Bewertung von Genußscheinen [1 ed.] 9783428472260, 9783428072262


119 98 15MB

German Pages 178 Year 1991

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Bewertung von Genußscheinen [1 ed.]
 9783428472260, 9783428072262

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

GEORG KANDERS

Bewertung von Genußscheinen

Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung A: Wirtschaftswissenschaft Herausgegeben von G. Ashauer, W. Ehrlicher, H.-J. Krümmet, F. Voigt

Band 145

Bewertung von Genußscheinen

Von

Dr. Georg Kanders

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kanders, Georg:

Bewertung von Genussscheinen I von Georg Kanders.- Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Untersuchungen über das Spar-, Giro und Kreditwesen: Abt. A, Wirtschaftswissenschaft; Bd. 145) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07226-X NE: Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen I A

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme: Hermann Hagedom GmbH & Co., Berlin 46 Druck: Alb. Sayffaerth- E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7336 ISBN 3-428-07226-X

Inhaltsverzeichnis 15

A. Einleitung ....................... ...............

15

Renaissance des Genußrechtskapitals aufgrund der KWG-Novel/e von 1985

18

3. Bedeutung des nichtbörsennotierten Genußkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Bewertungsprobleme bei Genußscheinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen . . . . . . . . . . . . . .

25

1. Entstehung der Genl{/3scheine 2.

4.

1.

Unterscheidungsmerkmal .Zufluß von Finanzmitteln"

25

2.

Unterscheidungsmerkmal • Wandel- und Optionsrechte"

26

3. Laufzeitvereinbarungen in den Genußrechtsbedingungen

28

4.

.....................

31

4.1.

Verlustteilnahme als Bestandteil von Genußscheinbedingungen . .

31

4.2.

Ausschüttungsausfall als eine Version der Verlustteilnahme

.....

34

4.3.

Herabschreibung des Rückzahlungsbetrags als zweite Version einer Verlustteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

4.4.

Anknüpfungstatbestände der Verlustteilnahme

37

4.4.1. Teilnahme an einem negativen Betriebsergebnis . . . . . . . . .

38

Verlustteilnahmebestimmungen bei Genußscheinen

4.4.2. Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

4.4.3. Teilnahme an einem Bilanzverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

4.4.4. Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung

41

4.4.5. Nachrangige Verlustteilnahme

41

4.5.

Verlustteilnahme und Verlustvortrag

41

4.6.

Unterschiedliche Verlustteilnahmeanknüpfungen für Teile des Genußkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

6

Inhaltsverzeichnis

4.7.

Vergleich verschiedener Verlustteilnahmevarianten

43

4.8.

Die Vermeidung des Ausweises eines Bilanzverlustes durch Rücklagenauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

4.9.

Ausmaß der Verlustteilnahme

44

4.10.

Besserungsabreden bei Verlustteilnahmen und Ausschüttungsausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

4.11.

Die Problematik unterschiedlicher Anknüpfungstatbestände für Verlustteilnahme und Ausschüttungsausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

4.12.

Ausschüttungsbasis und Verlustteilnahme

48

5. Ausschüttungsbestimmungen bei Genl{/3scheinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1.

48

Klassifizierung von Gerrußscheinen zur Kapitalbeschaffung

50

5.1.1. Gerrußscheine vom Typ A

51

5.1.2. Gerrußscheine vom Typ B

53

5.1.3. Gerrußscheine vom Typ C

53

5.1.4. Gerrußscheine vom Typ D

54

5.1.5. Gerrußscheine vomTypE

55

Vergleich verschiedener Ausschüttungsbestimmungen . . . . . . . . . .

56

C. Prämissen der Duplizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

1. Duplizierung als Bewertungsansatz für Genußscheine . ...... ; . . . . . . . . . . .

59

.....................................

60

3. Zustandspreise und A"ow-Debreu-Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

4. Die Arbitragefreiheitsbedingung

64

5. Anwendung von Arbitrageüberlegungen zur Bewertung sicherer Zahlungsströme und bei der Auswahl festverzinslicher Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

6.

70

5.2.

2. Das Gesetz des Einheitspreises

Anwendungsmöglichkeiten der Duplizierung bei unsicheren Zahlungsströmen

6.1.

Arbitrageüberlegungen in der Optionspreistheorie

70

6.2.

Die Herleitung zweier Formeln zur Optionspreisbestimmung unter der Annahme, daß die Basis-assets einem stetigen stochastischen Prozeß folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

7. Spezielle Annahmen bei der Duplizierung von Genußscheinen . . . . . . . . . . . .

76

Inhaltsverzeichnis

7

D. Duplizienmg von Genußscheinen am Beispiel des Commenbankgenußscheins

77

1.

Vorbemerkung

77

2.

Die Genußscheinbedingungen des Commerzbankgenußscheins . . . . . . . . . . . .

78

3. Dup/izierung der Mindestausschüttung

79

4.

Duplizierung der Bonusausschüttungen

81

4.1.

Herleitung des Aktienterminkurses

81

4.2.

Duplizierung der dividendenabhängigen Zusatzausschüttung

83

4.2.1. Erfassung des Dividendenstroms

83

............... .......

4.2.2. Berücksichtigung der Dividendenpartizipationsgrenze

83

4.2.3. Das Basisportefeuille zur Duplizierung des Commerzbank· genußscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

4.2.4. Elemente zur Erfassung von Dividendenzahlungen unter der Dividendenpartizipationsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

Die Wertobergrenze des Commerzbankgenußscheines . . . . . . . . . .

88

5. Duplizierung von verringerter Mindestausschüttung und Ausschüttungsausfall

89

4.3.

6.

Duplizierung der Verlustteilnahme

7. .Naive" Einbeziehung der vorrangigen WiederaujJiillung 8. Eine Möglichkeit zur gleichzeitigen Bestimmung der Werte von Verlustteilnahme

91 92

.........................................

92

8.1.

Bestimmung der Verlustteilnahme durch Austauschoptionen . . . .

93

8.2.

Die Bewertung von Austauschoptionen

94

8.3.

Verwendung Margrabe'scher Austauschoptionen für die Bewertung von Ansprüchen an Jahresergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

8.4.

Berücksichtigung unterschiedlicher Zahlungswirksamkeit der Verlustteilnahme bei Genußscheinen und Optionsbewertung . . . . . . .

99

8.4.1. Das Problem

99

und Ausschüttungsausfall

.......... ..... ......... .... .... .. ... ..

8.4.2. Der Zusammenhang zwischen Optionspreisen nach dem Mar· grabemodell und dem Erwartungswert der Optionsausübung bei unverzinslichen Basisvermögensgegenständen . . . . . . . . 100 8.4.3. Berücksichtigung der Differenzen in der Zahlungswirksamkeit und der Unverzinslichkeit der Basisvermögensgegenstände durch einen Abzinsungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

8

Inhaltsverzeichnis

9.

8.5.

Beschränkung der Verlustteilnahme auf den Rückzahlungsbetrag 103

8.6.

Verlustteilnahme anteilig zum Risikokapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

8.7.

Erfassung des Ausschüttungsausfalls über Austauschoptionen

8.8.

Ein Duplizierungsportefeuille mit Austauschoptionen zur Erfassung von Ausschüttungsausfall und Verlustteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . 115

8.9.

Erfassung der vorrangigen Wiederauffüllung mittels Austauschoptio117 nen

111

8.9.1. Beschreibung des benötigten Optionengeflechts

117

8.9.2. Bewertung ohne Einbezug der Nachbesserungsoption

123

8.9.3. Einbeziehung der Nachbesserungsoption

127

Das Gesamtmodell zur Bewertung eines Genußscheins Typ Commerzbank . . 131

10. Ein Vergleich der Ergebnisse der Bewertungsgleichung mit der Bewertung an der

Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

E. Dupliziemng weiterer Genußscheinelemente

136

1. Dup/izierung von Genußscheinen des Typs A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

1.1.

Duplizierung eines Genußscheins vom Typ A ohne kumulative Nachzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

1.2.

Behandlung kumulativer Nachzahlungen

138

1.2.1. Darstellung des benötigten Optionengeflechts . . . . . . . . . . . 138 1.2.2. Bewertung der kumulativen Nachzahlung 2.

143

Duplizierung von Genußscheinen des Typs C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2.1.

Kurzbeschreibung der Drägergenußscheine

148

2.2.

Duplizierung der Drägergenußscheine

149

2.3.

Duplizierung von Genußscheinen des Typs C ohne Mindestausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

3. Duplizierung quotaler Ansprüche an Jahresergebnissen

152

4. Die Duplizierung .rendite~-abhängiger Ausschüttungen, gleichzeitig Grundlage

der Bewertung von Genußscheinen der Typen D und E . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

F. Zusammenfassung

159

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Börsennotierte Genußscheine mit Umtausch- oder Optionsrechten . . . .

28

Tab. 2: Laufzeitvereinbarungen der börsennotierten Genußscheine

30

Tab. 3: Verlustteilnahmevarianten bei börsennotierten Genußscheinen

37

Tab. 4: Börsennotierte Genußscheine des Typs A

..... .. ................ ..

52

Tab. 5: Börsennotierte Genußscheine des Typs B

.... ... ... .. .... ...... ...

52

Tab. 6: Börsennotierte Genußscheine des Typs C Tab. 7: Börsennotierte Genußscheine des Typs D

•••

••

••

••



••

••••••

0



••

0.

0

•••••

0

••



••

••••





0



••

0

0

••

54 55

Abbildungsverzeichnis Abb. 1

Verteilung der Emittenten nach Unternehmensrechtsformen (Marktwert des Genußkapitals) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Abb. 2

Verteilung des börsennotierten Genußrechtskapitals (Marktwert) nach Branchen der Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Abb. 3

Verteilung des börsennotierten Genußrechtskapitels (Marktwert) auf die Bankengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

Abb. 4

Verteilung des Marktwertes des börsennotierten Genußrechtskapitals nach den Anknüpfungstatbeständen der Verlustteilnahme . . . . . . . . .

36

Abb. 5

Verteilung des börsennotierten Genußkapitals (Marktwert) auf die Typenklassen der Genußscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Abb. 6

Ausschüttungsverläufe bei verschiedenen Abhängigkeit von der Gesamtkapitalrendite

58

Abb. 7

Ausschüttungsverlaufbeim Commerzbankgenußschein in Abhängigkeit von der Aktiendividende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Abb. 8

Kombination von Verkaufsoptionen zur Duplizierung der begrenzten Verlustteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Abb. 9

Kombination von Verkaufsoptionen zur Duplizierung des Ausschüttungsausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Abb. 10:

Duplizierung der Wiederauffüllung durch einen Vertical Bull Call Spread ........... . .. ............... . ....................... 119

Abb. 11:

Vertical Bull Call Spread der Nachzahlung

Genußscheintypen

in

79

139

Abkürzungsverzeichnis AAF a.a.O. ABB Abb. ABF Abs. a. F. AG AG Alldephi AktG Apo-Bank Aufl. Bayr. Hypo Bank BB BBC Bd. bed. Berl. Bank Berl. Cornrnerzbank BFuP BJE BMW BP BRB

BV

BZ BZE BZK

bzw.

ca. DAB Depfa ders. DGZ DG-Bank d.h. DM Diss.

DIV

Ausschüttungsausfall arn angegebenen Ort Asea Brown Boveri AG Abbildung Abzinsungsfaktor Absatz alte Fassung Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgerneine Deutsche Philips Industrie GmbH Aktiengesetz Deutsche Apotheker- und Ärztebank e.G. Auflage Bayerische Hypotheken- & Wechselbank AG Die Bank (Zeitschrift) Betriebs-Berater Brown Boveri & Co (Unternehmen) Band bedingt Berliner Bank AG Berliner Cornrnerzbank AG Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bell Journal of Econornics and Management Science Bayerische Motorenwerke AG Basispreis Bayerische RaifTeisen Beteiligungs-AG Bilanzverlust Börsenzeitung Bezugsergebnis Bezugskapital beziehungsweise circa Dividendenabzugsbetrag Deutsche Pfandbriefanstalt derselbe Deutsche Girozentrale Deutsche Genossenschaftsbank das heißt Deutsche Mark Dissertation Dividende

12 DPF DPG einschl. e.G. EKR EKR v. St. Ern. eng!. EPF EStG f. FAZ ff. FN FS GA GE GS ges. RL GmbH GuV Hamb. LB HB hfl HGB Hrsg. 1.a.

i.d.F. insb. i.V.m. JET JF JFE JoB JoBF JoF JPE JÜ KF KGaA KHS KMB KMZ KSK KStG Kü-recht KWG LB

Abkürzungsverzeichnis Dividendenpartizipationsfaktor Dividendenpartizipationsgrenze einschließlich eingetragene Genossenschaft Eigenkapitalrendite Eigenkapitalrendite vor Ertragssteuern Emission englisch Ergebnispartizipationsfaktor Einkommensteuergesetz folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Fußnote Festschrift Genußausschüttung Geldeinheiten Genußschein Zuführung zur gesetzlichen Rücklage Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gewinn- und Verlustrechnung Harnburgische Landesbank Handelsblatt niederländische Gulden Handelsgesetzbuch Herausgeber im allgemeinen in der Fassung insbesondere in Verbindung mit Journal of Economic Theory Jahresfehlbetrag Journal of Financial Economics Journal of Business Journal of Banking and Finance Journal of Finance Journal of Political Economy Jahresüberschuß Kündigungsfrist Kommanditgesellschaft auf Aktien Kapitalherabsetzung kumulative Nachzahlungsbegrenzung kumulative Nachzahlung Kreissparkasse Körperschaftssteuergesetz Kündigungsrecht Kreditwesengesetz Loseblattsammlung

Abkürzungsverzeichnis LfK LR MA MAX m.E. Mio. Mrd. neg. Nr.

N.V. ÖBA oe. r. o.J. o.O. o.V. r

RES RESt RIW RN RZ

s.

SGZ sog. StBp SüdwestLB t

Teillief. Tz u.a. u.U. VAG VermBG Vers. versch. verz. vgl. VHV Vol. VTB VTN WA WB WestLB WGZ WISU WM WP

Der langfristige Kredit Landwirtschaftliche Rentenbank Mindestausschüttung Maximum meines Erachtens Millionen Milliarden negativ Nummer Naamloze Vennootschap (AG niederländichen Rechts) Österreichisches Bankarchiv öffentlich-rechtlich ohne Jahresangabe ohne Ortsangabe ohne Verfasser risikoloser Zinssatz Review of Economic Sturlies Review of Economics and Statistics Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Rückzahlungsbetrag Seite Südwestdeutsche Genossenschaftszentralbank sogenannte Die Steuerliche Betriebsprüfung Südwestdeutsche Landesbank Bewertungszeitpunkte Teillieferung Textziffer und andere unter Umständen Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Versicherung verschiedene verzinslich vergleiche Vereinigte Haftpflicht Versicherung Volume Verlustteilnahmebegrenzung Verlustteilnahme Wiederauffüllung Wiederauffüllungsbegrenzung Westdeutsche Landesbank Westdeutsche Genossenschaftszentralbank e.G. Wirtschaftsstudium Wertpapiermitteilungen Wertpapier

13

14 z.B. ZfbF ZfgK ZtbF ZHR Ziff. ZIP ZP

Abkürzungsverzeichnis zum Beispiel Zeitschrift für Zeitschrift für Zeitschrift für Zeitschrift für Ziffer Zeitschrift für Zustandspreis

betriebswirtschaftliche Forschung das gesamte Kreditwesen handelswissenschaftliche Forschung Handelsrecht Wirtschaftsrecht

A. Einleitung l. Entstehung der Genußscheine

Genußscheine sind Wertpapiere, die Genußrechte verbriefen. In Deutschland und Österreich wurden die ersten Genußscheine 1 in Verbindung mit dem Heimfallrecht bei der Vergabe von Eisenbahnkonzessionen geschaffen. 2 Demnach fielen nach einer gewissen Zeitspanne die zum Betrieb des Eisenbahnverkehrs notwendigen Bahnanlagen entschädigungslos dem Konzessionär, meist einer Kommune, zu. Da damit bei Beendigung der Konzessionsdauer ein Großteil des Gesellschaftsvermögens verloren ging, waren die Unternehmen bestrebt, schon während der Laufzeit der Konzession den Ausgabebetrag der Aktien zurückzuzahlen. "Dabei wurde den durch die Auslosung ihrer Aktien Betroffenen die weitere Teilnahme an den Erträgen der Gesellschaft in der Weise gesichert, daß ihnen neben dem Betrag der zu pari ausgelosten Aktien ... " 3 pro Aktie ein Schein ausgehändigt wurde, " ... den sie Genußschein nannten, da er seinem Inhaber nur Genuß, nie Verlust, wenigsten keinen direkten, brachte." 415 Diese "Heimfall"-Genußscheine waren mit allen Mitgliedschaftsrechten ausgestattet und wären richtigerweise als "Genußaktien" zu bezeichnen gewesen 6 , denn sie gewährten ihren Inhabern bis auf den Anspruch auf Ablösung des Ausgabebetrags die gleichen Rechte wie den Aktionären. 1 Als erster Genußschein wird der Gründergenußschein (part de fondateur) des Suezkanals angesehen, von dem in Frankreich im Dezember 1858 100 Stück herausgegeben wurden. Vgl. dazu: Ernst, T.: Der Genußschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, Diss. Zürich 1963, S. 32. 2 Vgl. dazu Klemperer, V.: Die rechtliche Natur der Genußscheine, Diss. Halle 1898; Fuhrmann, D.: Genussaktien (actions de jouissance) und Genussscheine (bons de jouissance), Diss. Zürich 1907; Festge, C. A.: Die rechtliche Natur des Genußscheins im Aktienrecht, Diss. Leipzig 1909. 3. Schudt, H.: Der Genußschein als genossenschaftliches Finanzierungsinstrument, Göttingen 1974, S. 6. 4 Festge, C. A.: a.a.O., S. 19. 5 Wenn man an die Verluste der Zeichner des Klöckner-Genußscheins denkt, der am 15.10.1986 zu 135 DM emittiert wurde, und dessen Inhaber am 8.8.1989 durch die von der Deutschen Bank übernommene Gesellschaft eine Ausgleichszahlung in Höhe von 112 DM erhielten (entschädigt wurden?), bleibt zu konstatieren, daß die heutigen, allerdings auch der Kapitalbeschaffung dienenden Genußscheine diesen Namen nicht verdienen, denn dieser Schein brachte zumindest den Zeichnern Verlust. Vgl.: o. V.: Klöckner-Genußschein kostet 135 DM, BZ vom 14.10.1986, S. 3; o. V.: Klöckner bietet 112 DM für Genußscheine, BZ vom 8.7.1989, S. 1 u. S. 4; Vgl. auch FN A 18. 6 Vgl. dazu: Ernst, T.: (1963), a .a.O., S. 35 mit weiteren Nachweisen.

16

A. Einleitung

Heute allerdings wäre eine Ausgabe solcher "Genußaktien" nicht mehr zulässig, denn es ist mittlerweile unumstritten, daß Genußrechte Gläubigerrechte sind und keinerlei Mitgliedschaftsrechte, wie beispielsweise das Stimmrecht, beinhalten können. 7 Dies zeigt sich auch daran, daß Genußscheine, die in den 20er Jahren als Fremdfinanzierungsinstrument in Inflationszeiten noch eine gewisse Blüte erlebten, nach der Reform des Aktiengesetzes, dessen wesentliche Änderung im Hinblick auf den Genußschein die Einführung des Konkurrenzproduktes "stimmrechtslose Vorzugsaktie" war, erheblich an Bedeutung verloren. 8 "Die Bedeutung eines sogenannten Genußscheins hängt vom Inhalt der Rechte ab, die beurkundet sind. Dieser Inhalt ist nach Anlaß und Zweck der Ausgabe zu vermitteln. " 9 Genußrechte sind Rechte, die in ihrer Art den typischen aktienrechtlichen Vermögensrechten entsprechen. 10 Genußrechte können damit beinhalten: 1) 2) 3) 4)

einen Anteil am Reingewinn einen Anteil am Liquidationserlös Bezugsrechte 11 Umtausch-, Auslosungs- und Benutzungsrechte

Aufgrund der steuerlichen Regelung des § 8 (3) Satz 2 KStG, nach der "Ausschüttungen jeder Art auf Genußrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist", das Einkommen nicht mindern, wurde im Umkehrschluß gefolgert, daß Ausschüttungen auf Genußrechte, mit denen nur das Recht auf eine Gewinnbeteiligung und nicht auch eine Beteiligung am Liquidationserlös verbunden ist, Zinscharakter haben und damit als Betriebsausgaben vom dem der Körperschaftsteuer unterliegendem Einkommen abziehbar sind. 12 Diese 7 Lutter, M.: in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 221 RN 67, mit weiteren Nachweisen; Vgl. zur Rechtsnatur des Genußscheins: Emde, A.: Der Genußschein als Finanzierungsinstrument, Diss. Bochum 1987, S. 6-13; Ernst, T.: (1963), a.a.O., S. 98122. 8 Vgl. dazu: Bauer, A.: Partizipationsscheine im Schweizer Aktienrecht-Im Vergleich zum deutschen Aktienrecht, Diss. Zürich 1976, S. 319fT.; Fischer, T. F.: Der Genußschein als kapitalmarktpolitisches Instrument der Unternehmensfinanzierung, Idstein 1989, S. 15-17. 9 Theisinger, K.: Effekten als Kapitalbeschaffungsmittel der Unternehmung, Stuttgart 1928, s. 170. 10 Ernst, T.: Der Genußschein als KapitalbeschaiTungsmittel, AG 1967, S. 77. 11 Auf die Behandlung von Bezugs-, Auslosungs-, und Benutzungsrechten soll im folgenden verzichtet werden, da die beiden letzteren überhaupt nicht und Bezugsrechte nur selten in die Genußscheinbedingungen der börsennotierten Genußscheine Eingang fanden. Die Bezugrechte können allenfalls bei Genußscheinen mit dividendenabhängiger Ausschüttung als Instrument des Verwässerungsschutz Verwendung finden und werden bei der Genußscheinbewertung im Zuge der Bewertung eines dividendenabhängigen Zahlungsstroms erfaßt.

17

1. Entstehung der Gerrußscheine

Verteilung der Emittentenrechtsformen

1985

rzzl

AG

1986

cs:::sJ

oeffent

I .

1987

recht I

1988 ~

1989

sonstige

Abb. 1: Verteilung der Emittenten nach Unternehmensrechtsformen (Marktwert des Genußkapitals)

steuerliche Regelung führte dazu, daß die heute umlaufenden Genußscheine nur mit einer Beteiligung am Gewinn versehen sind und eine Beteiligung an einem Liquidationsüberschuß ausgeschlossen wird. 12 Vgl. dazu: Emde, A.: Die handels-und steuerbilanzielle Behandlung einer Emission von Genußrechten, BB 1988, S. 1215 f.; Grieger, R.: Gedanken zur ertragssteuerliehen Behandlung der Zinsen für Teilschuldverschreibungen mit Substanzcharakter, WM 1958, S. 917; Herrmann, C.; Heuer, G.; Raupach, A. (Hrsg.): Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Auflage, Köln (Loseblatt, Stand Dez. 1989), § 8 KStG 1977, S. 12; Hoffmann, W. D.: Die inländische Steuerbelastung der Genußrechtsfinanzierung, insbesondere für ausländische Kapitalgeber, RIW 1985, S. 391; Knobbe-Keuk, B.: Gewinnausschüttungen aufGenußrechte, BB 1987, S. 341 f.; Knoppe, H.: Der Genußschein, seine wirtschaftliche und steuerliche Bedeutung, BB 1966, S. 282 f.; Sarrazin, V.: Genußscheine und Gesellschafterdarlehen - steuerlich günstige Finanzierungen, in: Curtius-Hartung, R.; Herzig, N.; Niemann, U.: Steuerberater-Jahrbuch 1985/86, Köln 1986, S.146-148; Sontheimer, J.: Die steuerliche Behandlung von Genußrechten, BB 1984 Beilage 19; S. 3- 6; Weiter, R .: Rechtsfragen der steuerlichen Behandlung von Genußrechten, in: Bundschuh, K. D.; Hadding, W.; Schneider, U. H. (Hrsg.): Recht und Praxis der Genußscheine, Frankfurt 1987, insb. S. 61- 65; Zupancic, G. M.: Risikokapitalbeschaffung durch Genußscheine bei großen mittelständischen Unternehmungen, Köln 1989, S.186-195.

2 Kanders

18

A. Einleitung

Als Genußscheine werden Urkunden bezeichnet, die entweder ausschließlich Genußrechte oder diese in Kombination mit einer Forderung auf einen festen Geldbetrag wertpapierrechtlich verbriefen. 13 In keinem Gesetz findet sich eine Regelung der Genußrechte, die auch nur ansatzweise zu einer rechtlichen Definition dieser Titel beiträgt. Dennoch werden Genußrechte in verschiedenen Gesetzen ausdrücklich erwähnt. Insbesondere das Aktiengesetz verlangt bei der Ausgabe von Genußrechten (§ 221 (3) AktG) ein Bezugsrecht der Aktionäre und als Vorraussetzung für die Emission eine 3 I 4-Mehrheit in der Hauptversammlung. Die Ausgabe von GenuGscheinen ist aber nicht an die Rechtsform der AG gebunden, vielmehr ist die Ausgabe für alle Rechtsformen von Unternehmen möglich, 14 obwohl in der Praxis Aktiengesellschaften sowohl vom emittierten Volumen als auch vor allem von der Anzahl her bei den börsennotierten Genußscheinen überwiegen. Die insgesamt 28 Emittenten, deren Genußscheine Ende 1989 an der Börse notiert waren, verteilten sich wie folgt auf die einzelnen Rechtsformen: Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Institutionen ölTentliehen Rechts . . . . . . . 6 Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 GmbH ..................... .. ..... . KGaA ....... . ......... . .......... . . GmbH & Co. KG ................... .

