Über Wortmengerei: Nebst einem Nachworte gegen die Herren Franz Passow u. Franz Horn. 9783111642482, 9783111259635


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German Pages 264 Year 1823

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Table of contents :
Vorwort
Vorwort zur eisten Ausgabe
I . Einleitung. Abstand der deutschen Sprache von der lateinischen und französischen in Klang, Form und Betonung ihrer Elemente
II. Ableitungsilben, Endsilben der Wörter überhaupt. Wie diese bei den Römern in den aufgenommenen griechischen Wörtern beschaffen waren, und wie sie dagegen bei uns in den lateinischfranzosischen Bezeichnungen beschaffen sind
III. Widersprüche in Gebrauch und Anwendung der fremden Ableicungs - und Abwandlungsilben
IV. Vorlinge und Biegungsilben
V. Klang und Betonung des eingeschmuggelten Freinidguts
VI. Haben die unserer Sprache eingeschleiften Fremdwörter wirtlich, wie Mancher noch vorgibt, deutsche Form und Natur?
VII. Was andere Widersacher der Sprachreinheit hier meinen
VIII. Zerstörung der Spracheinheit durch die Wortmengerei
IX. Untergang der Sprache
X. Fortseiung
XI. Schlechter Ausdrillt in den widerartigen Fremdwortern
XII. Wesentliche Verschiedenheit in dem Ausdruk deutscher Wörter und fremder
XIII. Unsere Sprache ist eben so gut eine verdorbene Sprache, als die angelsachsische zu den Zeiten Wilhelms des Eroberers, und das Latein des Mittelalters es waren
XIV. Was Vernunft und Geschmak von uns jezt heischen
XV. Grundsäze, welche die Römer bei dem Gebrauche fremder Widerartigkeiten befolgten. Ihre Scheu vor abheimischen: Zeitwörtern
XVI. Fortsezung. Die Römer vermieden sorgfältigst jedes fremde Nemvort, das einen Algemeinbegrif aussprach
XVII. Fremde Algemeinbegriffe zeichnen sich durch widerwärtigen Ausdruk mein- noch als die besondeien und sinlichen aus
XVIII. Entkräftung des Einwurfs: wir llönnen fremde Algemeinbegriffe nicht entbehren, durch das Beispiel der Franzosen. Kunst derselben in der Umgehung wie im Gebrauch und der Behandlung fremder Wortformen
XIX. Warum, auch abgesehn von ihrem schlechten Ausdruk, fretnde Algemeinbegriffe aus einer gebildeten Sprache auszuschließen sind
XX. Deutsche Algemeinbegriffe eben so unùbersezbar ins Franzosische als französische ins Deutsche, und dennoch abgewiesen von den Franzosen, die sogar romische und italienische und spanische zurukstofsen
XXI. Beispiele zum Erweis der Behauptung: dafs die Römer in ihrer Sprache nur zu besonderen und sinlichen und wissenschaftlichen, nicht zu Algenieinbegriffen fremde Bezeichnungen zuliefsen
XXII. Die Grundsaze der Romer von allen gebildeten Nationen Europas, nur von den Deutschen nicht, befolgt
XXIII. Dreifsigjahriger Krieg und dessen verderbliche, noch immer fortdauernde Einwirkungen auf unsere Sprache
XXIV. Wielands und Jean Paul Richters Einrede gegen Sprachreinheit
XXV. Nichtiger Einwand. Warum die bei weitem gröfsere Zahl der fremden Wörter in unsere Poesie nicht eingehen wil?
XXVI. Beantwortung einiger andeier Einwurfe
XXVII. Fortsezung
XXVIII. Anderweitige Bemerkungen. Französische Wörter sind im Ausdruk schlechter als lateinische und griechische. Ubelstand, der für unsere Sprache daraus erwächst, dafs sie aus zwei Reden schöpft. Schlus
Einzele Bemerkungen
Nachwort gegen die Hrn. Franz Passow und Franz Horn
Drukberichtigungen
Inhalt
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Über Wortmengerei: Nebst einem Nachworte gegen die Herren Franz Passow u. Franz Horn.
 9783111642482, 9783111259635

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Ü'b' e r W

o

r

t

m

e n g e r e i .

Nebst einem Nachworte gegen die Herren Franz Pässow u. Franz Horn. Von Karl

Wilhelm

Kolbe.

Diitte, teilweiße ganz umgearbeitete Ausgabe.

Berlin und Leipzig.

Bei

G.

Reimer..

1 8 2 3.

Seinem

alten Freunde Wolke zugeeignet

von dem Verfasser.

V

o

r

w

o

r

t

die Sprache ein Ganzes,

.

eine Einheit

sei nnd ihrer Natur nach nicht anders als sein könne;

dafs sie als ein in sich beschlossener

Körper von eigentumlicher Art und Beschaffenheit, nur ihren Gesezen, nicht nebenbei noch den schlossener,

Gesezen anderer,

gleichfals be-

f ü r sich dastehender Sprachkör-

per gehorchen müsse: diese so einfache, dem Nachdenkenden

wie

von

selbst

entgegen-

springende Wahrheit war in unserem

von

MM

VI

'«W

den Zeiten des dreifsigjahrigen Krieges her an Wortmengerei rein

und

Keiner

gewohnten Vaterlande so

von Grund

der

Vielen ,

aus vergessen, die

seit

Jrthren über den Mischmasch,

etwa

dafs vierzig

seis f ü r oder

wider, öffentlich als Sprecher aufgetreten sind, auch n u r mit dem leisesten Fingerzeige darauf hingewiesen hat.

Wieland,

Moriz,

Garve,

Richter,

Campe,

Nikolai,

Jean

Paul

Kinderling,

alle diese Manner

schrieben in freundlichem oder feindlichem Sinne über das Unwesen j

lijeiner lies auch

n u r Einmal das W o r t S p r a c h aus seiner Feder fallen.

einheit

M a n bewegte u n d

t u m m e l t e sich eifrigst u m Nebendinge:

was

den Streit mit eins entscheiden lionte, blieb von

den Kampfenden

unbeachtet

und

un-

benuzt. Inzwischen

wuchs

Zusehens

das

Übel.

