Über Gottes Vermögen. Teilband 3. Über die Einung des menschgewordenen Fleisches 9783787333660, 9783787319091

Thomas von Aquin ist 'der' Denker des Mittelalters, der die am längsten anhaltende Orientierung geboten, die i

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German Pages 434 [445] Year 2019

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Über Gottes Vermögen. Teilband 3. Über die Einung des menschgewordenen Fleisches
 9783787333660, 9783787319091

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THOMAS VON AQUIN

Quaestiones Disputatae

Thomas von Aquin

Quaestiones Disputatae

THOMAS VON AQUIN

Quaestiones Disputatae Vollständige Ausgabe der Quaestionen in deutscher Übersetzung Herausgegeben von Rolf Schönberger Band 9

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

THOMAS VON AQUIN

Über Gottes Vermögen De potentia Dei Teilband 3 Übersetzt und herausgegeben von Stephan Grotz

Über die Einung des menschgewordenen Wortes De unione verbi incarnati Übersetzt und herausgegeben von Andreas Schönfeld

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Universitätsstiftung Lucia und Dr. Otfried Eberz, Regensburg.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-7873-1909-1 ISBN eBook 978-3-7873-3366-0

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2019. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platte und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. – Satz: post scriptum, www.post-scriptum.biz. Druck: Strauss Buch, Mörlenbach. Bindung: Josef Spinner, Ottersweier. Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Werkdruckpapier. Printed in Germany.

INHALT

ÜBER GOTTES VERMÖGEN VII–X

VII. Die Einfachheit des göttlichen Wesens 1. Artikel: Ist Gott einfach? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Artikel: Ist Gottes Substanz bzw. sein Wesen mit seinem Sein identisch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel: Fällt Gott unter eine bestimmte Gattung? . . . . . 4. Artikel: Sagen »gut«, »weise«, »gerecht« und dergleichen etwas Akzidentelles über Gott aus? . . . . . . . . 5. Artikel: Bezeichnen die besagten Ausdrücke die Substanz Gottes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Artikel: Sind diese Ausdrücke synonym? . . . . . . . . . . 7. Artikel: Werden diese Ausdrücke auf Gott und auf das Erschaffene im univoken oder im äquivoken Sinn angewendet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Artikel: Gibt es irgendeine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Artikel: Sind die Relationen, die zwischen Gott und dem Erschaffenen bestehen, etwas Wirkliches am Erschaffenen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Artikel: Hat Gott einen wirklichen Bezug auf das Erschaffene, so daß die Relation etwas Wirkliches an ihm ist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Artikel: Sind diejenigen Relationen, die den Bezug Gottes auf das Zeitliche betreffen, gedankliche Relationen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 11 20 25 33 45

52 62

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75

85

VI

Inhalt

VIII. Die Relationen, die seit Ewigk eit von Gott gelten 1. Artikel: Sind diejenigen Relationen, die seit Ewigkeit von Gott gelten und die mit »Vater« und »Sohn« zum Ausdruck kommen, wirkliche oder bloß gedachte Relationen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Artikel: Ist in Gott die Relation mit seiner Substanz identisch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Artikel: Sind es die Relationen, die die Personen bzw. Hypostasen und deren Unterschiedenheit konstituieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Artikel: Bleibt eine Hypostase in der Gottheit bestehen, wenn man sich ihre Relation wegdenkt? . . . . . 120

IX. Die göttlichen Personen 1. Artikel: In welchem Verhältnis steht die Person zum Wesen, zur Subsistenz und zu einer Hypostase? 129 2. Artikel: Was ist eine Person? . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Artikel: Kann es in Gott eine Person geben? . . . . . . . 144 4. Artikel: Meint das Wort »Person« etwas Relationales oder etwas Unbezügliches in der Gottheit? . . . 148 5. Artikel: Gibt es eine Anzahl von Personen in der Gottheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6. Artikel: Ist es gerechtfertigt, das Wort »Person« im Plural von der Gottheit auszusagen? . . . . . . . 174 7. Artikel: Auf welche Weise lassen sich von der Gottheit Zahlbegriffe aussagen – indem man sie ihr zuspricht oder sie ihr abspricht? . . . . . . . . . 178 8. Artikel: Gibt es in Gott irgendeine Verschiedenheit? . . . 193 9. Artikel: Gibt es in der Gottheit ausschließlich drei Personen oder aber mehr bzw. weniger als drei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Inhalt

VII

X. Der Hervorga ng der göttlichen Personen 1. Artikel: Gibt es überhaupt einen Hervorgang in der Gottheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Artikel: Gibt es in der Gottheit nur einen einzigen Hervorgang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Artikel: Welche Rangfolge besteht zwischen Hervorgang und Relation in der Gottheit? . . . . . . . . . . 4. Artikel: Geht der Heilige Geist aus dem Sohn hervor? . . 5. Artikel: Bliebe der Heilige Geist vom Sohn unterschieden, wenn er nicht aus ihm hervorginge? . . . . . . . Nachwort zu D E

217 229 246 250 271

P OT E N T I A

 I.

Die Quaestionen VII–X im Gesamtaufbau von »De potentia« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einige Grundgedanken in den Quaestionen VII–X . . .

293 295

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325

ÜBER DIE EINUNG DES MENSCHGEWORDENEN WORTES

1. Artikel: 2. Artikel: 3. Artikel: 4. Artikel: 5. Artikel:

Ist diese Einung in der Person oder in der Natur? Ist in Christus nur eine Hypostase? . . . . . . . Ist Christus auf sächliche Weise einer oder zwei? Ist in Christus nur ein Sein? . . . . . . . . . . . Ist in Christus nur eine Tätigkeit? . . . . . . . .

331 350 365 380 383

Nachwort zu De unione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliografie zu De unione . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

395 429

THOMAS VON AQUIN

Über Gottes Vermögen

VII. DIE EINFACHHEIT DES GÖTTLICHEN WESENS

Die hier behandelten Fragen lauten: 1. Ist Gott einfach? 2. Ist Gottes Substanz bzw. sein Wesen mit seinem Sein identisch? 3. Fällt Gott unter eine bestimmte Gattung? 4. Sagen »gut«, »weise«, »gerecht« und dergleichen etwas Akzidentelles über Gott aus? 5. Bezeichnen die besagten Ausdrücke die Substanz Gottes? 6. Sind diese Ausdrücke synonym? 7. Werden diese Ausdrücke auf Gott und auf das Erschaffene im univoken oder im äquivoken Sinn angewendet? 8. Gibt es irgendeine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen? 9. Sind die Relationen, die zwischen Gott und dem Erschaffenen bestehen, etwas Wirkliches am Erschaffenen? 10. Hat Gott einen wirklichen Bezug auf das Erschaffene, so daß die Relation etwas Wirkliches an ihm ist? 11. Sind diejenigen Relationen, die den Bezug Gottes auf das Zeitliche betreffen, gedankliche Relationen?

1. Artik el Die erste Frage lautet: Ist Gott einfach? 1 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Aus dem einfachen Einen kann von Natur aus nur Eines hervorgehen. Denn nach Aristoteles bringt Ein und Dasselbe wieder

1 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 3 a. 7. ScG I, 16; 18. Comp. theol. 9. In De causis l, 21.

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Dasselbe hervor.2 Aus Gott geht jedoch die Vielheit hervor. Demnach ist er nicht einfach. 2. Wer mit etwas Einfachem in Berührung kommt, berührt dieses in seiner Gänze. Nun wird Gott von den Seligen berührt. Denn nach Augustin liegt eine große Glückseligkeit darin, Gott geistig zu berühren.3 Angenommen also, daß Gott einfach ist, dann berühren ihn die Seligen in seiner Gänze. Was aber in seiner Gänze berührt wird, das wird erfaßt. Gott würde somit von den Seligen erfaßt. So etwas ist jedoch unmöglich. Demnach ist Gott nicht einfach. 3. Ein und Dasselbe verhält sich nicht so, daß es als Ursache für Unterschiedliches fungieren könnte. Gott jedoch verhält sich so, daß er als Ursache für Unterschiedliches fungiert. Dies geht aus dem 12.  Buch der Metaphysik hervor.4 Demnach muß es in Gott Verschiedenheit geben, und mithin muß er zusammengesetzt sein. 4. Wo es etwas und noch etwas anderes gibt, da herrscht Zusammensetzung. Nun gibt es in Gott etwas und noch etwas anderes, nämlich die personale Eigentümlichkeit und das Wesen. Demnach gibt es in Gott Zusammensetzung. 5. Dazu läßt sich sagen: Die personale Eigentümlichkeit ist in diesem Fall mit dem Wesen identisch. – Dem ist zu erwidern: Eine Affirmation und eine Negation gelten nicht für ein und denselben Gegenstand. Nun ist das göttliche Wesen den drei Personen gemeinsam, die personale Eigentümlichkeit aber nicht. Demnach sind die personale Eigentümlichkeit und das Wesen nicht identisch. 6. All das, dem verschiedene Prädikate beigelegt werden, ist zusammengesetzt. Nun kommen als göttliche Prädikate die Substanz und die Relation in Frage, wie Boethius sagt.5 Demnach ist Gott zusammengesetzt. 7. Wie Dionysius bemerkt, ist jedes beliebige Ding durch seine Substanz, Kraft und sein Wirken gekennzeichnet.6 Von daher scheint es so zu sein, daß sich sein Wirken aus seiner Kraft und 2 3 4 5 6

Aristoteles, De gen. et corr. II, 10; 336 a 27 f. Augustinus, Sermo 117, Kap. III, 5 (PL 38, col. 663). Aristoteles, Met. XII, 7; 1071 b 14 f. Boethius, De trin. V–VI (ed. Elsässer, 21 ff.). Dionysius Areopagita, De cael. hier. XI, 2 (Dion. II, 930).

1. Artikel

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Substanz ableitet. Nun wirkt aber Gott auf vielfache Weise. Demnach findet sich in seiner Substanz Vielheit und Zusammensetzung. 8. Wo sich eine Vielzahl von Formen findet, da muß es Zusammensetzung geben. Nun findet sich in Gott eine Vielzahl von Formen. Denn nach Averroes sind alle Formen der Wirklichkeit nach im ersten Beweger, ebenso wie sie der Möglichkeit nach in der ersten Materie liegen.7 Demnach gibt es in Gott Zusammensetzung. 9. Was zum vollständigen Sein eines Dinges hinzukommt, das tritt an ihm akzidentell auf. Nun sagt man von Gott manches aus einer zeitlichen Perspektive aus, also z. B., daß er der Schöpfer und der Herr ist. Folglich tritt das Genannte an ihm akzidentell auf. Ein Akzidens im Verbund mit seinem Träger stellt jedoch eine Zusammensetzung dar. Demnach gibt es in Gott Zusammensetzung. 10. Wo es mehrere Dinge gibt, da gibt es Zusammensetzung. Nun sagt Augustinus, daß es in Gott drei Personen und damit drei Dinge gibt.8 Demnach gibt es in Gott Zusammensetzung. Dagegen spricht: 1. Hilarius bemerkt: »Gott ist nicht nach Art des Menschen zusammengesetzt, so als ob in ihm etwas läge, das er innehätte, und er selbst als Inhaber noch etwas anderes wäre.«9 2. Boethius sagt: »Das ist das wahrhaft Eine, was keine Anzahl kennt.«10 Überall dort jedoch, wo es Zusammensetzung gibt, gibt es auch Zahl. Demnach ist Gott ohne jede Zusammensetzung vollkommen einfach. Antwort: Es muß daran festgehalten werden, daß Gott in jeder Hinsicht einfach ist. Dies kann in diesem Zusammenhang mit drei Gründen belegt werden.

7 Averroes, In Met. XII, comm. 18 (Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Bd. VIII, fol. 305 vI). 8 Augustinus, De doctr. christ. I, 5 (CCSL 32, 9). 9 Hilarius von Poitiers, De trin. VIII, 43 (CCSL 62, 356). 10 Boethius, De trin. III, 3 f. (ed. Elsässer, 10 f.).

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Der erste Grund ist folgender: Innerhalb einer anderen Erörterung11 ist aufgezeigt worden, daß alles Seiende aus dem ersten Seienden hervorgeht, welches wir Gott nennen. Im Hinblick auf ein und dasselbe Ding, das zu einem Zeitpunkt möglich und zu einem anderen Zeitpunkt wirklich ist, ist dessen Möglichsein zwar zeitlich früher als sein Wirklichsein, sachlich aber letzterem nachgeordnet. An sich betrachtet, geht jedoch das Wirklichsein nicht nur sachlich, sondern auch zeitlich voran, und zwar deswegen, weil alles, was möglich ist, durch etwas in die Wirklichkeit gelangt, was selbst wirklich ist. Dasjenige Seiende also, das alles Seiende wirklich werden läßt und das sich seinerseits keinem anderen Seienden verdankt, muß das erste Wirkliche sein, in das überhaupt kein Möglichsein verwoben ist. Denn wenn es irgendwie der Möglichkeit nach wäre, dann müßte ihm ein anderes Seiendes vorangehen, dem es sein Wirklichsein verdanken würde. Bei all dem jedoch, was irgendwie zusammengesetzt ist, sind Möglichkeit und Wirklichkeit ineinander verwoben. Denn bei zusammengesetzten Dingen hat entweder der eine Bestandteil im Vergleich zum anderen Bestandteil einen potentiellen Charakter, wie dies etwa bei Materie und Form, bei Substrat und Akzidens, bei Genus und artspezifischer Differenz der Fall ist. Oder aber es haben durchweg alle Teile einen potentiellen Charakter im Vergleich zu ihrem Ganzen. Denn nach dem 2. Buch der Physik lassen sich die Teile [eines Ganzen] auf die Materie zurückführen, das Ganze aber auf die Form.12 Somit kann nichts Zusammengesetztes die erste Wirklichkeit sein. Das erste Seiende aber, welches Gott ist, muß, wie bereits gezeigt, reine Wirklichkeit sein.13 Folglich kann Gott nicht zusammengesetzt sein, und daher muß er vollkommen einfach sein. Der zweite Grund ist der, daß eine Zusammensetzung nur dank verschiedener Komponenten zustande kommt, daß aber diese Komponenten etwas benötigen, das ihre Vereinigung bewirkt. Denn das Verschiedene als solches bildet keine Einheit. Alles, was zusammengesetzt ist, hat aber insofern Sein, als seine Komponenten eine Ein11 Vgl. De pot. q. 3 a. 5. 12 Aristoteles, Phys. II, 3; 195 a 15–26. 13 Vgl. De pot. q. 2 a. 2.

1. Artikel

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heit bilden. Also ist alles, was zusammengesetzt ist, vom Wirken einer ihm vorgeordneten Instanz abhängig. Demnach kann das erste Seiende, welches Gott ist und aus dem alles ist, nicht zusammengesetzt sein. Der dritte Grund ist der, daß das erste Seiende, welches Gott ist, im höchsten Grade vollkommen und gut ist. Denn nach Auffassung von Pythagoras und Leukipp sind die Prinzipien für die Dinge keineswegs unvollkommen. Nun ist dasjenige im höchsten Grade gut, in dem es nichts gibt, des es an Güte fehlen läßt, genauso wie dasjenige im höchsten Grade weiß ist, dem keine Schwärze beigemischt ist. So etwas kann jedoch bei dem, was zusammengesetzt ist, nicht vorkommen. Denn das Gute, das aus der Zusammensetzung der Teile resultiert und durch das das Ganze gut ist, liegt nicht in einem dieser Teile beschlossen. Daher sind die Teile nicht gut in dem Sinne derjenigen Güte, die dem Ganzen zu eigen ist. Folglich muß das, was im höchsten Grad gut ist, im höchsten Grad einfach und frei von jeder Zusammensetzung sein. Die angeführte Begründung geben Aristoteles14 und auch Hilarius dort, wo er sagt: »Gott ist das Licht und wird daher nicht von der Dunkelheit ergriffen; Gott ist die Kraft und wird daher nicht von Schwäche eingeschränkt.«15 Zu 1. Aristoteles meint hier nicht, daß aus Einem keine Vielheit hervorgehen kann. Denn da jedes Tätige etwas von Seinesgleichen hervorbringt, da aber keine Wirkung ihre Ursache getreu wiedergeben kann, so wird sich das, was in der Ursache einheitlich ist, in den Wirkungen unweigerlich als eine Vielheit darstellen. So sind etwa in der Kraft der Sonne alle Formen derjenigen Körper, die von ihr hervorgebracht werden können, gewissermaßen Eines, und doch sind diese Formen als Wirkungen unterscheidbar. Von daher kommt es, daß ein Ding durch seine eine Kraft verschiedene Wirkungen hervorbringen kann. So kann etwa ein Feuer kraft seiner Hitze etwas schmelzen und gerinnen lassen, weich und hart machen, verbrennen und schwärzen. Auch der Mensch kann kraft seines Verstandes verschiedene Wissenschaften betreiben und verschieden ge14 Vgl. Aristoteles, Met. XII, 9; 1074 b 15 ff. 15 Hilarius, De trin. VII, 27 (CCSL 62, 294).

