesentlich auf die Legitimität, weil sie keine legitime, in Familien organisierte Gesellschaft voraussetzt. Für den noch monarchischen Bodin ist die Gemeinschaft die der Familien; für Sieyes, die der Steuerzahler ... Die Revolution neigt natürlich dazu, die „Privilegien" der legitimen Kinder abzuschaffen." D i e A n t w o r t Schmitts auf diesen Ansatz von d'Ors i m B r i e f v o m Dezember 1958 z w i n g t ihn, i n gewisser Weise auch den formalen staatlichen A n satz zu überwinden, von dem seine Reflexion ausgeht: „Dass alle Legitimität von der Familie kommt, scheint mir wahr zu sein. Die rein charismatische Legitimität eines „a Deo excitatus" ist etwas anderes als Legitimität. Die traditionelle Legitimität beruht auf Erde und Familie. Es scheint mir sehr wichtig, dass unser Heiland Christus der Erbe war und als Erbe getötet wurde; vgl. Matth. 21, 38 (hic est heres; venite, occidamus eum), Mark. 12, 1-12 (v. 7.), Luk. 20, 9-19 (v. 14), Apg. 7, 52. Diese untrennbare Verbindung der 3 Institutionen Ehe (Familie), Erbe, Eigentum ist das größte Thema für einen heutigen Juristen". Er ist nicht w e i t entfernt v o n der Schlussfolgerung, zu der er i n „ L e g a l i tät und L e g i t i m i t ä t " gelangte: die Kraft der Legitimation stammt aus dem Ethos. D i e Familie, die Erbschaft und das Eigentum sind der konkrete Ethos jeder Gemeinschaft, oder, u m es i n Schmittschen Begriffen auszudrücken, der Nomos. D i e diesbezüglichen Überlegungen Schmitts i m Briefwechsel werden nach dem Erhalt des Artikels von d'Ors fortgesetzt. So sagt er i m B r i e f v o m 12.2.1961: „Unter den vielen Problemen des Themas beschäftigt mich am meisten ein Albtraum: die unwiderrufliche Tatsache (die die christdemokratische Politik trotz allen guten Willens und Absichten) eher vorantreibt als verhindert, dass die Entwicklung der Industriegesellschaft zwangsläufig die Zerstörung des Vaterbildes impliziert, denn sie zerstört den oikos und verwandelt die gesamte Gesellschaft in eine Konsumgesellschaft. Ich flehe Sie an, mein lieber Don Älvaro, noch einmal die Zeilen über »Legalität und Paternität 4 meiner Glosse Nr. 3, auf der Seite 449 meiner Verfassungsrechtlichen Aufsätze zu lesen". Diese Glosse, auf die er sich i n diesem B r i e f bezieht, gehört i n den K o n text von „Das Problem der L e g a l i t ä t " (1950). Das zentrale A n l i e g e n der Schrift ist die Darlegung, dass die Machtergreifung Hitlers i m parlamentari-
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sehen System der Weimarer Republik begründet lag, als sie nämlich die Legalität als einzige Form der Legitimität akzeptierte. Die Wahl fiel auf die „formalistisch-funktionale Legalität" gegenüber dem „substanzhaften Recht und der geschichtlichen Legitimität". Auf diese Art verwandelte sich das Recht in eine Waffe für die verschiedensten Zwecke. A m Ende der Schrift fügt er aus Anlass der Wiederauflage eine lange Fußnote in den Verfassungsrechtlichen Aufsätzen an, in der er einen überblick über die Geschichte der Unterscheidung zwischen Legalität und Legitimität darlegt. Dort erscheint auch die Reflexion über Legalität und Paternität, die Michelet zugeschrieben wird: die Revolutionäre fordern die Legalität als Ausdruck der Rationalität und das bedeutet „die Überwindung des Zeitalters der Vaterherrschaft, der paternite". Schmitt weist darauf hin, dass das Prinzip der Legitimität zum ersten Mal 1814/1815 mit der monarchischen Restauration beschworen wird. Gegen diese Art von Legitimität war die Revolution vorgegangen. Merkwürdigerweise weist er auf ein zweites Mal hin, an dem an die Legitimität appelliert wurde; es geschah unter dem Präsidenten W. Wilson, der ein Prinzip der demokratischen Legitimität entwickelte 64 . Es ist die neue Art, unter der die Legitimität wiederauftaucht, jedoch schon unter Verzicht auf die Vaterschaft. Etwas in sich Widersprüchliches für beide Juristen; denn, wie d'Ors in „Legitimidad" darlegt, „verzichtet [letztlich] die neue liberale Demokratie auf jede Einbeziehung der Legitimität und identifiziert diese mit der rein verfassungsrechtlichen Legalität" 6 5 . In diesem Falle, so würde Schmitt sagen, verwandelt sich der Begriff der Legitimität in „die Formel der moralischen, ideologischen oder weltanschaulichen Identität und Selbstdarstellung staatlicher Ordnung" 6 6 .
Das heißt, die Legitimation ist eine Selbstlegitimation des Staates. Wenn das Prinzip der Legitimität nicht in die Arme des Legalismus fallen soll muss es historisch in der Paternität verankert werden. Das Interesse d'Ors' für die Legitimität ist so groß wie das von Schmitt, aber er entwickelt die Problematik eher vom vorkonstitutionellen, theoretischen Ansatz her, genauer gesagt, von der Reflexion über den Begriff der Macht her. In „Doce proposiciones sobre el poder" definiert er die Macht als „die persönliche Verfügung über die notwendigen Mittel, das Zusammenleben einer sozialen Gruppe wirkungsvoll zu organisieren" 67 . Diese Macht entsteht entweder durch Delegierung aus einer umfassenderen Macht oder auf natürliche Art und Weise, von unten nach oben. Die Macht stellt sich in vielfältiger Form dar. Daher ist die angemessene Artikulation der
64 65 66 67
Vgl. auch CS, „Die legale Weltrevolution", S. 323. AO, „Legitimidad", S. 135. CS, „Die legale Weltrevolution", S. 323. AO, „Doce proposiciones sobre el poder", S. 111.
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Macht einer der Schlüssel für eine gute Organisation der politischen Gemeinschaft: der Schlüssel ist das Prinzip der Subsidiarität. Die Anerkennung der Macht in einer Gemeinschaft schafft die potestas. Ob diese Anerkennung erteilt wird, hängt von der Überzeugung ab, die aus einem persönlichen, sozial anerkannten Wissen hervorgeht, das die Autorität ist. Die potestas kann durch den bloßen Willen derer entstehen, die die Gruppe bilden und sich in konventionellen und veränderlichen Regeln ausdrücken: in diesem Fall formiert sich die Gruppe als Gesellschaft und wird nach dem Prinzip der Legalität regiert. Oder sie kann sich aufgrund eines natürlichen Erfordernisses bilden, das nicht einfach von dem gegenwärtigem Willen abhängt: in diesem Falle tritt sie als Gemeinschaft auf und wird nach dem Prinzip der Legitimität regiert. Indem er den weiter oben dargelegten Hinweis über die „Väter" anführt, zeigt d'Ors, dass die wahrhafte Monarchie immer legitim ist, denn sie setzt eine Gemeinschaft von Familien voraus, während die demokratische potestas einfach nur legal ist, denn sie setzt eine einfache Anzahl von Individuen voraus, die als solche abstrakt ist. Wenn wir bei Schmitt eine ähnliche begriffliche Ableitung suchen müssten, dann wäre sie aus dem Begriff des Gesetzes herzuleiten so wie er ihn in „Das Problem der Legalität" anregt. In dieser Schrift verbindet Schmitt das Prinzip der Legalität und das der Legitimität mit zwei verschiedenen Auffassungen der lex; es sind die, die in der Unterscheidung der Begriffe „legal/rechtlich" 68 gegenübergestellt werden. Nach dem ersten Begriff der lex ist Legalität die Art und Weise, in der die staatliche Bürokratie funktioniert. Das Gesetz ist eine reine Setzung des Staates, hat aber nichts mit dem Recht zu tun. Die Gesellschaften, die nach dieser Art von Gesetzen gebildet sind, entsprechenden Industriegesellschaften und werden nach dem Prinzip der Legalität regiert. Der zweite Gesetzesbegriff ist derjenige, der sich aus dem substanzhaften Recht ableitet. Die Gesellschaften, die nach einem konkreten Recht, einem substanzhaften Recht gebildet sind, werden nach dem Prinzip der Legitimität regiert und mit Gewissheit nach einer „geschichtlichen Legitimität" 6 9 . Diese Argumentationsform ist nicht weit von dem „konkreten Ordnungsdenken" entfernt, wie es Schmitt 1934 darlegte. Ein wirkliches Recht setzt Gestaltungen, Institutionen, konkrete Ordnungen voraus. Beide Juristen entscheiden sich für die geschichtliche, traditionelle Legitimität in der Weberschen Ausdrucksweise und gegen die rationale Legitimität. 68 69
CS, „Das Problem der Legalität", S. 445. Ibid. S. 445.
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Sowohl d'Ors als auch Schmitt stimmen darin überein 70 , dass es Max Weber war, der definitiv in der Geschichte der politischen Theorie dazu beigetragen hat, diese drastische Gegenüberstellung zwischen Legalität und Legitimität zu verwischen. Seither ist die Legalität die rationale Form der Legitimität, im Gegensatz zur traditionellen, die von der konstanten Zustimmung der Zeit abhängt und der charismatischen, die durch das persönliche Prestige bedingt ist;. Sie erscheint als die „legitime Legitimität" par excellence, wenn man das so sagen darf. Indessen öffnet sich eine Lücke im Begriff der demokratischen Legitimität, so rational sie sich auch gebärdet, wenn man an das Volk als „höhere", über dem positiven Recht stehende Instanz appelliert. Dann erscheint der Wille des Volkes oder die plebiszitäre Legalität als legitim in Bezug auf die Legalität des positiven Rechts. Das ist die grundlegende Lücke, die nach der Auffassung des Romanisten, Schmitt in dem umstrittenen Text von 1932 aufzeigt, und die sich durch die Machtergreifung Hitlers bewahrheitete. Eine wirkliche „nicht legale", im Sinne einer nicht mit dem positiven Recht identifizierten Legitimität, die auf diese Art und Weise „wiedererlangt" wird, entpricht einem revolutionären Ansatz, der weit von dem der monarchischen Restauration enfernt ist. Man appelliert jetzt an die Legitimität, um die Legalität zu ändern. Es handelt sich nicht um die Einsetzung der Gerechtigkeit oder einer objektiven Norm, sondern darum, dass die neue Legitimität eher den ideologischen Interessen einer Macht gehorcht, die sich gegen die etablierte Legalität auflehnen will und zugleich ist es zweifelhaft, ob sie die authentische Legitimität besitzt, so sehr sie sie auch beschwört. Es ist jedoch sicher, wenn es heutzutage in den liberalen Demokratien einen Platz für die Legitimität geben sollte, dann ist es der des Gehorsams gegenüber der Mehrheit des Volkes, die plebiszitäre Legitimität. Es scheint zu einer Rehabilitation der Unterscheidung zwischen Legalität und Legitimität zu kommen, die sich durch die Hintertür eingeschlichen hat. Es gibt noch eine andere Form, den Begriff der Legitimität in einem legalistischen Kontext wiederzugewinnen, nämlich durch die Einführung der „Superlegalität", eine höhere Legalität, die die Legitimität der Legalität ausmacht. Das ist der Ort, den immer das Naturrecht einnahm, das selbst von Weber 71 in Betracht gezogen wurde, wenngleich in einer rationalistischen, säkularisierten Version, als eine abstrakte Superrationalität, wogegen Schmitt immer angekämpft hat. Für ihn war das Naturrecht die reinste Form des legalistischen Rationalismus. Letztendlich handelt es sich um ein Gesetz und man ist dem Normativismus verfallen (vgl. Br. v. 29.2.1952). 70 71
Vgl. AO, „Legitimidad", S. 136; CS, „Legalität und Legitimität", S. 347. Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 19.
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Gerade deshalb ist es jetzt für Schmitt nicht möglich, das Naturrecht im Namen der Legitimität anzurufen. Sein liberal-demokratischer Ersatz, die Menschenrechte - in diesem Punkt sind sich beide einig - sind nichts anderes als eine Superlegalität, deren Gültigkeit auf einer internationalen Macht begründet ist, deren Legitimität nicht hinterfragt wird, und das aufgrund derselben Legalität, die sie diktiert. Andererseits, sagt Schmitt, impliziert die aktuelle Unmöglichkeit, die universelle Gültigkeit des Naturrechts anzuerkennen, dessen Unfähigkeit, eine wirksame Legitimität zu begründen. Auch d'Ors sieht diese Schwierigkeiten, wenngleich er nicht auf das - klassische - Naturrecht als einen der grundlegenden Pfeiler der politischen Legitimität verzichtet. Also zwei irrige Gestaltungsformen der Legitimität. Wie soll man aus dieser Sackgasse wieder herauskommen, in die der Legalismus geraten ist? D'Ors löst die Problematik der Legitimität am Ende seines Artikels „Legitimidad" indem er m.E. auf gewisse Weise die drei Kriterien der Legitimität von Max Weber heranzieht. Auf der einen Seite steht das rationale Kriterium, das im Naturrecht zur Sprache kommt, in dem er über ein Gesetz verfügt, auf das man die Legitimität beziehen kann: das Naturgesetz. Dieses Recht impliziert nun keinen Normativismus, denn es ist nicht selbstbezogen, sondern es bezieht sich auf die Wirklichkeit der Dinge selbst, auf ihr Wesen und besitzt außerdem eine Interpretationsinstanz, nämlich die Kirche als Repräsentant Christi. Andererseits ist das Legitimationsargument dieser letzten Instanz charismatisch - weil es persönlich ist - und zugleich supra- und intrahistorisch. An dritter Stelle verfügen wir über die Geschichte, die Verfassungstradition eines jeden Volkes, die mit einem anderen der Legitimitätskriterien Webers zusammenfällt, mit dem traditionellen. D'Ors betont, dass in diesem Zusammenhang konstitutionell freilich nicht die Legalität einer gedruckten Verfassung bedeutet, „sondern die authentische Seinsweise jedes Volkes je nach dem Fortbestand seiner Tradition; mit anderen Worten, das Gesetz und die Sitten der Vorfahren, die von den nachfolgenden Generationen bewahrt wurden. Es handelt sich um eine Art Anpassung der , Natürlichkeit 4 an die historische menschliche Ordnung" 72 . Wenn man heutzutage noch von einer dynastischen Legitimität reden kann, dann muss das im Einvernehmen mit der traditionellen Legitimität geschehen und letzten Endes mit der Legitimität der Väter, auf die wir weiter oben hingewiesen haben. Welche Lösung findet seinerseits Schmitt für das Thema der Legitimität? Das, was als Legitimität gilt, ist die konstitutionelle Tradition eines jeden Volkes: substanzhaftes Recht und geschichtliche Legitimität. Als einzige positive Antwort auf die Frage der Interpretation und die Motorisierung des 72
AO, „Legitimidad", S. 147.
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Gesetzes, erscheint bei Schmitt die Zuflucht in die geschichtliche Legitimität: „Das Recht als konkrete Ordnung lässt sich nicht von seiner Geschichte loslösen. Das wahre Recht wird nicht gesetzt, sondern entsteht in einer absichtslosen Entwicklung" 7 3 . In diesem Punkt verkettet sich die These der geschichtlichen Legitimität mit der Theorie des Nomos der Erde, wie es Hofmann 74 klar sieht und wie wir seinerzeit zu zeigen versuchten 75 . Die beiden Katechonten für den Positivismus waren von alters her das Naturrecht, wenn es sich im Bereich der Interpretation der Kirche bewegte und die historische Schule mit ihrer klassischen These von den Quellen des Rechts, des Gewohnheitsrechts und des Völkerrechts. Leider blieben sie selbst ohne „Rückhalt"; das Naturrecht verfiel nach seiner Trennung von der Kirche wie auch die historische Schule dem Positivismus (vgl. Br. v. 26.6.49). Die Hoffnungen Schmitts wurden zunichte gemacht, wie aus der Formulierung aus dem Brief vom 28.6.1949 hervorgeht: „Es ist der Notschrei eines Juristen, der weiss, dass der sogenannte juristische Positivismus seit langem der reine Nihilismus ist, während Savignys Versuch eines „historischen Positivismus" gescheitert ist."
Trotz des Bekenntnisses dieses Scheiterns gibt es keine klare Darstellung irgend eines Prinzips der suprahistorischen oder rationalen Legitimität im Falle Schmitts. Er bemerkt indessen, dass er ihn braucht für eine definitive Grundlegung der Rechtswissenschaft. Wie soll man die Geschichte überwinden, ohne sich von ihr zu lösen: das ist der Abgrund, der sich vor dem deutschen Juristen auftut. Daher auch die Bedeutung, die er immer der Geschichtsphilosophie zumaß: wer in diesem Augenblick die Geschichte interpretieren kann, der kommt in den Besitz der Legitimität. Seine Feindschaft gegenüber dem Marxismus rührte daher, denn dessen Geschichtsinterpretation war damals die einzig gültige. Daher auch seine unermüdliche Suche nach einer christlichen Geschichtsphilosophie, die Thomas von Aquin nicht zu schaffen imstande war - das ist es auch, was Schmitt gegen ihn einzuwenden hat. So sagt er in dem Brief vom Gründonnerstag 1950: „Der Marxismus ist in einem so intensiven Sinne Geschichtsphilosophie, dass alles, was mit ihm in Berührung kommt, gezwungen ist, sich geschichtsphilosophisch zu orientieren. Die Masse der Menschen im Westen und Osten fragt heute nicht mehr nach Gut und Böse, Recht oder Unrecht, sondern w i l l „richtig liegen", richtig d.h. auf der Seite der kommenden Dinge. Auch der Westen hat sich eine Geschichtsphilosophie zulegen müssen, aber Toynbee ist nur ein schwacher 73 74 75
CS, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, S. 411. Vgl. Hofmann, Legitimität gegen Legalität, S. 226 ff. Vgl. Herrero, El nomos y lo politico.
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Spengler-Epigone. Das große Problem ist, ob vom Thomismus her eine Geschichtsphilosophie oder Geschichtstheologie zu gewinnen ist. Wahrscheinlich ist diese Frage für Sie als Romanisten wissenschaftlich weniger akut als für mich, mit meinen völkerrechtlichen und verfassungrechtlichen Problemen. Auch die Unterscheidung von Legalität und Legitimität ist schließlich nur als geschichtliche Interpretation zu erklären. Alle Nicht-Katholiken erkennen heute eine Links-Legitimität an, weil ihre Geschichtsdeutung links geht. Alle sind auf dem Weg nach Moskau. Das zum Thema Legitimität".
Trotzdem fand die Geschichtstheologie, die er selbst forderte, keine hinreichende Artikulation in der juristischen Grundlegung. Im Gespräch über die Macht erscheinen einige Analysen, die die Problematik der Legitimität von einem weniger historischen Gesichtspunkt aus aufwerfen und die auch Diskussionsthema in dem Briefwechsel sind. Die Macht, die anfänglich in den menschlichen Beziehungen als gegenseitige Schutzsuche und Gehorsam entsteht, ist zu einer objektiven Größe geworden. Den Menschen „ist die Macht aus der Hand geraten", genauso wie die Technik. Jeder, der an die Macht kommt, findet bereits einen Apparat mit eigenen Gesetzen vor, unter denen sich die harte Dialektik mit den indirekten Mächten befindet. An sich ist die Macht weder gut noch böse, aber auch nicht neutral; sie setzt einen Willen voraus, der immer dann, wenn er Wille zur Macht ist, böse ist. In diesem Willen entscheidet sich das Gute oder Böse der Macht und das ist eine persönliche Problematik. Es ist auch in diesem persönlichen Bewusstsein - in „dem Flur des Bewusstseins" - in dem die letzte Entscheidung über das Gute und Böse gefällt wird. Man staunt immer wieder über den Aufruf Schmitts zur letzten moralischen Unterscheidung, um eine Beziehung zur Macht herzustellen: Wer entscheidet im konkreten Fall, wer gut oder böse ist (um die Macht auszuüben), der Mächtige oder irgendein anderer? Die Tatsache, dass einer die Macht innehat, bedeutet vor allem, dass er selbst darüber bestimmt. Das ist, was zu seiner Macht gehört. Wenn ein Anderer entscheidet, dann stellt sich heraus, dass dieser Andere die Macht besitzt. Kurz, auf die Frage nach dem Grund der Macht antwortet Schmitt, dass die Macht eine objektive Größe der Wirklichkeit ist, wegen der einige Menschen anderen Gehorsam entgegenbringen, deswegen, weil es dieser Mensch und niemand anders ist, nicht aufgrund der Tatsache, dass es ein Mensch ist. Im Br. v. 16.11.54 beharrt d'Ors folgendermaßen auf der These von Schmitt: „Ich glaube, dass Sie einem erprobten Bewunderer von C.S. wie mir, und dazu einem aufrichtigen Bewunderer, in Ihrem Wohlwollen eine Vertraulichkeit zugestehen. Offen gesagt, der Dialog scheint mir wunderbar und der Vorraum ist genial aufgefangen; es tut mir nur leid, dass nicht ich die Person J. bin, die das
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Verhör anstellt ... Weil es mir scheint, dass diese humanistische Reduktion des Ursprungs der Macht nicht ausreichend ist. Das Entscheidende an dieser Problematik scheint mir das irrationale Moment zu sein, wenn wir die Basis beiseite lassen, dass eine Macht existieren muss, was vor unseren Augen als etwas Notwendiges und offensichtliches an sich erscheint (ich würde sagen von Natur aus, selbst für den technischen und glaubenslosen Menschen). Dann aber schleicht sich an zwei Stellen das Irrationale ein: 1. Der konstitutionelle Mythos über die Bestimmung der Macht (Erbmonarchie, Sieg, allgemeines Wahlrecht, usw.) und 2. Die konkrete Entscheidung darüber, wer in jedem dieser Fälle regieren soll (Geburt, militärischer oder Wahlerfolg, usw.). Dieses letztere Moment ist dem Mann von der Straße am deutlichsten bewußt, er kann sich fragen „Warum regiert X?. Und, ehrlich gesagt, für diesen technischen und glaubenslosen Bürger ist diese Macht von X nicht „den Menschen" zu verdanken, sondern dem Glücksfall d.h. einer rationalen außermenschlichen Entscheidung. Dieser Glücksfall - felicitas - des Regierenden fängt mit seiner starken Gesundheit an, mit seinen Fähigkeiten zur Entscheidung, zur Durchführung, zur Organisation, mit seinen Erfolgen bei wirtschaftlichen Verhandlungen, usw. Die öffentliche Gewalt fließt ihm als ein weiteres Anhängsel seines „großen Glücks" zu. Sehen Sie einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Börsenerfolg und dem Wahlsieg oder einem Staatsstreich? Die Gewalt kommt nie von den Menschen!". I n der Tat reduziert sich das Existentielle nie gänzlich auf die Idee. Es gibt persönliche, existentielle Umstände u n d auch strukturelle: sie hängen ab v o m konkreten historischen A u g e n b l i c k , i n dem der Mensch lebt, und von dem übergeschichtlichen der Vorsehung. Schmitt antwortet darauf i m B r i e f v o m Adventssonntag 1955: „Es ist doch typisch: der verstorbene Caesar wurde (seit Claudius oder wann?) entweder zum Gott erhoben oder als Verbrecher ausradiert. Schönes Beispiel für die Alternative, in der der Mensch als solcher steht: homo Deus, homo lupus; aber das homo homini homo ist nicht haltbar". Angesichts des homo homini homo (vgl. Br. v. 2.9.51, F N 8), das d e m demokratisch-rationalen Legitimitätsprinzip entsprechen würde, taucht das charismatische Legitimitätsprinzip wieder auf: wegen der Vörzüglichkeit eines Menschen, was auch i m m e r seine Herkunft sein mag. Es scheint, als würde der Jurist aus Plettenberg hier auf einen anderen Legitimitätstyp anspielen. Es ist jedoch schwierig, bei Schmitt einen rationalen, übergeschichtlichen Legitimitätstyp zu finden, trotz der politischen Theologie. Analysieren w i r diesen Punkt. b) Politische
Theologie
und
Legitimität
Schmitt anerkennt, dass ohne irgendeinen suprageschichtlichen L e g i t i m i tätstyp jegliche geschichtliche, charismatische oder rationale L e g i t i m i t ä t wehrlos der Trivialisierung durch den Positivismus ausgesetzt ist. Das bestätigt er i n Der Begriff des Politischen:
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„Das Wort Silete theologi!, das ein Jurist des Völkerrechts am Beginn der staatlichen Epoche den Theologen beider Konfessionen zugerufen hat, wirkt immer noch weiter" 7 6 .
Mit diesem Ruf wird der Gang der Rechtswissenschaft in den beiden letzten Jahrhunderten eröffnet. Er beschreibt es meisterhaft in Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft. Das Recht, seit es als Wissenschaft konstituiert ist, stand zwischen zwei Feuern: einerseits die Theologie und die Philosophie und andererseits die Technik. Die Abhängigkeit von den beiden ersteren - in einem Augenblick, in dem die Theologie sich in ein säkularisiertes Naturrecht verwandelt hatte (17. und 18. Jh.) und die Philosophie in einen Idealismus - war so schwerwiegend wie der rationalistische Technizismus, in dessen Netzen sie sich heute befindet. Bei Aufgabe der Theologie strebten die Juristen die Bildung einer eigenen Tradition an, getrennt von der Theologie, um die Problematik des gerechten Kriegs sauber lösen zu können. Indessen, was sie durch der Loslösung vom Dogma erreichten, war nicht die angestrebte Autonomie, sondern der Kompromiss mit dem Rationalismus und dem Fortschritt 77 . Mit diesem Schrei nach Autonomie, mit dieser Aufforderung zum Schweigen an die Theologen beginnt die Epoche des Staates und mit ihr der Prozess der Säkularisierung und die Epoche der Juristen 78 . Aber am Ende begann mit ihrer Epoche ihre eigene Krise. Die Krise der Rechtswissenschaft ist die Krise des Gesetzes, die mit dem Erscheinen eines immer einfacheren und beschleunigteren Gesetzgebungsverfahren beginnt. Das Gesetz erleidet eine „Motorisierung" in aufeinanderfolgenden Phasen 79 . Die letzte kam mit der ökonomischen Ordnung eines einheitlichen Marktes. In ihm verwandelt sich das Gesetz in ein elastisches Mittel, das je nach den Interessen geformt und verformt wird. Was in diesem Prozess stattgefunden hat, ist, wie Schmitt selbst feststellt 80 , dass seit 1815 in Frankreich eine radikale Antithese zwischen Legalität und Legitimität entsteht, die in eine Verwischung der beiden Begriffe mündet, die durch die Formel „legale Legitimität" symbolisiert wird. Sie setzt dem Recht selbst ein Ende, denn es fehlt ihm der „Rückhalt" für die erwähnte Motorisierung und Technifizierung des Gesetzes. P. Laberthonniere schreibt in diesem Zusammenhang, „dass die Maxime ,Gesetz ist Gesetz4 im Grunde dasselbe bedeutet wie ,Krieg ist K r i e g 4 " 8 1 .
76
CS, Der Begriff des Politischen, S. 15. Vgl. CS, Ex Captivitate Salus, S. 55-78. 78 Vgl. CS, Politische Theologie II S. 110-111. 79 CS, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, S. 404 ff. 80 Vgl. CS, „Das Problem der Legalität", S. 449; CS, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, S. 429. 81 Zit. CS, „Das Problem der Legalität", S. 448. 77
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Mit dem Ziel, eine Grundlage für die Rechtswissenschaft zu suchen, neigen viele Juristen in der letzten Zeit dazu, die Theorie der Werte ins Feld zu führen, weil sie wissenschaftlicher scheint als die alte thomistische Theorie des Naturrechts. Aber nach der Auffassung von Schmitt sind der Wert und die Weitetheorie nicht dazu imstande, irgendeine Legitimität zu begründen, denn sie gehören zu der Welt der Inmanenz 82 . Schmitt legt mit großer Deutlichkeit das Ende einer Legitimität dar, die auf eine potestas spiritualis gegründet ist, und teilweise tut er das mit Befriedigung. Er fühlt sich der Gruppe von Juristen verwandt, die jenes Silete Theologi! ausriefen; er nimmt jedoch nicht die Perspektive der neuen Zeiten an, die auf jene folgten, die mit einem Schritt in Richtung Säkularisierung beginnen. Die neuen Zeiten wurden mit einem neuen Ausruf formuliert: Silete Jurisconsult? 3. Und er appelliert an die „Rechtswissenschaft als letztes Asyl des Rechtsbewusstseins". Eine neue Grundlegung der Rechtswissenschaft und des Politischen ist vonnöten, weil sich das Prinzip der Legalität, auf sich selbst belassen, zu einer unendlichen Hermeneutik hin öffnet, bis zu der Tatsache, dass es sich gegen sich selbst richten kann und gegen die Grundlagen einer jeden Gesellschaft. Daher ist die definitive Frage in einer Gesellschaft, die nach dem Prinzip der Legalität regiert wird, „quis interpretabitur?". Diese Frage wird jedoch immer von außerhalb des gesetzlichen Systems selbst gestellt und wenn sie sich nicht auf das Unendliche beziehen will, muss sie in eine andere verwandelt werden, nämlich in „Quis iudicabit?" 84 , sowohl für die Verabschiedung eines konkreten Gesetzes, als auch für die Bestimmung einer politischen Situation, und zur Entscheidung über das Gute und Böse oder was irdisch und was geistlich ist. Tatsächlich ist die Grenze der Interpretation das Urteil, sagt d'Ors zu Schmitt; jegliches Urteil, aber auf eine definitive Art das letzte Gericht. Angesichts dieses letzten Urteils erhalten die übrigen ihre Bestimmung. Wenn es kein letztes Urteil gibt, das darüber hinaus vernünftig ist, dann sind alle interpretativen Eingriffe dezisionistisch. Andererseits kann man nicht ad infinitum vorgehen bei der Interpretation, denn das Leben ist mächtiger als die Interpretation: das Leben ist Urteil. Diese Bemerkung wird von Schmitt mit Anerkennung aufgenommen, der im Br. v. 29.2.1952 antwortet: „Ihre Aufforderung, über das Judicium Universale' zu schreiben, fällt bei mir auf fruchtbaren Boden. Das ist in der Tat das große Thema, vor dem der ganze Spuk des Progressismus und der Geschichtsphilosophie versinkt. Ihre Frage: Wie ist es 82 83 84
CS, Die Tyrannei der Werte, S. 21. CS, Der Nomos der Erde, S. 212. Vgl. CS, „Die vollendete Reformation", S. 64-65.
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Abb. lb: Älvaro d'Ors und Carl Schmitt
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Abb. 2: „Hobbes-Kristall" - Zeichnung von Carl Schmitt
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möglich, dass die Juristen sich nicht für dieses iudicio interessieren?, ist berechtigt. Ich füge noch hinzu: Wie kommt es, dass gerade das Naturrecht keinen Zugang mehr zu diesem ,iuidicium' hat? Weil es im Normativismus untergegangen ist. Der Kern des Christentums, die ,tria mirabilia' sind ungeheuerliche Ereignisse, Fakten, nicht subsumierbare Anwendungsfälle von Normen. Ich bin Ihnen aus ganzen Seele dankbar, lieber Don Älvaro, dass Sie mich zu solchen großen Aufgaben ermuntern wie es die Betrachtung des Judicium universale' ist".
In diesem Punkt treffen wir auf die Thematik, die Schmitt uns durch den „Hobbes-Kristall" bietet, den er in den Hinweisen von Der Begriff des Politischen 85 zeichnete und der ein Gesprächsthema zwischen den beiden Juristen war, wie sich aus dem Br. v. 24.3.1965 und aus der Zeichnung des Hobbes-Kristalls, die Schmitt am 22.8.1961 an d'Ors sandte. „Oben offen für Transzendenz 1. Veritas: Jesus Christus 2. Quis interpretabitur? , 3. Auctoritas, non Veritas facit legem. 4. Potestas directa, non indirecta 5. Oboedientia et Protectio Unten geschlossen: System der Bedürfnisse"
Das Problem ist die „für Transzendenz hin offene Tür". Das sagt Schmitt uns selbst einige Jahre später: „Der Hobbes-Kristall zeigt, dass der Positivismus die Transzendenz nicht ausschließt (sowenig wie die Transzendenz den Positivismus)" 86 .
In der ersten Darstellung, die er von dem Kristall vorlegt, analysiert Schmitt vorwiegend die Ebenen 1-5 von oben nach unten. Er geht aus von einer theologischen Erklärung, „Veritas: Jesus Christus" und geht nach unten: Quis interpretabitur?, quis judicabit?, das heißt: „Wer deutet und vollzieht in rechtsverbindlicher Weise diese fortwährend interpretationsbedürftige Wahrheit? [...] Wer münzt die Wahrheit in gültige Münze um?" 8 7 .
Die wichtige Rolle spielt hier die dezisionistische auctoritas interpositio. Die „für Transzendenz offene Tür" erscheint als „Ausweg" ohne einen genauen Inhalt: sie ist keine Grenze der Interpretation. Trotzdem widmet er der Achse von unten nach oben keine Beachtung 88 . In dieser Richtung wird 85 86 87
CS, Der Begriff des Politischen, S. 122. CS, „Die vollendete Reformation", S. 66. Vgl. Ibid. S. 67 ff.
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gezeigt, wie die „existierende Wahrheit" effektiv wird. Christus erscheint als die Grenze der Interpretation. Die Offenbarung und der autorisierte Interpret, den die Kirche bestellt, verleihen der Wahrheit einen konkreten Inhalt. Hier muss der legale Positivismus haltmachen. Das letzte Gericht - das Urteil Gottes über die konkrete Geschichte - ist die Grenze alles „unaufhörlichen Quis judicabit?" Ohne eine Begrenzung der Interpretation ist es nicht möglich, aus dem Legalismus herauszugelangen, obwohl in der Tat die Erkenntnis, dass eine persönliche juristische Entscheidung hinter jedem positiven Gesetz steht, bereits einen Schritt bedeutet, der einen technokratischen, normativistischen Ansatz verhindert und das ist es, was Schmitt eigentlich an Hobbes in seiner Schrift von 1965 lobte 8 9 ; eine These, die anfangs überrascht, der sein Buch über Hobbes, Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes von 1938 gelesen hat, wo er eher die Betonung auf den technisch-strukturellen Aspekt der Hobbesschen Staatskonstruktion legte. Indessen fehlt in der Lösung, die Hobbes und Schmitt in der Problematik der Interpretation vorlegen, die Grenze: Auctoritas non Veritas facit legem. Hier erscheint die auctoritas mit der Veritas konfrontiert und bedeutet eher Macht, in Wirklichkeit potestas directa. Es ist merkwürdig, dass Schmitt dieses Argument nicht weiterentwickelt hat, denn er kannte die Unterscheidung zwischen auctoritas und potestas und hat auch erkannt wie Hobbes die auctoritas zur summa potestas ausgedehnt hatte, womit er das Wesentliche der Unterscheidung verwechselt und damit „die vollendete Reformation" vollzieht 9 0 . Das Charakteristische an diesem reformistischen Geist ist das Fehlen einer Grenze für jede Willenshaltung, was dann seine Begründung in der Tatsache hat, dass die „für die Transzendenz offene Tür" auch wieder interpretierbar wird. Für d'Ors wird diese Problematik im Sinne einer bestimmten konkreten Ordnung gelöst (vgl. Br. v. 19.3.1964; Br. v. 24.3.1965): die sozial anerkannte Wahrheit - auctoritas - ist die gültige Interpretationsgrenze in jeder politischen Gemeinschaft - potestas -. Dies ist nun aber nicht ausreichend für eine definitive Grundlegung: im absoluten Sinn ist die geoffenbarte Wahrheit das Fundament einer jeden auctoritas, die Grenze einer jeden Interpretation und aller Macht; eine innere Grenze für die Macht selbst. Daher kann für ihn die wirkliche Grenze alles Legalismus nur aus einem theologisch-politischen Ansatz bestimmt werden. 88 Ausführlich kommentiert von D i Marco, Thomas Hobbes, bes. S. 157-231, der indessen nicht auf den Aspekt der Fragestellung eingeht, den ich im Folgenden darlege. 89 Vgl. CS, „Die vollendete Reformation", S. 67 ff. 90 Vgl. CS, Der Hüter der Verfassung, FN 13 des Teils I I I sowie CS, „Die vollendete Reformation", S. 188.
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Diese kritischen Bemerkungen von d'Ors zum Hobbes-Kristall sind in seinem Kommentar zum Glossarium 91 zu finden: letztendlich liefert Schmitt, wenngleich er eine transzendente Wahrheit in Betracht zieht, keine Lösung für die Problematik der Legitimität. Und gerade deshalb, weil er wie d'Ors sagen würde - den Weg der politischen Theologie verwechselt. Schmitt meint, dass es eine theologisch-politische „res mixta " gibt und versucht, die korrekte Beziehung zwischen den Polen geistlich-irdisch, Religion-Politik, Kirche-Staat aufzustellen 92 . Diese Paare als in der konkreten politischen Realität entweder vereint oder getrennt zu verstehen, ist kein schon gelöstes Problem, sondern impliziert immer eine Entscheidung. Die These Schmitts besteht in der Verteidigung des Unterschiedes zwischen Kirche und Staat, in der Leugnung der Trennung zwischen dem Religiösen und dem Politischen, dem Geistlichen und dem Irdischen. Schmitt unternimmt den Sprung vom Politisch-Juristischen zum Theologischen vom Begriff der Souveränität aus. Nur von Gott aus als souveräne Macht können wir mit vollendeter Genauigkeit verstehen, was politische Souveränität bedeutet. Daher auch seine Insistenz auf der Analogie Wunder/Ausnahme 93 . Tatsächlich ist die Schöpfung aus dem Nichts, die Setzung des Seins selbst die Entscheidung schlechthin, die reine Ausnahme. Schmitt erwähnt das Wunder als Beispiel, denn es ist leichter mit der Entscheidung über die konkrete Ausnahme des politischen Souveräns zu vergleichen 94 . Der Souverän bekleidet die Macht, er kann absolut über einen konkreten Ausnahmefall entscheiden, nur weil die Macht als etwas Absolutes existiert. Gott stellt sich in den Augen der politischen Theologie vor allem als Macht dar, wie bereits aus den Schriften Hobbes' hervorgeht. Die letzte Legitimität der Theologie gründete nicht auf einer Rationalität, sondern auf einem Willen - oder besser, ihr Grund ist ein Wille - : auctoritas und potestas, Legalität und Legitimität sind vermengt im Ursprung und nur der Ursprung kann uns den Schlüssel zu ihrer Unterscheidung liefern. Für Schmitt ist die politische Theologie kein Handlungskriterium für die Politik, sondern ihre letzte Begründung. Die Frage ist nicht, ob die Theologie Kriterien für die konkrete Entscheidung liefert, sondern ob sie im Bewusstsein des Menschen gegenwärtig ist, wenn er in einem bestimmten Augenblick eine Entscheidung trifft, und dass sie eine Metaphysik der Realität begründet, von der die Prinzipien der Ordnung und das Wesen der politischen Realität ausgehen können. 91 92 93 94
AO, „Das ,Glossarium'", S. 251 ff. CS, Politische Theologie, II, S. 18. CS, Politische Theologie, S. 49 Ibid., S. 11 (bzw. 13).
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Die Schmittsche politische Theologie fordert einfach die Hypothese der Anerkennung der systematischen Struktur-Verwandschaft der theologischen und juristischen Begriffe 95 . Und das im Grunde aus einem historischen Grund, weil nämlich alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre säkularisierte theologische Begriffe sind. Er lässt sich nun nicht auf eine systematische Analyse der möglichen Inhalte dieser Analogien für die juristische und politische Praxis ein. Nur in Politische Theologie II zeigt er sich sehr wagemutig bei seinen Betrachtungen der Dreifaltigkeit in Verbindung mit der politischen Theorie. Darin will er aufzeigen, dass eine trinitarische Auffassung Gottes sein Kriterium des Politischen bestätigt: er kommt zu dem Schluss, dass das Politische seinen Grund in Gott selbst hat. Wir befinden uns zweifelsohne auf einer metahistorischen, rationalen Argumentationsebene, aber das ist jedoch Wissenschaft, sei sie nun juristisch oder politisch, und keine konkrete Aktion. Für d'Ors ist die politische Theologie ebenso relevant; es gibt jedoch zwei Punkte, in denen sie unterschiedlicher Meinung sind: einmal in der Methode und dann in der Schlussfolgerung. Vom methodologischen Gesichtspunkt aus scheint d'Ors der Vorschlag Schmitts insofern schwach, als dieser davor zurückschreckt, konkrete politische Schlussfolgerungen aus den theologischen Dogmen zu ziehen. Andererseits scheint ihm die von Schmitt geforderte begriffliche Analogie nicht möglich, denn eine adäquate „Homoclisis" zwischen Kirche und Staat und konsequenterweise zwischen den theologischen und juristischen Begriffen und zwischen der Macht Gottes und der politischen Macht ist nicht möglich 9 6 . Bezüglich der Schlussfolgerung gelangt d'Ors zu der Überzeugung, dass eine konsequente politische Theologie zur Leugnung der Legitimität einer souveränen Macht führen muss. Die Stellungnahme von d'Ors zu den Schmittschen Thesen ist hauptsächlich in „Teologia Politica: una revision del problema" dargelegt. Dort verweist er auf die Enzyklika Quas Primas von Pius XI. als Grundlage jeder politischen Theologie. Seiner Meinung nach, muss man, um eine christliche politische Theologie zu betreiben, von klaren Dogmen ausgehen und aus ihnen notwendige rationale Schlüsse ziehen. In diesem Sinne hebt d'Ors vor allem ein Dogma hervor; es ist das, in dem Christus als König und zugleich als Gesetzgeber und Richter dargestellt ist. Die Macht Christi legitimiert sich selbst. Alle politische Macht ist von der Macht Gottes abgeleitet und von ihm stammt auch die letzte Legitimation: sich nicht seinem Willen zu widersetzen. Die hauptsächliche politische Folgerung aus dem Dogma des Königtums Christi, auch für die Ungläubigen, ist allen Anspruch auf 95 96
CS, Politische Theologie, II, S. 79. AO, Parerga Historica, S. 106.
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eine absolute politische Macht auszuschließen, sei sie nun autokratisch oder demokratisch. Das heißt Ausschluss der souveränen Macht, gerade weil jede politische Macht von einer überkonventionellen Macht revidiert werden kann, die setzt, was ursprünglich Gesetz ist. Die Macht, die sich diesem ursprünglichen Gesetz beugt, ist diejenige die wir legitime Macht nennen. Wie d'Ors zu Recht behauptet, kann man die Unterscheidung zwischen legal und legitim nicht treffen, wenn man nicht von vornherein zwischen positivem und überkonventionellen Gesetz unterscheidet. Das geschieht sowohl in der Kirche - das erkennt Schmitt ebenso an 9 7 - als auch im modernen Staat. In beiden Fällen ist jedes Gesetz immer gerecht, wenn auch aus entgegengesetzten Gründen 98 . Kurz, wenn alle Macht delegiert ist, dann ist letzten Endes die von Gott durch die Anerkennung des Volkes verliehene Macht legitim. „Die soziale Anerkennung - sagt d'Ors - ist somit eine Bedingung der Legitimität der politischen Macht, aber nicht ihr Ursprung" 99 .
Daher sind die Grenzen der potestas immer in einem gewissen Maße irrational. In diesem Zusammenhang ist die Argumentation interessant, die d'Ors Schmitt vermittelt und die weiter unten in Br. v. 16.11.1954 zitiert wird. Dennoch spricht Schmitt nicht gerne über theologische Fragen, wie aus dem Br. v. 13.9.1951 hervorgeht, in dem er seine Meinung zu dem oben zitierten Artikel bezüglich der politischen Theologie darlegt: „Der Aufsatz fängt sehr juristisch an; wir beide fühlen uns mit Stolz als Juristen. Dann aber, auf Seite 3 des Manuskripts, beginnt eine rein theologische Erörterung bei der Sie zweifellos Recht haben und mich durchaus überzeugen, bei der wir aber beide in die Gefahr geraten, dass uns ein Theologe zuruft; Silete Jurisconsulti, in munere alieno!".
Aber die d'Orssche Antwort ist unerschütterlich: die radikal durchdachte Problematik der Legitimität führt uns zur Theologie, denn wie soll man vermeiden, dass man in die positivistische Legalität verfällt, wenn es keine unwiderrufliche Grenze für die Interpretation gibt? Das ist die Schwelle hinter der das Licht erscheint für eine authentische Grundlage des Rechts und des Politischen. Es ist auch die Schwelle, vor der Schmitt und d'Ors die Problematik der Legitimität ansiedeln.
97 98 99
CS, „Das Problem der Legalität", S. 449. AO, La violencia y el orden, S. 76-77. Ibid. S. 89.
Abb. 3: Carl Schmitt in der Universität von Navarra am 15. 3. 1962
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Zwei scharfsinnige Intelligenzen und ein ausgedehnter Dialog. Der Katholizismus befruchtet das Denken und die Existenz beider Autoren. Bei Schmitt in einer eher existentiellen als doktrinären Weise, im Kampf gegen den kulturellen Protestantismus und den deutschen antirömischen Affekt, aber auch gegen den Liberalismus. Bei d'Ors bestimmt der doktrinäre und existentielle Katholizismus sein gesamtes Denken. Auch bei ihm macht er sich in dem Kampf gegen die Folgen des Protestantismus im Recht und in der Politik bemerkbar und daher in einem Antiliberalismus: aber der Schlüssel, um die Unterschiede zu seinem Meister aufzudecken, liegt in der Tatsache, dass sein Denken vom Staat absieht, dessen historische Zufälligkeit er gerade von dem erlernte, der nie vom Etatismus absehen konnte, als er sich als „den letzten Vertreter des ius publicum europaeum" bekannte. Der Schüler bezeichnet sich, wie der Meister, als „christlicher Epimetheus". Beide sind mutige Kämpfer in der politischen Auseinandersetzung. Beide betrachten sich als Besiegte auf der Bühne der Tatsachen, aber niemals scheuten sie davor zurück, ihre Ideen und Haltungen zu verteidigen, all das, was sie im Dialog und der Reflexion für das Wahre und Gerechte hielten. Jeder edle Mensch kämpft für unmögliche Ziele.
Die Briefe
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1 (Spanisch geschr.)
Hotel Astoria, Avenida Emidio Navarro, Coimbra 17. Dezember 1948 Verehrter Herr Professor und lieber Freund, Ich bin nach Coimbra gekommen, um ein romanistisches Seminar 1 zu halten, das bald zu Ende gehen wird und Professor Cabral de Moncada 2 gab mir Ihre Anschrift, die ich schon seit einiger Zeit zu erfahren suchte3. Es freut mich sehr, diese indirekten Nachrichten von Ihnen zu bekommen und ich möchte Ihnen einige Zeilen zukommen lassen, die ich dazu nütze, Ihnen behutsam Weihnachtswünsche zu senden, behutsam wegen Ihrer Lebensumstände4, aber immerhin Glückwünsche, denn die Weihnacht galt für alle, besonders aber für die Leidenden. Professor Moncada zeigte mir die Verse des Trinkspruchs 5 , die mich durch ihre Form erheitert, durch ihren Inhalt jedoch bewegt haben. Die Arbeit über Tocqueville 6 konnte ich noch nicht lesen. Wenn Sie mir keinen gegenteiligen Bescheid geben, werde ich Ihnen einige meiner kleinen Veröffentlichungen schicken, in denen der Meister seine Saat wiedererkennen kann 7 . Schreiben Sie mir immer nach Santiago de Compostela. Seit September 1944 bin ich an der Universität von Santiago8. Dieser Hinweis genügt, denn es ist eine sehr eingeschränkte Stadt, mit wenig mehr als dem religiösen und akademischen Leben. Eine Stadt nach meinem Geschmack! Mir fehlen die Worte, um ihnen auszudrücken, wie sehr ich Ihr Missgeschick bedauere und mit welcher Aufrichtigkeit ich Gott um Beistand und Erleuchtung für Sie bitte. Ich bin gewiss, Er wird sie gewähren. Wenn Sie etwas aus Spanien brauchen sollten und es in meiner Macht steht, werde ich es Ihnen mit Vergnügen besorgen. Ihr sehr ergebener
Älvaro d'Ors
P.S. Mein Vater ist noch immer in Madrid.
1
Alvaro d'Ors war von 1945 bis 1948 Gastprofessor an der Universität Coimbra. Der Aufenthalt, auf den er sich in diesem Brief bezieht, war der letzte als Professor. Späterhin kam er zurück aus Anlass der Promotion des Pater Cruz, eines seiner dortigen Schüler, und danach zur Verleihung der Ehrendoktorwürde dieser Universität. 2
Luis Cabral de Moncada (1888-1988) war Ordinarius für Rechtsphilosophie in Coimbra ab 1919; sein Interesse für die deutsche Rechtsphilosophie und -theorie
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wie für die deutsche Kultur insgesamt war sehr rege; vgl. dazu den kenntnisreichen Aufsatz von Jayme: „Luis Cabral de Moncada und seine Beziehungen zu Deutschland". Die Universität Heidelberg verlieh ihm 1936 die Ehrendoktorwürde. 1930 veröffentlichte er eines seiner hervorragendsten Bücher Do Valor e Sentido da Democracia. Er publizierte auch u.a. Filosofia do Dereito e do Estado, I, 1947 (dazu die anonyme Rez. von Schmitt); Estudos de Historia do Dereito, 3 Bde., 1948/50; O Dereito International Publico e a Filosofia Da Esencia e Conceito do Politico , 1961; Problemas de Filosofia Politica, 1963; postum sind unterdessen seine Memörias erschienen, 1992 alles in Coimbra; vgl. auch seinen Beitrag in Epirrhosis, „Das heutige Völkerrecht und seine Grenzen", S. 103-13; über die Beziehung zu Schmitt auch Schmittiana VI, S. 241 f. Schmitt sprach am 16. 5. 1944 an Moncadas Lehrstuhl in Coimbra über die Lage der europäischen Rechtswissenschaft und referierte dabei in französischer Sprache. Cabral de Moncada und Carl Schmitt nahmen die Korrespondenz zu Beginn des Jahres 1948 wieder auf. Darin ist diese Vermittlung von Cabral de Moncada mit dem Ziel der Wiederaufnahme des Briefwechsels zwischen Schmitt und d'Ors erwähnt. So dankt ihm Schmitt in dem Brief vom 9.1.1949: „Vielen Dank für Ihre Mitteilungen über Ortega und den italienischen Autor (Gorla)! Und dafür, dass Sie die Wiederbegegnung mit Älvaro d'Ors herbeigeführt haben! Ich habe inzwischen einen Brief und 4 höchst interessante Abhandlungen von ihm erhalten, ihm auch nach Santiago geschrieben". (Jayme, Luis Cabral de Moncada und Carl Schmitt, S. 14). Über Cabral de Moncada vgl. auch Schmittiana VI, S. 242. 3 Die Beziehung war durch Schmitts Festnahme unterbrochen worden. Schmitt wurde am 26. 9. 1945 in das „Interrogation Center" am Wannsee gebracht, von dort am 31. 10. 1945 in das Internierungslager Lichterfelde-Süd, wo harte Bedingungen herrschten, am Anfang des Jahres 1946 in das „Civilian Detention Camp" BerlinWannsee; er blieb bis zum 10. 10. 1946 in US-Haft. A m 19. 3. 1947 wurde er in seiner Berliner Wohnung erneut festgenommen und am 29. 3. nach Nürnberg in das Justizgefägnis verbracht, wo ihn R. M. W. Kempner am 3., 21. u. 29. 4. 1947 verhörte; vgl. CS, Antworten in Nürnberg, S. 11 ff.; vgl. auch Kempner, Ankläger einer Epoche. bes. S. 129-131. Schmitt verblieb noch einige Tage im Zeugenhaus und wurde am 21. 5. 1947 entlassen und kehrte nach Plettenberg zurück. Unter diesen Umständen schrieb er Ex Captivitate Salus, eine Zusammenfassung seines existentiellen Sinnverständnisses. Von nun an lebte er bis zu seinem Tode in seinem Geburtsort Plettenberg. Dies ist der Grund, warum seine spanischen Freunde den Aufenthaltsort und die Anschrift Schmitts nicht kannten. Älvaro d'Ors (1915 in Barcelona geboren) lernte Schmitt 1944 in Granada kennen, als er dort als Ordinarius wirkte. Er hatte bereits durch seinen Vater, den Philosophen u. Essayisten Eugenio d'Ors (1881-1954), von ihm gehört. Der Philosoph d'Ors schloss Freundschaft mit Schmitt während dessen erster Spanienreise im Jahre 1929 (vgl. E. d'Ors, „Ideas de Karl Schmitt") aus Anlass zweier Vorträge Schmitts: einer als Beitrag zum 6. Jahreskongress des Internationalen Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit, der vom 16. bis 19. Oktober 1929 in Barcelona stattfand, wo Schmitt über „Die europäische Kultur in Zwischenstadien der Neutralisierung" sprach. (Vgl. Br. v. 9. 4. 1957); der zweite über Donoso Cortes, den er am 23. Oktober im Centro de Intercambio Intelectual Germano-Espanol von Madrid hielt, „Donoso Cortes. Seine Stellung in der europäischen Geschichte der Staatsphilosophie"; ein Umstand, den Schmitt in seiner Antrittsrede im Institut für Politische Studien 1962 erwähnte. Eugenio d'Ors war damals Vertreter Spaniens beim Internationalen Institut des Völkerbundes für Intellektuelle Zusammenarbeit und wohnte in Paris. Er reiste je-
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doch häufig nach Madrid. Zwischen beiden Männern entstand eine enge Freundschaft, bei der sie ihre gemeinsamen Interessen entdeckten, wie aus dem Abschnitt des Briefes zu ersehen ist, den E. d'Ors im Dezember 1930 an Schmitt schrieb. [Arxiu Nacional de Catalunya, caja 54, nr. 04010103]: „Sehr verehrter Professor und Freund: Seit langem habe ich das Verlangen Ihnen zu schreiben, um den bei unserem Zusammentreffen in Madrid und Barcelona aufgenommenen Gedankenaustausch wiederzubeleben und um die Zusendung ihrer vortrefflichen Studie Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus und den Vortrag über Donoso Cortes zu kommentieren". In diesem Brief bat E. d'Ors Schmitt auch um ein Vorwort zu dem damals vorbereiteten Gesammelten Schriften Donoso Cortes, die jedoch nicht zustandekamen; die erste Obras Completas erschienen, zweibändig, erst 1946 in der Madrider „Biblioteca de Autores Cristianos" und wurden editiert von dem deutschen Historiker Juan (Hans) Juretschke. E. d'Ors berichtete auch über einige seiner Kommentare zu Politische Romantik und über die Absicht, dieses Buch in spanischer Sprache herauszubringen. Auch dieses Projekt scheiterte; die erste Ausgabe in spanischer Sprache erschien in Argentinien, mit einer Einleitung von Jorge E. Dotti, S. 9-62. Wie aus dem Inhalt des Briefes hervorgeht war Politische Romantik, das erste Buch Schmitts, das Eugenio d'Ors in die Hände fiel; von diesem Zeitpunkt an finden sich viele Kommentare E. d'Ors zu Schmitt in seinem Glossario (vgl: „Karl Schmitt y la politica romäntica", „Romanticismo Politico") Die Freundschaft war von Dauer. Älvaro d'Ors berichtet z.B. eine Anekdote aus dem Jahre 1943 - ein Jahr bevor er Schmitt kennenlernte - : „ I m Frühjahr 1943 bat Carl Schmitt meinen Vater, er solle ihn in den Prado begleiten, um den „Garten der Lüste" [Nr. 30] zu sehen, um gemeinsam zu überprüfen, ob die häretische Interpretation eines ,deutschen Freundes' annehmbar sei. Schmitt erwähnte den Namen nicht, ich vermute jedoch, dass es sich um Fraenger handeln könnte. (...) Die Schlussfolgerung aus diesem Besuche war, dass die angemessenste Interpretation folgende sei: ,1m Werk des verteufelten Künstlers sei weniger Propaganda als ein Echo zu suchen, und eher noch als ein Echo einer konkreten Doktrin das Echo einer zeitbedingten Tendenz der Sensibilität'" (AO, „De Bosco a Bruegel"). E. d'Ors schildert dem gemeinsamen Besuch in: „Si el Bosco fue Hereje" [Ob Bosch Häretiker war]. Der Kunsthistoriker Wilhelm Fraenger (18901964) war mit Schmitt befreundet; er befasste sich bes. mit dem Werk von Matthias Grünewald (14607-1528) und Jörg Ratgeb (14807-1526), vor allem aber mit Hieronymus Bosch (1590-1635). Seine gesamten Schriften zu Bosch finden sich in Hieronymus Bosch. Fraenger hielt dafür, dass „Der Garten der Lüste" die Gedankenwelt einer ketzerischen Sekte, der „Brüder und Schwestern des Freien Geistes", darstelle. Vgl. auch 2 Briefe Fraengers an Schmitt v. 1944 u. 1947 in: Schmittiana VII, S. 312-317. Die Freundschaft seines Vaters mit Schmitt weckte ein großes Interesse seitens A. d'Ors', Schmitt auch kennenzulernen, von dem er schon so viel hatte reden hören. Er nutzte die erste Gelegenheit, eine Reise Schmitts nach Granada, wohin dieser von dem Staatsrechtler Luis Sanchez Agesta (1914-1997) eingeladen worden war, um einen Vortrag zum Thema „Vitoria y su fama" [Vitoria und sein Ruhm] zu halten. Älvaro d'Ors schildert dieses Treffen mit folgenden Worten: „ A m 27. Mai 1944 kam Carl Schmitt nach Granada. A m 28. aß ich mit ihm i m „Palace" und danach hielt er einen Vortrag über „Vitoria y su fama", in dem er den Missbrauch hervorhob, der mit den Ideen des spanischen Dominikaners seitens einiger späterer, sehr unterschiedlicher Strömungen getrieben worden war. A m Pfingstsonntag, dem 29., gingen wir zur Messe. Wir aßen zusammen, eingeladen von
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Sanchez Agesta in dessen Haus. Danach begleitete ich ihn bis zur Casa del Chapiz, wo ein Umtrunk zu seinen Ehren dargeboten wurde. A m Morgen des 30. verabschiedete ich mich von ihm am Bahnhof. Ich hatte ihn vorher nicht gekannt, aber während dieser drei Tage hatte ich engen Kontakt mit ihm und wir führten sehr gehaltvolle Gespräche. Er ist sehr an Problemen des Römischen Rechts interessiert. In der allgemeinen Philosophie interessiert ihn zur zeit der Nomos als territorial verteiltes Recht: die Bindung eines Rechtes an ein Territorium. Andererseits schlug er mir als Studienthema den Modus des ,summum ius' (von Stroux) [und] das ,inter arma silent leges4 vor. Vom Römischen Recht interessieren ihn auch die Begriffe der fas , ius, lex, usw. 5. Juni 1944. Ich verlasse Granada". A. d'Ors, De mi Cuaderno XXVI (Ex manuscripto) (April-Juni 1944), 2512. Danach sahen sie sich in Madrid wieder (Hinweis aus dem Manuskript seiner Catalipömenos mataescolästicos), aber bereits 1945 wurde die Freundschaft durch die oben erwähnten Umstände unterbrochen. Wie aus dem Brief vom 30. 12. 1948 zu ersehen ist, schickte ihm Älvaro d'Ors eine Postkarte, die wir jedoch nicht auffinden konnten. M i t vorliegendem Brief wurde die Beziehung wieder aufgenommen. 4 Wahrscheinlich wollte Älvaro d'Ors die politische Situation Carl Schmitts in diesem Augenblick mit neuen Beziehungen zu Spanien, wo Francisco Franco regierte, nicht noch mehr belasten. 5 Möglicherweise bezieht er sich auf den am 8. 7. 1948 geschriebenen „Gesang des Sechzigjährigen", wie aus seinem Glossarium, S. 177) zu ersehen ist. Carl Schmitt hatte sie Cabral de Moncada geschickt, wie aus einem Brief vom 20. 8. 1948 hervorgeht (vgl. E. Jayme) und Cabral de Moncada zeigte sie d'Ors. 6 Sehr wahrscheinlich handelt es sich um „Existentielle Geschichtsschreibung", die Schmitt im Sommer 1948 „aus der Gefangenschaft" verfasste und erst 1950 auf Deutsch veröffentlichte. Der Essay wurde einige Jahre zuvor ins Portugiesische übersetzt. Das ist die Fassung, von der Älvaro d'Ors redet und die ihm zusammen mit dem Trinkspruch von Cabral de moncada überreicht wurde. 7
Wie Älvaro d'Ors selbst in seinen Catalipömenos gesteht: „Carl Schmitt war für mich ein großer Meister, wenngleich ich akademisch gesehen nicht sein Schüler war, noch, genau besehen, zu den Anhängern seiner Doktrin gezählt werden kann. Sein Lehramt war für mich eher anregend und erleuchtend als formierend". Schmitt war für d'Ors ein stetiger Bezugspunkt, jemand, der ihn verstehen konnte, mit dem er Zwiegespräch halten konnte; ein höchst geschätzter Partner für jemand, der die Probleme und Fragen zu Ende denken wollte. Meiner Meinung nach war die Möglichkeit des gegenseitigen Verständnisses und des wahrhaften Dialogs das, was sie beide sich gegenseitig so hochschätzen ließ. Wenn man den Altersunterschied in betracht zieht, erkennt man bei Älvaro d'Ors eine ehrfürchtige Haltung gegenüber Schmitt. 8 Älvaro d'Ors erlangte den Lehrstuhl der Universität Granada, wo er nur während eines akademischen Jahres, 1943, blieb. Er hätte lieber gleich den Lehrstuhl von Santiago übernommen, der vakant war, aber diese Stelle wurde damals nicht ausgeschrieben. So entschied er sich also für Granada mit der Hoffnung, die Stelle wechseln zu können. Diese Hoffnung wurde sehr bald erfüllt. Er hatte Santiago in den Jahren 1941 und 1942 besucht und bei dieser Gelegenheit äußerte er gegenüber dem Rektor den Wunsch, dorthin zu kommen, unter der Bedingung eines ausreichenden Anschaffungsetats für Fachliteratur.
Die Briefe
2 (Deutsch geschr.)
Plettenberg (Westfalen) Brockhauserweg 10 (Brit. Zone) 30. Dezember 1948 M i querido amigo, £cömo podria Vd. imaginarse la alegria mia al recibir su carta? 1 Ich war fast fünf Jahre ohne Nachricht von Ihnen 2 ; das letzte Lebenszeichen von Ihnen war eine Karte mit dem Bild von J. Bosch 3 . Aber in allen diesen an ungeheuerlichen Erfahrungen reichen Jahren habe ich mich stets in Dankbarkeit erinnert; unserer schönen Gespräche in Granada 4 und Ihrer Abhandlung Presupuestos Crfticos para el Estudio del Der. Rom. 5 Ich bin begierig, die Schriften von Ihnen zu erhalten, von denen Sie in Ihrem Brief aus Coimbra sprechen. Meine Freude an den fruchtbaren Gedanken unserer gemeinsamen Wissenschaft ist durch diese harten und schlimmen Zeiten nicht gemindert, sondern unendlich gesteigert. Schicken Sie mir also bald diese Aufsätze von Ihnen. Sie können sicher sein, dass Sie in mir einen der guten Leser haben, die heute ebenso selten sind, wie gute Publikationen. Über alles sachliche Interesse hinaus aber bin ich glücklich, auf diese Weise wieder mit Ihnen im Gespräch zu sein. Es geht mir hier in Westfalen erträglich. Ich möchte Ihnen gern eine Notiz „Ex captivitate Salus" schicken 6 . Hat Prof. Moncada sie Ihnen vielleicht gezeigt? Dann müssten Sie den Vortrag über „Die Lage der europäischen Rechtwissenschaft" erhalten, in dem auch Ihre Presupuestos zitiert sind 7 . Leider habe ich keine rechte Verbindung mit Spanien. Don Javier 8 vom Instituto hat mir einmal geschrieben im Sommer, seitdem bin ich aber ohne Anwort. Von Don Antonio L . 9 vom Instituto Fr. de Vitoria höre ich leider nichts. Wie ist die Anschrift dieses Instituto in M.? Die Notiz über die „Historiografia in Nuce" müsste Ihr Vater lesen; sie ist im Boletim der Jur. Facultät Coimbra erschienen 10 . Prof. Moncada hat den Originaltext; es ist nicht schwer, sie ins Spanische zu übertragen. Können Sie Ihrem Vater den „Gesang des Sechzigjährigen" 11 zugänglich machen? Ihr Brief hat mich noch aus einem weiteren Grunde besonders beglückt. Ich höre sehr wenig von spanischen Freunden. Es ist allerdings sehr natürlich, dass ich in meiner jetzigen Lage weniger höre. Die meisten Menschen fürchten die „contagion de l'infortune". Aber ich weigere mich, diese Furcht auch bei meinen spanischen Freunden anzunehmen. Ihr Brief hat mir das bestätigt, und so bin ich Ihnen außerordentlich dankbar auch für die menschliche Genugtuung, die Ihr Brief für mich bedeutete. Es war die schönste Weihnachtsfreude, die für mich denkbar war.
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Für das kommende Jahr wünsche ich Ihnen, allen gemeinsamen Freunden und Ihrem Lande alles Glück und allen Frieden, dessen wir armen Menschen fähig sind. Ich bin ein armer alter (nicht Kosmo-) sondern Chaopolit 1 2 , aber schließlich sind ja auch die Gedanken und die Gebete der armen nicht völlig sinnlos. Machen Sie mir die große Freude, lieber und verehrter Don Älvaro, mir bald wieder Nachricht von Ihnen zu geben und denken Sie in Ihrem kontemplativen Santiago manchmal auch an Ihren Carl Schmitt
1 „Mein lieber Freund, Sie können sich die Freude nicht vorstellen, die ich beim Empfang Ihres Briefes empfunden habe." [Im Original auf Spanisch] 2
Vgl. Br. v. 17. 12. 1948. Schmitt spricht von fünf Jahren, es können jedoch auf Grund der Angaben im vorhergehenden Brief höchstens vier gewesen sein. 3 Vgl. Br. v. 17. 12. 1948. Wahrscheinlich schickte ihm A O eine Postkarte mit dem Gemälde Boschs als Erinnerung an Schmitts Begegnung mit seinem Vater Eugenio im Jahre 1943. 4
Vgl. Br. v. 17. 12. 1948.
5
AO, Presupuestos Criticos para el estudio del Derecho Romano. Es ist eine Art Habilitationsschrift zur Erlangung des Lehrstuhls für Römisches Recht, für den im Dezember 1943 ein öffentlicher Wettbewerb veranstaltet wurde. 6
Es handelt sich um die Arbeit, die Schmitt vorbereitete. Sie wurde zwischen 1945 und 1947 geschrieben, zum Zeitpunkt der harten Erfahrungen der Gefangenschaft und der Verhöre. Sie wurde erstmals 1950 veröffentlicht. 7 Der Vortrag über „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft" wurde mehrfach in verschiedenen europäischen Städten gehalten: Bukarest, Budapest, Coimbra; am 11. Mai 1944 in Madrid und am 7. Juni 1944 in Barcelona, in beiden Fällen auf Spanisch. Wenn wir in Betracht ziehen, dass Schmitt am 27. Mai 1944 in Granada war, dann muss es sich um dieselbe Spanienreise handeln, bei der sich die beiden Juristen kennenlernten. (Vgl. C. Tilitzki, „Die Vortragsreisen Carl Schmitts", S. 256) Eugenio d'Ors berichtet von diesem Vortrag in seinem Glossarium (vgl. „Karl Schmitt y la Ciencia del Derecho). Schmitt lernte damals die Arbeiten von Eugenios Sohn Älvaro kennen und führte die Hinweise auf A O ein, auf die er sich hier bezieht - FN 7 und 10; einerseits bezüglich der Bibliographie zum Begriff der Krise im Römischen Recht und andererseits in Bezug auf die Nützlichkeit des Römischen Rechts für die Arbeit der gegenwärtigen Rechtswissenschaft; zuerst in der ungarischen Fassung; später in Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, 1950, dort die FN 7 u. 10, S. 11 u. 12; danach in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 393 u. 394. Hier erwähnte Schmitt noch (S. 427) d'Ors Kritik an Ciceros Übersetzung von nomos mit lex in De la Guerra y de la Paz, S. 160. 8 Gemeint ist Francisco Javier Conde (1908-1974). Er war Assistent (1929) und Dozent (1930) an der Juristischen Fakultät der Universität Sevilla, der in den Jahren 1933/1934 in Berlin bei Schmitt hörte. Conde änderte damals wohl auch seine politische Orientierung, begleitete aber noch 1935 Hermann Heller während dessen Exils in Madrid. Er übersetzte zahlreiche Aufsätze von Schmitt und u.a. auch Der Begriff des Politischen und Der Leviathan. 1941 erhielt er den Lehrstuhl für Politi-
Die Briefe sches Recht an der Universität Madrid; 1943 den für Politisches Recht in Santiago, den er jedoch nicht antrat, denn er las weiter an der Fakultät von Madrid; seine Schrift Espejo del Caudillaje (1941) wurde als Grundlegung des Franco-Regimes betrachtet; vgl. G. Redondo, Politica, Cultura y Sociedad, S. 26. 1948 wurde Conde Direktor des Instituto de Estudios Polfticos; ein Amt, das er bis 1956 innehatte. Später ging er als Botschafter auf die Philippinen; man wollte ihn offensichtlich aus Spanien entfernen. Nach dem Zeugnis von Älvaro d'Ors hatte ihn Franco mit der Ausarbeitung einer Verfassung beauftragt, - Conde präsentierte einen Entwurf, der eine Übertragung der sowjetischen Verfassung auf Spanien darstellte. Nach den Philippinen wurde Conde Botschafter in Uruguay, schließlich in Canada und zuletzt in Bonn. Über Conde vgl.: Legaz y Lacambra, „Javier Conde: el hombre el intelectual y el politico; Molina, „Javier Conde y el realismo politico"; zu Schmitts Einfluss auf ihn: Beneyto, Politische Theologie, bes. S. 27-33. Von Condes Arbeiten sind erwähnenwert: Introducciön al derecho politico actual , dort zu Schmitt bes. 190-210; Teoria y sistema de las formas politicas; Escritos y fragmentos politicos. 9
Bezieht sich auf den Völkerrechtler Antonio de Luna (1901-1967); als Dr. iur. der Universität Bologna erlangte er 1928 den Lehrstuhl für Rechtsphilosophie in La Laguna, später, 1931, den von Salamanca; 1932, den von Granada. 1933 lehrte er Internationales Recht in Madrid, wo AO bei ihm hörte. Er gehörte zu der Gruppe um den Sozialisten Julian Besteiro, seit 1912 Mitglied der Sozialistischen Partei Spaniens. De Luna schrieb u.a.: „Sobre la paz futura"; Espana, Europa y la Cristiandad; „Fundamentaciön del Derecho Internacional". Über de Luna vgl. u.a. den Nachruf v. Castän Vazquez. 10
Vgl. Br. v. 17. 12. 1948, FN 6.
11
Es gibt eine mündliche Überlieferung, die in den verschiedenen Bibliographien über Schmitt weitergegeben wurde - so auch in der spanischen Übersetzung von Ex Captivitate Salus - dass Eugenio d'Ors diese Übersetzung auf Bitten von Schmitt selbst vorgenommen habe, wie aus diesem Brief hervorgeht. AO misstraut jedoch dieser Überlieferung. So in seinem Artikel „El »Glossarium 4 de Carl Schmitt", S. 45, wo er anführt: „(...) ich hege ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit dieser Zuordnung. Ich bewahre einen Presseausriss von 1950 auf, in dem anlässlich des Kommentars der Abschlussveranstaltung der „Exposiciön de los Once" [Ausstellung der Elf] im Anschluss an einige Worte von Eugenio d'Ors und der Lektüre des »Gesangs4 auf Deutsch aus dem Munde von Carl Schmitt selbst, der am Festakt teilnahm, gesagt wird, dass ,Adriano del Valle eine spanische Version des Schmittchen Gedichtes vorlas 4 (...) Es ist unwahrscheinlich, dass Eugenio d'Ors, der anwesend war, der Autor gewesen sein sollte und nicht selbst seine Übersetzung vorgelesen und dies einem befreundeten Dichter überlassen haben sollte44. Dieser Satz fehlt in der deutschen Übersetzung von G. Maschke, in Schmittiana VII. 12 Er bezieht sich auf die Abwesenheit von Ordnung, von nomos, in der die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg zurückblieb. Schmitt erlebte diese Situation in einer existentiellen Weise. Implizit gibt es hier ein Gedankenspiel. Einerseits beobachten wir den Schmittschen Verzicht auf eine Einheit der Welt, auf eine Kosmopolis. In seiner kleinen Schrift La unidad del mundo, die erst ein Jahr später auf Deutsch, um einige Passagen gekürzt, erschien u.d.T. „Die Einheit der Welt 44 , stellt er dar, wie dämonisch diese Möglichkeit ist. Das politische Universum ist immer ein Pluriversum. Für ihn als „letzten Vertreter des Ius Publicum Europaeum" war das Pluriversum, das er erlebte, staatlich. Das Ende des Staates erlebte er, auch wenn er es 5 Herrero
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selbst vorausgesehen hatte, existentiell und auf tragische Weise als Chaos. Der implizite Universalismus der US-amerikanischen Politik nach dem zweiten Weltkrieg war seines erachtens eine neue Ordnung. Jede Politik beinhaltet jedoch eine neue Ordnung. Wo es keine Ordnung gibt, herrscht die Ausnahme und es gibt keinen Frieden. Darum bezieht er sich in dem Brief auf den „Chao-politismus". In der Kopie seines Artikels „Inter pacem et bellum nihil medium", die er an A O schickte, schrieb er auf die Kopfleiste als Motto aus Shakespeare Coriolanus: „what would you have, you chaos [recte: curs], that like nor peace nor war".
3 (Deutsch geschr.)
Plettenberg (Westfalen) Brockhauserweg 10 den 10. Januar 1949 M i querido amigo, Lieber und verehrter Don Älvaro, einige Tage nachdem ich Ihnen den Empfang Ihres Briefes aus Coimbra bestätigt hatte, erhielt ich die kostbare Sendung mit Ihren Schriften (Tres temas de la guerra antigua 1 , De la Prudentia juris a la Jurisprudencia del Tribunal Supremo 2, Ordo Orbis und Francisco de Vitoria, intelectual). Es kann für mich keine größere Weihnachtsfreude geben als die Lektüre dieser Schriften. Ich habe sie alle bereits durchgelesen und bin von der Fülle der Erkenntnisse und Anregungen überwältigt. Die Widmung, die Sie mir in das Exemplar des Ordo orbis geschrieben haben, rührt und verpflichtet mich aufs tiefste. Dass Sie eine solche wissenschaftliche Produktivität entfalten können, macht mich glücklich und ist für mich ein unbeschreiblicher Trost. Mit besonderer Freude entnehme ich aus dem Vorwort zu Ihren Tres Temas, dass Sie eine exposiciön sistemätica Ihrer Ideen planen, sodass ich bald noch mehr erhalten werde 3 . Es wird mir möglich sein, mit befreundeten Historikern und Juristen über Ihre Schriften zu sprechen und etwas für ihre Verbreitung zu tun. Ich bin sicher, dass viele Wissenschaftler Interesse daran haben werden. Wir armen (nicht mehr Kosmo-, sondern) Chao-politen* sind glücklich über jeden Lichtstrahl einer echten Erkenntnis 4 . On se lasse de tout , excepte de penser.
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Lieber D o n A l v a r o , darf i c h hoffen, dass w i r Ihre Ideen eines Tages i n einem guten Gespräch erörtern können, w i e damals i n Granada 5 ? I c h werde aber schon zufrieden sein, wenn i c h einen ausführlichen B r i e f v o n Ihnen bekomme und Ihnen ausführlich schreiben kann, insbesondere auch über den „ N o m o s der E r d e " 6 (glauben sie, dass nomos thalassos 7 auf S. 44 Ihres M a r e Nostrum Aufsatzes prägnant ist als Gegensatz zu k y r i o tou k o s m o u 8 ? Oder ist es nur eine rhetorische Antithese ohne juristische Prägnanz 9 ?). Was hat D o n A n t o n i o d. L . 1 0 zu Ihrem V i t o r i a Aufsatz gesagt? I c h hoffe, Ihnen bald etwas zu dem Thema schicken zu können. Heute nur diese E m p fangsbestätigung für Ihre Sendung. Escnbame largamente, querido amigo, y reciba un fuerte abrazo de su siempre a m i g o 1 1 . Carl Schmitt * ) caos en la Razön, caos en la E t i c a ! 1 2
1 Die Publikation enthält auch drei voneinander unabhängige Schriften mit dem Titel: „Silent leges inter arma", „Mare nostrum" und die „Teologfa pagana de la victoria legftima". 2 Der vollständige Titel ist „De la prudentia iuris a la jurisprudencia del Tribunal Supremo y al Derecho foral". 3 Vermutlich bezieht sich d'Ors auf sein Werk Derecho Privado Romano, der in seiner ersten Fassung 1960 als Elementos de Derecho Romano in Pamplona vom Estudio General de Navarra veröffentlicht wurde, als d'Ors noch in Santiago war. Es handelte sich um ein Buch, das tatsächlich in seinen Vorlesungen entstanden ist. Vgl. dazu sein Vorwort in der erwähnten 9. Aufl., 7 ff. 4 Vgl. Br. v. 30. 12. 1948. Schmitt betrachtete Spanien als einen Hort der Ordnung in einer Zeit der politischen, intellektuellen und moralischen Orientierungslosigkeit, wie aus der Fußnote zu ersehen ist, die er selbst am Ende des Briefes anfügt. 5
Vgl. Br. v. 17. 12. 1948.
6
Schmitt veröffentlichte das Buch Der Nomos der Erde ein Jahr nach diesem Brief; er arbeitete jedoch schon seit seiner Berliner Zeit an den Vorbereitungen; das Werk war zum Kriegsende 1945 fast gänzlich abgeschlossen. Schmitt veröffentlichte bereits 1943 in der Revista de Estudios PoUticos einen Artikel der zuvor als Vortrag gehalten worden war, „Cambio de estructura del derecho Internacional"; dort legte er Gedanken dar, die späterhin in Der Nomos der Erde aufgenommen wurden. Wir haben in El nomos y lo politico zu zeigen versucht, dass das Thema des „Nomos der Erde", sich im gesamten Werk Schmitts findet; es ist eine Leitlinie seines Denkens. Dies zeigt sich auch am hier vorliegenden Briefwechsel. 7
Seerecht bzw. „Nomos der See".
8
Herr der Welt.
9
Die Textstelle aus d'Ors „Mare Nostrum", S. 44, auf die sich Schmitt bezieht, lautet: „ U m dieses Meer von Rom zu beherrschen, dieses gesamte territoriale Meer, erstellte das Römische Reich große Geschwader; das Geschwader von Messina, das 5*
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das westliche Mittelmeer bewachte; das Geschwader von Ravenna zur Bewachung der Adria und schließlich das Geschwader von Alexandrien, dem man das östliche Mittelmeer anvertraut hatte. Rom verwandelte sich so, entgegen seiner ursprünglichen Tradition in eine Seemacht und erließ ein Seerecht. ,Ich, Herr der Welt und Gesetz des Meeres lautet eine Gesetzespräambel des Kaisers Antonius Pius". Diese Schlussfolgerung von d'Ors muss im Lichte des ersten Corollariums von Der Nomos der Erde gesehen werden, in dem Schmitt erklärt, weshalb das Meer insoweit es frei ist, nicht rechtsfähig ist: man kann ihm keine bleibenden Linien einritzen (vgl. Nomos der Erde, S. 13 f.). Erst als die Seemächte entstanden, wurde auf dem Meer Sicherheit und Ordnung eingeführt. Es sind dies Seenahmen, nicht so sehr im Sinne von Ausweitungen des territorialen Rechtes auf den Meeresraum; sie sind nur möglich in Epochen der fortgeschrittenen Entwicklung der Technik und des Raumbegriffs. Die ursprünglichen Akte des Rechts sind jedoch an das Land gebunden. So kommt es, dass Schmitt d'Ors fragte, ob beide Konzepte: „Herr der Erde" und „Gesetz des Meeres" juristisch schlüssig sind. 10
Er bezieht sich auf Antonio de Luna, vgl. Br. v. 30. 12. 1948.
11
Schreiben Sie mir ausführlich, lieber Freund, und lassen Sie sich von Ihrem stetigen Freund umarmen. 12
Chaos in der Vernunft, Chaos in der Ethik.
4 (Spanisch geschr.) Biblioteca de la Facultad de Derecho Universidad de Santiago 17. Feb. 1949 Verehrter und lieber Freund, Ihr B r i e f hat m i c h m i t Freude erfüllt, die auch die große Scham nicht trüben konnte, die i c h empfand, als i c h meinen groben Interpretationsfehler der Worte des Antonius Pius entdeckte, auf den Sie m i c h aufmerksam machen. I c h hätte niemals den losgelösten Satz (so w i e ich i h n auf einem Zettel aufbewahrte) zitieren sollen, ohne i h n zu kontextualisieren. Der Kaiser sagt gerade, dass er nicht kyrios des Meeres ist, denn i m Meer muss das Gesetz herrschen, das k e i n anderes ist als die lex Rhodia de iactu. D i e Antithese ist also vorhanden, aber eben u m das kaiserliche dominium über das Meer auszuschließen 1 . Der I r r t u m ist unverzeihlich und soll m i r eine Lehre sein! W i e i c h bereits ausführte, nicht einmal dieser bittere Kelch, einen Fehler eingestehen zu müssen, trübt die Freude, die m i r die Tatsache vermittelte,
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Nachricht von Ihnen zu erhalten. Seien Sie versichert, dass die Bewunderung für Ihr Werk sich seit unserem Treffen in Granada in wahrhaftige persönliche Sympathie verwandelt hat. Was gäbe ich dafür, wenn wir jene fruchtbaren Gespräche wiederaufnehmen könnten! Ehrlich gesagt, viele Schmittsche Gedanken haben in mir Früchte hervorgebracht, wenngleich Früchte schlechter Qualität und in gewisser Weise nicht im Sinne des Sämannes. Ich erinnere mich fortwährend an das Thema des silent leges , das Sie mir vorgeschlagen hatten 2 . Vielleicht wäre ich heute imstande, es besser darzulegen. Wir Autodidakten haben den großen Nachteil, enorme Plumpheiten zu begehen, zugleich aber vergeht kein Tag, an dem wir nicht ein wenig dazu lernen, wenn das auch mit tumben Irrtümern verbunden ist. Ich wäre sehr daran interessiert, Ihre gegenwärtigen Arbeiten kennenzulernen. Das Einzige, was ich zu Gesicht bekam, waren ihre Anmerkungen zu Alexis de Tocqueville im „Boletin" von Coimbra und der unveröffentlichte Trunkspruch, den mir Cabral de Moncada gezeigt hat 3 . Er erzählte mir auch von einem Artikel mit dem Titel Ex Captivitate Salus; er kam nicht dazu, ihn mir zu zeigen. Meine Tätigkeit ist hauptsächlich meinem romanistischen Fachbereich gewidmet und nur hin und wieder mache ich den einen oder anderen Exkurs zu umfassenderen und anspruchsvolleren Themen oder solche, die das Publikum meiner Vorträge mehr interessieren könnte. In der Universität habe ich ziemlich viel Arbeit, denn ich muss zusätzlich zu den Vorlesungen über Römisches Recht eine Lehrveranstaltung über Bürgerliches Recht halten. Außerdem muss ich unsere Bibliothek leiten und als Generalsekretär der Universität fungieren 4. Die Personalprobleme der Universität, zusammen mit den wirtschaftlichen Nöten zwingen zu dieser Verzettelung der Kräfte. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen in meinem vorigen Brief mitgeteilt hatte, dass ich verheiratet bin und bereits zwei Söhne habe, einer ist zwei Jahre alt, der andere wenige Monate. Der Ältere ist gerade in dieses Zimmer gestürzt, um mir einen Druck zu zeigen, auf dem Bismarck bei einer Bärenjagd dargestellt ist: trotz der Bären, die im Vordergrund stehen, erregte das seine Aufmerksamkeit, was er „den Alten" nannte. Das Leben dieser Stadt ist, glaube ich, einmalig auf dieser Welt. Im Allgemeinen sind unsere Universitäten nur „Durchgangsstationen" und meine Vorliebe für Santiago im Vergleich zu Granada ist etwas Ungewöhnliches. Auf jeden Fall herrschen hier unübertreffliche materielle Vorbedingungen für meine Arbeit. Was fehlt, ist der wissenschaftliche Austausch, obgleich es einige hervorragende Persönlichkeiten gibt. Um uns auf das Gebiet der Juristerei zu beschränken, hier lehrt Legaz y Lacambra 5 , ein Schüler von Kelsen, den er jedoch in vielerlei Hinsicht korrigiert und übertroffen hat, wie es bei einem spanischen Denker geschehen musste, der sich nicht so leicht von der katholischen Tradition lösen konnte 6 . Hier ist auch Barcia
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Trelles 7 , ein bekannter Völkerrechtler, obwohl für meinen Geschmack zu sehr den „facts" anheimfallend; er ist ein begeisterter Vitorianer, wie Sie wissen. Von Ihm werden sie einen Artikel in der Ausgabe der Information Juridica gesehen haben, die ich Ihnen zugeschickt habe. Die anderen Professoren sind jünger und, wenn auch weniger bekannt, fähige Leute. Wahrscheinlich werde ich diese Universität nicht verlassen, denn ich hatte Gelegenheit an eine andere zu gehen, sogar nach Madrid und wagte es nicht anzunehmen8. Es ist eine Stadt, die gänzlich von dem Geist der Pilgerfahrten und der erzbischöflichen Autorität durchdrungen ist, was den Eindruck vermittelt, dass man mitten im Mittelalter lebt. In diesen chaotischen Zeiten des „Chaopolitismus", wie Sie zu sagen pflegen, sind diese abgelegenen Orte tatsächlich die anziehendsten. Was wird aus dem „Kosmos"? Mir scheint, es ist schwer, Prophezeiungen anzustellen, denn mir scheint, dass wir Menschen selten so wenig voneinander wussten. Als Europäer hängen wir im ständigen Bewusstsein der Ohnmacht von ausländischen Entscheidungen ab. Bei dieser Sachlage glaube ich, dass das Denken das Einzige ist, was uns noch verfügbar bleibt. Ich warte immer dankbar auf Ihre Nachrichten und Ideen. Sie wissen bereits, dass Sie hier - und nicht nur meinerseits - viele Bewunderer haben. Ein Dozent dieser Universität hat eine Dissertation über das Denken von C. Schmitt geschrieben. Er heißt J. Caamano9. Da die Dissertation noch nicht veröffentlicht wurde, habe ich ihm angeraten, er solle ihnen die Druckfahnen schicken, um eventuelle Anregungen zu erhalten. Er wird bald einen Artikel über „El concepto schmittiano de la guerra discriminatoria" 10 in einer Zeitschrift veröffentlichen; er wurde durch die Lektüre von „Die Wendung d. diskrim. Kriegsbegriffs" 11 angeregt, das ich ihm überlassen hatte. Lieber Freund, in diesen Tagen der universellen Trauer und des Missgeschicks wünsche ich mir, dass die Hochachtung eines spanischen Akademikers Ihnen wenigstens geringfügig zum Herzenstrost gerät. Hochachtungsvoll 1
Ihr Älv. d'Ors
Wenn der Kaiser nicht der Herr des Meeres ist, wer ist es dann? Auf dem Meer ist das Gewohnheitsrecht der Rhoder, das heißt das Seerecht von Rhodos für alle gültig, die zur See fahren. Die Römer akzeptierten dieses Gewohnheitsseerecht. Es gibt also eine Unterscheidung zwischen dem See-Nomos und dem römischen Gesetz, das das kaiserliche Dominium über das Meer ausschließt. „Das Meer ist frei" wird Schmitt in seinem ersten Corollarium zu Der Nomos der Erde sagen. In einem seiner letzten Bücher, La posesiön del espacio, das einen Vorschlag für eine neue Interpretation der Raumordnung darstellt, löst d'Ors diese Frage auf andere Weise, indem er nämlich in Rechnung stellt, dass der interessanteste Teil des Meeres der Meeresboden ist. Man darf nicht weiterhin das Meer als Gebietsausdehnung betrach-
Die Briefe ten, auf der damit das Landbesitzrecht fortgeführt wird, sondern hier herrscht das Recht der Besetzung von Inseln, die aus dem Meer entstanden sind. Die römische Doktrin betrachtete, obwohl das Meer res communis war, die aus dem Meer geborene Insel als res nullius, d.h. als herrenlos und daher besetzungsfähig. Das Vorzugsrecht auf Besitz richtet sich in diesem Falle nach der technischen Kapazität, eine Entdeckung rational auszubeuten. 2 Vgl. Br. v. 17. 12. 1948 In seiner Erinnerung an diesen Tag kommentiert d'Ors diese Anregung Schmitts. 3
Vgl. Br. v. 17. 12. 1948.
4
D'Ors leitete die Bibliothek der Juristischen Fakultät der Universität von Santiago von 1944 bis 1960. In diesem Jahr übernahm Alfonso Otero (1925-2001), Ordinarius für Rechtsgeschichte, die Leitung. Es war dies die Bedingung gewesen, die er dem Rektor gestellt hatte, um den Ruf nach Santiago anzunehmen. Damals hatte dieses Amt Luis Legaz y Lacambra (1906-1980) inne, der auch Jurist war. D'Ors leitete immer Bibliotheken, sowohl in Madrid als auch in Santiago und später in Navarra. Aus dieser Tätigkeit gingen zahlreiche Publikationen hervor, die in Sistema de las Ciencias in vier Bänden zusammengefasst sind. Er war auch Generalsekretär der Universität von Santiago von 1947 bis 1950. 5
Luis Legaz y Lacambra (1906-1980). Rechtsphilosoph, studierte Rechtswissenschaften in seiner Vaterstadt Zaragoza; 1930 ebd. Assistent; errang 1936 den Lehrstuhl für Rechtsphilosophie an der Universität La Laguna, später in Santiago de Compostela, wo er in den 60er Jahren als Rektor amtierte und öfters mit Schmitt bei dessen Besuchen in Santiago zusammentraf; beide hatten sich aber schon vor dem Kriege kennengelernt. Schmitt beteiligte sich an den Festschrift für Legaz mit dem Aufsatz „Der Gegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft"; Legaz trug bei zur Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag mit „Völkerrechtsgemeinschaft, Ideologie, Utopie und Wirklichkeit" und zu EPIRRHOSIS mit „Ideologie und Staat". Legaz war partiell von Schmitt beeinflusst, wie vor allem viele seiner Aufsätze aus den 50er bis 70er Jahren zeigen; das näher: Beneyto, Politische Theologie, S. 45-49. Sein Werk ist außerordentlich umfangreich, erwähnt seien nur: Kelsen: Estudio critico de la Teoria Pura del Derecho y del Estado en la Escuela de Viena; El Estado de Derecho en la actualidad; Filosofia del Derecho. V g l zu ihm Rodriguez, Filosofia polüica de Luis Legaz y Lacambra. 6 Die katholische Tradition geht von der Existenz eines Naturrechts aus, das nicht normativistisch ist. 7
Camilo Barcia Trelles (1888-1977), geb. in Vega de Ribadeo (Galizien), 1919 Prof. in Murcia, erhielt 1920 den Lehrstuhl für Rechtwissenschaften in Valladolid; da er der Bruder eines bekannten Exil-Linken, Augusto Barcia Trelles war, wurde er nach Santiago „strafversetzt", später aber Dekan der dortigen Juristischen Fakultät. Er trat vor allem als Völkerrechtler hervor, wobei seine Schriften z.T. in eine Theorie der Internationalen Politik und der Internationalen Beziehungen übergehen; bes. Interesse entwickelte er ggü. den geo-politischen Aspekten und dem Gegensatz von Land- und Meermächten, sodass sich viele Parallelen zu Schmitt finden lassen. Er schrieb u.a.: El tratado de „Versalles" y sus antecedentes; La polüica exterior iberoamericana de la postguerra; Francisco de Vitoria, fundador del derecho international moderno; Doctrina Monroe y Cooperation international, Madrid; El Pacto del Atläntico. La Tierra y el Mar frente a frente (dort zu Schmitt bes. S. 65 f. u. 109-111); „Johnson, de Gaulle und die augenblickliche Krise der N A T O " ; „U. S. A.: del aislacionismo al globalismo". Vgl. a. Schmitts Beitrag zu den Estudios de Derecho International Homenaje al profesor Camilo Barcia Trelles, „Gespräch
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über den neuen Raum". Wie Schmitt plädierte Barcia Trelles für die Schaffung von Großräumen und kam immer wieder auf die zwischen Intervention und „Isolation" schwankende Außenpolitik der Vereinigten Staaten zurück; vgl. auch Beneyto, Politische Theologie, bes. S. 53. 8 Älvaro d'Ors strebte immer ein Leben als Lehrer und Forscher an, ungeachtet der wechselhaften Intensität des gesellschaftlichen und politischen Lebens, zu dem er eigentlich als Sohn von Eugenio d'Ors verpflichtet gewesen wäre. 9 Jose Caamano Martinez (1921-1992), Professor für Rechtsphilosophie an der Universität Santiago. Die Dissertation wurde mit dem Titel El pensamiento juridicopolitico de Carl Schmitt, veröffentlicht. 10 Der Titel des Artikels ist: „Sobre el concepto schmittiano de guerra discriminatoria". 11
Der vollständige Titel ist: Die Wendung zum diskriminierenden
Kriegsbegriff.
5 (Deutsch geschr.)
Plettenberg, 2/4. 49 M i querido amigo: He tenido una gran alegria al recibir su carta de febrero que llegö en marzo 1 . Ich habe mit der Antwort gewartet, weil ich hoffte, Ihnen den versprochenen Aufsatz über Vitoria schicken zu können. Leider muss ich noch einige Zeit auf die Abschriften warten. Heute will ich Ihnen schreiben, damit meine Antwort womöglich noch vor Ostern bei Ihnen eintrifft und Ihnen und Ihrer Familie meine Grüße und Wünsche zum Osterfest übermittelt. Ich bin sehr glücklich, dass ich jetzt, durch Ihren Brief vom Februar, ein Bild ihres Lebens in Santiago habe. Das, was mich am meisten freut, ist die ungestörte Ruhe ihrer alten Universitätsstadt. Das klingt für mich fast wie ein Märchen oder ein Traum. Das Interesse Ihres zweijährigen Sohnes an „el viejo" hat mir viel Vergnügen gemacht. Vielen Dank für die Klärung der Stelle des Antonius Pius! Ich füge diesem Brief ein kleines, einleitendes Corollarium über das Meer bei (aus dem „Nomos der Erde"); Sie werden daraus mein großes Interesse an der von Ihnen zitierten Stelle entnehmen können. Wie würden Sie „Verortung" ins Spanische übersetzen: „localizaciön" ist zu banal; „determinaciön espacial" ist zu farblos*. Ein zweites schwieriges Wort aus dem Nomos der Erde ist: Landnahme. Ich
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weiß nicht, ob Sie die kleine, in der Revista Espanola de Derecho Internacional, vol. I (1948) p. 214 besprochene Schrift „Land und Meer" 2 kennen? Ich würde sie Ihnen gern schicken. In dieser Schrift ist von „Landnahme" die Rede. Wie lautet das im Spanischen? Conquista besagt etwas anderes; division de terra (vgl. das Buch Josua, Cap. 11-13) ist ursprünglich dasselbe, betrifft aber den 2. Teil des Vorganges, die Land-Teilung, dem der 1. Teil, die eigentliche Land nähme3 vorangeht. Auch Ihre Mitteilungen über Legaz y Lacambra und Barcia Trelles haben mich sehr interessiert. Wenn Sie den Aufsatz über Vitoria erhalten, zeigen Sie ihn bitte Barcia Trelles. Mit ganz außerordentlicher „participatio" las ich seine Besprechung des Buches von Duncan Hall 4 ; ich hoffe, mir das Buch bald beschaffen zu können: es ist für meinen „Nomos der Erde" sehr wichtig. Barcia Trelles' Aufsatz „origen etc. del aislacionismo" 5 habe ich ebenfalls mit Eifer und Belehrung gelesen. Ich wäre glücklich, B. T. einmal zu einem guten Gespräch zu sehen. Vor allem aber ist mein langjähriger Wunsch, Sie wiederzusehen, durch Ihren Brief lebhaft geschürt worden; und die Lektüre Ihrer Schriften, die Sie mir sandten - Ordo Orbis, über den antiken Krieg und die prudentia juris - gießt noch Öl in dieses Feuer. Schicken Sie mir bald wieder etwas von Ihnen! Die These von J. Caamano würde ich natürlich gern kennen lernen. Kann ich wenigstens eine Übersicht, eine Indice oder etwas ähnliches bekommen? Wenn er eine Abschrift hat, schickt er sie am besten an Herrn D. Armin Möhler 6 , Basel (Schweiz), Rigistrasse 86. Auch auf die Arbeit über den diskriminierenden Kriegsbegriff 7 bin ich begierig. J. Conde hat übrigens eine Abhandlung über die Kriminalisierung des Angriffskrieges 8 ; vielleicht ist sie für Don J. von Interesse. „Ex Captivitate Salus" werden Sie bestimmt bald erhalten. Es wird Sie vielleicht interessieren, weil es auch von der Trennung der Wissenschaft des öffentlichen Rechts von der Theologie spricht. Im 16. Jahrhundert haben sich die Juristen (Bodin, Alb. Gentiiis, R. Zouche) bewusst von den Theologen abgesetzt, um ein jus publicum Europaeum zu schaffen; der entscheidende Begriff ist der des justus hostis und die Abstrahierung von der justa causa belli; das ist juristisch und soziologisch ein erstaunlicher Vorgang, in dessen Verlauf Alb. Gentiiis den Ausruf tat: Silete theologi, in munere alieno! Grotius ist hier ziemlich konfus. Ich freue mich, einmal mit Ihnen darüber zu sprechen. Dieser ganze Brief ist ein Versuch, das Gespräch, das ich in Gedanken oft mit Ihnen geführt habe, mit Andeutungen schriftlich zu fixieren. Verzeihen Sie daher bitte die Skizzenhaftigkeit dieses Schreibens. Ich hoffe, Ihnen bald Exakteres schreiben zu können und begnüge mich für heute, Ihnen
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in aufrichtiger Freundschaft für Ihren Brief zu danken und Ihnen ein schönes Osterfest zu wünschen. Immer Ihr
Carl Schmitt.