Reinheit der Sprache u n d des Vortrags fing

VÌI an1 für

eine Makel

zu

v w »

gelten.

französischer Prunkwörter : Soufleur,

Dejeuner,

Festin,

Métier,

Artiste,

Tableau,

Dessert,

Attelier,

Abendtafel,

Acteur ,

Actrice,

Souper,

Diner,

Cour,

Assemblée,

etc. kamen auf, xind droh-

ten die deutschen: spielerin ,

Schwärme

S c h a u s p i e l e r , Schau-

Einhelfer,

Frulistuk,

Mittagstafel,

Nachtisch,

Gastmahl, , Hand-

werk, Werkstat, H o f , Versamlung, Kunstler, Gemälde, etc.

die der gekkischen

Eitelkeit

nicht vornehm genug klangen, almälig ganz zu verdrangen. Purist in

Dre Schimpf - und Spotnamen

und Sprachfeger wurden rasch lebendig

den Schriften

Ästhetiker.

unserer Schöngeister

und

Selbst Manner, sonst die Zierde

unsers Volks,

erröteten nicht in das Hohn-

geschrei mit einzustimmen. —

Man gefiel

sich kindisch in der erbettelten Lumpentrachtj und wie kurz nach der

menantischen

Zeit die Begründer unseres Schriftentums sich

•xw

VIII

des Sprachgemengsels geschämt h a t t e n ,

so

began man n u n gegenteils der Lauterkeit des deutschen Ausdrulis oder der Sprachreiniglteit sich zu schämen. Es

war

Deutschen

hohe

die

Zeit

alte,

dem

verwilderten

vergessene

Wahrheit

wieder ins Gedächtnis zurükzurufen. es in der vorliegenden Schrift;

Ich tat

u n d da ich

der Gediegenheit meiner Sache vertrauen und überzeugt sein konte dafs kein Verständiger mir widersprechen w ü r d e , so tat ich es ohne Ruklialt und Scheu,

in starkem,

nachdruli-

liehen T o n e , die f ü r mich streitenden Gründe so deutlich u n d hei ins Licht sezend,

dafs

sie auch dem gemeinsten Verstände einleuchten musten.

Ich bewies durch gehäufte Bei-

spiele ( n i c h t blos aus den Schriften des namenlosen T r o s s e s ; ) dafs unser Deutsch, wie es jezt beschaffen sei, das barbarische Latein bereits weit überflogen habe, u n d dafs, w e n n

w \

IX

lezteres mit Recht eine verdoibene Sprache heifse,

das erstere diesen Namen dreifach

und vierfach zu führen verdiene.

Ein so

kekker Einspruch in Dingen, die längst abgetan schienen, überraschte, aber nicht eben erfreulich,

die

Mischmaschs.

betroffenen Ich

Anhänger

hatte Beleuchtung,

des ja

selbst heftige Bestreitung meiner Säze erwartet. Aber darauf mochten die Gegner sich nicht einlassen.

Wirklich traten diese Säze dem

gesunden Verstände zu licht entgegen,

als

dafs sie, ohne sich dem Gelqchter der Kundigen p r e i s z u g e b e n s i e hatten ernstlich angreifen können.

Anfangs stelten sie sich als

hörten sie mich nicht.

Dan suchten sie durch

Fechterkünste die öffentliche Aufmerksamkeit von mir und meinem Buche abzuziehn.

Aus

allen Winkeln und Enden unserer Litteratur erhob sich ein lautes Geschrei:

lächerlicher

Franzosenhas habe den spiachreinigcnden Eifer

X

ausgehest; er sei die faule Frucht einer verkehrten Vaterlandsliebe *) Aber das kleinliche Mittel verfehlte seinen Zwek. über

In meiner Schrift: N o c h E i n Spracheinheit,

leuchtung

einiger

Sprachreinigkeit

daii über

in

Wort

der

und

öffentlich

Be-

gegen ausge-

s p r o c h e n e n U r t e i l e , auöh hie u n d da in meiner lezten Ausgabe des W o r t r e i c h t u m s der

deutschen

Sprache,

und

franzosischen

betrat ich von neuem den Plan

u n d dekte das Alberne, Abgeschmahte solcher Behauptungen

mit

festem Griffe auf.

Zu-

gleich bestrebte ich mich durch Vergleichung der Sprache, als einer E i n h e i t , m i t anderen

*) Umgekehrt wirft mir Herr Prof. P a s s o w , M u s e n , »8»3;)

( i n den

zwar auf Veranlassung eben die-

ser S c h u f t , französischen Geschmak und unverhohlene Vorliebe für die Fianzosen nicht ohne Bittelheit vor. Seltsam in der Tat!

XI

Einheiten

•"•"»•»

verwandter Art meinen

Gründen

gegen den Mischmasch noch mehr Greifbares o keit u n d Nachdruk zu geben. nun

Was

taten

die ins Enge getriebenen Gegner ?

Widerlegung war nicht zu denken,

An

u n d z,u

neuen Künsten sich zu wenden schien kaum ratlich,

da der E r f o l g sich i m voraus be-

rechnen lies.

Sie versturnten. —

N u r hie

u n d da wimmert noch in Flugschriften die Klage ergrimter Halbfranzosen über stets zunehmenden

Geist

der

Puristerei u n d

Ent-

ehrung der Sprache durch ihre Umkehr Einheit.

zur

Unmutig und zahnefletschend mur-

ren sie aus ihren Winkeln gegen den w i l k o m m e n e n Widersacher,

un-

den sie in offe-

n e m Felde u n d mit Waffen der V e r n u n f t zu bekämpfen sich unvermögeitd fühlen. Dies in Kurzem

die Geschichte

W e i k s , — das ich jezt,

beträchtlich

arbeitet, abermals ans Licht treten lasse.

dieses uberIch

XII

.habe den Inhalt besser geordnet, Auswüchse weggeschnitten,

manche

Anderes,

was

treffend schien, hinzugetan, und zu leichterer Übersicht das Ganze in Abschnitte zerlegt. Mag es nun seine Bahn gehn und, wirken, was es wirken kan!

Die Mitwelt zwar, das

weis ich, wird es nicht eben warm bewilltommen.

Aber der Beifal der nächsten Nach-

kommenschaft bleibt ihm gewis,

Vorwort zur eisten Ausgabe.

M

an hatte bisher die Sprachmengerei fast

immer nur von der Seite des gelehrten Bedürfnisses angesehn.

(Klopstok

eine bessere Bahn ein.)

zwar schlug

Ich habe versucht

sie einmal von der Seite des Geschmaks zu beleuchten. Seitdem sich mein Gefühl entwickelte, war mir dies Zusammenschaufeln fremdartiger Elemente aus allen Sprachen unaussprechlich zuwider.

Gleichwol bestrebte ich mich,

so viele Stimmen sich dafür erhoben,

da und

bedeutende Manner durch ihr T u n den Mischmasch begünstigten,

mit Aufwand

meiner

XIV

ganzen K r a f t diesen,Ekel z u bekämpfen.

Ich

las aufmerksam u n d ,' ich daif w o l sa°en ,' lerno begierig alles w a s v o n Berufenen und Unber u f e n e n über diesen Gegenstand beschönigend c c geschrieben w ü r d e : wille wuchs,

vergeblich;

mein Wider-

stat a b z u n e h m e n .

m i r die Schuld l i e g t ,

W i e f e r n an

oder an der Sache, ge-

b ü h r t n i c h t m i r zu entscheiden.

