Übertragungstechnik: Grundlagen und Verfahren der digitalen Basisbandübertragung 3658417374, 9783658417376, 9783658417383

Dieses Lehrbuch ist eine einführende Darstellung der Übertragung digitaler Signale über gestörte Kanäle. Schwerpunkt ist

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Table of contents :
Vorwort
Literaturverzeichnis zum Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Über die Autoren
1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen
1.1 Einführung und Grundlegendes
1.2 Determinierte und stochastische Signale
1.2.1 Determinierte Signale
1.2.2 Stochastische Signale
1.2.3 Zu spektralen Kennfunktionen determinierter und zufälliger Signale
1.3 Charakterisierung von Systemen
1.3.1 Grundlegendes
1.3.2 Systembeschreibung im Zeit- und Frequenzbereich
1.4 Übertragung von Signalen über Systeme
1.4.1 Determinierte Signale
1.4.2 Stochastische Signale
1.5 Weitere Funktionaltransformationen
1.5.1 Laplace-Transformation
1.5.2 Z-Transformation
1.6 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen
1.7 Aufgaben
1.8 Lösungen zu den Aufgaben
2 Grundlagen der Basisbandübertragung
2.1 Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband
2.1.1 Modell und Komponenten des Basisbandübertragungssystems
2.1.2 Weg und Bewertung des Nutzsignals
2.1.3 Weg und Bewertung der Störung
2.1.4 Güte der Übertragung
2.1.5 Zusammenhang zwischen Signal-Rausch-Verhältnis und Fehlerwahrscheinlichkeit
2.1.6 Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung über einen verzerrungsfreien Kanal mit Rauschstörung
2.1.7 Erkenntnisse zur Nachrichtenübertragung
2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband
2.2.1 Einleitung und Motivation
2.2.2 Alternative Sende- und Empfangsfiltercharakteristiken
2.2.3 Nyquist-Kriterien
2.2.4 Optimales Empfangsfilter: Matched Filter
2.2.5 Aspekte bei nichtweißem Rauschen
2.3 Mehrstufige Basisbandübertragung
2.3.1 Einleitung und Motivation
2.3.2 Modell des mehrstufigen Basisband-Übertragungssytems
2.3.3 Bewertung des Nutzsignals bei mehrstufiger Übertragung
2.3.4 Bewertung der Störung bei mehrstufiger Übertragung
2.3.5 Güte der Übertragung: Signal-Rausch-Verhältnis
2.3.6 Fehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstufiger Basisbandübertragung
2.3.7 Verschiedene Definitionen von Signal-Rausch-Verhältnissen und ihre Beziehung zur Fehlerwahrscheinlichkeit
2.3.8 Signalangepasste Empfangsfilterung bei mehrstufiger Basisbandübertragung
2.3.9 Vergleich mehrstufiger Basisbandverfahren
2.3.10 Numerisches Beispiel: Mehrstufige Basisbandübertragung mit NRZ-Sendesignal und Gauß-Empfangsfilter
2.3.11 Numerisches Beispiel: Mehrstufige Basisbandübertragung mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter
2.3.12 Diskussion zu den Gütekriterien
2.4 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen
2.5 Aufgaben
2.6 Lösungen zu den Aufgaben
3 Übertragungskanal Kupferkabel
3.1 Einführung zu Nachrichtenübertragungskanälen
3.1.1 Übertragungstechnische Grundlagen für Übertragungskanäle
3.1.2 Klassifizierung der Nachrichtenübertragungskanäle
3.2 Einführung zu Kupferleitungen
3.2.1 Einleitende Bemerkungen
3.2.2 Elektrische Leitungen und Kabel
3.3 Theorie der Leitungen
3.3.1 Elektrische Leitungsparameter
3.3.2 Homogene Leitung
3.3.3 Leitungsgleichungen bei harmonischer Erregung
3.3.4 Leitungskenngrößen
3.3.5 Spezielle Eigenschaften von elektrischen Leitungen in Abhängigkeit von der Frequenz
3.4 Kabelübertragungsfunktion
3.4.1 Übertragungsfunktion einer Leitung
3.4.2 Übertragungsfunktion der RC-Leitung
3.4.3 Rationale Approximation der Übertragungsfunktion der RC-Leitung
3.4.4 Übertragungsfunktion der verlustlosen HF-Leitung
3.5 Konstruktiver Aufbau von Nachrichtenkabeln
3.6 Nebensprechen in vielpaarigen Nachrichtenkabeln
3.6.1 Arten des Nebensprechens
3.6.2 Modell des Kabels mit Nebensprechen
3.7 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen
3.8 Aufgaben
3.9 Lösungen zu den Aufgaben
4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal
4.1 Einführung und grundlegende Aspekte
4.2 Kompensation des verzerrenden Kanaleinflusses
4.3 Kabelübertragungssystem bei rationalen Übertragungsfunktionen
4.4 Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem
4.4.1 Einleitung
4.4.2 Kabelübertragungssystem
4.4.3 Weg und Bewertung des Nutzsignals
4.4.4 Weg und Bewertung der Störung
4.4.5 Güte der Übertragung
4.4.6 Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung bei Kabel mit einem Pol
4.5 Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel
4.5.1 Basisbandübertragung bei NRZ-Sendesignal und Gauß-Empfangsfilter
4.5.2 Basisbandübertragung bei Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter
4.6 Zeitdiskrete Entzerrung
4.6.1 Einführung
4.6.2 Symboltaktmodell des Basisbandübertragungssystems
4.6.3 Optimale Verfahren
4.6.4 Einteilung der Entzerrverfahren
4.6.5 Lineare und nichtlineare Entzerrer
4.6.6 Diskussion und Fazit zur Entzerrung
4.7 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen
4.8 Aufgaben
4.9 Lösungen zu den Aufgaben
5 Zusammenfassung und Ausblick
5.1 Zusammenfassung
5.2 Ausblick
A Anhang A: Systemtheoretische Zusammenhänge in der Übersicht
A.1 Signale
A.2 Bewertung durch Systeme
A.3 Charakteristische Zeitfunktionen
A.3.1 Einige Basis-Zeitfunktionen
A.3.2 Einige weitere gebräuchliche Zeitfunktionen
Anhang B: Dimensionen in der Signal- und Systemtheorie
B.1 Dimensionen in der Signaltheorie
B.1.1 Einige Grundlagen
B.1.2 Übersicht
B.2 Dimensionen in der Systemtheorie
B.2.1 Einige Grundlagen
B.2.2 Übersicht
Anhang C: Fourier-Transformation
C.1 Definition: Fourier-Transformation
C.2 Gesetze und Rechenregeln der Fourier-Transformation
C.3 Korrespondenzen der Fourier-Transformation
Anhang D: Laplace-Transformation
D.1 Definition: Laplace-Transformation
D.2 Gesetze und Rechenregeln der Laplace-Transformation
D.3 Korrespondenzen der Laplace-Transformation
Anhang E: Fehlerfunktion erf(x) und komplementäre Fehlerfunktion erfc(x)
E.1 Definitionen und Eigenschaften
E.2 Berechnungsmöglichkeiten und Näherungen
E.3 Beziehungen zu anderen Funktionen
Anhang F: Mathematische Formeln und Zusammenhänge
F.1 Hyperbelfunktionen
F.2 Integrale
F.3 Trigonometrische Beziehungen
Anhang G: Zur Definition der Frequenz
Literatur
Stichwortverzeichnis
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Übertragungstechnik: Grundlagen und Verfahren der digitalen Basisbandübertragung
 3658417374, 9783658417376, 9783658417383

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Christoph Lange · Andreas Ahrens

Übertragungstechnik Grundlagen und Verfahren der digitalen Basisbandübertragung

Übertragungstechnik

Christoph Lange · Andreas Ahrens

Übertragungstechnik Grundlagen und Verfahren der digitalen Basisbandübertragung

Christoph Lange Fachbereich 1: Ingenieurwissenschaften – Energie und Information, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Berlin, Deutschland

Andreas Ahrens Fakultät für Ingenieurwissenschaften Hochschule Wismar, University of Applied Sciences: Technology, Business and Design Wismar, Deutschland

ISBN 978-3-658-41737-6 ISBN 978-3-658-41738-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Reinhard Dapper Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Zum Andenken an Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Kohlschmidt und Prof. Dr.-Ing. Reiner Rockmann

Vorwort

Motivation In einer Vielzahl von Bereichen des modernen Lebens ist die Vernetzung über Kommunikationsnetze unverzichtbar geworden. So wird beispielsweise ein weitgehend zeit- und ortsunabhängiger Zugang zu Information in einer Fülle ermöglicht, der noch vor wenigen Jahrzehnten eine Utopie darstellte. In der heutigen Informationsgesellschaft kommt damit der Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Informationen eine Schlüsselrolle zu. Diese Aufgaben sind Kerngebiete der Nachrichtentechnik und angrenzender Fachgebiete in Elektrotechnik und Informatik. Ein wichtiger technischer Bestandteil ist die Informationsübertragung, die an physikalische Signale gebunden ist. Diese Übertragung von Informationen mit Hilfe von Signalen ist eine wichtige Aufgabe der Nachrichtenübertragungstechnik als einem Teilgebiet der Nachrichtentechnik. Die Nachrichtentechnik selbst hat sich über lange Zeitperioden entwickelt, ausgehend von der Informationsweitergabe mit Hilfe von Schall-, Licht- und Rauchsignalen in der Frühzeit über die Telegrafie und die analoge Fernmeldetechnik in den vergangenen Jahrhunderten hin zur modernen Nachrichtenbzw. Kommunikationstechnik, die fast ausschließlich auf dem Austausch und der Verarbeitung digitaler Daten beruht. Die Übertragungstechnik unterliegt damit einer stetigen technischen Weiterentwicklung und ihre Leistungsfähigkeit ist abhängig von konkret verfügbarer Technologie und Technik; sie basiert jedoch weitgehend auf vergleichsweise langlebigen Erkenntnissen, Prinzipien und Verfahren. Das vorliegende Buch ist eine einführende Darstellung zur Nachrichtenübertragungstechnik. Es richtet sich vor allem an Studierende technischer Fachrichtungen, die einen Einstieg in die Grundlagen der Nachrichtentechnik und insbesondere der Übertragungstechnik suchen und ein Grundverständnis für deren Prinzipien und Verfahren erwerben wollen. Auf dieser Basis können Verfahren der Nachrichtenübertragungstechnik in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschätzt und Optionen für Verbesserungen und Weiterentwicklungen eigenständig entwickelt werden. Es wird mit diesem Buch eine solide Basis vermittelt für eine eventuelle spätere fachliche Vertiefung in

VII

VIII

Vorwort

nachrichtentechnischen Spezialdisziplinen und -techniken, die in einem weiterführenden Studium oder in der Berufspraxis erfolgen kann. Vorausgesetzt werden Kenntnisse der Ingenieurmathematik und der Grundlagen der Elektrotechnik. Kenntnisse der Signal- und Systemtheorie sind ebenfalls für die Lektüre von Vorteil; die aus diesem Gebiet notwendigen Kenntnisse werden zudem in einem separaten Kapitel und in einem entsprechenden Anhang noch einmal kompakt dargestellt. Die Inhalte diese Buches gehen auf die Lehrveranstaltungen zurück, die unsere akademischen Lehrer Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Kohlschmidt [Kohlschmidt, R.] und Prof. Dr.-Ing. Reiner Rockmann [Rockmann, R.] an der Universität Rostock und zuvor an der Ingenieurhochschule für Seefahrt Warnemünde/Wustrow erarbeitet und langjährig durchgeführt haben. Einige in diesem Zusammenhang entstandene Lehrmaterialien sind z. B. [Kohlschmidt, 1983 a, Kohlschmidt, 1983 b, Kohlschmidt, 1998]. Ihre fachlichen Sicht- und Darstellungsweisen wiederum wurden geprägt durch Ingenieurstudium und sich anschließende wissenschaftliche Tätigkeit auf den Gebieten der Nachrichtentechnik, der Signal- und Systemtheorie, der Hochfrequenztechnik und der Theoretischen Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Ilmenau (R. Kohlschmidt) und an der Universität Rostock (R. Rockmann). Die jeweils prägenden Personen dieser Arbeits- und Forschungsgruppen haben ihre Sichtweisen und Erkenntnisse in einigen eigenen, mittlerweile klassischen, Werken dargestellt, z. B. [Philippow, 1963, Philippow, 1992, Kress, 1977, Kress, 1979] und [Lange, 1965, Lange, 1983, Lange, 1988]. In der Folge haben wir selbst als wissenschaftliche Assistenten und Mitarbeiter diese Inhalte in Lehrveranstaltungen an der Universität Rostock – zunächst in Übungen und Laborpraktika, später in Vorlesungen mit begleitenden Übungen –vermittelt und vertreten. Nach der jeweils eigenen Berufung an die Hochschule Wismar (A. Ahrens) und an die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (C. Lange) finden diese Inhalte ihren Niederschlag in eigenen Lehrveranstaltungen auf dem Gebiet der Nachrichtenbzw. Kommunikationstechnik. Unsere eigenen nachrichtentechnischen Sicht-, Denk- und Darstellungsweisen, die in diesem Buch ihren Niederschlag gefunden haben, sind durch unsere erwähnten verehrten akademischen Lehrer geprägt – ihnen sei an dieser Stelle besonders herzlich, wenn auch postum, gedankt. Ziel dieses Buches ist es, ein Verständnis für grundlegende Prinzipien und Funktionsweisen zu vermitteln, die den Verfahren zur Informations- und Signalübertragung in der Nachrichtentechnik gemeinsam sind und die unabhängig von aktuell gerade verfügbaren Technologien, Komponenten oder Systemen gültig bleiben und Bestand haben werden. Es ist daher unser Bestreben, mit diesem Buch einen Weg zu finden zwischen einer möglichen sehr theorielastigen Darstellung auf der einen Seite und einer dem Stand der Technik und praktischen Realisierungsmöglichkeiten geschuldeten potenziellen Kurzlebigkeit auf der anderen Seite.

Vorwort

IX

Gliederung des Buches Im Kap. 1 werden signal- und systemtheoretische Grundlagen insoweit dargestellt und wiederholt, wie sie für das Verständnis der weiteren Kapitel dieses Buches notwendig sind. Sie werden üblicherweise in vorangehenden Lehrveranstaltungen ausführlich vermittelt. Dieses Kapitel dient außerdem dazu, in die verwendete Begriffswelt sowie mathematische Bezeichnungen und Schreibweisen einzuführen. Das Kap. 2 vermittelt die Grundlagen der Basisbandübertragung für nicht verzerrende Kanäle mit ausschließlich gaußverteiltem, weißem Rauschen als Störung. Es werden ausgehend von einer physikalisch-anschaulichen Darstellung die einzelnen Elemente einer solchen Übertragungsstrecke eingeführt und ihre Auswirkungen auf Nutzsignal und Störung untersucht. Gütekriterien zur Einschätzung der Qualität der digitalen Signalübertragung werden definiert und angewendet. Anhand mathematisch-analytischer Beschreibungen werden Einflussgrößen identifiziert und optimiert. Numerische Beispiele schließen das Kapitel ab und illustrieren die Auswirkungen, die einzelne der zuvor eingeführten und diskutierten Parameter auf die Übertragung haben. Im Kap. 3 wird der Übertragungskanal Kupferkabel als Beispiel eines linear verzerrenden Übertragungskanals eingeführt. Ausgehend von leitungstheoretischen Betrachtungen wird ein systemtheoretisches Modell entwickelt, das die verzerrenden Eigenschaften von Kupfer-Zweidrahtleitungen als Übertragungskanal beschreibt. Darüberhinaus wird auch das Nebensprechen als Störeffekt betrachtet und systemtheoretisch beschrieben. Kap. 4 enthält die Anwendung der in Kap. 2 eingeführten Grundlagen der Basisbandübertragung auf die Signalübertragung über die in Kap. 3 beschriebenen Kupferkabel. Die Betrachtungen werden um die nun notwendige Kompensation der Einflüsse des Übertragungskanals auf das Nutzsignal am Beispiel des Übertragungskanals Kupferkabel erweitert. Möglichkeiten der Entzerrung werden eingeführt und notwendige Optimierungen von Parametern untersucht. Wieder werden ausführliche numerische Beispiele angegeben. Kap. 5 enthält eine kurze Zusammenfassung sowie einen Ausblick auf aktuelle Themen und weitere Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachrichtenübertragungstechnik. Diese führen zur Notwendigkeit, das mit diesem Buch erworbene Wissen zu erweitern: Für diesen Zweck stehen eine Reihe von Lehrbüchern und spezialisierten Werken für den wissbegierigen Lernenden sowie für den gestandenen Praktiker bereit. Auf einige wird in den einzelnen Kapiteln verwiesen. Jedes Kapitel enthält abschließende Aufgaben zur Übung, deren Lösungen mit Lösungsweg im jeweiligen Kapitel angegeben sind. In einigen Anhängen sind wichtige Zusammenhänge der Signal- und Systemtheorie, Zusammenfassungen zu den Transformationen und weitere benötigte mathematische Funktionen, Formeln und Zusammenhänge dargestellt: Diese basieren zu einam großen Teil auf Hilfsblättern, die zu Lehrveranstaltungen im Laufe der Jahre entstanden sind

X

Vorwort

und die sich in der Lehrpraxis als Gedankenstützen und kompakte Nachschlagewerke bewährt haben.

Danksagung An dieser Stelle möchten die Verfasser all jenen danken, die zum Entstehen dieses Buches beigetragen haben. Besonderer Dank gilt in erster Linie den Familien der Verfasser, die den jeweiligen beruflichen Werdegang ermöglicht und fortwährend unterstützt haben sowie durch Interesse und Ermutigung zum Gelingen dieses Buches und dessen Fertigstellung beigetragen haben. Es sei zudemallen herzlich gedankt, die uns auf unserem beruflichen Weg gefördert und wohlwollend begleitet haben, nach dem Studium zunächst am Institut für Nachrichtentechnik und Informationselektronik der Universität Rostock und später in Technologieinnovationsbereichen eines Telekommunikationsnetzbetreibers in Berlin und an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (C. Lange) sowie an der Hochschule Wismar (A. Ahrens). Alle diese Einflüsse haben auf die eine oder andere Art und Weise zum Gelingen dieses Buches beigetragen. Herrn Johannes F. Lange (B. Sc.) sei für Diskussionen und die Unterstützung bei einigen Herleitungen und Rechnungen gedankt. Dem Verlag gilt Dank für die Bereitschaft, dieses Buch zu veröffentlichen sowie für die Unterstützung und die stets sehr gute Zusammenarbeit bei dessen Gestaltung und Fertigstellung. Berlin, Wismar im April 2023

Christoph Lange Andreas Ahrens

Literaturverzeichnis zum Vorwort

[Kohlschmidt, R.] Eintrag von „Rainer Kohlschmidt“ im Catalogus Professorum Rostochiensium. Universität Rostock. http://purl.uni-rostock.de/cpr/00001567. Version: 2018. – abgerufen am 15.03.2023 [Rockmann, R.] Eintrag von „Reiner Rockmann“ im Catalogus Professorum Rostochiensium. Universität Rostock. http://purl.uni-rostock.de/cpr/00002046. Version: 2018. – abgerufen am 15.03.2023 [Kohlschmidt, 1983 a] Kohlschmidt, R.: Grundlagen analoger Systeme und Schaltungstechnik. Teil I. Rostock: Ingenieurhochschule für Seefahrt Warnemünde/Wustrow, 1983. – Wissensspeicherheft [Kohlschmidt, 1983 b] Kohlschmidt, R.: Grundlagen analoger Systeme und Schaltungstechnik. Teil II. Rostock: Ingenieurhochschule für Seefahrt Warnemünde/Wustrow, 1983. – Wissensspeicherheft [Kohlschmidt, 1998] Kohlschmidt, R.: Schaltungen und Baugruppen der Nachrichtentechnik. Rostock : Universität Rostock, 1998. – Studienmaterial [Philippow, 1963] Philippow, E. (Hrsg.): Taschenbuch Elektrotechnik. Bd. 1–6. Berlin : Verlag Technik, seit 1963 [Philippow, 1992] Philippow, E.: Grundlagen der Elektrotechnik. 9., durchges. Aufl. Berlin : Verlag Technik, 1992 [Kress, 1977] Kress, D.: Theoretische Grundlagen der Signal- und Informationsübertragung. Berlin : Akademie-Verlag, 1977 [Kress, 1979] Kress, D.: Theoretische Grundlagen der Übertragung digitaler Signale. Berlin : Akademie-Verlag, 1979 [Lange, 1965] Lange, F. H.: Signale und Systeme. Bd. 1: Spektrale Darstellung; Bd. 2: Gesteuerte elektronische Systeme; Bd. 3: Regellose Vorgänge. Berlin : Verlag Technik, seit 1965 [Lange, 1983] Lange, F. H.: Störfestigkeit in der Nachrichten- und Meßtechnik. Berlin : Verlag Technik, 1983 [Lange, 1988] Lange, F. H.: Meßstochastik und Störsicherheit. Berlin : Akademie-Verlag, 1988

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Inhaltsverzeichnis

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Einführung und Grundlegendes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Determinierte und stochastische Signale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2.1 Determinierte Signale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2.2 Stochastische Signale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.2.3 Zu spektralen Kennfunktionen determinierter und zufälliger Signale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1.3 Charakterisierung von Systemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.3.1 Grundlegendes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.3.2 Systembeschreibung im Zeit- und Frequenzbereich . . . . . . . . . . . . . 43 1.4 Übertragung von Signalen über Systeme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.4.1 Determinierte Signale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.4.2 Stochastische Signale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1.5 Weitere Funktionaltransformationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1.5.1 Laplace-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1.5.2 Z-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1.6 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1.7 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1.8 Lösungen zu den Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2 Grundlagen der Basisbandübertragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.1 Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband. . . . . . . . 94 2.1.1 Modell und Komponenten des Basisbandübertragungssystems. . . . 94 2.1.2 Weg und Bewertung des Nutzsignals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2.1.3 Weg und Bewertung der Störung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2.1.4 Güte der Übertragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2.1.5 Zusammenhang zwischen Signal-Rausch-Verhältnis und Fehlerwahrscheinlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2.1.6 Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung über einen verzerrungsfreien Kanal mit Rauschstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 XIII

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Inhaltsverzeichnis

2.1.7 Erkenntnisse zur Nachrichtenübertragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.2.1 Einleitung und Motivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.2.2 Alternative Sende- und Empfangsfiltercharakteristiken. . . . . . . . . . . 138 2.2.3 Nyquist-Kriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2.2.4 Optimales Empfangsfilter: Matched Filter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2.2.5 Aspekte bei nichtweißem Rauschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2.3 Mehrstufige Basisbandübertragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2.3.1 Einleitung und Motivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2.3.2 Modell des mehrstufigen Basisband-Übertragungssytems. . . . . . . . 173 2.3.3 Bewertung des Nutzsignals bei mehrstufiger Übertragung . . . . . . . . 176 2.3.4 Bewertung der Störung bei mehrstufiger Übertragung . . . . . . . . . . . 192 2.3.5 Güte der Übertragung: Signal-Rausch-Verhältnis. . . . . . . . . . . . . . . 192 2.3.6 Fehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstufiger Basisbandübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2.3.7 Verschiedene Definitionen von Signal-Rausch-Verhältnissen und ihre Beziehung zur Fehlerwahrscheinlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . 195 2.3.8 Signalangepasste Empfangsfilterung bei mehrstufiger Basisbandübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2.3.9 Vergleich mehrstufiger Basisbandverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2.3.10 Numerisches Beispiel: Mehrstufige Basisbandübertragung mit NRZ-Sendesignal und Gauß-Empfangsfilter. . . . . . . . . . . . . . 216 2.3.11 Numerisches Beispiel: Mehrstufige Basisbandübertragung mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter. . . . . . 222 2.3.12 Diskussion zu den Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2.4 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2.5 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2.6 Lösungen zu den Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3 Übertragungskanal Kupferkabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3.1 Einführung zu Nachrichtenübertragungskanälen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3.1.1 Übertragungstechnische Grundlagen für Übertragungskanäle. . . . . 240 3.1.2 Klassifizierung der Nachrichtenübertragungskanäle. . . . . . . . . . . . . 243 3.2 Einführung zu Kupferleitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3.2.1 Einleitende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3.2.2 Elektrische Leitungen und Kabel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3.3 Theorie der Leitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3.3.1 Elektrische Leitungsparameter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3.3.2 Homogene Leitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3.3.3 Leitungsgleichungen bei harmonischer Erregung. . . . . . . . . . . . . . . 255 3.3.4 Leitungskenngrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3.3.5 Spezielle Eigenschaften von elektrischen Leitungen in Abhängigkeit von der Frequenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Inhaltsverzeichnis

XV

3.4 Kabelübertragungsfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3.4.1 Übertragungsfunktion einer Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3.4.2 Übertragungsfunktion der RC-Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3.4.3 Rationale Approximation der Übertragungsfunktion der RC-Leitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3.4.4 Übertragungsfunktion der verlustlosen HF-Leitung . . . . . . . . . . . . . 288 3.5 Konstruktiver Aufbau von Nachrichtenkabeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3.6 Nebensprechen in vielpaarigen Nachrichtenkabeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3.6.1 Arten des Nebensprechens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3.6.2 Modell des Kabels mit Nebensprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3.7 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3.8 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 3.9 Lösungen zu den Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4.1 Einführung und grundlegende Aspekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4.2 Kompensation des verzerrenden Kanaleinflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4.3 Kabelübertragungssystem bei rationalen Übertragungsfunktionen. . . . . . . 312 4.4 Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 4.4.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 4.4.2 Kabelübertragungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 4.4.3 Weg und Bewertung des Nutzsignals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 4.4.4 Weg und Bewertung der Störung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 4.4.5 Güte der Übertragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 4.4.6 Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung bei Kabel mit einem Pol. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 4.5 Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 4.5.1 Basisbandübertragung bei NRZ-Sendesignal und Gauß-Empfangsfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 4.5.2 Basisbandübertragung bei Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sendeund -Empfangsfilter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 4.6 Zeitdiskrete Entzerrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 4.6.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 4.6.2 Symboltaktmodell des Basisbandübertragungssystems. . . . . . . . . . . 352 4.6.3 Optimale Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 4.6.4 Einteilung der Entzerrverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 4.6.5 Lineare und nichtlineare Entzerrer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 4.6.6 Diskussion und Fazit zur Entzerrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 4.7 Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 374 4.8 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 4.9 Lösungen zu den Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

XVI

Inhaltsverzeichnis

5 Zusammenfassung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 5.1 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 5.2 Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Anhang A: Systemtheoretische Zusammenhänge in der Übersicht. . . . . . . . . . . 387 Anhang B: Dimensionen in der Signal- und Systemtheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Anhang C: Fourier-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Anhang D: Laplace-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Anhang E: Fehlerfunktion erf(x) und komplementäre Fehlerfunktion erfc(x). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Anhang F: Mathematische Formeln und Zusammenhänge. . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Anhang G: Zur Definition der Frequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

Über die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Christoph Lange  lehrt auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik und der Kommunikationsnetze an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Zuvor war er nach Studium der Elektrotechnik mit Spezialisierung Nachrichtentechnik und Promotion auf dem Gebiet der Nachrichtenübertragungstechnik an der Universität Rostock langjährig in verschiedenen Technologieinnovationsbereichen eines großen Telekommunikationsnetzbetreibers in Berlin tätig Prof. Dr.-Ing. habil. Andreas Ahrens lehrt auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik sowie der Signal- und Systemtheorie an der Hochschule Wismar. Er absolvierte ein Studium der Elektrotechnik mit der Vertiefung Nachrichtentechnik sowie Promotion und Habilitation auf dem Gebiet der Nachrichtenübertragungstechnik an der Universität Rostock sowie einen Auslandsaufenthalt an der University of Southampton und war als Privatdozent an der Universität Rostock tätig.

XVII

1

Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Zusammenfassung

Signale fungieren in sehr unterschiedlicher Form als Träger von Information. Große Datenmengen sind so aufzubereiten, dass diese effizient über einen gegebenen Übertragungskanal übertragen oder auf einem Speichermedium gespeichert werden können. Dazu ist es erforderlich, Signale im Zeit- und Frequenzbereich zu beschreiben. Signale können dabei deterministischen oder zufälligen (bzw. stochastischen) Charakter aufweisen; darüber hinaus können sie analog oder digital sein. Die Verarbeitung und Verknüpfung von Signalen zur Informationsübertragung und -speicherung erfolgt mit Hilfe von geeigneten Systemen. Problemstellungen der Informations- und Signalübertragung können daher zumeist auf Fragen zurückgeführt werden, die die Bewertung und Transformation von Signalen durch Systeme betreffen. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über Beschreibungsmöglichkeiten von Signalen und Systemen und stellt die für das Verständnis von nachrichtentechnischen Zusammenhängen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden, notwendigen Grundlagen anhand der Zeit- und Frequenzbereichsdarstellung einschließlich der dafür notwendigen Transformationen dar.

1.1

Einführung und Grundlegendes

In praktischen Systemen treten Signale in Form von Spannungen und Strömen als physikalisch messbare Größen auf. Diese Signale sind vor allem Zeitfunktionen, die, z. B. in der Nachrichtentechnik, als Sende- und Empfangsgrößen eine zentrale Rolle spielen. Dabei unterscheidet man zwischen determinierten und zufälligen (oder stochastischen) Signalen. Während determinierte Signale durch einen algebraischen Ausdruck gesetzmäßig beschrieben werden können, sind stochastische oder zufällige Signale nur mit Mitteln der

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange und A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3_1

1

2

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Stochastik1 – z. B. durch Korrelationsfunktionen oder Verteilungsfunktionen – zu beschreiben. Ein Beispiel für ein determiniertes Signal ist eine harmonische Schwingung, wohingegen Rauschen ein Beispiel für ein zufälliges Signal ist. Weiterhin können Signale als Funktionen kontinuierlicher oder diskreter Variablen definiert sein – mit einem endlichen oder unendlichen Wertevorrat. Weisen Signale einen unendlichen Wertevorrat auf und sind sie Funktionen einer kontinuierlichen Zeitvariablen t, werden sie als analoge Signale bezeichnet; diese sind also zeit- und wertkontinuierlich. Digitale Signale dagegen sind Funktionen einer diskreten Zeitvariablen und weisen einen endlichen Wertevorrat auf; sie sind zeit- und wertdiskret [30, 42]. Für analoge Signale soll die Schreibweise u(t), x(t), h(t), . . . mit t ∈ R (1.1) genutzt werden [42]. R beschreibt dabei die Menge der reellen Zahlen. Zeitdiskrete Signale, die entweder einen kontinuierlichen oder einen diskreten Wertebereich aufweisen können, werden folgendermaßen definiert: x(i), y(k), z(l), . . .

mit i, k, l ∈ Z.

(1.2)

Z beschreibt dabei die Menge der ganzen Zahlen. Weiterhin soll gelten: x(i) ∈ R

oder

x(i) ∈ C

mit i ∈ Z.

(1.3)

Die Menge der komplexen Zahlen wird dabei beschrieben durch C. Der Betonung eines diskreten Wertebereiches wird durch die Symbolik x(i) ˆ ∈ Z,

mit i ∈ Z

(1.4)

Ausdruck verliehen. Die Schreibweise x(i) ˆ kennzeichnet ein digitales Signal [42]. Für die Untersuchung nachrichtentechnischer Zusammenhänge ist es häufig zweckmäßig, zeitdiskrete Signale als Zahlenfolgen aufzufassen. Bei derartigen endlichen Folgen kann vorteilhaft eine Vektorschreibweise genutzt werden. Ist x(i) auf das Intervall i 1 ≤ i ≤ i 2 zeitlich begrenzt, kann der Vektor  T x = xi1 , xi1 +1 , xi1 +2 , . . . , xi2

(1.5)

verwendet werden [42]. Das hochgestellte (. . .)T bezeichnet dabei die Transponierung eines Vektors, so dass es sich beim Vektor x um einen Spaltenvektor handelt [75].

1 Die Stochastik ist ein Teilgebiet der Mathematik, das die Wahrscheinlichkeitsrechnung und die

Statistik umfasst.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

3

1.2

Determinierte und stochastische Signale

1.2.1

Determinierte Signale

Periodische Zeitfunktionen und Fourieranalyse Eines der bekanntesten determinierten Signale ist die harmonische Schwingung in der Form u(t) = U0 cos(ω0 t + φ0 ) = U0 cos(2 π f 0 t + φ0 ),

(1.6)

die in Abb. 1.1 veranschaulicht ist. Der Wert U0 wird als Amplitude oder auch als Scheitelwert bezeichnet, ω0 = 2 π f 0 als Kreisfrequenz, f 0 als Frequenz und φ0 als Nullphasenwinkel. Solche Signale u(t) mit der Eigenschaft u(t + T ) = u(t + 2 T ) = u(t)

f¨ur alle t ∈ R

(1.7)

werden auch als periodisch mit der Periode T bezeichnet. Darüber hinaus weisen zahlreiche Schwingungen mit harmonischem Verlauf eine Zeitabhängigkeit derart auf, dass die Amplitude zeitlich nicht konstant ist, sondern mit der Zeit ab- oder zunimmt. Solche Signale können analytisch wie folgt beschrieben werden: u(t) = U0 e−σ0 t cos(ω0 t + φ0 ) .

(1.8)

Für σ0 > 0 spricht man von einer gedämpften oder abklingenden Schwingung, für σ0 = 0 von einer ungedämpften Schwingung und für σ0 < 0 von einer anwachsenden oder aufklingenden Schwingung. Abb. 1.2 veranschaulicht den sich ergebenden Signalverlauf für eine gedämpfte Schwingung. Daneben treten bei vielen Anwendungen zwei oder mehr Signale gleichzeitig auf und wirken auf ein System ein. Die Einwirkung kann entweder additiv oder multiplikativ sein.

1.5

Amplitude (in V) →

Abb. 1.1 Zeitsignal u(t) ( f 0 = 1 kHz, U0 = 1 V, φ0 = 0)

1 0.5 0 -0.5 -1 -1.5

0

0.5

1

t (in ms) →

1.5

2

4

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.2 Gedämpfte Schwingung u(t) nach (1.8) ( f 0 = 1 kHz, U0 = 1 V, φ0 = 0, σ0 = 103 s−1 )

Amplitude (in V) →

1.5 1 0.5 0 -0.5 -1 -1.5

0

0.5

1

1.5

2

t (in ms) →

Beispiel 1.1 (Überlagerung) Die Summe zweier harmonischer Schwingungen wird als Überlagerung bezeichnet, wenn die Frequenzen voneinander verschieden sind (z. B. f 1  f 2 oder f 1  f 2 ) und sie wird im Sonderfall als Schwebung bezeichnet, wenn die Frequenzen nahezu gleich groß sind, d. h., f 1 ≈ f 2 . Die folgende Umformung zeigt, welcher Vorgang sich bei der Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen u 1 (t) = U1 sin(ω1 t) und u 2 (t) = U2 sin(ω2 t) mit identischer Amplitude, d. h. U1 = U2 = U0 , ergibt [39]. Mit u(t) = u 1 (t) + u 2 (t) = U0 sin(ω1 t) + U0 sin(ω2 t)

(1.9)

führt die Anwendung des Additionstheorems  sin(x) + sin(y) = 2 sin 

auf u(t) = 2 U0 sin

x+y 2





x−y cos 2



   (ω1 + ω2 ) (ω1 − ω2 ) t cos t . 2 2

(1.10)

(1.11)

Abb. 1.3 und 1.4 veranschaulichen den Verlauf der Signale u 1 (t) und u 2 (t), während das resultierende Summensignal für den Fall f 2 = 2 f 1 in Abb. 1.5 dargestellt ist. Für ω1 = ω2 = ω0 folgt dagegen mit   (ω1 − ω2 ) cos t =1 (1.12) 2 das Ergebnis

 u(t) = 2 U0 sin

(ω1 + ω2 ) t 2

 = 2 U0 sin (ω0 t) .

In diesem Fall entsteht eine harmonische Schwingung mit der Frequenz

(1.13)

Determinierte und stochastische Signale

Abb. 1.3 Zeitsignal u 1 (t) ( f 1 = 1 kHz, U1 = 1 V)

5 1.5

Amplitude (in V) →

1.2

1 0.5 0 -0.5 -1 -1.5

0

0.5

1

1.5

2

1.5

2

1.5

2

t (in ms) → 1.5

Amplitude (in V) →

Abb. 1.4 Zeitsignal u 2 (t) ( f 2 = 2 kHz, U2 = 1 V)

1 0.5 0 -0.5 -1 -1.5 0

0.5

1

t (in ms) → 2

Amplitude (in V) →

Abb. 1.5 Summensignal u 1 (t) + u 2 (t) für f 1 = 1 kHz, f 2 = 2 kHz und U0 = U1 = U2 = 1 V

1 0 -1 -2

0

0.5

1

t (in ms) →

Abb. 1.6 Veranschaulichung der Schwebung mit f 1 = 0,8 kHz, f 2 = 1,2 kHz und U0 = U1 = U2 = 1 V

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen 3 u 1 (t) u 2 (t) u 1 (t ) + u 2 (t)

2

u(t) →

6

1 0 -1 -2

-3

-2

-1

0

1

2

3

t ( in ms ) →

(ω1 + ω2 ) = ω0 2

(1.14)

und der Amplitude 2 U0 . Für ω1 ≈ ω2 ergibt sich eine Schwebung. Dabei weist die Amplitude des Summensignals eine periodisch zu- und abnehmende Amplitude auf (siehe Abb. 1.6).  Durch die Kombination derartiger harmonischer Schwingungen kann man periodische Zeitvorgänge beliebiger Form erzeugen. Die mathematische Grundlage hierfür bildet die Theorie der Fourier-Reihen [39]. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Summe zweier periodischer Signale im Allgemeinen kein periodisches Signal ergibt. Hierzu muss die gemeinsame Periode ein ganzzahliges Vielfaches der beiden vorgegebenen Perioden T1 = 1/ f 1 und T2 = 1/ f 2 sein [39]. Dieses ist nur dann der Fall, wenn die Frequenzen f 1 und f 2 in einem rationalen Verhältnis zueinander stehen, was die Theorie der Fourier-Reihen ausnutzt [30]. Beispiel 1.2 (Summe zweier periodischer Signale) Die beiden Frequenzen f 1 und f 2 stehen in einem rationalen Verhältnis, wenn dieses aus zwei ganzen Zahlen gebildet werden kann. So führt das rationale Verhältnis 2 f1 = (1.15) f2 3 auf ein periodisches Summensignal, während die beispielhafte Wahl des Frequenzverhältnisses 2,1 f1 = (1.16) f2 3 als nichtrationale Zahl kein periodisches Summensignal ergibt.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

Amplitude (in V) →

Abb. 1.7 Periodisches Zeitsignal u(t) ( f 1 = 2 kHz, U1 = 0,5 V, φ1 = 0, f 2 = 3 kHz, U2 = 0,5 V, φ2 = 0)

7 1 0.5 0 -0.5 -1 0

0.5

1

1.5

2

1.5

2

Abb. 1.8 Nichtperiodisches Zeitsignal u(t) ( f 1 = 2,1 kHz, U1 = 0,5 V, φ1 = 0, f 2 = 3 kHz, U2 = 0,5 V, φ2 = 0)

Amplitude (in V) →

t (in ms) → 1 0.5 0 -0.5 -1 0

0.5

1

t (in ms) →

Abb. 1.7 veranschaulicht das entstehende periodische Summensignal bei additiver Überlagerung der beiden Einzelsignale, wo die Frequenzen in einem rationalen Verhältnis stehen. Demgegenüber ist bei fehlendem rationalem Verhältnis in Abb. 1.8 zu erkennen, dass die Eigenschaft der Periodizität verlorengeht.  Im 19. Jahrhundert hatte J. Fourier2 behauptet, dass sich jedes periodische Signal in harmonische Anteile zerlegen lässt, deren Komponenten sich in Amplitude, Phase und Frequenz unterscheiden, wobei die Frequenz der Komponenten immer ein Vielfaches der Grundfrequenz ist. Folglich lässt sich jede reellwertige T -periodische Funktion u(t) als Linearkombination von Sinus- und Kosinusschwingungen ausdrücken:  ∞  a0  an cos(2 π (n f 0 ) t) + bn sin(2 π (n f 0 ) t) . + u(t) = 2 n=1

2 Jean Baptiste Joseph Fourier (1768–1830), französischer Mathematiker und Physiker.

(1.17)

8

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Die Koeffizienten an und bn heißen Fourier-Koeffizienten und besitzen die Einheit des Zeitsignals, u(t). Wenn u(t) ein Spannungssignal repräsentiert, dann besitzen die FourierKoeffizienten die Einheit Volt. Der Parameter f 0 kennzeichnet die Grundfrequenz und ist gleich dem Inversen der Periodendauer T , d. h.,3 f0 =

ω0 1 = . 2π T

(1.18)

Weiterhin beschreibt der Koeffizient a0 /2 den Gleichanteil des Signals u(t). Im Falle eines gleichanteilfreien Signals ergibt sich der Koeffizient a0 /2 zu Null. Die Teilschwingung für n = 1, d. h. (1.19) a1 cos(2 π f 0 t) + b1 sin(2 π f 0 t), heißt Grundschwingung (oder 1. Harmonische). Die Teilschwingung für n > 1, d. h. an cos(n 2 π f 0 t) + bn sin(n 2 π f 0 t),

(1.20)

heißt n-te Harmonische oder (n − 1)-te Oberschwingung [39]. Die Gleichungen für die Bestimmung der Fourier-Koeffizienten lauten (siehe auch [39]) a0 1 = 2 T

t 0 +T

x(t) dt ,

(1.21)

t0

2 an = T

t 0 +T

2 x(t) cos(n ω0 t) dt = T

t0

2 bn = T

t 0 +T

t 0 +T

x(t) cos(n 2 π f 0 t) dt ,

(1.22)

x(t) sin(n 2 π f 0 t) dt .

(1.23)

t0

2 x(t) sin(n ω0 t) dt = T

t0

t 0 +T

t0

Die Grundlage für die Ableitung der Fourier-Koeffizienten bildet die Minimierung des Fehlerquadrats zwischen dem Originalsignal u(t) und dem über die Koeffizienten a0 /2, an und bn rekonstruierten Signal u R (t) (s. (1.17)) entsprechend  (1.24) [u(t) − u R (t)]2 dt −→ min. T

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Fourier-Koeffizienten an und bn nicht messtechnisch ermittelt werden können. Abgeleitete Größen, die messbar sind, sind das Betragsspektrum cn und das Phasenspektrum ϕn . Praktisch lässt sich das Betrags- und Phasenspektrum cn und ϕn über den Ansatz

3 Zur Definition der Frequenz s. Anhang G.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

9



a0  u R (t) = cn cos (n ω0 t − ϕn ) + 2

(1.25)

n=1

ermitteln. Mit Hilfe des Additionstheorems cos (α − β) = cos (α) cos (β) + sin (α) sin (β)

(1.26)

lässt sich die Darstellung u R (t) =

 ∞  a0  cn cos (ϕn ) cos (n ω0 t) + cn sin (ϕn ) sin (n ω0 t) + 2

(1.27)

n=1

finden. Dabei ergeben sich die Fourier-Koeffizienten an und bn zu an = cn cos (ϕn ) und bn = cn sin (ϕn ) .

(1.28)

Die Größen cn und ϕn sind – z. B. mit einem Spektralanalysator – messbar. Das Betragsspektrum ist reell und ergibt sich zu  cn = an2 + bn2 . (1.29) und das Phasenspektrum ist ebenfalls reell und lässt sich über den Ausdruck   bn . ϕn = arctan an

(1.30)

ermitteln. Die Darstellung der Fourier-Koeffizienten in Abhängigkeit von der Frequenz wird als Spektrum des periodischen Signals bezeichnet. Es enthält die Grundfrequenz und ihre Vielfachen, die Harmonischen, deren Größe durch die Fourier-Koeffizienten bestimmt wird. Da im Spektrum periodischer Zeitsignale nur bei Vielfachen der Grundfrequenz Spektralanteile zu erwarten sind, ist das auf diese Weise entstehende Linienspektrum eine charakteristische Eigenschaft periodischer Signale. Beispiel 1.3 (Fourier-Koeffizienten eines periodischen Zeitsignal) So besitzt das in Abb. 1.5 dargestellte gleichanteilfreie periodische Summensignal, d. h. a0 /2 = 0, in der Form u(t) = U0 sin(ω1 t) + U0 sin(2 ω1 t)

(1.31)

mit der Grundfrequenz f 1 = 1 kHz, der Frequenz f 2 = 2 f 1 = 2 kHz und U0 = 1 V das in Abb. 1.9 angegebene Linienspektrum. Die von Null verschiedenen Fourier-Koeffizienten  sind b1 = U0 = 1 V und b2 = U0 = 1 V.

10

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

an

bn

1

1

1

2

3

4

f (in kHz)

1

2

3

4

f (in kHz)

Abb. 1.9 Fourier-Koeffizienten des in Abb. 1.5 dargestellten periodischen Zeitsignals

Die additive Verknüpfung zweier harmonischer Zeitfunktionen mit gegebener Frequenz, Amplitude und Phase führt, wie in Abb. 1.9 dargestellt, nicht zur Entstehung neuer Frequenzen. Da über die Fourier-Synthese aus den diskreten Werten der Fourier-Koeffizienten das periodische Zeitsignal zumindest theoretisch fehlerfrei wieder berechnet werden kann, muss in den Fourier-Koeffizienten die gesamte Information des periodischen Signals enthalten sein; die Eigenschaften eines periodischen Zeitsignals werden durch die Fourier-Koeffizienten ausgedrückt: Damit weist das Spektrum eines periodischen Zeitsignals nur diskrete Werte im Frequenzbereich auf und wird deshalb als Linienspektrum bezeichnet. Beispiel 1.4 (Fourier-Koeffizienten eines periodischen Zeitsignal mit Gleichanteil) Wird nun in Fortführung des vorherigen Beispiels das in Abb. 1.5 dargestellte gleichanteilfreie periodische Summensignal um einen Gleichanteil erweitert in der Form u(t) = U0 + U0 sin(ω1 t) + U0 sin(2 ω1 t)

(1.32)

mit der Grundfrequenz f 1 = 1 kHz, der Frequenz f 2 = 2 f 1 = 2 kHz und U0 = 1 V, so entsteht das in Abb. 1.9 angegebene Linienspektrum. Die von Null verschiedenen FourierKoeffizienten sind b1 = U0 = 1 V und b2 = U0 = 1 V und für den Gleichanteil ergibt sich a0 /2 = U0 = 1 V. Da der Gleichanteil frequenzunabhängig ist, entsteht nun eine zusätzliche Spektrallinie bei f = 0 Hz, die in der Darstellung der an sichtbar wird (siehe Abb. 1.10).  Beispiel 1.5 (Fourier-Koeffizienten einer periodischen Rechteck-Impulsfolge) Die Fourieranalyse des in Abb. 1.11 dargestellten gleichanteilfreien (d. h. a0 /2 = 0) und geraden (d. h. u(t) = u(−t)) Signals führt auf den folgenden Verlauf für die Fourier-Koeffizienten4

4 Die Spaltfunktion ist definiert als si(x) = sin(x)/x.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

11

an

bn

1

1

1

2

3

4

f (in kHz)

1

2

3

4

f (in kHz)

Abb. 1.10 Fourier-Koeffizienten des in Abb. 1.5 dargestellten periodischen Zeitsignals mit zusätzlichen Gleichanteil

π

n = 1, 2, 3, . . . an = 2 A si n 2 bn = 0 n = 1, 2, 3, . . . .

(1.33) (1.34)

Einschub: Herleitung der Fourier-Koeffizienten der periodischen Rechteck-Impulsfolge

Es werden im Folgenden schrittweise die Fourier-Koeffizienten der in Abb. 1.11 dargestellten periodischen Rechteck-Impulsfolge berechnet. Über die Beziehung t 0 +T a0 1 x(t) dt (1.35) = 2 T t0

wird der Koeffizient

a0 = 0, (1.36) 2 da jeweils über eine ganze Periode T integriert wird, die beliebig auf der Zeitachse liegen kann: Immer ist die insgesamt unterhalb dieser Kurve liegende Fläche Null, da sich positive und negative Anteile kompensieren. Das Signal u(t) ist gleichanteilfrei, was auch aus der Anschauung (Abb. 1.11) plausibel erscheint. Die Koeffizenten an werden über die Beziehung 2 an = T

t 0 +T

x(t) cos(n ω0 t) dt t0

(1.37)

12

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

bestimmt und man erhält zunächst 2 an = T

+T  /4 −T /4

2 A cos(n ω0 t) dt − T

3/4  T

A cos(n ω0 t) dt T /4

+T /4 3/4 T 2A 2A sin(n ω0 t) − sin(n ω0 t) = T n ω0 T n ω0 −T /4 T /4 ⎡ 2A = T n ω0

⎢ ⎢   ⎢ ⎢sin n ω0 T ⎢ 4 ⎢ ⎣

   T − sin n ω0 − 4   

= sin n ω0



T 4

, da ungerade Funktion

 3T T + sin n ω0 . . . − sin n ω0 4 4      T 3T 2A − sin n ω0 . 3 sin n ω0 = T n ω0 4 4 





+...

Wird entsprechend ω0 T =

2π T = 2π T

(1.38)

vereinfacht, ergibt sich T =n· 4 3T n ω0 =n· 4 n ω0

2π T π · =n· T 4 2 2π 3T 3π · =n· T 4 2

und es resultieren die Fourier-Koeffizienten    π

A 3π 3 sin n . an = − sin n nπ 2 2 n an

1 4A π

2 0

(1.39)

3 4 − 43πA 0

Eine weitere Umformung ergibt     π

π

3 3 n π = sin n π ± n · 2π = sin −n = − sin n sin 2 2 2 2

(1.40)

1.2

Determinierte und stochastische Signale

so dass A nπ A = nπ 4A = nπ

an =

13

   π

3π 3 sin n − sin n 2 2  π π

 3 sin n − − sin n 2 2 π

π 2A sin n = π sin n 2 n 2 2

folgt. Damit erhält man mit si(x) = sin (x)/x die oben angegebene Darstellung π

. (1.41) an = 2 A si n 2 Die Koeffizenten bn werden über die Beziehung 2 bn = T

t 0 +T

x(t) sin(n ω0 t) dt

(1.42)

t0

berechnet und da wieder über zeitlich beliebig liegende ganze Perioden T integriert wird, erhält man (1.43) bn = 0. Dies kann auch damit erklärt werden, dass die bn die ungeraden Anteile einer Funktion u(t) abbilden, die gegebene periodische Rechteck-Impulsfolge aber eine gerade Funktion ist.

u(t) A

−T

− T2

T 2

−A Abb. 1.11 Rechteck-Impulsfolge

T

t

14

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

an

bn

1

1

1 3

− 13

1 3

3 1

2

− 31

f (in kHz)

4

1

2

3

4

f (in kHz)

Abb. 1.12 Fourier-Koeffizienten (auszugsweise) des in Abb. 1.11 dargestellten Zeitsignals ( A = π/4 V, f 0 = 1/T = 1 kHz)

Der Verlauf der Fourier-Koeffizienten ist in Abb. 1.12 veranschaulicht. Dabei gilt: u(t) = 2 A

∞  n=1

π

cos(2 π (n f 0 ) t). si n 2

(1.44)

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Darstellung entsprechend (1.44) für die Analyse von signal- und systemtheoretischen Grundlagen in vielen Fällen nicht benötigt wird. Oft wird vielmehr eine Darstellung zum Zeitsignal entsprechend Abb. 1.12 gesucht. Das rekonstruierte Zeitsignal unter Verwendung der Grundschwingung, der dritten und fünften Harmonischen ist in Abb. 1.13 dargestellt.  Die Grundlage für die Fourier-Reihe bildet die Approximation entsprechend der Gleichung 1 T

t 0 +T

(u(t) − u R (t))2 dt → Min.

(1.45)

Abb. 1.13 Rekonstruiertes Zeitsignal unter Verwendung der Grundschwingung, der dritten und fünften Harmonischen (A = π/4 V, T = 1/ f 0 = 1 ms)

Amplitude (in V) →

t0

1 0.5 0 -0.5 -1 0

0.5

1

t (in ms) →

1.5

2

1.2

Determinierte und stochastische Signale

15

Abb. 1.14 Zur Illustration des Gibbs’schen Phänomens

1

uR (t) →

0.5 0 -0.5 -1 0

0.5

1

1.5

2

t/T →

mit der Minimierung der Fehlerquadrate. Es zeigt sich, dass die Fourier-Reihe schlecht zur Approximation von Signalen mit Sprung- oder Unstetigkeitsstellen geeignet ist. An den Unstetigkeitsstellen ist ein Überschwingen erkennbar, das auch dann nicht kleiner wird, wenn eine höhere Anzahl von Fourier-Koeffizienten einbezogen wird: Diese Eigenschaft wird als Gibbs’sches Phänomen bezeichnet.5 Abb. 1.14 veranschaulicht das Gibbs’sche Phänomen am Beispiel der Rechteck-Impulsfolge. Beispiel 1.6 (Betrags- und Phasenspektrum einer Rechteck-Impulsfolge) Die nachfolgende Tabelle spiegelt die ermittelten Werte für die reellen Fourier-Koeffizienten an und bn der analysierten Rechteck-Impulsfolge nach Abb. 1.11 wieder. n an

1 4A π

2 0

3 4 − 43πA 0

Mit diesen lässt sich die Rechteck-Impulsfolge als u R (t) =

4A 4A cos(ω0 t) − cos(3 ω0 t) + . . . π 3π

darstellen. Mit der Definition für das Betrags- und Phasenspektrum in der Form    bn 2 2 und ϕn = arctan c n = a n + bn an

(1.46)

(1.47)

ergibt sich das in der nachfolgenden Tabelle dargestellte Betrags- und Phasenspektrum der periodischen Rechteck-Impulsfolge. Der Wert ϕn zeigt dabei in den Quadranten, in dem auch der Punkt (an , bn ) liegt.

5 Josiah Willard Gibbs (1839–1903), US-amerikanischer Mathematiker, Physiker und Chemiker

16

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen n cn ϕn

1 4A π

0

2 0 −

3 4A 3π

π

4 0 −

Dabei wird in der Tabelle der Umstand berücksichtigt, dass bei einem Betragsspektrum mit dem Wert cn = 0 der Wert des Phasenspektrums ϕn nicht von Interesse ist. Mit u R (t) =

∞ 

cn cos (n ω0 t − ϕn )

(1.48)

n=1

ergibt sich mit den ermittelten Werten für das Betrags- und Phasenspektrum u R (t) =

4A 4A cos (ω0 t) + cos (3 ω0 t − π ) + . . . . π 3π

(1.49)

Mit cos (α − π ) = − cos (α) folgt das Ergebnis u R (t) =

4A 4A cos (ω0 t) − cos (3 ω0 t) + . . . . π 3π

(1.50)

Abb. 1.15 veranschaulicht das resultierende Betrags- und Phasenspektrum der in Abb. 1.11 dargestellten Rechteck-Impulsfolge.  Charakteristische Zeitfunktionen Besonders wichtig und nützlich ist das Vertrautsein mit einer Reihe von nicht-periodischen (aperiodischen) Signalen, wie dem Rechteck-Impuls, der Sprungfunktion und der Rampenfunktion. Sprungfunktion Die in Abb. 1.16 dargestellte Sprungfunktion lässt sich analytisch folgendermaßen beschreiben u(t) = A · 1(t) . (1.51) Die Funktion 1(t) wird als Einheitssprungfunktion bezeichnet: Sie beschreibt einen Sprung der Amplitude (Sprunghöhe) 1 zum Zeitpunkt t = 0 und ist dimensionslos. Da diese Funk-

Abb. 1.15 Betrags- und Phasenspektrum der in Abb. 1.11 dargestellten Rechteck-Impulsfolge ( A = π/4 V, f 0 = 1/T = 1 kHz)

1.2

Determinierte und stochastische Signale

17

u(t)

Abb. 1.16 Sprungfunktion

A

t

0 u(t)

Abb. 1.17 Rampenfunktion

A

0 Abb. 1.18 Rechteck-Impuls

t

T0

u(t) A

0

T

t

tion 1(t) einheitenlos ist, wird die Sprungfunktion u(t) die Einheit des Vorfaktors A annehmen. Beschreibt der Faktor A einen Spannungswert, weist die Sprungfunktion u(t) nach (1.51) die Einheit Volt auf. Rampenfunktion Die in Abb. 1.17 dargestellte Rampenfunktion lässt sich analytisch folgendermaßen beschreiben A t · 1(t) (1.52) u(t) = T0 und besitzt die Einheit Volt. Rechteck-Impuls Neben der Sprung- und Rampenfunktion besitzt in der Nachrichtentechnik der Rechteck-Impuls eine große Bedeutung (s. Abb. 1.18), der sich bei Kenntnis der Sprungfunktion zu u(t) = A · 1(t) − A · 1(t − T ) (1.53) ergibt.

18

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.19 Zur Definition des Dirac-Impulses über Rechteck-Impulse gleicher Fläche

u(t)

5,0

A= 1 T

1,0 0,2

T

1,0

t

Dirac-Stoß Das Signal, das bei Anwendung des Grenzübergangs T → 0, d. h. Verringerung der Impulsbreite T des in Abb. 1.18 dargestellten Rechteck-Impulses u(t) bei konstanter Impulsfläche A T mit z. B. A = 1/T (s. Abb. 1.19), entsteht, nennt man Dirac-Impuls oder Dirac-Stoß (s. Abb. 1.20):6 lim u(t) = δ(t) . (1.54) T →0

Je kleiner in Abb. 1.19 die Impulsdauer T gewählt wird, umso größer muss die Amplitude des Impulses werden, damit die Impulsfläche A T konstant bleibt. Der Versuch, den Dirac-Impuls bzw. den Dirac-Stoß zu definieren, führt auf eine Funktion, die für alle Zeiten t = 0 Null ist und zum Zeitpunkt t = 0 über alle Grenzen wächst [18, 30] (s. Abb. 1.20), d. h.,  ∞ t =0 u(t) = δ(t) = . (1.55) 0 sonst Der Dirac-Impuls kann nicht durch seine unmittelbaren Eigenschaften beschrieben werden, sondern nur durch seine Wirkung auf andere Funktionen, wie z. B. über die Ausblendeigenschaft. Die Beziehung +∞ u(t) δ(t) dt = u(0) (1.56) −∞

signalisiert, dass das Integral über das Produkt einer Funktion u(t) mit einem Dirac-Stoß δ(t) alle Funktionswerte der Funktion u(t) für Zeiten t = 0 unterdrückt – oder ausblendet – und nur den Wert u(0) der Funktion u(t) an der Stelle t = 0 beibehält: In diesem Fall wird der Funktionswert u(0) aus dem Zeitsignal herausgelöst. Soll hingegen der Funktionswert an der Stelle t = t0 aus einer Funktion u(t) herausgelöst werden, so gilt

6 Paul Adrien Maurice Dirac (1902–1984), britischer Physiker.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

19

Abb. 1.20 Dirac-Impuls δ(t)

u(t)

t

0 +∞ u(t) δ(t − t0 ) dt = u(t0 ) .

(1.57)

−∞

Der Dirac-Impuls wird üblicherweise durch einen senkrechten Pfeil zum Zeitpunkt t0 seines Auftretens dargestellt; dies ist in Abb 1.20 für das Beispiel t0 = 0 veranschaulicht. Energie- und Leistungssignale Signale lassen sich auch nach ihrer Energie oder nach ihrer Leistung einteilen. Die Energie eines reellen Signals u(t) ist definiert als Es =

+∞ u 2 (t) dt.

(1.58)

−∞

Von einem Energiesignal spricht man, falls E s < ∞ ist. Die Energie weist die Einheit V2 s, wenn u(t) ein Spannungssignal mit der Einheit Volt ist. In diesem Fall wird das Signal u(t) als energiebegrenzt mit der Energie E s bezeichnet. Ein Beispiel für ein Energiesignal ist der Rechteck-Impuls (s. Abb. 1.21).

Abb. 1.21 Der Rechteck-Impuls als Beispiel für ein Energiesignal

u(t) A

0

T

t

20

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Die mittlere Leistung eines reellen Signals u(t) ist als 1 Ps = lim T →∞ 2 T

+T u 2 (t) dt

(1.59)

−T

definiert. Signale, deren Leistung Ps endlich und ungleich Null ist, nennt man Leistungssignale. Die Leistung wird in der Einheit V2 angegeben, wenn u(t) ein Spannungssignal mit der Einheit Volt ist. Ein Beispiel für ein Leistungssignal ist eine harmonische Sinusschwingung (s. Abb. 1.22 mit einer Sinusschwingung als Beispiel für eine harmonische Schwingung). Alle physikalisch interpretierbaren Signale haben eine endliche Leistung; es gilt Ps < ∞. Physikalische und signal- bzw. systemtheoretische Leistung Es verbleibt an dieser Stelle anzumerken, dass der Begriff der Leistung in der Signal- und Systemtheorie zumeist nicht im physikalischen Sinn verwendet wird. Stattdessen wird das Quadrat eines Amplitudenwertes (in Volt) als signal- oder systemtheoretische Leistung (in Volt2 ) bezeichnet. Dabei ist dann an einem reellen Widerstand von 1 die signaltheoretische Leistung zahlenmäßig – aber nicht dimensionsmäßig – identisch mit der physikalischen Leistung (gemessen in Watt) (s. auch z. B. [30, 54]). Der Vorteil einer solchen Herangehensweise besteht darin, dass man unabhängig von einer konkreten Technologie, die jeweils mit einem speziellen Widerstand R verknüpft ist (z. B. der Wellenwiderstand einer bestimmten Art von Leitung), Signale beschreiben und z. B. Übertragungssysteme mit signal- und systemtheoretischen Mitteln untersuchen und optimieren kann. Die bisherigen Betrachtungen zur Analyse von periodischen Signalen konzentrierten sich ausschließlich auf positive Frequenzen. Allerdings erlaubt die verallgemeinerte FourierAnalyse, eingeführt durch den Mathematiker Norbert Wiener, auch die Einbeziehung negativer Frequenzen. Dabei lässt sich folgendes ausführen:

1.5

Amplitude (in V) →

Abb. 1.22 Harmonische Schwingung als Beispiel für ein Leistungssignal

1 0.5 0 -0.5 -1 -1.5

0

0.5

1

t (in ms) →

1.5

2

1.2

Determinierte und stochastische Signale

21

• technisch sinnvoll (und messbar): positive Frequenzen f , f 0 , • theoretischer Ansatz: auch negative Frequenzen − f , − f 0 werden zugelassen. Damit gehören zu einer Kosinusschwingung immer zwei Frequenzen, die positive bei f 0 und die negative bei − f 0 . Dieser Umstand lässt sich für eine verallgemeinerte Frequenzanalyse ausnutzen und führt zu einer Fourier-Reihendarstellung in komplexer Form, s. Anhang G. Fourier-Transformation Grundsätzlich können alle determinierten und stochastischen Signale gleichberechtigt in einem • Zeit- oder Originalbereich (unabhängige Variable t) oder in einem • Frequenz- oder Bildbereich (unabhängige Variable f , ω) beschrieben werden. Rechenvorschriften für die Hintransformation, d. h. den Übergang vom Originalbereich in den Bildbereich (gekennzeichnet durch das Symbol  ), und die Rücktransformation, d. h. den Übergang vom Bildbereich in den Originalbereich (gekennzeichnet durch das Symbol  ), werden durch Funktionaltransformationen realisiert [16, 30]. Während die Fourier-Reihe auf periodische Zeitsignale beschränkt ist, bietet die FourierTransformation die Möglichkeit, aperiodische Signale auf ihre frequenzmäßige Zusammensetzung hin zu untersuchen. Definition Die Fourier-Transformation eines aperiodischen Zeitsignals u(t) liefert dessen Spektrum U ( f ) +∞ u(t) e−j 2 π f t dt, (1.60) U ( f ) = F {u(t)} = −∞

das im Allgemeinen komplexwertig ist. Die inverse Fourier-Transformation ist definiert über u(t) = F

−1

+∞ {U ( f )} = U ( f ) ej 2 π

ft

df.

(1.61)

−∞

U ( f ) und u(t) bilden ein sogenanntes Transformationspaar. U ( f ) ist die FourierTransformierte von u(t) und u(t) ist wiederum die inverse Fourier-Transformierte oder die Fourier-Rücktransformierte von U ( f ). In der Kurzschreibweise wird dieses durch das Transformationssymbol verdeutlicht: u(t)

  U ( f ).

(1.62)

Es sei nun wiederum u(t) ein ein- oder beidseitig begrenztes determiniertes Signal mit

22

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

u(t)

u(t)

T

Übergang τ = konst

A τ − T2

− τ2

A τ

T→∞ τ 2

T 4

t (in s)

− τ2

τ 2

t (in s)

Abb. 1.23 Überführung einer Rechteck-Impulsfolge (periodisch) in einem Rechteck-Impuls (aperiodisch)

u(t) (in V),

(1.63)

d. h., u(t) ist eine Spannung. Die Fourier-Transformation führt auf das Amplitudendichtespektrum   +∞ V u(t) e−j2π f t dt in U( f ) = bzw. Vs . (1.64) Hz −∞

und wird in Volt je Hertz Bandbreite gemessen. Dabei ist Volt die Einheit des zeitlichen Spannungsverlaufes u(t) und die multiplikativ hinzutretende Einheit s = 1/Hz entstammt anschaulich dem dt des Fourier-Integrals. Wird die Periodendauer einer periodischen Funktion gegen Unendlich verlängert, ergibt sich – bei unveränderter Form des Signals – aus der Fourier-Reihe das Fourier-Integral. Die spektralen Darstellungen bestehen bei periodischen Zeitfunktionen aus diskreten Linien (Linienspektrum, s. Fourier-Reihendarstellung) und sind bei einmaligen (aperiodischen) Vorgängen kontinuierlich. Mit der Fourier-Reihe steht ein Werkzeug zur Verfügung, das periodische Signale in seine frequenzmäßigen Komponenten zerlegt. Hier zeigt sich, dass die Periodendauer des Zeitsignals T über den Ansatz 1 (1.65) f0 = T den Abstand der Spektrallinien im Frequenzbereich bestimmt. Wird nun bei einem gegebenen periodischen Signal (siehe Abb. 1.23) die Impulsbreite konstant gehalten und die Periodendauer T vergrößert (theoretisch bis Unendlich) so resultiert daraus, dass sich der Abstand der Spektrallinien verringern muss und zwar im Grenzübergang für T → ∞ auf f 0 → 0.7 Damit weisen aperiodische Signale ein kontinuierliches Spektrum auf. Die Fourier-Transformierte des Signals u(t), d. h. U ( f ), nennt man auch das Spektrum eines Signals u(t). Diese im allgemeinen komplexwertige Funktion der reellen Variablen 7 In Abb. 1.23 wird mit T die Periodendauer des periodischen Zeitsignals bezeichnet und mit τ die

Impulsbreite. Im Weiteren wird – bei aperiodischen Zeitsignalen – die gängige Bezeichnung T für die Impulsdauer bzw. die Impulsbreite verwendet.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

23

f kann zwecks anschaulicher Darstellung in ein Betrags- und Phasenspektrum aufgeteilt werden. Dabei gilt (1.66) U ( f ) = |U ( f )| ej ϕ( f ) , mit |U ( f )| als Beschreibung für das Betragsspektrum (auch als Amplitudengang bezeichnet) und ϕ( f ) als Beschreibung für das Phasenspektrum (auch als Phasengang bezeichnet). Einige für die weiteren Betrachtungen wichtige Korrespondenzen der FourierTransformation sind im Anhang C in Tab. C.1 zusammengestellt. Dort finden sich auch die Transformationsgleichungen mit der Frequenzvariable ω, die gleichberechtigt mit der hier gewählten Darstellung mit der Frequenzvariable f nutzbar sind. Anwendung der Fourier-Transformation für beispielhafte Signale Es werden im Folgenden die Amplitudendichtespektren einiger beispielhafter aber typischer Zeitsignale berechnet, um die Anwendung der Fourier-Transformation zu demonstrieren und daraus resultierende wichtige Zusammenhänge aufzuzeigen. Beispiel 1.7 (Amplitudendichtespektrum des Rechteck-Impulses) Als Beispiel sei an dieser Stelle das Amplitudendichtespektrum des Rechteck-Impulses entsprechend Abb. 1.24 analysiert. Über den Ansatz +T  /2

U( f ) =

A e−j 2 π

ft

dt

(1.67)

−T /2

ergibt sich das Amplitudendichtespektrum U ( f ) des Rechteck-Impulses zu U( f ) =

A sin(π f T ). π f

(1.68)

Durch die Integrationsgrenzen von ±T /2 in (1.67) wird berücksichtigt, dass u(t) außerhalb des Intervalls von −T /2 bis T /2 identisch Null ist (s. Abb. 1.24). Die Spaltfunktion ist eine mathematische Funktion, die wie folgt definiert ist:

Abb. 1.24 Rechteck-Impuls

u(t) A

− T2

0

+ T2

t

24

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.25 Spaltfunktion si(x) = sin (x)/x

si(x) 1

si(a x) =

x

0

−2 π

−4 π



sin(a x) . ax



(1.69)

Mit Hilfe der Regel von L’Hospital [11, 74] folgt si(0) = 1. Abb. 1.25 veranschaulicht den Verlauf der Spaltfunktion. Werden Zähler und Nenner des Vorfaktors in (1.68) jeweils mit T erweitert, kann man mit (1.69) für die Spektralfunktion des Rechteck-Impulses, d. h. das Amplitudendichtespektrum, auch schreiben U ( f ) = A T si (π f T ) . (1.70)

Einschub: Herleitung des Spektrums des Rechteck-Signals

Die Fourier-Transformation zur Berechnung des Spektrums des Rechteck-Signals wird im Folgenden ausführlich dargestellt, um den Rechenweg zu verdeutlichen: +T  /2

+∞ 

u(t) e−j 2 π f t dt =

U ( f ) = F {u(t)} = −∞

A e−j 2 π f t dt

−T /2

+T  /2

U( f ) = A

(cos (2 π f t) − j sin (2 π f t)) dt

−T /2 +T  /2

+T  /2

cos (2 π f t) dt − A j

U( f ) = A −T /2

sin (2 π f t) dt −T /2







= 0, da ungerade Funktion +T  /2

U( f ) = A −T /2

T /2  cos (2 π f t) dt = 2 · A cos (2 π f t) dt. 0

1.2

Determinierte und stochastische Signale

25

Unter Benutzung von (s. Anhang F.2 bzw. z. B. [11, 74])  1 cos ax dx = sin ax + C a

(1.71)

erhält man als Ergebnis der Integration 2A U( f ) = 2π f



T /2 sin (2 π f t)

(1.72)

0

und nach Berücksichtigung der Integralgrenzen   A T . U( f ) = sin 2 π f π f 2

(1.73)

Ein Erweitern des Vorfaktors mit T führt auf U( f ) =

AT sin (π f T ) π fT

(1.74)

und mit der Definition der Spaltfunktion si(a x) =

sin(a x) ax

(1.75)

folgt letztlich für die spektrale Amplitudendichte eines einzelnen Rechteck-Impulses U ( f ) = A T si(π f T ).

(1.76)

Der sich für U ( f ) ergebende Verlauf ist in Abb. 1.26 dargestellt und besitzt die folgenden Eigenschaften: • Das Maximum von U ( f ) liegt bei der Frequenz f = 0 und weist den Wert A T auf (Fläche des Rechteckimpulses im Zeitbereich). • Die Funktion U ( f ) des Amplitudendichtespektrums verfügt bei den Frequenzen f n = n/T , mit n = ±1, ±2, ±3, . . ., über Nullstellen, d. h. U ( f = f n ) = 0. Im betrachteten Beispielfall mit einer Impulsdauer von T = 1 ms besitzt das Spektrum Nullstellen bei Vielfachen von 1 kHz.  Beim Einsatz der Fourier-Transformation versucht man häufig, soweit wie möglich, auf bekannte Korrespondenzen zurückzugreifen, um die oftmals aufwändige Auswertung des Fourier-Integrals zu vermeiden. Dabei trifft man oft auf zeitverschobene Signale, wie in Abb. 1.27 dargestellt. Solche zeitverschobenen Signale können mit Hilfe des Zeitverschie-

26

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

U(f) (in Vs)

Abb.1.26 Amplitudendichtespektrum des Rechteck-Impulses (T = 1 ms und A = 1 V)

AT

A

0

4

2

u1 (t) = u(t − T/2)

u(t)

− T2

f (in Hz)

0

−2

−4

A

+ T2

0

t

t

T

Abb. 1.27 Rechteck-Impuls und verschobener Rechteck-Impuls

bungssatz der Fourier-Transformation in den Bild- oder Spektralbereich transformiert werden, was nachfolgend illustriert werden soll. Die Fourier-Transformation zur Berechnung des Spektrums eines zeitverschobenen Rechteck-Signals u 1 (t) wird im Folgenden ausführlich dargestellt, um den Rechenweg zu verdeutlichen und um Zusammenhänge zum Zeitverschiebungssatz der FourierTransformation herzustellen. Dabei führt die Fourier-Transformation des Zeitsignals u 1 (t) auf das Spektrum +∞ U1 ( f ) = F {u 1 (t)} = u 1 (t) e−j 2 π −∞

dt =

A e−j 2 π

0

T =− A e−j 2 π j 2 π f 0

A e−j 2 π f t j2π f A 1 − e−j 2 π f T U1 ( f ) = j2π f T A U1 ( f ) = e−j 2 π f 2 ej 2 π j2π f U1 ( f ) = −

T ft

f

T 2

− e−j 2 π

f

T 2



fT

ft

dt

−1

.

Dabei erhält man mit sin (x) =

 1  jx e − e−j x 2j

und

2π f

T =π f T 2

(1.77)

1.2

Determinierte und stochastische Signale

27

das Zwischenergebnis U1 ( f ) =

A −j π e π f

sin (π f T ) .

fT

(1.78)

Weiterhin ergibt sich mit si(x) = sin (x)/x die Darstellung U1 ( f ) = A T e−j π

fT

si (π f T ) .

(1.79)

Es zeigt sich, dass die Zeitverschiebung keinen Einfluss auf das Betragsspektrum hat sondern nur eine Änderung des Phasenspektrums bewirkt. Mit −j π f T (1.80) e =1 folgt für das Betragsspektrum des zeitverschobenen Signals u 1 (t) |U1 ( f )| = A T |si (π f T ) | = |U ( f )|,

(1.81)

das mit dem Betragsspektrum des nicht verschobenen Impulses u(t) übereinstimmt (siehe auch (1.76)). Dieser Zusammenhang ist auch unter dem Begriff Zeitverschiebungssatz der Fourier-Transformation bekannt und lässt sich als u(t) u(t − to )

   

U( f )

(1.82)

U ( f ) · e−j 2 π

f t0

(1.83)

formulieren (s. auch Anhang C). Um der physikalischen Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen, werden alle determinierten Signale in diesem Buch als Spannungen u(t) (in V) aufgefasst. Über die FourierTransformation erhält man daraus das Amplitudendichtespektrum +∞ U( f ) = u(t) e−j2π f t dt

 in

−∞

 V bzw. Vs , Hz

(1.84)

gemessen in Volt je Hertz Bandbreite. Zwei weitere, wichtige charakteristische Funktionen sind der Zeit- und der Frequenzstoß. Als Stoß im Zeitbereich wird die Funktion u(t) = A · δ(t)

(1.85)

bezeichnet. Dabei ist A die Fläche des Stoßes bzw. das Stoßintegral [31]. Mit der Definition +∞ δ(t) dt = 1 −∞

 −→

δ(t)

in

1 bzw. Hz s

 (1.86)

28

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

ergibt sich, dass der Zeitstoß die Einheit (1/s) besitzt. Der Wert A – interpretierbar als Fläche der Stoßfunktion – muss dann die Einheit Vs bzw. V/Hz haben, damit u(t) in (1.85) die geforderte Dimension einer Spannung (in V) aufweist. Beispiel 1.8 (Amplitudendichtespektrum des Dirac-Stoßes im Zeitbereich) Das Spektrum eines beispielhaften Zeitstoßes von u(t) = A · δ(t) = 1

V · δ(t) Hz

(1.87)

ist somit eine Konstante (A = 1 V/Hz) im Frequenzbereich (s. Abb. 1.28) von U( f ) = A = 1

V . Hz

(1.88) 

Als Stoß im Frequenzbereich wird (analog zum Zeitstoß) die Funktion U ( f ) = B · δ( f )

(1.89)

bezeichnet. Dabei ist B die Fläche des Stoßes (das Stoßintegral [31]). Mit der Definition 

+∞ δ( f ) df = 1

−→

−∞

δ( f )

in

 1 bzw. s Hz

(1.90)

ergibt sich, dass der Frequenzstoß die Einheit (1/Hz) besitzt. Der Wert B (interpretierbar als Fläche des Stoßes im Frequenzbereich) muss dann die Einheit V = V/Hz · Hz haben, damit U ( f ) in (1.89) die geforderte Dimension einer Amplitudendichte (V/Hz) aufweist. Beispiel 1.9 (Amplitudendichtespektrum einer Gleichspannung) Das Spektrum einer beispielhaften Gleichspannung von u(t) = B = 1 V (1.91)

U(f)

u(t) A

A

0

t

Abb. 1.28 Zeitstoß mit zugehöriger Beschreibung im Bildbereich

0

f

1.2

Determinierte und stochastische Signale

29

U(f)

u(t) B

B

t

0

0

f

Abb. 1.29 Stoß im Frequenzbereich mit zugehöriger Beschreibung im Zeitbereich

ist ein Stoß im Frequenzbereich (s. Abb. 1.29): U ( f ) = B · δ( f ) = 1 V · δ( f ).

(1.92)

Das Amplitudendichtespektrum besitzt die Einheit V/Hz = Vs. Damit führt eine Gleichspannung zu einer spektralen Komponente bei f = 0 Hz.  Beispiel 1.10 (Funktionswerte bei Null und Flächen) Aus der Fourier-Transformation (1.60) ergibt sich unmittelbar für den Wert des Amplitudendichtespektrums U ( f ) an der Stelle f = 0 +∞ +∞ −j 2π·0·t U ( f = 0) = u(t) e dt = u(t) dt. (1.93) −∞

−∞

 +∞ Damit entspricht der Wert an der Stelle f = 0 im Frequenzbereich der Fläche −∞ u(t) dt des Signals im Zeitbereich (s. Abb. 1.30). Analog kann der Wert des Signals bei t = 0 im Zeitbereich über die inverse FourierTransformation (1.61) als +∞ +∞ j 2π f ·0 U( f ) e df = U( f ) d f u(t = 0) = −∞

(1.94)

−∞

U(f)

u(t)

U(f = 0)

0

t

0

Abb. 1.30 Zur Gleichheit des Wertes bei f = 0 und der Fläche des Zeitsignals

f

30

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

U(f)

u(t) u(t = 0)

0

t

0

f

Abb. 1.31 Zur Gleichheit des Wertes bei t = 0 und der Fläche des Amplitudendichtespektrums

bestimmt werden. Damit entspricht der Wert eines Zeitsignals an der Stelle t = 0 der Fläche  +∞ −∞ U ( f ) d f des Amplitudendichtespektrums im Frequenzbereich (s. Abb. 1.31). Allgemein lässt sich feststellen, dass der Wert bei Null in einem Bereich jeweils der Fläche unter der Kurve im anderen Bereich entspricht. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge kann hilfreich für viele Rechnungen und Abschätzungen sein.  Amplitudendichtespektren gerader und ungerader Signale Bisher wurde bei der Analyse der frequenzmäßigen Zusammensetzung von Zeitsignalen schon deutlich, dass gerade Zeitsignale ein reelles Spektrum haben (s. Amplitudendichtspektrum des symmetrischen Rechteck-Impulses). Nachfolgende Betrachtungen sollen diesem Umstand noch ein wenig präzisieren und verallgemeinern. Grundsätzlich können alle Signale u(t) in einen geraden Anteil u g (t) und einen ungeraden Anteil u u (t) zerlegt werden [45]. Dabei lässt sich der gerade Anteil über u g (t) =

1 (u(t) + u(−t)) 2

(1.95)

berechnen und für den ungeraden Anteil gilt u u (t) =

1 (u(t) − u(−t)) 2

(1.96)

Weiterhin gilt: u g (t) = u g (−t) und u u (t) = −u u (−t). Dabei lässt sich leicht überprüfen, dass die additive Verknüpfung von u g (t) und u u (t) wieder auf das Zeitsignal u(t) führt, da gilt (1.97) u(t) = u g (t) + u u (t). Nachfolgend sei für das in Abb. 1.32 dargestellte Zeitsignal eine Zerlegung in seinen geraden Anteil u g (t) und seinen ungeraden Anteil u u (t) gesucht. Die Zerlegung des Zeitsignals u(t) in seinen geraden Anteil u g (t) und seinen ungeraden Anteil u u (t) erfordert die Bestimmung des Signals u(−t), was einer Spiegelung an der y-Achse entspricht (s. auch Abb. 1.33) [45].

1.2

Determinierte und stochastische Signale

31

Abb. 1.32 Zeitsignal u(t)

u(t) 2A

T Abb. 1.33 Zeitsignal u(−t)

t

2T

u(−t) 2A

−T

−2 T

t

Das Ergebnis der Zerlegung von u(t) in einen geraden Anteil u g (t) und einen ungeraden Anteil u u (t) veranschaulicht Abb. 1.34. Die Eigenschaft des Zeitsignals gerade oder ungerade wirkt sich dabei auch auf das Spektrum aus, das über die Fourier-Transformation mit dem Zeitsignal verknüpft ist. Es gilt +∞ u(t) e−j 2 π U ( f ) = F {u(t)} =

ft

dt.

(1.98)

−∞

Mit u(t) = u g (t) + u u (t) folgt zunächst für die Fourier-Transformation von u g (t) +∞ Ug ( f ) = u g (t) e−j 2 π

ft

dt,

(1.99)

−∞

was sich als Ug ( f ) =

+∞ +∞ u g (t) cos (2 π f t) dt − j u g (t) sin (2 π f t) dt −∞

(1.100)

−∞

schreiben lässt. Das Integral +∞ u g (t) sin (2 π f t) dt = 0 −∞

(1.101)

32

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

ug (t) 2A A

−2 T

−T

T

2T

t

T

2T

t

uu (t) 2A A

−2 T

−T

−A

Abb. 1.34 Zerlegung von u(t) in seinen geraden Anteil u g (t) und seinen ungeraden Anteil u u (t)

ergibt den Wert Null, da hier das Integral eines Produktes bestehend aus einer geraden Funktion mit einer ungeraden Funktion berechnet wird. Als Ergebnis lässt sich somit für das Spektrum des geraden Zeitsignals u g (t) +∞ Ug ( f ) = u g (t) cos (2 π f t) dt

(1.102)

−∞

angeben. Es zeigt sich, dass dieses Spektrum reell ist. Entsprechend lässt sich das Spektrum des ungeraden Zeitsignals u u (t) als +∞ Uu ( f ) = u u (t) e−j 2 π

ft

dt

(1.103)

−∞

formulieren, das mit der Eulerschen Beziehung ejx = cos x + j sin x zu +∞ +∞ Uu ( f ) = u u (t) cos (2 π f t) dt − j u u (t) sin (2 π f t) dt −∞

−∞

(1.104)

1.2

Determinierte und stochastische Signale

33

vereinfacht werden kann. Dabei ergibt nun das Integral +∞ u u (t) cos (2 π f t) dt = 0

(1.105)

−∞

den Wert Null, da hier das Integral eines Produktes bestehend aus einer ungeraden Funktion mit einer geraden Funktion berechnet wird. Als Ergebnis lässt sich somit für das Spektrum des ungeraden Zeitsignals u u (t) +∞ Uu ( f ) = −j u u (t) sin (2 π f t) dt

(1.106)

−∞

schreiben. Es zeigt sich, dass dieses Spektrum imaginär ist. Mit Hilfe des Superpositionssatzes lässt sich als Ergebnis für das Spektrum des Zeitsignals u(t) die Beziehung u(t) = u g (t) + u u (t)

  U ( f ) = Ug ( f ) + Uu ( f )

(1.107)

ableiten.

1.2.2

Stochastische Signale

Tatsächlich treten in der Nachrichtentechnik neben diesen Grundsignalen und allgemein den determinierten Signalen stets Störsignale auf, die teils in Geräten selbst entstehen oder in die Übertragungswege eindringen (z. B. Rauschen der Widerstände und Halbleiter, Störungen durch fremde Sender, Impulsstörungen von Energieversorgungsanlagen oder unerwünschte Musik). Signale, deren Verlauf nicht vorhersehbar – und damit auch nicht vorhersagbar oder berechenbar ist –, werden als nicht-deterministische, stochastische, statistische oder zufällige Signale bzw. Zufallssignale bezeichnet. Ein Beispiel für ein stochastisches Signal n(t) ist in Abb. 1.35 angegeben. Einen Vorgang, der Zufallssignale erzeugt, nennt man Zufallsprozess. Diesen kann man sich durch beliebig viele in der Zeit t zugleich ablaufende Prozesse vorstellen (s. Abb. 1.36).8 Die nachfolgenden Betrachtungen in diesem Buch konzentrieren sich auf stationäre, ergodische Prozesse, d. h. die den Prozess beschreibenden statistischen Parameter sollen unab8 Die einzelnen, zugleich ablaufenden Prozesse werden auch als Realisierungen oder Musterfunktionen des stochastischen Prozesse bezeichnet. Sie sind in der gewählten Beschreibungsweise ebenfalls Spannungen und können daher mit u(t) bezeichnet werden. Um den zufälligen Charakter dieser Musterfunktionen zu betonen, wurde n(t) als mathematische Bezeichnung gewählt (für noise), was in der nachrichtentechnischen Literatur üblich ist. Für die Berechnung allgemeiner Kenngrößen kann trotzdem u(t) als (allgemeine) Bezeichnung verwendet werden.

34

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.35 Darstellung eines stochastischen Signals

n(t)

t

hängig von der Wahl des Zeitpunktes sein, zu dem sie ermittelt werden (Stationarität) und es genüge eine beliebig ausgewählte Realisierung oder Musterfunktion des Prozesses, anhand der die statistischen Parameter ermittelt werden können (Ergodizität). Dabei ist die Stationarität Voraussetzung für die Ergodizität. Unter der Voraussetzung, dass die in Abb. 1.36 erzeugten Realisierungen einem ergodischen Zufallsprozess entstammen, genügt zur Bestimmung von stochastischen Kenngrößen (wie z. B. Mittelwert oder Varianz) eine Realisierung des Zufallsprozesses. Auch wenn die einzelne Signalform für sich genommen nicht mathematisch-analytisch algebraisch beschreibbar ist, so können doch mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik (Stochastik) deterministische Kenngrößen zur Beschreibung von stochastischen Signalen herangezogen werden, wie z. B. der Mittelwert oder die Varianz. Für reelle,

n3 (t) t n2 (t) t n1 (t) t Abb. 1.36 Realisierungen eines ergodischen Zufallsprozesses

1.2

Determinierte und stochastische Signale

35

ergodische Signale berechnet sich der lineare Mittelwert (Gleichanteil, Moment erster Ordnung) zu +T 1 n(t) = lim n(t) dt. (1.108) T →∞ 2 T −T

Der quadratische Mittelwert, d. h., das Quadrat des Effektivwertes oder die mittlere Leistung, ergibt sich zu +T 1 2 n 2 (t) dt (1.109) UR = n 2 (t) = lim T →∞ 2 T −T

und wird, sofern n(t) in Form einer Spannung (in V) auftritt, in V2 angegeben. Diese Größe (in V2 ) ist an einem reellen und konstanten Widerstand proportional zur physikalischen Leistung (in W) (z. B. [29]). Zufällige Größen und Signale können eindeutig beschreiben werden durch ihre Wahrscheinlichkeitsdichte- oder Verteilungsfunktion. Bezeichnet man die Wahrscheinlichkeitsdichte einer zufälligen Größe oder eines stochastischen Prozesses u(t) mit p(u), so kann der lineare Mittelwert als +∞ u(t) = m 1 = u m = u p(u) du,

(1.110)

−∞

der quadratische Mittelwert als u 2 (t)

+∞ = m2 = u 2 p(u) du

(1.111)

−∞

und die Varianz als

+∞ (u − m 1 )2 p(u) du = m 2 − m 21 σ = 2

(1.112)

−∞

berechnet werden. Bei mittelwertfreien Zufallssignalen (m 1 = 0) stimmen Varianz σ 2 und quadratischer Mittelwert m 2 überein. Da die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion p(u) eine determinierte Funktion (und keine Zufallsfunktion) ist, können die Kenngrößen linearer Mittelwert, quadratischer Mittelwert und Varianz der zufälligen Zeitfunktion u(t) mit den angegebenen Integralbeziehungen (1.110), (1.111) und (1.112) berechnet werden – und sie sind daher selbst determinierte Größen oder Funktionen. Es ist zu beachten, dass die Beziehungen in (1.108) und (1.109) praktisch nicht oder allenfalls näherungsweise auswertbar sind, da die Zeitfunktionen n(t), über die integriert wird, Zufallsfunktionen sind. Trotzdem sind die damit ermittelten Kenngrößen determi-

36

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

nierte Größen, da sie sich auf anderem Wege als Erwartungswert (1.110) und quadratischer Mittelwert (1.111) mit Hilfe einer Integration über die determinierte Funktion Wahrscheinlichkeitsdichte berechnen lassen, z. B. [74]. Die Beziehungen (1.108) und (1.109) können für eine näherungsweise experimentelle Bestimmung der Größen angewendet werden. Zusammenhänge zwischen zeitlich benachbarten Werten von stochastischen Signalen können in Form eines Maßes für die lineare Abhängigkeit, d. h., als Korrelationsfunktion, ausgedrückt werden [29]. Der zeitliche Abstand τ ist die unabhängige Variable der Korrelationsfunktion. Bei der Autokorrelationsfunktion (AKF) werden Wertepaare ein- und derselben zufälligen Funktion betrachtet. Im Gegensatz zur AKF stellt die Kreuzkorrelationsfunktion (KKF) ein Maß für die gegenseitige Abhängigkeit zweier Werte verschiedener Funktionen dar. Für einen reellen, ergodischen Zufallsprozess n(t) ergibt sich die Autokorrelationsfunktion zu +T 1 n(t) n(t + τ ) dt. (1.113) ψ(τ ) = lim T →∞ 2 T −T

Die Autokorrelationsfunktion dient zur Beschreibung von Zufallssignalen, weist selbst jedoch determinierten Charakter auf. Vergleicht man (1.113) mit (1.109) so wird erkennbar, dass sich der quadratische Mittelwert UR2 , d. h. der (Effektivwert)2 , für τ = 0 zu UR2 = ψ(0)

(1.114)

berechnet. An einem reellen und konstanten Widerstand ist die Größe UR2 als signaltheoretische Leistung wieder proportional zur physikalischen Leistung. Möchte man die frequenzmäßige Zusammensetzung dieser Signale ermitteln, so muss die Fourier-Transformierte der Autokorrelationsfunktion oder der Kreuzkorrelationsfunktion ermittelt werden. Die Fourier-Transformierte der AKF führt über +∞ ψ(τ ) e−j 2 π

( f ) =





(1.115)

−∞

auf die spektrale Leistungsdichte ( f ), die auch als Leistungsdichtespektrum (LDS) bezeichnet wird. Diese Beziehung wird als Theorem von Chintschin 9 und Wiener10 bezeichnet [29]. Das Leistungsdichtespektrum kennzeichnet die Verteilung der Leistung eines Zufallsprozesses über der Frequenz, da Zufallssignale Leistungssignale sind.11 Die Integration über 9 Alexander Jakowlewitsch Chintschin (1894–1959), sowjetischer Mathematiker (auch: Khintchine

oder Khinchin) 10 Norbert Wiener (1894–1964), US-amerikanischer Mathematiker und Philosoph 11 Im Gegensatz dazu werden Energiesignale durch ein Energiedichtespektrum beschrieben, das die

Verteilung der Energie über der Frequenz angibt.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

37

Ψ(f) Fläche entspricht quadratischem Mittelwert

f

0

Abb. 1.37 Fläche unter dem Leistungsdichtespektrum (spektrale quadratische Amplitudendichte) eines Signals entspricht dem quadratischen Mittelwert des Signals (in V2 )

das Leistungsdichtespektrum, d. h. UR2

+∞ = ψ(0) =

( f ) d f

(1.116)

−∞

führt dabei auf ein Maß für die Leistung des Zufallsprozesses (s. Abb. 1.37). Die spektrale Leistungsdichte wird, sofern n(t) in Form einer Spannung auftrat, in V2 /Hz gemessen. Damit entspricht UR2 dem quadratischen Mittelwert des Signals (in V2 ). Wird mit einer systemtheoretischen Leistung in der Dimension (Amplitude)2 gearbeitet, so wird die Leistungsdichte auch als quadratische Amplitudendichte bezeichnet. Viele Störungen, wie z. B. Verstärkerrauschen, lassen sich durch einen Zufallsprozess mit einem Leistungsdichtespektrum beschreiben, das über einen weiten Frequenzbereich ungefähr konstant ist. Derartige Prozesse werden häufig durch einen idealisierten stochastischen Prozess approximiert, dessen Leistungsdichtespektrum für alle Frequenzen konstant und damit frequenzunabhängig ist [18]. Ein solcher idealisierter Zufallsprozess, in dem nahezu alle Frequenzen gleichermaßen enthalten sind, wird auch als weißes Rauschen bezeichnet – in Anlehnung an weißes Licht, dessen Spektrum eine Vielzahl von Wellenlängen bzw. Frequenzen aufweist: Durch deren Überlagerung wird der Effekt des weiß erscheinenden Lichts bewirkt. Die Autokorrelationsfunktion von weißem Rauschen kann unter Verwendung des bereits eingeführten Dirac-Impulses oder Dirac-Stoßes dargestellt werden (Abb. 1.38): ψ(τ ) = 0 δ(τ ).

(1.117)

Dies bedeutet, dass die in einem weißen Rauschsignal n(t) zu verschiedenen Zeiten t enthaltenen Werte unkorreliert sind [18]. Aus der Fourier-Transformierten der Autokorrelationsfunktion für weißes Rauschen folgt für das Leistungsdichtespektrum (Abb. 1.38)

( f ) = F {ψ(τ )} = 0 .

(1.118)

38

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

ψ(τ )

Ψ(f) Ψ0

Ψ0

τ

0

0

f

Abb. 1.38 Zusammenhang zwischen Autokorrelationsfunktion und Leistungsdichtespektrum bei weißem Rauschen

Damit muss für den quadratischen Mittelwert und damit die Leistung gelten UR2

+∞ = ψ(0) =

0 d f −→ ∞.

(1.119)

−∞

Weißes Rauschen ist daher eine Idealisierung (bzw. ein idealisierter Modellprozess), die sich physikalisch nicht realisieren lässt, denn Vorgänge mit unendlicher Leistung lassen sich in der physikalischen Wirklichkeit nicht erzeugen. Für die Beschreibung von nachrichtentechnischen Zusammenhängen wird vielfach von der Annahme ausgegangen, dass die Störamplituden gaußverteilt sind und dass die spektrale Rauschleistungsdichte der Störung eine Konstante ist. Dabei beruht die Annahme einer Gaußverteilung12 auf der Gültigkeit des zentralen Grenzwertsatzes [25]. Es muss an dieser Stelle allerdings angemerkt werden, dass bei Annahme einer konstanten spektralen Leistungsdichte, z. B. des Rauschens, die Amplituden nicht automatisch immer gaußverteilt sind. Ebenfalls darf aus der Gaußverteilung der Störamplituden nicht auf das Vorhandensein einer konstanten spektralen Rauschleistungsdichte geschlossen werden.

1.2.3

Zu spektralen Kennfunktionen determinierter und zufälliger Signale

Um die diskutierten Spektralfunktionen anschaulicher werden zu lassen und den notwendigen Unterschied bei der Behandlung determinierter und zufälliger Signale deutlich zu machen, sollen zwei Gedankenexperimente betrachtet werden. Amplitudendichtespektren determinierter Signale Zur Bestimmung der Spektralfunktion eines determinierten Spannungssignals u(t) im Bildoder Frequenzbereich durchläuft dieses im Gedankenexperiment einen durchstimmbaren 12 Johann Carl Friedrich Gauß (1777–1855), deutscher Mathematiker, Statistiker, Astronom, Geodät,

Elektrotechniker und Physiker.

1.2

Determinierte und stochastische Signale

39

Abb. 1.39 Gedankenexperiment zur Bestimmung einer Amplitudendichte bei determiniertem Signal

Bandpass (BP) der Bandbreite B = 1 Hz. Der Durchlassbereich wird sukzessive um 1 Hz verschoben; der Spannungsmesser registriert die jeweils in dem vom Bandpass hindurchgelassenen Frequenzbereich vorliegende Spannung. Die Messanordnung ist in Abb. 1.39 (links) dargestellt. Die Darstellung des Messergebnisses im Diagramm in Abb. 1.39 (rechts) erfolgt als UMesswert U( f ) = , (1.120) 1 Hz Bandbreite also als Amplitude (UMesswert ) bezogen auf eine Bandbreite (1 Hz) – und damit als Amplitudendichte. Die Amplitudendichte wird daher in der Einheit V/Hz = Vs angegeben. Ein Bandpass der Bandbreite B = 1 Hz lässt sich in der Praxis zumeist nur schwer realisieren. Dann kann z. B. ein Bandpass der Bandbreite B = 10 kHz verwendet werden und der Messwert wird durch die Bandbreite B des tatsächlich genutzten Bandpasses dividiert: Auf diese Weise erhält man praktisch eine Näherung für die zu bestimmende Amplitudendichte. Der mathematische Zusammenhang ist über die Fourier-Transformation gegeben: u(t)   U ( f ) bzw. U ( f ) = F {u(t)} und u(t) = F −1 {U ( f )}. Leistungsdichtespektren zufälliger Signale Das Gedankenexperiment zur Bestimmung der Spektralfunktion eines zufälligen Signals verläuft ähnlich zu dem Vorgehen bei determiniertem Signal – allerdings mit einer wichtigen Änderung: Da bei einem zufälligen Signal die Amplitude eines Signals nicht messbar ist – sondern nur die Leistung bzw. der Effektivwert –, wird als Messgerät ein Leistungsmesser verwendet (Abb. 1.40, links). Dieser misst jeweils die im durchgelassenen Frequenzbereich des Bandpasses vorliegende Leistung. Die Darstellung im Diagramm (in Abb. 1.40, rechts) erfolgt nun als PMesswert , (1.121)

( f ) = 1 Hz Bandbreite also als Leistung (PMesswert ) bezogen auf eine Bandbreite (1 Hz) – und damit als Leistungsdichte. Die Leistungsdichte wird daher physikalisch in der Einheit W/Hz = Ws angegeben.

40

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.40 Gedankenexperiment zur Bestimmung einer Leistungsdichte bei zufälligem Signal

An einem reellen, konstanten Widerstand R ist die physikalische Leistung P (in W) über die Beziehung P = U 2 /R propotional dem Quadrat der Spannung U . Man verwendet in der Signal- und Systemtheorie sowie in der nachrichtentechnischen Anwendung oft vorteilhaft direkt P = U 2 (in V2 ) als sogenannte signal- oder systemtheoretische Leistung: Die systemtheoretische Leistung ist an einem Widerstand von R = 1 zahlenmäßig gleich der physikalischen Leistung. Da in der Nachrichtentechnik oft Verhältnisse von Leistungen – z. B. Signal-Rausch-Verhältnisse – interessieren und für die Systemoptimierung bedeutsam sind, kann man auf diese Weise die Berechnung vereinfachen und von einer konkreten Technologie unabhängig durchführen. Soll nach erfolgter Optimierung ein physikalisches System dimensioniert werden, ist bei Kenntnis des konkreten Widerstandes R eine Berechnung der physikalischen Leistung notwendig und leicht möglich. Arbeitet man mit der systemtheoretischen Leistung, ist die „Leistungsdichte bei R = 1 “ in Abhängigkeit von der Frequenz f (in W/Hz) identisch mit der „Quadratischen Amplitudendichte“ in Abhängigkeit von der Frequenz f (in V2 /Hz). Beide Bezeichnungen werden oft synonym verwendet. Somit bezeichnen spektrale Leistungsdichte oder einfach Leistungsdichte, Leistungsdichtespektrum und quadratische Amplitudendichte identische Spektralfunktionen. Der mathematische Zusammenhang ist wieder über die Fourier-Transformation gegeben, nun zwischen Autokorrelationsfunktion des zufälligen Signals und der Leistungsdichte: ψ(τ )   ( f ) bzw. ( f ) = F {ψ(τ )} und ψ(τ ) = F −1 { ( f )}. Theorem von Parseval Mit der Einführung der Fourier-Transformation können aperiodische Zeitsignale u(t) im Frequenzbereich beschrieben werden als +∞ u(t) e−j 2 π U ( f ) = F {u(t)} = −∞

ft

dt.

(1.122)

1.2

Determinierte und stochastische Signale

41

Die inverse Fourier-Transformation liefert aus dem Frequenzbereich das zu einem Spektrum gehörende Zeitsignal u(t) = F

−1

+∞ {U ( f )} = U ( f ) ej 2 π

ft

df.

(1.123)

−∞

Mit dem Theorem von Parseval13 kann nun die Energie eines Zeitsignals sowohl im Zeitbereich als auch über den Frequenzbereich ermittelt werden. Dabei gilt für die Signalenergie (in V2 s) +∞ +∞ 2 Es = u (t) dt = |U ( f )|2 d f . (1.124) −∞

−∞

Mit der Korrelationsfunktion für Energiesignale in der Form (das hochgestellte E soll auf ein Energiesignal hinweisen) +∞ ψ (τ ) = u(t) u(t + τ ) dt. E

(1.125)

−∞

lässt sich aus dieser für τ = 0 ebenfalls die Signalenergie ermitteln. Ein Vergleich von (1.125) mit (1.124) zeigt für τ = 0 eine Übereinstimmung: Die Auswertung der Autokorrelationsfunktion kann daneben gleichfalls für die Bestimmung der Signalenergie herangezogen werden. Da nun die Bestimmung der Autokorrelationsfunktion über die Faltung ψ E (τ ) = u(τ ) ∗ u(−τ ).

(1.126)

ausgedrückt werden kann, führt die Transformation des Ausdruckes in den Bildbereich auf das Energiedichtespektrum  

E ( f ) = F ψ E (τ ) = U ( f ) · U ∗ ( f ) = |U ( f )|2 (1.127) und die abschließende Integration – analog zur Auswertung des Leistungsdichtespektrums bei Leistungssignalen – auf die Energie eines Zeitsignals +∞ +∞ +∞ 2 E Es = u (t) dt =

( f)d f = |U ( f )|2 d f . −∞

−∞

−∞

Damit lässt sich die Signalenergie bestimmen aus • dem Integral über des Quadrat des Zeitsignals, 13 Marc-Antoine Parseval des Chênes (1755–1836), französischer Mathematiker.

(1.128)

42

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

• der Autokorrelationsfunktion an der Stelle τ = 0 oder • dem Integral über das Energiedichtespektrum. Einschub:Herleitung des Zusammenhanges zwischen der Autokorrelationsfunktion und dem Energiedichtespektrum

Die in (1.126) beschriebene Operation kann durch das Faltungsintegral +∞ u(t) u(t + τ ) dt ψ (τ ) = E

(1.129)

−∞

ausgedrückt werden, was im Frequenzbereich auf eine Multiplikation der dazugehörenden Amplitudendichtespektren führt. Über den Ansatz, dass jedes Zeitsignal in einen geraden und einen ungeraden Anteil (u g (τ ) und u u (τ )) zerlegt werden kann, lassen sich die folgenden Beziehungen im Frequenzbereich ableiten. Mit u(τ ) = u g (τ ) + u u (τ )

  U ( f ) = Ug ( f ) + Uu ( f )

(1.130)

und u(−τ ) = u g (−τ ) + u u (−τ ) = u g (τ ) − u u (τ )

(1.131)

folgt zunächst für u(−τ ) = u g (τ ) − u u (τ ), was sich im Frequenzbereich als u(−τ ) = u g (τ ) − u u (τ )

  U ∗ ( f ) = Ug ( f ) − Uu ( f )

(1.132)

darstellen lässt. Damit ergibt sich im Frequenzbereich für das Energiedichtespektrum   (1.133)

E ( f ) = F ψ E (τ ) = U ( f ) · U ∗ ( f ) = |U ( f )|2 , das die Verteilung der Energie eines Signals über der Frequenz beschreibt.

1.3

Charakterisierung von Systemen

1.3.1

Grundlegendes

In Nachrichtenübertragungssystemen können Signale informationstragende Funktionen sein, die von einem System verändert bzw. transformiert werden. Systeme können dabei Komponenten von Sender und Empfänger oder auch der Übertragungskanal selbst sein. Aufgabe der Systemtheorie ist die Beschreibung von System-Anordnungen, die Eingangssignale nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten beeinflussen, verändern und verknüpfen, die

1.3

Charakterisierung von Systemen

43

von den Eigenschaften des Systems abhängig sind. Möglichkeiten zur Beschreibung eines Systems sind dabei gegeben durch: • Antwortfunktionen auf charakteristische Zeitfunktionen (Stoßantwort, Sprungantwort), • Systemeigenschaften im Frequenzbereich (Übertragungsfunktionen, Dämpfung, Phasengang) und die • Antwort auf zufällige Vorgänge mit vorgegebenen statistischen Eigenschaften. Ein solches Übertragungssystem kann als mathematisches Modell einer technischen Anordnung verstanden werden, das mit Eingangssignalen beaufschlagt wird und in gewünschter Weise mit Ausgangssignalen reagiert. Wesentlich für ein System ist seine Übertragungseigenschaft, d. h., auf welche Art und Weise ein Eingangssignal durch das System beeinflusst wird und wie es nach dieser Bewertung oder Transformation durch das System an seinem Ausgang vorliegt.