*) Ist „lugarizaciön" sprachlich möglich?
1 „Ich habe mich sehr gefreut, als ich Ihren Brief vom Februar erhielt, der im März ankam." [Im Original auf Spanisch] 2
Es handelt sich um Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig: Reclam, 1942. Die von Schmitt erwähnte Rezension findet sich auf den S. 214221 der REDI, 1/1948; sie stammt von Fernandez Quintanilla, der Land und Meer auch übersetzte. Dort ist „Landnahme(n)" mit „conquista territorial(es)" bzw. „conquista de territorio" wiedergegeben (S. 74). 3 Schmitt bezieht sich auf die notwendige terminologische Genauigkeit zum Verständnis dessen, was Nomos der Erde bedeutet. Er sorgt sich, ob in der Übersetzung die drei Momente berücksichtigt werden, die in dem dynamischen Akt der Landnahme enthalten sind, nämlich: nehmen (Landnahme), teilen (Land-teilung), weiden. Laut Schmitt gibt der nomos eine „verbale Disposition" an, eine allgemeine Form der Handlung, welche die drei Momente beinhaltet. Der Akt der Landnahme (Nomos der Erde) und das Ergebnis dieser Handlung sind stets miteinander verbunden, wenngleich sie nicht identisch sind; er verfügt über einen unerschöpflichen Dynamismus. Schmitt spricht hier von einem „dreiaktigem Urdrama" (vgl. „Der neue Nomos der Erde"). Wohl gerade weil Schmitt das Spanische bis zur Perfektion beherrschte, hat ihn die Frage, wie seine Schlüsselbegriffe ins spanische zu übersetzen seien, immer wieder beschäftigt. Inzwischen dürfte sich „toma de la tierra" für „Landnahme" durchgesetzt haben; vgl. die Übersetzung de Nomos der Erde von Dora Schilling Thon. „Verortung" übersetzt Caamano Martinez mit „asentamiento"; vgl. seine nicht vollständige Übersetzung des ersten Corollariums des Nomos der Erde. Lois Estevez, der das erste Corollarium vollständig übertrug, titelt mit: „ E l Derecho como unidad de ordenamiento e instalaciön", hat „Instalaciön" für geeigneter als „localizaciön" oder „ubicaciön", die nicht den präzisen Sinn wiedergäben. Lois übersetzte auch das zweite Corollarium: „Derecho Internacional Preglobal". 4
Es handelt sich um das Buch von H. Duncan Hall, Mandates, Dependences and Trusteeship. Eine Besprechung von Barcia Trelles konnte nicht gefunden werden. Das Buch wurde rezensiert von Mariano Aguilar Navarro, damaliger Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht an der Universität Sevilla und später an der Complutense von Madrid in REDI, vol. III, 1, 1960, eine Zeitschrift, die Schmitt regelmäßig las. 5 Gemeint ist Barcia Trelles' Aufsatz „Origen, evoluciön y destino del aislacionismo americano. (Del monroismo a la democracia)" v. November 1947. 6
Armin Möhler (1920-2003) schweizer Schriftsteller und Kritiker; sein bekanntestes Buch ist Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Er war 1949-1953 Sekretär Ernst Jüngers, danach Pressekorrespondent und vom 1961 bis 1985 Geschäftsführer der Carl-Friedrich von Siemens-Stiftung in München, in der er zahlreiche Kolloquien über aktuelle Themen organisierte; vgl. seinen Briefwechsel mit Schmitt: Carl Schmitt - Briefwechsel mit einem seiner Schüler.
Die Briefe 7
Vgl. Br. v. 17. 2. 1949.
8
Es ist unklar, ob Conde eine solche Abhandlung besitzt oder ob er eine verfasste; er scheint jedenfalls zu diesem Thema nichts publiziert zu haben.
6 (Spanisch geschr.)
Universidad de Santiago Facultad de Derecho Profesorado 23. Mai 1949 Verehrter Prof. Schmitt; Aus dem Ausschnitt, den ich Ihnen schicke, können Sie ersehen, was mit Ihrem ersten Brief passiert ist, den ich nicht beantwortete, weil er erst am 20.3. in meine Hände gelangt ist. Beachten Sie die Ironie der chilenischen Werbung: „Die Luftpost bedeutet ein Maximum an postalischer Schnelligkeit". In Plettenberg hat man Ihre Aufschrift „Spanien" nicht ernst genommen und dieser Irrtum war der Grund für den großen Umweg 1 . Danach erhielt ich Ihren Brief vom 2.4., der mir Freude bereitet wie alle Ihre Briefe und der in mir den ungestümen Wunsch auslöste, wieder mit Ihnen zu sprechen. Im Gegensatz zu dem Ausspruch von Gentiii würde ich diesen anderen setzen: „Theologis silentibus, ubi auctoritas?" 2, denn die Säkularisierung der Jurisprudenz, wie sie in Rom gegen Ende des 4. Jh. v. Chr. einsetzt, ist dann möglich, wenn eine civitas existiert. Diese allein macht, wenn ich mich nicht irre, die Rechtsordung möglich, weil sie sich mit theologischen Elementen durchsetzt, die sie säkularisiert, sie „leviathanisiert" sich in der von Ihnen meisterhaft beschriebenen Form. Aber im Völkerrecht gibt es keine Civitas und daher auch keine auctoritas, daher ist auch keine Rechtsordnung möglich: sie kann nur als theologische Ordnung Bestand haben 3 . Nun, Sie kennen ja meine Ansicht. Ich bin nicht nur gespannt auf den Artikel über Vitoria in der Übersetzung von Truyol 4 für die REDI 5 , sondern ganz besonders auf Ihr Buch „Land und Meer", das ich nur aus Hinweisen aus REDI, I, 214 6 kenne. Ihr Kapitel über den Nomos der Erde interessierte mich sehr. Würden Sie die Erlaubnis für eine Veröffentlichung auf Spanisch geben? Sie fragten mich nach der Übersetzung einiger Begriffe. Für Verortung würde ich auf das Wort ubicaciön zurückgreifen, aber in einer Bedeutung, die man als
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Die Briefe
„Argentinismus" einschätzt, nicht im Sinne von an einem Ort „sein", sondern „stellen". Für Landnahme, asentamiento. Ich glaube, dieses Wort gibt ausdrücklich das Nehmen wieder, ohne an Eroberung zu erinnern, und außerdem kann es sich, wenn auch ohne offensichtliche Determinierung, auf ein Nehmen des Landes beziehen. Auch die Idee der Teilung ist implizit gegeben, stellt jedoch nicht das herausragende Moment des Aktes dar. Was in dem Wort fehlt, ist die Idee der ursprünglichen Besetzung. Das fehlt und macht das Wort vielleicht ungeeignet. Asentamiento verwendet man in der Rechtssprache, wenngleich es keine geläufige Bedeutung ist, um von der missio in possesionem zu sprechen, die der Richter bei Säumnis des Angeklagten anordnet, damit wird auch die Anordnung eines Militärlagers bezeichnet. Ein anderes Wort, das mir einfiel, um Landnahme zu übersetzen, war presura, das die private Besetzung von Ländereien bezeichnet, die bei unserer Reconquista aus der Besetzung der Araber zurückerobert wurden, aber diese Bezeichnung hat eine zu technische und archaisierende Färbung. Im äußersten Fall könnte man auf ocupaciön territorial zurückgreifen. Wie gesagt, dieses Kapitel macht mir Appetit, das ganze Werk zu verschlingen. Ich vermute, Sie werden in Kürze die Arbeit von Dr. Caamano erhalten, der auch bereit war, Ihnen die Druckfahnen einer umfangreicheren Arbeit zu senden7. Darüberhinaus habe ich erfahren, dass sie die Sendungen von Don Camilo erhalten haben, der durch Ihre liebenswürdige Antwort sehr „sensibilisiert" ist, wie die Portugiesen sagen. Don Camilo ist der Direktor des „Sekretariats für Publikationen" dieser Universität und die Person, die mehr oder weniger die Einladungen für Vorträge ausspricht. Es wäre für mich eine riesige Freude, wenn ich in nicht allzu ferner Zukunft in unserem Kollegium Professor Schmitt als Gast begrüßen dürfte. Von dem Artikel Ex captivitate salus habe ich nichts lesen können, ich vertraue jedoch darauf, ihn irgendwann einmal veröffentlicht zu sehen. In einigen Tagen werde ich Ihnen einige neue, wenn auch romanistische Publikationen schicken. Eine von ihnen ist ein enzyklopädischer Artikel, bei dem ich die Kühnheit besaß - eine wahrhafte „tour de force" - das gesamte Römische Recht auf 30 Seiten zusammenzudrängen 8. Ich nütze die Nähe Ihrer Wohnorts zu Köln, um Sie um eine Nachforschung zu bitten: ich möchte wissen, ob der Epigraphist Wickert sich an der Universität Köln befindet. Ich habe etwas über römische Epigraphie 9 gearbeitet und glaube, dass Wickert (und auch ich) an einer Beziehung interessiert sein könnte, besonders um einige unveröffentlichte Inschriften kennenzulernen, die ich glücklicherweise publizieren konnte. Bevor ich ihm etwas schicke, möchte ich sicher gehen, dass er in Köln lebt. Sie wissen, ich bin stets ihr ergebener
Älvaro d'Ors
Die Briefe
1 Die deutsche Post hatte den Brief nach Santiago de Chile, anstatt nach Santiago de Compostela in Spanien geschickt. 2
Dieser Ausdruck von d'Ors prägte sich Schmitt ins Gedächtnis ein. Einen Monat danach, in einem Br. v. 29. 6. 1949, schreibt er Cabral de Moncada: „Älvaro d'Ors, dessen Adresse ich Ihnen verdanke, schrieb mir neulich, als Antwort auf das Silete Theologi! den Satz: Silentibus theologis, ubi est auctoritas? Das ist es. Heute im massen-demokratischen Zeitalter, verwandeln sich alle rein wissenschaftlichen Begriffe sofort wieder in grobe Mythen und pseudotheologische Dogmen." Jayme, Luis Cabral de Moncada und Carl Schmitt, S. 19. 3
Hier ist bereits eine Definition angedeutet, die d'Ors zum ersten Mal 1968 in der ersten Ausgabe seines Derecho Privado Romano skizziert hatte - die definitive Fassung der Elementos de Derecho Privado Romano von 1960 - und wiederholt sie fast unverändert seit damals bis in die Gegenwart: „Die Autorität ist das sozial anerkannte Wissen". In diesem Falle bezieht er sich auf die römische auctoritas prudentium. Die soziale Struktur Roms anerkannte die Autorität der Juristen. Es war bereits eine säkularisierte Autorität, sie hielt sich aber, da es eine civitas gab, d.h. ein Volk und ein ius. Im Völkerrecht ist diese Art von ziviler Autorität nicht vorgesehen, da es keine Jurisprudenz gibt, und das, weil auch nichts der civitas oder einem Volk Ähnliches existiert. Die einzig mögliche Autorität ist die theologische. In einer säkularisierten Welt erkennt man jedoch auch diese Autorität nicht an. Im Zusammenhang mit dem, was Schmitt im Br. v. 2. 4. 1949 sagt, können über die justa causa belli in der Tat nicht die Streitenden selbst entscheiden, sondern ein neutraler Dritter; aber, woher stammt seine Autorität? Es muss eine Autorität sein, die die ganze Welt umfasst, und die kann im d'Orsschen Denken nur theologisch sein. 4 Antonio Truyol y Serra (1913-2003), geb. in Saarbrücken als Sohn mallorquinischer Eltern, studierte in Inca (Mallorca), Genf, Saarbrücken und Madrid; bedeutender Rechtsphilosoph und Völkerrechtshistoriker; 1945 erhält er den Lehrstuhl für Internationales Recht der Universität La Laguna; 1947 wechselt er nach Murcia, Lissabonn und danach definitiv nach Madrid. Er übersetzte mehrere Essays Schmitts; seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung bedeutenderen Zuschnitts galt Schmitts Großraumtheorie: „Una nueva representaciön del espacio en derecho internacional"; interessant seine „Mis recuerdos de Carl Schmitt"; vgl. a. Br. v. 28. 4. 1951; er nahm teil am Carl Schmitt-Colloquium der Universität von Navarra (24.-25. 10. 1996), wo er sprach über „Consideraciones sobre ,Land und Meer 4 de Carl Schmitt 44 . Er schrieb u.a.: Historia de la Filosofia del Derecho y del Estado, 2 Bde.; und La sociedad internacional. 5
Es handelt sich um die Revista Espahola de Derecho Internacional, die vom Instituto Francisco de Vitoria herausgegeben wird, das vom Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (= CSIC) abhängt. Der Aufsatz Schmitts war: „La justificaciön de la ocupaciön de un Nuevo Mundo. Francisco de Vitoria 44 . Vgl. Br. v. 28. 6. 1949, FN 6. 6
Vgl. den Brief v. 2. 4. 1949.
7
Vgl. den Brief v. 17. 2. 1949.
8 Es handelt sich um „Derecho Romano44 für den Nueva Enciclopedia Juridica Espahola. 9
Älvaro d'Ors betrieb von Beginn seines Studiums an neben dem Römischen Recht auch epigraphische Studien. Bereits im Jahre 1949 hatte er eine Reihe von epigraphischen Schriften verfasst; vgl. R. Domingo, „Relaciön de publicaciones de
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Die Briefe
Älvaro d'Ors", S. 35-86. D'Ors dachte, dass Wickert diese Publikationen interessieren könnten, weil die Berliner Akademie, deren Direktor Wickert war, eine neue Ausgabe des Corpus Inscriptionum Latinarum vorbereitete und für den Spanien betreffenden Teil keine spanischen Beiträge vorgesehen hatte. D'Ors fand dies unvertretbar und erklärte dies auch auf dem Internationalen Kongress für Epigraphie von 1952 (vgl. „La revision du CIL. I I et specialement des inscriptions juridiques de l'Espagne", S. 145-152). Nach dieser Darlegung bat Wickert d'Ors selbst um diese Mitarbeit. Er verzichtete darauf und führte Prof. Navascues, Ordinarius für Epigraphie und Numismatik, in diese Arbeit ein. Lothar Wickert (1900-1987), Althistoriker, seit 1939 an der Universität Köln, schrieb u.a.: Theodor Mommsen. Eine Biographie, 4 Bde., Frankfurt a.M.: Verlag Klostermann, 1959/1980.
7 (Deutsch geschr.)
Plettenberg 28/6 49 M i querido amigo: hace tres semanas, he tenido el gusto de recibir su interesante y amable carta de fecha del 23 de mayo, agradeciendole su ayuda amigable e innumerables excitaciones cientificas. Vd. tiene razön: Theologis Silentibus, ubi auctoritas? 1 Aber dieser Satz veranlasst mich, Ihnen endlich das beiliegende Dokument „Ex Captivitate Salus" zu überreichen und es der Post anzuvertrauen. Es ist der Notschrei eines Juristen, der weiß, dass der sogenannte juristische Positivismus seit langem der reine Nihilismus ist 2 , während Savignys Versuch eines „historischen Positivismus" gescheitert ist. (Savigny hat nur zwei geistige Söhne gezeugt: Jakob Grimm und Johann Jacob Bachofen). Lesen Sie bitte dieses Dokument „Ex Captivitate", das ich bei Ihnen deponiere als ein Zeichen unserer Freundschaft. Ganz besonderen Dank für Ihre Hilfe zu der Klärung der Begriffe des Nomos der Erde! „Ubicaciön" gefällt mir gut für „Verortung"; doch ist noch ein Bedenken dabei. Im Deutschen kann man sagen: das Papsttum ist in Rom verortet. Die Bindung der Sedes S. Petri an den Ort Rom (sogar indisociable!), das ist das größte Beispiel einer Verortung. Kann man das mit „ubicaciön" übersetzten? „Localizaciön" klingt zu schwach und neutral.
Die Briefe
Die Societe des Nation war in Genf localiziert, aber sie hat nicht die Kraft einer historischen Verortung gefunden 3. Landnahme: Wie wirkt „toma de tierra" im Spanischen? Könnte nicht die „ocupaciön originaria" [ursprüngliche Besetzung] durch einen richtigen Gebrauch des Wortes mit hinein genommen werden? Halten Sie eine spanische Übersetzung des kleinen Corollariums für möglich? Ich wäre darüber glücklich. Von Sr. Jose Caamano erhielt ich einen sehr schönen Brief und ein „indice" seiner Arbeit über El pensamiento jurfdico de C. S. Das war für mich eine große Freude, für die ich aber auch Ihnen, lieber und verehrter Don Älvaro, von Herzen dankbar bin. Ich werde Herrn Caamano bald schreiben und ihm die historische Untersuchung über den Übergang von der justa causa belli zum justus hostis schicken, sobald sie abgeschrieben ist. Ebenso bin ich Ihnen dankbar für die Vermittlung der Bekanntschaft mit Sr. Camilo Barcia Trelles, dem ich ebenfalls bald schreiben werde. Es wäre wunderbar, wenn wir uns wirklich eines Tages zu einem guten Gespräch treffen könnten, sei es bei Ihnen in Ihrem schönen Land, sei es hier in dem Niemandsland, dessen rechtliche Natur Duncan Hall entdeckt zu haben scheint, ein Buch, auf das ich durch die ausgezeichnete Besprechung von Camilo Barcia Trelles in der REDI aufmerksam geworden bin und das ich mir inzwischen verschafft habe. Ich war einige Wochen bei den Dominikanern in Walberberg bei Köln 4 . Prof. Lothar Wickert ist an der Kölner Universität; seine Adresse ist KölnSülz, Zülpicher Str. 83. Er leitet ein Institut für Raumforschung. Auf Ihren Encyklopädie Artikel über Römisches Recht bin ich sehr begierig. Ihren Vitoria Vortrag von Oviedo 5 habe ich noch in dem Vitoria Aufsatz zitieren können 6 . Ich hatte viele Gespräche mit den Patres in Walberberg über Vitorias „Neutralisierungen". Das Thema ist höchst aktuell; hoffentlich übersetzt Truyol den Vitoria-Aufsatz bald. Ich war erfreut und erstaunt, gerade bei Dominikanern soviel Verständnis für Ihre Vitoria-Deutung zu finden 7 . Sie werden sehen, lieber Don Älvaro, dass hier eine fruchtbare Diskussion entstehen wird! Viele herzliche Grüße und die besten Wünsche für Sie und die Ihrigen! Ich freue mich auf Ihren nächsten Brief und bleibe in treuer Verbundenheit stets Ihr Carl Schmitt
1 „Vor drei Wochen habe ich mit Freude Ihren interessanten und freundlichen Brief vom 23. Mai erhalten und danke Ihnen für Ihre freundschaftliche Hilfe und
Die Briefe
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die zahlreichen Denkanstöße. Sie haben Recht: Theologis silentibus, ubi auctoritas?" [Im Original auf Spanisch] 2
In dem Maße, in dem die Theologie aus dem Rahmen des Rechts weicht, verschwindet die letzte Unterscheidung zwischen gut und böse, gerecht und ungerecht. Dementsprechend geht jede Unterscheidung des definitiven Sinnes verloren; sie wird unendlich revidierbar und andererseits ist es gleichgültig, ob sie existiert oder nicht. Es wird dann dem positiven Recht auferlegt, alle Unterscheidungen zwischen gut und böse, gerecht und ungerecht aus dem Nichts zu schaffen; mit der Zeit wird auch das Recht diese Aufgabe von sich weisen und sich somit in einen reinen Formalismus verwandeln. Daher der Nihilismus. Schmitt zeigt dies in gewisser Weise in Legalität und Legitimität (1932) in der Kritik des juristischen Positivismus, der das letzte Produkt der Enttheologisierung im Bereich des Rechtes darstellt. Die Neutralität „ist vor allem Neutralität gegen dem Unterschied von Recht und Aufsätze, S. 285). Unrecht" (Verfassungsrechtliche 3 Dies ist eine Begriffsklärung, in der sich die qualitative Relevanz offenbart, die im Schmittschen Denken der Kontakt mit der Erde hat und für dass es keine geistige Gestalt geben kann außerhalb des begrenzten physischen Raumes. Das führt ihn dazu, aus dem Raum eine grundlegende Kategorie der Politik zu machen. Er bringt in den Brief die Bezugnahme auf Rom ein als das beste Beispiel dieser Assoziation. Denken wir an das, was im Glossarium, im Eintrag für den 6. 7. 51 geschrieben steht: „Raum ist dasselbe Wort wie Rom. Daher also der Haß gegen das Wort Raum, dieser Haß ist nur ein umgelagerter antirömischer Affekt". Ohne Zweifel ist der Parallelismus zwischen beiden Wörtern forciert - wir kennen die Neigung Schmitts zur Untersuchung der Beziehungen zwischen „Laut und Sinn", (vgl. Nachlass , RW 265-35 Mt. 10 und 16) - die Beziehung zwischen beiden ist jedoch ein Schlüssel zum Verständnis des Sinnes von Landnahme und Raum, der aus ihr hervorgeht. Sowohl Raum als auch Rom beinhalten nicht nur einen physischen Raum. Die Kirche Roms ist zugleich sichtbar und unsichtbar; sie ist zeitlich und ewig; sie ist in Rom, aber Rom kann auch an jedem Ort der Erde sein. Rom ist das Symbol der Zivilisation, d.h. der humanisierte Raum. „Raum ist Rom" soll heißen, dass der für den Menschen bedeutungsvolle Raum der humanisierte Raum ist. Somit ist es das Symbol eines jeden Nomos. Außerdem hat es als gestalteter Raum eine Form und folglich einen Stützpunkt von der Entstehung seiner Gestalt an. Rom öffnet einen Raum als Zentrum, als der Ort, von dem das letzte Licht der menschlichen Zivilisation ausgeht. Dies ist der Sinn dieser kurzen Betrachtung Schmitts im Kontext der Nomik; vgl. auch s. Aufsatz „Raum und Rom Zur Phonetik des Wortes Raum", S. 963-967. 4
Wie G. Krauss berichtete, gewährten die Dominikaner von Walberberg Schmitt nach dem Zweiten Weltkrieg „Asyl". (Vgl. G. Krauss, „Erinnerungen an Carl Schmitt - Teil 2", S. 184). Walberberg ist ein Dominikanerkloster, das sich bereits in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges in einen Ort der offenen Diskussion verwandelte. Dorthin zog es zahlreiche Intellektuelle, unter anderen Schmitt. Wie in Die neue Ordnung, 1954, 362 berichtet wird, begann man diesen Dialogkreis in den kulturellen Kreisen Deutschlands als „Walberberger Gesprächskreis" zu bezeichnen. Die Publikation, die aufgrund dieser Begegnungen im Oktober 1946 entstand, erhielt den Namen Die neue Ordnung. Zeitschrift für Religion, Kultur, Gesellschaft. Sie wurde von der Albertus Magnus Akademie der Dominikaner Walberberg herausgegeben. Der Herausgeber war Dr. Eberhard Welty (1902-1965). Die Zeitschrift erscheint heute noch, wenngleich mit einer Namensänderung, nämlich Die neue Ordnung. Zeitschrift für Kirche, Staat, Gesellschaft, Kultur. Aus dem Wirken dieser
Die Briefe Diskussionsgruppe entstand im November 1951 das Institut für Gesellschaftswissenschaften von Walberberg, das heute die Zeitschrift herausgibt. 5
Vgl. Br. v. 10. 1. 1949
6
Er bezieht sich auf „Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhmes", (anonym erschienen). In der Übersetzung von Truyol aus dem Jahre 1948 (Vgl. Br. v. 23. 5. 1949), deren Text mit dem deutschen Artikel und dem Kapitel über Vitoria in Der Nomos der Erde übereinstimmt, wird d'Ors nicht zitiert, jedoch in den beiden letzten Veröffentlichungen. Der Artikel wird in der FN 11 erwähnt. An beiden Stellen kommentiert er, wie er das Zitat von d'Ors anfügte, das er dank der Übersendung des Vortrags von d'Ors in Oviedo erhalten hatte. 7 Sowohl Schmitt als auch d'Ors verteidigten die These einer Neutralität, die die Argumentation von Vitoria bezüglich der Eroberung beinhalte. Der Unterschied liegt darin, dass Schmitt dieser Neutralität einige Begrenzungen zugesteht, da Vitoria den Unterschied zwischen Christen und Nichtchristen nicht verwischt. D'Ors hingegen ist radikaler in seiner Interpretation dieser Neutralität. Seiner Meinung nach hebt Vitoria in seinem Völkerrecht die theologische Konzeption auf, um einer rationalistischen Weltanschauung Einlass zu gewähren. Trotz Schmitts Einverständnis gegenüber d'Ors entdeckt dieser in Schmitts Thesen, dass dieser Vitorias neutralisierenden Schritt - zumindest in seiner andauernden Sehnsucht nach einen Jus Publicum Europaeum - z.T. akzeptiert; sodass d'Ors in diesem Punkt immer wieder Einwände erhebt.
8 (Deutsch geschr.) Plettenberg I I Westfalen Brockhauserweg 10 3 / 7 1949
M i querido amigo: i n E i l e noch eine kurze M i t t e i l u n g i m Nachgang zu meinem B r i e f v o m 29/7, den Sie inzwischen vielleicht schon erhalten haben ( m i t Salus ex Captivitate [so i m Original]). Ende August, Anfang September findet i n B o c h u m , einer großen Industriestadt Westfalens, der traditionelle deutsche Katholikentag 1 statt. I c h habe dem Leiter eines der Komitees Ihren N a m e n genannt, sodass Sie wahrscheinlich dazu eingeladen werden. Für m i c h wäre es natürlich die größte Freude, wenn Sie diese Einladung annehmen und ihr folgen würden. W i r können uns dann hier i n Westfalen treffen und hätten die M ö g l i c h k e i t zu einigen guten Gesprächen. I c h b i n durch diese Aussicht 6 Herrero
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Die Briefe
beglückt und möchte Sie auf das Herzlichste bitten, gegebenenfalls die Einladung doch anzunehmen und hierher zu kommen. Stets Ihr getreuer
Carl Schmitt
1 Der 73. Deutsche Katholikentag fand vom 31. August bis 2. September 1949 in Bochum statt; seine Haupthemen waren „Aufgaben und Grenzen der Staatsgewalt" und „Das Mitbestimmungsrecht des Arbeiters". Schmitt und d'Ors nahmen nicht daran Teil, aber E. Welty O. P., Dr. Frh. v. d. Heydte und G. Krauss. Krauss schrieb über die Debatten zum erstgenannten Thema in: Die neue Ordnung, 2, 6/1949, S. 545-548.
9 (Spanisch geschr.)
Biblioteca de la Facultad de Derecho Universidad de Santiago 7. August 1949 Verehrter und lieber Freund, Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass meine Bemühungen, nach Bochum zu kommen, um Sie dort zu sehen und mit Ihnen in Plettenberg zu plaudern, fruchtlos geblieben sind. Sie können mir glauben, dass ich diese Gelegenheit lebhaft herbeiwünsche, so wie mir unsere Begegnung in Granada eindrucksvoll in Erinnerung geblieben ist. - Die Antwort, die ich von den Behörden in Madrid erhielt, war: „Nur der Minister kann in dieser Angelegenheit entscheiden"1. Angesichts dieser Schwierigkeiten musste ich auf die Reise verzichten. Sie wissen ja, sobald die Notwendigkeit auftaucht, Devisen zur Verfügung stellen zu müssen, entstehen unüberwindbare Schwierigkeiten. Ich glaube jedoch, dass ein Professor aus Madrid, Dr. Rafael Calvo Serer 2 die Reise machen wird, er ist eine repräsentative Persönlichkeit der jüngsten spanischen Akademikergeneration. Ich habe ihn dazu ermuntert, Sie in Plettenberg zu besuchen. Calvo Serer ist Professor für Kulturgeschichte, wenn ich mich nicht täusche. Er ist eine einflussreiche Person in den neuen Intellektuellenkreisen von Madrid 3 . Ich glaube, er würde Ihren Wunsch, nach Spanien zu kommen, schätzen und vielleicht auch verwirklichen können.
Die Briefe
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Ihr voriger Brief war so interessant wie alle anderen und die Kopie von „Ex Capitivate Salus" gab mir tiefe Einblicke in Ihre gegenwärtige geistige Position. Ich verstehe Ihren Ausruf „Ich bin der letzte, bewußte Vertreter des ius publicum europaeum", aber ehrlich gesagt, ich kann mir Carl Schmitt nicht als „Letzten", sondern nur als „Bannerträger" und als „Ersten" vorstellen. Ich sehe Prof. Schmitt in einem Augenblick innerer Qualen, in dem leidenschaftlich neue Ideen geschmiedet werden: Ex Captivitate Salus! Es scheint mir jedoch, dass diese captivitas so verstanden werden muss wie die des hl. Paulus in Damaskus, in Arabien und Tarsos, vor der Explosion von Antiochia, als etwas Höheres in Verbindung mit der neuen Wahrheit. Ihre Nähe zu Bodin und Hobbes muss überwunden werden! Sie sind unmerklich unterwegs hin zu der Theorie des Augustinus 4 . Hoffentlich! Wie dem auch sei, ich bin sicher, dass aus dem, was Sie irrtümlich als „Letztes" bezeichnen, etwas Neues entstehen wird; etwas Neues, Diamantenes, Eindringliches, Frisches, wie alles, was nach und nach Ihr Geist hervorgebracht hat; etwas, das Licht in die gegenwärtige Finsternis bringen wird. Kurz, ich sehe Carl Schmitt in der Fährte des erlauchtesten Katholizismus, wenn er erst einmal des definitiven Todes des teuflichen Leviathan gewahr wird. Eine Auferstehung!, niemals der „Letzte", ich kann es einfach nicht glauben5. Bezüglich der Übersetzung von „Verortung" überzeugt mich Ihr Einwand. Ich gab die Blätter Herrn Caamano, der sie übersetzen möchte (da sie offensichtlich nichts gegen die Veröffentlichung einzuwenden haben), und er schlug mir auf Anhieb „radicaciön" vor. Wir sind so verblieben, dass wir Eindrücke über die Übersetzung einiger Begriffe austauschen und auf jeden Fall werden Sie das letzte Wort haben. Etwas Ähnliches könnte man mit „ex captitivate salus" machen. Oder ziehen Sie vor, dass diese Schrift nicht über den persönlichen Rahmen hinaus dringen soll? Die Übersendung sehe ich als eine Auszeichnung an. Ich verstehe alles, als hätte ich es selbst geschrieben. M i t C. Schmitt ergeht es mir wie mit Beethoven, ich verstehe beider Schaffen als wäre es mein Werk. Aber das Verstehen schließt den Tadel nicht aus. Ihr Wunsch, mich in Plettenberg zu sehen, hat mich sehr beeindruckt und glauben Sie mir, es wäre eine große Freude für mich gewesen, mit Ihnen zusammen zu sein und mich dort mit Ihnen zu unterhalten. Wir müssen hoffen, dass Gott uns eine neue Gelegenheit schenkt. Bis dahin kennen Sie ja meinen Standpunkt: „Leviathan ist tot und es ist ihm nicht gelungen, Schmitt in seinen Krallen zu entführen". Man kann von ihm große Dinge erwarten ... Ich bin sicher. Seien Sie herzlich gegrüßt von
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Älvaro d'Ors
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1 Damals war es für einige Ordinarien schwierig, ins Ausland zu reisen, Devisen zu erhalten und die Reisen der Professoren wurden unmittelbar vom Erziehungsministerium organisiert. Erziehungsminister war damals Jose Ibänez Martin (1898— 1969). Die Zeit nach 1939 war von Nachkriegsschwierigkeiten und der Isolierung Spaniens geprägt. Er gehörte der Nationalkatholischen Propagandistenvereinigung (ACNdeP) an. Er war Abgeordneter der CEDA während der Ersten Republik. Ibänez Martin gelang es, den Laizismus in den Schulen zu unterdrücken; er führte den Religionsunterricht wieder ein und versuchte, die Universitäten von der Ideologie der republikanischen Linken zu befreien. 2
D'Ors bezieht sich hier auf die Langsamkeit der Amtswege, ihretwegen unternahm er die Reise nicht. 3
Rafael Calvo Serer (1926-1988) war eine im spanischen Kulturleben sehr einflussreiche Persönlichkeit. Schon 1935 trat er dem Verband der Katholischen Studenten bei, dessen Vorsitzender er später wurde. Zwischen den Jahren 1939 und 1943 widmete er sich vorwiegend seinen Studien, nachdem er einen Lehrstuhl in Valencia erhalten hatte von wo aus er einige Jahre später nach Madrid übersiedelte. Zu dieser Zeit erhielt er die Stelle eines Forschers im Consejo de Investigaciones Cientificas. 1943 reiste er zu Studienzwecken in die Schweiz. Als er im folgenden Jahr nach Spanien zurückkehrte, wurde er Anhänger von Juan de Borbön und arbeitete an dessen Manifest von 1945 mit. Von diesem Jahr an begann er in den Intellektuellenkreisen Einfluss zu gewinnen, vorwiegend mit der Unterstützung zweier Persönlichkeiten: eine aus der katholischen Welt, Angel Herrera Oria (1886-1968) und eine weitere aus der Welt der Forschung und Wissenschaft, Jose Maria Albareda (1902-1966). Sie bestimmten seine Universitätslaufbahn. Albareda ermöglichte ihm, sich der Zeitschrift Arbor anzunehmen; in ihr publizierte auch Schmitt (vgl. „Tres posibilidades de una vision cristiana de la historia"; und auch „ E l nomos de la tierra. El derecho como unidad de asentamiento y ordenamiento"). Bald darauf übergibt er die Leitung der Zeitschrift Florentino Perez Embid. Von 1946 bis 1948 erhält er eine sehr flexible Stelle in der Behörde für kulturelle Beziehungen, die ihm erlaubt, sowohl Reisen nach Europa zu unternehmen als auch häufig in Madrid zu sein. Der Brief nimmt auf diesen Augenblick Bezug. Im Jahre 1949 kehrt er nach Spanien zurück. In dieser Zeit hatte er den Lehrstuhl für Geschichte der Spanischen Philosophie an der Universität Madrid inne. Er beschäftigte sich intensiver mit dem spanischen Kulturleben. Vom christlichen Standpunkt aus hielt er den Auflösungsprozess des Christentums für beendet; in diesem Zusammenhang wies er auf christliche Denker hin wie Carl Schmitt (vgl. Calvo Serer, Teoria de la Restaur aciön, zu Schmitt dort S. 32, 49, 118, 130, 231, 236), Berdjaew, Wust und Dawson, die damals in Spanien stark diskutiert wurden. Er trat damals für eine „integrale Restauration" ein und stand hinter dem Projekt der Zeitung Madrid bis zu ihrer Schließung durch das Regime 1971. Daraufhin ging er nach Paris ins Exil bis zum Tode Francos. Er hatte Einfluss auf die Bildung der Demokratischen Kommission, die den Übergang zur Demokratie in Spanien verwirklichte. Allgemein zu Calvo Serer: Marti/Ramoneda, El exilio y el reino; B. Menczer, „Spaniens Geist zwischen Revolution und Restauration". Calvo Serer schrieb u.a.: Espana, sin problemas; La conflguraciön del futuro (dort Hinweis auf Schmitt, S. 28); La fuerza creadora de la libertad; Espaha ante la libertad, la democracia y el progreso. 4 Vgl. Schmitts Äußerungen zu Augustinus in Politische Theologie II, S. 88-93. Der größte Teil seiner Reflexionen über De Civitate Dei stehen im Kontext der politischen Theologie. Das ist besonders aus seinem Nachlass Rw 265-193 zu ersehen und in den Ausgaben der Civitate Dei, die dort, mit reichlichen Anmerkungen
Die Briefe von Schmitt selbst versehen, aufbewahrt werden. Die darin vorgefundenen Anmerkungen sind heute in Rw 265-Mt. 316 abgedruckt. 5 Schmitt reflektierte über die Politik von einer konkreten Ordnung aus und betrachtete sich daher als Staatsdenker. Seine politische Philosophie öffnete jedoch einen Rahmen für eine nach-staatliche Ordnung. Vgl. Der Begriff des Politischen, Vorwort: „Der europäische Teil der Menschheit lebte bis vor kurzem in einer Epoche, deren juristische Begriffe ganz vom Staate her geprägt waren und den Staat als Modell der politischen Einheit voraussetzten. Die Epoche der Staatlichkeit geht jetzt zu Ende. Darüber ist kein Wort mehr zu verlieren". Er kommt in dem Artikel „Der Staat als ein konkreter, an eine geschichtliche Epoche gebundener B e g r i f f (1941) auf diesen Gedanken zurück. Soweit die Diagnose; die Prognose findet sich in der Schriften zum Großraum, die man in ihrer letzten Version in „Gespräch über den neuen Raum" finden kann; danach in „ E l orden del mundo despues de la Segunda Guerra Mundial". D'Ors zeigt, trotz seiner Staatsgegnerschaft, dass er Schmitts Haltung gut versteht: die Schmittsche Begriffsbildung geht teilweise über die Kontextualisation im Staat hinaus und ist imstande, die Konzepte weiterzuführen. Es scheint, als wolle sich Schmitt vom Ballast des Staates befreien, seine Tragik ist jedoch, dass er sein Vorhaben nicht zu Ende führen kann. D'Ors ist jedoch als Romanist weitaus mehr von der personalistischen Tradition abhängig: die politische Einheit ist für ihn nicht hauptsächlich ein Territorium, sondern sind die „Personen". (Vgl. „Sobre el no estatismo de Roma", in Estudios Cläsicos, 44, 1965,109-164; später in Ensayos de Teoria Polüica, a.a.O. S. 5777.) Die letzte Entwicklung einer nicht territorialistischen Konzeption des Rechtes und der Politik ist La posesiön del espacio.
10 (Deutsch geschr.) Plettenberg I I (Westfalen) 21/9 49 M i querido amigo: He tenido el gusto de recibir su carta del 7 de agosto el 14 de agosto jMuchas gracias! 1 . I c h b i n sehr traurig, dass Sie nicht z u m Katholikentag nach B o c h u m k o m m e n konnten. Herr Calvo Serer 2 war dort; er hat m i c h i n Walberberg (einem Dominikaner-Kloster bei Bonn) besucht. W i r haben uns mehrere Stunden gut unterhalten können, sodass ich m i r jetzt ein B i l d von meinen spanischen Freunden machen kann. Darüber b i n i c h sehr g l ü c k l i c h und Calvo Serer sehr dankbar. A u c h Ihnen lieber und verehrter D o n Ä l varo, muss ich dafür dankbar sein, denn Sie haben diesen Besuch vermit-
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Die Briefe
telt. Wenn Sie im Laufe der kommenden Monate einmal mit ihm zusammen kommen, wird er Ihnen von seiner Reise erzählen. Unendlich bin ich Ihnen verbunden für Ihre Worte zu Salus e. c. Sie haben diesen Schrei des Zweifels 3 am besten verstanden, besser als jeder andere Jurist irgendeiner Nation, und ihre adhortatio [Aufmunterung] erfüllt mich mit Trost und innigster Freude. Selbstverständlich überlasse ich es Ihnen, mit dem Manuskript zu tun, was Sie für richtig und zweckmäßig halten; nötigenfalls auch Stellen, die Sie für allzu persönlich halten, zu streichen. Das Wort „radicaciön" (für „Verortung") gefällt mir sehr gut. Allerdings kann ich die Assoziationen und Neben-Schwingungen, die sich im Spanischen mit diesem Wort verbinden, nicht beurteilen. Ein anderes wichtiges Wort ist „Hegung", von „hegen", ein Feld „umhegen" 4 . Ich hatte an D. Jose Caamano ein Kapitel aus dem „Nomos" geschickt (am 7. 7.), und erfahre jetzt aus einem Brief, den er mir Anfang September aus Naya geschrieben hat, dass diese Sendung (die eingeschrieben war) nicht angekommen ist. Vielleicht ist sie wieder nach Santiago in Chile gegangen! Auch an D. Camilo Barcia Trelles 5 habe ich zwei Briefe geschrieben, von denen ich noch nicht weiß, ob sie ihren Destinatär erreicht haben. Ein Schweizer Freund 6 hat Ihnen von Basel aus ein Heft der DominikanerZeitschrift „Die neue Ordnung" geschickt. Lesen Sie bitte darin den Aufsatz über Donoso Cortes 7 und schreiben Sie mir Ihre Meinung! Ihr Vater hat Donoso auf die Formel gebracht: cälido retörico, frio politico [feuriger Rhetoriker, kalter Politiker] 8 . Das halte ich nicht für ganz richtig, jedenfalls nicht für den Kern der Persönlichkeit. Ein Exemplar von „Land und Meer" ist ebenfalls nach Santiago geschickt worden 9 ; ich weiß aber nicht genau, ob an Sie oder Caamano. Von Walberberg aus habe ich Ihnen ein Exemplar der Dominikaner-Zeitschrift „Die neue Ordnung" mit einem Aufsatz über Vitoria 1 0 schicken lassen. Sie sind dort auf S. 302 in der Note zitiert. Der Aufsatz ist, wie Antonio de Luna mir schrieb auf Spanisch in der R. Espanola de derecho internacional erschienen, aber nicht mit allen Anmerkungen und Fußnoten 11 . Die Patres in Walberberg planen eine große Vitoria-Tagung für nächstes Jahr September. Natürlich werden Sie eine Einladung dazu erhalten, und ich wäre glücklich, wenn wir uns dann wieder sehen könnten. Ich frankiere diesen Brief mit einer Briefmarke, die zur 200. Jahr-Feier Goethes in Deutschland ausgegeben worden ist. Zeigen Sie sie bitte Ihrem Sohn und fragen Sie ihn, ob ihm dieser viejo mäs pacifico besser gefällt, als der Alte von der Bärenjagd 12 . Zum Schluss danke ich Ihnen nochmals, lieber und verehrter Don Älvaro, für den wunderschönen Brief vom 4. August, insbesondere für den Schlußsatz über den „Leviathan". Ihr Zuruf hat mich gestärkt und erhoben.
Die Briefe I c h wünsche Ihnen für Ihre A r b e i t Freude und Erfolg u n d wäre sehr glücklich, wenn i c h bald wieder Nachricht von Ihnen hätte. U n abrazo de todo corazön
Carl Schmitt
1
Ich habe mit Freude Ihren Brief v. 7. August am 14. erhalten. Vielen Dank!
2
Vgl. den Brief v. 7. 8. 1949.
3 Schmitt gibt in diesem Brief ausdrücklich zu, dass es ein Schrei des Zweifels, nicht der Sehnsucht nach dem Staate ist, sondern eher der Sehnsucht nach einer neuen Art der Politische Gestaltung, „Zukunftssehnsucht". Dennoch lässt sich mit Quaritsch behaupten, dass einer der charakteristischen Züge Schmitts der eines Etatisten ist. (Vgl. Quaritsch, Positionen und Begriffe Carl Schmitts, S. 36-58.) 4 Die „Hegungen im räumlichen Sinne" werden im Spanischen meist mit „cercados en el sentido espacial" wiedergeben; die „Hegung des Krieges" mit „acotaciön de la guerra"; so in der Ausgabe des Nomos der Erde von Dora Schilling Thon. Vgl. Br. v. 2. 4. 1949, FN 3. 5
Vgl. Br. v. 17. 2. 1949.
6
Gemeint ist Armin Möhler, vgl. Br. v. 2. 4. 1949.
7
Gemeint ist „Donoso Cortes in gesamteuropäischer Interpretation".
8
Vgl E. d'Ors, „Cälido retörico, frfo politico"; vgl. von E. d'Ors auch: „Fiel contraste de Donoso Cortes, politico porque fue teölogo y, por profeta, diplomätico". 9 10
Vgl. Br. v. 2. 4. 1949. Gemeint ist „Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhmes".
11
Vgl. Br. v. 23. 5. 1949 und v. 28. 6. 1949. Schmitt bezieht sich auf die Auslassung der Erwähnung von d'Ors in dieser Auflage. 12
Vgl. Br. v. 17. 2. 1949.
11 (Deutsch geschr.) Plettenberg I I (Westfalen) Brockhauserweg 10 den 28. Oktober, 1949 M i querido amigo: vielen Dank für die Zusendung Ihres Derecho Rom a n o 1 m i t der herrlichen W i d m u n g ; für I h r Programa de Lecciones de Derecho R o m a n o 2 , über das i c h m i c h sehr gefreut habe (denn die beste W i r -
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kung und Belohnung eines Universitäts-Lehrers ist die Freude an den Schülern und an der geistigen Zeugung, wie Sie in diesem Programm dokumentiert ist), und für den Discurso inaugural von D. Federico Suärez über die „Evoluciön politica de Donoso Cortes" 3 . Ihr Derecho Romano ist historisch und begrifflich hervorragend und vermittelt wirklich el sentido total de ese sin par fenömeno cultural que es el Derecho Romano 4 . Wenn Sie mir eine Kritik oder vielmehr eine kritische Frage erlaubten, so könnte sie sich nur auf eine terminologische Einzelheit beziehen und zwar auf den Ausdruck „Estado" (p. 17, 18, 27). Ich würde dieses Wort „Staat" für die Zeit seit dem 16. Jahrhundert verwenden und weder die griechische Polis noch die römische Res publica oder Potestas publica einen „Staat" nennen. Doch ist das eine terminologische Frage für sich, die meine große Freude an diesem musterhaften Überblick 5 nicht vermindert. Ich hoffe Ihnen bald ein Zeugnis meiner Dankbarkeit übersenden zu können. Der Discurso inaugural von D. Federico Suärez 6 ist eine sehr schöne, gründliche Arbeit, die ich mit großem Nutzen gelesen habe. Die innerspanische Situation Donosos ist sehr schwer zu beurteilen, für mich am wenigsten. Haben Sie den Aufsatz aus der Dominikaner-Zeitschrift Die Neue Ordnung über „Donoso Cortes in gesamteuropäischer Interpretation" erhalten"? Der Aufsatz ist Ihnen im August von Basel aus zugeschickt worden. Hat D. Federico Suärez absichtlich nicht zitiert, was Diez del Corral 7 in seinem Buch über die liberalen Doktrinäre (1947 in Madrid erschienen 8) gesagt hat? Es ist schwer, einen großen Mann wie Donoso in die Kategorien seiner Zeit einzufügen. Wäre er nicht so jung gestorben, so hätten alle Parteien ihn schließlich als „charakterlos" verfolgt. Zu meiner großen Freude erhielt ich von D. Jose Caamano die Übersetzung des kleinen Corollariums über Ortung und Ordnung 9 . Die sehr schwierige Übersetzung ist großartig gelungen. Ich werde Caamano noch schreiben. Das Wort „Landfolge" bedeutet in der Rechtsgeschichte des Mittelalters die Pflicht, dem Aufruf des Fürsten zur Verteidigung des Landes zu folgen; diese Pflicht hatte jeder freie Mann, nicht nur der Vasall des Fürsten (ähnlich: Gerichts-Folge, d.h. die Pflicht vor Gericht zu erscheinen, oder auch: als Richter mitzuwirken). Ich bin Ihnen unendlich dankbar, lieber und verehrter Don Älvaro, dass Sie mir die Bekanntschaft mit D. Camilo Barcia Trelles vermittelt haben. Ich habe jetzt seine Vorträge über Vitoria, die er in Montevideo 10 gehalten hat, mit größter Erwartung und Bewunderung gelesen. Es ist wunderbar, dass diese Vorträge von Don Camilo gleichzeitig mit dem Aufsatz über Vitoria im letzten Heft der Revista Espanola de Derecho Internacional 11 erschienen sind. Gegen diesen letzten Aufsatz ist in der „Friedenswarte" in Genf ein Artikel voller Gehässigkeit und Unrichtigkeit 12 eines Freiherrn von der Heydte 13 veröffentlicht worden. Dieser Freiherr ist in der großen
Die Briefe Weltdiskussion über V i t o r i a nur das, was ein asinus devotionalia portans i n einer großen Prozession bedeutet. Er würde auch Ihren Vortrag von Oviedo für „ u n c h r i s t l i c h " erklären. I c h glaube nicht, dass der A r t i k e l i n Spanien Eindruck machen oder Erfolg haben wird. D o c h wäre i c h Ihnen dankbar, wenn Sie m i r etwaige Beobachtungen mitteilen wollten. A u c h P. Eberhard Welty, O. P . 1 4 , der Herausgeber der „Neuen Ordnung", wäre Ihnen dafür sehr verbunden. Er möchte Sie auch nächstes Jahr zu einer großen V i t o r i a Diskussion nach Walberberg einladen. Prof. Calvo Serer w i r d Ihnen v o n i h m berichtet haben. P. Eberhard Welty ist vor einigen Monaten z u m „ M a gister" des Dominikanerordens ernannt worden. U m s o unglaublicher jener A n g r i f f des Freiherrn von der Heydte i n der Genfer „Friedenswarte"! Haben Sie meinen B r i e f v o m 20. September erhalten? I c h freue m i c h sehr auf Ihre nächsten M i t t e i l u n g e n und danke Ihnen nochmals von ganzem Herzen für Ihre Sendung, insbesondere für die schöne W i d m u n g , die m i c h wieder an unsere Gespräche i m Schatten der A l h a m b r a erinnert hat. U n abrazo de todo corazön de
1
Carl Schmitt
Derecho Romano, vgl. Br. v. 23. 5. 1949 FN 8.
2
Er bezieht sich auf das „Programa de Derecho Romano" für das akademische Jahr 1949-1959 mit einer vorausgehenden Vorlesung El valor formativo del derecho Romano [Bildungswert des Römischen Rechts], (Santiago 1949); später in den Papeles del Oficio Universitario, S. 151-169, veröffentlicht. 3 Der vollständige Titel ist Evoluciön polüica de Donoso Cortes. Discurso inaugural leido en la solemne apertura del cur so academico de 1949-1950. 4
„die Gesamtbedeutung dieses unvergleichlichen kulturellen Phänomens des römischen Rechts." 5 Von diesem Zeitpunkt hat d'Ors Schmitts Rat befolgt, dass „Staat" ein konkreter, an eine bestimmte geschichtliche Epoche gebundener Begriff ist, vgl. Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 375-395. 6
Federico Suärez, geb. 1917, ist Historiker. 1948 erhielt er den Lehrstuhl für moderne und zeitgenössische Geschichte an der Universität Santiago, später war er Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität von Navarra (1955-1969), an der er bis zu seiner Emeritierung Professor für Zeitgenössische Geschichte war. 1948 wurde er zum Priester geweiht; lange Jahre war er Priester des spanischen Königshofes. Als außergewöhnlicher Kenner von Donoso Cortes hat er zahlreiche Bücher und Artikel über ihn publiziert, zuletzt, als Frucht einer lebenslangen Beschäftigung: Vida y obra de Juan Donoso Cortes ; dort kurz zu Diez del Corral S. 234, 238, 247. 7 Luis Diez del Corral (1911-1998) gehörte zu einer an der Philosophischen Fakultät zu Beginn der 30er Jahre außergewöhnlich gebildeten Generation von Wissenschaftlern. Er studierte 1934/36 als Post-Graduierter in Freiburg i.Br. und Berlin und befreundete sich mit Schmitt. 1936, vor Ausbruch des Bürgerkrieges, wurde er in den „Cuerpo de Letrados del Consejo de Estado" berufen, dem er bis zu seiner Pensionierung angehörte. 1947 erhielt er den Lehrstuhl für Historie der politischen Ideen und politischen Formen in der kurz vorher gegründeten Fakultät für Politik-
Die Briefe
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und Wirtschaftswissenschaften der Universität Madrid, an der er ebenfalls bis zu seiner Pensionierung 1982 lehrte. Seine Verdienste wurden durch die Wahl in drei Königliche Akademien gewürdigt: 1965 die Akademie für moralische und politische Wissenschaften, 1973 die Akademie für Geschichte und 1977 die Kunstakademie von San Fernando. 1980 wurde er zum Ehrendoktor der Sorbonne ernannt. Seit 1966 war er Leiter der Fondation Europeene de la Culture mit Sitz in Amsterdam und Mitglied der Kulturkommission dieser Stiftung. Seine vielleicht wichtigsten Werke wurden auch ins Deutsche übersetzt: Doktrinärer Liberalismus-Guizot und sein Kreis; Der Raub der Europa - Eine historische Deutung unserer Zeit; sowie Asiatische Reise-Kulturgeschichtliche Betrachtungen über den Fernen Osten. Diez trug auch zur EPIRRHOSIS, bei: „Chateaubriand und der soziologische Asthetizismus Tocquevilles", S. 115-152. 1996 erschienen seine Obras Completas. 8 Es handelt sich um das Buch El liberalismo doctrinario. Es sei daran erinnert, dass Schmitt häufig aus dem Gedächtnis zitiert. Diez schrieb im zweiten Teil seines Werkes ausführlich über den Einfluss Guizots auf den jungen, noch liberalen Donoso Cortes (vgl. S. 320-342 der deutschen Ausgabe) 9
Es handelt sich um das Manuskript des Artikels „El nomos de la tierra. El derecho como unidad de asentamiento y ordenamiento", der ein Jahr später erschien, vgl. Br. v. 2. 4. 1949. 10 Camilo Barcia Trelles hielt zw. dem 15. u. 25. Juni 1948 eine Reihe von Vorträgen über Francisco de Vitoria an der Universidad de la Repüblica in Montevideo. Dazu gehörten mehrere Vorträge über Vitoria „Francisco de Vitoria y las Bulas pontificias", „Vitoria y el peso de una proyecciön historica", „Vitoria criticado y atacado por el Emperador disidente", „Vitoria como creador", „La vision cösmica de Vitoria", „Francisco de Vitoria y el problema de la guerra justa", „Una valoraciön por contraste; Vitoria y Maquiavelo". Wir wissen nicht genau, auf welche Vorträge Schmitt sich bezieht. Eine Sammlung aller Vorträge von Montevideo ist in „Interpretaciön del hecho americano por la Espana universitaria del S. X V I " in: Montevideo: Instituciön Cultural Espanola del Uruguay, 1949, zu finden. 11 Schmitt zitiert, wie so oft, aus dem Gedächtnis; in der betr. Nummer der Zeitschrift findet sich kein Aufsatz von Barcia Trelles. Schmitt meint vermutlich Barcia Trelles' Essay „Francisco de Vitoria en 1946". 12
Friedrich August v. d. Heydte (1907-1994), einer der erklärten „intellektuellen Feinde" Schmitts, war damals Privatdozent an der Universität München. Kurz nach dem Angriff in der Friedens warte (vgl. FN 13) veröffentlichte Pater Welty eine Notiz von der Heydtes in Die neue Ordnung „Ein Nachwort zur Münchener Sozialen Woche". Noch im gleichen Jahr, erschien in Die neue Ordnung Schmitts „Das Problem der Legalität". 1951 erfolgte ein neuer Angriff v. d. Heydtes: „Heil aus der Gefangenschaft?". Dass Die neue Ordnung weiterhin Zugang gewährte, war für Schmitt ein Zeichen, dass er fortan dort unerwünscht war; dazu vgl. W. Schmitz, „Zur Geschichte der Academia Moralis", Schmittiana, IV, S. 129 f. Einen Tag bevor Schmitt den vorl. Brief schrieb, am 27. 10. 1949, notierte er in seinem Glossarium, S. 276: „Ein armer Asylschänder namens von der Heydte läuft in der großen Weltdiskussion über Vitoria mit wie ein asinus mysterio vehens in der Prozession. M i t solchen Nutznießern der Psychosen von 1945 soll man nicht diskutieren. Das Gefühl der Sicherheit, das ihn vor einem politisch-polizeilich wehrlos Gemachten und Diskriminierten überkommt, verleiht ihm Mut zu taktlosen Beleidigungen und dummdreisten Angebereien, schwellt seine Ritterkreuz betresste Brust. Doch halt! Nimm Dich in Acht! Man klassifiziert sich durch seinen Feind".
Die Briefe Vgl. auch Schmitts an A. Möhler v. 30. 11. 1949 in: Möhler, Carl Schmitt Briefwechsel S. 72. 13 Der Titel ist „Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhmes. Eine Entgegnung". Darin werden die vier Voraussetzungen kritisiert, auf denen der Artikel basiert, nämlich dass es außerhalb einer konkreten historischen Situation keine Rechtsordnung gibt; dass Ethik und Recht trennbare Sphären sind; dass der Krieg eine historische Notwendigkeit ist und dem Völkerrecht angehört. Fast am Anfang des Artikels zieht v. d. Heydte bereits den Schluss: „Die Brille Carl Schmitts verzerrt das Bild des großen Spaniers. Das rein dialektische Denken des Politikers, der nicht mehr aus dem christlichen Glauben lebt, weiß mit Vitorias Worten nichts mehr anzufangen", S. 192. 14 Eberhard Welty (1902-1965) war damals Prior von Walberberg. Er war ein bedeutender Vertreter der Katholischen Soziallehre und gab ab 1950 den berühmten Herderschen Sozialkatechismus heraus; Die neue Ordnung gründete er 1946. Zum Streit um Schmitt - v. d. Heydte und zu den damaligen publizistischen Reaktionen vgl. auch Schmittiana II, S. 128-130.
12 (Spanisch geschr.)
Biblioteca de la Facultad de Derecho Universidad de Santiago 20 Nov. 1949 Mein stets verehrter und lieber Prof. Schmitt, Es ist unglaublich, ich bin in Gedanken immer bei Ihnen, spreche unaufhörlich von Ihnen mit Freunden (es sind viele in dieser Universität außer denen, die Sie kennen), lese mit Genuss Ihre Schriften und trotzdem bin ich schändlich in Verzug geraten mit meinen Briefen. Ich habe Ihren Brief vom 21.9. erhalten, die zwei Nummern von „Die neue Ordnung" und ein Exemplar von „Land und Meer", schließlich Ihren Brief vom 28.10. Offen gestanden hatte ich seit Beginn des akademischen Jahres viel Universitätsarbeit zu erledigen und kürzlich musste ich eine Reise nach Barcelona und Madrid machen; zudem hat sich furchtbar viel Korrespondenz angehäuft, die unbeantwortet blieb. Ich fange mit Ihnen an. In Madrid besuchte ich mit größtem Interesse Prof. Calvo Serer, der mir alle Einzelheiten der Unterredung schilderte, die ich für Sie beide ausgerichtet hatte. Es freut mich sehr zu erfahren, dass Calvo, wie ich vermutet hatte, den besten Eindruck von Ihrer unermüdlichen Aktivität und geistigen Schaffenskraft erhielt. Aus der Unterhaltung mit ihm zog ich den Schluss,
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dass Sie in Spanien ein besseres „Klima" vorfänden, als das Sie im Augenblick in Deutschland haben. Meine Hoffnungen, Sie hier zu sehen, haben sich nicht verflüchtigt und ich möchte wissen, welche Reisemöglichkeiten Sie haben, für den Fall, dass sie eine Einladung für einige Vorträge erhielten, wie bei früheren Anlässen. Ihr Artikel über Donoso gefiel mir in einer ersten und schnellen Lektüre sehr und ich habe ihn einem Kollegen unserer Fakultät, Prof. Lopez Arno 1 , empfohlen, der in letzter Zeit über die Krise von 1848 gearbeitet hat. Es ist möglich, dass Lopez Arno in der Zeitschrift „Arbor" (deren Herausgeber praktisch Calvo Serer ist) einen Kommentar 2 schreibt. Sobald er ihn mir zurückgibt, werde ich eine eingehendere Lektüre Ihres Artikels vornehmen und Ihnen meine Eindrücke schildern. Ich muss Ihnen auf jeden Fall gestehen, dass ich gegenüber Donoso immer ein gewisses negatives „Vorurteil" 3 hatte. Wenn man die Dinge aus dem Inneren Spaniens betrachtet, können wir Spanier ihm nicht verzeihen, dass er kein „carlista" 4 (Traditionalist) war und dass er sich auf ein Techtelmechtel mit der liberalen Königin eingelassen hatte. Außerdem ist mir diese Generation von Donoso aus einem anderen Grund verhasst: es war die Generation, die den definitiven Verrat an der humanistischen Bildung verübt hat. Von diesem Zeitpunkt an bis heute wird in Spanien nicht mehr richtig Latein gelernt. Das ist mit einem ganzen Komplex von Verfallserscheinungen verbunden: volkstümlich schreiben wir das einem Kern zu, den wir „afrancesamiento" [etwa Französisierung] nennen. Die Antrittsvorlesung von Prof. Federico Suärez geht auch, ohne es offen auszusprechen, von diesem Ressentiment gegenüber dem nichtcarlistischen Donoso aus. Was die Nichtberücksichtigung des Werkes von Diez del Corral angeht, so habe ich noch nicht mit Federico Suärez gesprochen. Es scheint mir jedoch, dass er es kennen muss, denn Suärez hat die gesamte Geschichte des 19. Jh. in Spanien eingehend erforscht. Ich muss ihn auf Ihre Bemerkung hinweisen. Es wundert mich nicht, dass es gegen Ihren Artikel über Vitoria Einwendungen gegeben hat. Ich brauche Ihnen meinerseits nicht zu beteuern, dass mich Ihre Position überzeugt. Ich muss Ihnen übrigens für die ehrenvolle Erwähnung in Ihrem Artikel danken. Auch in Spanien, vor allem aus Anlass der Jahrhundertfeier, gab es viele hohle Lobesworte für Vitoria. Als ich meinen Vortrag in Oviedo hielt, soll nach Angaben eines Freundes ein Herr voller Bestürzung gesagt haben „Dann ... ist dieser Mann (ich) also kein Rechter!" Von dem Artikel des Baron von Heydte [sie] habe ich nichts gehört. Ich muss meine Madrider Freunde fragen, ob sie ihn kennen. Auf jeden Fall glaube ich, dass er keinen großen Eindruck machen kann, denn seine Haltung gleicht zu sehr der, die hier viele eingenommen haben. Was ich am meisten bewundere, ist das Verständnis der Dominikaner, denn die von Salamanca befanden sich nicht auf demselben Niveau.
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Offen gestanden gibt es in Spanien viele Vitoria-Kenner, die auf diesem Kongress eine bessere Figur machen können als ich. Bei meinem Streifzug durch dieses Gebiet habe ich nichts als Kritik geerntet. Glücklicherweise wird meine Freundschaft mit Carl Schmitt zeigen, dass meine kritische Stellungnahme nicht so unsinnig war. Die Teilnahme an diesem Kongress, wenn es keine weiteren Schwierigkeiten gäbe, hätte hauptsächlich und fast ausschließlich zum Ziel, Sie wieder zu sehen, ich habe jedoch nicht die Absicht, noch einmal über Vitoria zu schreiben. Zur Zeit widme ich mich vorwiegend den Studien über juristische Epigraphie. Ich habe übrigens Dr. Wickert mit dem Anliegen geschrieben, mit den Herausgebern des Corpus Inscriptionum Latinarum Kontakt aufzunehmen, habe aber noch keine Antwort erhalten. Ihre Bemerkung zum Missbrauch des Wortes „Staat" in Bezug auf Rom scheint mir unbestreitbar, es ist aber auch wahr, dass ein Wort gefunden werden muss, das sowohl auf den „Staat" als auch auf die Polis wie auf die respublica anwendbar ist. Ich bin dieser Schwierigkeit oft begegnet und fast immer habe ich mich ohne Gewissensbisse für das Wort „Staat" entschieden5. In der Übersetzung von Dr. Caamano, die ich gelesen habe, nachdem ihm die Kopie ausgehändigt worden war, fand ich einige stilistische Details, die bereinigt werden können, obwohl sie mir im Großen und Ganzen gut erschien. Dann habe ich über die beste Fassung von „Ex Captivitate Salus" nachgedacht. Ihre Begriffsklärungen werden angewendet. Für „Verortung" ist „radicaciön" vielleicht die genaueste Übertragung. Vielen Dank für die schöne Gedenkbriefmarke zur Hundertjahrfeier Goethes. Als ich sie meinem Erstgeborenen zeigte, zögerte er nicht, sie zu küssen. Die Reaktion war ziemlich verschieden im Vergleich zu der, die er gegenüber dem Bärenjäger Bismarck gezeigt hatte. Miguel ist fast drei Jahre alt (er hat an Weihnachten Geburtstag), er spricht aber viel und häufig voller Witz. Der Zweite ist vor kurzem ein Jahr alt geworden. Vor Karneval erwarten wir den Dritten. Wie Sie sehen, wird man uns bald die Wohltaten einer „kinderreichen Familie" zugestehen. Ich danke Ihnen nochmals für die Zusendungen - „Land und Meer" ist eine genussvolle Lektüre! - und Ihre immer so gedankenreichen Briefe. Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen der Friede erhalten bleibe - wofür ich unablässig bete - für eine stets fruchtbare Arbeit. Ich bin von ganzem Herzen,
1
Ihr Älvaro d'Ors.
Ängel Lopez Arno (1917-1956), Rechtshistoriker mit bes. Interesse für das Germanische Recht; er übers, u.a. Fritz Kerns; Gottesgnadentum und Widerstandsrecht (1914). D'Ors bezieht sich hier auf „Monarqufa y repüblica en la revoluciön
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de 1848", dessen Ideen in Lopez-Arnos bedeutendstes Buch La Monarquia de la reforma social; 3. Aufl. u. d. Obertitel El poder politico y la libertad, Eingang fanden. Das Buch geht von Lorenz v. Steins Konzept der sozialen Monarchie aus und fordert die Einrichtung einer solchen in Spanien. 2 Lopez Arno schrieb später das recht kritische Vorwort zu Schmitts Interpretation europea de Donoso Cortes, S. 11-21. Donosos Dezisionismus sei keine absolute, nicht-räsonierende Entscheidung im Sinne Schmitts, sondern die juristische Formel eines zeitlich begrenzten Ausnahmezustandes; es ginge nicht darum, dass entschieden werde, sondern dass der göttlich legitimierte Monarch entscheide: „ Y esto es esencialmente legitimidad, no dictadura". 3
Gerade das, was d'Ors an Donoso akzeptiert: den theologische Ansatz, wird von Schmitt kaum angenommen. Das aber, was d'Ors an Donoso kritisiert, dessen Bejahung des Etatismus in Spanien und dessen Europäismus, bewundert Schmitt. Bis zum Schluss bleibt Donoso ein Streitpunkt im Dialog beider Denker. Vgl. dazu AO, „Das Glossarium von Carl Schmitt", bes. 235-241 und FN 53, 54 von G. Maschke. 4 Wie d'Ors mir in einer Unterredung vom 30. 3. 2001 mitteilte, ist seine carlistische Jugend nicht familienbedingt, weder väterlicher- noch mütterlicherseits, beider Vorfahren stammten aus dem Bürgertum, dem die carlistische Tradition in Katalonien völlig fremd war. Sie entstand vielmehr 1936 aus persönlicher Entscheidung aus Anlass des Spanischen Bürgerkrieges, als er 21 Jahre alt war. Nach der Flucht aus der roten Zone meldete er sich in Pamplona zum nationalen Heer. Er wurde seinerzeit angezogen von dem Geist der freiwilligen „requetes" [paramilitärischer Verband der Carlisten], die die jahrhundertealte carlistische Tradition fortführten und mit ihnen zog er als Soldat an die Front, als schon gekämpft wurde, auch sein Bruder Juan Pablo, ein Arzt, war „requete"; im Unterschied zu seinem Bruder Victor, der sich bei einer Truppe der Falange einschrieb, denn er war schon früher Anhänger dieser Gruppierung gewesen. Schon vorher unterhielt er Beziehungen mit dem Gründer der Falange, Jose Antonio Primo de Rivera (1903-1936), dem Sohn des „Diktators", Miguel Primo de Rivera, der in Spanien von 1923 bis 1930 unter dem König Alfons XIII., dem Großvater des gegenwärtigen spanischen Königs, regierte.
Jose Antonio Primo de Rivera studiert Jura. M i t dem Tod seines Vaters beginnt das politische Engagement Jose Antonios, der seit 1925 eine Anwaltskanzlei in der spanischen Hauptstadt betreibt. Bei seiner politischen Arbeit wird de Rivera sehr bald die Notwendigkeit einer Abkehr sowohl von den republikanischen wie auch von den monarchischen Parteien, vom Liberalismus wie von Traditionalismus, klar. Dieser Denkprozess, der sich bei Primo de Rivera vollzieht, ist für die Auffassung einer Gruppe von Spaniern, die angeekelt von der sozialen und politischen Wirklichkeit im Land nach neuen Konzepten sucht, symptomatisch. Vor diesem Hintergrund folgt 1933 di „Falange". Diese wurde später, 1936, verboten und ihr gesamter Führungskader verhaftet. A m 18. 11. 1936 wird de Rivera von einem Volkstribunal zum Tode verurteilt und zwei Tage später erschossen. Aber der Traditionalismus ist nicht das gleiche wie die Falange. Unter den Traditionalisten verband sich die politische Ausrichtung mit einer tiefgreifenden Erneuerung der katholischen Spiritualität, die besonders als „Requete"Ideal gefeiert wurde; ihr Motto war „Gott, Vaterland, König". So entstand in Älvaro d'Ors, ohne dass er irgendwann eine religiöse Krise erlebt hätte, eine Glaubenserneuerung nach der Art der Traditionalisten; das erklärt die theologischen Wurzeln seines politischen Denkens.
Die Briefe Nach Beendigung des Krieges, 1939, blieb Älvaro d'Ors der „Comuniön Tradicionalista" [etwa: Traditionalistischer Bund] verbunden, in der er als „Berater" fungierte. Auch heute übt er wieder diese Funktion aus, nach einer Unterbrechung aufgrund seiner Ablehnung des Kronprätendenten Don Carlos Hugo von Bourbon und Parma wegen dessen Neigung zu demagogischen Tendenzen des Sozialismus. Angesichts der Unmöglichkeit einer Restauration der carlistischen Dynastie, sowie jeglicher traditionalistischer Ausrichtung der Politik in der in Spanien seit 1975 nach dem Tode Francos eingeführten Demokratie, beharrt d'Ors auf der permanenten Gültigkeit der traditionalistischen Grundsätze. Der d'Orssche Carlismus basiert auf diesen Grundsätzen, d.h. im Wesentlichen und nicht in bloß historischer Sicht, als doktrinärer Vorbehalt gegenüber der gegenwärtigen Krise des Etatismus, genauer gesagt, in der Beachtung der traditionalistischen Foralität, dem Regionalismus, der in Navarra hervorragend bewahrt bleibt als hispanische Version des katholischen Prinzips der Subsidiarität. So ist auch zu verstehen, dass sich d'Ors, nachdem er von Schmitt die Darlegungen über die Evidenz der Relativität des „Staates" übernommen hatte, seinem Meister entgegenstellt. Er vertritt nun seinerseits eine universelle Ordnung „ohne Staat", wie vor kurzem in seinem Essay La posesiön del espacio dargelegt wurde, d.h. eine persönliche, von der Schmittschen Landnahme sehr verschiedene Sicht der Dinge. Für Schmitt ist jede Art von Landbesitz bereits souverän und unmittelbar politisch. Angesichts dieser geopolitischen Vorstellung interpretiert d'Ors die Landnahme als existenzielle Notwendigkeit eines Lebensraumes, die von einem Expansionsstreben frei ist, d.h. von einer politischen Konnotation. Für Schmitt entsteht die Gesellschaft aus der Polis, für d'Ors entsteht die Polis aus der Gesellschaft. Es war für Carl Schmitt evident, dass diese carlistische Lebenserfahrung von Älvaro d'Ors in die andauernde Nostalgie der „ehemaligen Kriegsteilnehmer" einzustufen war - wie d'Ors selbst sich erinnert - umso mehr, als sie bis zu den „carlistischen Kriegen" des 19. Jh. und der scheiternden Thronfolge zurückreichte. Daher behauptete Schmitt, dass die „carlistische Sache" ihm „melancholisch" erschien. Und wenn es Schmitt nicht gelang, das Dauerhafte im Carlismus zu erkennen, so kann das vielleicht nach der Meinung von d'Ors zumindest teilweise an Donoso Cortes' Verständnislosigkeit gegenüber dem Carlismus gelegen haben. Und Carl Schmitt bewunderte Donoso besonders. Zum Nicht-Carlismus von Donoso, vgl. AO, „Das Glossarium von Carl Schmitt", bes. S. 240 und die erläuternde FN 60 von G. Maschke. 5 Beide Denker waren sich lebhaft bewusst, dass der Staat als solcher eine historische Form ist, die im 16. Jh. als Folge der Religionskriege entstanden war, die aber genauso wieder verschwinden kann, wie sie entstanden ist.
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Die Briefe
13 (Spanisch geschr.)
A. d'Ors Santiago 20. III. 1950 Lieber Meister und Freund, Bei meiner morgendlichen Meditation stieß ich auf folgenden Satz: „oft habe ich bei meinem blinden Umherirren alle Linien übersprungen, die die Menschen auf den Boden gezeichnet haben und die sie Ihre Rechte und Privilegien nennen". (P. Charles, „La oraciön de todas las horas", S. 518.) Meine Gedanken flogen unmittelbar nach Plettenberg und ich möchte, dass diese Zeilen ihnen folgen. Aus dem Boletim von Coimbra kannte ich bereits Ihren Vortrag „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft" 1, jetzt kann ich ihn aber, dank Ihrer Zusendung in einer vollkommeneren Fassung 2 in der deutschen Ausgabe lesen. Wie sehr ich die Lektüre genossen habe, brauche ich Ihnen nicht zu schildern. In welchem Maße Ihre Gedanken für mich fruchtbar geworden sind, kann Ihnen eine kleine Schrift mit dem Titel „Towards a new ius gentium privatum" vor Augen führen, die ich vor einigen Monaten an den Kongress für Vergleichendes Recht geschickt habe, der diesen Sommer in London 3 abgehalten wird. Darin zitiere ich Ihren Vortrag nach dem Text von Coimbra. Natürlich auch den Vortrag von Koschaker von 1932, aber darüberhinaus sein neues Buch „Europa und das römische Recht" 4 . Außerdem sind die Vorlesungen über Bürgerliches Recht an dieser gleichen Kritik am Legalismus orientiert, die man mir teilweise (Allgemeiner Teil und Pflichten) an dieser Universität übertragen hat. Ich glaube - und ich verstehe es aus den Arbeiten und Unterhaltungen mit meinen Schülern - dass wir uns innerhalb dessen bewegen, was die Zeit fordert. Mein Zweifel ist immer, ob die Reduktion des Problems auf die Grenzen des Europäismus nicht zu Unrecht die Reichweite dieser Fragestellung beschneidet, die sich offensichtlich mit totalen und ökumenischen Dimensionen darstellt. Von diesem „Finis terrae", das Santiago ist, ist es unmöglich, nicht ökumenisch zu sein und aller Europäismus ist ein „Separatismus" 5. Vielen Dank also für diesen Leckerbissen, den Sie mir schenken. Vielen Dank auch für die Auszeichnung, die sie den spanischen Romanisten in Ihren Zitaten zukommen lassen6. Das ist mehr wert als ein „Komturkreuz von Isabel II." oder ein ähnlicher Orden! Ich habe Ihnen auch zu danken dafür, dass sie mich mit Günther Krauss 7 bekannt gemacht haben. Er schickte mir seinen Artikel „Die neue Wen-
Die Briefe d u n g " 8 , für den ich m i c h bereits bedankt habe und späterhin das Original über „ D i e Sünde des V i t o r i a " , das i c h aus Zeitmangel noch nicht lesen konnte, das m i r aber, w i e ich jetzt schon sehe, gefallen wird. „ E l nomos de la tierra" w i r d i m A p r i l bei Arbor
veröffentlicht, w i e man
m i r versprach 9 . Herr Caamano hat die korrigierten Druckfahnen natürlich schon zurückgeschickt. I c h hoffe, dass i n naher Z u k u n f t mehr Übersetzungen folgen werden. I c h suche jetzt nach einem geeigneten Ort für „ E x Captivitate Salus". A l l das sind Gründe, Ihnen zu danken und dass diese Danksagung Ihnen z u m Trost gereiche. I n meinem letzten B r i e f fragte i c h Sie, ob w i r Hoffnungen hegen dürften, dass sie eines Tages nach Spanien k o m m e n könnten, u m einen Vortrag v o n Ihnen zu hören und u m unsere (für mich) so gehaltvollen Unterhaltungen wieder aufzunehmen 1 0 . I c h grüße Sie herzlichst
Ä l v a r o d'Ors.
1 Gemeint ist: CS, „La situation de la jurisprudence europeenne". Der Text weicht von der bekannten deutschen Fassung ab. 2
Vgl. Br. v. 10. 12. 1948.
3
Sie wurde nicht publiziert.
4
Gemeint ist der kämpferisch gegen die Diffamierung des Römischen Rechts während des Nationalsozialismus Stellung beziehende Vortrag Koschakers vor der Akademie für Deutsches Recht im Dezember 1937; ausgearbeitet als Die Krise des römischen Rechts und die romanistische Rechtswisenschaft; sowie Koschaker's bekanntestes Buch Europa und das römische Recht. 5 Schmitt vertritt in diesem Vortrag die These, dass die Krise der europäischen Rechtswissenschaft mit dem juristischen Positivismus beginnt, der als eine erste Frucht des modernen Geistes betrachtet wird. M i t ihm werde das Recht als eine reine, von der Legitimität abgesonderte Legalität bestimmt. In Schmitts Augen ist dieser Positivismus ein Verrat am eigensten Wesen Europas. Nach d'Ors aber hat Europa selbst als „säkularisierte Formel zur Bezeichnung der Christenheit in einem Augenblick, in dem diese profaniert wurde" (vgl. seinen Prolog zu: Romano Guardini, El Mesianismo, S. 35-59; zuerst dt. u.d.T. Der Heilbringer in Mythos, Offenbarung und Politik) den authentischen Sinn aller Rechtwissenschaften verraten. Die Formel „Europa" ist das Symbol der Autonomie der Rechtswissenschaft in bezug auf die Theologie, die Metaphysik und die Philosophie. Vgl. auch AO, „Rafael Gambra y Europa", bes. S. 72-76, wo er ausdrücklich auf die Auswirkung hinweist, die der Begriff des „Großraums" für ein genaues Verständnis des europäischen Raums haben kann. 6
Schmitt zitiert in diesem Artikel AO. Vgl. Br. v. 30.12.1948.
7
Günther Krauss (1911-1989) studierte Jura in München, Berlin, Bonn und Köln. Durch Vermittlung seines Freundes Paul Adams (1894-1961) besuchte er 1931 das Seminar Schmitts in Berlin. Nach dem Referat, das er dort vortrug, lud 7 Herrero
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Die Briefe
ihn Schmitt in sein Haus ein. Er promovierte 1935 bei Schmitt mit einer Arbeit über Rudolph Sohms: Der Rechtsbegriff des Rechts. Ab 1932 veröffentlichte er zahlreiche Artikel unter dem Pseudonym Clemens Lang in der Zeischrift „Deutsches Volkstum" von Wilhelm Stapel (vgl. dazu Dahlheimer, Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus: 1888-1935, S. 515-522). Er war Mitarbeiter Schmitts beim „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen"; die Mitarbeit endete, als Schmitt von der SS-Zeitschrift Das Schwarze Korps in zwei Artikeln scharf angegriffen wurde („Eine peinliche Ehrenrettung", 3. 12. 1936; „Es wird immer noch peinlicher!", 10. 12. 1936); „als peinliche Ehrenrettung" galt Krauss' für Schmitt werbender Artikel „Zum Neubau deutscher Staatsrechtlehre. Die Forschungen Carl Schmitts"; aufmerksam wurde das „schwarze Korps" vermutlich durch das in der Schweiz erscheinende Blatt der katholischen Emigration Deutsche Briefe, hrsg. von Waldemar Gurian (1902-1954); vgl. die Edition von Hürten, Deutsche Briefe 19341938 sowie Zeck, Das Schwarze Korps, bes. S. 246-248. Durch diese Affaire kühlten sich die Beziehungen Schmitt/Krauss ab. Krauss arbeitete bis zu seinem Lebensende als Rechtsanwalt in Köln; 1947/48 wurden die Beziehungen wieder belebt. 1952 gründete eine Gruppe von Intellektuellen um Krauss, unter denen sich Hans Barion (1899-1973), Heinrich Oberheid (1895-1977), Hubertus Bung (1908-1981), Karl Tiesler (1904-1988) und Wilhelm Schmitz (geb. 1912) befanden, die „Academia Moralis", die Colloquien organisierte und in der Schmitt eine bedeutende Rolle spielte. Vgl. Nachlass RW 265-234; vgl. auch Wilhelm Schmitz, „Zur Geschichte der Academia Moralis", S. 119-156; vgl. auch v. Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens, bes. S. 246-251. Krauss besuchte mehrfach Spanien und schloss enge Freundschaft mit d'Ors; vgl. a. den Brief v. 6. 2. 1951. Aufschlussreich sind Krauss' „Erinnerungen an Carl Schmitt", in 6 Teilen erschienen. 8 Er bezieht sich auf Die neue Ordnung. Es handelt sich wahrscheinlich um den Artikel „Die totalitäre Staatsidee". Es ist der Text seines Vortrags auf dem Katholikentag von Bochum (vgl. Br. v. 3. 7. 1949). 9 10
Vgl. Br. v. 28. 10. 1949.
Im Mai 1950 war Schmitt nach Spanien gereist, um einige Vorträge zu halten. Vgl. Jayme, Luis Cabral de Moncada und Carl Schmitt. Im Br. v. 3. 5. 1950, von Madrid aus geschickt, sagt ihm Schmitt: „ . . . In der zweiten Hälfte des Mai komme ich wahrscheinlich nach Santiago und sehe dort unsern gemeinsamen Freund Älvaro d'Ors".
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Die Briefe
14 (Deutsch geschr.)
Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 Gründonnerstag 1950 M i siempre querido amigo; lieber und verehrter Don Älvaro! A su cita de la hermosa fräse de su meditaciön matutina del 20. III. respondo con una cita de la liturgia de hoy que entrega una buena divisa para nosotros juristas: contra jura daemonum1. In diesen Tagen der Karwoche und des Osterfestes denke ich in treuer Freundschaft an Sie und wünsche Ihnen und Ihrer Familie von ganzem Herzen ein segensreiches Fest und gute, von allen Spezial-Sorgen freie Ferientage. Ich habe Ihnen lange nicht mehr geschrieben und bin Ihnen noch den Dank für Ihren Brief von 20. Nov. 49. (erhalten 2. Dez. 49) schuldig, den ich zugleich mit dem Brief von 20. III. 50. (erhalten 29. III.) jetzt endlich beantworte. Und Ihre Wünsche zu Weihnachten und zum Neuen Jahr beantworte ich mit meinen Oster-Wünschen! Es increfble [Es ist unglaublich.] Aber Sie werden Nachsicht mit mir haben, lieber Don Älvaro. Ich hatte in diesen letzten 6 Monaten besonders viel Arbeit, Tracasserien, Missgeschicke und Tribulationen 2 . Das traurigste war, dass meine Frau schwer krank wurde und nur mit viele Mühe durch Freunde in Heidelberg am Leben erhalten wurde. Die arme Frau Schmitt erleidet jetzt die physischen Auswirkungen von 7 Jahren Unglück und Verfolgung. Es begann im Sommer 1943 als unser Haus durch eine Luftmine total zerstört wurde. Seit dieser Zeit sind wir ohne richtige Wohnung. Dazu Ereignisse wie der 20. Juli 1944, die Eroberung Berlins durch die Russen im April und Mai 45, bei der wochenlang plündernde und schändende Soldaten in die Wohnung kamen, dann Camp und Verfolgung und Entrechtung aller Art. Es war eine harte Probe und es ist besser, nicht viel davon zu sprechen. Ich erwähne es heute nur, um meine Bitte um Nachsicht etwas zu spezifizieren. Vor einigen Wochen, Mitte März, traf ich in Walberberg einen Landsmann von Ihnen, der in Bonn studiert, Jose Lois Pinillos 3 , einen Philosophen, mit dem ich gleich in ein lebhaftes Gespräch geriet. Kennen Sie ihn? Ich habe es sehr bedauert, dass das Gespräch nur einige Stunden dauerte. Ich fühlte wiederum die „existentielle" Verbundenheit mit der Situation Ihres Landes. Das hat mich sehr erregt, und meinen Wunsch Sie bald wiederzusehen, von Neuem heftig entflammt. P. Eberhard Welty O. P. in Walberberg hat mir versprochen, Sie und einige andere Spanier (Antonio de Luna, Antonio Truyol, Trelles und Caamano) zu einer vorbereitenden Bespre*
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chung über die Vitoria-Frage einzuladen, die im Zusammenhang mit dem diesjährigen Katholiken-Tag in Walberberg veranstaltet werden soll. Allerdings liegt Walberberg etwas weit von dem diesjährigen Tagungsort (Passau)4 entfernt. Aber die Eisenbahnen fahren wieder vorzüglich in WestDeutschland. Ich hoffe also, dass es dieses Jahr gelingt und wir uns hier, zwischen Rhein und Elbe, wiedersehen. O lieber Don Älvaro, ich werde überglücklich sein, wenn ich Sie hier begrüßen und einige Tage mit Ihnen verbringen kann! Viele werden Sie mit großer Freude begrüßen, vor allem Günther Krauss und mein Freund P. Alexander Siemer 5 , dem ich viel von Ihnen erzählt habe. Dass Sie meine Abhandlung über „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft" in Händen haben, ist für mich ein großer Trost. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an diesem Sorgenkind und füge diesem Brief eine Übersicht über die juristischen Gremien bei, vor denen ich den Vortrag gehalten habe6. Dieses Opusculum ist also auch „in sich" und seinem Schicksal selbst europäisch. Warten wir jetzt ab, wie sich die heutige Öffentlichkeit dazu stellt! Die Zitierung spanischer Gelehrter hat mir besondere Freude gemacht. Wird Ihr Expose „Towards a new jus gentium privatum", das Sie dem Londoner Congress geschickt haben, bald gedruckt werden? Ich möchte es natürlich gerne haben7. Ihre kritische Bemerkung wegen der Einschränkung meines Themas auf „Europa" beantworte ich so: mir kam es auf die geschichtlich präsente Verortung an (die Übersetzung „radicaciön" ist sehr gut; ich will das auch D. Jose Caamano sagen); ich stehe ganz unter dem Eindruck der geschichtlichen Tatsache, dass das, was wir heute erfahren, nicht anderes ist - von Westen und Osten - als eine Rückkehr von Ausgeburten europäischen Geistes auf europäischem Boden. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen; ich suche die Krypta und nicht die WeltOberfläche. Das ist der Sinn der Beschwörung am Schluss, den ich mit voller Überlegung, Satz für Satz, formuliert habe. Sie, lieber Don Älvaro, haben in Ihrem Land den Bürgerkrieg in sich ausgetragen. Das war eine harte Arbeit, aber es ist Ihnen gelungen. In Deutschland (und nicht nur in Deutschland) ist nichts ausgetragen. Es ist also kein „separatismo", sondern „radicaciön", die mich bewegt, nur von europäischer Rechtswissenschaft zu sprechen. Europa ist das Hic Rhodus, hic salta8. Sie sprachen in Ihrem Brief vom 20. Nov. von den Donoso Arbeiten Ihres Kollegen Prof. Lopez Arno 9 . Es würde mich sehr interessieren, ob etwas von ihm erschienen ist. Leider bekomme ich die Zeitschrift „Arbor" nicht regelmäßig. In Deutschland spricht man jetzt weniger von Donoso. Das hängt mit der „Normalisierung" zusammen und ist in meinen Aufsatz mit-einkalkuliert. Ich kenne die Problematik des Themas „Donoso" sehr gut. Er ist ein Krisen-Vögel, soweit er ganz groß ist. M i r liegt aber an der nicht-marxistischen Geschichtsdeutung des 20. Jahrhunderts und darin ist er
Die Briefe
ganz erstaunlich. Der Marxismus ist in einem so intensiven Sinne Geschichtsphilosophie, dass alles, was mit ihm in Berührung kommt, gezwungen ist, sich geschichtsphilosophisch zu orientieren. Die Masse der Menschen in Westen und Osten fragt heute nicht mehr nach Gut und Böse, Recht oder Unrecht, sondern will „richtig liegen", richtig d. h. auf der Seite der kommenden Dinge. Auch der Westen hat sich eine Geschichtsphilosophie zulegen müssen, aber Toynbee ist nur ein schwacher Spengler-Epigone. Das große Problem ist, ob vom Thomismus her eine Geschichtsphilosophie oder Geschichtstheologie 10 zu gewinnen ist. Wahrscheinlich ist diese Frage für Sie als Romanisten wissenschaftlich weniger akut als für mich, mit meinen völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Problemen. Auch die Unterscheidung von Legalität und Legitimität ist schließlich nur als geschichtliche Interpretation zu erklären. Alle Nicht-Katholiken erkennen heute eine Links-Legitimität an, weil ihre Geschichtsdeutung links geht. Alle sind auf dem Weg nach Moskau. Das zum Thema Legitimität. Diese Seite meiner Abhandlung über die Lage der europäischen Rechtswissenschaft ist mir so wichtig, dass ich, um nicht in nicht geschichtliche Gedankengänge zu münden, das Wort „Naturrecht" 11 vermieden habe. Ich werde Don Jose Caamano noch darüber schreiben und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich inzwischen bei ihm und D. Camilo Trelles wegen meines langen Schweigens entschuldigen wollten. Ich hoffe, Sie werden mir meine späte Antwort nicht mit gleichem vergelten. In aufrichtiger Freundschaft grüße ich Sie zum Osterfest und bitte Sie, mit diesen Ostergrüßen Dona Palmira Lois d'Ors meinen ergebensten Dank für Ihre beiden Weihnachts- und Neujahrsgrüße zu übermitteln. Ich freue mich auf eine baldige Nachricht von Ihnen und bleibe stets suyo cordialmente
Carl Schmitt
1 „ A u f Ihr Zitat des schönen Satzes aus Ihrer Morgenmeditation vom 20.3. antworte ich mit einem Zitat aus der heutigen Liturgie, die uns Juristen ein schönes Motto liefert: contra jura daemonium". Vielleicht weist Schmitt hier auf die „probatio diabolica" hin, eine Bezeichnung, die man verwendete, um die Schwierigkeit zu benennen, die man den Klägern im Falle einer Rückforderungsklage auferlegte. Der Ausdruck „probatio diabolica" geht auf die Prozesse der Seele zurück, in denen der Teufel, der die Seele für die Hölle fordert, immer aus Mangel an Beweisen vor dem Engel zu verlieren pflegt. Vgl. AO, Derecho Privado Romano, § 148. 2
In dieser, dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nahen Zeit begegnete Schmitt viel Feindseligkeit. Man war dabei, die Entnazifizierung durchzuführen und er weigerte sich, seine eigene Geschichte zu widerrufen. Andererseits stellte er gerade Der Nomos der Erde fertig; zudem war seine Frau schwer erkrankt. So berichtet er A. Möhler in einem Brief vom 15.4.1950: „Vorigen Mittwoch ist Frau Schmitt wieder nach Heidelberg gereist. Es ging Ihr sie! seit Februar wieder schlechter. Ich habe jetzt den Nomos der Erde einem Kölner Verleger verkauft, um die nächsten Monate zu ertragen". (Vgl. Möhler, Carl Schmitt-Briefwechsel, S. 79.)
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3 Jose Luis Pinillos (geb. 1919) Dr. phil.; 1962 Ordinarius für Psychologie (nicht Philosophie, wie Schmitt meinte) der Universität von Valencia und 1966 der Universidad Complutense von Madrid, 1988 Mitglied der Real Academia de Ciencias Morales y Politicas [etwa: Königliche Akademie der Moral- und Geisteswissenschaften]. In dieser Epoche gehörte er zum Kreis um die Zeitschrift Arbor. Er war einer der ersten Mitarbeiter des Instituts für Experimentelle Psychologie des CSIC. Der Erziehungsminister, Ibänez Martin und der Generalsekretär des CSIC, Jose M Albareda, sorgten sich damals sehr um die Forschung in Spanien; ein Grund war die oft schlechte Ausstattung der Universitäten. Die Idee wurde propagiert, dass die Forschung dem CSIC zugewiesen werde und den Universitäten nur die Lehre bleiben solle; so auch Pinillos in: „Crönica Cultural espanola"; d'Ors kritisierte dies in s. Artikel, „Universidad e Investigation"; vgl. auch J. M. Albareda „La aptitud investigadora y otros factores de la producciön cientifica". Nach seinen Erfahrungen in Deutschland schrieb Pinillos den einfühlsamen Aufsatz „Ideas para una intelecciön de Alemania", der sich auch in Schmitts Nachlass findet. 4
Der 74. Katholikentag fand in der Tat in jenem Jahr in Altötting (Passau) statt. Vgl. die Akten Zuerst das Reich Gottes, Bonifazius, Paderborn 1950. 5
Wer Alexander Siemer war konnte nicht geklärt werden.
6
Diese Übersicht fehlt in der Korrespondenz. Man kann eine detaillierte Untersuchung der Orte finden, an denen Schmitt diesen Vortrag hielt und auch der Personen, die daran teilnahmen. Vgl. Tilitzki, „Die Vörtragsreisen Carl Schmitts", bes. S. 252-259. 7
Es ist nicht veröffentlicht worden.
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„Hic Rhodus, hic salta". Der Ausdruck bezieht sich nicht auf die saltatio als Schauspiel, das nicht für Rom typisch war, sondern für Griechenland und besonders für Rhodos, eine Stadt, in die viele junge Römer zur Ausbildung zogen (vgl. Waither, Lateinisches Sprachwörterbuch, II, 320), sondern es handelt sich um eine Anspielung auf die Fabel von Äsop „Der Prahlhans" (vgl. 203 b Halm). Äsop erzählt von einem Prahlhans, der damit angab, dass er in Rhodos weiter gesprungen wäre als die olympischen Wettkämpfer. Als er das hörte, sagte einer der Zuhörer zu ihm: „Hier ist Rhodos, hier sollst du springen." Es ist jedoch nicht sicher, ob Schmitt in diesem Brief dem Ausspruch diesen Sinn geben wollte. Es scheint eher so zu sein, dass Schmitt durch Hegel auf diesen Aphorismus des Äsop gestoßen ist, der ihn in der Vorrede seiner Grundlinien der Philosophie des Rechts benutzt. In der Tat erschien er dort in der Bedeutung von Ortung, die Schmitt ihm geben will. Zitat Hegel: „Hic Rhodus, hic saltus. Das, was ist, zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das was ist, ist die Vernunft. Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Philosophie, ihre Zeit in Gedanken erfasst. Es ist ebenso töricht zu wähnen, irgendeine Philosophie gehe über ihre gegenwärtige Welt hinaus, als, ein Individuum überspringe seine Zeit, springe über Rhodus hinaus". Hier verteidigt Schmitt also mit Hegel die historische, konkrete Verwurzelung eines jeden Gedankens. 9 10
Vgl. Br. v. 20. 11. 1949.
Das ist das grundlegende Problem Schmitts gegenüber dem Thomismus, wie aus dem folgenden Abschnitt eines Briefes an Cabral de Moncada vom 7. 12. 1949 zu ersehen ist: „Das Problem des Thomismus ist mir durch die Lektüre Ihrer Filosofia do Dereito und durch meinen Aufsatz über Vitoria wieder lebhaft bewusst geworden. Das A-Historische des Thomismus hat etwas Quälendes". Vgl. Jayme, 23.