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fertigte Gegenstände herstellen. Erst recht kann Gott dank seiner einen, einfachen Kraft vieles erschaffen. Was Aristoteles hier meint, ist vielmehr dies: Solange ein Ding ein und dasselbe bleibt, bringt es nicht Verschiedenes zu verschiedenen Zeitpunkten hervor, vorausgesetzt, sein Tätigsein ist ein naturnotwendiges. So etwas kann nur akzidentell vorkommen und verdankt sich dann einem Unterschied in der Materie oder einem anderen akzidentellen Umstand. Dies spielt jedoch für unseren Zusammenhang keine Rolle. Zu 2. Der Geist der Seligen berührt Gott zwar in seiner Gänze, jedoch nicht auf eine umfassende Weise. Denn die Art, wie Gott erkannt werden kann, übersteigt unendlich die Art eines erschaffenen Intellekts. Daher kann ein erschaffener Intellekt Gott nicht auf so vollkommene Weise erkennen, wie Gott als er selbst erkennbar ist. Deswegen kann er Gott nicht erfassen. Zu 3. Als der Eine und Derselbe ist Gott in verschiedener Weise die Ursache. Denn insofern Gott die erste Wirklichkeit ist, ist er tätig und das Urbild aller Formen. Als die reine Gutheit ist er aber das Ziel für alle Dinge. Zu 4. Die personale Eigentümlichkeit und das Wesen sind nicht sachlich, sondern nur begrifflich voneinander unterschieden. Denn die Vaterschaft selbst ist Gottes Wesen. Dies wird später noch deutlicher werden.16 Zu 5. Aristoteles zufolge lassen sich ohne weiteres kontradiktorische Aussagen über das machen, was sachlich identisch ist und begrifflich differenziert werden kann.17 So kann z. B. ein und derselbe Punkt begrifflich differenziert werden als ein Anfang und als ein Ende [innerhalb eines Kontinuums]. Denn insofern dieser Punkt einen Anfang markiert, stellt er eben kein Ende dar, und umgekehrt gilt das Gleiche. Wenn also die personale Eigentümlichkeit und das Wesen sachlich identisch sind und begrifflich differenziert werden können, so kann ohne weiteres das Wesen [allen drei Personen] gemeinsam sein, die personale Eigentümlichkeit dagegen nicht.

16 Vgl. De pot. q. 8 a. 1. 17 Aristoteles, Phys. III, 3; 202 b 10–18.

1. Artikel

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Zu 6. Wie ausgeführt, besteht zwischen den unbezüglichen und den relationalen Bestimmungen in Gott kein sachlicher, sondern nur ein begrifflicher Unterschied. Dieser Umstand läßt jedoch keinen Schluß auf eine Zusammensetzung in Gott zu. Zu 7. Gottes Tätigsein kann man entweder vom Ausführenden her oder vom Ausgeführten her betrachten. Wenn man es vom Ausführenden her betrachtet, dann gibt es in Gott nur ein einziges Tätigsein, das sein Wesen ist. Denn Gott führt ein Ding nicht vermittels einer Tätigkeit aus, die zwischen Gott und das ausgeführte Ding tritt. Vielmehr ist Gott durch seinen Intellekt und seinen Willen tätig, die beide sein Sein sind. – Wenn man aber Gottes Tätigsein vom Ausgeführten her betrachtet, dann gibt es hier verschiedene Tätigkeiten und Wirkungen in Gottes Tätigsein. Doch dies läßt nicht den Schluß zu, daß es in Gott eine Zusammensetzung gibt. Zu 8. Diejenigen Formen, die auf natürlichem Wege hervorgebracht werden, liegen auf eine andere Weise in ihrem Hervorbringer, als es diejenigen Formen tun, welche mittels einer Kunstfertigkeit hervorgebracht werden. Denn diejenigen Formen, die auf natürlichem Wege hervorgebracht werden, liegen so in ihrem Hervorbringer, daß dieser ihnen eine Gleichheit mit seinem eigenen Wesen verleiht. Dies hat seinen Grund darin, daß jedes Wirkende etwas von Seinesgleichen hervorbringt. Hierbei sind allerdings zwei Spielarten zu unterscheiden. Denn wenn das Hervorgebrachte seinem Hervorbringer vollständig gleicht, also ihm in seinem Leistungsvermögen gleichkommt, dann liegt die hervorgebrachte Form so in ihrem Hervorbringer vor, daß sie denselben Wesenzug aufweist wie er. So verhält es sich bei zwei wirkenden Instanzen, die im univoken Sinn ausgesagt werden, also z. B. in dem Fall, wenn ein Feuer ein anderes Feuer entfacht. Wenn jedoch das Hervorgebrachte seinem Hervorbringer nicht vollständig gleicht, also ihm in seinem Leistungsvermögen nicht gleichkommt, dann hat die hervorgebrachte Form nicht denselben Wesenszug, sondern liegt auf eine ausgezeichnete Weise in ihrem Hervorbringer vor. So verhält es sich bei zwei wirkenden Instanzen im äquivoken Sinn, also z. B. in dem Fall, wenn die Sonne ein Feuer entfacht. Hingegen liegen diejenigen Formen, die mittels einer Kunstfertigkeit hervorgebracht werden, in ihrem Hervorbringer so vor, daß

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sie dort denselben Wesenszug, jedoch nicht dieselbe Seinsweise besitzen. Denn im Hervorgebrachten besitzen diese Formen ein Sein in der Materie, im Geist des Handwerkers besitzen sie dagegen ein intelligibles Sein. Da aber das, was im Intellekt vorliegt, einerseits der Gegenstand der Erkenntnis sein kann, andererseits das Vorstellungsbild, dank dem etwas erkannt wird, so liegen im Geist des Handwerkers die Formen seiner Handwerkskunst als dasjenige vor, dank dem er etwas erkennt. Denn dadurch, daß ein Handwerker die Form seines handwerklichen Produkts geistig erfaßt, bringt er diese Form in die Materie. In Gott liegen nun die Formen der Dinge auf beiderlei Weise vor. Denn wenn Gott die Dinge durch seinen Intellekt hervorbringt, so geschieht dies nicht unabhängig von seiner Natur. Denn mit seiner Kunstfertigkeit bringt ein irdischer Handwerker etwas kraft der Natur außerhalb von ihm zustande, wobei er sich der Natur als Instrument bedient. So benutzt etwa ein Töpfer das Feuer, um Ziegel zu brennen. Doch die göttliche Kunst bedient sich für ihr Wirken nicht der äußeren Natur, sondern sie bringt kraft ihrer eigenen Natur ihre Wirkungen hervor. Die Formen der Dinge liegen also in der göttlichen Natur als der hervorbringenden Kraft. Allerdings liegen sie dort nicht mit denselben Wesenszügen, da keine Wirkung dieser Kraft gleichkommt. Daher sind hier alle Formen, die als hervorgebrachte vielfältig sind, Eines. Diese Vielfalt führt also nicht zu einer Zusammensetzung [in Gott]. Ebenso liegen in Gottes Intellekt viele Dinge, die von Ein und Demselben – nämlich von Gottes Wesen – erkannt werden. Wenn aber vieles durch Eines erkannt wird, dann läßt dies keine Rückschlüsse auf eine Zusammensetzung des Erkennenden zu. Auch aus dieser Perspektive folgt daher keine Zusammensetzung in Gott. Zu 9. Diejenigen Relationen, die man von Gott aus einer zeitlichen Perspektive aussagt, sind keine realen Relationen, die in Gott liegen, sondern nur gedachte Relationen. Denn eine Relation ist dann real, wenn ein Ding entweder schlichtweg oder in einer bestimmten Hinsicht etwas anderes tatsächlich voraussetzt. Deswegen hat das Wissen einen realen Bezug auf das Wißbare, während umgekehrt das Wißbare keinen realen, sondern nur einen gedachten Bezug auf das Wissen hat. Dies geht aus Aristoteles her-

2. Artikel

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vor.18 Da also Gott nichts anderes für sich voraussetzt, sondern vielmehr alle Dinge Gott zur Voraussetzung haben, stehen diese Dinge in einem realen Bezug zu Gott, während der Bezug Gottes auf diese Dinge nur ein gedachter ist. Denn unser Intellekt kann keinen Bezug von A auf B denken, ohne einen Bezug von B auf A zu denken. Zu 10. Daß es in Gott mehrere Personen gibt, heißt nicht, daß er zusammengesetzt wäre. Denn diese Personen können auf zweifache Weise betrachtet werden, und zwar das eine Mal im Bezug auf das [göttliche] Wesen, mit dem sie der Sache nach identisch sind. Das andere Mal können die göttlichen Personen in ihren wechselseitigen Bezügen zueinander betrachtet werden, und hier betrachtet man sie dann nicht in ihrer Einheit, sondern in ihrer Verschiedenheit. Auch in dieser Perspektive kann es daher keine Zusammensetzung [in Gott] geben, da eine Zusammensetzung stets die Bildung einer Einheit impliziert.

2. Artik el Die zweite Frage lautet: Ist Gottes Substanz bzw. sein Wesen mit seinem Sein identisch? 19 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Johannes von Damaskus bemerkt im 1. Buch von De fide orthodoxa: »Daß Gott ist, ist für uns einsichtig. Was er aber in seiner Substanz und in seinem Wesen ist, das ist völlig unermeßlich und unbekannt.«20 Nun kann aber ein und dasselbe Ding nicht bekannt und unbekannt sein. Demnach ist Gottes Sein nicht mit seiner Substanz bzw. mit seinem Wesen identisch. 2. Dazu ließe sich sagen: Auch das Sein Gottes ist uns so unbekannt wie seine Substanz. – Dem ist zu erwidern: Es sind zwei verschiedene Fragen, ob Gott ist und was Gott ist. Wie aus der eben angeführten Autorität hervorgeht, wissen wir auf die eine der bei18 Aristoteles, Met. V, 15; 1021 a 27–b 7. 19 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 3 a. 4. ScG I, 22; 52. Sent. I, d. 8, q. 4

a. 1; q. 5 a. 2; d. 34, q. 1 a. 1. Comp. theol. 11. De ente et essentia 5. 20 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 4, 1 [I, 4] (ed. Buytaert, 19).

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den Fragen eine Antwort, auf die andere jedoch nicht. Folglich ist die Antwort auf die Frage, ob Gott ist, nicht identisch mit der Antwort auf die Frage, was Gott ist. Vielmehr bezieht sich die Frage, ob Gott ist, auf das Sein und die Frage, was er ist, auf die Substanz bzw. das Wesen. 3. Dazu kann man wiederum sagen: Gottes Sein kann zwar nicht als solches erkannt werden, doch aber dank der Ähnlichkeit, die das Erschaffene mit ihm hat. – Dem ist zu erwidern: Das Erschaffene besitzt sowohl Sein als auch eine Substanz bzw. eine Natur. Da es beides von Gott erhalten hat, so gleicht es auch in beidem Gott, denn jede wirkende Instanz bringt etwas von Ihresgleichen hervor. Wenn also das Sein Gottes dank der Ähnlichkeit, die das erschaffene Sein mit ihm hat, erkannt wird, dann müßte auch Gottes Substanz dank einer Ähnlichkeit, die eine erschaffene Substanz mit ihr hat, erkannt werden. Damit wüßten wir nicht nur, ob Gott ist, sondern auch, was Gott ist. 4. Jedes Ding unterscheidet sich bekanntlich von einem anderen Ding aufgrund seiner Substanz. Kein Ding kann sich jedoch von einem anderen durch etwas unterscheiden, was alle Dinge gemeinsam haben. Daher bemerkt auch Aristoteles, daß »seiend« nicht in eine Definition gehört, weil es das Definierte nicht von anderen Dingen abgrenzt.21 Demnach kann die Substanz eines Dinges, das sich von anderen Dingen unterscheidet, nicht das Sein als solches sein, welches allen Dingen gemeinsam ist. Nun ist aber Gott etwas, was von anderen Dingen verschieden ist. Folglich kann sein Sein nicht mit seiner Substanz identisch sein. 5. Die Dinge unterscheiden sich nur dann voneinander, wenn auch ihr Sein verschieden ist. Nun unterscheidet sich aber das Sein eines bestimmten Dinges vom Sein eines anderen Dinges nicht durch das Sein als solches, sondern dadurch, daß dieses Ding diese oder jene bestimmte Natur hat. Gäbe es also ein bestimmtes Sein, das sich nicht aufgrund seiner Natur vom Sein als solchem unterscheiden würde, dann wäre dieses bestimmte Sein nicht von einem anderen bestimmten Sein verschieden. Wenn daher Gottes Substanz mit sei-

21 Aristoteles, Met. III, 2; 998 b 13 ff.

2. Artikel

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nem Sein identisch wäre, dann würde daraus folgen, daß Gott das Sein wäre, welches allen Dingen gemeinsam ist. 6. Dasjenige Sein, mit dem keine Hinzufügung verbunden ist, ist das Sein, das alle Dinge gemeinsam haben. Wenn Gott nun das Sein selbst wäre, dann wäre er das Sein, mit dem keine Hinzufügung verbunden ist, und somit dasjenige Sein, das alle Dinge gemeinsam haben. Somit würde Gottes Sein als Prädikat für jedes beliebige Ding fungieren, und er selbst würde sich mit allen Dingen vermengen. Diese Ansicht ist häretisch; zudem steht sie im Widerspruch zu Aristoteles’ Feststellung im Buch von den Ursachen, wonach die erste Ursache alle Dinge lenkt, ohne sich mit ihnen zu vermischen.22 7. Das, was vollkommen einfach ist, kann nicht mit einem Ausdruck belegt werden, der ein Konkretum zum Inhalt hat. Dies gilt nun auch für das Sein. Denn das Sein und das Wesen verhalten sich so zueinander wie etwas Weißes und die Weiße. Demnach ist die Aussage unzutreffend, daß Gottes Substanz das Sein ist. 8. Boethius sagt: »Um sein zu können, hat alles, was ist, teil an dem, was das Sein ist. Um etwas sein zu können, hat es an etwas anderem teil.«23 Nun ist Gott. Also gibt es in Gott außer seinem Sein noch etwas anderes, wodurch Gott etwas sein kann. 9. Man kann Gott, der im höchsten Grad vollkommen ist, nichts zuschreiben, was im höchsten Grad unvollkommen ist. Nun ist das Sein, genauso wie die erste Materie, im höchsten Grad unvollkommen. Denn wie die erste Materie durch alle Formen bestimmt wird, so wird auch das Sein als etwas im höchsten Grad Unvollkommenes durch sämtliche Prädikamente näher bestimmt. Wie also in Gott keine erste Materie liegt, so kann auch das Sein kein Attribut für die göttliche Substanz sein. 10. Ein Ausdruck, der eine Wirkung bezeichnet, kann nicht für die erste Substanz verwendet werden, da diese kein Prinzip hat. Dies gilt nun auch für das Sein. Denn jedes Seiende verdankt sein Sein 22 Liber de causis, prop. 19 [20]; n. 155 (ed. Schönfeld 38 f.). – Aristoteles galt bis zu Thomas’ Zeiten noch als der Verfasser dieses Werkes, dessen wirklicher Autor bis heute unbekannt ist. Thomas selbst hat übrigens die andersartige Herkunft dieser Schrift entdeckt. 23 Boethius, De hebd. 41 f. [= regula VI] (ed. Elsässer, 36 f.).

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den Prinzipien für sein Wesen. Demnach ist die Aussage unzutreffend, daß Gottes Substanz das Sein selbst ist. 11. Jeder Satz versteht sich von selbst, wenn er von etwas ebendasselbe aussagt. Wenn nun Gottes Substanz mit seinem Sein identisch wäre, dann wären in der Aussage »Gott ist« das Subjekt und das Prädikat identisch. Folglich würde sich dieser Satz von selbst verstehen. Dies ist jedoch offensichtlich falsch, da sich für diesen Satz eine Begründung geben läßt. Folglich ist Gottes Sein nicht mit seiner Substanz identisch. Dagegen spricht: 1. Hilarius bemerkt in seinem Buch Über die Dreieinigkeit: »Das Sein ist angesichts von Gott kein Akzidens, sondern es ist bestehende Wahrheit.«24 ›Bestehend‹ meint aber die Substanz eines Dinges. Demnach ist Gottes Sein seine Substanz. 2. Nach dem Diktum von Rabbi Moses ist Gott seiend ohne Sein, lebendig ohne Leben, mächtig ohne Macht, weise ohne Weisheit.25 Demnach ist Gottes Wesen nichts anderes gegenüber seinem Sein. 3. Jedes Ding wird nach seiner Washeit benannt. Denn nach dem 4.  Buch der Metaphysik gibt der Name eines Dinges dessen Substanz und Washeit an.26 Nun ist der Name »Der ist« unter allen anderen Gottesnamen derjenige, der Gott am ehesten angemessen ist. Dies geht aus dem 4. Kapitel von Exodus hervor.27 Wenn also dieser Name das bezeichnen soll, was das Sein ist, dann ist offensichtlich Gottes Sein selbst seine Substanz. Antwort: In Gott gibt es keinen Unterschied zwischen dem Sein und seiner Substanz. Damit dies auch einsichtig wird, ist Folgendes zu bedenken: Sobald einige Ursachen, die je verschiedene Wirkungen hervorbringen, neben diesen ihren Wirkungen auch noch in einer bestimmten Wirkung übereinkommen, können sie diese ihnen 24 25 26 27

Hilarius von Poitiers, De trin. VII, 11 (CCSL 62, 271). Mose ben Maimon, Führer der Unschlüssigen I, 56 (ed. Weiss I, 189). Aristoteles, Met. IV, 7; 1012 a 20–24. Vgl. insbesondere auch Ex. 3, 14.