D e m Leser

m u s das Ganze der gegenwartigen Schrift ausweisen,

ob vielleicht überhaupt in Hinsicht

auf Gutes u n d Edles

mein

G e f ü h l sich

nur

einseitig u n d k ü m m e r l i c h ausbildete. D a ich mir i n z w i s c h e n nicht k o n t e dafs unsere Sprachen, sie s i n d ,

mangelhaft wie

fremder B e z e i c h n u n g e n

entbehven k ö n n e n ,

verhehlen

nicht

ganz

so k a m m i r der Gedanke

z u untersuchen, was in diesem P u n k t e bei den A l t e n etwa

Grundsaz g e w e s e n

sein

mochte.

D e n Ertrag meines Forschens habe ich in den f o l g e n d e n Blattern niedergelegt. Ich w e i s w o l dafs m a n mit den E k e l n a m e n Purist,

P e d a n t , Sprachfeger, etc. gegen

midi

XV

nicht kargen wird.

^

Doch kan ich das Gesum

sehr gleichg\iltig an meinem Ohre vorbeilassen. D e n Meisten heist P e d a n t ,

wer nicht

eben

auf der breitbetretenen Strafse fortschlendert. Meine Bildung war französisch.

Ich bin i n

französischen Schulen zum Jungling geworden. Mein ästhetisches Gefühl hat sich gleichsam in französischer L u f t entfaltet;

u n d unter

allen Weisen der Erziehung ist wol die franzosische am wenigsten geeignet einen Pedanten hervorzurufen. So wird es mich auch nicht wundern, w e n n hier Manner, die im Elemente der Wortmischerei steif geworden sind, und aus demselben n u n nicht mehr heraustreten k ö n n e n ; dort M a n n e r , die blos dem Bedurfnisse nachg e h n , u n d uberal das Schone und Schildiche und Edle dem Brauchbaren und dem — Bequemen u n t e r o r d n e n , meine Bemühungen f ü r sehr uberflufsig ausgeben.

Auf ihr Scheel-

sehen bin ich gefast; und für sie habe ich überhaupt n i c h t geschrieben.

Meine Schrift

XVI

ist zunächst für die heranwachsende Jugend bestirnt; sie sol bilden, nicht umbilden. Dennoch kan ¿s sein dafs i c h Unrecht habe; dafs nicht Andere ihr Gefühl, söndern mich das meinige täuscht.

Es kan sein dafs

die Natur einen gewissen Sin — wie sol ich es nennen? — des Vorliebnehmens, mit dem sie gegen Andere nicht geizte, mir versagt hat.

Hier beruhigt mich nur der Gedanke,

dafs sie Griechen und Römern denselben Sin einst versagt zu haben scheint.

Und warlich

mit diesen, die doch in Allem, was zur Ausbildung der Rede gehört, ewig unsere Muster bleiben werden, mit diesen zu fallen dünkt mir jehrenvoller als mit Klügeren zu stehn.

Humano capiti cervicem pictor equinam, Jungeie si velit et varias inducere plumas UnJique collatis membris, ut turpiter atrum Desinai in piscem mulier formosa superne: Spectatum admissi risurn teneatis, amici! H OR.

I. E i n l e i t u n g . A b s t a n d der deutschen Sprache v o n der lateinischen und französischen in Klang, F o r m und B e t o n u n g ihrer Elemente. E s ist für die Sprachmengerei schon so manches gesagt w o r d e n , und Schriltsteller von Ansehn haben ihren ganzen Scharfsm aufgeboten sie zu rechtfertigen, haben für sie mit den Waffen des Ernstes und des Scherzes, bald spielend, bald crhizt und in Erbitterung gelochten. Dennoch -wird sie jedem Menschen van reinem, nnverwolinten Gefühle immer widrig bleiben. Fremde Nationen können unsei en Hartsin 111 diesem Punkte nicht begreifen. Den itmiühlenden Franzosen zumal ist diese Sucht mit ldleinischlranzosischeii Lappen den Vortrag der besonnenen Rede zu v e r brämen, eine Erscheinung, die sie nur durch die gänzliche Geschmaklosigkeit unserer Schriftsteller sich au erklären wissen. Man sehe z.B. was P r e m o n v a l 1

2

WVW

i n seinem bekanten Pieservatif, S. 272 ilgd. über diesen Gegenstand sagt. Und haben sie v o l Unreclit? Hier -wird jeder Unbefangene sogleich u n d unbedenklich mit nein a n t worten. Die Gründe liegen so n a h , dafs sie Dem, dei auch mir iliichtig über Sprache u n d i h r Wesen n a c h d e n k t , s o f o i t u n d wie v o n selbst entgegentieten müssen. Die Sprache ist aber ' f i a g e r m der Lit'teratur, ohne flekkenlose, v o n jedem schändenden Sclimuze gesäuberte Sprache besteht u n d gedeiht keine schone L i l t e r a l u r , die dieses E h r e n n a m e n s wirklich w e r t wäre. U n d so scheint es allerdings befremdlich dafs u n t e r unseren sonst so regen Ästhetikern, dennoch keiner jene G i ü n d e auseinander zu sezen u n d n a h e r zu e n t w i k k e l n bis auf diesen Augenblik der Mühe w e r t geachtet. In der römischen Sprache u n d i h r e n T ö c h t e r n schallen die Selblaute, i n den germanischen die Mitlaute gewaltig h e r v o r . In jenen h e i s c h t das w o l klingende a u n d o , in diesen das d u m p f e r e e u n d i u n d u flnd vi. Dort gelin die Silben fast n i e , h i e r sehr olt jn einen gedoppelten Mitlaut aus. So sind auch" h i e r die offenen T o n e u n d die geschlossenen ganz anders zusammengestelt als dort. Sodan ist der g r a m matische Bau unserei Begnfszeiclieii durchaus einförmig. In jedem "Worte drangt sich festumrissen die Stamsilbe v o r , u m welche die Silben der Ableitung u n d der Biegung i n bestirnter O r d n u n g sich lieruinlegen, — die f ü r den D e u t s c h e n , weil sie 111 der Sprache r a s t los w i e d e r k e h r e n , einen h o h e n Grad der Anschaulichkeit haben. Nicht so in f r e m d e n Bezeichnungen, deren einzele Bestandteile fiir den Vei stand inhaltlps u n d todt sind. Endlich treten i n i h r e r prosodischen Beschaffenheit beide S p r a c h e n , die deutsche u n d die französische, gänzlich auseinander. In jener steht