Die Briefe 11 Auf den letzten Seiten der erwähnten Arbeit neigt Schmitt dazu, die historische Legitimität als eine Form zu betrachten, die dem Gesetz Festigkeit verleiht, und er stützt sich auf die Argumentation de Savignys, obwohl er in dem Brief vom 28. 6. 49 eingesteht, dass die Interpretation von de Savigny gescheitert ist. Man kann nicht sagen, dass Schmitt einem historischen Positivismus als solchem das Wort redet. Andererseits ist für ihn jedes Naturrecht rationalistisch, denn es stellt eine rationale Rechtsableitung dar, die auf Grund einer angenommenen universellen Menschennatur kodifiziert und abgeschlossen wird. In einer Passage des Glossarium, die auf den Kommentar von d'Ors selbst hinweist (vgl. AO „Das Glossarium von Carl Schmitt", S. 234), wird die Beziehung und auch der Unterschied in der Betrachtung des Naturrechts beider Autoren ziemlich deutlich: für d'Ors hat es wesentlich mit der Legitimität zu tun, für Schmitt nicht. Es handelt sich um die Eintragung vom 24. 11. 1947. Darin bezieht sich Schmitt auf den Artikel von Otto Veit, „Die geistesgeschichtliche Situation des Naturrechts", in dem gerade in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Naturrecht und positivem Recht kein Verweis auf die für Schmitt wesentlichere Unterscheidung zwischen Legalität und Legitimität erscheint. Schmitt sieht darin tatsächlich ein Zeichen seiner Zeit. Wenn das Naturrecht nicht auf diesen Unterscheidung verweist, dann interessiert es ihn nicht. Dann ist es besser, von der Geschichte zu reden: „(...) die Distinktion Naturrecht - Positives Recht ist überholt; es handelt sich nicht mehr um ,Natur 4 (das ergäbe heute bestenfalls ein biologisches Recht, von dem wir ja alle genug haben); es handelt sich um die Geschichte, sei es die Heilsgeschichte, sei es die von Menschen gemachte, immer bewusster, immer planvoller mit steigender Intensität des geschichtlichen Bewusstseins (und der totalen Planung) gemachte Geschichte". CS, Glossarium, S. 50. D'Ors versteht es anders, in einem seiner letzten Bücher, Derecho y sentido comün fasst er das Naturrecht als eine Grenze des positiven Rechtes auf und daher als „legitim" gegenüber dem positiven Recht, das „rein legal" ist. D'Ors selbst kritisiert die Haltung Schmitts in der erwähnten Schrift über das Glossarium: „Doch Schmitt, darin wie sein alter Widersacher Kelsen, w i l l vom Naturrecht nichts wissen. (...) Doch wie den Sturz in die positivistische Legalität vermeiden, wenn wir auf die natürliche Legitimität verzichten? Abermals können wir eine gravierende Folge der Schmittschen Negation der „Natur" mit Händen greifen. Die Negation der menschlichen Natur ist das unerbittlich zwingende Ergebnis der Wende der modernen Wissenschaften ins Quantitative, von der auch Schmitt nicht unbeeindruckt blieb". „Das Glossarium von Carl Schmitt", S. 261.
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A. d'Ors Santiago 2. jul. 1950 Mein bewunderter und lieber Meister und Freund, vor allem möchte ich meine besten Wünsche ausdrücken zur Genesung Ihrer Gattin. Ich kann die Leiden vollkommen nachvollziehen, die Sie durchgemacht haben - ein Fegefeuer auf Erden! Glauben Sie mir, ich teile von ganzem Herzen Ihren Schmerz und bitte Gott darum, dass er ihn lindert. Ihr letzter Brief war wie alle anderen eine Lektion und eine Meditation. Ich verstehe Ihre Gründe für die „Verortung" des Europäischen. Ihr kleines Werk über die Lage der europäischen Rechtswissenschaft ist für mich so wichtig, dass ich mich nicht mit einer simplen Lektüre und einem Kommentar unter Freunden begnügen kann. Auch befriedigt mich eine einfache bibliographische Rezension nicht, nein, ich möchte in einer gesonderten Arbeit eine umfangreichere Betrachtung über dieses Thema anstellen, sie vielleicht für die Miszellen bereitstellen, die in Italien unter demselben Titel des Werkes von P. Koschaker, „Europa und das römische Recht" mit Beiträgen aus der ganzen Welt veröffentlicht werden 1 . Es ist schade, dass Prüfungen mich während des ganzen Monats Juni aufgehalten haben und dass mir nur zwei kurze Monate bis zur Einreichung des Originals übrigbleiben. Wie gesagt, das Thema und die Perspektive begeistern mich, obwohl ich mich, aus welchem Grund auch immer, weniger europäisch 2 fühle ... Das Problem Europa hat sich auch in Spanien in eine aktuelle Fragestellung verwandelt wie sie z.B. aus der „Revista de Estudios Politicos" 3 ersehen konnten. In dem Beitrag zum Kongress von London - „Towards a new ius gentium privatum" - entwickle ich den Gedanken nicht in der Breite, die ich für wünschenswert halte, denn man gab mir wenig Zeit und außerdem bat man mich, die Arbeit auf Englisch zu schreiben, was mir besondere Schwierigkeiten bereitet, wenn man ein Thema der kontinentalen Jurisprudenz darlegen will - zumindest für einen so wenig Erfahrenen wie ich. Mein Kollege Löpez-Amo hat den „donosianischen" Kommentar noch nicht geschrieben, besteht aber darauf ihn zu machen. Ihm steht wirklich wenig Zeit zur Verfügung, denn er ist Direktor eines Studentenwohnheims, und das raubt ihm viel Zeit. Vor einigen Tagen habe ich ihn noch einmal gefragt, was er zu tun gedenke und er sagte: „Ich werde es machen" 4 .
Die Briefe
Ich sehe wieviel Sympathie für die spanischen Angelegenheiten Sie in Dr. Günther Krauss geweckt haben. Ich stehe mit ihm in Briefverbindung. Ich bin sehr daran interessiert, Ihren Freund P. Alexander Siemer 5 kennenzulernen. Gerne würde ich diesen Sommer nach Deutschland kommen - und bei Ihnen in Plettenberg vorbeikommen - wenn das Devisenproblem gelöst würde. Ich habe mich bereits für die liebenswerte Einladung des P. E. Welty von Walberberg bedankt. Ich kenne Jose Luis (nicht Lois) Pinillos in der Tat aus Madrid, er ist eine sympathische Person, mit der ich viel gesprochen und diskutiert habe, immer freundschaftlich 6. Ich stehe in Briefwechsel mit ihm. Pinillos empfindet ebenfalls die größte Bewunderung für C. Schmitt. Es überrascht überhaupt nicht, dass Sie eine Vorliebe für Spanien empfinden, denn ich glaube, dass sie in wenigen Ländern mit einer so hohe Anzahl von Bewunderern und aufrichtigen Freunden rechnen können. Allein in Santiago würden sie schon einen Kreis von zahlreichen Bewunderern vorfinden. Ich erinnere mich, dass Sie mir in Granada von dem Romanisten F. Wieacker erzählten, und wenn ich mich richtig erinnere, auch dass er „Protestant" sei. Jetzt ist mir sein Büchlein „Vom röm. Staat als Rechtsordnung" (Freib. i.Br. 1949) in die Hände gelangt und es scheint mir nicht das Werk eines „Protestanten" zu sein 7 . Habe ich vielleicht falsch verstanden? Meine Frau bedankt sich für die lieben Grüße und wir alle wünschen Ihnen Gnade und Seelenfrieden im Überfluss, denn worin sonst soll die Glückseligkeit bestehen. Sie wissen, dass Sie aufrichtig geschätzt und bewundert werden von Ihrem ergebenen Freund Älvaro d'Ors
1 Da Koschaker (geb. 1879) bereits 1951 starb, wurde aus der geplanten Festschrift eine Gedächtnisschrift, die später erschien: L'Europa e il Diritto Romano. Der erste Band enthält auf den SS. 449-476 den Beitrag d'Ors „Ius Europaeum?", der ein Ius Europaeum zurückweist und ein ius naturale catholicum fordert. Zu Schmitt dort S. 452 ff., 457 ff. 2 Um welche Umstände es sich handelte? Bei d'Ors fällt der Antieuropäismus mit seiner antiestatistischen und anti-säkularisierenden „Verortung", d.h. mit seinem Traditionalismus zusammen; vgl. Br. v. 20. 3. 1950. 3
F. J. Conde hielt am 26. 4. 1949 im Madrider Ateneo den Vortrag „Sobre la situaciön actual del europeo" veröffentlich in REP; als damaliger Direktor des Instituto de Estudios Politicos stellte er das von ihm in Zusammenarbeit mit Gömez Arboleya und Garcia Pelayo entwickelte „Programa del Seminario sobre Europa del Instituto de Estudios Politicos" im Nov./Dez. 1949 vor; vgl. REP, 48, Nov.-Dez. 1949; beide Texte in: Conde, Escritos y Fragmentos Politicos, S. 355-403. Bes. Der erstgenannte Text verrät Schmitts - proeuropäischen - Einfluss und geht auch positiv auf Donosos Europa-Ideen ein.
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4
Vgl. den Br. v. 20. 11. 1949.
5
Die Identität Alexander Siemers konnte nicht geklärt werden.
6
Er bezieht sich auf den Disput über Forschung und Lehre, den wir erwähnten. Vgl. Br. v. Gründonnerstag 1950. 7
Wieacker war Protestant.
16 (Spanisch geschr.)
A. d'Ors Santiago 28/1/51
Lieber Prof. Schmitt: Unser gemeinsamer Freund Rafael Gibert 1 hat mir die sehr traurige Nachricht 2 mitgeteilt. Ich erinnere mich, dass Sie mir letztes Jahr um diese Zeit schrieben, wie sehr Sie besorgt seien wegen der Krankheit Ihrer Gattin, die durch die Leiden während dieser grausamen Jahre verursacht worden war. Wie unpassend waren meine Weihnachtsgrüße - verzeihen Sie - . Ich bete für Sie um dieses requies aeterno, im Frieden des Herrn, das wir alle anstreben sollen und ich bin sicher, dass der monumentale Geist von C. Schmitt auch dieses irdische Unglück überwinden wird: Durch alles das bin ich hindurchgegangen Und alles ist durch mich hindurchgegangen! 3 In meinem Arbeitszimmer habe ich drei Tische: zur Zeit sind sie folgendermaßen verteilt: einer für die juristische Epigraphie, damit sich das Corpus Inscriptionum Latinarum in seiner ganzen Breite ausdehnen kann; ein anderer für die Jurisprudenz; schließlich ein anderer, kleiner und runder am Fenster mit den Werken, die ich gerade lese. Dort liegen zur gleichen Zeit wie ein großer Bruder und zwei kleinere: „Der Nomos der Erde" (den ich bei der Juristischen Bibliothek ausgeliehen habe) und „Ex Capitivitate Salus" mit „Donoso Cortes", die mir beide der Verlag zu meiner persönlichen Bereicherung geschickt hat. Die Figur des Autors 4 , so als wäre sie wundersam gegenwärtig, erscheint oft auf der anderen Seite des kleinen Tischs und zwischen beiden entwickeln sich die anmutigsten Gespräche. Der Schü-
Die Briefe
ler wächst über sich hinaus, so sehr, dass er sich als Autor fühlt! So wie bei Beethoven ... Wenn ein Kollege zu mir kommt, wird die Unterhaltung unvermeidlich auf die blauen Bücher 5 gelenkt. Der „Gesang des Sechzigjährigen" wird von meinen unfähigen Lippen rezitiert, mit einer Aussprache, die viel zu wünschen übrig läßt, aber mit einer Sympathie, die sich auf den Zuhörer überträgt. Gerade heute kamen mir Ihre Verse wieder ins Gedächntnis, als ich die Epistel dieses Dominica Sexagesima (2. Kor.) las, wo sich Paulus auch als von seiner Geschichte verletzt darstellt: in laboribus plurimis, in carceribus abundantius, in plagis supra modum, in mortibus frequenter. A Judaeis quinqies quadragenas, una minus, accepi. Ter virgis caesus sum, semel lapidatus sum, ter naufragium feci, nocte et die in profundo maris fui, etc. - Auch Paulus läßt uns am Ende mit einer Unbekannten allein: datus es mihi stimulus cernis meae, angelus satanae, qui me colapticet. Ehrlich gesagt, für mich ist er auch ein Rätsel, dieser „Heilige" Retter 6 . Sie sehen schon, auf welchen unergründlichen Wegen mich Paulus an der Hand zu Carl Schmitt führt. Ich verehre Paulus sehr, sodass Sie also in guter Gesellschaft daherkommen. Übrigens, am 25., dem Fest der Bekehrung des hl. Paulus, ist unser vierter Sohn geboren, den wir gestern mit den Namen Ängel Gabriel Juan Pablo getauft haben. Ich weiß nicht, ob es in Deutschland üblich ist, so viele Namen zu geben, obwohl man in Wirklichkeit nur den ersten verwendet. Auch von Rafael Gibert habe ich Neuigkeiten über Sie erfahren. Auf diese Weise kann ich mit Hilfe Ihrer Sympathie und der Bewunderung an einem Essen teilnehmen, das sie zusammen eingenommen haben. Ich empfinde eine große Zuneigung für Gibert und ich weiß, dass er sie auch für mich empfindet. Ich spreche Ihnen nochmals mein herzliches Beileid aus. Ich danke Ihnen für die Zusendung der Bücher. Seien Sie ganz herzlich gegrüßt von Ihrem ergebenen Älvaro d'Ors
1 Rafael Gibert, geb. 1919, Rechtshistoriker; ab 1950 Ordinarius in Granada, später an der Complutense von Madrid; ein sehr enger Freund d'Ors'. Er editierte Textos juridicos espanoles und schrieb u.a.: Historia General del Derecho Espafiol, Granada; sowie Elementos formativos del Derecho en Europa; dort zu d'Ors S. X V , 6, 23; vgl. auch seinen freundschaftlichen Bericht „Una tarde con Carl Schmitt" [Ein Nachmittag mit C. S.]. 2 Bezieht sich auf Schmitts Frau Duschka, die, 47jährig, am 3. 12. 1950 in einer Heidelberger Klinik an Leukämie starb. Schmitt besuchte sie dort häufig, wie aus seinem Briefwechsel mit A. Möhler hervorgeht.
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3 Es sind zwei Verse aus dem Gesang eines Sechzigjährigen , vgl. Br . v. 17. 12. 1948. 4
Gemeint ist CS.
5
Alle drei Bücher, 1950 bei Greven Verlag in Köln erschienen, waren in blaues Leinen gebunden. 6 Es handelt sich um 2. Korinther, 11, 23-26. Zwischen dem Text des hl. Paulus und der von Schmitt in seinem Gedicht erwähnten Erfahrung besteht eine bemerkenswerten Parallele. In beiden Fällen gibt es einen Hinweis auf die Bedrängnis eines „Retters". Für Paulus ist es Christus; für d'Ors ebenso, obwohl er hier, wenn er ihn als rätselhaft bezeichnet, sich eher auf die Art bezieht, in der Christus durch den Heiligen Geist errettet, d.h. auf die Art, wie die Gnade einen jeden Menschen erlöst. Darin ist implizit das Thema des Engels als Bote des Heiligen Geistes enthalten. Wer ist für Schmitt dieser Retter? Erst am Ende des Gesangs gibt er diesen rätselhaften Hinweis: „(...) und rettend öffnet die Tore ein Heiliger mir aus dem Osten. Sohn dieser Weihe, Du sollst nicht erbeben! Horche und leide!" (Nach CS, Ex Captivitate Salus, S. 93) Dieser „Heilige aus dem Osten" war Gegenstand vieler Interpretationen. In seinem Aufsatz über Schmitts Glossarium, auf das wir bereits hingewiesen haben (vgl. Br. v. 17. 12. 1948), wagt d'Ors die Interpretation, dass Schmitt seine Frau meinte, eine Quelle des Trostes und des Friedens im Leben des Juristen. Vielleicht bezieht sich d'Ors in seinem Beileidsbrief deshalb auf diese Passage. Gueydan de Roussel hält die Stelle lediglich für einen Beweis für Schmitts „foi inebranlable", vgl. Schmittiana III, S. 54 ff. Eine größere Wahrscheinlichkeit spricht jedoch dafür, dass Schmitt mit „dem Heiligen aus dem Osten" den Jesuitenpater E. Przywara meinte, vgl. den Br. v. 6. 10. 1956.
17 (Deutsch geschr.) Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 6. Februar 1951
Wissen Sie, lieber und verehrter Ä l v a r o d'Ors, dass Sie m i t Ihrem B r i e f v o m Sonntag Sexagesimo 1 den berühmten Goethe besiegt haben? Goethe, der weltberühmte, humane Goethe, hat tatsächlich den Ausspruch getan „Tros t ist ein absurdes Wort; wer nicht verzweifeln kann, soll auch nicht leben". Solche Sätze gehören zu dem „andern" Goethe und zur Kehrseite
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der absoluten Humanität. Ihr Brief vom 28. Januar aber, lieber Älvaro d'Ors, war für mich ein echter, wirklicher Trost, ein Dokument wahrer Freundschaft. Ich danke Ihnen von Herzen und finde jetzt endlich wieder den Impuls, Ihnen einen Brief zu schreiben, nachdem ich lange geschwiegen und nicht einmal Ihre freundlichen Briefe vom Herbst und Ihren entzückenden Glückwunsch zum Weihnachtsfest 2 beantwortet habe. Die Weihnachtstage waren für mich und meine Tochter Anima sehr traurig; in diesen Tagen - am 8. Februar 1951 - würde ich 25 Jahre lang verheiratet gewesen sein und hätten wir die silberne Hochzeit feiern können, worauf wir uns schon lange gefreut hatten. Gott hat es anders gewollt, und meine Frau hat uns ihren schweren Tod leicht gemacht durch ihre Frömmigkeit und ihre Furchtlosigkeit 3 . Sie ist auf dem Friedhof in Eiringhausen begraben, von dem in Ex Captivitate Salus (in den „Zwei Gräbern", S. 52) die Rede ist, und wo auch ich begraben zu werden hoffe 4 . Es wird für mich ein großer Trost sein, Ihnen, lieber Älvaro d'Ors, von ihr zu erzählen, wenn wir uns wiedersehen. Von den spanischen Freunden werden sich noch manche ihrer erinnern: A. de Luna, J. Conde, Castro Rial 5 , Echebarrfa 6 und andere haben sie noch als Hausfrau und Gastgeberin in Berlin kennengelernt. Sehr schade, dass Sie 1932 in Berlin nicht bei uns waren! Nun aber muss ich Ihnen und Ihrer verehrter Gattin zu Ihrem Sohn Ängel gratulieren. Ich hoffe, dass Mutter und Kind gesund und guter Dinge die Ankunft des neuen Erdenbürgers überstanden haben. Er hat wunderschöne Namen und einen erinnerungsreichen Geburtstag, dessen Epistel (Acta ap. 9, 1-22) und Evangelium (Matth. 19, 27-29), mit dem: judicant gentes ich bei diesem Anlass nochmals gelesen habe. Hoffentlich geht es auch den andern Kindern gut, besonders dem „viejo" (ich meine den, dem damals Bismarck als der „viejo" auf der Bärenjagd auffiel). Ich bin Prof. Gibert sehr dankbar, dass er in diesen letzten Monaten die Verbindung zwischen uns hergestellt hat. Unser gemeinsamer Freund Günther Krauss hat jetzt eine sehr gute Übersetzung von Giberts Vortrag über Arbeitsrecht und Rechtsgeschichte gemacht7. Ich habe Prof. Gibert und seine Frau in Düsseldorf kennengelernt, wo ich einen Vortrag gehalten habe8 und hatte die Freude, ihnen auch meine Tochter Anima vorzustellen. Im Januar habe ich beide nochmals in Köln gesehen. Davon wird er Ihnen geschrieben haben. Ich bin sehr glücklich, diesen klugen und sympathischen Menschen zu kennen, und noch glücklicher, in ihm einen gemeinsamen Freund mit Ihnen zu haben. Ihr Interesse an meinen neuen Büchern erfüllt mich mit großer Freude. Ich hatte den Verleger gebeten, Ihnen auch den „Nomos der Erde" zu schicken und wie er mir schrieb, hat er das auch im November getan. Offenbar ist eine Sendung des Buches verloren gegangen. Auch Camilo B. Trelles und Jose Caamano Martinez haben ein Exemplar des Nomos zugeschickt
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bekommen und anscheinend nicht erhalten. I c h werde den Verleger nochmals veranlassen, Ihnen das B u c h zu senden. Aber i c h hoffe, auch bald eine Ihrer neuen Arbeiten zu erhalten. Ist der Londoner Vortrag erschienen? Interessiert Sie noch das große Thema „ V i t o r i a " , über das Günther Krauss jetzt so intensiv arbeitet 9 ? Ihre Frage nach dem „ H e i l i g e n aus dem Osten" a m Schluss des „Gesangs des Sechzigjährigen" möchte i c h i n einem besonderen B r i e f beantworten, oder, noch lieber mündlich, i n einem Gespräch, auf das i c h hoffe, wenn m e i n Plan, i m A p r i l dieses Jahres nach Spanien zu reisen, W i r k l i c h k e i t w i r d . Heute w o l l t e ich Ihnen nur meinen innigsten D a n k für Ihren B r i e f v o m Sonntag Sexagesima aussprechen und Ihnen und Ihrer Familie, vor allem Ihrer verehrten Gattin und dem kleinen Ä n g e l meine herzlichsten Wünsche sagen. I n treuer Freundschaft bleibe i c h
stets Ihr Carl Schmitt
1 Es handelt sich um eine Zählung, die mit der alten Liturgie zu tun hat: der Sonntag sexagesimo entspricht dem zweiten Sonntag vor dem ersten Fastensonntag. 2
In dieser Zeit vernachlässigte Schmitt logischerweise seinen Briefwechsel mit allen Freunden. A m 28. 2. 1951 erscheint folgender Eintrag im Glossarium, in dem er sich auf den Trost bezieht und die Aussage dieses Briefes vervollständigt: „Oft befällt mich eine Lähmung, die mich am Schreiben hindert. Die Lähmung erklärt sich aus plötzlichen Einsichten in meine wahre Situation, der gegenüber Trost ein absurdes Wort ist. (...) Der Mord an Christus war ein Ritualmord. Im Mittelpunkt des christlichen Glaubens steht der Glaube daran, dass unser Äon durch einen Ritualmord eröffnet ist. Trost ist ein absurdes Wort, bis der Tröster kommt". 3 Ernst Jünger hebt in seinem Beileidsbrief an Schmitt vom 5. 12. 1950 auch diese Furchtlosigkeit hervor: „Obwohl ich im Leben vielen Menschen begegnet bin, die den Tode sehend entgegengingen, hat diese Frau doch alle durch ihre enorme Kraft übertroffen, an der etwas Rätselhaftes ist". (Vgl. Ernst Jünger - Carl Schmitt. Briefe, S. 251.) 4 Er ist in der Tat dort bei seiner Frau beerdigt. Auf dem Grabstein sind die Worte: K A I N O M O N 9 E T N O eingraviert. 5 Juan Manuel Castro Rial (geb. 1915). Er lernte Schmitt i m Jahre 1939 in Berlin kennen, gerade in der Zeit zwischen zwei Kriegen: vom Ende des spanischen bis zum Beginn des europäischen; zwischen April und September 1939. Antonio de Luna, einer seiner Lehrer, riet ihm zu, während seines Berlinaufenthalts den Kontakt mit Schmitt zu suchen, was er dann auch tat. Wie Castro Rial selbst berichtet in einer Unterhaltung vom 27. 3. 2001, die ich der Lieben Würdigkeit von Enrique Sendagorta und Juan Manuel Castro Rial selbst verdanke - lud ihn Schmitt mehrmals in sein Haus in Dahlem ein, wo er auch dessen Frau kennenlernte, an deren intelligente und anmutige Unterhaltung er sich erinnert und an deren Eleganz im hergebrachten Stil. Ihn erstaunte auch die Offenheit und Großzügigkeit von Prof. Schmitt, der schon damals eine Neigung zu Spanien empfand. Später, 1941, erhielt er den Lehrstuhl für Völkerrecht an der Universität von La Laguna, begann aber seine Lehrtätigkeit in Valladolid auf ausdrücklichen Wunsch des Ministers Ibänez
Die Briefe Martin, um - so Castro Rial - eine vakante Stelle zu besetzen. Er hatte sich 1949 vom Dienst befreien lassen, um die Botschaft in Deutschland einzurichten. Er war von 1950 bis 1953 in Bonn, wo er Gelegenheit hatte Schmitt wiederzusehen. In diesem Jahr rief ihn der Minister Castiella, damals Botschafter in Rom, zu sich. Danach arbeitete er mit Cortina in einer neuen Hauptabteilung des Ministeriums an der Vorbereitung des Beitritts zu den Vereinten Nationen, der 1955 erfolgte. Später war er Botschafter in Wien. Er kehrte einige Jahre vor seiner Pensionierung an die Universität zurück. 6 Francisco Echebarria. D'Ors erinnert sich, dass es ein baskischer Priester war, der die deutschen intellektuellen Kreise dieser Zeit frequentierte. 7
Gement ist Girberts Vortrag „ E l contrato de trabajo y el problema de la libertad"; dt. u.d.T. „Der Arbeitsvertrag und das Problem der Freiheit". 8 Schmitt sprach am 13. 12. 1950 im Düsseldorfer Rhein-Ruhr-Club - wohl zum ersten Mal - über die „Einheit der Welt"; er wiederholte diesen Vortrag des öfteren sowohl in Deutschland als auch in Spanien; vgl. „Die Einheit der Welt". Die spanische Fassung La Unidad del Mundo. 9
G. Krauss reichte seine Habilitationsschrift über Vitoria im Juli 1952 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn ein. Die trug den Titel „Christentum und Humanismus im Völkerrecht des Francisco de Vitoria"; das Typoskript umfasste III/409 S. Die Arbeit wurde abgelehnt, vor allem wohl, weil sie außergewöhnlich polemisch gegenüber Vitoria war und diesem vorwarf, das Christentum in Humanität aufzulösen. Vereinfacht lässt sich sagen, dass Krauss' Arbeit die Kritik an Vitoria, die Schmitt und noch mehr d'Ors in skizzenhafter Form geleistet hatten, detailliert, systematisiert und in der für Krauss typischen Schärfe neu aufnahm. In der „Vorbemerkung" schrieb Krauss u.a.: „Den entscheidenden Impuls erhielt sie [die Arbeit] von Professor Dr. Carl Schmitt in Plettenberg i. W.; ihm auch sonst für reiche Anregung und Förderung zu danken, und hier bleibt nichts übrig als das Geständnis: mehr schuld' ich, als mein Alles zahlen kann. Die eigentliche These der Arbeit ist bereits in einem Vortrag von Professor Dr. Älvaro d'Ors (Santiago de Compostela) mit einer Präzision formuliert, die meine viel weitläufigeren Darlegungen nicht erreichen konnten; auch sonst ist diese Arbeit Älvaro d'Ors für freundschaftliche Anteilnahme und viele wichtige Hinweise verpflichtet. Dieselbe Verpflichtung besteht gegenüber meinem Freund Professor Dr. Rafael Gibert y Sanchez de la Vega (Granada)".
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18 (Spanisch geschr.) A . d'Ors Santiago, 2 8 . I V . 1951 M e i n lieber und verehrter Freund: N u r z w e i Zeilen, u m Sie w i l l k o m m e n zu heißen. Ihre Nachricht i m B r i e f v o m 22. noch aus Plettenberg 1 hat m i c h sehr angenehm überrascht. I c h wünsche Ihnen einen sehr angenehmen Aufenthalt. Der Rektor Legaz kehrt heute aus Coimbra zurück, w o er einen Vortrag hielt und i c h werde m i c h unmittelbar m i t i h m i n Verbindung setzen, u m das Ankunftsdatum festzulegen. I m Prinzip hat die Verlegung auf die Z e i t Ihrer Rückkehr den Nachteil, dass es zu dieser Zeit keine Studenten mehr gibt, wenngleich die Studenten der Sommerkurse für Ausländer noch hier sein werden. Einen herzlichen W i l l k o m m e n s g r u ß ! 2 Bis bald,
Ä l v a r o d'Ors
1
Der Brief v. 22. 4. 1951 erscheint nicht in der Sammlung des Archivs; er bezog sich offensichtlich auf die bevorstehende Reise Schmitts nach Spanien. 2 Er war in Madrid, Santiago, Barcelona, Sevilla und Murcia. In Madrid hielt er zwei Seminare über „Balance de la cultura moderna y actualizaciön de la tradiciön espanola" [Zusammenschau der modernen Kultur und Aktualisierung der spanischen Tradition] im Ateneo von Madrid. In Murcia hielt er einen Vortrag über „La unidad del mundo" [Die Einheit der Welt], den er auch an den verschiedenen Stationen seines Besuches gehalten hat, vgl. Br. v. 16. 2. 1951. Truyol y Serra erinnert sich an den Besuch in Murcia: „Ich erinnere mich sehr gerne an den Aufenthalt Schmitts in Murcia; er fand Zeit, einige Spaziergänge mit Enrique Tierno und mir zu machen. (...) Und mit diesen Spaziergängen und einigen Gläsern Wein nach dem Abendessen im Colegio Mayor Cardenal Beiluga, wo wir wohnten, schmiedete sich eine Freundschaft zwischen ihm und mir, die bis zum Tode unseres Gastes andauerte". (Vgl. Truyol, „Mis recuerdos de Carl Schmitt", S. 415.) An der Universität Murcia fanden 50 Jahre später auch die „Jornadas de Carl Schmitt en Murcia - 50 anos de la Unidad del Mundo" statt (am 1., 7., 12. u. 14. 5. 2001); dort referierten Antonio Truyol, Montserrat Herrero, Gabriel Guillen und Jerönimo Molina.
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Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 den 2. August 1951 Muy querido amigo mein lieber und verehrter Don Älvaro! Die Lektüre Ihrer „Aspectos objetivos y subjetivos del concepto de I U S 1 " hat mich an unsere Gespräche in Santiago erinnert und meine Dankbarkeit für Ihre Gastfreundschaft noch vermehrt. Ich wollte Ihnen in diesen letzten Wochen öfters schreiben, aber die Fülle des Mitzuteilenden ist so groß, dass meine Hand gelähmt wird, wenn ich nur daran denke, was ich Ihnen alles erzählen möchte. Die beiden Tage, die ich mit Ihnen, Ihrem Schwager Jose Lois Estevez2, Jose Caamano und Lopez Arno in Ihrer schönen alten Universitätsstadt verbracht habe, sind mir in allen Einzelheiten unvergesslich. „Was ist reiner als Gold? Das Licht! Was ist erquicklicher als das Licht? Das Gespräch!" (Goethe). Ihr Aufsatz über „jus" ist ein großer Schritt zur Überwindung der (heute steril gewordenen) Alternative von „subjektivem und objektivem" Recht. (Es gibt übrigens kein deutschsprachiges Wort für „Rechtssubjekt"). Ihre Antwort: posiciön justa, finde ich sehr gut und sehr fruchtbar. Ich werde darüber weiter nachdenken und Ihnen noch schreiben. Ist es nicht möglich, dass Sie einmal nach Deutschland kommen? Kann Castro Rial (der Attache in Bonn) nichts dafür tun? Oder Calvo Serer? Ich glaube, dass es Ihnen in Deutschland gut gefallen würde und dass Sie mit Ihren Ideen hier viel Interesse und Verständnis finden werden. Wahrscheinlich werden Sie jetzt Ihre Sommerferien mit Ihrer Familie am Meer verbringen. Ich wünsche Ihnen allen gute Erholung. Ich selber werde wohl hier im grünen Sauerland bleiben. Meine Tochter Anima erwarte ich in diesen Tagen; sie hat in München studiert und auf der Rückreise in Süddeutschland meinen Freund Ernst Jünger besucht3. Ich habe vorigen Samstag (28. Juli) in Köln einen Vortrag über Spanien gehalten, den Günther Krauss sehr gut organisiert hatte. Castro Rial und einige Herrn von der spanischen Botschaft in Bonn waren ebenfalls anwesend und anscheinend zufrieden 4. Mein Vortrag über die „Unidad del Mundo" soll in Murcia (durch Truyol) veröffentlich werden 5 . 8 Herrero
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Seit dem Tode meiner Frau bin ich sehr einsam; es gibt nicht mehr viel, das mich noch beschäftigt und interessiert, aber mein Wunsch, Sie wiederzusehn und unser Gespräch fortzusetzen, bleibt unvermindert lebendig. Ich grüße Sie und Ihre verehrte Frau und bitte Sie den gemeinsamen Freunden, insbesondere Ihrem Schwager D. Jose Luis und Caamano meine besten Grüße zu sagen. Mit herzlichen Wünschen für Sie und Ihre Familie bleibe ich stets Ihr alter und unveränderlicher
Q^
Schmitt
1 Es handelt sich um die erst später veröffentlichte Arbeit: „Aspectos objetivos y subjetivos del concepto de ,ius"\ Darin legt d'Ors dar, wie die moderne Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Recht, das Verständnis des römischen Begriffes ius erschwert: die Römer kümmerten sich um Personen, Sachen und Handlungen, nicht aber um die Beziehungen dieser zum Rechtssubjekt. Das römische ius lässt sich nicht mit dem subjektivem Recht identifizieren; der Begriff stellt vielmehr sowohl objektive als auch subjektive Aspekte dar. D'Ors argumentiert, dass die vielleicht genaueste „Übersetzung" dieses Begriffes „position justa" [gerechte Position] ist; der Ausdruck birgt Schmittsches Gedankengut. 2 Jose Lois Estevez (geb. 1922), Schwager Älvaro d'Ors', erhielt 1980 den Lehrstuhl für Epistemologie der Sozial- und Rechtswissenschaften an der Universität Santiago de Compostela; zu Schmitt von ihm: Polüica. Una Investigaciön sobre su esencia, Santiago de Compostela, 1993 (Selbstverlag). 3 Schmitt und Jünger (1895-1998) lernten sich Ende 1930 kennen und blieben lebenslang Freunde. So berichtet Ernst Jünger: „Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir wahre Freunde waren und von dem Zeitpunkt an, als wir uns kennenlernten, haben wir fast immer Kontakt gehalten." (Vgl. Gnoli u. Volpi mit Ernst Jünger, Die kommenden Titanen.) Wie Jünger an gleicher Stelle berichtet, empfanden beide dieselbe Befremdung und Gleichgültigkeit gegenüber dem nationalsozialistischen Regime. Nach dem Zweiten Weltkrieg verharrten beide in einer ähnlichen Situation der Unklarheit und Unbestimmtheit. Es gab eine Abkühlung in der Beziehung durch Schmitt, wie das Glossarium Schmitts beweist. Jünger kommentierte dies mit: „(...) bei der Lektüre seines vor kurzem veröffentlichten Tagebuches hat man den Eindruck, dass er mir gegenüber manchmal Ressentiments hatte. Ich weiß auch, dass er zu gewissen Gelegenheiten Intrigen zu meinen Lasten begünstigte. So setze er das Gerücht in die Welt, ich hätte Auf den Marmorklippen geschrieben, um einen zweiten ,Pour le merite-Orden' zu erhalten. Es handelte sich natürlich um eine unbegründete Unterstellung, die aber seinen Groll enthüllt ... es gibt keinen Zweifel, dass er in meiner Erinnerung als Freund lebt, als priviligierter Gesprächspartner, aber auch als Schriftsteller und Denker mit einer außergewöhnlichen Fähigkeit begabt, scharfe Definitionen zu prägen". Gnoli u. Volpi, Die kommenden Titanen, S. 52-54 der dt. Ausgabe; vgl. auch Jünger Siebzig verweht V, S. 153 f. Eintragung v. 20. 9. 1994. Zur Beziehung Schmitt-Jünger: A. Möhler „Carl Schmitt und Ernst Jünger". 4 Der genaue Titel des Vortrages war „Eindrücke einer Spanienreise"; er fand im Rahmen der Academia Moralis am 28. 7. 1951 im Kölner Stadtgartenrestaurant
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statt. Es nahmen 70 Personen daran teil; vgl. Schmitz „Zur Geschichte der Academia Moralis", bes. S. 131 f. 5
Vgl. Br. v. 6. 2. 1951, FN 7.
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Villajuan, 2. Sept. 1951 Mein lieber Meister und Freund: Wie ich Ihnen bereits vorangekündigt hatte, habe ich meine sommerliche Muße der Lektüre und Meditation von Carl Schmitt gewidmet. Obwohl die Muße nicht sehr ausgedehnt war, weil ich einerseits mehrere Reisen nach Santiago unternehmen musste und andererseits ein Buch über juristische Epigraphie 1 für den Verlag tippen musste - ein Buch, an dem ich seit 1940 arbeite und intensiver seit 1947 - trotz allem habe ich mich viel mit Ihnen unterhalten. Frucht dieses Dialogs war zum Teil die Schrift, die ich beilege 2 . Ich sage „zum Teil", weil ich mich weiterhin damit vergnügt habe, die Lektüre von Der Nomos der Erde zu wiederholen und fortzusetzen, es war für mich das Buch dieses Sommers. Die Seiten, die ich beifüge, geben Gedanken wieder, die mir von Ihrem Artikel in Arbor 3 eingegeben wurden und von Ihrem Vortrag über „Die Einheit der Welt". Ich glaube, ich habe Ihnen in einer unserer Unterredungen in Santiago eine Andeutung gemacht. Obwohl mich Calvo Serer darum bat, einen Artikel über Carl Schmitt für Arbor zu schreiben und diese Seiten vielleicht diese Bitte erfüllen, so möchte ich doch keinen Schritt in Richtung auf die Publikation unternehmen, ohne vorher Ihre Erlaubnis einzuholen. Daher wollte ich mich weder verpflichten, noch bekannt machen, dass ich etwas geschrieben hatte. Nur dann, wenn ich die wohlwollende Erlaubnis erhalte, werde ich das Original an Calvo schicken. Ich bitte Sie, mir in aller Offenheit zu sagen, ob es Ihnen nicht missfällt, dass diese Schrift veröffentlicht wird. Sie ist als eine imaginäre Unterhaltung entstanden und enthält zuviel Persönliches, um ohne Erlaubnis publiziert werden zu können. Ich weiß, dass Ihr freiheitlicher Geist die Gegensätze und sogar Widerrede duldet oder gar daran interessiert ist, umso mehr als diese durch Ihre Anregungen und Prämissen entstanden ist. Es würde mir jedoch sehr leid tun, wenn ich etwas missverstanden oder ein Wort gesagt hätte, das ich nicht hätte sagen sollen. Wenn das 8*
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der Fall sein sollte, teilen Sie es mir in aller Offenheit mit und die Unterhaltung wird unveröffentlicht sein und bleiben. Ich bin sicher, dass Sie meine Wünsche vollkommen verstanden haben. Das soll Ihnen auch kundtun, dass mein Schweigen nicht auf ein Vergessen zurückzuführen ist. Ich hatte offen gestanden geglaubt, dass gewisse Ereignisse Sie nächstens wieder nach Santiago führen würden, aber man muss sich wohl auf einen Aufschub einstellen. Auf jeden Fall glaube ich, dass wir Sie eines Tages wieder in Santiago haben werden und mit mehr Ruhe. Ich danke Ihnen meinerseits für Ihre Andeutungen, dass ich nach Deutschland kommen soll. Der Anlaß wäre hauptsächlich, einige Tage mit Ihnen zu verbringen, es scheint mir jedoch zur Zeit nicht möglich die Reise zu unternehmen, denn einerseits binden mich viele Verpflichtungen an Santiago und andererseits glaube ich, offengestanden, dass ich nicht fähig bin, Dinge zu unterrichten, die der Mühe wert wären. Ich muss noch viel lernen, bis dieser Augenblick gekommen ist! Ich erwartete Günther Krauss in diesem Monat, habe aber keine weiteren Nachrichten erhalten und vermute, dass er sehr um seine akademische Berufung bemüht ist 4 . Wir haben viel von Ihnen und auch von ihm mit Rafael Gibert gesprochen, der mit seiner Frau hierher kam, um einige Tage mit uns am Strand der Meeresbucht des Arosa zu verbringen. Ihre wohlwollende Meinung zu meinem Artikel über das ius ermutigt mich sehr. Im Allgemeinen ist er nicht ohne Vorbehalte aufgenommen worden. Max Käser selbst sagt mir, dass es einen ausschließlich objektiven Sinn des ius civile , usw. gäbe. Andere Kollegen bleiben dem subjektiven Sinn des ius eundi, usw. verhaftet. Aber wegen der Nähe eines ius Quiritum = ius civile , einerseits und eines ius praedii oder fundi = ius eundi, andererseits, komme ich nicht umhin, sie etwas perplex zu machen5. Meine nächste Arbeit, so Gott will, wird die Beendigung einer römischbürgerlichen Studie über die Teilung des consufructus 6 sein. Das Problem ist folgendes: der usus ist unteilbar und der fructus ist teilbar (genauer gesagt: unsolidarisch): daher der Widerspruch des usus-fructus! Für die Vorlesung des akademischen Jahres 1951/52 möchte ich kurz das Problem der Funktion des Papiers und des Papierkriegs im juristischen Leben berühren 7. Es ist ein Gestammel über ein Thema, das mich seit langem anzieht und indirekt durch Sie provoziert wurde, ein Komplementärthema zu Ihrem „Nomos der Erde"; das Problem des Wandels der juristischen Strukturen als Folge des Anwachsens der gesetzlich regulierten Menschenmassen. Es ist eine Problematik, die mit der Urbanistik zu tun hat. Mit meinem Bruder Victor 8 , der Städteplaner ist (und zur Zeit Madrid reformiert), habe ich viele Gespräche geführt, die dem Juristen neue Einblicke verschaffen. Ein Thema, das in den Händen von C. Schmitt viele Früchte bringen würde!
Die Briefe Grüßen Sie Ihre Tochter A n i m a v o n mir. I c h habe m i c h an sie erinnert, als i c h m e i n homo homini
anima formulierte. 9 Es würde m i r gefallen, wenn
sie Sie bei Ihrer nächsten Spanienreise begleiten würde. Zweifellos würde ihr die Vision
v o n Spanien neue Perspektiven für Inszenierungen eröff-
nen10 Für M i t t e dieses Monats planen w i r definitiv die Rückkehr nach Santiago, aber i m Oktober muss ich vierzehn Tage i n M a d r i d bleiben. I c h grüße Sie m i t aller Sympathie und lebhafter Dankbarkeit. Ihr ergebener
Ä l v a r o d'Ors
PS: Sie können die Kopie, die i c h Ihnen schicke, behalten, w i e auch i m m e r Ihre Zensur ausfällt. I c h werde die Grüße ausrichten, die Sie m i r auftragen. A u c h meine Frau bittet m i c h Sie zu grüßen. M e i n Schwager L o i s w i r d wahrscheinlich i m O k tober nach K ö l n reisen und Sie besuchen.
1
Es handelt sich um Epigrafla
Juridica de la Espana Romana.
2
Es handelt sich um das Manuskript „Carl Schmitt en Compostela". Es ist eine Schrift, in der d'Ors mit großem Scharfsinn die Leitlinien des Schmittschen Denkens aufzeigt, um ihn dem spanischen Publikum vorzustellen. Die Entscheidung, der Nomos der Erde, die christliche Interpretation der Geschichte vom Begriff des Katechon ausgehend und die politische Theologie werden dort vollkommen integriert und weit über den bloßen Denkanstoß hinausgehend dargelegt. 3
Bezieht sich auf „Tres posibilidades de una vision cristiana de la historia", (der dt. Titel stammte von der Redaktion; die Überschrift Schmitts lautete „Drei Möglichkeiten eines christlichen Gesichtsbildes"). 4
Vgl. Br. v. 6. 2. 1952.
5
Vgl auch AO, Derecho Privado Romano, §§ 15, 48, 140.
6
Gemeint ist „El problema de la division del usufructo"; vgl. auch AO, Derecho Privado Romano, §§ 197-198. 7
Veröffentlicht u.d.T. „Sobre el papel del papeleo en la vida juridica" [Über die Rolle des Papierkrieges i m juristischen Leben], innerhalb d. Programa de Derecho Romano, akad. Jahr 1951-1952 (Santiago 1951); Ndr. in Papeles del Oficio Universitärio, S. 185-194. 8 Victor d'Ors (1908-1994), brillanter Architekt und Ordinarius und lange Zeit Direktor der Hochschule für Architektur in Madrid; eines seiner interesssantesten Bücher ist Arquitectura y humanismo; vgl. auch Genio y figura de la ciudad. 9
D'Ors verweist auf seine Formel homo homini anima in „Carl Schmitt en Compostela", wo Schmitt von homo homini homo spricht, einer Variante zum klassischen homo homini lupus des Plautus (Asinaria, 2, 495); dort genau: „Lupus est homo homini, non homo, quom qualis sit, non novit". Der Ausdruck hat eine lange Geschichte, die man sogar im 1. Jh. v. Chr. in der Formulierung „homo homini longe est omnium inimicissimum" finden kann, die mit großer Wahrscheinlichkeit
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Die Briefe
Publius Syrus zuzuschreiben ist; vgl. Scaenicae Romanorum Poesis Fragmenta, //, Comicorum Fragmenta, zuerst 1873, Hildesheim: Otto Ribbecta, Olms, 1962, S. 370. Ovid reiht sich in die pessimistische Linie des „homo homini lupus" ein in den Metamorphosen, 1, 144. Seneca hingegen ändert das Vorzeichen und sagt „homo sacra res homini", Epist., 95, 33. Die Neutralisierung dieser Formulierung begegnet uns bei Francisco de Vitoria, Relectio de Indis [Über die Indianer], 1538, mit seinem „homo homini homo": „Non enim homini homo lupus est, ut ait comicus, sed homo" (II, 5); die Formulierung, die auch Schmitt benutzt. Im Kommentar zu dieser Entwicklung weist d'Ors auf die Statuten der Kommunistischen Partei der UdSSR v. 1961 hin, deren Art. 58 lautete: „Der Mensch ist für den Menschen ein Freund, ein Genosse, ein Bruder"; vgl. AO, „Seneca ante el tribunal de la Jurisprudencia", S. 204; vgl auch CS, Der Nomos der Erde, S. 64 f., dem d'Ors weitgehend folgt und Schmitts Fingerzeige ebd., 72 f., zur Aufspaltungskraft der humanitären Ideologie: der Mensch bringt den Unmenschen, der Übermensch „mit dialektischer Notwendigkeit gleich den Untermenschen als einen feindlichen Zwilling mit sich in die Geschichte der Menschheit". Bacon und Feuerbach nehmen die Formel verändert wieder auf, jedoch mit der Variante „homo homini deus", was wohl auf Plinius d. Älteren zurückgeht, Historia Naturalis 2, 5 [7]: „deus est mortali uvare mortalem". In „Carl Schmitt en Compostela", wie FN 2 bezeichnet d'Ors das homo homini homo als „geistlose Tautologie": „Eine geistlose Tautologie scheint es mir zu sein, homo homini homo zu sagen: homo homini Deus bedurfte einer Ergänzung; etwa diese andere Formulierung; homo homini anima". Später sprach d'Ors von homo homini persona etwa „Caput y Persona" und „Imago, Numen, Genius". In der Nueva Introducciön al Estudio del derecho § 5 weist d'Ors auf den Codex des kanon. Rechts, Kanon 96, hin: „Für die Kirche wird der Mensch durch die Taufe zur Person. Das heißt, jeder Mensch ist für die Kirche eine Person, insofern er sich in Beziehung mit der Kirche konstituiert; die Persönlichkeit hängt von einer konkreten Beziehung ab". Auch im Recht, fährt d'Ors im § 7 fort, „macht sich jeder Mensch präsent mit einer bestimmten Persönlichkeit, aber er kann sich auch präsent machen durch Intervention einer anderen Person, die ihn „re-präsentiert"". Die Wendung homo homini persona zielt also auf den Beziehungscharakter der Persönlichkeit. Im vorl. Brief geht es jedoch um homo homini anima; damit nicht so sehr um den Hinweis auf die Beziehung zum Anderen, sondern um die Beachtung des Anderen als eines Wesens, in dem Gott wohnt, eines Geistwesens. D'Ors erklärt dies, spricht er von der imago: „Der religiöse Sinn der imago geht darauf zurück, dass sie nicht die Person vertritt in dem, was diese an rein Körperlichem besitzt, sondern als ein auch mit Geistigkeit versehenes Wesen. Dies versteht man viel besser, seitdem wir durch die Kirche wissen, dass die Seele oder das Lebensprinzip des Menschen wesentlich geistig ist und dass es sich nicht um eine tierische Seele handelt, der Gott einen Geist hinzugefügt hätte". „Imago, Numen, Genius", S. 194. 10
Schmitts Tochter studierte damals Theaterwissenschaften.
Die Briefe
21 (Deutsch und in Maschinenschrift)
Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10, den 13. 9. 1951 Muy querido amigo: lieber und verehrter Don Älvaro Ihr Schreiben aus Villajuan vom 2. September 1951 und Ihren Aufsatz habe ich erhalten. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen sowohl für Ihren Brief wie für Ihren schönen und inhaltsreichen Aufsatz, den ich mit tiefer Bewegung gelesen und als ein Dokument unserer innigen Freundschaft empfunden habe. Ich hoffe, dass Sie sich mit Ihrer Familie gut erholt haben und freue mich auf den Besuch Ihres Schwagers Don Lois. Sagen Sie ihm nur, dass er sich rechtzeitig bei mir anmelden soll, damit wir uns nicht verfehlen. Ich soll in den ersten Wochen des Herbst in einem Club zu Bremen einen Vortrag halten, den ich gut vorbereiten muss. Heidegger hat dort im Sommer einen Vortrag über den „LOGOS - Das Leitwort des Heraklit" gehalten. Ich möchte nun den unmittelbar folgenden Vortrag über den NOMOS als Leitwort halten 1 . Das reizt mich natürlich sehr, zumal ich einige interessante philologische Entdeckungen bezüglich des NOMOS gemacht habe. Es sind nämlich zwei wichtige philologische Bücher der letzten zehn Jahre mir erst jetzt bekannt geworden: Walter Porzig, Die Namen für Satzinhalte im Griechischen und im Indogermanischen, Berlin, 1942, und Felix Heinimann, Nomos und Physys. Herkunft und Bedeutung einer Antithese, Baseler Dissertation 1942. Beide sind nicht zu der einfachen philologischen Erkenntnis vorgedrungen, dass das Wort nomos als stammbetontes Substantiv zu dem Verbum nemein ein Nomen actionis sein muss, ähnlich logos zu legein. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der das Wort logos von legein (sprechen) Sprache heißt, muss nomos von nemein (nehmen) die Nähme heißen, also Landnahme. Dieses schöne philologische Argument habe ich Ihnen in Compostela noch nicht erzählt; es macht mir aber solche Freude, dass ich es Ihnen hier gleich mitteilen möchte 2 . Nun aber zu dem Wichtigsten, zu Ihrem Aufsatz! Ich habe ihn sorgfältig studiert und Ihre Frage, ob er sich so, wie er jetzt vorliegt, zur Publikation eigne, lange überlegt. Das einzige Bedenken, das ich dagegen habe, betrifft die Erörterung der eschatologischen Fragen durch uns Juristen. Der Aufsatz fängt sehr juristisch an; wir beide fühlen uns mit Stolz als Juristen. Dann aber, auf Seite 3 des Manuskripts, beginnt eine rein theologische Erörte-
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Die Briefe
rung bei der Sie zweifellos Recht haben und mich durchaus überzeugen, bei der wir aber beide in die Gefahr geraten, dass uns ein Theologe zuruft: Silete juris consulti, in munere alieno! 3 Ich hatte in Barcelona nach meinem Vortrag ein Gespräch mit dem dortigen Professor der Philosophie Bofill 4 , auch über dieses eschatologische Thema und hatte denselben Eindruck. Mein Vortrag über die Einheit der Erde entsprach durchaus Ihrer Auffassung von dem unum ovile und der una sancta, und zwar deshalb, weil jede andere als diese christliche Einheit der Erde das Werk des Antichrist ist. Der heutige Dualismus der Welt ist für mich deshalb nicht notwendig ein Uebergang zur Einheit. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass die heutige dualistische Spannung zu einem Pluralismus und damit zu einem Gleichgewicht führen muss. Der heutige Dualismus ist dialektisch nur deshalb möglich, weil er auf beiden Seiten auf einer progressistisch-evolutionistischen Geschichtsphilosophie beruht, in der beide, der heutige Osten und der heutige Westen, übereinstimmen 5. Es hat mich tief betrübt, grade von Spaniern zu hören, dass sie die aus der technisch-industriellen Entwicklung hervorgehende Einheit der Welt mit größter Selbstverständlichkeit akzeptieren, ohne den eschatologischen Charakter des Themas „Einheit der Welt" zu bemerken. Der Sinn meines Vortrages ist nun grade der, mit einer kalten und sachlichen Diagnose das Bild der heutigen Lage zu entwickeln und bis an die Schwelle der Eschatologie zu führen, aber keinen Schritt weiter* 6 . Das gehört zu meinem Stil als Jurist, und darauf, dass ich mich streng an diesen Stil halte, beruht mein Erfolg als Jurist, allerdings auch der Hass und die Feindschaft meiner Gegner 7. Ich weiß nicht, ob ich mich mit dem Wesentlichen so schnell verständlich mache, und hoffe, dass Sie mich nicht missverstehen, lieber Don Älvaro. Es würde mir sehr leid tun, wenn Ihr Aufsatz nicht erscheint. Ist es möglich, den Schwerpunkt (el centro de gravedad 8) von der Erörterung des eschatologischen Problems wegzuverlagern und statt dessen das rechtsgeschichtliche Problem zu behandeln. Die rechtsgeschichtliche Leistung des jus publicum europaeum war doch tatsächlich die Nicht-Diskriminierung und Nicht-Kriminalisierung 9 des politischen Feindes, des Begriffs des justus hostis, die Unterscheidung von Feind und Verbrecher, von Staatenkrieg und Bürgerkrieg, und der erste Jurist, der diese Unterscheidung klar erkannt hat, war Baltazar Ayala, der Jurist des Herzogs von Alba! Der heutige Rückfall in die Diskriminierung dagegen, hat in der Tat etwas eschatologisches, wie jeder Kampf um die Einheit der Welt. Aber es ist die Eschatologie des Anti-Christ, die der Christi vorausgeht Sollen wir nun die antichristliche Einheit beschleunigen, weil ihr die Parusia Christi folgen wird 1 0 ? Ich hoffe, dass Sie bald den Text meiner Rede „La Unidad del Mundo" erhalten. Prof. Truyol in Murcia 1 1 wollte sie drucken. Lesen Sie sie bitte noch einmal durch, lieber Don Älvaro und verzeihen Sie mir die langen
Die Briefe Ausführungen dieses Briefes. I c h sehe, dass w i r uns i n diesen wundervollen Tagen meines Aufenthaltes i n Santiago de Compostela noch nicht lange genug gesprochen haben und vertraue darauf, dass Sie meine Freundschaft zu Ihnen k e n n e n 1 2 . B a l d hoffentlich mehr! I c h grüße Sie und Ihre Familie herzlichst, bitte Sie, wenn Sie i n M a d r i d sind, auch Ihrem verehrten Vater meine Empfehlungen zu sagen und Ihren Bruder V i c t o r bestens von m i r zu grüßen. L e abrazo con toda simpatia y v i v o agradecimiento 1 3 su amigo
Carl Schmitt
* Hasta el umbral, pero ningün paso tras! [an den Rand geschrieben]
1 Schmitt hielt diesen Vortrag beim ,Club zu Bremen' erst ein Jahr später, am 23. 10. 1952; er trug den Titel „Der Nomos der Erde". Heideggers Vortrag - „Logos (Heraklit, Fragment 50)" - ebendort fand am 4. 5. 1951 statt; er ist nachzulesen in: Heidegger, in: Vorträge und Aufsätze, S. 201-229', vgl. dazu Schütte, „Meine Kontakte mit Carl Schmitt", bes. S. 42 f. Die hier aufscheinende Analogie zwischen Nomos und Logos, die in Nomos der Erde vielleicht nicht mit genügender Deutlichkeit erklärt ist und die uns über die philologische Entdeckung hinaus, dazu verleitet, nach dem semantischen Bezug zu fragen. Der Nomos ist für den praktischen Intellekt das, was der Logos für den theoretischen ist. Auf die gleiche Weise, auf die der Logos ein intellektueller Raum ist, ist der Nomos ein praktischer Raum. Der Nomos ermöglicht die Teilung und ist selbst eine gewisse ursprüngliche Teilung; es ist die Bezeichnung einer Handlung. Auf die gleiche Weise ist ein Logos, ein partikulärer Begriff, ein Wort eine gewisse Teilung eines allgemeinen Seins, es gibt aber weder Sein noch Sprache woanders als im Wort. Das Genommene oder das Gesagte setzen das Nehmen, das Sagen und seine Grenzen voraus. Vgl. Herrero, El nomos y lo politico, S. 64; vgl. auch A. Rink, Das Schwert im Myrtenzweige, bes. S. 573-591. 2 Das sind die ersten Versuche zu dem, was zwei spätere, ergänzende Publikationen zu Der Nomos der Erde sein werden: „Nehmen, Teilen, Weiden" sowie „Nomos-Nahme-Name". 3 Danach ist Schmitt in diesem Punkt mit dem einverstanden, was er selbst in Ex Captivitate Salus an der Rechtswissenschaft kritisiert: Silete theologi in munere alieno! Dieser Schrei ist der Anfang des Endes der Rechtswissenschaft, die schließlich in der Epoche der Staatlichkeit in reine Technik verwandelt wird. Es ist die Enttheologisierung, die Trennung zwischen Theologie und Rechtswissenschaft, die Schmitt kritisiert. Aber so wie es in diesem Brief erscheint, nimmt Schmitt selbst Abstand von den Betrachtungen der in seinem Denken eingeschlossenen theologischen Implikationen, obwohl er die Gefahr sieht. Es sind gerade diejenigen, die d'Ors in „Carl Schmitt in Compostela" ans Licht bringt. Da er seine Argumente nicht bis zu Ende führen wollte, bleibt er in einem dem Positivismus nahen Kontext befangen. Nur wenn eine Wissenschaft sich der anderen öffnet, kann man sich von ihm lösen. 4
Jaime Bofill i Bofill (1910-1965) studierte Jura und arbeitete während einiger Zeit als Rechtsanwalt. 1939 begann er ein Philosophiestudium und leitete zugleich
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ein Familienunternehmen. 1950 erhielt er den Lehrstuhl für Metaphysik an der Universität Barcelona. Er gehörte zu der Gruppe um die Zeitschrift Arbor. 5 Schmitt wurde ständig bedrängt von dem Gedanken, dass die Tradition des juristischen und politischen Denkens in Europa immer nur mit einer marxistischen Geschichtsphilosophie belastet sein würde, die im Grunde die einzig verfügbare ist. Daher versuchte er eine Interpretation der christlichen Geschichte, eine Theologie der Geschichte, die jegliche Geschichtsphilosophie überwinden sollte. 6 Im Original auf Spanisch. 7 In der Gegenüberstellung mit dem Denken von d'Ors können wir erkennen, was C. Schmitt als Jurist nicht sagen will, was aber die theologische Voraussetzung bildet, von der sein Denken ausgeht. 8 Im Original auf Spanisch. 9 D'Ors verwendet die Begriffe Diskriminierung und Kriminalisierung in einer unterschiedlichen Bedeutung: es sind nicht gleichbedeutende Begriffe. Beide leiten sich vom Urteil ab; aber für d'Ors ist die erstere einfach ein Urteil als Unterscheidung, als Unterschied. Der zweite Begriff fügt der Diskriminierung das moralische Urteil hinzu. Indes trifft Schmitt in seinem Brief diese Unterscheidung nicht; hingegen doch in seinem Madrider Vortrag von 1943 „Cambio de estructura en el derecho internacional" wo er darlegt: „Beurteilungsskriterien, und das bedeutet Diskriminierung, sind auch Kriterien der Raumaufteilung". Ex Manuscripto, RW, 265, 8/5. 10 An dieser Stelle muss an die These d'Ors' erinnert werden, zu der er durch Überwindung des Begriffs des Schmittschen Katechon gelangt und die sich Schmitt in diesem Brief zu eigen macht, wenngleich sie im wissenschaftlichen Rahmen nicht sachgemäß ist: Die hauptsächliche historische Tugend des Christentums ist nicht die Verzögerung des Endes der Welt, sondern die Annahme dieses Endes; die Parusie, als der Augenblick, in dem das ethische Urteil über die Geschichte seine Vollendung findet. Es ist der Augenblick des Letzten Gerichts, an dem das ethische Urteil über die Geschichte erhellt wird, denn nur der ethisch wertvolle Mensch hat Erfolg und daher ist er historisch wertvoll. Nur von diesem Urteil aus ist eine Geschichtstheologie für das Recht und für die Politik relevant. Die Schrift von d'Ors endet mit einer gewagten Anregung für Schmitt: „ M i t Sympathie seine Theorie des Kat-echon betrachtend, scheint es uns unvermeidlich, dass das konsequente Denken von Carl Schmitt weiter eindringt in das Königreich der Parusie und dass wir, nach dieser Phase, von der privilegierten Intelligenz des Juristen und des »Historikers' ein neues Buch erwarten können, nicht mehr über den ursprünglichen Nomos der Erde und seine Manifestationen, sondern über den letzten Akt der Geschichte, dort wo Ethik und Geschichte sich zu einer einzigen Realität verbinden, ein Buch, das den Titel trägt ,Das Universale Judicium"', „Carl Schmitt in Compostela", S. 72. 11 Vgl. Br. v. 2. 8. 1951. 12 An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass das juristische Problem ausführlich von d'Ors in seinem Ordo Orbis, behandelt worden war, eine Schrift, deren Eingang Schmitt im Brief vom 10. 1. 1949 ankündigt. Möglicherweise war die Schrift Schmitt beim Verfassen dieses Briefes nicht präsent. In diesem Artikel zitiert er bereits zwei Artikel von Schmitt: „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff' und „Cambio de estructura del derecho internacional". Einer ähnlichen Orientierung folgend argumentiert d'Ors auch gegen die Einheit der Welt und genauer, gegen die letzte Utopie, die die Politikgeschichte erlebt, nämlich den nordamerikanischen Imperialismus. Jeder Versuch, gegenwärtig eine Welteinheit zu schaffen, kann nicht mehr als eine Vorwegnahme des eschatologischen Endes sein.
Die Briefe Auch für d'Ors als Juristen ist es eine Aufgabe, die Diskriminierung zu bewahren, d.h. die Unterscheidungen, weil - nach der Argumentation von d'Ors im Jahre 1947 - ohne Diskriminierung keine politische Ordnung möglich ist. Die große Schuld, die Vitoria auf sich geladen hat, ist die Tatsache, dass er mit der Bindung der universellen Gesellschaftlichkeit, die in der Rationalität des Naturrechts verankert ist, das tatsächlich universell ist, jegliche Art von Diskriminierung unterbindet. Das soll jedoch nicht heißen, dass sie nicht existiert: „Das Wesen der großen historischen Gemeinschaften universeller Ausrichtung sagt d'Ors - (...) beinhaltet eine Begrenzung, einen Ausschluss des Exotischen, sei es barbarischer, ungläubiger, zivilisationsloser, bürgerlicher oder antidemokratischer Natur. Daher ist der wahrhaft universelle Staat ein Widerspruch in sich, denn er verhindert durch seine Universalität die ausschließende Diskriminierung, der er bedarf 4 . AO, „Ordo Orbis", S. 57. 13
Im Original auf Spanisch. ,Ich grüße Sie mit aller Sympathie und lebhafter Dankbarkeit, Ihr Freund'.
22 (Spanisch geschr.)
Santiago 17. XII. 51 Mein lieber und verehrter Freund: Meine Undankbarkeit, was auch immer die Entschuldigungen sein mögen, hat solche Ausmaße erreicht, dass ... ich mich nicht zu entschuldigen wage. Ich erhielt das gewünschte Exemplar von „Legalität und Legitimität", danach einen langen und sehr interessanten Brief bezüglich meines Originals „Carl Schmitt en Compostela", das Sie liebenswürdigerweise gelesen haben, schließlich die Murcianer Ausgabe von „La Unidad del Mundo" 1 , ein Text, den ich durch das Entgegenkommen von Rafael Calvo in einer maschinengeschriebenen Kopie bereits besaß. Vielen Dank für alles! Ich habe Ihren Vortrag immer wieder gelesen und ich verstehe Ihre Behutsamkeit vor diesem Schritt in die Eschatologie, in die Theologie; aber mir blieb keine andere Wahl, Sie selbst, lieber Meister, haben mich am Ufer der Theologie abgesetzt mit ihrer Theorie des Katechon und wie können Sie verhindern, dass ein Katholik diesen Schritt nach vorne macht? Die Theorie des Katechon schien mir ein Bruchteil, der nicht alle Möglichkeiten einer christlichen Sicht erklärt. Daher kam mir dieser Gedanke:
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Die Briefe
C. Schmitt wird am Ende über das ludicium Universale schreiben, gedrängt von seiner eigenen Denkweise. Wie können die Juristen sich nicht für dieses iudicium interessieren, zweifelsohne das wichtigste aller iudicia? Wenn das ius naturale ius ist, dann ist das gerade auf die Tatsache zurückzuführen, dass es diese Instanz - Superinstanz - des iudicium universale besitzt 2 . Schließlich, nach langem Zögern, ermutigt von ihrer wohlwollenden Erlaubnis, schickte ich meine Schrift zur Veröffentlichung 3 . Ich schickte sie Calvo, weiß jedoch noch nicht, in welcher Form er sie veröffentlichen will, noch wann, obwohl er mir sagte, dass er sie annehme. Dr. Lois, mein Schwager, brachte mir erfreuliche Nachrichten von Ihnen. Ich habe Sie nicht über seine Ankunft verständigt, weil ich selbst nicht wußte, wie er die Reise durchführen würde, da die Pläne dazu in Madrid beschlosssen wurde. Er sagte mir, sie hätten beide vereinbart, dass hier eine Übersetzung von „Der Nomos der Erde" erscheinen sollte. Es ist dringend nötig, dass dieses Buch ins Spanische übersetzt wird. Wahrscheinlich würde das bewirken, dass die „Ja-Stimmen" von Spanien sich Ihren so heterogenen und gleichsam widersprüchlichen „C. S. Nein-Stimmen" entgegenstellten 4 . Wenn Sie einverstanden sind - das wäre das einzige Hindernis würde ich gerne ein Vorwort für die spanische Übersetzung schreiben 5. Die Thematik dieses so vortrefflichen Buches erfüllt den Leser mit Anregungen, Einwänden, Zustimmungen, Bestätigungen ... letztendlich ist es kein Buch das gleichgültig läßt. In den letzten Tagen bin ich wie besessen von dieser Idee: wenn die Landnahme, wie es evident ist, den ursprünglichen Titel darstellt, und diese „Nähme" unvermeidlich ein kollektiver Akt der Gemeinschaft ist, dann ist der private Grundbesitz immer eine prekäre Form des Eigentums, so etwas wie eine Delegierung der Hoheit. Das wird historisch bestätigt. „In eo solo (sc. provinciali) dominium populi Romani est vel Caesaris, nos autem possessionem tantum vel usufructum habere videmur ( i (Gaiu com II). Als das Imperium Romanum in die Krise gerät, entsteht das dominium der feudalen oder präfeudalen possessores. 6. Ich habe jetzt eine Übersetzung von Ciceros De legibus begonnen. Das ist sehr interessant, weil sich bei Cicero immer die Gemeinplätze und falschen ideologischen Prägungen finden, die die moderne Welt beerbt hat. Ich möchte eine „Einführung" schreiben, die sich vor allem an Juristen wendet 7 . Ihre Anmerkung zu nomos als Substantiv der Handlung ist sehr klar und passt wie angegossen zu Ihrem Denken. Wird der Bremer Vortrag veröffentlicht? Ich kenne das Buch von Heinimann, auf das Sie mich hinweisen, aber nicht das von Porzig. Ein anderes interessantes Wort im selben Zusammenhang ist coto [Gehege] (v. gr. „coto de caza" [Jagdgehege]) con cantum und fuero (foro, forum).
Die Briefe Unsere Universität durchlebt zur Zeit Augenblicke einer leichten Führungskrise - die ich nutze, u m meinen Verzicht auf das lästige Generalsekretariat 8 zu erklären - aber i c h werde trotzdem auf dem Laufenden bleiben, u m zu bewerkstelligen, dass w i r eine neue, wichtigere Einladung für Prof. C. Schmitt, vielleicht m i t seiner Tochter, zuwege bringen. I c h wünsche Ihnen, dass sie eine glückliche Weihnacht verbringen, dass das Jesuskind Sie m i t Gnade überhäuft und dass 1952 ein fruchtbares und glückvolles Jahr sein wird. Frohe Weihnachten! Es grüßt Sie v o n Herzen I h r nur scheinbar undankbarer Freund Ä l v a r o d'Ors.
1
Vgl. Br. v. 2. 8. 1951.
2
Diese d'Orssche Idee ist in seinem Buch Derecho Natural y Sentido Comün, entwickelt. Aus diesem Buch wird ersichtlich, dass für d'Ors das Naturrecht nicht dem rein abstrakten Rationalismus entspringt, denn es hängt von einem universellen Urteil, dem Letzten Gericht, ab, das historisch und daher konkret ist. Es ist merkwürdig, dass Schmitt diesen d'Orsschen Gedanken nicht völlig nachvollziehen konnte, denn er ist vollkommen kohärent mit seiner Theologie der Geschichte, in der das Diesseits und Jenseits einen qualitativen Sprung beinhalten; aber in Beziehung auf die Zeit können sie in ein Vorher und ein Nachher der Geschichte getrennt werden, d.h. in Zeit und Ewigkeit. 3
Er schickte sie ohne Korrekturen an die Zeitschrift Arbor zurück.
4
Er bezieht sich auf das Diptychon, das der Greven Verlag mit dem Titel „Carl Schmitt: Nein und Ja" veröffentlicht hatte. Auf der Titelseite erscheint ein Foto von Carl Schmitt und im Inneren zwei Kolumnen, eine mit Zitaten der „Gegner" von Schmitt mit ihren Namen: es ist die Kolumne mit dem Titel „Carl Schmitt: Nein". Und in der anderen erscheinen die „Freunde" von Schmitt, mit beipflichtenden Sätzen und dem Titel „Carl Schmitt: Ja". 5 Sie wurde schließlich 1979 ohne Vorwort im Centro de Estudios Constitutional s veröffentlicht; dort in der Übersetzung von Dora Schilling Thon. 6
Die Antwort von d'Ors auf diese Frage wird, wie er selbst in La posesiön del espacio eingesteht, durch die Anregung von Schmitt befruchtet; obwohl man nicht bis zu diesem Zeitpunkt zu warten braucht, um die Ursprünge dieser Gedanken im d'Orsschen Werk zu finden. Trotz großer Diskrepanzen in Bezug auf das Thema der Souveränität ist für d'Ors die Frage der Raumverteilung eine bloß juristische. Von dem Besitzanspruch des Menschen auf die Erde wird nicht, wie für Schmitt, die Figur des Souveräns abgeleitet, sondern die des verantwortlichen Verwalters. Für die Legitimierung dieser Verwaltung greift er nicht auf politisch-geographische, sondern personal-institutionelle Argumente zurück: secundum propiam virtutem, d.h. eine menschliche Gruppe besitzt einen Raum kraft ihrer Bedürfnisse und Fähigkeiten. Vgl. Einleitung. 7
Sie wurde veröffentlicht als: Cicerön: Las leyes, Introduction, traduction y notas; d'Ors geht in seiner Einleitung (S. 5^46) auf S. 30 kurz auf Schmitt und Heinimann ein.
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Die Briefe
8 Älvaro d'Ors war von 1947 bis 1952 Generalsekretär der Universität von Santiago. Auf die Frage nach dem Grund des Verzichts erinnerte sich d'Ors - in einer Befragung vom 2. April 2001 - mit Sicherheit daran, dass der Grund der Vertrauensmangel des Ministeriums war und zwar von dem Augenblick an, in dem er sich weigerte, Hauslehrer von D. Juan Carlos de Borbön (1938) zu werden, wozu er auf ausdrücklichen Wunsch von D. Juan de Borbön, dem Exilkönig, und folglich auch von Franco eingeladen worden war. Das Ministerium, vertreten durch D. Torcuato Fernandez Miranda, der ihn, wie d'Ors sich erinnert, in der Uniform der Falange empfing, tadelte ihn wegen seiner Weigerung. Nach der Rückkehr nach Santiago bemerkte er, dass er fortan nicht mehr in der Gunst des Ministeriums stehen würde und beschloss, auf sein Amt zu verzichten. Als einzige Antwort auf das eindringliche Bitten von Antonio Fontän, der wohl Berater von D. Juan war, den Auftrag anzunehmen, schrieb ihm d'Ors in einem Telegramm: „Loyalität verpflichtet" (vgl. Br. v. 20. 11. 1949 über den Carlismus von d'Ors). Diese Daten werden bekräftigt durch zwei spätere Briefe von D. Juan und Franco vom 11. und 27. April 1960 bezüglich der Äusbildung des Prinzen Juan Carlos. Im ersten Brief bemerkte D. Juan Franco gegenüber, dass d'Ors und Fontän unter den Hauslehrern seines Sohnes in der Liste des Ministerialdirektors für die Universitäten fehlten, die ihm durch Julio Palacios geschickt worden war und auf die man sich in der Unterredung von Las Cabezas geeinigt hatte. Franco antwortete ihm, dass der Irrtum behoben würde. Das war im Falle d'Ors' nicht möglich, aber doch im Falle Fontäns. Vermutlich hatte ihn Franco von der Liste gestrichen wegen der Ablehnung von d'Ors einige Jahre vorher. Diese Briefe sind in den Anhängen 26 und 27 der Memoiren von Laureano Lopez Rodo veröffentlicht; vgl. Lopez Rodo, Memorias, S. 684-685. Auch das zweite Treffen in Las Cabezas fand in diesem Jahr statt, am 29. 3. 1960. Trotzdem sind die Briefe über die Ausbildung des Prinzen vorher geschrieben worden, woraus man schließen kann, dass die Liste der spanischen Ordinarien, die mit der Ausbildung beauftragt wurden, während eines längeren Zeitraums Gestalt annahm. Daher kommt es, dass d'Ors schon 1951 diesbezüglich angesprochen wurde. Wie man den zitierten Memoiren (S. 207) entnehmen kann, haben sich Franco und Don Juan mehrmals getroffen. Das erste Treffen fand am 25. 6. 1948 statt, das zweite am 29. 12. 1954 und das bereits erwähnte 29. 3. 1960. Das Thema der Erziehung des Prinzen war ein zentrales Thema ihrer Unterhaltungen. Andererseits hegten i m Spanien der damaligen Zeit viele die Hoffnung, dass D. Juan die Regierung übernehmen würde. Franco hat den Übergang jedoch anders geplant: mit D. Juan Carlos. Wie dem Glossarium (Eintrag vom 17.4.1948) zu entnehmen ist, interessierte sich auch Schmitt für die Frage der Legitimität des Franco-Regimes und der Frage der Nachfolge.
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Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 29. 2. 1952 Muy querido amigo; lieber und verehrter Don Älvaro! Die Separat-Drucke Ihres Aufsatzes aus „Arbor" (C. S. en Compostela) habe ich erhalten. Vielen herzlichen Dank! Aber ich möchte gern noch einige Exemplare haben, wenn Sie noch soviele besitzen. Vor allem möchte ich einem geistlichen Freund, dem Pfarrer D. Reinold 1 ein Exemplar geben. Er wird als Mitglied der deutschen Delegation im Mai dieses Jahres am Eucharistischen Kongress in Barcelona teilnehmen und wird dort auch eine Ansprache halten über „unidad y unanimidad del mundo". In Zusammenhang mit „unanimidad" hat ihn Ihr „homo homini anima" tief beeindruckt. Wenn Sie also noch über ein oder mehrere Exemplare des Aufsatzes verfügen, schicken Sie sie mir bitte gleich. Über die 3 Separata, die Sie mir bereits geschickt haben, habe ich schon verfügt. Ihre Aufforderung, über das „Judicium Universale" 2 zu schreiben, fällt bei mir auf fruchtbaren Boden. Das ist in der Tat das große Thema, vor dem der ganze Spuk des Progressismus und der Geschichtsphilosophie versinkt. Ihre Frage: ^cömo es posible que los juristas puedan desinteresarse de ese iudicio? 3 ist berechtigt. Ich füge noch hinzu: Wie kommt es, dass gerade das Naturrecht keinen Zugang mehr zu diesem „iudicium" hat? Weil es im Normativismus untergegangen ist. Der Kern des Christentums, die „tria mirabilia" sind ungeheuerliche Ereignisse, Fakten, nicht subsumierbare Anwendungsfälle von Normen. Ich bin Ihnen aus ganzer Seele dankbar, lieber Don Alvaro, dass Sie mich zu solchen großen Aufgaben ermuntern wie es die Betrachtung des „iudicium universale" ist. Die Übersetzung des „Nomos der Erde" ins Spanische ist ein mühevolles Werk. Ich bin Ihrem Schwager Dr. Lois - den ich bestens von mir zu grüßen bitte - sehr dankbar für seinen Entschluss, die Übersetzung zu machen 4 . Wenn Sie selber, Don Älvaro, ein Vorwort dazu schreiben wollten, wäre das eine besondere Freude und Auszeichnung für mich. Auf Ihre Übersetzung von Ciceros „de legibus" bin ich sehr gespannt. Was Sie zu Cicero schreiben (in Ihrem Brief vom 17. XII. 51) veranlasst mich, Ihnen ein paar Seiten einer Notiz zu schicken, die ich vor Jahren einmal über mein erstes Semester in Berlin und meine ersten Eindrücke von
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der deutschen Universität*, besonders von zwei Professoren, dem Juristen Josef Kohler und dem Philologen Wilamowitz Möllendorf notiert habe. Ich schicke Ihnen nur diese Seiten über Wilamowitz, weil von Cicero die Rede ist 5 . Es ist eine ganz anspruchslose Notiz, die ich Ihnen als Teil einer freundschaftlichen Unterhaltung übersende. Ich danke Ihnen vielmals dafür, dass Sie die Zeitschrift „Ius" auf mich hingewiesen haben. Leider war ich in den letzten Monaten sehr mit einem großen Gutachten über die komplizierten Fragen beschäftigt, zu denen das Sozialisierungsproblem in einem föderalistisch und geistig aufgespaltenen Gemeinwesen Anlass gibt 6 . Deshalb konnte ich noch nicht an Signore Allorio7 schreiben. Ich tue es aber bald. Geben Sie mir bald wieder Nachricht, lieber Don Alvaro, wenn es auch nur ein paar Worte oder Zeilen sind! Unveränderlich Ihr alter und getreuer
Carl Schmitt.
[Am linken Briefrand befindet sich folgende Anfügung: „Ihre Besprechung der Historia de la Universidad de Santiago de Compostela8 habe ich aus Anlass Ihres Aufsatzes in „Arbor" wiederum gelesen; Ihr Aufsatz ist ein Dokument unserer Freundschaft, die mich aufs tiefste mit Ihnen verbindet."] * Berlin 1907
1
Die Identität von Pfarrer Reinold konnte nicht geklärt werden.
2
Diese „Meditation" fügt sich in Schmitts Überlegungen zur Geschichtsphilosophie und -theologie während der 50er Jahre ein, vgl. etwa Texte wie „Drei Stufen historischer Sinngebung" (1950), „Existentielle Geschichtsschreibung" (1950), La Unidad del Mundo (1952); und eine Schrift, die vielleicht eine Antwort auf diese Anregung d'Ors ist: „Die geschichtliche Struktur des heutigen Weltgegensatzes von Ost und West"; vgl. auch den sich damit stark überschneidenden, letztlich aber selbständigen Text Schmitts „Die planetarische Spannung zwischen Ost und West und der Gegensatz von Land und Meer" (1955). Schmitt versteht hier die Geschichte als Abfolge einzigartiger Ereignisse, die auch einzigartiger Entscheidungen und einzigartiger Urteile bedürfen, von denen jede mit diesem universale iudicium konfrontiert wird, d.h. mit der Wahrheit der menschlichen Antwort in allen diesen Situationen. Denken wir an Schmitts häufig wiederholten Satz: „Eine geschichtliche Wahrheit ist nur einmal wahr." Vgl. „Gespräch über den neuen Raum", zuerst 1958, S. 563. Vgl. auch AO' Schlußsätze seines Aufsatzes „Carl Schmitt in Compostela". 3 I m Original in Spanisch: „Wie können die Juristen an diesem Judicium' nicht interessiert sein?" 4
Nicht Lois verwirklichte diese Übersetzung sondern, erst Dora Schilling. Vgl. Br. v. 2. 4. 1949. 5 Die vollständige Note wurde nach Schmitts Tod in Schmittiana /, S. 11-21 mit dem Titel „Berlin 1907" veröffentlicht.
Die Briefe 6 Schmitt bezieht sich auf sein Gutachten „Rechtsstaatlicher Verfassungsvollzug", Wetzlar, März 1952, als Manuskript gedruckt, 51 S.; Ndr. in Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 452-488. Er unterstützte damit die Verfassungsbeschwerde der Buderus'sehen Eisenwerke gegen die Vorenthaltung ihres Besitzes an ihrem Vermögen durch das Land Hessen, das damals Enteignungs- bzw. Sozialisierungsabsichten hegte. 7
Gemeint ist wohl der italienische Jurist Enrico Allorio, damals Prof. an der Universitä Cattolica del Sacro Cuore; vgl. seinen Beitrag „Due contributi ,clinici' airinterpretazione del diritto tributario". 8 Gemeint ist AO Rez. des dreibändigen Werkes Historia de la Universidad Santiago de Compostela in Arbor.
de
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Biblioteca de la Facultad de Derecho Universidad de Santiago Compostela 23. III. 52 Mein verehrter und lieber Meister: Wie zutreffend ist doch die Bemerkung, dass das „Naturrecht" in die Klauen des „Normativismus" geraten ist und es daher nicht verstanden hat, die Bedeutung des Letzten Gerichts auszuloten. Aber das ist gerade das, was man der Welt zeigen muss, und das kann nur eine außergewöhnliche Intelligenz tun. Das ist der Grund, warum ich Sie - fast unverschämterweise - dazu anrege, dieses weittragende Problem aufzugreifen und zu erläutern. Wer sonst wäre dazu imstande? Ihrer Anregung folgend, die mich sehr ehrt, schicke ich Ihnen noch drei Exemplare meines Aufsatzes „C. S. en Compostela" und ein Exemplar des Bandes der Zeitschrift „Arbor", das ich Sie dem Pfarrer auszuhändigen bitte. Welch eine innige Verbindung in diesem Thema: „Einheit und Einstimmigkeit"! Es freut mich, dass Ihnen die Herausgeber von „Ius" geschrieben haben. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ausgerechnet ich Ihnen die Augen öffnen müsste über die Bedeutung von „C. S.". Welch eine Freude, mich 9 Herrero
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eingeschlossen zu wissen in die Kolumne der „C. S. Ja!". Ich habe noch keine Sonderdrucke des Artikels erhalten, den ich in jener Zeitschrift veröffentlicht habe, aber in einigen Tagen wird vielleicht die spanische Ausgabe erscheinen, und ich werde Ihnen ein Exemplar senden. Dort behandle ich hauptsächlich das Problem des dogma iuris, eine juristisch-theologische Konkomitanz, die sich in eine Waffe des Legalismus verwandelt hat! 1 Ich muss Dr. Krauss schreiben (und ihm diesen Sonderdruck meines Aufsatzes aus „Arbor" schicken). Ich habe es noch nicht getan, weil ich ein Schreiben, das er mir geschickt hat, noch nicht habe lesen können. Übrigens wird jetzt ein Kapitel seines Buches über Vitoria in „Arbor" 2 veröffentlicht. Wahrscheinlich wird die Auswirkung, die es in Spanien haben wird, nicht so groß sein wie sie es verdient - es sei denn, sie wird durch einen Skandal der Dominikaner von Salamanca provoziert - weil im Allgemeinen die intellektuellen Denkanstöße keinen großen Nachhall finden. Auf niedrigerer Ebene kann man das an meinem Aufsatz „C. S. en Compostela" sehen. Ich habe in diesem Zusammenhang zwei Briefe erhalten. Einen von einem spanischen Theologen in Salzburg 3 und einen weiteren von unserem Freund R. Gibert und das ist alles. Auf dem Gebiet der romanistischen Schriften ist die Gleichgültigkeit noch auffallender. Ich führe einen großen Teil dieser intellektuellen Atonie darauf zurück, dass Spanien ein Land ist, in dem Madrid den Ton angibt, dem man zu folgen hat, aber die Madrider sind so beschäftigt, dass sie nicht lesen können! Daher wird nur dann ein Thema aktuell, wenn durch irgendwelche Umstände eine vorübergehende Erschütterung eintritt. Die augenblicklichen Modethemen sind die psychosomatische Medizin und der Surrealismus in der Malerei. Ich will sagen, dass Vitoria und seine Jahrhundertfeier schon vergessen sind, und daher wird der Artikel von G. Krauss nicht den Eindruck machen, den er machen müsste. Ich habe mit größtem Vergnügen die Seiten über Wilamowitz gelesen. Ich vermute, ich muss sie Ihnen zurückschicken, damit sie in das Ganze zurückversetzt werden, zu dem sie gehören; wenn es Ihnen aber nichts ausmacht, werde ich sie noch einige Tage behalten, um darüber zu meditieren. Ihre Vision von Wilamowitz hat mich berührt. Ich empfand für ihn eine große Bewunderung: für sein Werk und seine ehrwürdige Figur, nach einem professoralen Foto, das Kroll in seiner Geschichte der Klassischen Philosophie einfügt. Ich hatte ihn mir nie in dem Halbdunkel vorgestellt, in dem Sie ihn jetzt schildern. Es war so etwas wie der Untergang eines Idols! 4 Ich bin dabei, die Übersetzung von de legibus zu beenden, jetzt fehlen noch die Fußnoten und die Einleitung. Obwohl die juristische Philosophie Ciceros sehr vulgär ist, hat sie vielleicht gerade deswegen einen enormen Einfluss ausgeübt. Das möchte ich in der Einführung darlegen.
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Dieser Tage ist mir das Werk unseres Landsmannes Jorge Santayana in die Hände geraten, es hat den Titel „Dominations and Powers" (London, Constable, 1951)5. Es ist weder das Werk eines Juristen, noch eines Historikers, noch eines Theologen und ich muss eingestehen, dass es mir sehr seltsam vorkommt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es so berühmt werden konnte, vielleicht einfach weil die „Times" ihm einen langen Kommentar gewidmet hat. Ich würde gerne Ihre Meinung dazu kennenlernen. Im nächsten Monat habe ich eine Reise nach Paris zu einem epigraphischen Kongress geplant, ich kann aber nicht nach Plettenberg kommen, wie ich es eigentlich möchte; im September jedoch, wenn ich nach Genf reise, würde ich gerne bis nach Plettenberg fahren, wenn es möglich ist. Fräulein Merlie (ich kann mich an ihren Familiennamen nicht erinnern) erzählte auf einer Reise nach Santiago, die sie an Weihnachten unternahm, von Plettenberg und wir haben voller Sympathie an Sie gedacht. Mein Schwager, Dr. Lois, sendet die verbindlichsten Grüße an Sie. Er ist jetzt vertieft in logistische und astronomische Studien! Seien Sie sehr herzlich gegrüßt von Ihrem guten Freund und aufrichtigen Bewunderer, Älvaro d'Ors 1
Es handelt sich um „Los romanistas ante la crisis de la ley".
2
Es wurde in Arbor, mit dem Titel „La duda vitoriana ante la conquista de America" veröffentlicht. Bereits zuvor veröffentlichte Krauss in Spanien: „Francisco de Vitoria, fundador del derecho internacional". 3
Gemeint ist Raimundo Panikkar (vgl. Br 21. 5. 1955), von dem d'Ors einen langen Brief mit einer Beurteilung seines Aufsatzes aufbewahrt. 4 Man kann nur vermuten, dass d'Ors hier an Wilhelm Kroll, Geschichte der klassischen Philologie, denkt. Das Buch erschien zuerst Leipzig: Göschen, 1908; es endete aber mit Erörterungen zu Erwin Rohde (1845-1898) und erwähnte Wilamowitz (noch) nicht. Gemeint ist hier die spanische mit 17. Photos versehene Ausgabe von Historia de la Filologia Cläsica, Barcelona/Madrid/Buenos Aires: Labor, 1941, 2. Aufl. 5
D'Ors veröffentlichte die Rezension: „Santayana, sobre dominaciön y poder"; un comentario al libro de Jorge Santayana, Dominations and Powers. Reflections on Liberty and Government. Jorge Agustin Nicolas de Santayana, (Madrid 1863-Rom 1952), als Schriftsteller meist George S. Er wuchs ab 1872 in Boston auf, lebte in der Vereinigten Staaten u. England, wo er 1889-1912 in Harvard Philosophie lehrte. Hauptwerk: The Life of Reason or the Phases of Human Progresses. Er schrieb auch Romane. Über ihn: McCormick, Santayana; Christoph, Zur Erkenntnistheorie Georges Santayanas.
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Biblioteca de la Facultad de Derecho Universidad de Santiago Compostela 14/XII/52 Verehrter und lieber Prof. Schmitt: Endlich habe ich einen Augenblick Zeit, um Ihnen zu schreiben! Es war eine ziemlich ermüdende Zeit mit einem Aufenthalt in Madrid - aufgrund von „oposiciones" 1 zu deren Prüfungskommission ich gehörte - die meinen Arbeitsplan unterbrochen und auch meine Korrespondenz verzögert hat. Aber heute, angesichts der nahen Weihnachtstage nutze ich eine freie Minute, die ich gerne Ihnen widmen möchte. Heute muss ich noch an drei andere deutsche Freunde schreiben, unter anderem an unseren lieben Freund Günther Krauss. Ich habe einen großen Wunsch: ich möchte nicht nur wissen, ob Sie noch immer bei guter Gesundheit sind, sondern auch, ob Sie sich in voller Aktivität befinden und ob die neuen Früchte bald zu uns gelangen werden, saftige und würzige Früchte wie immer. Worum wird es sich handeln? Vielleicht hat Sie die neue Übersetzung des ersten Kapitels von „Der Nomos der Erde" von J. Lois erreicht 2 . Das Wort „Ortung" erscheint jetzt als „instalaciön" übersetzt. Ich habe mit Lois darüber diskutiert, denn diese Übersetzung überzeugt mich auch nicht völlig. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen gegenüber schon einmal das Wort „acotamiento" erwähnt habe. Dieses Wort erscheint mir ziemlich flexibel, denn einerseits kann es in kartographischem Zusammenhang die Situierung eines Punktes bedeuten, und andererseits bedeutet es den Akt der Grenzangabe auf dem Boden; schließlich enthält es einen so eminent juristischen Ausdruck wie cantum > coto. „Coto de caza" [Jagdgehege] ist z.B. das Grundstück, auf dem das Jagdrecht gewährt wird. Passt dieser Begriff nicht in Ihren Gedankengang von „Ordnung und Ortung"? Die Pläne für eine neuerliche Einladung an Prof. Schmitt und diesmal mit besonderem Interesse, sind nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben. Wegen einer Reihe von unglücklichen Umständen3 ist meine Stellung an der Universität zur Zeit sehr viel weniger einflussreich als zu der Zeit, in der Sie uns mit Ihrem Besuch beehrten. Legaz ist immer noch Rektor und jetzt, seit einem Jahr, hat ihn Barcia Trelles im Dekanat der Juristischen Fakultät abgelöst. Ich unterhalte gute Beziehungen zu allen, habe aber in der Tat keinen Anteil an den Entscheidungen, wenn überhaupt eine Entscheidung getroffen wird. Nichtsdestoweniger, da wir nun einmal nicht
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ewig sind, wird sich vielleicht eine neue Situation ergeben, um dann eine neue Einladung zu erlangen, und es wird für uns eine große Ehre sein, wenn Sie sie annehmen. Im Augenblick bin ich sehr in meine Arbeit vertieft. Eine etwas lästige Arbeit wie sie die Korrektur der Druckfahnen meiner „Epigrafia Juridica de la Espana Romana" ist, die vielleicht im ersten Trimester 1953 erscheint. Andererseits habe ich bereits meine Edition von De legibus von Cicero beendet und habe mich verpflichtet, jetzt eine Edition des „Panegyrikon des Trajan" von Plinius zu machen4, wie immer für die Sammlung Conde. In der Einführung zu De legibus weise ich auf die Bedeutung hin, die die Übersetzung von nomos als lex 5 gehabt hat. Ich werde Ihnen ein Exemplar schicken, sobald das Buch herauskommt;, auch von einem Artikel mit dem Titel „Principios para una teorfa realista del Derecho" 6 , den ich für die Nr. 1 der neuen „Revista Espanola de Filosofia del Derecho" eingereicht habe, die von Arboleya 7 geleitet wird. Kürzlich sind „oposiciones" für den Lehrstuhl für politisches Recht abgehalten worden und Nicolas Ramiro 8 und Murillo 9 sind Ordinarien geworden. Auch Caamano hat sich gestellt und es scheint, dass er seine Sache gut gemacht hat und bis zur letzten Prüfung gekommen ist. Die Fakultät ist sehr knapp an Ordinarien in diesem Semester, denn wir sind nur noch zu viert (!) Legaz, Barcia, Pedret 10 (der Priester und Kirchenrechtler) und ich. Wir hoffen auf bessere Zeiten. Ich schicke Ihnen die Blätter über Wilamowitz zurück, die ich mit Interesse wiedergelesen habe. Es ist interessant, dass Schwiegervater und Schwiegersohn so gegensätzliche Meinungen über Cicero vertraten. Ich wünsche Ihnen ein glückliches Weihnachtsfest in Begleitung Ihrer Tochter Änima, die ich so gerne kennenlernen möchte. Das Jesuskind möge Sie segnen! Mit Zuneigung und Bewunderung grüßt Sie herzlich Ihr ergebener Freund Älvaro d'Ors.
1
Öffentliche Examina zur Erlangung eines akademischen Titels.
2
Vgl. Br. v. 29.2.1952.
3
Vgl. Br. v. 17.12.1951.
4
Sie wurde veröffentlicht als: Plinio el Joven. Panegirico de Trajano.
5
Dieser Dialog mit Schmitt erscheint mehrmals im Vorwort. A u f der S. 9 deutet er die Erinnerungen von Schmitt im Jahre 1907 an, ohne ihn ausdrücklich bei der Behandlung von Wilamowitz zu erwähnen. In der Note 4 auf S. 30 der schon erwähnten Ausgabe (vgl. Br. v. 17.12.1951) zitiert d'Ors Nomos der Erde von
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Schmitt. Weiter unten stellt er dar, wie der Mangel an Klarheit, mit dem Cicero den Übergang von der ideellen zur positiven Bedeutung des Begriffs lex behandelt, den Ursprung einer „schwerwiegenden und permanenten Aporie der westlichen Rechtsphilosophie darstellt". Schmitt bezog sich mehrfach zustimmend auf d'Ors' These, „das Ciceros Übersetzung des griechischen Wortes Nomos mit dem lateinischen Wort lex eine der schwersten Belastungen unserer occidentalen Begriffs- und Sprachkultur bedeutet", so in den 1958 geschriebenen Anhängen zu den Neudrucken von Die Lage der europäischen Rechtwissenschaft (verfaßt 1943/1944, erstmals publiziert 1950) und Nehmen, Teilen, Weiden (1953) in Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 427, 502. 6 Er wurde tatsächlich veröffentlicht: „Principios para una teoria realista del Derecho". 7 Enrique Gömez Arboleya (1910-1959; Selbstmord); Rechtsphilosoph, sich später der Soziologie zuwendend; 1933 in Granada Dozent an der Juristische Fakultät und enger Freund Garcia Lorcas, war 1934/1935 Post-graduate-Stipendiat in Berlin, wo er Carl Schmitt kennenlernte; er arbeitete dort über Hermann Heller. 1940 Prof. für Rechtphilosophie in Sevilla, 1941 in Granada erhielt er ebd. 1954 eine Professur für Soziologie. Vgl. von ihm: Francisco Suärez; Historia de la estructura y del pensamiento social; Estudios de teoria de la sociedad y del Estado. In s. Rezensionaufsatz „Cuatro monografias de Carlos Schmitt", übernahm Gömez Arboleya Schmitts Kritik am Parlamentarismus und Liberalismus und akzeptierte seine Theorie der Diktatur, lehnte aber den Dezisionismus ab. Gömez hielt Schmitt für einen sehr sharfsinnigen Fortsetzer Machiavellis. 8
Nicolas Ramiro Rico (1910-1977) erhielt 1952 den Lehrstuhl für Politisches Recht in Zaragoza und übersiedelte einige Jahre später nach Madrid. Er war stark interessiert an der Entwicklung einer politischen Anthropologie, vgl. Ramiro hrsg. El animal ladino y otros estudios politicos. 9
Francisco Murillo Ferrol (geb. 1918) erhielt 1952 den Lehrstuhl für politisches Recht in Valencia und übersiedelte später nach Madrid. Er kritisierte den Nationalismus und zeigte sich, wie so viele spanische Intellektuelle, stark von H. Heller beeindruckt; von ihm vgl. Estudios de sociologia politica und Saavedra Fajardo y la politica del barroco. 10 Paulino Pedret Casado (geb. 1899) erhielt 1942 den Lehrstuhl für Kirchenrecht in Santiago de Compostela.