1.3.2

Systembeschreibung im Zeit- und Frequenzbereich

Ein System, das linear ist und dessen Eigenschaften unabhängig von zeitlichen Verschiebungen des Eingangssignals sind, wird als lineares zeitinvariantes System bzw. kurz als LTI-System bezeichnet (engl. linear time-invariant system). Ein System ist linear, wenn der Überlagerungs- bzw. Superpositionssatz anwendbar ist. Daneben besitzen solche Systeme die Eigenschaften der Stabilität und der Kausalität. Systembeschreibungsformen Hinsichtlich ihrer Übertragungseigenschaft werden LTI-Systeme durch die Gewichtsfunktion g(t) oder die Übertragungsfunktion G( f ) – als Fourier-Transformierte G( f ) = F {g(t)} der Gewichtsfunktion g(t) – vollständig beschrieben. Die Übertragungsfunktion wird in der Form G( f ) =

U2 ( f ) U1 ( f )

(1.134)

benutzt (s. Abb. 1.41); sie ist daher dimensionslos. Von der im Allgemeinen komplexen Übertragungsfunktion G( f ) abgeleitet sind über

Abb. 1.41 Zur Definition eines Systems mit determinierten Ein- und Ausgangsgrößen

u2 (t)

u1 (t) g(t) ◦−• G(f) U1 (f)

U2 (f)

44

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

G( f ) = |G( f )| ej ϕ( f ) ,

(1.135)

die Betragscharakteristik |G( f )| (Amplitudengang) und die Winkel- oder Phasencharakteristik ϕ( f ) (Phasengang). Neben der Übertragungsfunktion G( f ), als komplette Systemcharakteristik, in der Form G( f ) = |G( f )| ej ϕ( f ) ist die aus der klassischen Netzwerktheorie stammende Darstellung G( f ) = e−(α( f )+j β( f )) = e−α( f ) · e−j β( f )

(1.136)

mit |G( f )| = e−α( f ) und den Parametern Dämpfungsmaß α( f ) = −ln(|G( f )|) und Phasenmaß β( f ) = −ϕ( f ) bekannt. Zur Veranschaulichung der frequenzmäßigen Zusammensetzung von Signalen und Systemen hat sich neben der linearen die logarithmische Darstellung als ein geeignetes Hilfsmittel erwiesen. So wird die Darstellung von 20 lg |G( f )| = 20 log10 |G( f )|

und

ϕ( f )

(1.137)

mit logarithmischer Frequenzachse als Bode-Diagramm bezeichnet.14 Dabei wird der Umstand ausgenutzt, dass durch geeignete Maßstäbe – wie z. B. der logarithmischen Darstellung – additive Zusammenhänge zwischen Gesamtsystem und den einzelnen Elementarsystemen bezüglich des Verlaufs von Betrag und Phase resultieren (s. Abb. 1.48). Über die Fourier-Transformation ist die Übertragungsfunktion mit der Gewichtsfunktion +∞ G( f ) ej2π f t df g(t) = −∞



1 in Hz bzw. s

 (1.138)

verknüpft, die die Einheit 1/s aufweist. |G(f)|

ϕ(f)

AT

− 1 2T

0

+ 1 2T

f

0

f

Abb. 1.42 Amplituden- und Phasengang eines idealen Tiefpasses

Relative Pegel- und Dämpfungsangaben Üblicherweise wird für relative Angaben zu Pegeln und Dämpfungen die Hilfsmaßeinheit dB 14 Hendrik Wade Bode (1905–1982), US-amerikanischer Mathematiker und Physiker

1.3

Charakterisierung von Systemen

45

für Dezibel verwendet, benannt nach A. G. Bell.15 Das Dezibel dient zur Kennzeichnung der Verwendung des dekadischen Logarithmus’ eines Verhältnisses zweier gleichartiger Leistungs- oder Energiegrößen, z. B.:   P2 (1.139) L(in dB) = 10 lg P1 Bei Verwendung von Amplitudengrößen, z. B. Spannungen, erhält man (mit P1 = U12 /R und P2 = U22 /R)      2 U22 U22 /R U2 = 10 lg = 10 lg L(in dB) = 10 lg U1 U12 /R U12   U2 L(in dB) = 20 lg U1 Eine andere, dem Dezibel verwandte und in der Vergangenheit bei elektrischen Leitungen vielfach verwendete Hilfsmaßeinheit ist Np für Neper, benannt nach J. Napier.16 Das Neper dient zur Kennzeichnung der Verwendung des natürlichen Logarithmus’ eines Verhältnisses zweier gleichartiger Feldgrößen, z. B. Spannungen:   U2 (1.140) L(in Np) = ln U1 Der Umrechnungsfaktor zwischen dB und Np ist 20 lg e = 8,686. Beispiel 1.11 (Umrechnung von 1 Np in dB) Es soll ein Verhältnis U2 /U1 , das 1 Np entspricht, in dB umgerechnet werden. Ausgehend von   U2 = 1 Np (1.141) L(in Np) = ln U1 erhält man zunächst

 1 Np = ln e1 =

U2 U1



(...) e

U2 U1

und die Angabe in dB lautet

15 Alexander Graham Bell (1847–1922), britischer, später US-amerikanischer Erfinder und Unter-

nehmer 16 John Napier (latinisiert Neper), (1550–1617), schottischer Mathematiker, Naturgelehrter und Theologe

46

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen



U2 L(in dB) = 20 lg U1

 = 20 lg (e) ≈ 8,686 dB

(1.142) 

Beispiel 1.12 (Umrechnung von 1 dB in Np) Es soll ein Verhältnis U2 /U1 , das 1 dB entspricht, in Np umgerechnet werden. Ausgehend von   U2 = 1 dB (1.143) L(in dB) = 20 lg U1 erhält man zunächst



U2 1 dB = 20 lg U1   1 U2 = lg 20 U1 U2 101/20 = U1



: 20 10(...)

und die Angabe in Np lautet     1 U2 = ln 101/20 = ln 10 ≈ 0,115 Np L(in Np) = ln U1 20

(1.144) 

Umrechnung zwischen beiden Angaben ist demnach: • 1 dB = 0,115 Np, • 1 Np = 8,686 dB . Sowohl das Dezibel als auch das Neper sind keine echten Maßeinheiten, da sie jeweils ein Verhältnis gleichartiger Größen – und damit eine dimensionslose Größe – kennzeichnen. Sie zeigen an, welche Basis der verwendete Logarithmus aufweist (dekadischer oder natürlicher Logarithmus). Beide (Pseudo-) Einheiten werden verwendet, wobei das dB wesentlich gebräuchlicher und weiter verbreitet als das Np ist. Anwendung der Systembeschreibungsformen bei beispielhaften Systemen In den folgenden Beispielen wird eine Auswahl der in diesem Abschnitt eingeführten Systembeschreibungsformen auf konkrete beispielhafte Systeme angewendet, die in der Nachrichtentechnik eine wichtige Rolle spielen und die in den folgenden Kapiteln wieder aufgegriffen und genutzt werden.

1.3

Charakterisierung von Systemen

47

Beispiel 1.13 (Amplituden- und Phasengang eines idealen Tiefpasses) Abb. 1.42 veranschaulicht den Frequenz- und Phasengang eines idealen Tiefpasses. Über die inverse FourierTransformation + 21T  A T ej2π f t df (1.145) g(t) = − 21T

ergibt sich die Gewichtsfunktion g(t) zu   t g(t) = A si π . T

(1.146)

Einschub: Herleitung der Gewichtsfunktion des idealen Tiefpasses

Die inverse Fourier-Transformation + 21T



g(t) =

A T ej2π f t df

(1.147)

− 21T

der Übertragungsfunktion des idealen Tiefpasses führt nach Ausführen der Integration auf 1 A T j 2 π f t + 2 T (1.148) e g(t) = 1 . j2π t −2T

Das Einsetzen der Integrationsgrenzen ergibt g(t) =

2π t A T j 2π t e 2 T − e−j 2 T . j2π t

(1.149)

Dieser Ausdruck lässt sich nach Vereinfachung als g(t) = darstellen, was sich mit sin(x) =

πt A T j πt e T − e−j T j2π t 1 jx 2 j (e

g(t) =

(1.150)

− e−j x ) als

  AT t sin π πt T

(1.151)

48

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

sin(ax) ax

schreiben lässt und mit si(ax) =

auf das Ergebnis 

t g(t) = A si π T

 (1.152)

führt.

Berücksichtigt man daneben noch eine konstante Laufzeit τ0 , die ein Eingangssignal für den Systemduchlauf benötigt, dann kann der Phasengang eines idealen Tiefpasses, wie in Abb. 1.43 angegeben, dargestellt werden. In diesem Fall ergibt sich der Phasengang zu ϕ( f ) = − 2 π f τ0 .

(1.153)

Über die inverse Fourier-Transformation + 21T



g(t) =

A T e−j 2 π

f τ0 j2π f t

e

df

(1.154)

− 21T

ergibt sich die Gewichtsfunktion g(t) zu   (t − τ0 ) . g(t) = A si π T

(1.155) 

Die Forderung nach einer konstanten Gruppenlaufzeit τg , d. h., τg = −

1 d ϕ( f ) = konstant, 2π d f

(1.156)

|G(f)|

ϕ(f)

AT

− 21T

0

+ 21T

f

0

f

Abb. 1.43 Amplituden- und Phasengang eines idealen Tiefpasses mit linearer Phasenabhängigkeit

1.3

Charakterisierung von Systemen

49

bei konstanter Betragscharakteristik im betrachteten Frequenzintervall, d. h. |G( f )| = 1, ist Voraussetzung für die Realisierung einer verzerrungsfreien Übertragung. Wird das System in diesem Fall mit einem Eingangssignal u 1 (t) beaufschlagt, so erfährt dieses, unabhängig von der spektralen Zusammensetzung des Eingangssignals – vorausgesetzt, alle Frequenzkomponenten des Eingangssignals liegen im Durchlassbereich des Filters –, bei Systemdurchlauf nur eine Zeitverschiebung. Das Ausgangssignal ergibt sich in diesem Fall zu u 2 (t) = u 1 (t − τg )

(1.157)

und ist gegenüber der Eingangszeitfunktion lediglich zeitlich um τg verschoben. Das in Abb. 1.43 dargestellte System weist eine Gruppenlaufzeit von τg = τ0 auf. Demgegenüber werden reale Systeme einen gemächlicheren Übergang vom Durchlassbereich in den Sperrbereich aufweisen. Beispiel 1.14 (Tiefpass erster Ordnung) Für einen Tiefpass erster Ordnung ergibt sich die Übertragungsfunktion zu 1 . (1.158) G( f ) = 1 + j ffg Dabei beschreibt der Wert f g√die 3-dB-Grenzfrequenz. An dieser Stelle ist der Betrag der Übertragungsfunktion auf 1/ 2 des Maximalwertes abgefallen. Folglich muss dann gelten: 1 |G( f = f g )| = √ . 2

(1.159)

Die Bandbreite einer gegebenen Signalform lässt sich aus dem niedrigsten und dem höchsten enthaltenen Spektralanteil berechnen. In der Filtertechnik wird der Bereich als Bandbreite bezeichnet, an dessen Grenzfrequenzen sich die Spannungsamplitude um den Faktor √ 2 (entspricht einer Veränderung um 3 dB) gegenüber dem Maximum oder Minimum der Amplitude geändert hat. Das Bode-Diagramm entsprechend (1.137) für den Tiefpass erster Ordnung zeigt Abb. 1.44: Im oberen Teil ist der Amplitudengang und im unteren Teil der Phasengang dargestellt, jeweils mit logarithmisch geteilter Frequenzachse. Der im oberen Teil von Abb. 1.44 angegebene logarithmische Amplitudengang wird oft der besseren Übersichtlichkeit halber in einer Geradenapproximation dargestellt (s. auch Abb. 1.45): Bis zur Grenzfrequenz f g = 10 kHz wäre dies im dargestellten Beispiel eine horizontale Gerade bei 0 dB und ab dieser Grenzfrequenz eine mit einer Steigung von −20 dB/Dekade abfallende Gerade. Der Begriff Dekade bezieht sich dabei auf eine Zeh nerpotenz, also ist eine Dekade z. B. 104 . . . 105 oder 105 . . . 106 . Beispiel 1.15 (Kosinus-Roll-Off-Tiefpass) Vielfach wird in der Übertragungstechnik für G( f ) eine Kosinus-Roll-Off-Übertragungsfunktion

50

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen 20 lg|G(f)| (in dB) →

Abb. 1.44 Bode-Diagramm des Tiefpasses erster Ordnung (Grenzfrequenz: f g = 10 kHz)

0 -20 -40 -60 100

102

104

106

f (in Hz) → ϕ (in rad) →

0 -0.5 -1 -1.5 100

102

104

106

f (in Hz) →

Abb. 1.45 Amplitudengang eines Tiefpasses erster Ordnung und Geradenapproximation (Frequenzachse: logarithmisch geteilt)

G( f ) =

⎧ ⎪ ⎨1  1

2 ⎪ ⎩ 0

1 + sin

20 lg|G(f)| (in dB)

fg

0 −33



π (1−2 f T) 2r

f



f¨ur f ≤ f¨ur

1−r 2T

f¨ur f >

1−r 2T

≤ f ≤

1+r 2T

(1.160)

1+r 2T

mit dem Roll-Off-Faktor r angestrebt (s. Abb. 1.46); zur Begründung und Anwendung s. Kap. 2. Über die inverse Fourier-Transformation ergibt sich die Gewichtsfunktion (s. Abb. 1.47) zu   cos (r π t/T) t 1 . (1.161) g(t) = si π T T 1 − 4 (r t/T)2 

1.3

Charakterisierung von Systemen

Abb. 1.46 Kosinus-Roll-OffSpektrum für verschiedene Roll-Off-Faktoren

51

r = 0,3 r = 0,5 r=1

1

G(f) →

0,8 0,6 0,4 0,2 0 −1,5 −1

−0,5

0

0,5

1

1,5

f ·T→ Abb. 1.47 Kosinus-Roll-OffGewichtsfunktionen für verschiedene Roll-Off-Faktoren r

r = 0,3 r = 0,5 r=1

g(t) · T →

1

0,5

0 −4

−2

0 t/T →

2

4

Kettenschaltung von Systemen Aus der Kettenschaltung einzelner Elementarsysteme G( f ) = G 1 ( f ) · G 2 ( f )

(1.162)

folgt bei Wahl der logarithmischen Darstellung mit G( f ) = |G( f )| ej ϕ( f ) ,

(1.163)

dass durch die Anwendung von Logarithmengesetzen eine additive Zusammenfassung der Betrags- und Phasenverläufe zum jeweiligen Betrags- bzw. Phasengang des Gesamtsystems möglich ist. Dabei ergibt sich mit

52

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.48 Kettenschaltung von Elementarsystemen zum Aufbau beliebig komplizierter Übertragungssysteme

u1 (t)

u2 (t) g1 (t)

u3 (t) g2 (t)

G 1 ( f ) = |G 1 ( f )| ej ϕ1 ( f )

(1.164)

G 2 ( f ) = |G 2 ( f )| ej ϕ2 ( f )

(1.165)

20 log10 |G( f )| = 20 log10 |G 1 ( f )| + 20 log10 |G 2 ( f )|.

(1.166)

und für den Betragsverlauf:

Daneben lässt sich für den Phasenverlauf der folgende additive Zusammenhang ableiten ϕ( f ) = ϕ1 ( f ) + ϕ2 ( f ).

(1.167)

Zur Rechnung im Original- und Bildbereich Abb. 1.49 veranschaulicht beispielhaft die Möglichkeiten bei der Rechnung im Originalund Bildbereich in Anlehnung an [16]. Während die Rechnung im Original- oder Zeitbereich oftmals möglich aber zeitaufwändig ist, bietet die Rechnung im Bildbereich in vielen Fällen Vorteile. So werden z. B. Operationen der Infinitesimalrechnung im Zeitbereich auf algebraische Operationen im Bildbereich abgebildet, die rechnerisch oftmals wesentlich einfacher handhabbar sind. Für die Beschreibung der signal- und systemtheoretischen Grundlagen repräsentiert der Bildbereich den Spektralbereich, der direkt (z. B. über die

y = x1/n

y

(n = 0, reell)

lg(y) =

1 n

lg(x)

Abb. 1.49 Zu Möglichkeiten bei der Rechnung im Original- und Bildbereich

lg(y)

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

53

Fourier-Transformation) oder indirekt (z. B. über die Laplace-Transformation) Aufschluss über die frequenzmäßige Zusammensetzung von Signalen gibt. Die bisherigen Ausführungen haben bereits gezeigt, dass der Übergang in den Bildbereich bei der Rechnung und der anschaulichen Deutung der Signaleigenschaften Vorteile bieten kann. Abb. 1.49 veranschaulicht das Potential der Rechnung im Bildbereich: So wäre es relativ aufwändig und langwierig, im Originalbereich beispielsweise den Wert der Funktion y = x 1/n zu ermitteln, insbesondere bei großen Zahlen x und n. Der Übergang in den Bildbereich erfolgt hier durch Anwendung einer Logarithmusfunktion: Er führt im Bildbereich auf den Ausdruck log10 (y) = lg(y) = 1/n · lg(x), der mit überschaubarem Aufwand zu berechnen ist. Die anschließende Rücktransformation führt über y = 10a mit a = 1/n ·lg(x) auf das gewünschte Ergebnis y.

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

1.4.1

Determinierte Signale

Da Signale in nachrichtentechnischen Zusammenhängen typischerweise Informationen repräsentieren, ist es in vielen Anwendungen gewünscht bzw. erforderlich, Signale – und damit Informationen – über räumliche Entfernungen (z. B. zwischen Orten) zu übertragen, zu speichern (über eine zeitliche Distanz zu übertragen), oder mit anderen Informationen zu verknüpfen. Dazu sind Beziehungen zwischen Signalen herzustellen und diese Relationen sind geeignet mathematisch zu beschreiben [18]. Diese Aufgabe übernimmt das System, das Beziehungen zwischen mehreren Signalen etabliert. In vielen Fällen werden Signale auf Systeme gegeben und die entsprechende Systemantwort ist gesucht. Dieses kann sowohl im Frequenzbereich als auch im Zeitbereich geschehen.

Beschreibung der Transformation von Signalen durch Systeme im Zeit- und Frequenzbereich Die Ein-Ausgangsbeziehung des in Abb. 1.50 dargestellten Systems lautet im Frequenzbereich (1.168) U2 ( f ) = G( f ) · U1 ( f ). Da G( f ) dimensionslos ist, ruft die am Eingang des Systems vorliegende Amplitudendichte U1 ( f ) (in V/Hz) ebenfalls eine Amplitudendichte U2 ( f ) (in V/Hz) am Ausgang hervor.

Abb. 1.50 Zur Definition eines Systems mit determinierten Ein- und Ausgangsgrößen

u2 (t)

u1 (t) g(t) ◦−• G(f) U1 (f)

U2 (f)

54

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Im Zeitbereich kann die Verknüpfung des Eingangssignals u 1 (t) mit der Gewichtsfunktion des Systems bei linearen, zeitinvarianten Systemen über das Faltungsintegral beschrieben werden. Die Systemantwort ergibt sich zu +∞ u 1 (τ ) g(t − τ ) dτ. u 2 (t) =

(1.169)

−∞

Alternativ wird im Weiteren für die Faltung von zwei Signalen die Kurzschreibweise u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t)

(1.170)

verwendet. Da die Faltungsoperation dimensionsbehaftet ist, wird die am Eingang vorliegende Spannung u 1 (t) (in V) in eine Ausgangsspannung u 2 (t) (in V) abgebildet: g(t) (in 1/s) multipliziert mit der Einheit (s) aus dem dτ des Faltungsintegrals kürzt sich heraus und es verbleibt die Dimension von u 1 (t) (in V) für das Ergebnis u 2 (t) (in V). Bei der Faltung gilt – im Gegensatz zur Berechung der Korrelationsfunktion – das Kommutativgesetz: u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t) = g(t) ∗ u 1 (t).

(1.171)

Die Ausführung der Faltungsoperation erfordert die folgenden Schritte: • Zeitliche Spiegelung, • (zeitliche) Verschiebung, • Berechnung des Integrals des Produkts u 1 (τ ) · g(t − τ ).

Einschub: Überführung des Faltungsintegrals in den Bildbereich

Nachdem nun die Verknüpfung von zwei Signalen im Zeitbereich über die Faltung eingeführt wurde, stellt sich die Frage, ob die Faltungsoperation in eine äquivalente Struktur im Bild- oder Spektralbereich überführt werden kann. Dabei ergab sich das Faltungsintegral zu +∞ u 1 (τ ) g(t − τ ) dτ, u 2 (t) =

(1.172)

−∞

was ebenfalls durch die Kurzschreibweise u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t) ausgedrückt werden kann. Die Fourier-Transformation des Signals u 2 (t) führt auf das Amplitudendichtespektrum

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

55

+∞ U2 ( f ) = u 2 (t) e−j2π f t dt.

(1.173)

−∞

Das Einsetzen von u 2 (t) in (1.173) ergibt über +∞  +∞ 

u 1 (τ ) g(t − τ ) dτ e−j2π f t dt

U2 ( f ) = −∞ −∞



die Beziehung



(1.174)



u 2 (t)

+∞ +∞ U2 ( f ) = u 1 (τ ) g(t − τ ) e−j2π f t dt dτ.

(1.175)

−∞ −∞

Der Ausdruck lässt sich zu +∞ 

U2 ( f ) =

+∞ 

u 1 (τ ) −∞

g(t − τ ) e−j2π f t dt dτ

−∞





(1.176)



F {g(t−τ )}=G( f )·e−j2π f τ

umformen und unter Anwendung des Zeitverschiebungssatzes der FourierTransformation zu +∞ 

u 1 (τ ) · G( f ) · e−j2π f τ dτ

U2 ( f ) =

(1.177)

−∞

vereinfachen. Dies lässt sich als +∞ 

u 1 (τ ) e−j2π f τ dτ

U2 ( f ) = G( f ) −∞





F {u 1 (τ )}=U1 ( f )

(1.178)



schreiben. Damit zeigt sich, dass die Verknüpfung von zwei Signalen im Zeitbereich über das Faltungsintegral im Frequenzbereich auf die Multiplikation der dazugehörenden Spektren führt. Das Amplitudendichtespektrum des Eingangssignals ist mit der Übertragungsfunktion multiplikativ verknüpft, so dass U2 ( f ) = U1 ( f ) · G( f ) gilt.

(1.179)

56

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

u1 (t)

g(t)

1 T

U1 0

t

T1

0

t

T2

Abb. 1.51 Eingangssignal u 1 (t) und Gewichtsfunktion g(t) des Systems

Beispiel 1.16 (Faltung zweier Signale) Es soll anhand eines Beispiels die Faltungsoperation im Zeitbereich veranschaulicht werden (s. auch Abb. 1.51). Die abschnittsweise Ausführung des Faltungsintegrals führt dabei auf: 1. Bereich für 0 ≤ t ≤ T1 Dabei ergibt sich für den Wert des Faltungsintegrals im 1. Bereich (s. Abb. 1.52) t u(t) =

U1 ·

1 1 · dτ = U1 · · t . T T

(1.180)

0

2. Bereich für T1 ≤ t ≤ T2 Dabei ergibt sich für den Wert des Faltungsintegrals im 2. Bereich (s. Abb. 1.53) T1 u(t) =

U1 ·

1 1 · dτ = U1 · · T1 . T T

(1.181)

0

3. Bereich für T2 ≤ t ≤ T1 + T2 Es ergibt sich für den Wert des Faltungsintegrals im 3. Bereich (s. Abb. 1.54)

u1 (τ ), g(t − τ )

1 T

U1 ·

u1 (τ ) · g(t − τ )

1 T

U1 t − T2

0

t T1

τ

0

t T1

τ

Abb. 1.52 Auswertung des Produktes u 1 (τ ) · g(t − τ ) für die Zeitverschiebung 0 ≤ t ≤ T1 (1. Bereich)

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

57

u1 (τ ) · g(t − τ )

u1 (τ ), g(t − τ )

1 T

U1 ·

1 T

U1 t − T2 0

τ

T1 t

0

T1

τ

Abb. 1.53 Auswertung des Produktes u 1 (τ ) · u 2 (t − τ ) für die Zeitverschiebung T1 ≤ t ≤ T2 (2. Bereich)

u1 (τ ) · g(t − τ )

u1 (τ ), g(t − τ ) 1 T

U1 ·

1 T

U1 0

t

T1 t − T2

τ

0

T1 t − T2

τ

Abb. 1.54 Auswertung des Produktes u 1 (τ ) · u 2 (t − τ ) für die Zeitverschiebung T2 ≤ t ≤ T1 + T2 (3. Bereich)

T1 u(t) =

U1 ·

1 1 · dτ = U1 · · (T1 − (t − T2 )) . T T

(1.182)

t−T2

Schließlich ergibt sich das im Abb. 1.55 dargestellte Resultat.  Abb. 1.55 Ergebnis u 2 (t) der Faltungsoperation

u(t) U1 ·

1 T

· T1

0

T1

T2 T1 + T2

t

58

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Es ist zu beachten, dass die Gewichtsfunktion g(t) als Systemcharakteristik bei dimensionsloser Übertragungsfunktion G( f ) die Dimension (Zeit)−1 aufweist; dagegen hat die Stoßantwort als Reaktion des Systems auf einen Stoß am Eingang die Dimension des Eingangssignals (hier also in der Einheit V). Insofern sind die Begriffe Gewichtsfunktion und Stoßantwort zu unterscheiden und nicht synonym zu verwenden. Beaufschlagt man das System g(t) mit einem Stoß u 1 (t) = A δ(t)

(1.183)

als Eingangssignal, so erhält man die Stoßantwort u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t)

(1.184)

u 2 (t) = A δ(t) ∗ g(t)

(1.185)

u 2 (t) = A · g(t)

(1.186)

als Signal am Ausgang des Systems. Gewichtsfunktion und Stoßantwort unterscheiden sich lediglich durch den Faktor A; dieser ist jedoch dimensionsbehaftet.

Einschub: Ein-Ausgangsbeziehung für lineare, zeitinvariante Systeme: Zur Herleitung der Faltungsformel

Es soll nun der Versuch unternommen werden, die Ein-Ausgangsbeziehung für lineare, zeitinvariante Systeme am Beispiel der Stoßantwort abzuleiten. Dabei ist die EinAusgangsbeziehung als u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t) =

+∞ u 1 (τ ) · g(t − τ ) dτ

(1.187)

−∞

definiert. Beaufschlagt man das System g(t) mit einem Stoß u 1 (t) = A δ(t)

(1.188)

als Eingangssignal, so erhält man die Stoßantwort u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t)

(1.189)

u 2 (t) = A δ(t) ∗ g(t)

(1.190)

u 2 (t) = A · g(t)

(1.191)

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

59

als Signal am Ausgang des Systems. Ein lineares, zeitinvariantes System antwortet auf einen Eingangsimpuls u 1 (t) = A δ(t) mit dem Ausgangssignal u 2 (t) = A g(t) (Stoßantwort). Die Tatsache, dass ein Eingangssignal u 1 (t) = A δ(t) auf das Ausgangssignal u 2 (t) = A g(t) abgebildet wird, kann nun dazu verwendet werden, diesen Zusammenhang auf beliebige Eingangssignale u 1 (t) zu erweitern. Mit Hilfe der Ausblendeigenschaft des Dirac-Impulses kann jedes beliebige Eingangssignal u 1 (t) wie folgt dargestellt werden: +∞ +∞ u 1 (t) = u 1 (τ ) · δ(t − τ ) dτ = u 1 (t) · δ(t − τ ) dτ = u 1 (t). −∞

−∞





=1

(1.192)



Anschaulich kann diese Gleichung als Überlagerung unendlich vieler verschobener Dirac-Impulse δ(t − τ ) mit dem Gewicht u 1 (τ ) aufgefasst werden. Jeder einzelne Dirac-Impuls δ(t − τ ) (hier mit dem Skalierungsfaktor A = 1) führt dann auf die Impulsantwort g(t − τ ). Das Ausgangssignal u 2 (t) ergibt sich dann wiederum aus der Überlagerung unendlich vieler Impulsantworten g(t − τ ) mit den Gewichten u 1 (τ ). Damit lässt sich das Ausgangssignal schreiben als +∞ u 2 (t) = u 1 (τ ) · g(t − τ ) dτ.

(1.193)

−∞

Zum Zwecke der Kontrolle des Faltungsintegrals wird nun ein Eingangssignal u 1 (t) = A δ(t) auf das System gegeben. Dabei ergibt sich +∞ u 2 (t) =

A δ(τ ) · g(t − τ ) dτ.

(1.194)

−∞

Mit der Ausblendeigenschaft des Dirac-Impulses (der an der Stelle τ = 0 auftritt) lässt sich das Faltungsintegral zu +∞ δ(τ ) dτ u 2 (t) = A g(t) −∞





=1

(1.195)



vereinfachen und es entsteht das bekannte Ergebnis der Stoßantwort am Ausgang: u 2 (t) = A g(t).

(1.196)

60

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abtastung von Zeitsignalen In der Signalverarbeitung liegen Signale häufig in zeitdiskreter Form vor. Diese zeitdiskreten Signale werden durch die Abtastung eines zeitkontinuierlichen Signals erzeugt. Im Gegensatz zum kontinuierlichen Signal (Abb. 1.1) ist das zeitdiskrete Signal nur zu diskreten Zeitpunkten mit einem festen Abstand Ta auf der Zeitachse definiert. Der Wert Ta kennzeichnet die Abtastperiode und der Reziprokwert davon heißt Abtastfrequenz oder Abtastrate f a = 1/Ta . Ein Beispiel für ein zeitdiskretes Signal ist in Abb. 1.56 angegeben. Ein mathematisches Modell für die Erzeugung eines zeitdiskreten Signals ist Abb. 1.57 zu entnehmen. Die Multiplikation des Signals u(t) mit einer Folge von Dirac-Impulsen führt dabei über den Ansatz ∞ 

u a (t) = u(t) · Ta

δ(t − k Ta ) = Ta

k=−∞

∞ 

u(k Ta ) δ(t − k Ta )

(1.197)

k=−∞

auf eine zeitkontinuierliche Darstellung eines mit der Abtastfrequenz f a = 1/Ta abgetasteten Signals. Die Abtastwerte u(k Ta ) des kontinuierlichen Signals treten als Gewichte der Dirac-Impulse auf. Der Skalierungsfaktor Ta sorgt dafür, dass auch das ideal abgetastete Signal u a (t) die Dimension einer Spannung und damit die Einheit Volt aufweist. Abb. 1.58 veranschaulicht die Entstehung eines zeitdiskreten Signals. Zeitdiskrete (diskrete) Signale sind nur an diskreten, meist äquidistanten, Zeitpunkten k Ta definiert. Dabei ist k als unabhängige diskrete Zeitvariable aufzufassen. Häufig wird dabei auf die Angabe von Ta verzichtet und zeitdiskrete Signale werden wie in Abb. 1.59 dargestellt.

Abb. 1.56 Darstellung eines zeitdiskreten Signals

Amplitude (in V) →

Mathematisches Modell der Abtastung Die Abtastung stellt einen idealisierten Prozess dar, der im Abstand der Abtastperiode Ta Proben (Abtastwerte) aus dem zeitkontinuierlichen Signal herauslöst. Mit der hier eingeführten Definition

1 0.5 0 -0.5 -1 0

0.5

1

t (in ms) →

1.5

2

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

61

ua (t) = u(t) · Ta

u(t)

Ua (f) =

U(f) uδ (t) = Ta

Uδ (f) =

+∞ k=−∞

+∞ k=−∞

+∞ k=−∞

∞ k=−∞

δ(t − k Ta )

U(f − k fa )

δ(t − k Ta )

δ(f − k fa )

Abb. 1.57 Struktur einer idealen Abtasteinheit und deren Beschreibung im Zeit- und Bildbereich abgetastetes Signal

analoges Signal

u(t)

fa =

1

−T

t

T

fa =

1 Ta

1 Ta

zeitdiskretes Signal

u(k Ta ) 1

−2Ta−Ta 0 Ta 2Ta

k Ta

Abb. 1.58 Darstellungsformen zeitdiskreter Signale

1 u (t) Ta a

1

−2Ta−Ta 0 Ta 2Ta

t

62

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.59 Darstellung eines zeitdiskreten Signals

u(k) 1

−2 −1

u a (t) = u(t) · Ta

+∞ 

0

1

2

δ(t − k Ta )

k

(1.198)

k=−∞

besitzt das ideal abgetastete Signal u a (t) die Einheit Volt, sofern u(t) in der Einheit Volt vorlag (s. z. B. [30]). Damit können die bisher eingeführten Systemfunktionen wie z. B. Amplitudendichte (in Vs) unverändert zur Beschreibung verwendet werden. Demgegenüber wird in der Literatur das ideal abgetastete Signal oft auch durch +∞ 

u a (t) = u(t)

δ(t − k Ta )

(1.199)

k=−∞

repräsentiert (s. z, B. [26, 48]), was als Modell gleichfalls geeignet ist, um aus dem zeitkontinuierlichen Signal u(t) im Abstand der Abtastperiode Ta Proben (Abtastwerte) herauszulösen. Allerdings besitzt in diesem Fall das ideal abgetastete Signal u a (t) die Einheit V/s, was zu einem Konflikt in den Dimensionen mit der bisher eingeführten Beschreibung von Signalen und Systemen führt. Um einerseits die in der Literatur gebräuchlichen Darstellungsweisen zu erfassen und andererseits nicht auf die Korrektheit der Dimension (bzw. der Einheiten) des abgetasteten Signals zu verzichten, wird in diesem Buch im Weiteren die Schreibweise u a (t) = u(t) · C

+∞ 

δ(t − k Ta )

(1.200)

k=−∞

als mathematisches Modell für die Abtastung verwendet. Die Abtastperiode Ta – die ja auch immer eine Amplitudenskalierung des abgetasteten Signals im Verhältnis zum analogen Signal bewirkt – wird durch Konstante C ersetzt, die die Dimension einer Zeit (mit der Einheit s) aufweist und deren Betrag im Weiteren zu 1 gesetzt wird. Zur Bedeutung der Konstanten C Als Stoß im Zeitbereich wird die Funktion u(t) = A · δ(t)

(1.201)

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

63

bezeichnet. Dabei ist A die Fläche des Stoßes. Der Zeitstoß besitzt die Einheit (1/s) (s. z. B. Anhang A). Der Wert A - interpretierbar als Fläche der Stoßfunktion - muss dann die Einheit Vs bzw. V/Hz haben, damit u(t) in (1.201) die geforderte Dimension einer Spannung (in V) aufweist. Dabei gilt !

" ! " ! " Zeitfunktion = Fl¨ache des Stoß es · Einheitsstoß u(t)

=

·

A

δ(t)

.

Im Rahmen der Abtastung haben sich unterschiedliche Definitionen für die Definition der Fläche des Zeitstoßes etabliert. Mit der Definition der Dirac-Stoßfolge in der Form u δ (t) = C

+∞ 

δ(t − k Ta )

(1.202)

k=−∞

resultiert das ideal abgetastete Signal in u a (t) = u(t) · u δ (t) = C

+∞ 

u(k Ta ) δ(t − k Ta ).

(1.203)

k=−∞

Abb. 1.60 und Abb. 1.61 veranschaulichen die Bedeutung der Konstanten C bei der Abtastung. Dabei ist der Wert C · u(k Ta ) als Fläche des Dirac-Stoßes aufzufassen und nimmt im Falle von C = Ta den Wert Ta · u(k Ta ) (in Vs) und im Falle von C = 1 s den Wert 1 · u(k Ta ) (in Vs) an. Im weiteren Verlauf des Buches wird die Konstante C auf den Wert C = 1 s gesetzt, was den Vorteil mit sich bringt, dass die Gewichte der Dirac-Stöße im ideal abgetasteten Signal den Abtastwerten selbst, d. h. u(k Ta ), entsprechen (ohne Verletzung der Einheiten bei den darauf aufbauenden Funktionaltransformationen). Dabei bleibt allerdings zu berücksichtigen, dass die Konstante C dimensionsbehaftet ist. Kernaussage: In Abb. 1.61 entspricht die Fläche C · u(k Ta ) mit C = 1 s zahlenmäßig (aber nicht einheitenmäßig) dem Abtastwert u(k Ta ), während im Abb. 1.60 die Fläche C · u(k Ta ) mit C = Ta auch zahlenmäßig nicht dem Abtastwert u(k Ta ) entspricht.

C · u(t) (in Vs) Ta · u(0 · Ta )

Fl¨ache Ta · u(1 · Ta )

Ta · u(1 · Ta ) Ta 2 Ta

t (in s)

Abb. 1.60 Zur Bedeutung der Konstanten C = Ta innerhalb des Abtastprozesses

64

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

C · u(t) (in Vs)

Fl¨ache 1 · u(1 · Ta )

1 · u(0 · Ta ) 1 · u(1 · Ta )

t (in s)

Ta 2 Ta

Abb. 1.61 Zur Bedeutung der Konstanten C = 1 s innerhalb des Abtastprozesses

Auch wenn die signaltheoretische Beschreibung der Praxis möglichst nahe kommen soll (z. B. durch die Wahl einer geeigneten Basis (Zeit)), so hat die konkrete Wahl der Zeitkonstanten C keine Auswirkung auf die signaltheoretischen Zusammenhänge. Die Diskretisierung eines Zeitsignals führt auf eine Periodisierung des Spektrums des abzutastenden Signals. Spektrum abgetasteter Signale Die Abtastung eines Zeitsignals mit der Abtastperiode Ta korrespondiert mit einer Periodisierung mit der Periode f a = 1/Ta im Spektralbereich. Abb. 1.62 und 1.63 veranschaulichen die mit der Abtastung einhergehende Periodisierung im Frequenzbereich. Für die Analyse der frequenzmäßigen Zusammensetzung zeitkontinuierlicher Signale stehen die Fourier- und die Laplace-Transformation zur Verfügung. Dabei bietet die Laplace-

Abb. 1.62 Spektrum eines beispielhaften Zeitsignals

U(f)

−fmax

fmax

f

Ua (f)

−fa

− f2a −fmax

fmax

fa 2

Abb. 1.63 Spektrum eines beispielhaften abgetasteten Zeitsignals

fa

f

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

65

Transformation den Vorteil, dass diese für eine weit größere Klasse von Signalen definiert ist und Konvergenzprobleme bei der Auswertung des Fourier-Integrals für eine große Klasse von Zeitfunktionen vermieden werden können. Für die Analyse der frequenzmäßigen Zusammensetzung von zeitdiskreten Signalen stehen die Z -Transformation oder die diskrete Fourier-Transformation (FTD, DFT) zur Verfügung [16, 48]. Die FTD (engl. Fourier transform for discrete-time signals oder discrete-time Fourier transform) bietet die Möglichkeit, zeitdiskrete Signale auf ihre frequenzmäßige Zusammensetzung hin zu untersuchen. Dabei ist das resultierende Spektrum eine kontinuierliche periodische Funktion in f . Einzelne Spektralanteile können dabei über die DFT (engl. discrete Fourier transform) berechnet werden, die die am meisten genutzte Methode zur Analyse der frequenzmäßigen Zusammensetzung von zeitdiskreten Signalen darstellt. Hier wird ein zeitdiskretes Signal – unter der Annahme der periodischen Fortsetzung im Frequenzbereich – auf ein diskretes, periodisches Frequenzspektrum abgebildet. Darüber hinaus verbleibt es an dieser Stelle anzumerken, dass Leistungssignale gleichfalls determinierten Charakter aufweisen können und sich in ihren Eigenschaften von Energiesignalen unterscheiden, obwohl beide Signaltypen durch einen algebraischen Ausdruck gesetzmäßig beschrieben werden können. Während determinierte Leistungssignale (z. B. u(t) = U0 sin(ω1 t)) durch ein Leistungsdichtespektrum beschrieben werden können, d. h. durch eine Spektralfunktion, die Auskunft über die frequenzmäßige Verteilung der Leistung eines Signals gibt, werden Energiesignale (z. B. u(t) = rect(t/T )) durch ein Energiedichtespektrum beschrieben, d. h. über eine Spektralfunktion, die Auskunft über die frequenzmäßige Verteilung der Energie eines Signals gibt.

1.4.2

Stochastische Signale

Die Ein-Ausgangsbeziehung bei zufälligen Größen (s. Abb. 1.64) lautet im Frequenzbereich

2 ( f ) = |G( f )|2 · 1 ( f ).

(1.204)

Da G( f ) dimensionslos ist (und damit auch |G( f )|2 ), ruft die am Eingang des Systems vorliegende Leistungsdichte (bzw. quadratische Amplitudendichte) 1 ( f ) (in V2 /Hz) ebenfalls eine Leistungsdichte 2 ( f ) (in V2 /Hz) am Ausgang hervor. Im Zeitbereich ist die Ein-Ausgangsbeziehung über die Faltung +∞ ψ2 (τ ) = ψg (τ ) ∗ ψ1 (τ ) = ψg (t) · ψ1 (t − τ ) dt −∞

mit

(1.205)

66

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.64 Zur Definition eines Systems mit zufälligen Einund Ausgangsgrößen

ψ2 (τ )

ψ1 (τ ) g(t) ◦−• G(f) Ψ1 (f) +∞ ψg (τ ) = g(t) · g(t + τ ) dt

Ψ2 (f)

(1.206)

−∞

als Autokorrelationsfunktion (AKF) der Gewichtsfunktion g(t) definiert. In (1.206) kürzt sich die Einheit eines g(t) (in 1/s) gegen die Einheit (s) des dt aus dem Faltungsintegral und es verbleibt die Dimension von g(t) (in 1/s) für das Ergebnis ψg (τ ) (in 1/s). Damit hat in (1.205) ψg (τ ) die Einheit (1/s), die sich gegen die Einheit (s) des dt aus dem Faltungsintegral kürzt und es verbleibt als Einheit für das Ergebnis ψ2 (τ ) in (1.205) die Einheit der Autokorrelationsfunktion ψ1 (τ ) des Eingangssignals (in V2 ). Für die Analyse des Zusammenspiels von Eingangssignal (d. h. Zufallssignal), System, Ausgangssignal (d. h. Zufallssignal) entsprechend Abb. 1.64 wird die Betrachtung im Weiteren ausschließlich auf stationäre und ergodische Zufallsprozesse mit Gaußverteilung beschränkt. Beim Durchlaufen von LTI-Systemen bleibt diese Gauß-Verteilung erhalten und es ist insbesondere möglich, für solche gaußverteilten Störsignale die resultierende Fehlerwahrscheinlichkeit bei der Nachrichtenübertragung digitaler Signale zu berechnen. Ein abgeleitetes, verfeinertes Modell für Zufallsprozesse ergibt sich, wenn weißes Rauschen einer Filterung unterzogen wird. In diesem Fall entsteht im Allgemeinen ein bandbegrenztes weißes Rauschen: Dieses ist auch als farbiges Rauschen bekannt – ebenfalls in Anlehnung an Lichteigenschaften, die Licht farbig erscheinen lassen, wenn nur wenige Spektralanteile vorhanden sind oder im Extremfall eine einzige Lichtwellenlänge beobachtet wird. Beispiel 1.17 (Filterung von weißem Rauschen) Bekanntermaßen führte die FourierTransformation von weißem Rauschen auf das Leistungsdichtespektrum ψ(τ ) = 0 δ(τ )   ( f ) = 0 .

(1.207)

Wird dieser weiße Zufallsprozess einer Filterung mit der Gewichtsfunktion (s. Abb. 1.65) ⎧ ⎨1 f¨ur |t| < T2 (1.208) g(t) = T ⎩ 0 sonst und der dazugehörenden Autokorrelationsfunktion

1.4

Übertragung von Signalen über Systeme

67

Abb. 1.65 Gewichtsfunktion g(t)

g(t) 1/T

− T2  ⎧  ⎨ 1 1 − |τ | ψg (τ ) = T T ⎩ 0

+ T2

0

f¨ur |τ | < T

t

(1.209)

sonst

unterzogen (s. Abb. 1.66), so ergibt sich das Leistungsdichtespektrum

2 ( f ) = |G( f )|2 · 1 ( f ) = 0 si2 (π f T ).

(1.210)

Über die inverse Fourier-Transformation kann ψ2 (τ ) zu   ⎧ ⎨ 0 1 − |τ | f¨ur |τ | < T ψ2 (τ ) = T T ⎩ 0 sonst

(1.211)

bestimmt werden. Der quadratische Mittelwert (d. h. die Leistung) des Zufallsprozesses nach dem Durchlaufen des Filters mit der Gewichtsfunktion g(t) ergibt sich dabei zu ∞ UR2

= ψ2 (0) =

∞

2 ( f ) d f = 0

−∞

si2 (π f T ) d f =

−∞

0 0, a = 0 und a < 0 dargestellt. Für die Laplace-Transformierte der Funktion x(t) gilt



Abb. 1.70 Pol-NullstellenBeschreibung für einen Tiefpass erster Ordnung

− T1g

σ

74

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

a0 x(t)

x(t)

x(t) 1(t)

at

e

e−at t

0

t

0

t

0

Abb. 1.71 Prinzipieller Verlauf der Zeitfunktion x(t) = ea t · 1(t) für unterschiedliche a

∞ X ( p) = L { x(t)} =

e

at

·e

−p t

∞ dt =

0

e−( p−a)t dt

0

∞ 1 1 −( p−a)t = e = 0 − −( p − a) −( p − a) 0 und es resultiert (für Re { p} = σ > a) X ( p) = L { x(t)} =

1 . p−a

(1.233)

Ergebnisse für Sonderfälle, die in der technischen Praxis bedeutsam sind, erhält man für a=0

=⇒

L { 1(t)} =

a → −a

=⇒

L

a = ±jω

=⇒

$

1 p

% e−at =

1 p+a $ ±jωt % 1 = L e . p ∓ jω 

Beispiel 1.19 (Laplace-Transformation eines Dirac-Stoßes) Transformiert man einen Dirac-Stoß x(t) = δ(t) mit Hilfe der Laplace-Transformation, ergibt sich ∞ X ( p) = L { x(t)} =

δ(t) · e 0

−p t

∞ dt =

δ(t) · e

−p 0

∞ dt =

0

δ(t) dt = 1.

(1.234)

0

Ein Dirac-Stoß im Zeitbereich korrespondiert mit einer Konstanten im Bildbereich: x(t) = δ(t)   X ( p) = 1.

(1.235)

1.5 Weitere Funktionaltransformationen

75

Da hier der gesamte p-Bereich den Konvergenzbereich bildet, kann der Übergang p = jω vollzogen werden und die Fourier-Transformierte lässt sich als x(t) = δ(t)   X (jω) = 1. ermitteln.

(1.236) 

Zum Zusammenhang von Fourier- und Laplace-Transformation Da die Fourier-Transformation (1.60) für zeitlich zunehmende Funktionen nicht existiert, wurde die Laplace-Transformation (1.228) mit Hilfe eines konvergenzerzwingenden Faktors eingeführt und definiert. Für die Anwendung der Fourier- und Laplace-Transformation entsteht oft die Frage, wann beide Transformationen gleichwertig sind und gleichberechtigt angewendet werden können. Dies soll nach der Diskussion zum Konvergenzbereich noch anhand eines Gedankenexperiments illustriert werden. Es soll der Frequenzgang bzw. die Übertragungsfunktion eines gegebenen Systems G( f ) – z. B. eines Filters oder eines Breitbandverstärkers – messtechnisch erfasst werden. Die Anordnung zeigt Abb. 1.72: Es ist ein durchstimmbarer Frequenzgenerator als Quelle vorgesehen, der sinus- bzw. kosinusförmige – also zeitharmonische – Spannungssignale mit einstellbarer Frequenz und konstanter Amplitude erzeugt. Das System mit dem zu bestimmenden Frequenzgang ist dieser Quelle nachgeschaltet und daran schließt sich ein Messgerät an, dass die Spannung am Ausgang des Systems registriert. Eine Besonderheit sind die beiden Potentiometer, die vor und nach dem unbekannten System in den Aufbau eingeschaltet sind: Sie sorgen, je nach Einstellwinkel α des gemeinsamen Stellers, für eine Bewertung des jeweils anliegenden Signals mit einem reellen Faktor v1 (vor dem System) und v2 (hinter dem System) und simulieren so den Faktor e−σ t der Laplace-Transformation. Sie sind so gekoppelt, dass für jeden Zeitpunkt v1 · v2 = const. = 1 gilt, z. B. v1 ∼ α und v2 ∼ 1/α, s.

Abb. 1.72 Anordnung eines Gedankenexperiments zur Äquivalenz von Fourier- und LaplaceTransformation

76

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.73, oberer Teil. Ein beispielhafter Zusammenhang zwischen den Verstärkungsfaktoren v1 und v2 mit σ könnte v1 = e−σ t sowie v2 = eσ t sein. Wird nun der Frequenzgang am Ausgang bei Durchstimmung der Eingangsfrequenz gemessen, können zwei Fälle entstehen: 1. Die Amplitude der sinus- bzw. kosinusförmigen Zeitfunktion bleibt während der Messung konstant: v1 = v2 = 1. Dies entspricht der Fourier-Transformation (σ = 0). 2. Während der Messung wird der Stellknopf für beide Potentiometer betätigt: Am Punkt (1) erhält man ein sinus- bzw. kosinusförmiges Signal, das entweder exponentiell aufklingt (σ < 0) oder abklingt (σ > 0). Am Punkt (2) erhält man in beiden Fällen ein sinusbzw. kosinusförmiges Signal mit konstanter Amplitude, da das durch v1 verursachte Aufbzw. Abklingen durch v2 wieder rückgängig gemacht wird, s. Abb. 1.73, unterer Teil.

v2

v1

v2 ∼

v1 ∼ α α

0

σ > 0:

u(t)

α

0

u(t)

t

σ < 0:

1 α

u(t)

t

u(t)

t

t

Abb. 1.73 Zum Gedankenexperiment: Kennlinien der Potentiometer und entstehende Signale an den Punkten (1) und (2)

1.5 Weitere Funktionaltransformationen

77

Das Messgerät „merkt“ nichts von diesen Veränderungen durch die Potentiometer im zweiten Fall des Gedankenexperiment bzw. Allgemeiner von der bei der Laplace-Transformation eingeführten Veränderung durch den konvergenzerzwingenden Faktor: Die gemessenen Übertragungsfunktionen sind in beiden Fällen gleich und damit sind Fourier- und LaplaceTransformation – dort, wo beide definiert sind – gleichwertig und führen zu identischen Ergebnissen. Man kann also in der praktischen Handhabung wählen, auf welchem Weg eine Übertragungsfunktion eines Systems bestimmt werden soll, wobei Randbedingungen bezüglich des Konvergenzbereichs einzuhalten sind.

1.5.2

Z-Transformation

Die Z -Transformation ist das zeitdiskrete Pendant zur Laplace-Transformation und damit ein Hilfsmittel zur Beschreibung zeitdisktreter Signale im Bildbereich. Eine einfache Möglichkeit, aus analogen Signalen zeitdiskrete zu erzeugen, ist die Multiplikation eines zeitkontinuierlichen Signals x(t) mit einem Impulskamm bzw. einer periodischen Dirac-Stoßfolge18 +∞ 

xδ (t) =

δ(t − k Ta ).

(1.237)

k=−∞

Der Parameter Ta wird dabei auch als Abtastperiode bezeichnet. Die Inverse der Abtastperiode kennzeichnet die Abtastfrequenz f a fa =

1 . Ta

(1.238)

Die Abtastfrequenz spielt eine entscheidende Rolle, wenn aus einem zeitdiskreten Signal wieder ein zeitkontinuierliches Signal fehlerfrei zurückgewonnen werden soll. Im Ergebnis der Abtastung eines zeitkontinuierlichen Signals x(t) mit einem Dirac-Impulskamm xδ (t) entsteht ein ideal abgetastetes Signal (mit Hilfe der Ausblendeigenschaft des DiracImpulses) in der Form (Abb. 1.74) xa (t) =

+∞ 

x[k Ta ] · δ(t − k Ta ).

(1.239)

k=−∞

Das ideal abgetastete Signal repräsentiert die Zeitfolge (Abtastfolge), die durch die Abtastwerte x[k] := x[k Ta ] repräsentiert wird. Zur Vereinfachung ist es üblich, nur x(k) zu schreiben, da die äquidistante Schrittweite Ta ein selbstverständliches Attribut darstellt (Abb. 1.75). Nachfolgend werden zur besseren Unterscheidbarkeit eckige Klammern verwendet, wenn ein Element der Zeitfolge (Abtastfolge) analysiert werden soll, z. B. x[2] und runde Klammern, wenn die gesamte Zeitfolge beschrieben wird, z. B. x(k). 18 Im Weiteren wird die vereinfachte Darstellung mit C = 1 bei der Abtastung verwendet.

78

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen analoges Signal

ideal abgetastetes Signal

x(t)

fa =

1

t

1

−2Ta−Ta 0 Ta 2Ta

t

T

xa (t)

1 Ta

t

Abb. 1.74 Zur Erzeugung von Folgen aus analogen Signalen zeitdiskretes Signal

ideal abgetastetes Signal

xa (t)

x(k) 1

1

−2Ta−Ta 0 Ta 2Ta

−2 −1 0 1

t

2

k

Abb. 1.75 Darstellung zeitdiskreter Signale

Darüber hinaus ist es in der Systemtheorie üblich, mit kausalen Signalen, d. h. Signalen, die bei t = 0 beginnen, zu arbeiten. Somit lässt sich das ideal abgetastete Signal als xa (t) =

∞ 

x[k] · δ(t − k Ta )

(1.240)

k=0

beschreiben. Mit der Anwendung des Zeitverschiebungssatzes der Laplace-Transformation in der Form (1.241) x(t − t0 ) · 1(t − t0 )   X ( p) · e− p t0 mit x(t) · 1(t)   X ( p). Damit ergibt sich die Laplace-Transformierte des einseitig begrenzten, ideal abgetasteten Signals xa (t) zu ∞  X a ( p) = x[k] · e− p k Ta . (1.242) k=0

Mit der unabhängigen Bildvariablen z = e p Ta wird daraus die Z -Transformierte des zeitdiskreten Signals x(k) in der Form

(1.243)

1.5 Weitere Funktionaltransformationen

79

X (z) =

∞ 

x[k] · z −k

(1.244)

k=0

Dabei zeigt sich, dass X (z) eine spezielle Reihe mit absteigenden Potenzen von z ist (Laurent-Reihe). Es gilt X (z) = x[0] + x[1] · z −1 + x[2] · z −2 + x[3] · z −3 + . . .

(1.245)

Der Faktor z −k in (1.244) kann dabei als Operator gedeutet werden, der einen Vorgang um k Takte nach rechts verschiebt. Dies gestattet einen verhältnismäßig übersichtlichen Übergang von der Kenntnis der Systemkennfunktionen Gewichtsfolge und Z -Übertragungsfunktion zu Systemrealisierungen – was z. B. im Fall kontinuierlicher Systeme meist wesentlich komplizierter ist [16]. Beispiel 1.20 (Z -Transformation der Einheitssprungfolge) Die Einheitssprungfolge ist als x(k Ta ) = 1(k) = {1, 1, 1, 1, . . .}

(1.246)

für k = 0, 1, 2, . . . gegeben [7]. Die Z -Transformation ergibt ∞

X (z) = Z {1(k)} = 1 +

 1 1 1 z −k + 2 + 3 + ... = z z z k=0

und eine Umformung führt zunächst auf ∞

1 1  −k z · X (z) = · z z k=0 ∞ 

1 · X (z) = z −1 · z 1 · X (z) = z

∞  k=1

z −k =

k=0

z −k =

∞ 

z −k−1 =

k=0 ∞ 

z −k − z −0 =

k=0

∞ 

z −(k+1)

k=0 ∞ 

z −k −1

k=0

   X (z)

und man erhält weiter 1 · X (z) = X (z) − 1 z X (z) = z · X (z) − z z = z · X (z) − X (z) = X (z) · (z − 1)

(1.247)

80

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

und damit schließlich als Ergebnis X (z) = Z {1(k)} =

z . z−1

(1.248) 

Die zu einer gegebenen Z -Transformierten gehörige Originalfunktion erhält man über die Rücktransformation: x(k) = Z −1 {X (z)} . (1.249) Die inverse Z -Transformation ist definiert über das Umkehrintegral & 1 X (z) · z k−1 dz, x(k) = 2π j

(1.250)

das über eine geschlossene Kurve zu erstrecken ist, die innerhalb des Konvergenzgebietes verläuft und alle Singularitäten von X (z) einschließt [7]. Diese Art der Rücktransformation ist auf beliebige Funktion X (z) anwendbar; die Auswertung kann mit Hilfe der Residuenrechnung erfolgen, der Rechenaufwand ist oftmals hoch. Weitere Methoden für die praktische Ausführung der Z -Rücktransformation sind Partialbruchzerlegung mit anschließender Benutzung von Korrespondenztafeln, Reihenentwicklung sowie die Anwendung einer Rekursionsformel [7]. Für das Konvergenzverhalten von zeitdiskreten Systemen spielt die Verteilung der Pole und Nullstellen eine entscheidende Rolle. Abb. 1.76 veranschaulicht eine mögliche Verteilung der Pole und Nullstellen eines zeitdiskreten Systems. Dabei zeichnen sich stabile Systeme dadurch aus, dass Pole (gekennzeichnet mit ×) innerhalb des Einheitskreises liegen. Nullstellen werden, wie bei den zeitkontinuierlichen Systemen, mit dem Symbol  gekennzeichnet. Systeme, deren Pole alle im Ursprung liegen, werden auch als FIR-Systeme (engl. finite impulse response) bzw. als Systeme mit endlicher Impulsantwortlänge bezeichnet. So lässt sich das im Fall a) gegebene System durch die Übertragungsfunktion

Fall a)

− 12

Im

Fall b)

1

Re

− 12

Abb. 1.76 Pol-Nullstellenplan gegebener zeitdiskreter Systeme

Im

1

Re

1.5 Weitere Funktionaltransformationen

G(z) =

81

z+ z

1 2

=1+

1 −1 z 2

(1.251)

und im Zeitbereich durch die Gewichtsfunktion g(k) = δ(k) +

1 δ(k − 1) 2

(1.252)

beschreiben. Dabei definiert das Symbol δ(k) einen diskreten Dirac-Impuls mit der Eigenschaft  1 f¨ur k = 0 δ(k) = . (1.253) 0 f¨ur k = 0 Wird ein diskretes System g(k) mit einem Eingangssignal u 1 (k) beaufschlagt (siehe auch Abb. 1.77), so ergibt sich das Ausgangssignal u 2 (k) im Bildbereich über G(z) =

U2 (z) U1 (z)

U2 (z) = G(z) · U1 (z).

zu:

(1.254)

Mit G(z), definiert in (1.251), folgt   z + 1/2 1 −1 · U1 (z), U2 (z) = G(z) · U1 (z) = · U1 (z) = 1 + z z 2

(1.255)

was im Zeitbereich auf

1 (1.256) · u 1 (k − 1) 2 führt. Abb. 1.78 veranschaulicht die sich ergebende Systemstruktur. Demgegenüber beschreibt die im Fall b) gegebene PN-Konfiguration ein IIR-System (engl. infinite impulse response). Derartige Systeme sind auch als Systeme mit unendlicher Impulsantwortlänge bekannt. Dabei lässt sich das im Fall b) gegebene System durch die Übertragungsfunktion u 2 (k) = u 1 (k) +

G(z) =

z z + 1/2

(1.257)

beschreiben. Wird nun ein diskretes System g(k) mit einem Eingangssignal u 1 (k) beaufschlagt, so ergibt sich das Ausgangssignal u 2 (k) im Bildbereich über G(z) =

Abb. 1.77 Zur Definition eines Systems mit diskreten Ein- und Ausgangsgrößen

U2 (z) U1 (z)

zu:

U2 (z) = G(z) · U1 (z).

(1.258)

u2 (k)

u1 (k) g(k) ◦−• G(z) U1 (z)

U2 (z)

82

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.78 Beispielhaftes zeitdiskretes Modell des gegebenen FIRÜbertragungssystems G(z)

u1 [k]

u1 [k − 1] Ts 1/2

1

u2 [k]

Mit G(z), definiert in (1.257), folgt U2 (z) = G(z) · U1 (z) =

z 1 · U1 (z). · U1 (z) = z + 1/2 1 + 1/2 z −1

Durch Auflösen dieser Gleichung folgt   1 −1 1 · U2 (z) = U2 (z) + z −1 · U2 (z), U1 (z) = 1 + z 2 2

(1.259)

(1.260)

was auch als

1 −1 (1.261) z · U2 (z) 2 geschrieben werden kann. Die Rücktransformation in den Zeitbereich führt dabei auf U2 (z) = U1 (z) −

u 2 (k) = u 1 (k) −

1 · u 2 (k − 1). 2

(1.262)

Wird ein solches System nun zur Bestimmung der Stoßantwort mit einem diskreten DiracImpuls beaufschlagt, so weist diese im Gegensatz zum FIR-System eine unendliche Impulsantwortlänge auf. In diesem Fall ergibt sich für u 2 (k) die Folge u 2 (k) = (1, −0,5, 0,25, −0,125, . . .).

(1.263)

Ausführliche Darstellungen zur Z -Transformation sowie z. B. Korrespondenztafeln und wichtige Sätze findet man in [7, 68, 74].

1.6

Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen

Signale als Träger von Informationen spielen eine wichtige Rolle in vielen Geräten und Systemen des Alltags. Beispiele lassen sich hierfür in vielfältiger Weise finden, wie z. B. bei der Übertragung, Speicherung und Verarbeitung von Sprache, Musik oder Videobildern, die zunächst analog oder digitalisiert vorliegen können.

1.7

Aufgaben

83

Der Informationstransport dieser im Allgemeinen sehr großen Datenmengen erfordert eine umfassende Kenntnis der Signal- und Systemeigenschaften. In diesem Kapitel wurden dafür grundlegende Zusammenhänge der Signal- und Systemtheorie dargestellt. Dabei wurden sowohl determinierte als auch zufällige Signale betrachtet und typische Beispiele angegeben, die vor allem in der Nachrichtentechnik eine wichtige Rolle spielen. Dazu zählen die Beschreibung von Signalen und Systemen im Zeit- und Frequenzbereich, wobei geeignete und vielfach gebrauchte Transformationen für kontinuierliche und diskrete Signale und Systeme eingeführt wurden. Die Signal- und Systemtheorie spielt eine wichtige Rolle in der Nachrichtentechnik und darüber hinaus in einer Vielzahl von Wissenschaftszweigen und Fachgebieten der Elektrotechnik und der Informatik, z. B. in der Automatisierungs- und Regelungstechnik, in der technischen Informatik und jeweils angrenzender Gebiete. Sie bildet damit eine universelle Grundlage für die Beschreibung, das Verständnis und den Entwurf einer Vielzahl von technischen Verfahren und Geräten. Die in diesem Abschnitt vorgestellten wesentlichen Grundlagen der Signal- und Systemtheorie sind im Anhang A kompakt tabellarisch zusammengefasst. Für ein tiefergehendes Studium der Signal- und Systemtheorie sei auf die umfangreiche Literatur verwiesen. Betrachtungen zu diesem Themenkomplex sind z. B. in den Lehrbüchern [18, 30] sowie [54] und [49] zu finden. Klassische Werke zur Signal- und Systemtheorie sind [36–38] und [45]. Einen interaktiven Zugang zur Signal- und Systemtheorie bietet [27] mit der Möglichkeit, eigene Rechnergestützte Experimente durchführen zu können. Die Z Transformation wird z. B. in [7] ausführlich behandelt. Eine tiefergehende Betrachtung von Fourier-, Laplace- und Z -Transformation findet sich z. B. in [68], eine kompakte Zusammenfassung der Signalbeschreibung und der dazu notwendigen Funktionaltransformationen bietet [16]. In [47] werden z. B. weitergehende Anwendungsmöglichkeiten insbesondere der Signaltheorie dargestellt. Insbesondere der Beschreibung und Verarbeitung stochastischer Signale widmen sich z. B. [10, 20, 73].

1.7

Aufgaben

Aufgabe 1.1 (Fourier-Reihe) Gegeben sind die (reellen) Fourier-Koeffizienten eines gleichanteilfreien Signals u(t) entsprechend Abb. 1.79. Gesucht sind: • u(t) analytisch und grafisch sowie • die Periodendauer des Zeitsignals u(t).

84

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

an

bn

1

1

1

2

3

4

f (in kHz)

2

1

3

4

f (in kHz)

Abb. 1.79 Fourier-Koeffizienten Aufgabe 1.1

Aufgabe 1.2 (Fourier-Reihe) Gegeben sind die (reellen) Fourier-Koeffizienten eines gleichanteilfreien Signals u(t) entsprechend Abb. 1.80. Gesucht sind: • u(t) analytisch und grafisch sowie • die Periodendauer des Zeitsignals u(t). Aufgabe 1.3 (Fourier- und Laplace-Transformation) Gegeben ist die in Abb. 1.81 skizzierte Funktion u(t). • Berechnen Sie das Amplitudendichtespektrum dieser Funktion u(t) unter Anwendung des Zeitverschiebungssatzes!

an

bn

1

1 1 3

1

2

3

4

f (in kHz)

2

1

3

4

f (in kHz)

Abb. 1.80 Fourier-Koeffizienten Aufgabe 1.2 Abb. 1.81 Zeitfunktion u(t) für Aufgabe 1.3

u(t) 2 1 0

T

2T

t

1.8

Lösungen zu den Aufgaben

85

Abb. 1.82 Zeitfunktion u(t) für Aufgabe 1.4

u(t) 2A A 0

T

2T

t

T

2T

t

u1 (t)

Abb. 1.83 Zeitfunktion u(t) für Aufgabe 1.5

2A A 0

Aufgabe 1.4 (Laplace-Transformation) Gegeben ist die in Abb. 1.82 skizzierte Funktion u(t). a) Berechnen Sie die Laplace-Transformierte U ( p)! b) Kann für die Funktion u(t) eine Fourier-Transformierte U (ω) angegeben werden? Aufgabe 1.5 (Systemreaktion im Zeitbereich) Ein System reagiert auf das Eingangssignal u 1 (t) = A · 1(t) (Sprung mit der Amplitude A = 1 V) mit der Sprungantwort u 2 (t) in der Form u 2 (t) = A e−t/T1 1(t) .

(1.264)

• Berechnen Sie die Systemreaktion auf den in Abb. 1.83 skizzierten Eingangsimpuls u 1 (t)! • Skizzieren Sie das ermittelte Ergebnis!

1.8

Lösungen zu den Aufgaben

Lösung zu Aufgabe 1.1 Es soll die analytische Beschreibung für das periodische Signal u(t) ermittelt werden. Die Eigenschaft, dass das Signal periodisch sein muss, leitet sich aus dem gegebenen Linienspektrum ab. Zunächst lässt sich die Periodendauer des Signals aus dem Abstand der Spektrallinien im Bildbereich ermitteln. Hier gilt

86

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

Abb. 1.84 Zeitsignal u(t) für Aufgabe 1.1

u(t) (in V) →

1 0.5 0 -0.5 -1 0

0.5

1

1.5

2

t (in ms) →

f0 =

1 T

(1.265)

mit der Periodendauer T des Zeitsignals x(t). Dabei lässt sich entsprechend den Darstellungen in Abb. 1.79 ableiten, dass die Periodendauer des Zeitsignals T = 1 ms beträgt ( f 0 = 1/T = 1 kHz). Weiterhin zeigt sich, dass das Zeitsignal keine geraden Anteile aufweist, da die Koeffizienten an keine von Null verschiedenen Komponenten aufweisen. Berücksichtigt man zusätzlich, dass der Koeffizient b1 mit der Frequenz f 0 und der Koeffizient b2 mit der Frequenz 2 f 0 verknüpft ist, erhält man das Zeitsignal u(t) = 1 · sin (2 π f 0 t).

(1.266)

Abb. 1.84 veranschaulicht das sich in diesem Fall ergebende Zeitsignal. Lösung zu Aufgabe 1.2 Es soll die analytische Beschreibung für das periodische Signal u(t) ermittelt werden. Zunächst lässt sich die Periodendauer des Signals aus dem Abstand der Spektrallinien im Bildbereich ermitteln. Hier gilt f0 =

1 T

(1.267)

mit der Periodendauer T des Zeitsignals u(t). Dabei lässt sich entsprechend den Darstellungen in Abb. 1.80 ableiten, dass die Periodendauer des Zeitsignals T = 1 ms beträgt ( f 0 = 1/T = 1 kHz). Weiterhin zeigt sich, dass das Zeitsignal keine geraden Anteile enthält, da die Koeffizienten an keine von Null verschiedenen Komponenten aufweist. Wenn man nun zusätzlich berücksichtigt, dass der Koeffizient b1 mit der Frequenz f 0 und der Koeffizient b2 mit der Frequenz 2 f 0 verknüpft ist, erhält man das Zeitsignal u(t) = 1 · sin (2 π f 0 t) +

1 · sin (2 π (3 f 0 ) t). 3

(1.268)

1.8

Lösungen zu den Aufgaben

87

Abb. 1.85 Zeitsignal u(t) für Aufgabe 1.2

u(t) (in V) →

1 0.5 0 -0.5 -1 0

0.5

1

1.5

2

t (in ms) →

Abb. 1.85 zeigt das sich ergebende Zeitsignal u(t). Lösung zu Aufgabe 1.3 Das in der Aufgabe als Skizze gegebene Signal kann mathematisch als u(t) = 2 · 1(t) − 1 · 1(t − T ) − 1 · 1(t − 2T ) (1.269) angegeben werden. Das Amplitudendichtespektrum ist die Fourier-Transformierte U (ω) = F {u(t)} des gegebenen Zeuitsignals. Diese lässt sich entweder direkt über die Auswertung des FourierIntegrals berechnen oder über die Laplace-Transformation U ( p) = L {u(t)} und Auswertung der Laplace-Transformierten an der Stelle p = jω, sofern die jω-Achse im Konvergenzbereich liegt und damit die Fourier-Transformierte existiert. Dieser zunächst als Umweg erscheinende Rechenweg ist bei Anwendung der Korrespondenzen oftmals weniger aufwändig als der direkte und soll hier eingeschlagen werden. Für die Bestimmung der Laplace-Tranformierten U ( p) = L {u(t)} benötigt man die Korrespondenz für die Einheitssprungfunktion 1(t)

 

1 p

(1.270)

und den Zeitverschiebungssatz

L {u(t − b)} = e−bp L {u(t)}

(1.271)

Beide Beziehungen können z. B. Anhang D entnommen werden. Es ergeben sich für die um T und 2T verschobenen Einheitssprungfunktionen die Korrespondenzen 1 − pT   (1.272) 1(t − T ) e p und

88

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

 

1(t − 2T )

1 −2 pT . e p

(1.273)

Man erhält über die additive Zusammensetzung der einzelnen transformierten Terme U ( p) = L {u(t)} =

1 1 2 − e− pT − e−2 pT p p p

(1.274)

als Lösung für die Laplace-Transformierte insgesamt U ( p) =

1 2 − e− pT − e−2 pT . p

(1.275)

Der Konvergenzbereich erstreckt sich über alle p, d. h. die Fourier-Transformierte von u(t) existiert, da insbesondere auch die jω-Achse im Konvergenzbereich liegt. Mit p = jω folgt aus (1.275) die Fourier-Transformierte U (ω) = F {u(t)} =

1 2 − e−jωT − e−2 jωT . jω

(1.276)

Lösung zu Aufgabe 1.4 Es sollen die Laplace-Transformierte und – falls möglich – die Fourier-Transformierte eines gegebenen Zeitsignals u(t) angegeben werden. Das in der Aufgabe als Skizze gegebene Signal kann analytisch als u(t) = A · 1(t) + A · 1(t − T ) − 2 A · 1(t − 2T )

(1.277)

geschrieben werden. a) Für die Bestimmung der Laplace-Tranformierten U ( p) = L {u(t)} benötigt man wieder die Korrespondenz für die Einheitssprungfunktion 1(t)

 

1 p

(1.278)

sowie den Zeitverschiebungssatz

L {u(t − b)} = e−bp L {u(t)}

(1.279)

Beide Beziehungen können z. B. Anhang D entnommen werden. Damit erhält man für die um T und 2T verschobenen Einheitssprungfunktionen die Korrespondenzen 1 − pT   (1.280) 1(t − T ) e p und 1(t − 2T )

 

1 −2 pT e p

und über die additive Zusammensetzung der einzelnen transformierten Terme

(1.281)

1.8

Lösungen zu den Aufgaben

89

U ( p) = L {u(t)} =

2 A −2 pT A A + e− pT − e p p p

(1.282)

als Lösung für die Laplace-Transformierte insgesamt U ( p) =

A 1 + e− pT − 2 e−2 pT . p

(1.283)

Die Laplace-Transformierte U ( p) weist eine Polstelle bei p∞ 1 = 0 und eine Nullstelle bei p0 1 = 0 auf. b) Der Konvergenzbereich erstreckt sich über alle p, d. h. die Fourier-Transformierte von u(t) existiert, da insbesondere auch die jω-Achse im Konvergenzbereich liegt. Mit p = jω folgt aus (1.283) die Fourier-Transformierte U (ω) = F {u(t)} =

A 1 + e−jωT − 2 e−2 jωT . jω

(1.284)

Lösung zu Aufgabe 1.5 Es ist die Systemreaktion auf den in der Aufgabenstellung skizzierten Eingangsimpuls u 1 (t) darzustellen. Mit den gegebenen Werten kann man zunächst erkennen, dass die Sprungantwort u 2 (t) = h(t) (Antwort des Systems auf einen Eingangssprung) gegeben ist. Möchte man nun die Systemreaktion auf den gegebenen Eingangsimpuls u 1 (t) (Rechteck-Impuls) darstellen, so ist zunächst die Gewichtsfunktion g(t) oder die Übertragungsfunktion G( p) zu ermitteln. Da in vielen Fällen die Rechnung im Bild- oder Spektralbereich Vorteile aufweist, soll an dieser Stelle die Systemreaktion u 2 (t) über den Bildbereich, d. h. über die Ermittlung der Übertragungsfunktion G( p) und anschließend der zur Systemreaktion u 2 (t) gehörenden Laplace-Transformierten U2 ( p) bestimmt werden. Für die Bestimmung der Laplace-Transformierten G( p) = L {g(t)} benötigt man die Korrespondenz für die Einheitssprungfunktion 1(t)

 

1 p

(1.285)

und für die zeitbegrenzte Exponentialfunktion e−t/T1 1(t)

1

 

p+

1 T1

(1.286)

sowie den Zeitverschiebungssatz

L {x(t − b) · 1(t − b)} = e−bp L {x(t) · 1(t)} .

(1.287)

Diese Beziehungen können z. B. Anhang D entnommen werden. So ergibt sich für das Eingangssignal u 1 (t) = A · 1(t) die Laplace-Transformierte U1 ( p) = A ·

1 p

(1.288)

90

1 Signal- und systemtheoretische Grundlagen

und für die Sprungantwort u 2 (t) = h(t) die Laplace-Transformierte U2 ( p) = Aus dem Quotienten G( p) =

A p+

1 T1

.

(1.289)

U2 ( p) p = U1 ( p) p + T11

(1.290)

lässt sich die Übertragungsfunktion G( p) ermitteln, die die Basis für die Bestimmung der Systemreaktion auf den gegebenen Eingangsimpuls (Rechteck) darstellt. Das Eingangssignal u 1 (t) kann mit Hilfe der Einheitssprungfunktion als u 1 (t) = A · 1(t) − A · 1(t − T )

(1.291)

dargestellt werden. Für die um T verschobene Einheitssprungfunktion gilt – unter Berücksichtigung des Zeitverschiebungssatzes – die Korrespondenz 1(t − T )

 

1 − pT , e p

(1.292)

und damit lässt sich für das Eingangssignal u 1 (t) die Laplace-Transformierte U1 ( p) = ableiten, was zu U1 ( p) =

A A − e− pT p p

(1.293)

  A 1 − e− pT p

(1.294)

vereinfacht werden kann. Die Systemantwort u 2 (t) lässt sich über den Bildbereich und den Ansatz G( p) =

U2 ( p) U1 ( p)

(1.295)

ermitteln. Es ergibt sich U2 ( p) = U1 ( p) · G( p).

(1.296)

Mit den ermittelten Werten für U1 ( p) und G( p) ergibt sich die Laplace-Transformierte U2 ( p) der Systemreaktion zu   p A − pT 1−e · , (1.297) U2 ( p) = p p + T1 1

was sich vereinfacht als

1.8

Lösungen zu den Aufgaben

91

U2 ( p) =



A p+

1 T1

1−e

− pT

 (1.298)

darstellen lässt. Die Rücktransformation führt auf die Systemreaktion u 2 (t). Mit den Korrespondenzen 1   e−t/T1 1(t) (1.299) p + T11 und

 

U ( p) e− p t0

u(t − t0 ) · 1(t − t0 )

(1.300)

ergeben sich für die Teilterme die Zeitsignale 1 p+ und

1 p+

1 T1

1 T1

· e− pT

 

e−t/T1 1(t)

 

e

) − (t−T T 1

(1.301)

1(t − T ) .

(1.302)

Abschließend erhält man über die additive Zusammensetzung der einzelnen rücktransformierten Terme die Systemreaktion u 2 (t) zu ) − (t−T T

u 2 (t) = A e−t/T1 1(t) − A e

1

1(t − T ).

(1.303)

Abb. 1.86 veranschaulicht die Systemreaktion u 2 (t) über die additive Überlagerung der ermittelten Teilterme der Zeitsignale für A = 1 V.

u2 (t) 1

T

Abb. 1.86 Systemreaktion u 2 (t)

t (in s)

2

Grundlagen der Basisbandübertragung

Zusammenfassung

Das Grundproblem bzw. die Kernaufgabe der Nachrichtenübertragungstechnik besteht darin, einen gegebenen Informationsfluss mit minimaler Energie und maximaler Geschwindigkeit über einen gestörten Kanal mit minimaler Fehlerwahrscheinlichkeit zu übertragen. In diesem Kapitel wird dieses Grundproblem der Nachrichtenübertragung – kurz zusammengefasst: die zuverlässige und effiziente Übertragung von Information über gestörte Kanäle – eingeführt. Es wird erläutert, wie bei einer Übertragung im Basisband geeignete Verfahren zu gestalten sind, um zuverlässig Information über gestörte Kanäle übertragen zu können. Dazu wird die Übertragung über verzerrungsfreie Kanäle behandelt, die durch Rauschen gestört werden. Derartige Kanäle werden meist als AWGN-Kanäle (Additive White Gaussian Noise) bezeichnet. Es wird zunächst am Beispiel der Binärübertragung ausführlich dargestellt, wie Nutzsignal und Störung auf dem Übertragungsweg durch die einzelnen Komponenten des Übertragungssystems bewertet werden. Es werden Gütekriterien definiert, die dazu geeignet sind, die Übertragungsqualität zu erfassen. Wesentliche Einflussgrößen, Abhängigkeiten und sich daraus ergebende Optimierungsoptionen werden aufgezeigt und diskutiert. Anschließend werden einige der gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinert und wichtige Kriterien abgeleitet, die leistungsfähige Übertragungssysteme auszeichnen. Darauf aufbauend werden einige verbesserte und erweiterte Konzepte dargestellt, die die Optimierung von Übertragungssystemen und damit die Verbesserung von der Leitungsfähigkeit ermöglichen. Ausführliche numerische Beispiele dienen der Illustration der gewonnenen allgemeinen Erkentnisse und der erarbeiteten Prinzipien.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange und A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3_2

93

94

2.1

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

Im Folgenden wird anhand des Beispiels der binären Informationsübertragung das Grundproblem der Nachrichtenübertragungstechnik eingeführt und dargestellt. Die binäre Übertragung hat eine große praktische Bedeutung, da oft entweder digitale Informationselemente in Form von Bits und damit binäre, d. h. zweiwertige, Signale vorliegen, z. B. bei der Rechnerkommunikation, oder binäre Digitalsignale durch Umwandlung von Analogsignalen vor einer Übertragung erzeugt werden, z. B. in der modernen Telefonie-, Audio- oder Videoübertragung.1 Außerdem erlaubt diese Darstellung eine physikalisch-anschauliche Diskussion wichtiger Eigenschaften der Übertragung digitaler Signale mit signal- und systemtheoretischen Mitteln, ohne zu theoretisch-komplizierte Methoden nutzen zu müssen, die für fortgeschrittene Übertragungsverfahren benötigt werden, aber den Kern in einer einführenden Betrachtung, z. B. durch mathematische Komplexität, verdecken können.

2.1.1

Modell und Komponenten des Basisbandübertragungssystems

Physikalisch-anschauliche Darstellung In Abb. 2.1 ist das Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung mit seinen Komponenten als Blockschaltbild dargestellt. Es wird eine Basisbandübertragung betrachtet, d. h., die Übertragung erfolgt in dem ursprünglichen Frequenzbereich des Sendesignals ohne eine Verschiebung in andere Frequenzbereiche, wie sie z. B. bei der Funkkommunikation notwendig ist. Praktisch können Basisbandsysteme zur Übertragung über elektrische Leitungen angewendet werden, da es sich bei den Basisbandsignalen um Tiefpasssignale handelt und elektrische Leiterpaare im Allgemeinen auf Grund ihrer Tiefpasscharakteristik die direkte Basisbandübertragung gestatten. Das Blockschaltbild wurde deshalb auf die hier zu diskutierende Basisbandübertragung hin ausgelegt. Ziel der Informations- bzw. Nachrichtenübertragung ist es, die auf der Sendeseite vorliegende Datenfolge möglichst fehlerfrei zur Empfangsseite zu übertragen. Die Datenfolge ist eine Folge von Bits, also eine zufällige Folge von  0 und  1 , die entweder direkt vorliegt – z. B. bei der Übertragung von Dateien – oder durch eine Analog-Digital-Wandlung erzeugt wird – z. B. bei der Audio- und Videosignalübertragung und -verarbeitung. Der Sender hat die Aufgabe, die zu übertragende Bitfolge, die Sendedatenfolge, in ein physikalisches Signal – z. B. in eine Spannung – so umzusetzen, dass das Sendesignal hinsichtlich Sendeleistung, Aussteuerbereich und belegter Bandbreite für die Übertragung über den gegebenen Kanal geeignet ist. Am Ausgang des Senders liegt das 1 Die Umwandlung analoger Signale in ein binäres Digitalsignal bzw. eine Bitfolge kann durch

eine sogenannte Pulse-Code-Modulation (PCM) mit den Schritten Abtastung, Quantisierung und Codierung geschehen, s. z. B. [42, 48]. Im weiteren Verlauf dieses Buches wird davon ausgegangen, dass bereits eine Bitfolge vorliegt, die übertragen werden soll.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

95

Sendesignal u 1 (t) als Spannung vor, das die informationstragende Datenfolge enthält. Beispielhaft wird eine unipolare Übertragung mit den zwei Spannungszuständen 0 und U0 mit NRZ-Rechteckimpulsen (Non Return to Zero)2 betrachtet: Wenn in der Datenfolge eine  1 vorliegt, wird der Spannungzustand U gesendet und wenn eine  0 vorliegt, wird der 0 Spannungszustand 0 V gesendet. Diese Art des Sendesignals gestattet eine physikalischanschaulich Darstellung der nachrichtentechnischen Grundprinzipien und lässt sich darüber hinaus praktisch einfach durch das Schalten von Spannungen erzeugen. Alternative und fortgeschrittene Konzepte der Sendesignalformung werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels diskutiert. Die Art und Weise, wie ein Element der Sendedatenfolge, d. h. ein einzelnes Bit, physikalisch als Impuls dargestellt wird, wird als Sendegrundimpuls bezeichnet. Bei der Übertragung über den Kanal wird das Sendesignal im Allgemeinen verformt bzw. verzerrt und es werden ihm Störungen überlagert, die zumeist als Zufallssignal in Form von Rauschen modelliert werden können und dem Nutzsignal additiv hinzugefügt werden. Die Signalverformung bzw. -verzerrung, die der Kanal bewirkt, kann als eine Filterung des Signals u 1 (t) aufgefasst werden. Am Kanalausgang liegt zunächst das durch den Kanal verformte bzw. verzerrte Signal u 2 (t) vor, dem das Störsignal n(t) als Rauschen additiv überlagert wird. Am Empfängereingang ist damit das verzerrte und gestörte Signal u 3 (t) = u 2 (t) + n(t) wirksam. Praktisch wichtige Übertragungskanäle sind Kupferkabel, Funkkanäle und Glasfaserleitungen, die im Allgemeinen jeweils durch unterschiedliche physikalische Mechanismen, wie z. B. Frequenzabhängigkeit, Signalverzerrungen hervorrufen und zusätzlich Störungen durch Rauschen bewirken.3 Eine Kanalkorrektur kompensiert den verzerrenden Einfluss des Kanals auf das Sendesignal und wird oft als Entzerrung bzw. Entzerrer bezeichnet, da sie die durch den Kanal verursachten Verzerrungen im Wesentlichen rückgängig macht, also entzerrt. Die Kanalkorrektur ist ebenfalls eine Filterung und sie kann auf verschiedene Arten, z. B. mittels geeigneter elektronischer Schaltungen oder durch Algorithmen der digitalen Signalverarbeitung realisiert werden. Das Empfangsfilter hat die Aufgabe, den Empfangsimpuls so zu formen, dass er für die nachfolgende Abtastung und Erkennung möglichst gut geeignet ist und außerdem die Bandbreite der Störung und damit die Rauschleistung zu begrenzen. Am Ausgang des Emp-

2 Bei dieser Art des Sendesignals wird der jeweilige Spannungszustand für die gesamte Symboldauer bzw. Taktperiode beibehalten: Wird ein Symbol  1 mit der Amplitude U0 gesendet, kehrt die Span-

nung während der Dauer dieses Symbols nicht zur Spannung 0 V zurück – daher rührt die Bezeichnung Non Return to Zero, NRZ dieses Impulstyps. Sinngemäß gilt dies ebenso für die  0 -Symbole. Der Begriff unipolar bedeutet, dass bei der Übertragung nur Signale mit Spannungen einer Polarität, üblicherweise positive bzw. nichtnegative Spannungsamplituden, verwendet werden. 3 Wird eine Übertragung z. B. über Funkkanäle betrachtet, würden der Sender in Abb. 2.1 eine Modulation zur Verschiebung des Sendesignals in den vorgegebenen Funkfrequenzbereich mit enthalten und im Empfänger müsste eine entsprechende Frequenzrückverschiebung, die Demodulation, vorgesehen werden. Dann würden insbesondere die in Abb. 2.1 für die Basisbandübertragung dargestellten Beispielsignale andere Verläufe aufweisen.

96

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

fangsfilters erscheint das ggf. entzerrte und durch das Empfangsfilter bewertete gestörte Signal u 4 (t), wobei die Störung in ihrer Auswirkung begrenzt wird. Der Abtaster entnimmt dem Empfangssignal zu den Abtastzeitpunkten Proben. Dazu wird dem Abtaster eine Taktinformation zugeführt, die aus dem empfangenen Signal selbst gewonnen werden kann oder die zusätzlich, z. B. über einen Steuerungskanal, bereitgestellt wird. Die Abtastzeitpunkte werden im Allgemeinen wesentlich durch die Impulsbreite und damit durch die Rate, mit der Information übertragen wird, sowie durch die Art der Sendeimpulsformung im Zusammenspiel mit der Empfangsfilterung bestimmt. Im Entscheider wird mittels Entscheidung bezüglich einer Schwelle entschieden, ob der Abtastwert größer oder kleiner als die Entscheidungs- oder Detektionsschwelle ist. Der Entscheider wird auch als Detektor bezeichnet. Am Ausgang des Entscheiders liegt – je nach Art der praktischen Ausführung – die Spannung u 6 (t) mit den entschiedenen Amplituden zu den Abtastzeitpunkten oder direkt die empfangene bzw. geschätzte Datenfolge vor. In Abb. 2.1 sind Signalverläufe auf der Grundlage einer beispielhaften Datenfolge für die einzelnen Punkte im Basisbandübertragungssystem mit eingezeichnet, um anschaulich zu machen, wie Signale aussehen können. Im Beispiel sind die Verläufe so dargestellt, dass alle Bits der Datenfolge richtig entschieden und erkannt werden. Dies muss – je nach konkretem Einfluss des Kanals und der Intensität der Störung – nicht immer so sein. Wie dies systemtheoretisch und mathematisch erfasst werden kann, ist Gegenstand der folgenden Abschnitte.

Vereinfachungen und signal- und systemtheoretische Beschreibung Um wesentliche Grundzusammenhänge bei der Übertragung digitaler Signale herausarbeiten zu können, werden mathematische Beschreibungen eingeführt und einige vereinfachende Annahmen gemacht: • Der Sendegrundimpuls xs (t) ist ein NRZ-Rechteckimpuls der Symboldauer bzw. Impulsbreite Ts und der Amplitude U0 . • Es wird vorausgesetzt, dass der Kanal keine Verzerrungen des Signals verursacht, d. h. die Kanalübertragungsfunktion wird als G k ( f ) = 1 bzw. G k (ω) = 1 angesetzt – entsprechend einer Gewichtsfunktion gk (t) = δ(t) des Kanals.

Einschub: AWGN-Kanal

Das Empfangssignal am Ausgang eines verzerrungsfreien, durch Rauschen gestörten Kanals lautet (2.1) u 3 (t) = D u 1 (t − t0 ) + n(t)

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

97

mit dem Übertragungsfaktor D, der Grundlaufzeit t0 (Gruppenlaufzeit) und dem Rauschanteil n(t). Damit ergibt sich die Übertragungsfunktion des Blockes Kanal zu (2.2) G k ( f ) = D · e−j 2 π f t0   gk (t) = D · δ(t − t0 ) . Dabei erfolgt häufig zur Vereinfachung eine gedankliche Zeitverschiebung zum Ausgleich der Grundlaufzeit t0 und der Übertragungsfaktor wird zu D = 1 gewählt, so dass im Falle eines AWGN-Kanals die Bedingung u 3 (t) = u 1 (t) + n(t)

(2.3)

gilt.

• Bewirkt der Kanal keine Verzerrungen, müssen diese auch nicht entzerrt werden, so dass für die Übertragungsfunktion der Kanalkorrektur – des Entzerrers – in Abb. 2.1 ebenfalls G korr ( f ) = 1 bzw. G korr (ω) = 1 gilt. • Das Empfangsfilter ist ein Tiefpass erster Ordnung mit der 3-dB-Grenzfrequenz f g bzw. der Zeitkonstante Tg = 1/ωg = 1/(2π f g ).

Abb. 2.1 Übertragungssystem für das Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

98

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

• Der Takt für die Abtastung im Empfänger wird als ideal und bekannt vorausgesetzt. Es verbleibt damit das in Abb. 2.2 dargestellte vereinfachte Basisbandübertragungssystem.4 Die einzelnen Elemente werden im Folgenden mathematisch beschrieben und eine Analyse mit den Mitteln der Signal- und Systemtheorie schrittweise eingeführt. Es wird vorausgesetzt, dass im Übertragungsweg in Abb. 2.2 ausschließlich lineare Systeme verwendet werden. Dies ist aus praktischer Sicht eine Annahme, die nur näherungsweise gilt, da z. B. reale Schaltungen immer einen begrenzten Aussteuerbereich haben und sehr oft elektronische Baulemente enthalten, die streng genommen, nichtlineare Kennlinien aufweisen – z. B. Transistoren. Jedoch können lineare Systeme sehr oft approximativ vorausgesetzt werden, da reale Systeme mit geringem Fehler als lineare Systeme betrachtet werden können. Es gilt dann der Superpositions- bzw. Überlagerungssatz und die signalund systemtheoretische Behandlung vereinfacht sich: Signal und Störung können getrennt voneinander bei ihrem Durchlauf und ihrer Bewertung durch die einzelnen Systeme im Über tragungsweg betrachtet und analysiert werden. Das Sendesignal durchläuft unter diesen Voraussetzungen bis zum Erkennungspunkt (in Abb. 2.2 als Weg des Nutzsignals gekennzeichnet) das Empfangsfilter G e ( f ), und auch die Störung wird durch das Empfangsfilter G e ( f ) auf dem Weg bis zum Erkennungspunkt bewertet (in Abb. 2.2 als Weg der Störung bezeichnet). In den folgenden Abschnitten werden der Weg und die Bewertung des Nutzsignals sowie der Weg und die Bewertung der Störung für den angegebenen Fall (NRZ-Sendesignal, Empfangstiefpass erster Ordnung) ausführlich beschrieben und mit den Mitteln der Signalund Systemtheorie mathematisch erfasst.

Abb. 2.2 Vereinfachtes Übertragungssystem für die Basisbandübertragung

4 Da der Kanal im vereinfachten Übertragungssystem keine Verformung des Sendesignals u (t) 1 verursacht, gilt mit Bezug zu Abb. 2.1 u 2 (t) = u 1 (t) und deshalb ist u 2 (t) in Abb. 2.2 nicht extra eingetragen. In einem praktischen System wäre eine Grundverzögerung t0 zu berücksichtigen, so dass u 2 (t) = u 1 (t − t0 ) gelten würde: Diese Grundverzögerung wird zur weiteren Systemanalyse zu t0 = 0 gesetzt, ohne die Allgemeinheit zu beschränken.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

99

Sendesignal Das Sendesignal u 1 (t) entsteht aus der Überlagerung der Datenfolge mit jeweils einem einzelnen Impuls, der als Sendegrundimpuls xs (t) bezeichnet wird. Dieser Sendegrundimpuls ist hier ein NRZ-Rechteckimpuls der Breite Ts und der Amplitude U0 . Der NRZ-Sendegrundimpuls kann im Zeit- und Frequenzbereich als  U0 f¨ur |t| ≤ T2s   X s ( f ) = U0 Ts si(π f Ts ) (2.4) xs (t) = 0 f¨ur |t| > T2s (bzw. X s (ω) = U0 Ts si (ω Ts /2) mit der Frequenzvariable ω) angegeben werden, wobei man die Verknüpfung von Zeit- und Frequenzbereich über die Fourier-Transformation erhält (s. Kap. 1 und Anhang A). In Abb. 2.3 ist der Sendegrundimpuls im Zeit- und Frequenzbereich dargestellt. Die Frequenz, mit der informationstragende Symbole aufeinander folgen und ausgesendet werden, ist f T = 1/Ts . Sie wird als Symbolrate, Symbolfolgefrequenz, Symboltaktfrequenz oder Taktfrequenz bezeichnet. Da im betrachteten Grundmodell zunächst ausschließlich zweiwertige Symbole übertragen werden, sind diese Symbole gleichzeitig Bits und die Taktfrequenz enspricht hier der Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B , mit der Bits aufeinander folgen: f T = f B = 1/Ts . In später in diesem Kapitel diskutierten mehrstufigen Übertragungssystemen müssen Bit- und Symbolrate unterschieden werden. Wichtige Kenngrößen des Sendesignals, z. B. für die Auslegung von Komponenten des Senders, sind der Aussteuerbereich und die mittlere Sendeleistung: • Der Aussteuerbereich ist das Spannungsintervall, in dem das Sendesignal liegt; er reicht von Amin bis Amax . Die Komponenten des Senders müssen für diesen Aussteuerbereich ausgelegt sein und in ihm z. B. möglichst linear und verzerrungsfrei arbeiten. Für das unipolare NRZ-Sendesignal u 1 (t) gilt Amin = 0 und Amax = U0 . • Die mittlere Sendeleistung kann mit Blick auf Abb. 2.1 und 2.3 nach Ps =

u 21 (t)

1 = lim T →∞ 2 T

+T u 21 (t) dt

(2.5)

−T

für das zufällige, binäre und unipolare NRZ-Sendesignal u 1 (t) mit den beiden gleichverteilten Amplitudenstufen 0 und U0 berechnet werden: Es ergibt sich ⎤ ⎡ Ts 2Ts 1 2 1 ⎢ 2 2 ⎥ U0 · Ts + 02 · Ts (2.6) Ps = ⎣ U0 dt + 0 dt ⎦ = 2 Ts 2 Ts 0

Ts

und man erhält Ps =

U02 . 2

(2.7)

100

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Xs (f)

xs(t) U0

− T2s

t

Ts 2

0

Ts U0

− T1s

f

0 1

Ts

Abb. 2.3 NRZ-Sendegrundimpuls im Zeit- und Frequenzbereich

Häufig wird in der Nachrichtentechnik für Optimierungszwecke aus Gründen der Vergleichbarkeit ein numerischer Wert von Ps = 1 V2 (systemtheoretische Leistung) gewählt.

Empfangsfilter Das Empfangsfilter ist prinzipiell frei wählbar und ist hier entsprechend der zuvor gemachten Voraussetzungen ein RC-Tiefpass erster Ordnung [30]: G e ( p) =

1 1 + p Tg

 

ge (t) =

1 − Ttg 1 1 e · 1(t) mit Tg = = . Tg ωg 2π f g

(2.8)

Die Grenzfrequenz f g ist eine 3-dB-Grenzfrequenz, d. h., bei der Frequenz f = f g ist der √ Betrag der√Übertragungsfunktion von (2.8) auf einen Wert von 1/ 2 ≈ 0,7071 bzw. um −20 lg(1/ 2) = 3 dB gegenüber dem Wert bei der Frequenz f = 0 abgefallen. Für den RC-Tiefpass erster Ordnung erhält man für σ = 0 und damit p = σ + jω =⇒ jω = j2π f als Übertragungsfunktion mit der Frequenzvariable ω zunächst G e ( p) =

1 1 + pTg

=⇒

G e (ω) =

=⇒

Ge( f ) =

1 1 = 1 + jωTg 1 + j ωωg

(2.9)

und mit der Frequenzvariable f : G e ( p) =

1 1 + pTg

1 2π f 1 + j 2π fg

=

1 1 + j ffg

.

(2.10)

In Abb. 2.4 sind eine Realisierung des Empfangsfilters als Schaltung und das zugehörige PN-Bild angegeben. Die Zeitkonstante des Empfangsfilters wird durch die Elemente R und C bestimmt: Tg = RC. Daher rührt die Bezeichnung RC-Tiefpass. Er ist erster Ordnung, da sich bei der Grenzfrequenz ωg = 1/Tg eine Polstelle befindet (s. Kap. 1).

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

101

Abb. 2.4 Schaltung und PN-Bild eines RC-Tiefpasses erster Ordnung

Da die imaginäre Achse innerhalb des Konvergenzbereiches des Laplace-Integrals (s. Kap. 1) liegt, kann der Übergang p = σ + jω =⇒ p = jω für σ = 0 vollzogen und die zur Laplace-Transformierten G e ( p) gehörende Fourier-Transformierte G e (ω) bzw. G e ( f ) angegeben werden.

2.1.2

Weg und Bewertung des Nutzsignals

System zur Bewertung des Nutzsignals Das Übertragungssystem nach Abb. 2.1 zeichnet sich durch die Linearität der einzelnen Funktionsblöcke aus. Nutzsignal und Störung, deren Wege beim Durchlaufen des Übertragungssystems in Abb. 2.2 veranschaulicht werden, können deshalb – wie schon erwähnt – voneinander getrennt behandelt werden. In diesem Abschnitt wird der Weg des Nutzsignals durch das in Abb. 2.2 dargestellte Übertragungssystem detailliert untersucht und es werden die Auswirkungen berechnet, die die im Übertragungsweg befindlichen Systeme auf das Nutzsignal haben. Auf dieser Grundlage wird eine geeignete Größe definiert, die die Güte bzw. Qualität des Nutzsignals am Erkennungspunkt beschreibt. Für das Nutzsignal verbleibt das in Abb. 2.5 dargestellte Blockschaltbild: Die zu sendende Datenfolge in Abb. 2.1 wird mit a(k) bezeichnet, wobei sie aus einer zufälligen Folge von  0 und  1 besteht; k ist ganzzahlig und beschreibt, dass jeweils im Symboltakt, also alle k ·Ts ein Element der Datenfolge gesendet wird. Das Sendesignal u s (t) entsteht aus der Überlagerung der mit der zufälligen Datenfolge a(k) aus den Elementen {0, 1} bewerteten und zeitlich im Abstand Ts aufeinanderfolgenden Sendegrundimpulse xs (t) – dieses Sendesignal entspricht u 1 (t) im Basisband-Grundmodell in Abb. 2.1. Da Kanal und Kanalkorrektur entsprechend der Voraussetzungen für das vereinfachte Übertragungssystem keine Verformungen des Nutzsignals bewirken, verbleibt ausschließlich das Empfangsfilter G e ( f ) bzw. G e ( p) als System, das das Nutzsignal beeinflusst und verformt. Betrachtet man nur das Nutzsignal, so liegt am Ausgang des Empfangsfilters das Empfangsnutzsignal u e (t) vor: Dieses Signal ist das durch das Empfangsfilter bewertete Sendesignal u s (t). Es entspricht in Abb. 2.1 dem Signal u 4 (t) – jedoch ohne den überlagerten und darin enthaltenen Störanteil. Die

102 Abb. 2.5 Blockschaltbild zur Bewertung des Nutzsignals

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

us (t)

Ge (p)

ue (t)

Erkennungspunkt

Definition des Empfangsnutzsignals u e (t) ist deshalb nützlich, da Nutzsignal und Störung voneinander getrennt behandelt werden können. In einem realen Übertragungssystem kann dieses ungestörte Empfangsnutzsignal nicht beobachtet werden, es ist eine reine – und dennoch nützliche – Rechengröße. Empfangsnutzsignal und Empfangsgrundimpuls Das Empfangsnutzsignal – kann ähnlich wie das Sendesignal – als Überlagerung von mit der zufälligen Datenfolge a(k) aus den Elementen {0, 1} bewerteten und zeitlich im Abstand Ts aufeinanderfolgenden Grundimpulsen dargestellt werden, jedoch erfolgt die Bewertung nun mit dem Empfangsgrundimpuls xe (t). Der Empfangsgrundimpuls entsteht, wenn ein einzelner Sendegrundimpuls xs (t) durch das Empfangsfilter G e ( f ) bzw. G e ( p)   ge (t) bewertet wird, also durch die Filterung des Sendegrundimpulses durch das Empfangsfilter. Dies kann im Zeitbereich als Faltung xe (t) = xs (t) ∗ ge (t) geschrieben werden. Daher wird nun der Empfangsgrundimpuls berechnet. Dies geschieht vorteilhaft über den Spektral- oder Bildbereich mit Hilfe der Laplace-Transformation.5 Der NRZ-Sendegrundimpuls der Dauer Ts und der Amplitude U0 wird als  U0 f¨ur 0 < t < Ts xs (t) = (2.11) 0 f¨ur Ts < t < ∞ kausal dargestellt und kann mit 1(t) als Einheitssprungfunktion formuliert werden als xs (t) = U0 · [1(t) − 1(t − Ts )] .

(2.12)

Die Laplace-Transformierte des rechteckförmigen NRZ-Sendegrundimpulses der Dauer Ts mit der Amplitude U0 lautet (mit Anwendung des Verschiebungssatzes der LaplaceTransformation)

 U0  1 U0 U0 e− pTs e− pTs = (2.13) X s ( p) = − = U0 − 1 − e− pTs . p p p p p 5 Es ist dabei zu beachten, dass bei Verwendung der Laplace-Transformation die Zeitsignale für Zeiten

t ≥ 0 angesetzt werden müssen, da die in diesem Buch verwendete Laplace-Transformation nur für nichtnegative Zeiten definiert ist. Dazu wird eine kausale Darstellung des NRZ-Rechteckimpulses verwendet – von 0 bis Ts – und der Sendegrundimpuls nach (2.4) um Ts /2 verschoben; dadurch ändert sich dessen Betragsspektrum nicht (s. Kap. 1).

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

103

Die Laplace-Transformierte des Empfangsgrundimpulses lautet damit nach Multiplikation mit G e ( p) entsprechend (2.8) X e ( p) = X s ( p) · G e ( p) =

U0 1 − e− pTs . · p 1 + pTg

(2.14)

Durch Ausklammern von Tg im Nenner erhält man X e ( p) =

U0 1 − e− pTs U0 1 − e− pTs = . ·  ·  p T 1 +p Tg p 1 + p g Tg Tg

(2.15)

Über die Laplace-Rücktransformation der so umgeformten Laplace-Transformierten des Empfangsgrundimpulses ⎧ ⎫ ⎨ 1 − e− pTs ⎬ U0   · L −1 (2.16) xe (t) = ⎩p p+ 1 ⎭ Tg Tg

erhält man unter Zuhilfenahme der Korrespondenz (s. Anhang D bzw. [11, 13, 74])   1   1 1 − e−at · 1(t) p( p + a) a die Zeitfunktion des Empfangsgrundimpulses zu 

  s − Ttg − t−T Tg xe (t) = U0 1 − e · 1 (t − Ts ) . · 1(t) − 1 − e

(2.17)

(2.18)

Abb. 2.6 zeigt diese Rechteckantwort xe (t) eines Tiefpassfilters mit einfach-reellem Pol – d. h. den Empfangsgrundimpuls – bei zwei beispielhaften Empfangsfiltergrenzfrequenzen f g = 1/(2π Tg ). Die spektrale Wirkung des Empfangsfilters wird anhand der in Abb. 2.7 dargestellten logarithmischen Amplitudengänge der Übertragungsfunktion G e ( f ) (Bode-Diagramm) verdeutlicht: Bei großer Filterzeitkonstante Tg bzw. kleiner Grenzfrequenz f g wird der nutzbare Frequenzbereich durch das Empfangsfilter relativ stark eingeschränkt, während bei kleiner Zeitkonstante Tg bzw. großer Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters ein vergleichsweise großer spektraler Durchlassbereich verfügbar ist. Der Abfall des Betragsfrequenzganges oberhalb der Grenzfrequenz f g erfolgt mit 20 dB/Dekade, d. h. innerhalb eines Frequenzbereiches von 10n Hz . . . 10n+1 Hz (n ganzzahlig) nimmt der Wert des Betragsfrequenzganges um 20 dB ab, also z. B. im Bereich von 10 MHz . . . 100 MHz oder 100 MHz . . . 1 GHz. Dies führt in der Darstellung mit einer vertikalen Achse, die logarithmisch nach dem dekadischen Logarithmus geteilt ist, zu einer abfallenden Geraden.

104

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.6 Rechteckantwort eines Tiefpassfilters mit einfach-reellem Pol bei großer ( f g = 1/Ts ) und kleiner ( f g = 0,2/Ts ) Grenzfrequenz

Abb. 2.7 Spektrale Wirkung des Empfangsfilters G e ( f )

Allgemeine Darstellung der Bewertung des Nutzsignals Die zuvor beschriebene Bewertung des Sendesignals u s (t) bzw. des Sendegrundimpulses xs (t) durch ein Empfangsfilter G e ( f ) kann verallgemeinert und in alternativer Weise dargestellt werden: Zur Erzeugung des Sendegrundimpulses wird ein Dirac-Stoß xq (t) = U0 Ts δ(t) ◦−• X q ( f ) = U0 Ts durch das Sendefilter mit der Gewichtsfunktion gs (t) ◦−• G s ( f ) bewertet und man erhält den Sendegrundimpuls xs (t) = xq (t) ∗ gs (t) = U0 Ts gs (t) ◦−• X s ( f ) = U0 Ts G s ( f ).

(2.19)

Der Empfangsgrundimpuls entsteht nach einer weiteren Filterung dieses Signals, nun durch das Empfangsfilter ge (t) ◦−• G e ( f ), als xe (t) = xq (t) ∗ gs (t) ∗ ge (t) ◦−• X e ( f ) = U0 Ts G s ( f ) G e ( f ).

(2.20)

Die Entstehung des Sendesignals u s (t) und des Empfangsnutzsignals u e (t) kann sinngemäß dargestellt werden, wenn als Eingangssignal des Sendesfilters nicht ein einzelner Dirac-Stoß, sondern eine periodische Dirac-Stoßfolge vorausgesetzt wird, die im Abstand der Symboldauer Ts jeweils Dirac-Stöße U0 Ts δ(t) emittiert, die mit den dimensionslosen Amplitudenkoeffizienten a[k] der Datenfolge gewichtet – also multipliziert – werden, d. h. das Quellensignal lautet +∞  a[k] · δ(t − k Ts ). (2.21) u q (t) = U0 Ts k=−∞

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

105

Abb. 2.8 zeigt die Erweiterung des in Abb. 2.5 dargestellten Blockschaltbilds für die Bewertung des Nutzsignals um das Sendefilter G s ( f ): Beide Beschreibungsformen sind äquivalent, jedoch ist die nun eingeführte Darstellung Abb. 2.8 flexibler, da verschiedene Sendefilterfunktionen gs (t) ◦−• G s ( f ) zugelassen sind und erfasst werden können. Durchläuft z. B. ein Dirac-Stoß U0 Ts δ(t) ein Sendefilter 1 t , (2.22) rect G s ( f ) = si(π f Ts ) •−◦ gs (t) = Ts Ts so entsteht als Sendegrundimpuls der NRZ-Rechteck-Impuls (Abb. 2.3) t ◦−• X s ( f ) = U0 Ts si(π f Ts ). xs (t) = U0 rect Ts

(2.23)

Damit wurde die Äquivalenz beider Beschreibungsformen am Beispiel des NRZSendegrundimpulses gezeigt. Diese Darstellungsweise gestattet es, unterschiedliche Filterfunktionen als Sendefilter G s ( f ) zu verwenden, um z. B. den Gegebenheiten auf dem Übertragungskanal optimal Rechnung tragen zu können. Sie wird deshalb im weiteren Verlauf dieses Kapitels wieder aufgegriffen werden. Die Übertragungsfunktion des Übertragungssystems vom Eingang des Sendefilters G s ( f ) bis zum Ausgang des Empfangsfilters G e ( f ) wird mit H ( f ) •−◦ h(t) als Gesamtübertragungsfunktion oder resultierende Übertragungsfunktion des Basisbandsystems bezeichnet (s. Abb. 2.8). Dementsprechend ist h(t) die resultierende Gesamtgewichtsfunktion, die oft auch als Gesamtimpulsantwort bezeichnet wird. Die Funktionen H ( f ) und h(t) haben sich für die Analyse der Bewertung des Nutzsignals in Übertragungssystemen als nützlich erwiesen. Für das Gesamtübertragungssystem gilt im hier betrachteten Beispiel eines nichtverzerrenden Übertragungskanals, das deshalb im Nutzsignalweg lediglich die Komponenten Sende- und Empfangsfilter aufweist, die Beziehung h(t) = gs (t) ∗ ge (t) ◦−• H ( f ) = G s ( f ) · G e ( f ).