2. Renaissance des Genußrechtskapitals aufgrund der KWG-NoveUe von 1985 Vor allem ihre Rechtsformunabhängigkeit 15 war Anlaß zur Aufnahme der Genußscheine in den Eigenmittelkatalog des § 10 KWG, sofern diese mit bestimmten Eigenschaften wie Verlustteilnahme, Nachrangigkeit und einer 13 Wedel, H.: Der Partizipationsschein als Kapitalbeschaffungsmittel der Aktiengesellschaften, Berlin 1969, S. 33; Vgl. zur Rechtsnatur des Genußscheins: Emde, A.: (1987), a. a. 0., S. 6-13, Ernst, T.: (1963), a.a. 0., S. 98-122. 14 Allerdings sind für den Anleger in der Regel Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Ausschüttungssperrvorschriften und eindeutigeren Bilanzierungsvorschriften vorzuziehen. Als einziger Genußschein einer Personengesellschaft ist der Genußschein der PfleidererGmbH & Co. KG börsennotiert Vgl. dazu: o. V.: Pfleiderer-Genüsse ab 29. Mai notiert, BZ vom 27.5.1989, S. 13. 15 Ob eine Ausgabe von Genußrechten für Genossenschaften zulässig ist, war zunächst umstritten. Einige Probleme existierten und existieren noch für die Sparkassen in einigen Bundesländern, da die Ausgabe von Genußrechtskapital noch nicht in den Sparkassengesetzen geregelt ist. Vgl. zur Diskussion bei den Genossenschaften: Schudt, H.: a. a. 0.: S. 52ff.; Reinhardt, R.: Was hat die Novelle zur Lösung des Problems der Finanzierung der Genossenschaften beigetragen, in: Hefermehl, W.; Gmür, R.; Brox, H. (Hrsg.): Festschrift für Harry Westermann zum 65. Geburtstag, Karlsruhe 1974, S. 473-484; Hadding, W.: Zur gesellschaftsrechtlichen Vereinbarkeit von stillen Vermögenseinlagen und Genußrechten mit dem Förderungszweck eingetragener Kreditgenossenschaften, ZIP

19

2. Renaissance des Genußrechtskapitals

Branchen der Emittenten

1985

[ZZ)

1986 Banken

1987

ISS]

Vers

19 88 ~

1989

Sonstige

Abb. 2: Verteilung des börsennotierten Genußrechtskapitals (Marktwert) nach Branchen der Emittenten

Mindestlaufzeit von 5 Jahren ausgestattet sind. 16 Die bankenaufsichtsrechtliche Anerkennung als Eigenkapital führte im Verhältnis zu der geringen Anzahl bereits begebener Genußscheine zu einer wahren Emissionsflut. Waren 1984 nur 4 Genußscheine von Industrieunternehmen 17 im Gesamtmarktwert von etwas über 400 Mio. DM börsennotiert, so stieg die Zahl der Emittenten börsennotierter Genußscheine bis Ende 1987 auf 23. Der Marktwert aller börsennotierten Genußscheine hatte sich auf über 4 Mrd. DM verzehnfacht Unter den 1984, S. 1295 -1302; Vgl. zu den Sparkassen: Fischer, R.: Die Gewährung von Genußrechten durch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, in: Bundschuh, K. D.; Hadding, W.; Schneider, U. H. (Hrsg.): a.a.O., S. 83f.; ders.: Der Genußschein: Anmerkungen aus Sparkassensicht, LfK 1988, S. 604-609, insbes. S. 605f. 16 Vgl. zur Aufnahme des Genußrechtskapital in den Katalog der Eigenkapitalia des § 10 KWG: Hammen, H.: Zur bankaufsichtsrechtlichen Beurteilung von Genußrechtskapital nach dem novellierten Kreditwesengesetz, in: Bundschuh, K. D.; Hadding, W.; Schneider, U. H. (Hrsg.): a. a. 0., S. 70/71; Henke, 1.: Die Novelle zum Gesetz über das Kreditwesen, WM 1985, S. 41 ; Schick, W.: Das Genußrechtskapital bei Kreditinstituten, BB 1985, S. 2137. 17 Alldephi GmbH, BBC AG, Drägerwerk AG und Triumph International AG. 2•

20

A. Einleitung

Verteilung nach Bankensektoren

1985

(Z:Z)

Kred i tbank:en

1986

1987

cs:::sJ

Spar-Kassen

1988

1989 ~

Genossen

Abb. 3: Verteilung des börsennotierten Genußrechtskapitals (Marktwert) auf die Bankengruppen

Emittenten befanden sich 12 Kreditinstitute und der Marktwert der von Kreditinstituten emittierten Genußscheine machte mit über 2,3 Mrd. DM mehr als die Hälfte des Gesamtmarktes aus. Aufgrund mißglückter Ölpreisspekulation und damit verbundener fraudulöser Vorgänge beim Duisburger Handelshaus Klöckner & Co KGaA verschwand deren Genußschein 1988 vom Kurszettel. 18 Da aber 1988 ein weiteres Kreditinstitut Genußscheine emittierte, blieb die Gesamtzahl der Emittenten unverändert. Die Relation von Kreditinstituten zu Nichtbanken unter den Emittenten erhöhte sich damit aber von 12 zu 11 auf 13 zu 10. Der Gesamtmarktwert stieg 1988 nur unwesentlich um etwa 180 Mio. DM auf 4,547 Mrd. DM an, während zum Jahresende 1989 - vor allem durch zwei Großemissionen 19 - 5,668 Mrd. DM erreicht wurden. 18 Vgl. dazu: o. V.: Deutsche Bank muß Klöckner stützen, BZ vom 13.10.1988, S. 3; o. V.: Klöckner-Genüsse sind nur noch Hoffnungswerte, BZ vom 29.10.1988, S. 3; o. V.: Deutsche Bank erklärt Klöckner-Genußscheine für wertlos, FAZ vom 1.11.1988, S. 15; o. V.: Kein Handel in Klöckner-Genüssen, BZ vom 3.11.1988, S. 4. 19 Die Erhöhung des Genußkapitals der Bertelsmann AG und die Begebung der Optionsgenußscheine der Bayer. Hypotheken & Wechselbank.

3. Bedeutung des nichtsbörsennotierten Genußkapitals

21

Im Jahre 1989 waren bereits mehrere Genußscheintranchen einzelner Emittenten zur Börsennotierung zugelassen. 20 Die Anerkennung der Genußscheine auch als Eigenkapital für Versicherungen führte zur Notierung der Genußscheine der Allianz im Jahre 1986 und der Gerling Versicherung 1987. 21 Die Genußscheine dieser beiden Versicherungen hatten Ende 1989 einen Anteil am Marktwert aller Genußscheine in Höhe von 10,65%.22 Der Anteil der Bankengenußscheine betrug 60,95%, während nur noch 28,40% aufGenußscheine von Unternehmen aus Industrie und Handel entfielen. 23 Auffällig ist, daß bei den Banken die meisten Genußscheine von der Gruppe der Kreditbanken emittiert wurden, obwohl gerade Instituten dieser Gruppe der Weg der Aktienemission zur Eigenkapitalbeschaffung offensteht. Der Genossenschaftssektor ist gemessen an seiner Marktstellung im Kreditgewerbe überrepräsentiert, während Institute des Sparkassensektors Ende 1989 nur einen Anteil am Marktwert des börsennotierten Genußkapitals der Banken von 7,76% erreichten.

3. Bedeutung des nichtbörsennotierten Genußkapitals Es wurde in nennenswertem Umfang Genußkapital emittiert, das nicht an einer Börse in den Handel eingeführt wurde. Für einige Emittentengruppen hat auch dieses Genußkapital eine große Bedeutung erlangt. Einen großen Anteil am identifizierbaren 24 nichtbörsennotierten Genußkapital haben die Landes20 DG-Bank, Eurokai KGaA, Alldephi GmbH, WGZ e.G., Harnburgische Landesbank, die Kreissparkasse Pinneberg und die Berliner Bank AG, die Ende 1989 bereits eine dritte Genußscheinemission vornahm. 21 Darüberhinaus wurden Genußscheine von der Agrippina Versicherung AG, Köln, der Provinzial Rheinprovinz, Düsseldorf und der Vereinigten Haftpflicht Versicherung, Hannover begeben. Vgl. o. V.: Agrippina begibt Genußscheine, HB vom 13.1 .1988, S. 16; o. V.: Sparkassen und Mitarbeiter können sich in Kürze über Genußscheine beteiligen, HB vom 2.7.1987, S. 14; Vgl. zu den Anforderungen des VAG: Schmidt, R.; Frey, P.: Prölls Versicherungsaufsichtsgesetz, 10. Auflage, München 1989, §53 c RN 28-48. 22 Bezogen auf den Nennwert ist der Anteil erheblich geringer, da die Genußscheine der Allianz, deren Nennwert 10 DM beträgt, am Jahresende 1989 mit 147,50 DM oder zu 1475% notiert wurden. 23 Die Genußscheinemissionen der Bertelsmann AG machten mit 15,81% des Anteils am Marktwert der börsennotierten Genußscheine damit mehr als die Hälfte dieser Kategorie aus. Einen Anteil von 9,01% am Gesamtmarktwert haben die beiden Emissionen der Alldephi GmbH, so daß sich der Marktwert aller übrigen Genußscheine von Industrie- und Handelsunternehmen auf nur 3,58% belief. 24 Eine exakte Erfassung des gesamten Genußrechtskapitals ist so schwierig, weil Genußrechtskapital nicht gesondert erhoben wird. In den Statistiken des statistischen Bundesamtes wird das Genußkapital mit den Einlagen persönlich haftender Gesellschafter zusammengefaßt. Vgl. dazu: Statistisches Bundesamt, Fachserie 2: Unternehmen und Arbeitsstätten, Reihe 2.1, versch. Jahrgänge, Abschlüsse der Aktiengesellschaften, Nr. 1, Bilanzen nach Wirtschaftsgruppen.

22

A. Einleitung

banken und Girozentralen. 25 Ihnen blieb häufig kein anderer Weg zur Kapitalbeschaffung, da den an diesen Instituten beteiligten Bundesländern Finanzmittel zur Kapitalaufstockung fehlten. 26 Andererseits sind an den Landesbanken auch die Sparkassen der entsprechenden Bundesländer beteiligt. So wurde das Genußrechtskapital häufig allein von den beteiligten Sparkassen übernommen. Bislang ließen nur die Harnburgische Landesbank, die SüdwestLB und zuletzt die WestLB 27 , ihre Genußscheine an der Börse notieren. 28 Ende 1988 hatten die Landesbanken und das Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation DGZ Genußrechtskapital im Nennwert von .1,454 Mrd. DM begeben. 29 Davon waren zu diesem Zeitpunkt nur 370 Mio. DM börsennotiert. Erst die Börsennotierung der Genußscheine der WestLB im Nennwert von 500 Mio. DM verringerte deutlich die Nennwertrelation von nichtnotierten zu notierten Landesbankengenußscheinen. Eine weitere große Gruppe nicht börslich gehandelten Genußkapitals bilden die Mitarbeiterbeteiligungen 30 verschiedener Industrieunternehmen. Aufschwung erhielt das Finanzierungsinstrument Genußschein durch das "Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligung" vom 22.12.1983, durch das Genußrechte als förderungswürdige Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand in den Anlagenkatalog des 4. VermBG und des§ 19a EStG aufgenommen wurdenY Unter den Emittenten, die aus dem Motiv der Mitarbeiterbeteiligung heraus Genußrechte begeben haben, sind vor 25 Vgl. dazu die Bilanzen der Landesbanken/Girozentralen des Geschäftsjahres 1988, zusammengefaßt in: ZfgK 1989, S. 1062-1077. 26 Raab, R .; Heinlein, B.: Genußrechtskapital: Genuß ohne Reue auch für Hypothekenbanken, LfK 1986, S. 738. 27 Im November 1989 emittierte die WestLB Genußrechtskapital im Nennbetrag von 500 Mio. DM, das im Januar 1990 in den Handel des geregelten Marktes der Düsseldorfer Börse aufgenommen wurde. Vgl. dazu: o. V.: Genußscheine der WestLB, in FAZ vom 28.11.1989, s. 25. 28 Der Harnburgischen Landesbank sind nur eine geringe Anzahl von Sparkassen angeschlossen. Die Genußrechte der SüdwestLB, die von einem der beiden Vorläuferinstitute, der Landesbank Stuttgart, emittiert wurden, sind zwar notiert, es kommtjedoch nur äußerst selten zu Umsätzen, was die Vermutung nahelegt, daß das Genußkapital wohl überwiegend von den württembergischen Sparkassen gehalten wird. 29 Nur die WestLB und die Hessische Landesbank hatten zu diesem Zeitpunkt noch kein Genußrechtskapital emittiert. 30 Vgl. dazu: Clesius, U .: Der Genuss-schein als Instrument zur Mitarbeiterbeteiligung bei Aktiengesellschaften, Spardorf 1985; Drechsler, W.: Genuß-scheine - Ein neues Instrument für Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern, ZfgK 1981, S. 347-352; Pougin, E.: Genußrechte, Stuttgart 1987, S. 39f.; Silberberger, A.: Der Partizipationsschein als Möglichkeit einer Mitarbeiterbeteiligung, Diss. Tübingen 1983. 31 Lutter, M.: Die zieladäquate Umsetzung des 4. Vermögensbildungs-Gesetzes in der unternehmensrechtlichen Praxis, ZfbF, Sonderheft 19 1985, S. 85-110; Pougin, E.: a.a.O., S. 39; Schwarze, G.; Heuermann, F.: Genußrechte und Vermögensbildung, StBp 5/1985, S.106-109.

4. Bewertungsprobleme bei Genußscheinen

23

allem BMW, Varta, Altana, Stihl und Gruner & Jahr zu nennen. Auch das nunmehr börsennotierte Genußkapital der Bertelsmann AG war ursprünglich eine Mitarbeiterbeteiligung. Zwar wurde das Genußkapital noch laufend zu Mitarbeiterbeteiligungszwecken erhöht, aber im Frühjahr 1989 dominierte wohl erstmalig der pure Kapitalbeschaffungsgedanke. 32 Faßt man das nichtbörsennotierte Genußkapital, soweit dem Verfasser hierüber Informationen zugänglich waren, zusammen, so ergab sich im Oktober 1989 ein Nennbetrag von etwa 2,8 Mrd. DM. Dies entspricht mehr als der Hälfte des börsennotierten Genußrechtskapitals, denn an der Börse war zu diesem Zeitpunkt Genußrechtskapital im Nennbetrag von 4,5 Mrd. DM zum Handel zugelassen. 4. Bewertungsprobleme bei Genußscheinen

Gerade die Anerkennung von Gerlußscheinkapital als Eigenkapital für Kreditinstitute, die die Möglichkeit einer Verlustteilnahme und auch eines Ausschüttungsausfalls als Eigenschaft vorraussetzt, führte zu einer Vielzahl von Verlustteilnahmevarianten, die allein schon eine Bewertung der Genußscheine erschweren. Daneben finden sich zusätzlich zahlreiche Varianten von Besserungsabreden, wie eine Wiederauffüllung nach vorrangegangeneo Verlustteilnahmen und kumulative Nachzahlungen ausgefallener Ausschüttungen. Auch die Ausschüttungsbestimmungen wurden durch unterschiedliche Formen der Ergebnispartizipation phantasievoll gestaltet. Daneben existieren Kündigungsrechte, unterschiedlich lange Laufzeiten sowie Wandelrechte in Aktien des Emittenten. 33 Gerade die Kombination unterschiedlichster Bedingungen macht eine Beurteilung und Bewertung von Genußscheinen so schwierig und dadurch solche Papiere auch für den Anleger weniger attraktiv. Umgekehrtjedoch macht für den Emittenten gerade die Vielfalt der Ausstattungsmöglichkeiten den Reiz dieser Finanztitel aus, können sie doch nach dessen Interessen "maßgeschneidert" werden. Schon Theisinger war der Ansicht, daß der "erwerbslustige Kapitalist" nicht die Zeit finde und ihm auch oft die Kenntnisse fehlten, um Genußscheine auf ihre "Eigenschaft und Güte hin zu untersuchen". 34 Genußscheine sind i. d. R. ohne Bezug auf die klassischen Finanzierungsinstrumente Aktie und vor allem Anleihe nicht zu beschreiben, da sie wesentliche Elemente dieser Finanztitel enthalten. Unter Bezug auf die Einführung Sharpes zur Aktienanalyse, in der er meint: "Common stocks are easier to describe than fixed income securities but they are harder to analyze" 35 , soll der Analyse von 32 Vgl.: Sturbeck, W.: Bertelsmann testet seinen Finanzierungsfavoriten, in: BZ vom 8.4.1989, S. 3; o. V.: Bertelsmann-Bezüge zuletzt wertlos, BZ vom 22.4.1989, S. 3. 33 Die Genußscheine der Alldephi GmbH sehen eine Rückzahlung in Aktien der niederländischen Muttergesellschaft Philips NV zu einem bestimmten Höchstpreis vor. 34 Theisinger, K.: a.a.O., S. 180. 35 Sharpe, W. F .: Investments, Englewood Cliffs 1978, S. 263.

24

A. Einleitung

Genußscheinen vorangestellt werden: Profit sharing certificates are harder to describe and harder to analyze than both common stocks and fixed income securities, denn die konkrete Ausgestaltung der Genußscheinbedingungen bedarf ebenso wie die Ertragslage des Emittenten einer genauen Analyse. Im folgenden wird versucht, eine Bewertung einzelner gebräuchlicher Klauseln aus den Genußscheinbedingungen vorzunehmen. Da Genußscheine fast alle möglichen Ausstattungsmerkmale von Finanzierungsinstrumenten enthalten können, sollen zunächst im folgenden Kapitel B einzelne Ausstattungsmerkmale, insbesondere die Ausschüttungs- und Verlustteilnahmebestimmungen, allgemein untersucht werden. Nach einer für die Zwecke dieser Untersuchung gestrafften Darstellung des Bewertungsprinzips der Duplizierung (Kapitel C) wird dann im Kapitel D an einem konkreten Beispiel versucht, den Zahlungsstrom eines Genußschein durch Anleihe und Aktie soweit wie möglich zu duplizieren. Da eine solche Duplizierung aus noch anzugebenden Gründen nicht gelingen kann, weil dann wesentliche Vertragsbestandteile des Genußscheins außer Acht gelassen werden, wird anschließend dargelegt, welche Instrumenteam Markt existieren müßten, um auch diese Bestandteile bewerten zu können. Anhand theoretischer Überlegungen wird dann eine Bewertung dieser fiktiven Instrumente vorgenommen. Damit wird eine Gesamtbewertung des Genußscheins erreicht, bei der auch Interdependenzen zwischen den einzelnen Klauseln aufgezeigt und berücksichtigt werden. Abschließend wird in Kapitel E aufgrunddieses Ansatzes eine Reihe weiterer in Genußscheinbedingungen enthaltener Klauseln bewertet.

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen 1. Unterscheidungsmerkmal "Zufluß von Finanzmitteln"

Zunächst sind bei der Klassifizierung zwei grundverschiedene Arten von Genußscheinen zu unterscheiden. Es handelt sich um die beiden Grundtypen des Genußscheins ohne Finanzmittelzufluß und des heute vorherrschenden Kapitalbeschaffungsgenußscheins. 1 Unterscheidungsmerkmal ist dabei, ob dem Unternehmen durch die Emission zusätzliche liquide Mittel zugeflossen sind oder ob dies nicht der Fall war. Genußscheine, die ohne Zufluß liquider Mittel für den Emittenten begeben werden, können den verschiedensten Zwecken dienen 2 • Während in der Vergangenheit häufiger auf Genußscheinemissionen ohne Finanzmittelzufluß zurückgegriffen wurde, sind diese Genußscheine heute recht selten geworden und finden nur noch gelegentlich Verwendung. So wurden von der Deutschen Shell AG an ihre Muttergesellschaft im Ausland Genußscheine begeben, um steuerschonend eine Preissteigerungsrücklageauflösenzu können. 3 Bis MitteJuli 1984 waren 1,74 Mio. Stück Audi-NSUGenußscheine an der Börse notiert, deren Ausschüttung in einem, sich im Zeitablauf vermindernden, festgelegten Quotenanteil an den jährlichen Lizenzeinnahmen des Patents für den Wankelmotor bestand.4 Ausgabeanlaß für die Emission war der Streit um die Bewertung dieses Patents bei der Übernahme der Audi-NSU AG durch die Volkswagenwerk AG, der schließlich über das Vehikel Genußschein durch die direkte Beteiligung an den Lizenzeinnahmen elegant gelöst werden konnte. Im Fehlen eines Finanzmittelzuflußes liegt ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Grundtypen begründet. Kapitalbeschaffungsgenußscheine werden beim Emittenten bilanziert, während die Intention des ersten gerade häufig 1 Bethmann, R.: Der Genußschein in der Theorie und Praxis, insbesondere seine Verwendung bei Gründungen und Fusionen, seine Verbuchung und Bilanzierung sowie seine steuerliche Behandlung, ZfuF 1935, S. 424f.; Ernst, T.: (1967), a. a. 0., S. 76; Pougin, E.: Genußrechte, in: Jagenberg, W.; Maier-Reimer, G.; Verhoeven, T. (Hrsg.): FS für W. Oppenhoff zum 80. Geb., München 1985, S. 276. 2 Die Entstehungsgründe für Genußscheine sind ausführlich bei Schmalenbach dargestellt. Vgl.: Schmalenbach, E.: Finanzierungen, 4. Auflage, Leipzig 1928, S. 266- 280; Vgl. auch: Fischer, T. F.: a.a.O., S. 30-32 mit weiteren Nachweisen. 3 o. V.: Bedienung der Genußscheine erhöht die Gesamtausschüttung auf 664 Mill. DM, HB vom 3.7.1986, S. 7. 4 Vgl. dazu: Reckinger, G.: Konditionen-Vielfalt kennzeichnet die Genüsse, HB vom 23.8.1984, S. 6.

26

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

darin liegt, nicht als Passivposten in der Bilanz zu erscheinen. Nur dann kann nämlich ein Genußschein für einige Emissionszwecke, die in der Vergangenheit häufig im Vordergrund standen 5 , Verwendung finden. Dies trifft insbesondere auf Genußscheine zu, die zu Sanierungszwecken begeben wurden. 6 Das Bewertungsproblem bei Genußscheinen des ersten Typs stellt sich genauso schwierig wie eine Aktienbewertung dar, wenn nicht, wie dies bei den "Genußaktien" der Heimfallgesellschaften 7 oder bei den schweizerischen Partizipationsscheinen 8 der Fall ist, faire Preise für die Genußrechte aus den Aktienkursen der Emittenten abgeleitet werden können. 9 Die weitere Analyse bezieht sich daher, und weil die meisten Genußscheine - insbesondere die KWG-Genußscheine- eben der Beschaffung von "eingezahltem" 10 Ersatzeigenkapital dienen, auf die Bewertung von Kapitalbeschaffungsgenußscheinen.

2. Unterscheidungsmerkmal "Wandel- und Optionsrechte" Genußrechte lassen sich weiterhin auch danach unterscheiden, ob sie mit Wandel- oder Optionsrechten versehen sind. So sind die Genußscheine der Alldephi 11 , der Allianz 12 , von ABB und Dräger 13 mit Umtauschrechten in Vgl. dazu: Schmalenbach, E.: a.a.O., S. 282fT. Auch in der jüngsten Vergangenheit fanden Genußrechte bei der Bewältigung der Probleme der Otto Wolff AG, Köln Verwendung. Allerdings wurden keine Sanierungsgenußscheine im eigentlichen Sinne herausgegeben, sondern die Emission von Genußkapital wurden zur Aufstockung der Eigenmittel verwendet. Vgl. dazu: o. V.: Statt besenrein sanierungsreif, BZ vom 14.7.1987, S. 5. 7 Bei der Bewertung eines Heimfallgenußrechtes wäre der Aktienkurs der Gesellschaft Ausgangspunkt der Bewertung. Durch einen Kursabschlag in Höhe des zum Heimfallzeitpunkt abgezinsten Nennbetrages auf den Aktienkurs würde der Wert des Heimfallgenußrechtes widergegeben werden. 8 Neben Differenzen im Nennbetrag wäre nur das nichtvorhandene Stimmrecht durch einen Kursabschlag zu berücksichtigen. Wie unterschiedlich der Wert eines Stimmrechts zu bewerten ist, zeigt die Untersuchung von Horner: Horner, M. R.: The value of the corporate voting right, JoBF 1988, S. 69-83; Soweit Aktiengesellschaften in der Schweiz Partizipationsscheine begeben haben, belief sich der durchschnittliche Kursabschlag zu den Inhaberaktien unter erheblichen Schwankungen auf20% ; Bauer, A.: a.a. O., S. 146. 9 Ein klassisches Beispiel für diese Art schwierig zu bewertender Genußscheine ist der zuvor erwähnte Audi-NSU-Genußschein. 10 Vgl. zur Bedeutung des Begriffs "eingezahlt" = "bilanziert" = "Finanzierungsfunktion": Krümmet, H.-J.: Bankenaufsichtsziele und EigenkapitalbegrifT, Frankfurt 1983, S. 25f. 11 Die Genußscheine der Alldephi von 1982 und 1986 sind mit einem sogenannten basisvariablen Wandlungsrecht ausgestattet. Dieses Wandlungsrecht stellt sicher, daß es zum Umtausch in das Wandlungsobjekt Aktie kommt, da die Aktie über das Wandlungsrecht zu einem gegenüber dem Börsenkurs um einen bestimmten Prozentsatz herabgesetzten Preis bezogen werden kann. Vgl. zur Bewertung eines solchen Umtauschrechts: Büchel, H.: Bewertung von Optionen mit aktienkursabhängigem Basispreis, ZfbF 1988, S. 884-895. 5

6

2. Unterscheidungsmerkmal "Wandel- und Optionsrechte"

27

Aktien des Emittenten oder im Falle der Alldephi in Aktien der Muttergesellschaft Philips ausgestattet. Optionsgenußscheine wurden von der Berliner Bank 14 und der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank begeben. Diese Genußscheine verbriefen das Recht, Aktien des Emittenten zu einem bestimmten Preis innerhalb einer festgelegten Frist zu erwerben. Wie bei den üblichen Optionsanleihen kann das Optionsrecht vom Genußschein abgetrennt werden und separat als Optionsschein gehandelt werden. Ob Genußscheine mit einem Umtausch- oder Optionsrecht versehen sind oder kein derartiges Recht beinhalten, trägt aber nicht zur Unterscheidung der einzelnen Genußscheintypen bei, da ein solches Recht mittels Optionsschein sogar physisch abtrennbar ist. Wandelgenußrechte lassen sich zudem rechnerisch in einen Optionsteil und den puren Genußschein aufspalten, wie dies auch zur Bewertung von Wandelanleihen geschieht. 15 Da das Ziel der Analyse eine Bewertung von Genußrechten ist, wird auf die folgende Tabelle 1 und zur Bewertung des Optionsteils auf die umfangreiche Literatur zur Aktienoptionsbewertung 16 verwiesen. Im folgenden soll bei der Analyse in der Regel nur auf den puren Genußschein, der kein Umtausch- oder Optionsrecht beinhaltet, abgestellt werden.

12 Bei den Genußscheinen der Allianz kann nicht von einem Recht zum Umtausch gesprochen werden, da es bei einer grundsätzlich unbefristeten Laufzeit nur bei einer Kündigung durch den Emittenten zum Umtausch oder zur Zahlung eine entsprechende Barabfindung kommt. Der Inhaber besitzt zwar auch ein Kündigungsrecht, erhält aber bei dessen Ausübung nur den gewogenen Ausgabekurs der Genußscheine. Der Umtauschtermin hängt damit vom Gutdünken des Emittenten ab. Kündigt die Gesellschaft allerdings aufgrunddes steuerlich bedingten Kündigungsrecht vorzeitig oder der Genußscheininhaber aufgrund der Tatsache, daß eine Mehrheitsbeteiligung an der Allianz Holding AG erworben wurde, so sehen die Genußscheinbedingungen vor, daß in diesen Fällen ein Umtausch vorgenommen oder eine entsprechende Barabfindung geleistet werden muß, die nicht unter dem gewogenen Ausgabekurs der Genußscheine liegen darf. Der§ 8 der Genußscheinbedingungen erweist sich damit als ein Abwehrmittel (poison pill) gegen unerwünschte Übernahmen. Vgl. §§ 6-9 der Genußscheinbedingungen der Allianz Holding AG. 13 Auch bei den Genußscheinen der Drägerwerk AG handelt es sich nicht um ein Recht zum Umtausch, sondern wie bei den Genußscheinen der Allianz eher um eine "Gnade" des Emittenten. Denn der Inhaber hat bei den ebenfalls unbefristeten Genußscheinen kein Kündigungsrecht. Damit kann allein der Emittent aufgrund seines Kündigungsrechtes den Umtauschtermin festlegen. Im übrigen bleibt es der Drägerwerk AG überlassen, ob sie eine Barabfindung leistet oder einen Umtausch in Vorzugs- oder Stammaktien vornimmt. Vgl. §§ 6 und 11 der Genußscheinbedingungen. 14 Neben den Wandelgenußscheinen der Alldephi sind auch die Optionsgenußscheine der Berliner Bank von 1986 als zur Zeit einzige Wertpapiere in Deutschland mit aktienkursabhängigen Basispreis versehen. Vgl. zur Bewertung dieser Optionsscheine: Büchel, H.: a. a.O., S. 884-895. 15 Vgl. dazu Uhlir, H.; Steiner, P.: Wertpapieranalyse, Heidelberg-Wien 1986, S. 221 ff. 16 Vgl. z. B.: Cox, J. C.; Rubinstein, M.: Options Markets, Englewood Cliffs 1985, S. 165ff.; Uhlir, H.; Steiner P.: a. a.O., S. 176ff.; Zimmermann, H.: Preisbildung und Risikoanalyse von Aktienoptionen, Grüsch 1988.