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gemeinsame Wirkung nur dank der Kraft einer höheren Ursache hervorbringen, für die jene Wirkung charakteristisch ist. Dies wiederum erklärt sich daraus, daß die Hervorbringung einer ganz bestimmten Wirkung durch ihre Ursache von deren eigentümlicher Natur bzw. Form abhängt. Daher sind mit verschiedenen Ursachen, die eine je andere Natur und Form besitzen, unweigerlich auch ganz bestimmte, je andere Wirkungen verbunden. Wenn also diese Ursachen in einer bestimmten Wirkung übereinkommen, dann ist diese Wirkung nicht für eine dieser Ursachen charakteristisch, sondern sie gehört einer höheren Ursache zu, durch deren Kraft jene Ursachen ihre Wirkungen entfalten. So führen auch unterschiedlich zusammengesetzte Substanzen, also z. B. Pfeffer, Ingwer und dergleichen, allesamt zu Erhitzung [des Körpers], und doch ist mit einer jeden dieser Substanzen eine je andere, charakteristische Wirkung verbunden. Somit läßt sich diese ihre gemeinsame Wirkung auf eine höhere Ursache zurückführen, welche diese charakteristische Wirkung hat: nämlich auf das Feuer. Auch angesichts der Himmelsbewegungen besitzt jede einzelne Planetensphäre ihre je charakteristische Bewegung, doch zugleich haben sie allesamt eine Bewegung gemeinsam. Diese Bewegung kann nur für eine höhere Sphäre charakteristisch sein, die den täglichen Umlauf aller anderen Sphären verursacht. Nun kommen alle kreatürlichen Ursachen in einer bestimmten Wirkung überein, und das ist das Sein. Davon abgesehen hat jede einzelne dieser Ursachen ihre je charakteristische, unterscheidende Wirkung. Denn die Hitze ist die Ursache für das Heiß-Sein von etwas, und ein Baumeister ist die Ursache für das Sein eines Hauses. Beide kommen also darin überein, daß sie etwas ins Sein bringen, und unterscheiden sich darin, daß ein Feuer ein Feuer und ein Baumeister ein Haus hervorbringt. Demnach muß es eine Ursache geben, die über allen anderen Ursachen steht, durch deren Kraft alle diese Ursachen etwas ins Sein bringen können und deren charakteristische Wirkung das Sein ist. Diese Ursache ist nun Gott. Charakteristisch für eine Ursache ist aber eine Wirkung dann, wenn diese Wirkung aus ihrer Ursache hervorgeht und dabei eine Ähnlichkeit mit deren Wesen aufweist. Daher muß das, was das Sein ist, Gottes Substanz bzw. sein Wesen sein. So heißt es ja auch

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im Buch von den Ursachen, daß nur der göttliche Geist das Sein verleiht,28 sowie, daß das Sein die erste Wirkung ist und es vor ihm kein anderes Geschaffenes gibt.29 Zu 1. Nach dem 5. Buch der Metaphysik verstehen sich ›seiend‹ und ›Sein‹ auf zweifache Weise.30 Denn das eine Mal ist damit das Wesen bzw. der Seinsakt eines Dinges gemeint. Das andere Mal betreffen sie die Wahrheit einer Aussage, auch dann, wenn das Ausgesagte kein Sein besitzt. So sagt man etwa, daß Blindheit ist, da es wahr ist, daß ein Mensch blind ist. Wenn daher Johannes von Damaskus sagt, daß Gottes Sein für uns einsichtig ist, dann versteht er das Sein Gottes im zweiten und nicht im ersten Sinn. Denn im ersten Wortsinn meint das Sein Gottes dasselbe wie seine Substanz, die ebenso unbekannt ist wie sein Sein. Im zweiten Sinn haben wir ein Wissen davon, daß Gott ist, da wir diese Aussage von Gottes Wirkungen her verstehen. Zu 2. und 3. Das eben Gesagte klärt diese beiden Punkte. Zu 4. Gottes Sein, das seine Substanz ist, ist nicht das allgemeine Sein, sondern das Sein, das von jedem anderen Sein verschieden ist. Daher unterscheidet sich Gott eben durch sein Sein von jedem anderen Seienden. Zu 5. Wie im Buch von den Ursachen steht,31 ist Gottes Sein dadurch einzigartig und von jedem anderen Sein verschieden, daß sein Sein durch sich selbst Bestand hat und nicht noch zu einem Wesen hinzukommt, welches von diesem Sein verschieden wäre. Dagegen wird jedes andere Sein, welches nicht [durch sich selbst] Bestand hat, durch das Wesen und das Substrat individuiert, welches in diesem Sein seinen Bestand hat. Von diesen Seienden gilt in der Tat, daß das Sein von A anders ist als das Sein von B, eben weil es ein je anderes Wesen besitzt. Das gleiche gälte z. B. in dem Fall, wenn eine Hitze für sich und unabhängig von einer Materie bzw. von einem Träger Bestand hätte und sich eben dadurch von jeder anderen Hitze unter28 29 30 31

Liber de causis, prop. 8 [9]; n. 82 (ed. Schönfeld, 20 f.). Liber de causis, prop. 4; n. 37 (ed. Schönfeld, 8 f.). Aristoteles, Met. V, 7; 1017 a 8–b 9. Liber de causis, prop. 4; n. 40 (ed. Schönfeld, 11).

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scheiden würde, während sich verschiedene Formen von Hitze, die an einem Substrat auftreten, sich nur aufgrund ihrer verschiedenen Substrate unterscheiden. Zu 6. Das allgemeine Sein ist dasjenige Sein, mit dem keine Hinzufügung verbunden ist, das aber von seinem Begriff her nicht ausschließt, daß mit ihm eine Hinzufügung verbunden sein könnte. Gottes Sein hingegen ist dasjenige Sein, mit dem keine Hinzufügung verbunden ist und das von seinem Begriff her ausschließt, daß mit ihm eine Hinzufügung verbunden sein kann. Aus diesem Grund ist Gottes Sein nicht mit dem allgemeinen Sein identisch. Ebensowenig ist mit dem Begriff des Lebewesens als solchen schon eine Hinzufügung verbunden, die den Unterschied von ›vernunftbegabt‹ [und ›vernunftlos‹] markiert. Gleichwohl schließt es dieser Begriff nicht aus, daß mit ihm eine Hinzufügung verbunden sein kann. Dies gilt nämlich für den Begriff des vernunftlosen Lebewesens, der eine spezifische Bestimmung des Lebewesens [als solchen] darstellt. Zu 7. Die Weise, wie unsere sprachlichen Ausdrücke für die Dinge etwas zum Ausdruck bringen, hängt davon ab, wie wir diese Dinge geistig auffassen. Denn die sprachlichen Ausdrücke geben die Eindrücke in unserem Intellekt wieder, wie es zu Beginn von Peri hermeneias heißt.32 Unser Intellekt faßt nun das Sein so auf, wie er es an den Dingen hier unten entdeckt, und im Ausgang von diesen Dingen, die kein von sich aus bestehendes Sein haben, sondern denen ein Sein innewohnt, gewinnt er seine Erkenntnis. Unsere Vernunft sagt uns aber, daß es ein von sich aus bestehendes Sein gibt. Und so ist zwar mit dem Wort »Sein« die Ausdrucksweise verbunden, daß es etwas bezeichnet, was bei der Schöpfung verliehen wird. Sobald aber unser Intellekt Gott ein Sein zuschreibt, läßt er diese Ausdrucksweise hinter sich, da er für Gott zwar den Inhalt dieses Ausdrucks gelten läßt, nicht aber die Weise, wie jenes Wort etwas zum Ausdruck bringt. Zu 8. Das Diktum von Boethius bezieht sich auf dasjenige, dem in Form der Teilhabe und nicht durch sein Wesen das Sein zukommt. Denn »das, was durch sein Wesen ist« sollte man, wenn man den 32 Aristoteles, Peri herm. 1; 16 a 3–4.

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Sinn dieser Wendung treffen will, eher mit »das Sein selbst« als mit »das, was Sein hat« wiedergeben. Zu 9. Unter »Sein« verstehe ich die allerhöchste Vollkommenheit. Dies erklärt sich daraus, daß die Wirklichkeit stets die Vervollkommnung einer Möglichkeit ist. Jede bestimmte Form kann aber nur dann als wirklich bestehend gelten, wenn sich behaupten läßt, daß sie ist. Denn die Natur des Menschen oder des Feuers als solche kann man entweder als etwas auffassen, das nur potentiell in der Materie vorliegt, oder als etwas, das in der Macht eines wirkenden Wesens steht, oder auch als etwas, das im Intellekt liegt. Das jedoch, was ein Sein hat, gelangt wirklich in die Existenz. Somit ist klar, daß das, was ich unter »Sein« verstehe, die Wirklichkeit alles Wirklichen und die Vollkommenheit alles Vollkommenen ist. Man braucht aber nicht zu denken, daß dem »Sein«, wie ich es verstehe, etwas hinzugefügt werden kann, das im Vergleich zu ihm mehr Form besäße und ihm damit eine Bestimmtheit verleihen würde, wie sie die Wirklichkeit einer Möglichkeit verleiht. Denn das Sein im angeführten Sinn ist dem Wesen nach verschieden von dem, dem mittels einer Hinzufügung eine Bestimmtheit verliehen wird. Somit kann dem Sein nichts hinzugefügt werden, was außerhalb von ihm stünde, da es außerhalb des Seins nichts gibt außer das Nichtseiende, welches weder als Form noch als Materie auftreten kann. Daher kann das Sein auch keine Bestimmtheit erhalten, wie sie die Möglichkeit durch die Wirklichkeit erhält, sondern es wird eher wie die Wirklichkeit durch die Möglichkeit bestimmt. Denn zur Definition einer Form gehört auch die für sie charakteristische Materie, welche hier eine spezifizierende Funktion erfüllt. So definieren wir ja auch die Seele als die Form eines physischen Körpers mit Organen. Aus diesem Grund bemerkt auch Dionysius, daß zwar das Lebendige höher steht als das Seiende, daß aber gleichwohl das Sein einen höheren Rang einnimmt als das Leben.33 Denn das Lebendige besitzt nicht nur Leben, sondern hat ineins damit Sein. Zu 10. Die Rangfolge der wirkenden Wesen begründet sich aus der Rangfolge der jeweiligen Ziele, so daß demjenigen wirkenden Wesen, das an erster Stelle steht, das Ziel entspricht, welches an 33 Dionysius Areopagita, De div. nom. V, 3 (Dion. I, 328 f.).

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letzter Stelle steht. In dieser Ordnung ordnen sich entsprechend die weiteren Ziele jeweils anderen wirkenden Wesen zu. Nehmen wir den Lenker eines Staates, einen Heerführer und einen einzelnen Soldaten, dann steht der Staatslenker ganz klar in der Rangfolge der wirkenden Wesen an oberster Stelle. Auf dessen Geheiß hin zieht der Heerführer in den Krieg. Ihm untersteht der Soldat, der gemäß den Befehlen des Heerführers eigenhändig ins Kampfgeschehen eingreift. Das Ziel des Soldaten liegt nun in der Überwältigung seines Gegners. Letztere ist darüber hinaus noch darauf ausgerichtet, dem Heer zum Sieg zu verhelfen, welchen der Heerführer zum Ziel hat. Der Sieg wiederum richtet sich auf das Wohlergehen des Staates bzw. des Königreiches, welches der Staatenlenker bzw. der König zum Ziel hat. Demnach muß das Sein als die charakteristische Wirkung und als das Ziel für das Wirken der ersten Ursache die Stelle eines letzten Zieles einnehmen. Auch wenn ein Ziel bei der Planung an erster Stelle rangiert, so kommt es doch bei der Ausführung an letzter Stelle und ist das Resultat der anderen Ursachen. Daher wird das erschaffene Sein, welches die charakteristische Wirkung des ersten Wirkenden ist, noch von weiteren Prinzipen verursacht, auch wenn die erste Ursache des Seins das erste Prinzip ist. Zu 11. Ein Satz, der sich von selbst versteht, kann trotzdem für den einen oder anderen nicht selbstverständlich sein. Dies ist ja dann der Fall, wenn ein Prädikat im Begriff des Subjekts mit enthalten ist, dieser Begriff aber für jemanden unverständlich ist. Wenn also z. B. jemand nicht wüßte, was ein Ganzes ist, dann wäre für ihn der Satz »Das Ganze ist größer als eines seiner Teile« nicht selbstverständlich. Denn nach dem 1. Buch der Zweiten Analytik werden solche Sätze erst dann verständlich, wenn die darin vorkommenden Begriffe klar sind.34 An sich versteht sich daher der Satz »Gott ist« von selbst, weil hier das Prädikat und das Subjekt dasselbe besagen. Doch für uns versteht sich dieser Satz nicht von selbst, da wir nicht wissen, was Gott ist. Daher bedarf er für uns eines Beweises, nicht aber für diejenigen, die Gott in seinem Wesen schauen.

34 Aristoteles, Anal. post. I, 3; 72 b 18–25.

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3. Artik el Die dritte Frage lautet: Fällt Gott unter eine bestimmte Gattung? 35 Dies scheint der Fall zu sein; denn: 1. Bei Johannes von Damaskus heißt es: »Angesichts von Gott bezeichnet ›Substanz‹ die gemeinsame Spezies, in der sich die [drei] Personen gleichen. ›Hypostase‹ gibt dagegen die Person an, also z. B. Vater, Sohn und Heiliger Geist, Peter oder Paul.«36 Gott wird hier zum Vater, Sohn und Heiligen Geist so in Beziehung gesetzt wie eine Spezies zu ihren Individuen. Wo immer sich nun eine Spezies und ein Individuum angeben lasen, da findet sich auch eine Gattung. Denn eine Spezies konstituiert sich durch Gattung und Differenz. Demnach scheint es so zu sein, daß Gott unter eine Gattung fällt. 2. Alles Seiende, das sich in keiner Weise voneinander unterscheidet, ist völlig identisch. Nun ist Gott nicht mit den anderen Dingen identisch. Folglich unterscheidet er sich von ihnen auf eine bestimmte Weise. All das jedoch, was sich von etwas anderem unterscheidet, tut dies aufgrund eines bestimmten Unterschiedes. Damit gibt es einen Unterschied in Gott, wodurch er sich von den anderen Dingen unterscheidet. Dieser Unterschied ist jedoch kein akzidenteller, da es bei Gott, wie Boethius in Über die Dreifaltigkeit bemerkt, kein Akzidens gibt.37 Jeder substantielle Unterschied bedeutet aber einen Unterschied in der Gattung. Demnach fällt Gott unter eine bestimmte Gattung. 3. Nach dem ersten Buch der Topik bezieht sich die Bestimmung »dasselbe« auf die Gattung, die Spezies und die Anzahl. 38 Entsprechendes gilt nun auch von »verschieden«. Denn wenn sich das eine Glied eines Gegensatzes in einem mehrfachen Sinn versteht, dann ist dies auch beim anderen Glied der Fall. Und so ist Gott entweder nur der Zahl nach vom Erschaffenen verschieden oder aber der 35 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 3 a. 5. ScG I, 25. Sent. I, d. 8, q. 4 a. 2. Comp. theol. 12. De ente et essentia 4. 36 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 48, 1 [III, 4] (ed. Buytaert, 180). 37 Boethius, De trin. II, 56–58 (ed. Elsässer, 10 f.). 38 Aristoteles, Top. I, 7; 103 a 6–9.

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Zahl und der Spezies nach. Wenn dem so ist, dann folgt daraus, daß Gott zur selben Gattung gehört wie das Erschaffene. Wenn sich jedoch Gott auch in der Gattung vom Erschaffenen unterscheidet, dann gehört er zwangsläufig zu einer anderen Gattung als das Erschaffene. Denn Verschiedenheit basiert auf Vielheit, und so braucht es für eine gattungsmäßige Verschiedenheit eine Vielzahl an Gattungen. Wie immer man also diese Frage angeht, so gilt doch stets, daß Gott unter eine Gattung fällt. 4. Alles, worauf der generische Begriff der Substanz zutrifft, fällt unter eine Gattung. Nun meint der Begriff der Substanz die selbständige Existenz, was im höchsten Maß auf Gott zutrifft. Demnach fällt Gott unter die Gattung der Substanz. 5. Alles, wofür es eine Definition gibt, fällt unter eine Gattung. Nun gibt es aber für Gott eine Definition, die besagt, daß er reiner Akt ist. Demnach fällt Gott unter eine Gattung. 6. Wenn ein Prädikat etwas Wesentliches über ein anderes Ding aussagt und zugleich auf mehrere Dinge zutrifft, dann fungiert dieses Prädikat für jenes Ding als dessen Spezies oder Gattung. Nun sagen alle Prädikate für Gott etwas über dessen Wesen aus. Denn sobald die Prädikamente auf Gott angewendet werden, beziehen sie sich, wie Boethius sagt, auf Gottes Substanz.39 Zudem ist offensichtlich, daß sie nicht allein auf Gott zutreffen, sondern auch auf andere Dinge. Demnach verhalten sich diese Prädikate zu Gott wie eine Spezies zu einem Individuum bzw. wie eine Gattung zu einer Spezies. In beiden Fällen muß Gott unter eine Gattung fallen. 7. Nach dem 10. Buch der Metaphysik findet alles sein Maß in der kleinsten Einheit seiner Gattung.40 Averroes bemerkt dazu, daß das Maß für alle Substanzen Gott ist.41 Demnach gehört Gott zur selben Gattung wie die anderen Substanzen.

39 Boethius, De trin. IV, 7 ff. (ed. Elsässer, 14 f.). 40 Aristoteles, Met. X, 1; 1052 18 f.; 31 f. 41 Averroes, In Met. X, comm. 7 (Aristotelis opera cum Averrois com-

mentariis, Bd. VIII, fol. 257 rA).