(2.24)

Enthält der Nutzsignalweg weitere Komponenten vor der empfangsseitigen Symboltaktabtastung, z. B. einen verzerrenden Kanal und eine Kanalkorrektur (s. z. B. Abb. 2.1), so gehören diese mit zum Gesamtübertragungssystem und die Gesamtübertragungsfunktion H ( f ) ergibt sich aus der Multiplikation der Übertragungsfunktionen aller beteiligten Teilsysteme – die Gesamtgewichtsfunktion h(t) erhält man über die Faltung der Gewichtsfunktionen der Teilsysteme.

Entstehung des Empfangsnutzsignals Das Empfangsnutzsignal u e (t) enststeht, wie schon erwähnt, durch die Überlagerung der

106

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.8 Blockschaltbild zur Bewertung des Nutzsignals (allgemeine Beschreibungsform)

uq (t)

Gs (f)

us(t)

H(f)

Ge (f)

ue(t)

Erkennungspunkt

mit den einzelnen Elementen a[k] ∈ {0, 1} der Datenfolge a(k) bewerteten Empfangsgrundimpulse. Anhand des schon in Abb. 2.1 verwendeten beispielhaften Ausschnitts aus einer Datensymbolfolge a(k) = (1 0 1 1 0) wird die Entstehung des Empfangsnutzsignals in Abb. 2.9 illustriert: Verwendet man den Empfangsgrundimpuls nach (2.18) und setzt als Vorgeschichte eine hinreichend lange Folge von  0 -Symbolen voraus, so kann der betrachtete Ausschnitt des Empfangsnutzsignals als u e (t) = a[0] · xe (t) + a[1] · xe (t − Ts ) + a[2] · xe (t − 2 Ts ) + . . . . . . + a[3] · xe (t − 3 Ts ) + a[4] · xe (t − 4 Ts )

(2.25)

geschrieben werden (hier mit k = 0, 1, 2, 3, 4) bzw. mit den konkreten Datensymbolen als u e (t) = 1 · xe (t) + 0 · xe (t − Ts ) + 1 · xe (t − 2 Ts ) + . . . . . . + 1 · xe (t − 3 Ts ) + 0 · xe (t − 4 Ts ).

(2.26)

In Abb. 2.9 sind das entstehende beispielhafte Empfangsnutzsignal u e (t) und die einzelnen jeweils um Vielfache der Symboldauer Ts verschobenen und mit den Datensymbolen a[k] bewerteten Empfangsgrundimpulse xe (t) dargestellt, so dass erkennbar wird, wie das gefilterte Nutzsignal am Ausgang des Empfangsfilters durch Überlagerung entsteht. Außerdem ist eine Entscheidungsschwelle eingetragen, die bei zweistufiger, unipolarer Übertragung mit den Sendeamplituden 0 und U0 und redundanzfreier Quelle mit gleichwahrscheinlichen Datensymbolen bei UE = U0 /2 liegt. Wichtige Kriterien zur Gewinnung von Abtastwerten, die eine möglichst große Differenz zur Entscheidungsschwelle aufweisen – um eine zuverlässige Detektion zur gestatten – sind: • Wahl des richtigen Abtastzeitpunkts. Hier spielt in der Praxis die Taktsynchronisation eine bedeutende Rolle (hier als ideal vorausgesetzt). • Einstellung der richtigen Höhe der Entscheidungsschwelle. Die Abtastwerte sind abhängig von der • Filterart (z. B. Tiefpass erster Ordnung, Tiefpass n-ter Ordnung, andere Tiefpassfilterfunktionen),

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

107

• Impulsdauer (Impulsbreite) Ts bzw. von der Rate 1/Ts , mit der die Impulse aufeinander folgen – also der Symbol- oder Bitrate (bzw. Symbol- oder Bitfolgefrequenz). Verallgemeinert man die vorhergehende Betrachtung, kann das Empfangsnutzsignal am Ausgang des Empfangsfilters bei Datensymbolfolgen beliebiger Länge als Summe u e (t) =

+∞ 

a[k] · xe (t − k Ts )

(2.27)

k=−∞

formuliert werden. Die Empfangsgrundimpulse xe (t) haben – abhängig von der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g – im Allgemeinen eine wesentlich längere zeitliche Ausdehnung als die Impulsbreite Ts der sendeseitig verwendeten Rechteckimpulse: Es kommt daher gegebenenfalls zu gegenseitigen Beeinflussungen im Empfangssignal zu benachbarten Abtastzeitpunkten. Diese werden als Nachbarimpulsnebensprechen oder Intersymbolstörungen bzw. Intersymbolinterferenzen oder Intersymbol Interference (ISI) bezeichnet. Sie bewirken, dass zu den Abtastzeitpunkten eine Beeinflussung nacheinander ausgesendeter Symbole vorliegt. Je niedriger die Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters ist, desto mehr werden die Empfangsimpulse verschliffen und ihre zeitliche Ausdehnung vergrößert sich: Dadurch werden die Intersymbolstörungen stärker und die zuverlässige Erkennung wird erschwert. Die Größe der Intersymbolstörungen hängt von der Grenzfrequenz des Empfangsfilters ab. Vom Standpunkt der Nutzsignalübertragung ist daher eine möglichst große Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters wünschenswert, da dann das Empfangssignal wenig – oder gar nicht – verzerrt wird und die Intersymbolstörungen minimal sind oder verschwinden. Es ist nun von Interesse, wie nach dieser qualitativen Beschreibung der Situation bezüglich des Nutzsignals am Erkennungspunkt die Intersymbolstörungen und die damit einhergehenden Verzerrungen des Nutzsignals quantitativ erfasst werden können: Eine dazu geeignete Methode wird im Folgenden dargestellt. Augendiagramm Eine zweckmäßige Darstellung zur Bestimmung der Güte des Empfangsnutzsignals am Ausgang des Empfangsfilters ist das Augendiagramm. Es werden Ausschnitte des Empfangsnutzignals bestimmter Dauer – üblicherweise ganzzahlige Vielfache der Symboldauer Ts – bei zufälliger Datensymbolfolge übereinandergeschrieben. Dies kann praktisch mit einem Oszillografen geschehen, der mit der Taktinformation (Symboltaktfrequenz f T ) des Empfangssignals getriggert wird. Oft werden Signalausschnitte der Dauer Ts oder 2 Ts als Augendiagramme dargestellt. Das Augendiagramm besteht also aus allen übereinander geschriebenen Ausschnitten eines Digitalsignals, deren Dauer ein ganzzahliges Vielfaches der Symboldauer Ts ist [65]. Das Augendiagramm ist ein geeignetes Mittel zur Bewertung der Empfangsqualität des empfangenen Nutzsignals. Die Bezeichnung Augendiagramm rührt daher, dass die grafische Darstellung an ein Auge erinnert.

108

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.9 Zur Entstehung des Empfangsnutzsignals

Abb. 2.10 zeigt einige der bei verschiedenen Ausschnitten aus der Datensymbolfolge a(k) entstehenden Kurvenverläufe des Empfangsnutzsignals. Insbesondere ist erkennbar, dass eine Kurve, die das Augendiagramm nach innen begrenzt, entsteht, wenn ein  1 -Impuls nach einer langen Folge von  0 -Impulsen gesendet wird und sich an diesen einzelnen  1 -Impuls wieder eine lange Folge von  0 -Impulsen anschließt. Die andere innere Begrenzungslinie des Augendiagramms entsteht, wenn nach einer langen Folge von  1 -Impulsen ein einzelner  0 -Impuls gesendet wird, dem eine lange Folge von  1 -Impulsen folgt. Der Abstand der inneren Linien des Auges, die vertikale Augenöffnung, ist von besonderem Interesse für die Beurteilung der Übertragungsqualität, da hier die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung bei gestörter Übertragung am größten ist. Die inneren Linien des Augendiagramms repräsentieren damit den ungünstigsten Fall (worst case). Der optimale Abtast- bzw. Detektionszeitpunkt TA ist für eine größtmögliche Zuverlässigkeit der Erkennung so zu wählen, dass die vertikale Augenöffnung maximal wird: Zu diesen Zeitpunkten ist das Empfangssignal bevorzugt abzutasten. Dieser besonders interessierende Bereich ist in Abb. 2.10 schraffiert gekennzeichnet – und in Abb. 2.11 separat dargestellt. Abb. 2.11 zeigt eine schematische Darstellung des Augendiagramms bei zweistufiger Übertragung mit wichtigen Kenngrößen. Die Entscheidungsschwelle UE ist in der Mitte zwischen den beiden Sendeamplitudenstufen angeordnet. Der optimale Abtastzeitpunkt TA ist dort, wo die vertikale Augenöffnung am größten ist. Als Amplituden werden für die inneren Augenlinien die Werte Umax bzw. Umin im optimalen Abtastzeitpunkt erreicht: Diese Werte sind im Allgemeinen – für den Fall verbleibender Intersymbolstörungen – nicht identisch mit den Sendeamplitudenstufen. Die halbe vertikale Augenöffnung UA gibt den Wert für die maximal am Erkennungspunkt zulässige Störamplitude an, bei der es gerade noch nicht zu einer Fehlentscheidung kommt: Sie ist damit eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung der Güte bzw. der Qualität des Nutzsignals am Erkennungspunkt und damit der Signalübertragung insgesamt. Die schraffierten Bereiche sind die Regionen, wo bei

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

109

Abb. 2.10 Zur Konstruktion des Augendiagramms des Empfangsnutzsignals

Abb. 2.11 Augendiagramm (Prinzip)

unterschiedlichen Zufallssymbolfolgen Augenlinien dargestellt werden, die jedoch nicht die inneren Linien des Augendiagramms sind. Berechnung der vertikalen Augenöffnung Die halbe vertikale Augenöffnung als Gütemaß für die Übertragung des Nutzsignals bis zum Erkennungspunkt ist einer Berechnung zugänglich. Der Nutzabtastwert xe (t = TA ) des Empfangsgrundimpulses als Hauptwert wird im ungünstigsten Fall verkleinert von Abtastwerten xe (t = TA ± Ts ), xe (t = TA ± 2 Ts ), . . . des Empfangsgrundimpulses, die von Vorund Nachläufern herrühren. Die ganze vertikale Augenöffnung für den ungünstigsten Fall ist der Abstand der beiden innersten Linien des Augendiagramms im optimalen Abtrasteitpunkt [65]. Sie lässt sich berechnen, indem der Hauptwert um die im Allgemeinen durch die Vor- und Nachläufer verursachten Intersymbolstörungen vermindert wird:

110

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

UAA = xe (TA ) −

+∞ 

|xe (TA − k Ts )| .

(2.28)

k=−∞

k =0

Eine Umformung ergibt ⎡ ⎢ UAA = xe (TA ) ⎣1 −

+∞ k=−∞

k =0

|xe (TA − k Ts )| xe (TA )





⎤ ⎥ ⎦,

(2.29)



kISI

und man erhält in kompakter Form UAA = xe (TA ) · kISI .

(2.30)

Der Faktor kISI beschreibt die Intersymbolstörungen auf dem Übertragungsweg und liegt mit dem Gesamtfrequenzgang H ( f ) bzw. der Gesamtgewichtsfunktion h(t) des Übertragungssystems zwischen dem Sendefiltereingang und dem Empfangsfilterausgang fest. Intersymbolinterferenzen können im Allgemeinen – je nach Art der Komponenten, die den Gesamtfrequenzgang H ( f ) festlegen – sowohl konstruktiv als auch destruktiv auftreten. Für die Berechnung von UAA sind nur die Anteile des Empfangsgrundimpulses |xe (TA − k Ts )| mit k = 0 zu berücksichtigen, die zu einer Verringerung von xe (t = TA ) beitragen, da nur die vertikale Augenöffnung für den ungünstigsten Fall betrachtet wird. Die halbe vertikale Augenöffnung für den ungünstigsten Fall ergibt sich mit (2.28) zu ⎤ ⎡ UA =

+∞  ⎥ 1⎢ ⎢xe (TA ) − |xe (TA − k Ts )|⎥ ⎦. ⎣ 2

(2.31)

k=−∞

k =0

Abb. 2.12 illustriert die Berechnung der vertikalen Augenöffnung nach (2.28) und (2.31) für den in diesen Abschnitt betrachteten Spezialfall, bei dem auf Grund der Form des Empfangsgrundimpulses nur Impulsnachläufer und keine Impulsvorläufer auftreten. Der optimale Abtastzeitpunkt liegt bei TA = Ts und der Empfangsgrundimpuls weist lediglich nichtnegative Anteile auf: Die Anzahl der ISI-Abtastwerte hängt von der Länge des Empfangsgrundimpulses in Bezug auf die Symboldauer Ts ab – und damit sowohl von der Taktfrequenz f T der Übertragung als auch von der Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters. Im hier betrachteten Spezialfall kann die halbe vertikale Augenöffnung auch berechnet werden, indem die Differenz zwischen dem Nutzabtastwert bzw. Hauptwert xe (Ts ) und der Entscheidungsschwelle UE bestimmt wird: Auf diese Art und Weise lässt sich ein analytischer, nicht zu komplizierter Ausdruck für die halbe vertikale Augenöffnung ermitteln, der eine weitere mathematische Auswertung gestattet. Dies wird in der nachfolgenden Beispielrechnung gezeigt.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

111

Abb. 2.12 Zur Berechnung der vertikalen Augenöffnung

Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung in Abhängigkeit von der Empfangsfiltergrenzfrequenz Die innersten Begrenzungslinien des Auges am Erkennungspunkt entstehen bei der Aussendung von NRZ-Rechteckimpulsen und Empfangsfilterung durch einen RC-Tiefpass erster Ordnung, wenn entweder nach einer langen Folge von  0 -Impulsen ein einzelner  1 -Impuls und danach wieder  0 -Impulse oder umgekehrt nach einer langen Folge von  1 -Impulsen ein einzelner  0 -Impuls und danach wieder  1 -Impulse gesendet bzw. empfangen werden (Abb. 2.13). Bei anderen Sendesymbolfolgen wird die vertikale Augenöffnung durch ISIBeiträge nicht weiter verkleinert. Der optimale Abtastzeitpunkt TA ist dort, wo die vertikale Augenöffnung am größten ist. Abb. 2.6 entnimmt man, dass unter den betrachteten Voraussetzungen der optimale Abtastzeitpunkt bei TA = Ts liegt (s. auch (2.18)). Die optimale Schwelle bei einer unipolaren, binären Übertragung mit den gleichverteilten Amplitudenstufen 0 und U0 liegt bei UE = U0 /0. Unter diesen Voraussetzungen kann die halbe vertikale Augenöffnung nach

  U0 − TTgs − (2.32) UA = xe (TA ) − UE = U0 1 − e 2 berechnet werden. Es ergibt sich UA = U0 −

U0 U0 − Ts − Ts − U0 e Tg = − U0 e Tg 2 2

(2.33)

und schließlich resultiert als Ergebnis UA = U0

1 − Ts − e Tg 2

bzw. als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g :

1 −2π f g Ts . UA = U0 −e 2

(2.34)

(2.35)

112

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Für eine zuverlässige Erkennung der gesendeten Datenfolge im Empfänger muss das Auge vertikal geöffnet sein, d. h. für die halbe vertikale Augenöffnung (2.35) muss UA > 0 gelten. Nach (2.35) wird für kleine Empfangsfiltergrenzfrequenzen f g die halbe vertikale Augenöffnung negativ, wenn der Empfangsgrundimpuls zum optimalen Abtastzeitpunkt xe (TA ) kleiner als die Entscheidungsschwelle UE ist (s. Abb. 2.13): Dieser Bereich ist für eine zuverlässige Nachrichtenübertragung nicht sinnvoll nutzbar und es wird die halbe vertikale Augenöffnung UA für diese Bereiche der Empfangsfiltergrenzfrequenz Null gesetzt. Abb. 2.14 zeigt den prinzipiellen Verlauf der halben vertikalen Augenöffnung als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz: Es gibt einen Bereich bei kleinen Grenzfrequenzen f g des Empfangsfilters, bei denen das Auge geschlossen und somit keine Erkennung möglich ist; die Intersymbolstörungen sind hier zu stark ausgeprägt. Oberhalb der Grenzfrequenz f g min , bei der sich das Auge öffnet, steigt die Augenöffnung an und strebt einem Maximalwert zu, der durch die halbe Sendestufenamplitude U0 /2 gegeben ist; größer als U0 /2 kann die halbe vertikale Augenöffnung auch bei gegen unendlich laufender Empfangsfiltergrenzfrequenz nicht werden. Die Empfangsfiltergrenzfrequenz f g min lässt sich als Nullstelle von (2.35) berechnen

1 UA = U0 − e−2π fg Ts = 0 2 1 − e−2π fg Ts = 0 2 1 = e−2π fg Ts 2 1 = −2π f g Ts ln 2 − ln 2 = −2π f g Ts ln 2 fg = , 2π Ts so dass als Empfangsfiltergrenzfrequenz, bei der sich das Auge vertikal gerade öffnet f g min =

ln 2 2π Ts

resultiert. Damit kann die halbe vertikale Augenöffnung auch als   1 ln 2 U0 2 − e−2π fg Ts f¨ur f g ≥ 2π Ts UA = ln 2 0 f¨ur f g < 2π Ts

(2.36)

(2.37)

geschrieben werden, um die Bereiche, in denen das Auge vertikal geöffnet oder geschlossen ist, zu erfassen.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

113

Abb. 2.13 Zur Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung

UA U0 2

fg min

fg

0

Abb. 2.14 Halbe vertikale Augenöffnung am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

Beispiel 2.1 (Halbe vertikale Augenöffnung für die Übertragung von unipolaren NRZRechtecksignalen und Empfangsfilterung durch einen RC-Tiefpass erster Ordnung) Es soll die halbe vertikale Augenöffnung nach der allgemeinen Beziehung (2.31) berechnet und das Ergebnis mit der auf anderem Weg erzielten Beziehung (2.34) bzw. (2.35) (oder (2.37)) für diesen Fall verglichen werden. Der Empfangsgrundimpuls xe (t) nach (2.18) ist nicht-negativ und weist nur Nachläufer auf. Der optimale Abtastzeitpunkt ist TA = Ts (s. Abb. 2.6). Nach (2.31) ergibt sich ⎤ ⎡ ! +∞ ∞   ⎥ 1 1⎢ |xe (TA − k Ts )|⎥ xe (Ts + k Ts ) , (2.38) UA = ⎢ xe (TA ) − ⎦ = 2 xe (Ts ) − 2⎣ k=−∞

k =0

k=1

114

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

unter der Voraussetzung, dass der hier betrachtete Empfangsgrundimpuls und insbesondere dessen Symboltaktabtastwerte nur positive Werte annehmen und damit |xe (k Ts )| = xe (k Ts ) gilt (s. Abb. 2.12). Die ersten der Symboltaktabtastwerte lauten unter Verwendung von (2.18):

− Ts xe (Ts ) = U0 1 − e Tg 



 − 2Ts − 2Ts −Ts xe (2Ts ) = U0 1 − e Tg − 1 − e Tg   − 2Ts − 2Ts −Ts = U0 1 − e Tg − 1 + e Tg  T  − s − 2Ts = U0 e Tg − e Tg 



 s s − 3T − 3TsT−T Tg g xe (3Ts ) = U0 1 − e − 1−e   s s − 3T − 3TsT−T Tg g −1+e = U0 1 − e  2T  s − Tgs − 3T Tg = U0 e −e 



 s s − 4T − 4TsT−T Tg g xe (4Ts ) = U0 1 − e − 1−e   s s − 4T − 4TsT−T Tg g = U0 1 − e −1+e  3T  s − Tgs − 4T Tg = U0 e −e .. .. Setzt man diese Symboltaktabtastwerte in (2.38) ein, ergibt sich für die halbe vertikale Augenöffnung zunächst UA = xe (Ts ) − (xe (2Ts ) + xe (3Ts ) + xe (4Ts ) + . . .) 

" T

2T

s s U0 − TTgs − Tgs − 2T − Tgs − 3T Tg Tg 1−e − e + e + ... UA = −e −e 2 3T

# − s − 4Ts . . . + e Tg − e Tg + . . . . Es ist erkennbar, dass aufeinanderfolgende Summanden jeweils gleiche Terme enthalten, die mit unterschiedlichen Vorzeichen behaftet sind, so dass sich entsprechend

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband



115

T

2T

s s − Tgs − 2T − Tgs − 3T Tg Tg 1−e − e − e − ... −e −e 3T

 − s − 4Ts . . . − e Tg − e Tg − . . .

U0 UA = 2

und weiter U0 UA = 2

 1−e

− TTgs

− TTgs

−e

− TTgs

+e

s − 2T Tg

−e

s − 2T Tg

+e

s − 3T Tg

−e

s − 3T Tg

+e

s − 4T Tg

 − ...

(2.39) fast alle Terme gegenseitig aufheben. Für den jeweils letzten Term (hier bei Abbruch der − 4Ts

Summation nach xe (4Ts ): e Tg ) gilt bei Abbruch der Summation nach einer endlichen Anzahl von Symboltaktabtastwerten limk→∞ e−kTs /Tg = 0. Es verbleibt lediglich ⎡ ⎤ 

 s U0 U0 ⎣ − TTgs − TTgs − 4T − Ts − Ts 1−e 1 − e Tg − e Tg , −e (2.40) + e Tg⎦ = UA = 2 2 ≈0

so dass UA =

  U0 − Ts 1 − 2 e Tg 2 

bzw. UA = U0

1 − Ts − e Tg 2

(2.41)

 (2.42)

resultiert. Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem auf einem anderem Weg erzielten Resultat (2.34) bzw. (2.35) (oder (2.37)) für die halbe vertikale Augenöffnung, wird deutlich, dass beide Wege zu identischen Formulierungen führen. 

2.1.3

Weg und Bewertung der Störung

System zur Bewertung der Störung Für die Bewertung der Störung verbleibt das in Abb. 2.15 dargestellte Übertragungssystem: Das Rauschen als Störung wird auf dem Weg zum Erkennungspunkt durch das Empfangsfilter G e ( f ) bzw. G e ( p) bewertet. Die Störung ist weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der spektralen Leistungsdichte 0 . Ursachen für die Störung sind das Rauschen des Empfängereingangswiderstandes und weitere externe Störquellen, die oft näherungsweise als weißes, gaußverteiltes Rauschen modelliert werden können.

116

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Ψ1 (f) = Ψ0

Abb. 2.15 Blockschaltbild zur Bewertung der Störung

Ge (f)

Ψe (f)

Erkennungspunkt

Einschub: Signal- und systemtheoretische Beziehungen für zufällige Signale

Zur Berechnung von Kenngrößen des Rauschens sind einige signal- und systemtheoretische Beziehungen und Zusammenhänge für zufällige Signale hilfreich. Diese sollen im Folgenden kompakt zusammengefasst dargestellt werden. Rauschleistung und Rauscheffektivwert In Abb. 2.16 sind Leistungsdichtespektrum ( f ) und Autokorrelationsfunktion ψ(τ ) eines zufälligen Signals schematisch dargestellt, die durch Fourier-Transformation miteinander verbunden sind, d. h. es gilt ( f ) = F {ψ(τ )} . Die Leistung P des zufälligen Signals ist die unter dem Leistungsdichtespektrum schraffiert gekennzeichnete Fläche und lässt sich als +∞ +∞ 1 ( f ) d f = (ω) dω P= 2π −∞

(2.43)

−∞

berechnen. Über die Autokorrelationsfunktion erhält man ψ(τ ) = F −1 {( f )} =

+∞ ( f ) ej2π f τ d f

(2.44)

−∞

und an der Stelle τ = 0 ergibt sich ψ(τ = 0) =

+∞ +∞ ( f ) ej2π f ·0 d f = ( f ) d f . −∞

−∞





(2.45)



P

Die Leistung eines Zufallssignals kann über die Fläche unterhalb des Leistungsdichtespektrums ( f ) mit Hilfe einer Integration und als Funktionswert der Autokorrelationsfunktion ψ(τ ) an der Stelle τ = 0 berechnet werden: +∞ ( f ) d f = ψ(τ = 0). P= −∞

(2.46)

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

Der Effektivwert des Rauschens ergibt sich zu √ u eff = P = UR .

117

(2.47)

Weißes Rauschen Das weiße Rauschen ist ein theoretisches Modell des Breitbandrauschens. Leistungsdichtespektrum und Autokorrekationsfunktion sind in Abb. 2.17 dargestellt. Ein wichtiges Merkmal des weißen Rauschens ist es, dass es eine unendliche Leistung aufweist, da z. B. die Fläche unterhalb der Funktion des Leistungsdichtespektrums ( f ) = 0 und damit das Integral (2.43) unendlich wird. Filterung von Rauschen Wird ein Rauschsignal mit einer Leistungsdichte 1 ( f ) über ein System G( f ) übertragen (s. Abb. 2.18), entsteht am Systemausgang das Leistungsdichtespektrum 2 ( f ) = 1 ( f ) · |G( f )|2 .

(2.48)

Die Rauschleistung am Filterausgang beträgt dann +∞ +∞ P2 = 2 ( f ) d f = 1 ( f ) · |G( f )|2 d f , −∞

(2.49)

−∞

und bei geradem Leistungsdichtespektrum gilt ∞ 1 ( f ) · |G( f )|2 d f .

P2 = 2

(2.50)

0

Bei weißem Rauschen am Filtereingang, dessen Leistungsdichtespektrum 1 ( f ) = 0 bezüglich der Frequenz f konstant ist, erhält man ∞ |G( f )|2 d f .

P2 = 2 0

(2.51)

0

Berechnung der Rauschleistung Die Leistungsdichte des Rauschsignals am Erkennungspunkt (s. Abb. 2.15) ist e ( f ) = 0 |G e ( f )|2 ,

(2.52)

118

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

ψ(τ )

Ψ(f)

ψ(0)

f

0

τ

0

Abb. 2.16 Leistungsdichtespektrum und Autokorrelationsfunktion eines zufälligen Prozesses

ψ(τ )

Ψ(f) Ψ0

f

0

0

τ

Abb. 2.17 Leistungsdichtespektrum und Autokorrelationsfunktion weißen Rauschens

Ψ1 (f)

Abb. 2.18 Blockschaltbild zur Filterung von Rauschen

G(f)

Ψ2 (f)

und die Rauschleistung als geeignetes Maß für die Intensität der Störung am Erkennungspunkt erhält man über die Integration UR2

+∞ |G e ( f )|2 d f . = 0

(2.53)

−∞

Die Störleistung wird bestimmt durch die Fläche unter |G e ( f )|2 , d. h., die Form der Übertragungsfunktion G e ( f ) des Empfangsfilters – und damit dessen Grenzfrequenz – beeinflusst die am Erkennungspunkt wirksame Rauschleistung wesentlich. Mit zunehmender Grenzfrequenz des Empfangsfilters steigt die am Erkennungspunkt vorliegende Rauschleistung. Abb. 2.19 illustriert die Zusammenhänge bei der Filterung von weißem Rauschen. Die in Abb. 2.19 schraffierte Fläche unterhalb von e ( f ) repräsentiert die Rauschleistung 2 UR und sie vergrößert sich insbesondere, wenn die Grenzfrequenz f g zunimmt. Vom Standpunkt der Störung ist daher eine möglichst kleine Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters wünschenswert, da dann die Rauschleistung am Empfangsfilterausgang klein ist und damit die Störung in ihren Auswirkungen am Erkennungspunkt minimiert wird.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

119

Abb. 2.19 Zur Empfangsfilterung des Rauschens

Ψ(f) Ψ0 U2R

Ψe (f)

0

−fg

fg

f

Berechnung der Rauschleistung am Empfangsfilterausgang in Abhängigkeit von der Empfangsfiltergrenzfrequenz Für den betrachteten Fall eines RC-Tiefpasses erster Ordnung als Empfangsfilter wird nun die Rauschleistung am Erkennungspunkt berechnet. Ausgangpunkt ist die Übertragungsfunktion nach (2.9) bzw. (2.10). Der Betrag der Übertragungsfunktion lautet Ge( f ) =

1 1+j

f fg

=⇒

1  2 12 + ffg

|G e ( f )| = $

(2.54)

und das Quadrat dieses Betrages der Übertragungsfunktion ist |G e ( f )|2 =

1+

1  2 = f fg

1 1+

f2

=⇒

|G e ( f )|2 =

f g2

f g2 f g2 + f 2

.

(2.55)

Die Rauschleistung ergibt sich damit zu +∞ UR2

= 0 −∞

+∞

f g2 f g2

+

f2

df =

2 0 f g2 0

f g2

Für die Berechnung des Integrals benutzt man  1 x 1 dx = arctan + C 2 2 a +x a a aus Anhang F.2 bzw. [11, 74] und erhält

1 df. + f2

(2.56)

(2.57)

120

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

 UR2 = 2 0 f g2

1 f arctan fg fg

+∞ 0

  ∞ 0 arctan = 2 0 − arctan fg fg fg %π & π − 0 = 2 0 f g . = 2 0 f g 2 2 f g2

(2.58)

Das Ergebnis für die Rauschleistung am Erkennungspunkt lautet UR2 = 0 π f g .

(2.59)

Die Rauschleistung ist zur Empfangsfiltergrenzfrequenz f g direkt proportional und wächst daher linear mit steigender Grenzfrequenz des Empfangsfilters (Abb. 2.20).

2.1.4

Güte der Übertragung

Soll ein Übertragungssystem untersucht, dimensioniert oder optimiert werden, ist ein Kriterium für die Qualität bzw. ein Maß für die Güte der Digitalsignalübertragung – d. h. ein Qualitäts- oder Gütekriterium – zu finden und festzulegen, das einer Berechnung oder Messung zugänglich ist [1]. Üblich und zweckmäßig ist die Definition eines Signal-RauschVerhältnisses als Quotient, bei dem am Empfangsfilterausgang eine Nutzsignalleistung und eine Störleistung ins Verhältnis gesetzt werden. Je größer dieses Verhältnis ist, umso zuverlässiger ist die Übertragung. Als Maß für die Nutzsignalleistung am Erkennungspunkt wird hier das Quadrat der halben vertikalen Augenöffnung (2.31) verwendet und als Maß für die Intensität der Störung – ebenfalls am Erkennungspunkt – wird die Rauschleistung bzw. das Quadrat des Rauscheffektivwertes (2.53) herangezogen. Setzt man diese beiden Größen zueinander ins Verhältnis, resultiert das Signal-Rausch-Verhältnis

Abb. 2.20 Rauschleistung am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

U2R

0

fg

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

=

U2 (Halbe vertikale Augen¨offnung)2 = A2 . 2 (Rauscheffektivwert) UR

121

(2.60)

Das Signal-Rausch-Verhältnis nach (2.60) ist das Verhältnis der zur Entscheidung verfügbaren Signalleistung als Quadrat der halben vertikalen Augenöffnung UA für den ungünstigsten Fall und der Rauschleistung UR2 am Erkennungspunkt. Da diese Größe das Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt – oder Detektionspunkt – darstellt, wird es gelegentlich auch als Detektions-Signal-Rausch-Verhältnis oder Detektions-Signal-Störleistungsverhältnis bezeichnet, um eine Abgrenzung von anderen Definitionen des Signal-Rausch-Verhältnisses innerhalb des Übertragungssystems zu ermöglichen. Eine Diskussion einiger Signal-Rausch-Verhältnisse, die in der Übertragung digitaler Signale verwendet werden, wird in einem weiter unten in diesem Kapitel folgenden Abschnitt vorgenommen, um gegenseitige Beziehungen zu verdeutlichen. Wird das Signal-Rausch-Verhältnis in dB angegeben, gilt ∗ = 10 · lg

(in dB).

(2.61)

Das Signal-Rausch-Verhältnis in dB nach (2.61) wird oft auch als Signal-Stör-Abstand oder Störabstand bezeichnet. Sowohl Nutzsignal als auch Störung werden durch das Empfangsfilter bewertet: Damit spielt die Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters entsprechend Abb. 2.14 und 2.20 eine wichtige Rolle für die erreichbare Übertragungsqualität. Um den Einfluss der Empfangsfiltergrenzfrequenz bei der Bewertung von Nutzsignal und Störung noch einmal zusammenzufassen, sind in Abb. 2.21 die halbe vertikale Augenöffnung UA und der Rauscheffektivwert UR gemeinsam in einem Diagramm dargestellt: Unterhalb einer Grenzfrequenz f g min ist das Auge geschlossen; oberhalb von f g min steigt die halbe vertikale Augenöffnung monoton und strebt einem Maximalwert zu, der durch die halbe Sendeamplitude vorgegeben ist. Demgegenüber steigt der Rauscheffektivwert UR – und damit die Rauschleistung UR2 – ' unbeschränkt bei zunehmender Grenzfrequenz f g ; der Rauscheffektivwert UR = 0 π f g ' ' ist nach (2.59) proportional zu f g , d. h. UR ∼ f g bzw. UR2 ∼ f g . Im Ergebnis dieser Betrachtung zur Rolle der Empfangsfiltergrenzfrequenz im Hinblick auf die Übertragungsgüte entsteht das folgende Problem: • Eine große Grenzfrequenz f g (bzw. ωg ) des Empfangsfilters bewirkt eine große vertikale Augenöffnung, aber auch eine große Rauschleistung. • Eine kleine Grenzfrequenz f g (bzw. ωg ) des Empfangsfilters führt zu einer kleinen vertikalen Augenöffnung und bewirkt eine kleine Rauschleistung. Das Signal-Rausch-Verhältnis ist über die halbe vertikale Augenöffnung UA und den Rauscheffektivwert UR bzw. die Rauschleistung UR2 gegenläufig von der Grenzfrequenz f g (bzw. ωg ) des Empfangsfilters abhängig: Um eine unter den gegebenen Randbedingungen möglichst leistungsfähige und zuverlässige Übertragung zu erzielen, ist eine Optimierung

122

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

U UR U0 2

UA

0

fg min

fg

Abb. 2.21 Zur Rolle der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

der Empfangsfiltergrenzfrequenz möglich und notwendig, so dass ein maximales SignalRausch-Verhältnis erreicht wird. Für die Dimensionierung des Empfangsfilters wird die entsprechende optimale Grenzfrequenz eingestellt bzw. in einem schaltungstechnischen Aufbau wird über die geeignete Wahl der Baulementewerte R und C des RC-Tiefpasses die Zeitkonstante Tg = R C entsprechend justiert. Abb. 2.22 illustriert diese Zusammenhänge und zeigt das Signal-Rausch-Verhältnis (2.60) als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g . Es wird deutlich, dass für die Empfangsfiltergrenzfrequenz f g ein Optimum existiert, bei dem das Signal-Rausch-Verhältnis ein Maximum max aufweist: Bei sehr kleinen Empfangsfiltergrenzfrequenzen f g ist das Auge geschlossen und es ist daher keine zuverlässige Erkennung und Entscheidung über empfangene Bits möglich. Nachdem sich das Auge oberhalb von f g min vertikal geöffnet hat, nimmt bei steigender Grenzfrequenz f g das Signal-Rausch-Verhältnis zu, da sich die halbe vertikale Augenöffnung UA (s. Abb. 2.14) in diesem Bereich rasch vergrößert, das Rauschen in seiner Leistung UR2 aber noch verhältnismäßig klein bleibt (s. Abb. 2.20). Bei weiter zunehmender Empfangsfiltergrenzfrequenz f g wird ein Punkt erreicht, an dem sich die Anstiege UA2 und UR2 in Abhängigkeit von f g gerade ausgleichen: Hier erreicht das Signal-RauschVerhältnis seinen Maximalwert max , die Empfangsfiltergrenzfrequenz ist an dieser Stelle also – bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses – optimal und wird deshalb als f g opt bezeichnet. Nach diesem Maximum nimmt das Signal-Rausch-Verhältnis bei weiter steigender Empfangsfiltergrenzfrequenz wieder ab, da die halbe vertikale Augenöffnung einem Maximalwert zustrebt, der durch die halbe Sendestufenamplitude U0 /2 festgelegt ist, und das Rauschen nun überwiegt und weiter unbeschränkt steigt. Die praktische Bestimmung der optimalen Grenzfrequenz des Empfangsfilters ist im Allgemeinen nur numerisch, d. h. entweder über die numerische Auswertung von mathematischen Beziehungen, die die Übertragungsstrecke beschreiben, oder über Rechnersimulation bzw. Experiment möglich; nur in Spezialfällen gelingt eine analytische Ermittlung der optimalen Grenzfrequenz und des daraus resultierenden maximalen Signal-RauschVerhältnisses.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

Abb. 2.22 Signal-RauschVerhältnis am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

max

fg min

0 Auge geschlossen

2.1.5

123

fg opt

fg

Zusammenhang zwischen Signal-Rausch-Verhältnis und Fehlerwahrscheinlichkeit

Da bei einer digitalen Informations- bzw. Signalübertragung letztlich Bits übertragen werden und diese im Empfänger zu detektieren sind, weist ein Gütekriterium die größte Aussagekraft auf, das eine Beurteilung der Qualität dieser Entscheidung über empfangene Bits erlaubt. Damit ist die mittlere Bitfehlerwahrscheinlichkeit das prinzipiell geeignetste Gütemaß, da es eine Aussage darüber gestattet, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein gesendetes und über einen Übertragungskanal übertragenes Bit im Empfänger falsch erkannt und entschieden wird [1]. Eine in praktischen Übertragungssystemen nahezu äquivalente Größe ist die mittlere Bitfehlerrate bzw. das mittlere Bitfehlerverhältnis, d. h. die Anzahl der im Empfänger im Mittel falsch entschiedenen Bits bezogen auf die Anzahl gesendeter Bits (z. B. [24]). Deshalb wird nun für die zweistufige, unipolare Basisbandübertragung (s. Abb. 2.1) der Zusammenhang zwischen dem Signal-Rausch-Verhältnis (2.60) und der gesuchten Bitfehlerwahrscheinlichkeit ermittelt. Eine Besonderheit, die erwähnt werden soll, ist, dass die übertragenen Symbole in diesem untersuchten Übertragungssystem zweiwertig ( 0 und  1 ) sind und damit direkt Bits repräsentieren. Die im Folgenden berechnete Fehlerwahrscheinlichkeit Pf ist damit sofort die gesuchte Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb . Im Allgemeinen – insbesondere bei mehrstufiger Übertragung – ist zwischen der Symbol- und der Bitfehlerwahrscheinlichkeit zu unterscheiden (s. den Abschnitt zur mehrstufigen Übertragung im weiteren Verlauf dieses Kapitels). Es wird zunächst – noch einmal – das Rauschen betrachtet: In Bezug auf die Nachrichtenübertragung sind zwei wesentliche Charakteristika des Rauschens von Bedeutung, die zuvor teilweise schon verwendet wurden: 1. Spektrale Verteilung: Das Rauschen ist weiß, d. h. es weist eine im betrachteten Frequenzbereich konstante Leistungsdichte (bzw. quadratische Amplitudendichte) 0 (in V2 /Hz) auf.

124

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb.2.23 Wahrscheinlichkeitsdichte einer Gaußverteilung

p(u) pmax pmax ·

√1 e

σ 0

um

u

2. Amplitudenverteilung: Elektronisches Rauschen wird als regelloser Vorgang (stochastischer Prozess) mit einer Amplitudenverteilung angesetzt, die einer Gauß- oder Normalverteilung entspricht. Dieses Modell für das Rauschen ist zweckmäßig und es hat sich bei der Beschreibung und Analyse von Übertragungssystemen bewährt, obwohl es natürlich nur eine Näherung der wirklichen physikalischen Vorgänge darstellt. Die Wahrscheinlichkeitsdichte der Gauß- bzw. Normalverteilung lautet p(u) =

2 1 − (u−u m ) · e 2σ 2 , √ σ 2π

(2.62)

wobei u m der lineare Mittelwert bzw. der Erwartungswert und σ die Streuung bzw. die Standardabweichung (σ 2 : Varianz) der zufälligen Störspannung sind [25]. Der Maximalwert der Wahrscheinlichkeitsdichte p(u) liegt an der Stelle des Erwartungswerts u m und beträgt pmax = √1 . Abb. 2.23 zeigt die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion einer Gauß- bzw. σ 2π Normalverteilung mit ihren Kenngrößen. Die Parameter u m und σ können aus zeitlichen Betrachtungen bestimmt werden: u m entspricht dem Gleichanteil u(t) der Rauschspannung u(t) und σ 2 ihrer Varianz, die aus ihrem % &2 quadratischen Mittelwert u 2 (t) und dem Gleichanteil u(t) nach σ 2 = u 2 (t) − u(t) bestimmt werden kann. Voraussetzung für die Ermittlung der Parameter über zeitliche Betrachtungen ist, dass der Rauschprozess stationär 6 und ergodisch7 ist. Ist der Gauß-Prozess mittelwertfrei, so gilt u m = 0: Dann sind σ 2 = UR2 die Leistung des Rauschens und σ = UR der Rauscheffektivwert. In der Nachrichtentechnik können Störungen, z. B. durch Rauschen, sehr oft durch mittelwertfreie Gauß-Prozesse modelliert werden, die den Signalamplituden (hier: 0 und U0 ) additiv überlagert werden.

6 Ein Zufallsprozess X (t) wird als stationär bezeichnet, wenn alle Mittelwerte unabhängig von einer

Verschiebung des Beobachtungszeitpunktes um eine beliebige Zeit t0 sind. 7 Ein Zufallsprozess X (t) wird als ergodisch bezeichnet, wenn die Zeitmittelwerte für alle Musterfunktionen gleich sind, d. h. es gilt: Zeitmittel = Scharmittel. Ergodische Prozesse müssen immer stationär sein.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

125

Einschub: Überschreitenswahrscheinlichkeit

Für die Berechnung der Fehlerwahrscheinlichkeit wird die Wahrscheinlichkeit benötigt, mit der bei gegebener Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion p(u) des Rauschens eine Schwelle UE überschritten wird. Deshalb soll diese Wahrscheinlichkeit ausführlich berechnet und hergeleitet werden. Abb. 2.24 zeigt die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion p(u) mit der Schwelle UE ; die schraffierte Fläche repräsentiert die gesuchte Wahrscheinlichkeit und kann als ∞ P(u ≥ UE ) =

p(u) du

(2.63)

UE

berechnet werden. Einsetzen von (2.62) in (2.63) ergibt zunächst P(u ≥ UE ) =

1 √ σ 2π

∞

2

e

) − (u−u m 2

du.



(2.64)

UE

Wird die Kurve um den Erwartungswert u m nach links verschoben, erhält man eine modifizerte Wahrscheinlichkeitsdichte p(u + u m ) mit u m = 0: Die schraffierte Fläche ändert sich nicht (s. Abb. 2.25), die Berechnung wird jedoch vereinfacht. Daher kann weiter geschrieben werden: P(u ≥ UE ) =

=

=

1 √ σ 2π 1 √ σ 2π

∞ e UE −u m

∞ e ∞

e



du

 2 − √u 2σ

d

UE −u m √ 2σ

√ 2σ = √ σ 2π

P(u ≥ UE ) =

 2 − √u

UE −u m

1 √ σ 2π

1 =√ π

2 − u2 2σ du

∞ e

 2 − √u 2σ

d

UE −u m √ 2σ

∞ e

 2 − √u 2σ

d

UE −u m √ 2σ

2 1 ·√ 2 π

∞ e UE −u m √ 2σ

 2 − √u 2σ

u √ 2σ

u √ 2σ

u √ 2σ d

·



u √ 2σ

.

√ 2σ

126

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

p(u)

0

um

u

UE

Abb. 2.24 Zur Berechnung der Überschreitenswahrscheinlichkeit einer Schwelle

p(u + um )

p(u) Verschiebung

0

u

0

u

um

UE − um

UE

Abb.2.25 Zur Verschiebung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion bei Berechnung der Überschreitenswahrscheinlichkeit einer Schwelle

Mit der Definition der komplementären Gaußschen Fehlerfunktion (oder komplementäre Gaußsche Error-Funktion, s. Anhang E und z. B. [4, 66]) 2 erfc(x) = √ π

∞

e−y dy = 1 − erf(x) 2

(2.65)

x

und 2 erf(x) = √ π

x 0

e−y dy 2

(2.66)

√ resultiert schließlich – mit y = u/( 2σ ) – die Wahrscheinlichkeit, dass die Schwelle UE bei gegebener Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion p(u) überschritten wird:

  1 1 UE − u m UE − u m = . (2.67) 1 − erf P(u ≥ UE ) = erfc √ √ 2 2 2σ 2σ

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

p(u)

127

Wahrscheinlichkeit, dass Schwelle überschritten wird

Wahrscheinlichkeit, dass Schwelle unterschritten wird

kleine Rauschleistung

σ2

große Rauschleistung

0

UE

U0

σ2

u

Abb. 2.26 Zur Berechnung der Fehlerwahrscheinlichkeit

Im betrachteten Grundmodell der binären Basisbandübertragung werden  0 -Symbole (Bits) als Spannung 0 V gesendet und  1 -Symbole (Bits) als Spannung U0 . Setzt man zunächst voraus, dass keine Intersymbolstörungen am Erkennungspunkt wirksam sind (z. B. bei einer geeignet hohen Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters), so zeigt Abb. 2.26 die vorliegende Empfangssituation für zwei verschiedene Rauschleistungen. In Abwesenheit der additiv wirkenden Rauschstörung würden sich unter dieser Voraussetzung am Erkennungspunkt (im optimalen Abtastzeitpunkt) die Amplituden 0 oder U0 ergeben. Es gibt zwei Möglichkeiten für Fehlentscheidungen im Empfänger: • Wenn eine  0 gesendet worden ist, entscheidet der Empfänger falsch auf  1 . Dann ist die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass die empfangene Spannung u(t) im Abtastzeitpunkt größer als die Schwelle UE ist, wenn  0 gesendet worden ist. • Wenn eine  1 gesendet worden ist, entscheidet der Empfänger falsch auf  0 . Jetzt ist die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass die empfangene Spannung u(t) im Abtastzeitpunkt kleiner als die Schwelle UE ist, wenn  1 gesendet worden ist. Die Wahrscheinlichkeit insgesamt, dass ein Fehler bei der Entscheidung im Empfänger geschieht, ist die Summe beider Wahrscheinlichkeiten, jeweils gewichtet mit der Auftretenswahrscheinlichkeit für eine gesendete  0 und eine gesendete  1 (nach dem Gesetz der totalen Wahrscheinlichkeit, z. B. [76]) Pf = P(1) · P(0|1) + P(0) · P(1|0).

(2.68)

Für die weitere Berechnung wird der praktisch wichtige Sonderfall, vorausgesetzt, dass die gesendeten Symbole gleichwahrscheinlich sind, d. h. es gilt P(0) = P(1) =

1 . 2

(2.69)

Es handelt sich daher um eine symmetrische Binärquelle [42, 48]. Bei beliebiger Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters können im Allgemeinen Interymbolstörungen auftreten und das Auge ist vertikal nicht voll geöffnet. Abb. 2.27 zeigt die

128

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

U0

Umax

p(u)

UA

UA

UA

UE

UA

Umin 0 0 U0 UE Umin Umax

u

Abb. 2.27 Zur Berechnung der Fehlerwahrscheinlichkeit bei Intersymbolstörungen

Verhältnisse in diesem Fall anhand des Augendiagramms und der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen mit den Kenngrößen: Es wird deutlich, dass nun im ungünstigesten Fall (worst case) die Werte Umax und Umin – anstelle von U0 und 0 – im optimalen Abtastzeitpunkt das Auge nach innen begrenzen. Die Mittelwerte der Gauß-Prozesse verschieben sich damit von 0 nach Umin und von U0 nach Umax . Für die Berechnung der Fehlerwahrscheinlichkeit wird weiterhin vorausgesetzt, dass die Schwelle in der Mitte zwischen den beiden Sendeamplitudenstufen (0 und U0 ) und damit unter den gegebenen Voraussetzung auch in der Mitte zwischen den beiden Empfangsnutzamplitudenstufen (Umax und Umin ) liegt, d. h. : UE =

U0 2

UE =

bzw.

Umax − Umin + Umin . 2

(2.70)

Die Gesamtwahrscheinlichkeit für eine empfangsseitige Fehlentscheidung vereinfacht sich mit (2.69) zu 1 Pf = [P(0|1) + P(1|0)] . (2.71) 2 Die verbleibenden und zu berechnenden Wahrscheinlichkeiten für falsche Entscheidungen sind UE p(u − Umax ) du (2.72) P(0|1) = −∞

und

∞ P(1|0) =

p(u − Umin ) du.

(2.73)

UE

Man erhält als Fehlerwahrscheinlichkeit ⎤ ⎡ UE ∞ 1⎢ ⎥ p (u − Umax ) du + p (u − Umin ) du ⎦ . Pf = ⎣ 2 −∞

UE

(2.74)

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

129

Da die Überschreitenswahrscheinlichkeit (2.67) bereits berechnet wurde, kann man (2.74) mit der Identität UE ∞ (2.75) p (u − Umax ) du = 1 − p (u − Umax ) du −∞

UE

(unter Ausnutzung der Normierungsbedingung von Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen, z. B. [11, 76]) vorteilhaft umschreiben zu ⎤ ⎡ ∞ ∞ 1⎢ ⎥ (2.76) Pf = ⎣1 − p (u − Umax ) du + p (u − Umin ) du ⎦ . 2 UE

UE

und mit (2.67) resultiert   



 1 UE − Umax UE − Umin 1 1 Pf = 1− 1 − erf 1 − erf + . √ √ 2 2 2 2σ 2σ

(2.77)

Einschub: Herleitung der Fehlerwahrscheinlichkeit

Nach Abb. 2.27 gilt UE −Umax = −UA bzw. Umax −UE = UA und UE −Umin = UA . Setzt man diese Beziehung in (2.77) ein und berücksichtigt die Bezeichnung σ = UR für den Rauscheffektivwert, erhält man   



 1 UE − Umax UE − Umin 1 1 1− 1 − erf 1 − erf + Pf = √ √ 2 2 2 2 UR 2U



 R    1 1 1 −UA UA + . = 1− 1 − erf √ 1 − erf √ 2 2 2 2 UR 2 UR Die Funktion erf(x) ist eine ungerade Funktion, d. h., es gilt die Beziehung erf(x) = −erf(−x) (s. Anhang E). Berücksichtigt man diesen Zusammenhang ergibt sich weiter   



 1 UA UA 1 1 1− 1 + erf √ 1 − erf √ + Pf = 2 2 2 2 UR 2 UR 

 1 1 1 1 1 UA UA 1 − − erf √ + − erf √ = 2 2 2 2 2 2 UR 2 UR 

 1 1 1 UA UA 1 − erf √ − erf √ = 2 2 2 2 UR 2 UR 

 UA 1 1 − erf √ . = 2 2 UR Mit der Definition des Signal-Rausch-Verhältnisses (2.60) erhält man

130

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

=

UA2 UR2

=⇒

UA √ = UR

und die Fehlerwahrscheinlichkeit ist letztlich  $  $ 1 1 1 − erf = erfc . Pf = 2 2 2 2

(2.78)

(2.79)

Bei gaußverteiltem, mittelwertfreiem Rauschen als Störung lautet die Fehlerwahrscheinlichkeit Pf als Funktion des Signal-Rausch-Verhältnisses für Binärübertragung im Ergebnis  $  $ 1 1 1 − erf = erfc . (2.80) Pf = 2 2 2 2 Es sei noch einmal erwähnt, dass die ermittelte Fehlerwahrscheinlichkeit Pf , die die Wahrscheinlichkeit dafür darstellt, dass gesendete Symbole im Empfänger fehlerhaft interpretiert werden – und die daher oft als Symbolfehlerwahrscheinlichkeit bezeichnet wird –, im Fall der Binärübertragung unmittelbar der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb entspricht, da die zweiwertigen Symbole direkt Bits repräsentieren. Abb. 2.28 zeigt den Zusammenhang zwischen Fehlerwahrscheinlichkeit Pf und SignalRausch-Verhältnis nach (2.80) im Diagramm. Auf der horizontalen Achse kann das Signal-Rausch-Verhältnis mit logarithmischer Teilung der Achse oder das Signal-RauschVerhältnis ∗ (in dB) aufgetragen sein. Für eine Fehlerwahrscheinlichkeit von Pf = 10−10 ist beispielsweise ein Signal-Rausch-Verhältnis ≈ 40 bzw. ∗ = 10 lg 40 ≈ 16 dB notwendig. Die maximale Fehlerwahrscheinlichkeit ist Pf max = 0,5: Dann wird im Mittel jedes zweite gesendete Bit fehlerhaft im Empfänger erkannt und es liegt die maximale Unsicherheit auf der Empfangsseite darüber vor, was gesendet worden ist. Wäre Pf = 1 die maximale Fehlerwahrscheinlichkeit, d. h. alle Bits würden auf der Empfangsseite falsch erkannt, müsste man lediglich mit Pf = 1 übertragen – also maximal schlecht, d. h. mit sehr geringem Aufwand, z. B. bezüglich der Sendeleistung oder -energie –, und im Empfänger alle empfangenen Bits invertieren, um den Idealfall einer fehlerfreien Übertragung mit Pf = 0 zu erreichen. Je weiter links die in Abb. 2.28 dargestellt Kurve Pf ( ) im Diagramm liegt, desto besser oder leistungsfähiger ist das zugehörige Übertragungsverfahren: Dann wird bei gleichem Signal-Rausch-Verhältnis eine geringere Fehlerwahrscheinlichkeit Pf erzielt. Wird berücksichtigt, dass das Signal-Rausch-Verhältnis im betrachteten Übertragungssystem eine Funktion der Grenzfrequenz des Empfangsfilters f g ist, so ist auch die Fehlerwahrscheinlichkeit eine Funktion dieser Grenzfrequenz. Abb. 2.29 zeigt die Fehlerwahrscheinlichkeit Pf in Abhängigkeit von der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g bei logarithmischer Teilung der vertikalen Achse.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

Abb.2.28 Fehlerwahrscheinlichkeit Pf als Funktion des Signal-Rausch-Verhältnisses

131

Pf (in dB)

10−2 10−4

Verfahren besser

10−6 10−8 10−10 Abb.2.29 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g (logarithmische Teilung der vertikalen Achse)

Pf 0,5 Auge geschlossen

Pf min 0

fg opt

fg

Die optimale Grenzfrequenz f g opt führt zur minimalen Fehlerwahrscheinlichkeit Pf min . Auf Grund der monotonen Beziehung (2.80) zwischen Signal-Rausch-Verhältnis und Fehlerwahrscheinlichkeit sind die Optimierung der Empfangsfiltergrenzfrequenz im Hinblick auf maximales Signal-Rausch-Verhältnis und minimale Fehlerwahrscheinlichkeit gleichwertig. Oft wird deshalb auf maximales Signal-Rausch-Verhältnis optimiert, da dieses mathematisch und rechnerisch bzw. messtechnisch leichter zugänglich ist. Mit der Beziehung (2.80) wurde ein monotoner Zusammenhang zwischen SignalRausch-Verhältnis und Fehlerwahrscheinlichkeit Pf hergestellt. Das Signal-RauschVerhältnis kann daher stellvertretend für die Fehlerwahrscheinlichkeit als Gütemaß zur Untersuchung und Optimierung digitaler Übertragungssysteme genutzt werden. Bei Verwendung des Signal-Rausch-Verhältnisses für den ungünstigsten Fall (worst case) nach (2.60) erhält man dann eine obere Schranke für die Fehlerwahrscheinlichkeit [1]. Dies entspricht der bisherigen Vorgehensweise in diesem Buch. Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit wurde hier für das untersuchte – zweistufige, unipolare – Übertragungssystem als Funktion des Signals-Rausch-Verhältnisses berechnet. Sie ist im Allgemeinen bei komplexeren Übertragungsverfahren einer unmittelbaren Berechnung schwer zugänglich, da sie von vielen Eigenschaften des konkret betrachteten Übertragungs-

132

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

verfahrens und des Übertragungskanals sowie von den Randbedingungen abhängt.8 Deshalb werden zur Analyse und Optimierung von Übertragungssystemen häufig Simulationen [24, 64] eingesetzt oder stellvertretende Gütekriterien angewendet [29]. Bei der Verwendung stellvertretender Gütekriterien ist es unabdingbar, dass sie in einem eindeutigen, d. h. monotonen, Zusammenhang mit der (Bit-) Fehlerwahrscheinlichkeit als aussagekräftigstem Gütemaß für eine digitale Übertragung stehen [1, 29]. Dies wurde hier gezeigt und die für das spezielle Übertragungssystem gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse lassen sich verallgemeinern, so dass das Signal-Rausch-Verhältnis für die praktische Auslegung und Optimierung von Übertragungssystemen oft als Gütekriterium genutzt werden kann.

2.1.6

Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung über einen verzerrungsfreien Kanal mit Rauschstörung

Einleitung und Aufgabenstellung Mit Hilfe eines numerischen Beispiels wird nun die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellte Vorgehensweise bei der Beschreibung und Optimierung eines Basisbandübertragungssystems, das über einen verzerrungsfreien Kanal mit reiner Rauschstörung betrieben wird, anhand einer konkreten Aufgabenstellung illustriert. Das betrachtete Übertragungssystem ist in Abb. 2.30 dargestellt. Der Sender eines Basisbandübertragungssystems sendet eine binäre, unipolare, gleichverteilte Zufallsfolge rechteckförmiger NRZ-Impulse mit den Amplituden 0 und U0 und der Impulsbreite Ts . Die mittlere Sendeleistung Ps ist vorgegeben; daraus wird die Sendeamplitude U0 bestimmt. Die Beeinflussung durch den Kanal besteht ausschließlich aus dem additiven Hinzufügen einer Rauschstörung. Diese Störung wird als weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der spektralen Leistungsdichte 0 modelliert. Das Empfangsfilter G e ( f ) ist ein Tiefpass erster Ordnung mit einem reellen Pol bei der Grenzfrequenz f g . Dies entspricht dem Übertragungssystem, das in den vorhergehenden Abschnitten untersucht wurde. Zu berechnen ist die erzielbare Güte der Übertragung, d. h., das Signal-Rausch-Verhältnis und die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb , die bei der hier betrachteten zweistufigen Übertragung mit der Symbolfehlerwahrscheinlichkeit Pf übereinstimmt, d. h. Pb = Pf . Dazu sind die einzelnen notwendigen Größen (UA , UR2 ) zu berechnen und gegebenenfalls zu optimieren ( f g ).

Gegebene Werte Es sind die folgenden numerischen Werte gegeben:

8 Die Vielzahl der möglichen Übertragungverfahren, deren Komponenten und die daraus resultieren-

den Abhängigkeiten übersteigen Inhalt und Umfang dieses Kapitels. Der interessierte Leser sei z. B. auf [3, 23, 26, 62, 72] für weitergehendes Studium verwiesen.

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

133

Abb. 2.30 Übertragungssystem für das numerische Beispiel bei unipolarer, binärer Basisbandübertragung

• Signal: Mittlere Sendeleistung Ps = 1 V2 , Impulsdauer Ts = 1 µs, unipolare Übertragung, 2 • Störung: Spektrale Rauschleistungsdichte 0 = 2 · 10−8 V Hz . Vorgehen und Ergebnisse Aus der vorgegebenen mittleren Sendeleistung Ps ist zunächst mit Hilfe von (2.7) die Sendeamplitude über ' U2 (2.81) Ps = 0 =⇒ U0 = 2 Ps 2 √ zu berechnen. Man erhält für Ps = 1 V2 die Sendeamplitude U0 = 2 V ≈ 1,414 V. Das Empfangsfilter ist in seiner Struktur als RC-Tiefpass erster Ordnung mit einfachreellem Pol vorgegeben, jedoch ist seine Grenzfrequenz f g frei wählbar und damit optimierbar. Es werden deshalb die halbe vertikale Augenöffnung nach (2.35) und die Rauschleistung nach (2.59) als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz ermittelt. In Abb. 2.31 sind die halbe vertikale Augenöffnung und in Abb. 2.32 die Rauschleistung am Erkennungspunkt, jeweils als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g dargestellt. Es sind die typischen Verläufe erkennbar: Die halbe vertikale Augenöffnung für den ungünstigsten Fall (worst case) ist – bei geschlossenem Auge – zunächst Null und strebt bei zunehmender Empfangsfiltergrenzfrequenz einem durch die Sendeamplitude U0 vorgegebenen Maximum von √ U0 /2 = 1/ 2 V ≈ 0,707 V zu, während die Rauschleistung linear mit steigender Empfangsfiltergrenzfrequenz unbeschränkt wächst. Werden nun nach (2.60) das Signal-Rausch-Verhältnis und nach (2.80) die Bitfehlerwahrscheinlichkeit, ebenfalls als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g berechnet und in Abb. 2.33 und 2.34 dargestellt, ist es möglich, die optimale Grenzfrequenz f g opt des Empfangsfilters zu bestimmen. Man liest sie aus einem der Diagramme dort ab, wo das

134

1 0.8

UA (in V) →

Abb. 2.31 Halbe vertikale Augenöffnung UA als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

0.6 0.4 0.2 0

0.5

1

1.5

2

1.5

2

fg (in MHz) → 0.15

U2R (in V2 ) →

Abb. 2.32 Rauschleistung UR2 als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

0.1

0.05

0

0.5

1

fg (in MHz) →

Signal-Rausch-Verhältnis maximal wird – oder die Bitfehlerwahrscheinlichkeit minimal – und erhält f g opt = 394 kHz.

Abb. 2.33 Signal-RauschVerhältnis als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz fg

15



10

5

0

0.5

1

fg (in MHz) →

1.5

2

2.1

Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

Abb.2.34 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz fg

Pf →

10

135

0

10

-1

10

-2

10

-3

10

-4

10

-5

0.5

1

1.5

2

fg (in MHz) →

Numerische Ergebnisse bei optimiertem Übertragungssystem Hat man die optimale Grenzfrequenz f g opt des Empfangsfilters bestimmt, lassen sich damit alle anderen Werte für Signal und Störung am Erkennungspunkt ermitteln und die Güte der Übertragung bei optimiertem Übertragungssystem angeben. Die einzelnen Beziehungen – für die halbe vertikale Augenöffnung (2.37), die Rauschleistung (2.59), das Signal-RauschVerhältnis (2.60) und die Fehlerwahrscheinlichkeit (2.80) –, die jeweils als Funktionen der Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters bzw. seiner Zeitkonstante Tg = 1/(2π f g ) formuliert worden sind, werden jeweils an der Stelle f g = f g opt ausgewertet. Die numerischen Ergebnisse sind in Tab. 2.1 zusammengestellt. ∗ = Das maximal erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis ist max = 13,97 bzw. max 10 lg max = 11,45 dB; es führt zu einer Bitfehlerwahrscheinlichkeit von Pf min = 9,27 · 10−5 . Die optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt liegt unterhalb der halben Bitfolgefrequenz bzw. Bitrate f B = 1/Ts bei f g opt · Ts ≈ 0,4. Dadurch weist die halbe vertikale Augenöffnung UA einen Wert auf, der vergleichsweise deutlich unterhalb der maximalen halben vertikalen Augenöffnung U0 /2 liegt: Diese maximale halbe vertikale Augenöffnung (U0 /2) würde bei (sehr) großer Empfangsfiltergrenzfrequenz f g erreicht werden (s. z. B. Abb. 2.31). Dies würde wiederum eine gegenüber f g opt (starke) Vergrößerung der Rauschleistung bewirken (s. Abb. 2.32). Alle diese Faktoren gemeinsam führen auf die optimale Grenzfrequenz in der Größe, die ihre Optimierung bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses bzw. bezüglich einer minimalen Bitfehlerwahrscheinlichkeit ergibt. Einige Diagramme bei optimiertem Übertragungssystem In diesem Abschnitt sollen grafische Darstellungen illustrieren, wie einige der Zeit- und Spektralfunktionen bei optimiertem Übertragungssystem aussehen.

136

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Tab.2.1 Vorgabewerte und numerische Ergebnisse bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt des Tiefpassfilters erster Ordnung Größe

Numerischer Wert

Mittlere Sendeleistung Sendeamplitude Rauschleistungsdichte Impulsdauer (Bit- bzw. Symboldauer)

Ps = 1 V2 U0 = 1,414 V 0 = 2 · 10−8 V2 /Hz Ts = 1 µs

Optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz

f g opt = 394 kHz

Halbe vertikale Augenöffnung Rauschleistung Signal-Rausch-Verhältnis Bitfehlerwahrscheinlichkeit

UA = 0,588 V UR2 = 0,025 V2 max = 13,97 Pf min = 9,27 · 10−5

Abb. 2.35 zeigt den Amplitudenfrequenzgang des Empfangsfilters G e ( f ) im BodeDiagramm und Abb. 2.36 das Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt – jeweils für den Fall der optimierten Grenzfrequenz des Empfangstiefpasses ( f g opt = 394 kHz). Es ist erkennbar, dass das Auge vertikal nicht vollständig geöffnet ist, da die Bandbegrenzung des Empfangsfilters relativ früh einsetzt und so im optimierten Übertragungssystem zwar das Nutzsignal verformt wird, aber vor allem das Rauschen in seiner Leistung empfangsseitig verhältnismäßig gut begrenzt werden kann.

2.1.7

Erkenntnisse zur Nachrichtenübertragung

Wichtige Erkenntnisse, die in diesem Abschnitt anhand des Grundmodells der Basisbandübertragung erarbeitet wurden, sind:

Abb. 2.35 Amplitudengang des Empfangsfilters (Bode-Diagramm) bei optimaler Grenzfrequenz f g opt

20 lg|Ge(f)| (in dB) →

• Störungen sind bei der Nachrichtenübertragung unvermeidlich: Jede Signalübertragung ist prinzipbedingt gestört.

0

-10

-20

-30 0 1 2 3 10 10 10 10

10

4

10

f (in Hz) →

5

10

6

10

7

2.1 Grundmodell der binären Nachrichtenübertragung im Basisband

1,414

u(t) (in V) →

Abb. 2.36 Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt

137

0 0

t/Ts →

2

• Ein Empfangsfilter ist deshalb prinzipiell immer notwendig, die praktische Realisierung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. • Durch Störungen entstehen Fehler bei der Schwellwertentscheidung: Die empfangene Bitfolge enthält im Allgemeinen Fehler. Ein Maß für die Güte der Übertragung ist die Bitfehlerwahrscheinlichkeit, die eine Aussage darüber liefert, mit welcher Wahrscheinlichkeit gesendete und über einen Übertragungskanal übertragene Bits unter gegebenen Randbedingungen fehlerhaft im Empfänger entschieden werden. • Auf Grund monotoner Funktionalzusammenhänge zwischen Bitfehlerwahrscheinlichkeit und Signal-Rausch-Verhältnis kann das praktisch wesentlich einfacher handhabbare Signal-Rausch-Verhältnis als Gütekriterium bzw. Qualitätsmaß zur Beurteilung der Zuverlässigkeit einer digitalen Signalübertragung verwendet werden. • Das Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt wurde als Verhältnis des Quadrats der halben vertikalen Augenöffnung und der Rauschleistung, jeweils am Empfangsfilterausgang, definiert, die ihrerseits beide von der Art und Grenzfrequenz der Empfangsfilterung abhängen. Eine wichtige Aufgabe der Nachrichtenübertragungstechnik ist es, die Bitfehlerwahrscheinlichkeit unter gegebenen Übertragungsbedingungen zu minimieren: Dazu werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels einige Methoden und Verfahren vorgestellt, die Grundzusammenhänge verdeutlichen und eine optimale Auslegung von Basisband-Übertragungsstrecken unter gegebenen Randbedingungen ermöglichen.

2.2

Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

2.2.1

Einleitung und Motivation

Es existiert eine Reihe von Möglichkeiten, die Übertragung gegenüber dem bisher behandelten Grundmodell der Basisbandübertragung in ihrer Leistungsfähigkeit und Qualität zu

138

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

verbessern. Einige wichtige sollen in diesem Abschnitt eingeführt und behandelt werden. Zunächst können andere als die bisher verwendeten Filter zur Sendeimpulsformung und zur Empfangsfilterung verwendet werden, um die Eigenschaften des Sendesignals und die insgesamt erzielbare Übertragungsgüte am Erkennungspunkt zu verbessern. Dabei werden allgemeine Kriterien abgeleitet, die Hinweise für die Gestaltung von Sende- und Empfangsfiltern geben und es können bezüglich des Signal-Rausch-Verhältnisses bzw. der Fehlerwahrscheinlichkeit optimale Funktionen für das Empfangsfilter angegeben werden. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob der in den vorhergehenden Abschnitten zur Empfangsfilterung verwendete RC-Tiefpass erster Ordnung bereits auf das maximal erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis führt: Diese Fragestellung wird in einem der folgenden Abschnitte untersucht. Eine weitere Möglichkeit, um die Übertragung insbesondere bei begrenzter vorgegebener Bandbreite leistungsfähiger zu gestalten, ist die mehrstufige Übertragung, die ebenfalls in diesem Abschnitt eingeführt und in Kombination mit den verbesserten Filterfunktionen untersucht wird.

2.2.2

Alternative Sende- und Empfangsfiltercharakteristiken

Bisher wurde ausführlich die Übertragung mit einem NRZ-Rechteckimpuls (s. Abb. 2.3) als Sendegrundimpuls betrachtet. Vorteile sind: • Die maximale Signaleenergie (U02 Ts ) liegt im Zeitintervall Ts . Dies kann bei Anwendungen, für die nur eine begrenzte Sendezeit zur Verfügung steht, vorteilhaft sein (z. B. Ortungsanwendungen, Synchronisation). • Derartige Impulse sind durch das Schalten von Spannungen (Flip-Flops) praktisch leicht zu erzeugen. Nachteile sind: • Der Sendegrundimpuls hat ein vergleichsweise breites Spektrum, es klingt mit 1/ω bzw. 1/ f mit der Frequenz ab. • Bei einer Bandbegrenzung (z. B. durch den Übertragungskanal oder durch das Empfangsfilter) verbleiben Impulsverzerrungen und es resultieren Intersymbolstörungen (z. B. durch den RC-Tiefpass). Im Folgenden werden zwei alternative Impulsformen bzw. Filterfunktionen betrachtet, die in der Übertragung digitaler Signale Bedeutung erlangt haben, da sie Verbesserungen bei der Güte der Übertragung gestatten: Zunächst wird der Gauß-Impuls bzw. -Tiefpass diskutiert und anschließend der Wurzel-Kosinus-Roll-Off -Impuls bzw. -Tiefpass.

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

139

x(t)

X(ω)

U0

U0 τ

π ln 2 U0 2

U0 2

−τ 0

−ωG

t

τ

ωG

0

π ln 2

τ

ω

Abb. 2.37 Gauß-Impuls im Zeit- und Frequenzbereich

Gauß-Impuls und Gauß-Filter Beschreibung im Zeit- und Frequenzbereich Ein Gauß-Impuls weist im Zeit- und Frequenzbereich die Verläufe √  2 2 2 π ln 2 −(ln2)· ωω −(ln2)·( τt ) G ◦−• X (ω) = U0 e . (2.82) x(t) = U0 e ωG auf (Abb. 2.37). Kenngrößen sind die Halbwertszeitkonstante τ und die Grenzfrequenz ωG bzw. f G , die über 2 ln2 ln2 τ= = (2.83) ωG π fG zusammenhängen. Das Spektrum des Sendegrundimpulses kann auch als Funktion der Frequenzvariablen f = ω/(2π ) geschrieben werden: √  2 ln 2 −(ln2)· ff G e . (2.84) X ( f ) = U0 √ π fG Die Grenzfrequenz f G (bzw. ωG ) ist bei dieser Definition eine 6-dB-Grenzfrequenz, d. h., bei der Frequenz f = f G ist der Betrag des Spektrums von (2.84) auf die Hälfte bzw. um −20 lg(1/2) = 6 dB gegenüber dem Wert bei der Frequenz f = 0 (bzw. ω = 0) abgefallen. Die praktische Realisierung eines Gauß-Sendeimpulses kann näherungsweise über die Stoßantwort eines Gauß-Tiefpassfilters mit der Übertragungsfunktion G( f ) = e

−ln(2)·



 f 2 fG

  g(t) =

geschehen [29]. Merkmale des Gauß-Tiefpassfilters sind:

$

π − fG · e ln 2



√π ln 2

2

·t 2 f G2

(2.85)

140

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

• ein gleicher prinzipieller funktionaler Verlauf im Zeit- und Frequenzbereich mit τ ∼ 1/ωG ; dieses Verhalten wird als selbstreziprok bezeichnet9 : In beiden Bereichen klingt 2 die Funktion jeweils mit e−x ab; • ein Kompromiss zwischen zeitlicher Impulsbreite und Bandbreite: Maximal steiler Verlauf im Frequenzbereich ohne Überschwingen im Zeitbereich. Kettenschaltung von Sende- und Empfangsfilter Für die Nutzung in Übertragungssystemen haben sich zwei Kombinationen als praktisch bedeutsam erwiesen: a) Gauß-Sendegrundimpuls und Gauß-Tiefpass als Empfangsfilter, b) NRZ-Rechteck-Sendegrundimpuls und Gauß-Tiefpass als Empfangsfilter. Beide Varianten werden kurz mit Bezug zu Abb. 2.8 diskutiert. zu a) Gauß-Sendegrundimpuls und Gauß-Tiefpass als Empfangsfilter Betrachtet man die Kettenschaltung zweier Gauß-Tiefpassfilter G s ( f ) und G e ( f ), so erhält man für die Gesamt-Übertragungsfunktion der Kaskade von Sende- und Empfangsfilter G ges ( f ) = G s ( f ) · G e ( f ) = e =e

−(ln2)



f fG s

2  +

−(ln2)·

f fG e



2 f fG s

2 

=e

·e

−(ln2)·

−(ln2)· f 2





1 fG s

2 f fG e

2  +

1 fG e

2 

.

An der Form der Übertragungsfunktion ist erkennbar, dass diese wieder einem GaußTiefpass

G ges ( f ) = e

−(ln2)·

f f G ges

2

(2.86)

entspricht. Die Grenzfrequenz f G ges dieser Gesamtübertragungsfunktion G ges ( f ) erhält man über

2

1 1 2 1 2 = + f G ges fG s fG e (

2

1 1 1 2 = + . f G ges fG s fG e schließlich zu f G ges = $

1 fG s

2

1 +



1

2 .

(2.87)

fG e

9 Weitere selbstreziproke Signale sind, z. B., der hyperbolische Kosinusimpuls und die Diracstoß-

folge, die jeweils im Zeit- und Frequenzbereich gleiche prinzipielle funktionale Abhängigkeiten von der Zeit t und der Frequenz f (bzw. ω) zeigen [30].

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

141

Diese Beziehung (2.87) lässt sich weiter über f G2 ges =

1 1 f G2 s

f G2 ges =

+

1 f G2 e

=

1 f G2 e + f G2 s f G2 s · f G2 e

f G2 s · f G2 s f G2 s + f G2 e

zu f G ges = )

fG s fG e

(2.88)

f G2 s + f G2 e

umformen. Die Kettenschaltung von zwei Gauß-Tiefpassfiltern ist wieder ein Gauß-Tiefpassfilter mit veränderter Grenzfrequenz f G ges ; die Grenzfrequenz f G ges ist kleiner als f G s und f G e . Dies bedeutet, dass der am Ausgang des Empfangsfilters vorliegende Empfangsgrundimpuls ebenfalls ein Gauß-Impuls (2.82) ist, jedoch mit der – kleineren – Grenzfrequenz f G ges : Der Empfangsgrundimpuls hat deshalb eine größere Halbwertszeitkonstante τ als der Sendegrundimpuls und besitzt daher eine größere zeitliche Ausdehnung als der Sendegrundimpuls. Diese Betrachtung lässt sich auf die Kettenschaltung einer größeren Anzahl von Gauß-Tiefpassfiltern erweitern. zu b) NRZ-Rechteck-Sendegrundimpuls und Gauß-Tiefpass als Empfangsfilter Wird ein NRZ-Rechteckimpuls (2.4) durch einen Gauß-Empfangstiefpass mit der Grenzfrequenz f G gefiltert, erhält man als Empfangsgrundimpuls am Erkennungspunkt 



 π fG π fG U0 Ts Ts erf √ − erf √ . (2.89) t+ t− xe (t) = 2 2 2 ln(2) ln(2) Abb. 2.38 zeigt beispielhaft die Rechteckantwort xe (t) eines Gauß-Tiefpassfilters bei zwei beispielhaften Filtergrenzfrequenzen.

Abb. 2.38 Rechteckantwort eines Gauß-Tiefpassfilters bei großer ( f G = 1/Ts ) und kleiner ( f G = 0,2/Ts ) Grenzfrequenz

142

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Einschub: Herleitung der Rechteckantwort eines Gauß-Tiefpasses

Es soll die Antwort eines Gauß-Tiefpasses auf einen zum Zeitpunkt t = 0 symmetrisch liegenden NRZ-Rechteckimpuls der Amplitude U0 und der Impulsbreite Ts hergeleitet werden. Dazu wird zunächst die Antwort des Gauß-Tiefpasses mit der Gewichtsfunktion $ t 2 π g(t) = (2.90) f G · e−(ln 2)( τ ) ln 2 und der Beziehung ln 2 π fG

τ=

(2.91)

zwischen Grenzfrequenz f G und Halbwertszeitkonstante τ auf einen Einheitssprung berechnet: t +∞ g(θ ) dθ = 1 − g(θ ) dθ. (2.92) s (t) = −∞

t

Man erhält $ s (t) = 1 − $ =1 − $ =1 −

π fG ln 2

∞ e



2 √ ln 2 τθ



√

2

t

π fG ln 2

∞ e



ln 2

θ τ

√ 2 t· ln τ

∞

π τ fG · √ ln 2 ln 2

e



+ * √ τ ln 2 ·√ d θ τ ln 2

√

ln 2

θ τ

2

√ 2 t· ln τ

* √ + ln 2 d θ τ

und mit (2.91) entsteht $ s = 1 −

∞

π ln 2 fG · √ ln 2 π f G ln 2

e

∞ e



√

ln 2

θ τ

√

ln 2





1 =1 − √ π



π f G ln 2 ln 2

* √

2

d θ

π fG ln 2

ln 2 τ

+

t· √

1 2 =1 − √ 2 π

∞ e t π fG √ ln 2



2 √ ln 2 τθ

d

√ θ ln 2 τ

.

θ τ

2

* √ + ln 2 d θ τ

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

143

Mit der Definition der komplementären Gaußschen Fehler-Funktion (s. Anhang E) 2 erfc(x) = √ π resultiert

∞

e−y dy = 1 − erf(x) 2

(2.93)

x

1 t π fG s = 1 − erfc √ 2 ln 2 

 π fG t 1 1 − erf √ =1 − 2 ln 2

1 1 π fG t = 1 − + erf √ 2 2 ln 2

1 1 π fG t . = + erf √ 2 2 ln 2

Man erhält als Antwort des Gauß-Tiefpasses auf einen Einheitssprung 

 π fG t 1 erf √ s = +1 . 2 ln(2)

(2.94)

Die Antwort eines Gauß-Tiefpasses mit der Grenzfrequenz f G auf einen zum Zeitpunkt t = 0 symmetrisch liegenden NRZ-Rechteckimpuls der Amplitude U0 und der Impulsbreite Ts ergibt sich über

  Ts Ts − s t − (2.95) xe (t) = U0 s t + 2 2 damit zu xe (t) =





 π fG π fG U0 Ts Ts erf √ − erf √ . t+ t− 2 2 2 ln(2) ln(2)

(2.96)

Filterung von weißem Rauschen mit Gauß-Empfangstiefpass Für die Rauschleistung am Erkennungspunkt erhält man nach (2.53) mit (2.85) als Empfangsfilterübertragungsfunktion G e ( f ) zunächst UR2

 2 ,,2  2 +∞,, +∞ −2(ln2)· f f , −(ln2)· fGf , G = 2 0 e df. ,e , d f = 2 0 , , 0

0

Mit der Beziehung (s. Anhang F.2 oder z. B. [11, 74])

(2.97)

144

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

∞

e−a

2x2

dx =

√ π 2a

f¨ur

a>0

(2.98)

0

√ 2 ln 2 a= fG

und

resultiert UR2

(2.99)

√ √ π π fG fG = 2 0 = 0 √ √ 2 2 ln 2 2 ln 2

(2.100)

√ π fG . UR2 = 0 √ 2 ln 2

und schließlich

(2.101)

Dies bedeutet, dass auch beim Gauß-Tiefpass als Empfangsfilter gilt UR2 ∼ f G , gegenüber dem RC-Tiefpass erster Ordnung ist die Rauschleistung – bei gleicher Grenzfrequenz – √ jedoch um einen konstanten Faktor ( π/(2 ln 2))/π ≈ 0,48 geringer. Dies resultiert aus der stärkeren Bandbegrenzung des Gauß-Tiefpasses (stärkerer Abfall der Übertragungsfunktion gegenüber der des RC-Tiefpasses erster Ordnung bei zunehmender Frequenz). Approximation eines Gauß-Tiefpasses durch eine rationale Übertragungsfunktion Ein Gauß-Tiefpass kann durch eine rationale10 Übertragungsfunktion G e ( p) =  mit

1 1 + pTg



n

t

Tg 1 · t n−1   ge (t) = e . mit Tg = n Tg (n − 1)! 2π f g

) 2 fG = fg · 2 n − 1

bzw.

1 ωG = · Tg

)

2

2n − 1

(2.102)

(2.103)

approximiert werden. Für n → ∞ kann damit ein Gauß-Tiefpass durch die Übertragungsfunktion eines RC-Tiefpasses n-ter Ordnung (2.102) angenähert werden. Schon für n ≈ 10 erhält man brauchbare rationale Näherungen für Gauß-Tiefpässe, die praktisch schaltungstechnisch realisierbar sind. Kosinus-Roll-Off- und Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filter Beschreibung im Zeit- und Frequenzbereich Damit am Erkennungspunkt zu den Symboltakt-Abtastzeitpunkten keine Intersymbolstörungen auftreten, sind geeignete Filterfunktionen bzw. Impulsformen zu wählen. Häufig wird dazu in Nachrichtensystemen für die Kaskade G s ( f ) · G e ( f ) von Sende- und Empfangsfilter eine Kosinus-Roll-Off 10 Eine ganze rationale Funktion n-ten Grades ist eine Funktion der Form y(x) = a x n + n an−1 x n−1 +. . .+a1 x +a0 mit n = 0, 1, 2, . . . und den reellen Koeffizienten ak sowie an = 0. Funk-

tionen, die Quotientenform aufweisen und bei denen in Zähler und Nenner jeweils ganze rationale Funktionen stehen, werden als allgemeine rationale Funktionen bezeichnet [74].

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

145

Übertragungsfunktion mit dem Roll-Off-Faktor r nach

GN( f ) =

⎧ ⎪ ⎨1 % 1

2 ⎪ ⎩ 0

1 + sin



π (1−2 f Ts ) 2r

&

f¨ur f ≤ f¨ur

1−r 2 Ts

f¨ur f >

mit der Gewichtsfunktion gN (t) =

1−r 2 Ts

≤ f ≤

1+r 2 Ts

(2.104)

1+r 2 Ts

cos (r π t/Ts ) 1 t si π Ts Ts 1 − 4 (r t/Ts )2

(2.105)

genutzt. Ein solches Filter wird auch als Nyquist-Filter oder Raised-Cosine-Filter bezeichnet. Es lässt sich mathematisch gut beschreiben und handhaben und praktisch näherungsweise realisieren. Abb. 2.39 zeigt Gewichtsfunktion und Übertragungsfunktion eines KosinusRoll-Off- bzw. Nyquist-Filters für beispielhafte Roll-Off-Faktoren r . Mit zunehmendem Roll-Off-Faktor r wird die belegte Bandbreite größer und das Überschwingen im Zeitbereich kleiner. Die Bandbreite beträgt B = f T · (1 + r ) =

1 · (1 + r ). Ts

(2.106)

Für r = 0 erhält man ein Rechteckspektrum der Breite f T = 1/Ts .

Kettenschaltung von Sende- und Empfangsfilter Zweckmäßigerweise wird der NyquistFrequenzgang nach (2.104) gleichmäßig auf Sende- und Empfangsfilter aufgeteilt, so dass ' (2.107) Gs( f ) = Ge( f ) = GN( f )

g(t)

G(f)

1 Ts

r = 0,5

r=1

−4Ts

−2Ts

1

0

r=0 r = 0,5 r=1

r=0 t

2Ts

4Ts

−fT − f2T 0

Abb. 2.39 Kosinus-Roll-Off- bzw. Nyquist-Filter im Zeit- und Frequenzbereich

fT 2

fT

f

146

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

gilt. Ein derartiges Filter wird auch als Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filter oder Wurzel-NyquistFilter bezeichnet. Das Sendefilter – wie auch das Empfangsfilter – besitzt dann jeweils die Gewichtsfunktion [3] ⎧ Ts 1 (4r t/Ts ) cos(π(1+r ) t/Ts )+sin(π(1−r ) t/Ts ) ⎪ f¨ur t = 0, t = ± 4r ⎪ 2 ⎪ (π t/T ⎨ Ts   s )(1−(4r t/Ts ) ) f¨ur t = 0 gs (t) = T1s 1 − r + 4r . π ⎪ %  ⎪ π    π & ⎪ √r Ts 2 2 ⎩ 1 + π sin 4r + 1 − π cos 4r f¨ur t = ± 4r 2Ts

(2.108)

Wird ein Dirac-Stoß Us Ts δ(t) durch das Sendefilter gs (t) nach (2.108) bewertet, ergibt sich als Sendegrundimpuls xs (t) = Us Ts gs (t) und nach Empfangsfilterung mit G e ( f ) der im Symbolabstand Ts Nullstellen aufweisende Empfangsgrundimpuls xe (t) = Us Ts gN (t). Daher treten in einem solchen Übertragungssystem keine Intersymbolstörungen auf. Abb. 2.40 zeigt Gewichtsfunktion und Übertragungsfunktion eines Wurzel-Kosinus-RollOff- bzw. Wurzel-Nyquist-Filters. Es ist erkennbar, dass die Gewichtsfunktion gs (t) bzw. der Sendegrundimpuls xs (t) im Allgemeinen im Abstand Ts keine Nullstellen aufweist. Dies ist für die Übertragung akzeptabel, da am Sendefilterausgang keine Intersymbolstörungsfreiheit gefordert wird – sondern erst am Ausgang des Empfangsfilters. Filterung von weißem Rauschen mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Empfangstiefpass Die Berechnung der Rauschleistung am Ausgang eines Wurzel-Kosinus-Roll-OffEmpfangsfilter kann rechnerisch vorteilhaft für die Roll-Off-Faktoren r = 0 oder r = 1 erfolgen. Die Übertragungsfunktion G N ( f ) ist punktsymmetrisch bezüglich der Punkte (− f T /2; 1/2) und ( f T /2; 1/2) [52]: Dies bedeutet, dass der Frequenzgang G N ( f ) (s. Abb. 2.39) an der Stelle f = f T /2 bzw. f = − f T /2 für alle Roll-Off-Faktoren r die Amplitude G N ( f T /2) = G N (− f T /2) = 1/2 aufweist. Bei einer Änderung des Roll-OffFaktors r ändert sich deshalb die Fläche unter |G e ( f )|2 = G N ( f ) nicht.

g(t) r=1

G(f)

1 Ts

1

r = 0,5

−4Ts

−2Ts

0

r=0 r = 0,5 r=1

r=0 t

2Ts

4Ts

−fT − f2T 0

fT 2

fT

f

Abb. 2.40 Wurzel-Kosinus-Roll-Off- bzw. Wurzel-Nyquist-Filter im Zeit- und Frequenzbereich

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

147

Die Rauschleistung am Erkennungspunkt ist bei Wurzel-Kosinus-Roll-Off-TiefpassEmpfangsfilter (Rechnung für r = 0): UR2

+∞ ∞ 2 |G e ( f )| d f = 2 0 |G N ( f )| d f = 0 −∞

0

  fT /2   fT fT 12 d f = 2  0 f = 2 0 − 0 = 2 0 2 2 0

fT /2 = 2 0 0

und man erhält als Ergebnis UR2 = 0 f T =

0 . Ts

(2.109)

Die Rauschleistung am Ausgang eines Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Tiefpass-Empfangsfilters bei Erregung durch weißes Rauschen der Leistungsdichte 0 hängt nur noch von der Taktfrequenz f T bzw. der Symboldauer Ts ab, jedoch nicht vom Filterparameter Roll-Off-Faktor r . Da für die Berechnung der Rauschleistung das Betragsquadrat der Empfangsfilterübermit der reellen tragungsfunktion |G e ( f )|2 relevant ist und bei Wurzel-Kosinus-Roll-Filter ,√ ,2 √ 2 √ |G N ( f )| = Übertragungsfunktion G N ( f ) die Identität |G e ( f )|2 = , G N ( f ), = |G N ( f )| = G N ( f ) mit der bereits erklärten Punktsymmetrie der Filterflanken gilt, ist die Rauschleistung nach (2.109) unabhängig von r . Der Phasengang des Empfangsfilters G e ( f ) spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle.

2.2.3

Nyquist-Kriterien

In den vorhergehenden Abschnitten wurde deutlich, dass im Allgemeinen Intersymbolstörungen am Erkennungspunkt auftreten, die die Zuverlässigkeit und Güte der Übertragung beeinträchtigen. Der Einfluss der Intersymbolstörungen kann im Augendiagramm mit Hilfe der (halben) vertikalen Augenöffnung erfasst werden. Es wurde mit dem Kosinus-RollOff-Impuls auch gezeigt, dass bei dem bisher ausschließlich untersuchten Rauscheinfluss als Störung auf dem Übertragungskanal spezielle Empfangsimpulsformen bei geeigneter Sende- und Empfangsfilterung existieren, die eine Intersymbolstörungsfreiheit am Erkennungspunkt garantieren: Dann ist das Auge vertikal voll geöffnet und die halbe vertikale Augenöffnung maximal. Dazu ist es erforderlich, exakt im optimalen Abtastzeitpunkt abzutasten. Wird der optimale Abtastzeitpunkt nicht getroffen, weil die Information über den Symboltakt nicht exakt vorliegt, so kann dies – je nach zeitlicher Dauer der Augenöffnung zu einer mehr oder weniger starken Verringerung der vertikalen Augenöffnung und damit des Signal-Rausch-Verhältnisses führen. Ein Maß für die Empfindlichkeit der Signalqualität bezüglich der Genauigkeit des Abtastzeitpunktes am Erkennungspunkt ist die horizontale Augenöffnung: Ist die Augenöffnung zeitlich (horizontal) groß, so ist die Toleranz gegenüber

148

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

einer Abweichung vom optimalen Abtastzeitpunkt größer als bei sehr schmaler Augenöffnung. In den folgenden Abschnitten sollen die noch offenen Fragen in diesem Zusammenhang untersucht werden: • Wie muss die optimale Empfangsimpulsform aussehen, wenn das Empfangssignal am Erkennungspunkt frei von Intersymbolstörungen sein soll? • Wie muss die optimale Empfangsimpulsform gestaltet sein, wenn das Empfangssignal am Erkennungspunkt die größtmögliche Toleranz gegenüber Abweichungen vom optimalen Abtastzeitpunkt aufweisen soll? Die Beantwortung dieser beiden Fragen führt auf die sogenannten Nyquist-Kriterien, die nachfolgend eingeführt werden sollen. Für die Betrachtungen zu den Nyquist-Kriterien wird entsprechend der beiden aufgeworfenen Fragen der am Erkennungspunkt vorliegende Empfangsgrundimpuls betrachtet und es werden Eigenschaften formuliert, die dieser Empfangsgrundimpuls bzw. sein Amplitudendichtespektrum aufweisen müssen, damit keine Intersymbolstörungen auftreten. Auswirkungen auf diesen Empfangsgrundimpuls haben das Sendefilter G s ( f ) und das Empfangsfilter G e ( f ), s. Abb. 2.41. Dabei bezeichnet xq (t) = U0 Ts δ(t) einen einzelnen gewichteten Dirac-Stoß, der nach Bewertung durch das Sendefilter auf den Sendegrundimpuls xs (t) und nach darauf folgender Empfangsfilterung auf den Empfangsgrundimpuls xe (t) führt. Das Rauschen als Störung spielt dabei keine Rolle, da ausschließlich der Nutzsignalweg analysiert wird. Erstes Nyquist-Kriterium Eine zum optimalen Abtastzeitpunkt am Erkennungspunkt von Intersymbolstörungen freie Übertragung kann erreicht werden, wenn der Empfangsgrundimpuls auf die Dauer 2 Ts begrenzt ist oder wenn zeitlich weiter ausgedehnte Empfangsgrundimpulse zu den Abtastzeitpunkten mit der Ausnahme von t = 0 (nichtkausale Darstellung) im Symboltakt jeweils Nullstellen aufweisen. Gesucht ist eine allgemeine Regel für eine intersymbolstörungsfreie Impulsform xe (t) am Erkennungspunkt. Es kann die Forderung

Abb. 2.41 Zu den Nyquist-Kriterien: Blockschaltbild zur Bewertung des Nutzsignals

Empfangsgrundimpuls

xq(t)

Gs (f)

xs(t)

H(f)

Ge (f)

xe (t)

Erkennungspunkt

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

 xe (t) =

149

f¨ur t = ν Ts

0

(2.110)

xe (0) f¨ur t = 0

für den Empfangsgrundimpuls xe (t) formuliert werden: Sie besagt, dass bei Abtastung im Symboltakt Ts = 1/ f T nur der Wert xe (0) von Null verschieden ist. Die Abtastung im Symboltakt entspricht der Multiplikation mit einer mit Ts periodischen Diracstoßfolge im Zeitbereich und damit kann die Forderung (2.110) auch als xe (t) · C

+∞ 

δ(t − ν Ts ) = C

ν=−∞

+∞ 

xe (ν Ts ) · δ(t − ν Ts ) = C · xe (0) · δ(t)

(2.111)

ν=−∞

formuliert werden: Dies bedeutet, dass nach Abtastung im Symboltakt nur der Wert des Empfangsgrundimpulses xe (t = 0) bei t = 0 von Null verschieden ist und alle anderen Symboltaktabtastwerte des Empfangsgrundimpulses verschwinden. Eine Transformation dieser Forderung (2.111) in den Frequenzbereich bei Nutzung der Korrespondenz11 C

+∞ 

δ(t − ν Ts )   C · f T

ν=−∞

+∞ 

δ( f − μ f T ) mit f T =

μ=−∞

1 Ts

(2.112)

liefert mit U ( f ) ∗ δ( f − f 0 ) = U ( f − f 0 ) (Verschiebung durch Faltung mit Stoß), s. z. B. Anhang A, die entsprechende Formulierung im Frequenzbereich X e ( f ) ∗ C · fT

+∞ 

δ( f − μ f T ) = C · f T

μ=−∞

+∞ 

X e ( f − μ f T ).

(2.113)

μ=−∞

Ein Dirac-Stoß im Zeitbereich korrespondiert mit einer Konstanten im Frequenzbereich und so resultiert mit (2.111) und (2.113) die Bedingung für Intersymbolstörungsfreiheit am Erkennungspunkt: +∞  X e ( f − μ f T ) = const.. (2.114) μ=−∞

Die beiden multiplikativen Größen C und Ts (bzw. f T ) spielen dabei keine Rolle; sie sind in der Konstanten mit enthalten. Erstes Nyquist-Kriterium Eine von Intersymbolstörungen freie Signalübertragung wird erreicht, wenn das Amplitudendichtespektrum des Empfangsgrundimpulses periodisch mit der Taktfrequenz ( f T ) wiederholt und aufsummiert, eine Konstante ergibt.

11 Die Konstante C hat die Dimension einer Zeit (Einheit s). Sie stellt sicher, dass Zeitsignal und

Amplitudendichtespektrum die eingeführten und bisher genutzten Dimensionen aufweisen. Für die Beispiele wird C = 1 s gesetzt.

150

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Einschub: Zur mathematischen Beschreibung der Abtastung in Zeit- und Frequenzbereich

Zur mathematischen Beschreibung der Symboltaktabtastung wird die Zeitfunktion xe (t) des Empfangsgrundimpulses mit der dimensionslosen Funktion +∞ 

xδ (t) = C

δ(t − ν Ts )

(2.115)

ν=−∞

multipliziert. Da ein Zeitstoß δ(t) die Dimension einer Frequenz hat (mit der Einheit 1/s), s. z. B. Anhang A, muss C die Dimension einer Zeit (mit der Einheit s) aufweisen, damit xδ (t) dimensionslos ist und damit der abgetastete Empfangsgrundimpuls wieder die Dimension einer Amplitude (mit der Einheit V) aufweist. Für Rechnungen in den Beispielen und Aufgaben wird im Weiteren C = 1 s gewählt, um die Korrektheit der Dimensionen (bzw. Einheiten) sicherzustellen, ohne zusätzliche Amplitudenskalierungen zu erhalten. Alternativ kann auch z. B. C = Ts gewählt werden – was auch gebräuchlich ist. Die Fourier-Transformation von (2.115) ergibt (s. z. B. Anhang A) X δ ( f ) = F {xδ (t)} = C · f T

+∞ 

δ( f − μ f T )

(2.116)

μ=−∞

und weist die Dimension einer Zeit auf – als Dimension eines Frequenzstoßes δ( f ), s. z. B. Anhang A. Die Faltung von (2.116) mit dem Amplitudendichtespektrum X e ( f ) des Empfangsgrundimpulses resultiert in X e ( f ) ∗ X δ ( f ) = X e ( f ) ∗ C · fT

+∞  μ=−∞

δ( f − μ f T ) = C · f T

+∞ 

X e ( f − μ f T ),

μ=−∞

(2.117) und ist ein Amplitudendichtespektrum mit der Dimension Amplitude · Zeit in der Einheit Vs bzw. V/Hz.

Das erste Nyquist-Kriterium wurde anhand des Empfangsgrundimpulses beschrieben und hergeleitet. Der Empfangsgrundimpuls ist für die messtechnische Erfassung z. B. im Augendiagramm notwendig. Für die Beschreibung und Herleitung der Intersymbolstörungsfreiheit reicht es auch aus, die Gesamtgewichtsfunktion h(t) als Kaskade von Sende- und Empfangsfilter h(t) = gs (t) ∗ ge (t) zu betrachten – bzw. die entsprechende Gesamtübertragungsfunktion H ( f ) = G s ( f )·G e ( f ) –, um das erste Nyquist-Kriterium abzuleiten und zu begründen.

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

151

Beispiele zum ersten Nyquist-Kriterium Beispiel 2.2 (Erstes Nyquist-Kriterium bei Spalt-Impuls) In Abb. 2.42 ist der zeitliche Verlauf und das Spektrum des Spalt-Impulses xe (t) = U0 si(π f T t) und des dazugehörigen Rechteckspektrums der Breite f T dargestellt (durchgezogene Linien): Die Abtastung im Zeitbereich im Abstand Ts ergibt die periodische Wiederholung des Spektrums X e ( f ) mit der Taktfrequenz f T (gestrichelte Spektren), so dass die Summierung eine Konstante ergibt (starke durchgezogene horizontale Linie). Dies korrespondiert im Zeitbereich mit einem Stoß zum Zeitpunkt t = 0: Nur bei t = 0 liefert der Abtastung des Empfangsimpulses einen von Null verschiedenen Beitrag. Die Symboltakt-Abtastwerte des Empfangsimpulses xe (t) sind ebenfalls eingezeichnet. Zeitlich benachbarte, um die Symboldauer Ts verschobene Empfangsimpulse – in Abb. 2.43 gestrichelt dargestellt – beeinflussen den Nutzabtastwert xe (t = 0) nicht. Dieses Beispiel entspricht einem Kosinus-Roll-Off-Impuls und -Spektrum mit dem RollOff-Faktor r = 0.  Beispiel 2.3 (Erstes Nyquist-Kriterium bei Kosinus-Roll-Off-Impuls mit r = 1) In einem weiteren Beispiel sind in Abb. 2.44 der zeitliche Verlauf und das Spektrum für einen KosinusRoll-Off-Impuls und das zugehörige Spektrum für den Roll-Off-Faktor r = 1 dargestellt. Auch hier wird deutlich, dass die Summe der periodisch mit der Taktfrequenz wiederholten und aufsummierten Spektren eine Konstante ergibt und daher das erste Nyquist-Kriterium eingehalten wird. Zeitlich benachbarte, um die Symboldauer Ts verschobene Empfangsgrundimpulse – in Abb. 2.45 gestrichelt dargestellt – beeinflussen den Nutzabtastwert xe (t = 0) wieder nicht.  Es lässt sich feststellen, das Kosinus-Roll-Off-Impulse für alle Roll-Off-Faktoren r das erste Nyquist-Kriterium einhalten und daher zu einer intersymbolstörungsfreien Nutzsignalüber-

xe (t)

Xe (f) U0 Ts

const.

U0

...

...

−4Ts −2Ts

t

0 2Ts

4Ts

−2fT −fT

0

Abb. 2.42 Zum ersten Nyquist-Kriterium: Spaltimpuls und Rechteckspektrum

fT

2fT

f

152

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

xe (t) U0 ...

...

t −4Ts

−2Ts

4Ts

2Ts

0

...

...

keine Beeinflussung aufeinander folgender Impulse zu den Symboltaktabtastzeitpunkten Abb. 2.43 Zum ersten Nyquist-Kriterium: Spaltimpuls und zeitlich benachbarte Impulse

xe (t)

Xe (f) U0 Ts

const.

U0

...

...

−4Ts −2Ts

0

2Ts

4Ts t

−2fT −fT

fT

0

2fT

f

Abb. 2.44 Zum ersten Nyquist-Kriterium: Kosinus-Roll-Off-Impuls und -Spektrum für den RollOff-Faktor r = 1 Abb. 2.45 Zum ersten Nyquist-Kriterium: Kosinus-Roll-Off-Impuls und zeitlich benachbarte Impulse für den Roll-Off-Faktor r = 1

xe (t) U0 ...

−4Ts −2Ts

...

0

2Ts

4Ts

t

tragung führen, d. h., es ist keine Beeinflussung zeitlich aufeinanderfolgender Impulse zum Abtastzeitpunkt wirksam. Im Frequenzbereich wird die Filterflanke, die in das benachbarte Spektrum hineinragt und aufsummiert mit dem benachbarten Spektrum eine Konstante ergibt, auch Nyquist-Flanke

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

153

genannt: Je steiler diese Flanke ist, desto stärker ist das Überschwingen des Impulses im Zeitbereich und je flacher diese Flanke verläuft, desto weniger stark schwingt der Impuls im Zeitbereich über. Alle Spektren mit Nyquist-Flanke garantieren die Intersymbolstörungsfreiheit (z. B. Kosinus-Roll-Off-Spektren, trapezförmige Spektren) [48], da hier bei allen Empfangsgrundimpulsen die Abtastung im Symboltakt Ts und die daraus resultierende Periodisierung der Spektren mit der Taktfrequenz f T und deren Überlagerung auf eine Konstante führt. Zweites Nyquist-Kriterium Gesucht ist eine allgemeine Regel für eine möglichst unempfindliche Impulsform xe (t) am Erkennungspunkt bezüglich der Ungenauigkeit des Abtastzeitpunktes. Dann muss die horizontale Augenöffnung des empfangenen Nutzsignals am Erkennungspunkt möglichst groß sein. Dazu werden die Forderungen 1. Symmetrie des Empfangsgrundimpulses 2. Keine ISI-Beiträge in der Flankenmitte, d. h. Nulldurchgänge des Empfangsgrundimpulses auch in der Mitte zwischen ganzzahligen Vielfachen der Symboldauer aufgestellt und ersteres als xe

Ts 2



= xe

Ts − Ts 2

ausgedrückt und letzteres als

Ts + ν Ts = 0 xe 2

f¨ur



Ts = xe − 2

(2.118)

ν = 0, −1

(2.119)

formuliert. Dies bedeutet, dass der Empfangsgrundimpuls ein zeitlich gerader Impuls ist (symmetrisch zur vertikalen Achse, erste Forderung) und dass er zusätzlich ausgehend von der halben Symboldauer Ts /2 – außer bei −Ts /2 und +Ts /2 – bei Vielfachen der Symboldauer Ts Nullstellen aufweisen muss (zweite Forderung), s. Abb. 2.46. Zusammengefasst können die Forderungen als ⎧ ⎪ ⎪ xe (0) f¨ur t = 0 ⎨ xe (t) = xe2(0) f¨ur t = ± T2s (2.120) ⎪ ⎪ ⎩ 0 f¨ur t = ± ν T2s mit ν = 2, 3, 4, . . . ausgedrückt werden. Bei der Multiplikation mit einer mit Ts periodischen Dirac-Stoßfolge im Zeitbereich (Abtastung im Symboltakt, nun gegenüber (2.111) um Ts /2 verschoben)

154

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.46 Zur Abtastung im Symboltakt beim zweiten Nyquist-Kriteriums am Beispiel des Kosinus-Roll-Off-Impulses mit r =1

xe (t) U0 ...

...

−3Ts−2Ts −Ts

C · xe (t)·

0

Ts

2Ts 2Ts

t





 Ts Ts Ts Ts · δ t− +δ t + (2.121) δ t− − ν Ts = C · xe 2 2 2 2 ν=−∞ +∞ 

    verbleiben zwei Dirac-Stöße: Nur die beiden Stöße δ t − T2s und δ t + T2s fallen mit den beiden von Null verschiedenen Werten des Empfangsgrundimpulses aus der ersten Forderung zusammen; alle anderen Stöße der periodischen Stoßfolge fallen in Nullstellen des Empfangsgrundimpulses xe (t) und verschwinden nach der Multiplikation beider deshalb. Mit den Korrespondenzen 1 [δ(t − t0 ) + δ(t + t0 )] 2

  cos(2π t0 f )

(2.122)

und C

Ts δ t− − ν Ts 2 ν=−∞ +∞ 

  C · fT

+∞ 

(−1)μ δ( f − μ f T )

(2.123)

μ=−∞

ergibt die Transformation in den Frequenzbereich (hier mit t0 = Ts /2) X e ( f ) ∗ C · fT

+∞ 

μ

(−1) δ( f − μ f T ) = C · xe

μ=−∞



Ts 2

· 2 cos(π Ts f )

(2.124)

eine gleichwertige Formulierung von (2.121) bzw. der beiden ursprünglich gestellten Forderungen, nun im Frequenzbereich [65].

Einschub: Zur Herleitung der Korrespondenz der Kosinusfunktion im Frequenzbereich

Unter Zuhilfenahme des Satzes zur Verschiebung im Zeitbereich erhält man für die um ±t0 verschobenen Dirac-Stöße die Spektralfunktionen

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

155

δ(t + t0 )   ej2π f t0 δ(t − t0 )   e−j2π f t0 . Vergleicht man dies mit der Beziehung (s. Anhang F.3 oder z. B. [11, 74]) cos(x) = ist erkennbar, dass cos (2π f t0 ) =

 1  jx e + e−jx , 2

(2.125)

 1  j2π f t0 + e−j2π f t0 e 2

(2.126)

gilt und damit die Korrespondenz 1 [δ(t − t0 ) + δ(t + t0 )] 2

  cos(2π t0 f )

(2.127)

resultiert. Zwei im Zeitbereich symmetrisch zu t = 0 liegende Dirac-Stöße ergeben daher im Frequenzbereich eine Kosinus-Funktion.