28

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

Tabelle 1 Börsennotierte Genußscheine mit Umtausch- oder Optionsrechten

I

~ I Alldephi 82 I

!Umtausch- Optionsrecht recht

Bezugskurs

X

1862

Allianz

X

0,125 GS

II

Bayr. Hypo

X

0,33 400

Berliner Bank 86

X

1,5 240 19

i

Dräger

GS

Laufzeit

17 37,501 1.7.86-30. 6.93

Alldephi 86

I

I I II I II

X

II I

I

X

0,64 GS

I

I

2.1.90-30. 6.97 unbefristet 1.1.90-15.10.93 1.1.87-31.12.94 unbefristet

I

Genußschein

3. Laufzeitvereinbarungen in den Genußrechtsbedingungen

Da Genußrechtskapital überwiegend als Eigenkapitalersatz Verwendung findet, haben Genußrechte lange oder gar unbefristete Laufzeiten.20 Bei den börsennotierten Genußscheinen mit fester Laufzeit beträgt die Kapitalüberlas17 "Das Umtauschverhältnis, ... , bestimmt sich durch Teilung des Grundbetrags des Genußscheins durch den ... ermittelten Umtauschpreis für eine Stammaktie der N.V. Bezit zu hf110,- .... Der Umtauschpreis ... ergibt sich jeweils aus dem Durchschnitt der an der Frankfurter Wertpapierbörse amtlich notierten Einheitskurse an den dem Umtauschstichtag vorausgehenden fünf Börsentagen abzüglich 3 vom Hundert des ermittelten Durchschnittskurses. Der Umtauschpreis beträgtjedoch höchstens DM 37,50 für eine Stammaktie der N. V. Bezit zum Nennwert von hf110,- ." § 3(3) und (4) der Genußscheinbedingungen der Alldephi Harnburg von 1982. 18 Die Formulierung in den Genußscheinbedingungen von 1986 stimmt mit Ausnahme des maximalen Umtauschpreises (62 DM) mit derjenigen der Emission von 1982 überein. Vgl. § 3 (3) und (4) Genußscheinbedingungen der Alldephi von 1986. 19 "Der Optionspreis je Aktie im Nennbetrag von DM 50,- ergibt sichjeweils aus dem Durchschnitt der an der Berliner Wertpapierbörse festgestellten amtlichen Einheitskurse an den dem Optionsstichtag ( ... ) vorausgehenden 5 Börsentagen abzüglich 5 vH des ermittelten Durchschnittskurses. Der Optionspreis beträgtjedoch für den Zeitraum vom 1. Januar 1987 bis zum 31. Dezember 1990 höchstens DM 240,-, für den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1994 höchstens DM 280,-." § 1 (2) Optionsbedingungen der Inhaber-Optionsscheine aus den Inhaber-Genußscheinen von 1986 der Berliner Bank AG. 20 So schreibt das KWG für bankaufsichtsrechtlich als Eigenkapital anzuerkennendes Genußkapital neben einer Restlaufzeit von 2 Jahren eine Ursprungslaufzeit von mindestens 5 Jahren vor. Vgl. § 10 (5) Nr. 3 KWG.

3. Laufzeitvereinbarungen in den Genußrechtsbedingungen

29

sungsdauer mindestens 10 Jahre. Ist eine unbefristete Laufzeit vereinbart, so sehen die Genußscheinbedingungen in allen Fällen ein ordentliches Kündigungsrecht zumindest seitens des Emittenten vor. Während Genußscheine mit fester Laufzeit in nur wenigen Fällen ein ordentliches Kündigungsrecht des Emittenten aufweisen 21 , sind sie jedoch häufig mit einem bedingten Kündigungsrecht versehen. Dieses bedingte Kündigungsrecht kann dann ausgeübt werden, wenn sich die steuerliche Behandlung des Genußkapitals zum Nachteil des Emittenten verändern sollte. 22 Seltener ist die Vereinbarung eines Kündigungsrechtes für den Inhaber. Dieses wird bei nahezu allen Bankengenußscheinen bis auf die Emissionen der Landwirtschaftlichen Rentenbank 23 und der Deutschen Apotheker- und Ärztebank ausgeschlossen, da eine solche Vereinbarung nur in Ausnahmefällen mit der Haftungsfunktion bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitals vereinbar ist. 24 Folgende Übersicht zeigt, welche Laufzeitbestimmungen die im Januar 1990 börsennotierten Genußscheine aufwiesen. 25

21 So die Genußscheine der Bayerischen Raiffeisen Beteiligung AG, der Coop eG, der Deutschen Pfandbriefanstalt, der Gerling Konzern Versicherung, der Südwestdeutschen Genossenschaftszentralbank und der Südwestbank AG. 22 Stellvertretend für alle Genußscheine mit dem steuerlich bedingten Kündigungsrecht sei die Formulierung der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG wiedergegeben: "Die Hypo-Bank kann die Genußscheine unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens zwei Jahren jeweils zum Ende eines Geschäftsjahres - frühestens zum 31. Dezember 1994 - ... kündigen, wenn eine Rechtsvorschrift in der Bundesrepublik Deutschland erlassen, geändert oder in einer Weise angewendet wird, daß dies bei der Hypo-Bank zu einer Steuerbelastung der Ausschüttungen mit Gewerbeertrag- oder Körperschaftssteuer führt oder daß das Genußscheinkapital bei der Vermögenssteuer nicht als Schuldposten zum Nennwert abgezogen werden kann." § 6 (2) Genußscheinbedingungen der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG. 23 Das Kündigungsrecht wurde den Genußscheininhabern in beiden Fällen nachträglich gewährt, da die Finanzbehörden die Ausschüttungen von Genußscheinen mit unbegrenzter Laufzeit der Körperschaftsteuer unterwerfen wollten. In der Bekanntmachung der Landwirtschaftlichen Rentenbank zur Einräumung des Kündigungsrechtes heißt es dazu: "Die Einräumung des Kündigungsrechtes war notwendig, um die Genußscheine steuerlich weiterhin wie bisher behandeln zu können, wonach von der Vergütung lediglich 25% Kapitalertragsteuer einbehalten werden." BZ vom 1.7.89, S. 10; Die Einräumung des Kündigungsrechts bei den Genußscheinen der Apo-Bank wurde mit einer Besserstellung der Genußrechtsinhaber begründet. Vgl.: o. V.: Kündigungsrecht bei Apo-Bank-Genüssen, BZ vom 12.5.1987, S. 2. Vgl. zur Diskussion um den Zusammenhang Laufzeit und steuerliche Gewinnminderung: Knobbe-Keuk, B.: a. a . 0., S. 341 f.; Weiter, R.: a.a.O., S. 66f. 24 Vgl. zu den bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Laufzeitbestimmungen des haftenden Eigenkapitals: Degenhart, H.: Zweck und Zweckmäßigkeit baukaufsichtlicher Eigenkapitalnormen, Berlin 1987, S. 85- 87; Krümme!, H.-J .: (1983), a. a. 0., S. 95 f. 25 Eine genauere Analyse von Laufzeitbestimmungen allerdings nur einiger ausgewählter Genußscheine gibt: Fischer, T. F .: a.a.O., S. 94-106.

30

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen Tabelle 2 Laufzeitvereinbarungen der börsennotierten GeiloBscheine

I Name I IALLdephi 82 IALLdephi 86 lALL ianz IABB Bayr. Hypo IBRB ~BerL. Bank 86 ~BerL. Bank 88 BerL. Bank 89 ~BerL. Commerzbk IBerteLsmann IConmerzbank Coop eG !Deutsche Apo-Bk IDG Bank 85 IDG Bank 87 Depfa IDräger IEurokai 84 IEurokai 88 Ford Bank !GerL ing IHamb. LB 87 'Hamb. LB 88 KSK Pinneberg IKSK Pinneberg 2 IKSK Pinneberg 3 ILandw. Rentenbk PfLeiderer !Rheinische Hyp. !Stuttgarter Bk ISGZ-Bank Südwestbank ISüdwestLB I Triumph IIIGZ A IIGZ B jiiGZ C jllestLB

Nennbetrag 26 in Mio. DM 13D,OO 250,00 32,08 31,20 484,28 50,00 100,00 50,00 50,00 50,00 527,32 425,00 30,00 35,00 350,00 200,00 200,00 13,48 6,00 7,00 24,00 50,00 120,00 100,00 5,00 5,00 3,00 150,00 11,00 200,00 25,00 100,00 15,00 150,00 12,00 50,00 100,00 40,00 500,00

Laufzeit in Jahren ca. 10,6 ca. 10,0 unbegrenzt unbegrenzt ca. 10,7 ca. 18,0 ca. 10,5 ca. 10,5 ca. 10,5 ca. 10,8 unbegrenzt ca. 11,0 ca. 19,8 unbegrenzt unbegrenzt ca. 19,5 ca. 25,3 unbegrenzt unbegrenzt unbegrenzt ca. 10,4 ca. 15,0 ca. 12,1 ca. 12,6 ca. 10,0 ca. 10,8 ca. 10,3 unbegrenzt unbegrenzt ca. 10,7 ca. 10,6 ca. 13,2 ca. 10,8 ca. 15,7 unbegrenzt ca. 15,5 ca. 25,5 ca. 25,4 ca . 12,5

lW-Recht KF Emittent Mon. bed. 27 bed. 2006 2000 bed. 1992 bed. bed. bed. bed. Em.28 bed. 1996 1991 1989 bed. 1991 Em. Em. 1998 bed. 1992 bed. bed. bed. bed. bed. 1990 1997 bed. 1991 1993 bed. 1978

6 12

Kü-Recht KF Inhaber Mon.

2001 2010

12 3

60

2017

24

6 24 24

1996 2000

6 24

2018

12

2014 2018

24 6

1978

3

24

24 6 6 6 24

24 6 24 24 3

bed.

26 Stand 15. Januar 1990, Quellen: BZ vom 16.1.1990, S. 28; Genußscheinbedingungen der Emittenten. 27 Steuerlich bedingtes Kündigungsrecht. 28 Jederzeit ab Emissionsdatum.

4. Verlustteilnahmebestimmungen beiGenußscheinen

31

4. Verlustteilnahmebestimmungen beiGenußscheinen 4.1. Verlustteilnahme als Bestandteil von Genußscheinbedingungen

Mit der Aufnahme des Genußkapitals in den Katalog der Eigenkapitalia des § 10 KWG setzte in Deutschland die Renaissance des Genußscheins ein. Allerdings stellt das KWG gewisse Anforderungen an die Genußscheinbedingungen, um den betreffenden Genußschein als bankaufsichtliches haftendes Eigenkapital zu qualifizieren. Neben einer hinreichenden Restlaufzeit wird vor allem eine Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe verlangt. Wegen der großen Bedeutung der Bankengenußscheine für den Genußscheinmarkt wird in diesem Kapitel auch die bankaufsichtsrechtliche Eignung verschiedener Verlustteilnahmevarianten diskutiert. In§ 10 KWG selbst wird keine Definition des Verlustes vorgenommen und auch kein Hinweis gegeben, welcher Verlustbegriff gemeint sein könnte 29 • Aber auch vom übrigen Gesetzestext kann nicht auf einen bestimmten Verlustbegriff geschlossen werden, da im KWG verschiedene Verlustbegriffe verwendet werden. 30 Generell ist bei einer Verlustteilnahme zunächst zwischen der Teilnahme an laufenden Verlusten und der Teilnahme an Konkursverlusten zu unterscheiden. 31 Im§ 10 (5) S. 1 Nr. 2 regelt das KWG die Teilnahme an Konkursverlusten, indem es das Genußrechtskapital nur dann dem haftenden Eigenkapital zurechnet, wenn dieses erst nach Befriedigung der Gläubiger des Kreditinstituts zurückgefordert werden kann. Da mit dieser Nachrangigkeit die Teilnahme an Konkursverlusten im KWG eindeutig geregelt ist, kann unter einer Verlustteilnahme im Sinne des § 10 KWG (5) S. 1 Nr. 1 somit nur die Teilnahme an Verlusten im going concern zu verstehen sein. 32 Das Gesetz läßt jedoch offen, welcher Verlustbegriff die Grundlage der laufenden Verlustteilnahme sein soll. 33 29 Vgl. dazu die Erklärung des Präsidenten des BAKred beim Hearing vor dem Finanzausschuß am 3. Okt 1984, abgedruckt bei: Werner, W.: Schwerpunkte der Novellierung des Kreditwesengesetzes, ZHR 1985, S. 241; vgl. auch: o. V.: Innovationsmangel bei Eigenkapitalsurrogaten, Kuntze: Den bankaufsichtliehen Vorstellungen kommt das am Gewinn und Verlust teilnehmende Genußrechtskapital am nächsten, in BZ vom 11.1.1986, S. 5. 30 So ist in § 10 (3) S. 1 ein Bilanzverlust angesprochen, während unter dem Verlustbegriff des§ 24 (1) Nr. 5 ein Jahresfehlbetrag zu verstehen ist. Vgl. dazu: Schick, W.: a.a.O., S. 2137f.; Hammen, H.: a.a.O., S. 74. 31 Vgl.: Krümme!, H. J.: (1983), a.a.O., S. 22 u. 94f. 32 Bei den bislang börsennotierten Genußscheinen treten für die Teilnahme an Konkursverlusten nur die beiden Formen Nachrangigkeit gegenüber sonstigen Gläubigem, welches eine Vorraussetzung für die Annerkennung von Genußrechtskapital als bankaufsichtrechtliches Eigenkapital ist, sowie Gleichrangigkeil mit eben diesen auf. Aus diesem Grund soll auf eine weitergehende Untersuchung der Teilnahme an Konkursverlusten verzichtet werden.

32

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

Dies geschieht auch bei den Genußscheinen der DG-Bank von 1987 und der Bremer Landesbank, die in ihren Genußscheinbedingungen eine Verlustteilnahme nicht näher spezifizieren, sondern an den nicht definierten Verlustbegriff des § 10 KWG anknüpfen. 34 Obwohl es der Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich verlangt, wird vielfach auch die Meinung vertreten, daß über eine laufende Verlustteilnahme hinaus die Gewinnorientierung der Ausschüttung Voraussetzung für die Anerkennung von Genußkapital als bankaufsichtsrechtlich anerkanntes Eigenkapital sei. 35 Wäre nämlich das Genußkapital mit einer unbedingt zu zahlenden Mindestausschüttung ausgestattet, so unterschiede es sich kaum mehr von nachrangigen Verbindlichkeiten, die gerade deshalb nicht in den Katalog des haftenden Eigenkapital aufgenommen wurden, weil diese den bankaufsichtliehen Nachteil besitzen, daß" ... um der Verzinsung nachzukommen, bei schlechter Ertragslage eines Kreditinstituts das Kapital angegriffen werden muß. " 36 Demgegenüber sehen die vier börsennotierten Genußscheine, die vor Inkrafttreten der KWG-Novelle 37 von Industrieunternehmen emittiert wurden, sämtlich eine Mindestausschüttung vor, die unabhängig vom Bilanzergebnis zu zahlen ist. Darüber hinaus ist bei den Genußscheinen der ABB 38 und der Alldephi 39 eine Verlustteilnahme gänzlich ausgeschlossen, während bei den 33 Vgl.: Bähre, I. L.; Schneider, M.: KWG-Kommentar, 3. Aufl., München 1986, S. 138; Henke, J.: a.a.O., S. 44; Möschel, W.: Eigenkapitalbegriffund KWG-Novelle von 1984, ZHR 1985, S. 226; Schick, W.: a.a.O., S. 2138; Werner, W.: a.a.O., S. 241-244. 34 "Entsprechend§ 10 Abs. 5 KWG i. d. F. vom 11.07.1985 erfolgt die Verlustteilnahme des Genußrechtskapitals und der Rücklagen ... " (§ 5(3) Genußscheinbedingungen der DG Bank von 1987). Bei den Genußscheinen der Bremer Landesbank erfolgt eine Verlustteilnahme, "sollte die Bank seit Ausgabe der Genußscheine in ihrer Bilanz Verluste ausweisen". (§ 6 der Genußscheinbedingungen der Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg -Girozentrale-) Aus der Tatsache, daß das Wort "Bilanz" erwähnt wird, kann nicht geschlossen werden, daß auch Bilanzverluste gemeint sind. In einer Bilanz können nämlich auch Jahresfehlbeträge ausgewiesen werden. 3 5 "Die Regelung, daß das Genußrechtskapital nur als haftendes Eigenkapital anerkannt wird, wenn es bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt, erfordert außerdem, daß das Genußrechtskapital nicht bedient werden kann, wenn andernfalls ein Verlust entstände." Henke, J.: a.a.O., S. 44; Vgl. auch Möschel, W.: a.a.O., S. 226; Schick, W.: a. a. 0., S. 2138; Werner, W.: a. a. 0 ., S. 244. 36 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.): Bericht der Studienkommission "Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft", Bonn 1979, Tz 1184. 37 Das Dritte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen ist in den wesentlichen Teilen zum 1.1.1985 in Kraft getreten. 38 Die Brown Boveri & Cie AG, Mannheim wurde aufgrund der Fusion ihrer schweizerischen Muttergesellschaft BBC Brown Boveri AG, Baden mit der schwedischen Asea AB, Västeras in Asea Brown Boveri AG, Mannheim umbenannt. Vgl. zur Fusion: o. V.: BBC und Asea sehen sich als ideale Partner, in BZ vom 11.8.1987, S. 3 f. ; Vgl. zur Umfirmierung: o. V.: Meist Beifall für die Deutsche ABB-Konzernstruktur, in BZ vom 9.6.1988, S. 5. 39 Allgemeine Deutsche Philips Industrie GmbH, Hamburg.

4. Verlustteilnahmebestimmungen beißenußscheinen

33

beiden anderen Genußscheinen eine Verlustteilnahme erst nach Auflösung sämtlicher offener Rücklagen möglich wird: Bei der Drägerwerk AG, Lübeck ist eine Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung in die Genußscheinbedingungen aufgenommen 40 • Die bei der Triumph International AG, München gewählte Verlustteilnahmevariante kommt ebenfalls einer Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung sehr nahe, da eine Herabsetzung des Genußkapitals erst dann in Frage kommt, wenn nach der Auflösung aller offenen Rücklagen noch ein Bilanzverlust verbleiben würde. 41 Die KWG-Novelle bereitete gewissermaßen den Weg zur Börse für Genußscheine, in deren Vertragsbedingungen erstmals gänzlicher Ausschüttungsausfall und Verlustteilnahmevarianten mit vielfach höherer Eintrittswahrscheinlichkeit aufgenommen wurden. 42 Der Emittentenkreis solchermaßen ausgestalteter Genußscheine beschränkte sich nämlich nicht mehr allein auf Kreditinstitute. 43 Dies hat seinen Grund nicht zuletzt in den Vorschriften des Vermögensbildungsgesetzes, das Anlagen in Genußrechtskapital nur dann fördert, wenn nicht gleichzeitig Rückzahlung und (Mindest-)Ausschüttung fest versprochen sind.44 Diese für den Anleger nachteiligen Ausstattungsmerkmale sollten sich in einem niedrigeren Preis der Genußscheine gegenüber risikolosen Papieren mit gleicher versprochener Ausschüttung niederschlagen.

40 Vgl. § 9 der Genußscheinbedingungen: "Bei einer Herabsetzung des Grundkapitals wird der Gesamtgrundbetrag des Genußkapitals im gleichen Verhältnis und zu vergleichbaren Bedingungen wie bei den Aktien herabgesetzt.". 41 Der Bilanzwert "mindert sich dann, wenn die Aktiengesellschaft nach Auflösung ihrer offenen Rücklagen noch einen Bilanzverlust ausweist. Das Genußscheinkapital mindert sich um dreißig Prozent des verbleibenden Bilanzverlustes; der Bilanzwert des Genußscheins mindert sich aber höchstens um acht Prozent p. a. des Grundbetrages." Genußscheinbedingungen der Triumph International AG, Nr. 2 Abs. 4. 42 Aber auch die Genußscheine der Klöckner & Co. KGaA waren mit der vermeintlich unwahrscheinlichen Verlustteilnahmevariante der Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung versehen. Dennoch kam es zunächst zum Totalverlust des Genußscheinkapitals. Allerdings war bei der Klöckner & Co. KGaA aber auch nur ein dünnes Rücklagenpolster vorhanden, so daß auch bei einem wesentlich kleineren Verlust eine Teilnahme am Verlust via Herabsetzung des Rückzahlungsbetrages stattgefunden hätte. 43 So die Genußscheine der Coop eG, Dortmund, Kassel, der Gerling Konzern Allgemeine Versicherungs-AG, Köln und der Bayrischen Raiffeisen-Beteiligungs-AG, München. Wenn auch die Beteiligungen letzterer zu etwa zwei Dritteln (am Nennwert gemessen) aus einer 11 ,65%igen Beteiligung an der DG-Bank bestehen, so unterliegt diese Beteiligungsgesellschaft nicht dem K WG. Vgl. Verkaufsbroschüre über DM 50 000 000,Inhaber Genußrechte der BRB. 44 Hornung-Draus, R.: Genußrechte als Finanzierungsinstrument, Arbeitgeber 1985, s. 545.

3 Kanders

34

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

4.2. Ausschüttungsausfall als eine Version einer Verlustteilnahme

Der Wert einer unkündbaren bonitätsrisikofreien endfälligen Kuponanleihe ergibt sich aus dem Barwert ihres Zahlungsstromes. Dieser Zahlungsstrom setzt sich aus dem Tilgungsbetrag und den Zinszahlungen zusammen. Wendet man das Barwertkonzept auch (z. B. unter Verwendung von Risikozuschlägen) bei der Bewertung risikobehafteter Finanztitel an, so wird bei Betrachtung eines solchen Zahlungstromes unmittelbar klar, daß der Zahlungsempfänger durch den Ausfall von Zinszahlungen einen "Verlust" erleidet, der wegen des zeitbedingt niedrigeren Diskontierungsfaktors höher ausfällt als eine entsprechende Verlustteilnahme in Form der Herabsetzung des Rückzahlungsbetrages. Diese "Verlustteilnahme" in Form der Verminderung eines versprochenen Zinszahlungsstromes wird als Ausschüttungsausfall bezeichnet. Die herrschende Meinung bezieht bei der Interpretation der Anforderungen des KWG an Verlustteilnahmebestimmungen von Genußkapital den Ausschüttungsausfall in die Verlustteilnahme mit ein.45 So unterscheidet Möschel bei der Verlustteilnahme einerseits in (Entfallen der) Ausschüttungsmöglichkeiten und andererseits der Teilnahme an Kapitalabschreibungen. "Bezüglich ersterem bedeutet Verlustteilnahme, daß jede Ausschüttung gewinnbedingt sein muß." 46 Henke fordert für bankaufsichtsrechtlich anzuerkennendes Genußkapital weniger einschränkend, "daß das Genußrechtskapital nicht bedient werden kann, wenn andernfalls ein Verlust entstände." Eine solche Interpretation schließt eine ergebnisunabhängige Mindestausschüttung bei Genußkapital, das als bankaufsichtliches Eigenkapital Anerkennung finden soll, aus. 47 Möglich bleibt allerdings eine Mindestausschüttung, die nur dann geleistet wird, wenn und soweit ein in den Genußscheinbedingungen zu definierender Gewinn vorliegt. 48 Damit weist bankaufsichtsrechtliches Genußrechtskapital stets neben einer Verlustteilnahme im Sinne einer Herabsetzung des Rückzahlungsbetrages auch zwingend die Klausel Ausschüttungsausfall auf. 49 Ausschüttungen können aber nur entfallen, wenn und insoweit diese fest versprochen sind. Dies hat zur Folge, daß es bei den Genußscheinen, deren 45 Vgl. z. B.: Reisehauer 1Kleinhans: Kreditwesengesetz (K WG), LB, Berlin 1989, Kza 115, Nr. 40/41 ; Henke, J.: a. a.O., S. 44; Werner, W.: a.a.O., S. 244; Schick, W.: a.a.O.,

s. 2138.

Möschel, W.: a. a. 0., S. 226. Henke, J.: a.a.O., S. 44. 48 Ähnliche Anforderungen stellt das Vermögensbildungsgesetz an die Förderungswürdigkeit von Genußrechtskapital als Mitarbeiterbeteiligung. Vgl. dazu: Pougin, E.: (1987), a.a.O., S. 40. 49 Bei einigen Genußscheinen sind aber für Ausschüttungsausfall und Herabschreibung des Buchwertes verschiedene Anknüpfungstatbestände gewählt worden, so daß eine Herabschreibung nicht notwendigerweise mit einem Ausschüttungsausfall verbunden sein muß. Vgl. dazu Abschnitt: B.4.11. 46 47

4. Verlustteilnahmebestimmungen beiGenußscheinen

35

Ausschüttung vollkommen von der Höhe der Aktiendividende oder einer Erfolgskennziffer des Emittenten bestimmt wird, definitionsgemäß zu keinem Ausfall von Ausschüttungen kommen kann. Sind Genußscheine mit einer Basisverzinsung und einem dividende-oder renditeabhängigen Bonus versehen, kann sich der Ausschüttungsausfall damit nur auf die Mindestverzinsung beziehen. Unterschiedliche Anknüpfungsgrundlagen können gleichwohl auch beim Ausschüttungsausfall zu großen Unterschieden führen. Auch wenn noch weitere Ausschüttungsausfalltatbestände denkbar sind, so sind bei den börsennotierten Genußscheinen fast ausschließlich Anknüpfungen an Jahresfehlbetrag oder Bilanzverlust zu finden. Meist wird in den Genußscheinbedingungen die Formulierung gewählt, daß eine Ausschüttung auf das Genußkapital nicht zu demjeweils festgelegten Verlustausweis führen darf. Der Unterschied zwischen den beiden Verlustbegriffen liegt darin, daß der Emittent bei Vorliegen eines Jahresfehlbetrages durch Entnahmen aus den offenen Rücklagen einen verminderten Bilanzverlust, ein ausgeglichenes Bilanzergebnis oder sogar einen Bilanzgewinn ausweisen kann. Letzteres würde bei entsprechend ausgestalteten Genußscheinbedingungen zu einer Ausschüttung auf die Genußscheine führen. Als bankaufsichtsrechtliche Mindestanforderung gilt hinsichtlich der Ausschüttungsmöglichkeiten auf Genußscheine, die als haftendes Eigenkapital im Sinne des§ 10 KWG anerkannt werden, daß eine Ausschüttung auf das Genußkapital nicht zum Ausweis eines Bilanzverlustes führen darf. 50 Da Kapitalrücklagen und gesetzliche Rücklagen bei Aktiengesellschaften i. d. R. nur zur Deckung von Jahresfehlbeträgen, Bilanzverlusten oder Verlustvorträgen aufgelöst werden dürfen, können nur noch Gewinnrücklagen zu Ausschüttungszwecken, die allerdings nicht auf Genußscheine beschränkt sein müssen, aufgelöst werden. 51 4.3. Herabschreibung des Rückzahlungsbetrages als zweite Version einer Verlustteilnahme

Im allgemeinen wird unter einer Teilnahme an laufenden Verlusten das Ausbuchen dieser Verluste gegen Kapitalpositionen verstanden, so wie Krümme! unter der Teilnahme an Verlusten aus dem laufenden Bankgeschäft das "Ausbuchen von Bilanzverlusten . . . gegen Kapitalpositionen" versteht. 52 Versteht man dies als bankaufsichtsrechtliche Mindestanforderung, so ist generell unter einer laufenden Verlustteilnahme die Ausbuchung von Verlusten zu verstehen, die in der Buchungsreihenfolge auch einem Bilanzverlust vorgehen können und offen gegen andere Kapitalpositionen oder verdeckt gegen nicht ausgewiesene Reserven ausgebucht werden. 50 51

52

3*

Vgl. dazu Werner, W.: a.a.O., S. 244. Vgl.: ebenda; Schick, W.: a.a.O., S. 2138. Krümme!, H. J.: (1983), a.a.O., S. 22.