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Dagegen spricht: 1. Alles, was unter eine Gattung fällt, enthält noch eine zusätzliche Bestimmung über diese Gattung hinaus und ist daher zusammengesetzt. Gott ist jedoch vollkommen einfach. Demnach fällt er nicht unter eine Gattung. 2. Alles, was unter eine Gattung fällt, läßt sich mittels einer Definition bestimmen bzw. als etwas Definites fassen. Da es jedoch keine Bestimmung für Gott gibt, liegt hier der Fall anders. Demnach fällt Gott nicht unter eine Gattung. Antwort: Gott fällt unter keine Gattung. Dies kann in diesem Zusammenhang mit drei Gründen belegt werden. Der erste Grund ist der, daß nichts aufgrund seines Seins unter eine Gattung fällt, sondern infolge seiner Washeit. Dies erklärt sich daraus, daß das Sein eines jeden einzelnen Dinges etwas ihm Eigentümliches ist, das sich vom Sein aller anderen Dinge unterscheidet, während das, was dieses Ding zu einer Substanz macht, etwas Allgemeines ist. Deswegen sagt auch Aristoteles, daß das Sein keine Gattung darstellt.42 Gott hingegen ist sein Sein selbst. Daher kann er nicht unter eine Gattung fallen. Der zweite Grund ist folgender: Zwar stellt weder die Materie eine Gattung noch die Form eine [artspezifische] Differenz dar. Doch aber verstehen sich eine Gattung und eine [artspezifische] Differenz im Sinne von Materie und Form. So hat z. B. die sinnenhafte Natur des Menschen, welche ihn als ein Lebewesen bestimmt, offenkundig einen materialen Charakter im Vergleich zur Vernunft, aus der sich die unterscheidende Bestimmung der Vernunftbegabung ergibt. Denn ein Lebewesen ist etwas, was eine sinnenhafte Natur besitzt, und ein vernunftbegabtes Wesen ist ein Lebewesen, das Vernunft besitzt. Somit setzt sich all das, was unter eine Gattung fällt, zwangsläufig aus Materie und Form bzw. aus Akt und Potenz zusammen. Dies kann jedoch bei Gott nicht der Fall sein, der, wie

42 Aristoteles, Met. III, 2; 998 b 13–17.

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bereits gezeigt, reiner Akt ist.43 Somit kann Gott nicht unter eine Gattung fallen. Der dritte Grund ist der, daß Gott schlichtweg vollkommen ist und er daher in sich die Vollkommenheit aller Gattungen befaßt. Denn dies ist nach dem 5. Buch der Metaphysik die Bestimmung des schlichtweg Vollkommenen.44 Was hingegen unter eine bestimmte Gattung fällt, das ist auf das beschränkt, was diese Gattung auszeichnet. Somit kann Gott nicht unter eine Gattung fallen, da sonst sein Wesen nicht unendlich und absolut vollkommen wäre. Sein Wesen und seine Vollkommenheit wären dann vielmehr auf die Merkmale einer bestimmten Gattung eingeschränkt. Daraus erklärt sich zudem, daß Gott weder eine Spezies noch ein Individuum ist, noch eine [artspezifische] Differenz und Definition kennt. Denn die Bestandteile einer jeden Definition sind Genus und Spezies. Aus diesem Grund läßt sich für Gott selbst kein Beweis führen, sondern höchstens ein Beweis, der seinen Ausgang von Gottes Wirkungen nimmt. Denn ein Beweis, der apriorisch verfährt, hat als Mittelsatz eine Definition. Zu 1. Johannes von Damaskus’ Diktum hat ein bestimmtes Ähnlichkeitsverhältnis im Auge und ist nicht buchstäblich zu verstehen. Denn der Ausdruck »Gott«, d. h. Gott, hat insofern etwas von einer Spezies an sich, als er das substantielle Sein von mehreren, zahlenmäßig verschiedenen Dingen benennt. Er kann jedoch nicht im strikten Sinn als eine Spezies gelten, da eine Spezies keine zahlenmäßige, sondern nur eine begriffliche Einheit ist, die mehrere Dinge untereinander verbindet. Die göttliche Substanz ist dagegen zahlenmäßig eine einzige und den drei Personen gemeinsam. Daher sind Vater, Sohn und Heiliger Geist der Eine Gott; doch Peter, Paul und Markus sind nicht ein einziger Mensch. Zu 2. Aristoteles zufolge gibt es einen Unterschied zwischen »verschieden« und »anders«.45 Denn mit »anders« ist schlichtweg das gemeint, was nicht identisch ist. Als »verschieden« bezeichnet 43 Vgl. De pot. q. 7 a. 1. 44 Aristoteles, Met. V, 16; 1021 b 12–1022 a 3. 45 Aristoteles, Met. X, 3; 1054 b 22–1055 a 2.

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man dagegen etwas unter einem bestimmten Gesichtspunkt. Denn alles, was verschieden ist, unterscheidet sich in etwas Bestimmtem. Wenn man also den Ausdruck »verschieden« im strikten Sinn verwendet, dann ist der Satz »Alles Seiende, das in keiner Hinsicht verschieden ist, ist identisch« falsch. Wenn man jedoch den Ausdruck »verschieden« im weiten Sinne versteht, dann ist jener Satz wahr. In diesem Sinn kann man den Satz gelten lassen, wonach Gott von den anderen Dingen verschieden ist. Dies heißt nun aber nicht, daß sich Gott in etwas Bestimmtem von den anderen Dingen unterscheiden würde, sondern vielmehr, daß er dies durch seine Substanz tut. Dies gilt nämlich bei dem, was die erste Stelle einnimmt und einfach ist. So unterscheidet sich auch der Mensch von einem Esel im Hinblick auf die Vernunftbegabung. Doch die Vernunft unterscheidet sich nicht ihrerseits von einem Esel durch einen weiteren Gesichtspunkt – dies würde ja zu einem infiniten Regreß führen –, sondern sie unterscheidet sich hiervon als solche. Zu 3. Daß Gott sich der Gattung nach von den Geschöpfen unterscheidet, meint nicht, daß er zu einer anderen Gattung gehört, sondern daß er außerhalb einer Gattung steht. Zu 4. Nach Avicenna kann die Substanz nicht als dasjenige definiert werden, was durch sich selbst Bestand hat.46 Denn wie Aristoteles aufzeigt, stellt das Sein keine Gattung dar,47 da sich dem Sein keine weitere Bestimmung hinzufügen läßt, die nicht am Sein teilhätte. Eine artunterscheidende Bestimmung darf jedoch nicht Teil der Gattung sein. Wenn nun die Substanz eine Definition haben soll und sie gleichwohl nicht als die allgemeinste Gattung fungieren kann, dann wird ihre Definition so lauten: »Die Substanz ist dasjenige, dessen Washeit nicht an etwas auftreten kann.« Diese Definition kann aber nicht auf Gottes Substanz zutreffen, da Gott keine Washeit neben seinem Sein besitzt. Daher fällt Gott nicht unter die Gattung der Substanz, sondern ist über eine jede Substanz erhaben. Zu 5. Gott kann nicht definiert werden. Denn alles, was definiert wird, wird durch den Intellekt dessen erfaßt, der die Definition vollzieht. Gott kann jedoch nicht vom Intellekt erfaßt werden. Wenn 46 Avicenna, Met. III, 8 (Avicenna latinus 3, ed. Van Riet, 158). 47 Aristoteles, Met. III, 2; 998 b 13–17.

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man also davon spricht, daß Gott reiner Akt ist, dann ist dies keine Definition Gottes. Zu 6. Eine Gattung muß als ein Prädikat im univoken Sinn ausgesagt werden können. Nun kann man aber von Gott und vom Erschaffenen nichts im univoken Sinn aussagen. Dies wird später noch klar werden.48 Und so sprechen zwar die Aussagen über Gott ihm substantielle Prädikate zu. Gleichwohl legen sie Gott keine Prädikate im Sinne einer Gattung bei. Zu 7. Zwar hat Gott nichts in dem Sinne mit der Klasse der Substanzen zu tun, daß er unter eine Gattung fallen würde, so wie eine Spezies oder ein Individuum unter eine Gattung fallen. Gleichwohl läßt sich sagen, daß er der Klasse der Substanzen angehört, insofern sie sich auf ihn als deren Prinzip zurückführen läßt, also in dem Sinn, wie der Punkt der Klasse der kontinuierlichen Größen und die Einheit der Klasse der Zahlen angehören. In diesem Sinne ist Gott das Maß aller Substanzen, wie die Einheit das Maß aller Zahlen ist.

4. Artik el Die vierte Frage lautet: Sagen »gut«, »weise«, »gerecht« und dergleichen etwas Akzidentelles über Gott aus? 49 Dies scheint der Fall zu sein; denn: 1. Ein Prädikat, das nicht die Substanz eines Dinges betrifft, sondern etwas bezeichnet, was mit dessen Natur noch einhergeht, ist ein akzidentelles Prädikat. Nun bemerkt Johannes von Damaskus, daß »gut«, »gerecht« und »weise« etwas über Gott aussagen, was mit dessen Natur noch einhergeht, daß sie aber nicht dessen Substanz als solche bezeichnen.50 Demnach sagen sie etwas Akzidentelles über Gott aus. 2. Dazu kann man sagen: Johannes geht es hier um die Weise, wie diese Wörter etwas zum Ausdruck bringen. – Dem ist zu erwidern: 48 Vgl. De pot. q. 7 a. 7. 49 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 3 a. 6. ScG I, 23. Sent. I, d. 8, q. 4 a. 3.

Comp. theol. 23. 50 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 9, 4 [I, 9] (ed. Buytaert, 50).

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Diejenige Ausdruckweise, die sich von einem generischen Merkmal herleitet, muß ein Fundament in der Sache haben. Denn ein generisches Prädikat betrifft die Substanz eines Aussagegegenstandes, da mit ihm das »Was« dieses Aussagegegenstandes zur Sprache kommt. Nun bringen die oben angeführten Wörter etwas zum Ausdruck, was mit der Natur einer Sache im Rahmen ihrer generischen Merkmale noch einhergeht. Diese Wörter fallen nämlich unter die Gattung der Qualität, die sich in einer ganz charakteristischen Hinsicht auf ein Subjekt bezieht. Denn eine Qualität ist das, im Hinblick worauf wir als so und so beschaffen bezeichnet werden. Demnach muß sich diese Ausdruckweise so auf die Sache beziehen, daß das, was mit jenen Wörtern zum Ausdruck kommt, etwas ist, das mit der Natur des Aussagegegenstandes noch einhergeht; und folglich ist es ein Akzidens. 3. Hierzu ließe sich sagen: Die fraglichen Ausdrücke sagen nichts Generisches, also auch keine Qualität von Gott aus. Denn die Ausdrücke, die wir auf Gott anwenden, sind nicht im eigentlichen Sinne zu verstehen. – Dem ist zu erwidern: Es ist falsch, eine spezifische Bestimmung von einem Ding auszusagen, dem man kein Genus zugesteht. Denn es ist falsch, ein Ding, das kein Lebewesen ist, als Mensch zu bezeichnen. Wenn sich also das Genus der besagten Ausdrücke, also eine Qualität, von Gott nicht aussagen läßt, dann werden diese Ausdrücke von Gott nicht nur im uneigentlichen Sinn, sondern fälschlicherweise ausgesagt. Somit wäre es falsch, wenn man behauptet, daß Gott gerecht oder weise ist. Dies stimmt aber nicht. Somit bleibt es dabei, daß die fraglichen Ausdrücke etwas Akzidentelles von Gott aussagen. 4. Wie Aristoteles feststellt, wird das, was im eigentlichen Sinn ist, also eine Substanz, niemals zu einem Akzidens.51 Mit gleichem Recht bleibt auch das, was von Haus aus ein Akzidens ist, immerzu ein Akzidens. Nun stellen aber die Gerechtigkeit, die Weisheit und dergleichen von Haus aus Akzidentien dar. Folglich sind sie auch angesichts von Gott Akzidentien. 5. Alles an den erschaffenen Dingen hat sein Urbild in Gott, der die urbildliche Form für alles ist. Nun stellen die Weisheit, die Ge51 Aristoteles, Phys. I, 3; 186 b 5–13.

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rechtigkeit und dergleichen im Falle des Erschaffenen Akzidentien dar. Folglich bleiben sie auch angesichts von Gott Akzidentien. 6. Wo Quantität und Qualität auftreten, da tritt etwas Akzidentielles auf. Nun treten in Gott offensichtlich Quantität und Qualität auf, denn in ihm finden sich Ähnlichkeit und Gleichheit. Wir sprechen nämlich davon, daß Gottsohn dem Vater ähnlich und gleich ist. Die Ähnlichkeit ergibt sich aber aus der Einheit in der Qualität, die Gleichheit aus der Einheit in der Quantität. Demnach gibt es in Gott etwas Akzidentelles. 7. Alles findet sein Maß in dem ranghöchsten Glied seiner Gattung. Nun ist Gott nicht nur das Maß für die Substanzen, sondern auch für alle Akzidentien. Denn er ist der Schöpfer sowohl der Substanzen als auch der Akzidentien. Folglich gibt es in Gott nicht nur die Substanz, sondern auch etwas Akzidentelles. 8. Etwas ist akzidentell für ein Ding, wenn man dieses Ding unabhängig davon denken kann. Auf diesem Wege weist Porphyrius nach, daß dasjenige, wovon man absehen kann, akzidentell ist.52 Denn man kann sich ja einen Raben denken, der weiß ist, und einen Äthiopier, der hellhäutig ist. Nun läßt sich Gott, wie Boethius zeigt, unabhängig von seiner Gutheit denken.53 Demnach bezeichnet »gut« etwas Akzidentelles an Gott, und dies trifft ebensogut auf die übrigen Ausdrücke zu. 9. Bei der Bedeutung eines Ausdrucks ist zweierlei zu berücksichtigen, nämlich das, woraus sie sich ergibt, und das, was mit ihr zum Ausdruck kommt. Nun scheint der Ausdruck »Weisheit« in beiderlei Hinsichten ein Akzidens zu bezeichnen. Denn seine Bedeutung ergibt sich aus dem Umstand, daß die Weisheit jemanden weise sein läßt – was offensichtlich die Wirkung der Weisheit ist. Was aber mit ihr zum Ausdruck kommt, ist eine bestimmte Qualität. In jeder Hinsicht bezeichnen also dieser und ähnliche Ausdrücke etwas Akzidentelles in der Rede von Gott. Somit gibt es angesichts von Gott etwas Akzidentelles.

52 Porphyrius, Isagoge, Kap. De accidente (Aristoteles latinus I/6–7, ed. Minio-Paluello, 19). 53 Boethius, De hebd. 92 ff. (ed. Elsässer, 38 f.).

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Dagegen spricht: 1. Wie Boethius bemerkt, ist Gott einfache Form und kann daher kein Substrat sein.54 Jedes Akzidens tritt jedoch an einem Substrat auf. Demnach kann es in Gott kein Akzidens geben. 2. Jedes Akzidens ist von etwas anderem abhängig. Derartiges kann es bei Gott nicht geben, da das, was abhängig ist, zwangsläufig auch eine Ursache hat. Gott hingegen ist die erste Ursache, die überhaupt keine Ursache hat. Demnach kann es in Gott kein Akzidens geben. 3. Rabbi Moses zufolge bringen jene Ausdrücke keine zusätzlichen Hinsichten zum Ausdruck, die über Gottes Substanz hinausführen.55 Denn jedes Akzidens bringt eine zusätzliche Hinsicht zum Ausdruck, die über die Substanz seines Substrats hinausgeht. Demnach sagen die fraglichen Ausdrücke nichts Akzidentelles von Gott aus. 4. Akzidentell ist dasjenige, was an einem Substrat auftreten kann oder auch nicht, ohne daß dieses Substrat davon in Mitleidenschaft gezogen wird. Dieser Umstand kann jedoch nicht auf Gott zutreffen, da er, wie Aristoteles aufzeigt, unveränderlich ist.56 Demnach kann es kein Akzidens in Gott geben. Antwort: Ohne jeden Zweifel gilt, daß es in Gott kein Akzidens gibt. Dies kann in diesem Zusammenhang mit drei Gründen belegt werden. Der erste Grund ist der, daß mit keiner Natur, Essenz oder Form etwas verbunden ist, was ihr äußerlich wäre. Unbeschadet davon kann ein Ding, das eine Natur, Form oder Essenz besitzt, an sich etwas aufweisen, was ihm äußerlich ist. Und so hat die menschliche Natur nichts an sich, was ihr nicht innerlich zugehört. Daraus erklärt sich, daß ein bestimmter Zusatz bzw. eine Weglassung bei den Definitionen, welche die Essenz eines Dinges zum Ausdruck bringen, die spezifische Bestimmung verändert, genauso wie dies

54 Boethius, De trin. II, 42 ff. (ed. Elsässer, 8 f.). 55 Mose ben Maimon, Führer der Unschlüssigen I, 20 (ed. Weiss I, 63). 56 Aristoteles, Phys. V, 6; 230 a 8–14.

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nach Aristoteles auch bei den Zahlen der Fall ist.57 Hingegen kann ein Mensch, welcher die menschliche Natur besitzt, noch etwas an sich aufweisen, was der menschlichen Natur nicht innerlich zugehört, so z. B. die Hellhäutigkeit und dergleichen. Diese gehört nicht zur menschlichen Natur, sondern zu einem bestimmten Menschen. Nun gibt es bei jedem erschaffenen Wesen den Unterschied zwischen dem Besitzen und dem Gegenstand des Besitzes. Bei den erschaffenen Wesen, welche zusammengesetzt sind, prägt sich dieser Unterschied auf zweifache Weise aus. Denn hier besitzt ein Träger bzw. ein Einzelding eine artspezifische Natur – im Beispiel: ein Mensch besitzt die menschliche Natur – und darüber hinaus noch das Sein. Denn ein Mensch ist weder mit der menschlichen Natur identisch, noch ist er sein eigenes Sein. Aus diesem Grund kann an einem Menschen ein bestimmtes Akzidens auftreten, nicht jedoch an der menschlichen Natur oder an seinem Sein. – Bei den einfachen Substanzen hingegen gibt es nur eine einzige Differenz, nämlich diejenige zwischen Wesen und Sein. Denn im Falle der Engel ist jeder Träger mit seiner Natur identisch, da nach Avicenna das Wesen einer einfachen Substanz selbst einfach ist.58 Dies gilt jedoch nicht für ihr Sein. Daher hat ihr Wesen in einem je eigenen Sein Bestand. Und so findet sich bei diesen Substanzen ein bestimmtes Akzidens, welches geistiger und nicht materialer Natur ist. – Bei Gott jedoch gibt es keinen Unterschied zwischen dem Besitzen und dem Gegenstand des Besitzes bzw. einer Teilhabe und dem Gegenstand dieser Teilhabe; im Gegenteil: Gott selbst ist sowohl seine Natur als auch sein Sein. Daher kann in Gott nichts liegen, was ihm fremd oder akzidentell wäre. Diesen Punkt scheint Boethius im Auge zu haben, wenn er sagt: »Das, was Sein hat, kann noch etwas zusätzlich zu seinem Sein aufweisen. Doch das Sein selbst weist nichts Weiteres auf, das mit ihm verbunden wäre.«59 Der zweite Grund ist folgender: Da ein Akzidens dem Wesen seines Trägers äußerlich ist und da Verschiedenes nur dank einer bestimmten Ursache eine Verbindung eingeht, so müßte es eine Ur57 Aristoteles, Met. VIII, 3; 1043 b 32–1044 a 14. 58 Avicenna, Met. V, 5 (Avicenna latinus 4, ed. Van Riet, 274). 59 Boethius, De hebd. 35 ff. [= regula IV] (ed. Elsässer, 36 f.).