Die Bedingung für eine möglichst unempfindliche Impulsform am Erkennungspunkt bezüglich Abweichungen vom optimalen Abtastzeitpunkt lautet daher +∞ 

(−1)μ X e ( f − μ f T ) = const. · cos(π Ts f ).

(2.128)

μ=−∞

Die Konstante auf der rechten Seite von (2.128) enthält z. B. xe (Ts /2), C und f T . Zweites Nyquist-Kriterium Wenn die Summe der periodisch mit der Taktfrequenz wiederholten und mit alternierenden Vorzeichen addierten Amplitudendichtespektren eine Kosinusfunktion ergibt, ist die horizontale Augenöffnung maximal.

Einschub: Herleitung der Fourier-Transformierten der verschobenen periodischen Stoßfolge (Beziehung (2.123))

Die um Ts /2 verschobene mit Ts periodische Stoßfolge auf der linken Seite von (2.123) kann als Faltungsprodukt +∞ 



Ts δ t− − ν Ts 2 ν=−∞

+∞ 



Ts = δ (t − ν Ts ) ∗ δ t − 2 ν=−∞

geschrieben werden. Die Fourier-Transformation ergibt

(2.129)

156

2 Grundlagen der Basisbandübertragung +∞ 

fT

Ts

δ( f − μ f T ) · e−j2π f · 2 = f T

μ=−∞

+∞ 

e−jπ f

Ts

δ( f − μ f T )

(2.130)

μ=−∞

und mit Anwendung der Ausblendeigenschaft (nur Werte bei den Frequenzen μ f T = μ/Ts bleiben erhalten) ergibt sich weiter fT

+∞ 

μ

e−jπ Ts

Ts

δ( f − μ f T ) = f T

μ=−∞

+∞ 

e−jμπ δ( f − μ f T ).

(2.131)

μ=−∞

Weiter kann

e−jμπ = cos (μπ ) − j sin (μπ )

(2.132)

geschrieben werden, wobei für ganzzahlige Werte μ sin (μπ ) = 0 

und cos (μπ ) = gilt. Damit folgt

(2.133)

+1 f¨ur . . . − 6, −4, −2, 0, 2, 4, 6 . . . −1 f¨ur . . . − 5, −3, −1, 1, 3, 5, 7 . . . e−jμπ = cos (μπ ) = (−1)μ

(2.134)

(2.135)

und die Formulierung im Frequenzbereich lautet +∞ 

fT

(−1)μ δ( f − μ f T )

(2.136)

μ=−∞

und damit resultiert die gesuchte Korrespondenz für (2.123) +∞ 



Ts δ t− − ν Ts 2 ν=−∞

  fT

+∞ 

(−1)μ δ( f − μ f T ).

(2.137)

μ=−∞

Beispiel zum zweiten Nyquist-Kriterium Beispiel 2.4 (Zweites Nyquist-Kriterium bei Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Impuls mit r = 1) Bei einem Kosinus-Roll-Off-Empfangsimpuls mit dem Roll-Off-Faktor r = 1 gilt im Zeitbereich mit (2.105) cos (π f T t) (2.138) xe (t) = U0 si (π f T t) 1 − (2 f T t)2 und im Frequenzbereich erhält man aus (2.104) zunächst

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

U Xe( f ) =

0 Ts

2



1 + sin

π 2

157

 f¨ur | f | ≤ f T (1 − 2 f Ts )

0

sonst

.

Eine Umformung ergibt π     π π  sin − π f Ts = sin − π f Ts − (1 − 2 f Ts ) = sin 2 2 2

(2.139)

(2.140)

und mit der Sinusfunktion als ungerader Funktion, d. h. f (x) = − f (−x), erhält man    π  π = − sin π f Ts − . (2.141) sin − π f Ts − 2 2 Der von Null verschiedene Anteil des Empfangsspektrums X e ( f ) im Bereich | f | ≤ f T kann damit als  U0 Ts % π & Xe( f ) = 1 − sin π f Ts − (2.142) 2 2 geschrieben werden und bei Berücksichtigung der trigonometrischen Beziehung sin(x − π/2) = − cos(x) gilt hierfür weiterhin Xe( f ) =

U0 Ts [1 + cos (π f Ts )] . 2

(2.143)

Bei Verwendung des Theorems cos2 (x) = resultiert schließlich  Xe( f ) =

1 (1 + cos(2x)) 2

(2.144)

  U0 Ts cos2 π T2s f f¨ur | f | ≤ f T 0

sonst

.

(2.145)

Man erhält +∞ 

(−1)μ X e ( f − μ f T ) =

μ=−∞



Ts (−1)μ U0 Ts cos2 π ( f − μ f T ) , 2 μ=−∞ +∞ 

(2.146)

und im Ergebnis ist +∞ 



πf (−1) X e ( f − μ f T ) = U0 Ts cos fT μ=−∞ μ

.

(2.147)

In Abb. 2.47 ist ein Ausschnitt der Spektralfunktionen grafisch dargestellt, um das Ergebnis (2.147) zu verdeutlichen: Das originale Empfangsspektrum X e ( f ) (für μ = 0) ist mit durchgezogener Linie eingetragen, die um ganzzahlige Vielfache der Taktfrequenz verschobenen Empfangsspektren (für μ = 0) sind gestrichelt dargestellt. Die aus der Überlagerung der

158

2 Grundlagen der Basisbandübertragung + μ=−

(−1)μ Xe (f − μ fT ) U0 Ts cos

μ = −2

U0 Ts μ=0

πf fT

μ=2

...

... −2fT

−fT

0

μ = −1

fT

2fT

f

μ=1 −U0 Ts

Abb. 2.47 Zum Nachweis der Einhaltung des zweiten Nyquist-Kriteriums bei einen Kosinus-RollOff-Empfangsimpuls mit dem Roll-Off-Faktor r = 1 im Frequenzbereich

periodisch mit der Taktfrequenz wiederholten und mit alternierenden Vorzeichen addierten Empfangsspektren resultierende Kosinusfunktion ist fett durchgezogen gezeichnet. Das zweite Nyquist-Kriterium wird von Kosinus-Roll-Off-Empfangsimpulsen mit dem Roll-Off-Faktor r = 1 eingehalten; für alle anderen Roll-Off-Faktoren gilt dies nicht.  Erkenntnisse und Zusammenfassung zu den Nyquist-Kriterien Mit dem ersten und zweiten Nyquist-Kriterium sind allgemeine Regeln gefunden und etabliert worden, die Empfangsimpulsformen einhalten müssen, wenn sie optimal bezüglich Intersymbolstörungsfreiheit oder bezüglich Robustheit gegenüber Abweichungen der Taktinformation sein sollen. Es sind dazu insbesondere Filter mit synthetischer Bandbegrenzung12 geeignet, die sich mathematisch gut beschreiben und daher mit Hilfe digitaler Signalverarbeitung näherungsweise realisieren lassen. Alle Filter mit rationaler Übertragungsfunktion führen nicht zu Empfangsimpulsformen, die das erste und das zweite Nyquist-Kriterium erfüllen. Es ist in diesem Fall allenfalls eine Annäherung möglich. Abschließend sollen an Hand eines Beispiels noch einmal die Randbedingungen für die Einhaltung des ersten und zweiten Nyquist-Kriteriums im Frequenzbereich illustriert werden. Abb. 2.48 veranschaulicht das Spektrum eines Nyquist-1-Empfangsgrundimpulses 12 Als synthetische Bandbegrenzung wird oft eine Art der Filterung bezeichnet, die nicht ursprünglich

auf nahe an der schaltungstechnischen Realisierung befindlichen rationalen Übertragungsfunktionen basiert, sondern die einer mathematischen Betrachtung bzw. Optimierung entstammt und die zumeist eine rechentechnische praktische Realisierung erfordert.

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

159

Xe (f)

Abb. 2.48 Spektrum eines Nyquist-1-Empfangsgrundimpulses xe (t)

Nyquistflanke

U0 Ts U0 Ts 2

−fT

− f2T

fT 2

fT

f

xe (t). Charakteristisch ist hier die Forderung, dass der Frequenzgang bei f = f T /2 auf die Hälfte seines Maximalwertes abgefallen ist und dass die Nyquist-Flanke jeweils punktsymmetrisch zu den Punkten ( f T /2; U0 Ts /2) und (− f T /2; U0 Ts /2) ist. Folglich muss im Beispiel

U0 Ts fT = Xe f = (2.148) 2 2 gelten. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass anstelle des Empfangsgrundimpulses xe (t) auch die dazugehörende Gewichtsfunktion h(t) eines Übertragungssystems genutzt werden kann, um die Einhaltung des ersten Nyquist-Kriteriums zu analysieren. Das erste Nyquist-Kriterium wird eingehalten, wenn sich bei Abtastung des Empfangsgrundimpulses xe (t) mit der Abtastperiode Ta = Ts im Frequenzbereich eine Konstante durch die Periodisierung des Empfangsspektrums mit der Abtastfrequenz f a = 1/Ta = f T ergibt. Abb. 2.49 veranschaulicht die sich durch die Abtastung des Nyquist-1-Empfangsgrundimpulses xe (t) ergebende Periodisierung im Spektralbereich. Hier ist die Bedingung (entsprechend Abb. 2.49) +∞  X e ( f − μ f T ) = U0 Ts (2.149) μ=−∞

einzuhalten. Wird darüber hinaus eine Maximierung der horizontalen Augenöffnung angestrebt, so ist die Einhaltung des zweiten Nyquist-Kiteriums notwendig. Dabei muss die periodische aber mit alternierenden Vorzeichen versehene Fortsetzung des Empfangsspektrums die Bedingung +∞  (−1)μ X e ( f − μ f T ) = U0 Ts · cos(π Ts f ). (2.150) μ=−∞

erfüllen. Abb. 2.50 illustriert die Einhaltung des zweiten Nyquist-Kriteriums im Frequenzbereich.

160

2 Grundlagen der Basisbandübertragung + μ=−

Xe (f − μ fT )

U0 Ts

...

... −2 fT −3 f2T

−fT

fT 2

− f2T

fT

3 f2T

2 fT

f

Abb. 2.49 Zur Erfüllung des ersten Nyquist-Kriteriums im Frequenzbereich + μ=−

(−1)μ Xe (f − μ fT ) U0 Ts cos

U0 Ts

... −2fT

πf fT

... −fT

0

fT

2fT

f

−U0 Ts Abb. 2.50 Zur Erfüllung des zweiten Nyquist-Kriteriums im Frequenzbereich

2.2.4

Optimales Empfangsfilter: Matched Filter

Offen ist nach den vorhergehenden Überlegungen zur Empfangsgrundimpulsform noch, wie die optimale Empfangsimpulsform bzw. das optimale Empfangsfilter gestaltet sein müssen, wenn ein maximales Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt bei bekannter Impulsform am Empfängereingang und gegebener Rauschstörung das Optimierungsziel ist – wenn also die optimale Empfangsimpulsform bzw. das optimale Empfangsfilter bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses gesucht ist. Das Entscheidungsproblem wird zunächst am Beispiel eines Einzelimpulses betrachtet. Ein Nachrichtensignal ist in einem Empfänger der Form nach bekannt. Es soll am Empfängerausgang entschieden werden, ob das aus Nutzsignal und Störung bestehende empfangene Signalgemisch das Nachrichtensignal enthält oder nicht: Es ist ein Entscheidungsproblem zu lösen. Anwendungen finden sich beim Empfang von Echoimpulsen in Radarsystemen zur Ortung und bei der Rahmensynchronisation von Empfängern sowie bei der digitalen

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

161

Abb. 2.51 Anordnung zur Bestimmung des optimalen Empfangsfilters

Übertragung von Nachrichten, auf die sich diese Art der Filterung vorteilhaft übertragen und anwenden lässt. Abb. 2.51 zeigt die Anordnung. Die Problemstellung lautet damit präziser: Es ist das Empfangsfilter G e ( f )   ge (t) so zu wählen, dass mit minimaler Fehlerwahrscheinlichkeit durch Abtastung am Filterausgang entschieden werden kann, ob ein durch additives weißes Rauschen mit der Leistungsdichte 0 gestörter Impuls bekannter Form zu einem bestimmten Zeitpunkt t = TA vorhanden ist oder nicht. Vorausgesetzt wird, dass das Nutzsignal u 0 (t) bekannt ist und durch weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der bekannten Leistungsdichte 0 gestört wird. Das gesuchte Empfangsfilter ist ein lineares, zeitinvariantes System, das eine solche Zeit- bzw. Frequenzcharakteristik aufweisen soll, so dass die Fehlerwahrscheinlichkeit minimiert wird. Wegen des monotonen Zusammenhangs zwischen der Fehlerwahrscheinlichkeit und dem Signal-Rausch-Verhältnis kann das Signal-Rausch-Verhältnis stellvertretend als Gütekriterium herangezogen werden. Für die Herleitung wird ein einzelner Rechteckimpuls der Amplitude U0 und der Dauer Ts betrachtet – in Anlehnung an das zuvor ausführlich beschriebene Grundmodell der Basisbandübertragung. Als Signalleistung am Erkennungspunkt steht nun bei Betrachtung eines einzelnen Impulses – im Unterschied zur zuvor betrachteten Übertragung einer Impulsfolge – am Erkennungspunkt das Quadrat der gesamten zum Abtastzeitpunkt TA vorliegenden Empfangssignalamplitude u e (t = TA ) zur Verfügung. Da nur ein einzelner Impuls betrachtet wird, spielen Intersymbolinterferenzen keine Rolle. Die Rauschleistung am Erkennungspunkt ist UR2

+∞ = ψe (τ = 0) = 0 |G e ( f )|2 d f .

(2.151)

−∞

Das Signal-Rausch-Verhältnis sich lässt damit als =

(u e (TA ))2 (u e (TA ))2 = 2 ψe (0) UR

(2.152)

162

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

ausdrücken. Für eine übersichtliche Rechnung wird der Abtastzeitpunkt zu TA = 0 gewählt – dies kann im Allgemeinen z. B. durch eine geeignete zeitliche Verschiebung des Impulses erreicht werden. Die am Erkennungspunkt vorliegende Nutzsignalamplitude ist damit u e (t = 0) und mit Hilfe der Beziehung für die inverse Fourier-Transformation für t = 0 (s. Anhang C) ergibt sich +∞ +∞ Ue ( f ) d f = U0 ( f ) · G e ( f ) d f . (2.153) u e (0) = −∞

−∞

Mit den Ergebnissen (2.151) und (2.153) wird das Signal-Rausch-Verhältnis (2.152) als * =

+∞ .

−∞

+2 U0 ( f ) · G e ( f ) d f

0

+∞ . −∞

(2.154) |G e ( f )|2 d f

geschrieben. Es sind U0 ( f ) und 0 voraussetzungsgemäß bekannt und damit gegeben, die Funktion G e ( f ) ist gesucht und so zu bestimmen, dass maximal wird. Diese Art der Optimierung ist eine Aufgabenstellung aus der Variationsrechnung [11, 74]. Zur Lösung kann die Schwarzsche13 Ungleichung [11, 74] ⎞2 ⎛ +∞  +∞ +∞ 2 ⎝ U0 ( f ) · G e ( f ) d f ⎠ ≤ |U0 ( f )| d f · |G e ( f )|2 d f −∞

−∞

(2.155)

−∞

verwendet werden, die als verallgemeinerte Dreiecksungleichung aufgefasst werden kann. Das Gleichheitszeichen gilt für U0 ( f ) = λ · G e ( f ). Dabei ist λ ein beliebiger, positiver, reeller Faktor mit der Dimension Zeit · Amplitude. Für das Signal-Rausch-Verhältnis erhält man +∞ +∞ . . |U0 ( f )|2 d f · |G e ( f )|2 d f ≤

−∞

−∞

0 oder nach Kürzen 1 ≤ 0

+∞ . −∞

|G e

( f )|2 d

(2.156) f

+∞ |U0 ( f )|2 d f . −∞

Unter Verwendung des Parseval-Theorems ist erkennbar, dass

13 Hermann Amandus Schwarz (1843–1921), deutscher Mathematiker.

(2.157)

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

+∞ +∞ 2 |U0 ( f )| d f = u 20 (t) dt = E 0 −∞

163

(2.158)

−∞

die Energie des Sendeimpulses ist und man erhält ≤

E0 0

(2.159)

Die obere Grenze für das Signal-Rausch-Verhältnis hängt also nur von der Energie des Eingangssignals und von der spektralen Leistungsdichte des Rauschens ab. Die Impulsform spielt keine Rolle. Das maximale Signal-Rausch-Verhältnis MF =

E0 , 0

(2.160)

das sich bei signalangepasster (matched) Filterung erzielen lässt, wird erreicht, wenn in der Schwarzschen Ungleichung das Gleichheitszeichen gilt. Damit erhält man nach (2.154) für die Übertragungsfunktion des optimalen Suchfilters G e opt ( f ) =

1 · U0∗ ( f ). λ

(2.161)

Die optimale Übertragungsfunktion G e opt ( f ) des Empfangsfilters ist, abgesehen von einem konstanten Faktor λ mit der Dimension Zeit ·Amplitude (d. h. mit der Einheit Vs bzw. V/Hz) identisch mit der konjugiert-komplexen Amplitudendichtefunktion U0∗ ( f ) des Eingangsbzw. Sendeimpulses u 0 (t). Die Gewichtsfunktion des signalangepassten Filters lautet ge opt (t) =

1 · u 0 (−t). λ

(2.162)

In Abb. 2.52 sind der Sendeimpuls und die Gewichtsfunktion des signalangepassten Filter dargestellt am Beispiel eines zeitlich unsymmetrischen Impulses: Es wird deutlich, dass eine zeitliche Spiegelung des Sendeimpulses erfolgt und dass eine Skalierung mit dem Faktor 1/λ geschieht, um die Gewichtsfunktion des Matched Filters zu erhalten. Insbesondere ist erkennbar, dass die Multiplikation mit dem Faktor 1/λ – wobei λ die Einheit Vs besitzt – dazu führt, dass die Matched-Filter-Gewichtsfunktion ge opt (t) bei einem Sendeimpuls mit der Einheit V die Einheit 1/s aufweist. Das optimale Empfangsfilter ist abhängig von der Form des Sendeimpulses u 0 (t) – daher rührt die Bezeichnung signalangepasstes oder matched Filter. Das am Ausgang eines solchen Filters erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis selbst ist, wie oben erwähnt, jedoch nicht von der Impulsform abhängig – sondern nur von der Impulsenergie E 0 und der spektralen Leistungsdichte 0 der Störung.

164

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Matched-Filter-Gewichtsfunktion

Sendeimpuls

u0 (t)

ge opt (t) 1 λ

U0

−t1

0

t2 t

−t2

U0

0

t1

t

Abb. 2.52 Sendeimpuls und Gewichtsfunktion des signalangepassten Empfangsfilters (Matched Filter) am Beispiel eines sägezahnförmigen Sendegrundimpulses. (Nichtkausale Darstellung)

Das optimale Suchfilter G e opt ( f ) verstärkt die Spektralanteile, bei denen das Amplitudendichtespektrum des Nutzsignals groß und die spektrale Leistungsdichte des Rauschens relativ klein ist. Deshalb wird das Signal-Rausch-Verhältnis im Abtastzeitpunkt maximal. Beispiele zum Matched Filter Beispiel 2.5 (Signal-Rausch-Verhältnis: Vergleich von signalangepasstem und suboptimalem Empfangsfilter) In diesem Beispiel werden ein optimales, d. h. signalangepasstes, und ein nicht-optimales Empfangsfilter bezüglich des erreichbaren Signal-Rausch-Verhältnisses bei rechteckförmigem NRZ-Empfängereingangsimpuls verglichen. Die Gewichtsfunktion von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) sind Abb. 2.53 zu entnehmen. Die resultierende Gewichtsfunktion h(t) = gs (t) ∗ ge (t) ist in Abb. 2.54 dargestellt. Der für die Signalerkennung bei Einzelimpulsbetrachtung maßgebliche Wert u e (t = 0) wird durch den Maximalwert h(t = 0) bestimmt und kann über die Auswertung des Faltungsintegrals ermittelt werden. Der Maximalwert innerhalb des Faltungsintegrals ergibt sich bei maximaler Überlappung der beiden Gewichtsfunktionen gs (t) und ge (t) und lässt sich als Ts 1 1 1 · dt = (2.163) h(t = 0) = Ts Ts Ts 0

berechnen. Wird nun das Sendefilter mit einem gewichteten Dirac-Impuls u q (t) = U0 Ts δ(t)

(2.164)

angeregt, so zeigt sich, dass zum optimalen Abtastzeitpunkt t = 0 der Nutzsignalwert u e (t = 0) = U0 Ts · h(t = 0) = U0 Ts ·

1 = U0 Ts

(2.165)

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

165

ge (t)

gs (t) 1 Ts

1 Ts

t

Ts

0

t

Ts

0

Abb. 2.53 Gewichtsfunktion von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) Abb. 2.54 Gewichtsfunktion der Kaskade von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) entsprechend dem Matched-Filter-Prinzip. (Nichtkausale Darstellung)

h(t) 1 Ts

−Ts

0

+Ts

t

am Empfangsfilterausgang entsteht. Für die Bestimmung des Signal-Rausch-Verhältnisses ist neben u e (t = 0) die Rauschleistung UR2 zu berechnen. Im betrachteten Fall ergibt sich diese zu UR2

+∞ Ts 2 1 0 1 2 = 0 · |ge (t)| dt = 0 · dt = 2 Ts = 0 . Ts Ts Ts −∞

(2.166)

0

Damit folgt für das Signal-Rausch-Verhältnis am Ausgang des signalangepassten Filters MF =

U02 Ts (u e (t = 0))2 = . 0 UR2

(2.167)

Dieses Ergebnis kann man auch nach (2.160) erhalten, indem man die Energie E 0 = U02 Ts des Empfängereingangsimpulses durch die spektrale Leistungsdichte 0 dividiert: MF =

U 2 Ts E0 = 0 . 0 0

(2.168)

Bei Einhaltung der Matched-Filter-Bedingung nimmt das Signal-Rausch-Verhältnis zum Abtastzeitpunkt den größtmöglichen Wert an. Um dies zu illustrieren, soll nun eine Abweichung vom Matched-Filter-Prinzip untersucht werden. Dazu wird die in Abb. 2.55 dargestellte Form der Gewichtsfunktion des Emp-

166

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

fangsfilters ge (t) – bei gleichbleibender Form des Empfängereingangsimpulses bzw. des Sendefilters – beispielhaft angesetzt und untersucht. Die Faltung der Gewichtsfunktion  1 ur 0 < t < Ts Ts f¨ (2.169) gs (t) = 0 f¨ur sonst des Sendefilters mit der Gewichtsfunktion  1 t ur 0 ≤ t < Ts Ts · Ts f¨ ge (t) = 0 f¨ur sonst des Empfangsfilters führt auf die Gesamtgewichtsfunktion ⎧ ⎪ 0 f¨ur t < 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ 1 3 · t2 f¨ur 0 ≤ t ≤ Ts h (t) = 2 1Ts . 2 − (t − T )2 ) f¨ ⎪ · (T u r T ≤ t ≤ 2 T ⎪ s s s 3 s ⎪ 2 Ts ⎪ ⎪ ⎩ 0 f¨ur t > 2 Ts

(2.170)

(2.171)

Abb. 2.56 veranschaulicht den resultierenden Verlauf der Gesamtgewichtsfunktion h(t). Der für die Nutzsignalamplitude am Empfangsfilterausgang benötigte Maximalwert von h(t) = gs (t) ∗ ge (t) ergibt sich nun zu Ts h(t = 0) = 0

1 1 1 · · t dt = . Ts Ts2 2 Ts

(2.172)

Um die am Empfangsfilterausgang verfügbare Nutzsignalamplitude u e (t = 0) zu bestimmen, wird der Sendeimpulsformer mit einem gewichteten Dirac-Stoß u q (t) = U0 Ts δ(t)

(2.173)

angeregt. Es zeigt sich, dass zum optimalen Abtastzeitpunkt t = 0 der Wert u e (t = 0) = U0 Ts · h(t = 0) = U0 Ts ·

1 U0 = 2 Ts 2

(2.174)

als Nutzsignalamplitude entsteht. Die Rauschleistung ergibt sich zu UR2

+∞ Ts 2 t 1 0 Ts3 2 = 0 · |ge (t)| dt = 0 · dt = . = 0 Ts2 Ts4 3 3 Ts −∞

0

Es folgt damit für das Signal-Rausch-Verhältnis

(2.175)

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband

167

ge (t)

Abb. 2.55 Gewichtsfunktion des Empfangsfilters ge (t) bei Verletzung des Matched-Filter-Prinzips

1 Ts

0 Abb. 2.56 Gewichtsfunktion h(t) im Beispiel

Ts

t

2 Ts

t

h(t) 1 2 Ts

Ts

kein-MF-1

 2 U0 U02 2 (u e (t = 0))2 3 U02 Ts 4 = = = = . · 4 0 UR2 0 3 1Ts 0 3 1Ts

(2.176)

Dabei zeigt sich, wie erwartet, dass das erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis auf Grund der Verletzung des Matched-Filter-Prinzips im Vergleich zur optimalen, signalangepassten Empfangsfilterung sinkt. Man erhält kein-MF-1 =

3 MF . 4

(2.177)

Das Signal-Rausch-Verhältnis kein-MF-1 ist geringer als im Beispiel mit signalangepasster und damit optimaler Empfangsfilterung bezüglich eines maximalen Signal-RauschVerhältnisses.  Beispiel 2.6 (Vergleich von Matched Filter und RC-Tiefpass erster Ordnung) Es wird ein einzelner Rechteckimpuls der Amplitude U0 und der Dauer Ts betrachtet, der über einen mit weißem, gaußverteiltem Rauschen der Leistungsdichte 0 gestörten Kanal übertragen wird. Im Empfänger soll durch Abtastung entschieden werden, ob der Impuls gesendet wurde oder nicht, d. h., ob er im empfangenen Signalgemisch vorliegt. Als Empfangsfilter werden nacheinander ein Matched Filter und ein RC-Tiefpass erster Ordnung verwendet: Es sind die erzielbaren Signal-Rausch-Verhältnisse in beiden Fällen zu berechnen und miteinander zu vergleichen. Bei signalangepasster Empfangsfilterung mit ge (t) = 1/(U0 Ts ) · u 0 (−t) ergibt sich die Energie des Sendeimpulses zu

168

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

+∞ E0 = u 20 (t) dt = U02 · Ts

(2.178)

−∞

und es resultiert das maximal erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis MF =

U 2 Ts E0 = 0 . 0 0

(2.179)

Für die Empfangsfilterung mit einem RC-Tiefpass erster Ordnung erhält man aus der Rechteckantwort des Empfangsimpulses (2.18) den maximalen Nutzsignalabtastwert zum Zeitpunkt t = TA = Ts zu

  − Ts (2.180) u e (t = Ts ) = U0 1 − e Tg = U0 1 − e−2π fg Ts und die Rauschleistung am Erkennungspunkt ist nach (2.59) UR2 = 0 π f g ,

(2.181)

so dass das Signal-Rausch-Verhältnis als RC

 2 U02 1 − e−2π fg Ts = , 0 π f g

(2.182)

angegeben werden kann. Dieses Signal-Rausch-Verhältnis hängt wieder gegenläufig über Signal- und Rauschleistung von der Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters ab, so dass erneut eine Optimierung der Empfangsfiltergrenzfrequenz erforderlich ist: Sie ergibt für den Fall des Einzelimpulses f g Ts ≈ 0,2 (s. Abb. 2.57), so dass das Signal-Rausch-Verhältnis RC

 2 U02 1 − e−2π·0,2 = 0 π · 0,2/Ts

(2.183)

nur noch von den Parametern des Sendesignals (U0 , Ts ) und der Störung 0 abhängt. Die Optimierung der Grenzfrequenz ergibt im Fall des Einzelimpulses einen kleineren optimalen Wert ( f g Ts ≈ 0,2) als im Fall der Übertragung einer Impulsfolge ( f g Ts ≈ 0,4), da das Auge zu kleineren Grenzfrequenzen geöffnet bleibt, bei denen es auf Grund der bei U0 /2 liegenden Entscheidungsschwelle UE bei Übertragung einer Impulsfolge noch geschlossen wäre. Mit beispielhaft gegebenen Werten U0 = 1 V, Ts = 1 μs und 0 = 10−6 V2 /Hz ergeben sich im Vergleich und RC = 0,8145 (2.184) MF = 1 Es ist erkennbar, dass schon mit einem vergleichsweise einfach zu realisierenden RCTiefpassfilter ca. 80 % der Leistungsfähigkeit eines signalangepassten Filters erreicht werden können.

2.2 Verbesserte Übertragungskonzepte im Basisband 1



0.8 0.6

RC

Abb. 2.57 Signal-RauschVerhältnis RC als Funktion der auf die Symboldauer Ts normierten Empfangsfiltergrenzfrequenz fg

169

0.4 0.2 0

0.5

1

1.5

2

fg T s →

Es soll noch einmal angemerkt werden, dass sich diese Betrachtungen auf einen einen Einzelimpuls beziehen und für die Nutzsignalamplitude nur der Wert im optimalen Abtastzeitpunkt ausgewertet wird. Die aus der Informations- und Datenübertragung mit Impulsfolgen bekannten Intersymbolstörungen spielen deshalb keine Rolle. 

Beispiel 2.7 (Signal-Rausch-Verhältnis bei Verletzung der Matched-Filter-Bedingung) Wird das Empfangsfilter nicht auf die Sendefiltercharakteristik angepasst, so wird das erreichbare Signal-Rausch-Verhältnis gegenüber dem bei einem signalangepassten Empfangsfilter erreichbaren verringert. In diesem Beispiel soll illustriert werden, welches Signal-Rausch-Verhältnis erreicht werden kann, wenn Sende- und Empfangsfilter die Gewichtsfunktionen nach Abb. 2.58 aufweisen: Es handelt sich also wieder um einen NRZSenderechteckimpuls der Dauer Ts , das Empfangsfilter weist jedoch nur die halbe Länge Ts /2 auf. Abb. 2.59 veranschaulicht die sich ergebende Gewichtsfunktion aus der Kaskade von Sende- und Empfangsfilter. Wird das Sendefilter mit einem gewichteten Dirac-Impuls u q (t) = U0 Ts δ(t)

(2.185)

angeregt, so zeigt sich, dass zum optimalen Abtastzeitpunkt t = 0 der Nutzsignalamplitudenwert 1 U0 = u e (t = 0) = U0 Ts · h(t = 0) = U0 Ts · (2.186) 2 Ts 2 entsteht. Die Rauschleistung am Ausgang des Empfangsfilters ergibt sich bei Anwendung des Parsevalschen Theorems zu

170

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

ge (t)

gs (t) 1 Ts

1 Ts

0

Ts

t

0

t

Ts 2

Abb. 2.58 Gewichtsfunktionen von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) bei beispielhafter Verletzung des Matched-Filter-Prinzips Abb. 2.59 Gewichtsfunktion aus Kaskade von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) bei Verletzung des Matched-Filter-Prinzips. (Nichtkausale Darstellung)

h(t) 1 2 Ts

− 34 Ts

UR2

0

Ts /4 +∞  1 2 0 Ts 1 2 = 0 · |ge (t)| dt = 0 · dt = 2 . = 0 Ts Ts 2 2 Ts −∞

+ 43 Ts

t

(2.187)

−Ts /4

Für das erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis erhält man

kein-MF-2

 2 U0 U02 2 (u e (t = 0))2 1 U02 Ts 4 = = = = . · 2 0 UR2 0 2 1Ts 0 2 1Ts

(2.188)

und es fällt kleiner aus als das Signal-Rausch-Verhältnis (2.167) im Falle einer signalangepassten Empfangsfilterung: 1 kein-MF-2 = MF . (2.189) 2  Die bisherigen Betrachtungen zur Detektion eines Einzelimpulses innerhalb eines Empfangssignals, das durch weißes, gaußverteiltes Rauschen gestört ist, haben gezeigt, dass unter Einhaltung des Matched-Filter-Prinzips bei der Empfangsfilterung das Signal-RauschVerhältnis maximal wird. Es bleibt dabei festzuhalten, dass diese Ergebnisse auf die Übertragung und Detektion von NRZ-Impulsfolgen direkt übertragen werden können, sofern sich die empfangenen Impulse im Abtastzeitpunkt nicht gegenseitig stören, d. h., es liegen keine Intersymbolstörungen vor.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

2.2.5

171

Aspekte bei nichtweißem Rauschen

Die bisherigen Betrachtungen zum Grundmodell der Basisbandübertragung konzentrierten sich auf die Ermittlung und Maximierung des Signal-Rausch-Verhältnisses bei weißem, gaußverteiltem Rauschen als Störung. Unter dieser Randbedingung konnte gezeigt werden, dass eine Maximierung von den Einsatz eines signalangepassten oder Matched Filters voraussetzt, wobei deutlich wurde, dass Intersymbolstörungen eine Reduzierung von bewirken. Unter der Randbedingung der Vermeidung von Intersymbolinterferenzen, also bei Einhaltung des ersten Nyquist-Kriteriums, konnte gezeigt werden, dass mit dem Einsatz eines Matched Filters das größtmögliche Signal-Rausch-Verhältnis erreicht wird. Möchte man unter dem Einfluss von Interferenzen das größtmögliche Signal-RauschVerhältnis erzielen, so ist das Empfängerkonzept zu modifizieren. Dabei kann man von dem folgenden Ergebnis ausgehen: Obwohl dieser Zusammenhang für eine Impulsfolge nur bei gleichzeitiger ISI-Freiheit der Empfangssymbole aufrechterhalten werden kann, besitzt die signalangepasste Empfangsfilterung eine grundlegende Bedeutung in der Nachrichtentechnik. Im Falle von am Ausgang des Empfangsfilters vorhandenen Intersymolinterferenzen haben sich folgende Grundstrukturen als nützlich erwiesen: Whitening-Matched-Filter Beim Einsatz eines Whitening-Matched-Filters wird die Gewichtsfunktion des Empfangsfilters ge (t) basierend auf dem Matched-Filter-Prinzip so erweitert, dass die Unabhängigkeit der Störabtastwerte am Ausgang des Abtasters gewährleistet werden kann. Die Störabtastwerte sind dann weiß, woher die Bezeichnung diese Filterkonzepts rührt. Dieses ist vorteilhaft für Empfängerstrukturen, die auf dem MLSE (Maximum Likelihood Sequence Estimation)-Prinzip basieren, wie z. B. dem Viterbi-Detektor [42]. Optimales Nyquistfilter Beim Einsatz eines optimalen Nyquist-Filters wird die Gewichtsfunktion des Empfangsfilters ge (t) auf Basis des Matched-Filter-Prinzips so erweitert, dass an dessen Ausgang eine ISI-freie Übertragung vorliegt. Der Einsatz eines optimalen Nyquist-Filters führt auf also eine interferenzfreie Nutzsignalübertragung: Es liegen am Erkennungspunkt keine Intersymbolinterferenzen vor. Allerdings sind die Abtastwerte im Allgemeinen durch farbiges Rauschen gestört.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

2.3.1

Einleitung und Motivation

Nachdem anhand des Grundmodells der Nachrichtenübertragung für unipolare Basisbandübertragung mit rechteckförmigen NRZ-Sendesignalen und RC-Empfangstiefpass erster

172

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Ordnung wichtige Zusammenhänge und die Methodik bei der Analyse und Optimierung von Übertragungssystemen ausführlich beschrieben wurden, soll die Betrachtung nun erweitert werden auf den Fall der mehrstufigen Übertragung im Basisband. Dabei werden die im vorhergehenden Abschnitt diskutierten alternativen Filterkonzepte ebenfalls verwendet. Die mehrstufige Übertragung ist prinzipiell in zwei Fällen von Interesse: • Bei konstanter Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B führt eine zunehmende Stufenzahl zu einer Verringerung der Symbolrate bzw. Taktfrequenz f T und damit zu einer Verringerung der Bandbreite des informationstragenden Signals. Dies kann vorteilhaft dann genutzt werden, wenn bei gleich bleibenden Bitratenanforderungen die Bandbreite des Sendesignals beschränkt werden muss, weil entweder durch regulatorische Vorschriften bei z. B. der Zuteilung von Frequenzbereichen oder durch das Übertragungsmedium selbst die nutzbare Bandbreite begrenzt wird, z. B. durch die mit zunehmender Frequenz steigende Dämpfung eines Kabels. In diesen Fällen ist es erforderlich bzw. günstig, das Sendespektrum auf einen vorgegebenen Frequenzbereich oder einen Frequenzbereich mit besonders geringer Dämpfung zu konzentrieren. Mit dem Wissen aus den vorhergehenden Abschnitten kann man feststellen, dass eine Verringerung des für das Signal genutzten Frequenzbereiches spektral schmalere Empfangsfilter bedingt und die am Erkennungspunkt wirksame Rauschleistung verringert wird. Bei begrenzter mittlerer Sendeleistung oder vorgegebenem Aussteuerbereich des Senders führt die Mehrstufigkeit hinsichtlich der Nutzsignalübertragung dazu, dass die am Erkennungspunkt verbleibende Augenöffnung verkleinert wird. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die mit zunehmender Stufenzahl verringernde vertikale Augenöffnung durch die Einsparung an Bandbreite und der damit einhergehenden kleineren Rauschleistung am Entscheidereingang kompensiert werden kann. • Bei einer konstanten Symbolrate bzw. Taktfrequenz f T und damit gleichbleibender Sendebandbreite des Signals führt eine Erhöhung der Stufenzahl zu einer größeren übertragbaren Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B – in einer konstanten Bandbreite. Mit den Kenntnissen aus den vorhergehenden Abschnitten wird deutlich, dass bei gleichem genutztem Frequenzbereich die am Erkennungspunkt wirksame Rauschleistung gleich bleibt. Bei begrenzter mittlerer Sendeleistung oder vorgegebenem Aussteuerbereich führt die Mehrstufigkeit im Hinblick auf die Nutzsignalübertragung jedoch wieder dazu, dass die am Erkennungspunkt nutzbare vertikale Augenöffnung verkleinert wird. In diesem Fall stellt sich die Frage, wie stark sich die mit zunehmender Stufenzahl verringerende vertikale Augenöffnung auf die Qualität der Übertragung, d. h. das SignalRausch-Verhältnis, auswirkt. Die Rauschleistung am Entscheidereingang bleibt unverändert, da sich die belegte Bandbreite nicht ändert. Diese Abhängigkeiten sollen im Folgenden mit den bekannten systemtheoretischen und mathematischen Mitteln eingehend beschrieben und untersucht werden.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

2.3.2

173

Modell des mehrstufigen Basisband-Übertragungssytems

Das Modell für die Basisbandübertragung ist im Hinblick auf die Mehrstufigkeit zu ergänzen: Abb. 2.60 zeigt das Blockschaltbild des Basisbandübertragungssystems. Es wurden im Sender die Komponente Mehrstufencodierer und im Empfänger die korrespondierende Komponente Mehrstufendecodierer hinzugefügt. Der Mehrstufencodierer nimmt eine Umsetzung einer Gruppe von Bits in ein Symbol vor, dass einem s-stufigen Alphabet entstammt. Die Stufenzahl s der Übertragung wird vorteilhaft oft als Zweierpotenz gewählt, da dann praktisch eine einfache Bit-Symbol-Zuordnung der zweiwertigen Bits zu den s-wertigen Symbolen möglich ist. Der Mehrstufendecodierer macht diese Zuordnung nach der Entscheidung im Empfänger wieder rückgängig und ordnet dem empfangenen und entschiedenen Symbol eine Bitsequenz zu, so dass der Senke eine Bitfolge zur Nutzung oder ggf. zur weiteren Verarbeitung übergeben werden kann. Der Entscheider hat nun die Aufgabe zu entscheiden, welches der s verschiedenen Zeichen gesendet wurde. Zuvor – bei der zweistufigen Übertragung – brauchte er nur zu entscheiden, ob eine  0 oder eine  1 gesendet wurde. Alle anderen Komponenten des Übertragungssystems sind schon aus den vorhergehenden Abschnitten bekannt. Abb. 2.60 zeigt das mehrstufige Basisbandübertragungssystem: Die zu übertragende digitale Nachricht liegt im Allgemeinen zunächst in Form einer Folge b(k) von zweiwertigen Signalen (Bits) mit den Elementen b[k] ∈ {0, 1} vor, die durch eine Zuordnungsvorschrift in eine s-stufige Quellensymbolfolge a(k) überführt wird.14 Diese als redundanzfrei vor-

Abb. 2.60 Übertragungssystem der mehrstufigen Nachrichtenübertragung im Basisband 14 Bei gerader Stufenzahl s entstammen die (dimensionslosen) Amplitudenkoeffizienten a[k]

dem Wertevorrat {±1, ±3, . . . , ±(s − 1)}, während bei ungerader Stufenzahl a[k] {0, ±2, ±4, . . . , ±(s − 1)} gilt.



174

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

ausgesetzte Quellensymbolfolge wird physikalisch durch das Quellensignal u q (t) = Us Ts

+∞ 

a[k] · δ(t − k Ts )

(2.190)

k=−∞

repräsentiert: Die digitale Quelle gibt im Symbolabstand Ts mit dimensionslosen Koeffizienten a[k] gewichtete Dirac-Stöße Us Ts δ(t) ab; Us bezeichnet die halbe Stufenamplitude. Am Ausgang des Sendefilters G s ( f ) = F {gs (t)} liegt das spektral und leistungsmäßig für die Übertragung auf dem Übertragungskanal geeignete Sendesignal u s (t) = Us Ts

+∞ 

a[k] · gs (t − k Ts )

(2.191)

k=−∞

vor. Das am Empfängereingang eintreffende Signal setzt sich additiv aus dem Nutzsignal am Sendefilterausgang und dem gaußverteilten Störsignal n(t) zusammen. Das Empfangsfilter mit der Übertragungsfunktion G e ( f ) = F {ge (t)} dient der Formung des Empfangsgrundimpulses sowie der Begrenzung der Rauschleistung. Am Ausgang des Gesamtkanals H ( f ) = Gs( f ) · Ge( f )

•−◦

h(t) = gs (t) ∗ ge (t),

(2.192)

zu dem alle Stufen des Senders, des physikalischen Übertragungskanals und des Empfängers zählen, die das ursprüngliche Quellensignalspektrum verformen, liegt das Empfangsnutzsignal +∞  u e (t) = Us Ts a[k] · h(t − k Ts ) (2.193) k=−∞

vor. Nach einer Abtastung am Empfangsfilterausgang im Symbolabstand Ts erfolgt die Erkennung. Der Abtasttakt wird durch eine empfangsseitige Taktgewinnung aus der empfangenen Impulsfolge bestimmt; im Weiteren wird der Abtasttakt als im Empfänger bekannt vorausgesetzt (ideale Taktsynchronisation). Die geschätzte Empfangssymbolfolge a(k) ˆ wird ˆ abschließend in die rekonstruierte Empfangsbitfolge b(k) umgesetzt. Bei dieser Art der Darstellung und Modellierung des Signals erhält man eine bipolare15 Übertragung mit den Amplitudenstufen ±Us , ±3Us , . . . , ±(s − 1)Us , so dass Us als halbe Stufenamplitude bezeichnet wird. Eine geeignete und gebräuchliche Darstellung ist das in Abb. 2.61 abgebildete Signalraumdiagramm: Ein Signalraumdiagramm ist eine Darstellung, bei der die möglichen Sendeamplitudenstufen – meist als Punkte – dargestellt sind, um einen Überblick über die Anzahl und die Anordnung dieser Amplitudenstufen zu erhalten. Die einzelnen Elemente u q [k] des Quellensignals nach (2.190) erhält man über die Mulitplikation 15 Bei einer bipolaren Übertragung werden Amplitudenstufen bzw. Spannungszustände mit beiden

Polaritäten verwendet, d. h. die Sendesignale werden – je nach Symbol – mit positiver oder negativer Spannung gesendet (im Gegensatz zur unipolaren Übertragung). Die Amplitudenstufen liegen üblicherweise symmetrisch zur horizontalen Achse und damit zu 0 V.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

175

Abb. 2.61 Signalraumdarstellung einer s-stufigen Basisband-Konstellation

Abb. 2.62 Mehrstufige Sendesignale bei Basisbandübertragung (Beispiele: s = 2 und s = 4 bei konstanter Bitfolgefrequenz und vorgegebenem maximalem Aussteuerbereich im Sender)

der jeweiligen Symbole a[k] mit der halben Stufenamplitude Us entsprechend u q [k] = Us · a[k],

(2.194)

mit a[k] ∈ {±1, ±3, . . . , ±(s − 1)}. Eine biplore Übertragung kann gegenüber einer unipolaren Übertragung praktische Vorteile haben, z. B. hinsichtlich der aufzuwendenden mittleren Sendeleistung oder der Gleichsignalfreiheit. Abb. 2.62 zeigt beispielhaft Sendesignalausschnitte für zwei- und vierstufige Übertragung mit NRZ-Rechteckimpulsen bei angenommenem gleichem Aussteuerbereich, der von Amin = −(s − 1)Us bis Amax = (s − 1)Us reicht. Es wird anschaulich deutlich, dass unter der Voraussetzung gleicher Bitrate bei höherer Stufenzahl die Dauer der Symbole vergrößert wird, jedoch der Abstand der einzelnen Amplitudenstufen, der für die Zuverlässigkeit der Entscheidung am Erkennungspunkt wichtig ist, sich verkleinert. Diese qualitativen Erkenntnisse sollen nun allgemein und mathematisch gefasst werden: Die Taktfrequenz f T , mit der Symbole ausgesendet werden, ist abhängig von der Stufenzahl s und steht über fB (2.195) fT = ld(s) mit der Bitfolgefrequenz f B in Beziehung. Dabei bezeichnet ld(s) den dyadischen Logarithmus, also den Logarithmus zur Basis 2: ld(s) = log2 (s). Die Dauer eines Symbols Ts = 1/ f T und die Bitdauer Tb = 1/ f B sind daher über Ts = Tb · ld(s) miteinander verknüpft.

(2.196)

176

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Für die eingangs des Abschnitts zur Mehrstufigkeit beschriebenen Fälle, in denen die mehrstufige Übertragung vorteilhaft eingesetzt werden kann, lassen sich die Bedingungen nun exakter angeben: • Bei konstanter Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B ist die Bitdauer Tb = 1/ f B konstant. • Bei einer konstanten Symbolrate bzw. Taktfrequenz f T ist die Symboldauer Ts = 1/ f T konstant. Diese Größen sind austauschbar und können über (2.195) ineinander überführt werden.

2.3.3

Bewertung des Nutzsignals bei mehrstufiger Übertragung

Das Nutzsignal wird auf seinem Weg bis zum Erkennungspunkt durch die Kettenschaltung von Sendefilter und Empfangsfilter H ( f ) = Gs( f ) · Ge( f )

(2.197)

bewertet. Durchläuft ein Dirac-Stoß xq (t) = Us Ts δ(t) ◦−• X q ( f ) = Us Ts das Sendefilter gs (t), erhält man den Sendegrundimpuls xs (t) = xq (t) ∗ gs (t) = Us Ts gs (t) ◦−• X s ( f ) = Us Ts G s ( f ).

(2.198)

Der am Erkennungspunkt vorliegende Empfangsgrundimpuls xe (t) = xq (t) ∗ h(t) = Us Ts h(t) ◦−• X e ( f ) = Us Ts H ( f )

(2.199)

ergibt sich über die Bewertung des Dirac-Stoßes xq (t) = Us Ts δ(t) durch die Kaskade von Sende- und Empfangsfilter (H ( f ) = G s ( f ) · G e ( f )). Setzt man eine redundanzfreie, bipolare Quelle voraus, erhält man ein Augendiagramm, das zur horizontalen Achse – also zur Zeitachse – symmetrisch ist. Sind die Empfangsgrundimpulse xe (t) zudem zeitlich symmetrisch, so entsteht ein Augendiagramm, dass außerdem zur vertikalen Achse – also zur Amplitudenachse – symmetrisch ist. Der optimale Abtastzeitpunkt liegt dann bei TA = 0. Werden s-stufige bipolare Sendesignale mit der halben Stufenamplitude Us verwendet, ergibt sich ein Augendiagramm mit (s − 1) Augen(öffnungen) und (s − 1) Schwellen UE ν (mit ν = −(s/2 − 1), . . . , (s/2 − 1), ν ∈ G). Die Entscheidung über die Symbole geschieht bezüglich der Schwelle UE ν , die in der Mitte zwischen den beiden inneren Linien des ν-ten Auges liegt. Als Maß für die Qualität des Nutzsignals am Erkennungspunkt wird daher auch bei mehrstufiger Übertragung die halbe vertikale Augenöffnung UA genutzt. Abb. 2.63 zeigt ein Augendiagramm mit s = 2 Sendeamplitudenstufen mit verbleibenden Intersymbolstörungen am Erkennungspunkt, das bei NRZ-Rechteckimpulsaussendung und Gauß-Empfangsfilterung entsteht (Beispiel: f G = 0,45/Ts ). In Abb. 2.64 hingegen ist ein

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

Abb. 2.63 Augendiagramm am Erkennungspunkt mit Intersymbolstörungen (s = 2)

177

Us

UA UE 0

−Us TA

Abb. 2.64 Augendiagramm am Erkennungspunkt ohne Intersymbolstörungen (s = 4)

3Us UE 1 Us UE 0 −Us UE −1 −3Us

UA

TA

Augendiagramm mit s = 4 Amplitudenstufen ohne Intersymbolstörungen dargestellt; es wird das erste Nyquist-Kriterium eingehalten: Ein solches Augendiagramm resultiert z. B. bei Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilterung (Beispiel: r = 0,5) und nichtverzerrendem Übertragungskanal. Die inneren Begrenzungslinien eines Auges – insbesondere bei Übertragung mit verbleibenden Intersymbolstörungen, s. Abb. 2.63 – entstehen im Augendiagramm, wenn eine ungünstigste Symbolfolge übertragen wird, bei der im Allgemeinen alle Vor- und Nachläufer der Nachbarimpulse zu einer Verkleinerung des zur Entscheidung am Erkennungspunkt nutzbaren Empfangsabtastwertes im optimalen Abtastzeitpunkt TA beitragen [65]. Zur Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung für den ungünstigsten Fall kann das mittlere Auge mit UE 0 = 0 verwendet werden, da die vertikale Augenöffnung für alle Augen eines mehrstufigen Systems gleich ist [44] und die Bestimmung der halben vertikalen Augenöffnung UA anhand des mittleren Auges die Berechnung oft vereinfacht. Die minimale halbe vertikale Augenöffnung entsteht bei Empfangsgrundimpulsen mit monoton verlaufenden Impulsflanken durch Vergleich eines Abtastwertes des Empfangssignals u e (t) mit der Schwelle UE 0 dann, wenn ein Impuls mit der kleinsten positiven Amplitude xe (0) zwischen vielen aufeinanderfolgenden Impulsen mit der größten negativen Amplitude −xe (0) · (s − 1) erkannt werden soll bzw. umgekehrt ein Impuls mit der kleinsten negativen Amplitude −xe (0) innerhalb einer langen Folge von Impulsen mit der größten positiven

178

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Amplitude xe (0) · (s − 1). Es resultiert in diesem Fall – mit starker Ähnlichkeit zu (2.28) und (2.31) – die halbe vertikale Augenöffnung bei bipolarer, s-stufiger Übertragung: ⎡ ⎤ +∞  ⎢ ⎥ |xe (TA − k Ts )|⎥ (s − 1) · UA = xe (TA ) − ⎢ ⎣ ⎦ − UE 0 .

(2.200)

k=−∞

k =0

Bei bipolarer Übertragung liegt die optimale Schwelle für das mittlere Auge bei UE 0 = 0 und (2.200) vereinfacht sich bei zeitlich – also bezüglich der vertikalen Amplitudenachse – symmetrischem Empfangsgrundimpuls und daraus resultierendem optimalem Abtastzeitpunkt TA = 0 zu [65] ! ∞  |xe (k Ts )| . (2.201) UA = xe (0) − 2 (s − 1) · k=1

Bei zunehmender Stufenzahl s und Vorgabe einer maximalen mittleren Sendeleistung oder einer maximalen Aussteueramplitude des Senders verkleinert sich die vertikale Augenöffnung: Das Nutzsignal am Erkennungspunkt wird empfindlicher gegenüber Störungen. Die vertikale Augenöffnung nimmt bei s-stufiger Übertragung durch Aufteilung in (s − 1) Augen ab [34]; die zur Signalübertragung erforderliche Bandbreite verringert sich nach (2.195) ebenfalls. Beispiel 2.8 (Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung) Es wird ein einfaches Beispiel für die Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung bei bipolarer, s-stufiger Übertragung betrachtet: Der Empfangsgrundimpuls xe (t) ist in Abb. 2.65 dargestellt. Er ist symmetrisch zur vertikalen Achse. Bei Abtastung im Symboltakt weist er einen Hauptwert von xe (0) = Us bei t = 0 auf und zwei Beiträge jeweils mit der Amplitude Us /5 bei ±Ts . Alle anderen Symboltaktabtastwerte sind Null. Bei zweistufiger Übertragung, d. h. s = 2, ergibt sich bei Anwendung von (2.201) ! ∞  |xe (k Ts )| = xe (0) − [2(2 − 1) · xe (Ts )] (2.202) UA = xe (0) − 2 (s − 1) · k=1

und man erhält UA = Us − [2 · 0,2 Us ] = 0,6 Us

(2.203)

als halbe vertikale Augenöffnung. Abb. 2.66 zeigt die praktische Verifikation dieser Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung bei zweistufiger, bipolarer Übertragung: Im ungünstigsten Fall tragen die beiden benachbarten Impulse zur Verkleinerung der vertikalen Augenöffnung bei, d. h., sie treten bei positivem betrachtetem Impuls mit Maximum Us bei t = 0 jeweils bei ±Ts mit negativer Amplitude −Us auf. Auf diese Weise wird die Amplitude von Us bei t = 0 um den

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

179

Abb. 2.65 Dreieckförmiger Empfangsgrundimpuls für das Beispiel zur Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung

Abb. 2.66 Zur Entstehung der halben vertikalen Augenöffnung für den ungünstigsten Fall bei dreieckförmigem Empfangsgrundimpuls (s = 2)

Betrag 2 · 0,2 Us verringert und es resultiert der zuvor berechnete Wert von UA = 0,6 Us als halbe vertikale Augenöffnung. Wählt man demgegenüber eine mehrstufige Übertragung, z. B. mit s = 4 unter sonst gleichen Randbedingungen, ergibt sich auf gleichem Weg ! ∞  |xe (k Ts )| = xe (0) − [2(4 − 1) · xe (Ts )] (2.204) UA = xe (0) − 2 (s − 1) · k=1

und man erhält nun UA = Us − [2 · 3 · 0,2 Us ] = −0,2 Us

(2.205)

als halbe vertikale Augenöffnung: Dies bedeutet, dass das Auge am Erkennungspunkt bereits geschlossen ist. Für s = 4 (und größere Stufenzahlen) ist ein Übertragungssystem mit einem solchen Empfangsgrundimpuls nicht für eine zuverlässige Informationsübertragung geeignet. Abb. 2.67 illustriert das Entstehen der bereits berechneten halben vertikalen Augenöffnung bei vierstufiger, bipolarer Übertragung: Im ungünstigsten Fall tragen die beiden benachbarten Impulse zur maximalen Verkleinerung der vertikalen Augenöffnung bei, d. h., sie treten bei positivem betrachtetem Impuls mit Maximum Us bei t = 0 jeweils bei ±Ts mit größtmöglicher negativer Amplitude, d. h. mit −3 Us , auf. Die Amplitude von Us bei t = 0 wird nun um den Betrag 2 · 3 · 0,2 Us verringert und es ergibt sich der bereits berechnete  Wert von UA = −0,2 Us als halbe vertikale Augenöffnung.

180

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.67 Zur Entstehung der halben vertikalen Augenöffnung für den ungünstigsten Fall bei dreieckförmigem Empfangsgrundimpuls (s = 4)

Im Folgenden werden die beiden Fälle mehrstufiger Basisbandübertragung • mit NRZ-Rechteck-Sendeimpulsen und Empfangsfilterung mit Gauß-Tiefpass und • mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sendeimpulsen und Empfangsfilterung mit WurzelKosinus-Roll-Off-Tiefpass als Beispiele betrachtet. Vertikale Augenöffnung bei mehrstufiger Übertragung mit NRZ-Sendeimpulsen und Gauß-Empfangsfilterung Abb. 2.70 zeigt Augendiagramme bei NRZ-Rechteckimpuls-Sendesignal und GaußEmpfangsfilterung für drei beispielhafte Stufenzahlen und angenommenem gleichem Signalaussteuerbereich. Es wird deutlich, dass sich die halbe vertikale Augenöffnung bei steigender Stufenzahl s verringert. Um die Güte des Nutzsignals zu erfassen, wird die halbe vertikale Augenöffnung bei s-stufiger Übertragung berechnet. Für den Spezialfall der NRZ-Impuls-Aussendung und Empfangsfilterung mit einem Gauß-Tiefpass mit der Grenzfrequenz f G nach (2.85) ist der Empfangsgrundimpuls nach (2.89), nun mit der Amplitude Us , entsprechend 



 Us Ts Ts π fG π fG xe (t) = t+ t− erf √ − erf √ . (2.206) 2 2 2 ln(2) ln(2) am Erkennungspunkt wirksam (s. Abb. 2.68). Die halbe vertikale Augenöffnung nach (2.200) vereinfacht sich für allgemein s-stufige, bipolare Übertragung zu  

π fG Ts − (s − 1) , (2.207) UA = Us s · erf √ ln(2) 2 da bei einer langen Folge positiver oder negativer Sendeimpulse – als Grundlage für die Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung für den ungünstigsten Fall – die Spannung am Erkennungspunkt vollständig auf +(s − 1)Us bzw. −(s − 1)Us einschwingt.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

181

Einschub: Herleitung der halben vertikalen Augenöffnung bei mehrstufiger Übertragung mit NRZ-Sendeimpulsen und Gauß-Empfangsfilterung

Wird ein Gauß-Tiefpass mit einer bipolaren, zufälligen, gleichverteilten NRZRechteckimpulsfolge mit zwei Amplitudenstufen ±Us gespeist, so erhält man am Filterausgang das Augendiagramm nach Abb. 2.63. Die halbe vertikale Augenöffnung UA wird durch die inneren Begrenzungslinien des Augendiagramms bestimmt; für eine Berechnung ist deshalb die Erkennung eines einzelnen positiven Impulses inmitten einer großen Anzahl negativer Impulse (oder umgekehrt) zu betrachten. Für den Spezialfall der Aussendung von NRZ-Impulsen schwingt das Filterausgangssignal bei einer langen Sendeimpulsfolge der Amplitude +Us oder −Us auf jeweils eine konstante Spannung (+Us bzw. −Us ) ein. Bei binärer, bipolarer Übertragung kann mit der Rechteckantwort eines Gauß-Tiefpasses xe (t) nach (2.206) für die halbe vertikale Augenöffnung (2.208) UA = 2 xe (0) − Us geschrieben werden.16 Der Funktionswert xe (0) des Empfangsgrundimpulses (2.206) 



 π fG π fG Us Ts Ts erf √ − erf √ xe (0) = 0+ 0− 2 2 2 ln(2) ln(2) 



π fG π fG Us Ts Ts erf √ − erf √ (2.209) xe (0) = − 2 2 ln(2) 2 ln(2) kann, da erf(x) eine ungerade Funktion ist und damit erf(x) = −erf(−x) gilt (s. Anhang E und z. B. [66]), zu 

 π fG Us Ts 2 · erf √ xe (0) = 2 ln(2) 2

π fG Ts xe (0) = Us erf √ (2.210) ln(2) 2

16 Der Empfangsgrundimpuls (2.206) selbst verläuft amplitudenmäßig zwischen 0 und U (s. s Abb. 2.68); das Sendesignal bei zweistufiger, bipolarer Übertragung jedoch zwischen −Us und +Us (s. z. B. Abb. 2.62), also mit verdoppelter Amplitude. Deshalb ist in (2.208) der Empfangsgrundimpuls zunächst zu verdoppeln, so dass der resultierende Impuls anschließend zwischen 0 und 2 Us verläuft. Um die halbe vertikale Augenöffnung UA zu berechnen, ist die halbe Stufenamplitude Us vom Wert des (verdoppelten) Empfangsgrundimpulses im optimalen Abtastzeitpunkt, also bei t = TA = 0, in (2.208) abzuziehen. Die vertikale Augenöffnung kann nach (2.208) maximal den Wert Us annehmen – bei sehr großer Empfangsfiltergrenzfrequenz f G . Diese Vorgehensweise bei der Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung ist möglich, weil sich das Nutzsignal – und damit das Augendiagramm – bei einer vertikalen Verschiebung betragsmäßig nicht verändert.

182

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.68 Rechteckantwort eines Gauß-Tiefpassfilters (Empfangsgrundimpuls) bei großer ( f G = 1/Ts ) und kleiner ( f G = 0,2/Ts ) Grenzfrequenz

vereinfacht werden. Damit erhält man nach (2.208)

π fG Ts UA = 2 Us erf √ − Us ln(2) 2  

π fG Ts −1 UA = Us 2 · erf √ ln(2) 2

(2.211)

als halbe vertikale Augenöffnung für bipolare Binärübertragung (s = 2). Bei der Erweiterung auf eine s-stufige Übertragung unter sonst gleichen Voraussetzungen wird das mittlere Auge (um die Schwelle UE 0 = 0 V) für die Berechnung herangezogen (Abb. 2.69). Der nun gültige Ansatz UA = s · xe (0) − (s − 1) Us

(2.212)

 

π fG Ts − (s − 1) UA = Us s · erf √ ln(2) 2

(2.213)

führt mit (2.210) auf

als halbe vertikale Augenöffnung nach (2.207) für s-stufige Basisbandübertragung. In Abb. 2.70 sind Augendiagramme einer Basisbandübertragung mit NRZ-Rechtecksendeimpulsen und Gauß-Empfangsfilterung dargestellt: Am Erkennungspunkt verbleiben Intersymbolstörungen, das Auge ist vertikal jeweils nicht voll geöffnet. Außerdem wird deutlich, dass eine zunehmende Stufenzahl s zu einer Verkleinerung der Augenöffnung führt. Für die Darstellung wurde ein jeweils gleicher maximaler Aussteuerbereich von Amin = −(s −1)Us bis Amax = (s − 1)Us für alle Stufenzahlen angenommen. Beispiel 2.9 (Halbe vertikale Augenöffnung bei der Übertragung von bipolaren, s-stufigen NRZ-Rechtecksignalen und Empfangsfilterung durch einen Gauß-Tiefpass) Es soll die halbe vertikale Augenöffnung nach der allgemeinen Beziehung (2.201) berechnet und das Ergeb-

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

183

(s − 1) Us Us UE 0 −Us

UA

−(s − 1) Us TA Abb. 2.69 Zur Berechnung der Augenöffnung bei mehrstufiger Übertragung (Beispiel: s = 4)

Abb. 2.70 Augendiagramme mehrstufiger Signale bei Basisbandübertragung mit verbleibenden Intersymbolstörungen (Beispiele: s = 2 und s = 8)

nis mit der auf anderem Weg erzielten kompakten Formulierung (2.207) für diesen Fall verglichen werden. Der Empfangsgrundimpuls xe (t) nach (2.206) ist nicht-negativ und symmetrisch zur vertikalen Achse. Der optimale Abtastzeitpunkt ist TA = 0 (s. Abb. 2.68). Nach (2.201) ergibt sich ! ! ∞ ∞   |xe (k Ts )| = xe (0) − 2 (s − 1) · xe (k Ts ) , (2.214) UA = xe (0) − 2 (s − 1) · k=1

k=1

unter der Voraussetzung, dass der hier betrachtete Empfangsgrundimpuls und insbesondere dessen Symboltaktabtastwerte nur positive Werte annehmen und damit |xe (k Ts )| = xe (k Ts ) gilt (s. Abb. 2.68). Die ersten der Symboltaktabtastwerte lauten unter Verwendung von (2.206):

184

2 Grundlagen der Basisbandübertragung





 π fG π fG Ts Ts erf √ − erf √ 0+ 0− 2 2 ln(2) ln(2) 



π fG π fG Ts Ts erf √ − erf √ − 2 ln(2) 2 ln(2) 



 π fG π fG Ts Ts erf √ + erf √ ln(2) 2 ln(2) 2 

 π fG Ts Us erf √ ln(2) 2 



 π fG π fG Us Ts Ts erf √ − erf √ Ts + Ts − 2 2 2 ln(2) ln(2) 



 π fG π fG Us 3Ts Ts erf √ − erf √ 2 2 ln(2) ln(2) 2 



 Us Ts Ts π fG π fG 2Ts + 2Ts − erf √ − erf √ 2 2 2 ln(2) ln(2) 



 π fG π fG 5Ts 3Ts Us erf √ − erf √ 2 2 2 ln(2) ln(2) 



 π fG π fG Us Ts Ts erf √ − erf √ 3Ts + 3Ts − 2 2 2 ln(2) ln(2) 



 Us π fG π fG 7Ts 5Ts erf √ − erf √ 2 2 2 ln(2) ln(2)

Us xe (0) = 2 Us = 2 Us = 2 = xe (Ts ) = = xe (2Ts ) = = xe (3Ts ) = = .. ..

Setzt man diese Symboltaktabtastwerte in (2.214) ein, ergibt sich für die halbe vertikale Augenöffnung zunächst UA = xe (0) − 2(s − 1) (xe (Ts ) + xe (2Ts ) + xe (3Ts ) + . . .) 

 π fG Ts − ... UA = Us erf √ ln(2) 2 



Us π fG π fG 3Ts Ts . . . − 2(s − 1) erf √ − erf √ + ... 2 2 ln(2) ln(2) 2



π fG π fG 5Ts 3Ts . . . + erf √ − erf √ + ... 2 2 ln(2) ln(2)



 π fG π fG 7Ts 5Ts . . . + erf √ − erf √ + ... 2 2 ln(2) ln(2) 

 π fG Ts UA = Us erf √ − ... ln(2) 2



π fG π fG 3Ts Ts . . . − (s − 1)Us erf √ − erf √ + ... 2 ln(2) ln(2) 2

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

185



π fG π fG 5Ts 3Ts − erf √ + ... . . . + erf √ 2 2 ln(2) ln(2)



 π fG π fG 7Ts 5Ts . . . + erf √ − erf √ + ... . 2 2 ln(2) ln(2)

Es ist erkennbar, dass aufeinanderfolgende Summanden jeweils gleiche Terme enthalten, die mit unterschiedlichen Vorzeichen behaftet sind, die sich fast alle gegenseitig aufheben, wenn die unendliche Summe fortgesetzt wird. Es verbleiben nur die Terme, die im Argument Ts /2 enthalten, sowie ein weiterer Term, der davon abhängt, wo die unendliche Summe abgebrochen wird. Für ein brauchbares Ergebnis sind hinreichend viele Summanden zu berücksichtigen. Für diesen jeweils letzten verbleibenden Term (hier bei Abbruch der    π fG 7Ts √ ) ist zu beachten, dass dieser bei zunehmendem Summation nach xe (3Ts ): erf 2 ln(2) k in (2.201) gegen 1 strebt, da lim x→∞ erf(x) = 1 gilt (s. Anhang E). Es verbleibt damit lediglich 

 π fG Ts − ... UA = Us erf √ ln(2) 2 ⎡ ⎤



⎢ π fG π fG Ts 7Ts ⎢ ⎥ + erf √ . . . − (s − 1)Us ⎢−erf √ ⎥ ⎣ ⎦ 2 ln(2) 2 ln(2)    ≈1

 



 π fG π fG Ts Ts UA = Us erf √ − (s − 1)Us −erf √ +1 , ln(2) 2 ln(2) 2 so dass



UA = Us erf bzw.



π fG √ ln(2)



Ts 2



+ (s − 1) erf

π fG √ ln(2)



Ts 2



 − (s − 1)

 

π fG Ts UA = Us s · erf √ − (s − 1) ln(2) 2

(2.215)

(2.216)

resultiert. Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem auf anderem Weg erzielten Resultat (2.207) für die halbe vertikale Augenöffnung, wird deutlich, dass beide Wege zu identischen Formulierungen führen.  Vertikale Augenöffnung bei Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sendeimpulsen und WurzelKosinus-Roll-Off-Empfangsfilterung Wird ein s-stufiges, bipolares Basisbandübertragungssystem mit Wurzel-Kosinus-Roll-OffSendeimpulsen und Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Empfangsfilterung verwendet, entsteht eine Gesamtnutzsignalübertragung vom Sendefiltereingang bis zum Empfangsfilterausgang, die das erste Nyquist-Kriterium einhält: Es liegen deshalb zu den Abtastzeitpunkten keine Inter-

186

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.71 Augendiagramme mehrstufiger Signale bei Basisbandübertragung ohne Intersymbolstörungen (Beispiele: s = 2 und s = 8)

symbolstörungen vor und es gilt für die halbe vertikale Augenöffnung UA = Us .

(2.217)

Die gesamte halbe Sendestufenamplitude Us steht am Erkennungspunkt als halbe vertikale Augenöffnung UA zur Entscheidung zur Verfügung. In Abb. 2.71 sind Augendiagramme einer Basisbandübertragung mit Wurzel-KosinusRoll-Off-Sendeimpulsen und ebensolcher Empfangsfilterung dargestellt (jeweils mit dem Roll-Off-Faktor r = 0,5): Am Erkennungspunkt sind keine Intersymbolstörungen im optimalen Abtastzeitpunkt wirksam, das Auge ist vertikal jeweils voll geöffnet. Eine zunehmende Stufenzahl s führt auch hier zu einer Verkleinerung der vertikalen Augenöffnung. Gegenüber Abb. 2.70 ist als Unterschied zu erkennen, dass der Aussteuerbereich, in dem der Empfänger linear arbeiten muss, größer ist als der Bereich von −(s − 1)Us bis (s − 1)Us , da auf Grund der Kosinus-Roll-Off-Bandbegrenzung in Sende- und Empfangsfilter ein Überschwingen der Impulse im Zeitbereich auftritt. Beispiele zum Sendesignal bei mehrstufiger Übertragung Beispiel 2.10 (Sendesignal und Signalraumkonstellation eines rechteckförmigen, zweistufigen und bipolaren Basisbandsignals) Ein Sender sendet ein rechteckförmiges, zweistufiges und bipolares Basisbandsignal u s (t) mit den Amplitudenstufen ± Us und der Impulsbreite Ts aus. Entsprechend der in Abb. 2.72 dargestellten Struktur der Basisbandsendeeinheit gilt für den Symbolvorrat des Quellensignals: u q [k] ∈ {−Us , +Us }. Es sei nun die Datenfolge . . . 1 0 1 . . . zu übertragen und der Verlauf des Basisbandsignals zu skizzieren. Das sich bei rechteckförmiger Impulsformung (s. auch Abb. 2.73), d. h.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

187

Abb.2.72 Basisbandübertragungssystem: Erzeugung des Sendesignals

us (t)

uq (t)

Sender gs (t)

Abb. 2.73 Gewichtsfunktion des Sendefilters gs (t). (Nichtkausale Darstellung)

1/Ts

− T2 " gs (t) =

1/Ts |t| < Ts /2 , 0 sonst

0

+ T2

t

(2.218)

ergebende Sendesignal ist für eine Signalraumkonstellation entsprechend Abb. 2.74 in Abb. 2.75 dargestellt. Die einzelnen Signalpunkte entsprechen im Allgemeinen dem Produkt aus halber Stufenamplitude und zu übertragendem Symbol: Us · a[k]. Wird beispielsweise eine Symboldauer von Ts = 1 ms zugrunde gelegt, so ergibt sich eine Symbolrate von 1000 Symbole/s bzw. eine Symboltaktfrequenz von f T = 1 kHz. Da jedes Symbol bei zweistufiger Übertragung (s = 2) genau ein Bit überträgt, erhält man eine Bitrate von 1000 bit/s bzw. eine Bitfolgefrequenz von f B = f T · ld s = 1 kHz · ld 2 = 1 kHz.  Beispiel 2.11 (Sendesignal und Signalraumkonstellation eines rechteckförmigen, vierstufigen und bipolaren Basisbandsignals) Anstelle eines zweistufigen Eingangsalphabetes mit u q [k] ∈ {−Us , +Us }, wird das in Abb. 2.76 skizzierte vierstufige Eingangsalphabet u q [k] ∈ {−3Us , −Us , +Us , +3Us } zu Grunde gelegt. Die Symboldauer sei wiederum Ts = 1 ms. Es ist nun erneut die Datenübertragungsrate (Bitrate) des Systems zu analysieren. Im Vergleich von Abb. 2.74 mit 2.76 zeigt sich, dass sich nun die Anzahl der Punkte im Signalraum verdoppelt hat. Somit überträgt nun jedes Symbol 2 bit. Da sich die Symboldauer nicht verändert hat, werden auch in diesem Fall 1000 Symbole/s übertragen ( f T = 1 kHz). Allerdings erhöht sich nun die Bitrate auf den Wert 2000 bit/s (Bitfolgefrequenz von f B = f T · lds = 1 kHz · ld4 = 2 kHz) da nun jedes Symbol zwei Bit übertragen kann.

Abb. 2.74 Signalraumkonstellation bei zweistufiger, bipolarer Basisband-Übertragung (s = 2)

188

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.75 Zweistufiges Sendesignal u s (t) bei rechteckförmiger Impulsformung

us (t) +Us 0

Ts

2 Ts

3 Ts

t

−Us

Abb. 2.76 Signalraumkonstellation bei vierstufiger, bipolarer Basisband-Übertragung (s = 4)

Auf Grund der Tatsache, dass sich die Symboldauer nicht verändert hat, belegen beide Basisbandsignale die gleiche Bandbreite. Der Vorteil einer höheren Bitrate wird mit einer höheren Störanfälligkeit erkauft, da sich nun die Abstände zwischen den Signalpunkten verringern, d. h. Us wird bei z. B. gleichem Aussteuerbereich oder gleicher Sendeleistung kleiner (s. z. B. Abb. 2.70 oder Abb. 2.71). 

Mittlere Sendeleistung eines mehrstufigen Basisbandsignals Eine wichtige Kenngröße eines Sendesignals ist seine mittlere Sendeleistung. Sie hängt von der Basisband-Signalkonstellation, also der Anordnung und Anzahl der Amplitudenstufen, sowie von der Sendeimpulsform und damit von der Sendefilterung ab. Zunächst wird der Einfluss der s-stufigen, zufälligen und gleichverteilten Sendesignalamplitudenstufen bei redundanzfreier Quelle auf die Sendeleistung berechnet. Es wird eine s-stufige, bipolare Basisband-Konstellation mit der halben Stufenamplitude Us entsprechend Abb. 2.77 betrachtet. Die mittlere Sendeleistung dieser Konstellation lässt sich als 1

(Us )2 + (3 Us )2 + (5 Us )2 + . . . + ((s − 1) Us )2 s Us2 2 Ps = 2 · 1 + 32 + 52 + . . . + (s − 1)2 s Ps = 2 ·

(2.219)

Abb. 2.77 Signalraumdiagramm zur Berechnung der mittleren Sendeleistung einer BasisbandKonstellation

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

189

formulieren. Dabei wurden lediglich die Signalpunkte bei positiven Amplitudenwerten explizit verwendet; die negativen Signalpunkte können auf Grund der Symmetrie der Anordnung durch Verdopplung des auf diese Weise berechneten Wertes berücksichtigt werden. Die Beziehung (2.219) lässt sich als s/2 2 Us2  (2ν − 1)2 Ps = s

f¨ur s gerade

(2.220)

ν=1

ausdrücken. Sie enthält die Summe der Folge der ungeraden natürlichen Zahlen mit der allgemeinen Lösung [11, 74] n 

(2k − 1)2 =

k=1

n(4n 2 − 1) . 3

(2.221)

Mit der hier gültigen oberen Grenze der Summe n=

s 2

(2.222)

erhält man die in (2.220) benötigte Lösung     s s 2 s/2 4 − 1   2 2 4  s 3 1 s 1 3 (2ν − 1)2 = − = = s −s . 3 3 2 32 6

(2.223)

ν=1

Damit ergibt sich die mittlere Sendeleistung der s-stufigen Basisband-Konstellation als   2 Us2 1  3 2 Us2 s  2 · s −s = · s −1 s 6 s 6  U2  Ps = s s 2 − 1 . 3

Ps =

(2.224)

Berücksichtigt man nun auch die Sendefilterung G s ( f ), ergibt sich mit dem Leistungsdichtespektrum des Sendesignals [26, 65] s ( f ) =

 Us2 Ts  2 s − 1 |G s ( f )|2 . 3

(2.225)

die tatsächliche (systemtheoretische) mittlere Sendeleistung zu [65] Ps =

+∞ +∞  U 2 Ts  2 s ( f ) d f = s |G s ( f )|2 d f . s −1 3

−∞

(2.226)

−∞

Für die mittlere Sendeleistung von Sendesignalen am Ausgang des Sendefilters G s ( f ) wird nach (2.226) noch der multiplikativ durch die Impulsformung hinzutretende Anteil

190 +∞ . −∞

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

|G s ( f )|2 d f benötigt. Dieser beträgt bei NRZ-Rechteckimpulsformung oder bei

Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filterung +∞ 1 |G s ( f )|2 d f = , Ts

(2.227)

−∞

so das sich die Sendeleistung nach (2.224)  1  Us2 Ts  2 U2  = s s2 − 1 s −1 · 3 Ts 3

Ps =

(2.228)

ergibt. Für ein NRZ-Sendesignal lässt sich dies unter Verwendung des Parsevalschen Theorems (z. B. [48]) über +T 2 +∞ +∞  s /2, ,2 ,1, 1 1 2 2 , , |G s ( f )| d f = |gs (t)| dt = · Ts = , T , dt = T T s s s

−∞

−∞

(2.229)

−Ts /2

vergleichsweise einfach im Zeitbereich nachweisen, während es für Wurzel-Kosinus-RollOff-Sendeimpulse auf dem gleichen Weg gezeigt werden kann, wie bei der Filterung von weißem Rauschen mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Empfangstiefpass, das zum Ergebnis (2.109) führt (hier in der Rechnung für r = 0):17 +∞ ∞ 2 |G s ( f )| d f = 2 |G N ( f )| d f −∞

0 fT /2

= 2 0

  fT /2   fT 1 fT 12 d f = 2 f = 2 −0 =2 = fT = . 2 2 T s 0

Im Ergebnis entspricht die mittlere Sendeleistung von Sendesignalen mit einer NRZRechteckimpulsformung oder mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filterung der nach (2.224) berechneten mittleren Sendeleistung der s-stufigen Konstellation. Die mittlere Sendeleistung lautet letztlich

17 Die Berechnung wird hier konkret für den Roll-Off-Faktor r = 0 gezeigt, ist jedoch für alle

Roll-Off-Faktoren r = 0 . . . 1 gültig: Für die Berechnung ist das Betragsquadrat der Sendefilterübertragungsfunktion |G s ( f )|2 relevant und bei Wurzel-Kosinus-Roll-Filter mit der reellen Übertragungs,√ ,2  √ 2 √ |G N ( f )| = |G N ( f )| = G N ( f ): Wegen der funktion G N ( f ) gilt |G s ( f )|2 = , G N ( f ), = zuvor bereits erklärten Punktsymmetrie der Filterflanken von G N ( f ) ist das Ergebnis von (2.227) und damit die Sendeleistung unabhängig vom Roll-Off-Faktor r .

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

Ps =

191

 Us2  2 s −1 . 3

(2.230)

Einschub: Beziehung zwischen mittlerer Sendeleistung und Aussteuerbereich des Senders

Da nun die Sendeleistung mehrstufiger Basisbandsignale erarbeitet worden ist, soll noch die Beziehung zum von Amin = −(s − 1)Us bis Amax = (s − 1)Us reichenden Aussteuerbereich des Senders hergestellt werden, auf den z. B. bei der Darstellung des Augendiagramms in Abb. 2.70 Bezug genommen wurde. Strenggenommen gilt dieser Aussteuerbereich für Sendeimpulse ohne Überschwingen, also z. B. für NRZ-Rechteckimpulse; für Sendeimpulse mit überschwingenden Anteilen – wie z. B. Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Impulsen – ist dieses Überschwingen mit zu berücksichtigen, und es hängt zusätzlich vom Roll-Off-Faktor r ab. Derartige überschwingende Sendeimpulse werden wird in dieser einführenden Betrachtung bezüglich des maximalen Aussteuerbereiches nicht analysiert. Für die hier angegebene Rechnung werden überschwingfreie Sendeimpulse vorausgesetzt. Es wird zunächst am Beispiel des positiven Maximalwertes Amax = (s − 1)Us gerechnet, dieser nach der halben Stufenamplitude Us = Amax /(s − 1) umgestellt und in (2.230) eingesetzt. Man erhält Ps =

 A2max  2 s −1 . 2 3(s − 1)

(2.231)

Unter Benutzung der binomischen Formel a 2 − b2 = (a + b)(a − b) kann s 2 − 1 = (s + 1)(s − 1) geschrieben werden und es ergibt sich Ps =

A2max A2max (s + 1) (s − 1) = (s + 1) . 3(s − 1)(s − 1) 3(s − 1)

(2.232)

Die Sendeleistung Ps kann demnach in Abhängigkeit von der maximalen Aussteueramplitude Amax ausgedrückt werden als Ps =

A2max (s + 1) 3 (s − 1)

(2.233)

und da Amax und Amin bei bipolarer Übertragung zur horizontalen Achse symmetrisch liegen, d. h. es gilt Amin = −Amax , lässt sich auch Ps =

A2min (s + 1) 3 (s − 1)

(2.234)

192

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

angeben. Umgekehrt lassen sich maximale bzw. minimale Aussteueramplitude als Funktion der Sendeleistung schreiben: ( ( (s − 1) (s − 1) Amax = + 3Ps bzw. Amin = − 3Ps . (2.235) (s + 1) (s + 1)

2.3.4

Bewertung der Störung bei mehrstufiger Übertragung

Das Störsignal n(t) wird auf dem Weg bis zum Erkennungspunkt im Gegensatz zum Nutzsignal lediglich durch das Empfangsfilter G e ( f ) bewertet (s. Abb. 2.60) und führt auch bei mehrstufiger Übertragung auf das Quadrat des Effektivwertes UR des Rauschsignals als Rauschleistung nach (2.53). Durch die Abhängigkeit der Symboltaktfrequenz f T von der Stufenzahl s nach (2.195) erhält man bei z. B. konstanter Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B und steigender Stufenzahl s eine abnehmende Taktfrequenz f T , so dass dann die Empfangsfilterbandbreite abnimmt – und damit letztlich die am Erkennungspunkt wirksame Rauschleistung UR2 sinkt.

2.3.5

Güte der Übertragung: Signal-Rausch-Verhältnis

Die Güte bzw. Qualität der Übertragung wird wieder durch das Signal-Rausch-Verhältnis nach (2.60) beschrieben. Die diskutierten Abhängigkeiten des Nutzsignals und der Störung von der Stufenzahl s werden durch die Berechnung der Augenöffnung und der Rauschleistung erfasst, so dass die Definition des Signal-Rausch-Verhältnisses beibehalten werden kann und auch für den Fall mehrstufiger Übertragung gültig ist. Bei den Überlegungen zur Abhängigkeit der Qualität der Übertragung von der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g war eine gegenläufige Abhängigkeit der Übertragungsgüte von dieser Grenzfrequenz deutlich geworden: Nimmt f g zu, so vergrößert sich die halbe vertikale Augenöffnung UA des Nutzsignals am Erkennungspunkt und auch die Rauschleistung UR2 – diese Abhängigkeiten verursachen die gegenläufige Abhängigkeit der Übertragungsqualität über Augenöffnung und Rauschleistung vom betrachteten Parameter f g . Setzt man beispielsweise eine gleiche Bitfolgefrequenz f B voraus, verhält es sich mit der Abhängigkeit der Übertragungsgüte von der Stufenzahl s ähnlich: Hier verkleinert sich bei zunehmender Stufenzahl s die halbe vertikale Augenöffnung UA einerseits und die Rauschleistung UR2 andererseits – und es resultiert wieder eine gegenläufige Abhängigkeit der Übertragungsqualität über Augenöffnung und Rauschleistung vom nun betrachteten Parameter s. Diese Abhängigkeiten werden jeweils vom Signal-Rausch-Verhältnis nach (2.60) erfasst und abgebildet.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

193

Die aus dem Signal-Rausch-Verhältnis resultierende Fehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstufiger Übertragung wird im folgenden Abschnitt berechnet.

2.3.6

Fehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstufiger Basisbandübertragung

Nachdem die Gütekriterien Signal-Rausch-Verhältnis und Fehlerwahrscheinlichkeit für eine zweistufige – d. h. binäre – Übertragung eingeführt und eingehend analysiert wurden, soll in diesem Abschnitt eine Erweiterung insbesondere des Gütekriteriums Fehlerwahrscheinlichkeit auf höherstufige Verfahren vorgenommen werden (s. z. B. [26, 52]). Das SignalRausch-Verhältnis ist, wie im vorhergehenden Abschnitt diskutiert, auch für mehrstufige Übertragung geeignet. Zur Bestimmung der Fehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstufiger Basisbandübertragung wird aus Symmetriegründen nur der Bereich positiver Amplituden zur Berechnung herangezogen. Man erhält beispielsweise für s = 4 ⎤ ⎡ ∞ 2Us ∞ 1⎢ ⎥ (2.236) p(u − 3Us ) du + p(u − Us ) du ⎦ Pf = 2 ⎣ p(u + Us ) du + s −∞

0

2Us

und allgemein ⎡∞  2Us 1⎣ Pf = 2 p(u + Us ) du + p(u − 3Us ) du + . . . s −∞ 0 ⎤ ∞ ⎥ ... + p(u − (s − 3)Us ) du ⎦ ,

(2.237)

(s−2)Us

wenn die höchste Amplitudenstufe (s − 1)Us beträgt (Abb. 2.78). Es wird dabei angenommen, dass nur Signale unmittelbar benachbarter Amplitudenstufen zu Fehlentscheidungen führen; der Einfluss weiter entfernt liegender Amplitudenstufen wird vernachlässigt. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass bei praktisch nutzbaren Übertragungssystemen die Rauschleistung – und damit die Breite der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen des Störsignals – hinreichend klein im Verhältnis zum Abstand der Amplitudenstufen sein muss, damit ein brauchbares Signal-Rausch-Verhältnis resultiert. Aufgrund der Symmetrie aller Gauß’schen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen, d. h. bei gleicher Rauschleistung für alle Amplitudenstufen, erhält man mit $ ∞ 1 (2.238) p(u) du = erfc 2 2 Us

194

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

p(u)

−3Us

−Us −2Us

Us 0

3Us

u

2Us

Abb. 2.78 Zur Berechnung der Fehlerwahrscheinlichkeit mehrstufiger Basisbandübertragung (Beispiel: s = 4)

Abb. 2.79 Basisband-Konstellation (Beispiel: s = 8) mit Gray-Codierung

– bei Beachtung der Tatsache, dass (s − 1) dieser Integrale auftreten (s. z. B. (2.236)) – die Symbolfehlerwahrscheinlichkeit s-stufiger Basisbandübertragung als $ 1 1 Pf = 2 · · (s − 1) · erfc s 2 2 $ s−1 . (2.239) Pf = erfc s 2 Der Zusammenhang von Symbol- und Bitfehlerwahrscheinlichkeit wird wesentlich durch die Art der Bit-Symbol-Zuordnung bestimmt. Wird dabei beispielhaft eine Gray-Codierung [6] vorausgesetzt, unterscheiden sich benachbarte Sendesymbole durch ein Bit, so dass der wahrscheinlichste Symbolfehler – die Fehlinterpretation eines empfangenen Symbols als benachbartes Sendesymbol – zu einem Bitfehler führt [5]. Bei Einsatz einer Gray-Codierung18 unterscheiden sich benachbarte Sendesymbole nur in einer Bitposition. Abb. 2.79 veranschaulicht beipielhaft das sich ergebende Signalraumdiagramm für den Fall s = 8. Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit ist dann für hinreichend große Signal-RauschVerhältnisse , die auf einen Bitfehler je auftretendem Symbolfehler führen, um ld(s) niedriger, als die Symbolfehlerwahrscheinlichkeit, und es resultiert  $  $ Pf s−1 s−1 Pb = = 1 − erf = erfc . (2.240) ld(s) s ld(s) 2 s ld(s) 2

18 Frank Gray (1887–1969), US-amerikanischer Physiker.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

2.3.7

195

Verschiedene Definitionen von Signal-Rausch-Verhältnissen und ihre Beziehung zur Fehlerwahrscheinlichkeit

Einleitung und Grundlegendes Die bisherigen Betrachtungen haben gezeigt, dass bei unveränderter Struktur der Sendereinheit die Empfangsfilterung auf unterschiedliche Größen bezüglich und Pf bzw. Pb führt. Dieser Umstand ist insbesondere bei mehrstufiger Übertragung von Interesse und kritisch für die Bewertung der Leistungsfähigkeit von Übertragungsverfahren. Die erreichbare Übertragungsqualität hängt von sehr vielen Parametern ab, die sich in vielen Fällen darüber hinaus gegenseitig beeinflussen. Ziel einer Analyse bzw. Optimierung ist es, Aussagen zu treffen, wie ein Übertragungssystem auszulegen ist, damit es untergegebenen Randbedingungen möglichst leistungsfähig ist. Dazu ist ein fairer und aussagekräftiger Vergleich von Übertragungsverfahren und -systemen unverzichtbar. Dabei sind die folgenden Parameter zu berücksichtigen: • Sendeleistung: Die Sendeleistung beeinflusst direkt die halbe vertikale Augenöffnung. Insofern ist eine höhere Sendeleistung für eine verbesserte Übertragungsqualität hilfreich, da sich in diesem Fall der Abstand zwischen den Signalpunkten vergrößert und die Störempfindlichkeit unter Rauscheinfluss abnimmt. • Symbol- und Bitfolgefrequenz: Die Symbolfolge- oder Taktfrequenz f T bestimmt gemeinsam mit dem eingesetzten Sendefilter maßgeblich die zur Übertragung benötigte Bandbreite. Aus Symbolfolgefrequenz und Stufigkeit s des Verfahrens ergibt sich die Bitfolgefrequenz f B . • Rauschleistungsdichte der Störquelle: Außerdem ist die Intensität der Störung beim Vergleich verschiedener Übertragungsverfahren zu berücksichtigen. Sie wird üblicherweise als Rauschleistungsdichte 0 der Störquelle angegeben. Definition von Vergleichskriterien Für die Beschreibung der Leistungsfähigkeit von digitalen Übertragungssystemen wird auf Gütekriterien zurückgegriffen. Dabei werden unterschiedliche Definitionen verwendet. Neben dem in Gl. (2.60) definierten Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt bzw. am Empfängerausgang haben sich die Quotienten am Empfängereingang s =

Symbolenergie Es = Rauschleistungsdichte 0

(2.241)

b =

Bitenergie Eb = Rauschleistungsdichte 0

(2.242)

und

als nützliche Kriterien für den Vergleich von digitalen Übertragungsverfahren erwiesen. Sie stellen jeweils ein Verhältnis einer Nutzsignalenergie (Symbol- bzw. Bitenergie) und einer Rauschleistungsdichte dar und sind deshalb dimensionlose Größen. Sie treten am Eingang

196

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

des Empfängers, z. B. vor dem Empfangsfilter, auf. Sie setzen jeweils die am Empfängereingang anliegende Signalenergie (Bit- oder Symbolenergie) zur Rauschleistungsdichte ins Verhältnis und geben unmittelbar keine Auskunft über die zu erwartende Qualität der Übertragung. Sie können jedoch vorteilhaft für die Bewertung von digitalen Übertragungsverfahren eingesetzt werden – z. B. bei vorgegebenen Eigenschaften des Senders wie Sendeleistung und konstanter Bitfolge- bzw. Taktfrequenz und der Störung in Form der Rauschleistungsdichte. So kann bei gegebener Signalenergie das Empfangssignal starke oder auch schwache Signalverzerrungen auf dem Übertragungsweg erfahren haben; allein die Qualität der nachfolgenden Signalverarbeitung (Art der Empfangsfilterung und gegebenenfalls die sich anschließende diskrete Signalverarbeitung) bestimmen die Güte der Übertragung. Dagegen beschreibt das Signal-Rausch-Verhältnis in der Definition nach (2.60) die zu erwartende Qualität der Übertragung – es wird zur Unterscheidung auch als Detektionssignal-Störleistungsverhältnis bezeichnet, da es am Erkennungspunkt bei der Detektion wirksam ist. Es tritt z. B. im Argument der komplementären Fehlerfunktion zur Berechnung der Symbol- und Bitfehlerwahrscheinlichkeit, z. B. nach (2.80) und (2.240) auf – und es kann direkt zur Beschreibung der Qualität der Übertragung genutzt werden. In Abb. 2.80 ist dargestellt, wo im Übertragungssystem die einzelnen Signal-RauschVerhältnisse jeweils definiert sind. Möchte man unter den gegebenen Bedingungen das größtmögliche ausgangsseitige Signal-Rausch-Verhältnis erhalten, so muss bei Störung durch additives, weißes gaußverteiltes Rauschen das Empfangsfilter nach dem Matched-Filter-Prinzip ausgelegt sein. Es ist dabei zusätzlich von Interesse, ob die resultierende Gesamtimpulsantwort des Übertragungssystems das erste Nyquist-Kriterium erfüllt.

Beispiel 2.12 (Signal-Rausch-Verhältnis-Definitionen bei zweistufiger Übertragung) Bei intersymbolinterferenzfreiem Empfangssignal am Erkennungspunkt, d. h. am Empfangsfilterausgang, gilt (2.243) UA = Us , eingangsseitiges Signal-Rausch-Verhältnis s

uq (t)

Gs (f)

us (t)

bzw

ausgangsseitiges Signal-Rausch-Verhältnis

=

b

Ge (f)

U2A U2R

ˆa(k)

ue (t) Detektor

n(t) Erkennungspunkt

Abb. 2.80 Zur Definition der Signal-Rausch-Verhältnisse

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

Abb. 2.81 Sendesignal u s (t) bei rechteckförmiger Impulsformung

197

us (t) +Us 0

Ts

2 Ts

3 Ts

t

−Us

d. h., die halbe vertikale Augenöffnung UA entspricht der halben Sendestufenamplitude Us . Zusammen mit der nach Empfangsfilterung im Abtastzeitpunkt wirksamen Rauschleistung UR2 nach (2.53) ergibt sich das Signal-Rausch-Verhältnis nach (2.60) mit (2.243) zu =

UA2 UR2

=

Us2 Ts Es = , 0 0

(2.244)

das mit der Symbolfehlerwahrscheinlichkeit Pf bei redundanzfreier Quelle für s-stufige Basisbandübertragung über  $  s−1 1 − erf (2.245) Pf = s 2 verknüpft ist [65]. Dabei entspricht der Zähler in (2.244) in der Form Us2 Ts mit Blick auf Abb. 2.81 der Symbolenergie E s = Ps Ts , die im Fall einer zweistufigen Übertragung mit der Bitenergie übereinstimmt (d. h. E s = E b für s = 2). Das Signal-Rausch-Verhältnis am Empfangsfilterausgang (d. h. das DetektionssignalStörleistungsverhältnis) stimmt dann betragsmäßig mit dem Signal-Rausch-Verhältnis am Empfangsfiltereingang überein. In diesem Fall kann die gesamte am Empfängereingang anliegende Symbolenergie zur Entscheidung am Erkennungspunkt genutzt werden.  Vergleich von mehrstufigen Übertragungsverfahren Im Folgenden sollen digitale Übertragungsverfahren bei verschiedenen Stufenzahlen miteinander verglichen werden. Es wird diskutiert, welches der definierten eingangsseitigen Signal-Rausch-Verhältnisse jeweils unter welchen Bedingungen geeignet ist. Vergleich bei gleicher Taktfrequenz Werden digitale Übertragungsverfahren bei gleicher Taktfrequenz f T und damit bei festem s verglichen, so gilt nach (2.241) s =

Es Ps · Ts = . 0 0

(2.246)

198

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Es wird dann für alle Verfahren eine feste (konstante) Sendeleistung Ps , eine konstante Symboldauer Ts und eine konstante Rauschleistungsdichte 0 vorausgesetzt, d. h. die Eigenschaften der Sendeeinheit und der Rauschquelle sind konstant. Die Verwendung von s ist damit an eine konstante Symbolrate bzw. Taktfrequenz f T gebunden. Beispiel 2.13 (Vergleich von Übertragungsverfahren bei gleicher Symboltaktfrequenz f T ) Es sollen zwei Übertragungsverfahren mit verschiedenen Stufenzahlen verglichen werden und es soll untersucht werden, wie sich die Nutzung von s entsprechend (2.241) und b nach (2.242) dabei auswirken. Verfahren I: Ts = 1 ms, s = 2, =⇒ Tb 1 = Ts /ld 2 = Ts = 1 ms, damit ergibt sich eine Bitfolgefrequenz von f B 1 = 1/Tb 1 = 1 kHz Verfahren II: Ts = 1 ms, s = 4, =⇒ Tb 2 = Ts /ld 4 = Ts /2 = 0,5 ms, damit ergibt sich eine Bitfolgefrequenz von f B 2 = 1/Tb 2 = 2 kHz Die eingangsseitigen Signal-Rausch-Verhältnisse werden nun für Verfahren I s 1 =

Es 1 Ps 1 · Ts = 0 0

(2.247)

s 2 =

Es 2 Ps 2 · Ts = . 0 0

(2.248)

und für Verfahren II

Sollen nun die beiden Verfahren bei gleichem E s /0 verglichen werden – was z. B. bei der Ermittlung der Symbol- oder Bitfehlerwahrscheinlichkeit sinnvoll sein kann –, so wird deutlich, dass dann die Sendeleistung in beiden Fällen identisch sein müssen und es gilt Ps 1 = Ps 2 : Dies ist eine sinnvolle Bedingung für einen fairen Vergleich. Es ist jedoch zu beachten, dass mit unterschiedlichen Bitfolgefrequenzen (Bitraten) f B 1 und f B 2 übertragen wird. Würde der Vergleich beider Verfahren auf der Basis der Größe b ausgeführt, so ergäben sich für Verfahren I Eb 1 Ps 1 · Tb 1 = (2.249) b 1 = 0 0 und für Verfahren II b 2 =

Eb 2 Ps 2 · Tb 2 = . 0 0

(2.250)

Es müsste dann bei Gleichheit von b 1 und b 2 gelten Ps 1 · Tb 1 = Ps 2 · Tb 2 = Ps 2 ·

Tb 1 2

=⇒

Ps 2 = 2 Ps 1 .

(2.251)

Bei einem Vergleich auf der Basis von b = E b /0 bei konstanter Taktfrequenz f T enthielte Verfahren II die doppelte Sendeleistung von Verfahren I: Daher ist auf dieser Grundlage kein fairer Vergleich möglich. 

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

199

Vergleich bei gleicher Bitfolgefrequenz Möchte man demgegenüber Verfahren auf Basis einer konstanten Bitrate f B vergleichen, so ist der Quotient b =

Eb Ps · Tb = 0 0

(2.252)

nach (2.242) zu verwenden. Damit werden für alle Verfahren eine feste (konstante) Sendeleistung Ps , eine konstante Bitdauer Tb und eine konstante Rauschleistungsdichte 0 vorausgesetzt, d. h. die Eigenschaften der Sendeeinheit und der Rauschquelle sind konstant. Die Verwendung von b ist damit an eine konstante Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B gebunden. Beispiel 2.14 (Vergleich von Übertragungsverfahren bei gleicher Bitfolgefrequenz f B ) Es sollen zwei Übertragungsverfahren mit verschiedenen Stufenzahlen verglichen werden und es soll untersucht werden, wie sich die Nutzung von s und b dabei auswirken. Verfahren I: Tb = 1 ms, s = 2, =⇒ Ts 1 = Tb · ld 2 = Tb = 1 ms, damit ergibt sich eine Symbolfolgefrequenz von f T 1 = 1/Ts 1 = 1 kHz Verfahren II: Tb = 1 ms, s = 4, =⇒ Ts 2 = Tb · ld 4 = Tb · 2 = 2 ms, damit ergibt sich eine Symbolfolgefrequenz von f T 2 = 1/Ts 2 = 0,5 kHz Die eingangsseitigen Signal-Rausch-Verhältnisse werden nun für Verfahren I b 1 =

Eb 1 Ps 1 · Tb Tb = = Ps 1 · 0 0 0

(2.253)

b 2 =

Eb 2 Ps 2 · Tb Tb = = Ps 2 · . 0 0 0

(2.254)

und für Verfahren II

Sollen nun die beiden Verfahren bei gleichem E b /0 verglichen werden – was z. B. bei der Ermittlung der Symbol- oder Bitfehlerwahrscheinlichkeit sinnvoll sein kann –, so wird deutlich, dass dann die Sendeleistungen in beiden Fällen identisch sein müssen und es gilt Ps 1 = Ps 2 : Dies ist eine sinnvolle Bedingung für einen fairen Vergleich. Es ist jedoch zu beachten, dass mit unterschiedlichen Symbolfolgefrequenzen (Symbolraten) f T 1 und f T 2 übertragen wird. Dies kann ein wichtiges Kriterium bei z. B. vorgegebener Bandbreite des Übertragungskanals sein. Würde der Vergleich beider Verfahren auf der Basis der Größe s ausgeführt, so ergäben sich für Verfahren I Es 1 Ps 1 · Ts 1 = (2.255) s 1 = 0 0 und für Verfahren II s 2 =

Es 2 Ps 2 · Ts 2 = . 0 0

(2.256)

Es müsste dann bei Gleichheit von s 1 und s 2 gelten Ps 1 · Ts 1 = Ps 2 · Ts 2 = Ps 2 · 2 Ts 1

=⇒

Ps 1 = 2 Ps 2 .

(2.257)

200

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Bei einem Vergleich auf der Basis von s = E s /0 bei konstanter Bitfolgefrequenz f B enthielte Verfahren I die doppelte Sendeleistung von Verfahren II: Daher ist auf dieser Grundlage kein fairer Vergleich möglich.  Verschiedene Definitionen von Signal-Rausch-Verhältnissen und ihre Beziehung zur Fehlerwahrscheinlichkeit Verhältnis von mittlerer Symbolenergie zur Rauschleistungsdichte Es wird vorausgesetzt, dass Übertragungsverfahren mit gleichen Eigenschaften bezüglich der Sendefilterung, der Taktfrequenz f T = 1/Ts und der mittleren Sendeleistung Ps zugrunde gelegt werden. Die Charakteristik von Sende- und Empfangsfilter ist Abb. 2.82 zu entnehmen. Durch die für alle Verfahren zugrunde gelegte gleiche Taktfrequenz f T = 1/Ts ergibt sich für alle Verfahren nach der Empfangsfilterung die gleiche Rauschleistung UR2 = 0

1 . Ts

(2.258)

Eine Erhöhung der Stufenzahl s führt somit bei konstanter Sendeleistung Ps zu einer verkleinerten halben vertikalen Augenöffnung UA am Erkennungspunkt und damit zu einer Verringerung des zur Entscheidung verfügbaren Signal-Rausch-Verhältnisses (s. Abb. 2.86). Die sich mit einer Erhöhung der Stufenzahl in einer gegebenen Kanalbandbreite – bei fester Taktfrequenz f T und damit ebenfalls fester Symboldauer Ts – zu übertragende Bitrate ergibt sich dabei zu (2.259) f B = f T · ld(s). Auf Grund der für alle untersuchten Verfahren konstanten Symboldauer Ts und Sendeleistung Ps , kann das eingangsseitige Signal-Rausch-Verhältnis s nach (2.241 verwendet werden (s. Abb. 2.83). Dieses Signal-Rausch-Verhältnis ist eine Größe, die nach Abb. 2.83 am Eingang des Empfangsfilters wirksam ist und das Verhältnis von dort nutzbarer Energie des Nutzsignalsymbols E s und der Rauschleistungsdichte 0 ist. Es darf nicht mit dem Signal-Rausch-Verhältnis verwechselt werden, das am Erkennungspunkt und damit am Ausgang des Empfangsfilters wirksam ist.

ge (t)

gs (t) 1 Ts

1 Ts

0

Ts

t

0

Ts

Abb. 2.82 Gewichtsfunktionen von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t)

t

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

uq (t)

Gs (f)

201

us(t)

Es /Ψ0 Ge (f)

ue(t)

n(t) Abb. 2.83 Zur Definition des Verhältnisses von mittlerer Symbolenergie zur Rauschleistungsdichte E s /0 am Empfängereingang beim Vergleich verschiedener Basisbandübertragungsverfahren auf Basis einer konstanten Symbolfolgefrequenz bzw. Taktfrequenz f T

Verhältnis von mittlerer Bitenergie zur Rauschleistungsdichte Möchte man demgegenüber die Leistungsfähigkeit von digitalen Übertragungsverfahren bei konstanter Bitrate f B analysieren, so verringert sich über den Ansatz f B = f T · ld(s)

(2.260)

mit zunehmender Stufenzahl s die Taktfrequenz fT =

1 fB = . Ts ld(s)

(2.261)

Auf Grund der damit verbundenen Vergrößerung der Symboldauer Ts nimmt die Rauschleistung über 1 fB UR2 = 0 = 0 f T = 0 (2.262) Ts ld(s) bei steigender Stufenzahl s ab. Es verbleibt an dieser Stelle zu untersuchen, ob eine Verringerung der zur Entscheidung verfügbaren Augenöffnung – durch eine Vergrößerung der Stufenzahl s – durch die Einsparung an Bandbreite, d. h. Verringerung der am Erkennungspunkt wirksamen Rauschleistung, kompensiert werden kann. Dabei gelten die allgemeinen Zusammenhänge zwischen der Bit- und Symbolenergie auf der einen Seite E b = Ps Tb

(2.263)

E s = Ps Ts = ld(s) E b ,

(2.264)

und zwischen der Bit- und Symboldauer auf der anderen Seite Ts = ld(s) Tb .

(2.265)

In diesem Fall lässt das eingangsseitige Signal-Rausch-Verhältnis Es Ps Ts Ps ld(s) Tb = = 0 0 0

(2.266)

erkennen, dass dieses bei konstanter Bitrate f B = 1/Tb von der Stufenzahl s abhängt. Folglich muss für den Vergleich von Basisbandübertragungsverfahren bei konstanter Bitrate

202

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

uq (t)

Gs (f)

Eb /Ψ0

us (t)

Ge (f)

ue (t)

n(t) Abb. 2.84 Zur Definition des Verhältnisses von mittlerer Bitenergie zur Rauschleistungsdichte E b /0 am Empfängereingang beim Vergleich verschiedener Basisbandübertragungsverfahren auf Basis einer konstanten Bitfolgefrequenz f B

bzw. Bitfolgefrequenz f B , auf Grund der für die einzelnen Verfahren unterschiedlichen Symboldauern, nicht das Verhältnis s = E s /0 sondern das Verhältnis b = E b /0 von Bitenergie zu Rauschleistungsdichte entsprechend (2.242) zugrunde gelegt werden (s. Abb. 2.84) Signal-Rausch-Verhältnisse und Fehlerwahrscheinlichkeit Für den Spezialfall eines Nyquist-1-Systems stimmen mittlere Bitfehlerwahrscheinlichkeit und Bitfehlerwahrscheinlichkeit für den ungünstigsten Fall überein. Ein Übertragungssystem wird dann als Nyquist1-System bezeichnet, wenn vom Eingang des Sendefilters bis zum Ausgang des Empfangsfilters das erste Nyquist-Kriterium eingehalten wird, so dass am Erkennungspunkt im optimalen Abtastzeitpunkt keine Intersymbolstörungen wirksam sind. Mit dem für Nyquist-1-Systeme bei vorausgesetzter signalangepasster (matched) Filterung und konstanter Symbolfolgefrequenz f T = 1/Ts gültigen Zusammenhang = ergibt sich

UA2 UR2

=

Us2 Ts Es = 0 0

+ *(  $  Es s−1 s−1 Pb = 1 − erf = erfc s ld(s) 2 s ld(s) 2 0

(2.267)

(2.268)

für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit einer s-stufigen Basisbandübertragung. Abb. 2.85 zeigt den Verlauf der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb als Funktion des eingangsseitigen SignalRausch-Verhältnisses s = E s /0 für s = 2. Abb. 2.86 zeigt den Verlauf der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb nach (2.268) als Funktion des eingangsseitigen Signal-Rausch-Verhältnisses s = E s /0 bei Verwendung höherstufiger Basisband-Konstellationen und gleicher Taktfrequenz f T . Abb. 2.87 zeigt den Verlauf der Bitfehlerwahrscheinlichkeit als Funktion des eingangsseitigen Signal-Rausch-Verhältnisses b = E b /0 bei Verwendung höherstufiger BasisbandKonstellationen und gleicher Bitfolgefrequenz f B . Die mit der Erhöhung der Stufenzahl s verbundene Verringerung der zur Entscheidung verfügbaren Augenöffnung wird durch die mit dem Übergang zu höheren Stufenzahlen s verbundene Einsparung an Bandbreite

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

Abb.2.85 Bitfehlerwahrscheinlichkeit bei zweistufiger, bipolarer Übertragung im Basisband

203 100

Pb →

10-1

10-2

10-3

10-4

5

10

10 · lg(Es /Ψ0 ) Abb.2.86 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb als Funktion von E s /0 bei mehrstufiger Basisband-Übertragung mit konstanter Taktfrequenz f T

15

(in dB) →

100

Pb →

10-1

10-2

10-3

10-4

s=2 s=4 s = 16 5

10

10 · lg(Es /Ψ0 )

15

20

(in dB) →

und der damit verbundenen Verringerung der Rauschleistung am Entscheidungspunkt nicht kompensiert (s. Abb. 2.87).