36

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

2

1985

[ZZ)

JF

1987

1986

ISSI

BV

r::LZJ

EKR

~

1989

1988 KHS

~

k:eine

Abb. 4: Verteilung des Marktwertes des börsennotierten Genußrechtskapitals nach den Anknüpfungstatbeständen der Verlustteilnahme

Der Kapitalposition, die gegen Verluste ausgebucht wird, entspricht in unserem speziellen Fall der Buchwert des Genußrechtskapitals. Als Buchwert ist in der Regel der Rückzahlungsbetrag 53 anzusetzen, der entweder bei vertraglicher Fälligkeit oder bei Ausübung eines Kündigungsrechts dem Genußscheininhaber zurückzugewähren ist. Eine Verlustteilnahme kann sich daher nicht auf nichtrückzahlbare Teile von Einlagen beziehen, die gegen Gewährung von Genußrechten geleistet wurden. So kann ein nichtrückzahlbares Agio bei der Ausgabe von Genußrechtskapital bei einer Verlustteilnahme nicht zugunsten des Rückzahlungsbetrags herangezogen werden, da es in andere Bilanzpositionen eingegangen ist. "Es ist davon auszugehen, daß bei über pari begebenen Emissionen, die zum Nennwert rückzahlbar sind, das Agio als Zinskorrektur zu 53 Eine Ausnahme ist die Berliner Bank, bei der das Genußrechtskapital der Emission von 1986 wie bei einem Abzinsungspapier unter dem Rückzahlungsbetrag bilanziert wird. Die Genußrechtsverzinsung lag bei Emission erheblich unter dem Marktzins. Zum Ausgleich wurde den Genußscheininhabern ein Optionsrecht gewährt. Aus dem Emissionserlös der Optionsgenußscheine wurde der rechnerische Wert des Optionsrechts abgespalten und in die Kapitalrücklage (bei der Berliner Bank noch als Gesetzliche Rücklage bezeichnet) eingestellt. Vgl. Geschäftsbericht der Berliner Bank AG 1986, S. 23.

37

4. Verlustteilnahmebestimmungen bei Genußscheinen

betrachten und entsprechend als Rechnungsabgrenzungsposten einzustellen und über die Laufzeit zu verteilen ist." 54 Das Agio bei der Ausgabe von Genußkapital für die Gewährung von Wandlungs- oder Optionsrechten ist ohnehin nach § 150 (2) Nr. 3 AktG zwingend in die Kapitalrücklage einzustellen. 55 • 56 4.4. Anknüpfungstatbestände der Verlustteilnahme

Entscheidend für eine Herabschreibung des Rückzahlungsbetrages ist das Eintreten eines Verlustes. Da der "Verlust" im KWG nicht definiert wurde, muß jeweils festgelegt werden, was unter einem Verlust im Sinne der Genußscheinbedingungen zu verstehen ist. In der Praxis der börsennotierten Genußscheine von Kreditinstituten treten die beiden Varianten "Teilnahme an einen Jahresfehlbetrag" und "Teilnahme an einem Bilanzverlust" auf. In Anlehnung an die Regelung bei den ebenfalls als bankenaufsichtsrechtliches Eigenkapital anerkannten stillen Beteiligungen ist aber auch eine Verlustteilnahme an einem negativen Betriebsergebnis denkbar. Genußscheine von Nichtbanken sind dagegen häufig mit der Verlustteilnahmevariante "Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung" versehen. Die Variante "negative Eigenkapitalrendite" wurde Tabelle 3 Verlustteilnahmevarianten bei börsennotierten Genußscheinen (Marktwert in Mio. DM)57 zum jeweiligen Jahresende

IAnknüpfungstatbestand I 1985

1986

1987

1988

1989

!Keine Verlustteilnahmel

363,681

1370,821

1084,461

1087,461

1167,071

157,131

923,731

1227,421

1357,761

1382,291

0,001

672,631

697,271

798,541

909,091

Kapitalherabsetzung IBilanzverlust Jahresfehlbetrag !negative Rendite

I

I

I

I

I

54 Kommission für Bilanzierungsfragen des Bundesverbandes deutscher Banken: Zur Behandlung von Genußrechten im Jahresabschluß der Kreditinstitute, Bank 1986, S. 253. 55 ebenda. 56 Bei der Berliner Bank wurden die Optionsgenußscheine zu pari begeben, so daß eine Einstellung des rechnerischen Optionsrechtwertes in die Kapitalrücklage nicht zwingend gewesen wäre.

57 Bei Optionsgenußscheinen ist der Wert des Optionsrechts einbezogen, da bei den Wandelgenußscheinen von Alldephi, Allianz, ABB und Dräger der Wandlungswert, der zum Teil wegen der Unbestimmtheit des Wandlungstermins nicht bestimmbar ist, einen wesentlichen Bestandteil des Gesamtwertes ausmacht.

38

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

von der Bertelsmann AG gewählt, deren Genußscheine einen Marktwert von nahezu 900 Mio DM ausmachen. Die Entwicklung hinsichtlich der Verlustteilnahmevarianten beim Marktwert des börsennotierten Genußkapitals zeigen die vorstehende Grafik und Tabelle. 4.4.1. Teilnahme an einem negativen Betriebsergebnis Ist in den Genußscheinbedingungen ein negatives Betriebsergebnis als Verlust definiert, so kommt es zu einer Herabsetzung des Genußkapitals, wenn die betriebsbedingten Aufwendungen die betriebsbedingten Erträge übersteigen. Es bedarf daher einer exakten Festlegung, welche Aufwendungen und welche Erträge betriebsbedingt sind. Im allgemeinen werden außerordentliche Erträge und Aufwendungen als nicht dem Betriebsergebnis zugehörig angesehen. 58 Diese haben aber besondere Bedeutung für die Abweichung von Betriebsergebnis zu dem im Jahresabschluß ausgewiesenen J ahresergebnis, denn insbesondere beiLegungund Auflösung stiller Reserven entstehen außerordentliche Aufwendungen und Erträge. Im Falle eines negativen Betriebsergebnisses werden deutsche Kreditinstitute alles daransetzen, einen offenen Verlustausweis zu vermeiden. Sofern es einem Kreditinstitut möglich ist, werden in einer solchen Situation via Auflösung stiller Reserven in dem Maße außerordentliche Erträge realisiert, wie es zum Ausweis eines ausgeglichenen Jahresergebnisses notwendig ist. Allerdings ergeben sich bei der Anknüpfung der Verlustteilnahme an das Betriebsergebnis praktische Probleme, wenn die Genußscheine einem breiten Publikum angedient werden. Denn für das Publikum kann die Ermittlung des Betriebsergebnisses nicht nachvollziehbar sein und an deren Korrektheit können Zweifel gehegt werden. 59 Zumindest würde die Forderung nach eingehenderen Informationen laut. Daher eignet sich eine solche Art der Verlustteilnahme mehr für Kapitalgeber, die ohnehin schon über einen hinreichenden Einblick in die Geschäftsführung verfügen. Aber auch aus Sicht der Bankenaufsicht müßte die Anknüpfung der Verlustteilnahme an einem Betriebsergebnis unzulässig sein. Die Bankenaufsicht sollte auch in diesem Fall auf Maßgrößen zurückgreifen, die überall verwendet werden und justiziabel sind: Betriebsergebnisrechnungen genügen diesen Anforderungen nicht. 58 Haberstock, L.: Kostenrechnung, Bd. 1, 8. Aufl., Harnburg 1987, S. 32; Vgl. zur Abgrenzung von Betriebserfolg und Gesamterfolg: Kilger, W.: Kurzfristige Erfolgsrechnung, Wiesbaden 1962, S.17-21;. 59 Allerdings könnte auch so verfahren werden wie bei der Bertelsmann AG, bei der der Abschlußprüfer prüft, ob der Gewinnanteil und der Gewinnanspruch nach den Genußscheinbedingungen ermittelt wurde. Allerdings gehen bei der Bertelsmann AG neben dem Konzernjahresüberschuß nur wenige eindeutig bestimmbare Positionen in die Berechnung des Gewinnanspruchs ein.

4. Verlustteilnahmebestimmungen bei Genußscheinen

39

Darüber hinaus dürfte es unerheblich sein, ob die Verluste eines Unternehmens der Kreditwirtschaft aus dem ordentlichen oder außerordentlichen Bereich stammen. Tatsächlich wird durch Verluste - unabhängig davon, welchen Bereichen sie entstammen - die Haftungsbasis des Kreditinstituts verringert. Damit ist eine auf bestimmte Bereiche eines Unternehmens eingeschränkte Verlustteilnahme und damit außer Acht lassende Verlustquellen für Zwecke des Gläubigerschutzes, und dies ist wohl das Hauptanliegen der Bankenaufsicht, ungeeignet. Ein Haftungsinstrument, das diesen Namen verdient, muß unabhängig von der Verlustursache zum Ausbuchen des Verlustes bis zur vollen Höhe zur Verfügung stehen bevor Gläubiger geschädigt werden. Obwohl eine Anknüpfung der Verlustteilnahme an ein negatives Betriebsergebnis nach herrschender Meinung bankaufsichtsrechtlich bei GenuGkapital und stillen Einlagen zulässig ist, könnte diese Verlustteilnahmevariante bestimmte (nämlich außerordentliche) Verlustquellen außer Acht und damit ungedeckt lassen. M. E. ist sie damit für Zwecke der Bankenaufsicht ungeeignet. Tatsächlich sieht aber auch kein börsennotierter Genußschein eine derartige Verlustteilnahmevariante vor. 4.4.2. Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag Als Anknüpfungstatbestand einer Verlustteilnahme kommt für das breite Publikum zunächst einmal der offen in der Gewinn und Verlustrechnung ausgewiesene Jahresfehlbetrag in Frage. Ein Jahresfehlbetrag (bzw. im positiven Fall ein Jahresüberschuß) ergibt sich aus dem um außerordentliche, betriebsfremde und periodenfremde Aufwendungen und Erträge erweiterten ordentlichen Betriebsergebnis. 60 4.4.3. Teilnahme an einem Bilanzverlust Eine weitere in der Praxis häufig gewählte Variante ist die Anknüpfung der Verlustteilnahme an einen Bilanzverlust Ein Bilanzergebnis wird definiert als das um Entnahmen aus den offenen Rücklagen bzw. Einstellungen in die offen Rücklagen erweiterte Jahresergebnis. Im Falle desVorliegenseines Jahresfehlbetrages kommt jedoch wohl nur der für den GenuGscheininhaber günstige Fall der Entnahmen aus den Rücklagen in Betracht61 , so daß allenfalls ein gegenüber 60 Besteht zwischen dem Emittenten und einer anderen Gesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag, so kann es beim Emittenten nicht zu einem Ausweis eines Jahresfehlbetrages kommen, da Erträge aus einer Verlustübernahme in die Gewinn- und Verlustrechnung eingehen. Bei der Ford Bank AG besteht mit der Ford Werke AG ein solcher Vertrag. Gleichwohl können die Genußscheininhaber von Ford Bank AG Genußscheinen an Verlusten teilhaben, da in den Genußscheinbedingungen unter Jahresfehlbetrag der sich "als der in der Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft auzuweisende Jahresfehlbetrag ohne Berücksichtigung eines etwaigen Verlustausgleichs aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages" versteht. § 4 (2) Genußscheinbedingungen der Ford Bank AG.

40

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

dem Jahresfehlbetrag verminderter Bilanzverlust, wenn nicht ein ausgeglichenes Bilanzergebnis oder gar ein Bilanzgewinn ausgewiesen werden kann. Allerdings ist eine Verminderung nicht zwingend, denn es liegt im Ermessen des Emittenten, Rücklagen zugunsten der Genußberechtigten aufzulösen. Das Vorliegen eines Jahresfehlbetrages ist damit eine zwingende Vorraussetzung für den erstmaligen Ausweis eines Bilanzverlustes, da ein Bilanzverlust nur nach Verrechnung mit Gewinn- oder Verlustvorträgen ausgewiesen werden kann, während aus dem Ausweis eines Bilanzgewinns nicht auf das gleichzeitige Vorliegen eines Jahresüberschusses geschlossen werden kann. Von Wöhe wird der Bilanzgewinn als der "verteilungsfahige Reingewinn" bezeichnet. 62 Dieser setzt sich aus dem "Teil des Jahresüberschusses, der vom Geschäftsführungsorgan nicht in die Rücklagen überführt worden ist, bzw.bei Aktiengesellschaften - aufgrund der Vorschriften des §58 AktG den Rücklagen nicht zugeführt werden kann", und andererseits dem "Teil, der aus einem Gewinnvortrag einer früheren Periode stammt oder aus Rücklagen, die in einer früheren Periode gebildet worden sind, entnommen wird", zusammen. 63 Auch diese Definition des Bilanzgewinns bedeutet - auf den Bilanzverlust übertragen - , daß dieser nicht als der eigentliche Verlust einer Periode zu verstehen ist, sondern (Miß-)Erfolgsanteile frühere Perioden enthalten kann.M Da über das Institut des Verlustvortrages Mißerfolgsanteile früherer Perioden in einen Bilanzverlust eingehen können, ist bei der Variante "Bilanzverlust" "unbedingt sicherzustellen, daß die Genußrechtsbedingungen eine Präzisierung dahingehend enthalten, daß ein in den Bilanzverlust eingehender Verlustvortrag unberücksichtigt, d. h. zum Abzug kommen muß, weil sonst eine Doppelbeteiligung des Genußrechtskapitals an ein und demselben Verlust eintreten würde. " 65

61 Vgl. dazu: Look, F. van: Zum Anlegerschutz bei Genußrechten, in: Bundschuh, K. D.; Hadding, W.; Schneider, U. H. (Hrsg.): a. a. 0., S. 43. 62 Wöhe, G.: Bilanzierung und Bilanzpolitik, 7. Aufl., München 1987, S. 360. 63 ebenda. 64 Gleichwohllassen nach Wöhe weder Bilanzgewinn noch Jahresüberschuß einen aus betriebswirtschaftlicher Sicht befriedigenden Einblick in die Ertragslage einer Unternehmung zu. "Keine der beiden Größen ist identisch mit dem Gewinn, den die Gesellschaft in einer Periode erzielt hat." ebenda Gegen die Anerkennung des Bilanzverlustes als Verlust im eigentlichen Sinne spricht auch der Tatbestand, daß Verluste und Gewinne in der Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt werden, während die Berechnung des Bilanzgewinnes bzw. -Verlustes im "Anhangteil der GuV" erfolgt, in dem die Bewegungen der Gewinnrücklagen wiedergegeben werden. Der Begriff "Anhang" macht deutlich, daß das echte Ergebnis schon ermittelt wurde; im Anhang geht es nur noch um dessen Verteilung. Vgl. dazu: Birck, H.; Meyer, H.: Die Bankbilanz, 3. Aufl., Teillieferung 2, Wiesbaden 1977, S. IV 74. 65 Kommission für Bilanzierungsfragen des Bundesverbandes deutscher Banken, a.a.O., S. 256.

4. Verlustteilnahmebestimmungen bei Genußscheinen

41

4.4.4. Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung Eine weitere Möglichkeit der Verlustteilnahmegestaltung besteht bei Kapitalgesellschaften darin, erst bei einer Herabsetzung des gezeichneten Kapitals für das Genußkapital eine Teilnahme an einem solchermaßen definierten Verlust vorzusehen. Diese Verlustteilnahmevariante ist bisher nur bei den börsennotierten Genußscheinen vorzufinden, die von Industrieunternehmungen emittiert wurden. Für Genußscheine von Banken ist diese Verlustteilnahmevariante ungeeignet, da "die Anknüpfung an einen ,jenseits' des Bilanzverlustes liegenden Vorgang, z. B. den förmlichen Kapitalherabsetzungsbeschluß nach §§ 229ff. Aktiengesetz" nicht als eine Verlustteilnahme im Sinne des KWG anerkannt wird. 66 4.4.5. Nachrangige Verlustteilnahme Ebenfalls möglich wäre es, erst eine nachrangige Teilnahme an laufenden Verlusten vorzusehen. Diese bei Genußscheinen nicht vorkommende, aber dennoch denkbare Variante würde erst dann zum Eintritt der Verlustteilnahme führen, wenn zuvor das gesamte Eigenkapital gegen Verluste ausgebucht worden wäre. Mit einem Verlust des gesamten Eigenkapitals wäre aber gleichzeitig der Konkurstatbestand der Überschuldung erfüllt. Daher wäre diese Art der Verlustteilnahme mit einer puren Nachrangvereinbarung, unbeschadet einer Beteiligung an den Kosten des Konkurses, identisch. Damit trägt solchermaßen ausgestattetes Eigenkapital zwar zur "Sicherheit der den Kreditinstituten anvertrauten Vermögenswerte" also dem Gläubigerschutz bei, leistet aber keinen Beitrag zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Kreditinstitute, der zweiten Zielkomponente des KWG. 67 Daher ist eine solche Art der Verlustteilnahme für Genußrechtskapital im Sinne des§ 10 KWG ungeeignet. 4.5. Verlustteilnahme und Verlustvortrag

Bei der bisherigen Darstellung von Verlustteilnahmevarianten wurde davon ausgegangen, daß bei Eintreten des Verlusttatbestands direkt eine Ausbuchung beim Genußrechtskapital vorgenommen wird. Wählt man als Anknüpfungstatbestand einer Verlustteilnahme den Bilanzverlust, so muß nicht eine direkte 66 Schick, W.: a. a. 0., S. 2138. Allerdings kann bei Anknüpfung an einen Bilanzverlust faktisch das gleiche Ergebnis erzielt werden, wie bei einer Anknüpfung an eine Kapitalherabsetzung, denn alle Rücklagen, also auch gesetzliche und Kapitalrücklage können zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages aufgelöst werden. Verfolgt ein Unternehmen die Strategie einen möglichst geringen Bilanzverlust auszuweisen, so werden sämtliche Rücklagen aufgelöst. Ein Bilanzverlust wird folglich erst dann ausgewiesen, wenn keine Rücklagen mehr vorhanden sind. Dies kommt bis auf den förmlichen Beschluß der Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung gleich. 67 Vgl. zu den Zielen des KWG: Krümme!, H.-J.: (1983), a.a.O, S. 78-81.

42

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

Ausbuchung erfolgen, sondern der Bilanzverlust kann auf neue Rechnung vorgetragen werden. Das Institut des Verlustvortrags ist allerdings nicht bei der Anknüpfung an andere Verlusttatbestände verwendbar. 68 Bezieht man diese Möglichkeit des Verlustausweises in die Betrachtung der Verlustteilnahmevarianten ein, so eröffnet sich durch die Teilnahme an einem Bilanzverlust ein noch weiteres Spektrum der Verlustteilnahme, da im Wege des Verlustvortrags implizit eine gleichrangige Wiederauffüllung 69 vorgenommen werden kann, ohne daß eine Wiederauffüllungsvereinbarung explizit in die Genußrechtsbedingungen aufgenommen worden ist. Dies geschieht dann, wenn im folgenden Geschäftsjahr ein Jahresüberschuß erzielt wird. Dieser Jahresüberschuß geht zwingend in die Ermittlung des Bilanzergebnisses ein, so daß zumindest ein verringerter Bilanzverlust, wenn nicht gar ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. 4.6. Unterschiedliche Verlustteilnahmeanknüpfungen für Teile des Genußkapitals

Sollen für Teile des Genußkapitals unterschiedliche Verlustteilnahmeregelungen gelten, so muß das Genußkapital eindeutig in verschiedene Bestandteile zerlegt werden können. Für eine Aufteilung des Genußkapital scheint nur die Grenze zwischen Nennbetrag und Emissionsbetrag in Frage zu kommen. Eine Verlustteilnahme durch Ausbuchung setzt in einem solchen Fall aber voraus, daß sich der Rückzahlungsanspruch auf beide Bestandteile erstreckt. Beim Genußschein der Klöckner KGaA sollte im Falle der Ausübung des Kündigungrechts neben dem Grundbetrag auch das Emissionsagio in Höhe von 35% vorbehaltlich eventueller Verlustteilnahme zurückgezahlt werden. Für das Agio war aber gegenüber dem Grundbetrag eine schärfere Verlustteilnahmevariante. vorgesehen. Der Nennbetrag sollte nur im Falle einer Kapitalherabsetzung in gleichem Maße wie das Aktienkapital herabgesetzt werden. Eine Kapitalherabsetzung durfte nach den Genußscheinbedingungen aber nur vorgenommen 68 Die Genußscheinbedingungen der DG-Bank von 1985 sehen als Verlustteilnahmebestimmung vor, daß das Genußkapital anteilig an den Entnahmen aus den Rücklagen teilnimmt.(§ 5(3) Genußscheinbedingungen der DG-Bank 1985) Wird ein Jahresfehlbetrag durch Entnahmen aus den Rücklagen ausgeglichen, so nimmt das Genußkapital damit an einem Jahresfehlbetrag teil. Entschließt sich die Bankjedoch den Jahresfehlbetrag nicht auszugleichen, so muß sie einen Bilanzverlust in gleicher Höhe ausweisen, sofern kein Gewinn- oder Verlustvortrag bestand, der in den Bilanzverlust einzugehen hätte. Da keine Entnahmen aus den Rücklagen stattfinden, kommt es beim Genußkapital auch zu keiner Herabsetzung. Eine Verlustteilnahme erfolgt aber dann, wenn das Genußkapital gekündigt wurde und in der Bilanz zum Ende des Kalenderjahres in der die Kündigung wirksam wird, noch ein Bilanzverlust ausgewiesen wird. Dieser Bilanzverlust wäre anteilig auf den Buchwert des Genußkapitals und das übrige Eigenkapital zu verteilen. (Vgl. dazu § 4(3) Genußscheinbedingungen der DG-Bank 1985) Diese Bestimmung in den Genußscheinbedingungen läßt darauf schließen, daß die DG-Bank im Falle eines Jahresfehlbetrages auf das Institut des Verlustvortrags zurückzugreifen beabsichtigt. 69 Vgl. zur Wiederauffüllung Abschnitt B.4. 10.

4. Verlustteilnahmebestimmungen beiGenußscheinen

43

werden, "wenn vor der Herabsetzung des Grundkapitals die freien Rücklagen, die gesetzliche Rücklage sowie der Teil des Genußkapitals, um den dieses den Gesamtgrundbetrag der Genußscheine übersteigt (Agio), zum Zwecke des Verlustausgleichs aufgelöst sind; das Agio darf erst nach Auflösung der Rücklagen zum Verlustausgleich herangezogen werden." 70

4.7. Vergleich verschiedener Verlustteilnahmevarianten Die bei der Analyse der Verlustteilnahmevarianten gewählte Reihenfolge scheint auch der Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Verlustteilnahme zu entsprechen. Es trifft aber nicht zu, daß für den Genußscheininhaber die Teilnahme an einem negativen Betriebsergebnis in allen denkbaren Fällen die unangenehmste Variante ist und auf der nächsten Stufe die Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag folgt. Da Banken den Ausweis eines Fehlbetrages möglichst vermeiden, ist davon auszugehen, daß bei Vorliegen eines negativen Betriebsergebnisses versucht wird, dieses durch Auflösung stiller Reserven auszugleichen. Allerdings könnte ein Jahresfehlbetrag auch aus den Bereichen resultieren, die nicht der Betriebsergebnisebene zuzuordnen sind. Wenn dann keine Auflösung stiller Reserven vorgenommen werden kann oder wird, ist die Teilnahme an dem Betriebsergebnis für den Genußscheininhaber gegenüber der Variante der Teilnahme an einem Fehlbetrag von Vorteil. Somit muß die Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag nicht in allen Fällen der Variante Teilnahme an einem negativen Betriebsergebnis aus der Sicht der Genußberechtigten überlegen sein.