w

3

Zeit - und Tonmaas f e s t , jedes viel ilbige Zeiclien legt auf seine Hanptsilbe einen gevuclUvollen D i u k k e r , der die sclr.vdcliercn Ncben'ilben v o i L c i s c h e n d niederzwangt Die 2'i'osodisclieii Veiluiltmsse der F i a n z o s m sind unstet und s c h w a n k e n d ; m jedem Worte rollen sich in rascher E i l die Glieder unanfgelialLen bis zur Stlilussilbe a b , die den belüg andruigtnden S t i o m plozlich brjeht. E l e m e n t e , die in K l a n g , f o r m und B e t o n u n g , also in a l l e n l h i c n Aufseilichkeiten, so s c h t o f voneinander abstelin, die in dieser dien'aehen Hinsicht ganz verschiedenen Gesezen sich i ü g e n , k ö n nen n i e , ich w i l nicht sagen zu einem schonen G a t z e n , nein , liberal nur zu einem Ganzen, das Leist, zu einer E i n h e i t , M*as die menschliche Rede unstreitig ' o doch w o l sein s o l , harmonisch zusammen greifend sich verbinden Denn wie mochte, w o die T e i l e nnt und unLer sich nicht eins und ubereinstimmend sind, w o sie im grclsten Widei SJM uche einanduf feindlich gegenüber s t e h n , ein Ganzes, eine Einheit w o l denkbar sein'' Die Sprache ist ein K o r p e r , d e r , wie jeder wolgefügte K ö r p e r , 111 der Beschaffenheit u n d Zusammensezung seiner Stoffe sowol als in deren Y e i s c h r a n kung und Beaibeitung eigenen Gesezen g e h o i t h t , die e r , ohne ans seiner Art zu schlagen, weder nach Wilk ü h r a b ä n d e r n , noch mit den Gesezen eines anderen K o r p e r s vermischen und v e r e i n e n daif. Kleben zwei Sprachen sich aneinander, und zwar s o , dafs in Klang, F o i m und Betonung der E l e m e n t e , m den Silben der Biegxing und der AbleiLung', 111 den Voilingen und E n d l m g e n , also m den nichtigsten ihrer Glieder und T e i l e und Beschaffenheiten, jede f ü r sich dasteht, jede die Geseze i h r e r Grainmalik festhält, so geht ein Zwitterwesen h e r v o r , das unentschieden zwischen beiden hin und h e r schwebt, eine centaurartige Misgeb u r t , die nicht eins mehr i s t , sondern zwei. 1*

II. Ableitungsilben, Endsilben der Wörter überhaupt. W i e diese bei den Römern in den aufgenommenen griechischen Wörtern beschaffen waren, und wie sie dagegen bei uns in den lateinischfranzosischen Bezeichnungen beschaffen sind. Z u den wesentlichsten Bestandteilen der Sprache gehören die Ableitungsilben, — die Silben nämlich, welche die W u r z e l n , -denen sie sich a n f ü g e n , teils mit Nebenbegriffen v e r s e h n , teils zu N e n w o r t e r n , Z e i t wert tern, B e i w o r t e r n , etc. verarbeiten und umscliaffen. D i e als gesezlicli v o n unserer Grammatik anerkanten sind f ü r Zeitworter e n , i g e n , e r 1 1 , e i n ; etc. f ü r Nenworter l i e i t , k e i t , s c h a f t , t u m , r e i , u n g ; etc. f ü r Bei - und Nebenwörter l i c l i , i s c i l , h a f t , e 11; etc. Daneben h a t die Barbarei eines v e r w o r r e n e n Zeitalters und die trage Bequemlichkeitsliebe unserer Sprechenden und S c h r e i b e n d e n , auch „ E m i l u s der Hofe und der sogenanten höheren S t a n d e , die i m B e siz einer galante 11 S p r a c h e , auf die schlichte deutsche m e 11 a n t i s c h v o r n e h m l i i n a b s c h a u t e n , " ( J e n . L i t t e r a t u r z e i t ) w i e nicht minder die Wut den s c h w e r e n deutschen Geist durch frarizosiclie Zutat zu b e flügeln , durch Begriffe und Vorstellungen eines Volkes, das uns an Gewandtheit und Liebenswürdigkeit all« übrige zu überstralen schien • alles dies hat noch die ungesezlichen ¡Yen, tat, enz, ur, esse, age, ment, ion, ismus, asmus, erium, orium , ös, iv , id, el, al, abel, ihel, ant, ent, etc. (also f ü r jede deutsche noch eine f r e m d e , ) i n die Sprache geschlept, mit w e l c h e r , als einem abgeschlossenen, v o n s e i n e n Gesezen beherschten und zusammengehaltenen, aus s e i n e n Glieder»

íind Gelenken bestellenden K ö r p e r , sie sicli nicht sanfter verbinden als, wie in dem vorgesezten Motto I l o r a t i u s sagt, ein Mensclienkopf sich mit einem Pferdenakken verbindet. Die Zwitterforinen in iren, durchaus von dem gemeinsten Ausdruk, (selbst die verjährten r e g i r e n , t r i u m f i r e n widerstehn,) sind in unserer Spiache, was 111 der römischen dié Worter in izare: tantalizare, canonizare, baptizare, tympanizare, cotaphizare, gargarizare, prophetizare, eatechizare, agonizare, dogmatizare, scandahzare, allegorizare ; ctc. Der englische Filolog B a x t e r , -der mit Remigkeit und Wurda des Vortrags es eben nicht genau nahm, hat diese Form nicht selten: „ Scriptor íeponis, hoc est, - ut peritus scriptor characterizas.'1 — Was würde aus der lateinischen Sprache geworden sein, wenn sie auch in ihren edleren Darstellungen solche Misgebuiteil zugelassen hatte ? Der beliebte Einwand- wir können die W7orter in iren nicht missen, weil so manche darunter Unentbehrliches ausdriikken, ist Wind und leeres Wortgcklmgel. Auch f ü r characterizare hallen die Romer kein entsprechendes Zeichen. Dennoch welchem guten Schriftsteller kam je diese barbarische Form in die Feder? Characterizai e im C i c e r o ! Es wäre an diesem Worte genug des feingreifenden Redners edelste Periode bis zur Scheuslichkeit zu entwürdigen. Die Römer lehrte ihr Feingefühl dafs die Ausgange der Wörter, die unter den Elementen und Stüzen der Sprache nächst den Stamsilben die erste Stelle einnehmen; sie, denen es obliegt Begriffe abzuklassen; die also nicht, wie die Worter selbst, nur einzel, sondern massenweise gleichsam und Schlag auf Schlag in der Rede wiedeikehren, von jedem fremden, die Einheit des Ganzen störenden Zusaze (wie dem iz l a