2.3.8

Signalangepasste Empfangsfilterung bei mehrstufiger Basisbandübertragung

Die zuvor für die Erkennung von Einzelimpulsen als optimal bezüglich des erreichbaren Signal-Rausch-Verhältnisses klassifizierten signalangepassten Empfangsfilter (Matched Filter) können auch vorteilhaft bei der für die digitale Informationsübertragung typischen

204

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb.2.87 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb als Funktion von E b /0 bei mehrstufiger Basisband-Übertragung mit konstanter Bitfolgefrequenz f B

100

Pb →

10-1

10-2

10-3

10-4

s=2 s=4 s = 16 5

10

10 · lg(Eb /Ψ0 )

15

20

(in dB) →

Übertragung von Daten- bzw. Impulsfolgen eingesetzt werden, um ein möglichst großes Signal-Rausch-Verhältnis zu erzielen, da insbesondere bei intersymbolstörungsfreier Nutzsignalübertragung und weißer Rauschstörung am Erkennungspunkt die Verhältnisse sehr ähnlich denen sind, die bei der Herleitung des Matched Filters für Einzelimpulse zu Grunde gelegt wurden. Es werden deshalb Beispiele noch einmal aufgegriffen und für die Übertragung von Impulsfolgen bei intersymbolstörungsfreier Empfangsimpulsform betrachtet, die zuvor bei der signalangepassten Filterung von Einzelimpulsen diskutiert worden sind. Beispiel 2.15 (Augendiagramm und vertikale Augenöffnung bei signalangepasstem Empfangsfilter bei bipolaren NRZ-Rechteckimpulsfolgen) Für die Konstruktion des Augendiagramms müssen alle Vor- und Nachläufer der Nachbarimpulse berücksichtigt werden, die einen Einfluss auf das Beobachtungsintervall (typischerweise innerhalb der Symboldauer Ts ) haben. Tab. 2.2 zeigt die bei der Auswahl des Beobachtungsintervalls zu berücksichtigenden Vor- und Nachläufer der Nachbarimpulse bei zweistufiger, bipolarer Übertragung. Die sich bei den unterschiedlichen Polaritäten der in der Tab. 2.2 dargestellten Sendeimpulsfolgen ergebenden Teilverläufe im Beobachtungsintervall sind in Abb. 2.88 und 2.89 dargestellt. Abb. 2.90 verdeutlicht das entstehende Augendiagramm, das sich aus den in Abb. 2.88 und 2.89 dargestellten Signalverläufen ergibt. Bei der Wahl einer ungünstigsten Symbolfolge entstehen die inneren Begrenzungslinien des Auges. Im gewählten Beispiel führen die Folgen 3 und 6 auf diese inneren Begrenzungslinien des Auges. Bezüglich des ersten Nyquist-Kriteriums lässt sich anhand des in Abb. 2.90 dargestellten Augendiagramms die folgende Aussage machen: Das erste Nyquist-Kriterium ist erfüllt,

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

205

Tab. 2.2 Polaritäten für Sendeimpulsfolgen, die bei der Konstruktion des Augendiagramms zu berücksichtigen sind Folge

a[k − 1]

a[k]

a[k + 1]

1

+1

+1

+1

2

+1

+1

−1

3

+1

−1

+1

4

+1

−1

−1

5

−1

+1

+1

6

−1

+1

−1

7

−1

−1

+1

8

−1

−1

−1

da eine ISI-freie Übertragung möglich ist, d. h. nacheinander ausgesendete Symbole stören  sich im Abtastzeitpunkt (d. h. bei TA = 0) nicht gegenseitig.

Beispiel 2.16 (Signal-Rausch-Verhältnis: Vergleich von signalangepasstem und suboptimalem Empfangsfilter bei bipolaren Impulsfolgen) In diesem Beispiel werden ein optimales, d. h. signalangepasstes, und ein nicht-optimales Empfangsfilter bei der bipolaren Übertragung einer Daten- oder Impulsfolge bezüglich des erreichbaren Signal-Rausch-Verhältnisses bei rechteckförmigem Empfangsgrundimpuls verglichen. Die Gewichtsfunktion von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) bei signalangepasster Empfangsfilterung sind Abb. 2.91 zu entnehmen. Die resultierende Gewichtsfunktion h(t) = gs (t) ∗ ge (t) ist in Abb. 2.92 dargestellt. Dabei zeigt sich, dass erwartungsgemäß Intersymbolinterferenzen vermieden werden können, da die zeitliche Ausdehnung von h(t) den Wert 2 Ts nicht übersteigt. Folglich kann es im Abstastzeitpunkt auch keine Überlagerung von vorhergehenden und nachfolgenden Impulsen kommen: Die halbe vertikale Augenöffnung wird einzig durch den Maximalwert von h(t) bestimmt. Die Bestimmung des Maximalwertes von h(t) kann über die Auswertung des Faltungsintegrals erfolgen. Der Maximalwert innerhalb des Faltungsintegrals ergibt sich bei maximaler Überlappung der beiden Gewichtsfunktionen gs (t) und ge (t) und lässt sich als Ts 1 1 1 · dt = (2.269) hA = Ts Ts Ts 0

berechnen. Da keine Intersymbolstörungen zu berücksichtigen sind, reicht es aus, das Sendefilter mit einem gewichteten Dirac-Impuls anzuregen. Wird nun das Sendefilter mit einem gewichteten Dirac-Impuls (2.270) u q (t) = Us Ts δ(t)

206

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

ue (t) +Us

−Ts − T2s

+ T2s +Ts

t

ue (t) +Us

−Ts

+Ts

t

+Ts

t

+Ts

t

−Us ue (t) +Us

−Ts −Us ue (t) +Us

−Ts −Us

Abb. 2.88 Zur Entstehung eines Augendiagramms bei Verwendung der Sequenznummern 1–4 (s. Tab. 2.2)

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

207

ue (t) +Us

−Ts

+Ts

t

+Ts

t

+Ts

t

+Ts

t

−Us ue (t) +Us

−Ts −Us ue (t) +Us

−Ts −Us ue (t) +Us

−Ts −Us

Abb. 2.89 Zur Entstehung eines Augendiagramms bei Verwendung der Sequenznummern 5–8 (s. Tab. 2.2)

208

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

ue (t)

Abb. 2.90 Konstruiertes Augendiagramm (s. auch Abb. 2.88 und 2.89) bei NRZ-Rechteckimpulsformung und signalangepasster Empfangsfilterung

+Us UA −Ts

UA

+Ts

t

−Us ge (t)

gs (t) 1 Ts

1 Ts

Ts

0

t

0

Ts

t

Abb. 2.91 Gewichtsfunktion von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t)

beaufschlagt, so zeigt sich, dass zum optimalen Abtastzeitpunkt t = 0 (nichtkausale Darstellung) der Wert 1 UA = Us Ts · = Us (2.271) Ts entsteht, der auf Grund der vorausgesetzten ISI-freien Übertragung von vorhergehend und nachfolgend gesendeten Impulsen unabhängig ist. Für die Bestimmung des Signal-Rausch-Verhältnisses am Erkennungspunkt ist neben der Bestimmung von UA die Berechnung der Rauschleistung UR2 erforderlich. Im betrachteten Fall ergibt sich diese zu UR2 = 0 ·

+∞ Ts 2 1 1 0 |ge (t)|2 dt = 0 · dt = 2 Ts = 0 . Ts Ts Ts

−∞

(2.272)

0

Somit folgt in diesem Fall für das Signal-Rausch-Verhältnis MF =

Us2 Ts . 0

(2.273)

Unter den eingangs skizzierten Bedingungen nimmt das Signal-Rausch-Verhältnis den größtmöglichen Wert an.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

209

Abb. 2.92 Gewichtsfunktion der Kaskade von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) entsprechend dem Matched-Filter-Prinzip. (Nichtkausale Darstellung)

h(t) 1 Ts

−Ts

0

+Ts

t

Ts

t

ge (t)

Abb. 2.93 Gewichtsfunktion des Empfangsfilters ge (t) bei Verletzung des Matched-Filter-Prinzips

1 Ts

0

Um dieses zu illustrieren, soll nun eine Abweichung vom Matched-Filter-Prinzip untersucht werden. Dazu wird die in Abb. 2.93 dargestellte Form der Gewichtsfunktion des Empfangsfilters ge (t) – bei gleichbleibender Form des Empfängereingangsimpulses bzw. des Sendefilters – beispielhaft angesetzt und untersucht. Da auch in diesem Fall die resultierende Impulsantwort den Wert 2 Ts nicht übersteigt, können Intersymbolstörungen am Ausgang des Empfangsfilters prinzipbedingt vermieden werden. Folglich müssen für die Berechnung der halben vertikalen Augenöffnung Vor- und Nachläuferimpulse nicht betrachtet werden. Der Maximalwert von h(t) = gs (t) ∗ ge (t) ergibt sich zu Ts 1 1 1 · · t dt = . (2.274) hA = Ts Ts2 2 Ts 0

Da keine Intersymbolstörungen zu berücksichtigen sind, reicht es wieder aus, das Sendefilter mit einem gewichteten Dirac-Impuls u q (t) = Us Ts δ(t)

(2.275)

anzuregen und es zeigt sich, dass zum optimalen Abtastzeitpunkt t = 0 der Wert UA = Us Ts · h A = Us Ts · entsteht. Die Rauschleistung UR2 ergibt sich zu

1 Us = 2 Ts 2

(2.276)

210

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

UR2

+∞ Ts 2 t 1 0 Ts3 2 = 0 · |ge (t)| dt = 0 · dt = . = 0 2 4 Ts Ts 3 3 Ts −∞

(2.277)

0

Somit folgt in diesem Fall für das Signal-Rausch-Verhältnis  kein-MF-1 =

UA2 UR2

=

Us 2

0

2

1 3 Ts

=

Us2 4

0

1 3 Ts

=

3 Us2 Ts . · 4 0

(2.278)

Dabei zeigt sich, wie erwartet, dass das Signal-Rausch-Verhältnis auf Grund der Verletzung des Matched-Filter-Prinzips im Vergleich zur optimalen Empfangsfilterung sinkt. Man erhält kein-MF-1 =

3 MF . 4

(2.279)

Das Signal-Rausch-Verhältnis kein-MF-1 ist geringer als bei signalangepasster und damit optimaler Empfangsfilterung bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses.  Beispiel 2.17 (Signal-Rausch-Verhältnis bei Verletzung der Matched-Filter-Bedingung bei bipolaren Impulsfolgen) Wird das Empfangsfilter nicht auf die Sendefiltercharakteristik abgestimmt (s. Abb. 2.94) so können zwar beispielhaft Intersymbolstörungen vermieden werden, da die zeitliche Ausdehnung der resultierenden Impulsantwort aus Sende- und Empfangsfilter, d. h. h(t), den Wert 2 Ts nicht übersteigt. Durch die fehlende Anpassung der Empfangsfiltercharakteristik an die Sendefiltercharakteristik verringert sich jedoch das erreichbare Signal-Rausch-Verhältnis. Abb. 2.95 veranschaulicht die sich ergebende Gewichtsfunktion aus der Kaskade von Sendeimpulsformer und Empfangsfilter. Wird der Sendeimpulsformer mit einem gewichteten Dirac-Impuls u q (t) = Us Ts δ(t)

(2.280)

angeregt, so zeigt sich, dass zum optimalen Abtastzeitpunkt bei zweistufiger bipolarer Übertragung der Wert Us UA = (2.281) 2 entsteht, der auf Grund der zeitlichen Ausdehnung von h(t) (kleiner als 2 Ts ) von vorhergehend und nachfolgend gesendeten Impulsen unabhängig ist. Die Rauschleistung am Ausgang des Empfangsfilters ergibt sich bei Anwendung des Parsevalschen Theorems zu UR2

Ts /4 +∞  1 2 1 0 Ts 2 = 0 · |ge (t)| dt = 0 · dt = 2 . = 0 Ts Ts 2 2 Ts −∞

−Ts /4

(2.282)

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

211

ge (t)

gs (t) 1 Ts

1 Ts

0

t

Ts

Ts 2

0

t

Abb. 2.94 Gewichtsfunktion von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) bei beispielhafter Verletzung des Matched-Filter-Prinzips Abb. 2.95 Gewichtsfunktion aus Kaskade von Sendefilter gs (t) und Empfangsfilter ge (t) bei Verletzung des Matched-Filterprinzip. (Nichtkausale Darstellung)

h(t) 1 2 Ts

− 34 Ts

0

+ 34 Ts

t

Als Signal-Rausch-Verhältnis resultiert  kein-MF-2 =

UA2 UR2

=

Us 2

0

2

1 2 Ts

=

Us2 4

0

1 2 Ts

=

1 Us2 Ts . · 2 0

(2.283)

und fällt dabei halb so groß aus, wie bei signalangepasster Empfangsfilterung: kein-MF-2 =

1 MF . 2

(2.284) 

2.3.9

Vergleich mehrstufiger Basisbandverfahren

Übertragungssystem und Systembeschreibung Mehrstufige Verfahren können eingesetzt werden, um einerseits bei gleicher Bitrate f B die belegte Bandbreite bzw. Symboltaktfrequenz f T bei zunehmender Stufanzahl s zu verkleinern oder bei gleicher Symboltaktfrequenz f T – z. B. bei einer festen zur Verfügung stehenden Übertragungsbandbreite – die Bitrate durch steigende Stufenzahl s zu erhöhen. Als Ausgangspunkt dient das in Abb. 2.96 abgebildete Übertragungssystem: Das Sendefilter gs (t) und das Empfangsfilter ge (t) weisen die ebenfalls in Abb. 2.96 dargestell-

212

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

ten Gewichtsfunktionen auf: Das entstehende Sendesignal u s (t) ist wieder ein NRZRechtecksignal und das Empfangsfilter ge (t) ist ein auf das Sendefilter gs (t) angepasstes Filter, also ein Matched Filter. Die resultierende Gewichtsfunktion ergibt sich über h(t) = gs (t) ∗ ge (t),

(2.285)

sie ist ebenfalls in Abb. 2.96 dargestellt. Es wird von einer nach (2.230) vorgegebenen festen Sendeleistung ausgegangen, so dass sich eine halbe Sendestufenamplitude ( 3Ps  Us =  2 (2.286) s −1 ergibt. Für die halbe vertikale Augenöffnung gilt UA = Us , da das erste Nyquist-Kriterium eingehalten wird. Die Rauschleistung am Erkennungspunkt ist UR2

+T +∞ +∞  s /2 2 1 0 0 2 2 = 0 |G e ( f )| d f = 0 |ge (t)| dt = 0 dt = 2 Ts = Ts Ts Ts −∞

−∞

−Ts /2

(2.287) und schließlich erhält man das Signal-Rausch-Verhältnis ) =

UA2 UR2

=

3Ps (s 2 −1) 0 Ts

2

3 Ps

=

(s 2 −1) 0 Ts

=

3Ps Ts   0 s 2 − 1

(2.288)

als Funktion der Stufenzahl s. Dabei ist E s = Ps Ts die Energie eines Symbols. Weiterhin gelten die Beziehungen (2.195) und (2.196) zwischen Bitrate und Taktfrequenz f T = f B /ld(s) bzw. zwischen Bitdauer und Symboldauer Ts = Tb · ld(s), die jeweils über die Stufenzahl s verknüpft sind. Mehrstufige Übertragung bei gleicher Bitrate Bei konstanter Bitrate kann die Symboldauer über Ts =

1 fT

und

als Ts =

fT =

fB ld(s)

ld(s) fB

(2.289)

(2.290)

geschrieben werden. Damit ergibt sich mit (2.288) das Signal-Rausch-Verhältnis =

3Ps ld(s)  , 0 f B s 2 − 1

(2.291)

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

213

Abb. 2.96 Zum Vergleich mehrstufiger Basisbandverfahren: Übertragungssystem und Filtercharakteristiken

das nur von den gegebenen Werten für die Sendeleistung Ps , für die Rauschleistungsdichte 0 und für die Bitrate f B abhängt – und von der Stufenzahl s, die variabel ist. Wie sich eine Veränderung der Stufenzahl s auf das Signal-Rausch-Verhältnis auswirkt, wird im nachfolgenden numerischen Beispiel untersucht. Beispiel 2.18 (Mehrstufige Übertragung bei konstanter Bitrate f B ) Gegeben sind die Größen • Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz: f B = 1 kHz (Bitdauer: Tb = 1/ f B = 1 ms) • Mittlere Sendeleistung: Ps = 1 V2 • Rauschleistungsdichte: 0 = 10−3 V2 /Hz

214

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.97 Signal-RauschVerhältnis in Abhängigkeit von der Stufenzahl s bei konstanter Bitrate f B

In Abb. 2.97 ist die Funktion des Signal-Rausch-Verhältnisses nach (2.291) für die gegebenen Größen in Abhängigkeit von der Stufenzahl s dargestellt. Erkennbar ist, dass das SignalRausch-Verhältnis mit zunehmender Stufenzahl sinkt.  Es ist an dem numerischen Beispiel erkennbar, dass mit zunehmender Stufenzahl s das Signal-Rausch-Verhältnis im AWGN-Kanal bei konstanter Bitrate f B sinkt: Bei steigender Stufenzahl s wird die halbe vertikale Augenöffnung UA kleiner und es sinkt auch die Symboltaktfrequenz f T und damit die Bandbreite des Empfangsfilters. Die reduzierte Empfangsfilterbandbreite bewirkt eine bei steigender Stufenzahl s abnehmende Rauschleistung UR2 . Fazit ist, dass die Abnahme der Rauschleistung nicht ausreicht, um die sich verkleinernde Augenöffnung zu kompensieren: Somit nimmt das Signal-Rausch-Verhältnis bei steigender Stufenzahl und konstanter Sendeleistung ab. Für die Übertragung ist in diesem Fall eine kleine Stufenzahl s zu wählen, wenn die Bitfehlerwahrscheinlichkeit minimiert werden soll. Soll demgegenüber die genutzte Bandbreite möglichst klein sein, ist eine möglichst große Stufenzahl s zu nutzen, was jedoch begrenzende Auswirkungen auf die erreichbare Übertragungsqualität hat – wie die Betrachtungen gezeigt haben. Mehrstufige Übertragung bei gleicher Symboltaktfrequenz Bei konstanter Taktfrequenz bzw. Symboldauer bleibt die Symboldauer Ts =

1 fT

(2.292)

konstant und es ergibt sich mit (2.288) direkt das Signal-Rausch-Verhältnis =

3Ps  , 0 f T s 2 − 1

(2.293)

das nur von den gegebenen Werten für die Sendeleistung Ps , für die Rauschleistungsdichte 0 und für die Taktfrequenz f T abhängt – und von der Stufenzahl s, die wieder variabel ist.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

215

Abb. 2.98 Signal-RauschVerhältnis in Abhängigkeit von der Stufenzahl s bei konstanter Taktfrequenz bzw. Symbolrate f T

Wie sich eine Veränderung der Stufenzahl s auf das erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis auswirkt, wird wieder im nachfolgenden numerischen Beispiel analysiert. Beispiel 2.19 (Mehrstufige Übertragung bei konstanter Taktfrequenz f T ) Gegeben sind die Größen • Taktfrequenz bzw. Symbolrate: f T = 1 kHz (Symboldauer: Ts = 1/ f T = 1 ms) • Mittlere Sendeleistung: Ps = 1 V2 • Rauschleistungsdichte: 0 = 10−3 V2 /Hz In Abb. 2.98 ist die Funktion des Signal-Rausch-Verhältnisses nach (2.291) für die gegebenen Größen in Abhängigkeit von der Stufenzahl s dargestellt. Erkennbar ist wieder, dass das Signal-Rausch-Verhältnis mit zunehmender Stufenzahl sinkt, jedoch nun etwas stärker, als in Abb. 2.97.  Es ist an dem numerischen Beispiel erkennbar, dass mit zunehmender Stufenzahl s das Signal-Rausch-Verhältnis im AWGN-Kanal bei konstanter Taktfrequenz f T sinkt: Bei steigender Stufenzahl s wird die halbe vertikale Augenöffnung UA kleiner und die Symboltaktfrequenz f T bleibt konstant – und damit die Bandbreite des Empfangsfilters. Die reduzierte vertikale Augenöffnung bewirkt bei steigender Stufenzahl s – und gleichbleibender Rauschleistung UR2 – eine Abnahme des Signal-Rausch-Verhältnisses – bei konstanter Sendeleistung. Es wird nun jedoch bei steigender Stufanzahl s mit um den Faktor ld(s) erhöhter Bitrate übertragen, d. h., bei s = 4 verdoppelt sich die Bitrate gegenüber s = 2 und bei s = 8 verdreifacht sie sich. Man kann an diesem Beispiel ein wichtiges Grundgesetz der Nachrichtentechnik erkennen: Erhöht man bei konstanter Signalbandbreite – hier gegeben durch die Taktfrequenz f T – die Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B , so sinkt die erreichbare Übertragungsgüte – hier dargestellt durch das Signal-Rausch-Verhältnis . Die Übertragungsgüte kann gleichwertig auch als Fehlerwahrscheinlichkeit angegeben werden. Man spricht kurz von der Austauschbarkeit von Bitrate und Fehlerwahrscheinlichkeit.

216

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.99 Übertragungssystem für das numerische Beispiel bei bipolarer, mehrstufiger Basisbandübertragung

2.3.10 Numerisches Beispiel: Mehrstufige Basisbandübertragung mit NRZ-Sendesignal und Gauß-Empfangsfilter Einleitung und Aufgabenstellung Mit Hilfe eines numerischen Beispiels wird nun wieder die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellte Vorgehensweise bei der Beschreibung und Optimierung eines mehrstufigen Basisbandübertragungssystems, das über einen verzerrungsfreien Kanal mit reiner Rauschstörung betrieben wird, anhand einer konkreten Aufgabenstellung illustriert. Das betrachtete Übertragungssystem ist in Abb. 2.99 dargestellt. Es wird nun ein Basisbandsystem betrachtet, bei dem Verbesserungen bezüglich der Übertragungsgüte gegenüber dem Grundmodell erzielt werden können, bei dem jedoch am Erkennungspunkt Intersymbolstörungen im optimalen Abtastzeitpunkt verbleiben. Der Sender eines Basisbandübertragungssystems sendet eine bipolare, s-stufige Zufallsfolge rechteckförmiger NRZ-Impulse mit der halben Stufenamplitude Us und der Impulsbreite Ts . Die mittlere Sendeleistung Ps ist vorgegeben; daraus wird die halbe Stufenamplitude Us bestimmt. Die Beeinflussung durch den Kanal besteht ausschließlich aus dem additiven Hinzufügen einer Rauschstörung. Diese Störung wird als weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der spektralen Leistungsdichte 0 modelliert. Das Empfangsfilter ist ein Gauß-Tiefpass mit der Grenzfrequenz f G . Zu bestimmen ist die erzielbare Güte der Übertragung, d. h., das Signal-Rausch-Verhältnis und die Bitfehlerwahrscheinlichkeit. Dazu sind die einzelnen notwendigen Größen (UA , UR2 ) zu berechnen und gegebenenfalls zu optimieren ( f G ). Es wird zunächst die zweistufige Übertragung (s = 2) untersucht, um einen Vergleich mit dem numerischen Beispiel bei unipolarer Übertragung zu ermöglichen. Im Anschluss werden ausgewählte beispielhafte Stufenzahlen s betrachtet, um den Einfluss der Stufenzahl zu verdeutlichen.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

217

Gegebene Werte Es sind die folgenden numerischen Werte gegeben: • Signal: Sendeleistung Ps = 1 V2 , Bitrate f B = 1 MHz, bipolare Übertragung, 2 • Störung: Spektrale Leistungsdichte 0 = 2 · 10−8 V Hz , • Stufenzahl: Zunächst s = 2, später variable Stufenzahl s. Im Beispiel wird zunächst eine zweistufige, bipolare Übertragung mit Gauß-Empfangstiefpass gewählt, um die Veränderungen gegenüber dem numerischen Beispiel mit der zweistufigen, unipolaren Übertragung mit RC-Tiefpassfilter erster Ordnung nach dem Grundmodell deutlich zu machen. Anschließend wird das erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis bei variabler Stufenzahl untersucht, um die Veränderung der Übertragungsgüte bei veränderlicher Stufenzahl und konstanter, vorgegebener Bitrate f B darzustellen. Vorgehen und Ergebnisse Aus der vorgegebenen mittleren Sendeleistung (2.230) wird zunächst die halbe Sendestufenamplitude $  Us  2 3 Ps =⇒ Us = s −1 (2.294) Ps = 3 s2 − 1 berechnet. Man erhält für Ps = 1 V2 und s = 2 die halbe Sendestufenamplitude Us = 1 V. Das Empfangsfilter ist in seiner Struktur als Gauß-Tiefpass vorgegeben, jedoch ist seine Grenzfrequenz f G frei wählbar und damit optimierbar. Es werden deshalb die halbe vertikale Augenöffnung nach (2.207) und die Rauschleistung nach (2.101) als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz ermittelt. In Abb. 2.100 sind die halbe vertikale Augenöffnung und in Abb. 2.101 die Rauschleistung am Erkennungspunkt, jeweils als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G dargestellt. Es sind die typischen Verläufe erkennbar: Die halbe vertikale Augenöffnung ist – bei geschlossenem Auge – zunächst Null und strebt für steigende Empfangsfiltergrenzfrequenz einem durch die Sendeamplitude vorgegebenen Maximum von Us = 1 V zu, während die Rauschleistung linear mit zunehmender Empfangsfiltergrenzfrequenz f G unbeschränkt steigt. Werden nun nach (2.60) das Signal-Rausch-Verhältnis und nach (2.240) die Bitfehlerwahrscheinlichkeit, ebenfalls als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G berechnet und in Abb. 2.102 und 2.103 dargestellt, ist es möglich, die optimale Grenzfrequenz f G opt des Empfangsfilters zu bestimmen. Man liest sie aus einem der Diagramme dort ab, wo das Signal-Rausch-Verhältnis maximal wird – oder die Bitfehlerwahrscheinlichkeit minimal – und erhält f G opt = 740 kHz. Numerische Ergebnisse bei optimiertem Übertragungssystem Hat man die optimale Grenzfrequenz f G opt des Empfangsfilters bestimmt, lassen sich damit alle anderen Werte für Signal und Störung am Erkennungspunkt ermitteln und die Güte der Übertragung bei optimiertem Übertragungssystem angeben. Die einzelnen Beziehungen, die

218

1

UA (in V) →

Abb. 2.100 Halbe vertikale Augenöffnung UA als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

0.8 0.6 0.4 0.2 0

0

1

2

3

4

3

4

3

4

fG (in MHz) → 0.15

U2R (in V2 ) →

Abb. 2.101 Rauschleistung UR2 als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G

0.1

0.05

0

0

1

2

fG (in MHz) → Abb. 2.102 Signal-RauschVerhältnis als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz fG

40



30 20 10 0

0

1

2

fG (in MHz) →

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

219

Abb.2.103 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz fG

Pb →

10

10

10

0

-5

-10

0

1

2

3

4

fG (in MHz) →

als Funktionen der Grenzfrequenz f G des Empfangsfilters formuliert worden sind, werden jeweils an der Stelle f G = f G opt ausgewertet. Die numerischen Ergebnisse sind in Tab. 2.3 zusammengestellt. ∗ = Das maximal erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis ist max = 36,63 bzw. max 10 lg max = 15,64 dB; es führt zu einer Bitfehlerwahrscheinlichkeit von Pb min = 7,15 · 10−10 . Die optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt liegt unterhalb der halben Takt- bzw. Symbolfolgefrequenz f T = 1/Ts , die bei zweistufiger Übertragung der Bitfolgefrequenz bzw. Bitrate f B entspricht. Dadurch weist die halbe vertikale Augenöffnung UA einen Wert auf, der unterhalb der maximalen halben vertikalen Augenöffnung Us liegt: Diese maximale halbe vertikale Augenöffnung würde bei (sehr) großer Empfangsfiltergrenzfrequenz f G erreicht (s. z. B. Abb. 2.100). Dies würde wiederum eine gegenüber f G opt (starke) Vergrößerung der Rauschleistung bewirken (s. Abb. 2.101). Alle diese Faktoren gemeinsam führen auf die optimale Grenzfrequenz in der Größe, die ihre Optimierung bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses bzw. bezüglich einer minimalen Bitfehlerwahrscheinlichkeit ergibt. Es ist erkennbar, das bei Empfangsfilterung mit Gauß-Tiefpass eine Verbesserung der Übertragungsgüte gegenüber dem System mit RC-Empfangstiefpass erster Ordnung erzielt werden kann: Das Signal-Rausch-Verhältnis erhöht sich deutlich bzw. die Fehlerwahrscheinlichkeit wird entsprechend kleiner. Es verbleiben zwar weiterhin Intersymbolstörungen bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt am Erkennungspunkt, so dass die halbe vertikale Augenöffnung UA weiterhin nicht maximal – aber deutlich größer als im unipolaren numerischen Beispiel – ist; die Rauschleistung UR2 verbleibt in ähnlicher Größenordnung. Diese Verbesserungen sind auf die Art der Empfangsfilterung und das bipolare Übertragungsverfahren zurückzuführen, das die vorgegebene Sendeleistung effizienter ausnutzt.

220

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Tab. 2.3 Vorgabewerte und numerische Ergebnisse bei zweistufigem Basisbandsystem mit NRZSendeimpulsen bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt des Gauß-Tiefpassfilters Größe

Numerischer Wert

Mittlere Sendeleistung Stufenzahl Halbe Sendestufenamplitude Rauschleistungsdichte Impulsdauer (Symboldauer)

Ps = 1 V2 s= 2 Us = 1 V 0 = 2 · 10−8 V2 /Hz Ts = 1 µs

Optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz

f G opt = 740 kHz

Halbe vertikale Augenöffnung Rauschleistung Signal-Rausch-Verhältnis Bitfehlerwahrscheinlichkeit

UA = 0,903 V UR2 = 0,022 V2 max = 36,63 Pb min = 7,15 · 10−10

Einige Diagramme bei optimiertem Übertragungssystem In diesem Abschnitt sollen grafische Darstellungen illustrieren, wie einige Zeit- und Spektralfunktionen bei optimiertem Übertragungssystem aussehen. Abb. 2.104 zeigt den Amplitudenfrequenzgang des Empfangsfilters G e ( f ) und Abb. 2.105 das Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt – jeweils für den Fall der optimierten Grenzfrequenz des Empfangstiefpasses ( f G opt = 740 kHz). Es ist erkennbar, dass das Auge vertikal nicht vollständig geöffnet ist, da die Bandbegrenzung des Empfangsfilters relativ früh einsetzt und so im optimierten Übertragungssystem zwar das Nutzsignal verformt wird, aber vor allem das Rauschen in seiner Leistung empfangsseitig verhältnismäßig gut begrenzt werden kann.

1 0.8

Ge (f) →

Abb. 2.104 Amplitudengang des Empfangsfilters bei optimaler Grenzfrequenz f G opt

0.6 0.4 0.2 0

-2

0

f (in MHz) →

2

Mehrstufige Basisbandübertragung

Abb. 2.105 Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt

221

1

u(t) (in V) →

2.3

−1 −1

t/Ts →

1

Einfluss der Stufenzahl Ist im Sender der maximale Aussteuerbereich oder die mittlere Sendeleistung begrenzt und damit vorgegeben, verringert sich bei steigender Stufenzahl s die halbe Stufenamplitude Us : Man erhält (s − 1) Augenöffnungen, die mit steigender Stufenzahl s kleiner werden (s. z. B. Abb. 2.70). Um den Einfluss steigender Stufenzahlen s zu illustrieren, wird das numerische Beispiel nun so erweitert, dass bei sonst gleichen Vorgaben bezüglich Signal und Störung verschiedene Stufenzahlen zugelassen und betrachtet werden. Es sind dann bei gleicher vorgegebener Bitrate f B = 1 MHz und mittlerer Sendeleistung Ps = 1 V2 die jeweiligen halben Sendestufenamplituden Us nach (2.294) und Taktfrequenzen f T nach (2.195) zu berechnen und damit die zuvor für s = 2 ausführlich beschriebenen Berechnungen von Augenöffnung UA , Rauschleistung UR2 , Signal-Rausch-Verhältnis und gegebenenfalls der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb auszuführen, wobei für jede Stufenzahl eine Optimierung der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G durchzuführen ist. Einige Ergebnisse für das numerische Beispiel bei s-stufiger Basisbandübertragung zeigt Tab. 2.4. In Abb. 2.106 ist das jeweils bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt erzielbare maximale Signal-Rausch-Verhältnis max als Funktion der Stufenzahl s dargestellt, um die erreichbare Übertragungsgüte auszuweisen. Es wird deutlich, dass mit zunehmender Stufenzahl s die Übertragungsgüte des Basisbandübertragungssystems abnimmt – hier repräsentiert durch das bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz jeweils maximal erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis max . Durch die bei steigender Stufenzahl bei konstanter Bitfolgefrequenz f B verringerte Taktfrequenz f T nach (2.195) kann das Empfangsfilter bei kleinerer optimaler Grenzfrequenz arbeiten – und die Rauschleistung am Erkennungspunkt nimmt mit steigender Stufenzahl s ab. Es überwiegt jedoch der Effekt der verkleinerten vertikalen Augenöffnung durch Mehrstufigkeit, so dass das Signal-Rausch-Verhältnis sinkt bzw. die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb zunimmt, wenn in einem verzerrungsfreien Kanal mit reiner Rauschstörung die

222

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.106 Signal-RauschVerhältnis max als Funktion der Stufenzahl s bei bipolarer, mehrstufiger Basisbandübertragung mit NRZ-Sendeimpulsen und Gauß-Empfangsfilterung bei vorgegebener Bitfolgefrequenz f B = 1 MHz

40

max



30 20 10 0

2 4

8

16

32

s→

Tab.2.4 Einige Ergebnisse für das s-stufige numerische Beispiel mit NRZ-Sendeimpulsen und GaußEmpfangsfilter bei konstanter Bitfolgefrequenz f B = 1 MHz s

2

4

8

16

32

Us (in V) f T (in MHz)

1,000 1,000

0,447 0,500

0,218 0,333

0,108 0,250

0,054 0,200

f G opt (in kHz) UA (in V) UR2 (in V2 ) max Pb min

740,0 0,903 0,022 36,63 7,15 · 10−10

445,0 0,416 0,013 12,90 1,22 · 10−4

333,3 0,205 0,010 4,184 1,19 · 10−2

277,5 0,103 0,008 1,274 0,061

240,0 0,052 0,007 0,371 0,105

Stufenzahl s erhöht wird – sofern die jeweils für die Übertragung des Signals notwendige Bandbreite vorliegt und nicht durch den Kanal eingeschränkt wird. Erst bei realen Kanälen mit Bandbegrenzung, z. B. bei Übertragung über Kupferkabel, kann es vorteilhaft sein, mit einer höheren Stufenzahl (als s = 2) zu arbeiten, um eine verbesserte Übertragungsgüte zu erhalten (s. Kap. 4).

2.3.11 Numerisches Beispiel: Mehrstufige Basisbandübertragung mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter Einleitung und Aufgabenstellung Mit Hilfe eines numerischen Beispiels wird nun wieder die in den vorangegangenen

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

223

Abschnitten dargestellte Vorgehensweise bei der Beschreibung und Optimierung eines mehrstufigen Basisbandübertragungssystems, das über einen verzerrungsfreien Kanal mit reiner Rauschstörung betrieben wird, anhand einer konkreten Aufgabenstellung illustriert. Das betrachtete Übertragungssystem ist in Abb. 2.99 dargestellt. Es wird nun ein Basisbandsystem betrachtet, bei dem durch geeignete Wahl des Sende- und des Empfangsfilters am Erkennungspunkt keine Intersymbolstörungen im optimalen Abtastzeitpunkt wirksam sind, also das erste Nyquist-Kriterium eingehalten wird. Der Sender eines Basisbandübertragungssystems sendet eine bipolare, s-stufige Zufallsfolge, die im Sender mit einem Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filter mit dem Roll-Off-Faktor r gefiltert wird, mit der halben Stufenamplitude Amplitude Us und der Taktfrequenz f T . Die Beeinflussung durch den Kanal besteht ausschließlich aus dem additiven Hinzufügen einer Rauschstörung. Diese Störung wird als weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der spektralen Leistungsdichte 0 modelliert. Das Empfangsfilter ist ein Wurzel-Kosinus-Roll-OffTiefpassfilter, ebenfalls mit dem Roll-Off-Faktor r . Es ist die erzielbare Güte der Übertragung, d. h., das Signal-Rausch-Verhältnis und die Bitfehlerwahrscheinlichkeit zu bestimmen. Dazu sind die einzelnen notwendigen Größen zu berechnen. Zunächst wird eine zweistufige Basisbandübertragung (s = 2) analysiert, um einen Vergleich mit dem numerischen Beispiel bei unipolarer Übertragung und mit dem ausführlich dargestellten Beispiel bei bipolarer Übertragung mit Gauß-Empfangstiefpass zu erlauben. Anschließend wird die Übertragung mit ausgewählten beispielhaften Stufenzahlen s betrachtet, um den Einfluss der Stufenzahl auf die Übertragungsgüte zu verdeutlichen. Gegebene Werte Es sind die folgenden numerischen Werte gegeben: • Signal: Sendeleistung Ps = 1 V2 , Bitrate f B = 1 MHz, bipolare Übertragung, 2 • Störung: Spektrale Leistungsdichte 0 = 2 · 10−8 V Hz , • Stufenzahl: Zunächst s = 2, später variable Stufenzahl s. Im Beispiel wird zunächst wieder eine zweistufige, bipolare Übertragung, nun mit WurzelKosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter, untersucht, um die Veränderungen gegenüber dem numerischen Beispiel mit der zweistufigen, unipolaren Übertragung mit RCTiefpassfilter erster Ordnung nach dem Grundmodell und dem unmittelber zuvor behandelten Beispiel mit NRZ-Sendeimpulsformung und Gauß-Empfangstiefpass bei bipolarer Übertragung deutlich zu machen. Anschließend wird wieder das erzielbare Signal-RauschVerhältnis bei variabler Stufenzahl analysiert, um die Veränderung der Übertragungsgüte bei veränderlicher Stufenzahl und konstanter, vorgegebener Bitrate f B sichtbar zu machen. Vorgehen und Ergebnisse Aus der vorgegebenen mittleren Sendeleistung wird zunächst die halbe Sendestufenamplitude

224

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Ps =

 Us  2 s −1 3

$ =⇒

Us =

3 Ps s2 − 1

(2.295)

berechnet. Es resultiert für Ps = 1 V2 und s = 2 die halbe Sendestufenamplitude Us = 1 V. Sende- und Empfangsfilter sind in ihrer Struktur als Wurzel-Kosinus-Roll-OffTiefpassfilter vorgegeben. Das Empfangsnutzsignal ist damit frei von Intersymbolstörungen zum optimalen Abtastzeitpunkt. Die halbe vertikale Augenöffnung nach (2.217) entspricht deshalb der halben Sendestufenamplitude, d. h. UA = Us , und die Rauschleistung wird nach (2.109) ermittelt: Sowohl halbe vertikale Augenöffnung UA als auch Rauschleistung UR2 sind unabhängig vom Roll-Off-Faktor r . Werden nun nach (2.60) das Signal-Rausch-Verhältnis und nach (2.240) die Bitfehlerwahrscheinlichkeit berechnet, erhält man jeweils einen einzelnen Zahlenwert: Beide Größen sind ebenfalls unabhängig vom Roll-Off-Faktor. Eine Abhängigkeit von einer der Empfangsfiltergrenzfrequenz vergleichbaren Größe existiert hier nicht – und es ist deshalb auch keine entsprechende Optimierung möglich und notwendig. Numerische Ergebnisse bei optimiertem Übertragungssystem Numerische Ergebnisse für einige wichtige Größen dieses Übertragungssystems sind in Tab. 2.5 zusammengestellt. Das maximal erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis ist = 50,0 bzw. ∗ = 10 lg = 16,99 dB; es führt zu einer Bitfehlerwahrscheinlichkeit von Pb = 7,69 · 10−13 . Dadurch, dass im Basisband-Übertragungssytem mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sendeund -Empfangsfilter keine Intersymbolstörungen am Erkennungspunkt verbleiben und außerdem die Bandbegrenzung des Empfangsfilters eine vorteilhafte Begrenzung der Rauschleistung bewirkt, ist gegenüber dem zuvor betrachteten Beispielsystem mit NRZSendeimpulsen und Gauß-Empfangstiefpass eine weitere Verbesserung der Übertragungsgüte zu verzeichnen: Das Signal-Rausch-Verhältnis wird größer bzw. die Bitfehlerwahrscheinlichkeit kleiner. Insbesondere die nun durch die ISI-Freiheit größere halbe vertikale Augenöffnung trägt entscheidend zu der Verbesserung der Übertragungsgüte bei; die Rauschleistung ist nur geringfügig verkleinert.

Einige Diagramme des Übertragungssystems In diesem Abschnitt sollen grafische Darstellungen illustrieren, wie einige Zeit- und Spektralfunktionen bei dem Übertragungssystem aussehen. Abb. 2.107 zeigt den Amplitudenfrequenzgang des Empfangsfilters G e ( f ) bei einem Roll-Off-Faktor von r = 0,5 und Abb. 2.108 das Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt, jeweils bei der Stufenzahl s = 2. Es ist erkennbar, dass das Auge im optimalen Abtastzeitpunkt vertikal vollständig geöffnet ist.

2.3

Mehrstufige Basisbandübertragung

225

Tab. 2.5 Vorgabewerte und numerische Ergebnisse bei zweistufigem Basisbandsystem WurzelKosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter Größe

Numerischer Wert

Mittlere Sendeleistung Stufenzahl Halbe Sendestufenamplitude Rauschleistungsdichte Impulsdauer (Symboldauer)

Ps = 1 V2 s= 2 Us = 1 V 0 = 2 · 10−8 V2 /Hz Ts = 1 µs

Halbe vertikale Augenöffnung Rauschleistung Signal-Rausch-Verhältnis Bitfehlerwahrscheinlichkeit

UA = 1,00 V UR2 = 0,02 V2 = 50,0 Pb = 7,69 · 10−13

1 0.8

Ge (f) →

Abb. 2.107 Amplitudengang des Empfangsfilters bei Wurzel-Kosinus-Roll-OffSende- und Empfangsfilterung (Beispiel: r = 0,5)

0.6 0.4 0.2 0

-1

0

1

f (in MHz) →

Einfluss der Stufenzahl Ist im Sender der maximale Aussteuerbereich oder die mittlere Sendeleistung begrenzt und damit vorgegeben, verringert sich bei steigender Stufenzahl s die halbe Stufenamplitude Us : Man erhält (s − 1) Augenöffnungen, die mit steigender Stufenzahl s kleiner werden (s. z. B. Abb. 2.71). Um den Einfluss der Stufenzahl s auf die Leistungsfähigkeit des Übertragungssystems zu verdeutlichen, wird das numerische Beispiel unter sonst gleichen Voraussetzungen bezüglich Signal und Störung wieder so erweitert, das die Stufenzahl bei gleich bleibender Bitrate variabel ist. Bei vorgegebener Bitrate f B = 1 MHz und mittlerer Sendeleistung Ps = 1 V2 sind wieder die jeweiligen Taktfrequenzen f T nach (2.195) und halben Sendestufenamplituden Us nach (2.295) zu ermitteln und damit die zuvor für s = 2 ausführlich beschriebenen

226

+1

u(t) (in V) →

Abb. 2.108 Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt bei WurzelKosinus-Roll-Off-Sende- und Empfangsfilterung (Beispiel: r = 0,5)

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

−1 −1

t/Ts →

1

Berechnungen von Augenöffnung UA , Rauschleistung UR2 , Signal-Rausch-Verhältnis und gegebenenfalls der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb vorzunehmen. Einige Ergebnisse für das numerische Beispiel bei s-stufiger Basisbandübertragung zeigt Tab. 2.6. In Abb. 2.109 ist das jeweils erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis als Funktion der Stufenzahl s dargestellt, um die erreichbare Übertragungsgüte auszuweisen. Es wird wieder deutlich, dass mit zunehmender Stufenzahl s die Übertragungsgüte des Basisbandübertragungssystems abnimmt. Durch die bei steigender Stufenzahl verringerte Taktfrequenz nach (2.195) kann das Empfangsfilter bei kleinerer Bandbreite arbeiten – und die Rauschleistung am Erkennungspunkt nimmt mit steigender Stufenzahl s ab. Es überwiegt wieder der Effekt der verkleinerten vertikalen Augenöffnung durch Mehrstufigkeit, so dass das Signal-Rausch-Verhältnis sinkt bzw. die Bitfehlerwahrscheinlichkeit zunimmt, wenn in einem verzerrungsfreien Kanal mit reiner Rauschstörung die Stufenzahl s erhöht wird. Erst bei realen Kanälen mit Bandbegrenzung, z. B. bei Übertragung über Kupferkabel, kann es vorteilhaft sein, mit einer höheren Stufenzahl (als s = 2) zu arbeiten, um eine verbesserte Übertragungsgüte zu erhalten (s. Kap. 4).

2.3.12 Diskussion zu den Gütekriterien Wenn ein digitales Übertragungssystem untersucht oder optimiert werden soll, ist ein Maß für die Qualität bzw. Güte der Datenübertragung zu finden bzw. festzulegen, das einer Berechnung oder Messung zugänglich ist [1]. Ein Güte- oder Qualitätskriterium bildet die Brücke zwischen einer allgemeinen Formulierung des Ziels einer Untersuchung oder Optimierung und der mathematischen Behandlung des daraus entstehenden Analyse- oder Optimierungsproblems [53]. Das Gütekriterium, das zur Analyse oder Optimierung eines Übertragungssystems gewählt wird, bestimmt, inwieweit die Ergebnisse, die mit einem Modell

Mehrstufige Basisbandübertragung

Abb. 2.109 Signal-RauschVerhältnis als Funktion der Stufenzahl s bei bipolarer, mehrstufiger Basisbandübertragung mit Wurzel-Kosinus-Roll-OffSende- und -Empfangsfilterung bei vorgegebener Bitfolgefrequenz f B = 1 MHz

227

40 30



2.3

20 10 0

2 4

8

16

32

s→

des Übertragungssystems erzielt werden, mit der physikalisch-technischen Realität übereinstimmen und damit, ob und inwieweit sie praktisch verwertbar sind [32]. Wie zuvor schon erwähnt, ist das aussagekräftigste Kriterium zur Beurteilung der Qualität (bzw. Güte) einer digitalen Informationsübertragung die mittlere Bitfehlerwahrscheinlichkeit: Sie liefert eine Aussage darüber, wieviele Bits im Verhältnis zu einer Anzahl gesendeter Bits durch den Empfänger im Mittel falsch detektiert bzw. interpretiert werden. Oft ist diese Fehlerwahrscheinlichkeit einer Berechnung nur schwer zugänglich, da sie von vielen Charakteristika des konkreten Übertragungsverfahrens (z. B. Art der Bit-SymbolZuordnung, Kanalcodierung) und des Übertragungskanals (z. B. Zeit- und Frequenzdispersivität) abhängt. Deshalb werden zur Optimierung von Übertragungssystemen oft stellvertretende Gütekriterien verwendet – wie z. B. das Signal-Rausch-Verhältnis –, die in einem monotonen Zusammenhang mit der Fehlerwahrscheinlichkeit stehen müssen, um sinnvolle und praktisch verwertbare Ergebnisse zu liefern [1]. Unterschiedliche Aufgaben bei der Analyse, beim Entwurf und bei der Optimierung von digitalen Übertragungssystemen können unterschiedliche Gütekriterien erfordern: Sollen generelle Übertragungsmöglichkeiten auf einem gegebenen Medium erfasst werden, sind oftmals sehr viele Parameter variabel. In diesem Fall sind Gütekriterien sinnvoll, die eine übersichtliche Untersuchung und Optimierung auf der Basis einer analytischen Rechnung gestatten. Es müssen vor allem Verhältnisse von Einflussgrößen richtig wiedergegeben werden. Ist hingegen ein Übertragungssystem in seiner absoluten Leistungsfähigkeit zu bewerten oder zu dimensionieren, sind Gütekriterien erforderlich, die eine Aussage über die tatsächliche mittlere Übertragungsqualität erlauben. Dann sind Parameter des Übertragungsverfahrens und die Kenngrößen der beteiligten Systeme vorgegeben oder auf einen sinnvollen, zumeist engen Bereich eingegrenzt und es ist über eine Rechnung oder Simulation die mittlere Fehlerwahrscheinlichkeit zu ermitteln [1].

228

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Tab. 2.6 Einige Ergebnisse für das s-stufige numerische Beispiel mit Wurzel-Kosinus-Roll-OffSende- und -Empfangsfilter bei konstanter Bitfolgefrequenz f B = 1 MHz s

2

4

8

16

32

Us (in V) f T (in MHz)

1,000 1,000

0,447 0,500

0,218 0,333

0,108 0,250

0,054 0,200

UA (in V) UR2 (in V2 ) Pb

1,000 0,020 50,00 7,69 · 10−13

0,447 0,010 20,00 2,90 · 10−6

0,218 0,007 7,143 2,20 · 10−3

0,108 0,005 2,353 0,029

0,054 0,004 0,733 0,076

2.4

Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen

Ziel dieses Kapitels war es, Grundprinzipien der Informationsübertragung mit digitalen Signalen über gestörte Übertragungskanäle einzuführen und zu beschreiben. Dazu wurde zunächst ein physikalisch-anschauliches Grundmodell der Basisbandübertragung über einen nichtverzerrenden Kanal mit reiner Rauschstörung verwendet, mit Hilfe dessen wichtige Kenngrößen von Nutzsignal und Störung sowie deren Bewertung auf dem Übertragungsweg durch die Komponenten des Übertragungssystems beschrieben und analysiert wurden. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass jede Nachrichtenübertragung gestört ist und somit Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen der auf dem Übertragungskanal auftretenden Störungen anzuwenden sind. Aus dem Grundmodell ergeben sich eine Reihe von Anknüpfungspunkten für eine Verbesserung der Übertragungsgüte des Basisbandübertragungssystems. Im weiteren Verlauf des Kapitels wurden deshalb Kriterien zur Bewertung der Übertragungsgüte definiert und hergeleitet. Die Betrachtungen wurden erweitert hin zu Optimalitätskriterien für die Intersymbolstörungsfreiheit, robuste Impulsformen bezüglich Abweichungen vom optimalen Abtastzeitpunkt sowie für das Erzielen des maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses am Erkennungspunkt. Abschließend wurde eine Erweiterung im Hinblick auf mehrstufige Übertragung im Basisband vorgenommen, die bei gegebener Bandbegrenzung zur Erhöhung des Durchsatzes bzw. der übertragbaren Bitrate oder zur Verbesserung der Übertragungsqualität eingesetzt werden kann. Ausführliche Beispiele zu den in diesem Kapitel eingeführten und diskutierten Aspekten der Nachrichtenübertragung runden die Überlegungen ab. Darstellungen zu den Grundlagen der Nachrichtenübertragung, die für ein tiefergehendes Studium der in diesem Kapitel behandelten Inhalte geeignet sind, finden sich z. B. in [22, 26, 29, 42, 48, 55, 65, 72] und in englischer Sprache z. B. in [3, 5, 6, 52, 62].

2.5

2.5

Aufgaben

229

Aufgaben

Aufgabe 2.1 (Basisbandübertragung mit NRZ-Impulsen und RC-Tiefpass erster Ordnung) Der Sender eines Basisbandübertragungssystems sendet ein unipolares, rechteckförmiges NRZ-Binärsignal u 0 (t) (NRZ: Non Return To Zero) mit der Amplitude U0 und der Impulsbreite Ts aus. Das Nutzsignal wird auf dem Übertragungsweg durch weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der konstanten spektralen Rauschleistungsdichte 0 (in V2 /Hz) gestört. Das Empfangsfilter sei ein RC-Tiefpassfilter erster Ordnung (ein reeller Pol bei der 3-dBGrenzfrequenz ωg bzw. f g ). Zu bestimmen sind: a) der Empfangsgrundimpuls xe (t) am Erkennungspunkt und die sich daraus ergebende Funktion des Empfangsnutzsignals u e (t), b) die halbe vertikale Augenöffnung UA bei redundanzfreier Codierung als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g , c) die Funktion des Effektivwertquadrates UR2 des Rauschens am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g , d) das Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt, ebenfalls als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g , e) das Signal-Rausch-Verhältnis bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt mit den gegebenen Werten U0 = 5 V, Ts = 1 μs und 0 = 10−6 V2 /Hz sowie f) die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb . Aufgabe 2.2 (Nyquist-Kriterien) Eine Quelle sendet Diracstöße u q (t) = U0 Ts δ(t) aus. Das Spektrum eines Empfangsgrundimpulses xe (t) ist mit X e ( f ) = U0 Ts si2 (π f Ts ) bekannt. Es sind Ts = 1 μs und U0 = 2 V gegeben. Es ist zu überprüfen, ob dieser Empfangsgrundimpuls a) das erste Nyquist-Kriterium und/oder b) das zweite Nyquist-Kriterium einhält. Werden die beiden Nyquist-Kriterien (oder eines der beiden) eingehalten, so ist dies nachzuweisen. Das Spektrum des Empfangsimpulses X e ( f ) soll – unter Berücksichtigung des Spektrums des Quellensignals – bei vorausgesetztem idealem bzw. verzerrungsfreiem Kanal gleichmäßig auf Sendefilter G s ( f ) und Empfangsfilter G e ( f ) aufgeteilt werden. c) Welchen Betrag weisen die Übertragungsfunktionen von Sende- und Empfangsfilter auf? d) Es ist das Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt für die Erkennung eines Einzelimpulses zu berechnen, wenn das Nutzsignal auf dem Übertragungsweg durch

230

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

Abb. 2.110 ZielGesamtübertragungsfunktion H ( f ) = G s ( f ) · G e ( f ) des zu entwerfenden Datenübertragungssystems

1

−30 −20 −10

H(f)

10

20

30

f (in kHz)

weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der konstanten spektralen Rauschleistungsdichte 0 = 10−6 V2 /Hz gestört wird. Aufgabe 2.3 (Nyquist-Kriterien und Übertragungsrate) Es soll ein Datenübertragungssystem entworfen werden. Die gewünschte Gesamt-Übertragungsfunktion aus Sende- und Empfangsfilter ist Abb. 2.110 zu entnehmen. Mit welcher Symbolrate bzw. Taktfrequenz kann über dieses System intersymbolinterferenzfrei übertragen werden, wenn der Kanal verzerrungsfrei ist? Aufgabe 2.4 (Matched Filter) Ein Nachrichtensender sendet einen Rechteckimpuls u 0 (t) der Amplitude U0 und der Impulsbreite Ts aus. Das Nutzsignal wird durch weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der konstanten spektralen Rauschleistungsdichte 0 gestört. Es soll das jeweils am Erkennungspunkt vorliegende Signal-Rausch-Verhältnis berechnet werden, wenn als Empfangsfilter nacheinander a) ein RC-Tiefpass erster Ordnung, b) ein Gauß-Tiefpass, c) ein signalangepasstes (matched) Filter zur Anwendung kommen.

2.6

Lösungen zu den Aufgaben

Lösung zu Aufgabe 2.1 Diese Aufgabe kann vorteilhaft unter Nutzung der ausführlich hergeleiteten Beziehungen und Ergebnisse zum Grundmodell der Basisbandübertragung von NRZ-Rechteckimpulsen und Empfangsfilterung mit RC-Tiefpass im Kap. 2 und insbesondere in Anlehnung an den Abschnitt Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung über einen Kanal mit reiner Rauschstörung gelöst werden. a) Die Zeitfunktion xe (t) des Empfangsgrundimpulses am Erkennungspunkt ergibt sich nach dem ausführlich hergeleiteten Ergebnis (2.18) zu

2.6

Lösungen zu den Aufgaben

231



  s − Ttg − t−T Tg · 1 (t − Ts ) . · 1(t) − 1 − e xe (t) = U0 1 − e

(2.296)

Sie ist in Abb. 2.6 dargestellt. Ein daraus beispielhaft entstehendes Empfangsnutzsignal u e (t) zeigt Abb. 2.9. b) Die halbe vertikale Augenöffnung ergibt sich nach (2.35), dort mit Herleitung, als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g zu

1 ln 2 f¨ur fg ≥ UA = U0 . (2.297) − e−2π fg Ts 2 2π Ts c) Die Funktion des Rauscheffektivwertquadrates UR2 am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g ist nach (2.59), dort mit Herleitung, UR2 = 0 π f g .

(2.298)

d) Für das Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt, ebenfalls als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g , erhält man nach (2.60) mit den Ergebnissen für die halbe vertikale Augenöffnung UA und die Rauschleistung UR2 =

UA2 UR2

=

U02

1 2

− e−2π fg Ts 0 π f g

2 ,

(2.299)

wobei praktisch nutzbare Ergebnisse nur bei vertikal geöffnetem Auge und damit für f g ≥ ln 2/(2π Ts ) zu erwarten sind. Mit den vorgegebenen Zahlenwerten werden nachfolgend die numerischen Ergebnisse berechnet. Optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz (über Darstellung des Signal-RauschVerhältnisses als Funktion von f g und Ablesen der optimalen Grenzfrequenz f g opt dort, wo das Signal-Rausch-Verhältnis maximal ist): f g opt = 394 kHz (bzw. als Näherung f g opt · Ts ≈ 0,4 −→ f g opt ≈ 400 kHz). Setzt man als Empfangsfiltergrenzfrequenz f g die optimale Grenzfrequenz f g opt = 394 kHz in die gewonnenen Gleichungen ein, erhält man die weiteren numerischen Ergebnisse: ˆ 5,432 dB UA = 2,079 V, UR2 = 1,238 V2 , = 3,493 = e) Die Fehlerwahrscheinlichkeit für binäre Übertragung ergibt sich nach (2.80), dort mit Herleitung, zu  $  $ 1 1 1 − erf = erfc . (2.300) Pf = 2 2 2 2 Bei binärer oder zweiwertiger Übertragung stimmt diese Wahrscheinlichkeit Pf dafür, dass ein empfangenes Symbol falsch bezüglich der Entscheidungsschwelle entschieden wird, mit der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb überein. Als numerisches Ergebnis erhält man (z. B. bei Benutzung eines Computer-Algebra-

232

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

oder Tabellenkalkulationsprogramms) Pf = 3,08 · 10−2 . Verwendet man die Tabelle der erfc-Funktion in Anhang E, so ist zunächst das Argument √ x = /2 = 1,3216 zu berechnen. Als (groben) Wert erhält man durch Ablesen für x = 1,3 −→ erfc(x) = 0,0659 und letztlich durch Division durch 2 den approximativen Wert Pf ≈ 3,3 · 10−2 für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit. Eine Verbesserung der Genauigkeit bei Benutzung der Tabelle der erfc-Funktion kann erzielt werden, wenn die in Tabellenwerken vorliegenden, auf mehrere Stellen nach dem Komma ausgearbeiteten, genaueren Tabellen verwendet werden.

Lösung zu Aufgabe 2.2 Zunächst wird das gegebene Empfangssignal in Zeit- und Frequenzbereich mit Hilfe der Beziehung  ur |t| ≤ Ts 1 − |t| Ts f¨   X e ( f ) = U0 Ts si2 (π f Ts ) (2.301) xe (t) = U0 0 f¨ur |t| > Ts beschrieben und in Abb. 2.111 dargestellt. a) Einhaltung des ersten Nyquist-Kriteriums: Der Empfangsgrundimpuls xe (t) wird im Symboltakt abgetastet, d. h. mit einer periodischen Dirac-Stoßfolge multipliziert (s. Anhang A), und man erhält xe (t) · C

+∞ 

δ(t − k Ts ) = C

k=−∞

−Ts

0

+∞ 

xe (k Ts ) · δ(t − k Ts ).

(2.302)

k=−∞

xe (t)

Xe (f)

U0

Ts U0

Ts

t

− T1s

0 1

Ts

Abb. 2.111 Dreieck-Empfangsgrundimpuls im Zeit- und Frequenzbereich

f

2.6

Lösungen zu den Aufgaben

233

xe (t)

Abb.2.112 Veranschaulichung des DreieckEmpfangsgrundimpulses mit Abtastung im Symboltakt zur Überprüfung auf Einhaltung des ersten Nyquist-Kriteriums

U0

−3Ts−2Ts −Ts

0

Ts

2Ts 2Ts

t

2Ts 2Ts

t

xe (t)

Abb.2.113 Veranschaulichung des DreieckEmpfangsgrundimpulses mit Abtastung im Symboltakt zur Überprüfung auf Einhaltung des zweiten Nyquist-Kriteriums

U0

−3Ts−2Ts −Ts

0

Ts

Entsprechend Abb. 2.112 werden außerhalb des Bereiches −Ts < t < Ts alle DiracStöße mit Null multipliziert; sie verschwinden im Ergebnis deshalb. Es verbleibt nur der mit xe (0) · C bewertete Dirac-Stoß bei t = 0, d. h. xe (0) · C · δ(t),

(2.303)

dessen Spektrum eine Konstante C · fT

+∞ 

X e ( f − μ f T ) = C · xe (0) = const.

(2.304)

μ=−∞

ist. =⇒ Das erste Nyquist-Kriterium wird demnach eingehalten. b) Einhaltung des zweiten Nyquist-Kriteriums: Der Empfangsgrundimpuls xe (t) wird wieder im Symboltakt abgetastet, d. h. mit einer periodischen Dirac-Stoßfolge multipliziert (s. Anhang A), nun allerdings um Ts /2 verschoben, und man erhält xe (t) · C

+∞  k=−∞

Ts δ t− − k Ts . 2

(2.305)

Entsprechend Abb. 2.113 werden außerhalb des Bereiches −Ts < t < Ts alle DiracStöße wieder mit Null multipliziert; sie verschwinden im Resultat deshalb. Es verbleibt

234

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

xe

Ts 2





Ts Ts Ts ·C ·δ t − + xe − ·C ·δ t + 2 2 2

bzw. xe

Ts 2





 Ts Ts ·C · δ t − +δ t + . 2 2

(2.306)

(2.307)

Mit den Korrespondenzen δ(t + T )   ej2π f T δ(t − T )   e−j2π f T und der Beziehung cos(x) =

 1  jx e + e−jx 2

(2.308)

kann man & % Ts Ts Ts (−1)μ X e ( f − μ f T ) = ej2π f 2 + e−j2π f 2 · C · xe 2 μ=−∞ Ts = xe · C · 2 cos(π f Ts ) 2 +∞ 

= const. · cos(π f Ts ) schreiben und es ist ein kosinusförmiger Verlauf erkennbar. =⇒ Das zweite Nyquist-Kriterium wird demnach ebenfalls eingehalten. c) Die Quelle sendet als Quellensignal Dirac-Stöße mit der Fläche U0 Ts aus und das Empfangsspektrum lautet nach der Aufgabenstellung X e ( f ) = U0 Ts si2 (π f Ts ). Damit verbleibt für die Kettenschaltung von Sende- und Empfangsfilter der Anteil G s ( f ) · G e ( f ) = si2 (π f Ts ).

(2.309)

Bei gleichmäßiger Aufteilung auf Sende- und Empfangsseite ergeben sich die Sendeund Empfangsfilterübertragungsfunktion zu G s ( f ) = G e ( f ) = si(π f Ts ).

(2.310)

Sende- und Empfangsfilter sind somit Wurzel-Nyquist-Filter, da die Kettenschaltung beider das erste – und hier auch das zweite – Nyquist-Kriterium einhält. Zusätzlich sind in diesem Sonderfall Sende- und Empfangsfilter für sich Nyquist-Systeme, da sie jeweils selbst das erste Nyquist-Kriterium erfüllen. Dies muss aber nicht immer so sein – und es ist für die zuverlässige Signalübertragung auch nicht notwendig –, um über die Kaskade von Sende- und Empfangsfilter das erste Nyquist-Kriterium einzuhalten. d) Das Empfangsfilter G e ( f ) ist ein auf das Sendefilter G s ( f ) bzw. auf das Sendespektrum X s ( f ) = U0 Ts G s ( f ) angepasstes Filter (Matched Filter). Da der Kanal keine

2.6

Lösungen zu den Aufgaben

235

Verzerrungen verursacht, kann daher das Signal-Rausch-Verhältnis vorteilhaft über die für signalangepasste Filterung gültige Beziehung (2.160) berechnet werden: =

E0 . 0

(2.311)

Die Energie E 0 des Sendeimpulses erhält man über Ts

+2

  +∞  Ts 2 2 2 Ts = U02 Ts , E0 = u 0 (t) dt = U0 dt = U0 − − 2 2 −∞

(2.312)

− T2s

und mit der gegebenen Rauschleistungsdichte 0 ergibt sich damit das gesuchte SignalRausch-Verhältnis zu =

U 2 Ts 22 V2 · 10−6 s E0 = 0 = = 4. 0 0 10−6 V2 /Hz

(2.313)

Lösung zu Aufgabe 2.3 In der Aufgabe soll ein Datenübertragungssystem so dimensioniert werden, dass bei gegebener Gesamtübertragungsfunktion H ( f ) = G s ( f ) · G e ( f ) eine intersymbolinterferenzfreie Übertragung mit maximaler Symbolrate realisiert wird (siehe auch Abb. 2.114). Eine intersymbolinterferenzfreie Übertragung kann nach der Abtastung im Symboltakt mit der Abtastfrequenz f a = 1/Ts erreicht werden, wenn sich auf Grund der sich einstellenden Periodisierung im Frequenzbereich eine Konstante ergibt. Dabei zeigt sich entsprechend Abb. 2.115, dass die Abtastfrequenz den Wert fa =

1 = 40 kHz Ts

annehmen muss, damit sich im Frequenzbereich eine Konstante ergibt. Da der Wert f T = 1/Ts die Symbolfolge- bzw. Taktfrequenz repräsentiert, kann in diesem Fall mit einer Symbolfolgefrequenz von f T = 40 kHz intersymbolinterferenzfrei über das gegebene System übertragen werden. Ein Aussage zur möglichen Bitfolgefrequenz kann nicht abgeleitet werden, da keine Angaben zur Stufigkeit der Übertragung gemacht werden.

Lösung zu Aufgabe 2.4 a) Das bei einem RC-Tiefpass erster Ordnung erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis wird im Beispiel Vergleich von Matched Filter und RC-Tiefpass erster Ordnung berechnet: Dieses Ergebnis wird hier verwendet. Für die Empfangsfilterung mit einem RC-Tiefpass erster Ordnung erhält man aus der Rechteckantwort des Empfangsimpulses (2.18) den maximalen Nutzsignalabtastwert

236

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

H(f) 1 0,5 −30 −20 −10

20

10

f (in kHz)

30

Abb. 2.114 Gesamtübertragungsfunktion H ( f ) = G s ( f ) · G e ( f ) eines gegebenen Datenübertragungssystems + μ=−

1

−40 −30 −20 −10

H(f − μ fa )

20

10

30

−fa = − T1s

f (in kHz)

40 fa =

1 Ts

Abb. 2.115 Veranschaulichung der Abtastung im Frequenzbereich

zum Zeitpunkt t = TA = Ts zu u e (t = Ts ) = U0 1 − e

− TTgs

  = U0 1 − e−2π fg Ts

(2.314)

und die Rauschleistung am Erkennungspunkt ist nach (2.59) UR2 = 0 π f g ,

(2.315)

so dass das Signal-Rausch-Verhältnis RC

 2 U02 1 − e−2π fg Ts = 0 π f g

(2.316)

resultiert. Die Optimierung der Grenzfrequenz des Empfangsfilters f g ergibt für den Fall des Einzelimpulses f g Ts ≈ 0,2 (s. Abb. 2.57), so dass man das Signal-Rausch-Verhältnis RC

 2 U02 1 − e−2π ·0,2 = 0 π · 0,2/Ts

(2.317)

2.6

Lösungen zu den Aufgaben

237

erhält. Mit den beispielhaft gegebenen Zahlenwerten ergibt sich RC = 0,8145.

(2.318)

b) Für die Empfangsfilterung mit einem Gauß-Tiefpass erhält man aus der Rechteckantwort des Empfangsimpulses (2.89) den maximalen Nutzsignalabtastwert zum Zeitpunkt t = TA = 0 zu 

 π fG Ts u e (t = 0) = U0 erf √ (2.319) ln(2) 2 und die Rauschleistung am Erkennungspunkt ist nach (2.101) √ π 2 U R = 0 √ fG , 2 ln 2

(2.320)

so dass das Signal-Rausch-Verhältnis

G =

%   &2 fG Ts U02 erf √πln(2) 2 0

√ π √ 2 ln 2

(2.321)

fG

resultiert. Die Optimierung der Grenzfrequenz des Empfangsfilters f G ergibt für den Fall des Einzelimpulses f G Ts ≈ 0,525 (s. Abb. 2.116), so dass man mit den beispielhaft gegebenen Zahlenwerten das Signal-Rausch-Verhältnis G = 0,8901

(2.322)

erhält. c) Für die signalangepasste Empfangsfilterung ergibt sich die Energie des Sendeimpulses zu +∞ E0 = u 20 (t) dt = U02 · Ts (2.323) −∞

und damit das nach (2.160) erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis zu MF =

U 2 Ts E0 = 0 0 0

(2.324)

Mit den beispielhaft gegebenen Zahlenwerten erhält man MF = 1.

(2.325)

Zusammenfassung der Ergebnisse: In Tab. 2.7 sind die Ergebnisse für die maximal erzielbaren Signal-Rausch-Verhältnisse bei den drei betrachteten Empfangsfiltertypen zusammengestellt. Der maximale Wert

238

1



0.8 0.6

G

Abb. 2.116 Signal-RauschVerhältnis G als Funktion der auf die Symboldauer Ts normierten Empfangsfiltergrenzfrequenz fG

2 Grundlagen der Basisbandübertragung

0.4 0.2 0

0.5

1

1.5

2

fG T s → Tab. 2.7 Ergebnisse für die Signal-Rausch-Verhältnisse bei verschiedenen Arten der Empfangsfilterung am Beispiel der Einzelimpulsübertragung RC-Tiefpass erster Ordnung

Gauß-Tiefpass

Matched Filter

RC = 0,8145

G = 0,8901

MF = 1

wird bei einem signalangepassten Filter (Matched Filter) erreicht; ein solches Filter ist jedoch nicht immer einfach realisierbar. Das approximativ praktisch realisierbare GaußTiefpassfilter gestattet ca. 89 % der Leistungsfähigkeit eines Matched Filters und der RCTiefpass erster Ordnung immerhin noch ca. 81 % bei vergleichsweise geringem Realisierungsaufwand.

3

Übertragungskanal Kupferkabel

Zusammenfassung

Nachrichtenübertragungskanäle – oder Übertragungskanäle – sind das Herzstück von Übertragungssytemen: Sie stellen eine Verbindung zwischen einem Sender und einem Empfänger her, die es gestattet, auf physikalisch-technischem Wege Informationen zwischen den beiden Endpunkten zu übertragen. Sie stehen deshalb oft im Mittelpunkt nachrichtentechnischer Betrachtungen bzw. sie bilden den Ausgangspunkt für den Entwurf von Übertragungssystemen, mit deren Hilfe Informationen über einen gegebenen Kanal übertragen werden sollen. Nach einer kurzen allgemeinen Einführung zu Übertragungskanälen und deren Klassifizierung liegt der Schwerpunkt dieses Kapitels auf der Beschreibung von Kupferleitungen als Kanal für die Nachrichtenübertragung. Ausgehend von den elektrischen Eigenschaften von Kupferzweidrahtleitungen wird über die Leitungstheorie eine systemtheoretische Beschreibung des Übertragungskanals Kupferkabel erarbeitet, die in einer Kabelübertragungsfunktion resultiert und die für die Analyse und Optimierung von Übertragungssystemen, die über derartige Kanäle zur Informationsübertragung verwendet werden, passfähig und geeignet ist. Abschließend werden spezielle Arten von Kopplungen in Nachrichtenkabeln untersucht und ebenfalls systemtheoretisch beschrieben, die aus dem konstruktiven Aufbau solcher Kabel resultieren und die als Nebensprechen bezeichnet werden.

3.1

Einführung zu Nachrichtenübertragungskanälen

Ein Nachrichtenübertragungskanal stellt in einem Nachrichtenübertragungssystem die physikalische Verbindung zwischen Sender und Empfänger dar, über die informationstragende Signale übertragen werden können. Er ist als Bestandteil eines Nachrichtenübertragungs-

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange und A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3_3

239

240

3 Übertragungskanal Kupferkabel

systems als gegeben anzunehmen. Sein Einfluss auf das Sendesignal wird durch das Zusammenspiel von Eigenschaften des Sendesignals (wie z. B. dessen Bandbreite) mit den Kanaleigenschaften (z. B. Frequenzabhängigkeit des Kanals) bestimmt. Für die leitungsgebundene digitale Informationsübertragung mit hohen Datenraten im Weitverkehr stehen in Telekommunikationsnetzen mit der Glasfaser-basierten optischen Übertragungstechnik – mit Bezug auf das Übertragungsmedium und die Übertragungstechnik – ausreichende und skalierbare Kapazitäten bereit. Die Anforderungen an die Datenübertragungsgeschwindigkeit steigen stetig und oftmals ist die Strecke vom Zugangsknoten (bzw. der ehemaligen Vermittlungsstelle der Fernsprechnetze) bis zum Endkunden bzw. Teilnehmer eine Engstelle in Bezug auf die Datenübertragungsgeschwindigkeit. Diese letzte Strecke zwischen Zugangsknoten des Telekommunikationsnetzes und Endkunde bzw. Teilnehmer ist, je nach geografischen Gegebenheiten, typischerweise wenige hundert Meter bis einige Kilometer lang. Sie wird zumeist durch die leitungsgebundenen Zugangsnetze überbrückt bzw. realisiert, die – bis zu einer Umstellung auf Glasfasertechnik – zu einem großen Teil aus vielpaarigen, symmetrischen Kupferkabeln, den Ortsanschlusskabeln, gebildet werden. Diese Kupfer-basierten Zugangs- bzw. Ortsnetze wurden ursprünglich als Teil der Fernsprechnetze zur analogen Telefonie-Sprachübertragung installiert und sie werden zusätzlich seit einigen Jahrzehnten auch zur digitalen Informationsübertragung verwendet, da sie nahezu flächendeckend verfügbar sind [71]. Ein wichtiges Beispiel für die Kupfer-basierte Datensignalübertragung ist die moderne DSL-Technik (digital subscriber line), über die heutige Breitbanddienste über diese Kupferleitungen als modulierte Signale bereitgestellt werden. Leitungsgebundene Zugangsnetze werden schrittweise auf optische Übertragungstechnik umgerüstet. Auf Grund des hohen dafür erforderlichen finanziellen und zeitlichen Aufwandes wird dieser Umbau hin zu einem Zugangsnetz mit Glasfaserleitungen bis in jedes Gebäude oder jede Wohnung voraussichtlich noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen. So ist das symmetrische Leiterpaar innerhalb vielpaariger Kabel ein sehr wichtiges Übertragungsmedium für die Versorgung von Endkunden bzw. Teilnehmern mit leitungsgebundenen Breitbanddiensten. Es wird darüber hinaus mittelfristig seine Bedeutung auf kurzen Übertragungsstrecken behalten, z. B. innerhalb von Gebäuden und bei Spezialanwendungen, da so bereits installierte Kommunikationsnetzinfrastruktur weiter genutzt und betrieben werden kann.

3.1.1

Übertragungstechnische Grundlagen für Übertragungskanäle

Um effizient arbeitende leitungsgebundene Nachrichtensysteme entwerfen zu können, sind die Eigenschaften des symmetrischen Leiterpaares innerhalb vielpaariger Kabel als Übertragungskanal im Hinblick auf die Impulsübertragung geeignet zu beschreiben und Störeffekte zu erfassen und zu analysieren. Der Einfluss des Übertragungskanals soll im Folgenden durch eine Übertragungsfunktion G k ( f ) und ein additives, gaußverteiltes Störsignal n(t) mit der Leistungsdichte 0 modelliert werden [65] (Abb. 3.1). Die Bedeutung der Überlage-

3.1

Einführung zu Nachrichtenübertragungskanälen

Übertragungskanal Sendesignal

us (t)

241

Gestörtes und verzerrtes Empfangssignal

ukr (t)

Gk (f) Ψ0

n(t)

Störsignal Abb. 3.1 Modell des Übertragungskanals Kabel

rung von weißem, mittelwertfreiem, gaußverteiltem Rauschen liegt darin begründet, dass in der Praxis eine Vielzahl unabhängiger Stör- bzw. Rauschprozesse die Übertragung stören. Die Überlagerung dieser einzelnen Prozesse führt dann nach dem zentralen Grenzwertsatz [48, 52] zu einer Gaußverteilung, womit nahezu jeder reale Kanal einen AWGN-Anteil besitzt. Abb. 3.1 zeigt einen Nachrichtenübertragungskanal, der das Eingangssignal (Sendesignal) u s (t) auf das im Allgemeinen verzerrte und durch Rauschen gestörte Ausgangssignal u kr (t) abbildet. Der Übertragungskanal wird als zeitinvariant angenommen, d. h. die Eigenschaften des Übertragungskanals ändern sich nicht mit der Zeit.1 Er wird durch die Gewichtsfunktion gk (t), als inverse Fourier-Transformierte der Übertragungsfunktion G k ( f ), beschrieben. Wünschenswert wäre es, wenn für eine Nachrichtenübertragung die Bedingung (3.1) u kr (t) = g0 u s (t − τ0 ) + n(t) erfüllt werden könnte. In diesem Fall würde sich für das Sendesignal u s (t) eine konstante Laufzeit τ0 und Dämpfung g0 ergeben. Zusätzlich wird das Sendesignal durch Störungen, modelliert durch weißes, gaußverteiltes Rauschen, beeinträchtigt. Bei Annahme einer konstanten Laufzeit und Dämpfung ergibt sich die Gewichtsfunktion eines Nachrichtenübertragungskanals zu gk (t) = g0 δ(t − τ0 ).

(3.2)

Die Fourier-Transformation der Gewichtsfunktion führt auf die Übertragungsfunktion G k ( f ) = g0 · e−j 2π f τ0 .

(3.3)

1 Diese Voraussetzung der Zeitinvarianz des Kanals kann in der Praxis höchstens näherungsweise

erfüllt werden, da auch leitungsgebundene Übertragungskanäle unter anderem eine Temperaturabhängigkeit aufweisen, so dass ihre Eigenschaften strenggenommen zeitlich veränderlich sind. Der Einfluss dieser Temperaturabhängigkeit und der daraus resultierenden zeitlichen Abhängigkeit der Kanalcharakteristik ist jedoch zumeist deutlich geringer, als die zeitlich relativ schnellen Veränderungen der Übertragungseigenschaften beispielsweise von Funkkanälen.

242

3 Übertragungskanal Kupferkabel

|Gk (f)|

gk (t) g0

g0

0

t

f

0

Abb. 3.2 Charakteristik des idealen Kanals im Zeit- und Frequenzbereich

Abb. 3.2 veranschaulicht die sich ergebende Charakteristik des idealen Kanals im Zeitund Frequenzbereich. In diesem Fall lässt sich unabhängig von der Datenübertragungsgeschwindigkeit eine verzerrungsfreie Übertragung gewährleisten. Es sei angemerkt, dass diese auch dann realisiert werden kann, wenn die Bedingung einer konstanten Betrags- und Laufzeitcharakteristik nur für den von einem konkreten Eingangssignal tatsächlich belegten Frequenzbereich gilt. Allerdings kann die Forderung nach einer konstanten Betrags- und Laufzeitcharakteristik für ein vom Eingangssignal belegtes Frequenzintervall in der Praxis nur in Grenzen erfüllt werden. Reale Übertragungskanäle werden durch frequenzabhängige Bauelemente und Komponenten eine immer mehr oder weniger starke Frequenzabhängigkeit aufweisen. Abb. 3.3 veranschaulicht die Zeit- und Frequenzcharakteristik eines beispielhaften realen Kanals mit nicht-idealen Eigenschaften. Die Eigenschaften des Sendesignals – hier der vom Sendesignal belegte Frequenzbereich – entscheiden bei gegebener Kanalcharakteristik darüber, ob eine verzerrungsfreie Übertragung ermöglicht werden kann. Dies gelingt bei steigenden Anforderungen an die Datenrate immer weniger, da bei einer höheren Datenrate der vom Sendesignal belegte Frequenzbereich ansteigt. In diesem Fall erfahren die einzelnen Komponenten des Sendesignals unterschiedliche Amplituden- und Phasenverzerrungen, womit eine verzerrungsfreie Übertragung nicht realisierbar ist. Kanäle mit dieser Eigenschaft gehören zu der Klasse der zeitdispersiven Kanäle und besitzen ein frequenzselektives Verhalten [42]. Während die frequenzabhängige Charakteristik des Kanals bei vergleichsweise geringer Bandbreite des Sendesignals und damit geringer Datenübertragungsgeschwindigkeit noch

|Gk (f)|

gk (t)

0

t

0

Abb. 3.3 Charakteristik eines realen Kanals im Zeit- und Frequenzbereich

f

3.1

Einführung zu Nachrichtenübertragungskanälen

Abb. 3.4 Sendesignal und Übertragungskanal (im Frequenzbereich) bei langsamer Datenübertragung

243

|Gk (f)| Spektrum des Sendesignals

f Abb. 3.5 Sendesignal und Übertragungskanal (im Frequenzbereich) bei schneller Datenübertragung

|Gk (f)| Spektrum des Sendesignals

f

weitgehend unberücksichtigt bleiben kann (s. Abb. 3.4), ergibt sich bei höherer Datenübertragungsgeschwindigkeit und damit größerer Bandbreite des Sendesignals eine größere Verfälschung des Sendesignals (s. Abb. 3.5): Es entstehen durch den Einfluss des Übertragungskanals Signalverzerrungen, die am Erkennungspunkt als Intersymbolstörungen sichtbar werden können.

3.1.2

Klassifizierung der Nachrichtenübertragungskanäle

Nachrichtenübertragungskanäle lassen sich in vielfältiger Form finden. Neben den Kupferkabeln (symmetrische, verdrillte Doppeladern oder Koaxialkabel) spielen insbesondere die Glasfaser oder der Funkkanal eine dominierende Rolle beim Informationsaustausch und damit für die hochratige Übertragung digitaler Signale. Solche Nachrichtenübertragungskanäle lassen sich nach typischen Eigenschaften, wie z. B. der Wirkung des Kanals in Abhängigkeit von den Eigenschaften des Sendesignals, beschreiben. Während bei geringer Datenübertragungsgeschwindigkeit alle Frequenzkomponenten des Sendesignals in gleicher Art und Weise, durch z. B. eine frequenzunabhängige Dämpfung, betroffen sind und deshalb der Übertragungskanal auch durch einen frequenzunabhängigen Faktor beschrieben werden kann, erfahren bei schnellerer Datenübertragung die einzelnen Frequenzkomponenten des Sendesignals unterschiedliche Bewertungen. Dieses Verhalten kann durch eine frequenzabhängige Übertragungsfunktion erfasst werden. In Abb. 3.6 ist eine Klassifizierung der Übertragungskanäle angegeben, die sich in Abhängigkeit von den Eigenschaften des Sendesignals ergibt.

244

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Übertragungskanal

Sendesignal

us (t)

Verzerrtes und gestörtes Empfangssignal

ukr (t)

Gk (f) Ψ0 n(t) Störung

Dämpfung

us (t)

ukr (t)

ρ0

us (t)

Verzerrung

ukr (t)

Gk (f)

Ψ0 n(t)

Ψ0 n(t)

Störung

Störung

Beispiel: Satellitenfunkkanal

Beschreibung durch Übertragungsfunktion

Kontinuierliches System

Diskretes System

Beispiele: Elektrische Leitung Kurzwellenfunkkanal

Mobilfunkkanal

Beispiel:

Abb. 3.6 Klassifizierung der Nachrichtenübertragungskanäle nach den Systemeigenschaften

3.2

Einführung zu Kupferleitungen

3.2.1

Einleitende Bemerkungen

Im vorhergehenden Abschnitt wurden einige Grundlagen der Beschreibung von Nachrichtenübertragungskanälen eingeführt. Diese werden nun auf die Modellierung von Kupferleitungen bzw. -kabeln als Übertragungskanäle angewendet. Bei der Übertragung informationstragender Signale über einen physikalischen Übertragungskanal treten im Allgemeinen Signalverzerrungen auf und die Übertragung wird zusätzlich durch Rauschstörungen beeinflusst. Ein allgemeines systemtheoretisches Modell des Übertragungskanals ist in Abb. 3.7 dargestellt.

3.2

Einführung zu Kupferleitungen

245

Abb. 3.7 Modell eines Übertragungskanals

Lineare Signalverzerrungen können vorteilhaft mit Mitteln der Systemtheorie durch eine Kanalübertragungsfunktion G k ( f ) bzw. durch eine Gewichtsfunktion gk (t) des Kanals modelliert werden. Beispiele sind Signalverzerrungen, die durch Frequenzabhängigkeiten im Übertragungsweg wie z. B. eine frequenzabhängige Leitungsdämpfung bei der Übertragung über Kupferkabel oder durch Filter in Baugruppen des Senders oder des Empfängers hervorgerufen werden. Übertragungskanäle können zeitvariant sein und somit ihre Übertragungseigenschaften mit der Zeit verändern. Ein prominentes Beispiel zeitveränderlicher Kanäle ist der Mobilfunkkanal, dessen Übertragungscharakteristik sich in sehr kurzen Zeitabständen signifikant ändern kann. Auch elektrische Leitungen bzw. Kabel können ihre Übertragungseigenschaften zeitlich ändern, jedoch typischerweise auf anderen Zeitskalen: So ändern elektrische Leiter ihre Charakteristik z. B. tages- oder jahreszeitlich bei veränderlicher Temperatur. Ebenso können Kabel alterungsbedingt ihre Übertragungseigenschaften ändern, wenn sich beispielsweise die Isolation zwischen den Leitern durch Alterungsprozesse verändert. Da diese Zeitveränderlichkeit der Übertragungseigenschaften von Kupferleitungen vergleichsweise langsam, z. B. gegenüber der Datenübertragungsgeschwindigkeit, geschieht, wird sie im weiteren Verlauf des Buches nicht näher betrachtet und modelliert. Rauschstörungen werden, wie bereits bei der allgemeinen Kanalbeschreibung dargestellt, oftmals als weißes, gaußverteiltes Rauschen modelliert, d. h., als stochastischer Prozess mit einer konstanten Leistungsdichte 0 , dessen Amplituden eine Gauß- bzw. Normalverteilung aufweisen. Die theoretische Grundlage bildet der zentrale Grenzwertsatz [48, 52].

3.2.2

Elektrische Leitungen und Kabel

Zunächst sollen die Begriffe Leitung und Kabel genauer gefasst werden: Unter einer Leitung versteht man sehr allgemein eine – meist technische – Anlage, die einen Stoff bzw. eine Materie, einen physikalischen Zustand oder Energie bzw. Information über eine Distanz fortleiten, d. h. übertragen, kann. Beispielsweise existieren Leitungen für Gas, Wasser und Fernwärme. Die zum Transport von elektrischer Energie und zur Übertragung von Information auf der Basis von elektromagnetischen Wellen verwendeten Leitungen werden dementsprechend als elektrische Leitungen bezeichnet. Diese Leitungen sind Gegenstand der in diesem Kapitel diskutierten Theorie der Leitungen oder Leitungstheorie. In Kabeln werden aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen oft mehrere oder eine Vielzahl von elektrischen Leitungen zusammengefasst, um sie z. B. gegen Umwelteinflüsse geschützt verwenden zu können.

246

3 Übertragungskanal Kupferkabel

In der Praxis werden die Begriffe Leitung und Kabel oft nicht sehr scharf unterschieden, die Bedeutung geht meist aus dem jeweiligen Kontext hervor. Beispielsweise sind die zum Transport elektrischer Energie eingesetzten Hoch- oder Mittelspannungsleitungen oft Freileitungen und die in Nachrichtenkabeln zusammengefassten Leitungen werden oftmals als Kabel bezeichnet, auch wenn unter Umständen nur ein einzelnes Leiter- bzw. Aderpaar bestehend aus zwei einzelnen Kupferadern gemeint ist. Metallische Leiter bzw. elektrische Kabel und Leitungen werden in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen in verschiedenen Bereichen der Elektrotechnik verwendet: So werden derartige Leitungen und Kabel sowohl zur Versorgung mit Elektroenergie als Leitungen auf verschiedenen Spannungsebenen eingesetzt als auch zur Übertragung von Informationen als Nachrichtenkabel. Mit Hilfe der Theorie der Leitungen können die Eigenschaften und das Verhalten von elektrischen Leitungen für diese sehr verschiedenen Anwendungsfelder in der Elektroenergietechnik und in der Nachrichtentechnik allgemeingültig und einheitlich beschrieben werden. Ein typischer Unterschied besteht darin, dass Elektroenergieversorgungsleitungen üblicherweise bei einer Frequenz betrieben werden, während auf Nachrichtenkabeln stets Frequenzbänder übertragen werden. Mit Hilfe der Theorie der Leitungen wird in diesem Kapitel zunächst allgemeingültig und anschließend für harmonische Erregung, d. h. für sinus- bzw. kosinusförmige Eingangsgrößen im eingeschwungenen Zustand, das Übertragungsverhalten metallischer Leitungen untersucht. Anschließend werden praktisch wichtige Sonderfälle in Abhängigkeit von der Betriebsfrequenz betrachtet. Der Fokus liegt auf der Nachrichtenübertragung und es wird der für die Übertragung digitaler Signale besonders wichtige Fall der stark gedämpften Leitung (RC-Leitung) genauer analysiert und modelliert. Wichtige Leitungskenngrößen werden jeweils hergeleitet und angegeben. Um den Einfluss und die Wirkung von elektrischen Leitungen bei der Übertragung über Nachrichtenkabel auf die Signale mit den Mitteln der Signal- und Systemtheorie vorteilhaft beschreiben und modellieren zu können, wird anschließend eine Übertragungsfunktion für den in der Digitalsignalübertragung bedeutsamen Fall der RC-Leitung ermittelt und dafür eine rationale Approximation bestimmt.

3.3

Theorie der Leitungen

Elektrische Leitungen sind Systeme mit verteilten Parametern. Sie dienen der Übertragung elektrischer Energie bzw. Leistung oder der Übertragung von Information durch elektrische Signale. Elektrische Energie breitet sich entlang von metallischen Leitungen in Form elektromagnetischer Wellen aus. Die auf Leitungen ablaufenden elektrischen Prozesse sind damit Wellenvorgänge, d. h., die auftretenden Ströme und Spannungen sind Funktionen der Zeit t und des Ortes x.

3.3 Theorie der Leitungen

247

Abb. 3.8 Schematische Darstellung einer Zweidrahtleitung

Abb. 3.8 zeigt beispielhaft eine aus zwei parallelen Leitern bestehende Zweidrahtleitung. Die Leitung weist die Länge  auf und die im Abstand d verlaufenden metallischen Leiter haben jeweils den Radius r0 . Als Länge  der Leitung wird der einfache Abstand vom Sender zum Empfänger bzw. vom Generator zum Verbraucher definiert. Die Betrachtungen zur Theorie der Leitungen in diesem Kapitel folgen im Wesentlichen den Darstellungen in [46, 50, 56, 57, 67].

3.3.1

Elektrische Leitungsparameter

Eine elektrische Leitung nach Abb. 3.8 ist ein elektrischer Stromkreis bestehend aus zwei elektrischen Leitern – einem Hin- und einem Rückleiter –, die im Allgemeinen einen ohmschen Widerstand R, eine gegenseitige Induktivität L, eine gegenseitige Kapazität C und eine Ableitung bzw. einen Leitwert G aufweisen [58]: Der Widerstand R gibt Auskunft über die Verluste in metallischen Leitern, die Ableitung bzw. der Leitwert G beschreibt die Isolationsverluste und die dielektrischen Verluste in der Isolierung zwischen den Leitern, während die Kapazität C die zwischen den Leitern bestehende Kapazität wiedergibt und die Induktivität L die äußere und die innere Induktivität der Leitung ausdrückt. Eine elektrische Leitung mit ihren elektrischen Eigenschaften – und damit ihrem Übertragungsverhalten – kann daher prinzipiell als passives elektrisches Netzwerk aufgefasst

248

3 Übertragungskanal Kupferkabel

und beschrieben werden, das aus den elektrischen Elementen Widerstand R, Ableitung G, Kapazität C und Induktivität L besteht, wenn zusätzlich die räumliche Ausdehnung der Leitung beachtet und erfasst wird. Die das Verhalten einer Leitung beschreibenden elektrischen Schaltelemente können aus den Materialeigenschaften des Leiter- und Isolationsmaterials in Verbindung mit der konstruktiv-geometrischen Anordnung der Leitung gewonnen werden [43]. Elektrische Schaltelemente zur Beschreibung von Leitungen Es werden im Folgenden mögliche approximative Berechnungsmöglichkeiten für die elektrischen Schaltelemente einer aus zwei parallelen Leitern bestehenden Zweidraht-Leitung der Länge  betrachtet. Der Widerstand R eines Leiters kann mit Hilfe der Länge 2 des Leiters, seiner Querschnittsfläche r02 π (Kreisfläche) und des spezifischen Widerstands ρ bzw. der spezifischen Leitfähigkeit des Leitermaterials als 2ρ (3.4) R= 2 r0 π angegeben werden [43, 56]. Er erfasst die Verluste in den metallischen Leitern. Die Länge 2 des Leiters ist dabei die Schleifenlänge, die bei Kurzschluss am Ende der Leitung wirksam ist. Der Isolationsleitwert 1 (3.5) G=  RIsolation beschreibt die Isolationsverluste und die dielektrischen Verluste in der Isolierung zwischen  ein auf eine Längeneinheit (z. B. 1 km) bezogener Isolatiden Leitern. Dabei ist RIsolation onswiderstand, der vom Material der Isolation abhängt. Die Kapazität ε0 εr π (3.6) C = ln rd0 beschreibt die zwischen den Leitern bestehende Kapazität. Sie hängt von der Leitungsgeometrie (r0 und d) und von der Dielektrizitätskonstante (ε0 εr ) der Isolierung ab. Dabei sind ε0 = 8,855 · 10−12 As/Vm die Influenzkonstante (die Dielektrizitätskonstante des Vakuums) und die relative Dielektrizitätskonstante bzw. die relative Permittivität εr > 1 eine Materialkonstante [21, 43, 50]. Die Beziehung (3.6) gilt für d  r0 [50] und damit z. B. für Paralleldraht-Freileitungen, aber strenggenommen nicht exakt für Zweidraht-Leitungen in Kabeln; sie liefert jedoch auch dafür praktisch brauchbare approximative Werte. Die Induktivität d μ0 μ r (3.7) ln L= π r0 erfasst einerseits die außerhalb des elektrischen Leitermaterials auftretende äußere Induktivität, die durch die Geometrie und magnetische Werkstoffeigenschaften der Leitung bestimmt wird und andererseits die innerhalb der elektrischen Leiter wirkende innere Induktivität,

3.3 Theorie der Leitungen

249

die durch Magnetfelder in den Leitern hervorgerufen wird. Sie hängt von der Leitungsgeometrie (r0 und d) und von der Permeabilität (μ0 μr ) ab, wobei μ0 = 1,256 · 10−6 Vs/Am die Permabilität des Vakuums und μr als relative Permeabilität eine Materialkonstante sind [43, 50]. Die Beziehung (3.7) gilt ebenfalls für d  r0 [50] und damit z. B. wieder für Paralleldraht-Freileitungen, aber strenggenommen nicht exakt für Zweidraht-Leitungen in Kabeln; sie liefert jedoch auch dafür praktisch brauchbare Näherungswerte. Bezieht man die so erhaltenen Schaltelemente auf die Länge  = 1 km, erhält man die kilometrischen Leitungskenngrößen oder primären Leitungsparameter bzw. Leitungsbeläge, die bei der Beschreibung von elektrischen Leitungen unterschiedlicher Länge üblich sind, und die nachfolgend verwendet werden. Leitungsbeläge von elektrischen Leitungen Um bei der Beschreibung von Leitungen von der Länge  der betrachteten Leitung unabhängig zu sein, werden auf die Längeneinheit bezogene Größen, die Leitungsbeläge oder primären Leitungsparameter eingeführt. Sie werden üblicherweise auf 1 km Leitungslänge bezogen und werden bezeichnet als • • • •

Widerstandsbelag R  in der Einheit /km, Ableitungsbelag G  in der Einheit S/km, Kapazitätsbelag C  in der Einheit F/km, Induktivitätsbelag L  in der Einheit H/km.

Diese Größen stellen damit Leitungskonstanten dar und gestatten eine einheitliche Beschreibung von Leitungen variabler Länge. Für die auf die Länge  bezogenen Leitungskenngrößen erhält man die im Folgenden angegebenen Schaltelemente. Der Widerstandsbelag ρ (3.8) R = 2 r0 π wirkt in Übertragungsrichtung und ist im Allgemeinen frequenzabhängig durch den SkinEffekt. Richtwerte für Widerstandsbeläge von Nachrichtenkabeln liegen im Bereich von R  = 10 . . . 100 /km und bei Freileitungen in der Größenordnung von R  = 1 . . . 10 /km [57]. Der Ableitungs- oder Leitwertbelag G =

1  RIsolation

(3.9)

wirkt quer zur Übertragungsrichtung. Er kann auch mit Hilfe des Verlustfaktors tan δ angegeben werden: (3.10) G  = ωC  · tan δ.

250

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Richtwerte für Ableitungsbeläge von Kabeln (und Freileitungen) liegen im Bereich von G  = 0,1 . . . 1 μS/km. Der Verlustfaktor tan δ hängt vom verwendeten Isolierstoff, vom konstruktiven Aufbau sowie häufig von Frequenz und Temperatur ab. Er soll für alle Arten von Leitungen möglichst klein und konstant sein; typische Werte sind tan δ ≈ 10−4 . . . 10−3 (. . . 10−1 ) [46, 57]. Der Kapazitätsbelag ε0 εr π C = (3.11) ln rd0 ist zwischen den beiden Leitern eines Leiterpaares wirksam und ist nahezu frequenzunabhängig. Richtwerte für Kapazitätsbeläge von Nachrichtenkabeln liegen im Bereich von C  = 20 . . . 50 nF/km und bei Freileitungen in der Größenordnung von C  = 5 . . . 7 nF/km [46, 57]. Der Induktivitätsbelag μ0 μr d (3.12) ln L = π r0 ist mit dem Magnetfeld des Stromes in Übertragungsrichtung verbunden. Die äußere Induktivität ist nahezu frequenzunabhängig, die innere Induktivität hingegen hängt von der Frequenz ab. Richtwerte für Induktivitätsbeläge von Nachrichtenkabeln liegen im Bereich von L  = 0,3 . . . 1 mH/km und bei Freileitungen in der Größenordnung von L  = 1 . . . 2,5 mH/km [46, 57].

3.3.2

Homogene Leitung

Die Leitungsbeläge R  , G  , C  und L  sind im Allgemeinen Funktionen der Zeit t und des Ortes x. Für praktisch wichtige Leitungen können sie jedoch als zeitunabhängig angenommen werden, d. h., sie ändern sich nicht mit der Zeit. Zudem kann für die mathematische Behandlung vorausgesetzt werden, dass die Leitung über ihre gesamte Länge gleich bleibende elektrische Eigenschaften aufweist, da z. B. das Material, der Leiterdurchmesser, die Isolation und der geometrisch-konstruktive Aufbau von Kabeln als konstant angesehen werden können. Eine solche Leitung wird als homogene Leitung bezeichnet. Die homogene Leitung ist damit ein Modell, dass die Wirklichkeit zwar nicht exakt beschreibt, für viele praktisch bedeutende Anwendungen jedoch eine hinreichend genaue Näherung darstellt. Weiterhin soll ein lineares Verhalten der Leitung vorausgesetzt werden, d. h. die elektrischen und magnetischen Parameter der Leitung sollen nicht von der Größe des Stromes und der Spannung auf der Leitung abhängig sein. Für die Analyse des elektrischen Verhaltens von Leitungen geht man von einer Leitung mit gleich bleibenden elektrischen und magnetischen Eigenschaften aus und zerlegt die Leitung der Länge  in kurze Leitungselemente der Länge dx und summiert die Wirkungen aller dieser infinitesimal kurzen Leitungselemente: Deshalb wird ein infinitesimales Leitungsstück entsprechend Abb. 3.9 betrachtet.

3.3 Theorie der Leitungen

i

251

R dx

i + ∂i dx ∂x

L dx

u

C dx

u + ∂u dx ∂x

G dx

dx Abb. 3.9 Infinitesimales Leitungselement

i u

R dx

L dx

C dx

R dx

i + di G dx

u + du

L dx

C dx

G dx

x + dx

x infinitesimales Leitungselement

Abb. 3.10 Ersatzschaltung für eine homogene Leitung (Näherung)

Auf das Leitungsstück der Länge dx entfallen der Widerstand R  dx, der Leitwert G  dx, die Kapazität C  dx und die Induktivität L  dx. Der ohmsche Widerstand verursacht einen Spannungsabfall bei Stromfluss. Der Strom ist mit einem magnetischen Wechselfeld verkoppelt, das eine Spannung induziert: Die Spannung längs der Leitung ist daher nicht konstant. Der Verschiebungsstrom im Dielektrikum und der Leitungsstrom infolge der endlichen Leitfähigkeit des Dielektrikums (z. B. durch unvollkommene Isolation, Entladeströme usw.) können – insbesondere bei hohen Spannungen oder Frequenzen – nicht vernachlässigt werden: Auch der Strom ändert sich längs der Leitung. Setzt man eine homogene Leitung voraus, so kann eine solche Leitung durch eine Hintereinanderschaltung unendlich vieler infinitesimaler Leitungselemente, angenähert werden (s. Abb. 3.10). Leitungselemente endlicher Länge sind somit eine Näherung. Aus dem Ersatzschaltbild (Abb. 3.9) eines Leitungselements werden über die Anwendung der Kirchhoffschen Sätze (Maschen- und Knotenregel, z. B. [43]) die benötigten mathematischen Beziehungen für den Spannungs- und den Stromverlauf bestimmt [50]. Die Augenblickswerte der Spannung und des Stromes am Eingang eines Leitungselements werden

252

3 Übertragungskanal Kupferkabel

mit u bzw. i bezeichnet, ihre Augenblickswerte an dessen Ausgang ergeben sich dann zu u + (∂u/∂ x) dx bzw. i + (∂i/∂ x) dx. Einschub: Zur Erklärung der Spannungs- und Stromänderung

Die absolute Änderung z. B. der Spannung an der Stelle x + dx gegenüber der Spannung an der Stelle x, wenn sich die Zeit um dt ändert, kann als du =

∂u ∂u dx + dt ∂x ∂t

(3.13)

geschrieben werden (Differentialrechnung für Funktionen mit mehreren Variablen [11]). Wird einschränkend der gleiche Zeitmoment an den Stellen x und x + dx betrachtet, wird dt = 0 und man erhält du =

∂u dx ∂x

(3.14)

für die Spannungsänderung längs des Wegelements dx. Diese hängt nur von der Schrittlänge dx und der Tendenz ∂u/∂ x ab, mit der sich die Spannung örtlich ändert [57]. Eine sinngemäße Betrachtung lässt sich für die Stromänderung längs des Wegelements dx anstellen. Wenn das Netzwerk passiv ist, sind sowohl du als auch di negativ.

Die Spannungsänderung bzw. der  Spannungsabfall am Leitungselement der Länge dx beträgt (nach der Maschenregel U = 0) u  Spannung am Anfang



  ∂u u+ = i ·  R  dx + dx ∂x    Spannungsabfall am Widerstand Spannung am Ende

∂i  L dx ∂t   

.

Spannungsabfall an der Induktivit¨at

(3.15)  Die Stromänderung am Leitungselement der Länge dx kann (nach der Knotenregel I = 0) als       ∂u ∂i ∂u ∂   u+ = i+ (3.16) dx + u + dx G dx + C dx dx i  ∂x ∂x ∂t ∂x          Strom am Anfang Strom am Ende

Isolationsstrom

Strom durch die Kapazit¨at

ausgedrückt werden. Es handelt sich bei (3.15) und (3.16) um partielle Differentialgleichungen erster Ordnung.

3.3 Theorie der Leitungen

253

Einschub: Herleitung der Leitungsgleichungen

Die Umformung der Beziehung (3.15) für den Spannungsverlauf durch Auflösen der Klammern und Division durch dx ergibt   ∂i ∂u dx = i · R  dx + L  dx u− u+ ∂x ∂t ∂u ∂i : dx − dx = i · R  dx + L  dx ∂x ∂t ∂u ∂i − = R · i + L  . ∂x ∂t Formt man die Beziehung (3.16) für den Verlauf des Stromes ebenfalls durch Auflösen der Klammern, Zusammenfassen und Division durch dx um, erhält man       ∂i ∂ ∂u ∂u   i= i+ dx + u + dx G dx + C dx u+ dx ∂x ∂x ∂t ∂x   ∂ ∂u ∂u  2 ∂u ∂i i =i + dx + uG  dx + G dx + C  dx + C  dx 2 ∂x ∂x ∂t ∂t ∂ x ∂i ∂u ∂i − −i i= i+ dx + uG  dx + C  dx ∂ x dx ∂x ∂t ∂u ∂i : dx − dx = uG  dx + C  dx ∂x ∂t ∂i ∂u − = G · u + C  . ∂x ∂t Beim Übergang von der zweiten zur dritten Zeile wurden die beiden Glieder höherer Ordnung, die den Term dx 2 enthalten, vernachlässigt, da sie keinen wesentlichen Einfluss besitzen: Der Abstand dx ist sehr – infinitesimal – klein, so dass die mit dx 2 beaufschlagten Glieder der Beziehungen noch wesentlich kleiner sind als die, die dx enthalten, und sie können somit vernachlässigt und fortgelassen werden.