4.8. Die Vermeidung des Ausweises eines Bilanzverlustes durch Rücklagenauflösung Aus der Sicht der Genußberechtigten ist von den Varianten "Teilnahme an einem Bilanzverlust" und "Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag" in allen denkbaren Verlustzuständen eindeutig die erste Variante vorzuziehen, da nur zugunsten von Genußscheininhabern offene Rücklagen aufgelöst werden können, während eine Rücklagenzuführung bei einem Jahresfehlbetrag ex definitione 71 ausgeschlossen ist. 72 Weil aber die Verminderung oder der Ausgleich eines Fehlbetrages durch Rücklagenauflösung der Dispositionsfrei§ 7 (2) Genuascheinbedingungen der Klöckner & Co KGaA. Denn in diesem Falle existiert nur ein negativer Betrag, der bei Zubuchung zu einem Kapitalkonto dessen Betrag nur vermindern könnte. 72 Bedeutung könnte dieser Fall allerdings gewinnen, wenn eine Ausschüttung auf die Genußscheine den Ausweis eines Bilanzgewinns vorraussetzt Wird der gesamte JahresüberschuB in die Rücklagen eingestellt, so entfällt aufgrund des Bilanzergebnisses von 0 die Ausschüttung für die Genußrechtsinhaber. Einer solche Vorgehensweise wird jedoch in der juristischen Literatur als unzulässig angesehen. Dem Genußberechtigten entstünden gegenüber dem Emittenten Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung. Vgl. dazu: Ernst, T.: (1963), a.a. O ., S. 168; Look, F. van: a. a.O., S. 41-43. 70

71

44

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

heit des Emittenten unterliegt, ist bei einer an einen Bilanzverlust angeknüpften Verlustteilnahme das gesamte Spektrum von der Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag bis faktisch zur Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung möglich. Während die Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag der Variante "Bilanzverlust" ohne irgendeine Rücklagenauflösung entspricht, kommt die Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung der Teilnahme an einem Bilanzverlust mit Auflösung aller Rücklagen gleich, sieht man vom formellen Kapitalherabsetzungsbeschluß einmal ab. 4.9. Ausmaß der Verlustteilnahme

Für eine Verlustteilnahme ist nicht allein der Anknüpfungstatbestand und das absolute Ausmaß des Verlustes ausschlaggebend. Von Interesse für den Genußberechtigten ist auch, welcher Anteil des ausgewiesen Verlustes vom Genußscheinkapital durch Verminderung des Rückzahlungsbetrages zu tragen ist. Eigentlich sollte dieser Punkt keiner Klärung bedürfen: Der naive Genußscheininhaber geht davon aus, daß Genußkapital und Eigenkapital des Emittenten in Relation zum Buchwert gleichmäßig von Verlusten betroffen sind. Auf das Genußkapital entfällt damit in dem Verhältnis ein Verlust, in dem der Buchwert des Genußkapitals zum Buchwert des Eigenkapitals einschließlich Genußkapital steht. Einige Genußscheinbedingungen schließenjedoch bestimmte Teile des Eigenkapitals bei der Berechnung des auf das Genußkapital entfallenden Verlustanteils aus. Dadurch liegt eine in Relation zum Eigenkapital überproportionale Verlustteilnahme vor. So sehen die Genußscheinbedingungen der DG-Bank eine Verteilung des Jahresfehlbetrags auf Rücklagen und Genußkapital vor. 73 Das Grundkapital wird bei der Berechnung des Verlustanteils außer Ansatz gelassen. Die Landwirtschaftliche Rentenbank läßt neben dem Grundkapital auch noch die sog. Deckungsrücklage bei der Verteilung des Verlustes außen vor. Wird als Grundlage der Berechnung nicht der Buchwert des Genußkapitals herangezogen, sondern der Nennwert, werden die Genußscheininhaber bei aufeinanderfolgenden Verlustteilnahmen benachteiligt. 74 Eine für den Genußberechtigten eher günstige Verlustteilnahmeregelung hat die Triumph International AG gewählt. 75 Die an einen Bilanzverlust geknüpfte 73 "Entsprechend§ 10Abs. 5 KWG i.d. F. vom 1.01.1985nimmtdasGenußrechtskapital an Entnahmen aus den Rücklagen und Einstellungen in die Rücklagen anteilig im Verhältnis zu den übrigen Rücklagen teil; durch Einstellungen in die Rücklagen darf das Genußrechtskapital jedoch nicht über den Gesamtgrundbetrag hinaus erhöht werden." § 5(3) Genußscheinbedingungen der DG Bank 1985. 74 Eine solche die Genußscheininhaber eindeutigt benachteiligende Vertragsklausel weisen zumindest die börsennotierten Genußscheine nicht auf. 75 Eine Verlustteilnahme bei der Triumph International AG durch den Abschluß eines Gewinnabführungsvertrages mit der Triumph International Holding GmbH für die Dauer

4. Verlustteilnahmebestimmungen beiGenußscheinen

45

Verlustteilnahme sieht nach der zwingenden Auflösung aller offenen Rücklagen eine limitierte Verlustteilnahme vor: "Die jährliche Minderungsrate ist begrenzt auf 8% des Grundbetrages. Wird dieser Höchstsatz nicht erreicht, so beläuft sich die Minderungsrate auf 30% des nach Rücklagenauflösung verbleibenden Jahresverlustes, verteilt auf die Grundbeträge der Zertifikate." 76 Bei geringen verbleibenden Verlusten werden die Genußscheine überproportional im Verhältnis zum Grundkapital betroffen, denn das Genußkapital macht mit 12 Mio. DM nur etwa 17,6% des Grundkapitals aus. Steigt der verbleibende Verlust auf jedoch über 3,2 Mio. DM an, so greift die Begrenzung der Verlustteilnahme auf maximal 8% p.a., so daß die Verlustteilnahme relativ zur Verlustteilnahme des Grundkapitals abnimmt. 77 4.10. Besserungsabreden bei Verlustteilnahmen und Ausschüttungsausfall

In der Regel sind Bankengenußscheine mit einer Wiederauffüllungsklausel ausgestattet. Diese Regelung bewirkt, daß das nach einer Verlustteilnahme herabgeschriebene Genußkapital bei Vorliegen von Jahresüberschüssen in nachfolgenden Geschäftsjahren auf den Ursprungsbetrag wiederaufgefüllt wird. Die Wiederauffüllungsklausel ist allerdings auf die Laufzeit des Genußkapitals beschränkt und mit der Einschränkung versehen, daß gegebenenfalls gesetzlich vorgeschriebene Zuführungen zu den gesetzlichen Rücklagen einer Wiederauffüllung vorrangehen. Auch hier sind verschiedene Wiederauffüllungsversionen gebräuchlich. Die häufigste Version ist die vorrangige Verwendung des Jahresüberschusses zur Wiederauffüllung des Genußkapitals. Die Vereinbarung einer gleichrangigen Wiederauffüllung, bei der einer Verlustteilnahme folgende Jahresüberschüsse im Verhältnis der Verlustteilnahme dem Genußkapital und den Rücklagen des Unternehmens zugebucht werden, ist i. d. R. mit einem Verbot sämtlicher Ausschüttungen verbunden. Weniger häufig ist die Vereinbarung einer kumulativen Nachzahlung ausgefallener Ausschüttungen zu finden. Denn Nachzahlungen können nur dann und insoweit anfallen, wie vorher Ausschüttungen ausgefallen sind. Da das Ausmaß der Nachzahlungen bestimmbar sein muß, können Nachzahlungsverpflichtungen nur bei Genußscheinen mit Fest- oder Mindestverzinsung vereinbart dieses Vertrages ausgeschlossen: "Das sich aus Ziff. 2, Abs. 4 ergebende Verlustrisiko besteht für die Dauer des Gewinnabführungsvertrages nicht, weil bei der Triumph International AG kein Verlust entstehen kann." Darüberhinaus wird den Minderheitsgesellschaftern durch die Muttergesellschaft eine jährliche Dividende in Höhe von 7,50 DM garantiert. Vgl. Beilage zu den Genußscheinbedingungen der Triumph International AG. 76 Braun, M.: Die Finanzierung durch Ausgabe von Genußzertifikaten, ÖBA 1967, S. 334.

77 Bei einem verbleibenden Verlust von etwa 5,45 Mio. DM entspricht der auf das Genußkapital entfallende Verlust dem Anteil des Genußkapitals am Eigenkapital. Darüberhinausgehende Verluste belasten das Genußkapital unterproportionaL

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

46

werden. Eine Verpflichtung zur Nachzahlung bleibt allerdings nur während der Laufzeit der Genußscheine bestehen. Die Genußscheine der Kreissparkasse Pinneberg sehen gar eine verzinsliche Nachzahlung vor. Als Verzinsungsatz ist der bei diesen Genußscheinen feste Ausschüttungssatz vorgesehen. 78 4.11. Die Problematik unterschiedlicher Anknüpfungstatbestände for Verlustteilnahme und Ausschüttungsausfall

In nicht wenigen Fällen weisen Genußscheinbedingungen unterschiedliche Anknüpfungstatbestände für Verlustteilnahme und Ausschüttungsausfall auf. 79 So ist in den Genußscheinbedingungen der Commerzbank eine Verlustteilnahme an einen Jahresfehlbetrag, ein Ausschüttungsausfall dagegen an einen Bilanzverlust geknüpft. Diese Kombination der Bedingungen ermöglicht es, bei Vorliegen eines Jahresfehlbetrages den Genußschein durch Herabschreibung des Buchwertes an einem Verlust teilnehmen zu lassen und gleichzeitig eine Ausschüttung auf das Genußkapital vorzunehmen. 80 Zu einer Ausschüttung auf die Genußscheine kommt es in den Fällen, in denen über den Ausgleich des Jahresfehlbetrages hinaus Gewinnrücklagen 81 aufgelöst werden. Dies sei an einem Beispiel erläutert: A usgangslage: Grundkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 Kapitalrücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Gewinnrücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Genußkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Jahresfehlbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Eigenkapital ... . .............. . .. .. 2260 Für das Genußkapital sei eine Mindestausschüttung von 8% vorgesehen, wenn diese zu keinem Bilanzverlust führt. Eine Verlustteilnahme ist durch proportionale Übernahme eines Jahresfehlbetrages vorgesehen. Im ersten Fall werden zum Ausgleich des Jahresfehlbetrages den Gewinnrücklagen 200 GE entnommen. Im zweiten Fall wiii die Gesellschaft über die zum Ausgleich notwendigen 200 GE den Gewinnrücklagen soviel entnehmen, daß die Genußscheininhaber in den Genuß ihrer Mindestauschüttung 78

§ 7.2.

Vgl. Genußscheinbedingungen der KSK Pinneberg, Tranchen 1, 2 und 3, jeweils

79 So die Genußscheine der Bayrischen Raiffeisen Beteiligungsgesellschaft, die 1988 emittierten Genußscheine der Berliner Bank, die Genußscheine der Commerzbank und ihrer beiden Tochtergesellschaften Berliner Commerzbank und Rheinische Hypothekenbank, sowie die Genußscheine der Coop eG, der Stuttgarter Bank und der Südwestbank. 8 ° Fischer weist auf dieses von ihm bezeichnete Genußschein-Paradoxon hin. In seinem Beispiel hat er aber eine Verlustteilnahme an einem negativen Betriebsergebnis angeknüpft. Es genügt aber schon die Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag. Vgl.: Fischer, T. F .: a.a. O ., S. 191 f. 81 Eine Auflösung von Kapitalrücklagen und gesetzlichen Rücklagen ist bis aufwenige gesetzlich geregelte Ausnahmen nur zum Ausgleich von Jahresfehlbeträgen oder Bilanzverlusten zulässig.

4. Verlustteilnahmebestimmungen bei Genußscheinen

47

kommen. Voraussetzung für die Auszahlung ist jedoch der Ausweis eines zumindest ausgeglichenen Bilanzergebnisses, so daß im Fa112 die Auflösung weiterer Gewinnrücklagen notwendig wird. Unterstellt man, daß Ausschüttungen aufGenußscheine bereits im Rahmen der Gewinnverwendung zu berücksichtigen sind 82 , so vergrößert sich durch die Mindestauschüttung der Jahresfehlbetrag auf 290 GE. An diesem Fehlbetrag sind nach den Bedingungen die Genußscheininhaber zu beteiligen: Während sich ohne Vornahme der Mindestausschüttung nur eine Verlustteilnahme von 50 GE ergibt, verringert sich der Rückzahlungsbetrag des gesamten Genußkapitals um zusätzliche 8 GE. Entsprechend ihrem Anteil am Risikokapital (Eigenkapital einschl. Genußkapital) werden die Genußscheininhaber durch die höhere Herabbuchung des Rückzahlungsbetrages zur Mitfinanzierung ihrer eigenen Ausschüttung herangezogen. Dennoch ist eine solche Vorgehensweise des Emittenten für den Genußberechtigten von Vorteil, denn schließlich erhält er eine Ausschüttung, die ihn nach den Genußscheinbedingungen erstens nicht gewährt werden müßte und die zweitens zum überwiegenden Teil vom Emittenten getragen wird. Darüberhinaus wird u. U. der Rückzahlungsbetrag erst in ferner Zukunft fallig, so daß der "Eigenanteil" der Ausschüttung noch abzuzinsen wäre, falls in den Genußscheinbedingungen keine Wiederauffüllungsklausel enthalten ist. Ist gar eine Wiederauffüllung vorgesehen, bleibt der tatsächliche Eintritt der Verlustteilnahme, nämlich die verringerte Rückzahlung, noch abzuwarten.

Fall 1:keine zusätzliche Rücklagenauflösung:

Fall 2: zusätzliche Rücklagenauflösung:

Jahresfehlbetrag v. GA Genußausschüttung Jahresfehlbetrag

_o -250

Jahresfehlbetrag v. GA Genußausschüttung Jahresfehlbetrag

-250 - 40 -290

VTN Genußkapital Rücklagenauflösung Bilanzergebnis

+ 50 +200 0

VTN Genußkapital Rücklagenauflösung Bilanzergebnis

+ 58 +232 0

Grundkapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage Eigenkapital Genußkaeital Risikokapital

1000 500 300 1800 450 2250

Grundkapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage Eigenkapital Genußkaeital Risikokapital

1000 500 268 1768 442 2210

-250

Insgesamt gesehen verringert eine Ausschüttung das Risikokapital um den Ausschüttungsbetrag, während sich das Eigenkapital nur um einen Betrag vermindert, der um den "Eigenanteil" der Genußscheininhaber geringer ist.

82

Adler/DüringfSchmaltz: Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen,

5. Auflage, Stand 6. Teillief., 1989, Tz. 16 zu§ 268 HGB; Kommission für Bilanzierungs·

fragen des Bundesverbandes deutscher Banken, a. a. 0 ., S. 254.

48

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

4.12. Ausschüttungsbasis und Verlustteilnahme

Bei der Analyse von Genußscheinen ist nicht außer Acht zu lassen, ob sich nach einer Verlustteilnahme der Ausschüttungssatz auf das herabgeschriebene Genußkapital oder den Nennbetrag des Genußkapitals bezieht. Von einer solchermaßen variablen Ausschüttungsbasis ist beiGenußscheinen auszugehen, die gleichzeitig mit einer Mindestausschüttung und der Teilnahme an einer Kapitalherabsetzung versehen sind. Bis auf zwei Ausnahmen wird bei allen börsennotierten Genußscheinen zwischen Nennbetrag (oder Grundbetrag), der Grundlage der Ausschüttung ist und dem Rückzahlungsbetrag unterschieden, auf den sich die Verlustteilnahme bezieht. Bei den Genußscheinen von Pfleiderer83 und der Landwirtschaftlichen Rentenbank 84 dagegen wird der Grundbetrag der Genußscheine herabgeschrieben und damit gleichzeitig die Ausschüttungsbasis verringert. 5. Ausschüttungsbestimmungen bei Genußscheinen

Als aus Anlegersicht wohl wesentlichstes Merkmal der Genußscheine müssen die Ausschüttungsbestimmungen angesehen werden. Da die Ausschüttungsbestimmungen wie alle anderen Genußscheinmerkmale nicht gesetzlich geregelt sind, steht einer phantasievollen Ausgestaltung dieses wichtigen Merkmals von Genußscheinen nichts im Wege. 85 Zunächst ist bei einer Ausschüttung zwischen Festzins und variabler Ausschüttung zu unterscheiden. Die variable Ausschüttung kann aber nicht nur von Erfolgskennziffern des Emittenten, sondern auch von externen Bedingungen abhängig gemacht werden. Eine solche Bedingung könnte ein beliebiger (Markt-) Zinssatz, wie z. B. die täglich von der Bundesbank errechnete Umlaufrendite 83 Vgl. §4(1) der Genußscheinbedingungen: "Im Fall eines Konzern-Jahresfehlbetrages vermindert sich der Genußscheingrundbetrag um das 0,6-fache der negativen Eigenkapitalrendite bezogen auf den jeweiligen Genußscheingrundbetrag zu Beginn des abzurechnenden Geschäftsjahres.". 84 Vgl. § 5(3) der Genußscheinbedingungen: "Weist die LR einen Bilanzverlust aus, so sind das Genußrechtskapital und die Hauptrücklage im Verhältnis ihrer Grundbeträge abzuschreiben.". 85 Albach schlug vor, einen Teil des den Genußscheininhabern zustehenden Gewinns gleichmäßig auf alle Genußscheine zu verteilen und den anderen Teil auf einzelne Genußscheine zu verlosen. Albach, H.: Zur Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Risikokapital, (ifm-Materialien Nr. 9), Bonn 1983, S. tt7; Zur Diskussion dieses Vorschlags vgl.: Reuter, D.: Welche Maßnahmen empfehlen sich, insbesondere im Gesellschafts-und Kapitalmarktrecht, um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen langfristig zu verbessern?, Gutachten B für den 55. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des 55. Deutschen Juristentages, Bd. I., München 1984, S. B 24(25 u. S. B. 27; Albach, H.: Referat zum Gutachten B, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.): Verhandlungen des 55. Deutschen Juristentages, Bd. II, München 1984, S. K 30.

5. Ausschüttungsbestimmungen bei Genußscheinen

49

öffentlicher Anleihen sein. Bei der Unterscheidung zwischen Kreditkapital und Beteiligungskapital ist daher auf die Abhängigkeit der Ausschüttung vom Unternehmenserfolg abzustellen. 86 Da eine von externen Bedingungen abhängende Genußausschüttung eher als Ausnahme zu betrachten ist87 , soll unter variabler Ausschüttung eine mit dem Unternehmenserfolg schwankende Ausschüttung verstanden werden. Die Gewinnbedingtheit der Ausschüttung wird ohnehin auch bei den meisten festverzinslichen Genußscheinen unterstellt, da sie ansonsten ihre Eigenkapitalqualifikation verlieren würden. Betrachten wir die Genußscheine mit variabler Ausschüttung, so sind dort zunächst grundsätzlich zwei Typen zu unterscheiden: I. Genußscheine, bei denen zusätzlich zu einer festen Basisverzinsung

ein erfolgsabhängiger Bonus gezahlt wird,

II. Genußscheine mit vollkommen erfolgsabhängiger Ausschüttung. Diese beiden Grundtypen lassen sich dann weiterhin anhand der ausschüttungsdeterminierenden Erfolgskennziffer unterscheiden: Bei den börsennotierten Genußscheinen wird häufig an die Dividende von Aktien des Emittenten angeknüpft. Daneben treten Genußscheine auf, deren Ausschüttung von einer in den Genußscheinbedingungen definierten "Rendite" determiniert wird. Diese Rendite ist aber in allen Fällen in ein Verhältnis von Bezugsergebnis zu Bezugskapital überführbar. Es hat den Anschein, daß Genußscheine, deren Ausschüttung sich (teilweise) als Quotenanteil einer Bemessungsgrundlage bestimmt, 88 dieser Klassifizierung nicht zugeordnet werden können. Betrachtet man aber das Verhältnis von Jahresüberschuß zuGenußkapital als "Rendite", so bedarf es zusätzlich nur der Angabe des Quotenanteils. Dieser Quotenanteil ist dann wie ein Ergebnispartizipationsfaktor zu betrachten.

Süchting, J.: Finanzmanagement, 5. Aufl., Wiesbaden 1989, S. 24. Eine solche variable Ausschüttungsgestaltung sehen die Genußscheine der Kaufring e.G., Düsseldorfund der VHV, Hannover vor. Vgl. § 3(2) Genußscheinbedingungen der Kaufring eG: "Liegt die Rendite der umlaufenden Bundesanleihen mit der längstveröffentlichten Restlaufzeit, wie sie von der Deutschen Bundesbank bekanntgegeben wird, am letzten Börsentag eines Jahres über 8% oder unter 6%, so erhöht oder ermäßigt sich die Ausschüttung auf die Genußscheine für das nächste folgende Geschäftsjahr um die Differenz mit der die genannte Rendite über 8% oder unter 6% lag." Vgl. § 3(1) Genußscheinbedingungen der VHV: "Die Genußberechtigten erhalten eine der Rücklagendotierung der VHV - ausgenommen einer satzungsgemäßen Mindestzuführung vorgehende Verzinsung in Höhe der durchschnittlichen Umlaufrendite von Bankschuldverschreibungen mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren (gemäß Reihe 2 Wertpapierstatistik der statistischen Beihefte zu den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank, Ziff. 8c) des Jahres, für das die Ausschüttung erfolgt, plus 1%." . 88 Eine solche Ausschüttungsgestaltung sehen z. B. die nicht börsennotierten Genußscheine der Amro-Handelsbank AG, Köln vor. 86

87

4 Kanders

50

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

5.1. Klassifizierung von Genußscheinen zur Kapitalbeschaffung

Insgesamt lassen sich anhand der Ausschüttungsbestimmungen fünf Typen von Genußscheinen unterscheiden 89 : Typ A: festverzinslich Typ B: feste Grundausschüttung

+ dividendenabhängiger Bonus

Typ C: vollkommen dividendenabhängige Ausschüttung Typ D: "rendite"-abhängige Ausschüttung Typ E: feste Grundausschüttung + "rendite"-abhängiger Bonus Welche Bedeutung die einzelnen Typenklassen am Markt haben, zeigt die folgende Grafik, die den jeweiligen Marktwert der Summe alle börsennotierten Genußscheine und dessen Verteilung auf die TypenAbis D zumJahresendeder

Typenklassenverteilu ng

1985

IZZJ

Typ A

1986

(SS}

Typ 8

1987

IZ:z:l

19 88 Typ C

1999

I>SSSJ

Typ D

Abb. 5: Verteilung des börsennotierten Genußkapitals (Marktwert) auf die Typenklassen der Genußscheine 89 Meilicke unterscheidet lediglich drei Ausschüttungstypen: Dividendenabhängig, konzerngewinnabhängig und Schuldverschreibungen mit Verlustteilnahme. Vgl.: MeiIicke, H.: WelchenGenuß gewährt der Genußschein?, BB 1987, S. 1609-1614.

5. Ausschüttungsbestimmungen beiGenußscheinen

51

Jahre 1985 bis 1989 angibt, da Genußscheine des Typs E in diesem Zeitraum nicht börsennotiert waren. Die Grafik zeigt, wie sich die Bedeutung der verschiedenen Genußscheintypen verändert hat. Während die Genußscheine des dividendenabhängigen Typs C im Jahre 1985 zunächst mehr als die Hälfte des Marktwertes der Genußscheine ausmachte, sind im Jahre 1989 die festverzinslichen des Typs A zu bedeutensten Gruppe herangewachsen. Das Volumen der Genußscheine der Mischform des Typs B bleibt im Zeitablauf nahezu unverändert, welches mit einer starken Abnahme der relativen Bedeutung einhergeht. Die seit 1986 notierten Genußscheine der Bertelsmann AG, die als größte Einzelemission im wesentlichen allein die Typenklasse D ausmacht, hat trotz erheblicher Kursverluste mittlerweile einen höheren Marktwert erlangt. 5.1.1. Genußscheine vom Typ A Der Genußschein vom Typ A zeichnet sich durch eine feste Ausschüttung aus, die nicht überschritten werden kann. Ein Ausfall ist jedoch möglich, denn die Ausschüttung wird i. d. R. von einem bestimmten Jahresergebnis des Emittenten abhängig gemacht: Reicht das in den Genußscheinbedingungen definierte Jahresergebnis nicht zur vollständigen Bedienung der Genußscheine aus, so verringert sich die Ausschüttung (bzw. entfällt vollständig90) . Vielfach sind Genußscheine dieses Typs jedoch mit kumulativer Nachzahlung ausgestattet, was den Emittenten bei entsprechend besseren Ergebnissen in nachfolgenden Geschäftsjahren zur Nachzahlung ausgefallener Ausschüttungen verpflichtet. Der weitaus größte Teil der börsennotierten Bankengenußscheine und damit aller Genußscheine- sowohl vom Emissionsvolumen als auch von der Anzahl her- ist mittlerweile diesem festverzinslichen Typ zuzuordnen. Das Bestreben diese Genußscheine für den Anleger möglichst risikoarm zu gestalten, zeigt sich auch in der häufigen Verwendung des Ausstattungsmerkmals "kumulative Nachzahlung" und der Anknüpfung von Ausschüttungsausfall und Verlustteilnahme an einen Bilanzverlust (BV). Letzteres ermöglicht es dem Emittenten, den Ausweis dieses Verlusttatbestandes durch Rücklagenauflösung zu vermeiden. Dagegen wurde in nur fünf Fällen bei der Herabsetzung des Rückzahlungsbetrages und in nur vier Fällen beim Ausschüttungsausfall die Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag (JF) gewählt. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die börsennotierten Genußscheine dieses Typs und einige kurze Angaben über deren Vertragsbedingungen:

90 Bei einigen börsennotierten Genußscheinen anderer Typenklassen wird eine Mindestausschüttung unabhängig vom Ergebnis des Emittenten unbedingt gezahlt.

52

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen Tabelle 4 Börsennotierte Genu8scheine des Typs A

I I

Genußscheine Typ A

Ausschüt- I Kumulative !Herabsetzung ~ tungsausfalll Nachzahlung der Rückzahlung

fMindestausJschüttung

i I I

IBayerische Hypo JBerliner Bank 86 I JBerliner Bank 88 I 'Berliner Bank 89 Berl. Commerzbank ICoop eG I JDepfa I IFord Bank Gerl ing IHamb. Landesbank 87J fHamb. Landesbank 88J IKSK Pinneberg 1+2 KSK Pinneberg 3 I ILandwirt. Rentenbk I !Rheinische Hypo I ISüdwestLB I.IGZ A IWGZ B+C I ll.lestLB I

I I

7,75 5 7 8 8 8,25 7,5 7,4 7,5 7,5 7,5 7,125 7,75 7,75 8 7,5 7,5 8,25 8,4

JF BV BV BV BV JF BV JF JF BV BV BV BV BV BV BV BV BV BV

nein nein nein nein ja ja ja ja nein ja ja verz 91 verz ja ja ja nein nein ja

BV BV JF JF JF BV BV JF JF BV BV BV BV BV BV BV BV BV BV

Tabelle 5 Börsennotierte Genu8scheine des Typs 8

I

Genußschein Typ B

II MA II DPF II DPG II I

IBayr Raiffeisen Betl Corrmerzbank IEurokai 84 I !Eurokai 88 92 I Stuttgarter Bank Südwestbank

I

I

5,001 8,25 8 I 8 I 7,5 7,5 I

I

0,251 0,5 1,3 1 1,3 1 0,5 0,5

I

I

AAF

JF 6 I BV 3 I nein 3 I nein 4,5, BV 3,5 BV 0

KMZ nein nein nein nein

Ifder Herabsetzung I Rückzahlung I I

II I

I

BV JF KHS KHS JF JF

91 Die Genußscheine der KSK Pinneberg sehen eine verzinsliche kumulative Nachzahlung vor: "Ausgefallene Ausschüttungen sind ... zuzüglich auf die Ausschüttung entgangener Zinsen in Höhe des .. . festgelegten Satzes nachzuholen." § 7.2 Genußscheinbedingungen der KSK Pinneberg, Tranchen 1, 2 und 3. 92 Die Genußscheine der Eurokai unterscheiden sich im wesentlichen dadurch, daß der Genußschein·von 1988 mit einer Beschränkung der Ausschüttung aufmaximal1 2% des Grundbetrages versehen ist, während der ältere Genußschein keine Ausschüttungsbeschränkung kennt. Vgl. §2(1) Genußscheinbedingungen der Euro-KAI von 1988.

I

t I I

I

5. Ausschüttungsbestimmungen bei Genußscheinen

53

5.1.2. Genußscheine vom Typ B Typ B weist zusätzlich zur Mindestverzinsung, für deren Zahlung allerdings ebenfalls ein bestimmtes Bilanz- oder Jahresergebnis vorrausgesetzt werden kann, eine von der Dividendenhöhe abhängige Zusatzausschüttung auf. Die Ausschüttung beläuft sich der Form nach also auf MA + DPF * DIV. Dabei ist unter MA die Mindestausschüttung, unter DPF der Dividendenpartizipationsfaktor zu verstehen, der angibt, zu welchem Anteil der Genußschein an der Dividende (DIV) auf eine Aktie im Nennwert von 50 DM teilnimmt. Vielfach ist auch eine Dividendengrenze vorgesehen, ab der eine Beteiligung einsetzt. Eine solche Grenze soll als Dividendenpartizipationsgrenze (DPG) bezeichnet werden. Die Ausschüttung eines Genußscheins des Typs B stellt sich dann formal dar als: MAX (MA, MA

+ DPF (DIV-DPG)).

In der Tabelle 5 sind die Genußscheine dieses Typs in ihren wesentlichen Ausstattungsmerkmalen dargestellt. 5.1.3. Genußscheine vom Typ C Die Ausschüttung des Typs C ist vollkommen dividendenabhängig gestaltet. Hat der Dividendenpartizipationsfaktor den Wert 1, so entspricht die Auschüttung auf den Genußschein der Dividende, die auf eine Aktie im Nennwert von 50 DM gezahlt wird. Zur Bestimmung der Ausschüttungshöhe bedarf es einzig der Angabe dieses Faktors. Häufig verfügen auch diese Genußscheine über eine Mindestausschüttung, die dann ausgezahlt wird, wenn eine Ausschüttungsgrenze unterschritten wird bzw. die Dividende vollständig ausfällt. 93 Aber ebenso wie bei den vorhergegangen Genußscheintypen kann die Mindestausschüttung entfallen, wenn ein bestimmtes Jahresergebnis nicht erreicht wird. Formal stellt sich die Ausschüttung eines solchen Genußscheins dann dar als: MAX (MA, DPF * DIV).