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sache dafür geben, wenn Gott ein Akzidens zukäme. Eine äußere Ursache kann es hier jedoch nicht geben, denn die Folge davon wäre, daß diese äußere Ursache auf Gott einwirken würde und ihm vorgeordnet wäre, etwa so, wie der Beweger dem Bewegten bzw. das Hervorbringende dem Hervorgebrachten vorgeordnet ist. Denn ein Akzidens wird einem bestimmten Träger von außen beigebracht, wenn ein äußerlicher Faktor auf den Träger einwirkt, an welchem das Akzidens hervorgebracht wird. – Genausowenig kann es aber hier eine innere Ursache geben, wie dies bei den Akzidentien an sich der Fall ist, deren Ursache in ihrem Träger liegt. Denn bei einem Träger kann es nicht an ein und demselben Faktor liegen, daß er ein Akzidens verursacht und daß er eines annimmt, da keine Möglichkeit sich von selbst in die Wirklichkeit bringt. So muß dieser Träger aufgrund des einen Faktors ein Akzidens annehmen können und aufgrund eines anderen Faktors ein Akzidens verursachen. Damit erweist sich dieser Träger als zusammengesetzt. Dies gilt etwa von denjenigen Dingen, die aufgrund ihrer materialen Verfassung ein Akzidens annehmen und aufgrund ihrer natürlichen Form ein Akzidens verursachen. Vorhin wurde aber aufgezeigt, daß Gott nicht zusammengesetzt ist.60 Deshalb kann es in Gott unmöglich etwas Akzidentelles geben. Der dritte Grund ist folgender: Ein Akzidens verhält sich zu seinem Träger wie der Akt zur Möglichkeit. Denn es ist ja für diesen Träger eine Art Form. Da aber Gott reiner Akt ohne jede Vermischung mit einer Möglichkeit ist, kann er nicht der Träger für ein Akzidens sein. Nach diesen Ausführungen ist also klar, daß Gott weder eine Zusammensetzung aus Form, Materie und irgendwelchen essentiellen Teilen noch eine Zusammensetzung aus Gattung und Differenz, noch eine aus Träger und Akzidens kennt. Zudem ist klar, daß die fraglichen Ausdrücke nichts Akzidentelles über Gott aussagen. Zu 1. Johannes von Damaskus geht es bei diesen Ausdrücken nicht um ihren Inhalt, den sie über Gott aussagen, sondern darum, auf welchem Wege sie ihre Bedeutung erhalten. Ihre Bedeutung er60 Vgl. De pot. q. 7 a. 1.

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halten sie nämlich durch uns im Ausgang von bestimmten akzidentellen Formen, die sich an den erschaffenen Dingen finden. Damit will Johannes aufzeigen, daß die Ausdrücke für Gott uns nichts über dessen Substanz kundtun. Zu 2. Zwar gehören die Gutheit, Weisheit und Gerechtigkeit beim Menschen zur Klasse der Qualität. Dem ist jedoch nicht so, sobald sie von Gott ausgesagt werden, und zwar deswegen, weil eine Qualität als solche üblicherweise etwas ist, das auf eine je bestimmte Weise an einem Träger auftritt. Die Weisheit und Gerechtigkeit verstehen sich jedoch nicht in diesem Sinn, sondern eher von einer bestimmten Vollkommenheit bzw. einer bestimmten Wirklichkeit her. Deshalb haben solche Ausdrücke in der Rede von Gott den Charakter, daß sie einen Unterschied markieren, und keinen klassifikatorischen Charakter. Aus diesem Grund sagt Augustinus: »Erfassen wir, soweit wir können, das Gute ohne Qualität und das Große ohne Quantität!«61 Somit tritt bei Gott nicht zwangsläufig der besagte Umstand auf, daß etwas mit seiner Natur noch einhergeht. Zu 3. Wenn man »gut« und »gerecht« univok von Gott aussagen würde, dann wäre es in der Tat so, daß diese Aussage falsch würde, wenn man [diesen Ausdrücken] kein Genus zugesteht. Wie später noch gezeigt wird, wird jedoch nichts univok von Gott und dem Erschaffenen ausgesagt.62 Daher ist dieses Argument nicht stichhaltig. Zu 4. Diejenige Weisheit, die ein Akzidens darstellt, liegt nicht in Gott, sondern eine andere Weisheit, welche nicht im univoken Sinn so heißt. Daher ist dieses Argument nicht stichhaltig. Zu 5. Abbilder geben ihr Urbild nicht immer auf vollkommene Weise wieder. Deshalb findet sich das, was im Urbild liegt, im Abbild zuweilen auf schwache und unvollkommene Weise wieder. Dies gilt insbesondere von den Dingen, die Gott zu ihrem Urbild haben, da er das Urbild ist, welches jedes proportionale Verhältnis zum Erschaffenen hinter sich läßt. Zu 6. Von Ähnlichkeit und Gleichheit spricht man angesichts von Gott nicht deswegen, weil dort Ähnlichkeit und Gleichheit anzutreffen wären, sondern weil wir über Gott manches aussagen, was bei 61 Augustinus, De trin. V, 1 (CCSL 50, 207). 62 Vgl. De pot. q. 7 a. 7.

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uns eine qualitative und quantitative Bedeutung hat, so wenn wir etwa Gott als groß, weise und dergleichen bezeichnen. Zu 7. Akzidentien sind nur Seiendes dank ihres Bezuges auf die Substanz als dem in erster Linie Seienden. Daher ist es nicht zwangsläufig so, daß die Akzidentien in einem Ersten ihr Maß finden, welches selbst ein Akzidens ist. Vielmehr finden sie in einem Ersten ihr Maß, welches die Substanz ist. Zu 8. Etwas hat dann einen akzidentellen Charakter, wenn sich unabhängig von ihm ein Ding in seiner Substanz verstehen läßt. Denn wenn man ein Ding in seiner Substanz verstehen will, muß man auch dasjenige verstehen, was zur Substanz dieses Dinges gehört. So muß man etwa, wenn man verstehen will, was ein Mensch ist, auch verstehen, was ein Lebewesen ist. Gott hingegen schauen wir in diesem Leben nicht in seinem Wesen, sondern wir betrachten ihn im Ausgang von seinen Wirkungen. Daher spricht nichts dagegen, wenn wir Gott im Ausgang von derjenigen Wirkung betrachten, die sich mit dem Sein manifestiert, nicht aber von derjenigen Wirkung, die sich in der Gutheit zeigt. Das ist es, was Boethius hier meint. Gleichwohl sollte man Folgendes im Auge behalten: Wir können zwar Gott denken und dabei ein Stück weit seine Gutheit nicht denken. Was wir aber nicht können, ist, Gott zu denken und dabei zu denken, daß er nicht gut ist. Genauso können wir etwa auch den Menschen nicht denken, wenn wir dabei denken, daß er kein Lebewesen ist. Denn dies hieße, Gottes Wesen, welches die Gutheit ist, zu verfehlen. Die Heiligen im Himmel aber, die Gott in seinem Wesen schauen, sehen bei dieser Schau die Gutheit Gottes. Zu 9. Der Ausdruck »Weisheit« trifft auf Gott zu, und zwar im Hinblick auf denjenigen Umstand, von dem er sich herschreibt. Allerdings leitet sich dieser Ausdruck nicht von dem Umstand her, daß jemand weise wird, sondern von dem Umstand, der den geistigen Besitz von Gegenständen der Weisheit meint. Denn das Wissen als ein solches bezieht sich auf die Gegenstände des Wissens; doch das Wissen im Sinne eines Akzidens oder einer Form bezieht sich auf den Wissenden. Im Besitz von Gegenständen der Weisheit zu sein ist aber für den Menschen akzidentell, nicht jedoch für Gott.

5. Artik el Die fünfte Frage lautet: Bezeichnen die besagten Ausdrücke die Substanz Gottes? 63 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Bei Johannes von Damaskus heißt es: »Man braucht nicht zu glauben, daß ein einziger Ausdruck, den wir für Gott verwenden, etwas bezeichnen würde, was Gott seiner Substanz nach ist. Eher schon weisen sie darauf hin, was Gott nicht ist, sei dies nun eine Art von Relation oder etwas, was von ihm ferngehalten werden muß, oder sei es etwas, was mit seiner Natur oder seinem Wirken einhergeht.«64 Das »ist«, das im substantiellen Sinn von etwas ausgesagt wird, bezieht sich auf dessen Substanz. Die besagten Ausdrücke sagen jedoch nichts im substantiellen Sinn von Gott aus, also nicht in der Weise, daß sie Gottes Substanz bezeichnen würden. 2. Kein Ausdruck, der die Substanz eines Dinges bezeichnet, kann diesem Ding zu Recht abgesprochen werden. Denn bei Dionysius heißt es, daß angesichts von Gott Verneinungen wahr, Bejahungen hingegen unangebracht sind.65 Demnach bezeichnen jene Ausdrücke nicht die Substanz Gottes. 3. Die besagten Ausdrücke bezeichnen nach Dionysius das Ausströmen der göttlichen Güte in die Dinge.66 Doch das Gute, das von Gott ausströmt, ist nicht Gottes Substanz selbst. Demnach bezeichnen jene Ausdrücke nicht die Substanz Gottes. 4. Origenes sagt, daß Gott als weise bezeichnet wird, weil er uns mit Weisheit erfüllt.67 Dieser Umstand verweist nicht auf Gottes Substanz, sondern auf eine Wirkung Gottes. Demnach bezeichnen jene Ausdrücke nicht die Substanz Gottes. 5. Im Buch von den Ursachen heißt es, daß die erste Ursache nur nach dem von ihr zuerst Verursachten, welches der Geist ist, 63 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 13 a. 2; a. 3; a. 11. ScG I, 31. Sent. I, d. 2,

a. 2. 64 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 9, 1 [I, 9] (ed. Buytaert, 48). 65 Dionysius Areopagita, De cael. hier. II, 3 (Dion. II, 758 f.). 66 Dionysius Areopagita, De div. nom. III, 1 (Dion. I, 121 f.). 67 Origenes, Römerbriefkommentar X, 43 (ed. Heither, 284 f.).

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benannt wird.68 Wenn aber eine Ursache mit einem Ausdruck für das von ihr Verursachte benannt wird, dann kommt damit nicht ihr substantieller, sondern ihr ursächlicher Charakter zum Ausdruck. Demnach bringen die Ausdrücke für Gott nichts über Gottes Substanz, sondern etwas über seinen Ursachencharakter zum Ausdruck. 6. Nach Aristoteles bringen die sprachlichen Bezeichnungen die Begriffe unseres Intellekts zum Ausdruck.69 Nun sind wir aber nicht in der Lage, Gottes Substanz zu erkennen. Denn wir wissen nicht, wie Johannes von Damaskus sagt, was Gott ist, sondern nur, daß er ist.70 Demnach können wir Gott nicht benennen und damit auch nicht seine Substanz zum Ausdruck bringen. 7. Dionysius zufolge haben alle Dinge an der göttlichen Gutheit teil.71 Jedoch hat kein Ding an der göttlichen Substanz teil, welche ausschließlich in den drei göttlichen Personen liegt. Demnach verweist die Gutheit Gottes nicht auf seine Substanz. 8. Wir erkennen Gott nur anhand der Ähnlichkeit, die das Erschaffene mit ihm hat. Denn nach dem Wort des Apostels in Röm. 1, 20 »ist Gottes unsichtbares Wesen seit Erschaffung der Welt an seinen Werken durch die Vernunft zu erkennen«. Nun benennen wir Gott so, wie wir ihn erkennen. Folglich benennen wir Gott ausschließlich anhand der Ähnlichkeit, die die Schöpfung mit ihm hat. Benennt man aber ein Ding anhand der Ähnlichkeit, die ein anderes Ding mit diesem Ding hat, dann wird dieser Name nicht die Substanz jenes Dinges bezeichnen, sondern nur im übertragenen Sinne auf dieses Ding zutreffen. Daraus erklärt sich, daß ein Name in erster Linie von demjenigen Ding ausgesagt wird, an dem die Ähnlichkeit festgestellt wird, und erst im Gefolge von Gott ausgesagt wird. Abgesehen davon bezeichnet dieser Name die Substanz desjenigen Dinges, für das man diesen Namen zuerst in Anschlag bringt.

68 Liber de causis, prop. 5 [6]; n. 63 (ed. Schönfeld, 16 f.). 69 Aristoteles, Peri herm. 1; 16 a 3–4. 70 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 4, 1 [I, 4] (ed. Buy-

taert, 19). 71 Dionysius Areopagita, De div. nom. IV, 2 (Dion. I, 179).

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9. Nach Aristoteles bezeichnet ein Ausdruck für die Substanz etwas ganz Bestimmtes und nichts anderes.72 Wenn also der Ausdruck »gut« die Substanz Gottes benennt, dann wird Gottes Substanz nichts an sich haben, was nicht durch diesen Ausdruck bezeichnet wird. So weist z. B. auch die menschliche Natur nichts an sich auf, was nicht durch den Ausdruck »Mensch« bezeichnet wird. Nun bezeichnet aber der Ausdruck »gut« nicht die Weisheit. Folglich kann die Weisheit nicht die Substanz Gottes sein, und mit gleichem Recht gilt dies für alle übrigen Ausdrücke. Demnach kann es nicht so sein, daß alle diese Ausdrücke die Substanz Gottes bezeichnen. 10. Ebenso wie die Quantität die Ursache für die Gleichheit und die Qualität die Ursache für die Ähnlichkeit ist, so ist auch die Substanz die Ursache für die Identität. Wenn also all diese Ausdrücke Gottes Substanz bezeichnen würden, dann wäre mit diesen Ausdrücken keine Gleichheit oder Ähnlichkeit, sondern eine Identität behauptet. Und so würde vom Erschaffenen dasselbe gelten wie von Gott, da es dessen Weisheit, Gutheit und dergleichen nachahmt. Dies ist jedoch abwegig. 11. In Gott, der das Prinzip der gesamten Natur ist, kann nichts Naturwidriges liegen; ja er kann nicht einmal etwas wider die Natur geschehen lassen, wie die Glosse zu Röm. 11, 24 bemerkt.73 Nun wäre es naturwidrig, wenn ein Akzidens eine Substanz wäre. Da also die Weisheit, Gerechtigkeit und dergleichen Akzidentien sind, so können sie angesichts von Gott nichts Substantielles sein. 12. Wenn man Gott als »gut« bezeichnet, so umfaßt dieser Begriff Verschiedenes. Dies wäre nicht der Fall, wenn Gottes Gutheit eben seine Substanz wäre. Demnach verweist »gut« offensichtlich nicht auf die Substanz Gottes. Entsprechendes gilt für die übrigen, ähnlichen Ausdrücke.

72 Vgl. Aristoteles, Met. VIII, 1–3; 1042 a 2 ff. 73 Petrus Lombardus, Collectanea ad Romanos 11, 24 (PL 191, col. 1488 B).

– Vgl. Röm. 11, 24: »Denn wenn du von dem wilden Ölbaum, zu dem du von Natur gehörst, abgeschnitten und wider die Natur auf den edlen Ölbaum aufgepfropft wurdest, wieviel leichter werden diese, die von Natur dahin gehören, dem eigenen Ölbaum aufgepfropft werden.«

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13. Augustinus bemerkt, daß Gott sich vollständig der Auffassungsgabe unseres Intellekts entzieht und daß es von daher keinen Berührungspunkt mit unserem Intellekt gibt.74 Dies wäre nicht der Fall, wenn diese Ausdrücke die Substanz Gottes bezeichnen würden. Denn dann gäbe es in unserem Intellekt einen Begriff, der Gott entspräche. Demnach bezeichnen derartige Ausdrücke nicht die Substanz Gottes. 14. Nach Dionysius eint sich der Mensch mit Gott vorzüglich dadurch, daß er gewahr wird, daß er im Wissen von Gott nichts weiß.75 Dies hätte jedoch keine Geltung, wenn die Begriffe und Ausdrücke des Menschen die göttliche Substanz erfassen würden. Daraus folgt nun dasselbe wie gerade eben. Dagegen spricht: 1. Augustinus stellt fest: »Angesichts von Gott ist Sein gleichbedeutend mit Mächtigsein oder Weisesein, ja überhaupt mit allem, was man über seine Einfachheit zum Ausdruck bringt, welche seine Substanz meint.«76 Demnach bezeichnen alle derartigen Ausdrücke die Substanz Gottes. 2. Boethius zufolge betreffen mit Ausnahme der Relation alle Prädikate, die man in der Rede von Gott anführt, unmittelbar die Substanz.77 Auch wenn es also z. B. den Anschein hat, daß »gerecht« auf ein Akzidens verweist, so bezeichnet es hier doch die Substanz. Gleiches gilt von »groß« und dergleichen. 3. Alle Ausdrücke, die man innerhalb eines Teilhabeverhältnisses verwendet, leiten sich von derjenigen Instanz ab, der sie an sich und wesentlich zukommen. Nun werden die genannten Ausdrücke innerhalb eines Teilhabeverhältnisses auf das Erschaffene angewendet. Wenn sich also diese Ausdrücke von Gott als der ersten Ursache ableiten, dann müssen sie Gott in wesentlicher Hinsicht zukommen. Daraus folgt, daß diese Ausdrücke die Substanz Gottes bezeichnen.