Löst man die Klammern in (3.15) und (3.16) auf, vernachlässigt Glieder höherer Ordnung bei der Umformung von (3.16) und dividiert durch dx, erhält man die Grundgleichungen der Leitungstheorie, die auch als Leitungsgleichungen bezeichnet werden: −

∂i ∂u = R · i + L  ∂x ∂t

∂u ∂i = G · u + C  . ∂x ∂t Differenziert man (3.17) nach x und (3.18) nach t, ergeben sich die Beziehungen −

(3.17)

(3.18)

254

3 Übertragungskanal Kupferkabel

− und −

∂ 2u ∂ = 2 ∂x ∂x

∂ ∂t



∂i ∂x



 =

R · i + L 

∂ ∂t



∂i ∂t



G · u + C 

= R ∂u ∂t



∂i ∂ + L ∂x ∂x = G



∂i ∂t



∂u ∂ 2u + C 2 . ∂t ∂t

(3.19)

(3.20)

Einschub: Herleitung der Telegrafengleichungen

Aus (3.20) erhält man durch Vertauschung der Differentiation nach x und t – was bei stetigen Funktionen erlaubt ist –     ∂ ∂i ∂ ∂i ∂u ∂ 2u = = −G  (3.21) − C 2 ∂t ∂ x ∂ x ∂t ∂t ∂t und aus (3.18) ergibt sich durch Umstellen ∂u ∂i = −G  · u − C  . ∂x ∂t

(3.22)

Setzt man (3.21) und (3.22) in (3.19) ein, resultiert über    2  ∂ 2u    ∂u   ∂u ∂ u + L −G − 2 = R −G · u − C −C 2 ∂x ∂t ∂t ∂t − das Ergebnis

2 ∂ 2u     ∂u   ∂u  ∂ u = − R G u − R C G C − L − L ∂x2 ∂t ∂t ∂t 2 2

  ∂ 2u     ∂u  ∂ u = R G u + R C + L G C . + L ∂x2 ∂t ∂t 2

(3.23)

Aus (3.17) bis (3.20) folgt also (s. Einschub) ∂u

∂ 2u ∂ 2u = R G u + RC  + L  G  + L C  2 . 2 ∂x ∂t ∂t

(3.24)

Auf einem vergleichbaren Weg erhält man aus (3.17), (3.19) und (3.20) 2

  ∂ 2i     ∂i  ∂ i = R G i + R C + L G C . + L ∂x2 ∂t ∂t 2

(3.25)

Diese Gl. (3.24) und (3.25) heißen Wellengleichungen, sie werden auch als Telegrafengleichungen bezeichnet.2 Die Bezeichnung rührt daher, dass diese Gleichungen von Oliver 2 Die Formulierungen ∂ 2 u/∂ x 2 bzw. ∂ 2 u/∂t 2 bezeichnen die zweite Ableitung einer Größe u nach

dem Ort x bzw. der Zeit t.

3.3 Theorie der Leitungen

255

Heaviside 3 zur Untersuchung von Ausbreitungsvorgängen auf elektrischen Telegrafenleitungen in der theoretischen Telegrafie benutzt wurden. Es handelt sich um partielle Differentialgleichungen zweiter Ordnung. Sie sind bei beliebigem zeitlichem Verlauf der Spannung und des Stromes auf der Leitung gültig, d. h., sie gelten z. B. auch für Ausgleichsvorgänge.

3.3.3

Leitungsgleichungen bei harmonischer Erregung

Die allgemeine Lösung der Telegrafengleichungen für den räumlich-zeitlichen Verlauf der Spannungs- und Stromfunktionen unter Berücksichtigung der Anfangs- und Randbedingungen ist sehr kompliziert. Deshalb wird nun der für die elektro- und nachrichtentechnische Praxis wichtige Sonderfall der Leitung bei (zeit-) harmonischer Erregung, d. h. bei zeitlich sinus- bzw. kosinusförmig verlaufenden Zeitvorgängen, für den eingeschwungenen Zustand untersucht. Es wird ein harmonischer Verlauf der Spannung u x und des Stromes i x an der Stelle x entsprechend u x = Ux ejωt i x = I x ejωt angesetzt. Die partiellen Ableitungen nach t und x sind ∂u x = Ux · jω · ejωt ∂t ∂u x ∂Ux jωt = ·e ∂x ∂x

und und

∂i x = I x · jω · ejωt ∂t ∂i x ∂ I x jωt = ·e . ∂x ∂x

Dabei wurden zeitliche Ableitungen ∂/∂t – wie in der komplexen Wechselstromrechnung, s. z. B. [50] – durch die Multiplikation mit jω ersetzt. Die Größen Ux und I x sind komplexe Amplituden, die nicht zeitlich variabel sind. Durch Einsetzen in (3.17) und (3.18) erhält man zunächst ∂Ux jωt · e = R  · I x ejωt + L  · I x · jω · ejωt ∂x ∂ I x jωt − · e = G  · Ux ejωt + C  · Ux · jω · ejωt ∂x



und schließlich die Leitungsgleichungen bei harmonischer Erregung −



∂Ux = R  + jωL  · I x ∂x

3 Oliver Heaviside (1850–1925): Britischer Mathematiker und Physiker.

(3.26)

256

3 Übertragungskanal Kupferkabel

und



∂ Ix = G  + jωC  · Ux ∂x Mit den abkürzenden Schreibweisen für den komplexen Längswiderstand −

und den komplexen Querleitwert

(3.27)

Z  = R  + jωL 

(3.28)

Y  = G  + jωC 

(3.29)

lassen sich (3.26) und (3.27) kompakter schreiben als −

∂Ux = Z  Ix ∂x

(3.30)

und

∂ Ix (3.31) = Y  Ux ∂x Die partiellen Differentialgleichungen (3.24) und (3.25) gehen durch die Analyse der Ausbreitungsvorgänge auf Leitungen bei harmonischer Erregung in gewöhnliche Differentialgleichungen (3.26) und (3.27) bzw. (3.30) und (3.31) über. Durch eine weitere Differentiation von (3.26) und (3.27) nach x ergibt sich −

∂ Ix

∂ Ix ∂ 2 Ux = R  + jωL  · = Z · ∂x2 ∂x ∂x

 ∂U ∂ 2 Ix ∂Ux x − 2 = G + jωC  · = Y · ∂x ∂x ∂x



und durch Einsetzen von (3.26) und (3.27) in diese Beziehungen nehmen die Leitungsgrundgleichungen bzw. die Telegrafengleichungen bei harmonischer Erregung die Form



∂ 2 Ux = R  + jωL  · G  + jωC  · Ux = Z  · Y  · Ux ∂x2 und

(3.32)





∂ 2 Ix = R  + jωL  · G  + jωC  · I x = Z  · Y  · I x (3.33) 2 ∂x an. Es handelt sich bei (3.32) und (3.33) um gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Spannungs- und Stromgrößen treten in den Gleichungen nun nicht mehr gemischt auf, sondern getrennt: Gl. (3.32) beschreibt den Spannungsverlauf und Gl. (3.33) ist für den Stromverlauf gültig. Die komplexen Amplituden Ux und I x sind nur noch Funktionen der Ortskoordinate x. Es wird die Fortpflanzungskonstante γ = (R  + jωL  )(G  + jωC  ) (3.34)

3.3 Theorie der Leitungen

257

definiert. Mit der Fortpflanzungskonstante γ können die Wellen- bzw. Telegrafengleichungen bei harmonischer Erregung auch kompakter als

und

∂ 2 Ux = γ 2 · Ux ∂x2

(3.35)

∂ 2 Ix = γ 2 · Ix ∂x2

(3.36)

geschrieben werden. Ziel ist es, den Spannungsverlauf Ux und den Stromverlauf I x in Abhängigkeit von der Ortskoordinate x zu berechnen. Als Ansatz zur Lösung der vorliegenden homogenen linearen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten wird Ux = U · ecx

(3.37)

herangezogen. Damit ergibt sich für den Spannungsverlauf ∂ 2 Ux = U · c2 · ecx = c2 · Ux . ∂x2

(3.38)

Durch Vergleich von (3.38) mit (3.35) wird deutlich, dass für c2 = γ 2 gilt und damit c = ±γ . Mit den Integrationskonstanten U1 und U2 erhält man somit die Lösung Ux = U1 · e−γ x + U2 · e+γ x .

(3.39)

Für den Verlauf des Stromes folgt mit (3.26) Ix = −

R

1 ∂Ux 1 ∂Ux · =−  ·  + jωL ∂x Z ∂x

(3.40)

und über die Ausführung der in (3.40) enthaltenen Differentiation von (3.39) Ix =

γ γ · U1 · e−γ x −  · U2 · e+γ x .  Z Z

(3.41)

Es wird die Größe ZW

Z R  + jωL  = = = γ (R  + jωL  )(G  + jωC  )

R  + jωL  G  + jωC 

(3.42)

eingeführt und als Wellenwiderstand bezeichnet. Schließlich erhält man mit (3.42) als Ergebnis für Spannung und Strom an der Stelle x die Beziehungen (3.43) Ux = U1 · e−γ x + U2 · e+γ x

258

3 Übertragungskanal Kupferkabel

und Ix =

U1 U2 · e−γ x − · e+γ x . ZW ZW

(3.44)

Die Integrationskonstanten U1 und U2 können aus Anfangsbedingungen bestimmt werden. Dazu werden die Verhältnisse am Anfang der Leitung (x = 0) betrachtet. Es gilt dort mit (3.43) und (3.44) (3.45) U x = U0 = U1 + U2 sowie I x Z W = I 0 Z W = U1 − U2 ,

(3.46)

woraus durch Auflösen dieses Gleichungssystems nach U1 und U2 U1 =

U0 + I 0 Z W 2

(3.47)

sowie

U0 − I 0 Z W (3.48) 2 resultieren. Werden diese Zwischenresultate (3.47) und (3.48) in (3.43) und (3.44) eingesetzt, ergeben sich U2 =

U0 + I0 Z W −γ x U0 − I0 Z W +γ x + ·e ·e 2 2 e+γ x + e−γ x e+γ x − e−γ x U x = U0 · − I0 Z W · 2 2 Ux =

(3.49) (3.50)

und U0 + I 0 Z W U0 − I 0 Z W 1 1 · e−γ x − · e+γ x · · 2 ZW 2 ZW e+γ x + e−γ x U0 e+γ x − e−γ x I x = I0 · · − 2 ZW 2 Ix =

(3.51) (3.52)

oder bei Verwendung der Hyperbelfunktionen – s. Anhang F.1 bzw. z. B. [11, 74] – schließlich (3.53) Ux = U0 cosh γ x − I0 Z W sinh γ x sowie I x = I0 cosh γ x −

U0 sinh γ x. ZW

(3.54)

Diese Gleichungen beschreiben die Größen Spannung Ux und Strom I x am Ort x der betrachteten Leitung in Abhängigkeit von den Eingangsgrößen U0 und I0 . Löst man die Gl. (3.53) und (3.54) nach den Eingangsgrößen U0 und I0 auf, erhält man mit (3.55) U0 = Ux cosh γ x + I x Z W sinh γ x

3.3 Theorie der Leitungen

259

und I0 = I x cosh γ x +

Ux sinh γ x. ZW

(3.56)

einen Zusammenhang zwischen der Spannung U0 bzw. dem Strom I0 am Eingang der Leitung und der Spannung Ux bzw. dem Strom I x an der Stelle x – d. h. in einer Entfernung x vom Anfang der Leitung.

Einschub: Auflösung des Gleichungssystems für Spannung Ux und Strom Ix am Ort x nach den Eingangsgrößen U0 und I0

Ausgehend vom Gleichungssystem bestehend aus (3.53) und (3.54) Ux = U0 cosh γ x − I0 Z W sinh γ x und I x = I0 cosh γ x −

U0 sinh γ x ZW

(3.57)

(3.58)

werden zunächst (3.57) nach U0 und (3.58) nach I0 umgestellt. Man erhält U0 = und I0 =

Ux + I0 Z W sinh γ x cosh γ x Ix +

U0 ZW

sinh γ x

cosh γ x

.

(3.59)

(3.60)

Setzt man (3.60) in (3.59) ein, resultiert     1 1 U0 Ux + Ix + sinh γ x Z W sinh γ x U0 = cosh γ x cosh γ x ZW U0 =

Ux U0 · Z W sinh2 γ x I x · Z W sinh γ x + . + cosh γ x cosh2 γ x Z W cosh2 γ x

Die weitere Umstellung ergibt sinh2 γ x I x · Z W sinh γ x Ux + = 2 cosh γ x cosh γ x cosh2 γ x   Ux cosh2 γ x − sinh2 γ x I x · Z W sinh γ x = U0 + cosh γ x cosh2 γ x cosh2 γ x U0 − U0

und mit der Identität (s. Anhang F.1 bzw. z. B. [11, 74]) cosh2 γ x − sinh2 γ x = 1

(3.61)

260

3 Übertragungskanal Kupferkabel

erhält man über   Ux 1 I x · Z W sinh γ x = U0 + 2 cosh γ x cosh γ x cosh2 γ x Ux · cosh2 γ x I x · Z W sinh γ x · cosh2 γ x U0 = + cosh γ x cosh2 γ x schließlich die Beziehung (3.55) U0 = Ux cosh γ x + I x Z W sinh γ x

(3.62)

für die Spannung am Eingang der Leitung. Berücksichtigt man, dass Spannung und Strom an jeder Stelle x der Leitung durch den Wellenwiderstand Z W miteinander verknüpft sind – und insbesondere auch I0 = U0 /Z W , I x = Ux /Z W und Ux = I x Z W gelten –, ergibt eine Division von (3.62) durch den Wellenwiderstand Z W die Gl. (3.56) Ux sinh γ x. (3.63) I0 = I x cosh γ x + ZW für den Strom am Eingang der Leitung [50].

3.3.4

Leitungskenngrößen

Im vorangegangenen Abschnitt zum Verhalten elektrischer Leitungen bei harmonischer Erregung wurden die Leitungskenngrößen Fortpflanzungskonstante γ und Wellenwiderstand Z W eingeführt: Sie werden auch als sekundäre Leitungsparameter bezeichnet. Diese und einige weitere mit ihnen zusammenhängende Kenngrößen elektrischer Leitungen werden in diesem Abschnitt aufgegriffen und diskutiert. Fortpflanzungs-, Dämpfungs- und Phasenkonstante Die Fortpflanzungskonstante γ entsprechend (3.34) ist im Allgemeinen komplex, so dass sie in der Form γ = α + jβ (3.64) dargestellt werden kann. Dabei beschreibt die Dämpfungskonstante  1  2

1   2   R  + ω2 L  2 G  2 + ω2 C  2 R G −ω L C + α = Re{γ } = 2 2

(3.65)

die Energieabnahme längs der Leitung infolge von Verlusten und die Phasenkonstante

3.3 Theorie der Leitungen

 β = Im{γ } =



261

1  2

1   R  + ω2 L  2 G  2 + ω2 C  2 R G − ω2 L  C  + 2 2

(3.66)

die Änderung des Phasenwinkels zwischen Ausgangs- und Eingangsgröße bei Anpassung des Abschlusswiderstandes Z a an den Wellenwiderstand Z W der Leitung.

Einschub: Herleitung der Dämpfungs- und Phasenkonstante

Ausgehend von der Darstellung (3.64) der Fortpflanzungskonstante unter Verwendung der Dämpfungs- und der Phasenkonstante als γ = α + jβ erhält man mit ihrer Definition (3.34) γ 2 = α 2 + j2αβ − β 2 = (R  + jωL  )(G  + jωC  )

γ 2 = R  G  + jω L  G  + R  C  − ω2 L  C  . Für Real- und Imaginärteil der Größe γ 2 gelten   Re γ 2 = α 2 − β 2 = R  G  − ω2 L  C 

(3.67)

 

Im γ 2 = 2αβ = ω L  G  + R  C 

(3.68)

und und außerdem ist |γ |2 =



R  2 + ω2 L  2



G  2 + ω2 C  2 = α 2 + β 2 .

(3.69)

Auf der Grundlage dieser Beziehungen können die Dämpfungskonstante α und die Phasenkonstante β berechnet werden. Zur Berechnung der Dämpfungskonstante α wird



2 (3.70) α − β 2 + α 2 + β 2 = 2α 2 herangezogen, woraus über  α=

1

1 2 α − β2 + α2 + β 2 2 2

(3.71)

schließlich durch Einsetzen von (3.67) und (3.69) in (3.71) die Beziehung (3.65)  1  2

1   R  + ω2 L  2 G  2 + ω2 C  2 (3.72) α= R G − ω2 L  C  + 2 2 gewonnen wird. Die Beziehung (3.66) für die Phasenkonstante erhält man auf sehr ähnliche Art und Weise: Es wird

262

3 Übertragungskanal Kupferkabel

2

α + β 2 − α 2 − β 2 = 2β 2

(3.73)

angesetzt, woraus über  β=



1

1 2 α − β2 + α2 + β 2 2 2

(3.74)

wieder durch Einsetzen von (3.67) und (3.69) nun in (3.74) die Beziehung (3.66)  1  2

1

β = − R  G  − ω2 L  C  + R  + ω2 L  2 G  2 + ω2 C  2 (3.75) 2 2 resultiert.

Für die gesamte Leitungslänge  gilt: Die Amplitude wird um das Dämpfungsmaß a =α·

(3.76)

abgeschwächt bzw. gedämpft. Die Gesamtphasendrehung am Ausgang der Leitung gegenüber dem Leitungseingang beträgt b =β · (3.77) und wird als Phasen- oder Winkelmaß bezeichnet. Daraus ergibt sich das komplexe Übertragungs- oder Fortpflanzungsmaß der Leitung g = γ ·  = a + jb.

(3.78)

Die mit dem Wortteil Maß bezeichneten Größen beziehen sich auf die gesamte Leitungslänge . Wellenwiderstand Der Wellenwiderstand Z W nach (3.42) ist im Allgemeinen ebenfalls komplex und kann als Z W = RW + jX W

(3.79)

geschrieben werden. Er ist das Verhältnis der in einer Richtung fortschreitenden Spannungswelle zu der in der gleichen Richtung fortschreitenden Stromwelle. Er ist eine charakteristische Konstante der Leitung und hängt nur von den Leitungskenngrößen R  , G  , C  und L  (s. Gl. (3.42)), aber nicht vom Abschluss der Leitung ab. Reflexionsfaktor Es werden nun die Verhältnisse am Ende der Leitung betrachtet. Die Leitung wird an ihrem Ausgang mit einem Widerstand Z a abgeschlossen (s. Abb. 3.11). Um die Verhältnisse am

3.3 Theorie der Leitungen

263

Ia

I0 U0

ZW

Ua

x=0

Za = Ua Ia

x=

Abb. 3.11 Verhältnisse am Ende einer Leitung

Ende der Leitung und deren Auswirkungen auf z. B. den Leitungseingang zu beschreiben, wird der Reflexionsfaktor über das Verhältnis von rücklaufender zu hinlaufender Welle definiert und es resultiert Za − ZW . (3.80) n= Za + ZW Der Reflexionsfaktor n hängt demnach vom Abschlusswiderstand Z a und vom Wellenwiderstand Z W der Leitung ab. Die Herleitung der Beziehung (3.80) wird, [57] folgend, in einem folgenden Einschub angegeben oder sie kann direkt der Spezialliteratur, z. B. [57], entnommen werden.

Einschub: Herleitung des Reflexionsfaktors

Bezeichnet man die am Leitungsende ankommende Spannungswelle mit Ua und die reflektierte Spannungswelle mit Ua sowie die entsprechenden hin- und rücklaufenden Stromwellen mit Ia und Ia , so folgt mit (3.43) und (3.44)

und

Ux= = Ua = U1 · e−γ  + U2 · e+γ  = Ua + Ua

(3.81)

I x= = Ia = I1 · e−γ  − I2 · e+γ  = Ia + Ia .

(3.82)

Es gilt am Leitungsende Za =

Ua Ia

sowie Ua = Ua − Ua Ia = Ia − Ia .

(3.83)

264

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Wird die letzte Gleichung auf beiden Seiten mit dem Wellenwiderstand Z W multipliziert, so ergibt sich für diese Gleichung zunächst Ia · Z W = Ia · Z W − Ia · Z W ,

(3.84)

und man erhält unter Berücksichtigung von Z W = Ua /Ia = −Ua /Ia (wegen der Gegenläufigkeit von hin- und rücklaufender Welle [57]) das Gleichungssystem Ua = Ua − Ua Ua = Ia Z W + Ua . Wird dieses Gleichungssystem nach Ua und Ua aufgelöst, resultiert Ua + I a Z W 2 − Ia Z W U a Ua = . 2 Ua =

Daraus erhält man den Reflexionsfaktor n=

2 (Ua − Ia Z W ) Ua = =  Ua 2 (Ua + Ia Z W )

Ua Ia Ua Ia

− ZW + ZW

.

(3.85)

und schließlich als Ergebnis (3.80) n=

Za − ZW . Za + ZW

(3.86)

Es werden insbesondere drei typische Betriebzustände einer Leitung unterschieden: • Kurzschluss: Die Leitung ist an ihrem Ausgang kurzgeschlossen. • Leerlauf: Die Leitung weist einen offenen Ausgang auf. • Anpassung: Die Leitung ist an ihrem Ende mit dem Wellenwiderstand abgeschlossen. Charakteristische Werte des Reflexionsfaktors n ergeben sich für die typischen Betriebzustände der Leitung: (Kurzschluss) Za = 0 Z a = ∞ (Leerlauf) Z a = Z W (Anpassung)

: : :

n = −1 n = +1 n=0

3.3 Theorie der Leitungen

265

Bei Anpassung entsteht wegen n = 0 keine reflektierte Welle, d. h., die zum Leitungsende gelangende Energie wird im Abschlusswiderstand Z a vollständig umgesetzt. Dies entspricht vom Leitungsanfang aus gesehen dem Verhalten einer elektrisch langen Leitung: Auch in diesem Fall existiert keine reflektierte Welle, da keine Energie am Leitungsende ankommt und deshalb kann dort auch keine Welle reflektiert werden kann. Bei einer angepasst betriebenen Leitung ist an jeder Stelle x der Leitung das Verhältnis von komplexer Spannung Ux zu komplexem Strom I x konstant und gleich dem Wellenwiderstand Z W . Eingangswiderstand Im Gegensatz zum Wellenwiderstand Z W ist der Eingangswiderstand Z 0 einer Leitung der Quotient aus Gesamtspannung und Gesamtstrom am Eingang der Leitung. Diese können sich jeweils aus mehreren Wellen (hin- und rücklaufender Welle) zusammensetzen. Der Eingangswiderstand einer Leitung ist damit vom Abschluss der Leitung abhängig. In Abb. 3.12 sind die Verhältnisse auf der Leitung beispielhaft für den Fall illustriert, wenn nur die Leitungsparameter R  und G  berücksichtigt werden: Dies ist für vergleichsweise niedrige Frequenzen gültig, wenn die induktiven Widerstands- und kapazitiven Leitwertkomponenten wegen ωL   R  und ωC   G  näherungsweise unwirksam sind und deshalb vernachlässigt werden können. Setzt man weiterhin voraus, dass der Abschlusswiderstand Z a am Ende der Leitung nicht identisch mit dem Wellenwiderstand Z W ist, d. h., es gilt Z a  = Z W , so wird ein Teil der vom Leitungsanfang zum Leitungsende laufenden elektromagnetischen Welle reflektiert und es existieren hin- und rücklaufende Welle auf der Leitung. Dann setzt sich die Spannung Ux an der Stelle x auf der Leitung jeweils aus den zwei Anteilen der hin- und der rücklaufenden Welle zusammen.

Zi

ZW

x=0 U1

Za

x=

Ux hinlaufend rücklaufend

Reflexion

U2 x

Abb. 3.12 Zur Interpretation von Wellen- und Eingangswiderstand einer Leitung

266

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Spannung und Strom fallen entsprechend (3.43) und (3.44) jeweils nach einer e-Funktion mit der Entfernung x ab: Dies bedeutet, dass je Entfernung dx der Spannungs- bzw. Stromabfall jeweils um einen gleichen Faktor geschieht. Für den Eingangswiderstand erhält man für die drei typischen Betriebszustände der Leitung ebenfalls charakteristische Werte: (Kurzschluss) Za = 0 Z a = ∞ (Leerlauf) Z a = Z W (Anpassung)

: : :

n = −1 n = +1 n=0

⇒ ⇒ ⇒

Z 0K = Z W tanh γ  Z 0L = Z W coth γ  Z 0A = Z W

Aus diesen Beziehungen für den Eingangswiderstand der Leitung bei charakteristischen Betriebszuständen folgt insbesondere auch mit Z W = Z 0L · Z 0K (3.87) eine Möglichkeit, den Wellenwiderstand Z W praktisch zu messen sowie über den Quotienten Z 0K = tanh2 γ  Z 0L

(3.88)

eine Option, die Fortpflanzungskonstante γ bei bekannter Leitungslänge  zu bestimmen. Die Herleitung der Beziehungen für die Eingangswiderstände der drei charakteristischen Betriebszustände einer Leitung wird, wieder [57] folgend, in einem sich anschließenden Einschub gezeigt und sie kann der Spezialliteratur, z. B. [57], entnommen werden.

Einschub: Herleitung des Eingangswiderstandes

Der Eingangswiderstand einer Leitung ist als Z0 =

Gesamtspannung am Eingang U0 = Gesamtstrom am Eingang I0

(3.89)

definiert. Die Gesamtspannung U0 am Eingang der Leitung setzt sich aus einem hinlaufenden Anteil U0 und einer rücklaufenden Komponente U0 zusammen. Ebenso besteht der Gesamteingangsstrom aus hin- und rücklaufender Welle I0 und I0 . Damit kann der Eingangswiderstand als Z0 =

U0 + U0 I0 + I0

(3.90)

geschrieben werden. Weiterhin bezeichnen Ua und Ua die hin- und rücklaufende Spannungskomponente am Ende der Leitung sowie Ia und Ia die dortigen hin- und rücklaufenden zugehörigen Stromkomponenten.

3.3 Theorie der Leitungen

267

Damit erhält man U0 = Ua · e−γ  = n Ua · e−γ  = n U0 · e−γ  · e−γ  = n U0 · e−2γ 

(3.91)

I0 = Ia · e−γ  = −n Ia · e−γ  = −n I0 · e−γ  · e−γ  = −n I0 · e−2γ 

(3.92)

und

und es folgt Z0 =

U0 + n U0 · e−2γ  U0 1 + n e−2γ  1 + n e−2γ  = · = Z · . W I0 1 − n e−2γ  I0 − n I0 · e−2γ  1 − n e−2γ 

(3.93)

Je länger die Leitung ist, um so geringer ist auf Grund der Dämpfung der Einfluss des Leitungsabschlusses auf den Eingangswiderstand. Eine Erweiterung mit eγ  ergibt Z0 = ZW ·

eγ  + n e−γ  . eγ  − n e−γ 

(3.94)

Es werden im Folgenden die Eingangswiderstände der Leitung für die drei charakteristischen Betriebszustände Kurzschluss, Leerlauf und Anpassung bestimmt. Bei Kurzschluss am Leitungsende gilt Z a = 0 und damit n = −1. Es ergibt sich der Eingangswiderstand Z 0K = Z W ·

eγ  − e−γ  · eγ  + e−γ 

1 2 1 2

= ZW ·

sinh γ  = Z W tanh γ . cosh γ 

(3.95)

Bei Leerlauf am Leitungsende gilt Z a = ∞ (offenes Leitungsende) und damit n = +1. Man erhält den Eingangswiderstand Z 0L = Z W ·

eγ  + e−γ  · eγ  − e−γ 

1 2 1 2

= ZW ·

cosh γ  = Z W coth γ . sinh γ 

(3.96)

Wird die Leitung mit dem Wellenwiderstand abgeschlossen, gilt Z a = Z W und für den Reflexionsfaktor n = 0. Der Eingangswiderstand ist dann identisch mit dem Wellenwiderstand der Leitung: (3.97) Z 0A = Z W . Leerlauf und Kurzschluss am Leitungsende sind Betriebszustände der Leitung, die für Messzwecke relativ einfach hergestellt werden können. Dann lassen sich die Eingangswiderstände Z 0K und Z 0L der Leitung messen und über das Produkt

268

3 Übertragungskanal Kupferkabel

2 2 Z 0K · Z 0L = Z W tanh γ  · coth γ  = Z W

erhält man mit ZW =



Z 0L · Z 0K

(3.98)

(3.99)

eine Möglichkeit, den Wellenwiderstand einer Leitung experimentell zu bestimmen. Außerdem kann mit Hilfe des Quotienten Z 0K = tanh2 γ  Z 0L

(3.100)

die Fortpflanzungskonstante γ bei bekannter Leitungslänge  über

Z 0K Z 0K 1 tanh γ  = =⇒ γ = · arctanh Z 0L  Z 0L

(3.101)

meßtechnisch erfasst und berechnet werden. Sind Wellenwiderstand Z W und Fortpflanzungskonstante γ bestimmt, lassen sich daraus z. B. auch die primären Leitungsparameter (bzw. Leitungsbeläge) R  = Re {γ · Z W } sowie



γ G = Re ZW 

L =

;  ;

1 · Im {γ · Z W } ω

1 C = · ω 



γ ZW

(3.102)

 (3.103)

und damit ihr im Allgemeinen frequenzabhängiger Verlauf berechnen [51].

Wellenlänge Bei harmonischer Erregung ist auf der Leitung eine nach einer Exponentialfunktion abnehmende sinus- bzw. kosinusförmige Spannungs- bzw. Stromwelle beobachtbar. Die Wellenlänge λ dieser Welle ist die Entfernung zweier benachbarter Punkte, zwischen denen ein Phasenunterschied von 2π besteht. Der für die Entfernung von 1 km gültige Phasenwinkel β (gemessen in ◦ /km bzw. rad/km) verhält sich damit also zu dieser Entfernung von 1 km wie 2π zur Wellenlänge λ. Es ergibt sich daraus für die Wellenlänge: 2π β = 1 λ

=⇒

λ=

2π (in km). β

(3.104)

Phasengeschwindigkeit und -laufzeit Innerhalb der Zeitperiode T = 1/ f schreitet die Spannungs- bzw. Stromwelle um die Wellenlänge λ fort. Mit der Geschwindigkeit v = s/t folgt für die Phasengeschwindigkeit

3.3 Theorie der Leitungen

vp =

269

λ 2π 1 2π f = · = T β T β

=⇒

vp =

ω . β

(3.105)

Bezeichnet man mit der kilometrischen Phasenlaufzeit τp die Zeit, die eine Spannungs- bzw. Stromkomponente der Welle benötigt, um die Entfernung 1 km zurückzulegen, so erhält man mit vp = (1 km)/τp 1 β τp = =⇒ τp = . (3.106) vP ω Für die Laufzeit, die ein Phasenzustand einer Welle benötigt, um die Entfernung  (in km) zurückzulegen, gilt entsprechend tp = τ p ·  =

 β · b = = vP ω ω

=⇒

tp =

β · . ω

(3.107)

Anschaulich: Würde man eine einzelne Sinus- bzw. Kosinusschwingung am Leitungseingang an einer Stelle – z. B. an einer Nullstelle oder an einem Maximum – mit einem Farbklecks versehen, so dauert es die Zeit τp , bis dieser Farbklecks die Entfernung 1 km bzw. die Zeit tP , bis er die Distanz  zurückgelegt hat und am Leitungsende angekommen ist. Die Punkte gleicher Phase einer elektromagnetischen Welle breiten sich mit der Phasengeschwindigkeit vp auf einer Leitung aus. Gruppenlaufzeit und -geschwindigkeit Die Phasengeschwindigkeit ist nach (3.105) im Allgemeinen frequenzabhängig, d. h., für verschiedene Frequenzen ist die Phasengeschwindigkeit unterschiedlich. In der Nachrichtentechnik werden oft Frequenzbänder bzw. Frequenzgruppen übertragen, deren Frequenzkomponenten damit unterschiedliche Phasengeschwindigkeiten aufweisen: Daher ist es wichtig, Kenngrößen zu definieren, die dieser Situation und Anwendung Rechnung tragen. Die kilometrische Gruppenlaufzeit τg , die die Zeit, die eine Frequenzgruppe für das Zurücklegen einer Entfernung von 1 km auf der Leitung benötigt, beschreibt, ist definiert als Phasendifferenz dβ dβ = =⇒ τg = . (3.108) τg = Frequenzdifferenz dω dω Für die Gruppenlaufzeit tg einer Leitung der Länge  erhält man damit tg =

dβ ·  db = . dω dω

(3.109)

Die Gruppengeschwindigkeit ergibt sich zu vg =

 dω ·  dω ·  = = tg db dβ · 

=⇒

vg =

dω . dβ

(3.110)

270

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Die Gruppengeschwindigkeit und die Gruppenlaufzeit sind Größen, die die Ausbreitung von Frequenzgruppen bzw. Frequenzbändern über eine Leitung der Länge  (bzw. die Länge 1 km bei der kilometrischen Gruppenlaufzeit) beschreiben. Die Übertragung von Frequenzgruppen bzw. Frequenzbändern ist ein in der digitalen Nachrichtentechnik sehr typischer Anwendungsfall und damit von großer Bedeutung. Für eine verzerrungsfreie bzw. verzerrungsarme Übertragung ist es wünschenswert, dass die Gruppenlaufzeit konstant ist, damit innerhalb einer zu übertragenden Frequenzgruppe alle Frequenzkomponenten die gleiche Ausbreitungsgeschwindigkeit erfahren und keine Verfälschungen bzw. Verzerrungen des Signals dadurch entstehen, dass verschiedene Frequenzkomponenten desselben Signals sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf der Leitung ausbreiten. Einfluss der Dämpfungs- und der Phasenkonstante auf Signalverzerrungen Bei der Übertragung von Signalen auf Leitungen in der Nachrichtentechnik ist es eine wichtige Aufgabe, Nachrichtensignale möglichst unverzerrt auf elektromagnetischem Wege längs der Leitungen zu übertragen. Diese Nachrichtensignale bestehen oftmals aus einer Vielzahl von Frequenzkomponenten, die in harmonische Schwingungen (Frequenzkomponenten) zerlegt werden können, für die dann die Beziehungen für Leitungen bei harmonischer Erregung gültig und anwendbar sind. Um am Ende der Leitung aus den Teilkomponenten eine unverzerrte Abbildung des Sendesignals zusammensetzen zu können, müssen die Teilkomponenten gleichmäßig auf der Leitung gedämpft werden und es muss für alle Teilkomponenten die gleiche Phasengeschwindigkeit wirksam sein. Weicht die Leitung von ersterer Bedingung (gleiche Dämpfung für alle Frequenzkomponenten) ab, entstehen Amplitudenverzerrungen, hält sie die letztere Anforderung (gleiche Phasengeschwindigkeit für alle Frequenzkomponenten) nicht ein, so bewirkt dies Phasenverzerrungen. Eine verzerrungsfreie Übertragung ergibt sich, wenn • die Dämpfung konstant und damit nicht frequenzabhängig ist, d. h., es gilt a(ω) = const.,

(3.111)

• das Phasenmaß linear von der Frequenz abhängt und damit die zeitliche Lage der Frequenzkomponenten zueinander gleich bleibt, d. h., es gilt b(ω) = const. · ω.

(3.112)

Bei linearer Abhängigkeit des Phasenganges von der Frequenz ist die Gruppenlaufzeit tg =

db(ω) = const. dω

bzw.

τg =

dβ(ω) = const. dω

(3.113)

konstant und die zeitliche Lage der einzelnen Frequenzkomponenten des Signals zueinander bleibt erhalten.

3.3 Theorie der Leitungen

3.3.5

271

Spezielle Eigenschaften von elektrischen Leitungen in Abhängigkeit von der Frequenz

Bei der Übertragung digitaler Signale kommt dem verwendeten Frequenzbereich eine bedeutsame Rolle zu. Es ist deshalb wichtig zu verstehen, wie sich Leitungen bei verschiedenen Frequenzen verhalten. Im Folgenden sollen deshalb in Abhängigkeit von der Frequenz typische Sonderfälle von Leitungen untersucht werden, die in der Praxis eine besondere Bedeutung haben. Insbesondere die für die Übertragung digitaler Signale besonders wichtige sogenannte stark gedämpfte Leitung soll genauer beschrieben werden. Die Betrachtung beginnt mit den Gleichstrom- bzw. Gleichspannungseigenschaften elektrischer Leitungen und wird in Richtung zunehmender Frequenz fortgesetzt. Dabei ist die Frequenzeinteilung so zu verstehen, dass sie von den Leitungsbelägen abhängt, d. h., eine niedrige, etwas erhöhte oder sehr hohe Frequenz in dieser Einteilung tritt dann auf, wenn die jeweils angegebenen Bedingungen über die Wirksamkeit der einzelnen Leitungsbelagskomponenten eintreten. Die Frequenzbereiche sind damit relativ zur Leitungscharakteristik zu verstehen und stellen daher für verschiedene Leitungen unterschiedliche absolute Frequenzbereiche dar. Gleichsignaleigenschaften von Leitungen Die Eigenschaften von Leitungen bei niedrigen Frequenzen sind wichtig für die Gleichsignalübertragung (Gleichstrom- bzw. Gleichspannungsübertragung), für Niederfrequenzsignale und für die Übertragung elektrischer Energie bei Netzfrequenz (50 Hz). Da für die Frequenz ω ≈ 0 gilt, ergeben sich für die Widerstands- und Leitwertkomponenten des Leitungselements R   ωL  G   ωC  . Die Ersatzschaltung des Leitungselements unter diesen Bedingungen zeigt Abb. 3.13.

Abb. 3.13 Ersatzschaltung des Leitungselements für niedrige Frequenz (ω ≈ 0)

R dx

G dx

dx

272

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Als Wellenwiderstand ergibt sich mit ω ≈ 0 aus (3.42)

 R  + jωL  R ZW = =⇒ Z = . W G  + jωC  G

(3.114)

Der Wellenwiderstand ist in diesem Frequenzbereich reell und hängt nur vom Widerstands(R  ) und Ableitungsbelag (G  ) der Leitung ab. Nach (3.65) erhält man für sehr niedrige Frequenzen (ω ≈ 0) die Dämpfungskonstante √ α = R G  (3.115) und mit (3.66) die Phasenkonstante β = 0.

(3.116)

Die Dämpfung ist im betrachteten Frequenzbereich nach (3.115) konstant und die Phase ändert sich nach (3.116) linear mit der Frequenz (mit dem Proportionalitätsfaktor 0): Es tritt keine Verformung des Signals auf, die Übertragung ist verzerrungsfrei. Das Signal wird auf dem Übertragungsweg – lediglich – gedämpft. Intersymbolstörungen auf dem Übertragungsweg können vermieden werden. Stark gedämpfte Leitung (RC-Leitung) Ein Frequenzbereich, der für die Übertragung analoger und digitaler Signale über elektrische Leitungen bedeutsam ist, liegt bei Frequenzen, die etwas oberhalb des betrachteten Niederfrequenzbereiches liegen. Ist die Frequenz ω etwas höher, so gelten für die Widerstandsund Leitwertkomponenten des Leitungselements die Verhältnisse R   ωL  G   ωC  . Die unter diesen Bedingungen gültige Ersatzschaltung des Leitungselements zeigt Abb. 3.14. Da im Längszweig der ohmsche Widerstand und im Querzweig der kapazitive Leitwert zu berücksichtigen sind, wird dieser Betriebsfrequenzbereich einer Leitung auch RC-Bereich genannt.

Abb. 3.14 Ersatzschaltung des Leitungselements für etwas höhere Frequenz

R dx

C dx

dx

3.3 Theorie der Leitungen

273

Der Wellenwiderstand der RC-Leitung ergibt sich aus (3.42) unter den genannten Bedingungen des dominierenden Widerstands- und Kapazitätsbelags zu

R  + jωL  R =⇒ ZW = . (3.117) ZW =   G + jωC jωC  Eine Umformung ergibt

ZW

ZW

  π 1 R R R = =√ = · e−j 4    jωC ωC j ωC       R R π 1 π 1 = · cos · − j sin = − j √ √ ωC  4 4 ωC  2 2   R = · (1 − j) 2ωC 

und es wird erkennbar, dass der Wellenwiderstand einer Leitung im RC-Bereich komplex ist und kapazitiv wirkt. Insbesondere bei tiefen Frequenzen weist er stark kapazitive Eigenschaften auf, während er bei hohen Frequenzen nahezu reell wird. Die Fortpflanzungskonstante (3.34) vereinfacht sich im RC-Bereich zu γ = R  · jωC  = jω R  C  . (3.118) Um eine Zerlegung in Dämpfungs- und Phasenkonstante zu ermöglichen, wird (3.118) entsprechend √ √ π γ = jω R  C  = j · ω R  C  = ω R  C  · ej 4    √ π 1 1 π √     = ωR C · √ + j√ = ω R C · cos + j sin 4 4 2 2  ω RC  γ = · (1 + j) 2 umgeformt. Damit erhält man die Dämpfungskonstante  √ ω RC  ∼ ω α = Re{γ } = 2 

und die Phasenkonstante β = Im{γ } =

√ ω RC  ∼ ω 2

(3.119)

(3.120)

274

3 Übertragungskanal Kupferkabel

√ Sowohl α als auch β sind mit ω von der Frequenz abhängig: Man spricht von einer Wurzelcharakteristik der Leitung im RC-Bereich. Auf Grund der Frequenzabhängigkeit von Dämpfungs- und Phasenkonstante werden Signale in Amplitude und Phase bei der Übertragung über eine RC-Leitung verzerrt. Im Allgemeinen werden unter diesen Bedingungen Intersymbolstörungen durch den Übertragungskanal verursacht; allenfalls bei sehr schmalbandigen Signalen kann eine nahezu ISI-freie Übertragung erreicht werden. Für die kilometrische Gruppenlaufzeit der RC-Leitung gilt    R  C  (1/2) dβ d 1 R  C  (−1/2) (3.121) = ω ω = τg = dω dω 2 2 2 und im Ergebnis

 1 RC  τg = . (3.122) 2 2ω Diese kilometrische Gruppenlaufzeit τg ist damit nicht konstant, sondern frequenzabhängig. Schwach gedämpfte Leitung (Verlustarme Leitung) Bei weiter erhöhter Frequenz wird ein Frequenzbereich erreicht, bei dem die Bedingungen R  ≈ ωL  G   ωC  gelten. Es sind im Wesentlichen die Leitungsbeläge R  , L  und C  wirksam. Es treten in diesem Bereich Dämpfungsverluste auf, die gegenüber der RC-Leitung jedoch kleiner sind: Deshalb wird die Leitung in diesem Frequenzbereich als schwach gedämpfte oder verlustarme Leitung bezeichnet. In Abb. 3.15 ist die Ersatzschaltung des Leitungselements dargestellt, das unter diesen Randbedingungen gültig ist.

Abb. 3.15 Ersatzschaltung des Leitungselements für mittlere bis hohe Frequenz

R dx

L dx

C dx

dx

3.3 Theorie der Leitungen

275

Der Wellenwiderstand der verlustarmen Leitung ergibt sich aus (3.42) unter den genannten Bedingungen zu

R  + jωL  R  + jωL  =⇒ ZW = . (3.123) ZW =   G + jωC jωC  Diese Beziehung kann man umschreiben zu    

   jωL  R   + 1    jωL R + jωL L R L  −j R  ZW = = ≈ = e 2ωL . jωC  jωC  C  jωL  C

(3.124)

Berücksichtigt man zunächst alle Leitungsbeläge, erhält man für die Fortpflanzungskonstante (3.34) der verlustarmen Leitung     √ R 1 G . (3.125) γ = jω L  C  1 + + jω 2 L  2C  Damit ergeben sich für die verlustarme Leitung die Dämpfungskonstante   R C  G L α = Re{γ } = + 2 L 2 C und die Phasenkonstante

√ β = Im{γ } = ω L  C  .

(3.126)

(3.127)

Da der Ableitungsbelag G  oft vernachlässigt werden kann – entsprechend der genannten Voraussetzungen für die verlustarme Leitung –, lässt sich die Dämpfungskonstante (3.126) zu  R C  (3.128) α≈ 2 L vereinfachen. Die Dämpfungskonstante α ist nicht von der Frequenz ω abhängig und damit konstant und die Phasenkonstante β ist linear von der Frequenz ω abhängig: Daher wird ein Signal, das über eine solche verlustarme Leitung übertragen wird, nicht verformt bzw. verzerrt. Daraus resultiert die – weitere – Bezeichnung für eine Leitung in diesem Frequenbereich, im verzerrungsfreie Leitung. Da der Leitwert G  nach den vorausgesetzten Randbedingungen betrachteten Frequenzbereich klein ist, kann der zweite Summand G  /2 · L  /C  in (3.126) bei praktischen Berechnungen der Dämpfungskonstante α oft vernachlässigt werden. Für die kilometrische Gruppenlaufzeit der verlustarmen Leitung gilt τg =

dβ d  √   √   = ω LC = LC. dω dω

Diese Gruppenlaufzeit ist damit konstant und nicht frequenzabhängig.

(3.129)

276

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Einschub: Herleitung der Fortpflanzungskonstante der verlustarmen Leitung

Ausgangspunkt zur Herleitung der Fortpflanzungskonstante der verlustarmen Leitung ist die Beziehung (3.34), die umgeformt wird:

    R G  1+ · jωC γ = (R  + jωL  )(G  + jωC  ) = jωL  1 + jωL  jωC 

√ R G · 1 + . γ = jω L  C  · 1 + jωL  jωC  Verwendet man unter der Voraussetzung R  /ωL  < 1 und G  /ωC  < 1 die Näherung √ 1 + x ≈ 1 + x/2 [74], resultiert    √ R G 1 + . (3.130) γ ≈ jω L  C  1 + j2ωL  j2ωC  Das Ausmultiplizieren ergibt  √ γ ≈ jω L  C  1 +

R G R G  + + j2ωL  j2ωC  (j2ω)2 L  C 

 ,

(3.131)

worin das Produkt der kleinen Größen im letzten Summanden in der Klammer vernachlässigt werden kann, so dass man     √ R 1 G γ ≈ jω L  C  1 + . (3.132) + jω 2 L  2C  und damit die Beziehung (3.125) erhält. Aus diesem Resultat für die Fortplanzungskonstante γ der verzerrungsfreien Leitung lassen sich die Dämpfungskonstante α als Realteil entsprechend      √ R 1 G α = Re{γ } = Re jω L  C  1 + + jω 2 L  2C    √   √ R jω L  C  G = Re jω L  C  + + jω 2 L 2C      √ √ R G     = Re jω L C + L C + 2 L 2C  √ √      √ R R · L C  G G  · L C    = LC = + + 2 L 2C  2 L 2C    R C  G L α= +  2 L 2 C

3.3 Theorie der Leitungen

277

sowie die Phasenkonstante β als Imaginärteil      √ R 1 G   β = Im{γ } = Im jω L C 1 + + jω 2 L  2C    √   √ R jω L  C  G + = Im jω L  C  +  jω 2L 2C      √ √ R G     = Im jω L C + L C + 2 L 2C  √ β = ω L C  finden und damit die Beziehungen (3.126) und (3.127) herleiten.

Ein genauerer Blick auf die Dämpfungskonstante α (3.126) zeigt, dass diese ein Minimum in Abhängigkeit von L  aufweist: Es ist gegeben durch die Bedingung √ G R  C   (−3/2) dα  (−1/2) = √ L − =0 (3.133) L dL  4 4 C und man erhält √ G R C  =0 √ − L C G  L  − R  C  = 0. Für ein Minimum der Dämpfungskonstante ergibt sich daraus die Bedingung RC  = G  L .

(3.134)

In der Praxis gilt oft R  C  > G  L  , da meist R  groß und G  klein ist. Um die Bedingung (3.134) einzuhalten, ist deshalb L  zu vergrößern. Dies hat praktische Bedeutung und weite Verbreitung in der analogen Übertragungstechnik gefunden, insbesondere in der Telegrafie- und Fernsprechtechnik, bei den Krarupund Pupin-Leitungen: • Bei Krarup-Leitungen4 wird die Induktivität vergrößert, indem die Leitung mit dünnem Eisendraht mit hoher Permeabilität umwickelt wird. Es handelt sich bei der KrarupLeitung um eine homogene Leitung. Durch die Umwicklung mit Eisendraht werden zusätzliche Hysterese- und Wirbelstromverluste wirksam, die zu einer Erhöhung des Wirkwiderstandes der Leitung führen. Krarup-Leitungen wurden als Seekabel und als 4 Carl Emil Krarup (1872–1909): Dänischer Bauingenieur.

278

3 Übertragungskanal Kupferkabel

α(ω) R 2

C L

+

G 2



ohne Pupinisierung

L C

mit Pupinisierung

RG 0

ωp

ω

Abb. 3.16 Prinzipieller Verlauf der Dämpfungskonstante einer Leitung ohne und mit Vergrößerung des Induktivitätsbelages L  als Funktion der Frequenz

Landkabel in Freileitungslinien (als Zwischen- oder Endkabel) genutzt. Sie werden schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr in der Nachrichtentechnik verwendet. • Bei Pupin-Leitungen5 wird eine Vergrößerung der Induktivität dadurch erzielt, dass Spulen (sogenannte Pupin-Spulen) in regelmäßigen Abständen in Leitungen eingeschaltet werden (typisch z. B. alle 1,7 km). Dadurch ist die Pupin-Leitung keine homogene Leitung mehr. Wichtige Anwendung dieser Technik war die Fernsprechtechnik. PupinLeitungen werden ebenfalls nicht mehr in modernen Kommunikationsnetzen verwendet. Sie sind in seltenen Einzelfällen unter Umständen noch in bestehenden und bisher nicht modernisierten Spezialnetzen anzutreffen. Wird die Induktivität auf einer der √ vorbeschriebenen Arten vergrößert, erzielt man auf diese Weise die minimale Dämpfung R  G  nach (3.115) in einem erweiterten Niederfrequenzbereich bis zu einer durch die zusätzlich erhöhte Induktivität bestimmten Grenzfrequenz, ab der die Dämpfung sehr stark ansteigt. Da dieses Verhalten von Leitungen für die breitbandige digitale Übertragung sehr nachteilig und damit ungeeignet ist, werden diese Verfahren heute – und schon seit längerem – nicht mehr genutzt. Den Effekt, den die Vergrößerung von L  durch z. B Pupinisierung auf den frequenzabhängigen Verlauf der Dämpfungskonstante α prinzipiell hat, zeigt Abb. 3.16: Die Leitungs dämpfung α wird durch den erhöhten √ Dämpfungsbelag L zunächst auf dem für ω ≈ 0 gültigen minimalen Wert αmin = R  G  (s. (3.115)) gehalten und steigt oberhalb einer Grenzfrequenz ωp steil an. Weitere Informationen zu Pupin- und Krarup-Leitungen können z. B. [56, 57] entnommen werden.

5 Mihajlo Idvorski Pupin (1854–1935): Serbisch-amerikanischer Physiker und Schriftsteller.

3.3 Theorie der Leitungen

279

Abb. 3.17 Ersatzschaltung des Leitungselements für sehr hohe Frequenz

L dx

C dx

dx

Verlustlose Leitung Bei sehr hohen Frequenzen, d. h. für ω → ∞, gelten die Bedingungen R   ωL  G   ωC  , und Widerstands- und Ableitungsbelag können bei den Betrachtungen vernachlässigt werden, d. h. es werden R  = 0 und G  = 0 angesetzt. Diese Voraussetzungen sind in der Hochund Höchstfrequenztechnik meist anwendbar. Daher findet man auch die Bezeichnung HFLeitung für die verlustlose Leitung. In Abb. 3.17 ist die Ersatzschaltung des Leitungselements dargestellt, das für die verlustlose Leitung gilt. Es resultiert eine weitere Bezeichnung der verlustlosen Leitung: LCLeitung, da im Längszweig der induktive Widerstand und im Querzweig der kapazitive Leitwert zu berücksichtigen sind. Der Wellenwiderstand der verlustlosen Leitung ergibt sich aus (3.42) unter den vorausgesetzten Bedingungen zu

 R  + jωL  L =⇒ ZW = . (3.135) ZW =   G + jωC C Der Wellenwiderstand der verlustlosen Leitung ist frequenzunabhängig und reell. Mit (3.65) erhält man für die verlustlose Leitung die Dämpfungskonstante unter den gegebenen Voraussetzungen α=0 (3.136) und mit (3.66) die Phasenkonstante √ β = ω L C .

(3.137)

√ γ = jβ = jω L  C  .

(3.138)

Die Fortpflanzungskonstante wird

280

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Tab. 3.1 Übersicht zu den Leitungseigenschaften bei harmonischen Vorgängen Gleichgrößen (ω ≈ 0)

RC-Leitung (ω etwas höher)

Verlustarme Leitung (ω weiter erhöht)

Verlustlose Leitung (ω sehr hoch)

R   ωL 

R   ωL 

R  ≈ ωL 

R   ωL 

G   ωC 

G   ωC 

G   ωC 

G   ωC 

α=

α ≈ R2 CL  = const. √ β = ω L C  ∼ ω  R  +jωL  ZW = jωC 

α=



β=0 ZW =

R G  

β= R G





ZW =

ω R  C  ∼ √ω 2 ω R  C  ∼ √ω 2



R jωC 

 



α≈0

√ β = ω L C  ∼ ω   Z W = CL 

Die verlustlose Leitung verursacht also keine Dämpfung und die Phase ist linear von der Frequenz ω abhängig: Signale, die über eine verlustlose Leitung übertragen werden, werden nicht in ihrer Form verändert und es treten damit keine Verzerrungen auf. Für die kilometrische Gruppenlaufzeit der verlustlosen Leitung gilt τg =

dβ d  √   √   ω LC = LC. = dω dω

(3.139)

Die Gruppenlaufzeit der verlustlosen Leitung ist konstant und nicht frequenzabhängig. Zusammenfassung der Spezialfälle Die in den vorangegangenen Abschnitten betrachteten Spezialfälle der Leitungen und ihrer Übertragungseigenschaften bei harmonischen Vorgängen insbesondere im Hinblick auf die auftretenden Signalverzerrungen in Amplitude und Phase bilden eine wichtige Basis für die systemtheoretische Modellierung der Übertragungscharakteristik von Leitungen und Nachrichtenkabeln. Diese Modellierung bildet die Brücke, die ausgehend von den Leitungs- bzw. Telegrafengleichungen der Theoretischen Elektrotechnik mit den Mitteln der Systemtheorie hin zur Anwendung in der Nachrichtentechnik geschlagen wird. In Tab. 3.1 sind wichtige Kenngrößen der Leitung bei harmonischen Vorgängen zusammengefasst. Der prinzipielle Verlauf der Dämpfungskonstante α und der Phasenkonstante β als Funktion der Frequenz ist in Abb. 3.18 dargestellt.

3.3 Theorie der Leitungen

281

α, β

√ ω LC

β(ω)

R 2

C L

+

G 2

ωR C 2

L C



α(ω)

RG ω

0

Abb. 3.18 Prinzipieller Verlauf der Dämpfungs- und Phasenkonstante einer Leitung als Funktion der Frequenz

3.4

Kabelübertragungsfunktion

3.4.1

Übertragungsfunktion einer Leitung

Um die über die verzerrenden Eigenschaften einer Leitung gewonnenen Erkenntnisse in der nachrichtentechnischen Theorie und Praxis anwenden zu können, ist es zweckmäßig, die Eigenschaften einer Leitung bzw. eines Kabels als Übertragungsfunktion zu beschreiben. Als Ausgangspunkt dient entsprechend (3.39) die Beziehung Ux = U1 · e−γ x + U2 · e+γ x .

(3.140)

für die Spannung auf der Leitung an der Stelle x. Diese setzt sich aus hin- und rücklaufender Welle zusammen. Wird ein wellenwiderstandsrichtiger Abschluss am Ende der Leitung vorausgesetzt, so existiert keine rücklaufende Welle und es gilt für die Ausgangsspannung am Ende der Leitung, also bei x = : = U1 · e−γ  . (3.141) Ux=     Ausgangsspannung

Eingangsspannung

Die Übertragungsfunktion wird damit G k (ω) =

Ux= U1

=⇒

G k (ω) = e−γ  .

(3.142)

Sie ist eine Funktion der Frequenz ω, da die Fortpflanzungskonstante γ frequenzabhängig ist.

282

3.4.2

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Übertragungsfunktion der RC-Leitung

Besondere Bedeutung für die leitungsgebundene Übertragung digitaler Signale besitzt die stark gedämpfte Leitung (RC-Leitung). Wird die für den RC-Bereich gültige Fortpflanzungskonstante entsprechend (3.118) γ = j ω RC . (3.143) in (3.142) eingesetzt, erhält man als Übertragungsfunktion der RC-Leitung G k (ω) = e−γ  = e−



jω R  C 

=e

 − j ωω

(3.144)

0

bzw. mit der Frequenzvariable f = ω/(2π ) Gk( f ) = e

 − j

f f0

.

(3.145)

Die Kabelkennfrequenz ω0 bzw. f 0 ist eine Kabelkonstante: ω0 = 2π f 0 =

1 . RC 

(3.146)

Sie hängt von den kilometrischen Leitungskenngrößen R  und C  ab – und damit von Kabeleigenschaften, wie z. B. dem Leitermaterial und -durchmesser sowie vom konstruktiven Aufbau des Kabels und von der Art und dem Material der Isolation. Berücksichtigt man die Laufzeit des Signals, d. h. τ0 · , über eine Leitung der Länge  mit, so erhält man schließlich als Übertragungsfunktion G k (ω) = e

 − j ωω

0

· e−jωτ0 

(3.147)

und als Gewichtsfunktion 1 2ω0 gk (t) = √ π 2



2 2ω0 (t − τ0 )

 23 e

− 2ω

2 0 (t−τ0 )

· 1(t).

(3.148)

Die systemtheoretische Beschreibung der Eigenschaften kann also im Frequenz- und Zeitbereich mit den Beziehungen G k (ω) = e

 − j ωω

0

·e

−jωτ0 

  gk (t) = √1 2ω0 π 2



2 2ω0 (t − τ0 )

 23 e

− 2ω

2 0 (t−τ0 )

· 1(t)

geschehen. Die Größe ω0 bzw. f 0 ist eine auf einen Kilometer bezogene Grenzfrequenz; sie ergibt im Zusammenspiel mit der Leitungslänge  eine Grenzfrequenz, so dass die Leitung als bandbegrenzendes Tiefpass-Filter wirkt: Dadurch entstehen Signalverzerrungen. Die

3.4

Kabelübertragungsfunktion

283

Tab. 3.2 Kennfrequenzen einiger Kabeltypen ω0 f 0 = 2π (in MHz · km2 )

Kabeltyp (Bezeichnung)

Leiterdurchmesser (in mm)

0,178

Kupfer-Zweidrahtleitung

0,6

0,259

Kupfer-Zweidrahtleitung

0,8

0,827

Mikrokoaxialkabel (Mikrotube)

0,8/2,7

2,686

Kleinkoaxialkabel (Zwergtube)

1,2/4,4

13,66

Normalkoaxialkabel (Normaltube)

2,6/9,5

Größe τ0 bewirkt eine Verzögerung, d. h., eine Laufzeit, des Signals durch die Übertragung über die Leitung. Die hier bestimmte Übertragungsfunktion ist gültig für Zweidrahtleitungen im RCBereich und außerdem für Koaxialkabel. In Tab. 3.2 sind einige Kabelkennfrequenzen zusammengestellt. Für die Optimierung von Punkt-zu-Punkt-Übertragungssystemen ist die absolute Signallaufzeit oft von untergeordneter Bedeutung, da sie keinen Einfluss auf das frequenzselektive Verhalten des Übertragungskanals Kupferleitung hat: Deshalb kann der durch die Laufzeit hervorgerufene Anteil der Übertragungsfunktion in solchen Fällen vernachlässigt werden. Es gibt jedoch auch Anwendungen, wo diese Laufzeit bedeutsam wird, z. B. in Ringnetzstrukturen, dort ist sie zu berücksichtigen. In Abb. 3.19 ist ein beispielhafter Amplitudengang der Übertragungsfunktion einer Kupfer-Zweidrahtleitung dargestellt und Abb. 3.20 zeigt die Gewichtsfunktion dieser Leitung. Für die systemtheoretische Beschreibung und Analyse von Leitungen und Kabeln sowie für die Entzerrung, d. h., die Kompensation der durch die Leitung hervorgerufenen Signalverzerrungen, und für die damit zusammenhängende Optimierung von Übertragungssystemen ist oftmals eine rationale Übertragungsfunktion vorteilhaft und wünschenswert. Deshalb wird nun eine rationale Approximation der Kabelübertragungsfunktion der RC-Leitung bestimmt.

3.4.3

Rationale Approximation der Übertragungsfunktion der RC-Leitung

Die für die Signalverzerrungen entscheidende Übertragungsfunktion G k (ω) = e

 − j ωω

0

(3.149)

284

3 Übertragungskanal Kupferkabel

20 lg|Gk (f)| (in dB) →

0

-20

-40

-60

-80 100

102

104

106

f (in Hz) → Abb. 3.19 Amplitudengang der Übertragungsfunktion einer Kupfer-Zweidrahtleitung (Parameter: Kennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 , Länge  = 2 km)

104

14 12

gk (t) →

10 8 6 4 2 0 0

10

20

30

40

50

60

t (in μs) → Abb. 3.20 Gewichtsfunktion einer Kupfer-Zweidrahtleitung (Parameter: Kennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 , Länge  = 2 km)

3.4

Kabelübertragungsfunktion

285

ist von der Form [29] e−x Es gilt cosh x =

e x + e−x 2

 ω x = j . ω0

mit

(3.150)

e x + e−x = 2 cosh x.

und damit

(3.151)

Für x → ∞ geht der Term e−x gegen Null und man erhält zunächst e x ≈ 2 cosh x

(3.152)

und schließlich als Näherung für große x e−x ≈

1 . 2 cosh x

(3.153)

Die Funktion cosh x kann mittels cosh x =

∞   1+ ν=1

1 4x 2 2 (2ν − 1) π 2

 (3.154)

bzw. ausgeschrieben       4x 2 4x 2 4x 2 · 1 + · ... cosh x = 1 + 2 · 1 + π 9π 2 25π 2

(3.155)

als unendliches Produkt dargestellt werden. Setzt man dies in die Kabelübertragungsfunktion ein, entsteht 1 π 2 (2 ν − 1)2 1 G k (ω) ≈ ∞  mit ων = ω0 (3.156)  2 4 2 ω 1 + j ων ν=1

bzw. mit der Frequenzvariable f Gk( f ) ≈

1 2

∞ ν=1

π 2 (2 ν − 1)2 1 f0   mit f ν = 4 2 1 + j ffν

(3.157)

1 4 2 = 2 . ων π (2 ν − 1)2 ω0

(3.158)

oder G k ( p) ≈

1 2

1 ∞ ν=1

(1 + pTν )

mit Tν =

Die Kabelübertragungsfunktion wird damit als Tiefpass durch eine rationale Funktion mit einer unendlichen Anzahl einfacher reeller Pole mit den Polfrequenzen ων bzw. f ν approximiert [29]. Die Lage der Polfrequenzen, bezogen auf die Frequenz des ersten Kabelpols f 1 , entspricht dabei der Folge der Quadrate der ungeraden natürlichen Zahlen

286

3 Übertragungskanal Kupferkabel



–72 ω1

–52 ω1

–32 ω1

–12 ω1

σ

Abb. 3.21 PN-Bild der rationalen Approximation einer Kupfer-Zweidrahtleitung

{1, 32 , 52 , 72 , 92 , . . .}. Die Stärke der Tiefpasswirkung hängt ab vom Kabeltyp (ω0 ) und der Kabellänge (). Praktisch brauchbare Approximationen entstehen, wenn – unter Berücksichtigung der Signalbandbreite – das unendliche Produkt bei einer Polfrequenz endlicher Ordnung abgebrochen wird. Dieses Modell beschreibt die verzerrenden Eigenschaften des Kabels, d. h. die Verformung bzw. Verzerrung der Impulsform; die Laufzeit des Signals vom Sender zum Empfänger wird nicht erfasst. In Abb. 3.21 ist die rationale Approximation der Übertragungsfunktion eines beispielhaften Kabels im Pol-Nullstellen-Bild (PN-Bild) dargestellt, das zusätzliche Einsichten über die Lage der Pole in der komplexen Ebene gestattet. Die Approximation der Kabelübertragungsfunktion nach (3.156) ist gemäß Ansatz (3.153) für niedrige Frequenzen ungenau (maximale Dämpfungsabweichung von 6 dB bei f = 0 gegenüber (3.144), s. Abb. 3.22). Durch die Dämpfung von 6 dB bei niedrigen Frequenzen wird jedoch richtig beschrieben, dass bei wellenwiderstandsrichtigem Kabelabschluss eine am Kabeleingang anliegende Spannung U bei niedriger Frequenz mit der halben Sendeamplitude U /2 am Kabelausgang vorliegt. Die Approximationsgüte bei der Annäherung der Kabelübertragungsfunktion lässt sich erhöhen, indem die Kabelübertragungsfunktion (3.157) durch ein zusätzliches reelles PolNullstellen-Paar im Verhältnis 1 : 2 ergänzt wird (nach [29]). Die Kabelübertragungsfunktion wird dann durch   f 1 + j f01 1 (3.159) Gk( f ) ≈   ∞   2 1 + j 0,5f f01 1 + j ffν ν=1

angenähert, wobei f 01 = 0,231 f 0 /2 ist [29]. Eine beispielhafte Kabelübertragungsfunktion (3.144) und ihre Pol-Nullstellen-Approximationen (3.157) und (3.159) sind in Abb. 3.22 dargestellt. Beispiel 3.1 (Rationale Kabelübertragungsfunktion mit zwei Polen). Gegeben ist eine Kupfer-Zweidrahtleitung in einem Kabel der Länge  = 2 km mit einem Aderdurchmesser von d0 = 0,6 mm. Es sollen eine rationale Übertragungsfunktion in p sowie die Gewichtsfunktion bestimmt werden, wenn die Approximation nach dem zweiten Pol abgebrochen werden kann.

3.4

Kabelübertragungsfunktion

287

20 lg|Gk (f)| (in dB) →

0

-20

-40

-60 ¨ Ubertragungsfunktion (3.145) Approximation mit 5 Polen (3.157) Approximation mit Korrektur (3.159)

-80 100

102

104

106

f (in Hz) → Abb. 3.22 Amplitudengang der Übertragungsfunktion und der rationalen Approximation (ohne und mit Korrektur bei tiefen Frequenzen) einer Kupfer-Zweidrahtleitung (Parameter: Kennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 , Länge  = 2 km)

Für die Kabelkennfrequenz gilt f 0 = 0,178 MHz · km2 . Für die Polfrequenzen und Zeitkonstanten der beiden Kabelpole erhält man damit: π 2 f0 = 4 2 π 2 f0 2 · 3 = 9 f1 = f2 = 4 2 f1 =

109,8 kHz

=⇒

0,988 MHz

=⇒

1 = 0,014 ms 2π f 1 1 T2 = = 0,002 ms 2π f 2 T1 =

(3.160)

Als Übertragungsfunktion erhält man G k ( p) =

1 1 2 (1 + pT1 ) (1 + pT2 )

(3.161)

und über die Anwendung geeigneter Korrespondenzen der Laplace-Transformation (s. Anhang D bzw. z. B. [11, 13, 74]) resultiert für T1  = T2 die Gewichtfunktion gk (t) = L −1 {G k ( p)} =

1 e−t/T1 − e−t/T2 · 1(t) · 2 T1 − T2

(3.162) 

288

3.4.4

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Übertragungsfunktion der verlustlosen HF-Leitung

Für die verlustlose oder HF-Leitung ist die Fortpflanzungskonstante √ γ = jω L  C 

(3.163)

entsprechend (3.138) wirksam. Damit erhält man die Übertragungsfunktion G k (ω) = e−γ  = e−jω



LC 

bzw. G k ( p) = e− p



LC 

(3.164)

und die Gewichtsfunktion   √ gk (t) = L −1 {G k ( p)} = δ t −  L  C  = δ (t − t0 ) .

(3.165)

√ Die verlustlose HF-Leitung bewirkt eine reine Verzögerung des Signals um t0 =  L  C  . Eine praktische Anwendung dieses Leitungstyps insbesondere in der Hochfrequenz- und Schaltungstechnik ist die Nutzung als Impulsverzögerungsleitung.

3.5

Konstruktiver Aufbau von Nachrichtenkabeln

Bisher wurden die elektromagnetischen Wellenausbreitungsvorgänge und die daraus resultierenden Übertragungseigenschaften im Hinblick auf eine einzelne elektrische Zweidrahtleitung, d. h. bezüglich eines aus zwei isolierten Kupferadern bestehenden Paares, untersucht. Praktische Nachrichtenkabel bestehen oft aus mehreren oder einer Vielzahl von derartigen elektrischen Leitungen, die auch als Leiter- oder Aderpaare bezeichnet werden. Nachrichtenkabel besitzen einen Kabelmantel, der die elektrischen Leiter mechanisch zusammenfasst und einen Schutz gegen äußere Umwelteinflüsse bildet. In diesem Abschnitt sollen einige Grundbegriffe der Zusammenfassung von isolierten Aderpaaren zu Kabeln angegeben werden, um ein Verständnis für die im darauffolgenden Abschnitt diskutierten gegenseitigen Beeinflussungen verschiedener Leiterpaare durch das Nebensprechen zu erleichtern. Um gegenseitige und äußere elektromagnetische Beeinflussungen zu minimieren, werden isolierte Aderen zu Paaren schraubenförmig zusammengefasst bzw. verdrillt. Diese Zusammenfassung bezeichnet man als Verseilung. Man unterscheidet unterschiedliche Stufen der Verseilung in Nachrichtenkabeln. Einige wichtige und gebräuchliche Verseilelemente in Nachrichtenkabeln sind (s. Prinzipdarstellung in Abb. 3.23): • Paarverseilung: Zwei untereinander gleiche isolierte Einzeladern werden zu einem Paar durch Verdrillung zusammengefasst. Dadurch ist die Länge der Kupferader größer als die Länge des Kabels (bzw. die Mantellänge): Dieser Faktor wird auch als Verseilverlängerungsfaktor bezeichnet. Sein Höchstwert liegt bei ca. 1,02 [56].

3.5

Konstruktiver Aufbau von Nachrichtenkabeln

289

Abb. 3.23 Verseilgruppen in Nachrichtenkabeln

Paar

Grundbündel

Sternvierer

DM-Vierer

Hauptbündel

• Viererverseilung: Fasst man zwei bereits zu einem Paar verseilte Doppeladern zu einem Vierer zusammen, so entsteht der Dieselhorst-Martin-Vierer 6 (DM-Vierer). Werden vier Einzaladern so verseilt, dass sich die zu einem gemeinsamen Paar gehörigen Einzeladeren sich im Vierer jeweils gegenüberliegen, entsteht eine im Querschnitt kreuz- oder sternförmige Anordnung, der Sternvierer. In modernen Nachrichtenkabeln werden auf Grund der vorteilhaften mechanischen und elektrischen Eigenschaften fast ausschließlich Sternvierer verwendet. • Lagenverseilung: Kabel werden aus Verseilgruppen (Vierern) in konzentrischen Lagen aufgebaut. Die Lagenverseilung hat keine größere praktische Bedeutung mehr in modernen Nachrichtenkabeln. • Bündelverseilung: Kabel werden in verseilten Bündeln mit einer jeweils gleichbleibenden Anzahl von Verseilgruppen aufgebaut. Moderne Nachrichtenkabel sind üblicherweise bündelverseilt. Beispielsweise werden fünf Sternvierer zu einem Grundbündel (mit insgesamt 10 Doppeladern) und fünf Grundbündel zu einem Hauptbündel (mit 50 Doppeladern) zusammengefasst. Diese kurze Darstellung des Aufbaus von Nachrichtenkabeln ermöglicht ein Grundverständnis für die im folgenden Abschnitt dargestellten Zusammenhänge, die bei der gegenseitigen elektromagnetischen Beeinflussung von Aderpaaren in derartigen Kabeln auftreten können. Weitere und detaillierte Informationen zum konstruktiven Aufbau von Nachrichtenkabeln und zu den dabei verwendeten Begriffen können der Spezialliteratur, z. B. [12, 56] entnommen werden. 6 Diese Art der Verseilung wurde vorwiegend in Deutschland in der schon länger zurückliegenden

Vergangenheit verwendet und ist nur noch von historischer Bedeutung. Sie wurde nach ihren Erfindern William Dieselhorst und Arthur William Martin benannt.

290

3 Übertragungskanal Kupferkabel

3.6

Nebensprechen in vielpaarigen Nachrichtenkabeln

3.6.1

Arten des Nebensprechens

In Nachrichtenkabeln werden aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen üblicherweise mehrere bzw. viele Leiter- oder Aderpaare zusammengefasst. Derartige Kabel werden als mehr- bzw. vielpaarige Kabel bezeichnet. Zwischen diesen in sehr enger räumlicher Nähe betriebenen Leiter- oder Aderpaaren können elektromagnetische Kopplungen wirksam werden, die dazu führen, dass Signalanteile zwischen untereinander benachbarten Leiter- oder Aderpaaren übergekoppelt werden. Dieses Phänomen wird als Nebensprechen bezeichnet. Die Bezeichnung entstammt der analogen Fernmeldetechnik, bei der im Nieder- oder Audiofrequenzbereich, z. B. in der Telefonie, derartige Kopplungen dazu führen können, dass in einem Leiter- oder Aderpaar zum Teil – mehr oder weniger gut – verständliche Sprachsignale aus benachbarten Leiter- oder Aderpaaren empfangen werden können und dort als Störung auftreten. Nebensprechen wird üblicherweise als Störung wirksam; in der modernen Nachrichtenübertragung kann es darüber hinaus teilweise als Nutzsignalkomponente betrachtet und verwertet werden. In Abb. 3.24 ist schematisch das in Nachrichtenkabeln auftretende Nebensprechen dargestellt. Es werden zwei Arten des Nebensprechens unterschieden: • Beim Nahnebensprechen befinden sich der Sender des Nahnebensprech-Störsignals und der Empfänger am gleichen Leitungsende. • Beim Fernnebensprechen befinden sich der Sender des Fernnebensprech-Störsignals und der Empfänger an verschiedenen Leitungsenden. In bidirektional betriebenen Kabeln treten prinzipiell beide Arten des Nebensprechens auf. Es gibt Methoden, mit denen das Nahnebensprechen vermieden bzw. minimiert werden kann, z. B. durch die Nutzung unterschiedlicher Übertragungsfrequenzbereiche für die bei-

Abb. 3.24 Nebensprechen in Nachrichtenkabeln

3.6

Nebensprechen in vielpaarigen Nachrichtenkabeln

291

den verschiedenen Übertragungsrichtungen, die Beschaltung von dicht benachbarten Aderpaaren mit Signalen, die unterschiedliche Frequenzbereich nutzen oder durch die Nutzung von Kabeln in nur einer Übertragungsrichtung. Letzteres ist aus wirtschaftlichen Gründen jedoch nicht immer wünschenswert und praktikabel. In Kabeln, die nur in einer Übertragungsrichtung betrieben werden, tritt nur das Fernnebensprechen als Nebensprecheffekt auf.

3.6.2

Modell des Kabels mit Nebensprechen

Für die Beschreibung eines Nachrichtenkabels als Übertragungskanal ist es von Bedeutung, die Effekte des Nah- und Fernnebensprechens mit in einem systemtheoretischen Modell erfassen zu können. Nahnebensprechen Beim Nahnebensprechen durchläuft das nebensprechende Signal die Kopplung zwischen zwei Aderpaaren und addiert sich dem Nutzsignal auf. Die Nahnebensprechkopplung kann durch |G N ( f )|2 = K N · f 1,5 mit K N = n 0,6 (3.166) N · K N1 erfasst werden. Die Intensität der gesamten Nahnebensprechkopplung wird durch den Faktor K N beschrieben. Die Größe n N bezeichnet die Anzahl störender Aderpaare. Der Ausdruck n 0,6 N trägt der Tatsache Rechnung, dass räumlich weiter vom betrachteten Aderpaar im Kabel entfernt liegende Aderpaare weniger zur Nebensprechstörung beitragen, als direkt bzw. dicht benachbarte. Der Exponent 0,6 ist ein empirisch ermittelter Erfahrungswert. Der Faktor K N1 beschreibt die Nahnebensprechkopplung zwischen zwei direkt benachbarten Aderpaaren im Kabel. Für numerische Berechnungen kann beispielsweise K N1 = 8,536 · 10−15 11,5 angesetzt werden: Dieser Wert wurde auf der Grundlage von Messungen an Hz Nachrichtenkabeln empirisch ermittelt [17, 69]. Das Nahnebensprechen zwischen Aderpaaren wird, ohne viel Kabellänge zu durchlaufen, in ein benachbartes Aderpaar eingekoppelt: Daher ist es weitgehend unabhängig von der Länge des Kabels. Es steigt mit ca. 15 dB/Dekade mit der Frequenz und ist deshalb besonders bei hohen Frequenzen stark wirksam. Die Wirkung der Nahnebensprechkopplung entspricht näherungsweise der Wirkung eines Differenzierglieds, so dass die störende Nahnebensprechsignalkomponente eine gedämpfte und differenzierte Version des ursprünglichen Sendesignals ist. Fernnebensprechen Beim Fernnebensprechen durchläuft das nebensprechende Signal die Kopplung zwischen zwei Aderpaaren sowie die Kabelübertragungsfunktion und wird dem Nutzsignal hinzuaddiert. Die Fernnebensprechkopplung kann nach

292

3 Übertragungskanal Kupferkabel

|G F ( f )|2 = K F ·  · f 2 mit K F = n 0,6 F · K F1

(3.167)

erfasst werden. Die Intensität der gesamten Fernnebensprechkopplung wird durch den Faktor K F beschrieben, wobei n F die Anzahl störender Aderpaare ist und der Ausdruck n 0,6 F wieder modelliert, dass räumlich weiter vom betrachteten Aderpaar im Kabel entfernt liegende Aderpaare weniger zur Nebensprechstörung beitragen, als direkt bzw. dicht benachbarte. Der Faktor K F1 beschreibt die Fernnebensprechkopplung zwischen zwei direkt benachbarten Aderpaaren im Kabel. Als beispielhafter numerischer Wert kann K F1 = 2,6248 · 10−17 Hz21·km benutzt werden, der auf der Grundlage von Messungen an Nachrichtenkabeln empirisch ermittelt worden ist [17, 69]. Das Fernnebensprechen durchläuft die gesamte Kabellänge und wird verteilt über die gesamte Kabellänge in ein benachbartes Aderpaar eingekoppelt: Das Fernnebensprechen ist von der Länge des Kabels abhängig und wird insbesondere auch – wie das Nutzsignal – über die gesamte Leitungslänge gedämpft. Daher ist es insbesondere bei kurzen Kabeln – wegen der dann relativ geringen Leitungsdämpfung – stark ausgeprägt. Bei niedrigen Frequenzen steigt die reine Fernnebensprechkopplung mit ca. 20 dB/Dekade an, jedoch überwiegt zu höheren Frequenzen hin die deutliche stärkere Tiefpassbewertung durch die Kabelübertragungsfunktion. Frequenzabhängigkeit des Nah- und Fernnebensprechens In Abb. 3.25 ist die Frequenzabhängigkeit der Nah- und Fernnebensprechkopplung nach (3.166) und (3.167) illustriert. Es wird deutlich, dass die reine Kopplung des Fernnebensprechens |G F ( f )|2 stärker mit der Frequenz ansteigt, als die Nahnebensprechkopplung |G N ( f )|2 . Das Fernnebensprechen wird jedoch zusätzlich zu dieser Kopplung über die gesamte Leitungslänge gedämpft, während dies beim Nahnebensprechen auf Grund des Wirkungsmechanismus’ nicht der Fall ist (s. Abb. 3.24). Dies wird anhand des Diagramms in Abb. 3.26 verdeutlicht: Das Fernnebensprechen wird zusätzlich zur reinen Kopplung |G F ( f )|2 über die gesamte Kabellänge  durch die Kabelübertragungsfunktion G k ( f ) Tiefpass-bewertet und damit gedämpft, so dass in diesem Fall insgesamt für das Fernnebensprechen |G F ( f ) · G k ( f )|2 wirksam ist. Damit ist das Fernnebensprechen von der Kabellänge  abhängig: Seine Wirkung ist bei kurzen Kabeln ( klein) stärker ausgeprägt als bei langen Kabeln ( groß). Systemtheoretisches Modell des Nachrichtenkabels Mit den zuvor eingeführten Übertragungsfunktionen und Größen für die Beeinflussung der Signalübertragung im Nutzsignalpfad und für das Nebensprechen von benachbarten Aderpaaren lässt sich das Kabel nun systemtheoretisch beschreiben. In Abb. 3.27 ist ein entsprechendes Modell als Blockschaltbild dargestellt, das alle zuvor diskutierten Elemente enthält und zusätzlich die immer zu berücksichtigende Störung durch Rauschen [35]. Der Übertragungsweg vom Sender 2 zum Empfänger 2 wird als Pfad des Nutzsignals betrachtet. Das vom Sender 1 eingekoppelte Signal wird in der gleichen Richtung wie

3.6

Nebensprechen in vielpaarigen Nachrichtenkabeln

293

10 lg|G(f)|2 (in dB) 0 f |GF (f)|2

|GN (f)|2

Abb. 3.25 Zur Frequenzabhängigkeit der Nah- und Fernnebensprechkopplung

10 lg|G(f)|2 (in dB) 0 f

klein

|GF (f) · Gk (f)|2 groß

Abb. 3.26 Zur Frequenzabhängigkeit des Fernnebensprechens bei Kabeln im Einrichtungsbetrieb

294

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Abb. 3.27 Systemtheoretisches Modell eines Nachrichtenkabels mit Nebensprechen

das Nutzsignal übertragen und ist daher Fernnebensprechen. Der Sender 3 befindet sich am gleichen Leitungsende wie der Empfänger 2 und damit ist das von dort in den Nutzsignalpfad eingekoppelte Signal Nahnebensprechen. Liegt durch die Art des Kabelbetriebs eine Nahnebensprechstörung vor, so ist sie im Allgemeinen wesentlich größer, als die Fernnebensprechstörung.

3.7

Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen

Ziel dieses Kapitels war es, ausgehend von den elektromagnetischen Eigenschaften von Leitungen ein Modell zur Beschreibung des Verhaltens von Nachrichtenkabeln zu erarbeiten, das für die Optimierung von Übertragungsverfahren geeignet ist. Ausgehend vom verzerrungsfreien Nachrichtenübertragungskanal wurden Kupferkabel mit ihren übertragungstechnischen Eigenschaften als Übertragungsmedien eingeführt. Dabei wurden sowohl die frequenz- als auch die längenabhängige Charakteristik einzelner symmetrischer Aderpaare und das Nebensprechverhalten beschrieben. Es wurde eine Übertragungsfunktion – bzw. eine Gewichtsfunktion – des Kabels in einem für die Übertragung digitaler Signale genutzten Frequenzbereich entwickelt, die sich in eine systemtheoretische Beschreibung von Übertragungssystemen passend einfügt. Kupferkabel weisen einen ausgeprägten Tiefpasscharakter auf. Dabei hat die Kabellänge einen wichtigen Einfluss: Mit zunehmender Kabellänge sinkt die Grenzfrequenz von Leitungen. Dazu wurden ausgehend von der Theorie der Leitungen Ausbreitungsvorgänge auf metallischen Leitungen mit Hilfe elektromagnetischer Wellen beschrieben. Die Theorie der Leitungen ist sehr vielseitig einsetzbar und hat vielfältige Anwendungsfelder z. B. in der Übertragung von Nachrichten über Leitungen, in der Signalverarbeitung in Hochfrequenzschaltungen und in der Übertragung von elektrischer Energie zur Elektroenergieversorgung über große Entfernungen. Sie hat über die inzwischen vielen Jahrzehnte ihres Bestehens nichts an Aktualität eingebüßt – allenfalls die Anwendungsgebiete haben sich in Teilen ver-

3.8

Aufgaben

295

lagert: Die Elektroenergieübertragung über große Entfernungen ist nach wie vor ein wichtiges Anwendungsgebiet, die Telegrafie nicht mehr – dafür nimmt die Bedeutung bei digitaler Datenübertragung und -verarbeitung bei steigenden Frequenzen zu. Über die leitungstheoretische Beschreibung wurde eine Kabelübertragungsfunktion entwickelt, die sowohl für Kupfer-Zweidrahtleitungen als auch für Koaxialkabel anwendbar ist. Es wurde damit eine Brücke zwischen den Grundlagen der Elektrotechnik – bzw. der Theoretischen Elektrotechnik oder der Theorie elektromagnetischer Felder – über die Systemtheorie hin zur Nachrichtentechnik und insbesondere der Übertragungstechnik geschlagen. Diese Vorgehensweise soll auch als Beispiel dafür dienen, wie Modelle für praktisch relevante Übertragungskanäle gefunden werden können. Für den Entwurf und die Optimierung von Übertragungssystemen ist diese Art der Modellierung ein passendes und hinreichend genaues Hilfsmittel. In der Praxis kann es zu Abweichungen von diesen auf der Leitungstheorie beruhenden Ergebnissen kommen, da z. B. Effekte nicht berücksichtigt wurden, die durch Inhomogenitäten bei der Verbindung von Kabelstücken durch Löten oder Spleißen hervorgerufen werden können, durch komplexe Vorgänge der Wirbelstrombildung bzw. der Stromverdrängung (Skin-Effekt bei sehr hohen Frequenzen) oder durch die Fehlanpassung von Komponenten der Sender oder Empfänger an den Wellenwiderstand des Kabels. Aus diesem Grund wurden in der Vergangenheit zusätzlich empirische Beziehungen für die Dämpfungs- und Verzerrungseigenschaften sowie den Wellenwiderstand von Nachrichtenkabeln auf der Grundlage von Messungen an realen Kabeln in Nachrichtennetzen ermittelt, z. B. [51]: Für eine optimale Dimensionierung von Übertragungssytemen sind diese für eine Feinabstimmung mit zu Rate zu ziehen. Betrachtungen zur Leitungstheorie finden sich in unterschiedlicher Ausprägung in Büchern zur Theoretischen Elektrotechnik, z. B. in [33, 41, 50, 61], zur elektromagnetischen Feldtheorie, z. B. in [21, 28, 40, 59], oder zur Hochfrequenztechnik, z. B. in [19, 77]. Darüber hinaus sind einige Werke ganz oder in großen Teilen der Ausbreitung von Signalen auf Leitungen und insbesondere den Nachrichtenkabeln gewidmet, z. B. [12, 46, 56–58]. Die Übertragungsfunktion von Nachrichtenkabeln wird z. B. in [29] betrachtet.

3.8

Aufgaben

Aufgabe 3.1 (Beschreibung einer Kupferleitung) Es ist eine Kupferdoppelader gegeben, die die folgenden kilometrischen Leitungskenngrößen aufweist: R  = 33 /km, L  = 0,7 mH/km, G  = 1 μ S/km, C  = 42 nF/km. Ein Leitungsstück dieses Typs der Länge  = 2 km soll mit einem harmonischen Signal bei einer Frequenz von f = 100 kHz betrieben werden. Zu berechnen sind: a) Die Dämpfungskonstante α und die insgesamt durch das Kabel verursachte Dämpfung a.

296

3 Übertragungskanal Kupferkabel

b) Die Phasenkonstante β und die Gesamtphasendrehung b am Ausgang bezüglich des Eingangs. c) Die Fortpflanzungskonstante γ . d) Der Wellenwiderstand Z W . Welche Schaltung realisiert einen wellenwiderstandsrichtigen Abschluss des Kabels? e) Der Eingangswiderstand Z 0 für Kurzschluss, Leerlauf und Anpassung am Leitungsende. f) Die Wellenlänge λ der Schwingung. Aufgabe 3.2 (Übertragungs- und Gewichtsfunktion einer Kupferleitung) Gegeben ist eine Kupferzweidrahtleitung der Länge  = 1 km mit der Kabelkennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 . a) Bestimmen Sie die Übertragungsfunktion G k ( f ) dieser Leitung im RC-Bereich und stellen Sie ihren logarithmischen Amplitudengang grafisch dar! b) Ermitteln Sie die Frequenzen der ersten fünf Pole der rationalen Approximation dieser Kabelübertragungsfunktion! c) Bestimmen Sie die Gewichtsfunktion gk (t) dieser Kupferzweidrahtleitung im RCBereich und stellen Sie diese in einem Diagramm grafisch dar! d) Über wie viele Symbolintervalle Ts erstreckt sich diese Gewichtsfunktion, wenn ein binäres Nachrichtensignal mit der Bitrate bzw. mit der Bitfolgefrequenz f B = 1 MHz darüber übertragen werden soll?

3.9

Lösungen zu den Aufgaben

Lösung zu Aufgabe 3.1 a) Dämpfungskonstante Es werden die gegebenen Zahlenwerte in die Beziehung (3.65)  1  2

1   R  + ω2 L  2 G  2 + ω2 C  2 R G − ω2 L  C  + α= 2 2

(3.168)

eingesetzt, und man erhält α = 0,128

Np . km

Anmerkung zur Dimension bzw. Einheit: Aus |U2 | = e−α  |U1 | ergibt sich durch Anwenden des natürlichen Logarithmus’

(3.169)

(3.170)

3.9

Lösungen zu den Aufgaben

297

1 |U2 | 1 |U1 | α = − ln = ln  |U1 |  |U2 |

(3.171)

Diese Größe wird in Neper (Np) angegeben.7 Möchte man die Dämpfungskonstante in Dezibel (dB) darstellen,8 so ist der dekadische Logarithmus zu verwenden und man erhält   |U2 | |U2 | (3.172) = e−α  =⇒ 20 lg = 20 lg e−α  = −α  · 20 lg e, |U1 | |U1 | woraus −

2| 20 lg |U |U1 |

(20 lg e) · 



=⇒

α=

|U1 | 1 20 lg |U2 | ·  (20 lg e)

(3.173)

entsteht. Der Umrechnungsfaktor zwischen dB und Np ist daher 20 lg e = 8,686. Umrechnung: • 1 dB = 0,115 Np • 1 Np = 8,686 dB Gesamtdämpfung der Leitung: a = α ·  = 0,256 Np a = α ·  · 20 lg e = 2,2 dB b) Phasenkonstante Die gegebenen Zahlenwerte werden in die Beziehung (3.66)  1  2

1   2   R  + ω2 L  2 G  2 + ω2 C  2 β = − R G −ω L C + 2 2

(3.174)

eingesetzt, und man erhält rad . (3.175) km Soll die Phasendrehung in ◦ (in Grad) angegeben werden, so kann die Umrechnung über β = 3,409

β (in ◦ ) = β (in rad) ·

360◦ 2π

(3.176)

erfolgen und man erhält β = 195,335◦

1 . km

Gesamtphasendrehung der Leitung: 7 Definition: A (in Np) = ln |A| (sofern A dimensionslos). 8 Definition: A (in dB) = 20 lg |A| (sofern A dimensionslos).

(3.177)

298

3 Übertragungskanal Kupferkabel

b = β ·  = 6,82 rad 180◦ b = β ·· = 390,67◦ π c) Fortpflanzungskonstante Die Fortpflanzungskonstante erhält man über die Beziehung (3.64) γ = α + jβ

(3.178)

aus den zuvor berechneten Dämpfungs- und Phasenkonstanten zu γ = 0,128 + j 3,409. d) Wellenwiderstand Den Wellenwiderstand erhält man nach (3.42)

R  + jωL  ZW = G  + jωC 

(3.179)

(3.180)

für die gegebenen Zahlenwerte als Z W = 129,19 − j 4,837 .

(3.181)

Einschub: Rechenweg zur Berechnung des Wellenwiderstandes

Soll der Wellenwiderstand manuell berechnet werden, ist zunächst unter der Wurzel mit dem Konjugiert-komplexen des Nenners zu erweitern, die komplexe Wurzel mit Hilfe der Darstellung nach Betrag und Phase (bzw. in Polarkoordinatenform) zu berechnen und abschließend der Wellenwiderstand wieder in die Darstellung als Realund Imaginärteil umzuformen. Diese Rechnung soll in diesem Einschub gezeigt werden. Zunächst wird unter der Wurzel mit der konjugiert-komplexen Größe des Nenners erweitert, um eine komplexe Zahl in der Darstellung mit Real- und Imaginärteil unter der Wurzel zu erzielen:

R  + jωL  ZW = G  + jωC 

(R  + jωL  ) · (G  − jωC  ) = (G  + jωC  ) · (G  − jωC  )

3.9

Lösungen zu den Aufgaben

=

=

=

ZW =

299

R  G  + jωL  G  − jω R  C  − jωC  · jωL  G  2 + ω2 C  2 R  G  + jωL  G  − jω R  C  + ω2 C  L  G  2 + ω2 C  2 R  G  + ω2 C  L  + jω (L  G  − R  C  ) G  2 + ω2 C  2 R  G  + ω2 C  L  G  2 + ω2 C  2

+j

ω (L  G  − R  C  ) G  2 + ω2 C  2

Um die komplexe Wurzel zu berechnen, wird die komplexe Zahl unter der Wurzel in die Darstellung nach Betrag und Phase gebracht, so dass man den Wellenwiderstand als √ (3.182) Z W = A · ejφ



mit A=

R  G  + ω2 C  L 

2

G  2 + ω2 C  2

 +

ω (L  G  − R  C  )

2

G  2 + ω2 C  2

(3.183)

und ⎛  ω( L  G  −R  C  )  ⎞



 ω L  G  − RC  φ = arctan ⎝    2    ⎠ = arctan R G +ω C L R  G  + ω2 C  L  G  2 +ω2 C  2

(3.184)

G  2 +ω2 C  2

schreiben kann. Die Wurzel aus der komplexen Zahl lässt sich dann über   √ √ √ φ φ φ Z W = A · ejφ = A · ej 2 = A · cos + j sin 2 2

(3.185)

berechnen. Die Umformung in die Darstellung mit Real- und Imaginärteil ergibt über Re {Z W } = Im {Z W } =

√ √

A · cos

φ 2

(3.186)

A · sin

φ 2

(3.187)

mit den gegebenen Zahlenwerten das Resultat Z W = 129,19 − j 4,837 .

(3.188)

300

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Für einen wellenwiderstandsrichtigen Abschluss eines Kabels ist der berechnete Wellenwiderstand mit einer Schaltung nachzubilden. Dies kann prinzipiell auf zwei Arten geschehen: • Parallelschaltung von Widerstand RW und Kapazität CW : Im Extremfall f = 0 (Gleichspannung bzw. -strom) ist die Kapazität unwirksam und nur der Widerstand verbleibt als wirksames Element – diese Realisierung ist praktisch günstig. • Reihenschaltung von Widerstand RW und Kapazität CW : Im Extremfall f = 0 (Gleichspannung bzw. -strom) müsste die Kapazität unendlich groß werden (Kurzschluss) – deshalb ist diese Realisierung ungünstig. Die beiden Möglichkeiten sind als Schaltbilder in Abb. 3.28 dargestellt. Die Berechnung der Bauelementewerte wird bei den vorausgesetzten numerischen Werten für beide Schaltungen im folgenden Einschub gezeigt.

Einschub: Berechnung der Bauelementewerte der Parallel- und Reihenschaltung für den wellenwiderstandrichtigen Abschluss der Leitung

1. Parallelschaltung Bei einer Parallelschaltung addieren sich die Leitwerte zum Gesamtleitwert. Deshalb wird zunächst aus dem Wellenwiderstand Z W der Wellenleitwert YW =

1 ZW

nach Real- und Imaginärteil berechnet: 1 1 = ZW Re {Z W } + j Im {Z W } (Re {Z W } − j Im {Z W }) = (Re {Z W } + j Im {Z W }) · (Re {Z W } − j Im {Z W })

YW =

Abb. 3.28 Schaltungen zum wellenwiderstandsrichtigen Abschluss einer Leitung

(3.189)

3.9

Lösungen zu den Aufgaben

= YW =

301

Re {Z W } − j Im {Z W } (Re {Z W })2 + (Im {Z W })2 Re {Z W } (Re {Z W })2 + (Im {Z W })2

−j

Im {Z W } . {Z }) (Re W 2 + (Im {Z W })2

In der Parallelschaltung in Abb. 3.28 setzt sich der Wellenleitwert folgendermaßen zusammen: 1 1 + jωCW = + j 2π f CW . (3.190) YW = RW RW Aus Real- und Imaginärteil des Wellenleitwertes YW werden nun bei zuvor berechnetem und damit nach Real- und Imaginärteil zahlenmäßig bekanntem Wellenwiderstand Z W die Bauelementewerte RW und CW bestimmt: Für den Widerstand erhält man über Re {YW } =

1 RW

=⇒

RW =

1 Re {YW }

(3.191)

das Ergebnis RW =

(Re {Z W })2 + (Im {Z W })2 Re {Z W }

RW = 129,37 , und für die Kapazität ergibt sich nach Im {YW } = 2 π f CW

=⇒

CW =

Im {YW } 2π f

(3.192)

das Resultat 1 Im {Z W } · 2π f (Re {Z W })2 + (Im {Z W })2 = 0,46 nF.

CW = − CW

Der wellenwiderstandsrichtige Abschluss der Leitung lässt sich mit der betrachteten Parallelschaltung und den dafür berechneten Bauelementewerten realisieren. Er gilt strenggenommen nur für die betrachtete Betriebsfrequenz f , da diese in die Berechnungen jeweils eingeht. 2. Reihenschaltung Bei einer Reihenschaltung addieren sich die Widerstände. Es lässt sich Z W = RW +

1 1 = RW − j . jωCW ωCW

(3.193)

schreiben. Aus dem Realteil des Wellenwiderstandes erhält man direkt den Widerstand der Reihenschaltung

302

3 Übertragungskanal Kupferkabel

Re {Z W } = RW

=⇒

RW = Re {Z W }

RW = 129,19 ,

(3.194) (3.195)

und aus dem Imaginärteil des Wellenwiderstandes lässt sich über Im {Z W } = −

1 ω CW

=⇒

CW = −

1 2 π f · Im {Z W }

(3.196)

die Kapazität CW = 329 nF

(3.197)

gewinnen. Auch hier ist diese Berechnung (nur) für die gegebene Frequenz f gültig.

e) Eingangswiderstand Der Eingangswiderstand einer Leitung ist nach (3.94) allgemein mit Z0 = ZW ·

eγ  + n e−γ  . eγ  − n e−γ 

(3.198)

gegeben. Mit den berechneten Größen Wellenwiderstand Z W und Fortpflanzungskonstante γ und bekannter Länge  lassen sich für die drei Betriebszustände – und damit den dafür bekannten Reflexionsfaktoren n – die Eingangswiderstände berechnen. Dazu werden die hergeleiteten vereinfachten Beziehungen (3.95), (3.96) und (3.97) verwendet. Kurzschluss (n = −1): Z 0K = Z W tanh γ  = 45,373 + j 68,677 .

(3.199)

Z 0L = Z W coth γ  = 98,946 − j 177,311 .

(3.200)

Z 0A = Z W = 129,19 − j 4,837 .

(3.201)

Leerlauf (n = +1):

Anpassung (n = 0): Die Eingangswiderstände sind im berechneten Beispiel für die drei Betriebszustände Kurzschluss, Leerlauf und Anpassung ungleich: Dies ist der allgemeine Fall, denn es treten hier bei unterschiedlichen Abschlüssen verschiedene Anteile von rücklaufenden Wellen auf. Es kann auch der Fall eintreten, dass die Eingangswiderstände für alle drei unterschiedlichen Abschlüsse gleich und dabei gleich dem Wellenwiderstand sind: Dann wirkt die Leitung als elektrisch lange Leitung mit einem Eingangswiderstand, der gleich ihrem Wellenwiderstand ist, da keine rücklaufende Welle auftritt.

3.9

Lösungen zu den Aufgaben

303

f) Wellenlänge der Schwingung Als Wellenlänge λ einer Schwingung wird die Entfernung zwischen zwei Punkten bezeichnet, an denen sie gleiche Phase aufweist. Der Winkel β verhält sich zu 1 km wie der Winkel 2π zur Wellenlänge λ. Man erhält nach (3.104) mit den gegebenen Werten β 2π = 1 km λ

=⇒

λ=

2π = 1,843 km. β

(3.202)

Lösung zu Aufgabe 3.2 a) Die Übertragungsfunktion einer Kupfer-Zweidrahtleitung im RC-Bereich ist nach (3.145) als  Gk( f ) = e

− §j

f f0

.

(3.203)

gegeben. Für die beispielhaften Zahlenwerte für f 0 und  ist ihr Amplitudengang in Abb. 3.29 dargestellt: Es ist das typische Tiefpassverhalten eines solchen Übertragungsmediums erkennbar.

20 lg|Gk (f)| (in dB) →

0

-20

-40

-60

-80 100

¨ Ubertragungsfunktion (3.145) bzw. (3.203) Approximation mit 5 Polen (3.157), (3.204)

102

104

106

108

f (in Hz) → Abb. 3.29 Amplitudengang der Übertragungsfunktion und der rationalen Approximation (mit 5 Polen) einer Kupfer-Zweidrahtleitung (Parameter: Kennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 , Länge  = 1 km)

304

3 Übertragungskanal Kupferkabel

b) Bei rationaler Approximation kann die Übertragungsfunktion einer Kupfer-Zweidrahtleitung im RC-Bereich nach (3.157) als Gk( f ) ≈

1 2

∞ ν=1



1 1 + j ffν

 mit f ν =

π 2 (2 ν − 1)2 f0 4 2

(3.204)

ausgedrückt werden. Die Polfrequenzen der ersten fünf Kabelpole liegen bei π 2 f0 4 2 π 2 f0 = 4 2 π 2 f0 = 4 2 π 2 f0 = 4 2 π 2 f0 = 4 2

f1 =

· 12 =

0,44 MHz

f2

· 32 = 9 f 1 =

3,95 MHz

· 52 = 25 f 1 =

10,98 MHz

· 72 = 49 f 1 =

21,52 MHz

· 92 = 81 f 1 =

35,57 MHz.

f3 f4 f5

Auch der Amplitudengang der rationalen Approximation der Kabelübertragungsfunktion mit fünf Polen ist in Abb. 3.29 dargestellt: Abweichungen zur ursprünglichen Übertragungsfunktion sind insbesondere bei niedrigen Frequenzen (durch den Ansatz über die cosh-Funktion für große x) und bei hohen Frequenzen (durch den Abbruch der Approximation nach dem fünften Kabelpol) erkennbar. c) Die Gewichtsfunktion einer Kupfer-Zweidrahtleitung im RC-Bereich lautet nach (3.148) 1 4π f 0 gk (t) = √ π 2



2 4π f 0 (t − τ0 )

 23 e

− 4π f

2 0 (t−τ0 )

· 1(t).

(3.205)

Sie ist – ohne Berücksichtigung der Verzögerungszeit τ0 – in Abb. 3.30 grafisch dargestellt. d) Wird ein binäres, also zweiwertiges, Nachrichtensignal mit der Bitfolgefrequenz f B übertragen, so ist die Bitfolgefrequenz gleich der Symboltaktfrequenz f T und für die Symboldauer gilt 1 Ts = . (3.206) fB Bei f B = 1 MHz ist damit die Symboldauer Ts = 1/(1 MHz) = 1 · 10−6 s = 1 μs.

3.9

Lösungen zu den Aufgaben

305

105

6 5

gk (t) →

4 3 2 1 0

0

2

4

6

8

10

t (in µs) → Abb. 3.30 Gewichtsfunktion einer Kupfer-Zweidrahtleitung (Parameter: Kennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 , Länge  = 1 km)

Ein Blick auf Abb. 3.30 zeigt, dass sich in diesem Fall die Gewichtsfunktion der KupferZweidrahtleitung mit signifikanten Anteilen über ca. zehn Symbolintervalle erstreckt, d. h. Intersymbolstörungen bewirken Beeinflussungen über diesen Zeitraum. Wird die Bitfolgefrequenz weiter erhöht, würde sich bei Beibehaltung der Art der Übertragung auch die Anzahl der Symboldauern entsprechend erhöhen, über die sich bei konstant angenommenem Übertragungskanal die übertragenen Symbole beeinflussen.

Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Zusammenfassung

Verursacht ein Übertragungskanal Verzerrungen des übertragenen Signals, so sind Maßnahmen erforderlich, um diese so zu kompensieren, dass die Übertragungsgüte den Anforderungen, die an das Übertragungssystem gestellt werden, nach Möglichkeit trotzdem entspricht. In diesem Kapitel werden aufbauend auf den in Kap. 2 dargestellten Grundlagen der Basisbandübertragung in Verbindung mit der in Kap. 3 erarbeiteten Beschreibung der Übertragungseigenschaften von Kupferkabeln Möglichkeiten zur Kompensation von Kanalverzerrungen untersucht und diskutiert, wenn eine Kupferzweidrahtleitung als linear verzerrender Kanal für ein Basisbandübertragungssystem zu Grunde gelegt wird. Dabei wird die Vorgehensweise bei der Beschreibung, Analyse und Optimierung solcher Übertragungssysteme aus Kap. 2 prinzipiell beibehalten und auf den nun vorliegenden praktisch relevanten Fall angewendet, bei Bedarf erweitert und auf diese Weise vertieft. Ausführliche numerische Beispiele dienen wieder der Illustration der gewonnenen allgemeinen Erkentnisse und der erarbeiteten Prinzipien.

4.1

Einführung und grundlegende Aspekte

Im Kap. 2 wurde die Übertragung über nicht verzerrende Kanäle mit Rauschstörung behandelt (AWGN-Kanäle). Wenn hochbitratig arbeitende leitungsgebundene Nachrichtensysteme betrachtet, entworfen und betrieben werden, kann die Annahme einer verzerrungsfreien Übertragung im Allgemeinen nicht aufrechterhalten werden. Der reale Übertragungskanal verformt auf Grund seiner frequenzabhängigen Eigenschaften das Sendesignal mit zunehmender Signalbandbreite immer stärker: Es entstehen Intersymbolinterferenzen. Die Betrachtungen im Kap. 2 haben gezeigt, dass die Qualität der Übertragung stark von den Intersymbolinterferenzen beeinflusst wird: So konnte z. B. nur durch geschickte © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange und A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3_4

307

4

308

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Wahl von Sende- und Empfangsfilter das erste Nyquist-Kriterium eingehalten werden, um auf diese Weise Intersymbolinterferenzen am Erkennungspunkt zu vermeiden. Werden reale Übertragungskanäle betrachtet, kommt es mit zunehmender Bandbreite des Sendesignals zu dem Phänomen, dass die Spektralanteile des Sendesignals unterschiedlich bewertet werden. Wird die Bandbreite des Sendesignals größer, wird dieser Effekt bei vorgegebener Kanalcharakteristik stärker wirksam. Da die Symboltaktfrequenz f T = 1/Ts direkt proportional zur Bandbreite des Sendesignals ist, bedeutet dies, dass eine Vergrößerung der zu übertragenden Symbolrate – die Anzahl der Bits pro Symbol spielt für die Signalbandbreite keine Rolle – immer auch eine Vergrößerung der Übertragungsbandbreite bedingt. Daher entscheiden die Eigenschaften des Sendesignals – hier der vom Sendesignal belegte Frequenzbereich – darüber, ob eine verzerrungsfreie Übertragung möglich ist. Bei steigenden Anforderungen an die zu übertragende Datenrate wird es immer schwieriger, dies zu ermöglichen, da der vom Sendesignal belegte Frequenzbereich größer wird. In diesem Fall erfahren die einzelnen Komponenten des Sendesignals unterschiedliche Amplituden- und Phasenverzerrungen, womit prinzipiell keine verzerrungsfreie Übertragung realisierbar ist und Intersymbolinterferenzen entstehen. Während die frequenzabhängige Charakteristik des Übertragungskanals bei geringer Bandbreite des Sendesignals und damit geringer Symboltaktfrequenz f T noch weitgehend unberücksichtigt bleiben kann (s. Abb. 4.1), ergibt sich bei höherer Symboltaktfrequenz f T und damit größerer Bandbreite des Sendesignals – und gleichem, gegebenem Übertragungskanal – eine größere Verzerrung des Sendesignals (s. Abb. 4.2). In der übertragungstechnischen Praxis werden also im Allgemeinen Verzerrungen durch reale Übertragungskanäle hervorgerufen. Typische linear verzerrende Kanäle finden sich sowohl in der leitungsgebundenen Übertragung als auch in der Funkübertragung. Am Beispiel der leitungsgebundenen Übertragung im Basisband über Kupferleitungen

Abb. 4.1 Sendesignalspektrum und Übertragungsfunktion des Kanals im Frequenzbereich bei langsamer Datenübertragung (Prinzip)

|Gk (f)| Spektrum des Sendesignals

f Abb. 4.2 Sendesignalspektrum und Übertragungsfunktion des Kanals im Frequenzbereich bei schneller Datenübertragung (Prinzip)

|Gk (f)| Spektrum des Sendesignals

f

4.2

Kompensation des verzerrenden Kanaleinflusses

309

werden in diesem Kapitel Grundprinzipien der Bewertung von Nutzsignal und Störung sowie der Entzerrung ausführlich erläutert und Abhängigkeiten diskutiert. Grundlage dafür bilden die Überlegungen aus Kap. 2 zur Berechnung des Signal-Rausch-Verhältnisses und der Bitfehlerwahrscheinlichkeit in Basisbandübertragungssystemen und das in Kap. 3 eingeführte systemtheoretische Modell des leitungsgebundenen Übertragungskanals KupferZweidrahtleitung bzw. Kuperkabel.