Die folgende Tabelle 6 gibt eine Übersicht über die börsennotierten Genußscheine des Typs C und deren Ausstattungsmerkmale. Bei der Betrachtung dieser Tabelle fällt auf, daß kein Genußschein dieser Typenklasse eine kumulative Nachzahlung vorsieht. Dies liegt darin begründet, daß es bei den bislang börsennotierten Genußscheinen dieser Typenklasse zu keinem Ausschüttungsausfall kommen kann, da bei der einen Gruppe ein 93 Der Dividendenpartizipationsfaktor der Alldephi-Genußscheine ist im Verhältnis zur angesetzten Mindestausschüttung und der wirtschaftlichen Lage des Emittenten und damit seiner Ausschüttungsmöglichkeiten so niedrig angesetzt, daß das Greifen der dividendenabhängigen Ausschüttung unwahrscheinlich ist. Obwohl die Genußscheine der Alldephi GmbH dem Wortlaut der Ausschüttungsbestimmungen nach eindeutig dem Typ C zuzuordnen sind, wären sie dem wirtschaftlichen Gehalt nach dem Genußscheintyp A zuzurechnen.

54

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen Tabelle 6 Börsennotierte Genußscheine des Typs C

Genußschein Typ C Alldephi 82 Alldephi 86 Allianz ABB (vorm. BBC) Dt. Apo & Ärzte Bk DG Bank 85 DG Bank 87 Dräger SGZ Bank .Triumph

DPF

MA 718751 415 015 I 5 I

215 3175

II I I

0133 012

0124 116 113 1 7 1145 110 110 015

AAF

KMZ

nein nein nein nein

I

I

!Herabsetzung !der Rückzahlung! nein nein nein nein BV JF JF

KHS

nein

BV

KHS 0 1 3

94

Ausfall der Mindestausschüttung ausgeschlossen wird, während bei der anderen keine Mindestausschüttung vereinbart wurde, die entfallen könnte. 5.1.4. Genußscheine vom Typ D Genußscheine des Typs D unterliegen nicht dem Dividendenbeschluß des Emittenten. Hier wird die Ausschüttung durch Multiplikation eines Verhältnisses von Bezugsergebnis (BZE) zu Bezugskapital (BZK) mit einem Ergebnispartizipationsfaktor (EPF) bestimmt. Grundsätzlich können aber auch diese Genußscheine mit einer ausfallbedrohten Mindestausschüttung versehen sein. Formal bestimmt sich die Ausschüttung auf Genußscheine der Typenklasse D dann als: MAX (MA, EPF•BZE/BZK)

Was unter Bezugsergebnis bzw. Bezugskapital zu verstehen ist, bedarf der genauen Bestimmung in den Genußscheinbedingungen. 95 Die in der Tabelle 94 Der Genußschein der Triumph International AG nimmt an einem nach Auflösung aller Rücklagen verbliebenen Bilanzverlust mit einem Quotenanteil von 30% teil. Die jährliche Verlustteilnahme ist allerdings auf maximal 8% des Nennbetrages des Genußscheins beschränkt. Vgl.: Ziff. 2(4) Genuss-Schein-Bestimmungen in der Fassung nach Verschmelzung der Triumph Interdress AG auf die Triumph International AG. Dieses Verlustteilnahmerisiko besteht für die Dauer eines Gewinnabführungsvertrages, 2ydenad0den die Triumph International AG mit ihrer Obergesellschaft, Triumph International Holding GmbH abgeschlossen hat nicht, weil damit auch eine Verlustübernahme seitens der Obergesellschaft verbunden ist und kein Verlust bei der Triumph International AG entstehen kann. (Beiblatt zu den Genuss-Schein-Bestimmungen der Triumph International AG). 9 5 Bei der Bertelsmann AG wird an die sog. "Gesamtkapitalrendite" angeknüpft. Das Bezugsergebnis setzt sich aus dem Konzernjahresüberschuß und den Steuern vom

5. Ausschüttungsbestimmungen beiGenußscheinen

55

aufgeführten Genußscheine knüpfen die Ergebnisteilnahme an einer jeweils den eigenen Bedürfnissen angepassten Definition einer Eigenkapitalrendite (EKR) an. Als einzige bedeutende Emission verbleibt nach der Abfindung für die Klöckner-Genußscheine im Jahre 1989 die ursprüngliche Mitarbeiterbeteiligung der Bertelsmann AG, die mittlerweile sowohl vom Marktwert als auch vom Emissionsvolumen her die bedeutenste aller Genußscheinemissionen darstellt. 96 Tabelle 7 Börsennotierte Genußscbeine des 'JYps D !Herabsetzung I der Rückzahlung

Genußschein Typ D Bertelsmann Klöckner & Co Pfleiderer

5

4

EKR v.Stl JÜ-gesRL! EKR I I BV EKR ~ JF

I

ja ja

neg. EKR KHS neg.EKR 0,6

5.1.5. Genußscheine vomTypE Die Ausschüttung auf Genußscheine des Typs E wird durch eine Mindestausschüttung und einen "renditeabhängigen" Bonusanteil bestimmt. Dieser Bonusanteil kann auch aus einem Quotenanteil am Jahresergebnis bestehen, der sich ebenfalls in die Komponenten Bezugsergebnis (Jahresüberschuß), Bezugskapital (Eigenkapital incl. Genußkapital) und Ergebnispartizipationsfaktor (quotaler Anteil) zerlegen läßt. Von den börsennotierten Genußscheinen ist kein Einkommen und Ertrag zusammen, das Bezugskapital aus dem arithmetischen Mittel der Konzernbilanzsumme zu Beginn und Schluß des Geschäftsjahres. Unter der Gesamtkapitalrendite versteht man i. a. in der Bilanzanalyse das Verhältnis der Summe aus Jahresüberschuß und Zinsaufwand zum Gesamtkapital (Eigen- und Fremdkapital). Ob der der Jahresüberschuß vor oder nach Steuern zu verwenden ist, bleibt unklar, unumstritten ist· allerdings die Aufnahme der Zinsen auf das Fremdkapital in die Kennziffer. Vgl. dazu z.B.: Küting, K.; Weber, C.-P.: Bilanzanalyse und Bilanzpolitik nach neuem Bilanzrecht, Stuttgart 1987, S. 68; LefTson, U.: Bilanzanalyse, 3. Aufl., Stuttgart 1984, S. 35. 96 Im Frühjahr 1989 wurde eine Erhöhung des Genußkapitals im Nominalbetrag von bislang rund 395 Mio DM um 132 Mio. DM zum Kurs von 175% vorgenommen. Der Marktwert der Bertelsmann-Genußscheine belief sich gegen Ende November 1989 unmittelbar nach Ausschüttung auf etwa 900 Mio. DM. 97 Die Nachzahlungsverpflichtung bezieht sich nur auf einen Gewinnanteil aufgrund der Berechnungsformel zur Bestimmung der Genußausschüttung. Da die Berechnungsformel aber auf den Konzerngewinn abgestellt ist, kann für das Genußrecht ein Ausschüttungsanspruch entstehen, obwohl der Emittent (Bertelsmann AG) selbst einen Jahresfehlbetrag ausweist. Die Genußscheinbedingungen sehen jedoch vor, daß die Ausschüttungen auf Genußscheine nur geleistet werden, solange dies nicht zum Ausweis eines Jahresfehlbetrages führt. Vgl.: § 5 Genußscheinbedingungen der Bertelsmann AG.

56

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

Genußschein dieser Typenklasse angehörig. Der nichtbörsennotierte Genußschein der Amro-Handelsbank AG weist neben einer Mindestausschüttung eine (allerdings limitierte) quotale Beteiligung am Jahresüberschuß auf. 98 Formal stellt sich die Ausschüttung auf einen Genußschein des Typs E wie folgt dar: MAX (MA, MA + EPF•BZE/ BZK)

Im Falle einer quotalen Beteiligung am Jahresüberschuß vereinfacht sich die Formel zu: MA + EPF•JÜ /GS 99

5.2. Vergleich verschiedener Ausschüttungsbestimmungen

Zur Verdeutlichung der Wirkungsweise der unterschiedlichen Ausschüttungsbestimmungen soll in einem Beispiel die Höhe der auf einen Genußschein entfallenden Ausschüttung in Abhängigkeit von der Gesamtkapitalrendite vor Steuern gezeigt werden. Da die Bestimmungsgrößen der variablen Ausschüttung von der jeweiligen Ertragssituation des Emittenten abhängen (namentlich sei hier insbesondere die Dividendenhöhe genannt) können für die einzelnen Genußscheintypen keine markttypischen Ausstattungsmerkmale angegeben werden. Allein die Höhe der zu erwartenden Gesamtausschüttung dürfte im wesentlichen durch das Zinsniveau bei Emission bestimmt werden. Als Faustregel kann für festverzinsliche Bankengenußscheine von Emittenten mit hohem Standing ein Zuschlag von etwa einem halben Prozent zur Rendite von risikolosen Anleihen entsprechender Laufzeit festgehalten werden. 100

98 Die Genußscheinbedingungen sind für den Inhaber äußerst unattraktiv gestaltet. Der Großaktionär, die Amro-Bank N.V., war aufgrund der aktienrechtlichen Bestimmungen verpflichtet, den Minderheitsgesellschaftern den Bezug der Genußrechte zu ermöglichen, aber wohl nicht daran interessiert, diese weiterhin in irgendeiner Form über die Aktien hinaus am Ergebnis des Unternehmens zu beteiligen. Daher wurden die Genußscheine so unattraktiv gestaltet, daß davon auszugehen war, daß die Minderheitsaktionäre kaum von ihrem Bezugsrecht Gebrauch machen würden. Neben einem Ausschüttungsgrundbetrag (Mindestausschüttung) von 3,25% ist ein Ausschüttungssteigerungsbetrag von" 7,25% des Jahresüberschusses nach Abzug des Ausschüttungsgrundbetrages, jedoch maximal bis 3,25% des Nennbetrages des Genußsrechtes" vorgesehen.(§ 2(1) Genußrechtsbedingungen der Amro-Handelsbank) Insgesamt ist damit nur eine Maximalausschüttung von 6,5% erreichbar. Im Bezugsangebot an die Aktionäre teilt die Amro-Handelsbank mit, daß das Bezugsrecht mit Null zu bewerten sei. (Vgl. S. 4 des Bezugsangebots). 99 Da in diesem Fall nur positive Größen in die Formel eingehen, kann auf das Maximum von Mindestausschüttung und Mindestausschüttung plus Bonusanteil verzichtet werden. 100 Die konkreten Bestimmungen für Ausschüttungsausfall und Verlustteilnahme scheinen dagegen keinen Einfluß auf die Höhe der Nominalausschüttung zu haben.

57

5. Ausschüttungsbestimmungen bei Genußscheinen

Die Ausschüttungsbedingungen sind so gewählt, daß bei einer Gesamtkapitalrendite von einem Prozent über dem Kapitalmarktzins in etwa eine Ausschüttung in Höhe der Gesamtkapitalrendite geleistet wird. Es ist davon auszugehen, daß auch die Emittenten von Genußscheinen solche Überlegungen anstellen und vielfach die Ertragssituation des Emittenten im Emissionszeitraum die konkrete Ausgestaltung der Genußscheinfaktoren determiniert. Soll der Eigenkapitalcharakter des Genußscheinkapitals betont werden, werden zu Lasten einer Mindestausschüttung Partizipationsfaktor entsprechend höher und Partizipationsgrenze niedriger festgesetzt. Die folgenden Beispielgenußscheinbedingungen könnten daher in einer Niedrigzinsphase mit einem Kapitalmarktzins von 6 bis 6,5% entstanden sein: Die Festausschüttung des Genußscheins vom Typ A beträgt 7%. Die Mindestausschüttung des Genußscheins vom Typ B beläuft sich auf 6%. Die Bonusausschüttungen dieses Genußscheins werden durch den Dividendenpartizipationsfaktor von 0,5 und der Dividendenpartizipationsgrenze in der Höhe von 3 DM determiniert. Beim Genußschein des Typs C ist eine Mindestausschüttung von 2,5% und ein Dividendenpartizipationsfaktor von 1,5 vorgesehen. Die Ausschüttungen auf den Genußschein vom Typ D werden durch die Höhe der Gesamteigenkapitalrendite 101 bestimmt. Beim Genußschein desTypsEist zusätzlich zu einer Mindestausschüttung von 3% eine quotale Beteiligung am Jahresergebnis vor Steuern von einem Drittel vorgesehen.

Dem Beispiel liegen ansonsten die folgenden Annahmen zugrunde: Eine Ausschüttung auf einen Genußschein erfolgt nur dann und in einer Höhe, daß dies nicht zum Ausweis eines Jahresfehlbetrages führen würde. Das Grundkapital des Modellemittenten betrage 100 GE, ebenso die Rücklagen und das emittierte Genußkapital. Das Fremdkapital, das mit 6% zu verzinsen ist, beläuft sich auf200 GE. Das Gesamtkapital beläuft sich damit auf 500 GE. Die Dividendenzahlungen richten sich nach folgender Regel: Die jeweilige Dividendenhöhe ist so bemessen, daß als Dividendensumme maximal die Hälfte des Jahresüberschusses nach Steuern ausgeschüttet würde. Der Ertragsteuersatz beträgt 60%, Genußausschüttungen sind als Ausgaben vom steuerpflichtigen Einkommen abzusetzen. Zur Deckung des Zinsaufwandes wird bei einem Fremdkapital von 200 GE und einem Fremdkapitalzins von 6% ein Ertrag von 12 GE benötigt. Dieser ergibt sich bei einem Gesamtkapital von 500 GE bei einer Gesamtkapitalrendite von 2,4%. Bis zu einer Gesamtkapitalrendite von 2,4% entfällt folglich bei allen Genußscheinen die Ausschüttung. Sodann wird der gesamte Überschuß vor 101

pital.

Jahresüberschuß vor Steuern und Genußausschüttung/ Eigenkapital

+ Genußka-

58

B. Ausstattungsmerkmale und Klassifizierung von Genußscheinen

Ausschuet t ungsverlaeufe

10 0

Typ A

Typ B

GesamtKap r ta 1r-eno r te o Typ C

6.

Typ 0

12 X

Typ E

Abb. 6: Ausschüttungsverläufe bei verschiedenen Genußscheintypen in Abhängigkeit von der Gesamtkapitalrendite

Genußausschüttung und Steuern dazu verwendet, eine Genußausschüttung bis zur Höhe einer eventuellen Mindestausschüttung zu leisten. Der Grafik ist zu entnehmen, daß - wie dies auch in der Realität zu beobachten ist - i. d. R. bei Genußscheinen mit einer geringen (im Extremfall gar keiner) Mindestausschüttung die größten Chancen auf hohe Ausschüttungen bestehen.

C. Prämissen der Duplizierung l. Duplizierung als Bewertungsansatz fair Genußscheine

Der Zahlungsstrom eines Genußscheins wird zum einen mehr oder weniger stark von der Unternehmensentwicklung, zum anderen von der speziellen Ausgestaltung der Genußscheinbedingungen bestimmt. Einige Merkmale von Genußscheinen finden sich in den klassischen Finanzierungsinstrumenten Anleihe (Festverzinsung und Rückzahlung) und Aktie (Dividendenabhängigkeit) wieder. Daher kann der Zahlungsstrom eines Genußscheins je nach Typklasse zu einem Großteil aus den beiden Instrumenten allein (Typ A: Anleihe, Typ C: Aktie) oder aus Kombinationen von beiden (Typ Bund Typ C mit Mindestausschüttung) generiert werden. 1 Aus diesem Grund bietet es sich an, zu versuchen, die Genußscheine insgesamt durch Duplizierung, also Zusammenstellung eines Portefeuilles aus am Markt gehandelten und bewerteten Finanzierungsinstrumenten 2 , dessen Zahlungsstrom mit dem des zu duplizierenden Genußscheins übereinstimmt, zu bewerten. Gelingt es, ein solches Portefeuille zusammenzustellen, so liegt dessen Preis beim Preis des Genußscheins, wenn Arbitragefreiheit vorliegt: "Aus der Bedingung der Arbitragefreiheit ergeben sich Aussagen über die Beziehungen zwischen den Preisen bestimmter Finanzierungstitel im Marktgleichgewicht. Der Preis eines Finanzierungstitels läßt sich auf der Grundlage der Arbitragefreiheit eindeutig bestimmen, wenn es möglich ist, durch Kombination anderer Finanzierungstitel eine äquivalente Position herzustellen." 3 Was Arbitragefreiheit bedeutet und welche Vorraussetzungen für allgemeine Arbitragefreiheit vorliegen müssen, wird im folgenden, ausgehend vom Gesetz des Einheitspreises, in einer für das Verständnis des Bewertungsansatzes für Genußrechte hinreichenden, aber gestrafften Form erläutert:

1 Bei der Duplizierung von Genußscheinen der Typen D und E wird nur dann auf Anleihen zurückgegriffen, wenn diese Genußscheine eine Rückzahlung oder Mindestverzinsung vorsehen. 2 Die Begriffe Finanztitel, Finanzierungsinstrument und in diesem Abschnitt auch Wertpapier werden synonym verwendet. 3 Hax, H.; Hartmann-Wendels, T.; von Hinten, P.: Moderne Entwicklung der Finanzierungstheorie, in: Christians, F . W. (Hrsg.): Finanzierungshandbuch, 2. Auflage, Wiesbaden 1988, S. 702.

60

C. Prämissen der Duplizierung

2. Das Gesetz des Einheitspreises Eines der elementaren Gesetze der Ökonomie besagt, daß es auf einem vollkommenen Markt für :~wei homogene Güter zu ein und demselben Zeitpunkt und an ein und demselben Ort nur einen Preis geben kann. Unter Homogenität ist in diesem Zusammenhang nicht nur Übereinstimmung hinsichtlich der physischen Beschaffenheit zu verstehen, sondern auch die Eigenschaften Ort und Zeitpunkt der Bereitstellung des Gutes sind miteinzubeziehen. Das Gesetz des Einheitspreises gilt zumindest unter der Annahme eines vollständigen und vollkommenen Kapitalmarktes auch uneingeschränkt bei der Bewertung von Finanzierungsinstrumenten. Der Wert eines Finanztitels hängt für den Inhaber im wesentlichen von der Höhe der versprochenen Auszahlungen ab und den Vorbehalten, denen die einzelnen Zahlungen unterliegen. Wenn man von gewissen Nebenrechten, wie etwa dem Stimmrecht bei Aktien abstrahiert und allein auf monetäre Größen abstellt, so ist ein Finanztitel dadurch gekennzeichnet, daß durch den Eintritt bestimmter Umweltzustände Auszahlungen auf diesen Finanztitel determiniert werden. Die einzelnen Auszahlungen können von purem Zeitablauf, vom Eintritt bestimmter Ereignisse, die auch nur durch Preise anderer Finanztitel oder Güter beschrieben sein können, oder von einer Kombination aus Zeitablauf und Ereigniseintritt abhängig sein. "Die Charakterisierung eines Finanztitels durch die mit ihm verbundenen Zahlungsströme erfordert die vollständige Angabe der Ein- und Auszahlungen, bestimmt nach Betrag, Zeitpunkt und Umstand, in dem sie demjenigen erwachsen, der Verfügung über den Titel hat. " 4 Allgemein spricht man von zustandsabhängigen Auszahlungen oder state-contingent claims. Der Bewertungsansatz, der Finanztitel aufgrund ihrer zustandsabhängigen Auszahlungen zu bewerten versucht, wird als StatePreference-Ansatz bezeichnet. 5 Auf diesen Bewertungsansatz lassen sich letztlich alle marktorientierten Bewertungsmodelle, nämlich das Capital Asset Pricing Modell 6 sowie Optionspreismodelle 7 und Arbitrage Pricing Modelle 8 4 Wilhelm, J.: Finanztitelmärkte und Untemehmensfinanzierung, Berlin- Heidelberg- New York 1983, S.4. 5 Der Ansatzistauf Arbeiten von Arrow und Debreuzurückzuführen: Arrow, K. J.: Le role des valeurs boursiers pour Ia repartitation Ia meilleure des risque, in: Econometrie, Paris, Centre National de Iä Recherche Scientifique, 1953, S. 41-48; später auch im eng!. erschienen als: The Role of Securities in the Optimal Allocation of Risk Bearing, RES 1964, S. 91-96; Debreu, G .: The Theory of Value, New Haven - London 1959, insbesondere S. 98/99. Vgl. zur Beschreibung des gesamten Bewertungsansatzes: Haley, C. W.; Schall, L. D.: Theory of Financial Decisions, New York u. a. 1973, S. 181-184; Sharpe, W. F.: Portfolio Theory and Capital Markets, New York u. a. 1970, S. 202-220. 6 Vgl.: Lintner, J.: The Valuation ofRisk Assets and the Selection ofRisky Instruments in Stock Portfoliosand Capital Budgets, RESt 1965, S. 13- 37; ders.: Security Prices, Risk, and Maximal Gainfrom Diversification, JoF 1965, S. 587-615; Mossin, J.: Equilibriumin a Capital Asset Market, Econometrica 1966, S. 768- 783; Sharpe, W. F.: Capital Asset Prices: A Theory ofMarket Equilibrium under Conditions ofRisk, JoF 1964, S. 425-442.

3. Zustandspreise und Arrow-Debreu-Securities

61

zurückführen.9 Wendet man das Gesetz des Einheitspreises für homogene Güter auf Finanztitel an, so dürfen nicht nur die Preise zweier homogener Finanzierungsinstrumente, sondern auch die Preise zweier Zahlungsströme, deren Auszahlungen bei Eintritt eines jeden Zustandes übereinstimmen, nicht voneinander abweichen. 10 3. Zustandspreise und Arrow-Debreu-Securities

Beim State-Preference-Ansatz bilden sogenannte Zustandspreise die Basis zur Bewertung von Wertpapieren. Der Zustandspreis Pi des Zustandes j entspricht dem Wert, der der Zahlung einer Geldeinheit bei Eintreten des Zustandes j beizumessen ist. Sind nun die Preise aller Zustände, in denen auf ein Wertpapier Zahlungen geleistet werden, sowie die jeweilige Höhe der Auszahlungen bekannt, so läßt sich auch der Preis des Wertpapiers P (WP) eindeutig ermitteln: Er bestimmt sich als Summe der jeweiligen Auszahlungen (ai) bewertet mit den entsprechenden Zustandspreisen (pi). P(WP)

=

I j~

ai Pi 1

Zur theoretischen Bestimmung von Zustandspreisen führten Arrow 11 und Debreu 12 fiktive Finanztitel ein, bei denen es nur bei Eintritt eines bestimmten Zustandes zur Zahlung von genau einer Geldeinheit kommt. In allen anderen Zuständen gibt es keine Auszahlung. Die Preise dieser als Arrow-Debreu7 Black, F.; Scholes, M.: The Pricing ofOptions and Corporate Liabilities, JPE 1973, S. 637-654; Cox, J. C.; Ross, S. A.; Rubinstein, M . E.: Option Pricing: A Simplified Approach, JFE 1979, S. 229-263; Rendleman, R .; Bartter, B.: Two-State Option Pricing, JoF 1979, S. 1093-1110. 8 Ross, S. A.: The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing, JET 1976, S. 341-360; ders.: Return, Risk and Arbitrage, in: Friend, 1.; Bicksler, James L. (Hrsg.): Risk and Return in Finance, Vol 1, Cambridge, 1977, S. 189-218; ders.: A Simple Approach to the Valuation of Income Streams, JoB 1978, S. 453-475. 9 Jurgeit, L.: Bewertung von Optionen und bonitätsrisikobehafteten Finanztiteln, Wiesbaden 1989, S. 32. 10 Schon wesentlich früher wurden Arbitrageargumente in der Finanzierungstheorie angewendet. So J. M. Keynes bereits 1923 bei der Begründung des Zinsparitätentheorems, Miller und Modigliani 1958 beim Beweis der Irrelevanz der Kapitalstruktur des Unternehmens und Krümme! 1964 bei der Bewertung von Bezugsrechten. Vgl. dazu: Bender, D.: Arbitrage, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 1, 1977, S. 325-333; Spremann, K.: The Simple Analytics of Arbitrage, in: Bamberg, G .; Spremann, K . (Hrsg.): Capital Market Equilibria, Berlin 1986, S. 193; Krümme!, H.-J.: Kursdisparitäten im Bezugsrechtshandel, BFuP, 1964, S. 485-498. 11 Arrow, K . J.: (1953), a.a.O.: S. 41-48; ders.: (1964), a.a.O, S. 91-96. 12 Debreu, G.: a .a.O., S. 98 / 99.

62

C. Prämissen der Duplizierung

Wertpapiere oder auch pure securities bezeichneten Finai,lztitel stimmen mit den Zustandspreisen für den Zustand überein, in dem es zu der Auszahlung kommt. Gibt es für jeden Zustand ein entsprechendes Arrow-Debreu-Wertpapier, so läßt sichjeder beliebige Finanztitel aus diesen Wertpapieren erzeugen. Der Preis des erzeugten Wertpapiers muß der Summe der Einzelpreise der benötigten Arrow-Debreu-Securities entsprechen, ansonsten wäre Arbitrage mittels Portfoliokombinationen von Arrow-Debreu-Securities möglich. "lf we know the price of each Arrow-Debreu-Security, we can value any asset." 13 Leider sind Arrow-Debreu-Securities ein gedankliches Konstrukt und in der Realität nicht beobachtbar. Dennoch helfen uns diese "Wertpapiere" bei der Bewertung von zustandsbedingten Auszahlungen und damit bei der Bewertung jeglicher Zahlungsansprüche. 14 Denn selbst wenn Arrow-Debreu-Securities nicht real existieren, so lassen sie sich dennoch durch Kombination anderer Wertpapiere erzeugen 15 . Dies ist nämlich möglich, wenn die Anzahl der unabhängigen Wertpapiere 16 mit der Anzahl der Zustände übereinstimmt und Leerverkäufe oder die Emission der Wertpapiere zugelassen sind. Während durch die erste Bedingung ein vollständiger Markt beschrieben ist 17 , ermöglicht letzteres, mathematisch ausgedrückt, das Halten einer negativen Anzahl von Wertpapieren. Erfaßt man die Zustandsauszahlungen der Wertpapiere in einer WertpapierZustand-Matrix und stimmt die Anzahl der Wertpapiere mit der Anzahl der Zustände überein, so erhält man eine quadratische Matrix. Sind die Wertpapiere voneinander unabhängig, d. h. es handelt sich bei den einzelnen Wertpapieren um originäre Wertpapiere, so ist diese Matrix invertierbar. Durch Multiplikation einer Matrix mit deren Inverser erhält man die Einheitsmatrix. Die Einheitsmatrix jedoch bildet im Wertpapier-Zustandsraum Arrow-DebreuSecurities ab. Die Inverse der Ursprungsmatrix gibt also an, zu welchen Teilen die einzelnen Wertpapiere gehalten werden müssen, um Arrow-Debreu-Securities zu duplizieren. 13 Varian, H. R.: The Arbitrage Principle in Financial Economics, in: Economic Perspectives, 1987, S. 58. 14 Vgl. zur Anwendung der State-Preference-Theorie z. B.: Kraus, A.; Litzenberger, R .: A State-Preference Modell of Optimal Financial Leverage, JoF 1973, S. 911- 922; Rudolph, B.: Kreditsicherheiten als Instrumente zur Umverteilung und Begrenzung von Kreditrisiken, ZfbF 1984, S. 16-43; Sieger, G.: Die Finanzierung deutscher Industriegesellschaften bei vollkommenem und unvollkommenem Kapitalmarkt, Bonn 1984. 15 Sharpe, W. F.: (1970), a.a.O., S. 209. 16 Unter unabhängig ist lineare Unabhängigkeit im mathematischen Sinne zu verstehen: der Zahlungsstrom eines unabhängigen Wertpapiers kann nicht durch andere Finanztitel dupliziert werden. 17 "When the nurober of Iinearly independent securities is equal to the nurober of alternative future states of nature, the market is said to be complete." Copeland, T. E.; Weston, J . F.: Financial Theory and Corporate Policy, Reading 1988, S. 112.