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Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 20. Nov. 1953 Mein sehr lieber Freund Don Älvaro: Es ist nun schon zu lange her, dass ich Ihnen nicht mehr geschrieben habe: nicht weil ich mich nicht an Sie erinnert hätte, noch aus Mangel an Stoff und Themen, im Gegenteil, es ist die ungeheure Masse dessen, was ich Ihnen mitzuteilen, zu erzählen und Sie auch zu fragen habe, die mich lähmt. Aber jetzt bewegt mich ein unwiderstehlicher Drang, nachdem ich ihre drei Arbeiten gelesen habe (Ius Europaeum? 1 Titulus und Principios para una teoria realista del derecho) und die Einführung zu Las Leyes de Cicerön 2 . Ich bin Ihnen zutiefst zu Dank verpflichtet, wegen Ihrer Freundschaftsbekundungen in dem Artikel Ius Europaeum (S. 452 Anm. 1) und wegen der vielen Erinnerungen an Unterhaltungen mit Ihnen, z.B. Einführung in Las Leyes S. 9 (Wilamowitz), S. 30/3 (Nomos und lex) oder S. 80 FN 153 (homo homini homo) 3 . Und ich muss mich auch bedanken für den so interessanten und wichtigen Beitrag zu der „Epirrosis" 4 , über die „causa", die unser gemeinsamer Freund Günther Krauss so vorzüglich ins Deutsche übersetzt hat. Insgesamt berührt mich die Übereinstimmung in der Weltsicht und in der Geschichte im Allgemeinen und im Verständnis Europas im Besonderen. Ende September besuchte mich D. Enrique Tierno 5 . Wann kommen Sie nach Deutschland? Wissen Sie, dass ich Sie mit Ungeduld erwarte? Für März und April 1954 habe ich eine Einladung der Juristischen Fakultät von Mexiko angenommen (6 Vorträge) 6. Nun einige meiner unzähligen Fragen. Wie geht es Ihnen, lieber Älvaro und ihrer Familie? Was macht ihr Sohn, der damals Bismarck als den „Alten" erkannte? Ist Ihr Schwager, D. Jose Lois, wieder gesund? W i l l er die Übersetzung des „Nomos der Erde" weiterführen? Wie geht es Legaz y Lacambra? Wie Caamano Martinez? In der C. S. Bibliographie von Piet Tommissen fehlt sein Buch; das wird aber nachgeholt - reparado - er soll deshalb nicht enttäuscht sein 7 . Haben Sie die Diskussion über Donoso Cortes im letzten Jahr verfolgt? 8 Oft war ich darüber sehr traurig. Jetzt müssen Sie mir noch eine Frage erlauben, Don Alvaro: ich wüsste gern wie es Ihrem Vater, Don Eugenio, geht. Ich hatte ihm vor längerer
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Zeit die deutsche Ausgabe des englischen Buches über Hamlet 9 geschickt, zu der ich ein Vorwort geschrieben habe; ich dachte ein Stück daraus „Das Schauspiel im Schauspiel" - hätte ihn als Kenner des Barock 1 0 besonders interessiert; doch habe ich keine Antwort erhalten. Sagen Sie bitte allen gemeinsamen Freunden und Bekannten, die sich meiner erinnern, meine besten Grüße und seien Sie selber, lieber und verehrter Don Alvaro herzlich gegrüßt von Ihrem alten und getreuen
1
Vgl. Br. v. 2. 7. 1950.
2
Vgl. Br. v. 17. 12. 1951.
Carl Schmitt
3 In diesem Falle gibt es kein ausdrückliches Zitat, sondern die Erinnerung an eine Unterhaltung bei der d'Ors die berühmte Stelle bei Terenz, Heautontimorumenos, 77: homo sum; humani nie a me alienum puto kommentierte. 4
Die Festschrift zu Schmitts 65. Geburtstag, mit den Titel Epirrosis, war eine in Ganzleder gebundene Sammlung von 21 maschinenschriftlichen Beiträgen; sie wurde Schmitt an seinen Geburtstag am 11. Juli 1953 bei einem Empfang der „Academia Moralis" auf den Düsseldorfer Rheinterrassen überreicht. 21 weitere Beiträge waren von den Autoren für die nähere Zukunft versprochen. Einige der Beiträge der Epirrosis von 1953 erschienen auch in Ephirrosis. Festgabe für Carl Schmitt, 1968. A O Beitrag, „Relectio de Causa" wurde, übersetzt von Günther Krauss, in der Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag, S. 145-157, abgedruckt. Über die Geschichte dieser ersten Festschrift, vgl. W. Schmitz, „Zur Geschichte der Academia Moralis", S. 119-156. Aus diesem Grunde wurde er vorher in De la Guerra y de la Paz veröffentlicht. Die vierte (im Buchdruck die dritte) Festschrift für Schmitt war: Miroir de Carl Schmitt; sie erschien zum 90. Geburtstag als Heft 44/1978 der Revue europeenne des sciences sociales/Cahiers Vilfredo Pareto. 5 Enrique Tierno Galvän (1918-1986) zunächst Ordinarius an der Juristischen Fakultät der Universität Murcia ab 1948, schloß sich als Sozialist schon früh der Opposition gegen Franco an; nach Schwierigkeiten an den spanischen Universitäten ging er von 1962-1967 als Gastprofessor nach Princeton; später lehrte er in Madrid. 1976 Spitzenkandidat des Partido Socialista Populär, vereinigte er seine Partei mit dem Partido Socialista Obrero Espanol; von 1979 bis 1986 war er Bürgermeister von Madrid. Trotz der unterschiedlichen Geisteshaltungen unterhielt er eine gewisse Freundschaft mit Schmitt. Im Nachlass-C. S. befinden sich 28 Briefe von Tierno an Schmitt und 4 Antworten Schmitts. Tierno übersetzte einige Essays Schmitts und beteiligte sich an der Festgabe Epirrhosis mit dem Beitrag „Benito Cereno oder der Mythos Europas", Bd. I, S. 345-356. In seinen Memoiren „Cabos sueltos" befinden sich einige Hinweise auf den Juristen von Plettenberg: Vgl. Cabos Sueltos, S. 166169; vgl. auch „El tacitismo en las doctrinas politicas del Siglo de Oro Espanol", erst 1949, Ndr. in Escritos (1950-1960), S. 11-93; über seine Beziehung zu Schmitt vgl. J. M. Beneyto, Politische Theologie, S. 55-59. 6 Zu dieser Vorlesungsreihe, die von den Organisatoren einer deutschen Industrieausstellung in Mexiko-Stadt finanziert werden sollte, kam es nicht; Schmitt wurde ausgeladen. Er schreibt das sarkastisch an A. Möhler:
Die Briefe „Uebrigens habe ich vor kurzem eine Genugtuung erlebt: ich hatte dem deutschen Ausstellungskommissar in Mexiko, der mich erst zur Annahme seiner Einladung verlockt und dann mit der Begründung, es sei kein Geld da, plötzlich wieder ausgeladen hatte, am 29. 12. 1953 wörtlich beantwortet: Möge diese Ausladung kein böses Omen für Ihre Unternehmung werden. Und siehe da! Die Ausstellung endete - infolge der Abwertung des mexikanischen Pesos - mit einem Verlust von einer Milliarde Pesos, d.h. 336 Millionen D M Verlust für die deutsche Wirtschaft. Möge jeder, der einen alten Mann erst einlädt und nach Annahme der Einladung dann wieder auslädt, in gleicher Weise über die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens belehrt werden (Mindestbuße: 336 Millionen D M ! ) " Br. v. 3. 6. 1954, in S. 155. Möhler hrsg. Carl Schmitt-Briefwechsel, 7
Gemeint ist das Buch von Caamano, El pensamiento juridico-politico de Carl Schmitt; vgl. Br. v. 17. 2. 1949, das P. Tommissen in seinem Versuch einer Carl Schmitt-Bibliographie, Düsseldorf: Academia Moralis, 1953 übersehen hatte. Es wurde angeführt in Tommissens Bibliographie zur der Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag, S. 306. 8 Donoso Cortes (1809-1853). Aus diesem Anlaß erschienen 1953 zahlreiche Aufsätze zu Donoso Cortes, die Diskussion war aber bereits ab ca. 1951 lebhafter geworden. Schmitt denkt hier aber wohl besonders an die Reaktionen auf das Erscheinen seines Buches über Donoso (zuerst Köln 1950) in Spanien: Interpretaciön europea de Donoso Cortes; im allgemein wurde Schmitt vorgeworfen, daß er Donoso zum Dezisionisten umdeute; zentral für diesen sei aber Legitimität; vgl. etwa Vegas, Autoridad y libertad, segün Donoso Cortes. Durchaus ähnlich auch Angel Löpez-Amo in seinem Prolog zu Schmitts Buch. Diese Vorwürfe wurden in Spanien häufig geäußert. 9
Gemeint ist: Lilian Winstanley, Hamlet-Sohn der Maria Stuart, aus dem Englischen von Anima Schmitt, CSs Vorwort S. 7-25, ein von ihm verfasster bibliographischer Anhang S. 164-170. Das Buch erschien zuerst u.d.T. Hamlet and the Scottish Succession; dazu: Wolfgang Keller in Shakespeare-Jahrbuch 1922, S. 132-134. Schmitt griff das Thema wieder auf in: Hamlet oder Hekuba. 10 Eugenio d'Ors schrieb bereits in den 30er Jahren eine Studie über das Barock, die 1935 zuerst auf Französisch in der Übersetzung von Agathe Rouart Valery bei Gallimard erschien. Die span. Ausgabe Lo Barroco; dort wird Schmitt im Zusammenhang mit der Politischen Romantik erwähnt, S. 78. Das Werk erschien auch in ital., japan. und rumänischer Sprache.
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Santiago, 22. XII. 53 Lieber und verehrter Prof. Schmitt: Ihr Brief vom 20.11. wurde mir nach Rom nachgeschickt, wo ich gerade angekommen bin 1 ; es tut mir leid, dass ich meinen Vater nicht über das Buch fragen konnte, das Sie ihm geschickt hatten. Ich werde ihm schreiben und Ihnen dann mitteilen, was ich über diese Angelegenheit in Erfahrung bringen konnte. Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit, die Sie meinen Schriften widmen, die ich Ihnen aus Dankbarkeit zukommen lasse. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, dass ich in einem kleinen Band eine Reihe von (bereits veröffentlichten) Artikeln publizieren werde, die, wie ich im Vorwort darlege, auf eine direkte oder indirekte Schmittsche Anregung zurückgehen 2. Daher möchte ich Ihnen dieses Bändchen widmen, wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben. In ihm ist auch die relectio de causa eingeschlossen. In Rom haben wir ausführlich mit Prof. Emilio Betti 3 über Sie gesprochen, ich würde sagen, einer der wenigen Italiener, die Prof. C. S. gebührend kennen. Dr. Lois hat mit der Publikation Ihres Buches in einer Zeitschrift begonnen, aber die Zeitschrift hat den Herausgeber und die Orientierung gewechselt, weswegen er beschlossen hat, die Übersetzung als Buch zu veröffentlichen. Er sagte mir, dass er Ihnen in dieser Angelegenheit einen Brief schreiben würde. Mein „hereu" [katalanisch: „Stammhalter"] Miguel geht schon zur Schule, er kennt Bismarck noch nicht, aber doch Kain, Noe, Susana, usw. Zur Zeit sind alle damit beschäftigt, Änderungen an der Krippe vorzunehmen, die ich ihnen gestern aufgestellt habe. Lieber Professor: ich sende Ihnen meinen besten Wünsche zum Weihnachtsfest und zum Neuen Jahr. Ich kann nicht absehen, wann ich Sie wiedersehen kann, Sie sollen aber wissen, dass ich stets mit großer Sympathie an Sie denke, Ihr ergebener, Älvaro d'Ors [Am Rand] Den Kollegen von Santiago geht es allen gut. Don Camilo ist zum Ehrendoktor der Universität von Sao Paulo ernannt worden, von wo er vor einem Monat zurückgekehrt ist. Jetzt ist er Dekan der Fakultät und Legaz ist noch immer Rektor.
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1
Älvaro d'Ors war von 1953 bis 1971 Direktor des Instituto Jurfdico Espanol in Rom. Das zwang ihn dazu, dort zwei oder drei Mal im Jahr eine zeitlang zu verbringen. In diesem Institut hielten sich viele Stipendiaten auf, die später Ordinarien an spanischen Universitäten wurden. 2
Es handelt sich um das weiter oben zitierte De la Guerra y de la Paz.
3
Emilio Betti (1890-1868) italienischer Romanist und Zivilrechtler. Er begann seine Laufbahn in Mailand; er erhielt nach dem Krieg einen Lehrstuhl in Rom. Er schuf ein sehr umfangreiches Werk (vgl. die bibliographie i m ersten Band der 5 Bände umfassenden Studi in onore di Emilio Betti; im ersten Band dieser Festschrift auch AO Beitrag „Para una interpretation realista del art. 6 del cödigo civil espanol"). Er war ein großer Bewunderer des Francospaniens und daher sehr gastfreundlich gegenüber allen Spaniern, die in dieser Zeit nach Rom kamen. Daher hatte Älvaro d'Ors die Gelegenheit, wiederholt mit ihm zu sprechen und in sein Haus eingeladen zu werden. Obgleich er von Schmitt stark beeindruckt war, scheint er nichts über ihn geschrieben zu haben; er arbeitete jedoch noch an der Festgabe für Schmitt Epirrhosis, I, mit: „Wechselwirkungen zwischen deutschem und italienischem Zivilrecht". Einige kleinere, völkerrechtlich-politische Schriften lassen Schmitts Einfluss vermuten, so Der Völkerbund im Zeichen der britischen Gleichgewichtspolitik u. Zur Frage einer Reform der Völkerbundssatzung; bes. aber der Aufsatz „ I I ricatto della guerra e l'abuso della violenza nei rapporti internazionali"; vgl. auch Bettis auf der „Nomos de Erde" eingehenden Brief an Schmitt v. 20. 7. 1952, mit Kommentaren und Textpassagen aus dem „Nomos" vorgestellt von Caracciolo u.d.T. „L'Epoca della distruzione totale".
28 (Deutsch geschr.) Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 5/1 1954 M i m u y querido amigo; lieber und verehrter D o n Ä l v a r o ! V i e l e n herzlichen Dank für Ihre Weihnachts- und Neujahrs wünsche aus Ihrem Instituto Jurfdico Espanol i n R o m 1 und für Ihren B r i e f aus Santiago! I c h erwidere Ihre Wünsche aufs Beste und hoffe, dass w i r uns i m k o m m e n den Jahre wiedersehen werden. Über Ihren Plan, Ihre Aufsätze i n einem Sammel-Band zu publizieren (darunter auch den sehr wichtigen Aufsatz
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über die causa) habe ich mich sehr gefreut; das ist eine gute Idee, denn solche Aufsätze gehen in den Fach-Zeitschriften meistens unter und bleiben dort vergraben. Dass Sie mir diesen Band sogar widmen wollen, ist eine große, außerordentliche Ehre für mich, in der ich einen neuen Beweis unserer festen Freundschaft erblicke. Ich bin Ihnen dafür von Herzen dankbar, lieber Don Älvaro! Werden Sie auch Ihren Vitoria-Vortrag in die Sammlung aufnehmen? Ich habe Ihnen ein kleines Corollarium zum Nomos der Erde als Drucksache geschickt. Es wird mir immer deutlicher, dass Nomos und Nomos dasselbe Wort ist und dass die Grammatiker, die den Akzent einführten, das nicht mehr recht realisiert haben. Nomos kommt ja auch bei Homer vor (Ilias II, 475, Odyssee IX, 216, X, 159) 2 . Dass Ihr Schwager Don Jose Lois, die Übersetzung als Buch publizieren will, ist gut. Aber er wird wohl noch viel Arbeit damit haben. Wie geht es ihm jetzt gesundheitlich? Mit besonderen Freude hörte ich, dass Sie in Rom Prof. Emilio Betti gesprochen haben, den ich sehr schätze. Für ihre Mitteilungen über die Kollegen in Santiago (Camilo Trelles, Luis Legaz y Lacambra) vielen Dank! Ich sage Ihnen allen meine besten Grüße und Wünsche! Vor allem aber auch Ihrem Schwager, Don Jose und Ihrer schönen Stadt Santiago! In diesen letzten Wochen war ich durch eine Krankheit (Entzündung der Sehne der Ferse des linken Fußes) sehr behindert. Dadurch bin ich mit meiner Korrespondenz sehr im Rückstand. Ich hoffe, dass Sie das Neue Jahr gut begonnen haben und sich mit Ihrer Familie der besten Gesundheit erfreuen. Ich bleibe mit vielen Grüßen und Wünschen y con un fuerte abrazo de mano siempre su amigo 3 , Carl Schmitt 1
Dieser Glückwunsch fehlt in der Sammlung.
2
Vgl. Br. v. 1. 10. 1954; Schmitt erörtet die von Philon v. Alexandrien aufgestellte Behauptung auch in „Nomos-Nahme-Name". 3
mit einem festen Händedruck.
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29 (Spanisch geschr.)
Biblioteca de la Facultad de Derecho Universidad de Santiago Compostela 20/5/54 Lieber Prof. Carl Schmitt: Das Buch, von dem ich Ihnen erzählt habe, ist herausgekommen und ich sende Ihnen mit gleicher Post ein Exemplar. Wenn auch unzureichend, drückt die Widmung meine ganze Bewunderung und meine tiefe Dankbarkeit für den Lehrer Schmitt aus1. Dieses akademische Jahr war ich überlastet mit Lehrveranstaltungen und meine freien Stunden waren von einer so spezifischen Arbeit wie der Untersuchung des Codex Euricianus ausgefüllt 2 . Ich habe einen Arbeitsplan zum „vulgären römischen Recht der Westgoten" aufgestellt, das mich wahrscheinlich zwanzig Jahre lang beschäftigen wird. Trotz allem werde ich immer eine Lücke freilassen für die Schriften von C. Schmitt! In Santiago wenig Veränderungen. Alle bedanken sich für Ihre Grüße und erinnern sich eindringlich an Sie. Mein Vater erlitt in Barcelona einen schweren Herzanfall, von dem er sich, Gott sei Dank, wieder erholt hat; aber es ist ein Hinweis, der uns besorgt macht. Wenn es in den nächsten Tagen keine Neuigkeiten gibt, werde ich nach Rom reisen. Wenn ich eine finanzielle Hilfe erlangen kann, werde ich im August nach Deutschland kommen. Ich möchte am „Deutschen Rechtshistorikertag" in Hamburg teilnehmen und werde die Gelegenheit nutzen, Sie in Plettenberg zu besuchen. Gerne wüßte ich von Ihren Plänen für diesen Sommer, damit der Besuch nicht fehlschlägt. Ich werde vielleicht in den ersten Septembertagen nach Heidelberg reisen und dann nach Bonn. Ich hoffe, Ihr Fuß ist wieder hergestellt. Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors
Im Juni: via di Villa Albani, 16, Roma; danach Santiago. (Vielen Dank für die Zusendung von „Nehmen, Teilen, Weiden")
1 Die Widmung lautet: CAROLO SCHMITT CLARISSIMO VIRO GRATVS SOLVIT AMICVS.
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Die Briefe
2 Die vollständige Ausgabe wurde 1960 publiziert: El cödigo de Eurico, Edition, Palingenesia, Indices. Einige Kommentare wurden von 1954 an unabhängig publiziert; vgl. die sorgfältige Rezension von Ernst Levy, der auch die Entzifferungsleistungen von d'Ors schildert (Verwendung von Infrarotphotographie) und nach einigen Einwänden zu den Schluss gelangt: „Niemals zuvor ist die älteste originale Gesetzgebung der Westgoten so systematisch und methodisch untersucht worden", S. 479; vgl. v. Levy auch „Zum Kapitel 312 des Codex Euricianus", in: Ders., Gesammelte Schriften, S. 258-263.
30 (Spanisch und Deutsch geschr.)
Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 9. Juni 1954 M i querido amigo Don Älvaro: Ich habe Ihr Buch „De la guerra y de la paz" erhalten und unmittelbar darauf mit großer Begeisterung und tiefer Dankbarkeit gelesen. Ich bin hingerissen von dem Reichtum Ihrer Ideen, vom Glanz Ihres Stiles, Ihrem intellektuellen Mut und Ihrer christlichen Entschlossenheit. Die Widmung eines solchen Buches und das Vorwort sind ein imponierendes und für mich ehrenvolles Dokument einer Freundschaft, deren geistige und auch intellektuelle Fruchtbarkeit, deren vollkommene Wechselseitigkeit so selten sind in der Rechtswissenschaft, so anregend und so erholsam. Lieber und verehrter Freund! Meine Freude an dem herrlichen Buch, das Sie unserer gemeinsamen Freundschaft gewidmet haben, ist ganz unbeschreiblich. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen dafür. Mit großer Spannung erwarte ich Ihren Besuch in Deutschland. Ich hoffe, dass wir uns dann mehrere Tage sehen können und möchte Ihnen heute nur mitteilen, dass ich mich den ganzen Monat August hier zu Ihrer Verfügung halte und Sie überall treffen kann, wo Sie es wünschen und wo es Ihnen im Rahmen Ihrer Reise-Dispositionen zweckmäßig erscheint. Es wäre für mich beglückend, wenn ich Ihnen recht viel von Deutschland zeigen könnte und Sie als meinen Gast betrachten dürfte.
Die Briefe
Immer wieder lese ich diese glänzenden Aufsätze, die Sie in „de la Guerra y de la Paz" gesammelt haben. Mit tiefster Rührung empfinde ich die Freundschaft, die aus ihrer Widmung und Ihrem Prölogo spricht. Ich kann Ihnen nur versichern, dass alle Ihre Empfindungen sowohl der Freundschaft, wie der Dankbarkeit wenn auch des Gefühls der Bereicherung, in voller Gegenseitigkeit von mir geteilt und dankbar erwidert werden. In weniger Wochen werden wir hoffentlich darüber hier in Deutschland uns in aller Sammlung unterhalten und besprechen können. Ich erwarte Sie mit großer Ungeduld und wäre Ihnen für eine baldige Nachricht sehr dankbar. Für heute nur diese kurze Bestätigung des Empfanges und meines tiefen Dankes! Ich grüße Sie in treuer Freundschaft und wünsche Ihnen für Ihren Aufenthalt und Ihre Arbeit in Rom den besten Erfolg! Sagen Sie bitte auch Ihrem hochverehrten Vater Don Eugenio wenn Sie ihm schreiben, meine aufrichtigen Grüße und Wünsche und den Ausdruck meiner unveränderlichen Verehrung! Stets Ihr
Carl Schmitt
31 (Spanisch geschr.)
Santiago, 18/7/54 Stets verehrter und lieber Professor: Ich habe Ihren Brief in Rom erhalten und es hat mich bewegt, eine so tief empfundene Beantwortung und eine so wohlwollende Aufnahme meines Büchleins zu erfahren. Ich hoffe, es ist nur ein Markstein einer längeren und fruchtbareren Unterhaltung mit dem Meister! Danke, vielen Dank für Ihre aufmunternden Worte und Ihre so vielversprechende Sympathie. Wenn ich nicht früher einen Brief beantwortet habe, der es verdient, umgehend mit Dankesworten bedacht zu werden, dann liegt das daran, dass meine Deutschlandreise noch ungewiss war und ich keine uneinlösbaren Hoffnungen aufkommen lassen wollte. Ich habe in der Tat wenig Glück gehabt. Ich hatte eines der Reisestipendien für Auslandsreisen von Ordinarien beantragt, die das Ministerium anbot; man hat es mir jedoch nicht zugebilligt; entweder weil andere verdienstvoller waren oder weil der Herr Minister - Ruiz Gime-
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Die Briefe
nez 1 , „christdemokratischer" Rechtsphilosoph - keine überschwengliche Sympathie für mich empfindet; wie auch immer, ich habe nicht das nötige Geld, um die Reise zu unternehmen. Ich weiß, dass Deutschland heutzutage nicht übermäßig teuer ist und dass mir dort mehrere Einladungen von Freunden weiterhelfen würden, aber auch in diesem Fall überschreiten die veranschlagten Kosten die Möglichkeiten eines spanischen Ordinarius, der für eine kinderreiche Familie Verantwortung trägt. Es scheint, dass im nächsten Jahr die Universitätsstipendien deutlich besser werden und so bleibt mir die Hoffnung, dann endlich Prof. Carl Schmitt in Plettenberg besuchen zu können. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nochmals einen Besuch versprochen habe, der nachher nicht zustande kommt; das ist vielleicht ein Anzeichen einer gewissen Unbesonnenheit und Überstürzung meinerseits, aber auch des heftigen Wunsches, den ich hege, Sie wieder zu sehen und zu hören. Santiago - im heiligen Jahr - nähert sich dem Höhepunkt - 25.7. - der Jakobsverehrung. Die Glocken läuten mit besonderer Feierlichkeit über die bunten Massen der Pilger und Touristen aus der ganzen Welt. Und dennoch wissen viele Franzosen nichts von der Existenz von Santiago: ich kläre sie dann auf und sage ihnen, dass es die heilige Stadt ist, die zu der Stadt von Saint-Jacques führt. Wenn diese Tage vorüber sind, werde ich mit meiner Familie in unsere ländliche Zufluchtsstätte fahren. Worüber arbeiten Sie zur Zeit? Ich grüße Sie mit Sehnsucht und lebhafter Sympathie,
Älvaro d'Ors
Meinem Vater geht es ein bisschen besser. Vielen Dank für Ihr Interesse.
1 Joaquin Ruiz Gimenez Cortes (geb. 1913) erhielt 1944 den Lehrstuhl für Naturund Rechtsphilosophie in Salamanca, wo er mit Tierno Galvän zusammentraf. Schließlich erhielt er den Lehrstuhl für Rechtsphilosophie der Universidad Complutense von Madrid. Er war eine Zeit lang Botschafter in Rom und dann von 1951 bis 1956 Erziehungsminister. D'Ors stieß mehrmals mit Ruiz Gimenez zusammen, was seine Bemerkung „keine überschwengliche Sympathie" erklärt, von der d'Ors in diesem Brief spricht. Zu der Zeit als Ruiz Gimenez in Salamanca war, bevor er Minister wurde, war d'Ors Mitglied einer Kommission, die ihm ein Forschungsstipendium mit Auslandsaufenthalt verweigerte. Späterhin, während seiner Zeit als M i nister, wollte d'Ors einen Artikel veröffentlichen, in dem Gimenez' Projekt, Stipendien für das Ausland einer Abteilung des Außenministeriums zu überantworten, kritisiert wurde; Ruiz Gimenez verhinderte die Publikation. Im Juli 1953 sollte d'Ors bei einer Versammlung der spanischen Universitäten über die Besetzung von Lehrstühlen sprechen; in der Eröffnungsrede der Versammlung griff der Philologe Antonio Tovar (1911-1985) massiv das Opus Dei an; daraufhin weigerte sich d'Ors, seine Rede zu halten, wenn Tovars Ausführungen nicht berichtigt würden, was schließlich geschah. D'Ors schlug in seinem Referat ein neues System der Auswahl von Professoren vor, hatte aber damit keinen Erfolg; vgl. „La universidad espanola de 1943 a 1973", Nuevos papeles, bes. S. 87.
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32 (Deutsch und maschinengeschr.)
Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 1. Oktober 1954 M i muy querido amigo Don Älvaro; Lieber und verehrter Freund! Die beiden Ferienmonate August und September sind vergangen, ohne dass meine langgehegte Hoffnung, Sie wiederzusehen und endlich einmal wieder mit Ihnen zu sprechen, in Erfüllung gegangen wäre. Ihr Brief, in dem Sie mir mitteilten, dass Sie nicht nach Deutschland kommen können, hat mich sehr traurig gemacht. Es ist ein schwacher Trost, dass dieser Sommer bei uns in Deutschland völlig verregnet ist, so nass und kalt, wie seit Jahrzehnten nicht. Aber das ist wie gesagt ein schwacher Trost und wir müssen jetzt überlegen, ob sich nicht eine andere Möglichkeit bietet, Sie nach Deutschland einzuladen. Ich hoffe, dass Sie schöne Sommerferien gehabt und sich mit Ihrer Familie gut erholt haben. Es würde mich natürlich sehr interessieren, Nachricht über Ihr Befinden und den gegenwärtigen Stand Ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu erhalten. Ich lese immer noch mit großer Begeisterung in Ihrer Sammlung „De la Guerra y de la Paz". Ist im Spanischen eine bemerkenswerte Rezension darüber erschienen? Zu dem großen Thema NOMOS habe ich eine Entdeckung gemacht, die mich sehr aufregt und die ich Ihnen sofort mitteilen muss. In den Pensees von Pascal finde ich in den Pensees sur la Religion folgende Stelle „C'est que Philon Juif montre en diverses lieux, et Josephe admirablement contre Appion, oü i l fait voir qu'elle (la loi) est si ancienne, que le nom meme de loi n'a ete connu des plus anciens que plus de mille ans apres; en sorte qu'Homere qui a parle de tant de peuples ne s'en est jamais servi" 1 .
Ich vermute, dass die Behauptung, das Wort NOMOS käme bei Homer nicht vor, auf diese Behauptung Philons zurückgeht. Nun kommt aber, wie Sie ohne weiteres feststellen können, das Wort NOMOS bei Homer sehr wohl vor, z.B. Ilias II, 475, Odyssee IX, 216; X. 159 usw. Hier wird allerdings der Akzent auf die letzte Silbe gesetzt, also vofxog geschrieben. Aber die Akzente beweisen nichts, denn sie sind bekanntlich erst von den Alexandrinern einige hundert Jahre später gesetzt worden, als die sophistische Veränderung des vofxog als Gegensatz zu ijruaic; sich längst durchgesetzt 10 Herrero
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hatte 2 . D i e Diskussion ist jetzt wieder i n Fluss gekommen. Wenn es Sie interessiert, berichte i c h Ihnen weiter darüber. I n kurzem erhalten Sie eine kleine Schrift von m i r , ein „Gespräch über die M a c h t und Zugang z u m Machthaber". A u c h darüber müssen Sie m i r Ihre M e i n u n g schreiben. Es ist, w i e Sie wissen, eine alte Thesis v o n m i r , dass es keine potestas indirecta g i b t 3 . D i e Kirche hat auctoritas 4 und zwar direkt. D i e Formel v o n der potestas indirecta ist eine Evasion v o n dem eigentlichen Problem der auctoritas und keine gute Evasion 5 . Aber auch das ist ein sehr schwieriges Problem. Für heute w o l l t e i c h nur dieses kurze Lebenszeichen v o n m i r geben und Sie bitten, m i r bald einmal wieder zu schreiben. T e i l e n Sie m i r bitte auch m i t , w i e es unserm gemeinsamen Freund L u i s Cabral de Moncada i n C o i m bra geht. Grüßen Sie alle gemeinsamen Bekannten und Freunde, insbesondere auch Ihren Schwager, dem es gesundheitlich hoffentlich besser geht, und seien Sie selber, lieber D o n Ä l v a r o , i n treuer Freundschaft vielmals gegrüßt Von Ihrem alten
Carl Schmitt
Bitte schreiben Sie m i r auch, w i e es I h r e m verehrten Vater D o n Eugenio geht und übermitteln Sie i h m meine herzlichsten Grüße u n d Wünsche.
1
Pascal, Pensees, in: Oeuvres completes, S. 1196.
2
Vgl. Br. v. 5. 1. 1954.
3
In Möhlers Gästebuch findet sich eine Eintragung Schmitts von 9. 5. 1960: „Le secret de l'Eglise catholique c'est qu'il n'y a pas de pouvoir indirect", in: Fröschle, Klein u. Paulwitz, hrsg., Der andere Möhler, S. 159. 4 Es soll hier daran erinnert werden, dass für Schmitt, wie er detailliert in Römischer Katholizismus und politische Form darlegt, die katholische Kirche die Figur einer authentischen persönlichen Repräsentation darstellt. 5 Diese Unterscheidung zwischen potestas und auctoritas ist ein d'Ors immer wieder beschäftigendes Thema; vgl. das Domingo, Teoria de la auctoritas und ders. Auctoritas. Das Problem wird auch mehrmals von Schmitt erörtert; in der gesamten Diskussion über Hobbes, es sei an das „Kristall von Hobbes" in Begriff des Politischen erinnert; in Der Hüter der Verfassung, 1931, S. 136 f., FN 2 untersucht er historisch den Verlust dieser Unterscheidung; auch in der ersten FN des 8. Kapitels der Verfassungslehre wird die Unterscheidung aufgenommen und in der kleinen Schrift über die Macht, auf die sich vorl. Brief bezieht. Jedoch nirgendwo scheint Schmitts Haltung so klar wie hier. In seinen Schriften beobachtet man deutlich die Verteidigung der direkten Macht und ihrer Nicht-Verschleierung in der Legalität sowie den Kampf gegen die indirekte potestas; aber nicht ihre Legitimität als auctoritas. Die Tatsache, dass Schmitt diese Unterscheidung nicht hinreichend analysiert hat, ist ein Teil der Kritik, die d'Ors an einigen Stellen in De la guerra y de la paz an Schmitt übt. In seiner Schrift „Das Glossarium von Carl Schmitt" weist d'Ors darauf hin, dass die auctoritas keine höhere potestas ist, wie Schmitt sie zu verste-
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hen scheint, wenn er von der indirekten potestas spricht. Auf jeden Fall, wenn wir die Behauptung Schmitts ernst nehmen und sie kohärent durchführen wollen, kommen wir zu dem Schluss, dass er eigentlich den Begriff nur in einem Sinne verwendet, die im Grunde an die von Robert Bellarmin und Thomas Hobbes gestiftete Bedeutung angelehnt ist, der seine eigene Geschichte hat und ihn im selben Sinne handhabt, ohne ihn zu analysieren; vgl. „Potestas indirecta" (1966), in: Barion, Kirche und Kirchenrecht, S. 509-510 sowie Herrero, El nomos y lo politico , S. 298-303.
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Santiago, 8/10/54 Verehrter und lieber Prof. Schmitt: Nach Erhalt Ihres Briefes vom 1.10. beeile ich mich, Ihnen die traurige Nachricht vom Tod meines Vaters 1 mitzuteilen, den Gott in seine Herrlichkeit erheben möge. Er starb am 25. September und die Nachricht erreichte mich, als ich in Nancy war, mit einigen Aussichten, nach Deutschland kommen zu können. Bis zum Vorabend konnte mein Vater wie gewöhnlich arbeiten und sprechen, aber am Morgen des 25. Samstag, nahm ein Herzanfall ihn von uns, nachdem er die Sterbesakramente empfangen hatte. Ich kam zum Begräbnis, das nicht in Villanueva y Geltrü (Provinz Barcelona) stattfand, wo er sein Sommerhaus hatte und wo er starb, sondern im nahegelegenen Villafranca del Penedes, dessen „hijo adoptivo" [etwa Adoptivsohn] er war und wo er beerdigt sein wollte, in einem schönen Winkel des Friedhofes, den ihm das Bürgermeisteramt von Villafranca gestiftet hatte. Sie können sich vorstellen, welches nationale und universale Echo dieses Ereignis hervorgerufen hat, denn mein Vater hatte viele Freunde in verschiedenen Ländern. Es war für uns ein Schlag, den wir nur mit christlicher Standhaftigkeit ertragen konnten. Ich bin sicher, dass auch für Sie diese Nachricht bewegend sein wird und ohne dass Worte gewechselt werden, fühle ich in mir die Schwingungen Ihres Beileids. Die Sorge meines Vaters um sein Grab - die Tatsache selbst, dass er sich wieder in seinem früheren Geburtsland, Katalonien niederließ - zeigten, dass er seinen nahen Hingang vorausgesehen hatte. Vor nicht allzu lan10*
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ger Zeit hatte er gesagt: „Jetzt b i n i c h eine Schmetterlingspuppe, aber i c h werde i m September leben". Der Satz schien geheimnisvoll w i e durch eine I n t u i t i o n aus dem Jenseits inspiriert. „ V i t a mutatur, non t o l l i t u r ! " . I n Wahrheit aber hat der endgültige Schlag, w i e es bei Herzkranken zu geschehen pflegt, uns trotz des Risikos, das seit einem halben Jahr bestand, alle überrascht. Dort ruhen nun i m Schatten der wunderschönen Zypressen v o n V i l lafranca die Überreste eines „gigante de la inteligencia" [geistigen Riesen]. I n der Vorahnung Ihrer Beileidsbezeugungen grüße i c h Sie v o n ganzem Herzen, Ä l v a r o d'Ors I n diesen Tagen erreichte m i c h ein Beileidsbrief von Prof. Cabral de M o n cada und i c h vermute, es gibt keine Neuigkeiten. W i r erwarten i n diesem M o n a t verschiedene portugiesische Professoren, aber Cabral w i r d nicht kommen.
1
Eugenio d'Ors (1881-1954) wurde als Sohn eines katalanischen Vaters und einer cubanische Mutter in Barcelona geboren; er wuchs in einem gebildeten und edlem Ambiente, mit Hauslehrern auf. Obgleich er Jura studierte, galt sein Interesse besonders der Philosophie; imgrunde muss man ihn jedoch als einen äußerst belesenen, vielseitigen Autodidakten ansehen. Ab 1900 schreibt er zahlreiche philosophische Artikel, zuerst auf Katalanisch, dann auf Spanisch. Er schuf eine Gattung des philosophischen Essays, die Glösa (Glosse), - kleine Zeitungsartikel zu kulturell oder politisch aktuellen Ereignissen, in denen die Anekdote auf eine höhere Ebene gestellt wurde; daher sind sie wahrhaftig philosophisch. Er war ein Europäer. 1906 ging er für einige Zeit nach Paris als Korrespondent der Zeitung La Veu de Catalunya, was ihm die Möglichkeit gab, in andere europäische Städte zu reisen, die ihm den definitiven Kontakt mit dem intellektuellen und wissenschaftlichen Ambiente zu Beginn des europäischen Jahrhunderts verschafften. D'Ors trug zu der Einführung des Modernismus in Spanien bei. Zur Verwirklichung der Erneuerung der Gesellschaft schlug d'Ors ein im wesentlichen erzieherisches Programm vor, das er Noucentisme nannte. Er heiratete 1906 die katalanische Bildhauerin Maria Perez-Peix. Erst 1910 kehrte er nach Barcelona zurück. Prat de la Riba trug ihm damals auf, ein Projekt für die katalanische Erziehung zu entwerfen: das ständige Sekretariat des Institut d'Estudis Catalans , die Biblioteca de Catalunya, die Völksbibliotheken und die Organisation einer neuen Universität. 1922 zog er nach Madrid. Während der Diktatur von Primo de Rivera (1870-1930) wurde er zum Professor für Kulturgeschichte an der Escuela Social ernannt sowie zum spanischen Delegierten am Internationalen Institut für intellektuelle Zusammenarbeit des Völkerbundes in Paris und Genf; dies ermöglichte ihm, häufig nach Frankreich, Italien, Belgien und in die Schweiz zu reisen. 1931 mit Gründung der 2. Republik, die er von Anfang an ablehnte, ging er nach Paris ins Exil, wo er den größten Teil des Jahres bis zum Beginn des Bürgerkrieges verbrachte. 1937 kehrte er nach Spanien zurück; organisierte das Instituto de Espana, das als Wortführer der Akademien fungiert und wurde zum Direktor der „Academia de Bellas Artes" [Akademie der Schönen Künste] ernannt. Er war Mitglied der Königlichen Spanischen Akademie seit 1927.
Die Briefe Das außerordentlich umfangreiche Werk des „Sokrates des modernen Spanien" wie Alvira ihn definiert hat (vgl. ders. „D'Ors un nuevo Socrates", S. 80-83), ist zwar unsystematisch, doch ließe sich ein „System" allein aus seinen „Glösas" ziehen; auf den christlichen Plafond dieses „System" weist Negro hin in seinem Vorwort zu E. d'Ors, Diccionario Filosöfico Portätil. Zu d'Ors bekanntesten Werken zählen: Tres horas en el Museo del Prado. Itinerario Estetico (1923), El secreto de la Filosofia (1947), La ciencia de la cultura (1964), Lo barroco (1964). Über ihn vgl. Jardi, Eugenio d'Ors. Obra y vida; Garcia Navarro, Eugenio d'Ors. Bibliografia; Alvira, „Prölogo" zu E. d'Ors El Walle de Josafat; AO, „Trilogia de la Residencia de Estudiantes", en E. d'Ors Trilogia de la Residencia de Estudiantes; Torregrosa, Filosofia y vida de Eugenio d'Ors. Zu E. d'Ors/Schmitt vorl. Bd. Br. v. 17. 12. 1948. In seinen Glösas hat sich E. d'Ors sehr häufig zu Schmitt geäußert wie in vorl. Band schon mehrmals bemerkt ist.
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Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I (Westf.) Brockhauserweg 10 den 21. October 1954 Mein sehr verehrter und lieber Freund; mit großem Schmerz habe ich die traurige Nachricht vom Tod Ihres Vaters, Don Eugenio, erfahren. Er möge in Frieden ruhen. Ich drücke Ihnen mein tiefes Mitgefühl für den Verlust aus, den Sie und Ihre Familie erlitten haben. Ich kannte Ihren Vater seit 19291 während 25 Jahren. Er war für mich der herausragende Wortführer der geistigen Kraft Spaniens, ein Gigant der Intelligenz, in dessen Person die Idee Europas gegenwärtige und konkrete Wahrheit und Realität erfuhr. Die Anziehungskraft seiner Person war unwiderstehlich, sein Wissen souverän, seine Gastfreundschaft großherzig. Dies alles wird mir unvergesslich bleiben. Ich habe mit viel Gewinn das Buch von Jose Luis L. Aranguren 2 gelesen, aber ich glaube, es gibt noch viel mehr zu sagen und es bleibt noch die Aufgabe, ein grandioseres und angemesseneres Bild des immensen Wertes des Verstorbenen zu schaffen. Ich gehöre zu seiner Generation, nur vier Jahre jünger, was in meinem Alter nicht viel bedeutet. Es wäre für mich eine kaum verdiente, wenn auch
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insgeheim erhoffte Gunst, dass es mir verstattet sein möge, an seinem Grab in Villafranca zu stehen. Ich hoffe auch, dass meine treue Erinnerung an diesen Mann von Genie für immer ein wesentlicher Bestandteil der Freundschaft bleiben wird, die mich mit Ihnen verbindet, mein lieber Freund, Don Älvaro. Mit dem innigsten Mitgefühl bin ich herzlich
1
Vgl. Br. v. 30. 12. 1948.
2
Er bezieht sich auf La filosofia
Ihr Carl Schmitt.
de Eugenio D'Ors.
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Santiago 16/11/54 Verehrter und lieber Freund: Gern möchte ich Ihrem liebenswürdigen Beileidsbrief entsprechen, der in elegantem Spanisch, mit einigen Zeilen auf Deutsch verfasst war. Aber mein Deutsch ist sehr armselig, denn ich habe es nur durch wissenschaftliche Lektüre gelernt. Ich unternehme alles damit, dass meine Schüler nach Deutschland gehen, daher sind auch die beiden besten Schüler im Augenblick dort, nachdem sie in Rom gewesen waren. Ich verstehe Ihr tiefes Mitgefühl anlässlich des Todes meines geliebten Vaters (er möge in Frieden ruhen), denn ich weiß von der guten Beziehung, die sie beide verband, was dazu beitrug, dass C. S. für mich ein vertrauter Name war, bevor er zu einem gelesenen Autor wurde. Anfangs des Monats besuchten wir das Grab in Villafranca und dort erfuhren wir, dass mein Vater schon 1917 auf diesen Friedhof aufmerksam geworden war! Ich habe Ihr Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber erhalten und mit Begeisterung gelesen. Vielen Dank! Ich glaube, dass Sie einem erprobten Bewunderer von C. S. wie mir, und dazu einem aufrichtigen Bewunderer, in Ihrem Wohlwollen eine Vertraulichkeit zugestehen. Offen gesagt, der Dialog scheint mir wunderbar und
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der Vorraum ist genial aufgefangen; es tut mir nur leid, dass nicht ich die Person J. bin, die das Verhör anstellt ... Weil es mir scheint, dass diese humanistische Reduktion des Ursprungs der Macht nicht ausreichend ist 1 . Das Entscheidende an dieser Problematik scheint mir das irrationale Moment zu sein, wenn wir einmal die Basis beiseite lassen, dass eine Macht existieren muss, was vor unseren Augen als etwas Notwendiges und offensichtliches an sich erscheint (ich würde sagen von Natur aus, selbst für den technischen und glaubenslosen Menschen). Dann aber schleicht sich an zwei Stellen das Irrationale ein: 1. Der konstitutionelle Mythos über die Bestimmung der Macht (Erbmonarchie, Sieg, allgemeines Wahlrecht, usw.) und 2. Die konkrete Entscheidung darüber, wer in jedem dieser Fälle regieren soll (Geburt, militärischer oder Wahlerfolg, usw.). Dieses letztere Moment ist dem Mann auf der Straße am deutlichsten bewußt, er kann sich fragen „Warum regiert X?". Und, ehrlich gesagt, für diesen technischen und glaubenslosen Bürger ist diese Macht von X nicht „den Menschen" zu verdanken, sondern dem Glücksfall, d.h. einer irrationalen außermenschlichen Entscheidung. Dieser Glücksfall - felicitas - des Regierenden fängt mit seiner starken Gesundheit an, mit seinen Fähigkeiten zur Entscheidung, zur Durchführung, zur Organisation, mit seinen Erfolgen bei wirtschaftlichen Verhandlungen, usw. Die öffentliche Gewalt fließt ihm als ein weiteres Anhängsel seines „großen Glücks" zu. Sehen Sie einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Börsenerfolg und dem Wahlsieg oder einem Staatsstreich? Die Gewalt kommt nie von den Menschen! Ich füge Ihnen eine politische Zeichnung meines Sohnes Miguel bei, des Bewunderers des Jägers Bismarck, der an Weihnachten 8 Jahre alt wird; eine Zeichnung ohne Modell (ich weiß es mit Sicherheit), die eine sehr sichere Intuition wiederspiegelt. Ich fragte ihn, warum er das Gefängnis neben den Königspalast gesetzt hat und er sagte ohne Zögern: „Damit der König sicher sein kann." 2 Vielen Dank für alles. Herzliche Grüße.
Älvaro d'Ors
1 D'Ors kommt auf die Frage des „homo homini homo" zurück, die bereits früher erörtert wurde, vgl. Br. v. 20. 11. 1953 und Br. v. 2. 9. 1951 sowie unsere Einleitung. Vgl. auch CS, Gespräch über die Macht, S. 8-10. 2 Die Sicherheit des Königs, so kommentiert d'Ors in einer Unterhaltung vom April 2001, konsolidiert sich, wenn sie die Justiz in der Nähe hat. Das war die sichere Intuition seines Sohnes.
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Santiago, 21/5/55 Verehrter und lieber Freund: Ich habe Ihren Artikel „Die geschichtliche Struktur des heutigen WeltGegensatzes von Ost und West" 1 erhalten, gelesen und genossen; darin erläutern Sie mit der Ihnen eigenen Bravour diesen Gegensatz als eine gegenwärtige Funktion der ewigen Antithese zwischen „Land und Meer". Die Problematik wird glanzvoll aufgezeigt. Nichtsdestoweniger muss jetzt ein Lösungsweg gesucht werden. Wie Sie wissen, kann ich nicht glauben, dass die historischen Ereignisse sich in einem blinden Spiel von Antithesen erschöpfen, die von Antworten auf eine „Challenge" bestimmt sind; ich würde eher behaupten, dass es eine universale und permanente „Challenge" gibt, die von Gott für alle Menschen entworfen wird und daher gibt es die Möglichkeit einer Antwort, die obwohl sie historisch bleibt, den Gegensatz der Antithesen aufhebt, die auf Teil-„Challenges" niedrigeren Ranges reagieren. Die Überwindung der historischen Umstände ist selbst ein historisches Verhalten. Vielleicht bin ich als Spanier, der mit dem Rücken zu den unmittelbarsten historischen Ereignissen steht, besonders sensibel für diese Art von Reaktion. In diesem Sinne würde ich sagen, dass außer dieser Verbindung zwischen Erde und Meer die Antithese Osten-Westen eine Folge von zwei Häresien ist, d. h. von zwei falschen Antworten auf die göttliche „Challenge". In diesem Dilemma gibt es eine richtige Antwort und nicht nur eine individuelle, sondern auch eine kollektive und politische. An dem Tag, an dem der christliche Mensch sich entschließen würde, wirklich Christ zu sein, würden diese Antithesen durch eine Synthese von unwiderstehlicher Stärke überwunden werden und die historischen Umstände, die die abwegigen und partiellen Haltungen bestimmten, hätten nicht mehr Bedeutung als die Unterschiede von Klima und Ernährung. Wir wissen nur nicht, ob diese Synthese der richtigen Antwort auf die „Challenge" Gottes für die Endzeit vorbehalten ist ... Wie immer drängt mich das weitblickende Denken von C. Schmitt zur Theologie hin. Bedeutet das nicht, dass dieses Denken selbst dieser Krönung bedarf? Es scheint, als zeichne C. Schmitt meisterhaft die Rippen der Kuppel, ohne sie zu Ende zu führen und damit die Kuppel zu schließen. Lieber, sehr lieber, innigst verehrter Prof. Schmitt: Sine Deo nihil intelligi potest. Bodin, Hobbes und alle jene „schlechten Freundschaften", von denen ich Ihnen sprach, werden eines Tages an Ihnen zerren und Sie knebeln, damit Sie nicht wie ein Pfeil auf das richtige Ziel fliegen. Brechen Sie mit ihnen!
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Mich beanspruchen dahingegen die Studien der kleinen Rechtswissenschaft. Vielleicht hat das hier den Dialog über höhere Themen verhindert. Sie werden verstehen, wie groß meine Enttäuschung war, als ich sah, dass mein Büchlein „De la Guerra y de la Paz", das vor einem Jahr erschien, im ersten halben Jahr in völliges oder fast völliges Schweigen gehüllt blieb: danach wurde es als literarisches Werk ausgezeichnet und das löste einen kleinen Platzregen von angelegentlichen Lobreden aus, um danach wieder in ein dichtes Schweigen zurückzufallen. Es sind um die tausend Exemplare verkauft worden, aber ich fürchte, dass die geistige Auswirkung gleich Null war. Niemand griff zur Feder, um darüber zu diskutieren. Einzig ein junger, geistreicher, spanischer Theologe indischen Ursprungs, Raimon Panikkar 2 , schrieb mir einen langen Brief mit sehr interessanten, theologischen Anmerkungen. Panikkar scheint mir mit Zubiri 3 einer der beiden spanischen Köpfe zu sein, die zu den größten Erwartungen Anlass geben: beide sind ausgebildete Theologen. Auch meine Theorie der causa, von der ich glaubte, dass sie die Zivilrechtler interessieren würde, hat nicht die geringste Aufnahme oder Kritik erfahren; ebenso wenig meine „Principios para una teoria realista". Sie werden verstehen, dass sich das zweifelsohne auf die Einengung meiner Arbeit ausgewirkt hat. Ich widme mich jetzt vorwiegend den westlichen juristischen Quellen des 5. Jh. Daher sind Lektüren wie die Ihres Artikels für mich sehr befreiend und stimulierend. Meiner Familie geht es, Gott sei Dank, weiterhin gut. Im Monat Februar wurde die Nummer sechs geboren: ein Mädchen, das auf den Namen Ana Maria getauft wurde. Die Universität ist fast so geblieben wie zu dem Zeitpunkt, als Sie uns mit Ihrem Besuch beehrt hatten und das soll heißen, dass sie nicht besser geworden ist, was mir Kummer bereitet. In der juristischen Fakultät sind wir immer noch Legaz, Barcia (jetzt Dekan), Pedret und ein junger Prozessrechtler der vielleicht bald weggeht; die anderen Lehrstühle bleiben in der Hand von nicht habilitierten Lehrbeauftragten. Die Mehrzahl der Ordinarien weigert sich, nach Santiago zu kommen. Ich hingegen bin jeden Tag zufriedener hier und habe einige Gelegenheiten verstreichen lassen, an andere Universitäten zu wechseln: ich glaube, wenn Gott nichts Anderes befiehlt, wird man mich hier beerdigen. Vor einigen Tagen hat Jesus Fueyo 4 von der Gruppe Conde den Lehrstuhl für politisches Recht von Santiago erhalten, er hat aber in Madrid viele Geschäfte und es gibt wenig Hoffnung, dass er nach Santiago kommt. Es würde mich sehr freuen, Nachrichten von Ihnen zu erhalten und zu erfahren, dass es Ihnen gesundheitlich gut geht. Sie wissen schon, dass Sie bewundert und schätzt Ihr ergebener Älvaro d'Ors
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Hier erscheinen zwei aufeinanderfolgende Briefe von d'Ors, weil dazwischen die Sendung des Artikels von Schmitt liegt. 2 Raimond Panikkar (geb. 1918). Er war einer der Begründer der Zeitschrift Arbor und beteiligte sich mit vollem Einsatz an diesem kulturellen Projekt zusammen mit Calvo Serer und Ramön Roquer (vgl. Redondo, Politica, Cultura y Sociedad, S. 643). Als Theologe interessiert ihn hauptsächlich die Philosophie der Religionen; vgl. Panikkar, Das Abenteuer Wirklichkeit. 3 Xavier Zubiri (1898-1983). Spanischer Philosoph, Schüler Ortegas; 1926 erhielt er den Lehrstuhl für Philosophie der Universität Madrid; zwischen 1928 und 1930 studierte er mit Husserl und Heidegger in Freiburg; nahm in Berlin an den Lehrveranstaltungen von Nicolai Hartmann teil; kannte Einstein, Schrödinger, Max Planck und Werner Jaeger. Während des spanischen Bürgerkrieges lebte er in Paris, wo er mit Louis de Broglie auf dem Gebiete der Physik und mit Emile Benveniste auf dem der Philologie zusammenarbeitete. Er pflegte Umgang mit dem Philsophen Jacques Maritain. Nach Beendigung des Bürgerkriegs kehrte er nach Spanien zurück und lehrte bis 1942 an der Universität Barcelona, danach Privatgelehrter. Schrieb u.a. Naturaleza, Historia, Dios (1948) und Sobre la esencia (1962). 4 Jesüs Fueyo (1922-1993). Er erhielt 1955 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Politisches Recht in Santiago, ging aber nicht dorthin. Er beantragte 1956 freiwillige Außerdienststellung, um sich der Politik zu widmen. 1963 wurde Nachfolger von Manuel Fraga Iribarne in der Leitung des Instituto de Estudios Politicos. Er war einer der bedeutendsten Intellektuellen der Falange. Seine meist essayistischen Charakter besitzenden Arbeiten sind stark ideengeschichtlich akzentuiert und zeugen von Belesenheit; zum Einfluss Schmitts auf ihn: Beneyto, Politische Theologie, S. 42-49. Fueyo veröffentlichte u.a.: La epoca insegura (dort S. 171-178 der Aufsatz „Carl Schmitt y la dignidad del pensamiento politico, zuerst in Arriba 23. 3. 1962); La mentalidad moderna; Estudios de teoria politica; „Die Idee der auctoritas", in: Epirrhosis, S. 213-235; La vuelta de los budas. Ensayo-ficciön sobre la ultima historia del pensamiento y la politica.
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Plettenberg, 20/6 55 Muy querido y venerado amigo; lieber und verehrter Don Älvaro! Ihr letzter Brief hat mich betrübt, weil ich daraus entnehme, dass Sie traurig sind, besonders deshalb, weil Ihr Buch „La guerra y la paz" kein großes Echo gefunden hat. Aber das darf Sie nicht mutlos machen. Die Wirkung von Büchern und Publikationen hängt nicht von Rezensionen und lautem Beifall ab. Der Raum der wissenschaftlichen Öffentlichkeit ist heute durch bestimmte Mächte okkupiert und es ist einfach die Frage, ob man sich ihnen unterwirft oder nicht. Ich habe mich nicht zur Unterwerfung entschließen können und spreche aus einer langen Erfahrung. Seien Sie nicht traurig, lieber Don Älvaro, wenn der Beifall einer bestimmten Welt ausbleibt. Danken Sie Gott, dass Sie als Spanier noch relativ unabhängig sind von dieser Art Beifall. Wollen Sie Albert Einstein oder Thomas Mann oder Charly Chaplin um deren Ruhm beneiden? Verzeihen Sie bitte, dass ich Ihnen das so, in aller Offenheit, ausspreche. Aber ich kenne Ihre große wissenschaftliche Leistung und Ihren Rang als Gelehrter Ihrer Disziplin, und darf zu Ihnen als Ihr älterer Freund sprechen. Über die bedeutende Wirkung Ihrer Publikationen können Sie ganz unbesorgt sein. Solche Ideen wachsen nach ihrem eigenen Maß. Ich könnte Ihnen ganze Nächte lang von den Schicksalen der Bücher, Aufsätze und Ideen erzählen! Noch eine Mitteilung persönlicher Art: meine Tochter Anima (23 Jahre alt) wird, um sich in der spanischen Sprache zu vervollkommnen, im August dieses Jahres nach Spanien reisen und wird zunächst einige Wochen in Llanes am Meer verbringen, wo sie bei der Familie von D. Javier Conde eingeladen ist. Wie sie den Aufenthalt in Spanien weiter gestalten wird, weiß ich noch nicht. Ich selber komme dieses Jahres nicht nach Spanien und bedaure das sehr. Für die „Revista de Estudios Politicos" habe ich einen längeren Aufsatz geschrieben, der - wie J. Conde mir mitteilt - von Jesus Fueyo übersetzt wird, den Sie in Ihrem Brief vom 21/5 1 nannten. Dies zu Ihrer persönlichen Information. Ob ich selber noch einmal nach Spanien komme und meine Freunde wiedersehen kann? Ich weiß es nicht. Ich bin jetzt 67 Jahre alt und etwas von dem „tedium fugae" befallen, an dem Cicero die letzten Jahre seines Lebens gelitten hat 2 . Ich hoffe, dass mein Brief Sie und Ihre Familie in bester Gesundheit trifft und dass es der kleinen Ana Maria und ihrer Mutter gut geht! Sagen
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Sie allen gemeinsamen Freunden meine herzlichsten Grüße und seien Sie selbst vielmals gegrüßt von Ihrem alten und getreuen Freund, Carl Schmitt 1 Es handelt sich um „Hamlet y Jacobo I de Inglaterra". Tommissens Bibliographie in Festschrift für Carl Schmitt zum 70. Geburtsstag, S. 303 (Nr. 295) wurde dieser Text von E. Tierno Galvän übersetzt, was sich nicht klären ließ. Der spanische Text deckt sich mit CSs Hamlet oder Hekuba; vgl. Br. v. 20. 11. 1953, S. 7 42, 46-55, ist also, mit einer längeren Auslassung und auf die Exkurse (S. 57-67), nicht aber die Anmerkungen verzichtend, eine Übersetzung des Buches; inzwischen vollständig als Hamlet oder Hecuba. La irrupciön del tiempo en el drama. 2 Der Ausdruck Schmitts stammt aus den Suasoriae 6, 17 von Lucius Annaeus Seneca dem Älteren (um 55 v. Chr.-um 40 n. Chr.) dem Vater des Philosophen und Dichters. Er bezieht sich auf das, was Livius über Cicero sagt, der nach dem Scheitern seines Vorhabens über das Meer vor seinen Feinden zu flüchten, „verdrossen von der Flucht und vom Leben44 („Taedium tandem eum et fugae et vitae cepit 44 ) nachhause zurückkehrte und sagte: „Ich werde in dem Vaterland sterben, das ich so viele Male gerettet habe.44 Diese Anlehnung ist in der durch die politische Lage bedingten Exile-Situation, in der sich Schmitt befand, gut zu verstehen; ermüdet von der Tatsache, sich am Rande des politischen Lebens bewegen zu müssen, in das er sich trotz allem existenziell einbezogen fühlte.
38 (Spanisch geschr.)
Santiago, 3/7/55 Verehrter und lieber Prof. C. Schmitt: Ich beeile mich, ihren liebenswürdigen Brief vom 20.6. zu beantworten, vor allem um mich zu Ihrer Verfügung zu stellen bezüglich der Spanienreise Ihrer Tochter Anima. (Schade, dass Sie nicht mitkommen!) Wenn Ihre Tochter von Asturien aus (es gibt einen Flug Oviedo-Santiago) nach Santiago kommen wollte, soll sie mir Bescheid geben, damit ich hier sein und sie betreuen kann. Ich habe vor, am 11.7. in unser Sommerrefugium la Costa, Paranos, Carballedo (Pontevedra) zu fahren. Sie kann an diese Anschrift schreiben und ich werde nach Santiago kommen, um sie bei ihrem Besuch zu begleiten. Da meine Mutter (sie kommt morgen an) diesen Sommer in Santiago bleiben wird (das Klima bekommt ihr sehr gut), werde ich häufig nach Santiago fahren, um sie zu besuchen, wenn aber Ihre Tochter
Die Briefe
kommen sollte, werde ich dafür sorgen, dass eine meiner Reisen mit ihrem Aufenthalt zusammenfällt. Ansonsten steht unser kleines Landhaus in Carballedo zu ihrer Verfügung, wo sie keinen Komfort finden wird, aber ein sehr freies Ambiente. Die Familie von Prof. Gibert hat ihren Besuch für den 15. angekündigt, um zwei Wochen mit uns zu verbringen. Trotzdem wage ich nicht, eine so rustikale und so verwirrende Beherbergung anzubieten, wegen der vielen eigenen und fremden Kinder, die sich hier einzufinden pflegen. Obgleich ich annehme, dass sie überall gut aufgenommen wird, stehe ich auch zur Verfügung, um ihren Besuch bei den Freunden anzukündigen, die sie besuchen will, damit diese sich um sie kümmern. Ich möchte, dass Anima sich in Spanien wie zu Hause fühlt! Bezüglich meines vorigen Briefes fürchte ich, mich nicht richtig ausgedrückt zu haben. Offen gesagt, ich kann mich nicht beklagen über den Erfolg des Buches Carolo Schmitt dedicatus. Es erhielt eine nationale literarische Auszeichnung und es sind ungefähr 2000 Exemplare verkauft worden. Was ich darlegte - oder darlegen wollte - war nicht der Mangel an Erfolg, sondern der Mangel an Widerspruch. Lobreden gab es reichlich, aber ich war enttäuscht, gerade weil es Lobreden waren und nicht Kritiken. Vielleicht hat mein Brief den Eindruck erweckt, dass sich meine Lebensansichten geändert haben und dass ich jetzt zum Erfolgsjäger geworden bin. Ich glaube nicht, dass ich in diesen bedauernswerten Zustand verfallen bin. Was ich sagte - oder sagen wollte - ist, dass der Mangel an Widerspruch mich entmutigte, in dieser Richtung weiterzumachen und mich daher zu der fachspezifischen historisch-juristischen Arbeit zurückführte; vor allem zum römischen Recht der Westgoten. Darüber hinaus bin ich bei der Korrektur von Druckfahnen einer Edition (wie die des de legibus) des Panegyricus de Trajano von Plinius 1 ; eine Rede, die für die Historiker der politischen Ideen von Bedeutung ist. Sie werden ein Exemplar erhalten (November?). Ich glaube, meine Situation ist somit erklärt, aber ich bin dankbar, dass mein voriger Brief ihrerseits so großzügige und ermutigende Formen der Tröstung verursacht hat, die natürlich die reduzierteren Dimensionen überschreiten, die für mich gültig sind. Ich danke Ihnen auch für die guten Wünsche für meine ganze Familie. Gott sei Dank geht es allen gut. Einer meiner Kleinen sagte mir vor kurzem, dass er zugleich „Ingenieur und Priester" werden möchte. Ist das nicht ein Zeichen der Zeit? Wir denken ständig an Sie zu Hause und in der Universität. Das möge ein Anreiz sein, bald zu kommen. Die Jahre spielen keine Rolle, wenn man einen so lebendigen und wendigen Geist behalten hat wie Sie.
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Es grüßt Sie herzlich ihr stets guter Freund und ergebener Bewunderer Älvaro d'Ors
1 Es handelt sich um Plinio el Joven. Panegirico de Trajano. Ediciön bilingüe, 1955.
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Roma, 22/11/55 Lieber und verehrter Prof. C. Schmitt: Kurz vor meiner Abreise aus Santiago schickte ich Ihnen ein Exemplar meiner Rede1 zur Eröffnung des akademischen Jahres in der Universität und ich habe Ihnen schreiben wollen, aber die Tage vergingen, ohne dass ich es tat. Es tut mir sehr leid, dass Ihre Tochter Anima nicht nach Santiago gekommen ist 2 . Prof. Cabral de Moncada teilte mir mit, dass sie in Coimbra gewesen ist. Hoffen wir, dass wir Vater und Tochter bald in Spanien sehen können. Ihr hervorragender Schüler Günther Krauss war in Santiago. Sie können sich die Herzlichkeit vorstellen, mit der wir uns in unseren Gesprächen an Sie erinnert haben. Er ist eine beindruckende Persönlichkeit, der gegenüber ich eine große intellektuelle Affinität empfinde; gerne würde ich mit ihm an Ihrer Seite zusammentreffen. Er empfindet für Sie eine tiefe Verehrung. Das wird nicht unmöglich sein, denn ich habe eine Einladung erhalten zu einem Vortrag im Kongress der deutschen Rechtshistoriker, der in Freiburg im Br. im nächsten September stattfindet; von dort aus würde ich Ihnen gerne einen Besuch abstatten, und wenn Sie wollen, können wir G. Krauss bitten, dass er auch kommt. In Urbino habe ich vor einigen Tagen einen Vortrag gehalten (in dem ich natürlich auch Sie erwähnte 3) über die Definition des ius gentium des hl. Isidor 4 . Besonders versuchte ich die Ursache des letzten Elements: ... conubia inter alienigenes prohibita herausstellen, womit ich bis zu dem überaus fruchtbaren und strahlenden Kern des hl. Paulus vorgedrungen bin: nolite
Die Briefe iugum ducere cum infidelibus!
Das genügt, damit Sie die gesamte Perspek-
tive erraten können, die i c h entwickelt habe. Es ist m ö g l i c h , dass ich diesen Vortrag zusammen m i t anderen Schriften über paulinische Texte veröffentliche. M i t der lebhaften Hoffnung, bald m i t Ihnen sprechen zu können, grüße i c h Sie m i t aller Zuneigung, Ihr stets ergebener Ä l v a r o d'Ors
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Generalidades juridicas determinadas por una concepciön capitalista. Vorgetragen bei der feierlichen Eröffnung des Akademischen Jahres 1955-56 (Universität von Santiago, 1955). 2
Er bezieht sich auf die Spanienreise von Anima, die i m Br. v. 20. 6. 55 angekündigt worden war. 3 In der Tat wird Schmitt in dem Text zitiert in den FN 8 und 24 in Der Nomos der Erde und in Bezug auf das Völkerrecht. 4 Es handelt sich um „En torno a la definiciön isidoriana del ,ius gentium 4 ". Der hl. Isidor von Sevilla (San Isidoro de Sevilla) (ca. 560-636), ab 600 Bischof von Sevilla, verfasste u.a. die berühmte Enzyklopädie des theologischen und profanen Wissens seiner Zeit Etymologiae; vgl. die lateinisch-spanische Edition von Oroz und Marcos, Etimologias. Zum jus gentium bemerkt der hl. Isidor, von Schmitt übersetzt: „Völkerrecht ist Landnahme, Städtebau und Befestigung, Kriege, Gefangenschaft, Unfreiheit, Rückkehr aus der Gefangenschaft, Bündnisse und Friedeschlüsse, Waffenstillstand, Unverletzlichkeit der Gesandten und Eheverbote mit Fremdgeborenen44, Nomos der Erde, S. 15.
40 (Deutsch geschr.) Plettenberg 1. Adventsonntag 1955 M i querido amigo: lieber und verehrter D o n Ä l v a r o ! Zuerst muss i c h Ihnen für ihre Zusendungen herzlichst danken: Ihren Discurso Inaugural v o n 1955/56 m i t seiner freundlichen W i d m u n g , und Ihre Besprechung v o n E. F. B r u c k 1 , i n der Zeitschrift IURA, vol. 6. A n dem Discurso Inaugural hat m i c h besonders der H i n w e i s auf den Wert der
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Kasuistik gefreut; das ist ein altes Anliegen von mir im Kampf gegen einen abstrakten Normativismus, der das Denken unserer Studenten mechanisiert. Das Buch von Bruck scheint hochinteressant zu sein: ich werde es mir beschaffen, um vor allem den Vorgang der deificaciön [Vergöttlichung] näher kennenzulernen. Es ist doch typisch: der verstorbene Caesar wurde (seit Claudius oder wann?) entweder zum Gott erhoben, oder als Verbrecher ausradiert. Schönes Beispiel für die Alternative, in der der Mensch als solcher steht: homo Deus, homo lupus; aber das homo homini homo ist nicht haltbar 2 . Also vielen Dank, vor allem aber auch für Ihren Brief vom 22. November! Meine Tochter Anima bleibt im Winter in Madrid; sie war in Santander, aber während des August, als sie nicht in Santiago waren. Ich hoffe, dass Sie später, im Februar oder März, die Möglichkeit hat, Sie zu besuchen. Oder bleiben Sie den ganzen Winter bis Ostern in Rom? Ihrem Besuch in Deutschland, im September 1956, sehe ich mit großer Freude entgegen; ich will alles tun, damit wir uns bei dieser Gelegenheit wenigstens eine Woche allein oder mit gemeinsamen Freunden in Deutschland sehen können. Aber ich bin doch etwas ungeduldig, weil es bis zum September 1956 noch sehr lang ist. Ich bin alt und einsam und möchte, solange es mir noch möglich ist, mit Ihnen noch vieles besprechen. Herrn Günther Krauss sehe ich wahrscheinlich im Januar 1956. Er ist ein ungewöhnlich scharfsinniger Jurist, aber in der Wahrnehmung seiner persönlichen Interessen und seiner menschlichen Beziehungen sehr unglücklich. Vorige Woche erhielt ich aus Rom einige Publikationen von Vittorio Zangara 3 (derecho publico); kennen Sie ihn vielleicht? Emilio Betti habe ich voriges Jahr in Marburg getroffen; ich kenne ihn von früher. Sonst habe ich in Rom keine Bekannten mehr. Das Wichtigste aber bleibt für mich: dass wir uns bald wiedersehen und sprechen, lieber und verehrter Don Älvaro! Schreiben Sie mir bitte wenigstens mit einer Zeile, wie lange Sie noch in Rom bleiben. Herzliche Wünsche für Ihr Befinden und für einen guten Erfolg Ihrer Arbeit! Stets Ihr alter und getreuer
Carl Schmitt
1 Rez. Bruck, E. F.: „Über römisches Recht im Rahmen der Kulturgeschichte" (1954). 2 3
Das bestätigt die Behauptung von d'Ors im Br. v. 16. 11. 1954.
Schmitt meint den Öffentlichrechtler Vicenzo Zangara; von ihm u.a.: II partito e lo Stato, 1935; La rappresentanza istituzionale, 1939; Le prerogative constituzio-
Die Briefe nali (Rilieve e prospettive), 1972. Schmitt wies auf seine Kontakte zu Zangara hin in: Lanchester, „Un giurista davanti a se stesso. Intervista a Carl Schmitt", S. 11; Caracciolo, „ A San Casciano da Schmitt", S. 11-12; in Deutschland wurde Zangara bekannt durch seinen Aufsatz „Die Krise des modernen Staates und ihre Lösung im faschistischen Staate".
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Santiago, 15/2/56 Lieber und verehrter Freund: Ich finde keine Worte, mit denen ich nach Ihrem freundlichen Brief, den ich in Rom erhielt, mein anhaltendes Schweigen rechtfertigen könnte. Ich verbrachte die Weihnachtstage in Santiago, aber in der letzten Zeit bin ich zu einem „Lehresel" geworden, will sagen, dass ich aufgrund der universitären Bedürfnisse - denn es ist schwierig, fähige Dozenten zu finden - die Vorlesungen von drei Kursen zu halten habe1. Das ist es, was mich davon abhält, meiner Korrespondenz nachzukommen. Damit sie sehen, dass ich Sie nicht ganz vergessen habe, ließ ich Ihnen eine Publikation schicken, aber ... ich bin nicht zu entschuldigen: es bleibt mir nur die Hoffnung auf Ihr Wohlwollen. Und Ihre Tochter Anima? Wird sie diesen Monat nach Spanien kommen, wie Sie ankündigten? Anfang März muss ich bis zur Karwoche nach Rom zurückkehren und es würde mir sehr leid tun, wenn sie während meiner Abwesenheit einträfe. Auf jeden Fall, wenn sie nach Santiago kommen sollte, wird immer jemand da sein, der sich um Sie kümmert, denn Sie wissen ja, dass Sie in Santiago viele Freunde und Bewunderer haben. Übrigens, Dr. Caamano ist in den Genuss eines Stipendiums unseres Instituts in Rom gekommen. Die Gruppe der Ordinarien ist immer noch sehr klein: Legaz, Barcia, Pedret und ein junger Prozessrechtler, der nicht bei uns war, als Sie uns mit Ihrem Besuch beehrten. Wie Sie sehen, stecken wir in einer Krisensituation. Dr. Lois arbeitet noch immer in der logistisch-juristischen Richtung, die Sie kennen. Wer ihn am meisten mit Lob ermutigt, ist Prof. Cossio 2 , mit dem er in einigen Positionen übereinstimmt. Ich trage mich immer noch mit der Hoffnung, nach Deutschland zu kommen, genauer gesagt, nach Freiburg im August/September. Die Idee, Sie in 11 Herrero
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Plettenberg zu besuchen, ist verführerisch. Gern möchte ich auch unseren Freund Günther Krauss sehen, für den wir beide eine lebhafte Sympathie empfinden. Ich wünsche mir, dass seine akademischen Angelegenheiten so schnell wie möglich in Ordnung kommen. Meine Arbeiten sind bei so viel Lehrveranstaltungen ein bißchen liegengeblieben. Besonders bin ich mit der geplanten Edition des Codex Euricianus in Verzug geraten. Das Studium des vulgären römischen Rechts der westgotischen Epoche fesselt mich immer mehr. Andererseits aber hat sich mein Interesse für das bürgerliche Recht in der letzten Zeit wiederbelebt und das aufgrund einer besonderen geistigen Vibration, die mich dazu anregt, die Zukunft Spaniens vorausdeutend darzustellen. Wenn es eine „politische Wahrheit" gibt, dann wurde sie von einer Reihe von Autoren ausgesprochen - und mehr noch vom Volk - die der Tradition treu geblieben sind, nicht dem „ancien regime" der Bourbonen, sondern einer idealisierten Gestaltung der volkstümlichsten Gefühle, die im Urgrund unseres Mittelalters verwurzelt sind. Es geht nur darum, dieses Denken auf eine aktuelle Formel zu bringen, ohne es zu verraten. Das ist ein gigantisches Phänomen, sowohl wegen seiner Dauer als auch wegen seiner Reinheit und Unnachgiebigkeit, das im Ausland nicht recht verstanden worden ist. Dass Donoso Cortes, mitten im Kampf nicht fähig war, sich diese Wahrheit zu eigen zu machen, das gibt - Sie erinnern sich vielleicht, dass ich Ihnen das bereits dargelegt hatte - Anlass für einen unwiderruflichen Vorwurf. Donoso war inkonsequent. Die zentralistische Staatsorganisation scheint mir immer monströser und sündhafter zu sein. Verzeihen Sie mir, wenn ich mit aller Offenheit rede, wenngleich das nicht in die Linie des ius publicum Europaeum passt. Die Existenz der politischen Organisation selbst dient dem Krieg, aber wenn der Krieg auf universeller Ebene ansteht, ist es unnütz, kleine „starke nationale Heere" aufzustellen. Sie verstehen, wie diese Problematik sich für Spanien darstellt. Die Auflösung hingegen stärkt die natürlichen Wurzeln der Familie und die örtlichen und religiösen Institutionen, indem sie den Menschen an seine Heimat und seine Tradition fesselt, bildet sie die beste Verteidigung gegen Eindringlinge. Der Fall Katalonien gegenüber Napoleon ist höchst bedeutsam. Der Kaiser bemächtigte sich, nachdem der heldenhafte Widerstand der Bauern - Gerona! - gebrochen war, der Gegend und versuchte den Code Civil einzusetzen, aber die gewaltigen Kräfte der Heimat traten als Reaktion hervor und ... besiegten Napoleon. Historische Betrachtungen dieser Art lassen mich vermuten, dass manchmal die Schwäche eine bessere Verteidigung ist als die Stärke, immer dann wenn diese Schwäche innerlich gestärkt ist von der Kraft einer Religion und einer tiefen Moral. Was nützen übrigens die Heere ohne sie? Die Bildung von großen Parteien ist unheilvoll für das Leben der Völker. Das beste Gegenmittel ist die regionale Zersplitterung, die durch die Schaf-
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fung kleiner regionaler Konflikte die Bildung großer Blöcke für den Klassenkampf verhindert. Die Einheit ruht fast allein auf dem König - einem nicht parlamentarischen König - aber ein König mit wenig Macht, ein Friedensstifter, aber kein absoluter Gesetzgeber seiner Untertanen. Wenn Sie die Macht vernichten, eliminieren sie auch den Machtkampf. Die große Sünde steckt in dem Mythos der „nationalen Souveränität" 3 . Wenn doch der große Theoretiker des ius publicum, der C. S. ist, alle diese schlechten Freundschaften, wie die Häretiker Grotius, Bodin, Hobbes und Genossen zum Teufel jagen würde, um dann mit seiner mächtigen Intelligenz diese Wahrheit auszuleuchten, die in Spanien eine politische Tradition gegen den hartnäckigen Liberalismus, gegen jegliche Revolution verteidigt hat mit einer Energie und einer Treue, die übermenschlich zu sein scheinen. An dem Tag, an dem C. S. diese Wahrheit entdeckt, wird der arme Donoso wie ein „inkonsequenter Liberaler" dastehen. Vielleicht regt Sie dies alles dazu an, bald nach Spanien zu kommen, um von Angesicht zu Angesicht zu sehen, wie sich die Problematik für uns darstellt. In Erwartung Ihrer Antwort bitte ich Sie um Entschuldigung wegen meiner Verspätung und meinen Ausschweifungen gegen die „schlechten Freunde" und umarme Sie herzlich Älvaro d'Ors
1 Er lehrte damals Römisches Recht, Geschichte des Rechts im ersten Jahr und Geschichte des Privatrechts im vierten Jahr des Jurastudiums. Es war diese letztere Lehrveranstaltung, die sein Interesse am Recht der Westgoten entfachte und dem er einen großen Teil seiner Arbeit widmete. Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Vorlesung über Bürgerliches Recht bereits aufgegeben, die er fünf Jahre lang gehalten hatte und die ihm später nach eigenem Bekenntnis für seine späteren Arbeiten über das Foralrecht in Navarra große Dienste leistete. 2 Bezieht sich auf den argentinischen Rechtsphilosophen Carlo Cossio (geb. 1903), der eine neue juristische Schule mit dem Namen „teoria egolögica del derecho" [etwa: egologische Rechtstheorie] begründete und in heftige Polemiken mit Hans Kelsen geriet; vgl. Cossio: El concepto puro de revolution, 1936; La Teoria Egolögica del Derecho y el concepto juridico de libertad, 1944; „Teoria Egolögica y Teoria Pura (Balance Provisional de la visita de Kelsen a la Argentina)"; dazu gibt es eine Antwort Kelsens u.d.T. „Reine Rechtslehre und Egologische Theorie". Cossio kritisierte Kelsen noch einmal in: „Die anti-egologische Polemik", worauf aber Kelsen nicht mehr antwortete. Über Cossio-Schmitt-Kelsen: Dotti, Carl Schmitt en Argentina, S. 323-328. 3
Die Überlegungen, die d'Ors in diesem Brief anstellt sind innerhalb des Foralismus besser zu verstehen, den er im Jahre 1976 darlegte und unter dem Titel „Autonomia de las personas y senorio del territorio" veröffentlichte. Dort erkennt er das forale Prinzip als traditionelle Entdeckung Spaniens an, das dem der Moraldoktrin der katholischen Kirche gleichkommt und das diese als Prinzip der Subsidiarität
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definiert hat. Der „Fuero" entspricht der autonomen Rechtsprechung einer Menschengruppe, die in einer übergeordneten politischen Einheit vollkommen integriert bleibt. Gerade weil diese Autonomie im Privatrecht eine Auswirkung im öffentlichen Recht hat, bietet dieser Regionalismus eine Option zur Staatsorganisation und sogar eine Verteidigung gegenüber dem möglichen Risiko einer Unterdrückung von Seiten des Staates; wenngleich, wie der Autor nuanciert, eine Entsprechung zwischen der Idee des Sonderrechts und der Idee des Staates fehlt. Die erste entsteht im Mittelalter und die zweite ist die Reaktion auf die Religionskriege. Die außer den bereits zitierten von d'Ors geschriebenen Artikel über den Foralismus sind: „De la prudentia iuris a la jurisprudencia del Tribunal supremo y al Derecho foral"; „Crisis del nacionalismo y regionalismo funcional"; Derecho foral de Navarra, derecho Privado; „ E l regionalismo jurfdico"; „Los derechos civiles regionales de la Espana moderna"; und „Autarqufa y Autonomfa".
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Santiago, 21/8/56 Lieber und verehrter Freund: Seit einiger Zeit trage ich mich mit der Absicht, eine Reise nach Deutschland zu machen und auch mit dem großen Wunsch Sie zu sehen. Ich wollte Ihnen die Nachricht nicht mitteilen, bevor das Projekt nicht wahrscheinlicher geworden war. Jetzt kann ich sagen, dass ich, so Gott will, am 13. 9. in Frankfurt landen werde. A m 17. muss ich in Freiburg i.Br. sein, aber ich werde vorzeitig anreisen, um nach Plettenberg kommen zu können oder an den Ort, an dem Sie sich zu diesem Zeitpunkt befinden, wenn er nicht allzu weit von meiner Reiseroute entfernt liegt (Frankfurt Heidelberg - Karlsruhe [wo ich Dr. Krauss sehen möchte] - Freiburg). Ich bitte Sie also, mir mitzuteilen, wo Sie sich vom 13. bis 16. September aufhalten. Auf der Reise begleitet mich - und ich möchte ihn wegen seiner freundschaftlichen Begleitung nicht alleine lassen - Prof. Alfonso Otero 1 , Ordinarius für Rechtsgeschichte in Santiago, der zum selben Kongress fährt, der in Freiburg 2 veranstaltet wird; es handelt sich um einen jungen und sehr intelligenten Mann, der aber vom gesprochenen Deutsch so wenig versteht wie ich oder noch weniger; Otero kommt mit dem heftigen Wunsch, Deutschland kennenzulernen.
Die Briefe I c h habe nichts mehr v o n Ihrer Tochter A n i m a erfahren, auch nicht, ob Sie nach Spanien zurückgekehrt ist. I c h hätte m i c h i m Rahmen meiner M ö g l i c h k e i t e n gerne u m sie gekümmert. W i e Sie vielleicht wissen, ist Javier Conde als Botschafter nach M a n i l a entsandt worden. Das Instituto de Estudios Politicos steht jetzt unter d e m Einfluss von M a n u e l Fraga Iribarne 3 , auch wenn er nur der „ z w e i t e D i r e k t o r " ist. M i t der Hoffnung, Sie bald wiedersehen zu können und m i t den besten Wünschen für Ihre Gesundheit grüßt Sie sehr herzlich Ä l v a r o d'Ors
1
Alfonso Otero Varela (1925-2001). Zu dieser Zeit war er ein junger Professor. Er wurde Ordinarius für Rechtsgeschichte an der Universität von Santiago und verbrachte sein gesamtes Berufsleben an dieser Universität. 2 3
11. Deutscher Rechtshistorikertag.
Manuel Fraga Iribarne (geb. 1922) begann sein Jurastudium 1939 in Santiago. Dort lernte ihn d'Ors kennen, denn er unterrichtete in dieser Epoche, von seinem Staatsexamen 1939 an, in Madrid. Sie trafen erst später zusammen, vom akademischen Jahr 1940-41 an, als Fraga sein Studium in Madrid fortsetzte. Ab 1948 Prof. für Derecho Politico (zuerst in Valencia); 1961 wurde Direktor des Instituto de Estudios Politicos und gab die Revista de Estudios Politicos heraus; am 21. 3. 1962 hielt er die Eröffnungsrede „Carl Schmitt, el hombre y la obra" zu dessen Vortrag „El orden del mundo despues de la segunda guerra mundial"; er beauftragte d'Ors mit der Redaktion der „Colecciön de Cläsicos Politicos" des Institutes. 1962-1969 Minister für Information und Tourismus, 1973-1975 Botschafter in London; als Chef der konservativen Alianza Popular unterlag er 1982 in den Wahlen Felipe Gonzalez; heute (2003) ist er Präsident von Galicien; er vertritt inzwischen eine Demokratie. Fraga schrieb über Schmitt: Rez. zum Nomos der Erde; „Carl Schmitt en interpretation espanola"; vgl. auch u.a.: La crisis del Estado, 1955; El nuevo Anti-Maquiavelo, 1962 (dazu CS, Der Begriff des Politischen, Ausg. 1963, S. 123); vgl. Br. v. 20. 2. 1976.
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Plettenberg (Westfalen) 28/8 56 Mein lieber Freund: Ich danke ihnen sehr für Ihren Brief vom 21.8. und freue mich sehr, Sie so bald in Deutschland zu sehen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir uns vom 13.-15. September in Heidelberg treffen. Es scheint mir am günstigsten zu sein, wenn Sie und Ihr Freund unmittelbar von Frankfurt nach Heidelberg fahren. Es gibt viele Verbindungen von Frankfurt nach Heidelberg; im Zug dauert die Reise ungefähr eineinhalb Stunden. Außerdem liegt Heidelberg direkt an der Strecke nach Freiburg. Daher ist es günstiger, dass wir uns dort treffen und nicht in Plettenberg, das zu weit entfernt ist und eine lästige Reise bedeuten würde. In Heidelberg lasse ich Zimmer für Sie und Ihren Freund im „Holländer H o f ' reservieren, in der Nähe der alten Brücke, ein sehr romantischer Platz, eine Brücke, auf die sich ein berühmtes Gedicht Hölderlins bezieht 1 . Ich bitte Sie, mir das genaue Datum so schnell wie möglich mitzuteilen, damit ich rechtzeitig Zimmer reservieren kann. Ich würde lieber mit Ihnen und Ihrem Freund allein sein und die Unterredung mit Günther Krauss auf einen anderen Zeitpunkt verschieben. In Heidelberg werden wir auch meine Tochter Anima sehen, die dort studiert. Ich finde keine Worte, um meine Freude über ein Wiedersehn mit Ihnen auszudrücken und grüße Sie herzlich Ihr 1
Carl Schmitt
Gemeint ist die Sommer 1800 entstandene Ode „Heidelberg", in der er u.a. heißt: „Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt, Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt, Leicht und kräftig die Brücke, Die von Wagen und Menschen tönt. Wie von Göttern gesandt, fesselt ein Zauber einst Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging, Und herein in die Berge M i r die reizende Ferne schien".
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Biblioteca de la Facultad de Derecho Universidad de Santiago Compostela 2/9/56 Lieber und geschätzer Freund: Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für Ihr Entgegenkommen danken soll, nach Heidelberg kommen zu wollen! Das vereinfacht unsere Reise sehr, denn es erspart uns den Umweg über Plettenberg oder Köln. Deo volente kommen wir am 13. mit einem Flugzeug von „Iberia" in Frankfurt an und werden am selben Nachmittag nach Heidelberg Weiterreisen (wenn es eine Zug Verbindung gibt, wie ich annehme). Dort werden wir voraussichtlich bis zum 16. morgens bleiben. A m 16. habe ich ein Treffen mit unserem Freund G. Krauss in Karlsruhe verabredet, obgleich ich nicht weiß, ob er nicht vielleicht Lust hat, nach Heidelberg zu kommen, wenn er weiß, dass Sie dort sind und in diesem Falle, würden wir bis zum 17. in Heidelberg bleiben, der Tag an dem der Kongress in Freiburg i. Br. beginnt (11. Deutscher Rechtshistorikertag). Die Kombination könnte nicht bequemer sein! Mein Schüler und Assistent in Santiago, Dr. Pablo Fuenteseca1 hält sich seit einigen Jahren mit einem Humboldt-Stipendium in Heidelberg auf; er erwartet unsere Ankunft und kehrt mit uns nach Spanien zurück. Seine Anschrift ist: Obere Neckarstraße 5; mir scheint, sie liegt in der Nähe der Alten Brücke. Ich werde ihm heute schreiben, um ihm mitzuteilen, dass Sie im Holländer Hof Zimmer für uns reserviert haben. Ich bitte ihn auch, mir die beste Zugverbindung von Frankfurt nach Heidelberg mitzuteilen. Er wird uns dort abholen. Sie können sich also an Dr. Fuenteseca wenden, um die letzten Einzelheiten zu klären. Ich freue mich sehr, bald meinen lieben Prof. Schmitt wiedersehen zu können! Und auch Ihre Tochter Anima kennenzulernen 2 Es umarmt Sie herzlich
Älvaro d'Ors
1 Pablo Fuenteseca (geb. 1922), war damals Assistent für Römisches Recht; der erste, den d'Ors hatte. 1956 erhielt er den Lehrstuhl für Römisches Recht an der Universität La Laguna, später ging er an die Universität von Salamanca und schließlich an die Complutense von Madrid; vgl. von ihm u.a.: Investigaciones de Derecho Procesal Romano, 1969; Derecho Privado Romano, 1978.
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2 Die Reise und das Treffen in Heidelberg fanden wirklich statt. Älvaro d'Ors erinnert sich, dass Anima damals ein junges, intelligentes Mädchen war von einem außergewöhnlich liebenswürdigen Umgang. In diesen Tagen, während er und Schmitt sich unterhielten, schmiedeten „die Jungen", wie er sie in einer Unterhaltung schilderte, die sie begleiteten: Otero, Fuenteseca, Anima und eine Freundin [vermutlich Ulla Held] eine Freundschaft. Tatsächlich entstand aus diesem Treffen die Verbindung zwischen Alfonso Otero und Anima, die ein Jahr darauf heirateten.
45 (Deutsch geschr.)
Plettenberg (Westfalen) 6. Oktober 1956 M i muy querido amigo: lieber und verehrter Don Älvaro, ich denke immer noch mit großer Freude an unsere Begegnung in Heidelberg und bin Ihnen und der Vorsehung von Herzen für die schönen Tage dankbar, die wir in Heidelberg und Speyer 1 zusammen verbracht haben. Diese Tage werden mir in allen Einzelheiten unvergesslich bleiben. Sagen Sie bitte auch Don Alfonso meine herzlichen Grüße! Ich danke Ihnen für Ihre beiden schönen Ansichtskarten aus Freiburg. Aber ich hätte gern etwas mehr über den Verlauf des Kongresses und Ihres Vortrags 2 gehört. Wenn Sie Zeit haben, müssen Sie mir ein paar Zeilen darüber schreiben. Ich reise in einigen Tagen nach München und Oberbayern. Der bekannte Jesuit P. Przywara 3 ist schwer krank und möchte mich noch einmal sehen. Don Jose Caamano schrieb mir, dass er am 30. September von München nach Rom zurückgereist ist, sodass ich ihn leider nicht mehr sprechen kann. Ich bedaure das besonders, weil jetzt ein neues Buch „Norm und Ausnahme, eine Studie zur Staatslehre von Carl Schmitt" 4 erschienen ist, das neben Caamanos „El pensamiento jurfdico-politico de Carl Schmitt" zum Vergleich sehr interessant ist. Der Verfasser, ein Schweizer aus Zürich, Peter Schneider, ist daraufhin Ordinarius für Öffentlichen Recht in Mainz geworden. Machen Sie mir die große Freude, lieber Don Älvaro, und schreiben Sie mir bald! Ich bleibe in treuer Erinnerung dankerfüllten Herzens immer Ihr alter
Carl Schmitt
Die Briefe
1
D'Ors erinnert sich, dass sie nach Speyer fuhren, um Roman Schnur (19271996) zu besuchen. Schnur studierte Jura und promovierte bei Karl Siegfried Bader 1955. 1955 mit Der Rheinbund von 1658 in der deutschen Verfassungsgeschichte, begann er in der Verwaltung des Landes Rheinland-Pfalz zu arbeiten und wurde zur gleichen Zeit, ab 1956, Assistent von Carl Hermann Ule an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer. 1961 habilitierte er sich bei E. Forsthoff; von 1972 bis zu seiner Emeritierung 1993 war er Prof. für öffentliches Recht an der Universität Tübingen; er war Mitbegründer der Zeitschriften Der Staat und Die Verwaltung, beide bei Duncker & Humblot. Über sein Werk und seine Beziehung zu Schmitt vgl. v. Laak, Gespräche, S. 281-288; vgl. auch die von R. Morsey, H. Quaritsch und H. Siedentopf hrsg. Gedächtnisschrift Staat, Politik und Verwaltung in Europa, 1997; vgl. von ihm bes.: Die französischen Juristen im Konfessionellen Bürgerkrieg des 16. Jahrhunderts, 1962; Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, 1964; Individualismus und Absolutismus: zur politischen Theorie vor Thomas Hobbes (1600-1640), 1963. Er kam auch zu dem im Brief von Günther Krauss erwähnten Treffen. 2
Der Titel des Vortrags war: „Creditum stammte von H.-J. Wolff.
und Contractus ";
die Übersetzung
3
Erich Przywara (1889-1972). Jesuit; einer der bekanntesten katholischen deutschen Theologen der Weimarer Zeit; mit Schmitt befreundet. Er wurde durch die Publikation zahlreicher Artikel in der Zeitschrift der Jesuiten, Stimmen der Zeit, berühmt. Er anerkannte auf positive Weise Schmitts politische Theologie in seinem Buch Humanitas, S. 591-594; in der Tat, blieb er immer - auch nach dem Zweiten Weltkrieg - an der Seite Schmitts und verbreitete seine Thesen. Schmitt empfand ein großes Vertrauen ihm gegenüber. Im Nachlass, RW 265-93/Mt 6 kann man eine Reflexion Schmitts finden, die im Februar 1946 an P. Erich Przywara gerichtet war; als eine Art Bericht über sein „intellektuelles Leben", die Art und Weise seines Existenz Vollzugs. A m Ende wurde er nicht abgeschickt, er zeugt aber von dem Respekt und dem Vertrauen, die dieser Priester bei Schmitt genoss. In einem Brief Schmitts an den Pater v. 10. 10. 1959 heißt es u.a. „Vor 15 Jahren erschien mir in der Verlassenheit des Camp Ihr Bild wie das eines tröstlichen Engels (...) Nach dem Brief aus dem Camp [der nie abgeschickt wurde] sozusagen der Versuch einer zweiten Botschaft an Sie, hochverehrter, hochwürdiger Herr Pater Przywara". Vgl. Meier, Die Lehre Carl Schmitts, S. 222. Dieser Brief beweist wohl, dass der rätselhafte „Heilige aus dem Osten" in Schmitts „Gesang des Sechzigjährigen" Przywara gewesen sein muss; vgl. Br. v. 28. 1. 1951. Über das Verhältnis zwischen Schmitt und Przywara vgl. Dahlheimer, Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus, S. 559-565. 4 Genau: Ausnahmezustand und Norm. Eine Studie zur Rechtslehre von Carl Schmitt.
170
Die Briefe
46 (Spanisch geschr.)
Santiago 10/10/56 Verehrter und lieber Freund: Mit großer „saudade" denke ich an unsere Tage in Heidelberg zurück und noch schwingen in meiner Erinnerung die Bilder des Gedichtes von Hölderlin, das wir an der Alten Brücke gelesen haben. Ich muss wiederkommen! Es hat mich auch sehr gefreut, Ihre Tochter kennenzulernen und ich hoffe, dass es nicht lange dauert, bis wir uns wiedersehen, entweder hier oder in Deutschland. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, dafür dass Sie nach Heidelberg gekommen sind! Ich habe erfahren, dass Sie mit Pater Przywara in Verbindung stehen, eine interessante Figur, die vielleicht eine meiner Positionen in „De la Guerra y de la Paz" hart kritisieren würde. Ich bedaure, dass er so krank ist. Unser Freund Alfonso Otero (dieser Tage in Madrid) war von Deutschland begeistert und möchte im nächsten Sommer wiederkehren. Ich soll Sie von Ihm grüßen. In ihm haben Sie einen weiteren Freund in Santiago gefunden. Ich war besorgt wegen Ihrer Gefühle in Bezug auf die Kommunion ausschließlich in der Gestalt des heiligen eucharistischen Brotes 1 und es interessierte mich, wie die Problematik in Trient dargelegt worden ist. Ich empfehle Ihnen, den 5. Band des Concilium Tridentinum der Görresgesellschaft (Freiburg, 1919) auf der Seite 700 und den voraufgehenden zu konsultieren. In der Diskussion wird klar, dass die Kommunion in beiden Gestalten in der Urkirche nicht einheitlich war und natürlich stützt sie sich nicht auf göttliches Recht. Ich glaube, dass sie beruhigt sein werden, wenn sie die Seiten der 20. Sitzung gelesen haben*. Sie fragen mich nach dem Kongress in Freiburg. Er war sehr gut und mein Vortrag war besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich revidiere jetzt auf Einladung von Prof. Kunkel 2 den Text für die Veröffentlichung in der „Zeitschrift der Savigny-Stiftung". Freilich war die Zuhörerschaft klein, denn gleizeitig tagten die Germanisten in einer besonderen Sitzung. Ich war sehr zufrieden mit Freiburg und ich muss Ihnen für Ihre wertvollen Ratschläge zur Lesung des deutschen Textes danken. Man sprach davon, dass ich zum nächsten „Tag" (München 1958) zurückkehren solle. Es wäre eine gute Gelegenheit, uns wiederzusehen, lieber Prof. Schmitt. Ich denke mit lebhafter Sympathie an Sie zurück
Älvaro d'Ors
Die Briefe * I n den orientalischen Kirchen, die ausnahmsweise die K o m m u n i o n i n beiden Gestalten bewahren, kommunizieren die Kranken
auch i n einer Gestalt,
denn die V o l l g ü l t i g k e i t des Brotes w i r d anerkannt; „unser täglich B r o t " !