74 75 76 77

Augustinus, De trin. V, 1–2 (CCSL 50, 206 f.). Dionysius Areopagita, De myst. theol. I, 3 (Dion. I, 578). Augustinus, De trin. VI, 4 (CCSL 50, 234). Boethius, De trin. IV–V (ed. Elsässer, 14 ff.).

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Antwort: (A) Manche waren der Ansicht, daß diese Ausdrücke, wenn sie auf Gott angewendet werden, nicht dessen Substanz bezeichnen. Am deutlichsten spricht sich Rabbi Moses dafür aus. Er behauptet nämlich, daß es bei diesen Ausdrücken zwei Weisen gibt, wie sie im Hinblick auf Gott verstanden werden können.78 Zum einen geschieht dies über eine Vergleichbarkeit, die sich in der Wirkung zeigt. Und so bezeichnet man Gott nicht deswegen als weise, weil die Weisheit etwas an Gott Vorkommendes wäre, sondern weil Gott bei seinen Wirkungen nach Art eines Weisen vorgeht, insofern er nämlich jedes Ding auf sein gebührendes Ziel hinordnet. In gleicher Weise bezeichnet man Gott als lebendig, insofern er wie etwas Lebendiges wirkt, also derart, daß er von selbst tätig ist. – Zum anderen verstehen sich diese Ausdrücke als eine Form der Negation. Indem wir hier Gott als lebendig bezeichnen, bringen wir nicht zum Ausdruck, daß die Lebendigkeit etwas an Gott Vorkommendes wäre, sondern wir halten von Gott eine Seinsweise fern, wie sie das Dasein der leblosen Dinge kennzeichnet. Ebenso wenn wir Gott als vernunftbegabt bezeichnen, dann meinen wir nicht, daß der Intellekt etwas an Gott Vorkommendes wäre. Vielmehr halten wir damit von Gott eine Seinsweise fern, wie sie das Dasein der vernunftlosen Lebewesen kennzeichnet. Entsprechendes gilt für die übrigen Ausdrücke. Beide Verständnisweisen sind jedoch unzureichend und mit Unstimmigkeiten behaftet. Die erste Verständnisweise ist dies aus zwei Gründen. Der erste Grund ist der, daß es nach dieser Auffassung keinen Unterschied machen würde, ob man nun sagt: »Gott ist weise«, »Gott ist zornig« oder »Gott ist Feuer«. Gott läßt sich nämlich als zornig bezeichnen, da er nach Art eines Erzürnten handelt, wenn er straft. Denn so verhalten sich erzürnte Menschen in der Regel. Ebenso läßt er sich als Feuer bezeichnen, da er nach Art eines Feuers wirkt, wenn er reinigt. Denn auch ein Feuer tut dies auf seine Art. Das Ausgeführte widerspricht aber der Auffassung der Heiligen und der Propheten, die Gott mancherlei zusprechen und mancherlei absprechen. Denn sie halten dafür, daß Gott leben78 Mose ben Maimon, Führer der Unschlüssigen I, 53 (ed. Weiss I, 170–177).

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dig, weise und dergleichen ist, daß er aber nicht körperhaft oder Leidenschaften unterworfen ist. Nach der obigen Ansicht hingegen könnte Gott alles unterschiedslos und mit gleichem Recht zu- und abgesprochen werden. – Der zweite Grund ist folgender: Da wir nach unserem Glauben die Schöpfung nicht als immerwährend ansehen – dies gesteht auch [Rabbi Moses] selbst zu79 –, so könnten wir in der Folge nicht zu der Behauptung gelangen, daß Gott schon vor dem Dasein der Schöpfung weise oder gut gewesen sei. Denn es ist klar, daß Gott vor dem Dasein der Schöpfung keinem Ding seine Wirkungen angedeihen ließ, weder nach Art des Guten noch nach Art eines Weisen. Das Ausgeführte steht im Widerspruch zum rechten Glauben, es sei denn, Rabbi Moses wollte zu verstehen geben, daß Gott schon vor dem Dasein der Schöpfung als weise hätte bezeichnet werden können, nicht weil er wie ein Weiser wirkt, sondern weil er wie ein Weiser wirken konnte. Daraus würde folgen, daß es etwas an Gott gibt, was durch »weise« bezeichnet wird, und daß dies Gottes Substanz ist, da alles, was in Gott ist, seine Substanz ist. Die zweite Verständnisweise ist offensichtlich aus demselben Grund mit Unstimmigkeiten behaftet. Denn es gibt keinen Ausdruck für eine Spezies, mit dem sich ein bestimmter, auf Gott unzutreffender Umstand nicht ausschließen ließe. Jeder artspezifische Ausdruck bringt ja den Verweis auf eine Differenz mit sich, durch die sich eine andere, von der ersten unterschiedene Spezies ausschließen läßt. So bringt z. B. der Ausdruck »Löwe« die Differenz der Vierbeinigkeit mit sich, durch die sich der Löwe von einem Vogel absetzt. Wenn man also die Prädikate für Gott nur zum Zweck ihrer Verneinung einführen würde – wenn man also Gott z. B. deswegen als lebendig bezeichnen würde, weil Gott Rabbi Moses zufolge nicht die Seinsweise von unbelebten Gegenständen besitzt –, so könnte man zu der Behauptung gelangen, daß Gott ein Löwe ist, da er nicht die Seinsweise eines Vogels besitzt. – Darüber hinaus setzt das Verständnis einer Negation stets eine Affirmation voraus. Dies zeigt sich an dem Umstand, daß jede negative Aussage durch eine affirmative Aussage ihren Sinn erhält. Wenn daher der menschliche Intellekt nichts auf positive Weise an Gott erkennen könnte, dann 79 Vgl. ebd., II, 19 (ed. Weiss II, 125 ff.).

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könnte er auch nichts von Gott verneinen. Er würde hier gar nicht zu einer Erkenntnis gelangen, wenn sich nichts, was er über Gott aussagt, affirmativ ausmachen ließe. (B) So ist mit Dionysius festzustellen, daß diese Ausdrücke die Substanz Gottes bezeichnen, wenn auch auf mangelhafte und unvollkommene Weise.80 Dies läßt sich folgendermaßen begründen: Da jedes Tätige nur wirkt, wenn es in der Wirklichkeit ist, und dementsprechend etwas von Seinesgleichen hervorbringt, so muß die Form des Hervorgebrachten in einer bestimmten Weise im Hervorbringenden liegen. Hierbei sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Denn wenn eine Wirkung im Leistungsvermögen ihrem Hervorbringer gleichkommt, dann weist jene Form im Hervorbringenden und im Hervorgebrachten zwangsläufig dieselben Wesenszüge auf. In diesem Fall gehören das Hervorbringende und das Hervorgebrachte derselben Spezies an. Dies trifft auf alles zu, was univok ist. Denn ein Mensch bringt einen Menschen hervor, und ein Feuer ein Feuer. Wenn jedoch eine Wirkung im Leistungsvermögen ihrem Hervorbringer nicht gleichkommt, dann weist jene Form im Hervorbringenden und im Hervorgebrachten nicht dieselben Wesenszüge auf. Vielmehr ist diese Form dann im Hervorbringenden in einer ausgezeichneten Weise ausgeprägt. Denn das Leistungsvermögen, mit dem eine wirkende Instanz eine Wirkung hervorbringt, hängt davon ab, was in jener Instanz liegt. Wenn sich daher nicht das gesamte Leistungsvermögen des Hervorbringenden im Hervorgebrachten ausdrückt, dann wird infolgedessen die Art, wie jene Form im Hervorbringenden ausgeprägt ist, diejenige Art übertreffen, wie jene Form im Hervorgebrachten ausgeprägt ist. Dies ist augenfällig bei allen wirkenden Instanzen im äquivoken Sinn, also z. B. in dem Fall, wenn die Sonne ein Feuer entzündet. Nun ist unbestritten, daß keine Wirkung an das Leistungsvermögen der ersten wirkenden Instanz, also an Gott, heranreicht. Andernfalls würde von dem Einen Leistungsvermögen Gottes auch nur eine einzige Wirkung ausgehen können. Da aber, wie ersichtlich ist, von dem Einen Leistungsvermögen Gottes viele und verschiedene Wirkungen ausgehen, so zeigt uns dies, daß jede beliebige Wirkung 80 Dionysius Areopagita, De div. nom. XIII, 3 (Dion. I, 555).

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hinter dem Leistungsvermögen dieser wirkenden Instanz zurückbleibt. Demnach weist die jeweilige Form einer Wirkung nie dieselben Wesenszüge auf, welche jene Form in Gott tatsächlich besitzt. Und doch muß jene Form in Gott in einem höheren Modus liegen. Dies ist auch der Grund dafür, daß alle Formen, die mit den mannigfachen, unterschiedlichen und voneinander abgesetzten Wirkungen auftreten, ihre Einheit in Gott als der einen allgemeinen Kraft haben. So liegen beispielsweise auch alle Formen, die hier unten durch die Kraft der Sonne hervorgebracht werden, dank dieser einheitlichen Kraft der Sonne in letzterer beschlossen, wobei alle durch die Kraft der Sonne hervorgebrachten Dinge dank ihrer Formen dieser Kraft ähnlich sind. In entsprechender Weise stehen auch die Vollkommenheiten der erschaffenen Dinge in einer Ähnlichkeitsbeziehung zum einzigartigen und einfachen Wesen Gottes. Da aber unser Intellekt sein Wissen im Ausgang von den erschaffenen Dingen gewinnt, so erhält er dabei Formen, die den Vollkommenheiten gleichen, wie sie sich an den erschaffenen Dingen finden, also z. B. Weisheit, Kraft, Gutheit usw. Wie also die erschaffenen Dinge mit ihren Vollkommenheiten Gott auf eine bestimmte, wenn auch mangelhafte Weise gleichen, so erhält unser Intellekt über die Erkenntnisbilder von diesen Vollkommenheiten seine Formen. Jedesmal wenn nun der Intellekt sich dank der geistig erfaßbaren Form einer Sache angleicht, dann gilt das, was der Intellekt anhand jenes Erkenntnisbildes begreift und ausmacht, wahrhaft von demjenigen Ding, dem sich der Intellekt dank seines Erkenntnisbildes angleicht. Denn das Wissen besteht in der Angleichung des Intellekts an die erfaßte Sache. Und so muß dasjenige, was der Intellekt dank der ihm vermittelten Erkenntnisbilder von diesen Vollkommenheiten an Gott begreift und über ihn ausmacht, wahrhaftig in Gott vorhanden sein, in dem sich alle diese Vollkommenheiten wiederfinden lassen, insofern sie in einer Ähnlichkeitsbeziehung zu ihm stehen. Würde aber eines dieser besagten Erkenntnisbilder in unserem Intellekt bei seiner Angleichung herankommen an Gottes Wesen, dann würde unser Intellekt Gott durchdringen und dabei eine vollständige Definition von Gott liefern, also etwa so, wie »gehfähiges, zweibeiniges Lebewesen« die vollständige Definition des Menschen ist. Wie schon ausgeführt, gibt jedoch kei-

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nes dieser Erkenntnisbilder das Wesen Gottes vollkommen wieder. Und so verweisen zwar diejenigen Ausdrücke, die der Intellekt im Ausgang von jenen Erkenntnissen Gott zuschreibt, auf das, was das göttliche Wesen ist. Sie bringen es allerdings nicht so vollkommen zum Ausdruck, wie es an sich ist, sondern so, wie wir es erfassen. So ist nunmehr Folgendes festzustellen: Alle diese Ausdrücke bezeichnen die Substanz Gottes, allerdings nicht so, daß sie diese durchdringen würden, sondern auf eine unvollkommene Weise. Aus diesem Grund kommt der Name »Der, der ist« Gott am ehesten zu, da er Gott keine bestimmte Form zuschreibt, sondern das uneingeschränkte Sein bezeichnet. Dies kommt auch bei Johannes von Damaskus zur Sprache, wenn er sagt, daß der Ausdruck »Der, der ist« ein grenzenloses Meer von Substanz bezeichnet.81 Diese Lösung des Problems bestätigt Dionysius, wenn er sagt: »Da die Gottheit alles auf einfache und uneingeschränkte Weise in ihrem Sein umfängt, ist es erlaubt, sie durch Verschiedenes zu preisen und zu benennen.«82 Das Wort »einfach« gebraucht Dionysius hier, weil die Vollkommenheiten, die die erschaffenen Dinge je nach ihrer Form an sich aufweisen, Gott im Hinblick auf sein einfaches Wesen zugeschrieben werden. Das Wort »uneingeschränkt« soll darauf hinweisen, daß eine Vollkommenheit, die sich am Erschaffenen findet, Gott nicht so erfaßt, daß der Intellekt mit ihrer Hilfe festlegen könnte, was Gott in sich selbst ist. Untermauert wird das Ausgeführte auch durch das 5. Buch der Metaphysik, wonach dasjenige schlichtweg vollkommen ist, was die Vollkommenheiten aller Gattungen in sich vereint. Dieses Diktum bezieht Averroes in seinem Kommentar auf Gott.83 Zu 1. Johannes von Damaskus meint hier, daß diese Ausdrücke nicht so das Wesen Gottes zur Sprache bringen, daß sie die Substanz Gottes definieren und erfassen. Deshalb fügt er hier an, daß der 81 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 9, 2 [I, 9] (ed. Buytaert, 49). 82 Dionysius Areopagita, De div. nom. I, 5 (Dion. I, 50 f.). 83 Aristoteles, Met. V, 16; 1021 b 12–1022 a 3. Vgl. Averroes, In Met. V, comm. 21 (Bd. VIII, fol. 131 rB).

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Name »Der, der ist« Gottes Substanz nicht bestimmt und insofern Gott im eigentlichsten Sinn zukommt. Zu 2. Zwar sagt Dionysius, daß die Negate jener Ausdrücke wahrhaft von Gott gelten. Er behauptet jedoch nicht, daß ihre Affirmation falsch oder unangebracht wäre. Denn was den Inhalt dieser Ausdrücke anbelangt, so läßt sich dieser wahrhaftig Gott zuschreiben, da dieser Inhalt, wie vorhin gezeigt, in Gott auf eine bestimmte Weise liegt. Wenn es jedoch um die Art geht, wie sie etwas über Gott zum Ausdruck bringen, dann können diese Ausdrücke von Gott verneint werden. Denn mit jedem dieser Ausdrücke wird eine ganz bestimmte Form namhaft gemacht, und in dieser Hinsicht gelten sie, wie gesagt, von Gott nicht. Aus diesem Grund können sie schlichtweg von Gott verneint werden, insofern sie in ihrer Art, wie sie etwas zum Ausdruck bringen, auf Gott nicht zutreffen. Denn diese Art ist dadurch bedingt, daß jene Ausdrücke in unserem Intellekt auftreten. Auch dies ist besprochen worden. Sie kommen jedoch Gott in einer höheren Form zu. Daher kann man den affirmativen Gebrauch dieser Ausdrücke als unangebracht bezeichnen, da er aufgrund seiner Differenzen setzenden Ausdrucksweise hier nicht völlig stimmig ist. Nach der Lehrmeinung von Dionysius werden diese Ausdrücke somit auf dreifache Weise auf Gott angewendet.84 Zunächst werden sie affirmativ verwendet, so z. B. in »Gott ist weise«. So kann man sich ausdrücken, da in Gott etwas liegt, das derjenigen Weisheit gleicht, die von ihm kommt. – Allerdings liegt in Gott nicht diejenige Weisheit, wie wir sie verstehen und zum Ausdruck bringen, und deshalb kann man sie Gott zu Recht absprechen, also sagen: »Gott ist nicht weise«. – Man spricht jedoch Gott die Weisheit nicht deshalb ab, weil ihm Weisheit abgehen würde, sondern deshalb, weil die Weisheit Gottes alles übersteigt, was man von ihr sagen und begreifen kann; und dann läßt sich sagen: »Gott ist überweise.« Mit Hilfe dieser drei Spielarten, in denen man Gott als weise bezeichnen kann, erklärt Dionysius erschöpfend, wie jene Ausdrücke auf Gott angewendet werden können. Zu 3. Daß diese Ausdrücke die Hervorgänge aus Gott bezeichnen, begründet sich dadurch, daß sie zunächst und zuvor dazu verwen84 Dionysius Areopagita, De div. nom. VII, 1 (Dion. I, 393)

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det werden, diese Hervorgänge zu bezeichnen, wie sie sich in den erschaffenen Dingen manifestieren. Ihren abbildhaften Charakter nimmt unser Intellekt dann zum Anlaß, diese Ausdrücke Gott in einem ausgezeichneten Sinn zuzuschreiben. Zu 4. Das Diktum des Origenes meint nicht, daß wir mit dem Satz »Gott ist weise« zum Ausdruck bringen wollen, Gott sei die Ursache der Weisheit. Es hat vielmehr den bereits besprochenen Sinn, daß die von Gott verursachte Weisheit für unseren Intellekt zum Anlaß wird, Gott in einem ausgezeichneten Sinn die Weisheit zuzuschreiben. Zu 5. Wenn wir Gott als denkend bezeichnen, dann benennen wir ihn in einer Weise, wie es dem von ihm Verursachten zukommt. Denn eine Bezeichnung, die die Substanz des von Gott Verursachten betrifft, kann Gott nicht im Sinne einer Definition, wie sie jene Benennung zur Sprache bringt, zukommen. Somit trifft zwar diese Benennung in gewisser Weise auf Gott zu, allerdings nicht im buchstäblichen Sinn. Denn was mit dieser Benennung zur Sprache kommt, ist eine Definition. Auf das von Gott Bewirkte trifft sie hingegen zu. Zu 6. Dieses Argument weist nach, daß man Gott nicht mit einem Ausdruck belegen kann, der Gottes Substanz definieren oder erfassen bzw. der an sie herankommen könnte. Insofern haben wir kein Wissen davon, was Gott ist. Zu 7. Alles hat an Gottes Gutheit teil, jedoch nicht gleichermaßen, sondern in je besonderer Weise. Ebenso hat auch alles in je besonderer Weise an Gottes Sein teil. Ein Unterschied besteht hier aber: Die Gutheit impliziert ein Ursachenverhältnis, da ja das Gute sich selbst verströmt. Die Wesenheit meint hingegen das in sich ruhende Sein. Zu 8. Jede Wirkung hat sowohl etwas an sich, worin sie ihrer Ursache gleicht, als auch etwas, worin sie sich von ihr unterscheidet. Dies liegt an der Materie oder an etwas ihr Entsprechendem. Augenfällig ist das z. B. an einem Ziegel, der im Feuer gehärtet wird: Insofern sich der Ton durch das Feuer erhitzt, wird er dem Feuer gleich; insofern er jedoch bei seiner Erhitzung einschrumpft und hart wird, unterscheidet er sich von ihm. Letzteres ist nun durch seine Materie bedingt. Wenn man also dem Feuer denjenigen Zustand zuschreibt,