63

3. Zustandspreise und Arrow-Debreu-Securities

Zur Erläuterung diene ein einfaches Vier-Wertpapier-Vier-Zustände-Beispiel: lolertp. IJP1 IJP2 IJP3 IJP4

S1

r-

I1 Io

L~

Zustände S2 S3 S4 3 2 0

1

0

2 1 1

,

,

Inverse der IJP-S-Matrix

oI oI

~.JI

r1 ,25 - ,375 ,75 1 ,25 1125 -,25 l,25 ,5

oI oI

,375 ,25 ,5 -1,5

~51.J

In diesem Beispiel wird ein Wertpapier erzeugt, das bei Eintreten des Zustands 4 eine Auszahlung von 1, allen anderen Zuständen jedoch weder Aus- noch Einzahlungen vorsieht, wenn die vier verschiedenen Wertpapiere in den Mengen gehalten werden, die in der vierten Zeile der Inversen angegeben werden: D.h. -lA WP1 + 1A WP2 -lA WP3 + 1A WP4führenzueiner Auszahlung in Höhe von 1 im Zustand 4. In allen anderen Zuständen heben sich Ein- und Auszahlungen der einzelnen Wertpapiere auf, so daß es in diesen Zuständen zu keiner Zahlung kommt. S1

-v, y, -w,

IJP1 IJP2 IJP3 y, IJP4

:E

IJPs

S2

-v, -w,

S4

0

0 0 0

-1Y, 2

y,

0

1 -1'/,

0

0

0

0

1

S3

y,

1

Sind die Preise der Wertpapiere bekannt, so ergibt obiges Portfolio bewertet mit den Wertpapierpreisen den Zustandspreis von Zustand S4, daß heißt den Wert einer Geldeinheit, die im Zustand S4 ausgezahlt wird: -1"2 P(WP1)

+

'h P(WP2) -11"2 P(WP3)

+ 1"2

P(WP4)

=

P4

Liegen die folgenden Wertpapierpreise vor: WP1 1,0 WP2 0,7 WP3 0,55 WP4 2,45,

so ergibt sich für den Zustand 4 ein Zustandspreis von 0,25. Sind also die Preise aller Wertpapiere bekannt, so lassen sich bei Erfassung aller relevanten Zustände auch die Zustandspreise ermitteln. In einer quadratischen Wertpapier-Zustands-Matrix ist die Ermittlung der Zustandspreise recht einfach: Wir erhalten sie durch Multiplikation der Inversen mit den Wertpapierpreisen.

64

C. Prämissen der Duplizierung

Inverse

• ,25

I I

,25 -,25 L-,5

-,375 , 125 ,375 ,5

*

,

, 75 -,25 ,25 -1,5

o

WPpreise

I

II

~I

*

,511 ='I

II 1 ,o

~

,

o, 7 0,55 L2,45

=

,

Zustandspreise Ii"

1 o,4 I

I

I

I I 0,2 0,15 L0,25

J

J

Umgekehrt ergibt eine Multiplikation der Auszahlungsmatrix mit den Zustandspreisen die Wertpapierpreise.

Auszahlungsmatrix (B) * Zustandspreise (p) II

II

1

I o

L~

3 2 0

1

0

2

1 1

11

II

11

o I 1 o,4 I o I * I o,2 I o, 15 1

~I .,.II

L

0,25

=='

= WPpreise

II

II

l

-A

(a)

I 1,o I I o,7 I 0,55 2,45

I

Sind also alle Zustandspreise bekannt, lassen sich auch alle Wertpapiere bewerten. Stimmt die Anzahl der unabhängigen Wertpapiere mit der Anzahl der Zustände überein und sind die Preise der unabhängigen Wertpapiere bekannt, so lassen sich auch alle Zustandspreise ermitteln. Es stellt sich also nicht die Frage, ob Arrow-Debreu-Securities existieren, sondern ob es eine hinreichende Anzahl von linear unabhängigen Wertpapieren gibt, die in wenigstens einem von allen möglichen Zuständen eine positive Zahlung vorsehen. Dann gilt: "any asset can be valued in terms of a particular set of assets in the case where the number of assets matches the num ber of states of nature." 18 4. Die Arbitragefreiheitsbedingung Aufgrund der vorhergehenden Überlegungen bezüglich der Existenz von Zustandspreisen gelangt man auch zur Bedingung für ArbitragefreiheiL Dazu bedarf es zunächst einer mathematischen Definition des Begriffes Arbitrage 19 :

Varian, H. R.: a. a. 0., S. 59. Vgl. dazu Spremann, K.: Investition und Finanzierung, 3. Aufl., München - Wien 1990, s. 491 f. 18

19

4. Die Arbitragefreiheitsbedingung

65

Eine Umstrukturierung x eines Portefeuilles heißt Arbitrage, wenn 1. das revidierte Portefeuille in jedem Ereignis dem Inhaber Rückflüsse in nicht

geringerer Höhe bringt als das Portefeuille vor Umstrukturierung oder anders ausgedrückt die Portefeuilleveränderungen allein in jedem Ereignis zu nicht negativen Rückflüssen führen: B'x > = 0.

2. die Umstrukturierung perSaldoweniger zusätzliche Auszahlungen erfordert als Auszahlungen eingespart werden: a'x > 0. Wie im vorhergehenden Kapitel C. 3. dargestellt, wurde durch Multiplikation der Auszahlungsmatrix mit dem Vektor der Zustandspreise der Vektor der Wertpapierpreise determiniert. Betrachtet man die Wertpapiere als Transformationsprozesse, so sind als deren Outputs die möglichen Ereignisse anzusehen. Die Wertpapierpreise sind in diesem Fall als Inputkosten anzusehen und es ergibt sich die Gleichung, durch die mathematisch die Arbitragefreiheit beschrieben wird: B * p = - a zo. Die solchermaßen definierte Arbitragefreiheit läßt sich mathematisch aus einem Trennungssatz der Funktionalanalysis, dem nach Minkowski und Farkas benannten Lemma, herleiten. 21 Das Lemma besagt: Gegeben sei ein vom Nullvektor verschiedener Vektor aE R m und eine Matrix B mit m Zeilen und n Spalten. Dann gilt eine der beiden Alternativen:22 (i) Entweder existiert ein Vektor XE R m so, daß sowohl a'x > 0 als auch B'x>0ER0 gilt (ii) oder es exitiert ein vom Nullvektor verschiedener Vektor p > =0ER0 mit der Eigenschaft: Bp = - aE Rm.

Durch die Alternative (i) ist die Arbitragemöglichkeit mit der gewinnbringenden Portefeuilleumstrukturierung x, und durch die Alternative (ii) ist die der Existenz eines Marktgleichgewichtes mit dem Preisvektor p beschrieben. 23 "Either arbitrage is possible or equilibrium prices exist". 24 Im Einklang mit der obigen Aussage steht, daß auf einem vollkommenen Kapitalmarkt Arbitragefreiheit dann und nur dann vorliegt, wenn nichtnegative Preise für zustandsbedingte Ansprüche existieren. Existieren nur nicht-

Vgl.: Sprernann, K.: (1990), a .a.O., S. 493f. ders.: (1990), a.a.O., S. 494f.; Vgl. dazu auch: Wilhelrn, J.: Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen der Arbitragefreiheit von Finanzrnärkten, ZfbF 1981, S. 901. 22 Vgl. z. B.: Nikaido, H.: Convex Struktures and Econornic Theory, New York 1968, S. 38; Takayarna, A.: Mathernatical Econornics, Hinsdale 1974, S. 42. 23 Sprernann, K.: (1990), a. a. 0., S. 494. lA ders.: (1986), a.a. O., S. 200. 20

21

5 Kanders

66

C. Prämissen der Duplizierung

negative Preise, so muß ein Portefeuille, das in jedem Zustand einen nichtnegativen Einzahlungsüberschuß abwirft, einen positiven Preis haben. 25 Es läßt sich leicht nachvollziehen, daß auch durch diese Aussage die Arbitragefreiheitsbedingung beschrieben ist. Wenn man nun bedenkt, daß auf einem vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkt der Zahlungstrom eines beliebigen Wertpapiers durch ein entsprechendes Portefeuille von Arrow-Debreu-Securities dupliziert werden kann 26 , so ist letztlich die Existenz von Zustandspreisen eine notwendige und hinreichende Bedingung für Arbitragefreiheit. 27 "The no-arbitrage profit condition requires that the price of the market security be equal to the price of any linear · combination of pure securities that replicates the market security's payoff vector. " 28 Folgt man der Definition von Spremann, daß unter Marktpreisen ein System von Preisen oder Kursen verstanden wird, unter denen keine Arbitrage mehr möglich ist, liegt auch gleichzeitig ein Marktgleichgewicht vor. 29 Daß mit der Arbitragefreiheit auch gleichzeitig Wertadditivität verbunden ist, ist einleuchtend: Wertadditivität bedeutet nichts anderes, als daß die Summe der Einzelpreise der Elemente eines Portefeuilles mit dem Gesamtpreis des Portefeuilles übereinstimmen muß. 30 Liegt die Summe der Einzelpreise über dem Gesamtpreis, so ergibt sich eine Arbitragemöglichkeit durch Erwerb des Portefeuilles, dessen Zerlegung in Einzelelemente und deren Verkauf. Im umgekehrten Falllassen sich durch Erwerb der Einzelelemente, deren Bündelung und Verkauf Arbitragegewinne erzielen. Es liegen bei einem vollständigen und vollkommenen Kapitalmarkt also folgende Bedingungen gleichzeitig vor oder nicht vor: 1) 2) 3) 4)

Die Existenz positiver Zustandspreise für jeden einzelnen Zustand Wertadditivität Arbitragefreiheit Ein Marktgleichgewicht

Ist nur eine der Bedingungen verletzt, ist damit gleichzeitig nachgewiesen, daß zumindest zwei der anderen drei Bedingungen nicht eingehalten sind. 31 Die mathematische Formulierung der Arbitragefreiheitsbedingung kann nun verwendet werden, festzustellen, ob sich gewinnbringende ArbitragemöglichkeiFranke, G .; Hax, H.: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, Berlin Heidelberg- New York 1988, S.296. 26 Copeland, T. E.; Weston, F . J.: a.a.O., S.116. 27 Varian, H. R.: a.a.O., S. 60. 28 Copeland, T. E.; Weston, F. J .: a.a .O., S. 116. 29 Spremann, K.: (1990), a.a.O., S.488. 30 Franke, G.; Hax, H.: a.a.O., S. 297. 31 Bei negativen Zustandspreisen für einen Zustand könnte nämlich Wertadditivität gegeben sein. 25

-

4. Die Arbitragefreiheitsbedingung

67

ten ergeben, wenn alle Komponenten der Auszahlungsmatrix und alle Preise des Vektors der Wertpapierpreise bekannt sind. Ergibt sich eine positive Lösung für den Vektor der Zustandspreise, ist nämlich keine Arbitrage möglich. Ergibt die Lösung negative Zustandspreise, können durch Arbitrage risikolose Gewinne erzielt werden. Leider gibt die Theorie keinen Hinweis darauf, welche Portfoliokombination gewinnbringend ist. 32 Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Arbitragefreiheitsbedingung ergibt sich bei der Preisfeststellung neuer (derivativer) Finanzinstrumente, wenn durch die vorhandenen Wertpapiere alle Preise für Zustände, die bei dem zu bewertenden Instrument zu Auszahlungen führen, festgelegt worden sind. Denn in diesem Falllassen sich die derivativen Wertpapiere in Linearkombinationen bereits bestehender Wertpapiere überführen. Die Bildung einer solchen Linearkombination wird als Duplizierung bezeichnet. Duplizierbare Wertpapiere heißen derivative Finanzierungsinstrumente. 33 Eine vollständige Bewertung über den Arbitrageansatz kann also nur für derivative Finanztitel erfolgen. Sehen die zu bewertenden Wertpapiere Auszahlungen in Zuständen vor, in denen auf die übrigen Finanztiteln keine Auszahlungen geleistet werden, so handelt es sich um originäre Wertpapiere. Diese wiederum können nur unter Zuhilfenahme eigener derivatives (z. B. Optionen auf die zu duplizierenden Wertpapiere) vollständig bewertet werden. Allerdings kann aufgrund der Preise der übrigen Wertpapiere ein Mindestpreis für den betreffenden Finanztitel angegeben werden, der sich aus der Summe aller bewerteten Auszahlungen zu den mit den übrigen Wertpapieren erreichbaren Zuständen ergibt. Dieses Finanzierungsinstrument ist genau um den Teil wertvoller, der sich aus der Multiplikation der Auszahlungen der bisher nicht erreichbaren Zuständen mit deren Preisen ergäbe. Dabei wird unterstellt, daß in den Preisen der zu Duplizierung verwendeten Wertpapiere der Umstand berücksichtigt ist, daß sich die Anzahl der Zustände verändert hat. 34 Es stellt sich bei der Bewertung eines Wertpapiers (im vorliegenden Fall beim Genußschein) also konkret die Frage, ob dessen Auszahlungsmatrix nur von Zuständen abhängt, deren Zustandspreise durch Duplizierung ermittelt werden können und damit aus den Preisen am Markt existierender Titel ableitbar sind. Können nämlich die entsprechenden pure securities dupliziert und damit die Zustandspreise ermittelt werden, ist auch die Duplizierung des zu bewertenden

Spremann, K.: (1990), a.a.O., S. 496. ders.: (1990), a. a. 0., S. 488. 34 Existieren sichere Zahlungsansprüche, dann sind in jeden Zl!stand Zahlungen zu erreichen. Das konkrete Problem bei der Hinzufügung eines sicheren Zahlungsanspruchs dürfte aber wohl darin liegen, daß damit eine unbeschränkte Anzahl von denkbaren Zuständen abgedeckt wird, so daß der Preis des einzelnen Zustands nicht mehr zu identifizieren ist. 32 33

68

C. Prämissen der Duplizierung

Wertpapiers möglich, daß sich dadurch als eine Kombination bekannter Finanzierungsinstrumente und somit als derivativer Finanztitel herausstellt. 5. Anwendung von Arbitrageüberlegungen zur Bewertung sicherer Zahlungsströme und bei der Auswahl festverzinslicher Anleihen Die Arbitragefreiheitsbedingung und deren Implikationen lassen sich hervorragend bei der Bewertung sicherer mehrperiodiger Zahlungsströme anwenden. Die Anwendung ist leicht durchzuführen, weil aufgrund der Sicherheit der Zahlungen nur noch der Zahlungszeitpunkt bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Welche sonstigen Umstände am Zahlungszeitpunkt herrschen, spielen bei sicheren Zahlungsströme definitionsgemäß keine Rolle. Es entfällt somit eine große Anzahl von möglichen Zuständen, die bei der Bewertung risikobehafteter Zahlungsströme einzubeziehen wären. Übrig bleiben allein die Zahlungszeitpunkte, die nun als Ereignisse, mit deren Eintritt die Auszahlungen erfolgen, angesehen werden können, so daß die Voraussetzungen für eine Anwendung der Arbitragefreiheitsbedingung gegeben sind. Die Zustandspreise (für Eintritt des Ereignisses) ergeben sich als Zerobonddiskontfaktoren (spot rates) der entsprechenden Perioden. 35 Da die Einbeziehung aller denkbaren Zustände erhebliche Schwierigkeiten bereitet, wurde die Duplizierungsstrategie zunächst auch nur bei risikolosen (oder als solche betrachteten) festverzinslichen Wertpapieren angewendet. Anband eines einfachen Beispiels über zwei Perioden soll sie kurz erläutert werden: 36

Gegeben seien zwei gesamtfällige Schuldtitel (Ao, ~) mit einer Restlaufzeit von 2 Jahren und einem Nominalkupon von 6% bzw 4%. Zusätzlich existiere eine Anleihe A1 mit einer Restlaufzeit von einem Jahr und einem Nominalkupon in Höhe von 3%. 2

106 Az

4

104

Aus den Anleihen A1 und ~ läßt sich ein Portefeuille konstruieren, das zu allen Zahlungsterminen im Beispiel den gleichen Zahlungsstrom besitzt wie die Anleihe Ao· Um in t = 2 durch Auszahlungen auf der Anleihe~ ebenfalls 106 zu Uhlir, H .; Steiner, P.: a. a. 0 ., S. 34fT. Vgl. dazu: Sauer, A.: Arbitragemöglichkeiten am deutschen Rentenmarkt, Frankfurt 1989, S. 2; Duplizierungsbeispiele über mehrere Perioden sind zu finden bei: Uhlir, H .; Steiner, P.: a.a.O., S. 33ff.; Franke, G .: Operative Steuerung der Geldanlage in festverzinslichen Wertpapieren, in ZfbF, Sonderheft 16, 1983, S. 49ff. 35

36

5. Arbitrage zur Bewertung sicherer Zahlungsströme

69

erhalten, müssen von~ (106/ 104) = 1,0192 Stücke erworben werdenY Durch den Erwerb kommt es jedoch zum Zeitpunkt t = 1 zu einer Differenz zum Zahlungsstrom der Anleihe Ao in Höhe von 6-4. (106/104) = 1,92

Der Ausgleich dieser Differenz wird durch den Kaufvon (1,92/ 103) = 0,0186 Stücken der der Anleihe A1 erreicht, so daß damit für die beiden Zeitpunkte der Zahlungsstrom ausgeglichen ist. t 1,0192•A, 0,0186·~

Summe

2

4,07 1,93 6

106 106

Ob allerdings eine Arbitrage lohnend ist, hängt von den Preisen für die verschiedenen Anleihen ab: Kosten die Anleihe A 1 96 DM und die Anleihe ~ 97 DM, so muß damit der Preis der Anleihe Ao bei der Summe aus dem 1,0192fachen des Preises der Anleihe ~ und dem 0,0186 fachen der Anleihe A1 liegen und damit bei 99,6474 DM liegen. t 1,0192•A, 0,0186•A, Summe

1 4,07 1,93 6

2 106 106

p 98,86 1,79 100,65

Ao

6

106

100,80

Liegt nämlich der Preis der Anleihe Ao über 100,65 DM, beispielsweise bei 100,80 DM, so wird das billigere Portefeuille aus den beiden Anleihen~ und~ erworben, wenn der Erwerb eines solchen Zahlungsstroms beabsichtigt ist. Umgekehrt werden Inhaber der Anleihe Ao diese verkaufen und gleichzeitig den Zahlungsstrom über das billigere Portefeuille zurückkaufen, sofern entweder keine Transaktionskosten anfallen oder diese unter der Preisdifferenz liegen; denn obwoh: sich für diese keine Veränderung ihres zukünftigen Zahlungsstroms ergibt, wird pro Transaktion ein Gewinn von 0,15 DM erzielt. Theoretisch könnte bei einer solchen Preiskonstellation ein unendlich hoher Gewinn erzielt werden, wenn im konkreten Beispiel unbeschränkt Anleihen Ao begeben werden können und gleichzeitig mit dem Erlös eine unbeschränkte Anzahl der beiden anderen Anleihen erworben werden kann. Tatsächlich aber sorgen die ausgelösten An- und Verkäufe über eine erhöhte Nachfrage nach den Anleihen des Portefeuilles und ein erhöhtes Angebot an Anleihen AO für 37 Unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes ist der Erwerb beliebig kleiner und großer Stückzahlen beliebiger Wertpapiere möglich. In der Arbitragepraxis würden im entsprechenden Fall nicht 1,0192 Stücke sondern das tausend- oder zehntausendfache erworben werden.

70

C. Prämissen der Duplizierung

entsprechende Preisbewegungen, so daß mit der Preisdifferenz auch die Arbitragemöglichkeit bald verschwindet. 6. Anwendungsmöglichkeiten der Duplizierung bei unsicheren Zahlungsströmen

Das am Fall risikoloser Anlethen demonstrierte Arbitrageprinzip ist aber nicht nur auf Anleihen mit längeren Laufzeiten, sondern auch auf andere, nicht risikolose Finanzierungsinstrumente übertragbar. Anstelle der Zeitpunkte ist stattdessen allgemein von Zuständen zu sprechen, so daß sich die Arbitrage über mehrere Perioden erheblich kompliziert. Wenn es nicht gar unmöglich ist, den Zahlungsstrom eines Finanzierungsinstruments zu generieren, so wird doch bei Berücksichtigung einer Vielzahl von Zuständen erst durch eine unter Umständen große Anzahl von Duplizierungsinstrumenten die Wiedergabe eines bestimmten Zahlungsstroms möglich. 6.1. Arbitrageüberlegungen in der Optionspreistheorie

Eine breitere Anwendung fand der Arbitragegedanke bei der Bewertung risikobehafteter Finanzierungsinstrumente in der Optionspreistheorie, deren jüngere Preismodelle alle auf Arbitrageüberlegungen basieren. 38 Die Arbitrageüberlegungen bei Optionen seien an einem einfachen BeispieJ39 erläutert: Gegeben sei eine Option, die dazu berechtigt die Aktie einer bestimmten Gesellschaft zum Basiskurs von 240 DM zu kaufen. Der heutige Aktienkurs beläuft sich auf ebenfalls 240 DM. Nach einer Periode soll sich der Aktienkurs auf entweder 280 DM oder 220 DM belaufen. Im letzteren Fall lohnt die Ausübung der Option nicht, da die Aktie billiger an der Börse erworben werden könnte. Die Option ist in diesem Fall wertlos. Im anderen Fall kann die Aktie zu 240 DM bezogen werden und gleichzeitig für 280 DM verkauft werden. Der Wert der Option beläuft sich auf die Differenz aus Börsenkurs und Ausübungspreis und damit auf 40 DM. Gelingt es, ein Portefeuille aus Kaufoptionen und risikofreier Geldanlage zusammenzustellen, das in beiden Zuständen gleich hohe Zahlungen wie die Aktie abwirft, dann muß der Preis der Aktie mit dem Preis des Portefeuilles übereinstimmen. 40 38 Black, F .; Scholes, M.: a.a.O., S. 637fT.; Cox, J. C.; Ross, S. A.; Rubinstein, M.: a.a.O., S. 229fT. 39 Ähnliche Beispiele finden sich bei: Franke, G.; Hax, H.: a. a .O., S. 297fT.; Ausführlicher und über mehrere Perioden bei: Uhlir, H.; Steiner, P.: a.a.O., S. 185fT. 40 Bei dem Modell von Black-Scholes wird unterstellt, daß nur infinitesimal kleine Preisänderungen auftreten und das Duplizierungsportefeuille durch An- oder Verkaufvon

6. Duplizierung unsicherer Zahlungsströme

71

Ist eine Anlage risikolos, so kommt es unabhängig vom eingetretenen Zustand, also bei Eintritt eines jeden Zustands, zu einer Zahlung in vorgegebener Höhe. Die Duplizierung des Unterschieds zwischen den beiden möglichen Kursen muß daher durch den Erwerb einer entsprechenden Anzahl von Kaufoptionen erreicht werden. Die Differenz zwischen dem hohen und dem niedrigeren Aktienkurs beträgt 60 DM. Durch den Erwerb von nur einer Kaufoption würde aber nur ein Gewinn von 40 DM erzielt werden. Um mittels Kaufoptionen im günstigeren Fall den gleichen Betrag wie durch Aktienerwerb erreichen zu können, müssen daher Kaufoptionen im Verhältnis 60 I 40 erworben werden. Im für den Erwerber des Optionsrechts positiven Fall haben 1,5 Kaufoptionen nämlich einen Wert von genau 60 DM. Um die im Vergleich zur Aktie fehlenden 220 DM zu erzielen, muß im Zeitpunkt 0 der Betrag 220 / (1 + r) risikofrei angelegt werden. Fall 1

Fall 2

Aktie

220

280

220/(1 + r) 1,5 c Summe

220 0 220

220

60

280

Da das Portefeuille nun in jedem der beiden möglichen Zustände dieselben Zahlungen abwirft wie die Aktie, muß es den gleichen Preis haben. 220/(1

+ r) + 1,5 C

=

240

Beträgt der risikolose Zinssatz 5%, so ergibt sich für die Kaufoption C ein Preis in Höhe von 20,32 DM. 1,5 c

c c

= = =

240 - 220/1,05 30,48 /1,5 20,32

Hiermit wurde gezeigt, daß unter bestimmten Annahmen, die vornehmlich die Anzahl der möglichen Zustände betreffen, auch risikobehaftete Finanzierungsinstrumente dupliziert werden können. 41 Anleihen, Aktien oder Optionen an die jeweils veränderte Preissituation angepaßt werden kann. An dieser Stelle wird jedoch anhand des einfachen Beispiels nur das Prinzip erläutert. 41 Wieaufgrund des oben dargestellten Prinzips eine Formel zur Optionsbewertung entwickelt wird, zeigen z. B. am einfacheren Binominalmodell Uhlir und Steiner oder Jurgeit. Cox und Rubinstein sowie Senghas zeigen die Entwicklung der Black-ScholesFormel. Vgl.: Cox, J. C; Rubinstein, M.: a.a.O., S. 198fT.; Uhlir, H .; Steiner, P.: a. a. O., S. 185 ff; Jurgeit, L.: a. a. 0 ., S. 101 ff., Senghas, N. : Präferenzfreie Bewertung von Kapitalanlagen mit Options-Charakter, Königstein 1981, S. 32fT.

72

C. Prämissen der Duplizierung

Allgemein also gilt: Kann der Zahlungsstrom eines Finanzierungsinstruments durch eine Kombination anderer Finanzierungsinstrumente generiert werden, so muß der Preis des Basisinstruments dem Preis des Duplizierungsportefeuilles entsprechen. Ein identischer Zahlungsstrom muß den gleichen Preis haben, da sich ansonsten aufgrund der Preisdifferenzen durch Verkauf (oder Emission) des teureren Portefeuilles und Kauf des billigeren risikolos unbegrenzt Gewinne erzielen ließen. 6.2. Die Herleitung zweier Formeln zur Optionspreisbestimmmung unter der Annahme, daß die Basis-assets einem stetigen stochastischen Prozeß folgen

Im folgenden soll gezeigt werden, wie die Optionspreisformeln von BlackScholes, und die den gleichen Annahmen unterliegende Optionspreisformel von Margrabe42 , die bei der Bewertung einzelner Vertragsbestandteile von Genußscheinen Verwendung finden wird, hergeleitet werden können. Zur Verdeutlichung der Vorgehensweise werden die wesentlichen Entwicklungsschritte43 parallel bei der Herleitung der Black-Scholes-Formel44 und am komplexeren Margrabemodell gezeigt. Welche Möglichkeiten der Margrabeansatz für die in dieser Arbeit behandelten Probleme eröffnet, wird im Abschnitt D .8. deutlich werden. Das Black-Scholes Modell dient zur Bewertung von Kaufoptionen, während das Modell von Margrabe Optionen bewertet, deren Wert in der Berechtigung liegt, einen Vermögensgegenstand gegen einen anderen auszutauschen. Der wesentliche Unterschied zum Black-Scholes Modell liegt also darin, daß der Basispreis der Option unbekannt ist. Eine Austauschoption wird nur ausgeübt werden, wenn der Wert des beziehbaren Vermögensgegenstandes über dem Wert des dann abzugebenden liegt. Das Margrabemodell basiert ansonsten auf den gleichen Überlegungen, wie das Modell von Black und Scholes und legt damit einen vollkommenen Kapitalmarkt, keine Ausschüttungen auf die optierbaren Basisvermögensgegenstände und eine Log-Normalverteilungdieser Objekte zugrunde.

42

Margrabe, W.: The Value of an Option to Exchange One Asset for Another, JoF,

s. 177-186.