4.2

Kompensation des verzerrenden Kanaleinflusses

Für eine verlässliche und qualitativ hochwertige Datenübertragung über verzerrende Übertragungskanäle, bei denen die einzelnen Spektralanteile des Sendesignals unterschiedlich bewertet werden und dadurch Intersymbolinterferenzen entstehen, ist es in der Praxis notwendig, die Verzerrungen, die durch den jeweiligen Übertragungskanal hervorgerufen werden, zu kompensieren oder zumindest zu reduzieren und damit ihre Auswirkungen auf die Erkennung und Entscheidung zu minimieren. Dies kann auf unterschiedliche Arten praktisch geschehen; es ist dabei in der Regel prinzipiell jedoch immer notwendig, auf die eine oder andere Art und Weise den Kanaleinfluss – zumindest näherungsweise – zu invertieren. Die Realisierung kann prinzipiell analog oder mit digitaler Signalverarbeitung erfolgen. Ein Funktionsblock in der Übertragungsstrecke, der als Hauptaufgabe die Kompensation der auf dem Übertragungskanal aufgetretenen Signalverzerrungen hat, wird als Entzerrer bezeichnet. Weist der Frequenzgang des Übertragungskanals keine Nullstellen auf, so besteht eine Möglichkeit der vollständigen, linearen Entzerrung darin, den Kanalfrequenzgang zu invertieren und einen derartigen Funktionsblock in den Übertragungsweg zu schalten. Bei der im Kap. 3 für Kupferleitungen ermittelten Übertragungsfunktion G k ( f ) ist diese Bedingung erfüllt, so dass eine solche Entzerrung mit der inversen Kabelübertragungsfunktion 1/G k ( f ) möglich ist. Zudem gestattet diese Art der Entzerrung eine relativ übersichtliche mathematisch-analytische Behandlung, so dass prinzipielle Einflüsse und Abhängigkeiten bei der digitalen Nachrichtenübertragung über linear verzerrende Kanäle gut dargestellt und herausgearbeitet werden können: Deshalb wird ein derartiges Übertragungssystem in diesem Kapitel betrachtet und ausführlich behandelt. Die leitungsgebundene Übertragungsstrecke mit inverser Kabelübertragungsfunktion als Entzerrer im Empfänger ist in Abb. 4.3 dargestellt. Da ausschließlich lineare Komponenten in diesem Übertragungssystem verwendet werden, gilt das Superpositions- oder Überlagerungsprinzip und Nutz- und Störsignal können voneinander getrennt betrachtet werden (s. Kap. 1 und 2): Ihre Wirkung auf die Qualität der Datenübertragung am Erkennungspunkt kann im Empfänger mit Hilfe eines geeigneten Gütekriteriums, z. B. des Signal-Rausch-Verhältnisses und der daraus hervorgehenden Bitfehlerwahrscheinlichkeit, erfasst werden.

310

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

us(t) Sendesignal

Kabel

EmpfangsEntzerrer filter

Gk (f)

1 Gk (f) Ge (f)

Ψ0

ue(t) Empfangssignal

n(t)

Störung Abb. 4.3 Kabelübertragungssystem mit verzerrendem Kanal, linearer Entzerrung und Empfangsfilterung

Das Sendesignal u s (t) durchläuft als Nutzsignal auf dem Übertragungsweg das Kabel mit der Übertragungsfunktion G k ( f ) und anschließend im Empfänger die Komponenten Entzerrer – mit der Übertragungsfunktion 1/G k ( f ) – und Empfangsfilter – mit der Übertragungsfunktion G e ( f ). Da der Einfluss des Kabels durch den Entzerrer vollständig kompensiert wird – mit G k ( f ) · 1/G k ( f ) = 1 –, verbleibt für die effektive Bewertung des Nutzsignals allein das Empfangsfilter G e ( f ): Das ungestörte – d. h. ohne Rauscheinfluss vorliegende – Empfangssignal entsteht, indem das Sendesignal u s (t) durch das Empfangsfilter G e ( f ) bewertet wird (s. Abb. 4.4). Dieses empfangene Nutzsignal (ohne Störung bzw. ohne Rauschen) wird als Empfangsnutzsignal u e (t) bezeichnet. Im Gegensatz dazu setzt sich das wirkliche Ausgangssignal aus dem Empfangsnutzsignal u e (t) und der additiv überlagerten durch Entzerrer und Empfangsfilter bewerteten Störung zusammen: Nur dieses wirkliche – aus Empfangsnutzsignal und (gefilterter) Störung zusammengesetzte – Empfangssignal kann in realen Übertragungssystemen beobachtet und z. B. gemessen werden. Die Definition eines Empfangsnutzsignals ist, wie in Kap. 2 bereits erwähnt, in linearen Systemen zur Bestimmung der Übertragungsgüte trotzdem sinnvoll, da die Bewertungen von Nutzsignal und Störung durch das Übertragungssystem getrennt erfasst werden können und sich so die Berechnungen vereinfachen. Die weiße, gaußverteilte Störung n(t) mit der Leistungsdichte 0 wird im Modell des Übertragungssystems am Empfängereingang eingekoppelt (s. Abb. 4.3). Sie wird durch die Übertragungsfunktionen des Entzerrers und des Empfangsfilters bewertet. Beide können zu einer gemeinsamen Übertragungsfunktion He ( f ) =

us (t)

Gk (f)

1 Gk (f) Ge (f)

Ge( f ) Gk( f )

ue (t)

Abb. 4.4 Blockschaltbild für den Weg des Nutzsignals

(4.1)

us (t)

Ge (f)

ue (t)

4.2

Kompensation des verzerrenden Kanaleinflusses

Ψ0

1 Gk (f) Ge (f)

311

Ψe (f)

Ψ0

He (f)

Ψe (f)

Abb. 4.5 Blockschaltbild für den Weg der Störung

eines Entzerrer-Empfangsfilters zusammengefasst werden (s. Abb. 4.5). Auch praktisch können derartige Entzerrer-Empfangsfilter vorteilhaft als Baueinheit realisiert werden, wenn eine schaltungstechnische Umsetzung notwendig ist. Als Leistungsdichte des Rauschens am Erkennungspunkt ergibt sich    G e ( f ) 2  .  e ( f ) = 0 |He ( f )| = 0  Gk( f )  2

(4.2)

Durch die Entzerrung mit der inversen Kabelübertragungsfunktion im Empfänger wird neben der Kompensation des Kabeleinflusses auf das Nutzsignal auch bewirkt, dass das Rauschsignal verstärkt wird. Die durch den Entzerrer 1/G k ( f ) hervorgerufene Verstärkung ist frequenzabhängig und steigt mit zunehmender Frequenz. Wird das Kabel in einem Übertragungssystem bis zu hohen Frequenzen betrieben und ausgelastet, ist demnach eine stärkere Anhebung des Rauschens zu erwarten, als bei geringerer Kabelauslastung. Wie in Kap. 2 erläutert, ist eine Bandbegrenzung des Rauschens notwendig, um dessen Leistung am Erkennungspunkt zu beschränken. Diese Aufgabe übernimmt das Empfangsfilter G e ( f ): Es muss einen Frequenzgang aufweisen, der es gestattet, dass das mit der inversen Kabelübertragungsfunktion bewertete Rauschsignal insgesamt tiefpassbewertet den Erkennungsbzw. Detektionspunkt erreicht. Das heißt, dass die Flanke des Empfangsfilters steiler abfallen muss, als die Inverse der Kabelübertragungsfunktion nach (3.147) ansteigt: Dies kann beispielsweise mit Hilfe eines Gauß-Tiefpassfilters mit der Übertragungsfunktion Ge( f ) = e

−ln(2)·



 f 2 fG

  ge (t) =



π − fG · e ln 2



√π ln 2

2

·t 2 f G2

(4.3)

geschehen, s. z. B. Kap. 2 oder [29].1 In Abb. 4.6 sind beispielhafte Amplitudengänge des Kabels, des Entzerrers und des Entzerrer-Empfangsfilters im Bodediagramm dargestellt, wenn ein Gauß-Empfangstiefpass nach (4.3) verwendet wird. Das reine Kabel mit der Übertragungsfunktion G k ( f ) zeigt eine starke Tiefpasscharakteristik mit – abhängig von der Kabellänge  und vom Kabeltyp (erfasst durch die Kabelkennfrequenz f 0 ) – relativ niedriger Grenzfrequenz. Die mit steigender Frequenz zunehmende Verstärkung durch den Entzerrer 1/G k ( f ) ist deutlich erkennbar. 1 Bei dieser Art der Beschreibung handelt es sich um eine nichtkausale Darstellung: Nichtkausale

Systeme sind solche, die bereits vor der Erregung durch das Eingangssignal eine Systemreaktion zeigen, während bei kausalen Systemen nur dann ein Ausgangssignal vorliegt, wenn ein Eingangssignal anliegt, s. z. B. [30, 54].

312

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

20 lg|G(f)| (in dB)

1 Gk (f)

He (f)

fG ↑

0 f Gk (f)

Abb. 4.6 Amplitudengänge (im Bode-Diagramm) von Kabel, Entzerrer und EntzerrerEmpfangsfilter bei Gauß-Empfangstiefpass mit verschiedenen Grenzfrequenzen f G

Es wird deutlich, dass die 6-dB-Grenzfrequenz f G Einfluss darauf hat, wie groß die unter He ( f ) (bzw. damit auch unter |He ( f )|2 ) eingeschlossene Fläche ist: Diese Fläche ist ein Maß für die am Erkennungspunkt wirksame Rauschleistung (s. Kap. 2). Außerdem wird durch das Empfangsfilter G e ( f ) und dessen Grenzfrequenz f G das Nutzsignal bewertet. Diese gegenseitigen Abhängigkeiten sollen im Weiteren detailliert untersucht werden. Eine empfangsseitige Tiefpassbandbegrenzung, die steiler abfällt als die Inverse der Kabelübertragungsfunktion nach (3.147) ansteigt, kann beispielsweise auch durch KosinusRoll-Off- oder Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filterung erzielt werden, s. Kap. 2. Auf die Empfangsfilterung mit Gauß-Tiefpass und mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Tiefpass wird in einem numerischen Beispiel im weiteren Verlauf dieses Kapitels Bezug genommen.

4.3

Kabelübertragungssystem bei rationalen Übertragungsfunktionen

Für die praktische Realisierung von Entzerrern und z. B. Kabelnachbildungen sowie für theoretische Untersuchungen ist es oftmals günstig, rationale Übertragungsfunktionen des Kabels und daraus resultierend ebenso für das Entzerrer-Empfangsfilter zu verwenden: Die Beschreibung mit der Kabelübertragungsfunktion nach (3.147) und z. B. dem Gauß-Tiefpass (4.3) führt zu Beziehungen für Nutzsignal und Störung am Erkennungspunkt, die nicht elementar lösbare Integrale enthalten. Diese lassen sich zwar numerisch auswerten und auf diese Weise numerische Ergebnisse erzielen; jedoch werden funktionale Abhängigkeiten in der Theorie auf diese Art und Weise nicht leicht erkennbar.

4.3

Kabelübertragungssystem bei rationalen Übertragungsfunktionen

313

Deshalb dient für die folgenden Betrachtungen die rationale Approximation der Kabelübertragungsfunktion (3.157) bzw. (3.158) als Ausgangspunkt: Sie gibt die durch das Kabel verursachten Signaleverzerrungen hinreichend genau wieder und ist im Grenzfall eines unendlichen Produkts bzw. der Modellierung mit unendlich vielen reellen Polstellen – bis auf die Abweichungen bei sehr tiefen Frequenzen – identisch mit (3.145). Für praktische Realisierungen und Rechnungen muss das unendliche Produkt bei einer endlichen Anzahl m von Polen der Kabelübertragungsfunktion abgebrochen werden. Dies geschieht in Abhängigkeit von der Bandbreite des zu übertragenen Signals, so dass für den zu untersuchenden Spektralbereich der Einfluss des Kabels hinreichend genau wiedergegeben wird. Die Inversion der rationalen Kabelübertragungsfunktion mit m Polstellen ergibt für den reinen entzerrenden Anteil des Entzerrer-Empfangsfilters m Nullstellen: Ein solches System wäre separat nicht realisierbar, da ein realisierbares System nicht mehr Null- als Polstellen enthalten darf, d. h., es muss mindestens soviele Polstellen wie Nullstellen aufweisen. Der Empfangstiefpass wird ebenfalls als rationale Übertragungsfunktion mit n Polstellen modelliert und deshalb in Baueinheit mit dem Entzerreranteil realisiert. Das EntzerrerEmpfangsfilter als System ist realisierbar, sofern mindestens n = m gilt. Es wird noch einmal deutlich, dass – bei der hier betrachteten Art der Entzerrung und Empfangsfilterung – die integrierte Realisierung als Entzerrer-Empfangsfilter unerlässlich ist und praktische Vorteile hat. Das Empfangsfilter wird als RC-Tiefpass n-ter Ordnung gewählt: 1

G e ( p) =  n 1 + pTg



t

Tg · t n−1 1   ge (t) = e . · 1(t) mit Tg = n Tg (n − 1)! 2π f g

(4.4)

Die Grenzfrequenz f g ist z. B. für n = 1 eine 3-dB-Grenzfrequenz, d. h., bei der Frequenz von (4.4) – bei n = 1 – auf einen Wert f = f√ g ist der Betrag der Übertragungsfunktion √ von 1/ 2 ≈ 0,7071 bzw. um −20 lg(1/ 2) = 3 dB gegenüber dem Wert bei der Frequenz f = 0 abgefallen (s. Kap. 2).2 Für den rationalen RC-Tiefpass n-ter Ordnung erhält man für σ = 0 und damit p = σ + jω =⇒ jω = j2π f als Übertragungsfunktion mit der Frequenzvariable f : 1 G e ( p) =  n 1 + pTg

=⇒

1 1 Ge( f ) =  n =  n . 2π f 1 + j 2π fg 1 + j ffg

(4.5)

Für n → ∞ approximiert die Übertragungsfunktion des RC-Tiefpasses n-ter Ordnung (4.5) einen Gauß-Tiefpass (4.3), s. Kap. 2. 2 Bei allgemeiner Filterordnung n hängt die Bezeichnung der Grenzfrequenz, also um den wievielten

Teil des Maximalwertes der Amplitudengang bei der Grenzfrequenz f g gegenüber dem Wert bei f = 0 abgefallen ist, von n ab. So ist die Grenzfrequenz bei n = 2 eine 6-dB-Grenzfrequenz und bei n = 3 handelt es sich um eine 9-dB-Grenzfrequenz. Allgemein könnte man die Bezeichnung n · 3dB-Grenzfrequenz bei einem rationalen Tiefpassfilter n-ter Ordnung verwenden; diese Bezeichnung ist jedoch nicht weit verbreitet.

314

us (t)

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Kabel

EmpfangsEntzerrer filter

Gk (f)

1 Gk (f) Ge (f)

Sendesignal

Ψ0

Störung

m Pole

m Nullstellen

ue (t) Empfangssignal

n Pole

Abb. 4.7 Kabelübertragungssystem mit Entzerrung bei rationalen Übertragungsfunktionen

Die Übertragungsfunktion des Entzerrer-Empfangsfilters insgesamt ist unter Verwendung der Kabelübertragungsfunktion (3.158) 2 He ( p) =

m 

(1 + pTν )  n . 1 + pTg

ν=1

(4.6)

Sie enthält m Nullstellen bei den Frequenzen der ersten m Kabelpole und eine n-fache Polstelle bei der Grenzfrequenz f g des rationalen RC-Empfangstiefpasses n-ter Ordnung. In Abb. 4.7 ist das Übertragungssystem mit den Komponenten in rationalen Übertragungsfunktionen dargestellt. Abb. 4.8 zeigt für das Beispiel m = 3 die Amplitudengänge (Geradenapproximationen) des Kabels, des Entzerrer-Empfangsfilters und des resultierenden Gesamtsystems im Bodediagramm. Es wird dabei angenommen, dass das zu übertragende Nutzsignal einen solchen Spektralbereich belegt, dass die Approximation der Kabeleigenschaften durch eine rationale Übertragungsfunktion mit m = 3 Polen hinreichend ist und damit für die Kabelübertragungsfunktion (3.157) in diesem Fall Gk( f ) ≈

1 π 2 (2 ν − 1)2 1 = f0 mit f ν  2 m=3 4 2   1 + j ffν

(4.7)

ν=1

gilt. Die Pole des Kabels befinden sich bei den Frequenzen f 1 , f 2 und f 3 . In der Geradenapproximation der Übertragungsfunktion weist daher der Amplitudengang des Kabels zwischen f 1 und f 2 einen Abfall von 20 dB/Dekade auf, zwischen f 2 und f 3 einen Abfall von 40 dB/Dekade sowie oberhalb von f 3 einen Abfall von 60 dB/Dekade. Das EntzerrerEmpfangsfilter weist bei den Frequenzen der Kabelpole Nullstellen auf, so dass in den entsprechenden Bereichen der Geradenapproximation die zugehörigen Anstiege erkennbar

4.3

Kabelübertragungssystem bei rationalen Übertragungsfunktionen

315

Abb. 4.8 Amplitudengänge (Geraden-Approximationen im Bode-Diagramm) von Kabel, EntzerrerEmpfangsfilter und Gesamtsystem am Beispiel m = 3

sind, um den Kabelfrequenzgang durch Verstärkung auszugleichen. Der Empfangstiefpass n-ter Ordnung mit der Grenzfrequenz f g muss mindestens die Ordnung n = m = 3 aufweisen, damit das Entzerrer-Empfangsfilter ein realisierbares System ist. Das Bodediagramm in Abb. 4.8 zeigt jedoch, dass in diesem Fall das Entzerrer-Empfangsfilter keine Bandbegrenzung für das Rauschen aufweisen würde, so dass die Rauschleistung am Erkennungspunkt sehr groß – theoretisch unendlich – und damit das Signal-Rausch-Verhältnis Null würde: Es wäre keine zuverlässige Erkennung möglich. Es ist deshalb ein Tiefpass der Ordnung von mindestens n = m + 1 = 4 notwendig, d. h. allgemein gilt: n > m. Bei einem Tiefpass vierter Ordnung wird das Rauschen mit einer abfallenden Flanke von −20 dB/Dekade zu hohen Frequenzen hin bandbegrenzt. Für n = 4 ist ebenso das entzerrte Gesamtsystem in der Geradenapproximation dargestellt: Es handelt sich dabei um das für das Nutzsignal effektiv verbleibende System, also das Empfangsfilter G e ( f ). Für das Nutzsignal ist die Bandbegrenzung mit insgesamt −80 dB/Dekade wirksam. Erhöht man die Ordnung des Tiefpasses (z. B. n = 5), so verbessert sich die Rauschbandbegrenzung weiter – hier auf −40 dB/Dekade –, jedoch wird auch das Nutzsignal dadurch beeinflusst – dann mit −100 dB/Dekade – und im Allgemeinen stärker verzerrt. Der Grad n des Tiefpassfilters ist wählbar, neben den bereits angegebenen Auswirkungen auf Nutzsignal und Störung erhöht sich mit steigendem n der Realisierungsaufwand bzw. die Komplexität.

316

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Die gegenläufige Bewertung von Nutzsignal und Störung durch das Empfangsfilter und durch dessen Bandbegrenzung ist prinzipieller Natur und findet einen weiteren Ausdruck in der Rolle der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g . Die Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters hat eine widersprüchliche Rolle (bei vorgegebenen, festen Kabelpolen): • Ist die Grenzfrequenz f g klein, wird die Störung stärker bandbegrenzt und damit ist die Rauschleistung relativ klein: Dies ist für die Übertragungsgüte günstig. Das Nutzsignal wird jedoch stärker verzerrt, es verbleiben im Allgemeinen relativ starke Intersymbolstörungen, was sich unvorteilhaft auf die Übertragungsqualität auswirkt. • Ist die Grenzfrequenz f g groß, sind die Verzerrungen des Nutzsignals schwächer ausgeprägt, es verbleiben verhältnismäßig geringe Intersymbolstörungen – mit positiver Wirkung auf die Übertragungsgüte. Jedoch wird nun die Störung weniger stark bandbegrenzt und damit ist die Rauschleistung größer – mit negativem Einfluss auf die Übertragungsqualität. Es existiert also eine gegenläufige Abhängigkeit von Nutzsignal und Störung von der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g – wie schon bei der in Kap. 2 diskutierten Übertragung über einen Kanal bei reiner Rauschstörung: Es ist deshalb wieder eine Optimierung der Grenzfrequenz f g in Bezug auf die Übertragungsqualität, d. h. bezüglich eines maximalen SignalRausch-Verhältnisses, möglich und notwendig. Diese Zusammenhänge werden im Zuge des nachfolgenden ausführlichen Anwendungsbeispiels weiter analysiert und entsprechende Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt.

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

4.4.1

Einleitung

Um die zuvor diskutierten Eigenschaften und Abhängigkeiten in Bezug auf die Bewertung von Nutzsignal und Störung ausführlich zu untersuchen, wird in einem Anwendungsbeispiel ein vergleichsweise einfaches aber realistisches Modell eines kabelgebundenen Übertragungssystems mit Entzerrung und Empfangsfilterung betrachtet. Es wird zunächst das Übertragungssystem eingeführt und anschließend werden ausführlich die Bewertung des Nutzsignals und der Störung separat berechnet. Dabei wird insbesondere auf die Rolle der Empfangsfiltergrenzfrequenz eingegangen: Sie kann beim Entwurf des Übertragungssystems frei gewählt werden und stellt damit einen wichtigen Freiheitsgrad für den Entwurf und die Optimierung eines solchen Übertragungssystems dar. Abschließend wird die Güte der Übertragung bewertet und auf dieser Grundlage wird die Empfangsfiltergrenzfrequenz optimiert.

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

4.4.2

317

Kabelübertragungssystem

In Abb. 4.9 ist das Blockschaltbild des im Folgenden untersuchten Übertragungssystems dargestellt: Das Sendesignal ist eine unipolare Zufallsfolge von Rechteckimpulsen (NRZ – Non Return to Zero) mit zwei Amplitudenstufen (0 V und U0 ) mit der Impulsdauer Ts , die mit der Bitrate bzw. Bitfolgefrequenz f B = 1/Ts das Kabel durchläuft und die durch additives, weißes und gaußverteiltes Rauschen mit der spektralen Leistungsdichte 0 gestört wird. Die Kabelübertragungsfunktion wird als Tiefpass erster Ordnung durch G k ( p) =

1 1 · 2 1 + pTk

mit

Tk =

1 4 2 = 2 2π f k π ω0

(4.8)

angenähert, um eine gute analytische Handhabbarkeit zu erreichen und wesentliche übertragungstechnische Grundlagen herausarbeiten zu können – ohne durch zu viel Komplexität die Rechnungen zu erschweren und die Übersichtlichkeit zu gefährden. Dieses Modell entsteht durch Abbruch des unendlichen Produkts in (3.158) nach dem ersten Glied (m = 1) und erfasst wesentliche verzerrende Eigenschaften des Übertragungsmediums Kupferkabel: In Abb. 4.10 sind die Amplitudengänge der gewählten Kabelapproximation mit einem Pol und der Kabelübertragungsfunktion (3.147) gemeinsam dargestellt. Die wesentliche Bandbegrenzung, die das Medium Kupferkabel bei der Übertragung auf das Nutzsignal ausübt, wird durch den ersten Pol der approximierten Übertragungsfunktion (3.158) des Kabels richtig wiedergegeben.3 Zu höheren Frequenzen und damit Signalspektralanteilen hin sind hinreichend viele Kabelpole zu berücksichtigen; daraus ergibt sich die

us (t)

Kabel

EmpfangsEntzerrer filter

Gk (p)

1 Gk (p) Ge (p)

Sendesignal

Ψ0

1Pol

Störung

1 Nullstelle

ue (t) Empfangssignal

2 Pole

Abb. 4.9 Übertragungssystem mit Kabel und Entzerrer-Empfangsfilter bei Kabelapproximation durch einen Pol 3 Auf die Abweichung zwischen beiden Übertragungsfunktionen bei tiefen Frequenz wurde in Kap. 3

eingegangen; diese ist durch den Ansatz (3.153) bei der rationalen Approximation bedingt, der für kleine Frequenzen Unterschiede ergibt. Die für die Übertragungsgüte bedeutsamere Approximati-

318

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb. 4.10 Amplitudengänge (Bode-Diagramm) der Kabelübertragungsfunktion und ihrer Approximation mit einem Pol

20 lg|Gk(f)| (in dB) 0

fk f

−6 Approximation mit 1 Pol (3.157)

Kabelu¨ber tragungsfunktion (3.145)

Übertragungsfunktion des Entzerrers und in Verbindung mit dem Empfangsfilter die des Entzerrer-Empfangsfilters. Der verzerrende Einfluss des Kabels wird – wie im vorhergehenden Abschnitt eingeführt – empfangsseitig linear vollständig mit Hilfe der inversen Kabelübertragungsfunktion entzerrt. Der Entzerrer weist – als inverse Kabelübertragungsfunktion 1/G k ( p) – eine Nullstelle bei der Frequenz des Kabelpols auf. Das Empfangsfilter ist ein Tiefpass n-ter Ordnung. Eine Besonderheit bei dieser Art der Entzerrung und Empfangsfilterung ist, dass die im Beispiel vorliegende Nullstelle des Entzerrers erfordert, dass das Empfangsfilter mindestens zwei Pole (n = 2) aufweist – da n > m gefordert wird –, um eine Tiefpassbandbegrenzung des Rauschsignals zu erreichen. Ein Tiefpass erster Ordnung, wie in Kap. 2 für den AWGNKanal betrachtet, würde hier nicht ausreichen, denn das Rauschen würde in diesem Fall nicht bandbegrenzt und somit die Rauschleistung unendlich werden (vergl. Abb. 4.8): Dann würde das Signal-Rausch-Verhältnis Null und es wäre keine zuverlässige Übertragung und Erkennung möglich. Das Empfangsfilter wird deshalb beispielhaft als zweiter Ordnung mit einem doppelt-reellen Pol 1 G e ( p) =  2 1 + pTg

mit

Tg =

1 2π f g

(4.9)

angesetzt. Als Entzerrer-Empfangsfilter resultiert He ( p) =

G e ( p) 2 (1 + p Tk ) =  2 G k ( p) 1 + p Tg

(4.10)

Wie in Kap. 2 beschrieben, kann die Bewertung von Nutzsignal und Störung zur Bestimmung der Übertragungsqualität – und damit zur Optimierung von Parametern – in linearen Systemen getrennt voneinander erfolgen. Im Folgenden wird diese Vorgehensweise schrittonsgüte bei hohen Frequenzen wird durch die Anzahl der berücksichtigten Pole bei der rationalen Approximation bestimmt.

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

319

weise für das beispielhaft eingeführte leitungsgebundene Übertragungssystem durchgeführt und erläutert.

4.4.3

Weg und Bewertung des Nutzsignals

Ein Maß für die Güte des Nutzsignals am Erkennungspunkt ist die halbe vertikale Augenöffnung (s. Kap. 2). Im allgemeinen Fall – bei verbleibenden Intersymbolstörungen – ist es zweckmäßig, diese halbe vertikale Augenöffnung für den ungünstigsten Fall zu bestimmen und zur Bewertung der Übertragungsgüte heranzuziehen. Dieser ungünstigste Fall, d. h. die kleinste halbe vertikale Augenöffnung, existiert in zwei Konstellationen: Einerseits tritt er auf, wenn nach einer langen Folge von ’0’-Impulsen eine ’1’ gesendet wird und danach wieder eine lange Folge von ’0’-Impulsen und andererseits, wenn umgekehrt nach einer langen Folge von ’1’-Impulsen ein einzelner ’0’-Impuls gesendet wird und danach wieder eine lange Folge von ’1’-Impulsen. Es wird hier der erste Fall gewählt: Um festzustellen, wie das Nutzsignal durch die Übertragungsanordnung bewertet wird, ist demnach der Weg eines einzelnen Grundimpulses vom Sender bis zum Ausgang des Empfangsfilters – dem Erkennungspunkt – zu betrachten und seine Verformung zu analysieren. Der Sendegrundimpuls xs (t) ist ein NRZ-Rechteckimpuls mit der Spannungsamplitude U0 und der Dauer Ts , der entsprechend Abb. 4.11 die Kaskade der Übertragungsfunktionen von Kabel G k ( p), Entzerrer 1/G k ( p) und Empfangstiefpass G e ( p) durchläuft. Da sich im Modell die Übertragungsfunktionen von Kabel (G k ( p)) und Entzerrer (1/G k ( p)) exakt kompensieren, verbleibt allein das Empfangsfilter G e ( p) als Element, das das Sendesignal auf seinem Weg zum Erkennungspunkt verformt. Es ist also die Rechteckantwort des Empfangsfilters (4.9) zu berechnen. Abb. 4.12 zeigt den Amplitudenfrequenzgang des Empfangsfilters mit der Grenzfrequenz f g . Zur Berechnung der Empfangsfilterrechteckantwort wird der Weg über den Spektraloder Bildbereich genommen (s. z. B. Kap. 1 bzw. Literatur zur Signal- und Systemtheorie, z. B. [38]): Die Laplace-Transformierte des rechteckförmigen NRZ-Sendegrundimpulses der Dauer Ts mit der Amplitude U0 lautet (mit Anwendung des Verschiebungssatzes der Laplace-Transformation) U0 U0 e− pTs X s ( p) = − . (4.11) p p Die Laplace-Transformierte des Empfangsgrundimpulses ist damit nach Multiplikation mit G e ( p) entsprechend (4.9)

us (t)

Gk (p)

1 Gk (p) Ge (p)

ue (t)

Abb. 4.11 Blockschaltbild zur Bewertung des Nutzsignals

us (t)

Ge (p)

ue (t)

320

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb. 4.12 Amplitudengang eines Empfangstiefpasses zweiter Ordnung (n = 2) mit doppelt-reellem Pol (Grenzfrequenz f g )

|Ge (f)|

1

0,5

0 0

f

fg

X e ( p) = X s ( p) · G e ( p) =

U0 1 − e− pTs · 2 . p 1 + pTg

(4.12)

Durch Ausklammern von 1/Tg2 und Umsortieren erhält man X e ( p) =

U0 1 − e− pTs ·  2 . Tg2 p T1g + p

(4.13)

Über die Laplace-Rücktransformation der so umgeformten Laplace-Transformierten des Empfangsgrundimpulses ⎧ ⎫ ⎪ ⎪ ⎨ ⎬ − pT s U0 1−e −1 (4.14) xe (t) = 2 · L   2 ⎪ Tg ⎩p p+ 1 ⎪ ⎭ Tg erhält man unter Zuhilfenahme der Korrespondenz (s. Anhang D bzw. z. B. [11, 13, 74])   1   1 1 − e−at − at e−at 2 2 p( p + a) a

(4.15)

die Zeitfunktion des Empfangsgrundimpulses zu      s s t − Ttg t − Ts − t−T − Ttg − t−T Tg Tg · 1(t) − 1 − e · 1 (t − Ts ) . − e − e xe (t) = U0 1 − e Tg Tg (4.16) Abb. 4.13 zeigt diese Rechteckantwort xe (t) eines Tiefpassfilters mit doppelt-reellem Pol bei einer beispielhaften Empfangsfiltergrenzfrequenz bzw. Empfangsfilterzeitkonstante als Empfangsgrundimpuls.

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

Abb. 4.13 Rechteckantwort eines Tiefpassfilters mit doppelt-reellem Pol ( f g = 0,5/Ts bzw. Tg = Ts /π ) als Empfangsgrundimpuls

321

xe (t) U0

0

0

t

Ts

In Abb. 4.14 ist das aus diesem Empfangsgrundimpuls konstruierte Augendiagramm – insbesondere mit den inneren Kurven für den ungünstigsten Fall – schematisch dargestellt, wenn eine zweistufige, unipolare Übertragung mit den Sendeamplituden 0 V und U0 zu Grunde gelegt wird. Am Erkennungspunkt wird bezüglich der bei U0 /2 liegenden Entscheidungsschwelle entschieden, ob ein ’0’- oder ’1’-Impuls gesendet worden ist. Der Abstand zwischen den jeweils innersten möglichen Kurven des Augendiagramms und der Entscheidungsschwelle repräsentiert die halbe vertikale Augenöffnung UA . Um eine möglichst zuverlässige Erkennung zu erzielen, ist es notwendig, den optimalen Abtastzeitpunkt TA zu bestimmen, d. h. zu demjenigen Zeitpunkt das Signal am Erkennungspunkt abzutasten, bei dem eine maximale Nutzsignalamplitude vorliegt (s. Kap. 2). Abb. 4.13 entnimmt man, dass der Maximalwert des Empfangsgrundimpulses – und damit die maximale vertikale Augenöffnung – im Augendiagramm (Abb. 4.14) bei Zeiten t ≥ Ts liegt. Es sind daher beide Anteile aus Gl. (4.16) zu berücksichtigen und es ist für die Zeitfunktion xe 2 (t) des Empfangsgrundimpulses für t ≥ Ts  t−T  s t − Ts − t−T t − Ttg − s − t (4.17) xe 2 (t) = U0 e Tg + e Tg − e Tg − e Tg Tg bzw. umgeformt nach Ausmultiplizieren und neu Zusammenfassen  t  T   T    s s t Ts TTgs − − t xe 2 (t) = U0 e Tg e Tg − 1 + e Tg e Tg − 1 − e Tg Tg

Abb. 4.14 Augendiagramm (schematisch) am Ausgang eines Tiefpassfilters mit doppelt-reellem Pol

(4.18)

u(t) U0 UA U0 2

Entscheidungsschwelle

0 0

Ts TA

t

322

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

die Extremwertaufgabe

dxe 2 (t) =0 (4.19) dt zu lösen, um das Maximum der Empfangsfilter-Rechteckantwort und dessen zeitliche Lage zu bestimmen. Zur Vereinfachung werden die Variablen Ts

a = e Tg − 1

b=

und

Ts TTgs e Tg

(4.20)

definiert und es resultiert

 t   t − − t xe 2 (t) = U0 e Tg · a + e Tg ·a−b . Tg

(4.21)

Über die Anwendung der Produktregel der Differentialrechnung (z. B. [11, 74]) ergibt sich für die erste Ableitung     a − Ttg t 1 − Ttg a − Ttg dxe 2 (t) − e a−b + e = U0 − e dt Tg Tg Tg Tg (4.22)   U0 − Ttg t =− e a−b . Tg Tg Der Faktor, der die e-Funktion enthält, kann nicht Null werden, es verbleibt   t a − b = 0, Tg und man erhält

t a=b Tg

=⇒

t = TA =

b Tg . a

(4.23)

(4.24)

Daraus ergibt sich für den optimalen Abtastzeitpunkt TA – nach Wiedereinsetzen von a und b: Ts e Tg TA = Ts Ts . (4.25) e Tg − 1 Mit Tg = 1/(2π f g ) kann dies auch als TA = Ts

e2π fg Ts −1

e2π fg Ts

(4.26)

ausgedrückt werden. Der optimale Abtastzeitpunkt TA hängt demnach von der gegebenen Signalkenngröße Ts und von der einstellbaren Zeitkonstante Tg bzw. Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters ab. Die halbe vertikale Augenöffnung UA für die hier betrachtete zweistufige, unipolare Übertragung erhält man, wenn man die bei U0 /2 liegende Entscheidungsschwelle von der

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

323

im optimalen Abtastzeitpunkt TA erzielbaren Amplitude xe 2 (TA ) nach UA = xe 2 (TA ) −

U0 2

(4.27)

subtrahiert, s. auch Kap. 2, und sie ergibt sich damit zu   T  T   T    T s s TA 1 Ts TTgs − A − A e Tg − 1 − − e UA = U0 e Tg e Tg − 1 + e Tg Tg Tg 2

(4.28)

bzw. mit Tg = 1/(2π f g ) erhält man    (4.29) UA = U0 e−2π fg TA e2π fg Ts − 1 + . . .    1  . . . . + e−2π fg TA 2π f g TA e2π fg Ts − 1 − 2π f g Ts · e2π fg Ts − 2 Dabei ist die Zeitvariable t bei jedem Auftreten durch den berechneten optimalen Abtastzeitpunkt TA zu ersetzen, um die unter den gegebenen Bedingungen maximale Augenöffnung für den vorausgesetzten ungünstigsten Fall zu erhalten. Abb. 4.15 zeigt die halbe vertikale Augenöffnung als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz: Es gibt einen Bereich bei kleinen Grenzfrequenzen f g , bei denen das Auge geschlossen ist und somit keine Erkennung möglich ist; die Intersymbolstörungen sind zu stark. Oberhalb der Grenzfrequenz, bei der sich das Auge öffnet, steigt die Augenöffnung an und strebt einem Maximalwert zu, der durch die halbe Sendestufenamplitude U0 /2 gegeben ist; größer als U0 /2 kann die halbe vertikale Augenöffnung auch bei gegen Unendlich laufender Empfangsfiltergrenzfrequenz nicht werden.

UA U0 2

fg

0 Auge geschlossen

Auge geöffnet

Abb. 4.15 Halbe vertikale Augenöffnung als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

324

4.4.4

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Weg und Bewertung der Störung

Das Rauschsignal wird im Blockschaltbild (Abb. 4.9) modellhaft am Ausgang der Kabelübertragungsfunktion eingekoppelt. Es durchläuft die Kaskade der Übertragungsfunktionen von Entzerrer 1/G k ( p) und Empfangstiefpass G e ( p) und wird somit durch die resultierende Übertragungsfunktion G e ( p) 2 (1 + p Tk ) (4.30) =  He ( p) = 2 G k ( p) 1 + p Tg bewertet. Die Bewertung des Störsignals ist im Blockschaltbild in Abb. 4.16 dargestellt. Abb. 4.17 zeigt den Amplitudengang der resultierenden Übertragungsfunktion He ( f ), durch die das Störsignal bewertet wird bei festem Kabelpol und für unterschiedliche Grenzfrequenzen f g des Empfangsfilters mit doppelt-reellem Pol. Es ist erkennbar, dass zu steigenden Frequenzen hin eine Verstärkung durch den Entzerrer bewirkt wird und eine Bandbegrenzung durch das Empfangsfilter besteht. Mit steigender Grenzfrequenz wird die Verstärkung größer, so dass die Störung deutlicher verstärkt wird.

Ψ0

1 Gk (p) Ge (p)

Ψe (f)

Ψ0

He (p)

Ψe (f)

Abb. 4.16 Blockschaltbild zur Bewertung der Störung

20 lg|G(f)| (in dB) 1 Gk (f)

He (f) fg ↑ 6 0 fk

f

Abb. 4.17 Resultierende Amplitudengänge des Entzerrer-Empfangsfilters zur Bewertung des Störsignals bei verschiedenen Empfangsfiltergrenzfrequenzen f g

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

325

Die Leistungsdichte des Rauschsignals am Erkennungspunkt ist    G e ( f ) 2  e ( f ) = 0  Gk( f ) 

(4.31)

und die Integration über diese Empfangsrauschleistungsdichte e ( f ) führt in Anlehnung an (2.53) zur Rauschleistung am Erkennungspunkt: UR2

 +∞ +∞  G e ( f ) 2   = e ( f ) d f = 0 G ( f ) d f . −∞

(4.32)

k

−∞

   G e ( f ) 2 Dazu muss zunächst  G  berechnet werden und anschließend die Integration ausgek( f ) führt werden. Beides wird hier in einem Einschub ausführlich gezeigt, kann jedoch bei entsprechenden Kenntnissen auch übersprungen werden.    G e ( f ) 2 Einschub: Berechnung von |He ( f )|2 =  G  k( f )

Zur Berechnung der Rauschleistung ist zunächst die relevante Übertragungsfunktion aus der Laplace- in die Fourierdarstellung zu überführen ( p → f ): Es gilt p = σ +jω und für σ = 0 erhält man p = jω bzw. p = j2π f und damit den Übergang von der Frequenzvariable p zur Frequenzvariable f (s. auch Kap. 1). Die für die Bewertung des Rauschsignals maßgebliche Übertragungsfunktion bestehend aus Entzerrer und Empfangstiefpass ist auf der Grundlage von (4.30) – mit Tk = 1/(2 π f k ) und Tg = 1/(2 π f g ) – 1 + j 22ππ ffk 1 + j ffk He ( f ) = 2  2 = 2  2 1 + j 22ππ ffg 1 + j ffg und ihr Betrag ist

 |He ( f )| = 2 

1+ 1+



f fk

(4.33)

2

 2

2 .

(4.34)

f fg

Das für die Berechnung des Integrals notwendige Betragsquadrat dieser Übertragungsfunktion erhält man über die Zwischenschritte

326

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

|He ( f )|2 = 22 

1+ 1+



f fk

2

f k2 f k2

 2 2 = 4  f 2 f fg

g f g2

zu |He ( f )|2 = 4

+

f2 f k2

+

f2 f g2

2 = 4

 f k2 + f 2  2 f g2 + f 2

1 f k2 1 f g4



f g4 ( f k2 + f 2 )  2 . f k2 f g2 + f 2

(4.35)

(4.36)

Einschub: Ausführung der Integration

   G e ( f ) 2 Mit dem zuvor berechneten Betragsquadrat  G  kann man nun die Integration k( f ) UR2

= 0 · 4 ·

f g4

+∞

f k2 −∞

⎡ =

f g4 4 0 2 fk

⎢ 2 ⎣ fk



f k2 + f 2 2 d f f g2 + f 2

+∞ 

−∞

(4.37) ⎤

+∞

1 f g2 + f 2

2 d f +



−∞

f2 f g2 + f 2

⎥ 2 d f ⎦

ausführen. Das erste Integral wird unter Zuhilfenahme von  1 x x 1 arctan + C +  2 dx = 2 (a 2 + x 2 ) 3 2 2 2 a 2 a a a +x

(4.38)

(4.39)

aus der Integraltabelle (s. Anhang F.2) bzw. [11, 74] als +∞  −∞

1 f g2 + f 2

 2 d f =

f

f 1 arctan + 2 f g2 ( f g2 + f 2 ) 2 f g3 fg







+∞ −∞

 1  π 1 π − 0+ − = 0+ 2 f g3 2 2 f g3 2 π π π + = = 4 f g3 4 f g3 2 f g3

(4.40)

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

327

berechnet. Für die Berechnung des zweiten Integrals benutzt man 

x2 x 1 x + arctan + C  2 dx = − 2 2 2 (a + x ) 2 a a a2 + x 2

(4.41)

aus Anhang F.2 bzw. [11, 74] und erhält +∞ −∞

⎤+∞ f 1 + arctan ⎦  2 d f = ⎣−  2 fg fg 2 f g2 + f 2 f g2 + f 2 −∞       1 π 1 π − 0+ − = 0+ 2 fg 2 2 fg 2 1 π π 1 π . + = = 2 fg 2 2 fg 2 2 fg ⎡

f2

f

Fasst man beide Ergebnisse zusammen, ergibt sich für die Rauschleistung     3 f g4 π π π fg 2 2 π U R = 4 0 2 f k + fg + = 4 0 2 f g3 2 fg 2 2 f k2 fk     f g3 f g3 π f g + 2 = 2π 0 f g + 2 . UR2 = 4 0 2 fk fk

(4.42)

(4.43) (4.44)

Als Rauschleistung am Erkennungspunkt erhält man in kompakter Form insgesamt   f g3 2 (4.45) UR = 2π 0 f g + 2 . fk In Abb. 4.18 ist die Rauschleistung als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g dargestellt: Die Rauschleistung hängt von der dritten Potenz dieser Grenzfrequenz ab und steigt damit sehr stark und unbeschränkt bei steigender Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters an. Außerdem ist die Rauschleistung eine Funktion der Kabelgrenzfrequenz f k : Bei kleiner werdender Kabelgrenzfrequenz f k und damit stärkerer Tiefpasswirkung des Kabels, ist eine stärkere Entzerrung auf der Empfangsseite erforderlich, um den verzerrenden Kabeleinfluss auf das Nutzsignal zu kompensieren. Dadurch wird eine stärkere Rauschanhebung (bzw. -verstärkung) bewirkt, so dass die Rauschleistung bei stärkerer zu entzerrender Tiefpasswirkung des Kabels zusätzlich steigt. Dies kommt in (4.45) dadurch zum Ausdruck, dass die Kabelgrenzfrequenz f k im Nenner steht und dadurch bei abnehmender Kabelgrenzfrequenz f k die Rauschleistung UR2 – bei sonst unveränderten Randbedingungen – steigt.

328

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb. 4.18 Rauschleistung am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

U2R

fg

0

4.4.5

Güte der Übertragung

Signal-Rausch-Verhältnis Zur Einschätzung der Qualität der untersuchten Signalübertragung müssen nun die Kenngrößen von Nutzsignal und Störung am Erkennungspunkt in einer geeigneten Größe zusammengefasst werden. Um die Güte der Übertragung zu bewerten, wird deshalb das Signal-RauschVerhältnis herangezogen, das entsprechend (2.60) aus der halben vertikalen Augenöffnung UA im optimalen Abtastzeitpunkt und der Rauschleistung UR2 gebildet wird (s. Kap. 2): =

UA2 UR2

.

(4.46)

Abb. 4.19 zeigt dieses Signal-Rausch-Verhältnis als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g . Es wird deutlich, dass für die Empfangsfiltergrenzfrequenz f g ein Optimum existiert, bei dem das Signal-Rausch-Verhältnis ein Maximum max aufweist: Bei sehr kleinen Empfangsfiltergrenzfrequenzen f g ist das Auge geschlossen und es ist daher keine zuverlässige Erkennung und Entscheidung über empfangene Bits möglich. Nachdem sich das Auge geöffnet hat, nimmt bei steigender Grenzfrequenz f g das Signal-Rausch-Verhältnis  zu, da

Abb. 4.19 Signal-RauschVerhältnis  am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g bei gegebenem (festem) f k

max

0 Auge geschlossen

fg opt

fg

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

329

sich die halbe vertikale Augenöffnung UA (s. Abb. 4.15) in diesem Bereich rasch vergrößert, das Rauschen in seiner Leistung UR2 aber noch verhältnismäßig klein bleibt (s. Abb. 4.18). Bei weiter zunehmender Empfangsfiltergrenzfrequenz f g wird ein Punkt erreicht, an dem sich die Anstiege UA2 und UR2 in Abhängigkeit von f g gerade ausgleichen: Hier erreicht das Signal-Rausch-Verhältnis seinen Maximalwert max , die Empfangsfiltergrenzfrequenz ist an dieser Stelle also – bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses unter den gegebenen Randbedingungen – optimal und wird deshalb als f g opt bezeichnet. Nach diesem Maximum nimmt das Signal-Rausch-Verhältnis bei weiter steigender Empfangsfiltergrenzfrequenz wieder ab, da die halbe vertikale Augenöffnung einem Maximalwert zustrebt, der durch die halbe Sendestufenamplitude U0 /2 festgelegt ist, und das Rauschen nun überwiegt und weiter unbeschränkt steigt. Die optimale Grenzfrequenz kann man aus der grafischen Darstellung in Abb. 4.19 ablesen oder numerisch bestimmen. Es ist interessant, dass die optimale Grenzfrequenz zu einer Augenöffnung führt, die nicht maximal ist – durch den Einfluss des Rauschens ist es für die Zuverlässigkeit und damit die Güte der Übertragung im Allgemeinen günstiger, bei einer kleineren – als der maximalen – Augenöffnung zu arbeiten und bei einer dann ebenfalls kleineren Rauschleistung, um ein maximales Signal-Rausch-Verhältnis – und somit die bestmögliche Güte der Übertragung unter den gegebenen Randbedingungen – zu erzielen.

Bitfehlerwahrscheinlichkeit Entscheidend für die Güte einer Übertragung einer in Bits codierten Information über einen Kanal und damit für die Güte einer digitalen Signalübertragung ist es, wie viele von den auf der Empfangsseite eintreffenden Bits richtig detektiert und wieviele falsch erkannt werden. Ein Maß dafür ist die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf – sie ist damit das für die Qualität einer digitalen Informations- bzw. Signalübertragung maßgebliche Gütekriterium. Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit kann direkt nach (2.80) (s. Kap. 2) aus dem Signal-Rausch-Verhältnis  berechnet werden – hier für die untersuchte zweistufige Übertragung:      1 1   1 − erf = erfc . (4.47) Pf = 2 2 2 2 Abb. 4.20 zeigt die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf in Abhängigkeit von der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g bei logarithmischer Teilung der vertikalen Achse: Sie weist mit der gleichen Begründung ein Minimum Pf min bei der optimalen Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt auf, wie sie im vorhergehenden Abschnitt für das Auftreten eines Maximums beim Signal-Rausch-Verhältnis gegeben wurde. Die Optimierung der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g kann also bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses  oder bezüglich einer minimalen Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf geschehen: Beide Vorgehensweisen sind gleichwertig und führen zur selben optimalen Grenzfrequenz f g opt , da zwischen dem Signal-Rausch-Verhältnis und der

330

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb.4.20 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g (logarithmische Teilung der vertikalen Achse) bei gegebenem (festem) f k

Pf 0,5 Auge geschlossen

Pf min 0

fg opt

fg

Bitfehlerwahrscheinlichkeit über die Gauß’sche Fehlerfunktion erf(x) ein monotoner Zusammenhang besteht (s. Anhang E und z. B. [11]). In der Praxis kann deshalb oft auf der Grundlage des Signal-Rausch-Verhältnisses gearbeitet werden, da dieses mathematisch einfacher handhabbar ist und der zusätzliche Rechenschritt mit den prinzipiell nur numerisch auswertbaren und damit rechenaufwändigen Funktion erf(x) bzw. erfc(x) entfällt.

4.4.6

Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung bei Kabel mit einem Pol

Einleitung und Aufgabenstellung Mit Hilfe eines numerischen Beispiels wird nun die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellte Vorgehensweise bei der Optimierung eines Basisbandübertragungssystems, das über ein Kupferkabel bei rationaler Approximation der Übertragungsfunktionen betrieben wird, anhand einer konkreten Aufgabenstellung illustriert. Das betrachtete Übertragungssystem ist in Abb. 4.21 dargestellt. Der Sender eines Basisbandübertragungssystems sendet eine unipolare Zufallsfolge rechteckförmiger NRZ-Impulse mit der Amplitude U0 und der Impulsbreite Ts . Es wird vorausgesetzt, dass die Übertragungsfunktion des Kabels mit einem Pol entsprechend (4.8) hinreichend genau approximiert werden kann. Die Störung wird als weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der spektralen Leistungsdichte 0 modelliert. Der Kabeleinfluss auf das Nutzsignal wird durch eine Nullstelle bei der Frequenz des Kabelpols vollständig linear kompensiert. Das Empfangsfilter ist ein Tiefpass zweiter Ordnung (n = 2) mit doppeltreellem Pol bei der Grenzfrequenz f g . Dies entspricht dem Übertragungssystem, das in den vorhergehenden Abschnitten untersucht wurde. Zu berechnen ist die erzielbare Güte der Übertragung, d. h., das Signal-Rausch-Verhältnis und die Bitfehlerwahrscheinlichkeit. Dazu sind die einzelnen notwendigen Größen zu berechnen und gegebenenfalls zu optimieren.

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

331

1 Gk (f) Ge (f)

Gk (f) Ψ0

Abb. 4.21 Übertragungssystem für das numerische Beispiel bei unipolarer, binärer Basisbandübertragung über ein Kabel mit linearer Entzerrung

Gegebene Werte Es sind die folgenden numerischen Werte gegeben: • Signal: Mittlere Sendeleistung Ps = 1 V2 , Impulsdauer Ts = 1 μs, unipolare Übertragung, 2 • Störung: Spektrale Leistungsdichte 0 = 5 · 10−10 V Hz , • Kabel: Kabelkennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 , Kabellänge  = 2 km.

Vorgehen und Ergebnisse Aus der vorgegebenen mittleren Sendeleistung Ps ist zunächst mit Hilfe von (2.7) die Sendeamplitude über U2 (4.48) Ps = 0 =⇒ U0 = 2 Ps 2 √ zu berechnen. Man erhält für Ps = 1 V2 die Sendeamplitude U0 = 2 V ≈ 1,414 V. Mit Hilfe von (4.8) wird die Frequenz des Kabelpols als f k = 109,8 kHz berechnet. Die Nullstelle des Entzerrers liegt damit ebenfalls fest: Sie befindet sich an der Stelle des Kabelpols. Abb. 4.22 zeigt den Amplitudengang der für das Beispiel vorausgesetzten Kabelübertragungsfunktion: Es wird das Tiefpassverhalten des Kabels deutlich und die Grenzfrequenz f k ist erkennbar. In Abb. 4.23 ist der Amplitudengang des Entzerrer-Empfangsfilters dargestellt: Die Nullstelle bei der Frequenz f k steht fest; da die Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters noch zu bestimmen ist, sind Amplitudengänge mit verschiedenen Grenzfrequenzen f g des Tiefpasses zweiter Ordnung dargestellt, um den Einfluss der Empfangsfiltergrenzfrequenz in diesem Diagramm zu illustrieren. Das Empfangsfilter ist in seiner Struktur als Tiefpass zweiter Ordnung mit doppeltreellem Pol vorgegeben, jedoch ist seine Grenzfrequenz f g frei wählbar und damit

Abb. 4.22 Amplitudengang der mit einem Pol approximierten Kabelübertragungsfunktion G k ( f ) (Parameter: Kabelkennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 , Länge  = 2 km)

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal 0

20 lg|Gk (f)| (in dB) →

332

-10 -20 -30 -40 0 1 2 3 10 10 10 10

10

4

10

5

10

6

10

7

f (in Hz) → 40

20 lg|G(f)| (in dB) →

Abb. 4.23 Amplitudengang des Entzerrer-Empfangsfilters He ( f ) mit einer Entzerrer-Nullstelle und verschiedenen Grenzfrequenzen f g des Empfangsfilters

30

1/Gk (f) He (f) mit fg = 0,4 MHz He (f) mit fg = 1,0 MHz He (f) mit fg = 2,5 MHz

20 10 0 100

101

102

103

104

105

106

107

f (in Hz) →

optimierbar. Es werden deshalb die halbe vertikale Augenöffnung nach (4.29) und die Rauschleistung nach (4.45) als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz ermittelt. In Abb. 4.24 sind die halbe vertikale Augenöffnung und in Abb. 4.25 die Rauschleistung am Erkennungspunkt, jeweils als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g dargestellt. Es sind die typischen Verläufe erkennbar: Die halbe vertikale Augenöffnung ist – bei geschlossenem Auge – zunächst Null und strebt für steigende Empfangsfiltergrenzfrequenz einem √ durch die Sendeamplitude vorgegebenen Maximum von U0 /2 = 1/ 2 V ≈ 0,707 V zu, während die Rauschleistung mit zunehmender Empfangsfiltergrenzfrequenz unbeschränkt steigt. Werden nun nach (4.46) das Signal-Rausch-Verhältnis und nach (4.47) die Bitfehlerwahrscheinlichkeit, ebenfalls als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g berechnet und in Abb. 4.26 und 4.27 dargestellt, ist es möglich, die optimale Grenzfrequenz des Empfangsfilters zu bestimmen. Man liest sie aus einem der Diagramme dort ab, wo das Signal-Rausch-Verhältnis maximal wird – oder die Bitfehlerwahrscheinlichkeit minimal – und erhält f g opt = 453 kHz.

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

Abb. 4.24 Halbe vertikale Augenöffnung UA als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

333

1 0.8

UA (in V) →

4.4

0.6 0.4 0.2 0

0.5

1

1.5

2

1.5

2

1.5

2

fg (in MHz) → 2

U2R (in V2 ) →

Abb. 4.25 Rauschleistung UR2 als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

1.5 1 0.5 0

0.5

1

fg (in MHz) → Abb. 4.26 Signal-RauschVerhältnis  als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz fg

10



8 6 4 2 0

0.5

1

fg (in MHz) →

334

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb.4.27 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pf als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g

10

0

-1

10

-2

10

-3

Pf →

10

0.5

1

1.5

2

fg (in MHz) →

Numerische Ergebnisse bei optimiertem Übertragungssystem Hat man die optimale Grenzfrequenz f g opt des Empfangsfilters bestimmt, lassen sich damit alle anderen Werte für Signal und Störung am Erkennungspunkt ermitteln und die Güte der Übertragung bei optimiertem Übertragungssystem angeben. Die einzelnen Beziehungen, die als Funktionen der Grenzfrequenz f g des Empfangsfilters bzw. seiner Zeitkonstante Tg formuliert worden sind, werden jeweils an der Stelle f g = f g opt ausgewertet. Die numerischen Ergebnisse sind in Tab. 4.1 zusammengestellt. ∗ = Das maximal erzielbare Signal-Rausch-Verhältnis ist max = 6,58 bzw. max 10 lg max = 8,18 dB; es führt zu einer Bitfehlerwahrscheinlichkeit von Pf min = 5,2 · 10−3 .

Tab. 4.1 Vorgabewerte und numerische Ergebnisse für das linear entzerrte Kabelübertragungssystem mit unipolaren NRZ-Rechteckimpulsen bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt des Tiefpassfilters zweiter Ordnung Größe

Numerischer Wert

Mittlere Sendeleistung Sendeamplitude Rauschleistungsdichte Impulsdauer (Bit- bzw. Symboldauer)

Ps = 1 V2 U0 = 1,414 V 0 = 5 · 10−10 V2 /Hz Ts = 1 μs

Optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz

f g opt = 453 kHz

Optimaler Abtastzeitpunkt Halbe vertikale Augenöffnung Rauschleistung Signal-Rausch-Verhältnis Bitfehlerwahrscheinlichkeit

TA = 1,061 μs UA = 0,411 V UR2 = 0,026 V2 max = 6,58 Pf min = 5,2 · 10−3

4.4

Anwendungsbeispiel: Rationales linear entzerrtes Kabelübertragungssystem

335

Die optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt liegt etwas unterhalb der halben Bitfolgefrequenz bzw. Bitrate f B = 1/Ts . Dadurch weist die halbe vertikale Augenöffnung UA einen Wert auf, der vergleichsweise weit entfernt von der maximalen halben vertikalen Augenöffnung U0 /2 ist: Diese maximale halbe vertikale Augenöffnung würde bei (sehr) großer Empfangsfiltergrenzfrequenz f g erreicht. Dies würde wiederum eine gegenüber f g opt (starke) Vergrößerung der Rauschleistung bewirken. Alle diese Faktoren gemeinsam führen auf die optimale Grenzfrequenz in der Größe, die ihre Optimierung bezüglich eines maximalen Signal-Rausch-Verhältnisses bzw. bezüglich einer minimalen Bitfehlerwahrscheinlichkeit ergibt. Der optimale Abtastzeitpunkt TA ist der Zeitpunkt, an dem das Empfangssignal am Erkennungspunkt im Symboltakt Ts abgetastet wird. Es ist interessant, dass TA bei dieser Art der Empfangsfilterung bei Zeiten TA > Ts und damit nicht innerhalb der Dauer Ts des betrachteten rechteckförmigen Sendeimpulses liegt. Außerdem hängt der optimale Abtastzeitpunkt TA nach (4.26) ebenfalls von der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g ab.

Einige Diagramme bei optimiertem Übertragungssystem In diesem Abschnitt sollen einige grafische Darstellungen illustrieren, wie einige Zeit- und Spektralfunktionen bei optimiertem Übertragungssystem aussehen. Abb. 4.28 zeigt den Amplitudenfrequenzgang des Entzerrer-Empfangsfilters He ( f ) und Abb. 4.29 das Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt – jeweils für den Fall der optimierten Grenzfrequenz des Empfangstiefpasses ( f g opt = 453 kHz). Es ist erkennbar, dass das Auge nur moderat geöffnet ist, da die Bandbegrenzung des Empfangsfilters relativ früh einsetzt und so das optimierte Übertragungssystem das Rauschen in seiner Leistung empfangsseitig verhältnismäßig gut begrenzt.

30

20 lg|G(f)| (in dB) →

Abb. 4.28 Amplitudengang des Entzerrer-Empfangsfilters bei optimaler Grenzfrequenz f g opt des Empfangsfilters

20

1/Gk (f) He (f) mit fg opt = 453 kHz

10 0 -10 0 1 2 3 10 10 10 10

10

4

f (in Hz) →

10

5

10

6

10

7

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb. 4.29 Augendiagramm des Nutzsignals am Erkennungspunkt bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt

1,414

u(t) (in V) →

336

0 0

4.5

t/Ts →

2

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

Es wurde das Anwendungsbeispiel mit der rationalen Approximation der Kabelübertragungsfunktion mit einem Pol, linearer Entzerrung und einem rationalen Empfangstiefpass bei unipolarer, zweistufiger Übertragung einer NRZ-Rechteckimpulsfolge über dieses System ausführlich behandelt, um die nachrichtentechnischen Zusammenhänge und Möglichkeiten bei der Optimierung derartiger Systeme zu verdeutlichen. In der modernen nachrichtentechnischen Praxis werden, ermöglicht und unterstützt durch die weitgehend rechnergestützte digitale Signalverarbeitung, weitere Impulsformungs- und Filterfunktionen angewendet, die günstige übertragungstechnische Eigenschaften aufweisen. Zudem kann es vorteilhaft sein, eine mehrstufige Übertragung bzw. Pulsamplitudenmodulation zu verwenden. Diese Möglichkeiten sollen hier mit Bezug auf Kap. 2 auf die leitungsgebundene Basisbandübertragung angewendet werden. Zwei wichtige Beispiele sollen mit der zuvor beschriebenen Vorgehensweise behandelt und auf vergleichbare Weise untersucht werden: • Ein linear entzerrtes Kabelübertragungssystem mit NRZ-Rechteck-Sendesignal und Gauß-Tiefpass nach (2.85) als Empfangsfilter (s. Kap. 2): Ein Gauß-Filter ist ein im Frequenzbereich maximal steiles Filter, das zu Impulsen ohne Überschwingen im Zeitbereich führt. Zudem lässt es sich, wie zuvor beschrieben, als Grenzfall des rationalen RC-Filters n-ter Ordnung mit n → ∞ auffassen und führt daher zu einem Grenzfall des zuvor ausführlich untersuchten Übertragungssystems. • Ein linear entzerrtes Kabelübertragungssystem mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter nach (2.107) und (2.104) (s. Kap. 2): Ein solches Basisbandübertragungssystem ist ein Nyquist-1-System, s. Kap. 2, und damit zu den Abtastzeitpunkten frei von Intersymbolstörungen. Zudem verfügt es über eine steile Bandbegrenzung, die sich als günstig für die Beschränkung der Rauschleistung erweist.

4.5

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

uq (t)

Gs (f)

us (t)

337

1 Gk (f) Ge (f)

Gk (f)

ue (t)

Ψ0 n(t) Abb. 4.30 Kabelübertragungssystem mit Sende- und Empfangsfilter, Kanal und linearer Entzerrung

Als Sendesignal wird ein bipolares Signal mit der Stufenzahl s entsprechend Kap. 2 vorausgesetzt.4 Der Fall s-stufiger Übertragung gestattet eine allgemeine Darstellung und enthält den Spezialfall s = 2. Es wird mit der Übertragungsfunktion (3.145) des Kabels gearbeitet, da die beiden nun verwendeten Empfangsfilterfunktionen (Gauß-Tiefpass und Wurzel-Kosinus-Roll-OffTiefpass) steiler abfallen, als die Inverse dieser Kabelübertragungsfunktion (3.145) mit zunehmender Frequenz steigt. Abb. 4.30 zeigt das Blockschaltbild des Übertragungssystems, das um die Übertragungsfunktion G s ( f ) des Sendefilters für eine allgemeine und einheitliche Beschreibung erweitert wurde, die auch in Kap. 2 eingeführt und verwendet wurde.

4.5.1

Basisbandübertragung bei NRZ-Sendesignal und Gauß-Empfangsfilter

Betrachtet wird ein s-stufiges, bipolares Basisband-Übertragungssystem mit empfangsseitiger linearer Entzerrung des Kabeleinflusses. Das zugehörige Blockschaltbild zeigt Abb. 4.30. Der Sender emittiert eine zufällige Folge von NRZ-Rechteck-Impulsen mit den gleichverteilten Amplituden ± Us , ± 3 Us , . . . , ± (s − 1) Us (s. Abb. 4.31). Jeder der NRZ-RechteckImpulse weist die Dauer Ts auf. Die Bitfolgefrequenz beträgt dann f B = ld(s)/Ts [34]. Dies kann äquivalent durch eine Dirac-Quelle u q (t) = Us Ts

+∞ !

a[k] · δ(t − k Ts )

(4.49)

k=−∞

4 Der zuvor untersuchte Anwendungsfall repräsentierte ein spezielles Beispiel für die Stufenzahl s =

2 und unipolare Übertragung im Sinne und in Fortführung des in Kap. 2 betrachteten Grundmodells der Nachrichtenübertragung im Basisband, um die Grundlagen ausführlich und verständlich untersuchen und darstellen zu können.

338

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb. 4.31 Signalraumdiagramm bei s-stufiger, bipolarer Basisbandübertragung

mit den s-stufigen Quellensymbolen a[k] und der halben Sendestufenamplitude Us ein nachfolgendes Sendefilter (4.50) G s ( f ) = si(π f Ts ) beschrieben werden (s. Kap. 2). An das Gauß-Empfangstiefpassfilter entsprechend (2.85) bzw. (4.3) schließt sich eine Schwellwerterkennung an.

Weg und Bewertung des Nutzsignals Für das durch die Sendefilterung mit der Übertragungsfunktion G s ( f ) erzeugte NRZSendesignal verbleibt in Anlehnung an Abb. 4.4 bei der vorausgesetzten kompletten linearen Entzerrung des Kabeleinflusses nur das Empfangsfilter G e ( f ) als Element, das das Sendesignal verformt. Am Empfangsfilterausgang liegt nach (2.89) der Empfangsgrundimpuls (Nutzsignal) als Antwort des Gauß-Tiefpasses auf einen Rechteckimpuls der Amplitude Us und der Dauer Ts        Us Ts Ts π fG π fG xe (t) = t+ t− erf √ − erf √ (4.51) 2 2 2 ln(2) ln(2) vor, s. Kap. 2 und z. B. [63]. Für den Fall der hier betrachteten NRZ-Impuls-Aussendung ergibt sich nach (2.207) die halbe vertikale Augenöffnung für allgemein s-stufige Übertragung zu      π fG Ts − (s − 1) . (4.52) UA = Us s · erf √ ln(2) 2 Die halbe vertikale Augenöffnung als Maß für die Güte der Übertragung der Nutzsignalkomponente hängt wieder von der Grenzfrequenz f G des Empfangsfilters ab. Die halbe Sendestufenamplitude Us bei s-stufiger Übertragung kann entweder direkt vorgegeben sein oder über eine Amplituden- oder Leistungsbegrenzung des Senders implizit.

Weg und Bewertung der Störung Die Störung erfährt auf dem Weg bis zum Erkennungspunkt eine Bewertung durch das Entzerrer-Empfangsfilter (vergl. Abb. 4.5) und man erhält über UR2

 +∞ +∞  G e ( f ) 2 |G e ( f )|2  d f = 0  = 0 df G ( f ) |G k ( f )|2 k −∞

−∞

(4.53)

4.5

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

339

mit (4.3) und (3.145)   2 2   −ln(2)· fGf   2  +∞ e +∞ −2 ln(2)· fGf  e " df. UR2 = 0  " f 2 d f = 0  − j  −l 2f f 0 f   e 0 −∞ −∞ e 

(4.54)

Da sich das Integral in (4.54) nicht elementar lösen lässt, wird bei Rechnungen auf numerische Integrationsmethoden zurückgegriffen, um Ergebnisse zu erzielen.

Einschub: Betrag der Kabelübertragungsfunktion

Der absolute Betrag der Übertragungsfunktion Gk( f ) = e

" −l j

f f0

(4.55)

des Kabels kann als  " f   −l j  f0  |G k ( f )| = e   √" f   −l j  f0  |G k ( f )| = e  geschrieben werden. Dazu ist es zunächst erforderlich, die Quadratwurzel auszurechnen. Man kann π

j = ej 2 j =e

j π4

j = cos formulieren, wobei

π 

(4.57) √ j explizit

(4.58)

π  4

+ j sin

π 

π 

4

1 =√ 4 4 2 gilt. Damit erhält man als Ergebnis dieser Zwischenrechnung sin

(4.56)

= cos

1 1 j = √ + j√ , 2 2

(4.59) (4.60)

(4.61)

(4.62)

340

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

das in (4.57) eingesetzt auf   "  f   −l √1 +j √1 f0   2 2 |G k ( f )| = e  "   "   f f   −l √1   √1 f 0   −j l 2 f0   2 e |G k ( f )| = e ·    # $% &

(4.63) (4.64)

=1

"  "  " f f 1  −l √1 f  e 2 f0  = e−l √2 f0 = e−l 2 f0  

führt. Da

"    −j l √1 f  f0  e 2 =1 

und

(4.65)

(4.66)

gelten, erhält man als Ergebnis für den Betrag der Kabelübertragungsfunktion |G k ( f )| = e

−l

"

f 2 f0

(4.67)

und für das Quadrat dieses Betrages der Kabelübertragungsfunktion ergibt sich " √ √ "  " f 2 2· 2 − √ ·l ff −l 2 f −2·l 2 ff 2 0 0 0 = e |G k ( f )| = e =e 2

und damit im Ergebnis |G k ( f )|2 = e

−l

"

2f f0

.

(4.68)

(4.69)

Güte der Übertragung Die Güte bzw. Qualität der Übertragung wird mit Hilfe des Signal-Rausch-Verhältnisses und der daraus resultierenden Bitfehlerwahrscheinlichkeit bewertet. Signal-Rausch-Verhältnis Sowohl Augenöffnung als auch Rauschleistung und damit das Signal-Rausch-Verhältnis  = UA2 /UR2 sind Funktionen der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G . Es ist also wieder eine Optimierung der Empfangsfiltergrenzfrequenz so möglich und notwendig, dass ein unter den gegebenen Randbedingungen maximales Signal-RauschVerhältnis erzielt wird. Bitfehlerwahrscheinlichkeit Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit erhält man nach (2.240), Herleitung in Kap. 2, über die Beziehung     s−1 1 − erf . (4.70) Pb = s ld(s) 2

4.5

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

341

Sie weist bei der optimalen Empfangsfiltergrenzfrequenz ein Minimum auf, also dort, wo das Signal-Rausch-Verhältnis maximal ist.

Numerisches Beispiel Es sind beispielhaft die folgenden numerischen Werte gegeben: • • • •

Signal: Sendeleistung Ps = 1 V2 , Bitrate f B = 1 MHz, bipolare Übertragung, 2 Störung: Spektrale Leistungsdichte 0 = 5 · 10−10 V Hz , Stufenzahl: Zunächst s = 2, später variable Stufenzahl s, Kabel: f 0 = 0,178 MHz · km2 ,  = 2 km.

Vorgehen und Ergebnisse Aus der vorgegebenen mittleren Sendeleistung (2.230) wird zunächst die halbe Sendestufenamplitude über   Us  2 3 Ps Ps = =⇒ Us = s −1 (4.71) 3 s2 − 1 berechnet. Man erhält für Ps = 1 V2 und s = 2 die halbe Sendestufenamplitude Us = 1 V. Das Empfangsfilter ist wieder (wie in Kap. 2) in seiner Struktur als Gauß-Tiefpass vorgegeben, jedoch ist seine Grenzfrequenz f G frei wählbar und damit optimierbar. Es werden deshalb die halbe vertikale Augenöffnung nach (4.52) und die Rauschleistung nach (4.54) als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz ermittelt. In Abb. 4.32 ist die halbe vertikale Augenöffnung UA bei den gegebenen numerischen Werten als Funktion der Grenzfrequenz f G des Empfangsfilters dargestellt. Nachdem sich das Auge geöffnet hat, steigt sie mit zunehmender Grenzfrequenz an und strebt als Maximalwert der halben Sendestufenamplitude Us zu. Abb. 4.33 zeigt die Rauschleistung UR2 als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G : Sie steigt mit zunehmender Empfangsfiltergrenzfrequenz unbeschränkt.

1

UA (in V) →

Abb. 4.32 Halbe vertikale Augenöffnung UA als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G

0.8 0.6 0.4 0.2 0

0

0.5

1

fG (in MHz) →

1.5

2

Abb. 4.33 Rauschleistung UR2 als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal 5 4

U2R (in V2 ) →

342

3 2 1 0

0

0.5

1

1.5

2

1.5

2

fG (in MHz) → Abb. 4.34 Signal-RauschVerhältnis  als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz fG

30



20

10

0

0

0.5

1

fG (in MHz) →

In Abb. 4.34 ist das Signal-Rausch-Verhältnis  als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g dargestellt: Es existiert wieder ein Maximum max bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt , bei der die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb = Pf ein Minimum aufweist (s. Abb. 4.35). Numerische Ergebnisse bei optimiertem Übertragungssystem Ist die optimale Grenzfrequenz f G opt des Empfangsfilters ermittelt, lassen sich damit alle anderen Werte für Signal und Störung am Erkennungspunkt ermitteln und die Güte der Übertragung bei optimiertem Übertragungssystem angeben. Die einzelnen Beziehungen, die als Funktionen der Grenzfrequenz f G des Empfangsfilters formuliert worden sind, werden jeweils an der Stelle f G = f G opt ausgewertet. Die numerischen Ergebnisse sind in Tab. 4.2 zusammengestellt. Bei der nun optimalen Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt = 467 kHz kann ein maxima∗ = 10 lg max = 13,79 dB erzielt les Signal-Rausch-Verhältnis von max = 23,93 bzw. max werden und dies führt auf eine minimale Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb min = 5,01 · 10−7 (für den Fall s = 2).

4.5

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

Abb.4.35 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz fG

343

Pb →

10

0

10

-2

10

-4

10

-6

0

0.5

1

1.5

2

fG (in MHz) → Tab. 4.2 Vorgabewerte und numerische Ergebnisse bei linear entzerrtem Kabelübertragungssystem mit bipolaren, zweistufigen NRZ-Rechteckimpulsen bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt des Gauß-Tiefpassfilters Größe

Numerischer Wert

Mittlere Sendeleistung Stufenzahl Halbe Sendestufenamplitude Rauschleistungsdichte Impulsdauer (Symboldauer)

Ps = 1 V2 s=2 Us = 1 V 0 = 5 · 10−10 V2 /Hz Ts = 1 μs

Optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz

f G opt = 467 kHz

Halbe vertikale Augenöffnung Rauschleistung Signal-Rausch-Verhältnis Bitfehlerwahrscheinlichkeit

UA = 0,575 V UR2 = 0,014 V2 max = 23,93 Pb min = 5,01 · 10−7

Gegenüber dem zuvor untersuchten numerischen Beispiel mit unipolarer, zweistufiger Übertragung ist eine Verbesserung der Übertragungsgüte erkennbar, die vor allem durch die bessere Ausnutzung der gegebenen Sendeleistung bei bipolarer Übertragung und das verbesserte Empfangsfilter bewirkt wird. Einfluss der Stufenzahl Ist im Sender der maximale Aussteuerbereich oder die mittlere Sendeleistung begrenzt und damit vorgegeben, verringert sich bei steigender Stufenzahl s die halbe Stufenamplitude Us : Man erhält (s − 1) Augenöffnungen, die mit steigender Stufenzahl s kleiner werden (s. z. B. Abb. 2.70).

344

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Um den Einfluss steigender Stufenzahlen s zu illustrieren, wird das numerische Beispiel nun so erweitert, dass bei sonst gleichen Vorgaben bezüglich Signal und Störung verschiedene Stufenzahlen zugelassen und betrachtet werden. Es sind dann bei gleicher vorgegebener Bitrate f B und mittlerer Sendeleistung Ps die jeweiligen halben Sendestufenamplituden Us nach (4.71) und Taktfrequenzen f T nach (2.195) zu berechnen und damit die zuvor für s = 2 ausführlich beschriebenen Berechnungen von Augenöffnung UA , Rauschleistung UR2 , Signal-Rausch-Verhältnis  und gegebenenfalls der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb auszuführen, wobei für jede Stufenzahl eine Optimierung der Empfangsfiltergrenzfrequenz f G durchzuführen ist. In Abb. 4.36 ist das jeweils bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f G opt erzielbare maximale Signal-Rausch-Verhältnis max als Funktion der Stufenzahl s – bei einer festen Bitfolgefrequenz von f B = 1 MHz und unter sonst gleichen Randbedingungen – dargestellt, um die erreichbare Übertragungsgüte auszuweisen. Der Verlauf ähnelt zunächst dem für einen AWGN-Kanal erzielten (Abb. 2.106): Mit zunehmender Stufenzahl s nimmt das erreichbare Signal-Rausch-Verhältnis max ab. Wird die Bitrate erhöht, z. B. auf f B = 2 MHz, wird die Bandbegrenzung des Übertragungskanals stärker wirksam und die Entzerrung führt deshalb zu einer stärkeren Rauschanhebung: In Abb. 4.37 wird sichtbar, dass die größte Leistungsfähigkeit des Übertragungssystems nun bei einer Stufenzahl von s = 4 erreicht wird und dort das größte Signal-Rausch-Verhältnis max erzielbar ist – bei sinkendem Gesamtniveau des Signal-Rausch-Verhältnisses. Erhöht man die Bitrate unter sonst unveränderten Randbedingungen weiter, so bleiben diese Tendenzen erhalten: Die maximale Leistungsfähigkeit des Übertragungssystems – das größte Signal-Rausch-Verhältnis – verschiebt sich zu höheren Stufenzahlen hin, bei jeweils sinkendem Gesamtniveau des Signal-Rausch-Verhältnisses. 25



20

max

Abb. 4.36 Signal-RauschVerhältnis max als Funktion der Stufenzahl s bei bipolarer, mehrstufiger Basisbandübertragung mit NRZ-Sendeimpulsen und Gauß-Empfangsfilterung über linear entzerrtes Kabel ( f B = 1 MHz)

15 10 5 0

2 4

8

16

s→

32

4.5

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

Abb. 4.37 Signal-RauschVerhältnis max als Funktion der Stufenzahl s bei bipolarer, mehrstufiger Basisbandübertragung mit NRZ-Sendeimpulsen und Gauß-Empfangsfilterung über linear entzerrtes Kabel ( f B = 2 MHz)

345 2.5

1.5

max



2

1 0.5 0

2 4

8

16

32

s→

4.5.2

Basisbandübertragung bei Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter

Wie zuvor wird eine s-stufige, bipolare Basisbandübertragung über das linear entzerrte Kabelübertragungssystem untersucht (Blockschaltbild nach Abb. 4.30). Sende- und Empfangsfilter werden als Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filter (s. Kap. 2) mit dem Roll-Off-Faktor r gewählt, d. h. es gilt (mit (2.104)) Gs( f ) = Ge( f ) =

G N ( f ),

(4.72)

so dass über die Kaskade von Sende- und Empfangsfilter das erste Nyquist-Kriterium eingehalten wird. Da der Kabeleinfluss komplett linear entzerrt und damit kompensiert wird, gilt dies auch für das gesamte Übertragungssystems vom Eingang des Sendefilters bis zum Ausgang des Empfangsfilters.

Weg und Bewertung des Nutzsignals Das erste Nyquist-Kriterium wird eingehalten und das Nutzsignal ist damit am Erkennungspunkt frei von Intersymbolstörungen. Die halbe vertikale Augenöffnung ist UA = Us .

(4.73)

Sie ist unabhängig vom Roll-Off-Faktor r . Die halbe Sendestufenamplitude Us kann wieder entweder direkt oder über eine Amplituden- oder Leistungsbegrenzung des Senders implizit gegeben sein.

Weg und Bewertung der Störung Die Störung wird durch das Entzerrer-Empfangsfilter bewertet und man erhält für die Rauschleistung

346

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

UR2

 +∞ +∞  G e ( f ) 2 |G e ( f )|2   = 0 df  G ( f )  d f = 0 |G k ( f )|2 k −∞

und UR2 = 0

−∞

f

T 2 2 (1+r ) G N ( f ) GN( f ) " df.  " f  2 d f = 0  − j  −l 2f f 0 f0  e e fT − 2 (1+r )  

+∞ √

(4.74)

−∞

(4.75)

Auf Grund des Einflusses des Kabels – über die bei größeren Frequenzen höhere Verstärkung durch den Entzerrer – auf die Rauschleistung ist die Rauschleistung nicht unabhängig vom Roll-Off-Faktor r , anders als bei nicht-verzerrendem Kanal (s. Kap. 2). Das Integral in (4.75) lässt sich allgemein nicht elementar lösen; bei Rechnungen wird deshalb auch hier auf numerische Integrationsmethoden zurückgegriffen.

Güte der Übertragung Die Güte bzw. Qualität der Übertragung wird wieder unter Verwendung des Signal-RauschVerhältnisses und der daraus resultierenden Bitfehlerwahrscheinlichkeit bewertet. Signal-Rausch-Verhältnis Das Signal-Rausch-Verhältnis  = UA2 /UR2 wird aus den zuvor erzielten Ergebnissen für die Bewertung von Nutzsignal und Störung gebildet. Es hängt zwar – über die Rauschleistung UR2 – vom Roll-Off-Faktor r ab, es ist jedoch keine Optimierung in dem Sinne wie zuvor für die Grenzfrequenz des Empfangsfilters möglich und notwendig, da die halbe vertikale Augenöffnung nicht vom Roll-Off-Faktor abhängt und die Rauschleistung mit zunehmendem Roll-Off-Faktor steigt. Es ist eine Frage der Realisierung und Implementierung auf der einen Seite und der belegten Bandbreite auf der anderen Seite, welcher Roll-Off-Faktor r gewählt wird. Da das Auge unabhängig von r vertikal immer voll geöffnet ist, ist es günstig, wegen der dann stärkeren Bandbegrenzung des Rauschens möglichst kleine Roll-Off-Faktoren zu wählen, jedoch wird bei sehr kleinem r die Erkennung nahezu unmöglich, da die horizontale Augenöffnung sehr klein wird und eine sehr genaue Abtastung realisiert werden muss. Aus diesen Gründen werden in praktischen Systemen oft Roll-Off-Faktoren im Bereich r = 0,3 . . . 0,5 gewählt. Die diskutierten Abhängigkeiten werden im nachfolgenden numerischen Beispiel illustriert. Bitfehlerwahrscheinlichkeit Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit ergibt sich aus dem berechneten Signal-Rausch-Verhältnis nach (4.70) bzw. (2.240).

Numerisches Beispiel Es sind für dieses Beispiel die folgenden numerischen Werte gegeben:

4.5

• • • •

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

347

Signal: Sendeleistung Ps = 1 V2 , Bitrate f B = 1 MHz, bipolare Übertragung, 2 Störung: Spektrale Leistungsdichte 0 = 5 · 10−10 V Hz , Stufenzahl: Zunächst s = 2, später variable Stufenzahl s, Kabel: f 0 = 0,178 MHz · km2 ,  = 2 km.

Vorgehen und Ergebnisse Aus der vorgegebenen mittleren Sendeleistung (2.230) wird zunächst wieder die halbe Sendestufenamplitude über   Us  2 3 Ps Ps = =⇒ Us = s −1 (4.76) 3 s2 − 1 berechnet. Man erhält für Ps = 1 V2 und s = 2 die halbe Sendestufenamplitude Us = 1 V. In Abb. 4.38 ist die halbe vertikale Augenöffnung UA bei den gegebenen numerischen Werten als Funktion des Roll-Off-Faktors r dargestellt. Das Gesamtsystem ist ein Nyquist1-System, und das Auge ist – unabhängig vom Roll-Off-Faktor r – vertikal vollständig geöffnet. Die halbe vertikale Augenöffnung ist konstant und entspricht der halben Sendestufenamplitude Us . Abb. 4.39 zeigt die Rauschleistung UR2 als Funktion des Roll-Off-Faktors r : Sie steigt mit zunehmendem Roll-Off-Faktor, da die Bandbreite des Empfangsfilters bei steigendem r vergrößert wird und so die bei höheren Frequenzen deutlichere Entzerrerverstärkung zu einer stärkeren Rauschanhebung führt. In Abb. 4.40 ist das Signal-Rausch-Verhältnis  als Funktion des Roll-Off-Faktors r dargestellt: Es existiert wieder ein Maximum max , allerdings nun bei dem kleinsten betrachteten Roll-Off-Faktor r ; eine Optimierung des Roll-Off-Faktors ist demnach nicht möglich. Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb weist dort ein Minimum auf (s. Abb. 4.41). Numerische Ergebnisse bei beispielhaftem Übertragungssystem Wird beispielsweise ein Roll-Off-Faktor von r = 0,5 als Kompromiss zwischen Leistungsfähigkeit (SignalRausch-Verhältnis bzw. Bitfehlerwahrscheinlichkeit) und Realisierbarkeit (horizontale Augenöffnung, Genauigkeit der Symboltaktabtastung) gewählt, kann ein Signal-Rausch-

Abb. 4.38 Halbe vertikale Augenöffnung UA als Funktion des Roll-Off-Faktors r

UA (in V) →

1.5

1

0.5

0

0

0.2

0.4

0.6

r→

0.8

1

Abb. 4.39 Rauschleistung UR2 als Funktion des Roll-Off-Faktors r

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal 0.04

U2R (in V2 ) →

348

0.03 0.02 0.01 0

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

0.8

1

0.8

1

r→ Abb. 4.40 Signal-RauschVerhältnis  als Funktion des Roll-Off-Faktors r

60



40

20

0

0

0.2

0.4

0.6

r→ Abb.4.41 Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb als Funktion des Roll-Off-Faktors r

Pb →

10

-8

10-10

10

-12

0

0.2

0.4

0.6

r→

4.5

Mehrstufige Basisbandübertragung über Kabel

349

Tab. 4.3 Vorgabewerte und numerische Ergebnisse bei linear entzerrtem Kabelübertragungssystem mit bipolarem, zweistufigem Sendesignal bei einem Roll-Off-Faktor von r = 0,5 der WurzelKosinus-Roll-Off-Sende- und Empfangs-Tiefpassfilter Größe

Numerischer Wert

Mittlere Sendeleistung Stufenzahl Halbe Sendestufenamplitude Rauschleistungsdichte Impulsdauer (Symboldauer) Roll-Off-Faktor

Ps = 1 V2 s=2 Us = 1 V 0 = 5 · 10−10 V2 /Hz Ts = 1 μs r = 0,5

Halbe vertikale Augenöffnung Rauschleistung Signal-Rausch-Verhältnis Bitfehlerwahrscheinlichkeit

UA = 1 V UR2 = 0,022 V2 max = 44,66 Pb min = 1,17 · 10−11

Verhältnis von  = 44,66 erzielt werden. Dies führt auf eine Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb = 1,17 · 10−11 . Die numerischen Ergebnisse sind in Tab. 4.3 zusammengestellt. Einfluss der Stufenzahl Ist im Sender der maximale Aussteuerbereich oder die mittlere Sendeleistung begrenzt und damit vorgegeben, verringert sich bei steigender Stufenzahl s die halbe Stufenamplitude Us : Man erhält (s − 1) Augenöffnungen, die mit steigender Stufenzahl s kleiner werden (s. z. B. Abb. 2.70). Um den Einfluss steigender Stufenzahlen s zu illustrieren, wird das numerische Beispiel nun wieder so erweitert, dass bei sonst gleichen Vorgaben bezüglich Signal und Störung verschiedene Stufenzahlen zugelassen und betrachtet werden. Es sind dann bei vorgegebener Bitrate f B und mittlerer Sendeleistung Ps die jeweiligen halben Sendestufenamplituden Us nach (4.76) und Taktfrequenzen f T nach (2.195) zu berechnen und damit die zuvor für s = 2 ausführlich beschriebenen Berechnungen von Augenöffnung UA , Rauschleistung UR2 , Signal-Rausch-Verhältnis  und gegebenenfalls der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb auszuführen. In Abb. 4.42 ist das jeweils bei einem Roll-Off-Faktor r = 0,5 erzielbare maximale Signal-Rausch-Verhältnis  als Funktion der Stufenzahl s – bei einer Bitrate von f B = 1 MHz und unter sonst gleichen Randbedingungen – dargestellt, um die erreichbare Übertragungsgüte zu erfassen. Das Signal-Rausch-Verhältnis zeigt nun – wegen der gegenüber dem zuvor diskutierten NRZ-Gauß-System größeren Augenöffnung – schon bei der Bitrate f B = 1 MHz ein Maximum bei einer Stufenzahl von s = 4 (Abb. 2.106); mit weiter zunehmender Stufenzahl s nimmt das erreichbare Signal-Rausch-Verhältnis  ab. Wird die Bitrate erhöht, z. B. auf f B = 2 MHz, wird die Bandbegrenzung des Übertragungskanals stärker wirksam und die Entzerrung führt daher wieder zu einer stärkeren Rauschanhebung: In Abb. 4.43 wird deutlich, dass die größte Leistungsfähigkeit des Über-

Abb. 4.42 Signal-RauschVerhältnis  als Funktion der Stufenzahl s bei bipolarer, mehrstufiger Basisbandübertragung mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter mit r = 0,5 über linear entzerrtes Kabel ( f B = 1 MHz)

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal 60

40



350

20

0

2 4

8

16

32

s→ 10 8



Abb. 4.43 Signal-RauschVerhältnis  als Funktion der Stufenzahl s bei bipolarer, mehrstufiger Basisbandübertragung mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangsfilter mit r = 0,5 über linear entzerrtes Kabel ( f B = 2 MHz)

6 4 2 0

2 4

8

16

32

s→

tragungssystems wieder bei einer Stufenzahl von s = 4 erreicht wird und dass dort das größte Signal-Rausch-Verhältnis  erzielt werden kann – bei wiederum sinkendem Gesamtniveau des Signal-Rausch-Verhältnisses. Erhöht man die Bitrate unter sonst unveränderten Randbedingungen weiter, so bleiben die Tendenzen wieder erhalten: Die maximale Leistungsfähigkeit des Übertragungssystems – das größte Signal-Rausch-Verhältnis – verschiebt sich zu höheren Stufenzahlen hin, bei jeweils sinkendem Gesamtniveau des Signal-RauschVerhältnisses. Es ist im Vergleich des Basisbandsystems mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Sende- und Empfangsfilterung mit dem System bei NRZ-Sendesignal und Gauß-Empfangsfilter festzustellen, dass ersteres eine deutlich größere Leistungsfähigkeit in Bezug auf SignalRausch-Verhältnis und damit erreichbarer Symbol- und Bitfehlerwahrscheinlichkeit aufweist, als letzteres. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das System mit WurzelKosinus-Roll-Off-Sende- und -Empfangs filterung das erste Nyquist-Kriterium einhält – bei außerdem solider Bandbegrenzung zur Beschränkung der Rauschleistung am Erkennungspunkt. Die Impulse weisen jedoch – im Gegensatz zum System mit NRZ-Sendesignal und

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

351

Gauß-Empfangsfilter – ein Überschwingen im Zeitbereich auf, so dass dies für die Auslegung von Sende- und Empfangselemente berücksichtigt werden muss.

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

4.6.1

Einführung

Soll eine digitale Informations- bzw. Signalübertragung über einen verzerrenden Übertragungskanal erfolgen, so sind die entstehenden Signalverzerrungen zu kompensieren, um ihre Auswirkungen auf die Übertragungsgüte zu minimieren. Dies ist unter anderem deswegen notwendig, um gegebene Ressourcen – wie z. B. die Bandbreite und die Sendeleistung – bestmöglich zu nutzen. Die Kompensation der Signalverzerrungen erfolgt mit Hilfe einer Einheit, die als Entzerrer bezeichnet wird. Dies wurde an einem Beispiel, dem analogen linearen Entzerrer, der in das Empfangsfilter integriert ist – dem sogenannten EntzerrerEmpfangsfilter –, in den vorhergehenden Abschnitten ausführlich betrachtet. Der Übertragungskanal Kupfer-Zweidrahtleitung ist frequenzabhängig und führt in Abhängigkeit von den spektralen Eigenschaften des Sendesignals zu Signalverzerrungen. Insbesondere bei hohen Datenübertragungsraten und hohen Übertragungsbandbreiten sind deshalb leistungsfähige Verfahren zur Entzerrung bzw. zur Signalrekonstruktion erforderlich. Es existieren neben der diskutierten analogen linearen Enzerrung weitere Möglichkeiten und leistungsfähige Ansätze zur Entzerrung, die den Einfluss des Kanals auf die Signalübertragung kompensieren und die insbesondere von den Möglichkeiten der digitalen Signalverarbeitung Gebrauch machen. Optimale Verfahren gewährleisten unter gegebenen Randbedingungen eine bestmögliche Übertragungsgüte. Diese Verfahren sind jedoch oftmals sehr komplex und der Aufwand bei ihrer Umsetzung beschränkt deshalb ihre praktischen Einsatzmöglichkeiten. Daher sind oft Entzerrverfahren von Interesse, die zwar nicht optimal arbeiten, aber bei typischerweise nur geringen Einbußen an Übertragungsgüte einen erheblich geringeren Implementierungsaufwand erfordern und auf diese Weise kostengünstiger einsetzbar sind. Dieser Abschnitt folgt in seiner Gliederung den Darstellungen in [2]. Er gibt mit Bezug auf die vorangegangenen Abschnitte dieses Kapitels einen Einblick in die Nutzung von Entzerrern zur Signalrekonstruktion mit dem Ziel einer zuverlässigen Symbolentscheidung und erweitert die Betrachtungen hin zu zeitdiskreten Entzerrerstrukturen und -verfahren für die Basisbandübertragung über Kupfer-Zweidrahtleitungen. Dazu wird zunächst das Symboltaktmodell des zu Grunde liegenden Übertragungssystems eingeführt. Danach werden optimale Verfahren angesprochen und es wird eine Einteilung der Entzerrverfahren angegeben. Anschließend werden einige wichtige lineare und nichtlineare Entzerrverfahren dargestellt und mit Beispielen unterlegt. Eine Diskussion rundet den Abschnitt zu den Entzerrverfahren ab, wobei die analoge lineare Entzerrung mit betrachtet wird, um den Bezug zu den vorangegangenen Abschnitten aufrecht zu erhalten.

352

ukr (t)

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Ge (f)

ˆa(k − k0 )

ue (t)

Abb. 4.44 Blockschaltbild des Empfängers mit zeitdiskreter Signalverarbeitung Abb. 4.45 Zeitdiskretes Modell des Basisbandübertragungssystems

w(k) uq (k)

4.6.2

H(z)

ue (k)

Symboltaktmodell des Basisbandübertragungssystems

Bei Empfängereingangsfiltern, die die Entzerrung mit enthalten – wie sie zuvor am Beispiel der analogen linearen Entzerrung diskutiert worden sind (Entzerrer-Empfangsfilter), kann die Erkennung unmittelbar nach der Symboltaktabtastung am Empfangsfilterausgang erfolgen. Werden dagegen signalangepasste Empfangsfilter (Matched Filter), die auf die Kaskade von Sendefilter und Übertragungskanal angepasst sind, oder Empfangsfilter mit Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Frequenzgang verwendet, sind die linearen Kanalverzerrungen durch eine separate Signalverarbeitung zu kompensieren, die vorteilhaft und aufwandsgünstig zeitdiskret am Empfangsfilterausgang vor der Erkennung realisiert werden kann. Der Empfänger ist dazu um die zeitdiskrete Signalverarbeitung zur Sequenzschätzung oder Entzerrung zu ergänzen (Abb. 4.44). Die im Folgenden betrachteten zeitdiskreten Entzerrverfahren verarbeiten die Symboltakt-Abtastwerte. Deshalb wird das Übertragungssystem im Symboltakt modelliert (Abb. 4.45). Die zeitdiskrete Gewichtsfunktion h(k) = h(k Ts ) = Z −1 {H (z)} des Gesamtsystems vom Sendefiltereingang bis zum Empfangsfilterausgang entsteht durch SymboltaktAbtastung aus der zeitkontinuierlichen Gewichtsfunktion h(t) des Gesamtsystems. Das zeitdiskrete Rauschsignal w(k), das sich nach Empfangsfilterung und Symboltaktabtastung ergibt, ist im Allgemeinen farbig.5 Liegt ein verzerrungsfreier Gesamtkanal h(k) im Symboltakt vor, erfüllt die Kaskade aller Systeme vom Eingang des Sendefilters bis zum Ausgang des Empfangsfilters das erste Nyquist-Kriterium (s. Kap. 2); man erhält das in Abb. 4.46 dargestellte zeitdiskrete Systemmodell im Symboltakt. Das Gesamtsystem kann auch dann näherungsweise verzerrungsfrei sein, wenn bei kleiner Datenübertragungsrate über einen Kanal mit hinreichend großer 5 Den Spezialfall einer weißen Störung (unabhängige Störabtastwerte) nach Empfangsfilterung und

Symboltakt-Abtastung erhält man, wenn das Empfangsfilter G e ( f ) (in Abb. 4.44) einen WurzelNyquist-Frequenzgang aufweist (z. B. Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filter und z. B. [3, 23]).

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

Abb. 4.46 Zeitdiskretes Modell eines Übertragungssystems bei Einhaltung des ersten Nyquist-Kriteriums (d. h. ohne Intersymbolstörungen)

353

h[0]

w[k]

uq [k]

ue [k]

Bandbreite keine signifikanten Signalverzerrungen auftreten. Die Auswirkungen eines solchen Kanals auf das Signal beschränken sich auf eine frequenzunabhängige Dämpfung. Dies wird im Systemmodell durch einen Skalierungsfaktor beschrieben. In einem reinen AWGN-Kanal weist der Skalierungsfaktor den Wert h[0] = 1 auf. Wird die Datenübertragungsrate – bei gleich bleibender spektraler Charakteristik des Kanals – erhöht, werden die einzelnen Frequenzanteile des Sendesignals unterschiedlich bewertet, so dass Signalverzerrungen und damit Intersymbolinterferenzen auftreten. In Abb. 4.47 ist das nun entstehende zeitdiskrete Systemmodell für ein Beispiel dargestellt: Es werden neben dem Hauptwert h[0] weitere von Null verschiedene Komponenten der Gesamtgewichtsfunktion h(k) des Übertragungssystems wirksam, hier beispielhaft zusätzlich der Wert h[1].

4.6.3

Optimale Verfahren

Die Fehlerwahrscheinlichkeit bei der Übertragung digitaler informationstragender Signale kann minimiert werden, wenn hinreichend lange Empfangssymbolfolgen zur Erkennung eines Symbols verwendet werden [60]. Empfänger, die dieses Vorgehen nutzen und nach dem Prinzip der Sequenzschätzung (MLSE – Maximum Likelihood Sequence Estimation) arbeiten, verwenden sehr lange Folgen von empfangenen Symbolen, um Entscheidungen über Empfangssymbole zu treffen [42]. Auf diese Weise erhält man optimale Ergebnisse bei der Erkennung von empfangenen Symbolen bezüglich einer minimalen Fehlerwahrscheinlichkeit [6, 52]. Der Viterbi-Algorithmus [15] gestattet eine aufwandsgünstige Realisierung des MLSEVerfahrens zur Sequenzschätzung. Der Viterbi-Empfänger wird auch als Viterbi-Detektor bezeichnet. Er verarbeitet das im Symboltakt abgetastete Empfangssignal u e (k); er bewirkt

Abb. 4.47 Zeitdiskretes Modell eines beispielhaften Übertragungssystems bei Übertragung mit Intersymbolstörungen

uq [k] h[0]

uq [k − 1]

Ts h[1]

w[k] ue [k]

354

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

w(k) uq (k)

H(z)

ˆa(k)

ue (k) Viterbi-Detektor

Abb. 4.48 Zeitdiskretes Modell eines Übertragungssystems mit Viterbi-Detektor

eine Entzerrung und führt außerdem die Entscheidung über die empfangene Symbolfolge aus. Er ist damit ein Entzerrer mit integrierter Symbolerkennung (Abb. 4.48). Der ViterbiDetektor benötigt für das Erreichen seiner vollen Leistungsfähigkeit – d. h. der minimalen Fehlerwahrscheinlichkeit bei der entschiedenen Symbolfolge – eine unkorrelierte Störung an seinem Eingang, d. h. am Ausgang des Empfangsfilters muss ein weißer Rauschprozess als Störung wirksam sein [64]. Die Komplexität des Viterbi-Empfängers wird bei langen Kanalgewichtsfunktionen gk (t) sehr hoch, da die Anzahl der zu berücksichtigenden Zustände exponentiell mit dem Grad der im Symboltakt abgetasteten Kanalgewichtsfunktion steigt – d. h. mit der Anzahl der von Null verschiedenen Komponenten in der Gewichtsfunktion h(k) des Gesamtsystems; eine mehrstufige Übertragung führt zu einem weiteren Anstieg der Anzahl zu berücksichtigender Zustände bei der Erkennung und erhöht dadurch den erforderlichen Aufwand weiter. Da sich die Gewichtsfunktion typischer Zweidrahtleitungen in Nachrichtenkabeln bei hochratiger Übertragung über viele Symbolintervalle erstreckt, ist es oftmals nicht praktikabel, Viterbi-Empfänger bei realen Übertragungssystemen einzusetzen. Vielfach werden deshalb – neben der analogen linearen Entzerrung, die in das Empfangsfilter integriert ist (EntzerrerEmpfangsfilter) – zeitdiskrete Entzerrverfahren angewendet. Die Diagramme in Abb. 4.49, 4.50 und 4.51 zeigen die auf dem Übertragungsweg entstehenden Signalverzerrungen anhand der Gewichtsfunktion h(t) = gs (t) ∗ gk (t) ∗ ge (t) des jeweiligen Gesamtsystems, bei verschiedenen Symboltaktfrequenzen f T . Es wird beispielhaft eine Kupfer-Zweidrahtleitung (l = 2 km, f 0 = 0,178 MHz · km2 ) als Kanal nach (3.157) bei Berücksichtigung von fünf Polen in der rationalen Approximation vorausgesetzt. Sende- und Empfangsfilter sind Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Tiefpässe, jeweils mit dem Roll-Off-Faktor r = 0,5. Es ist erkennbar, dass bei steigender Symboltaktfrequenz f T und unveränderter Charakteristik des Übertragungskanals sich die Anzahl der von Null verschiedenen Symboltaktabtastwerte der resultierenden Gewichtsfunktion h(t) des Gesamtsystems erhöht.

4.6.4

Einteilung der Entzerrverfahren

Die linearen Signalverzerrungen, die bei der Übertragung eines Signals über einen verzerrenden Kanal auftreten, können im Empfänger prinzipiell durch lineare oder nichtlineare

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

355

h(t) 1

0 2

0

4

6

8

10

12

t/Ts

Abb. 4.49 Resultierende Gewichtsfunktion des Gesamtsystems (normiert auf ihren Maximalwert) bei einer Symboltaktfrequenz von f T = 0,5 MHz

h(t) 1

0 2

0

4

6

8

10

12

t/Ts

Abb. 4.50 Resultierende Gewichtsfunktion des Gesamtsystems (normiert auf ihren Maximalwert) bei einer Symboltaktfrequenz von f T = 1,0 MHz

h(t) 1

0 0

2

4

6

8

10

12

t/Ts

Abb. 4.51 Resultierende Gewichtsfunktion des Gesamtsystems (normiert auf ihren Maximalwert) bei einer Symboltaktfrequenz von f T = 2,0 MHz

Systeme korrigiert werden [23, 52, 62]. Werden zeitdiskrete Entzerrersysteme betrachtet, die zu diesem Zweck eingesetzt werden, lassen sie sich einerseits nach der Struktur des Entzerrers und andererseits nach der Art und Weise einteilen, wie die Entzerrerkoeffizienten bestimmt werden (s. Abb. 4.52). Die Einteilung nach der Struktur des entzerrenden Systems ergibt die Unterteilung in lineare und nichtlineare Systemstrukturen. Bei der Einteilung nach der Art und Weise, wie die Entzerrerkoeffizienten bestimmt werden, lässt sich eine Unterscheidung danach finden, ob die zu entzerrende Gewichtsfunktion (bzw. Impulsantwort) bekannt ist, wie bei unbekannter Kanalgewichtsfunktion die Informa-

356

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Abb. 4.52 Einteilung von Entzerrerstrukturen bei zeitdiskreter Entzerrung

tionen über ihre Gestalt gewonnen werden (über eine Referenzfolge) und ob die Bestimmung der Entzerrerkoeffizienten sogar ohne vorherige Kenntnis dieser zu entzerrenden Kanalgewichtsfunktion geschehen kann (blinde Entzerrung). Setzt man zunächst voraus, dass die zu entzerrende Gewichtsfunktion des Kanals bekannt ist, erhält man die Entzerrerkoeffizienten oftmals über die Inversion von Matrizen [26], wobei die Abtastwerte der Gewichtsfunktion des Gesamtsystems zu Grunde liegen und damit bekannt sein müssen. Sind die Abtastwerte der Gewichtsfunktion des zu entzerrenden Gesamtsystems im Empfänger zunächst nicht bekannt, können Trainingsdaten verwendet werden, die in zeitlichen Abständen als sogenannte Referenzfolge in den zu übertragenden Nutzdatenstrom integriert werden, um die Abtastwerte der Gewichtsfunktion des Gesamtsystems auf dieser Grundlage bestimmen zu können, damit sie für die Bestimmung der Entzerrerkoeffizienten im Entzerrer letztendlich verfügbar sind. Diese Vorgehensweise trifft man oftmals in Funksystemen an, in denen der Übertragungskanal zeitlich typischerweise stark schwankt. Die sogenannte blinde Entzerrung umfasst Verfahren, die ohne Kenntnis der zu entzerrenden Gewichtsfunktion – und damit ohne Referenzsignale oder Trainingsdaten – die Entzerrerkoeffizienten ermitteln [26]. Die blinde Entzerrung basiert auf Statistiken höherer Ordnung (z. B. Momente vierter Ordnung), auf deren Grundlage eine Lösung formuliert werden kann, die es gestattet, die benötigten Entzerrerkoeffizienten zu bestimmen. Blinde Entzerrverfahren erfordern zumeist einen erhöhten Implementierungsaufwand. Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass die zu entzerrende Gewichtsfunktion des Kanals und damit die des Gesamtsystems vom Sendefiltereingang bis zum Empfangsfilterausgang als Grundlage für die Bestimmung der Entzerrerkoeffizienten im Empfänger bekannt ist.