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den der Ziegel mit dem Feuer teilt, dann wird man eigentlich diesen Zustand dem Feuer in einer ausgezeichneten Weise und vorrangig zuschreiben. Das Feuer ist ja heißer als der Ziegel, und dies in einer ausgezeichneten Weise. Der Ziegel ist nämlich heiß, weil er erhitzt worden ist, das Feuer hingegen ist dies von Natur aus. – Wenn wir nun dem Feuer denjenigen Zustand zuschreiben, den der Ziegel nicht mit dem Feuer teilt, dann ist dies falsch, und ein sprachlicher Ausdruck, dessen Bedeutung auf jenen Zustand verweist, trifft auf das Feuer allenfalls in einem übertragenen Sinn zu. Denn es ist ja falsch, das Feuer, das der zarteste aller Körper ist, als hart zu bezeichnen. Freilich kann man das Feuer als hart bezeichnen angesichts der Gewalt seiner Wirkung und seiner großen Widerstandsfähigkeit gegenüber Einwirkungen. Dementsprechend kann man am Erschaffenen manches in Betracht ziehen, worin es Gott gleicht und das seinem Inhalt nach keine Unvollkommenheit impliziert, so z. B. Sein, Leben, Denken und dergleichen. Das Erwähnte trifft auf Gott im eigentlichen Sinn zu, ja im Vergleich zum Erschaffenen sogar in erster Linie und in einer ausgezeichneten Weise. Manches hingegen, in dem sich das Erschaffene von Gott unterscheidet und das seiner Herkunft aus dem Nichts geschuldet ist – so z. B. seine Potentialität, Privation, Bewegung und dergleichen –, wird Gott fälschlicherweise zugeschrieben. All diejenigen Ausdrücke, deren Bedeutung auf derartiges verweist, treffen auf Gott allenfalls in einem übertragenen Sinn zu, also z. B. Löwe, Fels und dergleichen. Dies liegt daran, daß die Materie zu ihrer Definition gehört. In einem übertragenen Sinn gelten sie aber von Gott dank eines Vergleichspunktes, der die von ihnen ausgehenden Wirkungen im Auge hat. Zu 9. Dieses Argument geht von einem Ausdruck aus, dessen Bedeutung eine Definition bzw. eine Beschreibung von der Substanz gibt. Wie ausgeführt, bezeichnet jedoch keiner jener Ausdrücke die Substanz Gottes. Zu 10. Zwar sind die hier angeführten Vollkommenheiten in Gott dessen Substanz selbst, doch die Substanz der erschaffenen Dinge weist nicht diese göttlichen Vollkommenheiten auf. In Anbetracht dieser Vollkommenheiten ist daher das Erschaffene nicht mit Gott identisch, sondern ihm ähnlich.

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Zu 11. Es wäre naturwidrig, wenn die Weisheit in Gott von derselben Art wäre wie diejenige Weisheit, die einen akzidentellen Charakter hat. Dies kann aber nicht so sein, wie die obigen Ausführungen zeigen. Zudem trägt die hier angeführte [biblische] Autorität nichts zur Sache bei. Denn Gott bringt in sich selbst nichts Naturwidriges hervor, da er nichts in sich selbst hervorbringt. Zu 12. Wenn man sagt »Gott ist gut«, dann umfaßt dieser Begriff Verschiedenes, was nicht auf eine Zusammensetzung in Gott, sondern in unserem Intellekt hindeutet. Zu 13. Gott entzieht sich der Auffassungsgabe unseres Intellekts in dem Sinn, daß er alles übersteigt, was Gegenstand unseres Intellekts ist. Das heißt aber nicht, daß unser Intellekt sich unter keiner geistig erfaßbaren Form Gott angleichen könnte. Zu 14. Gerade dadurch, daß unser Intellekt nicht an die Substanz Gottes heranreicht, bleibt diese selbst über unseren Intellekt erhaben und daher uns unbekannt. Aus diesem Grund liegt die höchste menschliche Erkenntnis von Gott in dem Wissen, daß man von Gott nichts weiß, insofern man hier weiß, daß das Wesen Gottes alle Erkenntnis übersteigt.

6. Artik el Die sechste Frage lautet: Sind die besagten Ausdrücke synonym? 85 Dies scheint der Fall zu sein; denn: 1. Als synonym bezeichnet man diejenigen Ausdrücke, die eine völlig identische Bedeutung haben. Die besagten Ausdrücke für Gott haben nun allesamt dieselbe Bedeutung. Denn sie bezeichnen ja Gottes Substanz, die, wie gezeigt, einfach und Eine ist. Demnach sind alle diese Ausdrücke synonym. 2. Johannes von Damaskus bemerkt, daß in Gott alles Eines ist, mit Ausnahme der Ungezeugtheit, der Zeugung und des Hervorgangs.86 Nun sind Ausdrücke mit einer identischen Bedeutung syn85 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 13 a. 4. ScG I, 35. Sent. I, d. 2 a. 3; d. 22 a. 3. Comp. theol. 25. 86 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. I, 10 (ed. Buytaert, 51).

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onym. Folglich sind alle Ausdrücke für Gott synonym, mit Ausnahme derjenigen, welche auf die personalen Eigentümlichkeiten verweisen. 3. Alle Dinge, die mit ein und derselben Instanz identisch sind, sind auch untereinander identisch. Nun ist die Weisheit in Gott mit seiner Substanz identisch, und ebendies gilt auch von seiner Macht und seinem Willen. Demnach sind die Weisheit, die Macht und der Wille in Gott vollkommen identisch. Daraus folgt, daß diese Ausdrücke synonym sind. 4. Hierzu kann man sagen: Diese Ausdrücke bezeichnen zwar dieselbe Sache, jedoch unter verschiedenen Hinsichten. Daher sind sie keine Synonyme. – Dem ist zu erwidern: Eine Hinsichtnahme, der in der Sache nichts entspricht, ist falsch und sinnlos. Wenn nun mit diesen Ausdrücken vielerlei Hinsichten zur Sprache kommen, die Sache aber nur eine einzige ist, dann sind diese Hinsichtnahmen offensichtlich falsch und sinnlos. 5. Hierzu kann man sagen: Diese Hinsichtnahmen sind nicht sinnlos, weil ihnen etwas in Gott entspricht. – Dem ist zu erwidern: Die Geschöpfe gleichen Gott, insofern sie aus ihm so hervorgehen, daß sie ihrem Urbild gleichen. Damit ist aber nicht eine Vielzahl von Urbildern bzw. ihnen entsprechender Hinsichten gemeint, denen bestimmte Aspekte am Erschaffenen entsprechen. Denn Gott ist durch sein Eines Wesen das Urbild für alles. Somit haben auch diejenigen Hinsichten, die wir für unsere Rede von Gott aus der Ähnlichkeit der Geschöpfe mit Gott gewinnen, keine Entsprechung auf Seiten der göttlichen Substanz. 6. Das, was im höchsten Grad eines ist, kann nicht die Wurzel und Grundlage der Vielheit sein. Nun ist aber das Wesen Gottes das allerhöchste Eine. Demnach können die mit jenen Ausdrücken namhaft gemachten Hinsichten ihre Wurzel und Grundlage nicht in Gottes Substanz haben. 7. Die Zahl der [göttlichen] Personen liegt an der Unterschiedenheit derjenigen Relationen, die wirklich in Gott liegen. Wenn also den üblichen Hinsichten, die mit den Gottesattributen verbunden sind, etwas in Gott entspräche, dann würde auch die Anzahl dieser Attribute über die Zahl der göttlichen Personen entscheiden. Und so gäbe es in Gott mehr als drei Personen – was einer Häresie gleich-

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kommt. Folglich sind diese Attribute offensichtlich allesamt Synonyme. Dagegen spricht: 1. Die Aneinanderreihung synonymer Ausdrücke führt zu leerem Gerede. Ein Beispiel hierfür ist die Wendung »Kleid und Gewand«. Wenn nun jene fraglichen Ausdrücke synonym wären, so wäre es leeres Gerede, wenn man sagte: »Gott ist gut«, »Gott ist weise«. Dem ist aber nicht so. 2. Wer einen einzigen Ausdruck, zu dem es Synonyme gibt, für unzulässig erklärt, der erklärt damit auch dessen sämtliche Synonyme für unzulässig. Nun haben einige Leute Gott die Macht abgesprochen, ohne ihm das Wissen und die Gutheit abzusprechen. Folglich sind diese Ausdrücke nicht synonym. 3. Dies bestätigt auch Averroes in seinem Kommentar zum 12.  Buch der Metaphysik, wo er sagt, daß diese Ausdrücke angesichts von Gott keine Synonyme sind.87 Antwort: Alle Kenner der Materie sind allgemein der Auffassung, daß diese Ausdrücke keine Synonyme sind. Diese Ansicht bietet auch keine Probleme, solange man davon ausgeht, daß diese Ausdrücke nicht die Substanz Gottes, sondern bestimmte Vorstellungen zum Ausdruck bringen, die mit Gottes Wesen verbunden werden, oder bestimmte Weisen von Gottes Wirken, die mit seinen Wirkungen zum Vorschein kommen, oder auch die Negierung kreatürlicher Sachverhalte. Wenn man jedoch, wie oben aufgezeigt,88 davon ausgeht, daß diese Ausdrücke die Substanz Gottes bezeichnen, dann bringt diese Fragestellung offensichtlich größere Schwierigkeiten mit sich. Denn in diesem Fall verweisen diese Ausdrücke allesamt auf ein und dasselbe Einfache, welches die göttliche Substanz ist. Nun muß man im Auge behalten, daß die Bedeutung eines Ausdrucks nicht unmittelbar, sondern vermittels des Intellekts auf einen 87 Averroes, In Met. XI comm. 39 (Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Bd. VIII, fol. 322 vK). 88 Vgl. De pot. q. 7 a. 5.

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Sachverhalt verweist. Denn die stimmlichen Laute sind Zeichen für die Eindrücke in der Seele, und die Auffassungen des Intellekts sind ihrerseits Abbilder der Dinge. So erklärt es Aristoteles zu Beginn von Peri hermeneias.89 Daß nun bestimmte Ausdrücke nicht synonym werden, kann entweder an den angezeigten Sachverhalten liegen oder aber an den Hinsichten, die durch jene Ausdrücke erfaßt und zum Ausdruck gebracht werden sollen. Somit liegt es nicht an einer Verschiedenheit der angezeigten Sachverhalte, daß jene Ausdrücke bei ihrer Anwendung auf Gott nicht synonym werden, sondern einzig an den Hinsichten, die mit diesen Ausdrücken zur Sprache kommen und die sich aus den Auffassungen des Intellekts ergeben. Aus diesem Grund bemerkt Averroes in seinem Kommentar zum 12. Buch der Metaphysik,90 daß eine Vielheit in Gott einzig durch die Unterscheidungen unseres Intellekts zustande kommt und nicht durch eine Verschiedenheit des göttlichen Seins bedingt ist. In diesem Sinne sprechen wir von dem der Sache nach Einen und dem Begriff nach Vielen. Freilich können diese verschiedenen Hinsichtnahmen, die unser Intellekt kennt, hierbei nicht von der Art sein, daß ihnen sachlich nichts entspricht, da ja unser Intellekt deren Inhalt Gott zuschreibt. Wenn es also nichts in Gott, weder an ihm selbst noch an seinen Wirkungen, gäbe, was diesen Hinsichten entspräche, dann wäre unser Intellekt mit einer solchen Zuschreibung im Irrtum, und alle Sätze mit derartigen Attributen wären falsch. Dies kann aber nicht stimmen. (A) Nun gibt es zwar bestimmte Hinsichten, denen nichts an einer geistig ins Auge gefaßten Sache entspricht. Jedoch schreibt der Intellekt den Inhalt solcher Hinsichten den Dingen nicht mit dem Anspruch zu, daß sie an sich auch so sind, sondern nur mit dem Anspruch, daß er sie geistig so erfaßt. Dies gilt etwa für den generischen und artspezifischen Aspekt und für andere derartige geistige Einstellungen. Denn an den extramentalen Dingen gibt es nichts, was dieser Hinsichtnahme auf das Genus oder die Spezies entsprechen würde. Gleichwohl befindet sich der Intellekt hierbei 89 Aristoteles, Peri herm. 1; 16 a 3–4. 90 Averroes, In Met. XI, comm. 39 (Aristotelis opera cum Averrois

commentariis, Bd. VIII, fol. 322 vM).

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in keinem Irrtum. Denn den Inhalt dieser Hinsichtnahmen, d. h. ein Genus und eine Spezies, schreibt der Intellekt diesen Dingen nicht mit dem Anspruch zu, daß diese Dinge auch außerhalb von ihm so vorliegen, sondern nur mit dem Anspruch, daß sie sich für ihn so darstellen. Denn gerade dadurch, daß der Intellekt sich auf sich selbst bezieht, erkennt er sowohl die Dinge außerhalb des Geistes, wie er auch erkennt, daß er diese Dinge erkennt. Wie es daher eine bestimmte Auffassung oder Hinsichtnahme des Intellekts gibt, der eine extramentale Sache entspricht, so gibt es eine bestimmte Auffassung oder Hinsichtnahme, der diese Sache als erkannte entspricht. So entspricht etwa der Hinsichtnahme auf einen Menschen bzw. seiner geistigen Erfassung eine extramentale Sache; hingegen entspricht der Hinsicht auf das Genus oder die Spezies bzw. deren geistiger Erfassung diese Sache allenfalls als erkannte. Es ist jedoch unmöglich, daß dies auch für diejenigen Hinsichtnahmen zutrifft, welche die besagten Ausdrücke für Gott zur Sprache bringen. Denn dann würde der Intellekt diese Hinsichten Gott nicht mit dem Anspruch zuschreiben, daß Gott in sich so ist, sondern mit dem Anspruch, daß er sich Gott so denkt. Dies ist jedoch offensichtlich falsch. Die Rede davon, daß Gott gut ist, hätte dann nämlich den Sinn, daß wir uns Gott so denken, nicht aber, daß er in Wirklichkeit so ist. (B) Aus diesem Grund behaupten manche, daß die sprachlichen Ausdrücke für jene unterschiedlichen Hinsichtnahmen auch entsprechend unterschiedliche Bedeutungsnuancen zur Sprache bringen, welche sich auf die verschiedenen Wirkungen Gottes beziehen. Denn diese Leute sind der Überzeugung, daß in dem Satz »Gott ist gut« Gottes Wesen und, als Bedeutungsnuance, eine seiner Wirkungen zum Ausdruck kommen, daß also dieser Satz den Sinn hätte: »Gott ist, und zwar ist er die Ursache des Guten«. Dementsprechend ergeben sich diese unterschiedlichen Hinsichten aus den verschiedenen Wirkungen Gottes. Diese Ansicht ist jedoch ungereimt. Da nämlich eine Wirkung aus ihrer Ursache hervorgeht und hierbei ein Abbild von dieser gibt, so wird ein entsprechendes Merkmal zunächst an der Ursache und dann erst an ihren Wirkungen verständlich. Und so bezeichnet man Gott nicht aus dem Grund als weise, weil er die Ursache der Weis-

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heit wäre. Vielmehr ist er die Ursache der Weisheit, weil er weise ist. Daher bemerkt Augustinus: »Weil Gott gut ist, existieren wir, und insofern wir existieren, sind wir gut.«91 – Des weiteren würde hier folgen, daß diese Ausdrücke in erster Linie die Schöpfung und dann erst den Schöpfer beträfen, also etwa so, wie die Gesundheit zunächst dasjenige betrifft, was gesund ist, und dann erst ein Heilmittel, das man ja in der Hinsicht als gesund bezeichnet, daß es eine Ursache für die Gesundheit ist. – Wenn zudem der Satz »Gott ist gut« keinen anderen Sinn hätte als »Gott ist, und zwar ist er die Ursache des Guten«, dann würde dies heißen, daß man von Gott alle Ausdrücke für seine Wirkungen unterschiedslos aussagen könnte. Man könnte dann z. B. sagen »Gott ist der Himmel«, weil er die Ursache des Himmels ist. – Darüber hinaus wird diese These offensichtlich falsch, wenn sie sich nur auf das faktisch Verursachte bezieht. Denn dann läßt sich nicht mehr sagen, daß Gott von Ewigkeit an gut, weise oder etwas in der Art gewesen ist, da er ja nicht von Ewigkeit an die Dinge faktisch gewirkt hat. Bezieht man sich hingegen auf den möglichen Ursachencharakter – so daß man Gott nun deswegen als gut bezeichnet, weil er ist und er über das Vermögen verfügt, Gutes hervorströmen zu lassen –, dann heißt dies zwangsläufig, daß der Ausdruck »gut« auf jenes Vermögen verweist. Allerdings stellt dieses Vermögen etwas derartig Überragendes dar, daß ihm seine Wirkung nur von ferne gleicht, wie dies ja überhaupt für das Vermögen einer wirkenden Instanz gilt, welche in einem äquivoken Verhältnis zu ihren Wirkungen steht. Daraus ließe sich folgern, daß der Intellekt, wenn er das Gute denkt, dabei etwas erfaßt, das dem gleicht, was in Gott ist und was Gott ist. In diesem Sinne findet seine Hinsichtnahme auf das Gute bzw. dessen Erfassung ihre Entsprechung in etwas, das in Gott liegt und das Gott ist. (C) Somit ist Folgendes festzustellen: All diese mannigfachen und unterschiedlichen Hinsichten haben eine Entsprechung in Gott, insofern all diese Begriffe des Intellekts ein Abbild von Gott geben. Denn es ist klar, daß es für eine Form wesentlich nur ein einziges Abbild geben kann, das von derselben Art wie jene Form ist. Gleichwohl kann es verschiedene unvollkommene Abbilder geben, die 91 Augustinus, De doctrina christiana I, 32, 35 (CCSL 32, 26).