1
Diese Passage bezieht sich auf eines der Gesprächsthemen bei dem Treffen in Heidelberg. D'Ors erinnert sich, dass es Schmitt schmerzte, nur unter der Gestalt des Brotes kommunizieren zu können. Diese Einschränkung empfand er als einen Irrtum der Kirche. Der Entzug der Blutkommunion für die Laien wurde auf dem 2. Vatikanischen Konzil abgeschafft. Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie v. 22. 11. 1963, II, Art. 55 sowie Dekret über das Apostolat der Laien v. 18. 11. 1965, II, Art. 7. 2 Wolfgang Kunkel (1902-1981), 1956 Prof. in München für Römisches Recht, gab nach dem Zweiten Weltkrieg die Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte-Romanistische Abteilung heraus; d'Ors pflegte seine Schüler zu ihm zum Studium nach Deutschland zu schicken. Kunkel schrieb u.a. Römische Rechtsgeschichte, 1948; sowie Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 1952.
47 (Deutsch geschr.) Neujahrsgruß 1957 1 links:
rechts:
jetzt ist die Zeit gekommen die alles Unrecht heilt es w i r d nicht mehr genommen es w i r d nur noch geteilt
w i e ist m e i n Herz b e k l o m m e n w i e sind w i r eingekeilt es w i r d nicht mehr genommen es w i r d nur noch geteilt
Für meinen lieben Freund Ä l v a r o m i t meinen besten Wünschen für das Neue Jahr, i n dem i c h Sie wiederzusehen hoffe. Carl Schmitt 29. 12. 56
1 Dieser Neujahrsgruß befindet sich nicht in der Briefsammlung des Nachlasses, sondern ist mir von Älvaro d'Ors ausgehändigt worden. Es scheint, dass Schmitt seine Freunde mit diesem Gedicht beglückwünschte, denn man findet es auch in der Korrespondenz mit Möhler, S. 231 und im Briefwechsel mit Ernst Jünger, S. 316. Es wurde in der Zeitschrift „Civis" als „Neujahrsgruß 1957: Lied eines Neutralisten" publiziert. Danach erschien es wieder in Altmann/Gross, Die neue Gesellschaft, S. 68. (Vgl. v. Laak, Gespräche in der Sicherheit, S. 196.)
172
Die Briefe
48 (Spanisch geschr.)
Antwort auf den „Neujahrsgruß 57" 1 Gib auf, oh Meister, die einfältige Hoffnung eines Tages die gerechte Teilung des Erbes in Metallen und Entgelt zu sehen, die alte Unterschlagungen verabscheuungswürdig machen. Es wird nicht teilen wollen der, dem alles gefällt, noch ist jede Teilung stets gerecht. Sei hingegen froh in Deinem misshandelten Herzen, das vom östlichen Zweifel tieftraurig ist. Und sei gewiss dass Dein Herz auch nur im Brot den ungeteilten Christus empfangen kann. Denn im Abendland ist's wohlanständiges Gesetz Wein zu reichen dem, der seine Frau verlor. 1
Diese Antwort auf den „Neujahrsgruß 57" entnehmen wir der Kladde, die d'Ors zusammen mit dem Glückwunsch Schmitts aufbewahrt. Auch sie ist nicht in die Sammlung des Nachlasses aufgenommen. Auf der Rückseite der Kladde schrieb später d'Ors folgende Anmerkung in Bezug auf den Neujahrsgruß Schmitts: „C. S. war bei Erhalt dieses Diptychons von zwei Gefühlen beherrscht: vom Zwang zum Verzicht auf das Blut Christi bei der Kommunion und von dem Gedanken an seine Tochter Anima und ihre bevorstehende Ehe mit Prof. Alfonso Otero". Gerade aus dieser Überzeugung heraus schrieb d'Ors die hier aufgeführten Verse.
Die Briefe
49 (Deutsch geschr.)
Plettenberg/Westfalen 9/4 57 M i querido amigo don Älvaro, Le escribo a Ud. en gran emociön de la que Ud. sabrä el motivo 1 . Meine Tochter Anima hat mir von ihrem Aufenthalt in Santiago berichtet und von der überaus gastfreundlichen Aufnahme, die sie bei Ihnen und ihrer verehrten Frau gefunden hat. Don Alfonso hat mir geschrieben, dass er im August nach Plettenberg kommen werde, um meine Zustimmung zur Verlobung mit Anima zu erbitten. Wie sehr das alles mich bewegt, lieber Don Alvaro, können sie sich wohl denken. Es ist für mich eine große Beruhigung, dass Sie in Santiago sind und während des Aufenthaltes meiner Tochter als guter Schutzgeist sich ihrer angenommen haben. Mit großer Rührung las ich die Widmung, die Sie ihr in das Buch geschrieben haben, in welcher Sie an die Freundschaft zwischen den Vätern erinnerten. Seit dem Jahre 1929 bin ich mit Ihrem Vater Don Eugenio befreundet; wir haben uns im Oktober dieses Jahres, nach meinem Vortrag über die Stufen der Neutralisierung 2 kennengelernt, es war, was man im Deutschen nennt: gegenseitige Liebe auf den ersten Blick. Jetzt, 1957, ergibt sich die Situation, dass Sie der gute Geist meiner Tochter werden. Ich habe den innigsten Wunsch, Sie bald zu sehen und wollte Sie fragen, ob Sie nicht einige Wochen als mein Gast nach Deutschland kommen können, damit wir in Ruhe miteinander sprechen, auch über die andern Themen, die sich im letzten Jahre zwischen uns erhoben und die sich nicht gut brieflich erschöpfen lassen. Ich bin Ihnen ja noch eine Antwort auf Ihr schönes Gedicht (Contestaciön al „Neujahrsgruß '57") schuldig, das ich wohl verstanden und beherzigt habe. En Occidente es ley muy decorosa el dar el Vino a quien perdiö la esposa3 M i querido amigo, le ruego encarecidamente a Ud que me escriba francamente y por extenso. Le recuerdo siempre con amistad fiel y viva simpatia 4 , Carl Schmitt
1
Ich schreibe Ihnen in großer Erregung, deren Ursache Ihnen bekannt sein dürfe.
2
Vgl. Br. v. 17. 12. 48.
3
Denn im Abendland ist's wohlanständiges Gesetz Wein zu reichen dem, der seine Frau verlor.
174
Die Briefe
4 Mein lieber Freund, ich bitte Sie eindringlich, mir offen und ausführlich zu schreiben. Ich erinnere mich Ihrer stets in treuer Freundschaft und lebhafter Sympathie.
50 (Deutsch geschr.)
Plettenberg 18/IV/57 Jueves Santo M i querido amigo: lieber und verehrter Don Älvaro! In der Liturgie des Jueves Santo [Gründonnerstag] begegne ich - in dem Hymnus, der nach der Weihe des Chrisma bei der Prozession gesungen wird - dem Vers 1: jura contra daemonum Das hat mich an unsere gemeinsame juristische Arbeit erinnert. Ich habe jetzt viele Aufsätze von Ihnen: die Sammlung „De la Guerra y de la Paz", auf deren Widmung ich stolz bin, zahlreiche Aufsätze, die ich mir zu einem schönen Band „Älvaro d'Ors" habe einbinden lassen, und zuletzt Ihre Abhandlung „En torno a la definiciön isidoriana del Ius Gentium 2 "; die ich mit Anteilnahme gelesen habe. In „De la Guerra y de la Paz" hatten Sie das „Nolite iugum ducere cum infidelibus" schon genannt (in den Apostillas Vitorianas). Dass San Isidoro der eigentliche Begründer des ius inter gentes ist, haben Sie, glaube ich, in überzeugender Weise gezeigt. Das „conubium" ist der große Prüfstein. Es ist nicht zu verwundern, dass ich das alles heute mit großer „participatio" - und in Gedanken an meine Tochter, mein einziges Kind - auch nicht ohne Sorge lese. Ich habe schon einmal wegen des Buches von Peter Schneider „Ausnahmezustand und Norm, Studie zur Rechtslehre von Carl Schmitt" gefragt. Soll ich Ihnen das Buch schicken? Manches interessiert Sie doch wohl. Die zentrale (theologische) Frage: ist die Welt heute normal oder in einem Ausnahme- (d.h. Sünden-) Zustand hat der völlig neutrale und neutralisierende Schweizer Autor nicht behandelt. Das Buch beschäftigt mich mehr als Symbol und Symptom einer Situation (Situation der europäischen Rechtswissen-
Die Briefe
schaft, politisch-moralische Situation des heutigen Europa, schließlich auch meine eigene Situation in dieser Welt, in der ich nur noch wenige Zeit zur Verfügung habe) und weniger wegen seines gedanklichen, eigenen Inhaltes. Es wäre aber sehr wichtig, wie es in Spanien aufgenommen wird und dass hier nicht etwa - z.B. durch den Dilettantismus von Leuten wie Prof. von der Heydte 3 oder die Bosheit von Leuten wie Staatssekretär Hallstein 4 und derjenigen, die ihn dirigieren - in Spanien ein Unglück geschieht. In den „Cuadernos del Instituto Jurfdico Espanol en Roma" ist ein Heft 2 erschienen mit mehreren Aufsätzen, die mich besonderes interessieren. Könnten Sie mir ein Exemplar dazu besorgen? Diese Karwoche und dieses Osterfest ist für mich ein Anlass, viel an Sie und unsere Freundschaft zu denken. Ich erwarte meine Tochter Anima in der Woche nach Ostern und hoffe, dass sie mir viel von Ihnen erzählt. Inzwischen bleibe ich, lieber und verehrter Don Älvaro, mit vielen Grüßen und Wünschen für Sie und ihre Familie stets Ihr alter und getreuer
Carl Schmitt
1
Vgl. den Br. v. Gründonnerstag 1950.
2
Vgl. den Br. v. 22. 11. 1955.
3
Vgl. den Br. v. 28. 10. 1949.
4
Walter Hallstein (1901-1982), Staatssekretär des Außenministeriums der Bundesrepublik Deutschland; später der erste Präsident der Europäischen Kommission.
[Diesem Brief war die folgende Synopsis des Vortrags beigefügt, den er am 8. März 1957 im Collegium Philosophicum 1 von Münster/Westf. gehalten hatte.] Übersicht über das konkrete Problem des heutigen Nomos der Erde. Heutiger Nomos der Erde ist der Art. 4 der Truman-Doktrin vom 20. Januar 1949: Einteilung der Erde in industriell-entwickelte und unentwickelte Gebiete (undeveloped areas). Erster Fragenbereich: Einheit (One World) d.h. ein Entwickler; oder Zweiheit (Dualismus von Ost und West als vorläufiger Dauerzustand der Ko-Existenz von zwei Entwicklern); oder Vielheit
(mehrere Entwicklungsräume mit einem Gleichgewicht der neuen Großräume).
176
Die Briefe
Zweiter Fragenbereich unter dem Aspekt der Elemente: Osten:
Land/terran - Haus/Oikos - soziomorph
Westen:
Meer/maritim - Schiff/entfesselte Technik technomorph; Möglichkeit neuer Elemente als Umwelt des Menschen (Luft und Feuer; Sinn der Phantasien vom Aufbruch in den Kosmos; vgl. Festgabe für Ernst Jünger 1955 bei V. Klostermann in Frankfurt/Main). Dritter Fragenbereich: Das auf Europa lastende Odium des Kolonialismus 1) Universalität dieses Odiums: Antikolonialismus in USA und UdSSR, in Asien und Afrika und Europa selbst; 2) Europäische Herkunft dieses Odiums a) antispanische Propaganda des 16./17. Jahrhunderts (leyenda negra); b) humanitäre Aufklärung des 18. Jahrhunderts c) egalitäre Menschenrechte des 19. und 20. Jahrhunderts; d) Ergebnis: Europa als Welt-Aggressor (Toynbee); 3) Das Odium des Kolonialismus ist das Odium des Nehmens: es stammt aus einer tiefen Wandlung sozial- und wirtschaftsethischer Begriffe. Dieser letzte Punkt 3 ist das Thema meines heutigen Vortrages. Collegium Philosophicum Münster/Westf., den 9. März 1957 Carl Schmitt
Meinem lieben Freunde Älvaro d'Ors als Ostergruß von
1
Carl Schmitt 18.4.57
Das „Collegium Philosophicum" war ein um Joachim Ritter (1903-) gebildetes Seminar, das zum ersten Mal i m Akademischen Jahr 1947/1948 zusammentrat. Schmitt kam im Jahre 1957 zum ersten Mal in diesen Kreis. Ritter hatte ihn für ein kleines Symposium eingeladen, mit dem er das zehnjährige Bestehen des Seminars feiern wollte. Bei dieser Gelegenheit waren zusammen mit Schmitt auch Johannes Winckelmann (1900-1985) und Odo Marquard (geb. 1928) Referenten. Die in diesem philosophischen Kreis versammelten Intellektuellen hatten dieselben Interessen, vertraten aber sehr verschiedene Orientierungen: ihnen ging es um eine Erneuerung der praktischen Philosophie. Zu dem Kreis zählten u.a.: H. Lübbe, G. Rohrmoser, R. Vierhaus, J. Seifert, R. Spaemann. Auf Initiativen dieses Kreises gehen zwei bedeutende lexikalische Werke zurück: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. unter Mitwirkung von mehr als 1200 Fachgelehrten aus aller Welt von Karlfried Gründer, Joachim Ritter u. Gottfried Gabriel, Basel: Schwabe-Verlag 1971 ff.; sowie Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. v. Otto Bruner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck, Stuttgart: Klett-Cotta, 8. Bde. 1972-1997. Vgl. zu diesem Kreis und seine Beziehung zu Schmitt: v. Laak, Gespräche des Schweigens, 5. Kapitel, ,Uni-
Die Briefe versität', S. 179-298; s. auch die Richtigstellungen die J. Seifert bezüglich v. Laak in „Unterwegs zur Ebene über dem Gegensatz", S. 109-151 liefert.
51 (Spanisch geschr.)
Consejo Superior de Investigaciones Cientificas Instituto Juridico Espanol en Roma El Director Via di Villa Albani, 16 24/6/57 Verehrter und lieber Don Carlos: Mein letzter Aufenthalt in Santiago war (abgesehen von den Examen) völlig in Beschlag genommen von der Notwendigkeit, eine Arbeit mit festem Abgabetermin fertigzustellen. Das war der Grund, warum ich die Korrespondenz vernachlässigt habe und Ihren Brief vom Gründonnerstag unbeantwortet ließ. Ich bitte Sie meine Nachlässigkeit zu entschuldigen. Ich bin wegen meiner Verpflichtungen als Direktor des Instituto Juridico nach Rom gekommen, kehre aber bald wieder nach Santiago zurück. A m 3. 7. habe ich vor dort zu sein. Dieses Buch von Peter Schneider, von dem Sie mir in Heidelberg und in Ihrem letzten Brief sprachen, ist noch nicht angekommen. Von Santiago aus, werde ich darauf drängen, dass das Buch geliefert wird, damit ich es als Sommerlektüre mit nach Carballedo nehmen kann. Ich ahne, dass ich die Lektüre nicht genießen werde, aber „nihil de C. S. a me alienum puto"! Ich werde Ihnen meine Eindrücke schildern und eventuell darüber etwas schreiben. Offen gesagt, habe ich nur im Sommer Ruhe, um über Themen zu schreiben, die sich etwas von meinem Fachbereich entfernen. Und das Gefühl der Arbeitsüberlastung wird vielleicht noch gesteigert werden, denn Don Camilo 1 hat mir geschrieben, dass ich im nächsten Kurs wieder das Fach Bürgerliches Recht (Allgemeiner Teil und Schuldrecht) übernehmen soll. Das bedeutet für mich eine große Belastung, aber in der Fakultät gibt es niemand, der diesem Fach gewachsen wäre, denn Dr. Bonet 2 - der sich diesen 12 Herrero
Die Briefe
178
Sommer mit einer Hannoveranerin verheiraten wird - geht im nächsten akademischen Jahr nach Madrid; er ist mein Schüler in Bürgerlichem Recht. Das Schema Ihres Vortrags im Collegium Philosophicum in Münster hat mich sehr interessiert. Aber es sind die Amerikaner, zu denen Ihre Lehren gelangen sollten! Ich staune jeden Tag mehr über die ideologische Einfalt dieser „Herren der Welt". Ich fand die Version unseres spanischen Krieges '36-' 39 witzig, die ich dieser Tage von einem jungen Yankee gehört habe: „Die monarchischen ,Loyalisten' wurden ungerechterweise von Franco besiegt". Wahrscheinlich werden sich in einigen Jahren die Ereignisse von '31 3 und die von '36 definitiv überlagern. Es sind ja nur so wenige Jahre Unterschied! Ich glaube, dass der Mangel an humanistischer Bildung, an dem diese Leute leiden, die Ursache für ihre Unfähigkeit ist, Werte zu erkennen, die ihrer eigenen kulturellen Welt fremd sind. Die Mühe, die die Übersetzung toter Sprachen mit sich bringt, ist es, die die Fähigkeit des Verstehens vermittelt und diese Ironie des Relativen, die den Yankees völlig abgeht. Ein in den USA erzogener Schüler aus Puerto Rico, den ich in Santiago hatte, beurteilte in einem schriftlichen Examen die Politik des Augustus als die eines „antidemokratischen Ignoranten". Ich warte noch immer auf ihre Nachricht bezüglich der Möglichkeit, dass Sie im nächsten Herbst eine längere Zeit in Santiago verbringen. Sie könnten in einem Seminar für Doktoranden ein Thema besprechen. Wenn Sie prinzipiell einverstanden wären, würde ich der Fakultät in der Sitzung vom 4.7. vorschlagen, eine formelle Einladung auszusprechen. Das Honorar wäre in Anbetracht unserer Armut nicht sehr hoch, aber es wäre hinreichend für die Aufenthaltskosten, in Begleitung Ihrer Tochter Anima, nehme ich an. Es tut mir leid, dass mein Haus nicht groß genug ist, um sie beide zu beherbergen. Es wäre sehr ehrenvoll für uns, Prof. C. S. in Santiago zu haben und für mich persönlich eine anregende Freude. Ich grüße Sie herzlich 1
Älvaro d'Ors
Gemeint ist Camilo Barcia Trelles, vgl. den Br. v. 17. 2. 1949.
2
Es handelt sich um Jose Bonet Correa (geb. 1924), einen bekannten Zivilrechtler. Er arbeitete später als Forscher für den CSIC. 3
1931 ist das Datum des Beginns der 2. Republik in Spanien und 1936 des Beginns des Bürgerkrieges. D'Ors interpretierte diesen Krieg in La violencia y el orden.
Die Briefe
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52 (Deutsch geschr.)
Prof. Dr. Carl Schmitt Plettenberg I I (Westf.) Brockhauserweg 10 30. Juni 1957 M i querido Don Älvaro: muchas gracias por su carta de Roma del 24/6/57! Ich antworte sofort, damit Sie meine Mitteilung womöglich schon am 3/7 in Santiago haben. Es versteht sich von selbst lieber Don Älvaro, dass ich mit großer Freude Ihrer freundlichen und ehrenvollen Einladung folgen und in Ihrer berühmten Universität ein Seminar abhalten würde. Aber seit einem halben Jahre fühle ich mich schwach und wenig reisefähig. Ich habe lange überlegt, ob ich es nicht doch wagen soll, doch bin ich von einigen Wochen eines Besuches aus Amerika so ermüdet, dass ich lieber vorsichtig sein will und abwarte, ob sich mein Zustand im Laufe der Zeit etwas bessert. Vergessen Sie nicht, dass ich jetzt in mein 70. Lebensjahr 1 eintrete und fast täglich über diese Wirklichkeit belehrt werde. Qui n'a pas l'esprit de son äge a tout le malheur. Wenn sich mein Besuch in Santiago de Compostela vertagen lässt - vielleicht auf das nächste Jahr - möchte ich also lieber später kommen. Wir können dann immer noch überlegen, ob ich dann einen Vortrag oder einen Cursus halten kann. Heute möchte ich mich bei Ihnen und Ihren Freunden herzlich für Ihre Einladung bedanken und Ihnen mein aufrichtiges Bedauern darüber aussprechen, dass ich ihr in diesem Jahre nicht folgen kann. Aber ich hoffe trotzdem, dass wir uns bald wiedersehen, lieber Freund. Können Sie nicht im Herbst nach Deutschland kommen, als mein Gast? Ich lade Sie herzlich ein. Für Anfang August dieses Jahres erwarten wir Don Alfonso hier in Plettenberg. Anima lässt Sie und Ihre Familie herzlich grüßen. Ich freue mich auf unser nächstes Gespräch; es ist unendlich viel zu erzählen und es gehört zu den wenigen Freuden des irdischen Lebens, die mir noch geblieben sind, dass ich hoffen kann, Sie bald wiederzusehen. Un abrazo cordial de su
1
Carl Schmitt
Schmitt hatte am 11. Juli, dem Tag des hl. Benedikt, Geburtstag. Vielleicht kommt daher seine Zuneigung und Freundschaft zu den Benediktinern von Walberberg. 12*
180
Die Briefe
53 (Postkarte. Deutsch geschr.)
Heidelberg 21/7 57 Diese Brücke 1 bleibt für mich eine unzerstörbare Erinnerung an unsere Begegnung in Heidelberg im September 1955 und unser Gespräch über die Ode Hölderlins. Wann kommen Sie nach Deutschland? Ich wiederhole meine Einladung und bleibe mit vielen herzlichen Grüßen und Wünschen unveränderlich, Ihr alter
Carl Schmitt
1 Auf der Postkarte erscheint die Brücke von Heidelberg und im Hintergrund das Schloss: die Begegnungsorte der beiden in Heidelberg. Vgl. Br. v. 10.10.1956.
54 (Spanisch geschr.)
Santiago, 28/VII/57 Verehrter Don Carlos: Ich war Ihnen einen Brief schuldig - in Beantwortung des Ihren vom 30.6. - als dann aber Ihre Postkarte mit der bezaubernden Erinnerung an die von Hölderlin besungene Brücke mich drängte, meine Antwort nicht nochmals hinauszuschieben. Diese Postkarte hat mich tief beeindruckt und hat mich dazu ermutigt, wieder zu kommen ... Ihre freundliche Einladung erleichtert alles noch mehr. Trotzdem kann ich jetzt noch keine sicheren Pläne machen. Anfang September muss ich zu einem Kongress über Epigraphie nach Rom. Mitte des Monats reise ich vielleicht nach Oxford; in der dazwischenliegenden Woche könnte ich ohne Überstürzung den Wechsel von Rom nach Oxford vornehmen; vielleicht über Deutschland: aber es gibt noch nichts Gewisses, denn alles hängt von mehreren positiven und negativen Bedingungen ab. Ich bedaure sehr, dass Sie sich nicht entschließen, für die besagten Vorlesungen nach Oxford zu kommen. Vielleicht kann Alfonso, der bei der Ankunft dieses Briefes bereits in Deutschland sein wird, Sie ermuntern
Die Briefe
doch noch zu kommen. Sie wissen ja, dass Santiago Sie mit offenen Armen erwartet ... „C. S. en Compostela". Ich weiß nicht, ob ich Ihnen erzählt habe, dass die Setzer ein Komma einfügen wollten: „C. S., en Compostela" und dass es mich viel Mühe gekostet hat, sie davon zu überzeugen, dass es sich nicht um eine zufällige Ortsbezeichnung handelte, sondern um eine „existenzielle Transparenz". Um keine ausgedehnten Reden zu halten, habe ich mich darauf beschränkt, sie auf ein Beispiel hinzuweisen: „ohne Komma, so als wäre es ,Carl Schmitt in Sirup'". Ich wünsche mir, dass Compostela so wäre wie der Sirup, der Ihre glorreiche senectus versüßt mit erfrischender körperlicher und intellektueller Vitalität. Bis bald - wenn Gott will! - mit herzlichen Grüßen Ihres dankbaren Freundes Älvaro d'Ors
55 (Spanisch und maschinengeschr.)
Santiago, 1/9/57 Verehrter und lieber Freund: Die beiden Fotos, die ich beilege, sollen als „Illustrationen" für den von Anima und Alfonso anläßlich ihres Besuchs in Carballedo 1 gelieferten „Text" dienen. Auf einem der beiden erscheint auch meine Frau mit dem letzten Sohn - Rafael 2 - auf dem Arm: zu ihrer rechten, Maria Paz3 und dahinter in der Haltung eines demagogischen Redners, Javier 4 . An der Seite von Anima meine Nichte und Patentochter Maria Esperanza 5. Ich verliere die Hoffnung nicht, eines Tages andere Fotos machen zu können, auf denen das ländliche Ambiente unseres Hauses von La Costa durch die Person von Prof. C. S. würdiger erscheinen wird. Wie ich bereits zu Anima sagte, werden Ihre Vorlesungen in Santiago keinerlei Formalitäten unterworfen sein; es wären eher Colloquien mit einigen wenigen Studenten und Lizentiaten. Es fällt mir gerade ein, dass Sie einige klassische oder moderne Texte bestimmen sollten, damit die Schüler sie im Voraus lesen könnten, um sie dann im Rahmen eines Seminars zu kommentieren. Ich bestehe auf dieser Idee, denn ich bin sicher, dass es Sie nicht ermüden würde. Ich muss für einige Tage nach Rom fahren. Bei der Rückkehr hoffe ich Alfonso zu treffen, der mir dann von seinem letzten Aufenthalt in Pletten-
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Die Briefe
berg erzählen wird. Alfonso ist ein Kavalier und obwohl er sich Schüler nennt, ist er doch eher ein ausgezeichneter Kollege, zu dem ich volles Vertrauen habe. Er ist außerdem Glückspilz, was seine galizische Klugheit mit einem Hauch von sehr sympathischem, vitalen Optimismus färbt. Ich glaube, dass Sie trotz des intellektuell bescheidenen Zuschnittes dieser Stadt hier eine Insel der Freundschaft, eine wahrhaftige Zuflucht für die Meditation finden werden. Meine Pläne, diesen Sommer über Plettenberg zu fahren, haben sich verflüchtigt, aber für den nächsten Sommer bleibt alles wie geplant, dann werden, wie ich annehme, in Deutschland die Journees abgehalten, die dieses Jahr in Oxford stattfinden. Ich wünschte, dass dann dort mehrere Spanier hingehen würden. Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors.
1
Es ist das Landhaus, in dem d'Ors einen Teil seiner Sommerferien verbringt. Vgl. Br. v. 3. 7. 1955. 2
Rafael d'Ors Lois (geb. 1956) ist heute Rechtsanwalt.
3
Maria Paz d'Ors Lois (geb. 1950) ist heute Journalistin.
4
Javier d'Ors Lois (geb. 1948) ist heute Ordinarius für Römisches Recht an der Universität von Santiago 5
Maria Esperanza d'Ors (geb. 1949) ist heute Bildhauerin.
56 (Spanisch geschr.)
Plettenberg/Westf. 30/10 57 Mein lieber Freund: Zur Zeit bin ich voller Hoffnung. Der Hochzeitstag von Anima rückt heran und ich bin glücklich, Sie in Heidelberg wiederzusehen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Freundlichkeit besitzen, nach Deutschland zu kommen und Trauzeuge sein wollen 1 . Mein Bonner Freund, Prof. Barion 2 , ein großer Kenner des Kirchenrechts und der Rechtsgeschichte, den Sie vor einem Jahr in Freiburg kennengelernt hatten, wird die Trauung zelebrieren.
Die Briefe I c h habe Ihre Briefe erhalten und auch die zwei Fotos aus Carballedo. Sie sind köstlich, vor allem Javier 3 , der kleine Redner und Demagoge. I c h danke Ihnen auch für die beiden Bücher: Derecho de Gentes und Organization Internacional 4 (mit Ihrem A r t i k e l über die isidorische Definition des jus gentium, die ich bereits i n separatum besitze und die für m i c h von unermesslichem Wert ist) und den 2. Band der Cuadernos de Trabajos de derecho de la Delegaciön de Roma, i n denen m i c h der A r t i k e l über die Taufe der Juden besonders interessiert. Sie werden bemerkt haben, dass der Stoff unserer Unterhaltungen unerschöpflich ist. Es tat m i r sehr leid, dass ich Ihre liebenswürdige Einladung zu einem Seminar an Ihrer Universität i m Herbst nicht annehmen konnte. Ich habe vor, eine A r b e i t 5 für die Festschrift von D o n Camilo Barcia Trelles zu schreiben: über mein altes Thema, der Raum, das Thema, das eine i m m e r größere, j a beängstigende Transzendenz a n n i m m t 6 . A u f Wiedersehen, es lebe D o n Älvaro, i n Heidelberg! Meine Freude über Ihr Erscheinen ist unbeschreiblich. I c h wünsche Ihnen und allen spanischen Freunden, die m i t Ihnen kommen, eine gute Reise und verbleibe m i t vielen Grüßen und herzlichen Wünschen Ihr treuer
Carl Schmitt
1
Soweit sich Älvaro d'Ors erinnert, fuhr er von Paris aus zur Hochzeit von Anima Schmitt und Alfonso Otero, denn dort arbeitete er am Codex des Eurico. Er kam am Tag der Trauung an, die im Heidelberger Schloss am 13.12.1953 in der Schlosskapelle vollzogen wurde. Es war mitten im Winter und alles verschneit. A m nächsten Tag fuhr er mit der Familie Otero nach Santiago zurück. In einem Brief an Ernst Jünger vom 14. 1. 1958 beschreibt Carl Schmitt, was die Hochzeit von Anima für ihn bedeutete: „Anima ist mit ihrem Mann von Heidelberg über Paris nach Santiago gefahren, in dem Völkswagen Cabriolet, das ich ihr zu ihrer Verlobung geschenkt habe. Sie ist gut angekommen und schreibt entzückende Briefe. Ich bin jetzt noch einsamer als sonst, schon beinahe in einer metaphysischen Einsamkeit. Das Kind ist jetzt 2500 km von mir entfernt, nahe einem Punkt Europas, der den ominösen Namen ,Cap Finisterre' trägt." S. 347. 2
Hans Barion (1899-1973), der bedeutende katholische Kirchenrechtler, wurde 1924 in Köln zum Priester geweiht; er hatte zuvor Schmitts Römischer Katholizismus gelesen, ein Werk, das nach seinen Aussagen einen Wandel in seiner wissenschaftlichen Orientierung bedeutete; er besuchte in der Tat im Jahre 1924 als junger Pfarrer in Bonn die Vorlesungen von Carl Schmitt; er studierte in Rom von 1928 bis 1930. Ab 1931 lehrte Barion Kirchenrecht an der theologisch-philosophischen Akademie in Braunsfeld im Bistum Ermsland (Ostpreußen) und gehörte mit dem ebenfalls dort tätigen und mit Schmitt befreundetem Theologen Carl Erschweiler (1886-1936) zu den sog. „Brückenbauern", die sich für ein Arrangement der Kirche mit dem Nationalsozialismus einsetzen. Die Konzilskongregation verhängte 1934 über Barion die Strafe der Suspension; diese wurde zwar schon 1935 aufgehoben, aber die Konflikte Barions mit seiner Kirche zogen sich bis 1945 hin. Nach 1945
184
Die Briefe
wurde Barion jegliche universitäre Karriere verwehrt, so dass er als Privatgelehrter lebte; nach dem Zweiten Vatikanum trat er als dessen scharfer Kritiker hervor, weil er es als die (Selbst-) Zerstörung der Kirche ansah. Schmitt war eng mit ihm befreundet. Er war eine der Personen, die sich um die Annullierung der ersten kirchlichen Ehe Schmitts bemühten. Nach der Hypothese, die Tommissen in Schmittiana I V , S. 181, entwirft, arbeiteten Barion und Heinrich Flatten, der Schwager von G. Krauss, jahrelang daran, einen neuen Kanon einzuführen, der nach begründeter Meinung beider, Schmitt die ersehnte kirchliche Trauung mit Duska erlauben sollte; es war der can 1098 CIC, durch den die arglistige Täuschung ein Motiv für die Annullierung der Ehe ist. Der Vater dieses Kanon scheint der Hypothese Tomissens zufolge Flatten zu sein. Er trat 1983 in Kraft, ein Jahr bevor Schmitt schwer erkrankte und zwei Jahre vor seinem Tod. Barion starb am 15. Mai 1973. D'Ors schreibt anläßlich der Veröffentlichung der „Gesammelten Schriften von Hans Barion", „El correcto canonista"; vgl. a. den Nachruf v. Heinrich Flatten in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, 1973, S. 71-79. Zu Schmitt-Barion vgl. u.a.: Marietherese Kleinwächter, Das System des göttlichen Kirchenrechts. Der Beitrag des Kanonisten Hans Barion (1899-1973) zur Diskussion über Grundlegung und Grenzen des kanonischen Rechts, 1996. 3 Vgl. den Br. v. 1. 9. 1957. 4 Es handelt sich um Derecho de Gentes y Organization International. Der Beitrag von Älvaro d'Ors trägt den Titel „En torno a la definiciön isidoriana del ius gentium", S. 11-40. 5 Es handelt sich um das „Gespräch über den neuen Raum"; vgl. Br. v. 17. 2. 1947. 6 Diese Frage ist bereits (vor-bewusst) präsent in Schmitts Theordor Däublers „Nordlicht" und in „Illyrien", und theoretisch bewusst seit 1934; vgl. Herrero, El nomos y lo politico , S. 45.
57 (Spanisch und Deutsch geschr.) Plettenberg 31/3 58 M e i n lieber D o n Ä l v a r o : I c h habe Ihnen v i e l zu sagen und bedaure meine Unfähigkeit, es korrekt auf Spanisch zu sagen; daher bitte i c h u m Verzeihung und u m die Erlaubnis, auf Deutsch fortzufahren, denn i c h weiß und hoffe, dass Sie m i c h verstehen werden. I c h beginne m i t meinen herzlichsten Wünschen für ein schönes, segenreiches Osterfest. M e i n e Wünsche für Sie und Ihre Familie k o m m e n aus einem dankbaren Herzen. M e i n e Tochter A n i m a ist jetzt Ihre Nachbarin i n
Die Briefe
Ihrer Heimat und erzählt mir in ihren Briefen viel von Ihnen und der Güte, mit der Sie ihr in Santiago begegnen. Das ist für mich eine große Freude und tröstet mich in der Einsamkeit des Alters, in der ich hier lebe. Sie müssen mir verzeihen, dass ich Ihnen viele Monate nicht geschrieben und für ihre Karte aus Rom mich noch nicht bedankt habe. Ich hatte in den letzten Wochen und Monaten sehr viel Arbeit, weil ich eine Sammlung von 21 verfassungsrechtlichen Aufsätzen aus den Jahren 1924-54 edieren und mit „Bemerkungen" versehen musste, dazu ein umfangreiches Register machte, im Ganzen ein Buch von 517 Seiten1. Der Verleger (Duncker und Humblot, einer der ersten deutschen Verleger, der Verleger von Hegel, Ranke etc.) will das Buch im Mai veröffentlichen und dann noch einen Band völkerrechtlicher und einen 3. Band rechtsphilosophischer Aufsätze folgen lassen, aber ich glaube nicht, dass ich die Kraft haben werde, noch einmal die große Mühe einer solchen Selbst-Edition auf mich zu nehmen2. Ich bin sehr müde und fürchte mich vor jeder Reise. Deshalb kann ich nicht nach Rom kommen. Nach Santiago möchte ich Ende Mai/Anfang Juni kommen, aber keinen Vortrag halten, sondern höchstens ein formloses Colloquium. Ich will noch mit Alfonso und Anima darüber korrespondieren. Ob ich der Einladung nach Athen folge, weiß ich noch nicht. Bis Mitte Juli möchte ich gern noch in Galicien am Meer bleiben. Vergessen Sie nicht, lieber Älvaro, dass ich das biblische Alter von 70 Jahren erreiche und bin, was in Buch Job (cap. X L I I 16) „plenus dierum" genannt wird. Prof. Barion, den Sie von der Hochzeit Animas aus Heidelberg kennen, hat einen sehr bedeutenden Aufsatz über die Geltung des kanonischen Rechts (in der Festgabe für Prof. Lortz in Mainz) veröffentlicht 3 . Das wäre vielleicht ein schönes Thema für eine Conferencia, die er gelegentlich im Herbst oder Winter in Santiago halten könnte. Wir wollen darüber sprechen, wenn ich Sie in Santiago besuche. Ich denke immer noch über Ihren Aufsatz Creditum und Contractus (in der Savigny-Zeitschrift 4 ) nach und die Etymologie: credere = creditum dare. In Santiago will ich auch den Aufsatz von Merea, La territorialidad del derecho de los visigodos lesen5. Die deutsche Übersetzung Ihres Aufsatzes (oder Vortrages) durch H. J. Wolff^ ist sehr gut 7 . Jetzt wünsche ich Ihnen, lieber Freund, und Ihrer verehrten Frau und Ihrer Kindern nochmals ein gnadenreiches Osterfest und bleibe con un fuerte abrazo [mit einer festen Umarmung] immer Ihr alter und getreuer
Carl Schmitt
1
Gemeint ist: Verfassungsrechtliche
2
Die letzte blieb in der Tat unerledigt.
Aufsätze.
186
Die Briefe
3 Es handelt sich um: Barion, „Von der Tragweite des geltenden kanonischen Rechts". 4 Vgl. Br. v. 6. 10. 1956. 5 Er bezieht sich auf den Aufsatz des portugiesischen Rechtshistorikers Manuel Paulo Merea „La territorialidad de la legislaciön visigoda" als Kommentar zu Garcia Gayo geschrieben hatte. Möglicherweise hatte Schmitt aber auch d'Ors' Text „La territorialidad del derecho de los visigodos" von 1956 im Sinn. Manuel Pablo Merea, Ordinarius für Rechtsgeschichte in Coimbra und Freund von Cabral de Moncada, wurde von Schmitt überaus hochgeschätzt; vgl. Schmitts Brief an Cabral de Moncada vom 7. 6. 1948: „Zu Hobbes wollte ich noch bemerken, dass ich mich über Ihre Zitierung der Schrift von Paulo Merea ,Suärez, Grocio, Hobbes 4 , S. 131, 167) besonders gefreut habe, eine Schrift, die ich mit großer Liebe aus dem Untergang meiner bisherigen Bibliothek gerettet habe". Ähnliche Formulierungen erschienen in verschiedenen Briefen an Cabral de Moncada wie Br. v. 10. 12. 1948 und Br. v. 9. 1. 1949; vgl. Jayme, Luis Cabral de Moncada und Carl Schmitt. Es scheint, dass das zitierte Buch von Merea, Suärez, Grocio, Hobbes, 1941, eine spürbare Wirkung auf Schmitt ausgeübt hat. Die Frucht der Zusammenarbeit mit der Universität von Coimbra und seiner Forschungsarbeit war die Ernennung d'Ors zum Doktor honoris causa der Universität von Coimbra, die 1983 erfolgte. 6 Gemeint ist Hans Julius Wolff (1902-1983), Ordinarius für Römisches Recht, zuletzt an der Unversität Freiburg. Wolff emigrierte 1935 nach Panama, lebte von 1939 bis 1952 in den Vereinigten Staaten und lehrte ab 1941 in Ann Arbor; er kehrte 1952 nach Deutschland zurück. Er gründete 1971 die „Gesellschaft für griechische und hellenistische Rechtsgeschichte" und initiierte 1980 die Sammlung „Griechische Rechtsinschriften"; er trat bes. als Dogmatiker des griechischen Rechts und als Papyrologe hervor; vgl. den Nachruf v. Gerhard Thür. Wolff veröffentlichte u.a.: Beiträge zur Rechtsgeschichte Altgriechenlands und des hellenistisch-römischen Ägypten, 1961; Das Justizwesen der Ptolomäer, 1962. 7
Er bezieht sich auf „La territorialidad del Derecho de los Visigodos".
58 (Postkarte. Deutsch geschr.)
Meinem lieben und verehrten Freund Älvaro zur Erinnerung an den Spaziergang, den wir am Samstag, dem 14. Dezember 1957, am Tage nach der Hochzeit von Anima und Alfonso, vormittags auf der Brücke und am Ufer des Neckar zusammen mit Prof. Barion gemacht haben. In treuer Erinnerung 1 Carl Schmitt Ostern 1958 1
Auf dieser Postkarte erscheint wiederum ein Foto der alten Brücke von Heidelberg.
Die Briefe
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Santiago, 5/4/58 Verehrter und lieber Freund: Ich erwidere von ganzem Herzen Ihre Osterwünsche, für die ich mich sehr bedanke. Ich warte mit Ungeduld auf die gesammelten Schriften, die ein großes Ereignis sein werden. Es ist tatsächlich der Mühe wert, dass Sie die Arbeit auf sich nehmen, die einzelnen erschienenen Schriften in dieser Form zu revidieren und zu erweitern 1 . Danach rechnen wir mit Ihrem Besuch. Es tut mir leid, wenn ich nicht die ganze Zeit bei Ihnen sein kann, denn im Prinzip müsste ich im Juni nach Rom reisen, aber ohne Zweifel kann ich Sie während eines Teils Ihres Aufenthalts begleiten 2 . Zu diesem Zeitpunkt gibt es schon keine Schüler mehr, die Vorträge hören könnten, aber wir könnten immerhin ein Colloquium organisieren; sogar mit ausländischen Studenten, wenn es in der zweiten Julihälfte stattfindet, da dann der Ausländerkurs stattfindet. Prof. Wieacker 3 wird für den 20. dieses Monats hier erwartet und wird am 21. einen Vortrag halten. Es wäre mir sehr lieb, wenn auch Prof. Barion4 kommen könnte: ich bin sicher, dass seine Gesichtspunkte zu interessanten Diskussionen Anlass geben könnten. Ich hoffe, Prof. Barion hat eine italienische Zeitschrift erhalten mit einem Artikel von mir über die Institution der Ehe (eine Kritik des amerikanischen „companionship marriage") 5 . Ich habe keine Exemplare. Ich sehe Anima mit weniger Häufigkeit als ich möchte, denn sie wohnen außerhalb der Stadt 6 . Vor einigen Tagen überraschten wir sie mit einem langerwarteten Besuch (wir benutzten das Auto eines Freundes, der uns hinfuhr). Das Haus von Calo hat sehr anregende Winkel. Wir haben eine sehr angenehme Zeit mit ihnen verbracht. Anima geht es immer noch sehr gut. Ich denke oft daran, dass Sie Ihre Emeritierung zur selben Zeit feiern wie Don Camilo 7 und Prof. Cabral de Moncada. Aber die Emeritierung ist nicht mehr als ein Fest, wenn man wie Sie, Gott sei Dank, die Energie und die intellektuelle Klarheit bewahrt, um weiter zu arbeiten. Mit den besten Wünschen für diese Ostern grüßt Sie sehr herzlich ihr ergebener Freund Älvaro d'Ors
188
1
Die Briefe
Er bezieht sich auf Verfassungrechtliche
Aufsätze.
2
Eine Erinnerung an den Aufenthalt, von dem hier die Rede ist, stellt die Widmung dar, die Schmitt in den Verfassungrechtlichen Aufsätzen an d'Ors richtet; sie lautet: „Meinem lieben Freund Älvaro d'Ors übergebe ich dieses Dokument einer glücklichen Zeit als treues Zeichen unserer jahrelang währenden Freundschaft. Santiago de Compostela, 1. August 1958". Weiter unten schreibt er: „Wer kennt sich selbst? Wer weiß, was er vermag? Und was du tust, sagt erst der andere Tag". 3
Franz Wieacker (1908-1994) bedeutender Romanist und Rechtshistoriker, ging 1936 als Prof. nach Leipzig; nach dem Kriege trat er eine Stelle an der Universität Göttingen an, wo er sein wohl bekanntestes Werk fertigstellte: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952; Gründer und Bewahrer, 1959; Krise der antiken Welt, 1974; zu diesem wichtigen Vortrag Wieacker's: AO, „Franz Wieacker, sobre la crisis del Imperio Romano". D'Ors schickte viele seiner Schüler nach Göttingen an den Lehrstuhl Wieackers; seine Beziehung zu Wieacker war aber eher rein beruflich und nicht persönlich wie die zu H.-J. Wolff. 4
Vgl. den Br. v. 30. 10. 1957.
5
Es handelt sich um „Matrimonio como cameratismo".
6
Das Landhaus in Calo, in der nähe Santiagos, ist heute noch im Besitz der Familie Otero-Schmitt. 7
Bezieht sich auf Camilo Barcia Trelles, vgl. den Br. v. 17. 2. 1949.
60 (Spanisch geschr.) TELEGRAMM ICH BEGLEITE SIE I N A L L E R FREUNDSCHAFT BEI DER FAMILIENEHRUNG 1 M I T M E I N E N BESTEN WÜNSCHEN FÜR EIN LANGES UND GLANZVOLLES LEBEN D O N CARLOS. V O N HERZEN. Ä L V A R O . SANTIAGO, 10.7.1958
1
Das war der Text des Glückwunschtelegramms zum 70. Geburtstag von Carl Schmitt am 11. Juli 1958.
Die Briefe
61 (Deutsch geschr.)
[Postkarte ohne Datum] Mein lieber Don Älvaro, Heidelberg bleibt eine unzerstörbare „Ortung" unserer Freundschaft. Ich sende Ihnen meine Grüße und unzählige Erinnerungen und hoffe, dass Sie schöne Ferien verbracht haben. Bis bald. Ihr alter Freund Carl Schmitt Lieber Herr d'Ors, ich freue mich bei so schöner Gelegenheit Ihr sehr sehr ergebener
Hans Barion
62 (Spanisch geschr.)
Santiago, 5/11/58 Lieber Don Carlos: Jeden Tag habe ich die Absicht, Ihnen zu schreiben, unter anderem um meine Freude darüber auszudrücken, dass ich Pate Ihrer Enkelin Beatriz 1 geworden bin, die ich sehr mag. Es war eine Ehre für mich, sie aus dem Taufbecken zu heben! Einige der Fotografien der Feier, die man Ihnen geschickt hat, haben Ihnen vielleicht einen Eindruck davon vermitteln können. Schade, dass Sie nicht gekommen sind! Können wir uns mit der Hoffnung tragen, Sie nächstes Frühjahr hier sehen zu können? Die tausend kleinen Dinge des Alltags haben mich daran gehindert, Ihnen zu schreiben. Immer sind es die weniger wichtigen Verrichtungen, die die wichtigeren und angenehmeren verhindern! Ihr Buch bot für mich eine genussvolle Lektüre im Monat September. Wie immer war es für mich sehr anregend. Ich habe kürzlich zwei Vorträge gehalten, die auf diese machtvolle Anregung zurückzuführen sind: einen über Cicero 2 und den Ausnahmezustand; einen anderen über die Trilogie Monarchie - Aristokratie - Demokratie 3 , den ich für nicht uninteressant halte. Fürs Erste revidiere ich darin deren Behandlung bei Aristoteles, der
190
Die Briefe
mir diese Dreiteilung zu zerstören scheint (der Gesichtspunkt von Kelsen über die kryptopolitischen Absichten der Politik 4 scheint mir völlig antihistorisch und verfehlt zu sein) und er ist nicht ihr hauptsächlicher Verfechter. Man kann nicht von der „aristotelischen Klassifizierung" reden. Aber der Schwerpunkt meines Vortrags war, und ich fürchte das wird Ihnen nicht gefallen, dass es keine andere Legitimität als die der Familie gibt. Und die Form der Monarchie entspricht Gesellschaften, die diese Legitimität authentisch leben und sie für ihre Regierung nicht durch einen König, sondern durch eine Familie transzendieren lassen. Die Demokratie verzichtet wesentlich auf die Legitimität, weil sie keine legitime, in Familien organisierte Gesellschaft voraussetzt. Für den noch monarchischen Bodin ist die Gemeinschaft die der Familien; für Sieyes, die der Steuerzahler ... Die Revolution neigt natürlich dazu, die „Privilegien" der legitimen Kinder zu beseitigen. Ich werde Ihnen diesen Vortrag schicken, sobald er veröffentlicht wird und erwarte begierig Ihre Kritik. Anima geht es sehr gut, sie ist glücklich mit ihrer Tochter. Alfonso ist um die Gesundheit seines Vaters besorgt. Endlich sind wir am Vorabend der Festtage angelangt und ich wünsche, dass das Christkind Ihnen zum baldigen Weihnachtsfest alle Glückseligkeiten und Freuden bringt. Alles Gute! Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors.
1
Es handelt sich um die Tochter von Anima und Alfonso Otero, die den Taufnamen Beatriz trägt, die aber immer Dusanka genannt wurde. D'Ors hat stets Verbindung mit ihr gehalten und widmete ihr einige schöne Seiten in seinen unveröffentlichten Catalipömenos metaescolästicos. 2
Er wurde später als „Cicerön, sobre el estado de exception" veröffentlicht.
3
Er wurde später veröffentlicht als Forma de gobierno y Legitimidad Familiar. Darin nimmt d'Ors einen gänzlich anderen Standpunkt ein als der 1932 bei der Behandlung eines ähnlichen Themas in Legalität und Legitimität von Schmitt vertretene. In beiden Fällen wird die Problematik der Legitimität bezüglich der Regierungsformen aufgeworfen. Das „privatistische" Verständnis von d'Ors löst sie von der Institution der Familie her; das „publizistische" Verständnis Schmitts, der sich nicht völlig vom Staat als politischer Form entfernen kann, löst es mit einer Unterscheidung von drei Staatstypen in der Art einer Neuformulierung der alten Typologie: Juridisktionsstaat, Verwaltungsstaat, Regierungsstaat. Wir treffen wiederum auf eine Kohärenz zwischen beiden Denkern und einen vollständigen Unterschied beim Angehen der Probleme. Auf jeden Fall, ist Schmitt, wie wir sehen werden, von der d'Orsschen legitimistischen Ärgumentation fasziniert. Vgl. auch unsere Einleitung. 4
Vermutlich bezieht sich d'Ors auf: H. Kelsen, „Die hellenisch-makedonische Politik und die „Politik" des Aristoteles".
Die Briefe
63 (Deutsch geschr.)
Plettenberg/Westfalen Weihnachten 1958 M i querido amigo: Lieber und verehrter Don Älvaro, zu einem deutschen Weihnachten gehören Schnee und Tannenbäume, aber der Schnee muss natürlich draußen sein und der Tannenbaum mit Kerzenlichtern in einem gutgewärmten Heim als Interieur. Diese zum reinen Familienfest gewordene Geburt des Herrn muss einem Spanier nordisch und fremd erscheinen. Deshalb möchte ich Sie bitten, keinen Anstoß daran zu nehmen, dass Anima an ihren Kindheits-Erinnerungen festhält. Wenn wir uns wiedersehen, lieber Don Älvaro, also hoffentlich noch im Jahre 1959, werden wir, so Gott will, Zeit haben, über diesen Gegensatz von „Innigkeit" und Öffentlichkeit zu sprechen. Heute will ich Ihnen nur aussprechen, welche tiefe Dankbarkeit ich dafür empfinde, dass meine Tochter Anima in derselben Stadt Santiago wohnt, in der Sie wohnen und dass Sie mit ihr und mir als Trauzeuge und als padrino der kleinen Beatriz verbunden sind. Für mich ist Santiago de Compostela jetzt die Stadt des lächelnden Propheten Daniel 1 , dessen Lächeln die carcajada des verzweifelten Germanen Gelimer 2 besiegt und das talmudistische Gelehrtengrinsen des rachsüchtigen Juden Americo Castro 3 vor die Tore verweist. Über Ihren Brief vom 5.12. und Ihre Wünsche zum Weihnachtsfest und für das Neue Jahr habe ich mich sehr gefreut. Ich erwidere sie herzlich für Sie, Ihre verehrte Frau Dona Palmira, Ihre verehrte Mutter 4 und Ihre Kinder, insbesondere Ängel 5 , sagen Sie bitte allen meine besten Grüße y recuerdos. Auf Ihren Vortrag bin ich sehr gespannt. Dass alle Legitimität von der Familie kommt, scheint mir wahr zu sein. Die rein charismatische Legitimität eines „a Deo excitatus" ist etwas anderes als Legitimität. Die traditionelle Legitimität beruht auf Erbe und Familie. Es scheint mir sehr wichtig, dass unser Heiland Christus der Erbe war und als Erbe getötet wurde; vgl. Matth. 21, 38 (hic est heres; venite, occidamus eum) M Mark. 12, 1-12 (v. 7: " " " ) Luk. 20, 9-19 (v. 14: " " " " ) A A. 7, 52 Diese untrennbare Verbindung der 3 Institutionen Ehe (Familie), Erbe, Eigentum ist das größte Thema für einen heutigen Juristen. Ich habe Ihnen einen Aufsatz über Nomos geschickt, den ich für die Festgabe zum 70. Geburtstag des P. Przywara S. J. 6 geschrieben habe. Das soll mein letzter Aufsatz sein. An der Festgabe für Emilio Betti, zu deren
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Die Briefe
Mitarbeit i c h eine Einladung erhalten habe, werde i c h nicht mitarbeiten können, w e i l i c h zu alt und müde bin. Worüber werden Sie für Betti schreiben? 7 W i r d auch Alfonso daran mitarbeiten? „Cicero sobre el estado de e x c e p t i o n " würde m i c h sehr interessieren; i c h habe 1938/39 einen Aufsatz über Ciceros Satz „ I n t e r pacem et b e l l u m n i h i l m e d i u m " (8. Philippika; zitiert von Grotius, de jure b e l l i ac pacis, 1. I I I , cap. 21, § 1) geschrieben; wenn er Sie interessiert, schicke i c h i h n Ihnen z u 8 . U n cordial abrazo de su viejo amigo y consanguineo espiritual 9 Carl Schmitt
1 Der „Pörtico de la Gloria" der Kathedrale von Santiago war Gegenstand vieler Unterhaltungen zwischen Schmitt, Otero und d'Ors. Eine der Figuren, die Anlass zu Interpretationen gaben, war der Prophet Daniel, der sich auf einem der Kapitäle der Säulen befindet, die den Türpfosten umgeben, der den Mittelbogen vom linken trennt. Die Figur lacht. Es ist das Lachen des Propheten über die Götzendiener. Vgl. Daniel 14, 1-22. Älvaro d'Ors schrieb damals sogar einen Artikel in Bellas Artes. Revista del Camino de Santiago über „Das Lachen des Propheten Daniel", in dem er diese Interpretation darlegt. In diesem Sinne muss man die Charakterisierung verstehen, die Schmitt implizit in diesem Brief von Gelimer und dem Grinsen von Americo Castro macht. 2
Gelimer war der letzte König der Vandalen, 533 von dem byzantinischen Feldherrn Beiisar besiegt, 534 gefangengenommen und nach Kleinasien verbannt. Prokop schreibt über ihn: „Der König brach ihn ein lautes, langandauerndes Gelächter aus, so dass einige glaubten, das Übermaß an Leiden habe ihn um seinen Verstand gebracht und das Lachen sei das Zeichen des ausbrechenden Irrsinns. Seine Freunde aber behaupteten, er sei völlig bei Sinnen und meine, dass die Schicksale der Menschen nichts anderes verdienten als vieles Lachen (...)". Prokop, Vandalenkrieg/Gotenkrieg, S. 58. „Das bittere Gelächter Gelimers war eine der von C. S. am häufigsten zitierten geschichtlichen Parabeln", bemerkt A. Möhler zu einem Brief Schmitts v. 29. 9. 1958, in dem es u.a. heißt: „Jaspers, Ihr Heimatgenosse aus Basel, sprach in seiner gestrigen Predigt in der Paulskirche von einem »grimmigen Lachen 4 , das einem Deutschen bleibt. Das ist wohl das Gelächter Gelimers?", Möhler, Carl SchmittBriefwechsel, S. 254. 3
Vgl. die Br. v. 12. 2. 1960 u. 19. 3. 1964.
4
Carl Schmitt kannte die Mutter Älvaro d'Ors, die bis zu ihrem Tode 1972 in der Nähe ihres Sohnes, im Hotel Compostela in Santiago lebte. 5 Ängel d'Ors (geb. 1951) ist heute Prof. für Logik an der Universidad Complutense von Madrid. 6
Es handelt sich um „Nomos-Nahme-Name".
7
D'Ors Beitrag war: „Para una interpretation realista del art. 6 del Cödigo Civil Espanol", in: Studi in onore di Emilio Betti , I. Milano: Giuffre, 1961, S. 119-126; auch in Papeles del oficio universitario, S. 264-277. 8 9
Er schickte ihn an d'Ors. Vgl. Br. 30. 12. 1948.
„Eine herzliche Umarmung von Ihrem alten Freund und geistigem Blutsverwandten".
Die Briefe
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Consejo Superior de Investigaciones Cientificas Instituto Juridico Espanol en Roma El Director Via di Villa Albani, 16 13/2/59 Lieber und verehrter Don Carlos: Die letzten Wochen waren für mich mit Verpflichtungen und dringenden Arbeiten ausgefüllt, aber ich bin wieder hier und zumindest jetzt ein bisschen freier, um die Korrespondenz zu erledigen. Ihr Brief vom 21.12.59 hat mich sehr gefreut, sowie auch die Schrift, die sie Pater Przywara 1 gewidmet haben und die ich mir in Santiago für eine zweite Lektüre bereitgelegt habe. Denn ich glaube, sie ist sehr ergiebig und ich werde mich damit bereichern, wenn ich sie in Ruhe lese. Bezüglich des familiären Ursprungs aller Legitimität, sagte mir Alfonso, dass bereits C. S. in „El Leviathan" auf diesen Gedanken hingewiesen hat. Ich muss sorgsam suchen, denn es würde mich sehr freuen, ihn bereits dort zu finden. Beatriz ist wirklich ein kleines Wunder und ich bin sehr stolz darauf, ihr Pate zu sein. Ich werde ihr erklären, wenn sie etwas größer ist, wer ihr Großvater mütterlicherseits ist. Meine beiden Jungen, die aufs Gymnasium gehen, kennen ihren Großvater Eugenio schon durch die Literaturhandbücher, die sie durchnehmen, aber die Kleineren wurden sich seiner bewusst, als sie erfuhren, dass im Paseo del Prado in Madrid ein steinernes Denkmal für den Großvater errichtet wird 2 . Da es aus Stein ist, drückt die Masse den Großvater aus. In dieser Saison habe ich mich in eine Reihe von Vorträgen in verschiedenen Orten Spaniens „verstrickt". Zu denen, die ich im vorigen Brief erwähnte, füge ich nun einen weiteren bei über den „Krieg im Altertum" 3 , bestimmt für ein ausgesprochen militärisches Publikum. Dort behandle ich besonders die Verbindung zwischen taktischer Form - strategische Konzeption - und politischer Struktur in Griechenland und Rom. Ein für mich neues Gebiet, in dem ich nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen kann, die mir sehr ergiebig erscheinen. In Verbindung mit dieser Reihe von Vorträgen, in die ich verwickelt bin, hat mir die Karikatur sehr gefallen, die ich diesem Brief beifüge. Ich glaube, sie wird auch Ihnen Spaß machen. 13 Herrero
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Die Briefe
Diesen Sommer, im September, gibt es einen internationalen Kongress in Freiburg im Breisgau. Möglicherweise kann ich daran teilnehmen und wir könnten dann miteinander reden. Aber kommen Sie nicht nach Santiago? Ich gebe diese Hoffnung nicht auf. Sehr herzliche Grüße von 1
Älvaro d'Ors.
Die Schrift „Nomos-Nahme-Name".
2
1963 wurde im Paseo del Prado ein Denkmal zu Ehren des Lehramts von Eugenio d'Ors errichtet. 3
Es handelt sich um „La guerra en la Antigüedad".
65 (Spanisch geschr.)
[Postkarte mit einem Bild des Apostels Santiago] Santiago, 25/3/59 Meine besten Osterwünsche für alle. Ich werde schon in Erfahrung bringen, wann die Reisenden ankommen 1 . Was halten sie von Beatriz, meiner lieben Patentochter? Eine herzliche Umarmung von 1
Älvaro d'Ors
Er bezieht sich auf den Besuch der Familie Otero-Schmitt in Plettenberg.
Die Briefe
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66 (Spanisch geschr.)
Santiago, 8/7/59 Lieber und verehrter Don Carlos: Heute, mit ein wenig Verspätung, erinnere ich mich daran, dass am 11. Ihr Geburtstag ist. Ich sende Ihnen diese Zeilen in treuer Freundschaft mit den besten Wünschen, dass noch viele Jahre „voller und fruchtbarer Tage" folgen. Die Nachricht, dass die Festgabe C. S. - endlich 1 - herausgekommen ist, hat mich sehr gefreut. Dahingegen sehe ich, dass Sie nicht den Mut haben, nach Santiago zu kommen. Mit Alfonso meinen wir, dass es wohl daran liegt, dass sie in Santiago keine „Feinde" haben". Ist das der Grund? Im Juni war ich in Rom und bei der Rückreise hinterließ ich in der Druckerei von Madrid mein Buch über den Codex Euricianus. Es war eine ziemlich stumpfsinnige Arbeit. Alfonso hat mir das Buch von Gaupp 2 überlassen, dass Sie ihm geschenkt haben. Es ist ein in vielerlei Hinsicht veraltetes Buch, aber mit jener „Frische", die diese klassischen Bücher haben, in denen die Dinge zum ersten Mal ohne das lästige taube Gestein des Gemeinplatzes gesagt werden. Beatriz wächst und ist wirklich bildhübsch. Sie können stolz auf sie sein. Auf viele Jahre! Eine herzliche Gruß von 1
Es handelt sich um die Festschrift Br. v. 20.11.1953.
Älvaro d'Ors
für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag; vgl.
2 Gemeint ist das Werk des schlesischen Rechtshistorikers Ernst Theodor Gaupp (1796-1859), eines Schülers von Savigny und Eichhorn, der vor allem an der Universität Breslau lehrte; vgl. Schmitts Hinweis in Der Nomos der Erde, S. 27.
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Die Briefe
67 (Deutsch geschr.)
Plettenberg 17/7/59 M i querido Amigo lieber und verehrter Don Älvaro! über ihren Brief zu meinem Geburtstag und Ihren und Ihrer verehrten Frau Gruß auf der Karte von Anima und Alfonso (vom 11. Juli) habe ich mich sehr gefreut. Vielen herzlichen Dank! Inzwischen ist auch die Festschrift zum 70. Geburtstag 1 erschienen und - trotz aller Störungen und Widerstände 2 - ein schönes Buch geworden, ohne phrasenhafte Elogen, dafür aber mit hervorragenden Aufsätzen, darunter vor allem Ihre „Relectio de Causa" 3 , die ich mit großer Freude und Dankbarkeit gelesen habe. Dass Ihre Gedanken auf diese Weise auch deutsche Leser finden werden, ist eine gute weitere Wirkung dieser Publikation, deren wahrhaft klassische Argumentation und Begrifflichkeit mich im Gedanken an unsere Freundschaft sehr stolz macht. Ich hoffe, dass auch einige der anderen Beiträge Ihr Interesse und Ihre Anerkennung finden. Dass ich mich oft an Santiago und meine dortige Verwandten (auch die geistlichen Verwandten) und Freunde erinnere, versteht sich von selbst. Es ist aber in meinem Alter nicht leicht, den Entschluss zu einer so weiten Reise zu finden. Doch wird das eines Tages der Fall sein. Ich glaube, die Bibel hat doch (trotz Adenauer) recht, wenn sie sagt: das Leben des Menschen währet 70 Jahre. Deshalb mache ich keine langfristigen Pläne. Umso größer meine Freude, wenn ich Sie und die Ihrigen dann wiedersehe, besonders meinen kleinen Freund Ängel, der wohl schnell heranwächst. Werden Sie, lieber Don Älvaro, im September nach Freiburg kommen? Ich muss dieses Jahr noch einmal nach Freiburg reisen, weil ich das Prof. Joseph Kaiser 4 versprochen habe. Sie können sich denken, dass ich jede Möglichkeit wahrnehmen werde, um Sie wiederzusehen. Geben Sie mir deshalb rechtzeitig Nachricht, wenn Sie nach Deutschland kommen. Auf Ihren Codex Euricianus 5 bin ich gespannt. Glauben Sie, dass es eines Tages eine vollständige Monographie über die Hospitalitas geben wird? Dann erst kennen wir die sog. Völkerwanderung! 6 Auf ein gutes Wiedersehen! Un cordial abrazo de Carl Schmitt
1 2
Vgl. Br. v. 8. 7. 1959
Über die Geschichte der ersten Festschriften für Schmitt vgl. den Br. v. 20. 11. 1953.
Die Briefe 3 Es handelt sich um die deutsche Version von „Una relecciön sobre la causa", die 1954 in De la Guerra y de la Paz, S. 159-180, erschienen war. In der Festschrift erschien sie als „Relectio de Causa", S. 145-157. 4
Joseph H. Kaiser (1921-1998), Jurist von internationalem Ruf; Schüler und enger Freund Schmitts; Prof. für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg i.Br.; ab 1984 Verwalter des Nachlasses von Schmitt. Kaiser unterhielt engere Beziehungen zur spanischen Kultur und war korrespondierendes Mitglied der Real Academia de Ciencias Morales y Politicas de Espana. Vgl. Becker u. a. (Hrsg.), Europa, Staat und Gruppenmacht Seminar zum Gedenken an Prof. Joseph H. Kaiser. 5
Vgl. den Br. v. 20. 5. 1954 und Br. v. 8. 7. 1959.
6
„Einen Hauptgrund für die rasche Romanisierung dieser Stämme (der Westgoten, Burgrunder und Langobarden) bildet die Rechtsform der Landnahme. Da sie foederati waren, unterwarfen sie sich dem römischen System der hospitalitas, wonach die Germanen einzeln auf den Koloniengütern einquartiert wurden und einen Landteil zu jederzeit teilbarem Miteigentum erhielten; das so bewirkte schachbrettartige Durcheinanderwohnen ergab bald eine Mischung der Volksteile, ,iunctas possessionis et animas' (Cassiodor), und eine Angleichung an die Kultur der Besiegten", Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 53.
68 (Spanisch geschr.)
Santiago, 3/8/59 Lieber und verehrter Don Carlos: Mit großer Freude habe ich nach so vielen Schwierigkeiten das schöne Exemplar der Festschrift erhalten. Ich stelle die Dürftigkeit meines Beitrags fest, aber es war für mich eine Ehre, eingeladen zu werden. Ich bedaure, dass Sie nicht nach Santiago kommen. Ich habe die Lust verloren, nach Freiburg zu reisen. Es erweist sich als übermäßig teuer, ohne offizielle Unterstützung ins Ausland zu reisen und die Erledigung dieser Formalitäten ist mühsam für mich, da ich nicht in der Gunst der ministeriellen Organismen stehe, die diese Hilfen gewähren 1. Die Stabilitätspolitik 2 , obwohl sie für Spanien gut sein kann, beschert uns im übrigen Preissteigerungen und das ist für einen einfachen Universitätsprofessor etwas, das alle Initiativen lähmt, die mit Ausgaben verbunden sind. Nun, hoffen wir, dass die Lage besser wird und dass es nicht an Gelegenheiten fehlen wird, nach Deutschland zu reisen. In einigen Tagen erwarten wir, so Gott will, unser neuntes Kind. Das hält mich in Santiago zurück, aber die Kinder haben andere Möglichkeiten gefunden, den Sommer zu verbringen. Ängel, nach dem
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Die Briefe
Sie fragen, ist am Strand von Sangenjo, mit meinen Bruder Juan Pablo 3 , den Sie auch im letzten Jahr kennenlernten. Vielleicht können wir im September einige Tage in Carballedo verbringen. Ich beglückwünsche Sie zu der Festschrift und grüße Sie von Herzen Ihr ergebener Freund
Älvaro d'Ors
Ich erwarte Ihr Kommen, damit Sie mir die herrliche Photographie von C. S. signieren können, die man mir geschickt hat. 1 Seit den Ereignissen von 1952, die in den Anmerkungen zu dem Brief von d'Ors vom 17. 12. 1951 festgehalten sind. 2
Es handelte sich um die Finanzpolitik des Ministers Alberto Ullastres (geb. 1914), der von 1957 bis 1962 Wirtschafts- und von 1957 bis 1965 Finanzminister in Spanien war. Mariano Navarro-Rubio (1913-2001) entwarf das politische und wirtschaftliche Projekt. M i t diesen beiden begann die wirtschaftliche Öffnung Spaniens nach dem Bürgerkrieg. 3 Juan Pablo d'Ors (1909-1995), der ältere Bruder von Älvaro d'Ors, war Arzt und praktizierte in Madrid.
69 (Postkarte. Deutsch geschr.)
25/9 59 Herzliche Grüße und Wünsche, lieber Don Älvaro, an Ihre Tochter, mit der Bitte, auch an Ihre verehrte Frau meine Grüße und Wünsche zu übermitteln. In Freiburg erinnere ich mich Ihrer und unserer Begegnung im Jahre 1957. Es lebe Gajus! Bald schreibe ich mehr, für heute nur diese Zeilen Ihres alten und getreuen Carl Schmitt Aus Freiburg Ihnen, hochverehrter Herr Kollege, beste Empfehlungen und Grüße Joseph H. Kaiser 1 1 Es handelt sich um eine Postkarte mit einem Foto des Hauses von J. H. Kaiser in Staufen im Breisgau. Älvaro d'Ors unterhielt einen Briefwechsel mit J. H. Kaiser nur zu Verwaltungsangelegenheiten; er war jedoch einmal in seinem Haus, um ihn zusammen mit Carl Schmitt zu besuchen.
Die Briefe
70 (Spanisch geschr.)
Santiago 19/12/59 Lieber Don Carlos: Ich hätte Sie an diesen Weihnachten gerne in Santiago gesehen. Immer wenn ich Ihre Kinder besuche, vermissen wir Sie. Alfonso arbeitet an einigen sehr „Schmittianischen" Artikeln zur Rechtsgeschichte. Warum fassen Sie nicht den Mut, herzukommen? Müssen wir vielleicht „Feinde erfinden", um Sie anzulocken? Ich weiß schon, dass die Festschrift ein Widerspruch hervorrufendes Buch geworden ist. Ich vermute, dass die Präsenz spanischer Beiträge dazu beigetragen hat, dass noch mehr Feindseligkeiten geweckt wurden, denn Spanien ist immer noch ein bißchen „der schwarze Peter". Über all diesen Lappalien der Menschen steht der Heiland, der in der Krippe von Bethlehem geboren ist. Er möge uns alle Wonne und Frieden bringen und die Freude, Kinder Gottes zu sein! Ich wünsche Ihnen alles Gute Von ganzem Herzen
Älvaro d'Ors
Ich freute mich sehr über Ihre Postkarte aus Freiburg vom 25.9. Ich danke für die Unterschrift von J. H. Kaiser.
71 (Spanisch und Deutsch geschr.)
Plettenberg 12/2 1960 Mein lieber Freund Don Älvaro: Ich habe zwei kostbare Sendungen von Ihnen erhalten: die „Elementos de Derecho Privado Romano" und Ihren Vortrag über „La Guerra en la Antigüedad" 1 . Das erste ist ein wichtiges Buch, dem ich den größten Erfolg als Lehrbuch wünsche. Ich habe mit Genuss und Nutzen viel darin gelesen,
Die Briefe
200
vor allem unseren Gayo [Gaius] mit seiner Vierteilung der Arten, eine Verpflichtung einzugehen (S. 369) und anderes. Die Einteilung sowie die Darstellung des Buches sind klar und transparent; es scheint mir ein Modell eines guten Lehrbuchs zu sein, das didaktische Klarheit und die Strenge der exakten Wissenschaft verbindet. Ich freue mich, dass sie dieses wissenschaftliche Werk zu Ende geführt haben und beglückwünsche Sie. Der Vortrag über den „Krieg im Altertum" erinnert mich auch an viele Unterhaltungen und Ihre Schlussfolgerung (über das Verschwinden der Ursachen, die einen Krieg hervorrufen und den Staat als die wahre Ursache des Krieges) weckt den neuerlichen Wunsch in mir, mit Ihnen über diese Thema zu diskutieren. Ich hoffe, dass dies in einigen Monaten möglich sein wird, wenn ich nach Santiago komme um Anima und Alfonso und meine Freunde, vor allem Sie, lieber Älvaro, wiederzusehen. Ich habe soviel an Sie gedacht, seit den letzten Wochen, weil ich das dicke Buch von Americo Castro über Spanien ganz gelesen habe2. Erinnern Sie sich noch an unsere Unterhaltung auf der Terrasse in Heidelberg? Die Situation Deutschlands ist heute entsetzlich, viel schlimmer als die meisten ahnen, weil sie sich vom Wirtschaftswunder blenden lassen. Ich leide als alter Mann schwer darunter und fühle wahre Kassandra-Depressionen. Was sich heute in Deutschland christlich nennt, ist mehr darauf bedacht, antifaschistisch und in Übereinstimmung mit den Links-Parolen zu bleiben, als den Mut zu sich selbst zu finden. Aber wenn ich Americo Castro lese, sehe ich auch die Problematik Ihres Landes und erschrecke. Ist es wahr, dass der arme Enrique Arboleya 3 sich selbst das Leben genommen hat? Wäre das nicht ein Zeichen schrecklicher Verzweiflung und Desorientierung? Aber ich will nicht klagen, lieber Don Älvaro. Ich hoffe von Herzen, dass es Ihnen und Dona Palmira gut geht, und dass Sie alle sich bester Gesundheit erfreuen, auch die Kinder, insbesondere Ängel. Ich freue mich sehr darauf, Sie alle wiederzusehen, im Mai oder Juni, wofür ich schöne Reisepläne mache, ohne zu vergessen, dass das Leben des Menschen nur 70 Jahre dauert. Durch die Bosheiten Americo Castros ist meine Liebe zu Santiago auf das heftigste entflammt; und was man dem Ikonoklasten Americo Castro erwidern müsste, wäre heftiger und prinzipieller als das, was Quevedo dem Doctor Balboa erwidert hat 4 . Un fuerte abrazo, mi querido Don Älvaro, de su viejo amigo, Carl Schmitt
1 2
Vgl. den Br. v. 13. 2. 1959.
Es handelt sich um das Buch Espana en su historia. Cristianos, moros y judios das zum ersten Mal bei Losada, Buenos Aires, 1948, veröffentlicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt erweckte diese judenfreundliche Version der spanischen Geschichte
Die Briefe Interesse und Kontroversen. Die Zeitschrift Hochland veröffentlichte bereits damals, 1952, drei Abschnitte des Buches; aber der allgemeine Kommentar wurde durch die englische Übersetzung des Buches in Princeton im Jahre 1954 mit dem Titel Structure of Spanish History ausgelöst. Damals fand diese Veröffentlichung auch im deutschen Bereich und im Umfeld von Schmitt Widerhall; Rainer Specht, ein Freund Schmitts, veröffentlichte eine Rezension in Hochland, mit dem Titel „Eine Geschichte der spanischen Seele. Zu Americo Castros The Structure of Spanish History " mit einer sehr positiven Bewertung des Buches, die einige evidente Unterlassungen entschuldigte. 3
Vgl. den Br. v. 14. 12. 1952.
4
Schmitt bezieht sich hier auf den Disput Francisco de Quevedos (1580-1645) über die Schirmherrschaft über Spanien. Quevedo verteidigte in seinem Buch Su espada por Santiago, dass der Schutzpatron Spaniens der hl. Jakob sein sollte, während andere, wie zum Beispiel Dr. Baiboa de Marmolejo und Bruder Pedro de la Madre de Dios, die hl. Therese für geeigneter hielten. Vgl. Francisco de Quevedo, Su espada por Santiago, S. 429 ff.
72 (Spanisch geschr.) Consejo Superior de Investigaciones Cientificas Instituto Juridico Espanol en R o m a E l Director V i a d i V i l l a A l b a n i , 16 5/4/60
Verehrter und lieber D o n Carlos: V i e l e n Dank für Ihren B r i e f v o m 12.2., dem eine Fotografie v o n Ihnen beigefügt war m i t einem Freund, an dessen N a m e n i c h m i c h nicht erinnere, den i c h aber auf der Hochzeit kennenlernte. Gestern sah i c h i m Haus v o n Prof. B e t t i 1 Ihren A r t i k e l über „ D i e Tyrannei der Werte", den i c h lesen möchte. W i r stellten Mutmaßungen an über die Bedeutung der W i d m u n g „ d e n Erbrachern" 2 von 1959. Besteht eine Beziehung zu den Feindseligkeiten, die Ihre Festschrift ausgelöst hat? I c h selbst habe m i c h geehrt gefühlt, auch Spritzer dieses Protestes abbekommen zu haben und vermute, dass i c h m i r auch Feindschaften „zuziehen" werde, wenngleich das nicht gerade ein „contractus" ist.
202
Die Briefe
Innerhalb einer Woche möchte ich wieder i n Santiago sein, u m dort Ostern zu verbringen und meiner geliebten Patentochter Beatriz ein Osterei zu bringen. W a n n werden Sie nach Spanien kommen? I c h habe Lust, m i t Ihnen i n dem einladenden Schatten v o n Calo zu sprechen. Haben Sie die Übersetzung v o n „ E x Capitivitate Salus" 3 gesehen? I c h sah ein Musterexemplar und m i r scheint, sie ist gut. Es überraschte mich, dass die Übersetzung weniger Seiten e i n n i m m t als das Original, denn das Gegenteil pflegt der Fall zu sein. M i r gefiel auch die Übersetzung meines Vaters v o n I h r e m Gedicht des Sechzigjährigen 4 . Sie haben Recht, wenn sie behaupten, dass A m e r i c o Castro „boshaft" ist. Er war es schon i m m e r und vielleicht wegen eines Ressentiments. Es ist schade, dass man i h n i n Deutschland m i t einer Übersetzung geehrt hat, die seine Irrtümer über Spanien verbreiten wird. Spanien hat i m m e r die Presse der ganzen Welt gegen sich gehabt. Das gehört auch zu seinem besonderen christlichen Schicksal. I c h erinnere m i c h i m m e r m i t Zuneigung an Sie und wünsche Ihnen sehr frohe Ostern. Herzliche Grüße v o n
1
Ä l v a r o d'Ors
Vgl. den Br. v. 22. 12. 1953.
2
D'Ors fügte dem Wort ein „ r " hinzu wegen der Konnotationen, die „Erbrachern" mit „Erb" haben könnte. Dennoch bezieht sich die Widmung Schmitts an die „Ebracher" auf diejenigen Personen, die am Seminar von Prof. E. Forsthoff in Ebrach 1959 teilgenommen hatten (vgl. Literaturverzeichnis). Im Umkreis von Ernst Forsthoff (1902-1974) wurden zahlreiche Seminare in Ebrach organisiert, das erste fand im September 1957 statt. Für Schmitt war das eine Gelegenheit, sein Lehramt in einem Augenblick auszuüben, in dem er gänzlich von der deutschen Universität zurückgezogen lebte. Viele Studenten traten durch diese Seminare mit Schmitt in Kontakt. Andere, wie Forsthoff selbst, kannten ihn schon lange; er war Assistent von Schmitt gewesen und von diesem Augenblick an blieb er immer indessen intellektuellen Umkreis. Vielleicht ist er einer der Schmittschüler, die am meisten auf die deutsche Rechtswissenschaft Einfluss ausgeübt haben. A n jenem ersten Seminar nahmen teil auch Arnold Gehlen, Hubert Schrade, Hans Schomerus und Richard Hauser. Andere ständige Gäste dieses Seminars waren: Werner Conze, Günter Rohrmoser, Martin Kriele, Heinrich Lübbe, Reinhart Koselleck, Hans-Joachim Arndt, Dieter Heinrich, Reiner Specht, Heinhard Steiger, Marianne Kesting und Helmut Quaritsch. Die Tradition von Ebrach dauerte bis 1972. (Vgl. v. Laak, Gespräche in der Sicherheit, 5. Kapitel, Universität, S. 179-208.) 3 Ex Captivitate Salus. Experiencias de los anos 1945^47, 1960, übers, von Anima Schmitt de Otero; der von Schmitt eigens geschriebene „Prölogo a la edition espanola", wurde von G. Maschke ins Deutsche übersetzt. 4
Vgl. den Br. v. 30. 12. 1948.
Die Briefe
73 (Postkarte. Spanisch geschr.)
Santiago, 8/8/60 Verehrter und lieber Freund: Von Carballedo aus bin ich für einige Tage nach Santiago gekommen. Herzlichen Glückwunsch zu ihrem großartigen Enkel 1 . Ich vermute, diese neue Wurzel wird an Ihnen zerren, damit sie Ihre Wiederkehr nach Santiago nicht mehr lange hinauszögern werden 2 : Die Anschrift von Marcello Gigante, um die Sie mich baten 3 , ist: Incaricato de Filologia Bizantina in der Fac. di Lettere de Napoli. Morgen kehre ich nach Carballedo zurück. Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors
Möglicherweise wird Sie mein Assistent, Dr. Iur. Burillo 4 besuchen, der sich zur Zeit in München aufhält. 1 Es handelt sich um Carlos Otero Schmitt (geb. 1960), heute Architekt in Santiago de Compostela. 2 Im Mai und Juni 1960 hielt sich Schmitt in Spanien auf; im von Dusanka Otero Schmitt aufbewahrten Familienalbum gibt es Fotos, die diesen Besuch festhalten. 3
Der napolitanische Philologe Marcello Gigante verfasste Schmitt interessierende Werk N O M O S B A Z I A E Y Z , 1956.
das bedeutende,
4 Jesus Burillo los Huertos (geb. 1934) war Assistent von Älvaro d'Ors in Santiago. Er übernahm d'Ors' Lehrstuhl von Santiago, als dieser 1962 nach Pamplona übersiedelte. 1964 erhielt er den Lehrstuhl für Römisches Recht in Murcia, den er heute noch innehat.
74 (Spanisch geschr.)
Santiago, 5/12/60 Verehrter und lieber Don Carlos: Ich habe Ihre Postkarte anlässlich Ihrer Vorlesungen im Seminar von Forsthoff 1 bekommen und durch seine Söhne Nachrichten von Ihnen erhal-
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Die Briefe
ten. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt hegten wir die Hoffnung, Sie diese Weihnachten bei uns zu haben, aber danach sagte man mir, dass dem nicht so wäre. Ich bedaure sehr, nicht in der Ferienzeit mit Ihnen zusammentreffen zu können! Ihr Enkel ist prächtig. Beatriz wächst an Intelligenz und auch sonst; vor kurzem überreichte sie mir ein Geschenk, das mir sehr gefiel: ihren „Bären Eurico"! Sie schläft jetzt friedlich in einem Sessel in unserem Haus und weckt in mir eine große Sympathie, denn auch ich bin von der Sippe der ursi 2, währenddessen ich absolut nichts mit den Affen gemein habe, für die Darwin verständlicherweise eine große Sympathie hegte. Schade, dass Sie nicht kommen, um die Gesellschaft Ihrer bezaubernden Enkel zu genießen! Wir müssen auch zum „Portikus der Kirche" zurückkehren (zum unzutreffend so benannten „Portal de la gloria"). An der Kathedrale von Orense hat der Autor, der den Portikus in Santiago nachahmt, wie ich vor einigen Wochen feststellen konnte (denn ich bin dort auf dem Heimweg von Madrid gewesen, um einen Vortrag zu halten), die Bilder und Symbole von Santiago plump wiedergegeben. Dennoch befinden sich im rechten Bogen die beiden Köpfe, über die wir gesprochen haben, die mehr oder weniger nach dem Vorbild von Compostela gestaltet wurden. Da dieses Portal von Orense weniger als hundert Jahre nach dem unseren erstellt worden zu sein scheint, glaube ich, dass wir Ihre Vermutung der Interpolation der beiden Köpfe ausschließen müssen. Ich verwende die Kriterien der Textkritik, die mir auch in diesem Fall anwendbar scheinen. Man muss eine Interpretation innerhalb des Kontextes suchen, und es scheint mir trotz der Schwierigkeit, die die „Personifizierung" des Gesetzes im 12. Jh. mit sich bringt, wahrscheinlicher, dass diese beiden Köpfe die beiden Gesetze personifizieren, die das Naturrecht auf die Heiden angewendet darstellt: der Inhalt in den Geboten und im Evangelium (nach dem Deere tum Gratianus) 3. Vielleicht wissen Sie bereits, dass ich mich entschlossen habe, einen Ruf auf den Lehrstuhl für Römisches Recht an der neuen Universität von Pamplona (Estudio General de Navarra) 4 anzunehmen. Ich werde, so Gott will, im nächsten Sommer dorthin gehen. Das bedeutet für mich die Erlangung eines neuen anregenderen und europäischeren Ambiente (ich werde viel näher an Deutschland sein!). Aber es liegt mir doch schwer auf dem Herzen, dass ich Ihre Kinder in Santiago zurücklasse; ich bin sicher, dass ich sie nicht vergesse und hoffe doch, mit einiger Häufigkeit nach Santiago reisen zu können. Ich werde auch dafür sorgen, dass Sie auf einer Ihrer Reisen hier Station machen, damit sie dies alles kennenlernen. „El Estudio General" bietet enorme Möglichkeiten, wie wir bald sehen werden; zur Zeit ist seine Medizinische Fakultät die beste in Spanien. Im Gegensatz dazu hat sich die Stimmung an der Universität von Santiago in den letzten Jahren verschlechtert; Alfonso leidet darunter.
Die Briefe
Ich wünsche Ihnen eine glückliche Weihnacht: den Frieden des Jesuskindes und moralische und intellektuelle Freuden trotz aller Widrigkeiten! Herzliche Grüße von ihrem ergebenen Freund
1
Älvaro d'Ors.
Diese Postkarte fehlt in unserer Sammlung.
2
Er spielt auf den Familiennamen Ors an, der auf katalanisch Bär bedeutet. Schon Eugenio d'Ors bekannte sich zu der Sippe der Bären. 3 Wie sich d'Ors erinnert, standen Schmitt, Otero und er oftmals vor diesem Portikus und versuchten verschiedene Interpretationen der Ikonographie. D'Ors kommentierte in einer Unterhaltung vom Juli 2000, dass der Portikus Ausfluss einer großen Bildung ist; bis zu dem Detail hin, dass es zwischen Christen und Juden unterscheidet, denn die ersteren tragen ein Buch und die letzteren eine Rolle. Es ist eine Art der Symbolbildung, die eine weitgehende Kenntnis des Altertums voraussetzt, sodass derjenige, der es entwarf, das Decretum Gratianus aufs Beste kennen musste, das nur vierzig Jahre vor dem Portikus entstand. Deswegen meint d'Ors, dass seine Interpretation, die beiden Gesichter in der rechten Archivolte seien die von Moses und Jesus, aufrecht erhalten bleibt - und nicht ihre übliche Interpretation als Gott Vater und Gott Sohn - und dass sie zugleich das alte und das neue Gesetz symbolisieren, d.h. das Naturrecht nach dem Dekret des Gratianus (vgl. AO, Derecho natural y sentido comün). Schmitt war nicht damit einverstanden, dass es zu dieser Zeit bereits eine Darstellung des Naturrechts gegeben habe, noch dass ein Gesetz durch ein Gesicht wiedergegeben werden konnte. Alle drei stimmten jedoch überein, dass es sich nicht um eine Darstellung des Jüngsten Gerichts handele, des Eintritts in die Glorie; sondern um eine Darstellung derjenigen, die in die Kirche eintreten konnten. In der Archivolte auf der rechten Seite, wo sich die beiden Köpfe befinden, kann man sehen wie diejenigen, die das Naturgesetz befolgen, in die Kirche eintreten - ein Eintritt, der durch einen Finger dargestellt ist, der sie leitet - , während die Sünder, durch Monster auf der rechten Seite symbolisiert, draußen bleiben. 4
Es handelt sich um die Ursprünge dessen was 1962 offiziell im Boletin Oficial del Estado [span. Gesetzblatt] als Universidad de Navarra genehmigt wurde. Bis dahin war es einfach nur das „Estudio General de Navarra". Etwas Übliches bei einer im Entstehen begriffenen Institution, für die es kein Vorbild gab. Der hauptsächliche Verwirklicher dieser neuen Universität, die, wie aus diesem Briefwechsel zu ersehen ist, hartnäckigen Widerstand seitens der staatlichen Universitäten erfuhr, war Ismael Sanchez Bella, Ordinarius für die Geschichte Amerikas in La Laguna im Jahre 1950, der 1952 freiwillig aus dem Dienst ausschied, um nach Navarra zu kommen, wo er die ersten Schritte zur Gründung dieser neuen Universität unternahm. Wenn man Ismael Sanchez Bella (geb. 1922) als den „praktischen" Urheber dieser Universität bezeichnen kann, die erste Privatuniversität in Spanien zu dieser Zeit, dann war der geistige Urheber und hauptsächliche Anstifter der Heilige Josemaria Escrivä de Balaguer (1902-1975), der von einer Universität träumte, die von politischem Trachten frei wäre und hauptsächlich von der Liebe zur Wahrheit geprägt wäre und die ein Klima christlicher Herzlichkeit zwischen Professoren und Studenten sucht. Zu Beginn gab es nur einen Studiengang in Jura. Um dieses Projekt in Angriff zu nehmen, schieden mehrere Ordinarien der spanischen Universitäten freiwillig aus dem Dienst aus und kamen nach Pamplona. (Vgl. Escalafön de Catedräticos numerarios de Universidad, Direction general de Ensenanza Universitaria, Madrid, 1958.) Unter ihnen befand sich Älvaro d'Ors, der nach Pamplona kam, um im aka-
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Die Briefe
demischen Jahr 1961-62 seine Lehrtätigkeit aufzunehmen; er hatte bereits einige Vorlesungen im Jahre 1960 gehalten. Einige der Professoren, die den Universitätsbetrieb aufnahmen, waren früher in Santiago gewesen. So zum Beispiel Lopez Arno, Ordinarius für Rechtsgeschichte; Francisco Gömez Anton für Verwaltungsrecht, der in Santiago promoviert hatte; weiterhin Pedro Lombardia, Ordinarius für Kirchenrecht; Ezequiel Cabaleiro, Ordinarius für Völkerrecht und andere. Wie sich d'Ors erinnert, war der Einfluss von Santiago auf Navarra in den Professorenseminaren zu bemerken. Sie hatten in Santiago bereits Tradition und wurden dann in Navarra eingeführt.
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Plettenberg/Westf.
12/2/61 M i querido amigo: Lieber und verehrter Don Älvaro, Ich habe Ihren langen Brief mehrmals gelesen und das Buch über „Forma de Gobierno y Legitimidad Familiar" 1 und habe intensive Unterhaltungen mit Ihnen im Kopf; leider wird der Weg vom Gedanken zum Manuskript immer länger, wenn der Mensch sich in meinem Alter befindet. Alle meine Hoffnung konzentriert sich auf den Monat Juni, wenn ich nach Santiago zurückkehren werde und von den letzten Wochen mit Ihnen profitieren kann, in denen Sie noch dort wohnen, bevor Sie nach Pamplona umziehen. Ich verschiebe tausend Themen und Punkte auf diese erhofften Gespräche im Juni. Ihr Vortrag über die Regierungsform erinnert mich an unsere Gespräche, aber nicht nur das: er ist ein kleines Meisterwerk, voller Ideen und bewundernswert dargestellt. Ich danke Ihnen sehr für die Übersendung und die freundschaftliche Widmung. Unter den vielen Problemen dieses Themas bedrückt mich am meisten ein Alptraum: die unwiderrufliche Tatsache (die die christdemokratische Politik trotz guten Willens und guter Absichten) eher vorantreibt als verhindert; die Entwicklung der Industriegesellschaft impliziert nämlich verhängnisvoll die Zerstörung des Vaterbildes, denn sie zerstört den oikos und verwandelt die gesamte Gesellschaft in eine Konsumgesellschaft. Ich flehe Sie an, lieber Don Älvaro, lesen Sie noch einmal einige Zeilen der Glosse Nr. 3, Seite 449 meiner Verfassungsrechtlichen Aufsätze über ,Legalität und Paternität 4 ". Es ist für jeden Juristen sehr
Die Briefe
wichtig. Ich bin vollauf einverstanden mit Ihrer These, dass die politische Reflexion eine Frucht der politischen Dekadenz ist, während die Rechtswissenschaft immer ein Produkt der politischen Höhepunkte ist. Der Normativismus Kelsens ist reine Fiktion; der Dezisionismus (mir von Caamano und anderen per nefas zugeschrieben) ist reine Verzweiflung; der Institutionalismus, (der den notwendigen normativistischen und dezisionistischen Anteil impliziert), setzt wahrhaftige Institutionen und Ordines mit „gültiger Disziplin" 2 voraus. Es ist für mich eine bedrückende Vision, als alter und schwacher Mensch dieser unaufhaltsamen Entwicklung zuzusehen. Es war der Irrtum meiner Generation vom Faschismus und von Hitler eine heilbringende Orientierung und Wende zu erwarten. Ein Artikel in der berühmten katholischen Zeitschrift „Hochland" 3 meines jungen Freundes Ernst-Wolfgang Böckenförde hat gezeigt und bewiesen, dass dieser Irrtum 1933 vom gesamten deutschen Episkopat mitgetragen wurde. Heutzutage ist der deutsche politische Katholizismus in erster Linie antifaschistisch, bevor er katholisch ist, aus Angst vor dem verlorenen Zweiten Weltkrieg; eine unnötige Angst wie man aus den Lektionen ersieht, die Präsident Kennedy heute der Bundesrepublik erteilt. Ich habe Anima den Artikel von Böckenförde geschickt; wenn es Sie interessiert, können Sie die Schlussfolgerungen über die „indirekte potestas" am Ende dieses beeindruckenden Artikels lesen, der unter Katholiken eine tiefe Erschütterung hervorgerufen hat und dessen Wirkung auf die Wahlen im Monat September - die einzige echte Sorge der deutschen Christdemokraten - enorm zu sein scheint. Wenn ich dieserart von meinen Sorgen rede, sollen Sie nicht glauben, dass ich ein bisschen das Interesse an allem verloren habe, was Sie und Ihre Familie anbelangt. Ich spreche und schreibe aufrichtig, um Ihnen meine unveränderliche Zuneigung und meine Ungeduld, Sie bald wiederzusehen, verständlich zu machen. Grüße an Dona Palmira, an die Jungen und Mädchen (besonders - natürlich - an meinen Freund Angel) und ein liebevolles „hasta la vista ante las dos cabezas"4. Ihr alter
1
Carl Schmitt
Vgl. Br. v. 5. 11. 1958.
2
Diese These von Schmitt en detail in Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens dargelegt worden. Bereits hier findet sich die Distanzierung Schmitts von Dezisionismus. I m vorliegenden Brief ist Schmitts Interpretation seiner eigenen Haltung eindeutig. Dass er einen Ort für die Entscheidung in seiner juristisch-politischen Theorie fordert, bedeutet noch nicht, dass er Dezisionist ist. 3 Es handelt sich um den Artikel „Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933. Eine kritische Betrachtung 4'. Der Aufsatz wurde des öfteren nachgedruckt und löste eine heftige Debatte im deutschen Katholizismus aus. Böckenfördes Hauptthese war, dass das Verhalten des deutschen Episkopats:
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„weit mehr von dem in ihrem Wert für das Gemeinwohl überschätzten bona particularia, von Religion, Kirche und Schule als von der Verpflichtung für das Ganze bestimmt gewesen sei". Hürten, Deutsche Katholiken, S. 164. Vgl. auch den Abdruck dieses Aufsatzes mit zwei ausführlichen Stellungnahmen Böckenfördes zu seinen Kritikern in: Böckenförde, Kirchlicher Auftrag, S. 30-122. 4
Dies bezieht sich auf die beiden Köpfe der rechten Archivolte des Portico de la Gloria. Vgl. den Br. v. 5. 12. 1960.