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

4.6.5

357

Lineare und nichtlineare Entzerrer

Lineare analoge Entzerrung Das analoge Entzerrer-Empfangsfilter wurde in den vorangegangenen Abschnitten ausführlich behandelt. Es wird hier noch einmal aufgegriffen und in die Systematik der Entzerrer eingepasst, um die prinzipielle Leistungsfähigkeit der analogen linearen Entzerrung mit der von zeitdiskreten Entzerrverfahren in Beziehung zu setzen. Die Übertragungsfunktion des analogen, linear entzerrenden Empfangsfilters (EntzerrerEmpfangsfilter) lautet 1 (4.77) · G e ( f ). He ( f ) = Gk( f ) Auf diese Art und Weise wird der verzerrende Einfluss des Übertragungskanals vollständig durch den inversen Kanalfrequenzgang kompensiert. Man erhält das Basisbandsystem nach Abb. 4.53 [2]. Diese Art der Entzerrung entspricht der Entzerrung, die in den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels ausführlich behandelt wurde. An dieser Stelle wird sie der Vollständigkeit halber noch einmal erwähnt, um die Systematik der Entzerrung zu komplettieren und einige Besonderheiten herauszuarbeiten. Bei dieser Realisierung der Entzerrung hängt es von der Wahl von Sendefilter G s ( f ) und Empfangsfilter G e ( f ) ab, ob das erste Nyquist-Kriterium am Erkennungspunkt eingehalten wird. Werden Sende- und Empfangsfilterübertragungsfunktionen so gewählt, dass ihre Kettenschaltung, d. h. die Übertragungsfunktion G s ( f ) · G e ( f ), das erste NyquistKriterium erfüllt, so weist das Empfangsnutzsignal zu den Symboltakt-Abtastzeitpunkten k Ts keine Intersymbolstörungen auf. In dem Fall ist das Auge damit unabhängig von der Symboltaktfrequenz f T am Erkennungspunkt vertikal voll geöffnet und die halbe vertikale Augenöffnung ergibt sich zu UA = Us . Die Störung bzw. das Rauschsignal n(t) wird auf dem Weg bis zum Erkennungspunkt durch das Entzerrer-Empfangsfilter G e ( f )/G k ( f ) bewertet und man erhält das Quadrat des Effektivwertes UR des Rauschsignals als Rauschleistung am Erkennungspunkt nach (4.32). Durch die lineare Entzerrung mit Hilfe der Übertragungsfunktion 1/G k ( f ) wird die Störung frequenzabhängig verstärkt und unter Umständen stark angehoben. Dies kann zu einer hohen Rauschleistung am Erkennungspunkt führen.

Quelle

uq (t)

Gs (f)

us (t)

ue (t) 1 G (f) Gk (f) e

Gk (f)

Senke

Ψ0 Abb. 4.53 Blockschaltbild des Übertragungssystems mit linearer Entzerrung des Kanalfrequenzganges

358

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Beispiel 4.1 (Übertragungsgüte bei mehrstufiger Übertragung und steigender Kabelauslastung). In einem Beispiel soll das Verhalten des Kabelübertragungssystems bei variabler Kabelauslastung untersucht werden, d. h. bei festen Eigenschaften des zu Grunde liegenden Übertragungskanals wird die Symboltaktfrequenz f T variiert und es wird ermittelt, wie sich einzelne Parameter verändern, die die Übertragungsgüte beschreiben. Für numerische Ergebnisse werden für das Nutzsignal Us = 1 V, für die Störung 0 = 5 · 10−10 V2 /Hz und für das Kabel f 0 = 0,178 MHz · km2 sowie l = 2 km bei Berücksichtigung von fünf Polstellen in (3.157) angesetzt. Abb. 4.54 zeigt exemplarisch zunächst die Rauschleistung UR2 als Funktion der Taktfrequenz f T . Es wird deutlich, dass mit zunehmender Kabelauslastung – d. h. bei steigender Taktfrequenz f T und unveränderten Kabeleigenschaften – die Rauschleistung steigt. Sendefilter- und Empfangsfilterübertragungsfunktionen wurden jeweils als WurzelKosinus-Roll-Off-Filter mit dem Roll-Off-Faktor r = 0,5 für G s ( f ) und G e ( f ) ausgestaltet, so dass die Kaskade G s ( f ) · G e ( f ) das erste Nyquist-Kriterium erfüllt. Damit ist unabhängig von der Symboltaktfrequenz f T das Auge am Erkennungspunkt vertikal voll geöffnet, es gilt UA = Us für alle f T . Die bei zunehmender Kabelauslastung (bzw. größer werdender Taktfrequenz f T ) steigende Rauschleistung (s. Abb. 4.54) führt bei beispielhafter zweistufiger Übertragung zu einem mit zunehmender Symboltaktfrequenz f T abnehmendem Signal-Rausch-Verhältnis , da das Quadrat der halben vertikalen Augenöffnung UA2 unabhängig von f T konstant ist. Dieser funktionale Zusammenhang von  und f T ist in Abb. 4.55 dargestellt. Auch der Roll-Off-Faktor r der als Sende- und Empfangsfilter gewählten WurzelKosinus-Roll-Off-Filter hat einen Einfluss auf die erreichbare Übertragungsgüte: Das Auge ist unabhängig vom Roll-Off-Faktor vertikal vollständig geöffnet; die Rauschleistung am Erkennungspunkt steigt jedoch mit zunehmendem Roll-Off-Faktor, da mit r die Bandbreite

8

6

U2R (inV2 ) →

Abb. 4.54 Rauschleistung UR2 am Erkennungspunkt bei analoger, linearer Entzerrung des Kabelfrequenzganges (Parameter:  = 2,0 km, 0 = 5 · 10−10 V2 /Hz)

4

2

0

0

1

2

fT (in MHz) →

3

4

Zeitdiskrete Entzerrung

Abb. 4.55 Signal-RauschVerhältnis  bei zweistufiger, bipolarer Übertragung am Erkennungspunkt bei analoger, linearer Entzerrung des Kabelfrequenzganges (Parameter: Us = 1 V,  = 2,0 km, 0 = 5 · 10−10 V2 /Hz)

359 350 300 250



4.6

200 150 100 50 0 0.5

1

1.5

2

fT (in MHz) →

des Empfangsfilters und damit die Fläche unter der Kurve |G e ( f )/G k ( f )|2 zunimmt: Das Signal-Rausch-Verhältnis  ist damit eine Funktion des Roll-Off-Faktors r . Um ein maximales Signal-Rausch-Verhältnis am Erkennungspunkt zu erzielen, ist ein kleiner Roll-OffFaktor vorteilhaft. Beim kleinsten möglichen Roll-Off-Faktor r = 0 (idealer Tiefpass) ist eine zuverlässige Erkennung jedoch schon bei geringfügiger Abweichung vom optimalen Abtastzeitpunkt nicht mehr gewährleistet [6]. Deshalb ist in der praktischen Realisierung als Kompromiss ein Roll-Off-Faktor r > 0 zu verwenden, der einerseits auch bei in der Praxis unvermeidbaren Taktabweichungen eine zuverlässige Erkennung gestattet und andererseits trotzdem eine möglichst geringe Bandbreite des Empfangsfilters bewirkt. Oft werden daher beispielsweise Roll-Off-Faktoren von r = 0,3 oder r = 0,5 genutzt. Beispielhafte Amplitudenfrequenzgänge des Entzerrer-Empfangsfilters He ( f ) für die beiden Roll-Off-Faktoren r = 0,3 und r = 0,5 sind in Abb. 4.56 dargestellt. Ein abnehmendes Signal-Rausch-Verhältnis  in Abhängigkeit von der Taktfrequenz f T (s. Abb. 4.55) führt auf Grund des monotonen Zusammenhangs zwischen Signal-RauschVerhältnis und Fehlerwahrscheinlichkeit unmittelbar zu einem Anstieg der Fehlerwahrscheinlichkeit Pf bzw. Pb . Dies soll anhand der Bitfehlerwahrscheinlichkeitskurven für zwei ausgewählte verschiedene Symboltaktfrequenzen, f T = 0,6 MHz und f T = 1 MHz, gezeigt werden. Die für die Darstellung der Fehlerwahrscheinlichkeit Pb als Funktion des E s /0 notwendige mittlere Symbolenergie am Kanalausgang lässt sich bei gegebenem Kabelfrequenzgang über die empfangene Leistung am Kanalausgang Pe nach  U 2T 2  E s = Pe Ts = s s s 2 − 1 3

+∞ |G s ( f ) G k ( f )|2 d f .

−∞

(4.78)

Abb. 4.56 Amplitudenfrequenzgang des Entzerrer-Empfangsfilters He ( f ) bei verschiedenen Roll-Off-Faktoren r und linearer, analoger Entzerrung des Kabelfrequenzganges (Parameter: f T = 0,6 MHz,  = 2,0 km)

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal 5

4

|Ge (f)/Gk (f)| →

360

3

2

1

r = 0,5 r = 0,3

0 -0.5

0

0.5

f (in MHz) →

berechnen. Abb. 4.57 und 4.58 veranschaulichen die sich ergebenden Verläufe für die Bitfehlerwahrscheinlichkeiten Pb als Funktion von 10 lg(E s /0 ) bei jeweils drei Stufenzahlen s. Es wird insbesondere deutlich, dass die Kurven bei der kleineren Taktfrequenz ( f T = 0,6 MHz) weiter links im Diagramm liegen, als bei der größeren Taktfrequenz ( f T = 1 MHz). Dies bedeutet, dass das System mit der kleineren Taktfrequenz eine höhere Übertragungsqualität erlaubt, da bei gleichem E s /0 eine geringere Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb erreicht wird, als bei größerer Taktfrequenz (s. auch Kap. 2). 100

10-1

Pb →

Abb. 4.57 Bitfehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstufiger Übertragung und analoger, linearer Entzerrung des Kabelfrequenzganges (Parameter:  = 2,0 km, f T = 0,6 MHz, r = 0,5)

10-2

10-3

10-4

s=2 s=4 s = 16 0

5

10

10 · lg(Es /Ψ0 )

15

(in dB) →

20

Zeitdiskrete Entzerrung

Abb. 4.58 Bitfehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstufiger Übertragung und analoger, linearer Entzerrung des Kabelfrequenzganges (Parameter:  = 2,0 km, f T = 1,0 MHz, r = 0,5)

361 100

10-1

Pb →

4.6

10-2

10-3

10-4

s=2 s=4 s = 16 0

5

10

10 · lg(Es /Ψ0 )

15

20

(in dB) →

Bei kleinerer Datenübertragungsgeschwindigkeit ergibt sich wegen der geringeren Kabelauslastung und der deshalb weniger starken Entzerrung eine geringere Rauschanhebung durch das Entzerrer-Empfangsfilter. Dies führt zu einem größeren Signal-Rausch-Verhältnis und bewirkt eine kleinere Fehlerwahrscheinlichkeit, als bei größerer Datenübertragungsgeschwindigkeit bzw. Taktfrequenz f T bei dann stärkerer Rauschanhebung. Dieser Zusammenhang spiegelt eine der Grundtatsachen der Nachrichtenübertragungstechnik wider: Datenübertragungsgeschwindigkeit und Fehlerwahrscheinlichkeit sind gegeneinander austauschbar. Dies bedeutet, dass eine Erhöhung der Datenübertragungsgeschwindigkeit bei sonst unveränderten Parametern des Übertragungssystems eine vergrößerte Fehlerwahrscheinlichkeit bewirkt und umgekehrt eine geringere Fehlerwahrscheinlichkeit bei ebenfalls konstanten Randbedingungen eine Verringerung der Datenübertragungsgeschwindigkeit erfordert. 

Lineare zeitdiskrete Entzerrung Während in den vorherigen Abschnitten analoge Entzerrerstrukturen betrachtet wurden, um grundlegende Prinzipien einzuführen und daraus Erkenntnisse abzuleiten, sollen nun ausschließlich zeitdiskrete Entzerrer untersucht werden. Ein Vorteil solcher Entzerrer ist es, dass sie diskret realisiert werden können und dass nur die Symboltaktabtastwerte zu berücksichtigen und zu verarbeiten sind – und nicht das analoge Signal. Dies hat eine Aufwandsreduktion zur Folge. Ziel linearer zeitdiskreter Entzerrung ist es, mittels eines zeitdiskreten linearen Filters E(z) eine – zumindest näherungsweise – verzerrungsfreie Gesamtübertragungsfunktion Hges (z) = H (z) · E(z) •−◦ h ges (k)

(4.79)

362

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

w(k) uq (k)

H(z)

ˆa(k − k0 )

E(z)

Hges (z) = H(z) · E(z) Abb. 4.59 Zeitdiskretes Übertragungsmodell mit linearem Entzerrer

für die Nutzsignalübertragung zu erzeugen (Abb. 4.59). Bei der zeitdiskreten Entzerrung kann die praktische Realisierung vorteilhaft mit Hilfe digitaler Signalverarbeitung geschehen. Die Intersymbolstörungen können vollständig kompensiert werden, wenn die Entzerrerübertragungsfunktion E(z) zu 1 E(z) = (4.80) H (z) gewählt wird. In diesem Fall wird eine möglichst gute Einhaltung der ersten NyquistBedingung angestrebt – ohne Berücksichtigung des Rauscheinflusses. Beispiel 4.2 (Minimalphasiges System mit linearer Entzerrung). Es wird zum Zwecke der Illustration ein minimalphasiges System mit der Übertragungsfunktion H (z) =

2z +1 1 1 −1 + ·z = 2 4 4z

(4.81)

Abb. 4.60 PN-Konstellation eines minimalphasigen Systems H (z) = Z{h(k)}

¨ Imaginarteil →

betrachtet. Die sich in diesem Fall ergebende Pol-Nullstellen-Konstellation (PNKonstellation) ist in Abb. 4.60 dargestellt. Minimalphasige zeitdiskrete Systeme besitzen die Eigenschaft, dass ihre Energie in den ersten Koeffizienten ihrer Gewichtsfunktion konzentriert ist (s. auch Abb. 4.60 und (4.81)); Pole und Nullstellen liegen innerhalb des Einheitskreises. Abb. 4.61 veranschaulicht im

1 0 -1 -3

-2

-1

0

Realteil →

1

2

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

363

¨ Imaginarteil →

Abb. 4.61 PN-Konstellation eines maximalphasigen Systems H (z) = Z{h(k)}

1

0

-1 -3

-2

-1

0

1

2

Realteil →

Gegensatz dazu die PN-Konstellation eines maximalphasigen zeitdiskreten Systems: Hier liegt die Nullstelle außerhalb des Einheitskreises. Die Inversion von H (z) entsprechend (4.80) führt mit (4.81) auf das Ergebnis E(z) =

4z 1 = . H (z) 2z +1

(4.82)

Die PN-Konstellation des zeitdiskret arbeitenden Entzerrers bei angenommener minimalphasiger Gesamtimpulsantwort H (z) ist in Abb. 4.62 dargestellt. Da die Polstelle des Entzerres nicht im Ursprung liegt, führt die Lösung des Entzerrerproblems auf ein IIR-System (IIR-Filter, Infinite Impulse Response) und weist damit eine unendlich lange Impulsantwort auf.  Eine exakte Entzerrung setzt Entzerrer mit unendlich langer Impulsantwort (IIR-Filter, Infinite Impulse Response) voraus; für praktische Implementierungen sind Entzerrer endlicher Länge m e + 1 mit me ! e[k] · z −k (4.83) E(z) = k=0

Abb. 4.62 PN-Konstellation des Entzerrers bei angenommener minimalphasiger Gesamtimpulsantwort

¨ Imaginarteil →

(FIR-Filter, Finite Impulse Response) von Bedeutung, wobei im Allgemeinen eine Kompensation des Kanaleinflusses lediglich näherungsweise gelingt [8]. Abb. 4.63 veranschaulicht die sich ergebende Struktur der Entzerrereinheit.

1 0 -1 -3

-2

-1

0

Realteil →

1

2

364

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

ue [k]

e[0]

ue [k − 2]

ue [k − 1]

Ts

Ts

e[2]

e[1]

y[k] Abb. 4.63 Zeitdiskrete Entzerrerstruktur m e = 2

Durch Schwellwertentscheidung wird das um k0 Zeitschritte zurückliegende Symbol a[k ˆ − k0 ] geschätzt. Die (diskrete) Laufzeit k0 stellt einen für die Systemoptimierung wichtigen Freiheitsgrad dar. Beispielhaft wird ein linearer Entzerrer mit Einfachabtastung (auch als T -Entzerrer bezeichnet) betrachtet: Es werden Abtastwerte im Symboltakt Ts verarbeitet.6 Mit dem Vektor der zeitdiskreten Gesamtimpulsantwort (der Länge L + 1) h(k) = h = [h 0 , h 1 , . . . , h L ]T ,

(4.84)

dem Vektor der Nyquist-Bedingung d = [0, . . . , 1, . . . , 0]T und der resultierenden Kanalmatrix [26] ⎡ h0 0 ⎢ h1 h0 ⎢ ⎢ . .. ⎢ .. . ⎢ ⎢ ⎢ h L h L−1 H =⎢ ⎢ 0 hL ⎢ ⎢ 0 0 ⎢ ⎢ .. .. ⎣ . . 0 0

··· 0 .. . ··· h L−1 hL .. . ···

0 ··· .. . h0 ··· h L−1 .. . 0

0 0 .. . 0 h0 ··· .. . ···

(4.85)

⎤ 0 0 ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎥ ⎥ ⎥ 0 ⎥ ⎥ 0 ⎥ ⎥ h0 ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦ hL

(4.86)

erhält man nach [8, 26] als Koeffizientensatz für den Entzerrer den Vektor

6 Die Bezeichnung T -Entzerrer rührt daher, dass die Symboldauer oft mit T bezeichnet wird. Der

Begriff Einfachabtastung bedeutet, dass einmal je Symbolintervall T ein Abtastwert genommen und verarbeitet wird.

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

365

e = (H T H)−1 H T d.

(4.87)

Derartige Entzerrerstrukturen versuchen durch Nachschaltung eines näherungsweise inversen System, die auf dem Übertragungsweg entstandenen Intersymbolinterferenzen zu kompensieren. Da der Entzerrerentwurf unabhängig vom Rauschsignal geschieht, das am Entzerrereingang anliegt, und prinzipiell eine Inversion des Kanalfrequenzganges zur Bestimmung des Entzerrers erfolgt, wird bei dieser Art der Entzerrung üblicherweise das Rauschen angehoben – bzw. verstärkt –, ähnlich wie beim analogen linearen Entzerrer. Verbesserungen können diesbezüglich Entzerrerstrukturen erbringen, die im Entzerrerentwurf sowohl das Nutz- als auch das Störsignal einfließen lassen oder Entzerrer mit Entscheidungsrückführung. Da bei der Symboltaktabtastung des Signals am Empfangsfilterausgang das Abtasttheorem (z. B. [38, 48]) im Allgemeinen nicht eingehalten wird, wird ein Teil des mit der Symboltaktfrequenz periodisch wiederholten Spektrums vor der Entzerrung in das Nutzsignalspektrum gefaltet, so dass eine Störung durch Aliasing auftritt [8]. Entzerrer mit Einfachabtastung können dann prinzipbedingt das Empfangssignal nur näherungsweise entzerren, d. h. es verbleiben nach der Entzerrung Rest-Intersymbolstörungen. Der ideale Entzerrer besitzt unendlich viele Koeffizienten. Entzerrer mit Mehrfachabtastung (z. B. Entzerrer mit Doppelabtastung, T /2-Entzerrer), die mit einer höheren Abtastfrequenz als der Symboltaktfrequenz arbeiten, vermeiden diesen Effekt [8, 26]; das Abtasttheorem wird dann eingehalten und eine exakte Entzerrung ermöglicht. Nach dem Entzerrer ist in diesem Fall die Abtastrate zu reduzieren, um der Erkennungsschaltung die Symboltaktabtastwerte zuzuführen. Das Gleichungssystem (4.87) zur Bestimmung der Entzerrerkoeffizienten ist überbestimmt und die Lösung ergibt den minimalen mittleren quadratischen Fehler (mean square error, MSE) zwischen entzerrter Gesamtimpulsantwort und dem Vektor der NyquistBedingung, definiert in (4.85). Ein entscheidender Nachteil der linearen Entzerrung ist die mit der Entzerrung verbundene Rauschanhebung bzw. -verstärkung, die besonders anschaulich bei der analogen linearen Entzerrung sichtbar wird, jedoch auch beiden zweitdiskreten Realisierungen linearer Entzerrverfahren in vergleichbarer Weise wirksam ist. Abhilfe schaffen kann hier eine zeitdiskrete Entzerrung mit Entscheidungsrückführung. Beispiel 4.3 (Lineare zeitdiskrete Entzerrung bei drei unterschiedlichen Kanalkonstellationen). Die drei nachfolgend vorgestellten Beispiele sollen die Anpassung der Position 1 im Vektor der Nyquist-Bedingung entsprechend (4.85) illustrieren – dies ist ein Freiheitsgrad beim Entwurf diskreter Entzerrer. Dazu werden drei unterschiedliche Kanalkonstellationen betrachtet. Maximalphasiger Kanal Nachfolgend sei ein maximalphasiger Kanal mit der Kanalimpulsantwort h = (0,707, 1,41)T betrachtet. Die sich für diese Kanalkonstellation ergebene Pol-Nullstellen-Charakteristik veranschaulicht Abb. 4.64.

366

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

¨ Imaginarteil

Abb. 4.64 Pol-NullstellenCharakteristik für einen maximalphasigen Kanal H (z) = Z{h(k)}

1

0

-1 -3

-2

0

-1

2

1

Realteil

Die Kanalmatrix ergibt sich in diesem Fall zu ⎛

0,7 ⎜ 1,41 H=⎜ ⎝ 0 0

0 0,7 1,41 0

⎞ 0 0 ⎟ ⎟. 0,7 ⎠ 1,41

(4.88)

Mit dem Ansatz für den Entzerrerentwurf (m e = 2) in der folgenden Form H·e =d+ε



L¨osung: e = (HT · H)−1 · HT · d

(4.89)

lassen sich die Entzerrerkoeffizienten bestimmten. Als Freiheitsgrad verbleibt die Position der 1 im Vektor der Nyquistbedingung (4.85), um ein möglichst gutes Entzerrerergebnis zu bekommen. Tab. 4.4 illustriert den Einfluss der Position der 1 im Vektor der NyquistBedingung (4.85) auf das Entzerrerergebnis. Als Kriterium für die Qualität des Entzerrerergebnisses wird die Fehlerenergie im Entzerrerergebnis d. h. f (k) = e(k) ∗ h(k) analysiert, die sich wie folgt berechnen lässt +∞ !

E=

| f [k] − d[k − k0 ]|2 .

(4.90)

k=−∞

Im Fall einer perfekten Entzerrung weist der Vektor f (k) nur einen von Null verschiedenen Koeffizienten mit der Amplitude 1 auf und die Fehlerenergie im Entzerrervektor nimmt den Wert Null an. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich dies bei der hier

Tab. 4.4 Zur Wahl des Freiheitsgrades d(k)

e(k) ∗ h(k)

E (Fehlerenergie)

(1, 0, 0, 0)

(0,2484, 0,3769, −0,1890, 0,0947)

0,7516

(0, 1, 0, 0)

(0,3769, 0,8110, 0,0947, −0,0475)

0,1890

(0, 0, 1, 0)

(−0,1890, 0,0947, 0,9525, 0,0238)

0,0475

(0, 0, 0, 1)

(0,0947, −0,0475, 0,0238, 0,9881)

0,0119

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

367

¨ Imaginarteil

Abb. 4.65 Pol-NullstellenCharakteristik für einen minimalphasigen Kanal H (z) = Z{h(k)}

1

0

-1 -3

-2

-1

0

2

1

Realteil

betrachteten Entzerrerstruktur nur für eine unendliche Länge der Entzerrerimpulsantwort e(k) realisieren lässt. Im Ergebnis zeigt sich, dass in diesem Fall die 1 im Vektor der NyquistBedingung (4.85) am Ende des Vektors stehen sollte, um eine minimale Fehlerenergie zu erzielen. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine fehlerhafte Wahl der Position der 1 im Vektor der Nyquist-Bedingung zu einem starken Anstieg der Fehlerenergie und damit zu einer schlechten Qualität der Entzerrung führt. Minimalphasiger Kanal Abweichend von dem im vorherigen Abschnitt betrachteten maximalphasigen Kanal soll nun ein minimalphasiger Kanal mit der Charakteristik h = (1,41, 0,707)T analysiert werden. Die sich für diese Kanalkonstellation ergebende PolNullstellen-Charakteristik veranschaulicht Abb. 4.65. Für die Kanalmatrix ergibt sich in diesem Fall ⎛

1,41 ⎜ 0,7 H=⎜ ⎝ 0 0

0 1,41 0,7 0

⎞ 0 0 ⎟ ⎟. 1,41 ⎠ 0,7

(4.91)

Tab. 4.5 illustriert erneut den Einfluss der Position der 1 im Vektor der Nyquist-Bedingung (4.85) auf das Entzerrerergebnis. Es zeigt sich, dass in diesem Fall die 1 im Vektor der Nyquist-Bedingung am Anfang des Vektors stehen sollte, um eine minimale Fehlerenergie zu erhalten. Möchte man darüber hinaus die Fehlerenergie weiter reduzieren, so ist die Anzahl der Entzerrerkoeffizienten zu vergrößern.

Tab. 4.5 Zur Wahl des Freiheitsgrades d(k)

e(k) ∗ h(k)

E (Fehlerenergie)

(1, 0, 0, 0)

(0,9881, 0,0238, −0,0475, 0,0947)

0,0119

(0, 1, 0, 0)

(0,0238, 0,9525, 0,0947, −0,1890)

0,0475

(0, 0, 1, 0)

(−0,0475, 0,0947, 0,8110, 0,3769)

0,1890

(0, 0, 0, 1)

(0,0947, −0,1890, 0,3769, 0,2484)

0,7516

368

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

¨ Imaginarteil

Abb. 4.66 Pol-NullstellenCharakteristik für einen ungünstig zu entzerrenden Kanal H (z) = Z{h(k)}

1

0

-1 -3

-2

-1

0

1

2

Realteil

Ungünstiger Kanal Neben den beiden analysierten Kanalprofilen, die bei geeigneter Anpassung der 1 im Vektor der Nyquist-Bedingung (4.85) auf ein zufriedenstellendes Entzerrerergebnis führten, existieren darüberhinaus auch Kanalkonstellationen, die nicht entzerrt werden können. Eine solche ungünstige Konstellation würde entstehen, wenn die Koeffizienten in der Kanalimpulsantwort die gleiche Amplitude aufweisen würden (z. B. h = (1,0, 1,0)T ). Die sich für diese Kanalkonstellation ergebende Pol-Nullstellen-Charakteristik veranschaulicht Abb. 4.66. Für die Kanalmatrix erhält man nun ⎛ ⎞ 1,0 0 0 ⎜ 1,0 1,0 0 ⎟ ⎟ H=⎜ (4.92) ⎝ 0 1,0 1,0 ⎠ . 0

0 1,0

Tab. 4.6 illustriert erneut den Einfluss der Position der 1 im Vektor der Nyquist-Bedingung auf die Güte der Entzerrung. Im Ergebnis zeigt sich, dass eine Anpassung der Position der 1 im Vektor der Nyquist-Bedingung zu keiner Reduktion der Fehlerenergie führt. Dies bedeutet, dass die Position der 1 beliebig gewählt werden kann. Es stellt sich keine Verbesserung im Ergebnis der Entzerrung durch die Veränderung der Position der 1 ein.

Tab. 4.6 Zur Wahl des Freiheitsgrades d(k)

e(k) ∗ h(k)

E (Fehlerenergie)

(1, 0, 0, 0)

(0,7500, 0,2500, −0,2500, 0,2500)

0,2500

(0, 1, 0, 0)

(0,2500, 0,7500, 0,2500, −0,2500)

0,2500

(0, 0, 1, 0)

(−0,2500, 0,2500, 0,7500, 0,2500)

0,2500

(0, 0, 0, 1)

(0,2500, −0,2500, 0,2500, 0,7500)

0,2500

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

369

Entzerrung mit Entscheidungsrückführung Entzerrung mit quantisierter Rückkopplung Bei Kanälen mit starken Intersymbolstörungen führt die Anwendung linearer Entzerrverfahren zu einer deutlichen Rauschanhebung [64, 65]; dieser Effekt kann durch eine Entzerrung mit Entscheidungsrückführung (Decision Feedback Equalization, DFE) vermieden werden. Jedoch vermindern nun eventuell fehlerhaft entschiedene Symbole die Leistungsfähigkeit, da sie sich über die Rückkopplung auf die Erkennung nachfolgender Symbole auswirken und somit zu einer Fehlerfortpflanzung führen können. Bei der entscheidungsrückgekoppelten Entzerrung nach Abb. 4.67 liefert die lineare Filterung mit dem Vorwärtsfilter Hv (z) eine Impulsantwort h ges (k), die keine (oder zumindest vernachlässigbare) Vorläufer vor dem Detektionswert k = k0 aufweist. Wesentliches Ziel der gesamten Empfangsfilterung im Vorwärtszweig bei einer Entzerrung mit Entscheidungsrückführung ist es – neben der Rauschbandbegrenzung –, einen resultierenden Grundimpuls h ges (k) zu erzeugen, der lediglich Impulsnachläufer aufweist, da eine Kompensation der Impulsvorläufer durch Entscheidungsrückführung aus Kausalitätsgründen nicht möglich ist [63]. Die Nachläufer von h ges (k) werden durch die Rückführung bereits entschiedener Symbole über ein Filter mr ! h r [k] · z −k (4.93) Hr (z) − 1 = k=1

beseitigt, wobei eine korrekte Entscheidung vorangegangener Symbole vorausgesetzt wird (s. Abb. 4.67). Beispiel 4.4 (Minimalphasiges System und nichtlineare Entzerrung). Zum Zwecke der Illustration wird ein minimalphasiges System mit der Übertragungsfunktion √ √ 2 2 −1 H (z) = (4.94) + ·z 2 4

w(k) uq (k)

H(z)

a(k − k0 )

Hv (z)

Hges (z) = H(z) · Hv (z) Hr (z) − 1 Abb. 4.67 Modell eines Übertragungssystems mit Entscheidungsrückführung

370

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

betrachtet. Da die am Eingang des Entzerrers vorliegende Gesamtimpulsantwort minimalphasig ist, ergibt sich für Hv (z) die Lösung zu Hv (z) =

1 2 =√ . h[0] 2

(4.95)

Das Vorwärtsfilter Hv (z) hat in diesem Fall lediglich das Empfangssignal so zu verstärken (normieren), dass h ges [0] = 1 wird (Normierung der Impulsantwort h ges (k) = h(k)∗h v (k)). Das Rückkopplungsfilter Hr (z) − 1 = H (z) · Hv (z) =

H(z) 1 − 1 = z −1 h[0] 2

(4.96)

hat dann die Aufgabe, die Nachläufer von h ges (k) zu beseitigen und lässt sich über den Ansatz (4.97) Hr (z) − 1 = Hges (z) 

bestimmen (Abb. 4.68).

Als Nachteil einer Entzerrerstrategie mit quantisierter Rückkopplung ist eine mögliche Fehlerfortpflanzung zu sehen, die durch den nichtlinearen Teil des Entzerrernetzwerkes entsteht. Die Fehlerfortpflanzung wird insbesondere bei niedrigen oder mittleren SignalStörabständen die Leistungseffizienz deutlich herabsetzen. Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn die DFE mit einer Kanalcodierung zu kombinieren ist. Wird der Schwellwertentscheider dabei durch einen Kanaldecoder ersetzt, so muss dieser sofort vorläufige Entscheidungen über die gesendeten Symbole für den Rückkopplungszweig treffen, was im Allgemeinen zu Konflikten mit dem Prinzip der Kanalcodierung führen wird.

w(k) uq (k)

√2 2

a[k − k0 ]

H(z) Hges (z) = H(z) · Hv (z) z−1 1 2

Abb. 4.68 Struktur eines Übertragungssystems mit Entscheidungsrückführung bei angenommener Kanalcharakteristik nach (4.94)

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

371

Tomlinson-Harashima-Vorcodierung Abhilfe kann in den Fällen, in denen die Anwendung einer Entzerrung mit quantisierter Rückkopplung zu keiner brauchbaren Leistungsfähigkeit des Übertragungssystems führt, eine Tomlinson-Harashima-Vorcodierung (Tomlinson Harashima Precoding, THP) schaffen [23]. Diese kann beispielsweise in Systemen mit quantisierter Rückführung bei geringen eingangsseitigen Signal-Rausch-Verhältnissen sinnvoll sein, bei denen die Leistungsfähigkeit des Übertragungssystems durch eine sich im Rahmen der Rückkopplung ergebende Fehlerfortpflanzung dominiert wird. Grundidee ist, das Rückkopplungsfilter in den Sender zu verlegen, was das Gesamtübertragungsverhalten unverändert lässt, wenn zuvor eine Entzerrung mit Entscheidungsrückführung ohne Entscheidungsfehler im Rückkopplungszweig vorliegt. Abb. 4.69 veranschaulicht die sich ergebende Struktur des Übertragungssystems. Praktisch kann durch die Verlagerung des Rückkopplungsfilter in den Sender eine Fehlerfortpflanzung auf Kosten eines zu erwartenden Anstieges in der Sendeleistung vermieden werden. Es ist deshalb notwendig, dass der Anstieg der Sendeleistung geeignet beschränkt werden kann. Gelöst werden konnte dieses Problem durch die Einführung einer Modulo-Operation, die zu einer Begrenzung der Sendeamplituden führt und das Sendespektrum so weitgehend unverändert lässt [23]. Dieses Verfahren wird als Tomlinson-Harashima-Vorcodierung bezeichnet. Abb. 4.70 zeigt eine beispielhafte Struktur eines solchen Übertragungssystems. Das Prinzip der Vorcodierung besteht darin, dass der Vorcodierer durch die Einführung einer modulo-Operation den Anstieg in der Sendeleistung geeignet beschränkt. Allerdings

w(k)

Vorverzerrung

uq [k]

Entzerrer

Entscheider ˆa[k − k0 ]

Hv (z)

H(z)

Senke

Quelle

Hges (z) = H(z) · Hv (z) Hr (z) − 1

Abb. 4.69 Modell eines Übertragungssystems mit senderseitiger Vorverzerrung Tomlinson-HarashimaVorcodierung

uq [k]

MOD

w(k)

Entscheider ˆa[k − k0 ]

Entzerrer

H(z)

Hv (z)

MOD

Senke

Quelle

Hges (z) = H(z) · Hv (z) Hr (z) − 1

Abb. 4.70 Modell eines Übertragungssystems mit Tomlinson-Harashima-Vorcodierung

372

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

erfordert eine Übertragung mit optimaler Tomlinson-Harashima-Vorcodierung, Kanalzustandsinformationen an die Sendeseite zu übertragen, was einen Rückkanal erforderlich macht. Abhilfe schaffen kann hier ein fester Vorcodierer schaffen, der für eine feste Referenzapplikation, d. h. für einen typischen Übertragungskanal, entworfen wurde und dessen Parameter nahe bei denen der tatsächlichen Anwendung bzw. dem tatsächlichen Übertragungskanal liegen. Ein solcher Ansatz könnte beispielsweise gerade für leitungsgebundene Übertragungsverfahren von Interesse sein, bei denen sich die Eigenschaften des Übertragungsmediums nur langsam mit der Zeit ändern (im Wesentlichen durch Temperaturänderungen oder Alterungserscheinungen bedingt). Vorteil der Tomlinson-Harashima-Vorcodierung ist es, dass die quantisierte Rückkopplung ohne eine Fehlerfortpflanzung realisiert werden kann. Das Sendespektrum bleibt trotz der sendeseitigen Vorverarbeitung weitgehend unverändert und die Amplitude ist begrenzt, was für die Realisierung von Sendeeinheiten bedeutsam ist. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass dem Sender die resultierende Gesamtgewichtsfunktion h(k) bekannt sein muss, was gegebenenfalls einen Rückkanal erfordert und damit einen zusätzlichen Realisierungsaufwand darstellt.

4.6.6

Diskussion und Fazit zur Entzerrung

Die Leistungsfähigkeit der betrachteten Ansätze und Verfahren zur Entzerrung bei der Übertragung digitaler Signale über symmetrische Zweidrahtleitungen kann anhand der Schätzung der jeweiligen Bitfehlerwahrscheinlichkeit über eine zeitdiskrete numerische Simulation ermittelt werden [24, 64]. Dabei wird die Übertragung simuliert und die Anzahl der ermittelten Bitfehler zur Gesamtanzahl der übertragenen Bits ins Verhältnis gesetzt und man erhält eine relative mittlere Bitfehlerhäufigkeit, die bei hinreichend großer Anzahl übertragener Bits in der Simulation als Schätzung für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit verwendet wird. Auf diese Weise lassen sich die verschiedenen diskutierten Entzerrverfahren miteinander vergleichen. Für numerische Ergebnisse wurde im Beispiel eine bipolare, zweistufige Basisbandübertragung mit einer Symboltaktfrequenz von f T = 1/Ts = 1 MHz und Wurzel-Kosinus-RollOff-Sende- und -Empfangsfilter, jeweils mit dem Roll-Off-Faktor r = 0,5, über eine symmetrische Kupferleitung mit der Übertragungsfunktion nach (3.157) angenommen (Länge l = 2 km, Kabelkennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 ). Das Signal wurde so normiert, dass die mittlere Symbolenergie E s des Nutzsignals u k (t) am Empfängereingang in jedem der betrachteten Fälle gleich ist (s. Abb. 4.71). Die Taktfrequenz wurde – in Relation zu den Eigenschaften des Übertragungskanals – wie angegeben angesetzt, damit sich insbesondere der Viterbi-Detektor mit vertretbarem Aufwand realisieren lässt: Hier mit einem Gedächtnis über vier Symbole. Zusätzlich beschränkt die gewählte Stufenzahl (s = 2) dieses Beispielsystems die Anzahl der möglichen Zustände, die durch den Viterbi-Detektor zu

4.6

Zeitdiskrete Entzerrung

Abb. 4.71 Zur Definition des Verhältnisses E s /0 von mittlerer Symbolenergie zur Rauschleistungsdichte am Empfängereingang

373

uq (t)

Gsk (f)

uk (t)

Es /Ψ0 Ge (f)

ue (t)

n(t)

verarbeiten sind: Diese würde bei Mehrstufigkeit erhöht werden, s. z. B. [42]. In Abb. 4.72 sind die geschätzten Bitfehlerwahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit vom Verhältnis E s /0 von mittlerer Symbolenergie am Empfängereingang zur Rauschleistungsdichte dargestellt. Die geschätzten Bitfehlerwahrscheinlichkeiten für die Übertragung über einen verzerrungsfreien Kanal bei Störung durch additives, weißes, gaußverteiltes Rauschen und für Übertragung über den gegebenen beispielhaften Kanal ohne Entzerrung sind als Grenzfälle eingezeichnet. Die lineare Entzerrung durch die inverse Kabelübertragungsfunktion (analoge Entzerrung) und die zeitdiskrete lineare Entzerrung mit Einfachabtastung (T -Entzerrung) ergeben für das gewählte Beispielsystem sehr ähnliche Leistungsfähigkeiten. Mit Hilfe der entscheidungsrückgekoppelten Entzerrung (DFE) lässt sich gegenüber den linearen Verfahren eine Verbesserung der Übertragungsqualität unter sonst gleichen Randbedingungen erzielen. Die Sequenzschätzung durch Viterbi-Detektion ist unter den betrachteten Varianten als optimales Verfahren am leistungsfähigsten. Unter praktischen Gesichtspunkten können mit linearen Entzerrverfahren sehr brauchbare Ergebnisse in Bezug auf die erreichbare Übertragungsgüte erzielt werden. Verbesserungen können darüber hinaus insbesondere nichtlineare Entzerrverfahren, z. B. mit Entscheidungsrückkopplung, erbringen. Die Sequenzschätzung mit Hilfe der Viterbi-Detektion ist am leistungsfähigsten, erfordert jedoch oft bei leitungsgebundener Übertragung einen hohen

100

10-1

Pb →

Abb. 4.72 Bitfehlerwahrscheinlichkeiten für einige Entzerrverfahren in Abhängigkeit vom Verhältnis von mittlerer Symbolenergie zur Rauschleistungsdichte am Empfängereingang für beispielhafte Kabelübertragung

AWGN-Kanal Ohne Entzerrung Analoge Entzerrung T-Entzerrung DFE Viterbi-Detektion

10-2

10-3 0

5 10 10 lg(Es /Ψ0 ) (in dB) →

15

374

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Implementierungsaufwand, da sich die Gewichtsfunktion einer Kupferleitung bei hochratiger Übertragung über eine große Anzahl von Symbolintervallen erstrecken kann. Ausführliche Darstellungen insbesondere zu den zeitdiskret realisierten Entzerrverfahren findet man z. B. in [14, 23, 26]

4.7

Zusammenfassung und bibliografische Anmerkungen

Das Ziel dieses Kapitels war es, Prinzipien bei der Übertragung digitaler Signale über linear verzerrende Kanäle aufzuzeigen. Am Beispiel des Übertragungskanals Kupferkabel wurde die Bewertung von Nutzsignal und Störung ausführlich dargestellt und mit numerischen Beispielen unterlegt. Es wurde deutlich, wie Übertragungssysteme mit den Mitteln der Signalund Systemtheorie analysiert und optimiert werden können. Es wurde ein Anwendungsbeispiel mit rationalen Übertragungsfunktionen ausführlich untersucht und alle Parameter wurden hergleitet und analysiert: Diese Betrachtung diente dazu, das Verständnis für grundlegende nachrichtentechnische Zusammenhänge zu entwickeln und zu festigen. Um diese Betrachtungen abzurunden, wurden in der Praxis wichtige Filterfunktionen mit betrachtet und für mehrstufige Basisbandübertragung bei Entzerrung des Kabeleinflusses untersucht. Die in den numerischen Beispielen erzielten Ergebnisse wurden verglichen und es wurde erkennbar, welche Filterfunktionen Vorteile bezüglich der Güte der Übertragung ergeben. In einem sich anschließenden Abschnitt wurde die Betrachtung zur Entzerrung erweitert und eine Klassifizierung von Entzerrerstrukturen vorgenommen. Es wurden insbesondere einige wichtige zeitdiskrete Entzerrerstrukturen angegeben, die vorteilhaft mit Hilfe digitaler Signalverarbeitung praktisch realisiert werden können. Die Grundlagen der Basisbandübertragung werden in vielen Lehrbüchern zur Informations-, Nachrichten- oder Signalübertragung dargestellt, z. B. in [26, 42, 48, 55, 72]. Der Fokus liegt auf der Übertragung über AWGN-Kanäle. Entzerrverfahren werden ebenfalls in diesen Lehrbüchern dargestellt. Anwendungen werden oft im Bereich der Funkübertragung präsentiert. Die Verbindung mit Übertragung über Kupferkabel wird oft nur angedeutet und recht kurz dargestellt: Dieses Thema wurde in diesem Kapitel deshalb ausführlich beschrieben, um wichtige Zusammenhänge bei der Übertragung und Bewertung von Nutzsignal und Störung über einen beispielhaften – aber typischen und weit verbreiteten – Übertragungskanal herauszuarbeiten und zu verdeutlichen. Darstellungen dazu in englischsprachiger Fachliteratur findet man z. B. in [8, 9, 52, 62, 70].

4.8

Aufgaben

Aufgabe 4.1 (Ausgangssignal eines Kabels) Berechnen Sie das am Ende eines Kabels vorliegende Ausgangssignal, wenn als Sendesignal ein Rechteckimpuls der Amplitude U0 und der Dauer Ts angenommen wird und die

4.8

Aufgaben

375

Übertragungsfunktion des Kabels mit den ersten beiden Polen der rationalen Approximation (3.158) angenähert wird! Aufgabe 4.2 (Basisbandübertragung über ein Kabel mit NRZ-Impulsen) Ein  = 2 km langes Kupferkabel mit der Kennfrequenz f 0 = 0,178 MHz · km2 wird zum Zweck der Datenübertragung mit einer zufälligen, zweistufigen und unipolaren NRZImpulsfolge der Amplitude U0 = 5 V ohne Entzerrung betrieben. Die Kabelübertragungsfunktion soll durch den ersten Pol der rationalen Approximation angenähert werden. Die Rauschstörungen seien vernachlässigbar, d. h., es liegen sehr gute Übertragungsverhältnisse auf dem Kabel vor. a) Bei welcher Bitfolgefrequenz f B = 1/Ts schließt sich das Auge am Kabelausgang gerade? b) Welche Bitfolgefrequenz kann erreicht werden, wenn im realen Betriebsfall eine vertikale Augenöffnung von 30 % bzw. 50 % gefordert wird? Aufgabe 4.3 (Basisbandübertragung mit NRZ-Impulsen über linear entzerrtes Kabel und Empfangstiefpass zweiter Ordnung) Der Sender eines Basisbandübertragungssystems sendet ein unipolares, rechteckförmiges NRZ-Binärsignal u 0 (t) mit der Amplitude U0 und der Impulsbreite Ts aus. Das Nutzsignal wird über ein Kabel der Länge  = 2 km übertragen, das durch den ersten Pol der Kabelübertragungsfunktion (3.157) bei der Frequenz f k = f 1 hinreichend genau modelliert werde (Kabelkennfrequenz: f 0 = 0,178 MHz · km2 ). Auf dem Übertragungsweg wird das Nutzsignal durch weißes, gaußverteiltes Rauschen mit der konstanten spektralen Rauschleistungsdichte 0 (in V2 /Hz) gestört. Im Empfänger wird das empfangene Signal komplett durch die inverse Kabelübertragungsfunktion linear entzerrt. Das Empfangsfilter sei ein RC-Tiefpassfilter zweiter Ordnung (ein doppelt-reeller Pol bei der Grenzfrequenz ωg bzw. f g ). Zu bestimmen sind: a) der Empfangsgrundimpuls xe (t) am Erkennungspunkt und ein aus der Funktion des Empfangsnutzsignals u e (t) ergebendes Augendiagramm, b) die halbe vertikale Augenöffnung UA bei redundanzfreier Codierung als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g , c) die Funktion des Effektivwertquadrates UR2 des Rauschens am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g , d) das Signal-Rausch-Verhältnis  am Erkennungspunkt, ebenfalls als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g , e) das Signal-Rausch-Verhältnis  bei optimaler Empfangsfiltergrenzfrequenz f g opt mit den gegebenen Werten U0 = 5 V, Ts = 1 µs und 0 = 10−9 V2 /Hz sowie f) die Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb .

376

4.9

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Lösungen zu den Aufgaben

Lösung zu Aufgabe 4.1 Das Ausgangssignal am Ende eines Kabels kann vorteilhaft über den Bildbereich mit Hilfe der Laplace-Transformation berechnet werden. Dazu müssen die Laplace-Transformierte des Sendesignals und die Übertragungsfunktion des Kabels bekannt sein. Die Laplace-Transformierte eines Rechteckimpulses der Amplitude U0 und der Dauer Ts als Sendesignal lautet nach (4.11) X s ( p) =

 U0 U0 e− pTs U0  − = 1 − e− pTs . p p p

(4.98)

Die Kabelübertragungsfunktion lautet nach (3.158) bei Berücksichtigung von zwei Kabelpolen 1 1 G k ( p) = (4.99) mit T1 = 9 T2 . 2 (1 + pT1 ) (1 + pT2 ) Eine Umformung im Hinblick auf die inverse Laplace-Transformation ergibt G k ( p) =

1  2T p+ 1

1   1 T1 T2 p +

1 T2

=

1 · 2 T1 T2 p+

1 T1

1 

p+

1 T2

.

(4.100)

Unter Berücksichtigung der Verkopplung der Kabelpole nach (3.158) gilt T1 = 32 T2 = 9 T2 und es ergibt sich weiter G k ( p) =

9 · 2 T12 p+

1 T1

1 

p+

Nun wird über die Laplace-Rücktransformation . 1 − e− pTs −1 G k ( p) · xk (t) = U0 · L p ⎧ ⎨ U0 9 1   xk (t) = · L −1 2 ⎩p p+ 1 2 T1 p+ T1

9 T1

.



9 T1

 · 1 − e− pTs

(4.101)

⎫ ⎬ ⎭

unter Zuhilfenahme der Korrespondenz (s. Anhang D bzw. z. B. [11, 13, 74])   1 1   (a − b) + b e−at − a e−bt p( p + a)( p + b) ab(a − b)

(4.102)

4.9

Lösungen zu den Aufgaben

Abb. 4.73 Rechteckantwort des Kabels bei verschiedenen Verhältnissen von Symboldauer Ts zur Zeitkonstante des ersten Kabelpols T1

377

U0 2

xk (t) Ts /T1 ≈ 6,9 Ts /T1 ≈ 2,8

Ts /T1 ≈ 0,7

0 0

1

2

3

4

t/Ts

und des Verschiebungssatzes der Laplace-Transformation die Zeitfunktion des Empfangsimpulses zu7   U0 9 T12 T1 1 −9 Tt 9 − Tt 8 1 1 · 1(t)− . . . xk (t) = + e − e 2 T12 9 8 T1 T1 T1    8 1 −9 t−Ts 9 − t−Ts ... − + e T1 − e T1 · 1 (t − Ts ) . T1 T1 T1 berechnet. Nach Vereinfachen erhält man als Ergebnis   1 −9 Tt U0 9 − Tt 1 1 1+ e · 1(t)− . . . − e xk (t) = 2 8 8    s s 1 −9 t−T 9 − t−T T T 1 1 ... − 1 + e · 1 (t − Ts ) . − e 8 8

(4.103)

In Abb. 4.73 ist die ermittelte Rechteckantwort des Kabels für verschiedene Verhältnisse von Symboldauer Ts zur Zeitkonstante des ersten Kabelpols T1 dargestellt: Wird die Symboldauer Ts im Verhältnis zur Zeitkonstante T1 des ersten Kabelpols kleiner, so wird der Impuls xk (t) am Kabelausgang stärker verformt und es entstehen Intersymbolstörungen am Ausgang des Kabels. Die maximale Amplitude des Impulses am Kabelausgang beträgt U0 /2: Dies ist durch die rationale Kabelapproximation (3.158) bedingt und kann technisch so interpretiert werden, dass dies durch die Anpassung des Empfängereingangswidersstandes an den Wellenwiderstand des Kabels verursacht wird. Lösung zu Aufgabe 4.2 Die Laplace-Transformierte eines Rechteckimpulses der Amplitude U0 und der Dauer Ts als Sendesignal lautet nach (4.11) wieder X s ( p) =

 U0 U0 e− pTs U0  − = 1 − e− pTs . p p p

(4.104)

7 Für die praktische Ausführung der Rücktransformation werden vorteilhaft a = 9/T und b = 1/T 1 1

gewählt.

378

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Die Kabelübertragungsfunktion lautet nach (3.158) bei Berücksichtigung des ersten Kabelpols 1 2 2 1 G k ( p) = (4.105) mit T1 = 3 2 (1 + pT1 ) π f0 bzw. nach Umformung zur Vorbereitung der Laplace-Rücktransformation G k ( p) =

1 1 1  2 T1 p +

1 T1

.

(4.106)

Damit kann der am Ausgang des Kabels vorliegende Impuls als . 1 − e− pTs −1 G k ( p) · xk (t) = U0 · L p ⎫ ⎧ ⎨ ⎬  1 U0 1  · 1 − e− pTs  xk (t) = · L −1 ⎭ ⎩p p+ 1 2 T1 T1

geschrieben werden. Unter Verwendung der Korrespondenz (s. Anhang D bzw. z. B. [11, 13, 74])   1   1 1 − e−at (4.107) p( p + a) a und des Verschiebungssatzes der Laplace-Transformation ergibt sich die Zeitfunktion des Empfangsimpulses zu      s U0 1 − Tt − t−T T 1 1 · 1(t) − 1 − e · 1 (t − Ts ) · T1 1 − e xk (t) = 2 T1      s U0 − Tt − t−T T 1 1 1−e · 1 (t − Ts ) . xk (t) = · 1(t) − 1 − e 2 Die maximale Impulsamplitude am Kabelausgang beträgt U0 /2: Dies ist durch die rationale Kabelapproximation (3.158) bedingt und kann technisch so interpretiert werden, dass dies durch die Anpassung des Empfängereingangswidersstandes an den Wellenwiderstand verursacht wird. Die halbe vertikale Augenöffnung im optimalen Abtastzeitpunkt TA = Ts beträgt unter Verwendung von (2.34) – nun mit der maximal erreichbaren Amplitude U0 /2, der Zeitkonstante T1 des ersten Kabelpols und der Entscheidungsschwelle bei U0 /4 –     U0 U0 U0 1 − TTs − TTs 1 1 1−e − . (4.108) = −e UA = 2 4 2 2 a) Gesucht ist die Bitfolgefrequenz f B = 1/Ts , bei der sich das Auge gerade schließt, d. h. es gilt UA = 0 und man erhält

4.9

Lösungen zu den Aufgaben

  U0 1 − TTs 0= −e 1 2 2 1 − Ts 0 = − e T1 2 Ts 1 − e T1 = 2   Ts 1 − = ln T1 2

379

   ln (. . .) 

Ts = −T1 · ln 0,5. Mit den gegebenen Zahlenwerten erhält man T1 = 1,45 µs und damit Ts = 1,005 µs. Die maximale Bitfolgefrequenz, bei der sich das Auge vertikal gerade schließt, beträgt in diesem Fall 1 1 fB = = = 0,994 MHz. (4.109) Ts 1,005 · 10−6 s b) Im realen Betriebsfall muss das Auge für eine zuverlässige Erkennung zumindest teilweise geöffnet sein. Die maximale halbe vertikale Augenöffnung beträgt U0 /4. Soll das Auge vertikal zu 30 % geöffnet sein, so müssen mindestens 0,3 · U0 /4 zur Verfügung stehen. Die Rechnung lautet dann   U0 1 U0 − Ts = − e T1 0,3 · 4 2 2 1 0,3 − Ts = − e T1 2 2   1 0,3 0,7 − TTs  ln (. . .) e 1 = − =  2 2 2   Ts 0,7 − = ln T1 2 Ts = −T1 · ln 0,35. und man erhält für die erzielbare Bitfolgefrequenz fB =

1 1 = = 0,657 MHz. Ts 1,522 · 10−6 s

(4.110)

Bei geforderter vertikaler Augenöffnung von 50 % müssen mindestens 0,5 · U0 /4 verfügbar sein. Die Rechnung verläuft sinngemäß wie zuvor

380

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

  U0 U0 1 − TTs 0,5 · = −e 1 4 2 2 0,5 1 − Ts = − e T1 2 2 Ts 1 0,5 0,5 − e T1 = − = 2 2 2   Ts 0,5 − = ln T1 2

   ln (. . .) 

Ts = −T1 · ln 0,25. und man erhält für die erzielbare Bitfolgefrequenz fB =

1 1 = = 0,497 MHz. Ts 2,009 · 10−6 s

(4.111)

Es ist erkennbar, dass eine größere vertikale Augenöffnung über eine Verringerung der Bitfolgefrequenz f B erreicht werden kann: Bei geringerer Bitfolgefrequenz f B wird das Sendesignal weniger stark verformt und es verbleibt eine größere vertikale Augenöffnung zur Signalerkennung. Lösung zu Aufgabe 4.3 Diese Aufgabe kann vorteilhaft unter Nutzung der ausführlich hergeleiteten Beziehungen und Ergebnisse zur Basisbandübertragung von NRZ-Rechteckimpulsen über ein linear entzerrtes Kabel mit Empfangsfilterung mit RC-Tiefpass zweiter Ordnung im Kap. 4 und insbesondere in Anlehnung an den Abschnitt Numerisches Beispiel: Basisbandübertragung bei Kabel mit einem Pol gelöst werden. a) Die Zeitfunktion xe (t) des Empfangsgrundimpulses am Erkennungspunkt ergibt sich nach dem ausführlich hergeleiteten Ergebnis (4.16) zu xe (t) = U0

     s t − Ttg t − Ts − t−T − t − t−Ts 1 − e Tg − · 1(t) − 1 − e Tg − e e Tg · 1 (t − Ts ) . Tg Tg

(4.112) Sie ist in Abb. 4.13 dargestellt. Ein daraus beispielhaft entstehendes Augendiagramm des Empfangsnutzsignals u e (t) zeigt Abb. 4.14. b) Die halbe vertikale Augenöffnung ergibt sich nach (4.28) bzw. (4.29), dort mit Herleitung, als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g (bzw. der entsprechenden Zeitkonstante Tg = 1/(2π f g )) zu   T  T   T    T s s TA 1 Ts TTgs − TAg − TAg Tg Tg . (4.113) e −1 +e e −1 − − UA = U0 e e Tg Tg 2 Der optimale Abtastzeitpunkt ist nach (4.25) bzw. (4.26)

4.9

Lösungen zu den Aufgaben

381 Ts

e Tg

TA = Ts e

Ts Tg

−1

= Ts

e2π fg Ts . −1

(4.114)

e2π fg Ts

c) Die Funktion des Rauscheffektivwertquadrates UR2 am Erkennungspunkt als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g ist nach (4.45), dort mit Herleitung,   3 f g (4.115) UR2 = 2π 0 f g + 2 . fk Neben der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g geht die Frequenz f k des bei der Entzerrung berücksichtigten Kabelpols mit in die Rauschleistung ein. d) Für das Signal-Rausch-Verhältnis  am Erkennungspunkt, ebenfalls als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g (bzw. der entsprechenden Zeitkonstante Tg = 1/(2π f g )), erhält man nach (2.60) mit den Ergebnissen für die halbe vertikale Augenöffnung UA und die Rauschleistung UR2

=

UA2 UR2

=

U02

 T  T   T   T s s − TAg − TAg TA Tg Tg e e −1 +e −1 − Tg e   f3 2π 0 f g + f g2

Ts Tg

e

Ts Tg



2 −

1 2

, (4.116)

k

wobei praktisch nutzbare Ergebnisse nur bei vertikal geöffnetem Auge zu erwarten sind. Das Signal-Rausch-Verhältnis  ist für die gegebenen Zahlenwerte in Abb. 4.74 als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g dargestellt. Mit den vorgegebenen Zahlenwerten werden nachfolgend die numerischen Ergebnisse berechnet.

50 40



Abb. 4.74 Signal-RauschVerhältnis  als Funktion der Empfangsfiltergrenzfrequenz f g mit den in der Aufgabenstellung gegebenen Werten

30 20 10 0

0.5

1

fg (in MHz) →

1.5

2

382

4 Basisbandübertragung über linear verzerrenden Kanal

Optimale Empfangsfiltergrenzfrequenz (über Darstellung des Signal-Rausch-Verhältnisses  als Funktion von f g und Ablesen der optimalen Grenzfrequenz f g opt dort, wo das Signal-Rausch-Verhältnis maximal ist, s. Abb. 4.74): f g opt = 453 kHz. Frequenz des im Entzerrer berücksichtigen ersten Kabelpols nach (3.157): f k = 109,8 kHz Setzt man als Empfangsfiltergrenzfrequenz f g die optimale Grenzfrequenz f g opt = 453 kHz und als Frequenz des im Entzerrer berücksichtigten Kabelpols f k = 109,8 kHz in die gewonnenen Gleichungen ein, erhält man die weiteren numerischen Ergebnisse: ˆ 16,1378 dB UA = 1,4519 V, UR2 = 0,0513 V2 ,  = 41,0983 = e) Die Fehlerwahrscheinlichkeit für binäre Übertragung ergibt sich nach (2.80), dort mit Herleitung, zu      1 1   1 − erf = erfc . (4.117) Pf = 2 2 2 2 Bei binärer oder zweiwertiger Übertragung stimmt diese Wahrscheinlichkeit Pf dafür, dass ein empfangenes Symbol falsch bezüglich der Entscheidungsschwelle entschieden wird, mit der Bitfehlerwahrscheinlichkeit Pb überein. Als numerisches Ergebnis erhält man (z. B. bei Benutzung eines Computer-Algebra- oder Tabellenkalkulationsprogramms) Pf = 7,2549 · 10−11 . Verwendet man die Tabelle der erfc-Funktion in Anhang E, so ist zunächst das Argu√ ment x = /2 = 4,5329 zu berechnen. Als (groben) Wert erhält man durch Ablesen für x = 4,5 −→ erfc(x) = 1,97 · 10−10 und letztlich durch Division durch 2 den approximativen Wert Pf ≈ 9,85 · 10−11 für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit. Eine Verbesserung der Genauigkeit bei Benutzung der Tabelle der erfc-Funktion kann erzielt werden, wenn die in Tabellenwerken vorliegenden, auf mehrere Stellen nach dem Komma ausgearbeiteten, genaueren Tabellen verwendet werden.

5

Zusammenfassung und Ausblick

5.1

Zusammenfassung

In der Informationsgesellschaft stellen Kommunikationsnetze eine unverzichtbare Infrastruktur dar, auf der vielfältige Prozesse im Leben der Menschen basieren. Im aktuellen Zeitalter, in dem Informationsaustausch und Kommunikation eine wichtige und immer bedeutsamer werdende Rolle spielen, müssen umfangreiche Datenmengen bzw. Informationen über diese Netze – und damit über die durch sie bereitgestellten Übertragungskanäle – übertragen werden. Die Informationen können bereits digital vorliegen, oder sie sind ursprünglich analoger Natur – z. B. Sprache, Musik sowie Bilder und Videos – und werden dann in eine digitale Form überführt, da eine weitere Verarbeitung, Speicherung und Übertragung zum weitaus überwiegenden Teil effizient in digitaler Form geschieht. Daher kommt der Übertragung digitaler Signale eine herausragende Bedeutung zu. Die Aufgabe beim Entwurf eines Kommunikations- oder auch Nachrichtenübertragungssystems besteht dann darin, ein digitales Signal – das ggf. über eine Digitalisierung aus einem analogen Signal entstanden ist –, beispielsweise eine Folge von Bits, so aufzubereiten, dass es als kontinuierliches Signal mit möglichst großer bzw. geforderter Übertragungsrate, möglichst hoher Übertragungsqualität und bei möglichst geringem Energiebedarf über einen gegebenen Übertragungskanal übertragen werden kann. Das Übertragungsmedium bewirkt, dass das ausgesendete Signal durch eine Vielzahl von auf dem Übertragungsweg auf dieses Signal einwirkenden Störeffekten in seiner Form und seinen Eigenschaften beeinflusst wird. Der Empfänger muss trotz der auf das Signal einwirkenden Verzerrungen und Störungen in der Lage sein, das digitale Signal mit möglichst kleiner Fehlerwahrscheinlichkeit so zu rekonstruieren, dass eine qualitativ hochwertige Datendetektion möglich wird – und auf diese Weise eine hohe Übertragungsqualität sichergestellt werden kann. Das vorliegende Lehrbuch widmet sich anhand der Basisbandübertragung diesem Grundproblem der Nachrichtenübertragungstechnik, mit möglichst hoher Übertragungsrate und möglichst geringem Energieaufwand bei minimaler Wahrscheinlichkeit für eine Fehlent© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange und A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3_5

383

384

5 Zusammenfassung und Ausblick

scheidung im Empfänger Informationen über ein gegebenes Übertragungsmedium zu übertragen. Es wurden die Herangehensweisen und Möglichkeiten der Optimierung ausführlich und möglichst anschaulich und dabei theoretisch fundiert beschrieben. Nach einer wiederholenden Beschreibung wichtiger signal- und systemtheoretischer Zusammenhänge wurden die Grundlagen der Übertragung digitaler Signale über einen verzerrungsfreien Kanal mit Rauschstörungen eingeführt. Für den Übertragungskanal Kupferkabel wurden mit Hilfe elektrotechnischer und systemtheoretischer Betrachtungsweisen eine für die Analyse und Optimierung von Übertragungssystemen geeignete Beschreibungsform erarbeitet, die es gestattet, die Signalverzerrungen zu erfassen. Anschließend wurden Möglichkeiten ausführlich dargestellt und berechnet, die durch derartige Kupferkabel verursachten Signalverzerrungen zu kompensieren. Die Darstellungen sind so gehalten, dass sie von aktuellen Systemen – und damit deren eventueller Kurzlebigkeit – weitgehend unabhängig sind und der Schwerpunkt auf grundlegende nachrichtentechnische Zusammenhänge gelegt wird.

5.2

Ausblick

Trends in der Entwicklung von Kommunikations- bzw. Nachrichtennetzen zeigen, dass immer mehr Geräte vernetzt werden und die Übertragung immer größerer Datenmengen erforderlich wird. Dadurch werden immer höhere Anforderungen an die Übertragungsgeschwindigkeiten sowie an die Energieeffizienz von Nachrichtensystemen und damit insgesamt an die Leistungsfähigkeit der Übertragungssysteme gestellt. Der Übertragung mit großer Übertragungsrate und geringem Energiebedarf bei möglichst hoher Übertragungsqualität kommt damit derzeit und zukünftig eine große Bedeutung zu. Zu diesem Zweck wurden und werden eine Vielzahl von sehr leistungsfähigen und effizienten Übertragungsverfahren entwickelt. Beispiele für fortgeschrittene Übertragungstechniken sind eine Vielzahl von Entzerr- und Detektionsverfahren, digitale Übertragungsverfahren, die zudem Mehrträger- und Mehrkanalkonzepte nutzen, sowie Multiplextechniken zur Mehrfachausnutzung von Übertragungskanälen. Das vorliegende Buch bietet eine solide Basis, um Grundlagen der Übertragung digitaler Signale verstehen und anwenden zu können. Unter Zuhilfenahme von weitergehender Fachliteratur ist man dann in der Lage, sich in moderne, fortgeschrittene und zukünftig entstehende Nachrichtensysteme und Übertragungsverfahren einarbeiten und diese weiter ausgestalten und optimieren zu können. Die in diesem Buch behandelten Verfahren der Basisbandübertragung stellen die übertragungstechnischen Grundlagen für viele gegenwärtig – und zukünftig – genutzte Übertragungsverfahren dar. Während die hier betrachteten Verfahren die Anordnung der Signalpunkte nur auf der reellen Achse erlauben, gestattet es die Verschiebung eines solchen Basisbandsignals in den Bandpassbereich durch Modulation, komplexe Symbole bereits im Basisband zu nutzen. Solche komplexen Signalraumdiagramme ermöglichen eine bessere

5.2

Ausblick

385

Ausnutzung der Ressource Übertragungskanal und sie bilden beispielsweise die Grundlage für die vielfach verwendeten Verfahren der Funkübertragung. So bilden die in diesem Buch behandelten Grundlagen der Nachrichtenübertragungstechnik die Basis für moderne und fortgeschrittene Übertragungsverfahren der Mehrträger- und Mehrkanalübertragung, die in der leitungsgebundenen Übertragung bei den verschiedenen DSL-Systemen für Kupferkabel (Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL), Very HighSpeed Digital Sybscriber Line (VDSL) bis hin zum Vectoring und in der Standardisierung befindlichen DSL-Varianten), in der optischen Nachrichtenübertragung über Glasfaserleitungen mit z. B. Wellenlängenmultiplexverfahren (Wavelength Division Multiplex (WDM)) sowie in der Funkübertragung bei der Mehrantennentechnik (Multiple Input Multiple Output (MIMO)) praktische Anwendungen finden. Das Verständnis der Ausnutzung des Übertragungskanals hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten insbesondere mit der Einführung der MIMO-Technologie geändert. Basierend auf den schon in den 1970er Jahren erzielten Ergebnissen zur Mehrkanaltechnik, die ursprünglich zur Ausnutzung des Nebensprechens in vielpaarigen Kuperkabeln entwickelt wurde, konnte die Anwendung des MIMO-Prinzips weitere Freiheitsgrade zur Übertragung nutzbar machen – seit den 1990er Jahren insbesondere auch in der Funktechnik und in fortgeschrittenen DSL-Systemen. Die Nutzung dieser Freiheitsgrade gestattet eine verbesserte Ausnutzung von Übertragungsmedien und deshalb ist die MIMO-Technik seit dieser Zeit ein integraler Bestandteil von vielen gegenwärtigen und zukünftigen Übertragungsstandards. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Interferenz nicht immer eine störende Komponente bei der Datenübertragung sein muss, sondern durch fortgeschrittene Signalverarbeitung innerhalb eines MIMO-Systems vorteilhaft zur Verbesserung der Übertragungsgüte oder zur Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit genutzt werden kann. An die in diesem Lehrbuch behandelten Themen anschlussfähig ist – auch mit Blick auf die Trends – eine Vielzahl nachrichten- und kommunikationstechnischer Gebiete, z. B. die Modulation, um weitere Frequenzbereiche des Kabels flexibel ausnutzen bzw. auf den großen Komplex der Funkübertragung anwenden zu können, die Simulation von Nachrichten- und Kommunikationssystemen mit der dazu notwendigen digitalen Signalverarbeitung bis hin zur Gestaltung, Organisation und Optimierung von Kommunikationsnetzen. Dazu existiert eine Reihe von Lehrwerken in der nachrichtentechnischen Literatur, für deren Verständnis dieses Lehrbuch eine Grundlage legt.

Anhang A: Systemtheoretische Zusammenhänge in der Übersicht

In diesem Kapitel des Anhangs werden wichtige Zusammenhänge der Signal- und Systemtheorie kompakt dargestellt. Zunächst werden Signale und wichtige Kenngrößen und Eigenschaften angegeben. Die Signale werden dabei eingeteilt nach determinierten und zufälligen Zeitvorgängen. Anschließend werden einige Aspekte der Bewertung dieser Signalen durch lineare zeitinvariante Systeme präsentiert. Die Übersichten sind als kompakte Ergänzung zu den im Kap. 1 betrachteten Grundlagen der Signal- und Systemtheorie und damit z. B. auch zum Nachschlagen gedacht.

A.1 Signale Siehe Tab. A.1 und A.2.

A.2 Bewertung durch Systeme Siehe Tab. A.3 und A.4.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange and A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3

387

A

388

Anhang A: Systemtheoretische Zusammenhänge in der Übersicht

Tab. A.1 Systemtheoretische Zusammenhänge (Annahme: Leistungssignale) Determinierte Zeitvorgänge

Bezeichnung

Zufällige Zeitvorgänge

U ( f ) = F {u(t)} u(t) = F −1 {U ( f )}

Fourier-Transformation Fourier-Rücktransformation

( f ) = F {ψ(t)} ψ(τ ) = F −1 {( f )}

u(t)

Zeitfunktion (in V) (Leistungssignal)

Definiert, aber nicht durch Formel mathematisch beschreibbar

U ( f ) = F {u(t)} = +∞  u(t) e−j 2 π f t dt

Amplitudendichtespektrum ≡ Spannung je Hz Bandbreite in

Nicht definiert

ψ(τ ) = +T /2 1 

AKF = ψ(τ ) = +T Autokorreletationsfunktion (in  /2 u(t) · u(t + τ ) dt lim T1 V2 ), beschreibt zeitliche T →∞ −T /2 Abhängigkeiten innerhalb einer Funktion u(t)

−∞

T

−T /2

u(t) · u(t + τ ) dt

V Hz

( f ) = T1 U ( f ) · U ∗ ( f ) = 1 2 T |U ( f )|

Leistungsdichtespektrum (an ( f ) =  R = 1 ) ≡ (Effektivwert)2 je +∞ ψ(τ ) e−j 2 π f τ dτ 2 V Hz Bandbreite in Hz −∞ ψ(τ ) = F −1 {( f )} Wiener-Chintschin-Theorem

ψ(0) = u 2eff = +T /2 1  u 2 (t) dt = T

(Effektivwert)2 (in V2 ) ≡ quadratischer Mittelwert ≡ Leistung (an R = 1 )

−T /2 +∞ 

−∞

( f ) d f (aus

Parseval-Theorem) ψ1,2 (τ ) = +T /2 1  u (t) · u (t + τ ) dt 1 2 T −T /2

ψ(0) = u 2eff = +T  /2 2 lim T1 u (t) dt = T →∞ +∞  −∞

−T /2

( f ) d f (aus

Parseval-Theorem) KKF = ψ1,2 (τ ) = +T Kreuzkorreletationsfunktion (in  /2 u 1 (t) · u 2 (t + lim T1 V2 ), beschreibt zeitliche T →∞ −T /2 Abhängigkeiten zwischen zwei τ ) dt Funktionen u 1 (t) und u 2 (t)

A.2 Bewertung durch Systeme

389

Tab. A.2 Systemtheoretische Zusammenhänge (Annahme: Energiesignale) Determinierte Zeitvorgänge

Bezeichnung

Zufällige Zeitvorgänge

U ( f ) = F {u(t)} u(t) = F −1 {U ( f )}

Fourier-Transformation Fourier-Rücktransformation

Nicht definiert Nicht definiert

u(t)

Zeitfunktion (in V) (Energiesignal)

Nicht definiert

U ( f ) = F {u(t)} = +∞  u(t) e−j 2 π f t dt

Amplitudendichtespektrum ≡ Spannung je Hz Bandbreite in

Nicht definiert

−∞

ψ(τ ) =

+∞  −∞

u(t) · u(t + τ ) dt

( f ) = U ( f ) · U ∗ ( f ) = |U ( f )|2 ψ(0) = +∞  −∞

+∞  −∞

u 2 (t) dt =

V Hz

AKF = Nicht definiert Autokorreletationsfunktion (in V2 s), beschreibt zeitliche Abhängigkeiten innerhalb einer Funktion u(t) Energiedichtespektrum (an R = 1 ) ≡ Energie je Hz

Nicht definiert

2 Bandbreite in (Vs) Hz

(Impuls-) Energie (an R = 1 ) Nicht definiert (in V2 s)

( f ) d f (aus

Parseval-Theorem) ψ1,2 (τ ) = +∞  u 1 (t) · u 2 (t + τ ) dt

−∞

KKF = Nicht definiert Kreuzkorreletationsfunktion (in V2 s), beschreibt zeitliche Abhängigkeiten zwischen zwei Funktionen u 1 (t) und u 2 (t)

Tab. A.3 Bewertung von determinierten und zufälligen Signalen durch Systeme Determinierte Zeitvorgänge

Zufällige Zeitvorgänge

U2 (ω) = U1 (ω) · G(ω) u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t)

2 (ω) = 1 (ω) · |G(ω)|2 ψ2 (τ ) = ψ1 (τ ) ∗ ψg (τ )

g(t) = F −1 {G(ω)} Gewichtsfunktion (in 1/s bzw. Hz)

Autkorrelationsfunktion (AKF) der Gewichtsfunktion g(t): +∞  g(t) · g(t + τ ) dt ψg (τ ) = −∞

390

Anhang A: Systemtheoretische Zusammenhänge in der Übersicht

Tab. A.4 Zusammenhänge bei Multiplikation im Frequenz- und Zeitbereich Multiplikation im Frequenzbereich

Multiplikation im Zeitbereich

U2 (ω) = U1 (ω) · G(ω) u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t) 2 (ω) = 1 (ω) · |G(ω)|2

u 3 (t) = u 1 (t) · u 2 (t) 1 U (ω) ∗ U (ω) U3 (ω) = 2π 1 2 oder U3 ( f ) = U1 ( f ) ∗ U2 ( f )

ψ2 (τ ) = ψ1 (τ ) ∗ ψg (τ )

A.3 Charakteristische Zeitfunktionen

391

A.3 Charakteristische Zeitfunktionen A.3.1 Einige Basis-Zeitfunktionen Stoß

δ(t)

 

Gleichspannung

1V

 

Sprung

1(t)

 

+∞ 

δ(t) dt = 1

V 1 Hz

mit

2 π δ(ω)

mit

1 2π

mit

1(t) =

1 jω

+ π δ(ω)

−∞

+∞ 

−∞

2 π δ(ω) dω = 1 t −∞

δ(τ ) dτ

A.3.2 Einige weitere gebräuchliche Zeitfunktionen Rechteckimpuls  u(t) =

U0 f¨uur |t| ≤ 0 f¨uur |t| >

TR 2 TR 2

    U (ω) = U0 · TR · si ω TR 2

Gaußimpuls

u(t) = U0 e− ln(2)( τ ) t

mit τ =

2

√  2 ω   U (ω) = U0 2 π ln(2) e− ln(2) ωG ωG

2 ln 2 ωG

Periodische Stoßfolge u(t) = C ·

+∞  m=−∞

δ(t − m T0 )  

U (ω) = C ·

ω0 2π

bzw. U ( f ) = C · f0 mit Periodendauer T0 =

1 f0

=

2π ω0

+∞  n=−∞ +∞  n=−∞

δ(ω − n ω0 )

δ( f − n f 0 )

B

Anhang B: Dimensionen in der Signal- und Systemtheorie

B.1 Dimensionen in der Signaltheorie B.1.1 Einige Grundlagen Um der physikalischen Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen, werden alle determinierten Signale in diesem Buch als Spannungen u(t) (in V) aufgefasst. Über die FourierTransformation erhält man daraus das Amplitudendichtespektrum +∞ u(t) e−j2π f t dt U( f ) =

 in

−∞

 V bzw. Vs . Hz

(B.1)

Zufällige Zeitvorgänge werden mit Hilfe der Autokorrelationsfunktion ψ(τ ) (in V2 ) beschrieben, die über die Fourier-Transformation +∞ ψ(τ ) e−j2π f τ dτ ( f ) = −∞



 V2 2 in bzw. V s Hz

(B.2)

mit dem Leistungsdichtespektrum ( f ) verknüpft ist. In diesem Buch wird eine signaltheoretische Leistung der Dimension (Spannung)2 mit der Einheit (Volt)2 verwendet. An einem reellen, konstanten Widerstand ist diese Größe proportional zur physikalischen Leistung mit der Einheit Watt. Als Leistungsdichte wird dementsprechend die quadratische Amplitudendichte (in V2 /Hz) bezeichnet. Im Folgenden werden zwei charakteristische Funktionen kurz vorgestellt.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange and A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3

393

394

Anhang B: Dimensionen in der Signal- und Systemtheorie

Zeitstoß Als Stoß im Zeitbereich wird die Funktion u(t) = A · δ(t)

(B.3)

bezeichnet. Dabei ist A die Fläche des Stoßes (das Stoßintegral [31]). Mit der Definition 

+∞ δ(t) dt = 1

−→

δ(t)

−∞

in

1 bzw. Hz s

 (B.4)

ergibt sich, dass der Zeitstoß die Einheit (1/s) besitzt. Der Wert A (interpretierbar als Fläche) muss dann die Einheit Vs bzw. V/Hz haben, damit u(t) in (B.3) die geforderte Dimension einer Spannung (in der Einheit V) aufweist. Das Spektrum eines beispielhaften Zeitstoßes von V · δ(t) (B.5) u(t) = A · δ(t) = 1 Hz ist somit eine Konstante (A = 1 V/Hz) im Frequenzbereich von U( f ) = 1

V . Hz

(B.6)

Frequenzstoß Als Stoß im Frequenzbereich wird (analog zum Zeitstoß) die Funktion U ( f ) = B · δ( f )

(B.7)

bezeichnet. Dabei ist B die Fläche des Stoßes (das Stoßintegral [31]). Mit der Definition +∞ δ( f ) df = 1 −∞

−→

  1 δ( f ) in bzw. s Hz

(B.8)

ergibt sich, dass der Frequenzstoß die Einheit (1/Hz) besitzt. Der Wert B (interpretierbar als Fläche des Stoßes im Frequenzbereich) muss dann die Einheit V = V/Hz · Hz haben, damit U ( f ) in (B.7) die geforderte Dimension einer Amplitudendichte (in der Einheit V/Hz) aufweist. Das Spektrum einer beispielhaften Gleichspannung von u(t) = 1 V

(B.9)

U ( f ) = B · δ( f ) = 1 V · δ( f ).

(B.10)

ist somit ein Stoß im Frequenzbereich:

B.1 Dimensionen in der Signaltheorie

395

B.1.2 Übersicht Definition: 1 s =

1 Hz

V u(t) in V   U (ω) in Hz bzw. Vs, da U (ω) =

+∞  −∞

2 2 ψ(τ ) in V2   (ω) in V Hz bzw. V s, da (ω) =

u(t) e−jωt dt

+∞ 

−∞

ψ(τ ) e−jωτ dτ

Zeitstoß u(t) = A · δ(t)

(V) = (Vs) · 1s

Definition:

+∞  −∞

δ(t) dt = 1 =⇒ δ(t) in

1 s

A = Fl¨ache des Stoßes (im Zeitbereich) =⇒ Spektrum einer Stoßfunktion: V V u(t) = 1 Hz · δ(t)   1 Hz = U( f )

Frequenzstoß +∞  1 U ( f ) = B · δ( f ) Definition: δ( f ) d f = 1 =⇒ δ( f ) in Hz bzw. s −∞

V V 1 B = Fl¨ache des Stoßes (im Frequenzbereich) Hz = Hz · Hz · Hz +∞  =⇒ δ( f ) d f = 1 −∞

Spektrum einer Gleichspannung von 1 V: V U ( f ) = 1 V · δ( f ) = 1 Hz Faltung +∞  u 1 (τ ) · u 2 (t − τ ) dτ u 1 (t) ∗ u 2 (t) = −∞

2 V = (V) · (V) · (s)

Übertragungsfunktion 2 (ω) G(ω) = U U1 (ω)

V V ÷ Hz (1) = Hz

 

Systemantwort (Gewichtsfunktion) +∞  1 g(t) = 2π G(ω) ejωt dω −∞

(Hz) bzw. 1s V Stoßantwort: u(t) = 1 Hz · g(t)

396

Anhang B: Dimensionen in der Signal- und Systemtheorie

B.2 Dimensionen in der Systemtheorie B.2.1 Einige Grundlagen Determinierte Signale In Abb. B.1 ist ein System mit determinierten Ein- und Ausgangsgrößen jeweils im Zeitund Frequenzbereich dargestellt. Die Übertragungsfunktion wird in der Form U2 ( f ) (B.11) G( f ) = U1 ( f ) benutzt; sie ist daher dimensionslos. Über die Fourier-Transformation ist die Übertragungsfunktion mit der Gewichtsfunktion +∞ g(t) = G( f ) ej2π f t df −∞

  1 in Hz bzw. s

(B.12)

verknüpft. Die Ein-Ausgangsbeziehung des in Abb. B.1 dargestellten Systems lautet im Frequenzbereich U2 ( f ) = G( f ) · U1 ( f ). (B.13) Da G( f ) dimensionlos ist, ruft die am Eingang des Systems vorliegende Amplitudendichte U1 ( f ) (in V/Hz) ebenfalls eine Amplitudendichte U2 ( f ) (in V/Hz) am Ausgang hervor. Im Zeitbereich ist die Ein-Ausgangsbeziehung für lineare, zeitinvariante Systeme über die Faltung +∞ g(τ ) · u 1 (t − τ ) dτ (B.14) u 2 (t) = g(t) ∗ u 1 (t) = −∞

definiert. Da die Faltungsoperation dimensionsbehaftet ist, wird auch hier die am Eingang vorliegende Spannung u 1 (t) (in V) in eine Ausgangsspannung u 2 (t) (in V) abgebildet: g(t) (in 1/s) multipliziert mit der Einheit (s) aus dem Faltungsintegral kürzt sich heraus und es verbleibt die Dimension von u 1 (t) (in V) für das Ergebnis u 2 (t) (in V). Beaufschlagt man das System g(t) mit einem Stoß u 1 (t) = A δ(t)

Abb. B.1 Zur Definition eines Systems mit determinierten Ein- und Ausgangsgrößen

(B.15)

u1 (t)

u2 (t) g(t) ◦−• G(f)

U1 (f)

U2 (f)

B.2 Dimensionen in der Systemtheorie

397

als Eingangssignal, so erhält man die Stoßantwort u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t)

(B.16)

u 2 (t) = A δ(t) ∗ g(t)

(B.17)

u 2 (t) = A · g(t)

(B.18)

als Signal am Ausgang des Systems. Gewichtsfunktion und Stoßantwort unterscheiden sich lediglich durch den Faktor A; dieser ist jedoch dimensionbehaftet. Es ist deshalb zu beachten, dass die Gewichtsfunktion g(t) als Systemcharakteristik, bei dimensionsloser Übertragungsfunktion G( f ), die Dimension (Zeit)−1 aufweist; dagegen hat die Stoßantwort als Reaktion des Systems auf einen Stoß am Eingang die Dimension des Eingangssignals (hier also in der Einheit V). Insofern sind die Begriffe Gewichtsfunktion und Stoßantwort zu unterschieden und nicht synonym zu verwenden.

Zufällige Signale Die Ein-Ausgangsbeziehung bei zufälligen Größen (s. Abb. B.2) lautet im Frequenzbereich 2 ( f ) = |G( f )|2 · 1 ( f ).

(B.19)

Da G( f ) dimensionlos ist (und damit auch |G( f )|2 ), ruft die am Eingang des Systems vorliegende Leistungsdichte (bzw. quadratische Amplitudendichte) 1 ( f ) (in V2 /Hz) ebenfalls eine Leistungsdichte 2 ( f ) (in V2 /Hz) am Ausgang hervor. Im Zeitbereich ist die Ein-Ausgangsbeziehung über die Faltung +∞ ψ2 (τ ) = ψg (τ ) ∗ ψ1 (τ ) = ψg (t) · ψ1 (t − τ ) dt

(B.20)

−∞

mit

+∞ g(t) · g(t + τ ) dt ψg (τ ) =

(B.21)

−∞

als Autokorrelationsfunktion der Gewichtsfunktion g(t) definiert. In (B.21) kürzt sich die Einheit eines g(t) (in 1/s) gegen die Einheit (s) des dt aus dem Faltungsintegral und es verbleibt die Dimension von g(t) (in 1/s) für das Ergebnis ψg (τ ) (in 1/s). Damit hat in (B.20) ψg (τ ) die Einheit (1/s), die sich gegen die Einheit (s) des dt aus dem Faltungsintegral kürzt und es verbleibt als Einheit für das Ergebnis ψ2 (τ ) die Einheit der Autokorrelationsfunktion ψ1 (τ ) des Eingangssignals (V2 ).

398

Anhang B: Dimensionen in der Signal- und Systemtheorie

Abb. B.2 Zur Definition eines Systems mit zufälligen Einund Ausgangsgrößen

ψ1 (τ )

ψ2 (τ ) g(t) ◦−• G(f)

Ψ1 (f)

B.2.2 Übersicht u 2 (t) = u 1 (t) ∗ g(t)

(V) = (V) · 1s · (s)

(‡)

2 2 (ω)   =12 (ω)  · |G(ω)| 2 V V 2 Hz = Hz · 1

(‡)

 

+∞  1 ψ(τ ) = 2π (ω) ejωτ dω −∞

2  V2  V = Hz · (Hz)

ψ2 (τ ) = ψ1 (τ ) ∗ ψg (τ )

2 2 1 V = V · s · (s) (‡) +∞  mit ψg (τ ) = g(t) · g(t + τ ) dt 1

1 1 −∞ s = s · s · (s) (AKF der Systemantwort)

Anmerkung: Die letzte Einheit (s) entstammt dem Faltungsintegral.

Ψ2 (f)

C

Anhang C: Fourier-Transformation

C.1 Definition: Fourier-Transformation Die Fourier-Transformierte einer Zeitfunktion u(t) ist als +∞ U (ω) = F {u(t)} = u(t) e−jωt dt

(C.1)

−∞

definiert. Die Fourier-Rücktransformation lautet u(t) = F

−1

1 {U (ω)} = 2π

+∞ U (ω) ejωt dω.

(C.2)

−∞

Wird die Frequenz f anstelle der Kreisfrequenz ω = 2π f verwendet, erhält man eine symmetrische Form der Fourier-Transformation mit +∞ u(t) e−j2π f t dt U ( f ) = F {u(t)} =

(C.3)

−∞

und u(t) = F

−1

+∞ {U ( f )} = U ( f ) ej2π f t d f .

(C.4)

−∞

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange and A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3

399

400

Anhang C: Fourier-Transformation

Tab. C.1 Auswahl einiger Korrespondenzen der Fourier-Transformation bei Frequenzvariable f (mit U0 in V und T in s) u(t)

U ( f ) = F {u(t)}

U0

U0 δ( f )

U0 T δ(t)

U0 T

U0 cos(2 π f 0 t)

U0 2 (δ( f − f 0 ) + δ( f + f 0 )) U0 2 j (δ( f − f 0 ) − δ( f + f 0 ))

U0 sin(2 π f 0 t) U0 ej 2 π f 0 t

U0 rect Tt

U0 δ( f − f 0 ) U0 T si (π f T )

Tab. C.2 Auswahl einiger Korrespondenzen der Fourier-Transformation bei Frequenzvariable ω (mit U0 in V und T in s) U (ω) = F {u(t)}

u(t) U0

U0 2π δ(ω)

U0 T δ(t)

U0 T

U0 cos(ω0 t)

U0 π (δ(ω − ω0 ) + δ(ω + ω0 ))

U0 sin(ω0 t) U0 ej ω0 t

U0 rect Tt

U0 j π (δ(ω − ω0 ) − δ(ω + ω0 ))

U0 2π δ(ω − ω0 )   U0 T si ω2T

C.2 Gesetze und Rechenregeln der Fourier-Transformation Verschiebungssatz Faltungssatz

Differentiationssatz Integrationssatz

U (ω − ω0 )   u(t) · ejω0 t u(t − t0 )   U (ω) · e−jω0 t U1 (ω)   u 1 (t) ; U2 (ω)   u 2 (t) u 1 (t) · u 2 (t)   21π U1 (ω) ∗ U2 (ω) U1 (ω) · U2 (ω)   u 1 (t) ∗ u 2 (t) d   jω · U (ω) dt u(t)

t 1 u(τ ) dτ   U (ω) jω + π δ(ω)

−∞

C.3 Korrespondenzen der Fourier-Transformation In Tab. C.1 und Tab. C.2 sind ausgewählte Korrespondenzen der Fourier-Transformation zusammengestellt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Korrespondenzen, die im vorlie-

C.3 Korrespondenzen der Fourier-Transformation

401

genden Buch verwendet wurden; es sind zudem einige weitere wichtige Korrespondenzen mit aufgenommen worden. Sie – und viele weitere – können z. B. [11, 74] oder anderen vergleichbaren Werken entnommen werden.

D

Anhang D: Laplace-Transformation

D.1 Definition: Laplace-Transformation Die Laplace-Transformierte einer Zeitfunktion u(t) ist als ∞ U ( p) = L {u(t)} =

u(t) e− p t dt

(D.1)

0

definiert. Die Laplace-Rücktransformation lautet u(t) = L

−1

1 {U ( p)} = j2π

σ +j∞

U ( p) e p t d p.

(D.2)

σ −j∞

Bei der Laplace-Transformation sind – anders als bei der Fourier-Transformation – auch ansteigende Zeitfunktionen zugelassen. Für Zeiten t < 0 muss jedoch die Bedingung u(t) = 0 eingehalten werden (einseitige Laplace-Transformation). Da in diesen Buch im Zusammenhang mit der Laplace-Transformation ausschließlich einseitige Zeitfunktionen mit der Eigenschaft x(t) = 0

f¨ur t < 0

betrachtet werden, wird, sofern keine Verwechslungsgefahr besteht, auf den Zusatz 1(t) verzichtet. Insofern werden die Schreibweisen x(t)

und

x(t) · 1(t)

sowie x(t − t0 )

und

x(t − t0 ) · 1(t − t0 )

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange and A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3

403

404

Anhang D: Laplace-Transformation

gleichberechtigt verwendet.

D.2 Gesetze und Rechenregeln der Laplace-Transformation Die folgenden Sätze bzw. Rechenregeln können oftmals das praktische Rechnen bei der Laplace-Transformation sowie den Umgang mit Laplace-Transformierten erleichtern. Die Bezeichnungen der Sätze beziehen sich auf die mathematischen Operationen, die an den Zeit- (bzw. Original-) funktionen vorgenommen werden. Additionssatz

L {a1 u 1 (t) + a2 u 2 (t)} = a1 L {u 1 (t)} + a2 {L u 2 (t)}

(D.3)

Die Transformation ist linear. Faltungssatz

L

⎧ t ⎨ ⎩

u 1 (t − τ ) u 2 (τ ) dτ

⎫ ⎬ ⎭

= L {u 1 (t)} · {L u 2 (t)}

(D.4)

0

Dem Faltungsprodukt im Orignalbereich entspricht das (gewöhnliche) Produkt im Bildbereich. Integrationssatz

L

⎧ t ⎨ ⎩

u(τ ) dτ

⎫ ⎬ ⎭

=

1 1 L {u(t)} = U ( p) p p

(D.5)

0

Die Integration im Originalbereich entspricht der Division durch p im Bildbereich. Differentiationssatz   L u (n) (t) = pn U ( p) − pn−1 u 0 − . . . − p u 0(n−2) − u (n−1) 0 (ν)

Dabei gilt u 0 = lim

t→+0

(D.6)

dν u(t) dt ν .

Verschiebungssatz

L {u(t − b)} = e−bp L {u(t)}

(D.7)

D.2 Gesetze und Rechenregeln der Laplace-Transformation

405

Ähnlichkeitssatz

L {u(at)} =

1  p U a a

f¨ur

a>0

(D.8)

Dämpfungssatz   L e−at u(t) = U ( p + a)

(D.9)

Tab. D.1 Auswahl einiger Korrespondenzen bei Anwendung der einseitigen Laplace-Transformation u(t)

U ( p) = L {u(t)}

1(t)

1 p

e−at t tn 1 − Tt T e 1

−at a 1−e t 1 − e− T

t e−at 1 1 − e−at − at e−at a2   1 −at − e−bt b−a e  1 −at − b e−bt a−b a e  1 −at − a e−bt ab(a−b) (a − b) + b e e−t/T1 −e−t/T2 T2 −T1 1 sin(at) a

cos(at) 1 a sinh(at)

cosh(at)

1 p+a 1 p2 n! p n+1 1 1+ pT 1 p( p+a) 1 p(1+ pT ) 1 ( p+a)2 1 p( p+a)2 1 ( p+a)( p+b) p ( p+a)( p+b) 1 p( p+a)( p+b) 1 (1+ pT1 )(1+ pT2 ) 1 p 2 +a 2 p p 2 +a 2 1 p 2 −a 2 p p 2 −a 2

δ(t)

1

δ(t − T )

e− pt

δ (n) (t)

pn

406

Anhang D: Laplace-Transformation

Multiplikationssatz   L t n u(t) = (−1)n U (n) ( p)

f¨ur

n = 1, 2, . . .

(D.10)

D.3 Korrespondenzen der Laplace-Transformation In Tab. D.1 sind ausgewählte Korrespondenzen der Laplace-Transformation zusammengestellt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Korrespondenzen, die im vorliegenden Buch verwendet wurden; es sind zudem einige weitere wichtige Korrespondenzen mit aufgenommen worden. Sie – und viele weitere – können z. B. [11, 13, 74] oder anderen vergleichbaren Werken entnommen werden.

E

Anhang E: Fehlerfunktion erf(x) und komplementäre Fehlerfunktion erfc(x)

E.1 Definitionen und Eigenschaften Das nicht geschlossen lösbare Integral 2 erf(x) = √ π

x

e−t dt 2

(E.1)

0

wird als Gaußsche Fehlerfunktion (error function) bezeichnet. Einige Eigenschaften dieser Funktion sind erf(−x) = − erf(x)

(ungerade Funktion)

erf(−∞) = − 1 erf(∞) = 1 erf(0) = 0 d 2 2 erf(x) = √ e−x dx π Oft wird in diesem Zusammenhang auch die komplementäre Fehlerfunktion 2 erfc(x) = 1 − erf(x) = √ π



e−t dt 2

(E.2)

x

mit den Eigenschaften

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407

408

Anhang E: Fehlerfunktion erf(x) und komplementäre Fehlerfunktion erfc(x)

Abb. E.1 Verlauf der Funktionen y = erf(x) und y = erfc(x)

erfc(−x) = 2 − erfc(x) erfc(−∞) = 2 erfc(∞) = 0 verwendet. Abb. E.1 veranschaulicht den Verlauf der Gaußschen Fehlerfunktion erf(x) und der komplementären Gaußschen Fehlerfunktion erfc(x).

E.2 Berechnungsmöglichkeiten und Näherungen Berechnet werden kann die Gaußsche Fehlerfunktion erf(x) – sowie die zu ihr komplementäre Funktion erfc(x) – praktisch • mit Hilfe von Tabellen oder • über Näherungen, die zumeist durch Reihenentwicklungen entstehen. Einige Zahlenwerte für die Funktion erfc(x) sind in Tab. E.1 angegeben. Die Funktion erf(x) kann in die Reihe ∞

k 2k+1 2 2  2 x erf(x) = √ e−x (2k + 1)!! π

(E.3)

k=0

entwickelt werden. Einige für die praktische Berechnung der Funktion erf(x) wichtige Näherungen sind:

E.2 Berechnungsmöglichkeiten und Näherungen

409

Tab. E.1 Einige Zahlenwerte der Funktion erfc(x) x

erfc(x)

x

erfc(x)

x

erfc(x)

0

1

2,0

0,004678

4,0

1,54 · 10−8

0,1

0,8875

2,1

0,002979

4,1

6,70 · 10−9

0,2

0,7773

2,2

0,001863

4,2

2,86 · 10−9

0,3

0,6714

2,3

0,001143

4,3

1,19 · 10−9

0,4

0,5716

2,4

0,000688

4,4

4,89 · 10−10

0,5

0,4795

2,5

0,000407

4,5

1,97 · 10−10

0,6

0,3961

2,6

0,000236

4,6

7,75 · 10−11

0,7

0,3222

2,7

0,000134

4,7

2,99 · 10−11

4,8

1,14 · 10−11

0,8

0,2579

2,8

7,50 · 10−5

0,9

0,2031

2,9

4,11 · 10−5

4,9

4,22 · 10−12

5,0

1,54 · 10−12

1,0

0,1573

3,0

2,21 · 10−5

1,1

0,1198

3,1

1,65 · 10−5

5,1

5,49 · 10−13

5,2

1,93 · 10−13

1,2

0,0897

3,2

6,03 · 10−6

1,3

0,0659

3,3

3,06 · 10−6

5,3

6,62 · 10−14

5,4

2,23 · 10−14

1,4

0,0477

3,4

1,52 · 10−6

1,5

0,0339

3,5

7,43 · 10−7

5,5

7,33 · 10−15

3,6

3,56 · 10−7

5,6

2,33 · 10−15

5,7

7,77 · 10−16

1,6

0,0237

1,7

0,0162

3,7

1,67 · 10−7

1,8

0,0109

3,8

7,70 · 10−8

5,8

2,22 · 10−16

3,9

3,48 · 10−8

5,9

1,11 · 10−16

1,9

0,0072

1 −x 2 erf(x) ≈ 1 − √ f¨ur x >4 e πx 1 −x 2 erf(x) ≈ − 1 + √ f¨ur x < −4 e πx 2 erf(x) ≈ √ x f¨ur x →0 π   1 3 1 1 2 erf(x) ≈ 1 − √ |x| ≥ 5 − 3 + 5 e−x f¨ur 2x 4x π x Eine Potenzreihenentwicklung lautet

410

Anhang E: Fehlerfunktion erf(x) und komplementäre Fehlerfunktion erfc(x) ∞ 2  (−1)k x 2k+1 erf(x) = √ k! (2k + 1) π k=0   2 x3 x5 x7 x9 erf(x) = √ x− + − + − ... . 3 10 42 216 π

E.3 Beziehungen zu anderen Funktionen Die beiden Funktionen erf(x) und erfc(x) stehen in enger Beziehung zur Funktion 1 Q(x) = √ 2π



t2

e− 2 dt

(E.4)

x

und zum Gaußschen Fehlerintegral (Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung) 1 (x) = √ 2π

x

t2

e− 2 dt.

−∞

Die gegenseitigen Umrechnungsbeziehungen lauten   x 1 Q(x) = erfc √ 2 2  √  erfc(x) = 2 Q x · 2 und

   x 1 1 + erf √ 2 2  √  erf(x) = 2 x · 2 − 1. (x) =

(E.5)

F

Anhang F: Mathematische Formeln und Zusammenhänge

F.1 Hyperbelfunktionen Sinus hyperbolicus sinh x =

e x − e−x 2

(F.1)

Cosinus hyperbolicus

e x + e−x 2 Zusammenhang von Sinus hyperbolicus und Cosinus hyperbolicus cosh x =

cosh2 x − sinh2 x = 1

(F.2)

(F.3)

Tangens hyperbolicus tanh x =

sinh x cosh x

(F.4)

Cotangens hyperbolicus cosh x 1 = (F.5) sinh x tanh x Die Hyperbelfunktionen werden auch als hyperbolische Funktionen bezeichnet. Die hyperbolische Kosinusfunktion cosh x entspricht der Kettenlinie (auch: Seilkurve oder Katenoide) und beschreibt mathematisch die Kurve, die eine an ihren Enden aufgehängte Kette (bzw. ein Seil) unter dem Einfluss der Schwerkraft aufweist. coth x =

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Lange and A. Ahrens, Übertragungstechnik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41738-3

411

412

Anhang F: Mathematische Formeln und Zusammenhänge

F.2 Integrale Es sind in diesem Abschnitt Integrale zusammengestellt, die im Buch verwendet werden. Sie – und viele weitere – können z. B. [11, 74] oder anderen vergleichbaren Werken entnommen werden. 1 1 x dx = arctan + C (F.6) 2 2 a +x a a 1 x x 1 arctan + C + (F.7)

2 dx = 2 2 2 3 2 a (a + x ) 2 a a a2 + x 2 x 1 x x2 + arctan + C (F.8)

2 dx = − 2 2 2 (a + x ) 2 a a a2 + x 2 ∞ 0

e−a

2x2

dx =

√ π 2a

cos ax dx =

f¨ur

a>0

1 sin ax + C a

(F.9)

(F.10)

F.3 Trigonometrische Beziehungen Sinus sin x =

1 jx e − e−jx 2j

(F.11)

cos x =

1 jx e + e−jx 2

(F.12)

Cosinus

Zusammenhang von Sinus und Cosinus cos2 x + sin2 x = 1  π (Bogenmaß) sin x = cos x − 2 Einige Additions- und Multiplikationstheoreme cos x · cos y =

1 (cos(x − y) + cos(x + y)) 2

1 (cos(x − y) − cos(x + y)) 2     x−y x+y cos sin x + sin y = 2 sin 2 2 sin x · sin y =

cos (α − β) = cos (α) cos (β) + sin (α) sin (β)

(F.13) (F.14)

(F.15) (F.16) (F.17) (F.18)

G

Anhang G: Zur Definition der Frequenz

Eine Kosinusschwingung kann entsprechend u(t) = U0 cos(ω0 t) = U0 cos(2π f 0 t) =

U0 jω0 t e + e−jω0 t 2

(G.1)

durch zwei rotierende Drehzeiger mit entgegengesetzter Drehrichtung dargestellt werden (s. Abb. G.1). Definition: Die Kreisfrequenz dϕ ω0 = 2π f 0 = (G.2) dt ist die Winkelgeschwindigkeit von Drehzeigern. Damit gehören zu einer Kosinusschwingung immer zwei Frequenzen, die positive Frequenz + f 0 (bzw. +ω0 ) und die negative Frequenz − f 0 (bzw. −ω0 ). Die Resultierende beider Drehzeiger ist reell. Anmerkung: Die Beziehung |f| =

1 Periodendauer T

(G.3)

ist keine Definition der Frequenz, sondern lediglich eine Möglichkeit, den Betrag einer Frequenz zu messen. Wird außer der Rotation der Drehzeiger noch eine zeitliche Änderung der Zeigerlänge, also der Amplitude, zugelassen, so erhält man die komplexe Frequenz p = σ + jω.

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(G.4)

413

414 Abb. G.1 Zur Definition der Frequenz über zwei rotierende Drehzeiger mit entgegengesetzter Drehrichtung

Anhang G: Zur Definition der Frequenz

Im U0

ϕ U0

Re

Dabei beschreibt ω die Kreisfrequenz und σ die Längenänderung der Drehzeiger bei exponentiellem Auf- oder Abklingen.

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Stichwortverzeichnis

A Abtastung, 60 Amplitudendichtespektrum, 22 Augenöffnung horizontale, 155 vertikale mehrstufige, 180, 186 zweistufige, 109 Augendiagramm, 107 mehrstufiges, 176, 180, 186 zweistufiges, 108 Autokorrelationsfunktion, 36, 42 AWGN-Kanal, 97

B Basisbandübertragung, 94 bipolare, 174 mehrstufige, 172 unipolare, 95 Betragsspektrum, 8, 23 Bitfehlerwahrscheinlichkeit, 123, 194 Bode-Diagramm, 44 Tiefpass erster Ordnung, 49

D Dirac-Impuls, 18 Dirac-Stoß, 18

E Empfangsfilter, 100

Energiedichtespektrum, 36, 41, 42 Energiesignal, 19 Entzerrer, 309, 312 analoger, 354, 357 mit Einfachabtastung, 364 mit Entscheidungsrückführung, 369 mit Mehrfachabtastung, 365 mit quantisierter Rückkopplung, 369 Tomlinson-Harashima-Vorcodierung, 371 zeitdiskret linearer, 361 zeitdiskreter, 354

F Faltung, 54, 56, 58 Fehlerwahrscheinlichkeit, 123, 194 Fourier-Reihe, 6 Fourier-Transformation, 21

G Gauß-Filter, 139, 311 rationale Approximation, 144 Rechteckantwort, 142 Gauß-Impuls, 139 Gibbs’sches Phänomen, 15 Gruppengeschwindigkeit, 269 Gruppenlaufzeit, 269

K Kabel, 245 Fernnebensprechen, 290–292

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420 konstruktiver Aufbau, 288 Nahnebensprechen, 290–292 Nebensprechen, 290, 292 Übertragungsfunktion, 281, 282, 285, 288, 292 Verseilung, 288 Kanal idealer, 242 Klassifizierung, 243 Kupferkabel, 281 realer, 242 Kosinus-Roll-Off-Filter, 49, 145 Krarup-Leitung, 277 Kreuzkorrelationsfunktion, 36

L Laplace-Transformation, 70 Leistung physikalische, 20, 40 signaltheoretische, 20, 40 systemtheoretische, 20, 40 Leistungsdichtespektrum, 36, 39, 40 Leistungssignal, 20 Leitung, 245 Dämpfungskonstante, 260 Dämpfungsmaß, 262 Eingangswiderstand, 265 Fortpflanzungskonstante, 260 Fortpflanzungsmaß, 262 Gleichsignaleigenschaft, 271 homogene, 250 Phasenkonstante, 260 Phasenmaß, 262 Reflexionsfaktor, 263 schwach gedämpfte, 274 stark gedämpfte, 272 Telegrafengleichung, 254 verlustlose, 279 Wellenwiderstand, 257, 262 Winkelmaß, 262 Leitungsbelag, 249 Leitungsgleichung, 253 bei harmonischer Erregung, 255 Leitungsparameter primäre, 249 sekundäre, 260 Leitungstheorie, 246

Stichwortverzeichnis M Matched Filter, 160, 203

N Nyquist-Kriterium, 148 erstes, 148 zweites, 153

P Phasengeschwindigkeit, 268 Phasenlaufzeit, 269 Phasenspektrum, 8, 23 Pupin-Leitung, 277

R Rampenfunktion, 17 Rauschleistung, 118, 192 Rechteck-Impuls, 17 Rechteck-Impulsfolge Betragsspektrum, 15 Fourier-Koeffizienten einer, 10 Phasenspektrum, 15

S Sendeleistung mehrstufige, 188 zweistufige, 99 Signal determiniertes, 3 stochastisches, 33, 65 zufälliges, 33 Signal-Rausch-Verhältnis am Empfängereingang, 195 am Erkennungspunkt, 120, 192 maximales, 163 Signalangepasstes Filter, 160 Sprungfunktion, 16 Symbolfehlerwahrscheinlichkeit, 194

T Theorem von Chintschin und Wiener, 36 von Parseval, 40 Tomlinson-Harashima-Vorcodierung, 371

Stichwortverzeichnis W Wahrscheinlichkeitsdichte, 35 Wellenlänge, 268 Wurzel-Kosinus-Roll-Off-Filter, 146

421 Z Z-Transformation, 77