izare,) mehr als andere minder bedeutende Teile der Sprache verwahrt werden mlissen. Wie ínoclilen sie •auch viol, wenn ihnen mit jedem Schnauze des Auslainli S K I I ZU besudeln frei stunde, ¡ur einheimischo AbIeicun¿síormeii noch gelten? Wie kunten sie Fremdlingen zum Pas dienen, wenn sie selbst erst eines Passes b e ü m f t e n ' Wie konten sie, wenn abliei mische, gehaltlose, und doch grel sich vordrängende Elemente i h i e Anschaulichkeit verdunkelten, che fernen B e ziehungen, die sie anzudeuten dasind, mit crgieifender Lebendigkeit wol aussprechen ? Der Romer" nahm Worter des Auslands entweder unverändert in ihrer angestamten fremden Gestalt auf, wie phoeiux, adamas, hei os, Hydrops, cetos, asta; etc. Oder er endete sie e.cht lateinisch, das h o s t , er brach dem Korper des griechischen Wortes seine Schlussilbe .ab lind ersezte sie ganz einfach durch die einheimische,—und zwar durch die an Gehalt und Form yerwandte- einheimische . tyrann u s , (TVQSVV - o S,) conchyli um, («ioy^uA - i o v ; ) basis, (ß Woher den Eingedrungenen di« Befugnis in auswärtigem Gebiete als Eingeboiene sich zu gebehrden und hier als rechtmafaige Insassen nach Wilki'ihr zu schalten? Von. einer so ungeheuren Erscheinung dafs ganz fremde Ableilungsilben, oder aus zwei völlig verschiedenen Sprachen endlich die Sprache der V e r w i l d e r u n g , ja dem Untergänge auf dem geiadeslen Wege entgegenfahrt, wol gut oder s c h o n , oder auch nur gleichgültig lieifsen k ö n n e n ?

IX. U n t e r g a n g der S p r a c h e . E i n e Ursprache k a n als ein selbständiges, in sich begründetes, eigenen Gesezen untergebenes Ganzes, v o n bestirntem, eigentümlichen Charakter, nur durch i h r e W o r t e r , den r o h e n Stof derselben, uud d i u c h ihre grammatischen F o r m e n , die belebenden ü i l d n e r i n nen dieses S t ö f s , bestehn. Zu den lezteren gehören Vorlinge und Silben der Ableitung und der Biegung und der Abwandlung wesentlich mit. Drangt man ihr gesezlos f r e m d e W o l t e r e i n , und mehr noch fremde oder w i l k ü l i i l i c h erdachte grammatische F o r m e n , (man erwäge dafs mittels der eingeschmuggelten l a t e 111 i s cli f r a n z u s i s cli e u AbleiLungsiiben, V o r nnd Nachsilben, etc. w i r die lateinische und französische Spiaclie ganz und volstandig, mit Haut uiul Haar gleichsam, i n die unsrige almalig herüberziehen k ö n n e n ; ) so greift man sie 111 ihrem K o r p e r nicht b l o s , sondern in ihrem limeien L e b e n , man greift sie in d e m , was sie eben zu einem in sich beschlossenen K u n s t w e r k e , zu einem in allen Teilen mit sich selbst libei einstimmenden Ganzen cihebt, gewaltsam und zerstörend an, Sie ist dan w i r k l i c h schon nicht eins m e h r , sondern zwei. Denn ihr steht nun neben dem ungleichartigen SlolFe auch jedes Mittel zu Gebot diesen Stof nach Wiikuhr au be4 •

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arbeiten. Sie k a n auf Fremdem Gebiete sich frei bewegen, und wer mag sie hindern, was sie kan, nun auch zu wollen > Eine solche Sprache w v d durcli unablafsigen Zustrom ungesezlicher, widerartiger Elemente, die hie und da und dort sich regellos ihr einfügen, zuerst Farbe und Charakter verlieren, dan bei unaufhaltsam' zunehmender Mischeiei — denn wer wil sie aufhalten? — zu einem gestaltlosen Chaos, zu einer todten, faulenden Sumpl'larhe auseinander fliefsen, aus der nach langer Zeiten Unilauf, wap die widerstrebenden, wild zusammengei uhrten Stoffe nun endlich ausgegohren Und sicli einander wieder angeähnliclit haben , unter begünstigenden Umstanden eine neue Sprache hervorgehen mag. Sie selbst ist keine Sprache mehr. So erwuchsen die Mischlinge des heutigen Europa, deren Stammütter einst — waren. Schon L e i b n i z , dessen Stimme freilich an den Ohren eines blödsinnigen Geschlechtes ungeliort vorüberging, e r , der weder ein Pedant noch ein faselnder Gespensterseher w a r , schon L e i b n i z sagt in Bezug auf unsere Sprache, indem er von dem m e n a n t i s c l i e n Mischmasch redet, der sie zu seiner Zeit verscheuslichte. „Anjezo scheint es dafs„ bei uns übel arger worden, und hat der Mischmasch abscheulich überhand genommen, also dafs der Prediger auf der Kanzel, der Sachwalter auf der Kanzelei, der Bürgei-sman im Schreiben und Reden mit erbärmlichem Französischem seiif Teutsches verderbet, "mithin es fast das Ansehn gewinnen wil, wenn man so fortfahrt und nichts dagegen tut, es werde Teutsch in Teutschland selbst nicht weniger verloren gelin als das Angelsächsische in England. Gleichwol wäre es ewig Schade wenn unsere Haupt - und Helderispraclie dergestalt durch unsere Fahrlafsigkeit zu Grunde gehen solte: so fast nichts Gutes schwanen macheai dürfte,

53 w e i l die Annehmung einer fremden Spraclie gemeiniglich den Verlust der Freiheit und ein f r e m d e s J o c h nach sich g e f ü h r t . "

X. F o r t s e i u n g . D i e B a r b a r e n des Mittelalters, bei denen die F o r m e n der Wortmengerei wirklich weniger barbarisch w a r e n , als bei u n s , (sie nahmen die fremden Worter entweder unverändert a u f , wie notnumfti, uialapauz, wirgild, etc. oder sie gaben ihnen echt römische E n d u n g e n , w i e watgus, standardus, gasindus, steura, hlutare, murdrum, murdator; etc.) waren auch im Gebrauche des Ablieimischen ungleich w e n i g e r unbescheiden als w i r . Ganze Wortei familien, w i e es unter uns Sitte i s t , Hauptworter mit ihrer gesamten S i p s c h a f t , haben sie n u r aufserst selten zugelassen. (Der S a z " s c h e i n t grel z w a r , aber er scheint es n u r ; man durchblättere die i m D u C a n g e und Gerhard V o s s i u s angeführten Beispiele.) Dennoch stürzte durch i h r Getreibe unaufgehalten die lateinische Sjjrache i n Sehnt und Moder zusammen. D a f s die R o m e r der besseren Z e i t , die, w i e aus der Folge sich ergeben w i r d , keinen Algemeinbegiiflen der Griechen den Zutrit gestatteten, den ganzen S c h w a l v o n Ahltitungsilben, V o r - und Nachsilben, Abwandlungsteile, etc. die in der Sprache fast eben n u r d a s i n d , Um Algemeinbegriffe a b z u l a s s e n , dafs, sage i c h , sie' dies alles f ü r das kleine Häuflein der zugelassenen "Widerartigkeiten giostcnteils nicht braucht e n , b e d a i f w o l kaum der Lrinnerung. D i e aufgenommenen F r e m d w o i l e r galten ihnen fast 11111 l ü r Wui'zeln. Sie zogen sich nicht m l h i t r Rede zu