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Plettenberg 2. Mai 1961
Mein lieber Freund, Don Älvaro: Ich lese mit großer Anteilnahme Ihre beiden Artikel. Es ist schwierig für mich zu sagen, welcher der beiden mich mehr beschäftigt und beeindruckt und welches Problem für mich „existentieller" ist: das des Ausnahmezustands1 oder das Problem der Jurisprudenz 2 . Die Figur Ciceros ist in beiden Problemstellungen impliziert. Ich erinnere mich an eine Unterhaltung mit Ihnen in Santiago über den Tod Ciceros und sein „tedium vitae" 3 . Diese Art mit Ihnen mittels des geschriebenen Wortes zu reden, ist wunderbar und dann Ihre Stimme zu hören bei der Lektüre Ihrer Artikel. Es ist wunderbarer als das Telephon und das Radio. Die Figur Ciceros beschäftigt mich seit einem halben Jahrhundert; aber erst jetzt erkenne ich seine Weitsicht und seinen „tiefen Widerspruch" (S. 102). Es gibt so viele glänzende „ape^us" in den beiden Artikeln, sodass es unmöglich ist, alle Anregungen in einem Brief auszuschöpfen. Ich beschränke mich auf zwei Anmerkungen: 1. Die Unterscheidung zwischen den beiden Arten von „Diktatur", die Sie zu Recht einführen (S. 13), wurde in meinem Buch über die Diktatur behandelt und hat einen allgemein anerkannten terminus technicus gefunden: kommissarische (eine außergewöhnliche aber normale Macht) und souveräne Diktatur (ein Ausnahmezustand mit dem Ziel, eine völlig andere Verfassung einzuführen). Es gibt eine Glosse zu dem allgemeinen Problem, S. 261 meiner Verfassungsrechtlichen Aufsätze (1958). 2. Das Thema der Rechtswissenschaft, das Sie meisterhaft behandeln in der Antithese des hellenistisch-rationalistischen Denkens und der klassischen römischen Jurisprudenz - Cicero und Quinto Mucio Esce-
Die Briefe
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vola der Pontifex (S. 94) wurde von mir behandelt in einer Glosse der Verfassungsrechtlichen Aufsätze (1958), S. 427 - in der Antithese des Philosophen Hegel und des Juristen Savigny. Es war das Thema eines Vortrags in Madrid im Mai 1944, den Ihr Vater Don Eugenio gehört hat 4 und über den er sagte, dass Savigny ihm ein bisschen „überholt" 5 vorkomme. Es wäre wichtig, diese beiden Verbindungen etwas weitergehend zu vergleichen: Cicero/Quinto Mucio Escevola und Hegel/Savigny. Ich danke Ihnen sehr, lieber Freund, für diese beiden kostbaren Geschenke. Auch für die Postkarte aus Pamplona; es scheint eine wunderbare Stadt zu sein. Ich reise hier am 6. Juni ab über London und Vigo und hoffe, Sie in Santiago zu treffen. Alfonso und Anima werden Ihnen von meinen Plänen für den Sommer erzählt haben. Werden Sie die Ferien mit Ihrer Familie auf Ihrem Grundstück in Gallizien verbringen? Ich hoffe sehr. Mit vielen herzlichen Grüßen und Wünschen für Sie, lieber Don Älvaro, für Dona Palmira, Ihre Kinder (besonders meinen Freund Ängel) und in der Erwartung eines guten Wiedersehens im Juni bleibe ich stets Ihr alter und treuer 1
Carl Schmitt
Es handelt sich um den Artikel „Cicerön, sobre el estado de exception".
2
Es handelt sich um den Artikel „Roma ante Grecia: Educaciön helemstica y jurisprudencia romana. 3
Vgl. Br. v. 20. 6. 1955.
4
Es handelt sich um den Vortrag „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft", den er auf Spanisch gehalten hat. 5
In der Tat hat Eugenio d'Ors i m Arriba 16. 5. 1944 diesem Vortrag einen Kommentar mit dem Titel „Karl Schmitt y la ciencia del Derecho" eine Glosse gewidmet (vgl. Br. v. 30.12.1948). Darin kritisierte er liebevoll den Pessimismus des deutschen Juristen bezüglich der Zukunft der Rechtswissenschaft. Er kritisierte auch das Gegenmittel, das er vorschlug, nämlich zu Savigny zurückzukehren, den E. d'Ors als Historizisten und folglich als Relativisten tadelte.
14 Herrero
210
Die Briefe
77 (Spanisch geschr.)
Santiago, 11.5.61 Lieber und verehrter Don Carlos: Nach der Rückkehr von einer kurzen Reise zu einer sehr interessanten Tagung im Paular (einem Benediktinerkloster im Guardarramagebirge) 1, an der ich mit einem Vortrag über das Thema „Fortschritt und Christentum" teilnahm, fand ich einen Berg Korrespondenz vor, der auf mich wartete, darunter auch Ihren Brief, den ich wie immer mit großem Interesse und Nutzen gelesen habe. Ich stehe in Ihrer Schuld, weil ich noch nicht auf Ihren Brief vom 12.2. geantwortet habe, der vor mir liegt. Auch ich erwarte Ihr Kommen, um mich unterhalten und auch zuhören zu können, aber ich will nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen, ohne auf Ihre freundlichen Briefe zu antworten, die immer voller Anregungen und Aufschlüsse sind. Ich habe in der Tat den Artikel von Böckenförde gelesen. Kurz darauf schrieb ich einen Artikel für eine Madrider Zeitung, aber er wurde unerwarteterweise zensiert und ich besitze auch keine Kopie. Ich versuchte zu gleicher Zeit die Tatsache zu erklären, dass die Katholiken am Ende Hitler seinen Feinden vorzogen und dass die kirchliche Hierarchie nicht mit politischen Kriterien in die Politik eingreift, denn das ist nicht ihre Aufgabe, sondern nur die, dafür zu sorgen, dass gewisse Grundrechte so gut wie möglich gewahrt bleiben. Ich glaube, dieser Autor hat die Aufgabe der hierarchischen Kirche in der Politik nicht begriffen und verwechselt diese anomale Intervention mit der notwendigen und normalen der Christen. Anders ausgedrückt, er vergisst, dass die Kirche als solche mit dem eigentlichen Staat unvereinbar ist 2 . Ich danke Ihnen sehr für die Übersendung des Artikels von de Roussel3 und seinen Fragebogen, den ich natürlich nach der Absicht des Autors beantworten werde. Die Vertretung aller Juden durch den Staat Israel ist etwas Unglaubliches und gegen alle Vernunft, aber die Blindheit unserer Zeit läßt es zu. Dieselbe Blindheit, die geschickt die Kriegsverbrechen ausnutzt, jedoch zum Beispiel den deutschen Arzt Axel Dohm in Frieden lässt, der sich, wie ich kürzlich in der Zeitschrift „Stern" gelesen habe, damit brüstet mehr als 1500 Frauen sterilisiert zu haben. Sie müssen mir verzeihen, dass ich in vielen meiner Schriften vergesse, Schmittsche Zitate einzufügen, die sehr angebracht wären, und ich beziehe mich nicht darauf, dass das Wesen eines Vortrags diese Bedenken entschuldigt, sondern darauf, dass ich selbst mich in einem solchen Maße in Ihrer Schuld fühle, dass es unmöglich wäre, all das anzumerken, was direkt oder
Die Briefe
211
indirekt von C. S. stammt. So kommt es, dass ich versuche, außer sonstiger allgemeinerer Erklärungen wie die des „ . . . nomicen autem vestro", die in der Hausbar von Alfonso und Anima eingeritzt ist 4 (übrigens, rufe ich Sie am Ende eines Epilogs in einem Buch von mir in Erinnerung; es ist gerade erschienen, eine Sammlung von „Papeles del oficio universitario", von der ich Ihnen ein Exemplar gebe, wenn Sie hierher kommen, denn man hat es mir noch nicht geschickt), in fast allen meinen Schriften Ihren Namen zu erwähnen, um damit kundzutun, dass ich immer noch unter Ihrer geistigen Obhut stehe. Vielleicht spielt auch die Faulheit eine Rolle ..., aber Sie wissen, dass ich immer mit dem größten Genuss Ihre mächtige Präsenz in meinem gesamten Denken darzulegen versuche 5. Auf jeden Fall, Ihr Hinweis auf die „Verfassungsr. Aufsätze", S. 449 Nr. 3 auf Jules Michelet war etwas, was ich unter keinen Umständen hätte vergessen dürfen 6 . Außer diesem Hinweis ist in dem Brief zweifelsohne Ihre Anmerkung von Gewicht, dass die Industriegesellschaft dazu neigt, das Bild des Vaters zu verwischen und ich füge hinzu, auch jeglichen Begriff von Legitimität. Es ist unleugbar und ich selbst mache nichts anderes, als den Erfolg der Demokratie gerade auf diesem Weg zu erklären. Ich hege jetzt die Hoffnung, dass die Familienstruktur neuerlich durch die Verwendung der Atomenergie wiederhergestellt werden kann, die durch die problemlose Verteilung dazu beitragen kann, dass die Industrie zerstreut und in halburbanen Strukturen einer gemischten Wirtschaft in das Landleben eingegliedert wird, in dem die Familie wieder zum Mittelpunkt werden kann. Spanien als weniger industrialisiertes Land lebt noch dieses Gefühl der Familie und daher kann man an eine monarchische Restauration denken. Ich glaube, ich habe Ihnen noch nicht von einem kleinen Fund erzählt. Mir scheint, ich habe den christlichen „Nomos der Erde" gefunden in einer Passage von Leo X I I I {Rerum novarum, Kap. 7) der folgendermaßen lautet: „Die Erde, auch wenn sie unter Privatpersonen aufgeteilt ist, dient immer noch dem Nutzen aller". Das bedeutet, die Kirche akzeptiert die gegenwärtigen Teilungen und ihre Abänderungen, aber hält dafür, dass die Besitzer zum Gemeinwohl nach Maßgabe ihrer Parzelle beitragen. Das hat vielleicht den Anschein einer Banalität, aber ich glaube, es ist das Tiefste, was man über die Haltung der Kirche bezüglich der historischen Aufteilungen des Bodens gesagt hat. Das Verb „dient immer noch" (ich habe den lateinischen Text nicht zur Hand) ist sehr nuanciert, denn es scheint die Anerkennung zu implizieren, dass der allgemeine Besitz in gewisser Weise hervorragend ist und nicht ohne Konsequenzen für die Verteilung des Ertrages bleiben kann 7 . Von all dem reden wir nach Ihrem Gutdünken, wenn Sie kommen. Im letzten Drittel des Monats Juni fahre ich möglicherweise nach Rom oder nach Pamplona, um die Möbel in unsere neue Wohnung zu bringen, oder 14*
212
Die Briefe
aber ich mache keins von beiden und verlege den Umzug auf den Monat August. In diesem Falle werde ich im Monat Juli hauptsächlich in Santiago sein. Nach Carballedo möchte ich fahren, wenn ich von Pamplona zurückkehre, um einige Wochen auf dem Land auszuspannen. Anfang September reise ich vielleicht mit Palmira für einige Tage nach Portugal, einer Einladung des Pater Cruz folgend 8 . Mitte September muss ich hier noch Prüfungen abnehmen und am Ende, so Gott will, wird der persönliche Umzug der Familie (in einem Kleinbus) stattfinden. Ich bin froh, wenn diese ganzen Umzugswirren vorüber sind und ich in meinem neuen Wohnsitz in Navarra eingerichtet bin, das Sie besuchen müssen; es ist eine andere Welt, aber voller interessanter Dinge. Die neue Universität, ein neuer Lebensabschnitt voller Illusionen für mich; aber die staatlichen Universitätsprofessoren scheinen dies nicht verstehen zu wollen, denn die liberale Staatsallmacht scheint in ihren Herzen Wurzel gefasst zu haben. Man muss hoffen, dass sie angesichts der Evidenz einsichtig werden, aber wenn das nicht geschieht, ist es auch nicht schlimm 9 . Prof. Betti ist gerade in Pamplona gewesen und verstand sogleich, dass dies etwas Vielversprechendes ist. Meine ganze Familie dankt für Ihre Grüße und wünscht, Sie hier zu sehen. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise. Viele herzliche Grüße
Älvaro d'Ors
1 Diese Zusammenkünfte wurden von Florentino Perez Embid (1918-1974) organisiert; er war Ordinarius für Geschichte an der Universidad Complutense in Madrid und während der Franco-Zeit in der spanischen Kulturszene sehr einflussreich. Er war enger Mitarbeiter von Calvo Serer in der Zeitschrift Arbor; und Generaldirektor von ,Bellas Artes' [Akademie der Schönen Künste] und Direktor der »Propaganda' 1951; Rektor der UIMP [Internationale Sommeruniversität Menendez Pelayo] von 1967-1974 und gründete aus persönlicher Initiative den Verlag Rialp. Er gab die Schriftenreihe „O Crece o Muere" heraus, in der 1951 Schmitts Vortrag La unidad del Mundo erschien; Schmitt schätzte sein Buch Los Descubrimientos del Atläntico y la Rivalidad Castellano-Portuguesa hasta el Tratado de Tordesillas, wegen der dort ausführlich dargestellten Problematik der „raya". Er versuchte periodisch im Paular spanische Intellektuelle aller Tendenzen zusammenzurufen, um über aktuelle Themen zu sprechen. 2 Dieser Böckenförde kritisierende und die Haltung des deutschen Klerus verteidigende Artikel erschien aber am 13. 5. 1961 in der Zeitung „ E l Alcäzar" u.d.T. „Culpas que no lo son". 3 William (später: Guillermo) Gueydan de Roussel (1908-1997) als Sohn französischer Eltern in Lausanne geboren, studierte in Genf, Paris, Berlin und Wien (Konsularakademie). Er lernte Schmitt 1933 in Berlin kennen, als er dort seine Dissertation L' evolution du pouvoir executif en Allemagne (1919-1934) vorbereitete. Er übersetzte zwei Werke Schmitts ins Französische und versah sie mit einer Einführung und einem Vorwort; Legalite - Legitimite, 1936, und Considerations politi-
Die Briefe ques, 1936. Seine Schrift über Schmitt „Carl Schmitt, filösofo, catölico y confesor", ist bekannt geworden. Als Kollaborateur zum Tode in Abwesenheit verurteilt, wanderte er 1948 nach Argentinien aus. Von Argentinien aus versuchte er eine Reise für Schmitt vorzubereiten, der Versuch misslang jedoch, weil Schmitt 1951 seinen deutschen Reisepass nicht rechtzeitig bekommen konnte. Über Gueydan und Schmitt vgl. Dotti, Carl Schmitt en Argentina, S. 121-133. 4 Im Hause seiner Tochter und seines Schwiegersohnes kann man den von Älvaro d'Ors eingeritzten Satz lesen, mit dem er sich als in der Schuld seines Vaters stehend bekennt und zwar in der von E. d'Ors in der Logik und der von C. Schmitt in der Nomik „PATRI S Y N T A X I N DEBEO NOMICEN A U T E M VESTRO" und den von Schmitt eingravierten Satz, der mit dem auf seinem Grabstein eingravierten identisch ist: „ K A I N O M O N ' E T N O " [er kannte das Gesetz]. 5
Hier sollte man, entgegen dem, was d'Ors hier anführt, vielleicht klarstellen, dass er sich auf sein gesamtes Denken in Bezug auf allgemeine Fragestellungen oder die Grundlegung der Rechts- und der Politikwissenschaft bezieht. Indessen nicht auf den zentraleren Aspekt des d'Orsschen Denkens, nämlich auf das Römische Recht, das westgotische Vulgärrecht und die juristische Epigraphie. 6
D'Ors fügte nachträglich das Zitat Schmitts aus Michelets Schrift „Pologne et Russie", Paris, 1852, in seine Vorlesung über Legitimität von 1977 ein: „La loi, le gouvernement de l'homme par lui meme. Plus de peres!". AO, Ensayos de Teoria Politica, S. 150. 7
D'Ors führte diesen Gedanken weiter aus in La posesiön del espacio.
8
Er hatte bei Älvaro d'Ors in Santiago promoviert. Danach wurde er zum Priester geweiht. 9 Es gab eine Kampagne gegen Älvaro d'Ors in Santiago, weil er an die neue Universität von Navarra ging und die staatliche von Santiago verließ.
78 (Spanisch geschr.) Estudio General de Navarra 14/12/61 Lieber D o n Carlos: Unser U m z u g nach Pamplona über die kastilische Hochebene hatte Züge einer epischen Völkerwanderung: es fehlt noch vieles, bis w i r vollständig untergebracht sind, aber es geht uns gut. D i e i m Entstehen begriffene U n i versität hat m i t Schwierigkeiten zu kämpfen, bietet aber auch viele A n reize; i c h b i n sicher, dass hier eine sehr gute Universität entstehen w i r d . A b e r darüber sprechen w i r , wenn Sie hierher kommen. Ihre E i n l a d u n g 1 ist
214
Die Briefe
von der Universitätsverwaltung genehmigt worden und ich schlage Ihnen vor, das Datum vom 15.3. wahrzunehmen, denn Sie müssen am 17. in Zaragoza sein. A m Freitag, dem 16., könnte Alfonso ein Colloquium im Professorenseminar halten, das jeden Freitag veranstaltet wird, die Universität hat ihn bereits eingeladen, auch mit einer kleinen Vergütung. Wie ich Alfonso sagte, habe ich in unserem Haus ein Zimmer mit zwei Betten, man könnte sogar noch ein kleines Bett für Beatriz dazustellen; ich hoffe, dass es zu diesem Zeitpunkt frei ist (vorher ist es nämlich von Vettern von mir belegt, die aus Paris zu Besuch kommen). Ich freue mich auf die Ankunft aller. (Für Sie ist eine respektablere Unterkunft vorgesehen.) Jetzt zu meiner Reise nach Deutschland. Ende Februar habe ich vor, auf dem Weg von Rom nach Glasgow nach Deutschland zu fahren. Ich möchte am 28.2. in Glasgow sein, denn ich soll dort am 1. und 2. März einen Vortrag halten. Der hauptsächliche Zweck meiner Durchreise durch Deutschland ist ein Besuch bei Prof. Carl Schmitt und daher habe ich keinen Vortrag angenommen und glaube, ich werde es auch nicht tun. Prof. Wieacker 2 schlug mir vor, nach Göttingen zu kommen. Prof. Kunkel 3 hat mir auch geschrieben, als er erfuhr, dass ich nach Deutschland reise; wie er mir sagt, hat die Bundesregierung dem Europarat eine Einladung der Universität München für mich vorgelegt und hofft, dass sie genehmigt wird, um mich noch einmal im nächsten Jahr einzuladen; vorläufig würde ich einen Vortrag auf bescheidenem finanziellen Niveau halten. Im Augenblick habe ich keine anderen Einladungen, fürchte aber, dass sie aus Hamburg oder Freiburg eintreffen könnten, wenn man erfährt, dass ich nach Deutschland reise. Dies alles bedrängt mich sehr, denn die sprachlichen Schwierigkeiten und auch die Zeitnot hemmen mich einigermaßen. Möglicherweise - ich habe noch keine Zusage gegeben - verschiebe ich diese Vorträge auf das nächste Jahr und reise jetzt inkognito nur über Köln (um den Freund Günther Krauss zu sehen) und über Plettenberg. Danach würde ich nach London fahren, ohne über Paris zu reisen. Nach Paris muss ich bei meiner Rückkehr aus England fahren, so gegen den 9. März (am 9. habe ich einen Vortrag in London). Zu diesem Zeitpunkt werden Sie vielleicht unterwegs nach Spanien sein und wir könnten unsere Reisen so abstimmen, dass wir uns an irgendeinem Ort treffen und gemeinsam nach Spanien fahren. Es wäre schön, wenn Anima und Alfonso uns an der Grenze abholen könnten (ich würde meine Patentochter auf den Schoß nehmen) und wir würden zusammen in Pamplona ankommen. Wie Sie sehen, überschneiden sich unsere Reiserouten nicht nur, sondern sie kombinieren sich auch aufs Beste in der Hoffnung, dass im nächsten Jahr wieder etwas Ähnliches geschieht. Und auch dass wir uns im Sommer in Santiago sehen, denn wir haben vor, nach Carballedo zu fahren und ich werde häufig nach Santiago kommen.
Die Briefe
Inzwischen glaube ich den Grund des Lachens von Daniel im „Pörtico de la Gloria" 4 entdeckt zu haben: es ist das Lachen des Vegetariers: vgl. das Buch Daniel 1, 12 „ . . . lass uns nur pflanzliche Nahrung zu essen und Wasser zu trinken geben! ... (15) A m Ende der zehn Tage sahen sie besser und wohlgenährter aus als all die jungen Leute, die von den Speisen des Königs aßen . . . " Ich bedaure, dass Sie, der Sie wie ich, weder Abstinenzler noch Vegetarier sind, diese Erklärung nicht überzeugt. Wir werden in Santiago diesen Sommer darüber reden. Heute wünsche ich Ihnen, dass der Segen des Himmels auf Sie herabkomme und dass sie eine fröhliche Weihnacht verbringen mögen; alles Gute für das Neue Jahr. Fröhliche Weihnachten! Herzliche Grüße von
Älv. d'Ors
1
Es handelt sich um eine Einladung zu einem Vortrag an der Universität von Navarra. 2
Vgl. Br. v. 5. 4. 1958.
3
Vgl. Br. v. 10. 10. 1956.
4
Er fährt fort mit den Hinweisen auf die zahlreichen Unterhaltungen, bei denen Alfonso Otero, Älvaro d'Ors und Carl Schmitt vor dem berühmten Portikus von Compostela Interpretationsversuche über das dort Dargestellte anstellten. (Vgl. Br. v. 5. 12. 1960) Wie wir bereits erwähnten, war der, der am meisten zu denken gab, Daniel.
79 (Spanisch, geschr.)
Plettenberg 14/1/62 Lieber Freund: Ich bitte Sie, meine Verspätung und mein langes Schweigen zu verzeihen. Ich habe Ihren Brief bekommen. Aber ich war zwei Monate in einer Klinik und habe mich einer üblen Operation unterzogen 1. Jetzt bin ich in guter Konvaleszenz und die Ärzte versichern mir, dass ich im Monat März das geplante Unternehmen wagen kann.
216
Die Briefe
Ich erwarte Sie hier im Februar und März, stehe immer zu Ihrer Verfügung und bereite alles vor, um schnell nach Ihren Anordnungen bereitstehen zu können. Mein Freund Wolfgang Böckenförde hofft, dass er noch einen Vortrag in Münster arrangieren kann und verhandelt mit dem Romanisten Nörr 2 ; nur Anfang März ist nicht günstig, denn das Semester läuft Ende Februar aus und in den Ferien gibt es keine Vorlesungen. Aber wie auch immer, ich erwarte Ihre Nachrichten über das Ankunftsdatum und den Aufenthalt in Deutschland und den Termin ihrer Rückreise. Könnten wir Sie, sei es von Deutschland, sei es von Paris oder einem anderen Ort aus zusammen unternehmen? Ich bin in Sorge wegen der Kombination der Termine (16. März in Zaragoza). Ich schreibe zur gleichen Zeit an den Estudio General de Navarra, D. Francisco Sanmarti Boncompte, Direktor des Auslandsamts (um seinen Brief vom 5. Dezember zu bestätigen); er hatte den 15. März vorgeschlagen; ich weiß nicht, ob ein Datum ein oder zwei Tage vor Saragossa nicht besser wäre (16. März), aber ich bin mit allem einverstanden. Ich bitte Sie, lieber Don Älvaro, dem Direktor meine Verspätung zu erklären und mich zu entschuldigen wegen meiner Krankheit. Meine (verspäteten) Wünsche für das Neue Jahr 1962 und grüßen Sie von mir Dona Palmira, die, so hoffe ich, mit ihrem neuen „Raum" in Pamplona zufrieden ist! Ich werde glücklich sein, sie wiederzusehen, lieber Don Älvaro, und Ihre Neuigkeiten zu hören über Sie selbst und Ihre Familie. Herzliche Grüße von Ihrem alten Freund Carl Schmitt 1 Schmitt informierte Möhler folgendermaßen über den Eingriff: „ M . 1. A. A m 4/12 haben sie mir hier in Iserlohn die Prostata ektomiert. Tant mieux. Die Nachbehandlung ist lästig, aber man versichert mir, ich wäre Weihnachten wieder zu Hause in Plettenberg. Dies die Lage. Clemenceau pflegte zu sagen: dies oder dies c'est aussi superflu comme la prostata". Vgl. Carl Schmitt-Briefwechsel Brief Nr. 268, S. 312. 2
Dieter Nörr (geb. 1931) Romanist, Mitherausgeber der „Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und zur antiken Rechtsgeschichte", schrieb u.a.: Divisio und partitio, 1972; Rechtskritik in der römischen Antike, 1974; Causa mortis. Auf den Spuren einer Redewendung, 1986.
Die Briefe
80 (Spanisch geschr.)
Consejo Superior de Investigaciones Cientificas Instituto Juridico Espanol en Roma El Director Via di Villa Albani, 16 Pamplona, 23/1/62 Lieber Don Carlos: Ich habe durch Alfonso erst vor einigen Tagen von Ihrer Operation erfahren; aus Ihrem Brief ersehe ich, dass es Ihnen, Gott sei Dank, besser geht und dass Sie nach Pamplona kommen können. Da es von Pamplona nach Saragossa nur 3 oder wenig mehr Autostunden sind, sehe ich keine Schwierigkeit, dass Sie noch am 16. abfahren - das Seminar von Alfonso wird um sieben Uhr abends zu Ende sein - (die Professorenseminare finden immer am Freitag statt), um dann in Saragossa zu übernachten; Sie können vielleicht unterwegs zu Abend essen, wenn Sie nicht zu spät essen wollen. Somit könnte Ihr Vortrag am 15. stattfinden 1. Wenn Ihnen dieser Plan jedoch sehr ungelegen kommt, können wir ihn ändern und das Ganze einen Tag vorverlegen. Auf jeden Fall können wir beide von Paris aus am 12. gemeinsam reisen, um so mehr Zeit zusammen zu sein. Ich dachte von London aus am 8. nach Paris zu fahren, wollte aber zwei Tage dort bleiben, um einige Verwandte zu besuchen. Meine Reise nach Deutschland ist immer kürzer geworden. Ich glaube, Ihnen gesagt zu haben, dass ich die Vorträge auf den nächsten Kurs verschoben habe (November 1963?) und jetzt gerade die Einladung vom Europarat bekommen habe. So habe ich vor, nur nach Plettenberg und Köln zu kommen. Mein Freund G. Krauss schreibt mir von einer guten Flugverbindung, um am 28. von Köln nach Glasgow zu reisen. Das Schlimmste ist jedoch, dass meine toskanischen Freunde wünschen, dass ich am 24.2. nach Florenz komme. Das heißt, dass für Deutschland nur die Zeit vom 26. bis 28. morgens übrig bleibt. Ich versuche, die beste Möglichkeit herauszufinden, um am 26. nach Plettenberg zu gelangen und am 27. nach Köln; dort erwartet mich Günther Krauss. Es wird wenig Zeit bleiben, um mit Ihnen zusammen zu sein, es bleibt mir jedoch der Trost, dass wir uns unmittelbar darauf sehen werden. Unser späterer Treffpunkt könnte Paris sein, wenn es Ihnen recht ist; es sei denn, Sie hatten nicht vor, über Paris zu fahren. Bestimmen Sie, wo ich Sie am 10. März in Paris finden kann. Dann werden uns Anima und Alfonso in Irün abholen und hoffentlich auch Beatriz, und wir werden mit Ihnen nach Pamplona fahren.
218
Die Briefe
Ich habe vor, am 11. oder 12. von Pamplona abzureisen; von Madrid nach Rom (obige Anschrift) am 15.; von Rom ab am 24. Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors.
1 In der Tat fand der Vortrag im Estudio General de Navarra am 15. März 1962 im Festsaal des Museums von Navarra statt und handelte über „Teorias modernas del partisano" [Moderne Theorien vom Partisanen], deren Rezension im Diario de Navarra vom 16. 3. 1962 zu finden ist. Denselben Vortrag wiederholte er am 17. 3. 1962 am Lehrstuhl Palafox von Saragossa, wo er veröffentlicht wurde. Aus diesem Vortrag entstand Schmitts Schrift Theorie des Partisanen.
81 (Spanisch geschr.)
Consejo Superior de Investigaciones Cientificas Instituto Juridico Espanol en Roma El Director Via di Villa Albani, 16 17/2/62 Lieber Don Carlos: Heute erhalte ich Ihren Brief 1 und bestätige mein Vorhaben, am 26. nach Plettenberg zu kommen 2 . Ich weiß noch nicht, welche Züge es von Köln aus gibt, aber ich würde mit dem ersten Nachmittagszug fahren. A m Nachmittag des 27. würde ich mit dem ersten, nicht allzu frühen Zug nach Köln zurückfahren. Ich stehe schon mit Freund Günther Krauss in Verbindung wegen meiner Ankunft und Unterbringung in Köln. Meine Absicht ist, am 25. in Köln anzukommen, in einem Flugzeug (der Lufthansa), das sehr spät aus Mailand mit Zwischenlandung und Umsteigen in Frankfurt ankommt. A m 28. nehme ich das Flugzeug nach Glasgow. Der 12. als Datum für die Pamplonareise scheint mir sehr günstig. Es wäre gut - und in diesem Sinne schrieb ich an Alfonso - wenn sie einen Tag zuvor nach Pamplona führen, um zuhause eine Nacht auszuruhen und die Koffer dort zu lassen, denn das Auto ist klein und ich habe einen ziemlich großen Koffer dabei. Vielleicht könnten Sie darauf hinweisen, wenn Sie ihnen schreiben. Palmira erwartet sie.
Die Briefe
Bei den Treffen mit deutschen Freunden besteht immer die Schwierigkeit meiner praktisch nicht vorhandenen Deutschkenntnisse, aber ich werde sehr gern mit allen zusammentreffen, die Sie für angebracht halten. Bis bald. Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors
Fraga Iribarne hat mir von der Veranstaltung erzählt, die man am 21. März für Sie in Madrid im Instituto de Estudios Politicos geplant hat 3 . Gerne würde ich daran teilnehmen, aber ich weiß noch nicht, ob es möglich sein wird, denn am Vorabend muss ich in Bilbao vor einem weitgehend feindlich gesinnten Publikum einen sehr heiklen Vortrag zum Gedenken an die Befreiung dieser Stadt im Jahre 1937 halten. Ich bedaure die Unanehmlichkeiten, die ich Ihnen bereiten werde, wenn ich eine Nacht in Plettenberg übernachte, es scheint mir jedoch nicht möglich, am selben Tag an- und zurückzureisen. Ich habe gesehen, dass der Zug einen großen Umweg macht und es ist nicht möglich umzusteigen. Wie dem auch sei, ich bitte Sie jedwede Änderung G. Krauss mitzuteilen. [an den Rand geschrieben] Wir können in San Sebastian zu Abend essen und nachts in Pamplona ankommen, von San Sebastian nach Pamplona sind es nicht mehr als zwei Stunden.
1
Dieser Brief fehlt in der Sammlung.
2
Älvaro d'Ors notierte kurz in seinem Cuaderno LV [Okt. 61-Mai 62] aus der Reihe von Heften mit hauptsächlich bibliographischen Anmerkungen, den Plan seiner Reise so wie sie durchgeführt wurde: er war am 27. In Plettenberg und besuchte den Friedhof, auf dem die Frau von Schmitt Duska Schmitt-Todorovic (1903-1950) begraben liegt. A m 28. Reise per Flugzeug nach Glasgow und London. Danach war er auch in Oxford. D'Ors erinnert sich an eine Anekdote aus der Unterhaltung, die er damals mit Schmitt führte. Als er Schmitt den Text seines Vortrags zeigte, riet dieser ihm, nicht so anzufangen, wie er es vorhatte, weil die Vorträge und Artikel immer mit einem kurzen Satz beginnen sollten. So verbesserte d'Ors seine Vorlage und begann mit „Hate is not a term of law". Ein Satz, der Schmitt sehr gut gefiel und den er häufig wiederholte. Der Satz steht sogar im Familienalbum von Anima Schmitt, das ich dank der Großzügigkeit von Dusanka Otero Schmitt im Juli 2000 einsehen konnte; vgl. auch Der Begriff des Politischen, Ausgabe Berlin 1963, S. 118. 3
Schmitt hielt am 21. März 1962 im Madrider Instituto de Estudios Politicos, aus Anlass seiner Ernennung zum Ehrenmitglied dieses Instituts, den Vortrag „ E l orden del mundo despues de la Segunda Guerra Mundial". Der Vortrag wurde z.T. ausführlich gewürdigt, so u.a.: Fueyo, „Carl Schmitt y la dignidad del pensamiento politico" und Elorriaga, „Investidura del profesor Carl Schmitt como miembro de honor del Instituto de Estudios Politicos". Danach verbrachte er die Karwoche in Santiago, wie aus einem Hinweis aus einem Brief an Möhler hervorgeht. Vgl. Br. v. Nr. 271 und 272, S. 315-316.
220
Die Briefe
82 (Spanisch geschr.)
Estudio General de Navarra 13/4/62 Sr. Don Carlos Schmitt Santiago Verehrter und lieber Don Carlos: Die Tage in Pamplona sind für mich zu schnell vorübergegangen und es wäre mir lieb, wenn sie in diesem Sommer in Santiago fortgesetzt würden. (Wir müssen zum Portico de la Gloria gehen und nachprüfen, ob trotz allem das Lächeln Daniels das eines Abstinenzlers und Vegetariers ist). Auf jeden Fall plane ich im Jahre 1963 eine Tournee von Vorträgen in Deutschland und ... ich kenne jetzt den Weg nach Plettenberg. Das Echo Ihres Vortrags über den kalten Krieg ist zu mir gelangt und ich würde gern den Text kennenlernen 1. Heute habe ich im Graduale der Messe diesen Psalm (Ps 34, 20) gefunden, der wie gerufen kommt: „Pacifice loquebantur mihi inimici mei: et ira molesti, erant mihi". Ich nehme an, dass Sie von Santiago aus die gravierende Situation in Portugal aus der Nähe mitbekommen: die kommunistische Agitation, hauptsächlich in der Universität. Andererseits scheint die politische Situation in Deutschland auch sehr verwirrt zu sein. In Deutschland hat der Bischof von Innsbruck, Paulus Rusch, im Club der Heeresoffiziere von Tirol eine Rede gehalten, die einen unausweichlichen Krieg vorzubereiten scheint. Es freut mich, dass der junge Burillo Sie nach Santiago begleiten wird. Er hat mir von Ihrem erfolgreichen Vortrag im Auditorium 2 mit allen Hilfsmitteln erzählt; was ich überhaupt nicht verstehe, ist, warum es eine „Vorstellung" von C. S. gab. Gestern hatten wir ein Professorenseminar mit Rafael Gibert 3 (der einige Tage nach Pamplona gekommen war), er sprach über Bergwerke. Es ist interesssant festzustellen, dass Bergwerke keinen wahrhaften nomos besitzen und man gelangt immer zu einer fast seeräuberischen Art von „Freiheit der Meere". Nur die Erde besitzt einen nomos! Terra tantum iusta! Sie können Alfonso für seine Arbeit im Anuario beglückwünschen, die gerade bei mir angekommen ist 4 Grüße an Anima und Liebkosungen für die Enkel. Palmira und meine Kinder grüßen alle. Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors.
Die Briefe
1
Vgl. den vorherigen Brief d'Ors v. 17. 2. 1962.
2
Vgl. Br. v. 8. 8. 1960.
3
Vgl. Br. v. 28. 1. 1951.
4
Es handelt sich möglicherweise um „La mejora del nieto".
83 (Spanisch geschr.)
Ohne Datum. Vermutlich aus Santiago, Karwoche 1962 Mein lieber Don Älvaro: ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief und möchte Ihnen sagen, dass mir Ihre Anwesenheit in Santiago fehlt. Es ist für mich eine reine und unverdiente Gnade (Alle Gnade ist unverdient, grundlose Güte 1 ), die Karwoche in Santiago de Compostela verbringen zu dürfen und ich hoffe, an der Prozession der Flagellationen am Karfreitagnachmittag teilnehmen zu können. Ich habe mit Genugtuung erfahren, dass die Anerkennung der Universität seitens des Staates jetzt abgeschlossen ist und im Amtsblatt verkündet wurde. Ich spreche Ihnen meine Glückwünsche aus. Das ist ein gutes Ostergeschenk2. Was Sie mir in Ihrem Brief schreiben, dass es keinen anderen nomos gibt als den der Erde, ist absolut richtig. Hier in Santiago, in Erwartung einer Unterhaltung mit Ihnen, überkommt mich häufig die Hoffnung, eines Tages die Möglichkeit zu haben, die These von Max Weber (dass der moderne Kapitalismus puritanischen Ursprungs ist) mit jener anderen zu verbinden, dass seine erste Anwendung die „amity line" der angelsächsischen Piraten ist. Jesus Burillo ist sehr intelligent und geistreich, aber noch zu jung, um es zu begreifen. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie ihn mir geschickt haben; unsere Gespräche über die lex de imperio Vespasiani sind auch für mich sehr fruchtbar. Ich habe ihm das (ins Spanische übersetzte) Buch des katholischen Theologen Stanislas Giet aus Straßburg gegeben „El apocalipsis y la historia" 3 , das auch die lex de imperio Vespasiani erwähnt (die sieben Köpfe des Meeresungeheuers sind die sieben Cäsaren: Cäsar, Augustus, Tiberius, Gajus, Claudius, Nero, Vespasian; und die zehn Köpfe sind dieselben, wenn man die drei des Jahres 69 hinzufügt: Galba, Otho, Vitelius).
222
Die Briefe
Ich habe die Rede von Don Manuel Fraga über „den Krieg und die Theorie des sozialen Konflikts" erhalten, die er bei der Feier seiner Aufnahme in die Real Academia de Ciencias Morales y Politicas 4 gehalten hat. Sie trägt das Motto: „Der Feind ist unsre eigene Frage als Gestalt" (aus Ex captivitate Salus). Ich werde diese Rede am 26. in Madrid hören. Ich werde am 23. April aus Santiago abreisen und von Madrid am 30. (Ich werde in Madrid im Hotel Princesa wohnen.) [Fortsetzung auf Deutsch] Lieber Don Älvaro, ich wünsche Ihnen, Dona Palmira, allen Ihren Kindern (Ängel nicht zu vergessen) ein fröhliches Osterfest in Pamplona. Sagen Sie bitte auch allen Freunden und Bekannten meine herzlichsten Ostergrüße, insbesondere Don Ismael 5 und Albert Oehling 6 ; auch Anima und Alfonso lassen herzlichst grüßen. Ich bleibe in dankbarer Erinnerung an die schönen Tage von Pamplona und die schöne Reise Paris-Irun-Pamplona immer Ihr alter und getreuer Carl Schmitt 1
„Grundlose Güte" auf Deutsch.
2
Im Juni 1962 durfte in der Universität von Navarra noch nicht offiziell geprüft werden, aber ab September. 3 Vgl die französische Original Ausgabe: Giet, L' Apocalypse et l'histoire, bes. S. 46-83, 134 ff. 4
Sie wurde als Guerra y conflicto social veröffentlicht
5
Er bezieht sich auf Ismael Sanchez Bella. Vgl. Br. v. 5. 12. 60.
dort
6 Allergologe, Arzt an der Universitätsklinik der Universität von Navarra. Er begleitete wahrscheinlich Schmitt bei dessen Besuch der Universität von Navarra wegen seiner Deutschkenntnisse. Es ist der Sohn des früheren deutschen Konsuls in Granada.
Die Briefe
84 (Postkarte. Deutsch geschr.)
[Stempeldatum 21.9.1962] [Ohne Datum] Lieber Freund: Ich verbringe eine Woche im Ferienseminar von Professor Ernst Forsthoff 1 und sende Ihnen meine herzlichen Grüße für Sie, Dona Palmira und die Jungen und Mädchen, besonders meinen jungen Freund Angel. Ich hoffe, bald Nachrichten von Ihnen zu erhalten und schicke Ihnen ein wichtiges Buch über das Prinzip der Supranationalität 2. Stets Ihr alter Freund Carl Schmitt. Herzliche Grüße
Ernst Forsthoff
Desgleichen
1
E. W. Böckenförde
Vgl. Br. v. 5. 4. 60.
2
Gemeint ist das Buch von Francis Rosenstiel (geb. 1937), Le principe de supranationale. Essai sur les rapports de la politique et du droit, 1962. Rosenstiel war Schüler Julien Freunds, der auch das Geleitwort verfasste und darin auf Schmitt einging. Rosenstiel, dem Gaullismus verpflichtet, verwarf die These, Europa könne via supranationaler Organisation eine politische Einheit werden. Schmitt propagierte das Buch bei seinem Freunden, vgl. seine vielen Hinweise ggü. A. Möhler, in: Möhler, Carl Schmitt-Briefwechsel.
85 (Spanisch geschr.)
Pamplona 3/10/62 Lieber und verehrter Don Carlos: Im vergangenen September hatte ich sehr viel zu tun. Eine Blitzreise nach Carballedo in den ersten Tagen, danach eine Reise nach Andorra mit Palmira, von dort aus fuhr ich nach Turin und Wien weiter. A m 25. reiste ich nach Villanueva zum Todestag unseres Vaters und am 26. kehrte ich nach Pamplona zurück. Der 25. war gerade der Tag der furchtbaren Kata-
224
Die Briefe
Strophe im Nordteil von Barcelona; ich war jedoch im Südteil, wo die Überschwemmungen weniger schlimm waren. In Andorra sprach ich über die „kleinen Länder" in der neuen Weltordnung 1 ; in Turin über den incertum Inhalt der Verpflichtung des fideiussor 2, und in Wien über die neuen, römischen, epigraphischen Funde in Spanien3. Bei der Rückkehr nach Pamplona freute ich mich, Ihre Postkarte aus Ebrach mit den Grüßen von Forsthoff und Böckenförde vorzufinden. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie sich an mich erinnert haben. In einem an das Hotel Princesa adressierten Brief, der mir aber zurückgeschickt wurde, weil er zu spät angekommen war, erklärte ich einige Missverständnisse des Senats der Universität von Santiago bezüglich dieser neuen Universität. Es ist eine Angelegenheit, die mich traurig gestimmt hat, hauptsächlich wegen des Provinzialismus, der sich an einer Universität wie der von Santiago dahinter verbirgt. Selbst „Le Monde" berichtete von dieser unnützen Haltung von Santiago. In Pamplona geht alles gut und ohne Hass. Ihr Buch „Römischer Katholizismus und politische Form" interessierte mich sehr, besonders die Idee der Repräsentation und der publizistische Charakter des Kirchenrechts. Auch der auf sie bezogene Ausdruck „Sie ist die Erbin". Meinerseits bin ich noch immer überzeugt, dass die katholische Soziallehre mit der Idee des „Staates" im eigentlichen Sinn unvereinbar ist. Ich habe Lust, mit Ihnen an irgendeiner Stelle zusammenzutreffen. Wenn ich im Monat Mai nach Deutschland zurückkehre, werde ich dafür sorgen, dass ich nach Plettenberg komme, aber ich habe noch keine definitiven Pläne. Es grüßt Sie herzlich Ihr ergebener
Älvaro d'Ors
1
Veröffentlicht als Anhang „Los pequenos paises en el nuevo orden mundial (Relecciön andorrana)", in: Una introduction al estudio del derecho, S. 161-186. 2 3
Er blieb unveröffentlicht.
Er wurde später unter dem Titel „ E l progreso de la epigrafia romana de Hispania (1958-1962)" veröffentlicht.
Die Briefe
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86 (Spanisch geschr.)
Pamplona
8/12/62 Lieber und verehrter Don Carlos: Ich habe Ihre Postkarte aus Freiburg erhalten mit einem Gruß von Herrn Kaiser; ich vermute, die Abbildung ist ein Foto seines Hauses. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie sich an mich erinnert haben1. „Der Nomos der Erde" begleitet mich immer. Vor kurzem habe ich ihn wieder gelesen, als ich ein Colloquium für Studenten über den Mythos des Abendlandes vorbereitete. Das Colloquium war so interessant, dass in der nächsten Woche eine größere Sitzung veranstaltet wird, an der neun Referenten teilnehmen werden, aus Russland bis hin zu den Philippinen, um darzulegen, in welchem Sinn ihre Länder abendländisch oder orientalisch sind und wie sie die Gleichstellung der westlichen Hemisphäre mit Amerika sehen2. Schade, dass wir nicht mit Ihnen rechnen können bei diesem Colloquium, das sehr interessant zu werden verspricht. Ich erinnere mich immer noch gern an unser letztes Treffen in Paris, an die Reise und Ihren Aufenthalt in Pamplona. Werden wir ihn eines Tages wiederholen können? Ich hoffe ja, obwohl vielleicht die Erinnerung an die vorhergehenden von 1962 Sehnsüchte weckt. Hoffen wir, dass die Zeit alle Härten ausgleichen wird, die die von unserer neuen Universität bewirkten Widersprüche hervorgerufen haben ... In diesen Tagen muss ich mich entschließen bezüglich meiner Reisepläne nach Deutschland. Einerseits möchte ich die freundlichen Einladungen (nach München, Freiburg, Göttingen, Hamburg, sogar an die Akademie der Wissenschaften in Ostberlin) nicht zurückweisen; andererseits habe ich keinen Vortrag, der dieser Einladungen würdig wäre und ich empfinde eine große Reisemüdigkeit. Ich werde Sie benachrichtigen, sobald ich einen Entschluss gefasst habe, und wenn ich komme, würde ich gerne meinen Besuch in Plettenberg wiederholen. Ich würde im Mai reisen; am 13. hielte ich meinen Vortrag in München und am 15. in Freiburg (ich würde von Rom aus fahren); von dort aus käme ich nach Plettenberg oder auch von Göttingen aus. Von Hamburg (oder Berlin) aus würde ich nach Paris zurückfliegen, wo ich mich für einen Vortrag am 24. Mai verpflichtet habe. Wir werden sehen, was aus all dem wird ... Für heute, am Vorabend von Weihnachten, möchte ich, dass meine herzlichen Glückwünsche für frohe Tage mit den besten Wünschen für das Neue Jahr 1963 zu Ihnen gelangen. 1 Herrero
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Die Briefe
Alle in diesem Haus erinnern sich mit liebevoller Zuneigung an Sie und wünschen Ihnen frohe Weihnachten. Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors
P.S. Ich habe eine sehr kurze „Einführung in das Jurastudium" im Druck, die ich Ihnen zukommen lasse, sobald sie fertiggestellt ist, ich vermute im nächsten Januar oder Februar 3.
1
Wie man aus diesem Hinweis auf die Postkarte und den aus dem vorhergehenden Brief ersieht, bewahrte Älvaro d'Ors die Postkarten nicht so auf wie die Briefe und daher schickte er sie nicht an das Archiv. 2
Dieses Colloquium wurde, nach dem Programm, das in den Papieren von d'Ors erscheint, am 10.12.1962 im Hispanoamerikanischen Kulturzentrum von Pamplona veranstaltet. Als Organisator erschien Antonio Marse und als Referenten: Luka Brajnovich, Pancratio Maina, Saturnino Ibongo, Dennis Helming, Raül Nunez, Francisco Samper, Alberto Estrada, Manuel Santos Reis. Außer Luka Brajnovich, einem kroatischen Journalisten, waren alle Studenten. 3
D'Ors meint sein Buch Una introduction
al estudio del derecho.
87 (Postkarte. Spanisch geschr.)
Lieber Freund Don Älvaro: Ich erinnere mich gern an die Tage des Jahres 1962, die ich mit Ihnen in Paris und Pamplona verbracht habe und sende Ihnen und Dona Palmira und allen Jungen und Mädchen (hauptsächlich Ängel) meine Glückwünsche für das Osterfest. In Deutschland war diese Karwoche diabolisch 1 . Tenebrae facta sunt cum crucifixissent Jesum Judaei. Wann kommen Sie nach Deutschland? Ich erwarte Sie voller Ungeduld und bitte Sie, eine Nachricht zu senden an Ihren unerschütterlichen und bedingungslosen Freund Carl Schmitt Karfreitag 12/4/63
1
Auf was Schmitt hier anspielte, war nicht zu klären. Ähnlich enigmatisch die Bemerkung in Schmitts Brief v. 10. 4. 1963 an Möhler: „Diese Karwoche ist ja phantastisch instrumentiert; Sie sehen: die große Parallele lebt noch".
Die Briefe
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88 (Spanisch geschr.)
Pamplona 15/4/63 Lieber und verehrter Freund: Vielen Dank für Ihre Postkarte mit dem „Pantokrator" von Tost 1 . In Wirklichkeit erscheint er mir nicht wie ein „crator", denn an seiner Hand sind nur zwei Finger erhoben, das heißt, das Zeichen der Autorität; daher hält er in seiner linken Hand ein Schild das sagt „Ego sum lux mundi". Das heißt, er erscheint als Lehrer und nicht als König. Ich plane eine Deutschlandreise für nächsten Mai, sie beginnt in München, wo ich am 13. einen Vortrag zu halten habe (Eigentumserwerb durch „litis aestimatio") und endet in Hamburg, wo ich ihn am 20. wiederholen soll. Von Hamburg aus fliege ich nach Paris, wo ich am 24. ein romanistisches Colloquium habe. A m 15. habe ich einen Vortrag (denselben) in Freiburg und am 20. in Göttingen. Ich hatte eine Lücke gelassen zwischen diesen beiden Aufenthalten, um Ihnen in Plettenberg einen Besuch abzustatten, jetzt hat mich aber Professor Broggini 2 aus Heidelberg, der erfuhr, dass ich nach Deutschland komme, am 17. zu einem Vortrag an jener Universität eingeladen. Ich weiß also nicht, ob es möglich sein wird, zwischen dem 18. und 19. nach Plettenberg zu reisen. Vielleicht können Sie mir in dieser Hinsicht einen Vorschlag machen, der für Sie keine umständliche Reise bedeutet. Ich bedaure sehr, dass die kleine und geliebte Dusanka3 so weit entfernt ist. Ich schicke ihr ein Osterei als Erinnerung an ihren entfernten Patenonkel. Ich habe Don Vicente Rodriguez Casado4 Ihren zweiten Sonderdruck über den Partisanen geschickt, wenngleich nicht an eine absolut genaue, jedoch sichere Anschrift; will sagen, bei der es sicher ist, dass ihm die Sendung übergeben wird. Ich habe einige Vorlesungen halten müssen unter der gesetzlichen Bezeichnung „politische Bildung" 5 und das gab mir die Gelegenheit, wieder zu Ihren „Verfassungsrechtlichen Aufsätzen" zurückzukehren, ein Buch, das ich immer wieder mit Genuss und Nutzen lese. Einer der Punkte, die ich behandelte, war die „Vertretung". Mir scheint, ich bin zu einer sicheren Formulierung gelangt: man kann eine Willensentscheidung vertreten (oder eine mutmaßliche Entscheidung, die auf einer Interpretation von Interessen gründet, wie man sie bei Unmündigen oder Berufsgruppen fällt) aber niemals eine Meinung. Das scheint mir gegen die demokratischen Mystifizierungen besonders wichtig zu sein: es gibt keine Vertretung politischer Meinungen, weil die Meinung absolut persönlich ist und undelegierbar. Diese 1*
Die Briefe
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Formulierung bewegt sich i m m e r i m U m k r e i s der für m i c h grundlegenden Unterscheidung zwischen
auctoritas-potestas
6
.
Es grüßt Sie m i t aller Zuneigung und einiger Hoffnung, Sie bald wiederzusehen Ä l v a r o d'Ors Frohe Ostern! Palmira und Ä n g e l danken für Ihre Grüße und grüßen auch Sie und wünschen Frohe Ostern.
1
Es handelt sich um die Postkarte vom 12. 4. 1963.
2
Gerardo Broggini, ein in Heidelberg habilitierter Romanist. Von dort aus ging er in die Schweiz und schließlich an die Katholische Universität von Mailand. D'Ors hat später keine Beziehungen mehr mit ihm unterhalten. Er publizierte viele seiner wichtigeren Studien u.d.T. Coniectanea. Studi di diritto romano, 1966. 3 Dusänka ist Beatriz. Letzterer ist der Taufname, aber zuhause wurde sie immer mit dem Kosenamen ihrer Großmutter Duska gerufen. 4 Vicente Rodriguez Casado (1918-1990). Ordinarius für Moderne und Zeitgeschichte zuerst 1942 in Sevilla, danach an der Complutense von Madrid. Ein bemerkenswertes Unterfangen dieses Professors für Spanische Kulturgeschichte war die Gründung der Universität von la Räbida, deren Rektor er von 1943 bis 1973 war. Deren Geist - eine humanistische Ausrichtung, Dialogfähigkeit, gesellschaftliche Kulturvermittlung und herzliches Zusammenleben - wurde von der Vereinigung la Räbida fortgesetzt; vgl. Fernandez Rodriguez, El espiritu de la Räbida. 5 Ein damals an den spanischen Universitäten obligatorisches Fach, das, wie Älvaro d'Ors berichtet, niemand in Pamplona unterrichten wollte. 6
Das Thema wird viel später in „ E l problema de la representation politica", Ensayos de Teoria Politica, S. 223-277 entwickelt.
89 (Spanisch geschr.) Plettenberg 1. M a i 1963 M e i n lieber Freund, D o n Ä l v a r o : vielen D a n k für Ihren B r i e f v o m 15. A p r i l und die Osterglückwünsche v o n Ihnen, Dona Palmira und Ä n g e l ! I c h bedaure m i t Schmerzen, dass I h r nächster Aufenthalt i n Deutschland v o m 13.-20. M a i so begrenzt und voller
Die Briefe
Vorträge ist, dass es nicht möglich ist, ein Treffen einzuplanen. Ich verschiebe meine Erwartungen auf den Herbst 1964 und vertraue darauf, dass Gott und mein Schutzengel mich wieder einmal zu einem guten Gespräch mit meinem Freund Älvaro leiten werden. Die Vorstellung, dass ich die Bühne des Erdenlebens verlassen müsste, ohne noch einmal mit Ihnen gesprochen zu haben, wäre für mich ein Alptraum. Von Anima habe ich erfahren, dass Sie der kleinen Beatriz zu Ostern ein Schokoladenei geschickt haben und Ihre Patentreue rührt mich. In Freiburg habe ich einen besonderen Freund und Schüler, Joseph Kaiser 1 (Ordinarius für Öffentliches Recht), der bereits 1956 lebhaftes Interesse zeigte, Ihre Bekanntschaft zu machen und dem ich das Datum Ihres Vortrags mitteilen werde (15. Mai). Fraga Iribarne 2 wird am 13. Mai in München sein, am 14. in Bonn. Leider wird es mir nicht möglich sein, ihn zu sehen. Für mich ist alle Übereilung schädlich und vor allem deprimiert mich jedes überstürzte Gespräch. Ihr Kollege aus Pamplona, De la Hera 3 , wird Sie über unsere Korrespondenz verständigen; unglücklicherweise konnte ich ihn nicht persönlich sehen. Meine Gesundheit war zu schlecht im letzten Winter. Ich habe meinen Vortrag über den Partisanen erweitert und erwarte die Veröffentlichung für Juli 4 . Sie werden ein Exemplar bekommen, nicht nur als persönliche und private Erinnerung, sondern auch als Zeugnis der Entwicklung meiner Ideen nach meinem Vortrag vom März 1962 in Pamplona. Trotzdem bleibt noch eine sehr wichtige Sache: die Fortsetzung der antinapoleonischen Guerrilla in den Carlistenkriegen und ich wage nicht, ohne Ihre freundschaftliche Hilfe in diese Fragestellung einzudringen. Eine feste Umarmung für Sie und herzliche Grüße für Ihre Familie, Empfehlungen an Dona Palmira und einen Extra-Gruß für Ängel. Carl Schmitt 1
Vgl. Br. v. 17. 7. 1959.
2
Vgl. Br. v. 21. 8. 1956.
3
Alberto de la Hera war damals Professor für Kirchenrecht an der Fakultät für Kirchenrecht der Universität von Navarra. Zur genannten Zeit hielt er sich zu einem Forschungsaufenthalt in München auf. Gegenwärtig ist er Ordinarius in Madrid und Generaldirektor für Religionsfragen des spanischen Justizministeriums in der Regierung von Jose M - Aznar. Er schrieb u.a.: Introducciön a la Ciencia del Derecho Canönico, 1967. 4
Vgl. Br. v. 23. 1. 1962.
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90 (Spanisch geschr.)
Pamplona 8/5/63 Lieber Don Carlos: Schade, dass wir uns nicht sehen können. Ist es wirklich so schwierig? Wenn Sie noch eine Möglichkeit sehen würden, versäumen Sie nicht, sie mir mitzuteilen: Sie können mir „a cura" von Prof. Broggini, Bergstrasse 148, Heidelberg schreiben. A m 17. halte ich den Vortrag in Heidelberg und am 20. in Göttingen. Zwischen diesen beiden Terminen bleibt eine nicht sehr große Lücke, aber vielleicht ist sie doch groß genug, um einen Abstecher zu machen. Wenn der Zug durch Marburg fährt, wie ich vermute, ist es sehr wahrscheinlich, dass ich dort aussteigen werde, um einen jungen spanischen Archäologen 1 zu besuchen, der dort studiert; wenn es jedoch irgendeine Möglichkeit gibt, Sie zu besuchen, würde ich auf diesen Aufenthalt in Marburg verzichten. Man hätte auch die Reise mit dem Minister Fraga abstimmen können, der wahrscheinlich im Auto reisen wird und Ihnen einen Besuch abstatten möchte, aber ich erfahre zum ersten Mal von der Reise durch Sie. Morgen fahre ich nach Madrid, wo ich am 11. das Flugzeug Zürich-München nehmen werde. Ich möchte gerne Kaiser in Freiburg wiedersehen. Ich lernte ihn in Santiago im Restaurant Vitoria kennen 2 . Das Foto von den Enkeln gefiel uns sehr und Palmira dankt für Ihre Grüße. Immer möchte sie gerne Anima schreiben. Der kleine Alfonso Carlos scheint mir Ihnen ein bisschen ähnlich zu sehen und Dusanka ist sehr gewachsen. Ich erwarte stets den Tag, an dem sie zu ihrem Patenonkel kommen kann, denn die Reise nach Galizien wird für mich immer beschwerlicher. Wir werden vom „carlistischen Guerrillero" sprechen. Das ist „normal", denn die politische Theorie des Carlismus ist nicht auf den „Staat" gegründet, sondern auf das Trinom „König-Land-Volk". Der König hat sein Heer, aber auch das Volk hat das seine, es sind die „guerrilleros". Ich erwarte ihre Nachrichten mit einem Funken Hoffnung. Viele herzliche Grüße
Älvaro d'Ors
(Ängel bedankt sich für Ihre Grüße!) Prof. Oehling sagt mir, dass er gerne Hinweise von Ihnen hätte im Hinblick auf eine Reise, die er diesen Sommer in Begleitung des Hauptge-
Die Briefe
schäftsführers machen will, um ökonomische Unterstützung in Deutschland zu suchen. Er sagt mir, dass Sie ihm gegenüber Personen erwähnt hätten, die man diesbezüglich ansprechen könnte. Vielen Dank.
1
Es handelt sich um Jose M - Blazquez, der später Ordinarius in Madrid wurde.
2
D'Ors erinnert sich daran, dass Kaiser möglicherweise Carl Schmitt in Santiago besucht hat.
91 (Spanisch geschr.)
Mein lieber Freund, Don Älvaro: ich preise die sich glücklicherweise aufgetane Lücke! Ich werde nach Marburg kommen, am Samstag, den 18. Mai; ich werde in Marburg 13 Uhr 09 ankommen. Falls Sie dort sind, bitte ich Sie, mich in Marburg am Zug zu erwarten; andernfalls geben Sie mir Nachricht. Auf jeden Fall wäre es nützlich, mir die Adresse Ihres Freundes in Marburg mitzuteilen. Es ist möglich, dass ein Heidelberger Freund, Prof. Hans Schneider 1 (Sie kennen ihn von Animas Hochzeit her) meine Grüße überbringen und Ihnen mein Bedauern ausdrücken wird, Sie nicht in Deutschland zu sehen; all dies ist überholt. Ich erwarte es mit großer Freude und Ungeduld, Sie in Marburg zu sehen! Eine feste Umarmung Ihres alten Freundes Carl Schmitt 15/5/63 Ihre „Nicht-Staatlichkeit des Römischen Imperiums" ist genial! 2 . [An den Rand geschrieben] Ihre These über polis, respublica, regnum und Staat ist genial; ich möchte es ins Deutsche übersetzen.
1 Hans Schneider (geb. 1912), 1951 Ordinarius für Öffentliches Recht in Tübingen, Göttingen, zuletzt in Heidelberg. 2
Er wurde später als „Sobre el no estatismo de Roma" veröffentlicht.
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Die Briefe
92 (Spanisch geschr.)
Heidelberg, 16/5/63 Lieber und verehrter Don Carlos: Ich bin gerade in Heidelberg angekommen und mein Freund Broggini übergibt mir Ihren Brief. Broggini hat mir bereits mitgeteilt, dass ich morgen mit anderen Kollegen der Fakultät essen werde, unter anderem mit Ihrem Schüler Hans Schneider. Inzwischen ist etwas vorgefallen, was unser Treffen vereiteln, aber auch erleichtern könnte. Herr Wieacker wird wahrscheinlich am 18. mit seinem Wagen nach Heidelberg kommen und wird mich am 19. nach Göttingen mitnehmen. Das ist für mich eine herrliche Gelegenheit, aber noch herrlicher, wenn Wieacker einen kleinen Umweg machen will, damit wir beide nach Plettenberg kommen könnten, um dort mit Ihnen eine Weile zusammen zu sein, vielleicht um die Mittagszeit. Ich kann natürlich diesen Besuch nicht mit Gewissheit bestätigen, denn ich weiß nicht, ob Wieacker am 19. nach Plettenberg fahren will oder kann, ich bin nicht einmal sicher, ob er wirklich nach Heidelberg kommen wird. Es ist möglich, dass Wieacker Broggini anruft, um sein Kommen zu bestätigen und ich werde heute abend Broggini bitten, er soll Wieacker fragen, ob er (falls er kommt) mit mir am Sonntag, dem 19., nach Plettenberg fahren will. Wenn ich erst einmal das Ergebnis dieses Gesprächs mit Wieacker kenne, werde ich Ihnen ein Telegramm schicken, um Ihnen entweder unseren Besuch zu bestätigen oder meinen Aufenthalt in Marburg (am 19. und nicht am 18., denn Broggini bittet mich, dass ich auf jeden Fall am 18. hier bleibe), sodass ich mit Ihnen essen und am Nachmittag nach Göttingen Weiterreisen kann. Natürlich ist die erste Kombination die beste für alle und ich hoffe auch für Sie. Außerdem schreibt mir Herr Bläzquez, mein Archäologe in Marburg, dass er vorhat, nach Göttingen zu fahren, um mich dort zu treffen; der Aufenthalt in Marburg wäre also ausschließlich dazu bestimmt, mit Ihnen zu sprechen. Für den Fall, dass wir uns in Marburg treffen müssen, würde ich dafür sorgen, dass ich Sie um 13.09 Uhr rechtzeitig am Zug abhole, der vermutlich aus Hagen kommt. Ich wohne im „Hotel Neckar", aber es ist nicht möglich, ein Telephongespräch zu führen, denn ich weiß nicht, zu welcher Zeit ich dort sein werde. Ich vertraue darauf, dass die bestmögliche Kombination zustande kommt. Herzliche Grüße
Älvaro d'Ors.
- Meine Reise am Donau-Ufer entlang und durch den Schwarzwald, von Ulm nach Freiburg hat mich tief beeindruckt. - Es freut mich sehr, dass Sie mein Vortrag über das Römische Imperium interessiert hat.
Die Briefe
93 (Spanisch geschr.)
Plettenberg 17. Mai 1963 Lieber Don Älvaro: Ich habe Ihren Eilbrief vom 16. erhalten und bedaure sehr, so viele Komplikationen hervorgerufen zu haben. Jetzt schlage ich Ihnen vor: wenn Sie mit Wieacker nach Plettenberg kommen, sehr gut (ich weiß nicht, ob Wieacker möchte, denn es ist ein ziemlicher Umweg). Ich erwarte Sie in diesem Fall am 19. in Plettenberg, so wie Sie es vorgeschlagen hatten; wenn dem aber nicht so ist, wird der Aufenthalt in Marburg zu improvisiert sein und es ist wohl besser, die Idee von Marburg zu vergessen und Sie werden direkt von Heidelberg nach Göttingen fahren. Es ist nicht nötig, mein lieber Don Älvaro, weitere Nachrichten zu schicken: wenn Sie am 19. über Plettenberg kommen können, wunderbar; ich werde auf jeden Fall hier sein; wenn sie am 19. nicht hier ankommen, weiß ich, dass Sie direkt nach Göttingen gereist sind 1 . Herzliche Grüße und Wünsche für einen schönen Erfolg Ihrer Vorlesungen und Ihren Aufenthalt in Deutschland von Ihrem alten 1
Carl Schmitt.
Wahrscheinlich hat d'Ors Schmitt überredet, nach Marburg zu kommen, denn der Besuch hat wirklich stattgefunden. Das geht aus einer Anmerkung von Älvaro d'Ors in seinem Cuaderno LVIII (März 1963-Dezember 1963) hervor. Er merkt an, dass er am 19. Mai 1963 fünf Stunden lang an einem Stück mit Schmitt gesprochen habe, der ihm ermüdet vorkam. Es konnte auch nicht anders sein, denn Schmitt war schon 75 Jahre alt, hatte eine lange Reise am Morgen hinter sich und d'Ors erinnert sich daran, dass er in dieser Epoche und auch schon in vorhergehenden Jahren hin und wieder während der Gespräche nach zwei oder drei Stunden sagte: Wir hören auf, ich bin müde.
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Die Briefe 94 (Postkarte. Spanisch geschr.) 20. 6. 63
M e i n lieber D o n Ä l v a r o : I c h hatte einen wunderbaren Besuch i n Plettenberg v o n unserem gemeinsamen Freund D o n Rafael Gibert und i c h sende Ihnen herzliche Grüße v o n unserer lebhaften Unterhaltung. Carl Schmitt I c h habe eine Stunde i m Arbeitszimmer v o n D o n Carlos verbracht, an dem M o d e l l - „ P u l t " vor dem Fenster und danach z w e i erfüllte und lebensvolle Stunden. t R. G i b e r t 1 Ernst H ü s m e r t 2
Herzliche Grüße von
1 Rafael Gibert berichtete über diesen Besuch in „Una tarde con Carl Schmitt". Darin sind die Erinnerungen an diesen Besuch in Plettenberg festgehalten: „die Unterhaltung führt zu Goethe (der Alte), das bürgerliche Dasein, die Solidität, die es seinem Leben verliehen hat, denn der Dichter erhielt periodisch von seinem Vater - der seinen Textilhandel weiterbetrieb - eine Geldbetrag, der höher war als sein Ministerhonorar in Weimar. Er fragt mich nach dem Gedicht von Goethe, das mir am meisten gefällt. Es sind ,Der Zauberlehrling 4 und ,Die Musik von Dukas'. Er kennt das Gedicht auswendig und wird nicht müde, einige Verse zu wiederholen mit der Bewegung, die sie suggerieren. Er lacht vor Vergnügen und seine Augen leuchten wie die des ungeschickten Unbesonnenen. Goethe bereitet ihm ein unerschöpfliches Vergnügen". 2 Ernst Hüsmert (geb. 1928), Ingenieur und Lyriker, einer der engsten Freunde Schmitts, der im Nachbarort von Plettenberg, in Herscheid, wohnt. Er schrieb u.a.: „Die letzten Jahre von Carl Schmitt".
95 (Spanisch geschr.) Universidad de Navarra Biblioteca de Humanidades 20/12/63 Lieber und stets i n Erinnerung bleibender Freund: O b w o h l dringende Angelegenheiten m i c h daran hindern, Ihnen m i t der gewünschten Häufigkeit zu schreiben, kann i c h es heute nicht unterlassen,
Die Briefe
Ihnen zu schreiben, um Ihnen eine sehr glückliche Weihnacht zu wünschen und alles Gute für das Neue Jahr. Ich erinnere mich gerne an unser Treffen in Marburg. Ihre Einladung in das Restaurant in der Nähe des Schlosses; diese gewundene Spitze, Symbol des „Protestes"; die typischen Straßen - ich erinnere mich an den Türsturz mit der Aufschrift „Rat nach Tat kommt zu spat"; den Genuss Ihnen zuzuhören, selbst wenn es nur für kurze Zeit war ... Wie gerne würde ich Sie wieder besuchen in Plettenberg! Aber im Augenblick ist nicht daran zu denken. Ich habe viel Arbeit, vor allem als Bibliotheksleiter (in einer neuen Universität, die ihr erstes Jahrhundert angeht) 1 ; außerdem ist Palmira krank - sie tut sich schwer mit der Schwangerschaft des zehnten Kindes und ich möchte mich nicht von ihr entfernen. Wenn Sie wieder nach Pamplona kommen, werden Sie viel Neues entdecken, angefangen bei einer Reihe neuer Gebäude im Universitätscampus, ungefähr drei Kilometer von meinem Haus entfernt. Trotz allem dauert die Feindseligkeit vieler Kollegen an den staatlichen Universitäten fort; einige hassen uns, schicken aber ihre Söhne zum Studium an unsere Universität. Ich habe in der Tat genauso viele Schüler wie zuletzt in Santiago. Ich hoffe Sie sind gesund. Ich stelle Sie mir arbeitend in Ihrem Zimmer in Plettenberg vor und bitte Gott, dass er Ihnen noch viele Jahre fruchtbarer Arbeit schenken möge. Viele Jahre! Frohe Weihnachten! Herzliche Grüße von
Alv. d'Ors
Postskriptum: Ich stehe in der Schuld von Freund Böckenförde wegen einer Rezension, um die er mich bat 2 ; aber ich habe sie nicht vergessen und warte auf eine Verschnaufpause, um das Buch fertigzulesen und eine Besprechung zu schreiben. Falls Sie ihn sehen, bitten Sie Ihn, meine Verspätung zu verzeihen. 1 Älvaro d'Ors war leitender Bibliothekar der Universität von Navarra von 1961 bis 1972. Frucht dieser Arbeit sind auch die vier Bände des Sistema de las CienciaSy die aus Lehrveranstaltungen für Bibliothekarinnen entstanden sind und publiziert wurden. Wir erinnern daran, dass er sich bereits in Santiago um die Bibliothek gekümmert hatte. Er betrachtete es als eine Familientradition, denn sein Vater unterrichtete in der Bibliothekarinnenschule von Barcelona. In Pamplona stellte er keine Bedingungen, denn seinen Eintritt in diese neue Universität betrachtete er immer als einen Dienst. In diesem Sinne betreute er auch die Bibliothek. 2
Das Buch war: Suerbaum, Vom antiken zum frühmittelalterlichen
Staatsbegriff.
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Die Briefe
96 (Spanisch geschr.)
Plettenberg 6/1/64 Mein lieber Freund Don Älvaro ich danke Ihnen für Ihren Freundesbrief und spreche Ihnen meine Wünsche und Grüße für das Neue Jahr aus. Vor allem zur Genesung der geschätzten Dona Palmira. Ich habe die Weihnacht und den Beginn des Neuen Jahres sehr geruhsam unter dem „Weihnachtsbaum" verbracht, wie es in Deutschland Sitte ist: ich hatte den Besuch meiner Nichte aus Paris und ihres Mannes, Jean Pierre, die Sie kennen. Wir haben ausführlich unseres Treffens in Paris im März 1962 gedacht. Ich habe die Absicht, im Wagen von Böckenförde nach Spanien zu fahren (dem ich die Information aus Ihrem Brief übergeben werde); aber alle Einzelheiten sind noch vage und verworren 1 . Es wäre für mich eine übergroße Freude, sogar ein Trost, Ihnen diesen jungen Katholiken und erstrangigen Juristen vorzustellen und ich bin sicher, er hat eine große Laufbahn und Zukunft. Ich habe Ihren Bericht über die Entwicklung der neuen Universität in Pamplona mit viel Interesse gelesen. Es tut mir leid, dass es Feindseligkeiten unter Kollegen gibt, was mich deprimiert und traurig stimmt, angesichts meiner völligen Hilflosigkeit und meines Alters, die mich zur moralischen Resignation zwingt und zugleich meine körperliche Schwäche erhöht. Eine der Folgen dieses beklagenswerten Zustands ist auch mein unverzeihlicher Verzug bezüglich unseres gemeinsamen Kollegen S. de la Hera. Ich habe ihm den seit Monaten geplanten Brief noch nicht geschrieben. Ich bitte Sie darum, ihm zu sagen, dass er meine Verspätung verzeiht und die Stundung verlängert. Auch ist es mir unmöglich, eine Clausewitzausgabe vorzubereiten, wie Sie es freundschaftlich vorgeschlagen haben. Ich muss alle Arbeit meinen jüngeren Kollegen überlassen. Unter ihnen sticht glänzend der Franzose Julien Freund (Straßburg) hervor 2 , der einen sehr guten Artikel über „den unauffindbaren Frieden" in der Nr. 69 (September/Oktober) 1964 der Revista de Politica Internacional 3 veröffentlicht hat. Dieser Artikel trägt die Widmung „Carl Schmitt aus Anlass seines 75. Geburtstages". Es war für mich eine außergewöhnliche Befriedigung, dass der Artikel an hervorstechender Stelle abgedruckt wurde, unmittelbar nach der Ansprache des Ministers Castiella 4 an die Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Die Briefe Trotz allem: de nobis ipsis sileamus. I c h erinnere m i c h lebhaft an I h r Haus i n Pamplona und - unvermeidlich - an meinen besonderen Freund Ä n g e l . W i e geht es ihm? W i e entwickelt er sich? I c h habe einen dritten E n k e l i n Santiago bekommen, Jorge Juan 5 , geboren am 3. Dezember. I c h hoffe v o n ganzem Herzen, dass die Gesundheit Ihrer Frau bald wiederhergestellt sein w i r d und dass Ihre Arbeit an der Universität v o n Navarra Sie weiterhin befriedigt. Eine herzliche U m a r m u n g , lieber D o n Ä l v a r o , für Sie und die Ihren v o n Ihrem alten Freund Carl Schmitt [am Rand] Muss man die Bücher Valle-Incläns über die Carlistenkriege lesen? 6
1 Wie aus den Fotos hervorgeht, die mir freundlicherweise Dusanka Otero Schmitt zeigte, verbrachte Böckenförde einige Tage mit ihnen in Santiago und Sangenjo. 2 Julien Freund (1921-1993) französischer Politologe, Schüler von Raymond Aron und Schmitt. Seine Dissertation, L' essence du politique , 1965, die an Schmitts Gedankengut orientiert ist, wurde von Aron betreut. Er bewunderte Deutschland, obwohl er während des Zweiten Weltkrieges an der französischen Resistance teilgenommen hatte. Er unterhielt eine enge Freundschaft zu Schmitt; sie bewunderten sich gegenseitig. Über Freund vgl. Molina, Julien Freund, 2000. 3
„La paz ,inencontrable"' erschien in der Revista de Polüica Internacional, 1963. Vielleicht irrt er sich auch beim Zitieren, denn derselbe Artikel erschien in Der Staat, 2/1964. 4 Fernando de M - de Castiella y Maiz (1907-1976), Jurist, studierte in Paris, Cambridge, Genf und an der Haager Akademie für Internationales Recht. 1935 erhielt er den Lehrstuhl für Völkerrecht in La Laguna, 1939 erhielt er einen Ruf an die Universität von Madrid. Er war spanischer Außenminister von 1962-1969 und eine hervorragende Persönlichkeit in der „Asociaciön Catölica Nacional de Propagandistas"; er schrieb u.a. „Una batalla diplomätica", Barcelona, 1976 (über Spaniens Austritt und Wiedereintritt in den Völkerbund 1926 u. 1931). 5 Jorge Otero Schmitt (geb. 1964), Meeresbiologe, schrieb u.a. (gemeinsam mit Emilio Rolän) Guia dos Molucos de Galicia, 1996. 6
Schmitt bezieht sich hier auf die Romantrilogie La guerra carlista, von Ramön Maria del Valle-Inclän (1866-1936).
1908-1910
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97 (Spanisch geschr.)
Consejo Superior de Investigaciones Cientificas Instituto Juridico Espanol en Roma El Director Via di Villa Albani, 16 19/3/64 Verehrter und lieber Don Carlos: Ich nutze das Fest des Hl. Joseph, um den Freunden zu schreiben und vor allem Ihnen, d.h. ich habe schon eine Postkarte an unseren lieben Angel Gabriel geschrieben, der am 24. seinen Namenstag feiert. Ich kann Ihnen nicht sagen, in welche Richtung sich dieser Sohn entwickelt: im Augenblick ist er übermäßig zurückhaltend, ein guter Beobachter, äußerst genau in den Daten (er gibt die Zeit immer auf die Minute genau an), ohne Ehrgeiz bezüglich seines Rufes als Schüler, aber beherrschend in seinem Freundeskreis, handwerklich geschickt, sehr fahrlässig in seinem äußeren Aussehen, mit ziemlich hartnäckigen Sammlerleidenschaften und einer maßlosen Fußballbegeisterung ...; kurz, ich glaube dies alles kann man von hunderten von Jungen seines Alters sagen. Ich bin hier auf einer meiner planmäßigen Reisen. Ich war mit Prof. Betti zusammen, dessen Kopf täglich mehr dem Goethes ähnelt; der Ärmste fühlt sich jedoch sehr isoliert und das macht ihm viel zu schaffen. Ich erzählte ihm, dass wir in Marburg zusammengetroffen wären, wo er wiederholt eine Gastprofessur innehatte. Ich erinnere mich immer noch an unser Essen angesichts dieses gewundenen Turms, Symbol der lutherischen Rückschau („Rückschau" steht hier „Bekehrung" gegenüber*). Beim Wiederlesen Ihres Briefes vom Dezember sehe ich Ihren Hinweis auf den Artikel von Julien Freund und ich nehme mir vor, ihn heute noch zu lesen (ich vermute, dass ich diese Nummer der Rev. de Pol. Int. in unserer Bibliothek finden werde). Ich bedaure, dass Sie den Clausewitz nicht machen können 1 . Statt dessen wird eine Ausgabe der „Federalist Papers" gemacht, die ich Fritz Wilhelmsen 2 anvertraut habe, ein Nordamerikaner (dänischer Herkunft) und Philosophieprofessor in Pamplona, der eine ausgezeichnete Studie über den Carlismus geschrieben hat, er selbst ist überzeugter Carlist: ein Beweis unter vielen für die Kraft des Carlismus! 3 . Übrigens war ich gestern mit Sanchez Albornoz 4 zusammen (der „Präsident der Spanischen Republik im Exil" ist); - natürlich stimmen wir darin überein, dass Americo Castro ein Jude ohne wissenschaftliche Aufrichtigkeit ist - und er sagte mir, dass er, obwohl er ein republikanischer Liberaler sei, Sympathie für die Carlisten empfinde. Auch ich ziehe die Republikaner den monarchi-
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sehen Liberalen im Gefolge von Don Juan vor: sie sind der Feind des Carlismus. Vielleicht hätte ich diesen Brief mit der Nachricht beginnen sollen, dass am 23. Februar unsere Tochter Maria Teresa Pia gesund geboren wurde. Gott sei Dank ist Palmira von ihrer schrecklichen, monatelangen „pressura" befreit; obwohl sie immer noch kein normales Leben führen kann, konnte ich sie während dieser Tage allein lassen, um meine Reise nach Rom zu unternehmen. Während der ersten Apriltage muss ich in Madrid sein, um einen Beitrag in einem Colloquium über die römischen Kaiser in Spanien vorzutragen, das vom französischen „Conseil de recherches scientifiques" in Madrid organisiert wurde. Mein Beitrag handelt von der „Revolution" des Hadrian und deren Auswirkungen auf die Rechtsgeschichte5. Ich glaube, dass ich in einigen Tagen endlich meine Rezension des Buches von Suerbaum an Böckenförde senden kann 6 . Ich würde letzteren gerne kennenlernen und ich freue mich sehr über die Nachricht, dass Sie mit ihm nach Spanien zu reisen gedenken. Vergessen Sie nicht, mir Bescheid zu geben, denn ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um ihn zu treffen. Wenn ich kann, werde ich auf der Rückreise nach Madrid, vor dem Colloquium, von dem ich ihnen erzählt habe, nach Santiago fahren, um meine Mutter zu sehen, die noch dort wohnt und sehr schlecht sieht 7 . Ich habe in Santiago außer Dusanka noch zwei Patenkinder und noch ein viertes Patenkind in Villagarcia: allen muss ich das Osterei bringen. Ich werde auch Jorge Juan sehen. Ich wünsche Ihnen ein glückliches Osterfest: Gottes Segen vor allem und Gesundheit und Kraft für die Arbeit: Alles Gute! Sehr herzliche Grüße von Ihrem Freund
Älvaro d'Ors
PS: Ich vergesse nie Ihre Hinweise für meine Arbeit und so ist mir derjenige, den Sie mir zur Ausarbeitung des Themas der Antithese potestas-auctoritas gaben, stets gegenwärtig 8. Ich kann das Projekt noch nicht in seiner gesamten Reichweite anpacken, die sehr umfassend ist, aber in meiner Untersuchung entdecke ich immer mehr neue Aspekte und Tiefen dieser grundlegenden Unterscheidung 9. In letzter Zeit: es gibt ,Kollegen', wenn man in derselben Macht solidarisch ist; aber es entsteht ,Kolleg' wenn das Gemeinsame nicht die Macht, sondern die Autorität ist. Es ist interessant, dass die römischen Magistraten, obwohl sie collegae waren, kein collegium bildeten und umgekehrt, dass diejenigen, die ein collegium bildeten, z.B. die Pontifizes, keine collegae waren. Das ist sehr wichtig, um den ,imbroglio' der »Kollegialität der Bischöfe' 1 0 zu klären. In Ordnung!
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(* Der Autor spielt hier mit der Ähnlichkeit der Wortbildungen „retroversion" Rückschau und „conversion" - Bekehrung. A. d. Ü.)
-
1
Er bezieht sich wahrscheinlich, so meint d'Ors, auf eine Ausgabe von Vom Kriege für die Sammlung Cläsicos Politicos des Instituto de Estudios Politicos, die Älvaro d'Ors leitete. 2 Frederick D. Wilhelmsen (1923-1996) war bereits 1962 Gastprofessor in der Universität von Navarra. Er lehrte gewöhnlich an der Universität von Dallas in den Vereinigten Staaten. M i t der „ausgezeichneten Studie über den Carlismus" meint d'Ors vermutlich Wilhelmsens Aufsatz Hacia una filosofia del carlismo, Pamplona: Principe, 1963, 19 S.; Wilhelmsen über d'Ors vgl. FN 5 unserer Einleitung; d'Ors wirkte an der Wilhelmsen-Festschrift Saints , Sovereigns and Scholars , mit „Horismoi & Aphorismoi", S. 311-319. 3 Wie d'Ors sich erinnert, gefiel Schmitt der Carlismus nicht, weil er, seiner Meinung nach, sehr melancholisch war: das war die Vision der ehemaligen Kämpfer. 4
Älvaro d'Ors traf bei diesem Essen nur mit Claudio Sanchez Albornoz (18931984) zusammen. Ein gemeinsamer Freund, der Priester Javier Siliö, stellte sie einander vor. Sanchez Albornoz war Historiker und hatte seit 1920 einen Lehrstuhl an der Zentraluniversität von Madrid inne; während der 2. Republik Staatsminister, wurde er im Oktober 1936 zum Botschaftter in Lissabon ernannt; er ging 1938 ins Exil, das er vorwiegend in Argentinien verbrachte. Er pflegte zu Kongressen nach Rom zu reisen. Er hatte Gelegenheit, nach Spanien zu kommen, aber er wollte nicht zurückkehren, bevor Franco nicht gestorben war. Er war in der Tat „Chef 4 der sogenannten republikanischen Exilregierung (1950-1970). Wie d'Ors selbst in der Rede anlässlich der Verleihung des Kreuzes von San Raimundo de Penafort ausführte, bot ihm die Universität von Navarra eine Professur an. D'Ors erinnert sich, dass während des Festessens über Americo Castro gesprochen wurde. Sanchez Albornoz hatte einen berüchtigten Disput mit Americo Castro über Spanien, weil er fand, dass das wahre Spanien christlich sei. D'Ors erzählte mir während eines Gesprächs im Jahre 2000 eine Anekdote. Sanchez Albornoz sagte an einem gewissen Zeitpunkt des Gesprächs: „Ich glaubte Sie seien ein pedantischer Geck, und am Ende sind Sie ein sympathischer Carlist!" 5
Er wurde veröffentlicht unter dem Titel „La signification de 1'oeuvre d'Hadrien dans l'histoire du droit romain". 6
Rez. Suerbaum: „Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff 4 .
7
Seine Mutter zog nach Santiago, als ihr Sohn Älvaro sich dort niederließ und blieb dort bis zu ihrem Tode. Sie lebte im Hotel Compostela. Die letzten Tage verbrachte sie im Jahre 1972 in der Ermita de San Cristobal, in Villanueva y Geltru, dem Landsitz der Familie. Sie ist, wie auch sein Vater, in Villafranca bestattet. 8 Diese Unterscheidung ist einer der Leitfäden des d'Orsschen Denkens und vielleicht war er der Erste, der sie in ihrer ganzen Breite entwickelt hat. Rafael Domingo, ein Schüler von Älvaro d'Ors, hat sie in zweien seiner Werke, Teoria de la „Auctoritas und Auctoritas weitergeführt. 9
Einen anderen Aspekt entwickelte eine Schülerin von Älvaro d'Ors, Dolores Garcia-Herväs, in dem Werk Regimen juridico de la colegialidad en el Codigo de Derecho Canönico, 1991. 10
In diesem Zusammenhang erinnert sich A. d'Ors an eine für ihn - nach eigener Aussage - „traurige Geschichte". Der Artikel, der diese These enthält, wurde in Rom als „Le origini romane della collegialitä" veröffentlicht. Es war der Zeitpunkt,
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zu dem man das Thema der Kollegialität der Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu klären suchte. Der Kurie nahestehende Personen teilten dem Autor mit, dass dieser Artikel an den Heiligen Stuhl gelangt sei. Wie aus den Ergebnissen des Konzils zu ersehen ist, wurde d'Ors Unterscheidung offenbar nicht in Betracht gezogen. Ein möglicher Hinweis auf die Diskussion der These d'Ors' ist, das Paul VI. Konstitution Lumen Gentium mit einer erklärenden Anmerkung berichtigte, um den Begriff der Kollegialität darzulegen. Diese Anmerkung hat 4 Punkte und beginnt mit dem Satz: „Kollegium wird nicht im streng juridischen Sinne verstanden, das heißt, von einem Zusammenschluss von Gleichrangigen, die ihre Vollmacht auf ihren Vorsitzenden übertrügen, sondern von einem festen Zusammenschluss, dessen Struktur und Autorität aus der Offenbarung abgeleitet werden müssen". (Vgl. Denzinger, Enchiridion)
98 (Postkarte. Spanisch geschr.) 21. September, [vermutlich 1964]. Lieber D o n Ä l v a r o : W i r sind alle bezaubert und ergriffen v o n dem epitaphischen Meisterwerk für den v i e l beweinten E u r i c o 1 . A n i m a w i r d einen B r i e f schreiben, der würdevoller ist als diese kurze A n w o r t . I c h werde übermorgen nach Deutschland abreisen, v o n w o aus i c h Ihnen schreiben werde. Der A r t i k e l über Kollege und K o l l e g ist glänzend und überzeugend! 2 M e i n e Grüße für Dona Palmira und die Kinder, besonders für Ä n g e l . Stets Ihr Carl Schmitt Schade, daß w i r uns am 9.9. nicht getroffen haben, aber umso mehr Freunde. Grüße
E. W . Böckenförde 3
I c h b i n bestürzt, aber vielleicht befasse i c h m i c h m i t der legitimen Nachfolge von E m i c h o . Herzliche Grüße
Anima
1 Don Älvaro schrieb eine Grabinschrift anlässlich des Todes des Spielbären Eurico, den Anima ihm geschenkt hatte und der lange Zeit in seinem Büro verbrachte, bis er Opfer der Motten wurde. 2
Vgl. Br. v. 19. 3. 64.
3
Böckenförde verbrachte einige Tage in Galizien mit der Familie Schmitt-Otero. Vgl. Br. v. 6. 1. 64. 1 Herrero
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99 (Spanisch geschr.)
Plettenberg 8. Januar 1965 Lieber Freund, Don Älvaro: Ich danke Ihnen sehr für Ihren liebenswürdigen Brief und sende Ihnen und Dona Palmira und den Jungen und Mädchen meine besten Wünsche für das Neue Jahr. Entschuldigen Sie meine Verspätung, aber dieser Winter macht mich krank. Ich erinnere mich mit Dankbarkeit an unsere Begegnungen im letzten Jahr in Santiago und Sangenjo. Kann ich hoffen, Sie 1965 wiederzusehen? Unser Freund Günther Krauss schreibt mir, dass er am Kongress der Carlisten im Mai 1965 teilnehmen wird. Ich kann keine Projekte oder Pläne machen. Ich habe mit viel Interesse Ihren Artikel über collegium und collega gelesen. Er ist für mich absolut überzeugend. Aber das Zweite Vatikanische Konzil scheint den juristischen Glanz unserer römischen Kirche zu verlassen und ihn einigen wenig durchdachten Ideen amerikanischen Stils zu opfern. Ich bedaure, nicht mit meinen spanischen Freunden reden zu können. Vielleicht ist es besser so. In meinem Alter wäre es lächerlich und es ist eine senile Schwäche, zu erwarten, dass man gehört wird. Die schöne Postkarte (Gemälde von Bosch der Kathedrale von Todel) meines Freundes Ängel hat mich sehr gefreut. Sagen Sie ihm, bitte, meinen Dank und entschuldigen Sie mich bei Dona Palmira, weil ich ihr mein kleines Geschenk für Ängel in Form von Geld geschickt habe; ich hatte keine andere Möglichkeit, pünktlich zu sein; alles, sogar der Versand eines Pakets, ist für mich ein fast unüberwindliches Hindernis. Der beste Kenner von Clausewitz ist Prof. Werner Hahlweg 1 , 44 Münster (Westf.) Philosophische Fakultät. Ernst-Wolfgang Böckenförde (69 Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 1-10) kennt ihn gut und könnte als Vermittler zur Seite stehen. Ich werde Ihnen in einigen Wochen einen Artikel über Hobbes 2 schicken. Sehr wichtig für ein Land wie Spanien, das keine Reformation hatte und jetzt - drei Jahrhunderte danach - den Kontakt mit der Entwicklung einer zügellosen Neutralisierung sucht. Stets Ihr Carl Schmitt
1
Werner Haiweg (1912-1989), bedeutender Militärhistoriker und Clausewitz-Forscher; er schrieb u.a. Carl von Clausewitz. Soldat-Politiker-Denker, 1957; vgl. über ihn Langendorf, „Post Tenebras Lux: Werner Hahlweg".
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2 Gemeint ist „Die vollendete Reformation. Bemerkungen und Hinweise zu neuen Leviathan-Interpretationen".
100 (Spanisch geschr.)
Consejo Superior de Investigaciones Cientificas Instituto Juridico Espanol en Roma El Director Via di Villa Albani, 16 23/1/65 Lieber Don Carlos: Ich habe Ihren Brief vom 8. erhalten und danke Ihnen für die Neujahrswünsche. Zu unserem Bedauern ist meine Schwiegermutter am Weihnachtstag zur selben Stunde, in der mein Erstgeborener 18 Jahre alt wurde, gestorben. Ich bin aus Rom über Puchheim gefahren, das zwischen Salzburg und Linz liegt; im dortigen Schloss ist Don Alfonso Carlos bestattet. Er war der letzte König in direkter Linie von Karl V., dem Bruder Fernandos VII., der 1833 von der Thronräuberin Isabel II. verdrängt wurde. A m Fuß seines Grabes legte ich meine alte Baskenmütze aus dem Krieg nieder. Don Alfonso Carlos hinterließ alles in den Händen von Don Javier, unserem gegenwärtigen carlistischen König, der uns zu einer wichtigen Zusammenkunft in sein Schloss geladen hatte. Die österreichische Presse verbreitete das Gerücht, dass er zu Gunsten seines Sohnes Don Carlos abdanken würde, aber das stimmte nicht, im Gegenteil, es war eine ausdrückliche Bestätigung, dass er die Verantwortung des Auftrags von Don Alfonso Carlos weiterführen wollte, der dort beerdigt liegt. Wir wissen nicht, welches das unmittelbare Schicksal Spaniens sein wird, aber sich einer Loyalität verbunden zu wissen, die bis 1833 zurückreicht, ist etwas, was das Herz stärkt und erlaubt ruhig zu sterben 1. Es freut mich, dass Ihnen mein Artikel über die Kollegialität gefallen hat und ich bitte Sie, die „nota explicativa praevia", die der Konstitution „de Ecclesia" hinzugefügt wird, um die authentische Interpretation der §§22 und 23 bezüglich der Kollegialität darzulegen, mit Bedacht zu lesen. Diese Anmerkung beginnt wie folgt: „1° Collegium non intelligitur sensu stricte 1*
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iuridico, scilicet de coetu aequalium, qui potestatem suam praesidi suo demandarent, sed de coetu stabili, cuius structura et auctoritas est Revelatione deduci debent. etc." (Unterstreichungen von mir) 2 . Ich bin sicher, dass der Papst diesen Verweichlichungen nicht nachgibt, denen einige Bischöfe zum Opfer gefallen sind. Noch trauriger ist die politische Haltung Italiens gegenüber dem unaufhaltsamen Fortschreiten des Kommunismus. Einer der negativen Aspekte der Demokratie ist, dass sie bei allem politischen Hin und Her die Integrität und Freiheit der Kirche nicht garantiert und somit die Bischöfe dazu zwingt, auf die Wahlfreiheit zu verzichten und sich als Partei zu einen, womit der Klerus auf lächerliche Ebenen der Wahlpropaganda absinkt. Wie immer: die „Wahlen" verhindern die „Wahl". Ich danke für den Hinweis auf Prof. Hahlweg als Clausewitzkenner. Ich würde ihn gerne für eine Mitarbeit gewinnen, aber vorher möchte ich einen Übersetzer finden, um eine politische Anthologie aus Vom Kriege zu machen 3 . So Gott will, werde ich am 30. in Pamplona sein und habe nicht vor, mich bis Ostern von dort wegzubewegen. Dann werde ich an einer Philosophischen Tagung in Madrid zur Jahrtausendfeier des Todes von Seneca teilnehmen. Mein Beitrag handelt gerade über „Seneca und das Recht" 4 ; ich hatte meine Zweifel, denn ich habe wenig zu sagen, es sei denn die juristische Verständnislosigkeit der Moralisten hervorzuheben. Für das hl. Jahr von Compostela wird eine Eisenbahnlinie von Hendaye nach Santiago eingerichtet, die die Reise sehr verkürzen wird. Das kann für Sie interessant sein, und natürlich für unsere Sommerferien mit der Familie in Galizien. Ich würde gerne dort mit Ihnen zusammentreffen und ausführlich mit Ihnen sprechen. Ich habe einen köstlichen Brief von Dusanka bekommen, in dem sie mir von ihren Kenntnissen über Viriato spricht: „ . . . und als sie ihn bezahlen sollten, sagten sie zu ihm: Rom bezahlt die Verräter nicht". Und dann: „ay [sie] ein füchsischer Hund, der Deutsch kann und dabei sagt Carlos, dass die Hunde nicht mehr sagen können als wauwau". Diesen Sommer werde ich ihr weitere Abenteuer von Tintin mitbringen. Herzliche Grüße
Älv.
Ich warte gespannt auf Ihre Schrift über Hobbes. 1
Carlos M - Isidro de Borbön (1788-1855) hoffte Fernando VII. auf den Thron folgen zu können, da dieser lange Zeit kinderlos blieb. Dessen vierte Frau jedoch, Maria Cristina, gebar ihm 1830 eine Tochter, Isabel). Fernando VII. hob daraufhin zu deren Gunsten das salische Erbfolgerecht, gemäß dem Frauen von den Thronfolge ausgeschlossen waren, auf. Nach Ferdinands Tod am 29. 9. 1833 übernahm Maria Cristina die Regentschaft (bis 1841), während Don Carlos sich zum König ausrufen ließ und mit dem Manifest von Abrantes (1833) den ersten Carlisten-Krieg
Die Briefe eröffnete. Isabel bestieg 1843 den Thron (bis 1868) und stützte sich auf die Partei des „moderados", zu deren Führern auch Donoso Cortes gehörte 2
Vgl. den Br. v. 19. 3. 1964.
3
Dieses Projekt konnte nicht verwirklicht werden.
4
Es handelt sich um einen Beitrag zu einem Senecakongress, der einige Jahre später u.d.T. „Seneca ante el tribunal de la jurisprudential 1966 veröffentlicht wurde.
101 (Spanisch geschr.)
Pamplona, 24/3/65 Lieber Don Carlos: Ich habe mit größtem Interesse Ihre Bemerkungen zur neuen HobbesLiteratur gelesen: wie immer sind sie für mich ein starker Anreiz 1 . Wie Sie wissen, betrachte ich seit einiger Zeit die Antithese auctoritas-potestas als Achse aller meiner Reflexionen über Sozialphilosophie. Ich erinnere mich, dass ich ihnen, als Sie mir den ,Kristall 4 von Hobbes 2 zeichneten, mit einem Stemma in Kreuzesform antwortete. Danach konnte ich in der Tat feststellen, dass Hobbes Autorität und Gewalt verwechselt 3, wenngleich in einigen seiner Ausführungen beide Begriffe als verschieden erscheinen. Ich hätte gerne mehr Zeit, um den Prozess der Verwechslung Gewalt-Autorität im Werk Hobbes näher zu verfolgen. Das Thema der potestas indirecta lässt sich meines Erachtens, wie Sie meinem Schreiben über die Kollegialität entnehmen konnten, durch die Bezeichnung der sogenannten potestas indirecta als auctoritas lösen. In Wirklichkeit ist das grundlegende Thema das der Vertretung; ich bin zu dem Schluss gekommen: es kann eine Vertretung der Macht, aber nicht der Autorität geben. Und noch etwas scheint mir sicher: die Toten können Autorität besitzen, aber keine Gewalt. Dies alles muss zu einem System zusammengefügt werden - ich weiß - aber ich habe dringendere Arbeiten zu erledigen und weiß nicht, wann ich mich dieser Sache widmen kann 4 . Fast vor einem Jahr schickte ich Freund Böckenförde eine Rezension eines Buches von Suerbaum über die antik-mittelalterliche, politische Terminologie, um die er mich für Der Staat gebeten hat. Da ich keine Nachricht erhalten habe, vermute ich, dass es Schwierigkeiten mit der Übersetzung gab; ich möchte jedoch gerne wissen, ob man von der Publikation Abstand genommen hat 5 .