43 Auf die detaillierte Beschreibung der Einzelschritte wird verzichtet, da dies tiefergehende Kenntnisse in stochastischer Differenzialrechnung erfordern würde. Diese kann jedoch nachverfolgt werden bei: Merton, R. C.: The Theory of Rational Option Pricing, BJE 1973, S. 162-169. 44 Dabei wird im wesentlichen der Darstellung von Spremann gefolgt. Spremann, K.: (1990), a.a.O., S. 577-580.

6. Duplizierung unsicherer Zahlungsströme

73

Die Annahme einer Lognormalverteilung ist aber nicht Selbstzweck, sondern die zugrundegelegte Wertveränderung der Basisvermögensgegenstände (S), die geometrische Brown'sche Bewegung, die die Lösbarkeit des Ansatzes ermöglicht, resultiert in einer Lognormalverteilung der sich ergebenden Zufallsrealisationen. Die Wertveränderung eines solchen Basisvermögensgegenstandes läßt sich durch die folgende Gleichung beschreiben:

dS

=

a dt

+ u dz: dz ist ein sog. Wiener Prozeß, a und u

sind konstant.

Wird ein solcher Prozeß angenommen, kann das Lemma von Itö angewendet werden, das eine Differentiationsregel angibt, mit der Zufallsvariablen, die einem stetigen Prozeß folgen, differenziert werden können. Unter Anwendung dieses Lemmas läßt sich die Veränderung des Wertes einer Kaufoption (C) nach Black-Scholes in Form der folgenden stochastischen Differentialgleichung darstellen: (1 a)

dC

= fJCj{JS dS + fJCjfJt dt +% t?C j fJS2 o2S2dt

Die Veränderung des Wertes einer Margrabe'schen Austauschoption (M), die dazu berechtigt den einen Vermögensgegenstand S 1 gegen den VermögensgegenstandS 2 einzutauschen, stellt sich etwas komplexer dar, da zwei Zufallsprozesse zu berücksichtigen sind. 45 Die Korrelation zwischen den beiden Wiener Prozessen soll durch die Variable k12 beschrieben werden. (lb)

dM=fJMjfJS1 dS1 +fJMjfJS2 dS2 +fJMjfJtdt +lf,(OlM j fJSJ; ~Si +trM j fJ~rr~ + 2fJS1 S2 a 1 a2 S, S2 k 12) dt

Bei Black-Scholes wird an dieser Stelle das risikolose Hedgeportefeuille eingeführt, das sich aus der Aktie und einem bestimmten Anteil von Kaufoptionen zusammensetzt: (2a)

Vu=S+xC.

Die Wertänderung des Hedgeportefeuilles über eine kurze Zeit bestimmt sich durch: dVu = dS + xdC. Das Portefeuille ist genau dann risikolos, wenn der Wert x sich auf -1 I (b CI b S) beläuft. In diesem Falle entsprechen nämlich die Wertänderungen des Basisvermögensgegenstandes denen der Kaufoptionen. Zusätzlich nehmen Black-Scholes an dieser Stelle an, daß sich der Wert des risikolosen Portefeuilles mit der risikolosen Verzinsung verändern muß, so daß gilt: (3a)

dS- fJSjfJCdC = r(S-fJS jfJCC)

Da eine Margrabe'sche Austauschoption gleichzeitig eine Kaufoption auf den Gegenstand SI mit dem Ausübungspreis s2 und eine Verkaufsoption auf den Gegenstand S2 mit dem Ausübungspreis S1 darstellt, ist das Hedgeportfolio bei Margrabe genau dann risikolos, wenn ein Anteil (j MI (j S1 des optierbaren 45 Merton entwickelte die gleiche Differenzialgleichung bei seiner Herleitung der Black-Scholes Formel. Merton, R . C.: a.a.O., S. 164.

74

C. Prämissen der Duplizierung

Vermögensgegenstandes S1 leerverkauft wird und ein Anteil - b M I b S2 am abzugebenden Vermögensgegenstand S2 erworben wird, sodaß jeweils die Wertänderungen beider Basisvermögensgegenstände kompensiert werden. Das Hedgeportfolio stellt sich dann dar als: 46 (2b)

Die Wertänderung dieses Hedgeportefeuilles bestimmt sich über eine kurze Zeitspanne als: (3b)

Durch Kombination der Gleichungen 1a und 3a für Black-Scholes und 1b und 3b im Falle des Margrabemodells gelingt es, die stochastischen Elemente dSi aus den Differentialgleichungen zu eliminieren: (4a)

aCjatdt + r•lJCjaSS + lf2tr CflJS'rr S'- rC = 0

(4b)

aMfatdt + lf2({;Mfa5iU:Sf + tr M/aSirrSi + 21JS, s2 u, u2Sl S2kl2) = 0

Als Lösungen für diese beiden Differentialgleichungen ergeben sich die beiden Optionsbewertungsformeln von Black-Scholes und Margrabe: 47 (5a)

Black-Scholes: C(S, X. t) = S•N(d,)- X•e-"•N(d2) d, = (ln(S/ X)+ (r + 'h rr) u)ju• t''2 dz = (ln(S/X) + (r + lf2rr)•t)/u•t''2 Margrabe:

(5b) oder auch:

M(S1 , S2 , t) = S, •N(d,)- S2 •N(d.,) d, = (ln(S,/S2) + ('hrr)•t)fu•t''2 dz = (ln(S,/S2)- ('hrr)•t)/u•t1 ' 2 dz = d, - u• t''2

Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die den beiden Optionspreisformeln zugrundeliegenden theoretischen Vorraussetzungen bei der Duplizierung nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Für die bei der Bewertung angewendeten 46 Der Hedge schafft zwar ein risikoloses Portefeuille, eliminiert aber über eine kurze Zeitspanne gleichzeitig jede Verzinsung. Margrabe, W.: a.a.O., S. 178. Daß keine Verzinsung des Hedgeportfolios möglich ist, wird auch intuitiv klar, wenn man sich überlegt, das durch eine Austauschoption gleichzeitig eine Kaufoption auf den Vermögensgegenstand 1 und eine Verkaufsoption auf den Vermögensgegenstand 2 beschrieben ist. Der Gegenwartswert des Ausübungskurses ist bei Kauf- und Verkaufsoptionen abzuzinsen und wird damit umso kleiner sein, je länger die Optionsfrist ist. Dies hat aber unterschiedliche Auswirkungen auf den Wert von Kauf- und Verkaufsoptionen: Bei zunehmender Zeitspanne steigt der Wert der Kaufoption, während sich der Wert der Verkaufsoption verringert. Dieser Effekt ist von dem anderen Effekt des Zeitablaufs (die Chance auf höhere Kursschwankungen) zu trennen. 47 Margrabe, W.: a.a. O., S. 179; Merton, R. C.: a.a.O., S. 254f.; Spremann, K.: (1990), a.a.O., S. 580.

6. Duplizierung unsicherer Zahlungsströme

75

Modelle von Black-Scholes48 und Margrabe49 gelten folgende einschränkende Annahmen: a) Der kurzfristige Zins ist bekannt und über die Zeit hinweg konstant. b) Der Aktienkurs folgt einem Zufallspfad in kontinuierlicher Zeit und die Verteilung möglicher Aktienkurse am Ende eines endlichen Zeitraums ist log-normal. c) Es werden während der Laufzeit keine Dividenden oder sonstige Zahlungen geleistet. d) Es handelt sich um eine "europäische" Option, die nur zum Laufzeitende ausgeübt werden kann. e) Kauf oder Verkaufvon Aktie oder Option verursachen keine Transaktionskosten. f) Es ist möglich, jeden beliebigen Bruchteil an Wertpapieren zu erwerben oder zu verkaufen. Zum kurzfristigen Zinssatz kann jeder beliebige Betrag angelegt oder aufgenommen werden.

g) Leerverkäufe sind möglich. Bei der Bewertung von einzelnen Genußscheinkomponenten müssen diese Annahmen noch weiter eingeschränkt werden: Da Genußscheine lange Laufzeiten aufweisen, muß zunächst die Annahme a) auch auf alle Zinssätze ausgedehnt werden, zu denen risikolos bis zu den jeweiligen Auszahlungsterminen des Genußscheins Geld angelegt bzw. aufgenommen werden kann. Dies gilt ebenso für die Bedingung f). Die Bedingung b) muß von Aktien aufbestimmte unsichere Zahlungsansprüche erweitert werden. 50 Diese unsicheren Zahlungsansprüche werden ständig gehandelt. Dies gilt auch für Optionen auf diese Vermögensgegenstände. Dies ist theoretische Vorrausetzung dafür, sogenannte "Delta-Hedge-Prozesse" durchführen zu können, die wiederum als eine Grundvoraussetzung zur Entwicklung von Formeln zur Optionsbewertung anzusehen sind. 51 Unter einem Delta-HedgeProzeß ist die ständige Anpassung eines Duplizierungsportefeuille an Preisveränderungen des Basisvermögensgegenstandes zu verstehen. 52 48 49 30

gen.

Black, F.; Scholes, M.: a.a.O., S. 640. Margrabe, W.: a.a.O., S. 177f. Auf die Beschaffenheit dieser Zahlungsansprüche wird im konkreten Fall eingegan-

51 Vgl. dazu: Franke, G.; Hax, H.: a.a.O., S. 302; Welcker, J.; Kloy, J. W.: Professionelles Optionsgeschäft, Zürich, 1988, S. 71-80. 52 Bei der Duplizierung des Genußscheins selbst wird auf diese Vorraussetzung nicht zurückgegriffen, sondern nur auf verschiedene Optionen, die überwiegend nach dem

76

C. Prämissen der Duplizierung

7. Spezielle Annahmen bei der Duplizierung von Genußscheinen Es können allerdings nur Genußscheine mit einer festen Laufzeit bewertet werden. 53 Sind Genußscheine mit Kündigungsrechten versehen, so sind diese nur bewertbar, wenn bekannt ist, ob und wann die Kündigungsrechte ausgeübt werden. Diese Einschränkung ist notwendig, da die bei der Duplizierung verwendeten Instrumente über feste Laufzeiten verfügen. Ein Kündigungsrecht des Genußscheins müßte nämlich dann aufjedes einzelne Duplizierungselement ausgedehnt werden. Da ein Großteil der Duplizierungselemente aus Optionen besteht, wird eine Bewertung unmöglich, weil der Wert von Optionen nicht unwesentlich von der Laufzeit abhängt. Bewertungsmodelle für vom Stillhalter kündbare Optionen sind bisher noch nicht entwickelt worden, zeichnen sich Optionen doch gerade dadurch aus, daß sich der Stillhalter nicht aus der Verantwortung stehlen kann und liefern bzw. abnehmen muß, wenn der Wähler seine Option ausübt. Während damit auf die mit einem Kündigungsrecht verbundenen Bewertungsprobleme abgestellt wurde, ist andererseits auch zu bedenken, daß der Inhaber des Duplizierungsportefeuilles in einigen Fällen die Position des Stillhalters innehat. Da eine Kündigung der Gesamtposition, also gleichzeitig für alle zur Duplizierung abgeschlossenen Optionsgeschäfte, erfolgen muß, wird durch die Einführung des Kündigungsrechts die Anzahl der möglichen Marktteilnehmer auf insgesamt nur noch zwei Personen beschränkt. Es sind dies der Halter des Duplizierungsportefeuilles auf der einen und der Emittent auf der anderen Seite. Elementare Vorrausetzung der Bewertung von Genußscheinen der Typen B und C, deren Ausschüttung ganz oder teilweise von der Aktiendividende bestimmt wird, ist, daß Aktien des Emittenten an der Börse gehandelt werden. Zur Duplizierung von Genußscheinen, die weder eine Verlustteilnahme noch Nachrangigkeit im Konkursfall aufweisen, ist das Vorhandensein von Anleihen des Emittenten mit gleicher Rangordnung und Laufzeit Voraussetzung. Bei der Duplizierung von Genußscheinen, die mit einer Teilnahme an einem Jahresfehlbetrag54 ausgestattet sind, kann auf risikolose Anleihen beliebiger Emittenten zurückgegriffen werden, da das Ausfallrisiko (wie im folgenden Kapitel gezeigt werden wird) durch andere Instrumente erfaßt werden kann.

Margrabemodell bewertet werden. Das Margrabemodell setzt allerdings seinerseits "Delta-Hedge-Prozesse" voraus. 53 Genußscheine mit unbefristeter Laufzeit können nur dann bewertet werden, wenn Ausschüttung und Rückzahlung im gleichen Verhältnis zur Aktie vorgenommen werden. 54 Unter der Annahme, daß nicht vom Institut des Verlustvortrags Gebrauch gemacht wird und keine Rücklagen zur Deckung eines Jahresfehlbetrages aufgelöst werden, gilt dies auch für Genußscheine mit einer an einen Bilanzverlust angeknüpften Verlustteilnahme.

D. Duplizierung von Genußscheinen am Beispiel de~ Commerzbankgenußscheins 1. Vorbemerkung

Der Zahlungsstrom eines Genußscheins wird von der Unternehmensentwicklung und von der speziellen Ausgestaltung der Genußscheinbedingungen bestimmt. Zu einem Großteil können die aus diesen Bedingungen resultierenden Zahlungsströme durch Kombinationen der klassischen Finanzierungsinstrumente Aktie und Anleihe des Emittenten dupliziert werden. Aus diesem Grund liegt es nahe, ein Portefeuille aus Finanzierungsinstrumenten zusammenzustellen, dessen Zahlungsstrom mit dem des Genußscheins übereinstimmt. 1 Gelingt dies, so muß dessen Preis unter den oben angegebenen Bedingungen mit dem des Genußscheins übereinstimmen. Die Zusammenstellung könnte aber Schwierigkeiten bereiten, wenn der zu duplizierende Genußschein Elemente enthält, die nicht oder nicht in der benötigten Form am Markt gehandelt werden. So verfügen zwar auch Vorzugsaktien über einige in Genußscheinbedingungen enthaltene Klauseln. Diese Klauseln müssen aber, selbst im wenig wahrscheinlichen Fall, daß ein und derselbe Emittent Vorzugsaktien wie auch Genußscheine herausgegeben hat, den Genußscheininhabern den gleichen Anspruch am Unternehmenserfolg verschaffen wie den Inhabern der Vorzugsaktien. Am Beispiel des Genußscheins der Commerzbank werden einige typische Elemente eines Genußscheins und Möglichkeiten zu deren Duplizierung unter Verwendung von am Markt vorhandenen oder zu synthetisierender Finanzierungsinstrumente gezeigt. Der Commerzbankgenußschein wird stellvertretend für alle anderen gewählt, da er eine Vielzahl typischer Vertragselemente von Genußscheinen aufweist. Man kann ihn als prototypische Genußscheinkonstruktion ansehen. Darüber hinaus besitzt er den Vorzug, daß die Aktien des Emittenten an der Börse gehandelt werden. Bei der Mehrzahl der Emittenten von Genußscheinen mit 1 An dieser Stelle sei betont, daß es nicht zum physischen Erwerb des Portefeuilles kommt, sondern dieses nur gedanklich zusammengestellt wird. Auch wenn im folgenden des öfteren von Erwerb, Kauf oder Verkauf von Finanzierungsinstrumenten (insb. Optionen) im Zusammenhang mit der Erstellung eines Duplizierungsportefeuilles die Rede ist, so ist damit nicht der tatsächliche Erwerb gemeint, da es um die Bewertung eines Genußscheins geht und nicht um den kostengünstigeren Erwerb eines bestimmten Zahlungsstroms.

78

D. Duplizierung des Commerzbankgenußscheins

dividendenabhängiger Ausschüttung ist schon diese einfache Voraussetzung nicht erfüllt. Es sind auch Schuldverschreibungen der Commerzbank an der Börse notiert. Allerdings werden diese Schuldverschreibungen bei der Duplizierung des Gerrußscheins nicht benötigt, da das Ausfallrisiko durch andere Instrumente erfaßt werden kann. Zur Duplizierung der Anleiheelemente kann damit auf beliebige risikolose Anleihen zurückgegriffen werden. Insofern eignet sich der Gerrußschein der Commerzbank wie kaum ein anderer, um zu demonstrieren, ob Möglichkeiten zur Duplizierung von Genußscheinelementen existieren. 2. Die Genußscheinbed.ingungen des Commerzbankgenußscheins Der Commerzbankgenußschein ist mit einer Mindestausschüttung von 8,25%, einem dividendenabhängigen Bonus und einer an den Ausweis eines Jahresfehlbetrages angeknüpften Verlustteilnahme ausgestattet. Die Mindestausschüttung unterliegt jedoch dem Vorbehalt eines ausreichenden Bilanzgewinns. 2 Reicht der Gewinn nicht zur vollständigen Zahlung der Mindestausschüttung, so wird diese entsprechend gekürzt. Die dividendenabhängige Zusatzausschüttung fällt bei einer den Betrag von 6 DM übersteigenden Dividende an. Für jede DM Dividende über dieser Grenze wird die Ausschüttung auf einen Gerrußschein im Nennbetrag von 100 DM um 0,50 DM erhöht. Dividendenpartizipationsfaktor und -grenze betragen also IA bzw. 6 DM. Wird ein Jahresfehlbetrag ausgewiesen, so entfallt nicht nur eine Ausschüttung, sondern es wird auch der Rückzahlungsbetrag im Verhältnis Genußscheinkapital zu gesamtem Eigenkapital einschließlich Genußkapital herabgeschrieben. Werden in Folgejahren jedoch Jahresüberschüsse erwirtschaftet, so sind diese zunächst zur Wiederauffüllung des Rückzahlungsbetrages 3 zu verwenden. Ein Nachzahlungsanspruch auf ausgefallene Mindestausschüttung besteht aller2 Die unterschiedliche Anknüpfung von Ausschüttungsausfall an den Bilanzgewinn und Verlustteilnahme an den Jahresfehlbetrag bereitet bei einer Duplizierung Schwierigkeiten, denn ein Bilanzergebnis ist durch Rücklagenpolitik seitens des Emittenten weitgehend manipulierbar. Ist jedoch ausgeschlossen, daß der Emittent zugunsten der Genußscheininhaber Rücklagen auflöst, besteht zwischen der Anknüpfung an einem Bilanzergebnis und derjenigen an einen Jahresfehlbetrag kein Unterschied mehr. Zwar ist auch ein Jahresergebnis durch Bilanzpolitik beeinflußbar, aber die Berücksichtigung dieser Manipulationsmöglichkeiten ist im Einzelfall durch ein Bewertungsmodell nicht erfaßbar. Vgl. dazu: Abschnitt B. 4. 8. 3 Wiederauffüllungen des Genußkapitals unterliegen dem Vorbehalt des gesetzlichen Mindestumfangs der Kapitalrücklage von 10% des Grundkapitals. Vergl. § 7 (2) der Genußscheinbedingungen. Ob ein solcher Vorbehalt des Aktiengesetzes notwendig ist, sei dahingestellt. Dies würde nämlich bedeuten, daß zumindest dieser Teil des Entgelts für die Überlassung des Genußscheinkapitals eine GewinnverwenJung darstellt. Dies würde Rückschlüsse auf das gesamte Überlassungsentgelt erlauben und die steuerliche Privilegierung der Genußscheinausschüttungen wäre systemwidrig. Vgl. zur steuerlichen BehandlungderGenußscheinez. B.: Emde, A.: (1987), a.a.O., S. 65-92; Zupancic, G. M.: a.a.O., S. 169-208 mit weiteren Nachweisen.

79

3. Duplizierung der Mindestausschüttung

26 24 22 20

c ~

~ ~ ~

~ c

~ ~

21

18

16 14 12 10 8

8

12

16

20

24

Nomi na l dividende je Aktie

Abb. 7: Ausschüttungsverlauf beim Commerzbankgenußschein in Abhängigkeit von der Aktiendividende

dings nicht. Die Laufzeit des Genußscheins begann am 1. Juli 1985 und endet mit dem Geschäftsjahr 1995. Da die Rückzahlung aber erst am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung fällig ist\ der der Jahresabschluß 1995 vorgelegt wirdS, beträgt die ursprüngliche Laufzeit knapp 11 Jahre. 3. Duplizierung der Mindestausschüttung

Die Mindestausschüttung ist durch eine sichere Anleihe 6 , die eine jährliche Zinszahlung von 8,25% und einen Rückzahlungsbetrag von 100 DM vorsieht, 4 Bankengenußscheine werden i.d. R. erst am Tage nach der dem Laufzeitende folgenden Hauptversammlung zurückgezahlt. Zwischen diesem Laufzeitende und der Rückzahlung liegen mehrere Monate, für die in der Regel auch eine Verzinsung gewährt wird (i. d. R. entsprechend der Verzinsung des vorrangegangeneo Geschäftsjahres). Auf die Erfassung dieses Verzinsungsanspruchs soll zunächst verzichtet werden. 5 Nach der bisherigen Erfahrung dürfte dies im Mai 1996 der Fall sein. 6 An dieser Stelle wird eine risikolose Anleihe erworben, denn die Risiken eines Genußscheins wie Ausschüttungsausfall und verringerte Rückzahlung sollen durch Aufnahme anderer Finanzierungsinstrumente in das Duplizierungsportefeuille Berücksichtigung finden.

80

D. Duplizierung des Commerzbankgenußscheins

darstellbar. Sollte eine solche Anleihe am Markt nicht vorhanden sein, so läßt sie sich durch ein Portefeuille anderer risikoloser Anleihen oder Zerobonds konstruieren.7 •8 Ein solches Portefeuille führt zu einer sicheren jährlichen Ausschüttung und zu einem garantierten Rückzahlungsbetrag: Ausschüttungsausfall und Verlustteilnahme sowie Bonusausschüttungen sind in diesem Portefeuille noch nicht berücksichtigt. Formal stellt sich die Duplizierung der Mindestausschüttung unmittelbar nach einem Zahlungstermin wie die entsprechende Bewertungsgleichung einer risikolosen Festzinsanleihe dar:9 Wert des Festzinsanteils =

(1)

n t

'

MA RZ I" --+ --~

1

(1

1

+ r)

(1

+ r)"

= (Rest-)Laufzeit = Periodenindex

= Mindestausschüttung in DM

MA RZ

=

r

=

Rückzahlungsbetrag in DM risikoloser Zinssatz

Bei einer Bewertung zwischen den Zahlungsterminen ist zu berücksichtigen, daß Genußscheine im Gegensatz zu den Anleihen cum Kupon notieren. Die Bewertungsgleichung ist daher um die aufgelaufen Zinsen zu erweitern. Dies geschieht, indem in obige Gleichung (1) zunächst anstatt der Periodenanzahl die Anzahl der Zahlungstermine eingesetzt wird. Anschließend wird dieses Ergebnis zusätzlich entsprechend der Laufzeit bis zum nächsten Zahlungstermin aufgezinst 10 Wert des Festzinsanteils = (

(1a)

m

= =

n

=

MA I --+ -RZ - -) * (1 + r)m-n + rY (1 + r )m m

z ~ 1 (1

Anzahl der Zahlungstermine Zahlungsterminzähler Restlaufzeit des Finanzierungsimntruments

vgl. dazu z. B. Uhlir, H.; Steiner, P.: a.a.O., S. 30ff. Probleme könnte es allerdings bereiten, die genauen Zahlungstermine zu treffen, da die Hauptversammlungstermine nicht für die gesamte Laufzeit festliegen. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, fände sie keinesfalls am gleichen Tag eines jeden Jahres statt. Die zeitlichen Unterschiede dürften sich aber im Laufe der Zeit kompensieren, so daß eine Durchschnittsbetrachtung nur zu vernachlässigbar kleinen Fehlbewertungen führen dürfte. 9 Aus Gründen der Vereinfachung sei eine flache Zinskurve unterstellt. 10 Vgl. dazu: Kruschwitz, L.: Finanzmathematik, München 1989, S. 183-187. 7

8

4. Duplizierung der Bonusausschüttungen

81

4. Duplizierung der Bonusausschüttungen

Zur Duplizierung der dividendenabhängigen Zusatzausschüttungen ist ein Finanzierungsinstrument zu erwerben, das die Auszahlung des Dividendenstromes des Unternehmens gewährleistet. Das typische Instrument, auf das Dividenden des Unternehmens ausgeschüttet werden, ist die Aktie. Die dividendenabhängige Zusatzausschüttung wird dem Genußscheininhaber aber nicht in voller Höhe gewährt, sondern gemäß dem Dividendenpartizipationsfaktor von 0,5 nur zur Hälfte. Neben der Nettodividende besitzen die Aktionäre aber noch einen Anspruch auf die seitens des Unternehmens bereits gezahlte Körperschaftssteuer, die dem Gewinnanteil Dividendensumme zuzurechnen ist: das sogenannte Körperschaftssteuerguthaben. Da ausgeschüttete Gewinne mit einem Körperschaftssteuersatz von derzeit 36% belegt werden, beträgt das Körperschaftsteuerguthaben 9 f 16 deF Nettodividende. Als Gesamtgewinnausschüttung entfallt damit auf eine Aktie das 1,5625-fache der Nettodividende. Bei Genußscheinen dagegen besteht kein Anspruch auf das Körperschaftssteuerguthaben.11 Unter Berücksichtigung des Effektes der Anrechnung des Körperschaftssteuerguthabens ermäßigt sich die Anzahl der benötigten Aktien um den Anrechnungsfaktor: zur Duplizierung des halben Dividendenstromes ist damit der Erwerb von nur noch 0,32 Aktien notwendig. 12 Da der Dividendensstrom jedoch nur während der Laufzeit des Genußscheins für unsere Zwecke bedeutsam ist, muß der Aktienanteil gleichzeitig auf Termin Laufzeitende des Genußscheins verkauft werden. Ansonsten wäre eine Abweichung des Zahlungsstromes um Kursgewinne oder -verluste zu verzeichnen. 4.1. Herleitung des Aktienterminkurses

Terminverkäufe auf solch lange Frist sind unüblich, und daher werden langfristige Terminkurse auch selten bekannt. Da zur Duplizierung aber ein Terminkurs notwendig ist, wird versucht, einen Terminkurs mittels Arbitrageüberlegungen, wie sie aus der Herleitung des Terminkurses von Devisen bekannt sind, aus den gegenwärtigen Kassakursen zu bestimmen. 13 11 Ausschüttungen aufGenußscheine mindern als Betriebsausgaben das steuerpflichtige Einkommen unter der Bedingung, daß die Genußscheine nicht gleichzeitig an Gewinn und Liquidationserlös partizipieren. In der Praxis wird daher eine Beteiligung an einem Liquidationserlös ausgeschlossen. Da Ausschüttungen auf Genußscheine dann keine Gewinnverwendung darstellen, entfallt für sie das Körperschaftssteuerguthaben, das zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung der Dividendenausschüttungen den Aktiendividenden anzurechnen ist. Vgl. dazu z. B.: Knobbe-Keuk, B.: a.a.O., S. 341 / 342; Knoppe, H.: a.a.O., S. 283; Sarrazin, a. a. O., S. 147. 12 Dabei wird unterstellt, daß die Steuergutschrift zeitgleich mit der Dividende zufließt. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Aktionär eine Nichtveranlagungsbescheinigung ausgestellt wurde, dieser also über nur geringe Einkünfte verfügt. Im Normalfall wird die Steuergutschrift mit der Einkommensteuer verrechnet, wird also in der Regel erst im Folgejahr "zahlungswirksam" . Das gilt ebenso für die 25% ige Kapitalertragsteuer, der gleichermaßen Genußausschüttungen und Nettodividenden unterliegen.

6 Kanders

82

D. Duplizierung des Commerzbankgenußscheins

Die Terminkurse von Devisen werden maßgeblich durch unterschiedliche Zinssätze in den Währungen bestimmt, da während der Terminfrist auf Devisenanlagen Zinserträge erzielt werden können. Nach der (gesicherten) Theorie der internationalen Zinsdifferenzarbitrage gilt: 14

oder F= S • e