54 einein volständig abgeschlossenen Ganzen, zu einem mit allen grammatischen Ilülismilteln ausgerüsteten neuen Redekorper zusammen, k u r z , sie waren bei ihnen nicht das, was sie bei uns sind, ein Staat im Staate, Und wie die R o m e r , so auch die Italianer uud die Spanier und die Franzosen, die klug besonnen nur veieinzelten Fremdworlern (widerartigen, meine i c h ; ) den Eingang gewahrten, aber keine fremde Grammatik in 1 llir Element einrührten, keine Mittel sich schulen ganze Worterfamilien dos Auslands, U r wörter mit ihren gesamten Ableitungen, an sich zu reifsen. So taten sie, was Verminit und Geschmak gebieten; sie versperlen ihren Sprachen den Weg zum Verderben und entzogen ihnen bis auf die Möglichkeit i n ihrem Wesen zu entarten und in ihrem Charakter luistretend zu verwildern. Anders die Angein, als zu den Zeiten W i l h e l m s d e s ' E r o b e r e r s die französische Sprache sich der ihrigen zuzumischen anfing Diese n a h m e n , wie wir, die Ableitungsilben und uberhaupt die grammatischen Formen dei eingedrungenen Fremdlingin a u f , versahen sich mit allen Mitteln den neuerworbenen ßesiztuni als ein eigenes, für sich bestehendes Ganzes zu b e arbeiten; und dies ist wol em Hauptgrund m i t , w a rum ihre schenslich entstelle Rede aus einer Doppelsprachc so schleunig in eine abgeleitete oder Mischsprache überging. Es hat in1 der Tat sein »ehr Ernsthaftes und — ¿Niederschlagendes den Gang, den das Angelsächsische einst in England hielt, anit dem Gange zu vergleichen, den bei uns jezt das Deutsche halt. Man mochte glauben, daa leztere habe es sich 1 echt eigentlich zum Geschäft gemacht j>anz und durchaus in die Fusstapfen des ersteien einzutreten, —

Dem reiflicli Nachdenkenden, clor Sprache mit Sprache vergleicht, wird nach dem liier Bemerkten die Behauptung nicht befremdend d ü n k e n : das E i n schleppen der Ablcitungsilbcn und grammatischen F o r m e n des Auslands in unser E l e m e n t , wodurch ungelieur er weise ein Ganzes in ein Ganzes gestelt w o r d e n , ist es zunächst und vorzüglich was die Mutterrede zur Verrohung geführt h a t , und sie früher oder spater zu ihrer völligen Auflosung zu führen droht. W o der Sünde mutwillig die Bahn geebnet nnd das T o r geofuet w i r d , da wird a u c h , für die Mehrheit wenigstens, die Sünde gewis nicht ausbleiben.

XI. Schlechter Ausdrillt in den widerartigen Fremdwortern. Doch Zerstörung und Untergang ist ein Schiksal, das unserer Multcrrede eist m der Zukunft droht, und um das, was wol geschehen möchte und konte, kümmert sich der T r o s uusei er Sprechenden und Scliieibenden nicht. Aber der schlechte, faule Ausdruk der cingcsclileiften "Widerarligkeiten entstelt und entwürdigt sie schon in der Gegenwart. . Die Sprache ist eine Gesamtheit, ein Ganzes von Wörtern oder Begrifszeichen — und nur das. UberfulL sie sich mit W ö r t e r n , die, wenn schon bestirnt sehr Edles auszudrükken, dennoch an unedler und schlechter Farbimg k r a n k e n , so zeistorL sie als W e r k zeug des veiedelten Geistes sich selbst. Sie kan dan auf den .Kamen einer gebildeten keinen Anspruch mehr machen, sondern sezt sich freiwillig zu einer barbarischen o d e r , wenn man lieber w i l , zu einer aussazigen herab.

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Bei jedem Worte ist viererlei zu beachten. Erstens, der Inhalt, — nämlich cler Begrif, den es ausdrükt oder dessen Zeichen'es ist. Zweitens, dje Form, Zu dieser gehört J e r grammatische Bau der Worter durch Nebensilben, (Biegungsilben, Abieilungsilben, etc.) und jhr Körper oder die Stamsilbe. In fremden Bezeichnungen ist Korper alles was nicht Nebensilbe ist. Drittens, der Klang, — die Art -wie die Worter durch die eigentümliche Natur und Zusammenstellung ihrer hörbaren Teile sich für das Ohr gestalten- Auch die Zeitdauer ihrer Silben und deren Erhebung oder Senkung durch dev Stimme Spannung oder Abspannung ist hielier zu ziehn. Viertens, der Ausdruk, —» nämlich die Wirkung, die sie auf das Gefühl, das heist, auf den geistigen Sin des Hörers hervorbringen, was man den Adel öder Nichtftdel der Worter nent: eine für den Künstler höchst wichtige, vielleicht die wichtigste Seite derselben, weil sie &uf Schönheit oder Unschonbeit des Yoitrags den unmittelbarsten Einllus hat. Dieser ,Ausdruk ist von Inhalt und Form und Klang oft ganzlich unabhängig und geht im Worte seinen Weg für sich. Er wird zunächst durch die Laune des Gebrauchs bestirnt, der den ßegrifszeiclien NebenbegnfFe, veredelnde entweder oder entedelnde, anbüdet. Nicht selten hat eine Bezeichnung von untadelhaftem, durchaus nicht widrigem Inhalt, von j-egelmafsiger Form und melodischem Klange, dennoch einen schlechten Ausdruk, so wie eine andere von entgegengesezter Beschaffenheit einen sehr guten. Im einheimischen Teile der Sprache liegt, was die Nebenfcegriffe erzeugt, mehr i n den Wortern, ,in dem ab]ic4mischen mehr a u f s e r denselben. O c h s wider» «telit, -weil ich inu den fiegrjf des Wertes, das Tier