Die Briefe
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An Ostern habe ich vor, nach Santiago zu fahren und werde dort unsere liebe Dusanka sehen. Dann auch im Sommer und ich hoffe, dass wir uns dort treffen wie im vergangenen Jahr. Ich wünsche Ihnen sehr glückliche Ostern. Viele herzliche Grüße Älvaro d'Ors
1
Dieser Brief ist wohl eine Antwort auf die im Br. v. 8. 1. 1965 versprochene Sendung. 2
Vgl. Schmitts Zeichnung des „Hobbes-Kristalls" v. 22. 8. 1961 im vorl. Bd.
3
Vgl. AO, „Das Glossarium von Carl Schmitt", S. 251-254.
4
M i t einer Theorie der Vertretung befasst sich d'Ors besonders in Introducciön civil al Derecho Canönico, ein bisher unveröffentlichtes Werk. 5
Vgl. Br. v. 19. 3. 1994.
102 (Spanisch geschr.)
Plettenberg, San Casciano 31/12/65 Mein liebster Freund Don Älvaro: ich lese gerade mit Rührung und Zuneigung Ihren liebenswürdigen Brief und bedaure sehr, Ihre Anwesenheit entbehren zu müssen und einer echten Unterhaltung. Ich erinnere mich an unsere vielen Treffen und an Ihre Familie, an die liebe Frau Palmira, Ihre Söhne und Töchter (besonders an meinen alten Freund Ängel) und empfinde den Wunsch, Ihnen allen meine herzlichen Grüße für das Neue Jahr 1966 auszusprechen. Wird es möglich sein (und wird es mir die göttliche Vorsehung gewähren), uns in diesem Jahr einmal zu sehen? Ihre Grüße vom Comer See1 waren für mich eine große Freude, aber auch ein Anreiz für neue Wünsche. Vielen Dank also für Ihren Brief, Ihre Informationen und die beigefügte Arbeit, der Artikel Ihres Freundes Don Jose M - Castän2 über das argentinische Buch von A. Enrique Sampay3. Ich kannte das Buch noch nicht. Es scheint sich um eine Spezies dieser „Anti-Carl-Schmitt-Aktion" zu handeln, eine Spezies, die in den liberalen und linksgerichteten Regionen wuchert,
Die Briefe
die mit allen Feinden unseres Glaubens zusammenarbeiten, Progressisten und Katastrophenbeschleuniger, Propagandisten der „vaterlosen Gesellschaft." Eya velär 4 . Sie sprechen in Ihrem Brief von einem Unternehmen „Mantrana" von Ernst Jünger 5. Das ist nichts und die Angabe meines Namens ist völlig willkürlich, sogar missbräuchlich. Ich bedaure sehr, mein lieber Don Älvaro, dass Sie Galizien verlassen; das ist ein großer Verlust für Anima und Alfonso und folglich auch für mich. Ich füge für Ängel ein Buch über Schiffe bei. Der Autor des Buches, ein berühmter deutscher Graphiker, war ein guter Freund von uns in Berlin von 1945 bis 1947. Betrachten Sie aufmerksam das Kriegsschiff mit Rammstern (S. 42), von dem ich das Original besitze, das mir sehr gefällt 6 . Ich bitte Sie, es mit Aufmerksamkeit zu betrachten; was Sie bei dieser Gelegenheit finden, ist ein kleines Geschenk für Bianca, das ich ihr mangels einer anderen Möglichkeit, meinen guten Willen zu zeigen, schicke. Schreiben Sie mir bitte, welchen Erfolg ich damit hatte. Achten Sie auf den kleinen blauen Brief. Ich füge ein Exemplar von „Land und Meer" bei (Erstausgabe 1942) und zwei Briefe aus dem Jahr 1943 des berühmten deutschen Dichters Gottfried Benn bei, die sich auf das kleine Buch (das Anima erzählt wurde) und die Zerstörung unseres Hauses in Berlin am 23. August 1943 beziehen7. Deuten Sie dies alles als Symbol meiner Freundschaft, lieber Don Älvaro, richten Sie Dona Palmira meine besten Wünsche aus; Grüße an die Jungen und Mädchen und herzliche Grüße Ihres Freundes Carl Schmitt Vergessen Sie nicht, für die Bibliothek der Universität das grandiose Buch von Julien Freund, L' essence du politique (Sirey, 22 rue Soufflot, Paris I I e ) mit 2 enormen Namens- und Sachregistern zu bestellen. 1
Ist in unserer Sammlung nicht zu finden.
2
Jose M - Castän Vazquez, Sohn des berühmten Jose Castän Tobenas (1889— 1969), Ordinarius für Bürgerliches Recht und Vorsitzender des Obersten Gerichtshofes. Er war Schüler von Älvaro d'Ors in Madrid und danach Notar und Mitglied der Königlichen Akademie für Gesetzgebung und Jurisprudenz. 3 Arturo Enrique Sampay (1911-1977) ist der argentinische Autor, der dem Denken Carl Schmitts die größte, wenn auch distanzierte Aufmerksamkeit widmete. Seine Kritik erfolgt vom Standpunkt des thomistischen Naturrechts und des Nationalismus aus. Das, was Sampay hauptsächlich angreift ist der vermeintliche Dezisionismus Schmitts. Er spielte eine hervorragende Rolle in der Konvention von 1949. Seine Haltung offenbarte sich in der Opposition gegen den Totalitarismus vom Standpunkt des sozialen Katholizismus aus und in der Distanzierung gegenüber
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Schmitt als einem Antiliberalen. Eines seiner wichtigsten Bücher ist La crisis del Estado de Derecho liberal burgues, 1942. Aber das Buch, auf das sich dieser Brief bezieht ist Carl Schmitt y la crisis de la ciencia juridica, 1965; Zur Beziehung Schmitt-Sampay vgl. Dotti, Carl Schmitt en Argentina, S. 135-166. 4 Der Ausdruck, den Schmitt in diesem Brief benutzt, ist eine Mischung aus AltSpanisch und Latein und stammt aus einem Lied von Gonzalo de Berceo ( - 1 1 9 5 -1264). Es ist ein Lied, das Berceo an den Schluss des „Duelo que fizo la Virgen Maria" (178-190) [Klagelied der Jungfrau Maria] setzte. Man könnte es mit „Lasset uns wachen!" übersetzen. In dieser Komposition setzt man voraus, dass die Juden, die das Grab des Heilands bewachten, die Absicht hatten, nicht einzuschlafen. Daher der Refrain. Spitzer nennt sie „cantica del velador". Das Lied ist bekannt in dem Werk Berceos, da es eine metrische Ausnahme bildet. (Vgl. Devoto, „Sentido y forma de la cantica Eya velär", S. 206-237; siehe auch Spitzer, „Sobre la cantica Eya velär", S. 50-56.) Wir zitieren einen kurzen, aber bedeutungsvollen Teil der Cantica: jEya, velär! jEya, velär! jEya, velär! Velat, aljama de los judfos, jeya, velär!, que non vos fürten al Fijo de Dfos. jEya, velär! 5
Ernst Jünger veröffentlichte 1958 einen Privatdruck mit einer Reihe von Aphorismen mit dem Titel Mantrana. Ein Spiel. D'Ors bezog sich wohl auf Mantrana. Un juego dirigido por Ernst Jünger y Klaus Ulrich Leistikov, 1965. 6
Um welchen Graphiker und welches Buch es sich handelte, konnte nicht geklärt werden. 7 Es handelt sich um zwei Briefe Gottfried Benns (1886-1956) vom 28. 3. und 1. 9. 1943, präsentiert von P. Tommissen. Er schickte ihn ihm mit der Widmung „para Don Alvaro d'Ors con los mejores votos para el ano 1966. San Silvestre, 1965". [Für Don Älvaro d'Ors mit den besten Wünschen für das Jahr 1966. Sylvester 1965.]
103 (Spanisch geschr.) Pamplona 8. 4. 66 Verehrter und lieber D o n Carlos: diese Zeilen sind ein Osterglückwunsch, aber auch Zeugnis einer besonderen Nähe. W i e oft nehme ich aus dem Regal meiner B i b l i o t h e k , i n dem Ihre Bücher stehen, eines Ihrer Werke und ergötze m i c h einige Z e i t m i t der L e k türe! I c h würde gern über mehr Zeit verfügen, u m m i c h i n dieses intellektuelle Vergnügen zu vertiefen; mehr noch, o b w o h l meine deutschen Sprach-
Die Briefe
kenntnisse mangelhaft sind, fühle ich mich durch eine besondere Intuition befähigt, Ihre Seiten zu übersetzen und ich würde es mit größtem Vergnügen tun. Es sind nicht so sehr meine persönlichen Studien, die mich daran hindern, sondern die unendlich vielen kleinen Dinge, die uns der tägliche „Terminkalender" aufbürdet. Mehr noch, ich habe ein wahrhaftes Interesse, meinen „Elementos de derecho privado romano" (die seit langem vergriffen sind), eine akzeptable Form zu geben und bin nicht imstande, die hunderte von Stunden zu finden, die zur Ausführung dieser Arbeit vonnöten wären. Die Anreize einer neuen Universität wie dieser sind wahrhaft groß, aber auch die Strapazen. In diesem Sommer muss ich zum Beispiel zwei der drei großen Bibliotheken in ein neues Gebäude verlegen und das kommt mir vor wie eine Arbeit, die des Herakles würdig wäre. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich älter fühle und mit weniger Arbeitskraft und Schwung. Wie auch immer, meine Erfahrungen als Bibliothekar sind interessant und ich betrachte die vielen Stunden, die dieses Amt in Anspruch nimmt, nicht als verschwendet. Ich habe unsere liebe Dusanka nicht vergessen und hoffe, dass das Osterei zur rechten Zeit bei ihr ankommt. Ich habe auch Alfonso gratuliert für einen wichtigen Artikel, den er über die „mejora" 1 veröffentlicht hat. Er ist immer noch zögerlich und kann sich nicht entschließen, meine Einladungen anzunehmen, sich von dem Ballast der Feindschaft freizumachen, den er sich vor einigen Jahren zuzog, als er eine Haltung unerklärlicher Feindseligkeit gegenüber einer Universität annahm, die sich ihm und seiner Familie gegenüber gastfreundlich gezeigt hatte. Ich weiß, dass Anima sehr darunter leidet. Ich vertraue darauf, dass er die Gelegenheit finden wird, diese peinliche Situation zu überwinden. Wenn Sie vorhaben, diesen Sommer nach Galizien zu fahren, bitte ich Sie, mir die Termine mitzuteilen, denn ich werde wahrscheinlich nur wenige Tage dort sein und würde versuchen, dass meine Reise mit Ihrem Aufenthalt zusammenfällt. Der Familie geht es gut. Ihr Liebling Ängel zeigt jetzt dieses hässliche Aussehen der Pubertät und den Anflug eines sehr unansehnlichen Schnurrbarts, der stetige Proteste bei seinen Brüdern auslöst. Das Zwangsrasieren ist nicht leicht. Miguel beginnt dieses Jahr seinen Wehrdienst. Ich schickte Ihnen vor einigen Wochen meinen englischen Vortrag mit dem „Incipit", das Ihnen gefallen hatte. „Hate is not a term of law". Ich wünsche Ihnen Gesundheit und guten Mut bei der Arbeit. Alles Gute zu diesem Osterfest! Herzliche Grüße Ihres treuen Freundes
Älvaro d'Ors
In Ihrem Brief sagen Sie mir bitte Ihre Meinung über Musil und seinen großen Roman.
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Es handelt sich um „La mejora".
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Anima Schmitt de Otero Repüblica Argentina 1-2° Santiago de Compostela 20. September 1966 Lieber Don Älvaro: ich bedaure lebhaft, dass sich die Möglichkeit, uns in Spanien zu sehen, nicht verwirklichen ließ. Während der Wochen, die ich in Santiago verbracht habe, erinnerte ich mich stetig an Sie und unsere Unterhaltungen früherer Jahre. Ich habe Ihre Frau, Dona Palmira, nicht getroffen, weil sie, wie man mir sagte, nur einige Tage in Santiago war. Ich habe Ihren liebenswürdigen Brief vom 31. August 1 erhalten und danke Ihnen sehr. Die in diesem Brief erwähnten Themen und Probleme werden jeden Tag intensiver. Ich habe die Erklärungen des Weihbischofs von Madrid, Guerra Campos 2 , gelesen, der die Koexistenz des römischen Katholizismus und des marxistischen Kommunismus empfiehlt, da doch beide anti-agnostisch seien und beide ein Gefühl für den Realismus haben; die Antithese des marxistischen Materialismus ist für ihn nicht der Spiritualismus, sondern der Idealismus. Daher scheint es ihm möglich, dass der katholische Spiritualismus den marxistischen und kommunistischen Materialismus ersetzen kann. Ich habe den Eindruck, dass er die Zwei-Schwertertheorie weiterführen will, indem er den Kommunismus als weltliche Gewalt anerkennt. Sie werden verstehen, lieber Don Älvaro, dass mich dies alles bewegt und den Wunsch in mir weckt, über alles mit Ihnen zu reden. Unser gemeinsamer Freund Don Juan Barion 3 liegt krank in einer Klinik und sein Zustand macht mir Angst. Ich werde am 28. September nach Deutschland zurückkehren. Das Thema, das mich beschäftigt, bleibt immer noch Thomas Hobbes und seine „vollendete Reformation" mit dem berühmten Satz von Hegel: „es ist für einen Irrtum neuerer Zeiten zu erachten, eine Revolution ohne Reformation gemacht haben zu wollen. 4 "
Die Briefe D i e drei K i n d e r sind sehr brav. I c h füge ein Foto bei, das A n i m a auf der Terrasse des Hotels gemacht hat 5 . I c h habe das B u c h Wieackers „Gründer und Bewahrer" gelesen, besonders über Savigny, Ihering und Gerh[ard] Beseler und auch diese Lektüre hat i n m i r den brennenden W u n s c h geweckt, Ihnen unzählige Fragen 6 zu stellen. A b e r meine Altersschwäche deprimiert m i c h sehr und daher beende i c h diesen Brief, der nicht mehr als ein Zeichen meiner Erinnerung und Sympathie ist. A n i m a , Alfonso und die K i n d e r schicken Grüße an Sie, an Dona Palmira und Ihre Jungen und Mädchen. A l l e hoffen, sie bald i n Santiago zu sehen. I c h verbleibe m i t einer herzlichen Grüße stets Ihr alter Freund Carl Schmitt Unser Ä n g e l scheint seinen besonderen Freund vergessen zu haben; trotzdem eine besondere U m a r m u n g für ihn.
1 Dieser Brief befindet sich nicht in der Korrespondenz des Archivs, vielleicht weil er nach Santiago geschickt wurde oder weil er auch an Alfonso Otero gerichtet war und sich unter dessen Korrespondenz befindet. 2 Monsenor Jose Guerra Campos (1920-1997) war eine einflussreiche Persönlichkeit im spanischen kulturellen Kontext der 60er und 70er Jahre. Er absolvierte die kirchlichen Studien in Santiago de Compostela von 1931 bis 1940, mit der Unterbrechung des Bügerkrieges, an dem er teilnahm. Er promovierte 1945 in Theologie an der Päpstlichen Universität von Salamanca. Bis 1964 war er Professor am Diözesanseminar von Santiago, was auch der Grund ist, warum Älvaro d'Ors eine enge Freundschaft mit ihm schließen konnte. In den Jahren 1962 und 1963 war er Konsultor der spanischen Bischöfe im 2. Vatikanischen Konzil. 1964 wurde er zum Weihbischof von Madrid-Alcalä ernannt und zum Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz, ein Amt, das er bis 1972 innehatte. 1973 wurde er Bischof von Cuenca; von 1967 bis 1976 war er Abgeordneter des Spanischen Parlaments. Guerra Campos setzte sich schon früh mit dem Marxismus auseinander. 3
Er bezieht sich auf Hans Barion, vgl. Br. v. 30. 10. 1957.
4
Vgl. Br. v. 8. 1. 1965.
5
Gemeint ist das Hostal de los Reyes Catölicos auf dem Obradoiroplatz von Santiago. Schmitt wohnte dort, hielt er sich in Santiago auf. Erst später, als die Familie Otero auf den Campus der Universität umsiedelte, wohnte Schmitt bei ihnen. Dusanka erinnert sich, dass dies zum Teil darauf zurückzuführen gab, dass es zuvor zu wenig Platz gab, aber auch, um die Ruhe des „Großvaters" zu gewährleisten, der nicht an so viele Kinder gewöhnt war. 6
D'Ors hatte sich mit diesem Buch sofort nach dessen Erscheinen beschäftigt und schrieb eine recht positive Rez. in AHDE.
Die Briefe
252
105 (Postkarte. Spanisch geschr.)
Mein lieber Don Älvaro: meine herzlichen Glückwünsche für das Weihnachtsfest und das Neue Jahr 1967. Ich hoffe, dass es Ihnen allen, besonders Ihrer lieben Frau, Dona Palmira, und meinem jungen Freund Ängel (eon 1 ) gut geht und dass es möglich sein wird, uns in diesem Jahr 1967 wiederzusehen. Ich werde Herrn Moncada 2 schreiben; vielen Dank für Ihren liebenswerten Brief 3 ; ich verbleibe Ihr treuer und alter Freund Carl Schmitt
28.12.66 1
Er bezieht sich auf die Theorie über die eonen - Ideen mit Biographie - von Eugenio d'Ors, die hauptsächlich in La ciencia de la Cultura, 1964 entwickelt wurde. 2
Er bezieht sich auf Luis Cabral de Moncada, vgl. Br. v. 17. 12. 1948.
3
Aus dem Zusammenhang kann man schließen, dass ein Brief fehlt.
106 [Visitenkarte. Spanisch geschr.]
Professor Carl Schmitt Grüßt seinen Freund im Schatten der Kathedrale von Santiago 28. VIII. 1967
Die Briefe
107 (Postkarte. Spanisch geschr.)
Flughafen 20/9/1967 Im Augenblick meiner Rückkehr nach Deutschland, mein lieber Don Älvaro, erhalte ich Ihren Brief vom 17.9., untröstlich, Sie dieses Mal nicht sehen zu können 1 . Ich hoffe auf das nächste Jahr. Beglückwünschen Sie Ihren Schwager D. Jose Lois von mir wegen seiner neuen Anstellung in Übersee 2. Bezüglich Ihres Artikels über das Gesetz als Akt des Magistrats 3 (eine geniale Idee die Parallele zu dem Beistand) werde ich mit Forsthoff und Böckenförde im Oktober reden. Herzliche Grüße für Sie, Dona Palmira und alle, besonders für Ängel. Stets Ihr Carl Schmitt Dusanka, Anima und Alfonso
1 Schmitt verbrachte den Sommer in Galizien, aber d'Ors konnte nicht dazustoßen. Aus dem Kontext lässt sich schließen, dass er ihm geschrieben hatte. Der erwähnte Brief findet sich nicht im Düsseldorfer Archiv. 2
Nämlich in Venezuela, vgl. Br. v. 2. 8. 1951.
3
Er bezieht sich auf die Schrift „ L a ley romana, acto del magistrado".
108 (Spanisch geschr.)
Plettenberg, 6. Januar 1968 Mein lieber Freund Don Älvaro: ich habe Ihre guten Wünsche für diese Weihnachten erhalten 1 und ich erwidere sie mit meinen herzlichen Wünschen für Sie und Ihre Familie, besonders für Dona Palmira und meinen Freund Ängel. Ich habe auch Ihre Artikel erhalten und hoffe, noch die Möglichkeit zu haben, meine große Sammlung Ihrer Arbeiten in einigen Bänden binden zu lassen; ein beeindruckendes Monument Ihrer Freundschaft. Wäre es nicht möglich, eine Auswahl aus diesen zahlreichen Artikeln zu publizieren, um sie aus den Gräbern der Zeitschriften und Sammelveröffentlichungen zu ziehen?
254
Die Briefe
Der Winter und das Alter peinigen mich. Daher kann ich nicht so viel schreiben wie ich möchte. Sie wissen, dass ich Sie nicht vergessen habe. Alle meine Hoffnungen konzentrieren sich jetzt auf die Erwartung, Sie im Sommer 1968 sehen zu können. Die Dauer des irdischen Lebens, das mir bleibt, ist sehr knapp; und der Wunsch, Sie zu sehen, lieber Don Älvaro und die letzten Tropfen unseres Zusammenlebens auf der hiesigen Bühne auszukosten, wird von Tag zu Tag stärker. Ich werde alles Mögliche und Unmögliche tun, unser Treffen im Sommer 1968 zustande zu bringen. Ich lese Ihre Artikel immer wieder, unter anderem Ihren Vortrag über „La signification de l'CEuvre d'Hadrien dans l'histoire du Droit Romain" (Colloque International, Paris 1965) 2 ; er war für mich eine wirkliche Offenbarung. Der äußere Anlass dieser Wiederentdeckung war das Buch „Res publica amissa, eine Studie zur Verfassung und Geschichte der späten Römischen Republik" des Ordinarius Prof. Christian Meier 3 von der Universität Basel, 1966. Wenn sie es haben wollen, lasse ich es Ihnen schicken; es wäre vielleicht interessant für Sie; in gewissem Sinne verwirklicht er aus einem philosophisch-historischen Blickwinkel, was Sie aus der Sicht der Rechtsgeschichte und der Zusammenarbeit von Juristen und Historikern verwirklichen, die Mr. Piganiol 4 in der Diskussion seines Vortrages von 1965 gefordert hat. Dieser Prof. Christian Meier ist ein junger Mann, 40 Jahre, und einer meiner neuen Freunde. Haben Sie den Beitrag von Prof. Barion zu der Festschrift für Forsthoff über „Die konziliare Utopie" 5 bekommen? Er ist enorm und die Konspiration des Schweigens steht im Verhältnis zu dieser Enormität. Ich füge ein Foto bei, das im Oktober 1968 in Ebrach gemacht wurde. Sie sehen einen alten Mann. Oft habe ich das Gefühl, dass Ihr Vater, Don Eugenio, mich ruft. Herzliche Grüße für Sie, lieber Don Älvaro und herzliche Grüße für Dona Palmira und die ganze Familie. Carl Schmitt.
1
Diese Glückwünsche fehlen im Nachlass. Es ist fast sicher, dass d'Ors ihn an jedem Weihnachtsfest beglückwünschte und alle Glückwünsche in Form von Weihnachtskarten fehlen. 2
Vgl. Br. 19. 3. 1964.
3
Christian Meier (geb. 1929). Es handelt sich um die Person, die später als Professor für Alte Geschichte an der Universität München und Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung bekannt wurde. Das Buch, von dem Schmitt spricht, war seine Habilitationsschrift. Vgl. von ihm das Einflüsse Schmitts verarbeitende Buch Die Entstehung des Politischen bei den Griechen, 1980. 4 Andre Piganiol (geb. 1883). 1906 begann er an der Ecole fran^aise de Rome zu arbeiten und war einer der besten Mitarbeiter an den Melanges d'archeologie et d'histoire: er entdeckte 150 unveröffentlichte Inschriften. 1935 wurde er zum Assistenzprofessor für Antike Geschichte an der Sorbonne ernannt; 1942 wurde er
Die Briefe Ordinarius des Lehrstuhls für Römische Zivilisation am College de France. Über die Leistungen von A. Piganol vgl. Chevalier (Hrsg.), Melanges d'archeologie, 1966. 5
Gemeint ist „Das konziliare Utopia. Eine Studie zur Soziallehre des II. Vatikanischen Konzils", in: Säkularisation und Utopie, S. 187-235.
109 (Postkarte. Spanisch geschr.)
11. April 1968 Mein lieber Freund Don Älvaro; ich sende Ihnen und Ihrer Frau Dona Palmira und den Jungen und Mädchen, besonders, wie immer, unserem Ängel, alle guten Wünsche für ein frohes Osterfest und einen Osterspaziergang, nicht so sehr nach der Art des Faust, d.h. progressistisch, sondern menschlicher. Ich füge eine Kopie eines Briefes eines Benediktinerpaters aus Chevetogne (Belgien) über die Philosophie der Werte 1 bei. Ich hoffe, dass ich mit Ihnen eines Tages die Kathedrale von Aachen 2 besuchen kann, wo ich vor einigen Tagen mit unserem Freund Prof. Barion war. Wir haben viel von Ihnen geredet mit unseren besten Erinnerungen. Stets Ihr Freund, Carl Schmitt. 1
Der Benediktinerpater Sergius (Serge) Buve (geb. 1935) (Monastere Benedictine de Chevetogne) nahm öfters an den von E. Forsthoff veranstalteten Ebracher Zusammenkünften teil, vgl. s. Aufsatz „Utopie als Kritik", in: Säkularisation und Utopie, S. 11-35. Buve korrespondierte auch mit Schmitt; das Original des hier gemeinten Briefes findet sich im Düsseldorfer Archiv nicht. 2
Die Postkarte zeigt das Lotharkreuz des Aachener Doms.
256
Die Briefe
110 (Spanisch geschr.)
Pamplona 6. 7. 68 Lieber und verehrter Don Carlos: Alle meine Pläne sind in diesen Tagen darauf ausgerichtet, die Dinge so zu regeln, dass ich am 11. nach Santiago fahren und an der Feier Ihres 80. Geburtstags teilnehmen kann. Obwohl ich die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben habe, scheinen die Dinge sich, ehrlich gesagt, zu verschwören, um dieses Vorhaben zu vereiteln: es ist nicht unmöglich, dass wegen einiger Tage Unterschied der Plan durchkreuzt werden könnte, oder dass ich sogar ganz von einer Reise nach Galizien Abstand nehmen müsste, so wie es mir bereits im letzten Jahr erging. Aus Furcht, am I I . 1 nicht dort zu sein, schicke ich Ihnen bereits jetzt diesen Gruß: ein kleines Buch, das ich sehr schätze und dessen Wert mehr in der Zuneigung besteht, die ich für es empfand als in seinem Preis, selbst wenn es aus dem 16. Jh. stammt 2 . Einmal mehr möchte ich Ihnen meine Zuneigung, meine Bewunderung, meine Loyalität gegenüber einer in gewissem Sinne ererbten Freundschaft kundtun, die aber permanent durch den Umgang und die lang anhaltende Hochschätzung belebt wird. Sie mögen noch viele Jahre leben! Stets Ihr
Älvaro d'Ors
1 Eine begründete Furcht: schließlich konnte d'Ors doch nicht reisen. Die Ehrung fand im Hostal de los Reyes Catölicos statt. Außer den spanischen Freunden von Schmitt waren auch einige deutsche Freunde dort, so Hubertus Bung (1908-1981), ein Rechtsanwalt, der in den 30er Jahren Schmitts Assistent beim NS-Rechts wahrerbund gewesen war und Ernst Forsthoff. Eine Chronik dieses Tages bildet der Artikel, den Gonzalez Casanova, damals Prof. für Öffentl. Recht in Santiago, im Correo Gallego am 11. 7. 68 publizierte: „Carl Schmitt cumple ochenta anos en Santiago - Acceso a Carl Schmitt, concretamente"; ein Bild Schmitts trug die Unterschrift „ E l ultimo cultivador del Ius Publicum Europaeum". Heißt es unter anderem: „Heute morgen besuchte Carl Schmitt mit seinen Familienangehörigen, Freunden und Bewunderern die Messe in der Corticela. Danach gingen sie gewiss zur Universität. Und jetzt weilt er bei den Seinen, umgeben von Zuneigung und Zärtlichkeit, etwas, das in seinem Leben nicht im Überfluss vorhanden war, vielleicht weil er ein Weiser ist". Ndr. in: Ders. Con el paso del tiempo, S. 32 ff.; vom gl. Autor auch:
257
Die Briefe
„Carl Schmitt: noventa anos de un existencialista politico", El Pais am 11. 7. 1968. Gonzalez Casanova hielt auch die Begrüßungsrede am 11. 7. 1968. 2
Um welches Buchgeschenk es sich handelte, konnte nicht geklärt werden.
111 (Spanisch geschr.)
Pamplona
10.11.68 Verehrter und lieber Don Carlos: Gerade gelangt „Epirrhosis" in meine Hände und ich möchte ihre Bedeutung und den meines kleinen Beitrags darin 1 noch mehr hervorheben mit einigen Worten der Freundschaft und Vöraussehung. Diese Festgabe ist wie ein neuer Triumphbogen auf dem breiten Weg Ihres Lebens; weil die Wege vielleicht Hindernisse und Gefahren bergen, aber diese Bögen, die vielleicht in vollkommener Einsamkeit errichtet wurden, zeugen von Überwindung und Sinnhaftigkeit, auch von Anerkennung in Erinnerung. Der Vergleich, obwohl er nur quantitativ ist, zwischen dieser Festgabe und der vorhergehenden ist eloquent 2 . Der Weg ist auch ein Fortschritt. Ich bin neugierig auf die literarische Reaktion auf diese Festgabe und die Erklärungen, die die Verleumder der Freundschaft von C. S. mit in Alter und Ideologie so verschiedenen Personen abgeben werden. Ich ahne ihr Entsetzen. Ich stelle Sie mir in Ihrem Arbeitszimmer in Plettenberg vor, diese beiden Bände streichelnd; sich mit Ihrem großherzigen Blick und Ihrem intellektuellen Interesse für unsere Beiträge bedankend und - warum nicht? Ihren Triumph auskostend. Dann wird der unsichtbare Gast sein Glas erheben und auf die folgenden 90 Jahre anstoßen! Ich grüße sie bewegt 1
Vgl. Br. v. 20. 9. 1967.
2
Zu den verschiedenen Festschriften vgl. den Br. v. 20. 11. 1953.
17 Herrero
Älvaro d'Ors
258
Die Briefe
112 (Spanisch geschr.)
Plettenberg
12. 12. 68 Lieber Freund, Don Älvaro: ich habe Ihren ermutigenden Brief vom 10.11.68 über die „Epirrhosis" bekommen und ich bin glücklich darüber, dass Sie zufrieden sind. Ich füge einen Brief über Ihren Beitrag (Das römische Gesetz als Magistratsakt) bei; ein junger Ordinarius (Alte Geschichte) aus Basel (er folgt in diesen Tagen einem Ruf auf den Lehrstuhl von Köln), Prof. Christian Meier hat ihn geschrieben. Sie sehen den großen Erfolg Ihres Artikels (und auch der Epirrhosis). Prof. Christian Meier ist der Autor eines sehr wichtigen Buches „Respublica amissa". Eine Studie zur Verfassung und Geschichte der späten Römischen Republik, Wiesbaden 1966. Ich habe Ihnen über dieses Buch geschrieben; es wäre interessant, wenn Sie davon eine Rezension machen könnten. Herr Meier ist ein sehr sympathischer Mensch; Sie müssten ihn kennen lernen. Lesen Sie seinen Brief, den ich beifüge (ich besitze eine Kopie), ich schicke nur die Passage, die sich auf Ihren Beitrag bezieht 1 . Anima hat die Absicht, meinen Enkel Carlos auf eine deutsche Schule in Unkel (bei Bonn) zu schicken und mich Ende Januar 19492 zu besuchen. Wird es möglich sein, dass wir uns sehen? Es wäre großartig. Unser letztes Treffen in Santiago im Hostal de los Reyes bleibt mir unvergesslich. Ich wünsche Ihnen eine frohe Weihnacht und ein gutes Jahr 19493, für Sie, die liebe Frau Dona Palmira, für die Jungen und Mädchen, besonders für meinen Freund Ängel und die liebe Bianca. Ich umarme Sie fest Carl Schmitt 1) Der Prinz Rohan 4 (Mitarbeiter von Epirrhosis Bd. 1, S. 325) ist ein Bewunderer Ihres Vaters Eugenio; ihm verdanke ich die Bekanntschaft mit Ihrem Vater (im Oktober 1929 in Barcelona). 2) Besonderen Dank für die Offenheit, mit der Sie mir Ihre Meinung über Herrn Antonio Casanova und die anderen Professoren mitgeteilt haben! 5 . 3) Kennen Sie den Latinisten der Universität Rom, Ettore Paratore 6, vgl. Rev. Est. Pol., Nr. 159/160, S. 47?
1
Diesen Brief haben wir nicht finden können.
2
Er w i l l natürlich 1969 schreiben.
3
Er wollte auch natürlich 1969 schreiben.
Die Briefe
259
4 Karl Anton Prinz Rohan (1898-1975); einer der wichtigsten intellektuellen Vorkämpfer Europas; gründete 1924 den „Internationalen Verband für kulturelle Zusammenarbeit", dessen Generalsekretär er bis 1934 war, auf dessen 6. Kongress in Barcelona sich Eugenio d'Ors und Carl Schmitt kennenlernten; er leitete 1925-1936 die von ihm gegründete Europäische Revue. Er war ein Verteidiger der europäischen Einheit so wie es auch der zitierte Eugenio d'Ors war. Er gehörte den katholischen Konservativen, d.h. den Antiliberalen an. In dieser Hinsicht sowie in seinem Antiparlamentarismus vertrat er dieselbe Haltung wie Schmitt. Von Rohan vgl. u.a.: Heimat Europa, dort zu Schmitt S. 233. 5
Er bezieht sich auf Jose Antonio Garcia Casanova, vgl. Br. 6. 7. 1968.
6
Schmitt bezieht sich hier auf einen Artikel des nach dem Zweiten Weltkrieg in Spanien lebenden und mit ihm befreundeten rumänischen Essayisten Jorge Uscatescu (1919-1989): „Proceso al humanismo", REP, 150-160/1968, S. 37-52. In ihm ging es um die Beziehung von Autoren wie u.a. Foucault, Heidegger, Bataille, Adorno u. Marcuse zum Nihilismus der studentischen Kulturrevolution. S. 47 f. schilderte Uscatescu, wie der Latinist Ettore Paratore seinen römischen Studenten zu deren Verblüffung oder gar Empörung nachwies, dass Maos „Rotes Buch" die chinesische Weisheit, die ethischen Werte, die gute Erziehung, die Abgewogenheit des Urteils u.ä. feiert: „Der Prozess gegen den Humanismus verwandelte sich in eine wahrhafte Lektion der Ethik".
113 [Postkarte. Spanisch geschr.] 31.1.1969 M e i n lieber D o n Ä l v a r o : A n i m a und Carlos sind bei m i r zu Besuch leider nur für einige Tage! - und w i r schicken Ihnen die besten Grüße für Sie, für unsere liebe Frau Dona Palmira und alle Jungen und Mädchen, besonders für meinen lieben Freund Ängel. Carlos w i r d sechs Monate i n dem Institut bleiben ( i n U n k e l , bei Bonn). Stets Ihr Carl Schmitt Sehr herzliche Grüße,
1*
Anima.
260
Die Briefe
114 (Spanisch geschr.)
C. S. 597 Plettenberg-Pasel Neue Anschrift 1 : D 597 Plettenberg-Pasel [ohne Datum; vermutlich 31.3.1971] Mein lieber Freund Don Älvaro: Seit drei Monaten muss ich das Bett hüten: Herzinfarkt. Ich bin glücklich, dass ich Ihre beiden Sonderdrucke habe (Ihren italienischen Artikel über den juristischen Vulgarismus 2 und die Fotokopie des Melville-Artikels von Onis 3 ) beide für mich sehr interessant. Haben Sie meine Politische Theologie I I 4 (1970) erhalten? Die Situation in Deutschland ist völlig unlogisch, aber ce n'est que le provisoire qui reste. Dieu s'en va, les theologiens restent. Verzeihen Sie mein Schweigen, die Ärzte verbieten mir jede Anstrengung; ich habe Angst vor der Klinik. Die Karwoche rückt näher: Matth. 26, 58 5 . Vielen Dank für Ihre Grüße aus Anlass des Osterfestes 6 und meine besten Wünsche für Sie, für Dona Palmira, Ängel und alle Jungen und Mädchen von Ihrem unerschütterlichen Freund Carl Schmitt 1 Schmitt war umgezogen. Er zog aus dem Haus seiner Schwestern aus und lebte in einem neuen Haus ganz in der Nähe, das er San Casciano nannte. 2
Es handelt sich um „Volgarismo giuridico odierno".
3
Mit dem „Melville-Artikel" ist gemeint: Jose de Onis, „Melville y el mundo hispänico", 1963. 4
Es handelt sich um Politische Theologie II, 1970. Unter den Papieren von Älvaro d'Ors befindet sich ein Titelblatt als Werbung für Politische Theologie II mit den folgenden Worten Schmitts: „Lieber Don Älvaro: Ich lasse es Ihnen schicken, wenn Sie wollen! Frohe Ostern, CS. 31. 3. 71". Wahrscheinlich wurde dieser Prospekt zusammen mit dem vorl. Brief abgeschickt. 5 Der Passus des Evangeliums lautet: „Petrus aber folgte [Jesus] noch von ferne bis in den Palast des Hohenpriesters und setzte sich zu den Knechten, auf dass er sähe, wo es hinaus wollte". 6
Diese Karte fehlt im Düsseldorfer Archiv.
Die Briefe
115 (Spanisch geschr.)
D 597 Plettenberg-Pasel 18. Dezember 1971 Mein lieber Freund Don Älvaro: Ihre Postkarten mit Gemälden sind wunderbar (Der Turm von Babel und jetzt der betende hl. Franziskus bei Arezzo mit den Dämonen als Agenten des Pluralismus der Türme), vielen Dank 1 . Ich antworte mit einer ärmlichen Postkarte, die meine herzlichen Wünsche übermitteln soll für Sie, für die liebe Dona Palmira, für die Jungen und Mädchen, besonders für meinen Freund Ängel! Frohe Weihnachten! Ich feiere sie in meiner „Raum-Kapsel" mit dem Wunsch, Sie eines Tages hier zu sehen. Anima hat mir geschrieben, dass Sie mit der spanischen Ausgabe von „Legalidad y Legitimidad" 2 zufrieden sind, das ist meine hauptsächliche Freude. Wahrscheinlich wird in einigen Monaten die italienische Ausgabe erscheinen 3. Ich lese immer wieder ihre Sonderdrucke aus 25 Jahren; ich habe sie mit Sorgfalt gesammelt. Ich erinnere mich an meinen Besuch in Pamplona im Jahre 1962 und Ihre Gastfreundschaft und bin stets Ihr alter Freund Carl Schmitt (Ich schicke einen deutschen Artikel über Menendez Pidal 4 als Drucksache.) 1 Diese Karten d'Ors' sind im Düsseldorfer Nachlass nicht zu finden; d'Ors pflegte, wie auch Schmitt, Postkarten in Bücher einzulegen; einige freilich konnten unserer Sammlung einverleibt werden. 2
Es handelt sich um Legalidad y Legitimidad, übersetzt von Jose Diaz Garcia.
3
Erschien auszugsweise, S. 211-244, in Le categorie del „politico". Saggi di teoria politica a cura di Gianfranco Miglio e Pierangelo Schiera, Bologna: II Mulino, 1972. 4 Ramön Menendez Pidal (1869-1968), Philologe und Historiker, leitete ab 1940 die Historia de Espana, zahlreiche Werke zur Geschichte und Literatur Spaniens; in Deutschland vor allem bekannt durch sein Werk Das Spanien des Cid, 1936/37, sowie Die Spanier in der Geschichte, span. 1947.
262
Die Briefe
116 (Postkarte. Spanisch geschr.)
San Casciano D 597 Plettenberg-Pasel 3. Januar 1973 Mein lieber Freund Don Älvaro: Ich spreche Ihnen mein herzliches Beileid aus anläßlich des Todes Ihrer verehrten Mutter. Zur gleichen Zeit erinnere ich mich an die dreißig Jahre voller Ereignisse und Vorkommnisse, an unsere Freundschaft und ich danke der göttlichen Vorsehung, die mich einen langen Weg meines Lebens an Ihrer Seite, an der Ihres Vaters und der Ihren hat gehen lassen. Vielen Dank für Ihren Brief vom 17.12.721 und viele gute Wünsche für alle, besonders für Dona Palmira und meinen Ängel. Haben Sie die italienische Ausgabe meiner „Categorie del Politico" (von Prof. Miglio de Sacro Cuore in Mailand) erhalten? 2 Ich werde alles Mögliche tun, um Sie zu sehen und erwarte Ihren Besuch in Deutschland si Dieu me prete vie. Herzliche Grüße von Ihrem alten Freund Carl Schmitt Die Zeitschrift „Defense de l'Occident" hat einen Artikel über die französische Ausgabe von La Nociön de lo Politico 3 publiziert. 1
Dieser Brief, in dem d'Ors den Tod seiner Mutter mitteilt, findet sich nicht im Düsseldorfer Nachlass Schmitts. 2 3
Vgl. Br. v. 18. 12. 1971.
Schmitt meint den Aufsatz von Tirenne, „Carl Schmitt et le Conservatisme Revolutionäre en Allemagne", 1972. Tirenne bezog sich eher allgemein auf Schmitts Werk; Anlass war aber das Erscheinen von La notion de politique/Theorie du Partisan, 1972, mit einer Einleitung von J. Freund, S. 7-38.
Die Briefe
117 (Spanisch geschr.)
Pamplona 4. 1. 73 Verehrter und lieber Don Carlos: Ich habe - ich nehme an, durch einen wohlwollenden Hinweis von Ihnen - die italienische Ausgabe von „Le categorie del politico" erhalten. Es war wie eine neuerliche Unterredung mit C. S. Wiedererkennen bekannter Seiten, Entdeckung unbemerkter Winkel, stets Anregungen zur Reflexion. Ich hatte seit einiger Zeit die Absicht, wiederum das Problem der „Politischen Theologie" zu untersuchen, indem ich natürlich von Ihren alten und neueren Schriften ausgehen wollte, aber auch von anderen Darstellungen derselben Idee; zum Beispiel, Kantorowicz, The King's Two Bodies , dessen Untertitel gerade auf die mittelalterliche „Politische Theologie" 1 anspielt. Ihr Buch hat als neuer Impuls gewirkt, mehr über dieses Thema zu lesen und zu schreiben, obwohl ich noch nicht weiß wann, nicht nur aus Zeitgründen, sondern was noch schlimmer ist, wegen eines gewissen Pessimismus gegenüber meinem eigenen Werk, eine gewisse Befürchtung, dass es unnütz ist. Ich hoffe aber aus dieser Situation herauszukommen und der Kontakt mit Ihrem Werk ist für mich immer die beste Medizin 2 . Vor kurzem habe ich einen Vortrag gehalten über den „Verlust des Begriffs der Ausnahme" 3 - natürlich einschließlich des „Ausnahmezustands" aber ich bin mir im Klaren, dass das Thema eine viel weitere Betrachtung verlangt. Der kantisch-rationalistische Ursprung blieb nur angedeutet und ich beschäftigte mich mehr mit den aktuellen Fällen, in denen sich der Verlust dieses Begriffs niederschlägt. Ich müsste die intellektuellen Vorläufer dieser enormen Krise weiter ausführen, die in den Verlust des Gesetzesbegriffs selbst einmündet. Ich habe auch mit großem Vergnügen Ihre „premessa" der italienischen Ausgabe gelesen4, in der Sie sich, wie ich sehe - trotz all seiner Ungenauigkeiten - , auf das Buch von G. Schwab5 beziehen. Ich nehme an, dass Javier Conde, der Botschafter in Bonn, Sie besucht hat. Es ist schade, dass die diplomatische Laufbahn ihn von einer intellektuellen Arbeit weggezogen hat, die ich bei uns für nötig halte, denn, trotz großer ideologischer Divergenzen, bewundere ich ihn und interessiere mich für seine intellektuelle Persönlichkeit. Ich wünsche Ihnen ein glückliches 73. Herzliche Grüße Älvaro d'Ors
264
Die Briefe
1 Ernst H. Kantorowicz (1885-1963), The King's two bodies: a Study in Mediaeval Political Theology, 1957. 2
D'Ors verwirklichte sein Vorhaben einige Jahre später in: „Teologia Politica, una revision del problema", 1976. 3 „La perdida del concepto de excepciön a la ley" [Der Verlust des Begriffs der Ausnahme vom Gesetz]. Es handelt sich um die „Prelecciön" von 1971, erschienen in Escritos varios sobre el derecho en crisis, S. 147-159. 4
Sie wurde später auf spanisch in der Revista de Estudios Politicos unter dem Titel „Carl Schmitt: Le categorie del »politico 4 . Prefacio" veröffentlicht. 5 Georg Schwab, The Challenge of Exception: An Introduction Ideas of Carl Schmitt between 1921 and 1936, 1970.
to the Political
118 (Spanisch geschr.)
Pamplona 23. 7. 73 Lieber und verehrter D. Carlos! Ich hoffe, dass meine Broschüre über „inauguratio" 1 Ihnen meine Emotion bei der Gedenkfeier zum 11. Juli kundgetan hat. Es tut mir leid, dass ich so reisefaul bin - jedes Jahr mehr ... Ich wünsche, dass Sie bei Gesundheit bleiben und immer mit voller Geisteskraft arbeiten können. Es muss für Sie ein starker Anreiz sein, zu sehen, wie man wieder mit Bewunderung von C. S. in Deutschland redet, auch unter den Jugendlichen. Unser Freund G. Krauss hat mir Ausrisse von Artikeln geschickt, die in diesen Tagen von Altmann 2 , Fromme 3 , Sander 4 - in der deutschen Presse erschienen sind. Es freut mich sehr, diese gesunde Reaktion zu sehen. Ihr Foto vom 85. Geburtstag ist auch sehr gelungen, mit einem energischen Aussehen. Das Foto des Artikels von Altmann scheint etwas älter zu sein, aber auch es ist interessant. Von Alfonso habe ich seit langer Zeit keine Nachricht bekommen - das Briefschreiben fällt ihm schwer. Vielleicht sehe ich ihn diesen Sommer, obwohl es noch nicht sicher ist, ob ich nach Galizien reise. Ich hoffe, im nächsten November nach Santiago zu fahren. Es grüßt Sie herzlich und wünscht Ihnen alles Gute, Ihr Verehrer und Freund
Älvaro d'Ors
Die Briefe
1
„Inauguratio", Santander, 1973.
2
Altmann arbeitete diesen Artikel um und ließ ihn als Manuskript unter Freunden kursieren, jetzt mit „Carl Schmitt oder das Ende der Repräsentation" betitelt; gedruckt in: Altmann, Abschied vom Staat, S. 181-187. Rüdiger Altmann (19222000), politischer Publizist und Kanzlerberater Erhards. Über die Beziehung von Altmann zu Schmitt vgl. v. Laak, Gespräche in der Sicherheit, S. 262-266. 3 Gemeint ist: „Der Mann, der den lebenden Parlamentarismus sezierte. Carl Schmitt wird 85", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. 7. 1973. Friedrich Karl Fromme (geb. 1922) stark unter dem Einfluss Schmitts in seiner Verfassungsarbeit Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 1960. 4
Gemeint ist: „ I m Zentrum des Taifuns. Carl Schmitt redivivus. Gedanken zu seinem 85. Geburtstag", Die Welt, 11. 7. 1973. Hans Dietrich Sander (geb. 1928) führte einen umfangreichen Briefwechsel mit Schmitt; sein wichtigstes Buch faszinierte Schmitt sehr: Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie, 2. Aufl., 1970; zu der Freundschaft von Hand Dietrich Sander mit Carl Schmitt vgl. M. Resting, „Begegnungen mit Carl Schmitt". Von den Artikeln zu Schmitts 85. Geburtstag ist noch erwähnenswert: Sepp Schelz (1917-1986), „ I m Schatten des Leviathan", Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 8. 7. 1973.
119 (Spanisch geschr.) D 597 Plettenberg-Pasel 11 c 24. Januar 1974 M e i n lieber Freund D o n Ä l v a r o : Ich schulde Ihnen großen Dank für viele unschätzbare Sendungen, Briefe und Postkarten. Vor einigen Wochen habe i c h (durch das Büro des Consejo de Investigaciones) Ihr B u c h über das Recht i n der Krise erhalten 1 , das i c h gerade m i t v i e l existentieller Teilhabe lese (die „ K r i s e " scheint m i r eher eine Sintflut zu sein; die Deutschen tun alles, was sie unternehmen zutiefst „ g r ü n d l i c h " und bauen unterseeische und stratosphärische Archen). I c h sende Ihnen Grüße für Sie, Dona Palmira und alle Söhne und Töchter (besonders w i e i m m e r für unseren Ä n g e l ) und i c h bedauere, Sie nicht sehen zu können wegen meines prekären Gesundheitszustands. Das Wort „prekär" hat i n meinem Fall eine fast theologische und metaphysische Bedeutung i n Verbindung m i t der Situation eines Alten, der bereits einen Fuß i n den Nachen des Charon gesetzt hat.
266
Die Briefe
Ich bewundere Ihre unerschöpfliche Schaffenskraft. Ich danke Gott, dass ich einen solchen Freund habe. Ich erinnere mich immer an Ihren Vater, Don Eugenio. Ich lese seine Gedichte immer mit tiefer Bewegung; ich finde immer einen großen Trost, wenn ich über seine Oraciones 2 [Gebete] meditiere. Mein Wunsch, Sie wiederzusehen ist lebhaft und stark, aber meine psychosomatischen Möglichkeiten sind gering. Das ist auch der einzige Grund meines oft viel zu langen Schweigens. Ich möchte mein „Nunc dimittis" beten3. Aber meine Verfolger lassen mich nicht sterben. Ich hoffe, Ihnen eine kleine Darstellung zur „Weltrevolutionären Legalität" 4 schicken zu können, die im Augenblick ins Französische übersetzt wird. Also dann, mein lieber Don Älvaro. Schreiben Sie mir, ohne mir mein Schweigen heimzuzahlen. Ihr unverändert alter Freund 1
Carl Schmitt
Gemeint ist die Aufsatzsammlung Escritos varios sobre el derecho en crisis.
2
Es handelt sich um das von E. d'Ors veröffentlichte Buch Oraciones para el creyente en los Angeles, 1940. 3 „Nunc dimittis", der bald als Abendgebet verwendete Hymnus des greisen Simeon, der damit das Jesuskind bei seiner Darstellung im Tempel begrüßte (Lukas, 2, 25-35). 4 Erst viel später wurde sie auf Deutsch veröffentlicht: „Die legale Weltrevolution. Politischer Mehrwert als Prämie auf juristische Legalität und Superlegalität", 1978. Aus dem Brief v. 19. 1. 1976 scheint jedoch hervorzugehen, dass sie nicht auf Französisch publiziert wurde, weil Schmitt sie zurückzog. Der Aufsatz sollte zuerst in französischer Sprache in einer Festschrift für den Nationalökonomen Francois Perroux (1903-1987) erscheinen.
Die Briefe
120 (Postkarte. Spanisch geschr.)
San Casciano erwartet Sie. San Casciano1: Missale Romanum (das alte, 13. August): „livre ä ses propres eleves qui le tuerent ä coups de poin^on" Und das Gedicht von Prudentius (ca. 400 n. Chr.). Und Littera Apostolica des Papstes Pius X I I vom 23. Dezember 1952. Für meinen geliebten Freund Don Älvaro d'Ors Uti semper addictisimus
Carl Schmitt 24. Januar 1974
1 „San Casciano" benützte Schmitt wahrscheinlich auf dreifache Weise: 1) Er nannte sein Haus in Plettenberg-Passel „San Casciano" nach dem Landgut Sant'Andrea di Percussina bei San Casciano (unweit Florenz) auf das Machiavelli verbannt wurde und wo er 1513 II principe schrieb. 2) Schmitt spielte damit aber auch auf den hl. Cassian von Imola, wahrscheinlich Bischof von Brujas, an, der 304 unter Diokletian zu Tode gemartert wurde; das Fest ist am 13. 8. Der Dichter Aurelius Clemens Prudentius berichtet in seinen Peristephanon wie der hl. Cassian von seinen heidnischen Schülern mit Schreibgriffeln zerfleischt wird. 3) Des weiteren dachte Schmitt an den spanischen Mönch San Casciano, gestorben 1504, der 1499 in seiner Schrift Vocabulario de Santaelle über die Bitternis (acidia) und den Überdruss im Alter (tedio) klagte.
121 (Spanisch geschr.)
Pamplona 26. 4. 74 Lieber Don Carlos: Ich habe mich sehr über Ihren Brief vom Januar und die Postkarte von San Casciano gefreut. Ich stelle mir vor, dass Sie sich in diesem wundervollen Haus sehr wohl fühlen müssen. Ich füge eine Kopie des Nachrufs auf Prof. H. Barion bei, den die „Revista de Estudios Politicos" 1 gerade veröffentlicht hat, sogar besonders her-
268
Die Briefe
vorgehoben, denn er steht auf der ersten Seite (!) und dient ein wenig als Stütze für einige Zeilen eines Nachrufs auf den Admiral Carrero Blanco 2 , der letzten Dezember ermordet wurde. Dieser kriminelle Mord ist für die Geschichte Spaniens sehr bedeutungsvoll gewesen, wenngleich die Auswirkungen nicht unmittelbar zu sehen sind. Obwohl es nicht den Anschein hat, ist das Franco-Regime beendet und die vorgesehene Kontinuität ist problematisch und zumindest bedingt durch einige neue Faktoren, mit denen man nicht gerechnet hatte. Aber der Vorfall ist noch wichtiger, wenn wir zu vermuten wagen, dass hinter den Ausführern des Mordes noch mehr steckt - was immer noch straflos ausgeht und ausgehen wird - und dass dieses Etwas mit dem gestern in Portugal stattgefunden Staatsstreich in Verbindung steht. Nur die Zukunft wird uns zeigen, ob meine Befürchtungen gerechtfertigt sind. Auf jeden Fall durchläuft die Pyrenäenhalbinsel einen kritischen Augenblick ihrer Geschichte, denn die Schicksale der beiden Länder sind nur schwer voneinander zu trennen. Ich erwarte Ihre Schrift über die „Weltrevolutionäre Legalität", die ich noch nicht erhalten habe. Der Tod Prof. Cabral de Moncadas, den Sie gut kennen, war für mich eine traurige Nachricht. Ich wünsche, dass es Ihnen weiterhin gut geht. Es grüßt Sie mit aller Zuneigung 1 2
Älvaro d'Ors
Es ist ein von Älvaro d'Ors geschriebener Nachruf.
Luis Carrero Blanco (1903-1973), Admiral und Politiker; enger Mitarbeiter Francos; leitete 1941-1967 die Präsidialkanzlei; 1967-1973 war er stellvertretender Ministerpräsident, 1973 Ministerpräsident. Er war die von Franco ausgewählte Person zur Verwirklichung des Übergangs Spaniens zur Monarchie. Er wurde im Dezember 1973 ermordet.
Die Briefe
122 (Postkarte. Spanisch geschr.)
16. Mai 1974 Ihr Brief vom 26. April mit dem Epitaph für unseren Freund Hans Barion ist pünktlich angekommen; vielen Dank. Ich habe das Heft der Revista de Estudios Politicos noch nicht erhalten. Anima und ich haben den Epitaph ins Deutsche übersetzt. Der Tod unseres alten Freundes Moncada hat mich tief betrübt. Ich werde mehr schreiben; im Augenblick beschäftigt mich der Besuch von Anima und dem kleinen Älvaro 1 . Herzliche Wünsche für Sie, für Dona Palmira und die Kinder, besonders an meinen Ängel. Mit aller Zuneigung Carl Schmitt Lieber Don Älvaro; aus diesem Stückchen Paradies liebe Grüße von Anima und Älvaro
1
Älvaro Otero Schmitt (geb. 1968) ist der vierte Enkel Schmitts. Heute ist er Rechtsanwalt.
123 (Spanisch geschr.)
Pamplona 12. 12. 74 Lieber und verehrter D. Carlos: Seit langem habe ich keine Nachrichten 1 von Ihnen, aber ich möchte annehmen, dass es Ihnen gut geht. Alfonso schreibt nicht gerne Briefe, aber von Ihnen habe ich Nachrichten durch gemeinsame Freunde. Die Universität von Santiago befindet sich in einem traurigen Zustand: die Fakultät ist geschlossen und der Dekan 2 auf eigenen Wunsch zurückgetreten und ich danke Gott, dass ich hier einen großen Frieden genießen kann, der mir erlaubt, zu arbeiten und die Vorlesungen ordnungsgemäß zu halten. Dieses Jahr kann ich mit meinem Sohn Javier 3 , einem jungen Romanisten, als wichtigsten Mitarbeiter rechnen; aber ich fürchte, es wird nicht
Die Briefe
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lange dauern, bis er m i c h verlässt, u m an einer anderen Universität einen vakanten Lehrstuhl zu erlangen. I n diesen M o n a t e n b i n ich beschäftigt m i t der etwas brutalen Arbeit der Korrekturen der Druckfahnen z u m 3. Band meiner Übersetzung der Digesten 4 . I c h kann das Ende dieser Plackerei k a u m erwarten, u m wieder m i t mehr Freiheit lesen zu können. D i e politischen Ereignisse i n Spanien sind sehr traurig für die, die w i r uns als Sieger des Jahres 39 betrachten. Das Beispiel des v o n den K o m m u nisten beherrschten Portugal könnte als Anreiz dienen, aber ich fürchte, es ist nutzlos, denn die hohen Entscheidungen k o m m e n nicht aus Spanien selbst, sondern v o n den arroganten Machthabern der internationalen Synarc h i e 5 , deren Ziele der unmittelbare Profit und die M a c h t sind, ohne spätere Folgen der Handlungen i n Betracht zu ziehen, die sie provozieren. [Der letzte T e i l des Briefes fehlt; Schmitt notierte an den Rand, w o m i t d ' O r s ' B r i e f vielleicht geendet habe: „Unser Familienname erscheint vier M a l i n der Gehaltsliste der Dozenten . . . " ]
1 Auf jeden Fall fehlt zwischen dem vorhergehenden und diesem Brief zumindest einer von Schmitt, denn dieser notierte in dem erhaltenen Brief das Datum des Antwortschreibens und i m Briefkopf steht „b. 16/5/74". Er bezieht sich nicht nur auf das Ausbleiben von Antworten auf seine Briefe, denn Schmitt schrieb bereits weniger, wie er selbst wiederholt betont, sondern auf Nachrichten von seiner Tochter und gemeinsamen Freunden. 2
Otero trat sein Amt als Dekan der Juristischen Fakultät der Universität von Santiago de Compostela 1972 an; es ist möglich, dass er es war, der seinen Rücktritt einreichte. 3
Es handelt sich um Javier d'Ors; vgl. Br. v. 1.9. 1957.
4
Die Veröffentlichung erfolgte im Jahr darauf: El Digesto de Justiniano III. Spanische Version in Zusammenarbeit mit F. Hernändez-Tejero, P. Fuenteseca, M. Garcia Garrido und J. Burillo, 1975. 5 Ä. d'Ors hat häufig von der Synarchie geredet. Er definiert sie in der letzten Zeit in Nueva Introducciön al Estudio del Derecho, § 115: „Dieser Verbund von Mächtigen aus der Wirtschaft wird manchmal Synarchie genannt, d.h. ein Regierungsverbund, obgleich die Bezeichnung dieser tatsächlichen Macht, da sie nicht offiziell und öffentlich ist, je nach den Zeitumständen variieren kann. Diese in gewisser Weise okkulte Macht existiert jedoch wirklich; es genügt, dass sie 80% der Weltwirtschaft kontrolliert, um eine Weltregierung darzustellen, wenngleich sie nicht eigentlich demokratisch ist, sondern plutokratisch: sie hat keine Befugnisse, aber doch eine effektive, unwiderstehliche Macht". Nach d'Ors' Überzeugung hat im 20. Jahrhunderts die Synarchie und nicht der Kommunismus das Schicksal Europas entschieden; vgl. auch von ihm darüber: Introducciön al estudio del derecho, § 89 und „Das Glossarium von Carl Schmitt", S. 237 f.
Die Briefe
124 (Postkarte. Spanisch geschr.)
Pamplona, 31. 10. 75 Lieber und verehrter Don Carlos: Meine besten Wünsche zum Tag des hl. Carl. Möge es Ihnen gut gehen und Ihre volle Tatkraft erhalten bleiben. Ich habe einen Artikel über „Politische Theologie" geschrieben, der vielleicht in der Zeitschrift „Estudios Politicos" 1 veröffentlicht wird. Ich werde ihn Ihnen schicken lassen, sobald er herauskommt ... Wir erleben in Spanien Augenblicke von großem theoretischen Interesse: die Schwierigkeit einer reinen Legalität zur Einsetzung einer Monarchie 2 . Herzliche Grüße
Älvaro d'Ors.
1
Vgl. v. Br. 4. 1. 1973. Francisco Franco war noch nicht gestorben; er starb am 20. 11. 1975, aber der Übergang zur Monarchie hatte bereits begonnen. 2
125 (Postkarte. Spanisch geschr.)
12.11.75 Lieber Freund Don Älvaro: ich habe Ihre herrliche Postkarte erhalten (Fra Angelico); ich bin glücklich, von Ihnen und Ihrer Familie Nachrichten zu erhalten. Ich hatte einen angenehmen Besuch von Anima, Alfonso und Carlos hier in Plettenberg. Könnten wir uns einmal sehen? Haben sie die Rezension des amerikanischen Buches über Donoso Cortes gelesen (Rev. E.P. 200/201, S. 826) 1 ? Ich werde im März/Juni 1975 das Buch haben2, wie ich in einigen Wochen erwarte. Viele Grüße für Sie, lieber Don Älvaro und Dona Palmira und alle anderen, besonders meinen Freund Ängel. Ihr treuer Carl Schmitt. R. D-597 PI. Pasel 11c 1 Es handelte sich um das Buch von John T. Graham, Donoso Cortes: Utopian romanticist and political realist , 1974. Das Buch missfiel Schmitt auf das Äußerste. 2 Dieser Satz ist im Original nicht eindeutig zu verstehen.
272
Die Briefe
126 (Spanisch geschr.)
Pamplona 19. 12. 75 Lieber Don Carlos: An diesen Tagen dürfen meine Worte der Erinnerung und der guten Wünsche für Sie nicht fehlen. Ich wünsche, dass sie wohlauf und guten Mutes sind! Ich habe einen langen Artikel über das Problem der „Politischen Theologie" beendet und der „Revista de Estudios Politicos" ausgehändigt. Das hat für mich einen andauernden Dialog mit C. S. mit sich gebracht, obwohl ich zu dem Schluss komme, dass die Charta Magna der eigentlichen politischen Theologie die Enzyklika „Quas Primas" ist, deren 50jähriges Bestehen gerade gefeiert wurde, am Ende gab es vielleicht nur Vergessen1. Ich werde Ihnen einen Sonderdruck schicken, wenn er veröffentlicht wird; Herrn Bung habe ich einen weiteren versprochen 2. Von Anima und Alfonso habe ich kürzlich Nachrichten aus Sevilla erhalten, wo sie aufgrund einer Promotion waren. Fröhliche Weihnachten! Glückliches 1976! Herzliche Grüße von Ihrem steten Bewunderer und Freund Älvaro d'Ors 1 D'Ors kam in seinem Aufsatz zu dem Schluss, dass Schmitts Politische Theologie eine metaphorische sei; eine nicht metaphorische läge in der Enzyklika des Papstes Pius XI. „Quas Primas" vor. 2
Vgl. Br. v. 6. 7. 1968.
Die Briefe
273
127 (Spanisch geschr.)
D 597 Plettenberg-Pasel 28. Dezember 1975 Mein lieber Freund Don Älvaro: Frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr für Sie, für Dona Palmira, Ängel und alle die Ihren. Ich habe ein großes Bedürfnis, mit Ihnen zu sprechen und einige Zeilen von Ihnen zu bekommen. Im Augenblick befinde ich mich in einer fast letalen Erregung, eine Nachwirkung eines typisch nordamerikanischen Buches (John T. Graham 1 über Donoso Cortes, 1974, Columbia University und die Rezension in der Revista de Estudios Politicos, 200/201, S. 326-330 von Ricardo Grijalbo Bono); dieses Buch handelt von dem „Faschisten" Eugenio d'Ors und von meiner bescheidenen Person als „Nazi"; und dem armen Donoso als einer pluralistischen Mischung aus Saint-Simonismus, Hegelianismus, Sozialismus, schlecht verdautem Christentum und cum ... hier wurde der Brief unterbrochen 2.
1
Vgl. Br. v. 12. 11. 1975.
2
M i t diesem Satz hat Schmitt den Brief beendet. Gelegentlich geschah das aus Ermüdung, hier vielleicht auch aus Ärger.
128 (Spanisch geschr.)
Universidad de Navarra Facultad de Derecho [ohne Datum, erste Seite fehlt, vermutlich Mai 1975] Anima hat mir geschrieben und sagt mir, dass Carlos zum Studium nach Pamplona kommt. Diese Neuigkeit freut mich. Ich warte, dass die neuen Vordrucke für die Aufnahmeprüfung herauskommen, um sie ihnen zu schicken. Es sind schwierige Prüfungen hier - weniger als 1/4 der Kandidaten 1 Herrero
274
Die Briefe
wird angenommen - aber ich weiß schon, dass Carlos ein außergewöhnlicher Schüler ist und glaube nicht, dass es Schwierigkeiten geben wird 1 . Mein Sohn Javier, der mein Assistent für Römisches Recht war, hat die Prüfungen für die Erlangung des Lehrstuhls bestanden und wird nach Santiago gehen (er hat Santiago der marxisierten autonomen Universität von Barcelona vorgezogen). Miguel, mein ältester Sohn ist (nicht nur Dichter, sondern auch) Literaturdozent in Pamplona und Ängel widmet sich der Logik (er bereitet zur Zeit seine Dissertation vor). Meine Tochter Paz hat sich mit einem Journalisten verheiratet und lebt in Mälaga. Ines hingegen lebt in einem Wohnheim des Opus Dei in Zürich. Nun, die kinderreiche Familie verteilt sich ... Lieber Don Carlos: ich wünsche, dass Sie frohe Ostern verbringen und es wird mich freuen, zu erfahren, dass es Ihnen gesundheitlich gut geht und dass Sie intellektuell guten Mutes sind. Es grüßt Sie herzlich
1
Älvaro d'Ors
Carlos Otero Schmitt studierte Architektur an der Universität von Navarra.
129 (Spanisch geschr.)
19. Januar 1976 Mein lieber Don Älvaro, es fällt mir sehr schwer, einen Brief fertigzustellen. Ich bitte Sie meine vielen Fehler zu entschuldigen. Ihr Brief mit Ihren Wünschen für das Neue Jahr 1976 ist ein Trost in meiner Alterseinsamkeit. Ich warte auf Ihren Artikel über die politische Theologie. Ich habe die letzte Nummer der Revista de Estudios Politicos mit meinem Artikel noch nicht erhalten (la premessa italiana) 1 , Änima hat mir vor einer Woche telephonisch mitgeteilt, dass sie erschienen ist. Ich habe meinen Artikel über die Legalite (non: Legitimite) de la Revolution Mondiale zurückgezogen, es gibt zu viele gefährliche Irrtümer. Der schlecht aufgeklärte Eifer von Prof. Tommissen 2 trägt dazu bei, sie noch zu vermehren. Das ist traurig.
Die Briefe
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Das sehr amerikanische Buch des Prof. John T. Graham über Donoso hat mich über die erstaunlichen Möglichkeiten aufgeklärt, die uns erwarten. Ich sehe, dass es nicht möglich ist, Donoso zu verstehen, ohne den entscheidenden Einfluss des russischen Botschafters Meyendorff in Berlin im Jahre 1849 in Betracht zu ziehen; ich habe ihn in meinem Artikel „Donoso in Berlin 1849" entdeckt und Mister John Graham weiß in dieser Beziehung nicht mehr als das, was er in meinem Artikel gelesen hat. Aber er weiß nicht, was ich weiß von dem andauernden seltsamen Einfluss während dieser zwei Jahrhunderte und dass er bis heute Motor der europäischen Politik bezüglich Deutschlands war. Das wäre zuviel verlangt von dem Interesse und der Intelligenz eines Amerikaners, dem der Antifaschismus als Ersatz für politische Intelligenz hinreicht. Jetzt ist es genug! Es ist für mich ein Trost, Ihnen zu schreiben, mein lieber Freund und mich an unsere Unterhaltungen in Santiago, Pamplona, Paris, Heidelberg, Marburg, usw. zu erinnern. Mein Enkel Carlos wird Ihnen von seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik im Herbst 1975 erzählen. Grüße für Sie alle, besonders für Ihre Frau, Dona Palmira, und meinen Freund Ängel. ^ , 0 1 6 Carl Schmitt 1
Vgl. Br. v. 18. 12. 1971 und Br. v. 9. 1. 1973.
2
Piet Tommissen (geb. 1925), Professor an der ökonomischen Hochschule SaintAloysius in Brüssel und Freund Carl Schmitts seit 1952. Er ist der Bibliograph Schmitts, hat zahllose Forschungsarbeiten über ihn veröffentlicht und gibt seit 1988 die Schmittiana heraus (jetzt bei Duncker & Humblot, Berlin).
130 (Spanisch geschr.)
Pamplona 20. 2. 76 Lieber und verehrter Don Carlos: Ihr Brief vom 19.1. hat mich sehr gefreut und vor einigen Tagen legte jemand eine Postkarte vom 12.11. in meinen Briefkasten! In der Anschrift fehlte die Hausnummer und, da nur „Aoiz" erschien, ist es möglich, dass 1*
276
Die Briefe
diese Postkarte in das Dorf Aoiz geriet oder in ein anderes Haus derselben Straße. Verzeihen Sie, dass ich nicht auf diese Postkarte geantwortet habe, aber sie geriet erst vor einigen Tagen in meine Hände. Sowohl auf Ihrer Postkarte als auch in Ihrem Brief sprechen Sie von dem Buch von Graham über Donoso Cortes, das ich nur durch Hinweise in „Estudios Politicos" kenne. Es wundert mich nicht, dass die Amerikaner nichts von unserer politischen Geschichte verstehen. Ihr Satz „der Antifaschismus genügt als Ersatz für eine politische Intelligenz" ist der Schlüssel für dieses andauernde Verständnislosigkeit. Aber mit diesen „Verständnislosen" haben wir es heute in Spanien zu tun 1 . Wir stehen unter der Herrschaft der Synarchie, die vorzüglich von Amerikanern gebildet wird. Dazu gehört auch der Prinz Bernard von Holland, dem ich teilweise die Auflösung des spanischen Carlismus zuschreibe, angestiftet durch seinen Schwager Carlos Hugo, der einen Carlismus ohne Katholizismus und ohne König als Variante des Sozialismus vertritt ... Unser Fernsehen ist von kommunistischen Gruppierungen stark beeinflusst und nur dort erscheinen manchmal Angriffe auf die Synarchie (fast würde ich sie als ermutigend bezeichnen). Aber die Beziehung zwischen Synarchie und Kommunismus ist sehr dunkel. Zum Beispiel: Was hat die Synarchie dem Kommunismus angeboten, um dafür in Portugal freie Hand zu haben? Vielleicht die Türkei? Natürlich ist keine Information schlechter als die der Presse. Wie vorherzusehen war, bilden sich in Spanien ultrarechte Gruppen, vor allem unter den Jugendlichen, als Entgegnung auf die schon linksgerichtete Regierungspolitik, die ihr Vertrauen auf das allgemeine Wahlrecht setzt. Für diejenigen, die wir „Sieger von 1939" waren, ist diese Erfahrung bitter, aber es ist die permanente Tragödie der „Kriegsveteranen" 2 . Von den Männern, die jetzt im Rampenlicht stehen, gehört zweifellos Fraga Iribarne 3 der Vorrang; ich kenne ihn als Schüler seit mehr als drei Jahrzehnten: schon damals war er so. Seine physische und geistige Kraft ist der seiner Kollegen weit überlegen, aber man kann von ihm wenig günstige Dinge erwarten. Seine Rolle hätte die eines Diktators sein müssen, der uns aus der neuen Anarchie herausführt, aber Franco hat zu lange gelebt und es ist nun an Fraga, die Rolle eines Demokraten des „Zentrums" zu spielen, so wie es Cänovas vor einem Jahrhundert tun musste, zur Zeit der Restauration von Alfons XII.: ein Anachronismus ... Die Erfahrung der Menschen meiner Generation ist die, dass es Spanien nie besser gegangen ist (und die Pesete nie höher stand) als unter den Diktaturen von 1923-1930 und 1939-1975. Jetzt leben wir in einer beklagenswerten Porno-Demokratie, aus der wir nur langsam herauskommen werden und aus der unsereiner herausgehen wird, bevor sie zu Ende ist.
Die Briefe
Mein Artikel über politische Theologie ruht seit Dezember in den Händen der Sekretärin von „Estudios Politicos" und ich weiß nicht, ob er dort veröffentlicht wird. Ich denke daran, ihn an anderer Stelle zu veröffentlichen und werde Ihnen ein Exemplar schicken. Jedenfalls hat sich meine Thematik als Autor auf die exegetischen Probleme der Digesten konzentriert und ich schreibe wenig über „höhere" Themen. Im Januar war ich in Santiago. Ich sah Anima, Dusanka und Alfonso und die übrige Familie. Es ist möglich, dass ich sie im Monat März oder April wiedersehen werde. Ich möchte Ihnen nicht mit der Beantwortung meiner Briefe zur Last fallen. Ich freue mich sehr, wenn ich Nachrichten von Ihnen erhalte, aber Ihre Ruhe ist mir noch wichtiger. Ich grüße Sie mit aller Zuneigung
Älvaro d'Ors
A m nächsten Mittwoch erwarten wir den Besuch des Ehepaares Krauss, mit dem wir immer von Ihnen sprechen. 1 Dies ist der erste Brief nach dem Tode Francisco Francos, am 20. November 1975; Spanien befand sich voll im Übergang zur Demokratie. 2 Diese Idee von d'Ors ist in seinem Buch - sein liebstes Buch, wie er mir einmal schrieb - La violencia y el ordert, 1987. 3
Vgl. den Br. v. 21. 8. 1956.
131 (Spanisch geschr.)
[ohne Datum; vermutlich zwischen Juni und Juli 1976 verfasst] Mein lieber Freund Don Älvaro: nur einige Zeilen, um Ihnen zu danken für den meisterhaften Artikel über die politische Theologie. Ich verstehe Ihre Verbitterung angesichts der Oberflächlichkeit und allgemeinen Ignoranz, die die Diskussion des Problems der „politischen Theologie" beherrscht. Peterson ist ein skandalöser Fall; sein Buch von 19351 ist der Widerruf seines Vortrags von 1925 2 ; es
278
Die Briefe
ist eine Rückkehr zum Protestantismus in seinen pietistischen Ursprüngen und zum Bultmannianismus; es ist die Friedenserklärung mit Karl Barth und dem „religiösen Sozialismus". Das gesamte Problem Petersons entwickelt sich unter dem Zeichen des „Skandals" Kierkegaard. Die Freude über die Rückkehr des verlorenen Sohnes (1930) 3 war unmäßig; es gibt hier eine schockierende Parallele zum Fall Max Scheler. Der Minderwertigkeitskomplex der deutschen Katholiken war immens; es ist eine Tommissensche Verwechslung, von einem „renouveau catholique" nach 1918 zu sprechen 4; es war das genaue Gegenteil. Der französische „renouveau catholique" ist eine Antwort auf die Separation und den französischen kämpferischen Laizismus; das Aufkommen des Katholizismus von Weimar (1919) war im Gegensatz dazu eine Anerkennung der Römischen Kirche als verfassungsrechtliche Körperschaft! Und die katholische Partei, das „Zentrum" 5 war eine homogen katholische Partei und nicht wie die Christliche Demokratie, „Parität". „Parität" ist die alte deutsche Tradition nach 1648 bis heute! Verzeihen Sie meine Ereiferung, lieber Don Älvaro. Ihre Publikation ist auf jeden Fall ein gutes Werk. Interessiert Sie ein Buch über „Das bellum justum des Hernän Cortes in Mexico" von Eberhard Straub 6 , 1976, Böhlau Verlag, Köln-Wien? Ich habe einige Exemplare gekauft, um sie zu verschenken, es interessiert mich besonders. Haben die Mexikaner tatsächlich an die berühmten weißen Götter geglaubt? Vgl. die Schlussfolgerung meines Vortrags vom März 1962 (vgl. beigefügte Anlage) 7 . Der Autor ist Sohn des Ordinarius Johannes Straub 8 (Alte Geschichte und Papyrologie) in Bonn, der mir einen sehr intelligenten und sympathischen Brief über das Problem Petersons geschrieben hat. Haben Sie noch ein Exemplar eines Sonderdrucks Ihres Artikels „Teologia Politica" und könnte ich noch ein oder zwei Exemplare bekommen? Die Anschrift von Prof. Johannes Straub ist: Prof. Johannes Straub Seminar für Alte Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität A m Hof 1 D 53 Bonn Die Feder fällt mir aus der Hand. Der Tod Heideggers (26. Mai) und das Scheitern der „imago" von Max Weber 9 gehen mir nahe. Herzliche Grüße von Ihrem treuen Freund
Carl Schmitt
Meine herzlichen Grüße an Dona Palmira und die Kinder und Enkel, besonders an meinen Freund Ängel.
Die Briefe
1
Gemeint ist Der Monotheismus als politisches Problem, 1935.
2
Gemeint ist Was ist Theologie?, 1925, wo Peterson, damals noch Ordinarius der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, eine Theologie des absoluten Dogmas verkündete, die dem Katholizismus nahestand. Darin war er mit der dialektischen Theologie Karl Barths konfrontiert. 3 Er bezieht sich auf die Bekehrung Petersons. Schmitt selbst berichtet über diese Konversion in Politische Theologie, II, S. 16: „ I n den Jahren seiner öffentlichen Wirksamkeit, 1925-1969, bedeutet seine Konversion zum Katholizismus eine tiefe Zäsur, die aber nicht auf das Kalenderdatum 1930 verengt werden darf'. Erik Peterson (1890-1960) war einer der Kollegen Schmitts in der Bonner Zeit; mit ihm verband Schmitt eine enge Freundschaft. Er war sogar Trauzeuge bei Schmitts Heirat mit Duschka Todorovic. Peterson trat Weihnachten 1930 in die katholische Kirche (in Rom) ein. Schmitt und Peterson kannten sich aus Münchener Tagen; beide frequentierten eine Zeit lang den Kreis um Theodor Haecker. Welche Rolle Schmitt bei der Konversion Petersons spielte, ist nicht klar. Die einen, wie Edgar Salin (1892-1974), denken, dass die Konversion sich in langen Gesprächen mit Schmitt herausgebildet habe; andere, wie der protestantische Theologe H. Oberheid (1894-1974) bekunden, dass Schmitt ihm eher davon abgeraten habe. Nach den Aussagen Schmitts in diesem Brief scheint dies wohl nicht der Fall gewesen zu sein. M i t Sicherheit kann man behaupten, dass Schmitts Schrift über die Kirche, Römischer Katholizismus und politische Form, Peterson beeinflusste. In der Tat findet die Analogie, die Schmitt zwischen Kirche und Staat aufzeigt, ihren ekklesiologischen Ausdruck bei Peterson. 1932, nach der berühmten Konversion, trafen sich beide wieder in München; damals plante Peterson zur Osterzeit eine Reise nach Rom und Schmitt begleitete ihn. Vielleicht war es eines der letzten Male, dass sie freundschaftlich miteinander sprachen, denn im Jahre 1933 kühlte sich die Freundschaft, aufgrund Schmitts Engagement für den Nationalsozialismus, ab. In einem Brief an Thomas Michels vom 10. 10. 1935 schrieb Peterson: „Dass Schmitt als Freund treulos gewesen ist, das habe ich bis heute nicht überwunden". (Zit. n.: Nichtweiss, Erik Peterson , S. 732.) 1935 schrieb Peterson auch das berühmte, o.a. Buch, in dem er die Politische Theologie Schmitts zurückweist. Trotz allem knüpften beide wieder Kontakte, wenngleich nicht die alte Freundschaft. Zu den Beziehungen Schmitt-Peterson, vgl. u.a. Dahlheimer, Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus, S. 480-486; Nichtweiss, Erik Peterson , S. 724-829; Nicoletti, Trascendenza e potere, S. 415-427. 4 Schmitt bezieht sich auf Tommissens Aufsatz „Carl Schmitt, metajuristisch betrachtet. Seine Sonderstellung im katholischen Renouveau Deutschlands der Zwanziger Jahre". Über diese Studie, aus einer umfangreichen Artikelreihe Tommissens in der flämischen Zeitschrift Kultuurleven im Okt.-Dez. 1973 hervorgegangen, äußerte sich Schmitt des öfteren verärgert. 5 Über Schmitts Beziehung zum Zentrum vgl. u. a. Dahlheimer, Carl Schmitt und die deutsche Katholizismus, S. 419—431; auch Quaritsch, Positionen und Begriffe, S. 76-82. In den 20er Jahren wurde oft angenommen, Schmitt sei Mitglied des Zentrum, 1924 wurde ihm sogar eine Reichstagskandidatur angeboten; 1925 hielt er, aus Anlass der Rheinischen Jahrtausendfeier vor Mitgliedern des Kölner Zentrum die Rede „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik", die veröffentlicht wurde. 1927 versuchte man wiederum, ihn in das politische Leben der Partei zu implizieren; der Versuch scheiterte jedoch wiederum. Viele Mitglieder des Zentrums sahen die zweite Ehe Schmitts nicht mit Wohlgefallen; andererseits versteht man,
280
Die Briefe
dass der Antiparlamentarismus Schmitts nicht leicht mit den Vorgaben des Zentrums zu vereinbaren war. Auf jeden Fall war von 1932 an die Distanzierung Schmitts vom Zentrum bereits absolut. 6
Eberhard Straub (geb. 1940), Historiker und Journalist. Schmitt unterhielt mit ihm eine gewisse Freundschaft. Er schrieb u.a. einen Artikel über Schmitt, „Der Jurist im Zwielicht des Politischen. Carl Schmitt und der Staat"; sowie „Hüter der Verfassung. Erinnerung an den Juristen und Staatsrechtler Carl Schmitt". 7 Vgl. den Epilog zu Schmitts Vortrag „El orden del mundo despues de la Segunda Guerra Mundial". Schmitt erklärte dort: „ W i r dürfen uns nicht blind machen für die objektiven Notwendigkeiten der industriellen Entwicklung, aber wir müssen uns hüten, an die moderne Technik zu glauben, wie die Mexikaner an die weißen Götter glaubten." (dt. Text in CS, Staat, Großraum, Nomos, S. 607). 8
Johannes Straub (1912-1996), Historiker.
9
Was mit dem „Scheitern der imago von Max Weber" gemeint ist, konnte nicht geklärt werden.
132 (Spanisch geschr.)
Pamplona 5. 7. 76 Lieber und verehrter Don Carlos: Ich habe mich sehr gefreut, als ich Ihren Brief und die zwei Fotos erhielt, besonders das von Ihnen mit Anima, als Sie aus der Kirche kamen. Über das Thema der Politischen Theologie hoffe ich, dass wir noch einige ihrer erleuchteten Schriften lesen können. Ich werde Ihnen einige Exemplare meines Artikels schicken, um die Sie gebeten haben. Ich kannte Johannes Straub persönlich, vor allem aber durch seine Schriften zum späten römischen Altertum, besonders seine „Historia Augusta", aber ich kannte weder seinen Sohn Eberhard, noch dessen Buch über den gerechten Krieg des Hernän Cortes in Mexiko. Ich werde nachschauen, ob wir es in der Bibliothek haben, damit es, falls es nicht vorhanden ist, gekauft wird. Ich kenne diese Geschichte von den weißen Göttern nicht, die einem gewissen Augenblick des Entsetzens vor der Überlegenheit der Eroberer entsprechen kann.
Die Briefe
Heute leiden die Nachfolger der Eroberer unter einem bedauerlichen Minderwertigkeitskomplex. Für die, die wir „Sieger von 39" waren, erscheint dieser Selbstmord Spaniens eine sehr bittere Erfahrung. A m 9. Mai gab es auf dem Montejurra einen kleinen „Bürgerkrieg" zwischen Linken und Rechten1: der Carlismus selbst ist heute gespalten in eine marxistische Linke, unter dem Befehl von Carlos Hugo, dem Schwager des unglückseligen Prinzen Bernard von Holland (dessen Einfluss auf diese Krise sehr wahrscheinlich ist) und einer traditionellen Rechten (der sich Prinz Sixto Bourbon Parma gegen seinen Bruder zur Verfügung stellte). Da es auf der Seite der Roten zwei Tote gab, veranstalteten die Marxisten lautstarke Proteste und einen Prozess, der, wie es vernünftig war, vor das Gericht für politische Strafsachen gebracht wird, wo man die Angelegenheit in ihrer gesamten politischen Komplexität wird sehen können. Zum Beispiel, der steinerne Kreuzweg des Montejurra wurde mit kommunistischen Hämmern und Sicheln bemalt. Es war ein ziemlich bedeutungsvoller Zwischenfall im spanischen politischen Leben, der ein Prinzip bestätigt hat, das mir immer noch gültig erscheint, zumindest für Spanien, und zwar, dass der Marxismus nur mit den Waffen besiegt werden kann und dass er mit der Presse und der Propaganda schon den Sieg davongetragen hat. Diese Gegenüberstellung von Linken und Rechten ist je nach Land verschieden, aber (in Spanien geschah es vielleicht auch mit einem universelleren Vorzeichen); man kann sie an der verschiedenen Option zwischen den folgenden „Extremen" erkennen: Krieg - Revolution Todesstrafe - Abtreibung Duldung der Prostitution - Scheidung Es sind eindeutig die Rechten, die für die drei Optionen der ersten Reihe stimmen und die Linken für die drei der zweiten; natürlich kann es auch Querabweichungen geben. Wie Sie in der Presse lesen konnten (die wahrscheinlich überrascht war und sich einer möglichen Lösung entgegenstellte - ich kenne die Namensliste der neuen Regierung nicht), haben wir eine Krise erlebt. Ich bin schlecht informiert und fahre seit langer Zeit nicht mehr nach Madrid, aber dies scheint das Ergebnis einer ersten „Runde" (wie beim Boxen) zwischen Fernandez Miranda 2 und Fraga (beide Professoren für Politisches Recht) zu sein. Letzterer ist ein Republikaner, der vorhat, Präsident zu werden. Der erste verschanzt sich hinter dem König, versucht die Position des Monarchen zu stärken und eine gewisse Kontinuität innerhalb der dominierenden demokratischen Wende aufrecht zu erhalten; wahrscheinlich mit der Unterstützung des Heeres. Wie auch immer, unser politisches Schicksal ist den Entscheidungen der Synarchie untergeordnet, die vielleicht die Lösung dieser Krise nicht akzeptiert. Alles läßt darauf schließen, dass es einen Tausch
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Die Briefe
v o n A n g o l a (für den K o m m u n i s m u s ) m i t der Pyrenäenhalbinsel (für die Synarchie) gegeben hat, die keine kommunistische Regierung auf der Halbinsel wünscht, aber doch einen freimaurerischen Demokratismus. I c h schreibe Ihnen heute vor allem, u m Sie z u m Geburtstag a m 11. zu beglückwünschen. I c h hoffe, dieser B r i e f k o m m t rechtzeitig an. I c h w ü n sche Ihnen einen glücklichen Tag (sollte A n i m a bei Ihnen sein, beglückwünschen Sie auch sie v o n m i r ) und dass Sie noch viele Jahre weiterpublizieren können. A l l e i m Haus erinnern sich an D o n Carlos und beglückwünschen ihn. Ä n g e l w i d m e t sich der symbolischen L o g i k , aber i c h glaube, er w i r d diese etwas begrenzte Neigung überwinden. N o c h viele Jahre! Herzliche Grüße
Ä l v a r o d'Ors
1 Montejurra ist ein Ort in Navarra, an dem die Karlisten seit 1933 zusammenkamen, um ihre militärischen Erfolge zu feiern; man darf nicht vergessen, dass sie im Bügerkrieg auf der Seite der „Nationalen" kämpften. Diese Treffen dauerten an bis 1977, danach verbot sie die Regierung, gerade wegen der Zwischenfälle, die Älvaro d'Ors in diesem Brief beschreibt. 2 Torcuato Fernandez Miranda (1915-1980). Er bekleidete zahlreiche Ämter während der Franco-Regierung: Generaldirektor für das Universitätswesen, nationaler Rat des „Movimiento" (1969-1974), Abgeordneter im Parlament und Präsident des letzten Parlaments unter der Regierung Francos. Er war Erzieher des Königs und treuer Berater. Tatsächlich musste man annehmen, wie d'Ors in dem Brief darlegt, dass er nach dem Tode Francos Präsident bleiben würde, aber 1977, im selben Jahr, in dem D. Juan de Borbön zu Gunsten seines Sohnes Juan Carlos auf den Thron verzichtete, legte er sein Amt als Vorsitzender des Parlaments und Thronrats nieder. Ihm missfiel vermutlich die Einführung von Adolfo Suärez, der das Vertrauen des Königs besaß, in die Regierung.
Die Briefe
133 (Spanisch geschr.)
Departamento de Derecho Romano Universidad de Navarra Pamplona (Espana) 2. 10. 76 Lieber und verehrter Don Carlos: Vielleicht kommen diese Zeilen wegen meiner Verspätung nicht zu gelegener Zeit an, aber ich möchte Ihnen meine Erinnerung und meine Zuneigung bezeugen. Ich wünsche, dass es Ihnen bestens geht und dass Sie gute Arbeitsbedingungen haben. Alle Nachrichten, die über Sie zu mir gelangen, machen mir Freude. Die Dinge in Spanien stehen, wie sie sehen können, sehr schlecht. Wir sind von der Synarchie verurteilt, durch dieselben Etappen zu gehen wie Portugal, mit dem Ziel, uns in einen Markt zu verwandeln und nichts anderes. Wenn die alte Christenheit sich in einen Gemeinsamen Markt verwandelt hat, dann muss Spanien mit mehr Grund zu einer Herde von Konsumenten reduziert werden. Es stimmt sehr traurig, wenn man an ein so gemeines Schicksal denkt und man sieht keine Möglichkeit einer rettenden Diktatur wie 1923 und 19361. Von Anima und Alfonso habe ich seit langem keine Nachrichten mehr, aber ich vermute, dass es ihnen gut geht. Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Tag des hl. Carl, ein Bewunderer und Freund Älvaro d'Ors 1
Vgl. die Idee der Diktatur bei d'Ors in La violencia y el ordert.
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Die Briefe
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PI. Pasel 10/11/76 Mein lieber Freund Don Älvaro: Ihr statement über Nomos und norma ist vollkommen unwiderlegbar 1 ; ich habe es mit Begeisterung gelesen; vielen Dank! Es gibt keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben; der Gewaltstaat war noch nie „normal", bleiben wir also in „Erwartung"; aber nicht in der Benthamschen, sondern in der christlichen 2 . Es wird Sie interessieren, das - fünfzig Jahre nach der ersten Veröffentlichung - Der Begriff des Politischen in den USA publiziert wurde (Titel: The Concept of the Political ) with comments on Schmitt's Essay by Leo Strauss (!) von 1932 (!) 3 . Die sprachlichen Hindernisse sind enorm: Das Politische; der Politiker; die Politik! Im Lateinischen gibt es keinen Artikel; es gibt drei Geschlechter (Maskulinum, Femeninum, Neutrum); im Englischen nur eins; im Französischen und Spanischen nur zwei, usw. Im Griechischen ist es ideal: polis, politikos, politeia, politikon, politika; ich bedaure sehr, dass ich nicht mit Ihnen darüber sprechen kann. Das wäre es für heute, herzliche Grüße C. S. 1 Es handelt sich um d'Ors' Beitrag zum 3. Internationalen Kongress für Kirchenrecht (Pamplona, 1975) mit dem Titel „Sobre la palabra norma en Derecho Canönico", veröffentlicht in Ius Canonicum, 1976. 2 Schmitt denkt wohl an die sprichwörtlich gewordene „Erwartung" bzw. Hoffnung von Jeremy Bentham (1748-1832) auf „das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl". 3
Gemeint ist: Carl Schmitt, The Concept of the Political. Translation, Introduction and Notes by George Schwab. With Comments on Schmitt's Essay by Leo Strauss, 1976.
Die Briefe
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Pamplona 11. 12. 77 Lieber und verehrter Don Carlos: Gestern aß Ihr Enkel Carlos, der zukünftige Architekt, bei uns und schickt Ihnen Grüße. Ich möchte Ihnen jetzt meine besten Wünsche für eine frohe Weihnacht und ein glückliches Neues Jahr 1978 senden. Wir erleben in Spanien unheilvolle Jahre und die Situation in Navarra bedrückt uns ganz besonders. Die Verschwörung der herrschenden Parteien will gegen den wirklichen Willen des navarrischen Volkes - das Land dem Revanchismus der Basken unterwerfen, die von Navarra in unserem Krieg von 36-39 besiegt wurden. Es ist jeden Tag evidenter, dass wir einem Pakt der Synarchie mit den Sowjets ausgeliefert sind und dass wir, so wie es aussieht, das Schicksal Portugals erleben werden. Es ist schwierig von außen zu beurteilen, was wirklich in Spanien vor sich geht: die Wahrheit wird durch die „Information" ersetzt, die natürlich von den internationalen Agenturen manipuliert wird. Es ist keine Reaktion vorauszusehen, denn das Heer ist zermalmt worden 1 : man hat von ihm Disziplin gefordert, damit es auf seine Ehre verzichtet. Unverhoffterweise gibt es ein Protestbegehren unter den jungen Offizieren, aber diese verfügen über kein Kommando für eine zu erwartende Handlung. Ich hoffe, dass Sie weiterhin gesund bleiben und dass Sie weiter arbeiten können. An diesem Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen den Segen des Himmels, sowie für das kommende Jahr 1978. Frohe Weihnachten! Viele Grüße Ihres Freundes 1
Älvaro d'Ors
Erst sehr viel später gab es eine Reaktion, den Versuch eines Putsches am 23. 2. 1981.
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Die Briefe
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Pasel, 23-V-78 Lieber Don Älvaro, ich bin für einige Tage in Pasel bei meinem Vater und wir erinnern uns oft an Sie. Aurora Souto erzählte mir, dass Palmira sich nicht wohl fühle; es tut mir sehr leid und ich hoffe, dass die körperlichen Leiden ihre wesensmäßige Fröhlichkeit nicht in Mitleidenschaft ziehen, ohne die ich sie mir nicht vorstellen kann. Hier erwarten wir mit einer gewissen Nervosität den 90. Geburtstag meines Vaters. Nach vielen verworfenen Ideen und Vorschlägen hat sich ein einfacher aber praktischer Plan herausdestilliert: wir werden einen Empfang in einem nahegelegenen Restaurant veranstalten, um 11 Uhr morgens (jDiese Deutschen!) und alle Gruppen werden sich zugleich zusammenfinden: das Bürgermeisteramt in einer offiziellen Ehrung, die Nachbarn von Pasel, die Freunde und die Schüler von auswärts, die kommen wollen. Auch Alfonso und ich mit Dusanka und Carlos werden da sein. Dusanka vor allem hat viel Familiensinn. (Gerade heute macht sie ihr Examen in Strafrecht.) Carlos schreibt romantische und wenig konkrete Briefe mit einem gewissen tedium vitae - wie ich dieses Gefühl kenne hoffe ich, es ist sporadisch und manchmal einfach durch das Fehlen eines Vesperbrotes provoziert. Ich habe einen ausgezeichneten Journalisten gebeten, einen Artikel über meinen Vater zu schreiben. Ich werde ihn übersetzen und hoffe, ihn in mehreren spanischen Zeitungen veröffentlichen zu können. Vielleicht könnte Gabriel ihn auch in Pamplona unterbringen. Mit meinen besten Wünschen für Palmira und Paz, herzliche Grüße für alle und besonders für Sie. Ihre
Anima
Lieber Don Älvaro, ich denke mit großer Zuneigung an Sie; ich erinnere mich an einen Satz des alten Goethe, der wörtlich gesagt hat: „Der Alte verliert eines der größten Menschenrechte: er wird nicht mehr von seinesgleichen beurteilt." (sie! Der Alte, el viejo!) (sie! Menschenrechte! derecho humano!) Ist das nun ein Trost? Oder das Gegenteil von Trost? Was blieb? Die Unterscheidung von Freunden und Feinden. In treuer Erinnerung Ihr alter Freund
Carl Schmitt
Die Briefe
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Pamplona 28. 5. 78 Lieber Don Carlos und liebe Anima: Vielen Dank für den Brief vom 23., der mir sehr viel Freude gemacht hat. Ich war schon benachrichtigt über das Fest am 11.7. und hatte vor, Glückwünsche ex toto corde zu schicken. Ich wage nicht zu kommen, denn mein Alter offenbart sich in einer Reiseangst. Ich habe meinen Reisepass verfallen lassen ... Ich weiß nicht, ob ich eines Tages aus dieser psychosomatischen Beklemmung herausfinden werde ... Das Zitat von Goethe („Der Alte verliert ...") ist enorm wegen der Erwähnung der „Menschenrechte". Das „subjektive" Recht ist protestantisch, und das „menschliche" Recht ist freimaurerisch. Dass es bei Goethe erscheint, ist sinnträchtig, aber, wie es bei Goethe zu geschehen pflegt, es fehlt immer die theologische Dimension (Faust hatte „Philosophie", „Medizin" und „Juristerei" studiert, aber nicht „Theologie") und es ist wahr, dass „der Alte" in gleichem Maße, in dem er „die Beurteilung durch seinesgleichen" verliert, sich dem unfehlbaren Urteil Gottes nähert und das erlaubt ihm, die Urteile der Untergeordneten zu verschmähen. Auch ich finde mich elendiglich beurteilt von diesen demokratischen Zwergen, die sich Spaniens bemächtigt haben - Diener von Brzezinski 1 - aber nie hat mich das Urteil über mich weniger bekümmert. Ich sehe Carlos hin und wieder, obwohl ich bedauere, dass er am tedium vitae leidet; ich fühle mich ein bisschen verantwortlich, aber er scheint mir gut beisammen zu sein und erfolgreich in seinem Studium ... Palmira leidet an Rheuma, bewahrt jedoch den ihr eigenen Mut. Ich werde bald wieder schreiben. Mit aller Zuneigung
Älvaro d'Ors
Im Juli haben wir vor, nach Carballedo zu fahren, aber Paz wird in Pamplona bleiben aus Angst vor den Reisen, da sie ein Kind erwartet ... Die Erinnerung an voriges Jahr lastet auf ihr.
1
Zbigniew Brzezinski (geb. 1928), politischer Wissenschaftler an der Columbia University; früherer nationale Sicherheitsberater unter US-Präsident Carter (19771981).
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Die Briefe
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Pamplona 4. 7. 78 Verehrter und lieber D. Carlos! Zu dem baldigen Geburtstag sollen meine Glückwünsche nicht fehlen und ich habe Ihrer Tochter Anima zu diesem Zweck geschrieben. Jetzt möchte ich Ihnen mit diesen Zeilen ein Zeugnis meiner treuen Zuneigung und meine aufrichtigen Wünsche für ein erfülltes Leben ausdrücken. Ich freue mich mit allen Ihren Freunden, die um Sie versammelt sind, über diese fröhliche Feier. In Kürze hoffe ich Anima und Alfonso in Galizien zu sehen, beide werden mir alles erzählen. Ich bin im Augenblick mit der Lektüre des Buches von Hasso Hofmann über „Repräsentation" 1 beschäftigt, und es ist selbstverständlich, dass C. S. bei diesem Dialog gegenwärtig ist. Wenn Sie mir etwas Besonderes zu diesem Buch zu sagen haben, können mir Ihre Kinder die Nachricht übermitteln 2 . Noch einmal, einen sehr glücklichen Geburtstag! Eine herzliche Umarmung Ihres ergebenen Freundes
1 Repräsentation: Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte 19. Jahrhundert, 1974. 2
Ävaro d'Ors
von der Antike bis ins
Schmitt konnte zu diesem Zeitpunkt kaum noch schreiben.
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Aoiz 18 Pamplona Spanien 11. 12. 78 Lieber und verehrter Don Carlos: Im November war ich in Santiago und wir erinnerten uns an Sie mit Ihren Kindern. Ich sah die Fotos von diesem Sommer noch einmal und die
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Wandteppiche von Anima. Meine Frau ist wieder für einige Tage zurückgekehrt und hat die Ausstellung der Wandteppiche in ihrer ganzen Pracht sehen können 1 . Ich habe Ihren Artikel über die „legale Revolution" gelesen. Für die Zeiten, die wir in Spanien erleben, ist er von ungeheurer Aktualität. Genauso wäre es mit dem Thema des politischen Meineids 2 , der permanent mit dem Thema der Superlegalität in Verbindung steht. Ich hoffe, dass bald ein Vortrag von mir über die Legitimität in einer chilenischen Zeitschrift 3 erscheint. Ich werde Ihnen einen Sonderdruck schicken, sobald er herausgekommen ist. Möglicherweise sind Sie schon unterwegs, aber nicht mit dem Flugzeug ... Das Interessanteste der letzten Zeit in Spanien ist nicht die lamentable Verfassung, die kürzlich verabschiedet wurde, sondern die Konfrontation des Primas (von Toledo) mit der Bischofskonferenz 4. Letztere hat mit 25 Stimmen gegen 20 diplomatisch das „Ja" zur Verfassung gegeben, aber der Primas (offensichtlich von Rom unterstützt) empfahl elegant das „Nein". Es ist nachgewiesen, dass die Schaffung der „demokratischen" Autoritätsinstanz der Bischofskonferenz die traditionelle Autoritätsinstanz des Primas nicht verdrängt hatte. Das alles läßt das Thema der Unterscheidung potestas-auctoritas im Bereich der Kirche wieder aufleben (potestas der Jurisdiktion und des Lehramts der Kirche). Ansonsten ist die politische Realität deprimierend und die wahren Ursachen bleiben immer im Verborgenen. Einige vorhergehende Ereignisse (Persien, Algerien, Venezuela) können mehr Licht auf den wahrhaftigen politischen Hintergrund Spaniens werfen, als die Daten, die uns vorliegen. Die Presse desorientiert wie immer mehr als sie informiert. So ist eine Vorausdeutung, wenn auch ein allgemeiner Gedanke der synarchischen Pläne über Spanien intuitiv zu erahnen ist, immer schwierig und sogar die Interpretation der Ereignisse kann auf lange Sicht unmöglich werden. Kurz, ich glaube, dass Spanien den selbstmörderischen Weg weitergehen wird, wenn die internationalen Pläne - der Weltfriede - sich nicht ändern, von denen wir abhängig sind. Die göttliche Vorsehung kann außerdem noch Überraschungen bereithalten. Ich wünsche Ihnen viel Glück für das kommende Weihnachtsfest und das Neue Jahr 1979. Sie wissen, dass sich immer mit aller Zuneigung an Sie erinnert Ihr Freund Älvaro d'Ors
1 Anima stickte Wandteppiche (tapices). Der Ibero-Club Bonn stellte 29 tapices von ihr am 18.-26. 5. 1981 aus.
1 Herrero
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2 D'Ors bezieht sich auf diejenigen, die geschworen hatten, die Grundprinzipien des „Movimiento" zu halten. Neuerdings hat er diesen Punkt klargestellt und behauptet, dass man in diesem Falle nicht von Meineid sprechen könne; vgl. den Artikel, „Los enemigos de Franco", S. 361-367. 3
Der genaue Titel ist „Legitimidad".
4
Der Primas war damals D. Marcelo Gonzalez. D'Ors w i l l sagen, dass die Autorität tatsächlich noch in Händen des Primas lag, obwohl sie de iure nach dem 2. Vatikanischen Konzil der Bischofskonferenz zustand.
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Departamento do Derecho Romano Universidad de Navarra Pamplona (Espana) 4. 12. 80 Lieber Don Carlos: Durch Ihre Tocher Anima erhalte ich Nachrichten von Ihnen und es freut mich, dass es Ihnen weiterhin gut geht. Ich will Sie nicht mit mehr Korrespondenz belasten und beschränke mich darauf, Ihnen zu besonderen Anlässen zu schreiben, wie zu dem bereits nahen Weihnachtsfest, um Ihnen meine Freundschaft zu bezeugen und Ihnen meine besten Wünsche für Frieden, Gesundheit und intellektuelle Fruchtbarkeit auszusprechen. Wenn auch die häufige Korrespondenz fehlt, so bleibt doch die Kommunikation durch die Lektüre Ihrer für mich höchst anregenden Werke lebendig. Ich möchte in diesem Brief den Besuch ankündigen, den Ihnen in Kürze Don Jose Maria Beneyto 1 abstatten wird; er bereitet eine Dissertation über Donoso Cortes im deutschen Denken vor 2 . Er hält sich zur Zeit in Münster auf und sagte mir, dass er vorhabe, Sie zu besuchen, weshalb er mich bittet, seinen Besuch anzukündigen. Es kann für ihn sehr wichtig sein, mit Ihnen über das Thema zu sprechen. Er arbeitet schon seit Jahren daran und kennt natürlich Ihr Werk sehr gut, aber diese Unterhaltung, die er erwünscht, kann ihm neue Erkenntnisse bringen. Ich selbst habe bei seinem letzten Besuch in Pamplona mit ihm gesprochen und habe ihn ermutigt, sein Anliegen vorzubringen, das zum großen Teil schon schriftlich vorliegt. [hier endet der Brief. Es kann ein Blatt fehlen.]
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1 Jose M - Beneyto (geb. 1956), Jurist, Philosoph und Rechtsanwalt. Er ist Ordinarius an der Universidad San Pablo-CEU. 2 Schließlich promovierte er über Carl Schmitt mit der Dissertation, die unter dem Titel Politische Theologie als politische Theorie. Eine Untersuchung zur Rechts- und Staatstheorie Carl Schmitts und ihrer Wirkungsgeschichte in Spanien bei Duncker & Humblot, Berlin, 1983 veröffentlicht wurde. Das Buch über Donoso Cortes erschien einige Jahre danach unter dem Titel Apokalypse der Moderne. Die Diktaturtheorie von Donoso Cortes , 1988.
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Departamento de Derecho Romano Universidad de Navarra Pamplona (Espana) 7. 12. 81 Lieber und verehrter Don Carlos: Ich wünsche Ihnen eine frohe Weihnacht und dass 1982 mit guten Vorzeichen für Sie beginnen möge. Auch für Anima und die Ihren. Ich konnte an dem Festakt für Alfonso, am Freitag, dem 4., nicht teilnehmen, allerdings mein Sohn Javier, der zur Zeit Ordinarius für Römisches Recht an der neuen Universität von Leon ist (mit der Hoffnung, bald wieder nach Santiago zurückkehren zu können). Ich schickte auch meine herzlichen Glückwünsche zum Festakt und in der Festschrift veröffentliche ich einen Artikel über die Geschichte des „acueducto forzoso" 1 , eine wunderliche institutionelle Geschichte, die ich rückblickend darstelle, vom BGB bis zu Piatön, über den Codex Albertinus, Giovanni Botero, den Bischof Vidal de Canellas, usw. Ich füge das Skript eines Colloquiums bei, das vor kurzem in einem interdisziplinären Seminar von Philosophen, „politiques", Historikern, usw. veranstaltet wurde und das, wie Sie verstehen werden, sehr lebhaft war 2 . Aber die spanische Realität bestätigt mich immer mehr in meiner Überzeugung der „spanischen Intoleranz gegenüber dem Etatismus". Sie können sich vorstellen, dass der Name Carl Schmitt von zentraler Bedeutung war. 19*
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Ich wünsche, dass es Ihnen weiterhin gut geht und dass die gewohnte intellektuelle Kraft erhalten bleibt. Meine besten Wünsche für diese Weihnacht und das Neue Jahr! Herzliche Grüße von
Älvaro d'Ors
1
Der genaue Titel ist „Notas para la historia del acueducto forzoso".
2
Ist in der Korrespondenz des Nachlass nicht aufzufinden.
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Departamento de Derecho Romano Universidad de Navarra Pamplona (Espana)
6. 12. 82 Lieber und verehrter Don Carlos, wenngleich indirekt - vor allem über Anima und Alfonso - erhalte ich Nachrichten von Ihnen und freue mich, dass es Ihnen gut geht, auch verstehe ich, dass Sie sich nicht in der Lage fühlen, alle Korrespondenz zu erledigen. Trotzdem möchte ich Ihnen hin und wieder meine Grüße und den Ausdruck meiner Zuneigung und meiner Hochachtung zukommen lassen. Dieses Mal begleitet von einem Presseausriss über das ewige Thema der moralischen Pflicht, des Gehorsams gegenüber der potestas Die Ereignisse in der Welt und auch die in Spanien, die daran geknüpft sind, bieten sich zu einer tiefgehenden Reflexion an, aber das würde Ihre natürliche Toleranz überfordern. Ich würde gerne Ihre Interpretation der aktuellen Weltlage hören. Und vor allem, Ihre Prognose darüber, wie die Verteilung der Hemisphäre von Yalta, unter deren Norm wir jetzt alle leben, sich gestalten kann: auch unser Sozialismus, der immer dem Diktat des „westlichen" Kapitalismus gehorsam ist; aber nicht nur der jetzt regierende Sozialismus, sondern auch die Opposition, denn das System der internationalen Kryptoregierung ist immer noch binarisch. Wird unsere Generation einen grundlegenden geopolitischen Wechsel erleben? Wird sich der Nomos der Erde bald ändern?
Die Briefe
Im Augenblick wünsche ich, dass Sie diese Weihnachten in Frieden und Gelassenheit verbringen und dass 1983 neue Vitalität bringen möge. Es grüßt Sie herzlich
Älvaro d'Ors
1
Älvaro d'Ors entwickelt diesen Gedanken ausführlich in Derecho y sentido comün, S. 85-111.
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Pamplona 17. 6. 83 Lieber Don Carlos: M i t kummervollem Herzen schreibe ich Ihnen diese Zeilen der Anteilnahme. Durch meinen Sohn Javier habe ich gerade die Nachricht vom Ableben unserer geliebten Anima 1 erfahren. Ich wusste von ihrer Krankheit, aber die Nachrichten waren nie klar. Als wir am Telefon miteinander sprachen, schien es immer noch Hoffnung auf Besserung zu geben. Als ich mit Ihrem Enkel Carlos hier sprach, gab er mir auch keine Auskunft über die ernstliche Gefahr, die wirklich seine Mutter bedrohte. Alfonso sprach nicht aufrichtig, wenngleich man seine Beklemmung spürte, wie mir mein Sohn Javier sagte, der ihn häufig sah und ihn nach Anima fragte. Ich kann den unvergleichlichen Schmerz eines Vaters nachfühlen, der unter Bedingungen wie den Ihren, seine einzige Tochter verliert. Gerne stünde ich an Ihrer Seite, um körperlich und geistig Ihren Schmerz zu teilen. Die Erinnerungen stellen sich ein ... Diese Begegnung in Heidelberg und dann die Hochzeit im Schloss über dem Neckar! Und Ihre Besuche in Santiago ... und so viele Erinnerungen an eine Familie, in der ich mich nie fremd fühlte! Jetzt bleibt nur noch beten, beten, beten ... Ich verstehe, dass Sie keine Kraft mehr haben, einem weit entfernten Freund in Spanien zu schreiben, dessen Bewunderung Ihnen immer unvollkommen erschienen sein mag; Sie sollen jedoch wissen, dass ich mich Ih-
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Die Briefe
nen immer sehr nahe gefühlt habe und dass ich jetzt an Ihrem Schmerz teilhabe, wie einer mehr aus der Familie. (Auch ich hatte einen schlimmen Augenblick - einen Herzinfarkt - im vergangenen Januar, aber, Gott sei Dank, erhole ich mich wieder und bin zu meiner normalen Tätigkeit zurückgekehrt. Bis Gott über mein Ende verfügen möge!) Ich werde versuchen, Alfonso in seinem Schmerz beizustehen. Vielleicht sehe ich ihn im nächsten Monat. Ich erinnere mich immer an Sie, ex toto corde 1
Älvaro d'Ors
Anima Louise Schmitt (1931-1983) starb am 17. Juni 1983 an Blutkrebs.
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San Casciano, Pasel, 12.7.83 Lieber Don Älvaro, herzliche Grüße aus dem immer interessanten Haus des Großvaters. Sobald ich zurückkehre, werde ich Ihnen in Ruhe schreiben. Vorläufig eine Umarmung, Dusanka Besonderen Dank für Ihren erbaulichen Brief, Grüße und herzliche Wünsche für Sie und Frau Palmira Carl Schmitt 1 Eine Umarmung
Carlos
1 Dies ist das letzte Mal, dass Schmitt an d'Ors schrieb und eines der letzten Male, dass er überhaupt etwas schrieb. A m 31. 12. 1984 stürzte er und brach Oberschenkel und Becken; er verweigerte ab Ende Januar die Nahrungsaufnahme und fiel „in einen Zustand, von dem wir glaubten, dass es die Agonie sei" (E. Hüsmert) und aus dem er nur gelegentlich aufwachte; er starb am 7. 4. 1985, am Ostersonntag; vgl. Hüsmert, „Die letzten Jahre von Carl Schmitt", S. 40-54.
Die Briefe
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Pamplona 18. 12. 83 Lieber und verehrter Don Carlos, ich bekomme Nachrichten von Ihnen, die ich von Ihrer lieben Enkelin Dusanka erhalte, denn Alfonso schreibt nicht gerne Briefe. Es stimmt, dass er, wie man mir sagt, an der Feier in Coimbra am vergangenen Sonntag teilnehmen wollte, bei der mir der Doktor honoris causa in jener mir so vertrauten Universität verliehen wurde; aber im letzten Augenblick muss eine Schwierigkeit aufgetaucht sein. Wie ich Ihnen bereits mehrmals gesagt habe, möchte ich nicht, dass Sie die Mühe auf sich nehmen, mir zu schreiben, aber ich möchte doch, dass Dusanka mich auf dem Laufenden hält, wenn eine Schrift von Ihnen publiziert wird, denn es wäre immerhin möglich, dass sie unbeachtet bliebe. Es geht mir relativ gut mit meinem etwas lädierten Herzen und ich kann die gewöhnliche Lehrtätigkeit weiterführen, lesen und schreiben; aber ich versuche, so wenig wie möglich zu reisen und mich um Dinge zu kümmern, die mich belasten, aber unvermeidlich sind, wie vor allem die Lage Spaniens, das dem unvergleichlichen Despotismus eines Sozialismus in den Diensten des internationalen Kapitalismus unterworfen ist: die schlechteste „Einheit der Welt", die man sich vorstellen kann! In diesem Zusammenhang des Reiches der Finsternis sehe ich immer wahrscheinlicher, dass die alte Idee von Herzl 1 verwirklicht wird, einen jüdischen Staat in Patagonien zu gründen. Nach Argentinien gelangt der berechtigte Verdacht, dass es Begin war, der zur Wiedererlangung der Malvinen (Falklandinseln für die englischen Beherrscher) trieb, mit dem Ziel Argentinien zu vernichten und wahrscheinlich, um die Erlangung des „Andinra-Plans" vorzubereiten, im Einvernehmen mit dem, was Herzl will. Man sagt mir auch, dass die Immigration von Juden in diese Zone bemerkenswert ist. Und Herr Haig wagte zu behaupten, dass, wenn Usa und Großbritannien wollten, Argentinien Patagonien verlieren würde. Das sind unheilvolle Zeiten ... Aber jetzt muss ein Intervall des Friedens und der Zeitlosigkeit eröffnet werden, der für die Weihnacht so typisch ist: für das Kommen desjenigen, der „die Welt bereits besiegt hat". Ich wünsche Ihnen eine sehr frohe Weihnacht und ein gutes 1984. Es grüßt Sie herzlich
Älvaro d'Ors 2
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Die Briefe
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Theodor Herzl (1869-1904), ungarischer zionistischer Schriftsteller und Politiker. Er studierte Jura in Wien. Von 1881 bis 1896 war er Korrespondent der Wiener Neuen Freien Presse in Paris, danach Redakteur des Feuilleton derselben Zeitung. Das Buch, auf das sich d'Ors in diesem Brief bezieht ist Der Judenstaat. Das Buch entstand 1896, nachdem der Autor als Berichterstatter den Prozess gegen den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus in Paris erlebt hatte, der zu Unrecht des Landesverrats angeklagt und verurteilt worden war. Das Buch gab Anlass zur Gründung der zionistischen Bewegung. Der erste Kongress wurde 1897 in Basel veranstaltet und Herzl wurde zum Vorsitzenden gewählt. Erst ein Jahr danach reiste er nach Jerusalem und verhandelte auch mit Wilhelm II. und dem türkischen Sultan Abdul Hamid II. über die Möglichkeit, einen Staat für das jüdische Volk in Palästina zu errichten. Zur Durchführung dieses Vorhabens schlug er die Gründung zweier Organe vor: The Society of Jews und The Jewish Company. Man schlug ihm zwei Gebiete für eine definitive Ansiedlung vor: Palästina und Argentinien. 1947 ratifizierten die Vereinten Nationen die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Der Kommentar von d'Ors in diesem Brief über den „Andima-Plan" bezieht sich auf die Möglichkeit, dass der Zionismus den argentinischen Teil des anfänglichen Plans von Herzl ausgeführt habe. 2 Dies war der letzte Brief, den Schmitt von d'Ors erhielt; am 7. April 1985 starb Carl Schmitt im Krankenhaus von Plettenberg. D'Ors berichtete (in einem Gespräch vom Juli 2000), dass er in Santiago von dem Tod erfuhr, auf der Reise zu seiner Emeritierungsfeier in Santiago am 12. April 1985. D'Ors erinnert sich, dass er eine Zeit lang in Sarandon im Hause von Jose Lois, seinem Schwager, verbrachte und sie machten einen Spaziergang bis zu dem Haus, das die Familie Otero-Schmitt dort besaß. Das leere, völlig verschlossene Haus ließ sie den Verdacht schöpfen, dass etwas vorgefallen sein musste. A m folgenden Tag, am 8. April, fuhr er nach Santiago und erfuhr vom Tode Schmitts. Er schrieb nichts: er dachte, dass er unfähig sein würde, das zusammenzufassen und auszudrücken, was ihm die Freundschaft mit Carl Schmitt bedeutet hatte.
Anhang Carl Schmitt in Compostela Von Ä l v a r o d'Ors
Carl Schmitt in Compostela
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Carl Schmitt ist, vor allem, ein großer Jurist; gemäß seinem eigenen Worte „der letzte, bewußte Vertreter des jus publicum Europaeum" 1 . Sein Denken kann, wenn ich nicht irre, nur von Juristen grundsätzlich und vollständig erfaßt werden. Spricht man etwa vom politischen „Dezisionismus" Carl Schmitts, so wird der juristisch nicht gebildete Leser dazu neigen, diese Position mit einem plumpen sic volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas 2 ineins zu setzen; er wird diese Position zu einer Karikatur machen. Ein Jurist hingegen, der diese Bezeichnung verdient, wird fähig sein, zur Wurzel dieses Denkens vorzustoßen und es, trotz der politischen Anwendung, als ein authentisch juridisches Denken anerkennen. Denn der Kern des Juridischen ist das Urteil (juicio), und das Urteil ist stets eine Entscheidung (decisio). Jeder Urteilsspruch (sentencia) ist ja eine opinio juris, doch prinzipiell gesehen ist er, weil zur verwirklichenden Exekution bestimmt, ein decretum, ein Akt, der sondert, unterscheidet und entscheidet angesichts einer Situation der ambiguitas. Nicht die vis, die Gewalt ist, wie oft man es auch behaupte, das am meisten dem Recht widersprechende, benötigt dieses doch jene, um zu leben, sondern es ist die Ambiguität; ihr darf der Jurist keinerlei Konzession machen. Und das gesamte Denken Carl Schmitts ist ein permanenter intellektueller Kampf gegen die Ambiguität. Und sagt man, daß sein Denken ein Denken der Krise ist, so kann man dies einräumen, weil jedes Urteil eine Krisis im am meisten authentischen Sinne ist, und weil jedes Recht ein richterliches oder kritisches Recht ist. Der Krieg selbst ist ebenfalls ein Urteil, eine Krisis die entscheidet (discriminaf, und deshalb hat Carl Schmitt mit mehr Scharfsinn als jeder andere den Übergang vom Krieg, der unterscheidet (discrimina) zum Kriege, der eine Kriminalisierung des Feindes als Aggressor bezweckt, studiert; jenes Krieges, der, sich politifizierend, auf eine gewisse Weise zu einem Bürgerkrieg (guerra civil) wird. So betrachtet ist der politische Dezisionismus Carl Schmitts eine Form der Juridifizierung der Politik 4 . Insoweit verträgt er sich, paradoxerweise, 1 C. Schmitt, Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945/47. Köln 1950, S. 75. - A. d'Ors schreibt etwas frei: „el ültimo cultivador del jus publicum Europaeum", sich wohl auf den gesamten Satz Schmitts beziehend: „Ich bin der letzte, bewußte Vertreter des jus publicum Europaeum, sein letzter Lehrer und Forscher in einem existentiellen Sinne und erfahre sein Ende so, wie Benito Cereno die Fahrt des Piratenschiffs erfuhr." Die Formulierung „ültimo cultivador" fiel in einem persönlichen Gespräch zwischen Schmitt und d'Ors 1944. 2 Etwa: „Ich will's; also befehl' ich's; statt des Grundes genüge der Wille". Juvenal, Satiren, 6, 223. 3 „Discriminar" heißt zwar „unterscheiden", das „Unterscheiden" von Freund und Feind bei Schmitt ist aber stets verbunden mit einer lebhaften Ablehnung der „Diskriminierung" (criminalizaciön) des Feindes. Die verschiedene Färbung der beiden Wörter bringt für deutsche Leser von Texten und Deutungen Schmitts in romanischen Sprachen immer einige Irritationen mit sich.
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mit der Theorie des sogenannten „Rechtsstaates"; aber die Divergenz ist radikal, denn wenn hier eine legalistisch-normativistische Konzeption vorliegt, so (im Gegensatz dazu) auf Seiten Carl Schmitts eine realistische Konzeption des Rechts als konkreter Ordnung. Diese Idee, die in ihrer Existenz selbst das juridische Leben zu gewinnen trachtet, vermeidet sowohl den sterilen Normativismus, die Präambel des Positivismus, als auch den auflösenden Soziologismus. Da jede reale juridische Ordnung stets eine konkrete Ordnung ist, scheint diese Idee eine sofort in die Augen fallende Wahrheit zu sein; sie ist jedoch, innerhalb der Geschichte der juridischen Wissenschaft, eine jüngst erfolgte Entdeckung; eine Entdeckung 5 , deren wissenschaftliche Konsequenzen sich mit der Zeit manifestieren werden. Für die Rechtshistoriker - und hier spreche ich als Romanist - ermöglicht die Konzeption der konkreten Ordnung eine wahrhaft historische Gestaltung, nicht beeinträchtigt von Apriorismen. Doch weder der „Dezisionismus", noch die „konkrete Ordnung" erstarren bei Carl Schmitt zu fertigen, abgeschlossenen Ideen, sondern bilden Phasen eines umfassenderen Denkens, das, ohne Rückfälle und ohne zweideutiges Schwanken, weiter wächst, sodaß sich eine fruchtbare Entwicklung abzeichnet. Diese Phasen treiben nicht nur das Denken des Autors selbst weiter voran, sondern befruchten und nähren auch das Denken jener, denen es gelingt, an seinem Impuls teilzuhaben. Derzeit ist Carl Schmitts Denken in einem prächtigen, reichen Werke erblüht, das den Titel „Der Nomos der Erde" (1950) trägt 6 und von dem der Leser des ARBOR bereits eine Kostprobe im voraus, in spanischer Sprache genießen konnte 7 . Jedes Recht - so die fundamentale Idee des Bu4 Hier liegt der Akzent dieser zunächst sehr überraschenden Erklärung auf dem „So betrachtet". (Im Original: „Asi pues, ...".) 5 Die Pioniere des Konzepts der konkreten Ordnung waren Maurice Hauriou, „La Theorie de l'institution et de la Fondation. Essai de Vitalisme social", in: Cahiers de la Nouvelle Journee, 4/1925, S. 1-45, und Santi Romano, L* Ordinamento giuridico. Pisa 1918. Vgl. die deutschen Ausgaben von M. Hauriou, Die Theorie der Institution, hg. v. Roman Schnur. Berlin 1965, und von Santi Romano, Die Rechtsordnung, hg. v. Roman Schnur. Berlin 1975. Carl Schmitt griff das Konzept besonders in seiner Schrift „Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens" (Hamburg 1934) auf. Das Konzept hat in Spanien die Diskussion unter Juristen stark beeinflußt, vgl. etwa: C. Ruiz del Castillo y Catalan de Ocön, Manual de Derecho Politico. Madrid 1939, passim. 6 C. Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum. Köln 1950. - Die span. Ausgabe: El Nomos de la Tierra en el Derecho de Gentes del „ Jus Publicum EuropaeumMadrid 1979, übers, v. Dora Schilling Thon. 7 „ E I , Nomos 4 de la Tierra. El derecho como unidad de asentamiento y ordenamiento", in: ARBOR, 73/1952, 5.479-488, übers, v. Jose Caamano-Martinez. - Es handelt sich um das 1. Corollarium aus Der Nomos der Erde, S. 13-20. (In der span. Buchausgabe S. 15-25).
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ches - entsteht aus und wurzelt in einem primären Akt der Nähme und Abgrenzung der Erde („Landnahme") 8 ; jeder Nomos ist, im Prinzip, eine ursprüngliche Verteilung (nemein) der Erde 9 . Eine derartige Bestimmung ist, auch in sich selbst, eine Entscheidung von konstituierender Wirkung, die als Grundlage und als Titel für die Herausbildung einet konkreten juridischen Ordnung dient, eines gültigen Rechts für die jeweilige, begrenzte Zone. Auf diese Weise führen die Strukturwandlungen in der Verteilung der Erde, der Verlauf neuer globaler Linien 1 0 oder die Überwindung bestimmter Raummaße zu einem entsprechenden Wandel der juridischen Struktur; das Auftreten neuer Räume zu neuen Problemstellungen, während die Antithese von Land und Meer einen den Äon überdauernden Gegensatz der politisch-juridischen Geschichte darstellt. Alle Manifestationen dieser fruchttragenden Idee werden gewissenhaft und scharfsinnig in dem Buche analysiert, mit dieser Carl Schmitt eigenen, unnachahmlichen Kunst, die mit Geschmack arrangierte und gelehrte Dokumentation mit dem zielsicheren Einfall zu verbinden, mit der schroff konstruierten, scharf eindringenden Idee. Dessenungeachtet kommt es zu keinem trägen Verharren auf dem von „Der Nomos der Erde" erreichten Niveau: das Buch stößt uns weiter nach vorn, auch seinen Autor selbst. Wie die gestampfte Traube, so spendet die fruchtbare Substanz des Denkens Carl Schmitts stets mehr, ohne sich zu erschöpfen. Die tragische Realität dieser letzten Jahre war damit betraut, sie auszupressen und Carl Schmitt wußte salus „ex captivitate" zu suchen und „eine Weihe" seiner eigenen, katastrophischen Existenz zu gewinnen 11 . So sehen wir ihn heute unterwegs zu einer christlichen Konzeption des Rechts und der Geschichte und dies nicht auf den Straßen des Naturrechts, die viele seiner Landsleute neu entdecken, sondern auf einem weniger benutzten Pfade, auf dem die Problematik sich in einem neuen Lichte darstellt: ohne daß es, weil es neu ist, an Kraft verlöre, zur Wahrheit hinzuführen.
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Vgl. C. Schmitt, Der Nomos der Erde, S. 16, 49, 54, 69 f., 107 f., 188 f., u.ö. Vgl. C. Schmitt, „Nehmen/Teilen/Weiden. Ein Versuch, die Grundfragen jeder Sozial- und Wirtschaftsordnung vom Nomos her richtig zu stellen", in: Gemeinschaft und Politik, 3/1953, S. 18-27; Ndr. in: Ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze. Berlin 1958. S. 489-504 (mit Kommentaren des Autors). 10 A. d'Ors schreibt zwar „rayas", meint aber hier wohl nicht nur die „raya" der spanisch-portugiesischen Teilungsverträge von 1494 o. 1526, sondern die globalen (Aufteilungs-)linien insgesamt. Vgl. die entsprechenden Erörterungen in Schmitts „Nomos". 11 Wohl eine Anspielung auf das Gedicht Schmitts „Gesang des Sechzigjährigen" in: Ex Captivitate Salus, S. 92 f., mit der Zeile: „Sohn dieser Weihe, du sollst nicht erbeben - " . 9
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Ein Aufleuchten dieser neuen, künftigen christlichen Konzeption Carl Schmitts beobachten wir in seinen letzten Schriften: in dem bereits gewürdigten Buche, in dem Artikel des ARBOR (Febr. 1951), S. 237, über die „Tres posibilidades de una vision Christiana de la Historia" 1 2 , und in seinem Vortrag „La Unidad del Mundo" 1 3 , im vergangenen Frühjahr in verschiedenen spanischen Kulturzentren gehalten; wir hatten das Glück, diese Rede in unserer Universität von Santiago anhören zu können, in Compostela. Ein besonderes Glück, weil das Denken Carl Schmitts, im Umkreis dieser Universitätsstadt, die so wunderbar durchtränkt ist von den Essenzen des Christentums, in der Betrachtung und Periphrase der Klöster und der Pilgerwege, durchsichtiger zu werden scheint und in ihm ein mögliches Jenseits geahnt werden kann, in dem das Licht reiner strahlt. Deshalb ist unser Titel „Carl Schmitt in Compostela" kein simpler anekdotischer Widerschein, sondern der wahre Sinn unserer Auslegung. „Compostela" ist daher eine Kategorie - eine einzigartige Kategorie. L Nicht allein als europäischer Jurist, sondern als Mensch unserer Tage sieht sich Carl Schmitt konfrontiert mit der nicht beiseitezuschiebenden Tatsache des Konflikts zwischen den beiden imperialistischen Mächten, die heute um die Welthegemonie streiten: Rußland und die Vereinigten Staaten. Beide Mächte gewinnen ihre Prinzipien aus einer „Philosophie der Geschichte": aus dem historischen Materialismus die eine, aus dem Progressismus die andere, aber beide kämpfen um das Imperium der Technik und um den vereinheitlichenden Zusammenschluß der Welt mittels der Technik. So gesehen besteht zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten kein großer Unterschied. Die beiden Mächte kämpfen erbittert darum, die Welt vollständig zu, technisieren und ihr vollständig ihre marxistische oder ihre progressistische Konzeption aufzuerlegen. Angesichts dieses quälenden Dilemmas wendet Carl Schmitt seinen Blick auf eine dritte, rettende Idee und erforscht die Reserven des Christentums. Was vermag das Christentum dieser „Philosophie der Geschichte" entgegenzustellen, die die Macht und Leistung der zwei Rivalen inspiriert und 12
Der von Francisco de A. Caballero übersetzte Artikel Schmitts (ARBOR, 62/ 1951, S. 237-241) ist in Deutschland u.d.T. „Drei Stufen historischer Sinngebung4' in der Zschr. Universitas, 8/1950, 5.927-931, erschienen. Der von Schmitt vorgesehene, von der Redaktion jedoch geänderte Titel lautete: „Drei Möglichkeiten eines christlichen Geschichtsbildes". 13 C. Schmitt, La Unidad del Mundo. Madrid 1951. - Der Text dieser Broschüre überschneidet sich mit dem Aufsatz Schmitts „Die Einheit der Welt", in: Merkur, Januarheft 1952, S. 1-11.
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belebt? Carl Schmitt hält inne bei der Betrachtung der drei „Möglichkeiten", die der Leser des ARBOR inzwischen kennt. Zum ersten sieht Carl Schmitt eine Reserve des Christentums in der historischen Parallele zwischen unserer Epoche und dem ersten christlichen Jahrhundert, wie sie jene Denker vermuteten, die sich um ein geschichtliches Selbstverständnis bemühten. Vielleicht ist es diese Betrachtung selbst, die den Autor zu einem zweiten Aspekt führt, den das Christentum für ein heutiges Geschichtsbild bietet: den des Reiches, das als aufhaltende Macht das Erscheinen des Antichrist verzögert (der paulinische Kat-echori). Zum dritten sieht Carl Schmitt im Christentum eine Reserve, die dazu dienen kann, die Konzeption der „Geschichtsphilosophie" zu überwinden, diese Reserve liegt in der essentiellen Geschichtlichkeit des Christentums, das keine simple moralische Doktrin darstellt, sondern ein „geschichtliches Ereignis von unendlicher, unbesitzbarer, unokkupierbarer Einmaligkeit" 1 4 , und das als historische Tatsache jede mögliche „Geschichtsphilosophie" überschreitet. Hier, wie auch bei anderen Gelegenheiten, ist es möglich, daß die Schmitt'sehen Eröffnungen mehr in sich bergen als sie zu erkennen geben; doch auf jeden Fall sehen wir uns, durch die Kraft seiner Dialektik selbst, dazu angespornt, in völliger Freiheit einige Reflexionen und Zweifel darzulegen, zu der uns dieser Entwurf eines christlichen Geschichtsbildes angeregt hat, hier, im heiteren Frieden von Compostela. II. Zuerst anerkennen wir, daß die Parallele mit dem Urchristentum für die Deutung einiger geschichtlicher Aspekte der Gegenwart dienlich ist doch dasselbe ließe sich vielleicht von dem Vergleich mit dem ersten Jahrhundert vor Christus sagen, d.h. mit der buntscheckigen Epoche der Bürgerkriege 15 . Im übrigen: wenn das Christentum geschichtlich ist und die Geschichte etwas Irreversibles, dann mag diese Parallele eine gute intellektuelle Anregung sein, aber es ist schwierig, sie sich als wirkende Kraft in der Entwick14 C. Schmitt, Drei Stufen historischer Sinngebung, S. 930. - Die „große Parallele" wird im Spätwerk auch in Ex Captivitate Salus und in Donoso Cortes in gesamteuropäischer Interpretation, beide Köln 1950 erörtert; auch im Nomos, S. 32 f. 15 In „Drei Stufen", schreibt Schmitt selbst, wenn auch nur en passant: „Indem dieses Jahrhundert seine eigene Zeit mit der Zeit der römischen Bürgerkriege und des Christentums in eine geschichtliche Parallele brachte . . . " (S. 928). Ebenso in „Tres posibilidades": „ A l establecer ese siglo un paralelismo entre su propio tiempo y la epoca de las guerras civiles de Roma . . . " (S. 238).
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lung der Ereignisse vorzustellen, da wir nicht vergessen, daß das, was gesucht wird, gerade etwas sein muß, das fähig ist, die enorme Macht der beiden einander konfrontierten Kolosse zu überwinden. Eine analoge Betrachtung haben wir gegenüber der dritten Möglichkeit zu machen. In der Tat: obwohl die Geschichte stets mehr ist als jede „Philosophie der Geschichte", obwohl die realen Ereignisse sich über die Reflexionen zur Dialektik der Geschichte hinwegsetzen, obwohl Geschichte und Geschichtsphilosophie sich auf verschiedenen Ebenen bewegen, wird sich eine Überwindung der „Philosophie der Geschichte" nur erreichen lassen mittels einer anderen „Philosophie der Geschichte". Oder, um es genauer zu sagen: was das Christentum einer „Philosophie der Geschichte" entgegensetzen muß ist eine Theologie der Geschichte. Auf diese Weise ist das Denken, auch das Denken eines Juristen, trotz der selbstauferlegten Beschränkungen, denen Carl Schmitt treu bleiben will, genötigt, eine Theologie zu umfassen. Auf jeden Fall ist klar, daß für Carl Schmitt die bedeutungsvollste Möglichkeit unter den dreien, in seinem Artikel für den ARBOR eröffneten, die der Vision einer Kraft ist, welche die Ankunft des Antichrist aufhält; die des paulinischen Kate-chon. In seinem Vortrag insistierte Carl Schmitt vorzugsweise auf dieser Möglichkeit, während er jetzt, in seinem Buch (S. 29 ff.) 1 6 von der Theorie des Kate-chon als einer authentischen christlichen Konzeption spricht. Damit betreten wir das Gebiet der Theologie und hier möchte ich nur mit der ausdrücklichen Erklärung fortfahren, daß ich meine Worte stets „sub correctione Ecclesiae" stelle. Die paulinische Passage17 über den Kat-echon ist, wie man weiß, eine gänzlich dunkle Passage 17. Es ist sinnvoll, sie zu zitieren. Es handelt sich um die Bezugnahme auf die Ankunft des Antichrist, im zweiten Brief des Paulus an die Thessalonicher, Kap. 2: „(3) Ne quis vos seducat ullo modo: quoniam nisi venerit discessio primmum, et revelatus fuerit homo peaccati, filius perditionis, (4) qui adservatur, et extollitur supra omne, quod dicitur Deus, aut quod colitur, ita ut in templo Dei sedeat ostendens se tamquarn si Deus. (5) non retinetis quod cum adhuc essem apud vos, haec decebam vobis? (6) Et nunc quid detineat scitis, ut reveletur in suo tempore. (7) Nam mysterium jam operatur iniquitatis: tantum ut qui tenet nunc, teneat, 16
C. Schmitt, Der Nomos der Erde, S. 28-32. S. 29: „Ich glaube nicht, daß für einen ursprünglich christlichen Glauben ein anderes Geschichtsbild als das des Katechon überhaupt möglich ist". 17 Zur theologischen Deutung vgl.: J. Schmidt, „Der Antichrist und die hemmende Macht". In: Theologische Quartalsschrift, 129, 1949, S. 323-343, und die dort angegebene Literatur. Wohl immer noch das Standardwerk: W. Bousset, Der Antichrist in der Überlieferung des 1. Judentums, des Neuen Testaments und der alten Kirche. Göttingen 1895 (Ndr. Hildesheim 1983).
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donec de medio fiat. (8) Et tunc revelabitur ille iniquus, quem Dominus Jesus interficiet spiritu oris sui", etc 1 8 . Der heilige Paulus spricht hier von etwas (quid) das und von jemand (qui) und der als die Ankunft des Antichrist hemmende Macht tätig ist, eine Macht, die verschwinden wird, sobald der Antichrist in dem von der Vorsehung vorherbestimmten Augenblick (in suo tempore) erscheint. Dergestalt erfüllt diese Kraft eine providentielle Funktion, doch der heilige Paulus verweist auf einige mündlich gegebene Erläuterungen, die wir nicht kennen, und deshalb hat uns die Kirche für diese Passage keine allgemeinverbindliche Interpretation gegeben. Zu allen Zeiten haben Interpreten im Kat-echon das römische Reich gesehen, sogar Kaiser Nero galt während der ersten Jahre seiner Herrschaft und bevor sich seine unheilvolle Geistesstörung zeigte, als Kat-echon 19. Eine Ordnung des Friedens und der Gerechtigkeit repräsentierend, würde das Reich ein starkes Hindernis für den Einbruch des Antichrist sein, doch irgendeines Tages würde diese Ordnung verschwinden und man hätte gerüstet zu sein. Diese Interpretation war in der Patristik geläufig und kann auch noch heute als die wahrscheinlichste gelten. Carl Schmitt glaubt, daß sich keine andere geben läßt 2 0 und daß dieser Kat-echon die einzig mögliche Brücke sei, um die „eschatologische Lähmung" zu beheben und das große Heilige Römische Reich Deutscher Nation 2 1 zu bauen, in dem die Idee des Aufhaltens als eine mit unbestreit18
Der Text weicht nur sehr geringfügig ab von neueren Vulgata-Ausgaben, etwa der Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, ed. Fischer/Weber. Stuttgart 1983, Bd. II, S. 1829 f. Nach der Luther-Bibel, die als für unsere nationale Kultur maßgebende wir hier zitieren dürfen: „,3. Lasset euch von niemand verführen, in keinerlei Weise; denn er kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, 4. der da ist der Widersacher und sich überhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, so daß er sich setzt in den Tempel Gottes und vorgibt, er sei Gott. 5. Erinnert ihr euch nicht daran, daß ich euch solches sagte, da ich noch bei euch war? 6. Und ihr wisset, was ihn noch aufhält, bis er offenbart werde zu seiner Zeit. 7. Denn es regt sich bereits das Geheimnis des Frevels, nur daß, der es jetzt aufhält, erst muß hinweggetan werden; 8. und alsdann wird der Frevler offenbart werden, welchen der Herr Jesus umbringen 'wird mit dem Hauch seines Mundes und wird ihm ein Ende machen durch seine Erscheinung, wenn er kommt." 19 Im Gegensatz dazu wurde Nero während und nach der von ihm entfesselten Christenverfolgung als „Antichrist" interpretiert, vgl. E. Renan, Der Antichrist. A. d. Franz, Leipzig u. Paris 1873. 20 In seinem außergewöhnlichen, m.E. für das Verständnis Donoso Cortes' wie Schmitts unerläßlichem Aufsatz „Despotismo universal y kat-echon paulino en Donoso Cortes", Sapientia (Buenos Aires), 1958, S. 36-42, 109-127, wendet Alberto Caturelli, dabei Donoso deutend, ein, dass nicht das Imperium der Kat-echon sein könne, sondern nur die wiedergewonnene, konstitutive Caritas des mystischen Körpers. Vgl. ebd., S. 121-127. Obgleich sich Caturelli (S. 123 f.) mit der Kritik Älvaro d'Ors' an Schmitt einverstanden erklärt, ist dieses Resume wohl auch nicht mit dem d'Ors' vereinbar. 20 Herrero
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barer Wucht versehene, wirkungsvolle Kraft tätig war. In diesem Sinne, sei es wie auch immer um den ursprünglichen Gehalt des paulinischen Terminus bestellt, war die Idee in jenem Begriffe inkarniert und wird stets der Betrachtung würdig sein. Im übrigen stoßen die anderen vorgeschlagenen Interpretationen auf noch größere Schwierigkeiten, sei es nun jene, die im Kat-echon das Gebet sieht, oder die „Arbeiter im Weinberg des Herrn" oder die apokalyptische Interpretation selbst, die die Ankunft des Antichrist auf Erden mit dem himmlischen Sieg des Erzengels St. Michael „et Angeli eius" über den Teufel und die seinen in Bezug setzt (Apokalypse des hl. Johannes, 12, 7 ff.). Doch liegt das Problem für uns weniger hierin, als in dem Zweifel, ob diese „Möglichkeit" wirklich die beste Reserve des Christentums für eine Vision der Geschichte darstellt, die fähig ist als Kraft zu wirken, welche die gefürchtete Katastrophe aufhält, denn als Katastrophe läßt sich auch jene technische Vereinheitlichung der Welt verstehen, wie sie von beiden rivalisierenden Kolossen angestrebt wird. Mit anderen Worten: besteht die vornehmste Aufgabe, besteht die Kraft und die Tugend des Christentums darin, das Ende der Welt zu verzögern? Auf diese Frage, so gestehe ich frei heraus, können wir eine negative Antwort geben. III. Hier auf den zentralen Punkt der Frage stoßend, erklären wir, daß eine christliche Vision der Geschichte nicht von ihrer Eschatologie absehen kann. Das Ende der Welt - eschäte höra, novissimus dies - ist nicht nur ein dem Wesen des Christentums nicht Fremdes, sondern es konstituiert, mit der zweiten Ankunft Jesu Christi die Parusie, ein kapitales historisches Ereignis, die Krönung der Geschichte im eigentlichen Sinne, da die gesamte Geschichte, christlich verstanden, unterwegs zu dieser Stunde ist, und in ihr die geschichtlichen Tatsachen aller Zeiten ihren wirklichen Wert zugesprochen erhalten und ihren wahren providentiellen Sinn manifestieren werden. Es stimmt nicht, sagt man, daß eine eschatologische Vision eine „Lähmung" der menschlichen Aktivität hervorrufe, einen zerstörerischen Quietismus. Die Gewißheit und die permanente Gegenwart unserer eigenen letzten Stunde, unseres eigenen Todes, ruft normalerweise weder die Lähmung un21 A. d'Ors schreibt: „el gran Imperio Cristiano-Germano". Über die „Kontruktionen der Weiterführung des Imperium Romanum" vgl. Schmitt, Der Nomos der Erde, S. 30. - Das wohl immer noch bedeutendste Werk über die Theorien des Mittelalters zum Reich als „Aufhalter": A. Dempf, Sacrum Imperium. Geschichts- und Staatsphilosophie des Mittelalters und der politischen Renaissance. München u. Berlin 1929. Der Klassiker eines so gearteten Reichsgedankens: Otto von Freising, Chronica sive historia de duabus civitatibus, lat.-dt. Ausg., Darmstadt 1980.
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serer gewohnten Aktivität hervor, noch zerstört sie unseren Willen; vielmehr besitzt all unser Wirken seine Raison d'etre im Hinblick auf dieses persönliche Ende, auf unser Ende auf Erden. Und wenn schon unser Tod, stets näher als das Ende der Welt, es nicht vermag, die Lähmung unserer Bemühungen hervorzurufen, so dürfte das sichere Wissen um jenes stets ferne Ende der Welt diese Lähmung erst recht nicht herbeiführen. Wenn es zu einer derartigen Lähmung kommt, wie sie uns von der ersten Jahrtausendwende berichtet wird, dann handelt es sich um eine hysterische Epidemie, die auf gar keine Weise das vernünftige Korrelat zur christlichen Eschatologie bildet, eine Eschatologie, die voll der Hoffnung ist, da sie sich auf die Gewißheit von der Unsterblichkeit der Seele und der Auferstehung des Leibes gründet und die voll des Ansporns ist für die individuelle wie die kollektive Bemühung, weil sie sich auf die Gewißheit gründet, daß das Glück des anderen Lebens, des Ewigen Lebens, eben gerade von unserem Eifer abhängt, mit der wir uns und die übrigen Menschen der machtvollen Aktion der Gnade inkorporieren. Was sich hingegen mit der Eschatologie, nicht so sehr mit der Eschatologie selbst, sondern soweit sie eine christliche ist, nicht verträgt, ist der sogenannte schöpferische Wille. Ich glaube, daß dies einer Erklärung bedarf, um so mehr da es sich hier um eine Gegenposition zu einem deutschen Denker handelt. Die Wahrheit ist, daß unser Wille - der menschliche Wille - nicht schöpferisch sein kann. Die Schöpfung verbraucht sich zur Gänze im Werk Gottes als Schöpfer. Der Mensch, der danach strebt, schöpferisch zu sein, strebt unsinnigerweise danach, eine einzig und allein Gott vorbehaltene Tätigkeit zu usurpieren; und tatsächlich zeigt sich uns jedweder schöpferische Wille als mephistophelisch inspiriert. Auf diesem Wege kam es, möglicherweise, zu Goethe und zur deutschen Kultur. Der vernünftige Wille des Menschen ist ein Wille der Ausführung, der Verwirklichung, der Zusammenarbeit mit Gott, jedoch nicht einer der Schöpfung. Wenn wir die erhabensten und fruchtbringendsten Akte der Menschen prüfen, so sehen wir alsbald daß sie keine Akte der Schöpfung sind. Unstrittig der höchste Akt von der größten Wirksamkeit, den ein Mensch ausführen kann - nicht jeder Mensch, sondern der gesalbte, mit den notwendigen Gnadengaben versehene - ist es, die Eucharistische Transsubstantiation hervorzurufen. Und doch ist diese gewiß kein schöpferischer Akt, sondern die exakte Ausführung eines Auftrags, eben eines göttlichen Auftrags im striktesten Sinne und dasselbe läßt sich von allen Sakramenten sagen. Wenn wir hinabsteigen zu anderen noblen und wirksamen menschlichen Akten von großer Wichtigkeit - der Bestellung der Felder, der Katechese, der Zeugung und Erziehung der Kinder, dem Bau von Wohnungen, der Ablichtung von Arbeitstieren, der Herstellung der verschiedenartigsten nützlichen Werkzeuge, der 20*
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Beerdigung der Toten, der Führung der Schlachten, der Heilung der Kranken, der Nutzung der natürlichen Energien, der Entdeckung neuer Länder oder neuer Wahrheiten, der Verkündung von Urteilssprüchen und gerechten Gesetzen - so können wir von keinem dieser Akte sagen, daß er ein Akt der Schöpfung sei; es sind Dienste der Verwirklichung, es sind Erfüllungen einer Mission, wie derartige Dienste sie konstituieren. Wenn wir von der Zeugung (der pro-creaciön) sprechen, so wird von unserer eigenen Sprache weise anerkannt, daß es sich hier nicht um eine Schöpfung (creaciön) handelt, sondern um eine Kooperation mit der göttlichen Schöpfung; deshalb ist jede Fortpflanzung (pro-creaciön) eine Reproduktion (re-producciön). Der schöpferische Ehrgeiz vermag sich am besten mittels der künstlerischen Produktion Bahn zu brechen. Tatsächlich ist der Künstler - poeta derjenige, der am meisten Gefahr läuft, mephistophelischen Einflüsterungen zu verfallen. Der Künstler arbeitet mit einer Technik, die im Dienste der Vorstellung von einer harmonischen Komposition steht; getreu diese Vorstellung reproduzierend, ist er, in diesem Sinne, ein Re-Produzent (reproducer) oder auch ein Nach-Schaffender (recreador). Dieses Werk der Rekreation hat einen Zweck und ein Ziel, erfüllt einen Dienst. Wenn der Künstler sich dieser Demut der Reproduktion und des Dienstes entledigt und eine Kunst als Capricho seiner Phantasie ersinnt, d.h. wenn er das abschüssige Gelände des „Fart pour l'art" betritt, dann läuft er Gefahr, sich der Rebellion hinzugeben. In dieser Rebellion steckt, neben allem übrigen, der Keim der Degeneration der Kunst selbst, auch wenn sich solche degenerativen Anfänge unter dem blendenden Kleid der Novität und der genialen Fertigkeit verbergen lassen. Die moderne Welt hat die letzten Ergebnisse des non serviam! des „l'art pour l'art" ernten können und der gesamte Kampf aller besser orientierten Künstler in der Gegenwart gilt der Wiedergewinnung einer Kunst, die dient; gilt nicht dem schöpferischen Werke, sondern dem nachschaffenden (re-creadora). Der Mensch ist ein auf vernunftgemäße Weise dienendes Wesen - auch wenn die göttliche Herkunft diese seine natürliche Dienstbarkeit erhaben macht - er ist kein Schöpfer. Die Gewißheit von seinem Ende und vom Ende der Welt zeigt ihm seine Grenzen auf, erhöht jedoch seine Hingabe an den tätigen Dienst. So hebt das Erlebnis einer Eschatologie gerade die Wesenszüge des christlichen Menschen hervor; was unser Thema anlangt, so kann eine historische Vision, die von der Eschatologie absieht, keine authentisch christliche Vision sein. Das Ende der Welt aufzuhalten, hat nur eine Berechtigung als Erfüllung des providentiellen Willens, denn der Antichrist, so sagt es der Apostel, wird in suo tempore kommen, seine Ankunft ist unvermeidlich. Doch die Ankunft des Antichrist ist nichts anderes als eines der Zeichen, die der Parusie Jesus Christi vorausgehen; in diesem Sinne darf jenes Ende nicht nur nicht zurückgewiesen werden, sondern es muß ersehnt werden, obgleich
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es nicht in unserer Hand liegt, Sein Kommen zu beschleunigen. Unsere Haltung als Christen ist die einer hoffnungsvollen Erwartung: expectantes beatam sperrt. Es ist eine Erwartung der freudigen Liebe und des reuevollen Eifers. Daß sich uns nicht, durch den finsteren Terror des Antichrist, die heitere Parusie des Christus verdunkele! Denn in diesem transzendentalen Ereignis findet die Geschichte ihr Ende und Ziel und ihre definitive Erläuterung. Hier ist der Punkt, in dem jede christliche Vision der Geschichte als in ihrem Mittelpunkt verharren muß. Allen ist bekannt, daß die Seele eines jeden, im ersten Augenblick ihrer Trennung vom Körper, einen Urteilsspruch empfangen wird: den der ewigen Glückseligkeit (auch wenn sie durch eine Zeit im Fegefeuer eine Zeit hintangehalten werden kann) oder den der ewigen Verdammnis und daß am Ende der Zeiten Jesus Christus wiederkehren wird, cum gloria (denn die Glorie Gottes ist der fundamentale Zweck des gesamten göttlichen Werkes), zu richten „die Lebendigen und die Toten". Dieses universale Urteil wird gleichzeitig und öffentlich erfolgen. Inwiefern diese Wiederholung des Urteils - partikular und universal - berührt wird von der Überwindung der Zeit in Gott, dies zu untersuchen ist hier nicht nötig, aber es ist evident, daß diese gleichzeitige Öffentlichkeit auf einen profunden Unterschied zwischen dem judicium universale und dem judicium particulare verweist und daß sie ein kapitales Ereignis der Geschichte des Universums ist. Dies ist allen bekannt, aber, falls ich mich nicht täusche, sind wir es nicht gewohnt, der historischen Wichtigkeit des Jüngsten Gerichts und seiner tiefen Rückwirkungen gewahr zu werden, die es für ein Verständnis der Geschichte, für eine Theologie der Geschichte besitzt. IV. Carl Schmitt, der mit so viel Scharfsinn in die Interpretation der politischen Tatsachen eingedrungen ist, welche die Geschichte vom juristischen Gesichtspunkt aus konstituieren, hat noch nicht die Kluft überwunden, die zwischen dem geschichtlichen Urteil und dem ethischen Urteil zu bestehen scheint. Und wir sprechen hier von „ethisch" und „moralisch" in einem umfassenderen Sinne, der dem der Antithese Logos-Ethos überlegen ist, da auch unser Glaube Gegenstand des ethischen Urteils ist. Beide Urteile, das ethische und das geschichtliche, scheinen nicht übereinzustimmen, da das erste an Akten des Bewußtseins teilhat, das zweite allein aus externen Resultaten herrührt. Deshalb scheint es, daß der moralisch gesehen untadelige Mensch trotzdem in der Geschichte scheitern und damit ein historisch ungünstiges Urteil verdienen kann; umgekehrt, daß der Retter eines Volkes oder der Gebieter der Zeiten trotz alledem verurteilt wird.
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Diese Spannung und Divergenz besteht wirklich, aber zu erforschen ist noch, ob diese Divergenz nicht einen Punkt der Lösung in sich birgt. Vor allem dürfen wir nicht vergessen, daß unsere ethischen und unsere historischen Urteile unvollkommen sind. Der Mensch vermag weder auf eine absolute Art und Weise über den moralischen Wert eines Aktes, noch über ein menschliches Leben einen Urteilsspruch fällen, weil unser Bewußtsein in einem Zustand des Halbdunkles befangen bleibt. Ebensowenig kann ein historisches Urteil, ein Urteil über Resultate, vollkommen sein, weil wir nur von wenigen Resultaten Kenntnis erlangen. Es ließe sich vielleicht denken, daß sich mit dem Verlauf der Jahrhunderte mehr Daten ansammeln, um ein triftigeres historisches Urteil zu gewinnen. Tatsache ist aber, daß mit dem Verlauf der Zeit sich solche Daten zum Teil in der Nacht des Vergessens verbergen, zum Teil sich in dem unentwirrbaren Knoten der Mitursachen verwickeln; ob dieses Loses vermögen wir weder Alexander besser zu beurteilen als seine Zeitgenossen, noch wird der Geschichtsschreiber im 22. Jahrhundert bessere Bedingungen vorfinden, um Napoleon zu beurteilen als die Helden von Gerona und Saragossa. Dies will besagen, daß die scheinbare Divergenz zwischen dem ethischen und dem historischen Urteil derselben Unvollkommenheit entstammt wie diese selbst, wodurch sich gleichermaßen der Unterschied zwischen ethischen Urteilen auf der einen und ethischen Urteilen auf der anderen Seite erklärt, ebenso der zwischen historischen Urteilen auf der einen und historischen Urteilen auf der anderen Seite. Sowohl die Bewußtseinsinhalte wie die externen Resultate sind uns nur unvollständig bekannt. Wirklich kennenlernen werden wir sie erst beim Jüngsten Gericht. Zweifellos ist das Jüngste Gericht, für sich betrachtet, ein wichtiges historisches Resultat, zugleich aber ist es die schwerwiegendste Entscheidung der gesamten Geschichte: die öffentliche, vollständige und endgültige Scheidung der Triumphierenden und der Gescheiterten, derjenigen die sich im Recht befanden und derjenigen, die sich nicht darin befanden. Auf diese Weise wird das Jüngste Gericht der wahre Augenblick sein, um ein vollkommenes historisches Urteil zu erlangen. Nun: dieses Urteil wird auch ein ! ethisches Urteil sein, da es auf universale Weise das partikulare Urteil wiederholt, das jede Seele für sich selbst empfängt. So wird das Jüngste Gericht auch der wahre Augenblick sein, um ein vollkommenes ethisches Urteil zu erlangen. Aber mit dieser Besonderheit: daß der Urteilsspruch einzig ist. d.h. daß die moralischen Werte die geachteten historischen Werte sein werden. Folglich gibt es einen historischen Augenblick, in dem das richtige historische Urteil und das richtige ethische Urteil ineins fallen. An diesem Extrem des novissimus dies läutert sich die Geschichte bis zu dem Punkte, daß sie ethisch wird. Denn zum Schluß stellt sich heraus, daß allein das ethisch Wertvolle Erfolg hat und daß es folglich das historisch Wertvolle
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ist. Solange diese ersehnte Parusie nicht eintritt, müssen sich unsere Urteile damit begnügen, vorläufige zu sein, aber es würde - wollen wir, daß sich unsere Urteile so weit wie möglich der Wahrheit nähern - in die Irre führen, würden wir der Perspektive des allgemeinen Gerichts nicht eingedenk sein. V. Wenn wir jetzt unsere Ideen zusammenstellen, um sie in ihren logischen Folgen miteinander zu verknüpfen, kommen wir zu folgendem: Eine christliche Vision der Geschichte kann nichts geringeres sein als eine eschatologische Vision, die das historische Werde der Parusie Jesu Christi zum Orientierungspunkt nimmt. Jede historische Aktivität oder jede Reflexion über die Geschichte, die sich nicht daran ausrichtet, kann nicht beanspruchen, sich einer „christlichen Vision der Geschichte" einzufügen. Ebenso wie wir andererseits die Überzeugung gewonnen haben, daß in dieser finalen Krisis allein das ethisch Wertvolle historisch akzeptiert wird, ebenso gelangen wir zu der glücklichen Konsequenz, daß „eine christliche Vision der Geschichte" eine ethische Vision ist. Wenn wir nicht auf Abwege geraten wollen, d.h. wenn wir unsere historischen Urteile nicht revidieren wollen, die notwendigerweise berichtigt werden müssen, dann dürfen wir uns nicht blenden lassen von ephemeren politischen oder historischen Erfolgen; denn wenn diese uns blendenden Vorgänge moralisch verwerflich sind, werden sie auch historisch scheitern. Jede Sünde ist auch ein historischer Irrtum und ein Irrtum kann, trotz der Grobheiten der Politiker 2 2 , nicht schlimmer sein als ein Verbrechen, weil jedes Verbrechen, schon für sich selbst betrachtet, ein ungeheuerer historischer Irrtum ist. VI. Nun: Was will es, unter einem christlichen Gesichtspunkt besagen, daß ein Akt ethisch wertvoll ist? Auch wenn uns, wie wir ausführten, ein vollkommenes Urteil nicht möglich ist, weil das Bewußtsein im Halbdunkel verbleibt und man selbst nicht erklären kann, man sei frei von der in die Dunkelheit führenden Sünde, so gibt es doch einen beachtenswerten Fingerzeig: jeder moralisch-betrachtet verwerfliche Akt trennt uns von der Kommunion des mystischen Körpers, von der Kirche, und jeder wertvolle Akt bringt uns dieser Kommunion näher oder gestaltet sie enger. Auch die Treulosen, die Christus nicht kennen, nähern sich seinem mystischen Leib 22 Wohl eine Anspielung auf Talleyrands Kommentar zur von Napoleon 1804 veranlassten Verschleppung und Erschießung des Herzogs von Enghien: „C'est plus qu'un crime, c'est une faute".
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als potentielle Mitglieder immer dann, achten sie auf einen gerechten Wandel, verhalten sie sich mit dem natürlichen Gesetz konform; umgekehrt entfernen sich die Treuen, sündigen sie oder fallen sie in Häresie, in geringeren oder größeren Maße vom mystischen Leib. Es ist wahr, daß der Schein in einigen Fällen trügt, daß man verführt werden mag, zum Beispiel, durch eine fingierte Konversion doch menschlich gesehen verfügen wir über kein Urteilskriterium das sicherer wäre, sodaß sich unser Urteil so wenig wie möglich von dem des unfehlbaren Universalen Gerichts entfernt. Das will besagen, daß eine christliche Vision der Geschichte nicht mehr und nicht weniger ist als eine Kontemplation über die providentiellen Ratschlüsse bezüglich des mystischen Leibes. Jede „Universalgeschichte" ist realiter eine „Geschichte der Kirche". Selbstverständlich geschieht es, daß wir, ob der kurzen Reichweite unseres Scharfsinns, nicht vordringen zur providentiellen Verknüpfung zahlreicher, entlegener oder entfernter historischer Tatsachen mit der Kirche; daß viele Gebiete und Stadien innerhalb des universalen Zusammenhangs wie von ihrem Seinsgrund abgeschnitten wirken aber es ist sicher, daß all diese historischen Tatsachen, absolut alle, einen Teil das einzigartigen, vollständigen, unwiderstehlichen providentiellen Plans bilden. VII. Wenn alle Geschichte eine „Geschichte der Kirche" ist, weil Christus und Seine Kirche das Zentrum der historischen Entwicklung der göttlichen Vorsehung bilden, dann muß auch die gegenwärtige historische Konjunktur in ihrer Verbindung mit jener „Geschichte" analysiert werden. Es scheint mir notwendig, eine Beobachtung als die beste Erklärung des gegenwärtigen Zweikampfes der beiden großen technifizierten Mächte des Ostens und des Westens zu unterstreichen: daß es sich um den Konflikt zwischen den beiden großen Schismen handelt, dem Schisma der sogenannten „orthodoxen" Kirche und dem Schisma der Reformation. Die legitimen Erben des Schismas des Ostens stehen den nicht weniger legitimen Erben des Schismas des Westens gegenüber: Photios 23 gegen Luther. Die Beziehung des gegenwärtigen sowjetischen Imperialismus zum Schisma des Ostens, und, darüber hinaus, zu den ersten Regungen der monophysitischen Häresie 24 , ist inzwischen erkannt. Ich werde hier nicht 23 Photios, ca. 820 in Konstantinopel geb., 891 im Kloster Armeniakon gest. Patriarch. Berief 867 eine Synode der östlichen Kirche nach Konstantinopel ein, die die römischen „Neuerungen" verurteilte und mit dem Papst Nikolaus I. brach. Wie weit er als Vater des Schismas zu gelten hat, ist umstritten. Vgl. über ihn: Joseph Hergenröther, Photios, 3 Bde. Regensburg 1867-69.
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darauf zurückkommen. Doch es ist nicht weniger sicher, daß der westliche Progressismus, als Sohn des Rationalismus, auch der legitime Nachfolger der protestantischen Häresie ist. In der Entwicklung der westlichen Metaphysik läßt sich diese Genealogie Schritt für Schritt verfolgen. Wie Heidegger scharfblickend erläutert hat, ist der nietzscheanische Schrei Gott ist tot! das Losungswort der zeitgenössischen Metaphysik. Wenn für Descartes die Existenz Gottes zu einer bloßen Garantie verblaßte - einer fundamentalen, übrigens - über die die menschliche Intelligenz, schaut sie in völliger Klarheit, sich nicht zu täuschen vermag, so war bereits bei Kant Gott für die reine Vernunft abwesend. Für Nietzsche und die moderne Metaphysik ist Gott tot. Aber dieses „Gott ist tot" ist im Grunde vom Protestantismus ausgebrütet worden. Der verzweifelte Schrei des armen Nietzsche konnte nur in einem protestantischen Ambiente aufsteigen, vor dem traurigen Anblick dieser leeren Tempel, die derselbe Nietzsche „Grüfte und Grabmäler" nannte 25 . Nietzsche und sein Nihilismus sind daher eine natürliche Folge der Reformation. Dieser Nihilismus der europäischen Metaphysik jedoch, in die puritanische Erde Amerikas eingepflanzt, ermöglichte den Schritt zum sorglosen technischen Pragmatismus der Vereinigten Staaten. Photios gegen Luther. Welche Reserven, nicht nur intellektuelle, sondern operative, verbleiben dem Christentum? Schlichtweg nur die Wiedereinsetzung der christlichen Gemeinschaft, der Kampf für das unam sanctam. Das ist die „Einheit der Welt" des Christentums. Eine unwandelbare Einheit, weil sie nicht nur einer einzigen Schöpfung entstammt, sondern auch einer universalen Erlösung, die für immer allen Menschen ein Siegel unzerstörbarer Brüderlichkeit aufgedrückt hat. So betrachtet ist der Zweikampf zwischen den beiden Kolossen ein Konflikt zwischen Brüdern und die Kirche ist die Mutter dieser gottlosen Brüder im Konflikt. Man spricht heute noch immer von der Möglichkeit einer dritten Kraft, die fähig ist, jene beiden Kolosse zu besiegen oder zu neutralisieren oder, zumindest, aus ihrer Zwietracht Nutzen zu ziehen. Man ist sogar dahin gekommen, von Aufständen des Islam zu träumen. A l l dies mag Diplomatie sein, vermag aber nicht in unsere Reflexionen einzutreten. Kann denn in 24 Monophysitismus, „Ein-Natur-Lehre". In der Ostkirche etwa ab dem 4. Jahrhundert aufkommende theologische Konzeption, wonach es eine Einheit von Gott und Mensch in Christus als einer kreatürlichen „Natureinheit" gebe. Anstelle der Seele steht der Logos, der sich mit dem Fleisch vereint. Einige Strömungen wie die „Realmonophysiten" behaupteten eine reale Vermischung von Gottheit und Menschheit zu einem Dritten, sodass eine in Menschheit verwandelte Gottheit oder eine in Gottheit verwandelte Menschheit die Konsequenz war. Vgl. Gustav Krüger, Monophysitische Streitigkeiten. Jena 1884. 25 Der „tolle Mensch" in Nietzsches „Die fröhliche Wissenschaft" fragt: „Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?" Nietzsche, Werke //, ed. Schlechta, S. 128.
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unserer „christlichen" Vision der Wunsch eines Triumphes der Treulosen einen Platz beanspruchen? Eine christliche Vision kann weder die Niederlage der einen Macht durch die andere wünschen, noch den Triumph einiger dritter Treuloser, sondern die Zusammenführung aller in das unum ovile. Jeder Akt, der zu diesem Ziel hinführt, wird ein historisch wertvoller Akt sein, ein Akt jener, von denen wir erwarten können, daß sie am novissimus dies die Triumphierenden und die Verherrlichten sind. Jede Kraft, die es anstrebt, historisch wertvoll zu sein, muß sich diesem Ziele widmen. Wenn es Fälle gibt, in denen sie dazu gelangen mag, Gewalt anzuwenden, so liegt es nicht in meiner Absicht, sie deshalb abzulehnen. Doch hat dies weder etwas mit dem Imperium zu tun, noch mit irgendeiner mehr oder minder leviathanischen Form des „Staates". Die historische Funktion des Christentums läßt sich nicht einschränken, sie liegt nicht in der Erschaffung und Erhaltung eines Reiches, sondern in der glorreichen Vollkommenheit der Kirche selbst. Die Theorie der zwei Schwerter ist eine umständehalber entstandene, inzwischen hinfällige Theorie, ein Produkt politischer Benutzung. Die Macht der Kirche, soweit sie sich in menschlichen Realisationen projiziert, kann nicht zur Aufrichtung einer imperialen vereinheitlichenden Macht beitragen, von deren Laune jene Realisationen abhängen. Vielmehr kann die Kirche ihre Organisationsziele besser verwirklichen, wenn die zivile Macht sich relativ desintegriert zeigt. In diesem Sinne hat die Kirche stets dazu geneigt, einen politischen Pluralismus zu stützen, in dem die Kräfte stark genug sind, um die Anarchie zu verhindern - die nicht dasselbe ist wie die Ankunft des Antichrist - , in dem sie aber auch ausreichend schwach sind, um nicht nach der Hegemonie streben zu können. Die einzige legitime Hegemonie ist die der Kirche. Unter diesem christlichen Gesichtspunkt ist die Einheit der Welt kein Problem. Die Einheit der Welt ist bereits eine Tatsache, da die Kirche über eine universale Sendung verfügt. Ebensowenig stellt sie ein Problem dar, bezieht sie sich auf eine unifizierende staatliche Macht, denn eine politische Einheit der Welt, unter einem einzigen Imperator, einem Tyrannen, einem babylonischen Komitee oder wem auch immer, ist ein Übel an sich, weil konträr zur Einheit der Kirche stehend. Die Einheit (Unidad) wie die Heiligkeit (Santidad) sind einzig und allein der Kirche vorbehalten: unamsanctam. VIII. Daß diese Ideen sich nicht verwandeln können in Kanonen oder in Atombomben, fähig die beiden einander konfrontierenden Häresien zu zerstören, ist offenkundig, aber wir wissen bereits, daß auch eine solche Vernichtung
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nicht zu einer christlichen Vision gehört. Für einen Christen gibt es in jedem Häretiker wie in jedem Treulosen, in jedem Techniker des „Genickschusses" wie in jedem Techniker des „Birth-control" um zwei abscheuliche Verbrechen zu nennen - in jedem Kriegs- oder in jedem Friedensverbrecher immer noch eine zu rettende Seele, allesamt können sie christliche Seelen werden. So ist der Ehrgeiz des Christen viel erhabener als der des Nicht-Christen, weil er etwas viel Schwierigeres anstrebt ais zu vernichten: der Gnade der Kirche zu inkorporieren. Carl Schmitt hat sich auch mit den verschiedenen Fassungen zum Schema des klassischen homo homini lupus beschäftigt. Eine seichte Tautologie scheint mir tatsächlich die Redensart homo homini homo (Vitoria) zu sein; benötigt wird irgendeine Ergänzung des homo homini Deus (Bacon), vielleicht bevorzuge ich diese andere Formel: homo homini anima 26. IX. Die Wirkmächtigkeit der Ideen hängt vom Grade der Überzeugung ab, mit denen sie im Geiste derer wurzeln, die sich geneigt machen, sie zu empfangen; und vom Grade des Mutes, um sie zu verkünden und mit ihnen die zwielichtigen Nebel der Neutralität zu zerstreuen, aus denen alle Kräfte des Bösen Vorteil ziehen. Daß Carl Schmitt ein christliches Geschichtsbild sucht, zeigt an, bis zu welchem Punkte der Geist unserer Zeit es ersehnt, der Via, der Veritas und der Vita zu begegnen, sogar jenseits der Stelle, an der, wie es scheint, ein Jurist des jus publicum europaeum innezuhalten hat. Mit Sympathie seine Theorie des Kat-echon betrachtend, scheint es uns unvermeidlich, daß das konsequente Denken von Carl Schmitt weiter eindringt, in das Königreich der Parusie und daß wir, nach dieser Phase, von der privilegierten Intelligenz des Juristen und des „Historikers" ein neues Buch erwarten können, nicht mehr über den ursprünglichen Nomos der Erde und seine Manifestationen, sondern über den letzten Akt der Geschichte, dort wo Ethik und Geschichte sich zu einer einzigen Realität verbinden, ein Buch, das den Titel trägt „Das Universale Judicium". (Aus dem Spanischen übersetzt und mit Fußnoten von Günter Maschke.) 26
Dieses Thema hat Alvaro d'Ors später noch öfters beschäftigt; schließlich hat er die Formel „homo homini anima" ersetzt durch „homo homini persona", dabei gegen die traditionelle Definition von Boethius an der Unterscheidung von homo und persona festhaltend. Vgl. A. d'Ors, Nuevos papeles del oficio universitario. Madrid 1980, S. 377-381. („Caput" y „persona") sowie „ I M A G O , N V M E N , GENIVS (Para una teologia pagana de la personalidad)", in: Estudios en Homenaje al Profesor Juan Iglesias con motivo de sus Bodas de Oro con la Ensenanza (1936-1986). Madrid 1988, S. 191-196.
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Nachbemerkung von Günter Maschke Der hier vorgestellte Aufsatz von Älvaro d'Ors (* 1915), einem der bedeutendsten Romanisten unter den spanischen Juristen unserer Zeit, wird als eine strikt katholische Kritik einiger von Carl Schmitt in seinem Spätwerk entwickelten Ideen auch den deutschen Schmitt-Leser interessieren. Obwohl der Text bei dem heutigen Zustand der faktisch-konkreten katholischen Kirche wie bei dem jetzigen Verhältnis zwischen den beiden SuperMächten einige Fragen provozieren mag, haben wir auf jede Kommentierung verzichtet. Älvaro d'Ors hat die hier skizzierten Gedanken in seinem Werk Una introducciön al estudio del Derecho. Madrid 1963 (8. Aufl. 1989) näher ausgeführt (bes. S. 15 ff., S. 133 ff.). Der hier erstmals in deutscher Sprache veröffentlichte Aufsatz erschien in Spanien unter dem Titel „Carl Schmitt en Compostela", in der Zeitschrift ARBOR, 73, Januar 1952, S. 46-59. Er wurde mit sehr geringfügigen Änderungen, in d'Ors' Buch De la guerra y de la paz. Madrid 1954, S. 181-204, abgedruckt. Im Zweifelsfall hielten wir uns an diese spätere Version. Das Buch ist Carl Schmitt gewidmet und greift häufig dessen Anregungen in kritischer Weise auf; das gilt besonders für den Aufsatz „Silent leges inter arma", S. 23-44, der aufgrund eines Gespräches im Jahre 1944 entstand. Andere bedeutende Schriften von Alvaro d'Ors sind: Epigrafia juridica de la Espana romana. Madrid 1953, Elementos de Derecho Privado Romano. Pamplona 1960 (2. Aufl. 1975), Papeles del oficio universitario. Madrid 1961, Sistema de las ciencias, 4 Bde. Pamplona 1968-77, Derecho Privado Romano. Pamplona 1968 (7. Aufl. 1989), Escritos varios sobre el Derecho en crisis. Rom/Madrid 1973, Ensayos de teoria politica. Pamplona 1979, Nuevos papeles del oficio universitario. Madrid 1980, La violencia y el orden. Madrid 1987. In deutscher Sprache liegen die Aufsätze „Relectio de causa" (in FS. für Carl Schmitt zum 70. Geburtstag. Berlin 1959, S. 145-57) und „Das römische Gesetz als Akt des Magistrats" (in Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt, Bd. 1. Berlin 1968, S. 313-323) vor, übersetzt von Günther Krauss. Eine sorgfältige Bibliographie der Schriften Alvaro d'Ors' von Rafael Domingo findet sich in den Estudios de Derecho Romano - En honor de Alvaro d'Ors. Pamplona 1987, S. 35-86. Besonders sei hier hingewiesen auf den bedeutenden Aufsatz „Teologia politica: una revision del problema", erschienen in der Revista de Estudios Politicos, 205, 1976, S. 41-7. Wir hoffen, diesen Essay, der u.a. eine aufschlußreiche Kritik an Carl Schmitt und Hans Barion enthält, bald unseren Lesern vorstellen zu können. Carl Schmitt erörtert sein Konzept des Kat-echon - außer in den hier in den Fußnoten aufgeführten Schriften - noch in den Aufsätzen „Beschleu-
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niger wider Willen oder: Problematik der westlichen Hemisphäre", in: Das Reich v. 19.4.1942, Ndr. in: Tumult 7, 1983, S. 9-14, und „Die andere Hegel-Linie - Hans Freyer zum 70. Geburtstag", in: Christ und Welt v. 25.7.1957.
Literaturverzeichnis Das Literaturverzeichnis umfaßt die Werke, die entweder in den Briefen, in den Fußnoten oder in der Einleitung vorkommen.
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Abgekürzte Zeitschriften REP AHDE ÖzöR REDI
Revista de Estudios Politicos Anuario de Historia del Derecho Espanol Österr. Zeitschrift f. Öffentl. Recht Revista Espanola de Derecho Internacional
Personenregister Wir kennzeichnen die Nummern der Briefe „fett", dort wo wir in der Fußnote eine kleine biographische Skizze ergänzen. Das Namensregister umfaßt sowohl die Briefe als auch die Fußnoten. Es wird nicht auf die Seiten, sondern auf die Nummer des Briefes verwiesen. Den Namen, die nur in den Fußnoten erscheinen, fügen wir ein vorangesetztes „ F " hinzu. Adams, Paul: F 13.
Berceo, Gonzalo de: F 102
Adorno, Theodor: F 112.
Berdjaev, Nikolaj: F 9
Aguilar, Mariano: F 5.
Beseler, Gerhard: 104.
Albareda, Jose M - : F 9, F 14.
Betti, Emilio: 27, 28, 40, 72, 77, 97.
Albertario, Emilio: F 19.
Bläzquez, Jose M - : 90, 92.
Alfonso XII: 130.
Böckenförde, Ernst-Wolfgang: 75, 77,
Alfonso XIII: F 12.
79, 84, 85, 95, 96, 97, 98, 101, 107.
Allorio, Enrico: 23.
Bodin, Jean: 5, 9, 41.
Altmann, Rüdiger: F 47, 118.
Bofill, Jaime: 21.
Alvira, Rafael: F 33. Aranguren, Jose Luis: F 34. Aristoteles: 62. Arndt, Hans J.: F 72. Aron, Raymond: F 96. Augustinus, Aurelius: 9. Bachofen, Johann Jakob: 7. Bacon, Francis: F 20. Barcia Trelles, Camilo: 4, 5, 6, 7, 10, 11, 14, 17, 25, 27, 28, 36, 41, 51, 56, 59.
Bonet Correa, Jose: 51. Borbön, Carlos M - Isidro de: 100. Borbön, Juan de: F 9, F 22, F 97, F 132. Borbön, Juan Carlos de: F 22. Borbön y Parma, Carlos Hugo de: F 12, 130, 132. Borbön y Parma, Sixto de: 132. Bosch, Hieronymus: F 1, 2. Brajnovich, Luka: F 86. Broggini, Gerardo: 88, 90, 92. Broglie, Louis de: F 36.
Barion, Hans: F 13, F 32, 56, 58, 61, 104, 108, 109, 121, 122.
Bruner, Otto: F 50.
Barth, Karl: 131.
Brzezinski, Zbigniew: 137.
Bataille, Georges: F 112.
Bung, Hubertus: F 13, F 110, 126.
Becker, Jürgen: F 67.
Burillo, Jesus: 73, 82, 83, F 123.
Bellarmin, Robert: F 32.
Buve, Serge: 109.
Bruck, Eberhard Friedrich: 40.
Beneyto, Jose M ä : F 4, F 26, 140. Benn, Gottfried: 102. Bentham, Jeremy: 134. Benveniste, Emile: F 36.
Caamano, Jose: 4, 5, 6, 7, 10, 11, 12, 13, 14, 17, 19, 25, 26, 41, 45, 75. Cabaleiro, Ezequiel: F 74.
348
Personenregister
Cabral de Moncada, Luis: 1, 2, 4, F 6, F 13, F 14, 32, 33, 39, F 57, 59, 105,
121. Calvo Serer, Rafael: 9, 10, 11, 12, 19, 20, 22, F 77. Cänovas del Castillo, Antonio: 130. Caracciolo, Antonio: F 6, F 27, F 40. Carrero Blanco, Luis: 121. Castän Tobenas, Jose: F 102. Castän Vazquez, Jose M - : F 2, 102. Castiella, Fernando M - : F 17, 96. Castro, Americo: 63, 71, 97. Castro Rial, Manuel: 17, 19. Chaplin, Charles: 36. Chevalier, Raymond: F 108.
Fernandez Miranda, Torcuato: F 22,
132. Fernandez Quintanilla, Rafael: F 5. Fernandez Villamil, Enrique: F 23. Feuerbach, Ludwig: F 20. Flatten, Heinrich: F 56. Fontän, Antonio: F 22. Forsthoff, Ernst: 84, 85, 108, F 110. Foucault, Michel: F 112. Fraenger, Wilhelm: F 1. Fraga, Manuel: 42, 83, 89, 90, 130, 132. Franco, Francisco: F 1, F 22, F 124, 130. Freund, Julien: F 84, 96, 97, 102, F 116. Fromme, Friedrich Karl: 118.
Christoph, Vera: F 24.
Fröschle, Ulrich: F 32.
Cicero, Marcus Tullius: F 2, 22, 23, 25,
Fuenteseca, Pablo: 44, F 123.
26, 37, 63, 76.
Fueyo, Jesus: Br. 36, F 81.
Clausewitz, Carl v.: 99, 100. Conde, Francisco Javier: 2, 5, F 15, 17, 36, 37, 42, 117. Conze, Werner: F 50, F 72. Cortes, Hernän: 131, 132. Cossio, Carlo: 41. Dalheimer, Martin: F 13, 45, 131. Dawson, Christopher: F 9. Denzinger, Heinrich: F 97. Devoto, Daniel: F 102. Diez del Corral, Luis: 11, 12. Dohm, Axel: 77. Domingo, Rafael: F 6, F 32, F 97. Donoso Cortes, Juan: F 1, 10, 11, 12, 14, 16, F 26, 41, 125, 129, 130, 140. Dotti, Jorge E.: F 1, F 41, F 77. Echebarrfa, Francisco: 17. Einstein, Albert: F 36, 37. Elorriaga, Gabriel: F 81 Erschweiler, Carl: F 56. Escrivä de Balaguer, Josemaria: F 74. Estrada, Alberto: F 86.
Gabriel, Gottfried: F 50. Gaius: 71. Gambra, Rafael: F 13 Garcia Garrido, Manuel: F 123. Garcia-Herväs, Dolores: F 97. Garcia Lorca, Federico: F 25. Garcia Navarro, Alicia: F 33. Garcia Pelayo, Manuel: F 15, Gaupp, Ernst Theodor: 66. Gehlen, Arnold: F 72 Gelimer: 63 Gentiiis, Alberico: 5, 6. Gibert, Rafael: 16, 17, 20, 24, 38, 82, 94. Giet, Stanislas: 83. Gigante, Marcello: 73. Gnoli, Antonio: F 19 Goethe, Johann Wolfgang v.: 17, 97, 136, 137. Gömez Anton, Francisco: F 76 Gömez Arboleya, Enrique: F 15, 25, 71. Gonzalez, Marcelo: 139. Gonzälez Casanova, Jose Antonio: F110,
112.
Personenregister Graham, John T.: F 125, 129, 130
Hürten, Heinz: F 13, F 75.
Gratianus: F 74
Hüsmert, Ernst: 94, F 144.
Grimm, Jakob: 7.
Husserl, Edmund: F 36.
Gross, Johannes: F 47. Grotius, Hugo: 41.
Ibanez Martin, Jose: 9, F 14, F 17.
Gründer, Karlfried: F 50.
Ibongo, Saturnino: F 86.
Grünewald, Matthias: F 1.
Ihering, Rudolf v.: 104.
Guardini, Romano: F 13.
Isidorus Hispalensis: 39, 50.
Guerra Campos, Jose: 104. Gueydan de Roussel, William: 77.
Jaeger, Werner: F 36.
Guillen, Gabriel: F 18.
Jardi, Eric: F 33.
Gurian, Waldemar: F 13.
Jayme, Eric: F 1, F 6, F 13, F 14, F 57. Jünger, Ernst: F 17, 19, F 47, 102.
Haecker, Theodor: F 131.
Juretschke, Juan: F 1.
Hai weg, Werner: 99, 100. Hall, H. Duncan: 5.
Kaiser, Joseph H.: 67, 69, 70, 89.
Hallstein, Walter: 50.
Kantorowicz, Ernst H.: 117.
Hamlet: 26.
Kasser, Max: 20.
Hartman, Nicolai: F 36.
Keller, Wolfgang: F 26.
Hauser, Richard: F 72.
Kelsen, Hans: 4, F 14, F 41, 62, 75.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: F 14, 57, 76, 104.
Kempner, Robert M. W.: F 1.
Heidegger, Martin: 21, F 36, F 112,
Kesting, Marianne: F 72, F 118.
131.
Kennedy, John Fitzgerald: 75 Klein, M . Josef: F 32.
Heinimann, Felix: 21, 22.
Kleinwächter, Mariatherese: F 56.
Heinrich, Dieter: F 72.
Kohler, Josef: 23
Helming, Dennis: F 86.
Koschaker, Paul: 13, 15.
Heller, Hermann: F 2, F 25.
Koselleck, Reinhart: F 50, F 72.
Hera, Alberto de la: 89, 96
Krauss, Günther: F 7, F 8, 13, 14, 15,
Heraclitus: 21 Hernändez-Tejero, Francisco: F 123.
17, 19, 20, 24, 25, 26, 39, 43, F 56,
80, 81, 118.
Herrera Oria, Ängel: F 9
Kriele, Martin: F 72.
Herzl, Theodor: 145.
Kroll, Wilhelm: 24.
Heydte, Friedrich August Frh. v. d.: F 8,
Kunkel, Wolfgang: 46, 78.
11, 12, 50 Hitler, Adolf: 75, 77. Hobbes, Thomas: F 2, F 9, F 32, 41, F 57, 101. Hofmann, Hasso: 138. Hölderlin, Friedrich: 43, 53.
Laak, Dirk v.: F 13, F 45, F 47, F 50, F 118. Langendorf, Jean-Jacques: F 99. Legaz y Lacambra, Luis: F 2, 4, 5, 18, 25, 26, 27, 28, 36, 41.
Holland, Bernard von: 130, 132.
Leon XIII: 77.
Homerus: 28.
Livius: F 37.
350
Personenregister
Lois Estevez, Jose: F 5, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 28, 41, 107. Lois Estevez, Palmira: 76, 77, 80, 82, 83, 84, 85, 89, 95, 96, 99, 102, 104, 105, 108, 109, 112, 113, 114, 116, 119, 127, 129, 131, 144. Lombardia, Pedro: F 76. Lopez Arno, Ängel: 12, 14, 15, 19, F 74. Lopez Rodo, Laureano: F 22. Lübbe, Hermann: F 50, F 72. Luna, Antonio de: 2, 3, 10, 14, 17.
Nörr, Dieter: 79.
Maina, Pancratio: F 86.
Ors, Bianca d': 102, 112.
Mann, Thomas: F 37.
Ors, M - Esperanza d': 55.
Maquiavelo, Nicola: F 25, F 120. Marcos, Manuel A.: F 39.
Ors, Eugenio d': F 1, F 2, 10, 26, 30, 33, 76, F 105, 108, 119, 127.
Marcuse, Herbert: F 112.
Ors, Ines d': 126.
Maritain, Jacques: F 36. Marmolejo, Baiboa de: F 71
Ors, Javier d': 55, 56, 123, 128, 141, 143.
Marquard, Odo: F 50.
Ors, Juan Pablo d': 12, 68.
Marse, Antonio: F 86.
Ors, Miguel d': 27, 35, 128.
Nunez, Raul: 86. Oberheid, Heinrich: F 131. Oehling, Albert: 83, 90. Onis, Jose de: F 114. Oroz, Jose: F 39. Ors, Ana M s d': 37. Ors, Ängel d': 16, 17, 63, 84, 87, 89, 96, 97, 99, 102, 103, 105, 107, 108, 109, 112, 113, 114, 116, 119, 125, 127, 128, 129, 131, 132.
Marti, Jose: F 9.
Ors, Paz d': 55, 128, 137.
Maschke, Günter: F 2, F 7, F 12, F 72.
Ors, Rafael, d': 55.
McCormick, John: F 24.
Ors, Teresa Pia d': 97.
Meier, Christian: 108, 112.
Ors, Victor d': 12, 20.
Melville, Herman: 114.
Ortega y Gasset, Jose: 36.
Menczer, Bela: F 9.
Otero, Alfonso: F 4, 42, F 44, 46, F 48, 52, 55, F 56, 57, 58, 62, 66, 71, F 74, F 77, 78, 80, 81, 82, 83, 102, 103, F 104, 123, 125, 130, 138, 142, 143, 145.
Menendez Pidal, Ramön: 115. Merea, M. Paulo: 57. Michelet, Jules: 77. Michels, Thomas: F 131. Miglio, Gianfranco: F 115, 116. Möhler, Armin: 5, F 10, F 14, F 19, F 26, F 32, F 47, F 63, F 79, F 81, F 87.
Otero, Älvaro: 122. Otero, Beatriz (Dusanka): 62, 65, 72, 74, 88, 89, 90, 97, 100, 103, 130, 145.
Molina, Jerönimo: F 2, F 18, F 96.
Otero, Carlos: 73, 90, 112, 113, 125, 126, 129, 135, 137, 143.
Morsey, Rudolf: F 45.
Otero, Jorge Juan: 96.
Mucio Escevola, Quinto: 76.
Ovidius Naso, Publius: F 20.
Murillo, Francisco: 25. Panikkar, Raimundo: 24, 36. Navarro Rubio, Mariano: F 68.
Paratore, Ettore: 112.
Nichtweiss, Barbara: F 131.
Pascal, Blaise: 32.
Nicoletti, Michele: F 131.
Paulwitz, Michael: Br. 32.
Personenregister Pedret Casado, Paulino: 23, 36, 41. Perez Embid, Florentino: F 9, F 77. Perroux, Frangois: F 119. Peterson, Erik: Br. 131. Philon v. Alexandrien: F 28. Piganiol, Andre: 108. Pinillos, Jose Luis: 14, 15. Pio XI: F 126. Planck, Max: F 36. Plautus, Titus Maccius: F 20. Plinius Caecilius Secundus, Caius: 25, 38. Porzig, Walter: 21, 22. Primo de Rivera, Jose Antonio: F 12. Primo de Rivera, Miguel: F 12, F 33. Przywara, Erik: F 16, F 21, 45, 46, 63. Publius Syrus: F 20. Quaritsch, Helmut: F 45, F 72, F 131. Quevedo, Francisco de: F 71. Ramiro, Nicolas: 25. Ramoneda, Josep: F 9. Ranke, Leopold v.: 57. Ratgeb, Jörg: F 1. Redondo, Gonzalo: F 2, F 36. Rink, Anette: F 21. Ritter, Joachim: F 50. Rodriguez Casado, Vicente: F 88. Rodriguez, Jesüs P.: F 4. Rohan, Karl Anton Prinz: 112. Rohde, Erwin: F 24. Rohrmoser, Günter: F 50, F 72. Rosenstiel, Francis: F 84. Rouart Valery, Agathe: F 26. Roussel, Gueydan de: F 16. Ruiz Gimenez, Joaquin: F 31. Rusch, Paulus: 82. Salin, Edgar: F 131. Sampay, Enrique: 102. Sanchez Agesta, Luis: F 1. Sanchez Albornoz, Claudio: 97.
Sanchez Bella, Ismael: F 74, F 83. Sander, Hans Dietrich: 118. Sanmartf Boncompte, Francisco: 79. Santayana, George: 24. Santos Reis, Manuel: F 86. Savigny, Friedrich Carl v.: 7, F 14, F 66, 76, 104. Scheler, Max: 131. Schelz, Sepp: F 118. Schiera, Pierangelo: F 115. Schilling, Dora: F 5, F 23. Schmitt, Duschka: 16, F 81, F 131. Schmitt, Änima: 17, 19, 20, F 26, 37, 41, 42, 44, F 48, 49, 50, 55, 56, 57, 58, F 62, 63, 71, 77, 80, 82, 83, 98, 102, 112, 113, 115, 122, 125, 130, 132, 133, 136, 138, 139,140, 142, 143. Schmitz, Wilhelm: F 11, F 13, F 19, F 26. Schneider, Hans: 91, 92. Schneider, Peter: 45, 50, 51. Schnur, Roman: F 45. Schomerus, Hans: F 72. Schrade, Hubert: F 72. Schütte, Ehrenfried: F 21. Schwab, Georg: 117. Schwarz, Volker: F 67. Schwarze, Jürgen: F 67. Seifert, Jürgen: F 50. Sendagorta, Enrique: F 17. Seneca, Lucius Annaeus (dem Älteren): F 37. Seneca, Lucius Annaeus: F 20, 100. Shakespeare, William: F 2. Siedentopf, Heinrich: F 45. Siemer, Alexander: 14, 15. Sohms, Rudoph: F 13. Spaemann, Robert: F 50. Specht, Rainer: F 11, F 71, F 72. Spitzer, Leo: F 102. Stapel, Wilhelm: 13. Steiger, Richard: F 72. Stein, Lorenz v.: F 12.
352
Personenregister
Straub, Eberhard: 131, 132. Straub, Johannes: 131. Strauss, Leo: 134. Suärez, Adolfo: F 132. Suärez, Federico: 11, 12. Suärez, Francisco: F 25, F 57. Suerbaum, Werner: F 95, F 97, 101. Terentius, Publius: F 26. Tierno, Enrique: F 18, 26, F 37. Tiesler, Karl: F 13. Tilitzki, Christian: F 14. Tirenne, Luc: F 116. Tocqueville, Alexis de: 1. Tommissen, Piet: F 13, F 26, F 56, 129, 131. Torregrosa, Marta: F 33. Truyol y Serra, Antonio: 6, F 7, 14, F 18.
Valle, Adriano del: F 2. Valle-Inclän, Ramön M - del: 96. Vegas, Eugenio: F 26. Vierhaus, Rudolf: Br. 50 Vitoria, Francisco de: 3, 5, F 7, F 10, 11, 12, 13, 17, 21, F 2 4 . Volpi, Franco: F 19. Weber, Max: 83, 131. Welty, Eberhard: F 7, F 8, 11, 14, 15. Wickert, Lothar: 6, 7, 12. Wieacker, Franz: 15, 59, 78, 92, 93, 104. Wilhelmsen, Fritz: 97. Willamowitz-Möllendorff, Ulrich v.: 23, 24, 26. Winckelmann, Johannes: F 50. Winstanley, Lilian: F 26.
Tse-Tung, Mao: F 112.
Wolff, Hans-Julius: F 45, 57.
Ule, Carl Herman: F 45. Ullastres, Alberto: F 68. Uscatescu, Jorge: F 112. Usunariz, Jesus M - : F 1.
Zangara, Vincenzo: 40. Zeck, Mario: F 13. Zouche, Richard: 5. Zubiri, Xavier: 36.