57 n ä m l i c h , welches dadurch bezeichnet w i r d , von Seiten der Plumpheit d e n k e ; Boom, affros, weil ich diese Ausdriikke nur von r o h e n Lippen zu vernehmen gew o h n t bin. Aber unter den Gesezen, welche die Sprache, sofern sie als K u n s t w e r k , als Trägerin u n d Aussprecherin des Schonen betrachtet w i r d , gewaltig b e h e r s c h e n , steht eins oben a n , das i h r Einheit ge» bietet. Jede Sprache sol eins sein mit sich selbst j i h r e Teile sollen in K l a n g , Form und Betonung, in allen ihr.en Aufserlichkeiten, unter sich und mit dem Ganzen libereinstimmen, Denn in einem Elemente, das mit sich selbst in Widerspruch sich sezt, u n d dessen Teile miteinander 111 Streit begriffen sind, k a n das Schone unmöglich aufkommen. Und da der Ausr druk der "Worter nichts anderes ist, als i h r e Beschaffenheit f ü r den Schonlieilssin, so fojgt ganz n a türlich dafs auf ihn , auf diesen Ausdruk, Verlezung der Einheit einen unmittelbaren Einflus haben mus. Jedes W o r t , das zu grel von dem Ganzen sich scheid e t , das den .Einklang desselben störend unterblicht, mus eben dadurch u n s c h ö n , mus eben dadurch in seiner Färbung f ü r das Gefühl entedelt werden. (Einzele A u s n a h m e n , von denen sogleich die Rede sein w i r d , heben die Regel nicht auf.) Ein solches k a n aber n u r durch sein Aufseres, durch ausweichenden Klang oder ausweichende Form und Betonung dem Geseze der Einheit entgegenwirken, u n d so last sich allerdings b e h a u p t e n , dafs in widerartigen, aus i h r e m Ganzen fallenden Wortern den Ausdrnk die Form u n d der Klang u n d die Betonung zunächst bestimmen. Zunächst. D e n n dafs auch hier sich Nebcnbegiiffe einmischen, ist so eben zugegeben worden. Dergleichen Bezeichnungen sind zwiefach schlecht, e i n mal durch die von ihnen verlezte Spraclieinheit, und

58 daii d u r c h s t ö r e n d e , w i d e r w ä r t i g e N e b e n b e g r i f l e , die eben z u m T e i l aus d e r v e r l e z t e n E i n h e i t d e r S p r a c h e u n m i t t e l b a r I i e r v o r g e h n . *) S o l c h e W o r t e r n u n sind l a n d s c h a f t l i c h e u n d f r e m d e . Bei einem schlechtgebauten o d e r iibeltonenden e i n h e i m i s c h e n W o r t e s t e h e n die E l e m e n t e , w e n n s c h o n f e h l e r h a f t v e r b u n d e n , d e n n o c h i n d e r S p r a c h e ; sie -weichen v o n der N a t u r des G a n z e n n i c h t a b , u n d s o m i t k ö n n e n sie der E i n h e i t desselben k e i n e n b e d e u t e n den Eintrag tun. Aber landschaftliche Wörter und f r e m d e g e h ö r e n gar n i c h t z u r S j j r a c h e ; sie t r e t e n als •widerartig i n i h r e n Ä u f s e r l i c h k e i t e n aus d e m R e d e k o r p e r völlig l i e i a u s , u n d v e r l e z e n d u r c h dies H e r a u s t r e t e n die E i n h e i t des G a n z e n auf das entschiedenste. U n d je g r e l l e r u n d a u f f a l l e n d e r sie v o n diesem i n i h r e n 1 Ä u f s e r l i c h k e i t e n sich a b s c h e i d e n , desto greller u n d a u f f a l l e n d e r v e r s t o f s e n sie gegen das Gesez d e r Einheit desto schlechter m u s u n d w i r d a u c h i h r A u s d r u k sein. D a h e r die E r s c h e i n u n g dafs die r e i n f r a n z ö s i s c h e n W o r t e r , ( N u a n c e , Ensemble, jivantage, Raisonnement; etc.) w e l c h e die E i n h e i t am s c h r o f s l e n v e r l e z e n , i n d e r F ä r b u n g a u c h die w i d r i g s t e n sind. D a h e r auch d a f s viele der f r e m d e n B e z e i c h n u n g e n , die sich m i t e i n h e i m i s c h e n E l e m e n t e n g a t t e n , u n d so der N a t u r Das Widerartige in K l a n g , F o r m und Betonung der W o r t e r hebt für den aufseren S i n , das Wideiartige in ihrem Ansdruk f ü r den inneren Sin die Einheit der Sprache auf. W i r werden weiterhin sehen dafs beide Arten de9 Wideraitigen zwar am häufigsten, doch nicht i m m e r zusammengehn, sondern dafs manchmal durch das Wiil'.en der Zeit u n d langwierigen Gebiauch der Fal e i n t i i t , w o in Klang, Form und Betonung dei Elemente die Spracheinheit ganz oder teilweise verlezt w i r d , und dennoch in dein Ausdruk derselben, also f ü r den inneren S i n , völlig unverlezt bleibt.

59 des Ganzen sicli meli,r anahnlichen, ( b a i s a m e n , harmonisch, melodisch, smaragden, diamanten, Anemone, Ranunkel; etc.) einen besseren Ausdruk haben als solche,7 welche roh oder mit vnlkülirlieli erdachten, t > der Spiache durchaus fremden barbarischen Silben bescliwanzt, aus dem Auslande eingeschleift 'werden. Wie gegründet die Behauptung ist, dafs wulerarLige, zum Ganzen des Redekorpers nicht stimmende Bustandteile wesentlich schlechten Charakters sind, und durch ihre abweichende Natur alles Edle streng nusschliefsen, beweisL auf das entscheidendste der m a c ; ; r 0111 s c h e Stil, der gefhssenthch dein Unedlen nachgeht , und eben deshalb aus solchen Bestandteilen mit Absicht sich zusammensezt. Fi eilicli ist das Schlechte im Ausdruk landschaftlicher "Wörter andeier Art als im Ausdruk lateinischfranzosischer. Selbst in lateinischen und franzosicheji Zeichen ist die Fäibung sehr verschieden, — dort mehr pedantisch, hier mehr possenhaft gemein. Daher auch che französischen bester noch als die steiferen lateinischen zum macaromschen Vortrage sich eignen. Es mischen sich nämlich allerdings auch Nebenbegnife zu: bei den Wörtern der Mundarten, der landschaftlichen Unbehülfhchkeit, bei den lateinischen, der Schule, bei den .französischen, des leichten oft gekkenhal'ten l'rolisins der Nation, deren Eigentum sie sind; bei allen der Nebengedanke, dafs sie aufser der Sprache stehn, dafs sie zu dem Koipcr derselben, nicht lugen. In jedem einfachen Ganzen, das seiner Natur gemäs aus Elementen einer gegebenen Art besteht, sind eingeschobene, widcr.uLige Alterteile, als zu diesem Ganzen weder gehoug noch passend, zerstörend entweder, oder doch widrig oder lächerlich. Pastelfarben in einem Ölgemälde zu üLuuben gekiekst,

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deutsche Lettern in einer französischen Schrift zu französischen gemischt, — oderigar ein rauher Bart am Kinne eines niedlichen Mädchens, oder ein Pi'auenachweif in den After eines Hundes gefugt, beleidigen das Auge « n d empören das Schongefuhl. Wie solten in der Sprache, die eben ein solches Ganzes und im strengsten Sinne des Worts eine Einheit ist, (man sehe meine Schrift:. N o c h E i n W o r t ü b e r S p r a c h e i n h e i t ; ) dergleichen austretende Teile, ich wil nicht sagen von schöner, nur von erträglicher Wirkung sein können'?

XII. Wesentliche Verschiedenheit in dem Ausdruk deutscher Wörter und fremder. Doch nicht blos einen schlechteren, sondern auch einen in seiner Wesenheit ganz a n d e r e n Eindruk müssen im Deutschen lateinischfranzosisclie Worter auf das Gefühl hervorbringen, als deutsche: eine Wahrheit, die wol nur Der zu bestreiten sich einfallen lassen konte, der im Ernste den Saz aufstelte: deutsche / Wörter seien in ihrer JNatur und Art von lateinischen und franzosischen, der Charakter der deutschen Sprache vom .Charakter der franzosischen und lateinischen durchaus nicht verschieden. Wirken sie aber anders auf das Gefühl als die heimischen, so folgt unwidersprechlich dafs sie den Vortrag, dem sie sich zumischen, für den inneren Sin in zwei schrof gesonderte Hälften zerschneiden, und ihn somit zur Aufnahme des Schonen, dem Einheit seines Stoffes hier unerlasliclier Beding i s t , gänzlich untauglich machen müssen. Von diesem Standpunkte aus fasse nun der Unbefangene, dem langer Sohlender den Bilk nicht getrübt, unsere deutsche, buntdurchwirkte Prosa



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i n s A u g e ! er f r a g e s i c h , ob ein f ü r den ä u f s e r e n u n d f ü r d e n i n n e r e n Sin so z e r s c h n i t t e n e s , z e i h a k t e s , a u s e i n a n d e r fallendes Doppelding eine gebildete, k u n s t g e r e c h t e P i osa m i t R e c h t zu heifsen v e r d i e n e ! D e r A u s d r u k ist das Höchste i n der S p r a c h e , s o f e r n sie von> d e r Seite des S c h o n e n g e n o m m e n w i r d . Selbst bei m a n g e l h a f t e r , s c h w a n k e n d e r E i n h e i t 111 F o r m , K l a n g u n d B e t o n u n g i h r e r E l e m e n t e mag eine S p r a c h e , (z. ß . die englische u n d auch die n e u p e r s i s c h e ; ) w e n n sie n u r i n i h r e m A u s d r u k eins i s t , i h r e Rolle i m m e r n o c h mit E h r e n spielen. Aber eine S p r a c h e , d e r e n A u s d r u k k e es a n E i n h e i t g e b r i c h t , das h e i s t , d e r e n E l e m e n t e i n z w e i H ä l f t e n sich s c h e i d e n , v o n d e n e n j e d e f ü r das G e f ü h l i h r e n b e s o n d e r e n C h a r a k t e r , i h r e e i g e n t ü m l i c h e F ä r b u n g h a t , ist u n d bleibt eine b a r b a r i s c h e , eines gebildeten Volkes ganz u n w ü r d i g e S p r a c h e , — a u c h d a n • w a n sie ( e i n F a l der f r e i l i c h k a u m d e n k b a r i s t ; ) i n F o r m , Kl-

que

style

dans

le

U n d a u c h dios W o r t spricht d e r F r a n z o s e ,

es

der Art

der S p r a c h e

verändertem Endlaute

(terme

sag*

terme -purement

das W ö r t e r b u c h d e r A k a d e m i e ,

de peinture,

last

naher

zu b r i n g e n ,

w i e decoron

mit

Svelte

aus.

b e m e i k t d a s eben e r w ä h n t e W o r -

t e r b u c h , ) g e h ö r t a l s K u l i s t w o i t nicht h i e l i e r . Der

Verfasser

flossenen

sur

le

Beau,

wurde,

der

Jahrhunderts hat

die

mit

in

den Vierzigern

erschienenen grofsem

ver-

ßeifal

Essai

aufgenommen

v e r s u c h t d a s lateinische WorL modus

g l e i c h e W e i s e w i e d a s décorum führen.

„Je

dont

nécessite

la

des

Schrift

demande seule

in die S p r a c h e

grâce,

sagt e r , pour

m'oblige

auf

einzu-

un

terme,

de me servir.

( Fur

diesen höchst wichtigen B e g n f , wie für tausend andere mehr,

hat der Franzose wirklich kein Zeichen.)

décorum gue.

des

Romains

Pourquoi

le

a bien passé

modus

n'y

dans

notre

passero'it-il

A b e r sein V o r s c h l a g ist als s c h ä n d e n d u n d für

die

Sprache

mit

Recht

zurükgewiesen

pas?

Le lan"

entehrend worden,



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K e i n Schriftsteller, selbst kein Filosof hat nach ihm diesen Ausdruk gebraucht. In der Tat w u i d e im G e misch mit franzosischen Wörtern das 1 oh lateinische eine höchst seltsame Rolle spielen. Man höre. ,, En 710its prescrivant dans la vie-, dam les sciences, dans les arts, dans nos sentimens, dans nos discoui s, dans nos -procédés, cette règle générale, cjuil faut garder le modus en tout.1' — ,, Si dans la, nécéssité de garder le modus en tout, jusejues dans le Beau, il y a même un modus à observer dans la recherche du modus?" Wie .pedantisch abenteuerlich! Unsere Nachbaren tragen, wenn sie schon das echt französische Wort improvisateur besizen, dennoch kein Bedenkeil auch das italianische improvisatore roh und unverändert 111 Gesprach und Schriften zuzulassen , und sie tun e s , um einen B e g r i f , der Einem Volke ausscliliefsend eigen i s t , als solchen gleichsam lebhall er zu versinliclien durch unmittelbare Hinweisung auf seine Heimat. (So sagt in einem scherzhallen Briefe M o n t e s q u i e u ; lesvirtuosi d'Italie; und in einem anderen bildet er sogar das halbenglische toaster: Je n'eiige point tn