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allesamt hinter der vollkommenen Vergegenwärtigung jener Form zurückbleiben. Wenn also, wie vorhin ausgeführt, die Begriffe für diejenigen Vollkommenheiten, welche sich am Erschaffenen finden, unvollkommene Abbilder des göttlichen Wesens liefern und nicht von derselben Art sind wie dieses, dann spricht nichts dagegen, daß das Eine Wesen all diesen Begriffen entspricht und durch diese auf eine unvollkommene Weise vergegenwärtigt wird. Somit befinden sich zwar diese Begriffe in unserem Intellekt, indem sie in ihm auftreten. In Gott aber haben sie ihre Wurzel, welche die Wahrheit all dieser Begriffe verbürgt. Denn die Begriffe, die sich der Intellekt von einer Sache bildet, wären nicht wahr, wenn es keine abbildhafte Entsprechung zwischen dieser Sache und jenen Begriffen gäbe. Somit liegt die Mannigfaltigkeit und Unterschiedlichkeit der Ausdrücke an unserem Intellekt, der nicht dazu hinreicht, Gottes Wesen so zu schauen, wie es in sich selbst ist. Er schaut es vielmehr in mannigfachen Abbildern, die hinter Gottes Wesen zurückbleiben und die am Erschaffenen wie in einem Spiegel hervorscheinen. Wenn unser Intellekt das Wesen selbst schauen könnte, dann müßte er sich weder mit einer Vielzahl von Ausdrücken noch mit einer Vielzahl von Begriffen behelfen. Aus diesem Grund ist das göttliche Wort, das Gottes vollkommener Begriff ist, nur Eines. Und so heißt es in Zach. 14, 9: »An jenem Tag wird der Herr der einzige sein und sein Name der einzige.« Dann schauen wir Gottes Wesen und schöpfen unsere Gotteserkenntnis nicht mehr aus dem Erschaffenen. Zu 1. Zwar verweisen diese Ausdrücke auf eine einzige Sache, dies jedoch, wie gesagt, unter mannigfachen Hinsichten. Daher sind diese Ausdrücke nicht synonym. Zu 2. Johannes meint hier, daß in Gott alles Eines ist, mit Ausnahme der personalen Eigentümlichkeiten, die für den Unterschied der göttlichen Personen verantwortlich sind. Dies schließt jedoch nicht aus, daß die auf Gott angewendeten Ausdrücke unterschiedliche Hinsichten markieren. Zu 3. Damit ist auch dieser Punkt geklärt: Ebenso wie die Gutheit und die Weisheit der Sache nach mit Gottes Wesen identisch sind, so sind sie auch untereinander identisch. Dennoch bringen, wie gesagt, diese Ausdrücke verschiedene Hinsichten zur Sprache.

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Zu 4. Aus den obigen Ausführungen geht schon hervor, daß Gott zwar schlechthin Einer ist, daß aber jene mannigfachen Auffassungen und Hinsichtnahmen nicht falsch sind. Denn ihnen allen entspricht ein und dieselbe Sache, welche sie auf unvollkommene Weise repräsentieren. Sie wären allerdings falsch, wenn ihnen nichts entspräche. Zu 5. Da alle Einheit von Gott kommt und alle Vielheit vom Erschaffenen, so muß es in Gott, der die unterschiedlichen Geschöpfe erkennt, dem Wesen nach eine einzige geistige Form geben und viele Bezüge Gottes auf die Geschöpfe. Genauso muß es in unserem Intellekt, der, ausgehend von der Vielheit der Schöpfung, zu Gott aufsteigt, viele Erkenntnisbilder geben, die einen Bezug auf den Einen Gott haben. Zu 6. Jene Hinsichten gründen im göttlichen Wesen nicht in dem Sinne, daß dieses Wesen ihr Träger wäre, sondern in dem Sinne, daß das göttliche Wesen die Quelle ihrer Wahrheit ist bzw. durch all diese Hinsichtnahmen vergegenwärtigt wird. Dies stellt jedoch nicht die Einfachheit des göttlichen Wesens in Frage. Zu 7. Die Vaterschaft und die Sohnschaft stehen in einem Gegensatzverhältnis zueinander. Deshalb muß auch der Unterschied zwischen diesen beiden ein realer sein. Dies trifft jedoch auf die Gutheit und die Weisheit nicht zu.

7. Artik el Die siebte Frage lautet: Werden die besagten Ausdrücke auf Gott und auf das Erschaffene im univoken oder im äquivoken Sinn angewendet? 92 Anscheinend im univoken Sinn; denn: 1. Maß und Gemessenes müssen demselben Bereich angehören. Nun ist Gottes Gutheit das Maß für jede Gutheit des Erschaffenen. Dasselbe gilt auch von der Weisheit. Demnach werden beide im univoken Sinn auf Gott und das Erschaffene angewendet. 2. Ähnliche Dinge haben eine gemeinsame Form. Nun hat das 92 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 13 a. 5. ScG I, 32–34. Sent. I, Prol. a. 2 ad 2; d. 19 q. 5 a. 2 ad 1; d. 35 a. 4. De ver. q. 2 a. 2. Comp. theol. 27.

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Erschaffene sehr wohl eine Ähnlichkeit mit Gott, wie aus Gen. 1, 26 hervorgeht: »Lasset uns Menschen machen nach unserem Abbild, uns ähnlich.« Folglich besteht zwischen dem Erschaffenen und Gott eine Ähnlichkeit in der Form. Auf all das, was eine gemeinsame Form besitzt, läßt sich ein Prädikat im univoken Sinn anwenden. Somit kann man ein Prädikat im univoken Sinn auf Gott und das Erschaffene anwenden. 3. Graduelle Abstufungen führen noch zu keinem Unterschied in der Spezies. Da man nun sowohl das Erschaffene als auch Gott gut nennt, liegt hier der Unterschied offensichtlich darin, daß Gott in höherem Grade gut ist. Somit unterscheiden sich Gott und das Erschaffene nicht in der Spezies. Somit wird »gut« im univoken Sinn auf Gott und das Erschaffene angewendet. 4. Nach Aristoteles läßt sich das, was verschiedenen Gegenstandsbereichen angehört, nicht vergleichen.93 Denn die Geschwindigkeit einer qualitativen Veränderung ist nicht mit der Geschwindigkeit einer Ortsbewegung vergleichbar. Nun gibt es aber eine bestimmte Vergleichsmöglichkeit zwischen Gott und dem Erschaffenen. Denn Gott nennt man das höchste Gut und das Erschaffene gut. Folglich gehören Gott und das Erschaffene demselben Gegenstandbereich an, und somit gibt es ein Prädikat, das sich im univoken Sinn auf sie anwenden läßt. 5. Jedes Ding wird nur durch ein ihm gleichartiges Anschauungsbild geistig erfaßt. Denn die weiße Farbe an der Wand wäre durch ihr Bild, das sich im Auge befindet, nicht zu erkennen, wenn Farbe und Bild nicht gleichartig wären. Nun erkennt Gott durch seine Gutheit all das, was ist. Entsprechendes gilt von den übrigen [Gottesattributen]. Folglich sind Gottes Gutheit und diejenige des Erschaffenen gleichartig, und damit wird »gut« im univoken Sinn auf Gott und das Erschaffene angewendet. 6. Das Haus im Geist des Baumeisters und das vorhandene Haus sind gleichartig. Nun werden die Geschöpfe von Gott so hervorgebracht wie die Erzeugnisse von ihrem Hersteller. Folglich ist Gottes Gutheit von derselben Art wie die Gutheit seiner Geschöpfe. Daraus folgt dasselbe wie gerade eben. 93 Aristoteles, Phys. VII, 4; 249 a 10–b 14.

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7. Jede wirkende Instanz, die einen äquivoken Gebrauch zuläßt, läßt sich auf eine wirkende Instanz zurückführen, welche einen univoken Gebrauch zuläßt. Demnach muß die oberste wirkende Instanz, d. h. Gott, eine Instanz sein, welche einen univoken Gebrauch zuläßt. Auf eine wirkende Instanz, welche einen univoken Gebrauch zuläßt, und ihre entsprechenden Wirkungen kann man aber ein Prädikat im univoken Sinn anwenden. Somit kann man auf Gott und das Erschaffene ein Prädikat im univoken Sinn anwenden. Dagegen spricht: 1. Nach Aristoteles gibt es zwischen dem Ewigen und dem Zeitlichen keine Gemeinsamkeit,94 oder allenfalls eine dem Namen nach. Nun ist Gott ewig, das Erschaffene aber der Zeit unterworfen. Demnach kann es zwischen Gott und dem Erschaffenen nichts Gemeinsames geben, oder höchstens dem Namen nach. Somit werden die sprachlichen Ausdrücke auf Gott und auf das Erschaffene ausschließlich in einem äquivoken Sinn angewendet. 2. Das Genus ist der entscheidende Faktor bei einer begrifflichen Bestimmung. Trifft dieses Genus nicht mehr zu, dann verändert dies den begrifflichen Gehalt, der mit einem sprachlichen Ausdruck verbunden ist, von Grund auf. Wenn man also diesen sprachlichen Ausdruck dazu verwendet, um etwas zu bezeichnen, das einer anderen Gattung angehört, dann wird dieser Ausdruck äquivok. Nun fällt die Weisheit, die man den Geschöpfen zuschreibt, unter das Genus der Qualität. Wie vorhin gezeigt wurde, ist jedoch die Weisheit, die man Gott zuschreibt, keine Qualität. Daher wird der Ausdruck »Weisheit« im äquivoken Sinn auf Gott und das Erschaffene angewendet. 3. Auf Dinge, die keine Ähnlichkeit miteinander haben, läßt sich kein Prädikat anwenden, das für sie gleichermaßen gilt, sondern höchstens ein Prädikat im äquivoken Sinn. Nun besteht zwischen dem Erschaffenen und Gott keine Ähnlichkeit, denn in Jes. 40, 18 heißt es: »Wem wollt ihr Gott ähnlich machen?« Somit läßt sich auf Gott und das Erschaffene offensichtlich kein Prädikat im univoken Sinn anwenden. 94 Aristoteles, Met. X, 10; 1058 b 26–28.

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4. Hier kann man einwenden: Zwar kann man nicht sagen, daß Gott dem Erschaffenen ähnlich ist, wohl aber, daß das Erschaffene Gott ähnelt. – Dem ist entgegenzuhalten, was in Ps. 82, 2 steht: »Wer sollte dir ähnlich sein, o Gott?« – was natürlich heißt: niemand. 5. Wenn etwas ein Akzidens ist, dann kann es nicht einer Substanz gleichkommen. Nun tritt die Weisheit an einem Geschöpf als ein Akzidens auf, bei Gott hingegen ist sie Substanz. Folglich kann der Mensch mit seiner Weisheit nicht der göttlichen Weisheit gleichkommen. 6. Beim Erschaffenen unterscheidet sich das Sein von dessen Form bzw. Natur. Daher kann kein Ding mit seiner Form bzw. Natur dem Sein selbst ähneln. Nun bezeichnen die in Frage stehenden Ausdrücke am Erschaffenen eine bestimmte Form oder Natur. Gott hingegen ist sein Sein. Damit kann das Erschaffene in dem, was ihm zugeschrieben wird, keine Ähnlichkeit mit Gott haben. Daraus folgt dasselbe wie gerade eben. 7. Gott unterscheidet sich in noch höherem Maß vom Erschaffenen, als sich eine Zahl und die Farbe Weiß voneinander unterscheiden. Es wäre nun absurd zu behaupten, daß eine Zahl und die Farbe Weiß einander ähneln. Folglich wäre die Behauptung, daß irgendein Geschöpf Gott ähnelt, noch absurder. Daraus folgt dasselbe wie gerade eben. 8. Alles, was sich ähnelt, stimmt in einem ganz bestimmten Punkt überein. Nun läßt sich das, was in einem ganz bestimmten Punkt übereinstimmt, jeweils an die Stelle des anderen setzen. Angesichts von Gott gibt es hingegen nichts, was an seine Stelle gesetzt werden könnte. Demnach kann es zwischen Gott und dem Erschaffenen keine Ähnlichkeit geben. Antwort: Man kann kein Prädikat im univoken Sinn auf Gott und das Erschaffene anwenden. Dies erklärt sich folgendermaßen: Nur wenn bei einer Wirkung und der wirkenden Instanz ein univoker Gebrauch zulässig ist, kommt auch diese Wirkung in ihrer Kraft der wirkenden Instanz gleich. Da aber die Geschöpfe endlich sind, kommt keines von ihnen in der Kraft der obersten wirkenden Instanz gleich, deren Kraft ja unendlich ist. Daher ist es für die Ge-

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schöpfe unmöglich, daß sie eine Ähnlichkeit mit Gott erreichen, die über die bloße Gleichheit im sprachlichen Ausdruck hinausgeht. Zudem ist klar, daß es zwar ein und dieselbe Form ist, welche mit der wirkenden Instanz und mit ihrer Wirkung vorliegt. Gleichwohl verhindert es die je verschiedene Weise ihres Vorliegens, daß sich diese Form hier als ein Prädikat im univoken Sinn anwenden läßt. So sind zwar das materiell vorhandene Haus und das Haus im Geist des Baumeisters gleichartig. Trotzdem kann man nicht in beiden Fällen von einem Haus im univoken Sinn sprechen. Denn die Form des vorhandenen Hauses hat ihr Sein in der Materie, das Haus im Geist des Baumeisters hat dagegen ein geistiges Sein. Selbst wenn man daher das Unmögliche zugestehen würde, daß die Gutheit in Gott und die der Geschöpfe von gleicher Art wären, dann ließe sich das Prädikat »gut« trotzdem nicht im univoken Sinn auf Gott anwenden. Denn in Gott ist die Gutheit materiefrei und einfach, bei den Geschöpfen hingegen prägt sie sich in der Materie und auf vielfältige Weise aus. Außerdem verwendet man »seiend« nicht im univoken Sinn für die Substanz und für ein Akzidens, da das Sein der Substanz ein selbständiges Sein ist, während das Sein eines Akzidenz ein Sein an etwas anderem ist. Daraus läßt sich ersehen, daß der unterschiedliche Status von Sein die univoke Verwendung von »seiend« ausschließt. Gottes Sein hat nun aber einen anderen Status als das Sein eines jeden anderen Geschöpfes. Denn Gott ist sein Sein, was auf kein einziges Geschöpf zutrifft. Daher kann man überhaupt nichts im univoken Sinn von Gott und dem Erschaffenen aussagen, mithin auch keines der anderen Prädikamente, an deren Spitze »seiend« steht. Wenn es daher schon beim ersten Prädikament diesen Unterschied gibt, dann gibt es ihn zwangsläufig auch bei den anderen Prädikamenten. Daher läßt sich nichts im univoken Sinn von der Substanz und einem Akzidens aussagen. Manche waren aber anderer Auffassung und behaupteten, daß sich von Gott und vom Erschaffenen nichts im analogen Sinn, sondern alles nur im äquivoken Sinn aussagen lasse. Diese Ansicht vertrat Rabbi Moses, wie man aus seinen Schriften ersehen kann.95 Sie 95 Mose ben Maimon, Führer der Unschlüssigen I, 35 (ed. Weiss I,

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kann jedoch unmöglich richtig sein. Denn bei äquivoken Dingen, welche nach Aristoteles zufällig namensgleich sind,96 trifft man eine Aussage über das eine Ding, ohne daß diese Aussage das andere Ding [gleichen Namens] betrifft. Mit allem, was man über Gott und das Erschaffene aussagt, trifft man hingegen Aussagen über Gott, die in einer bestimmten Hinsicht auch das Erschaffene betreffen. Umgekehrt gilt das Gleiche. Dies wird ja z. B. an den obigen Ausführungen deutlich, die dem Verständnis der Ausdrücke für Gott gelten. Aus diesem Grund ist es unmöglich, daß dort reine Äquivokationen vorliegen. Zudem gewinnen wir all unsere Erkenntnis über Gott im Ausgang vom Erschaffenen. Wäre daher die Übereinstimmung nur nominell, dann bestünde unser Wissen über Gott aus lauter leeren Ausdrücken, die keine sachliche Grundlage haben. – Außerdem wären dann alle philosophischen Argumente, die für Gott vorgebracht werden, Sophismen. Um ein Beispiel zu geben: Wenn aus dem Satz, daß alles Möglichseiende durch ein Wirklichseiendes in die Wirklichkeit gelangt, gefolgert wird, daß Gott das Wirklichseiende ist, durch das alle Dinge ins Sein gelangen, dann wäre dies ein Trugschluß, der mit äquivoken Ausdrücken spielt. Entsprechendes gilt für alle anderen Argumente. – Ein weiterer Punkt ist der, daß das Verursachte seiner Ursache zwangsläufig in irgendeiner Weise ähnelt. Daher findet auch kein Prädikat im rein äquivoken Sinn Anwendung auf das Verursachte und seine Ursache, also z. B. »gesund« auf ein Lebewesen und eine Medizin. Wir kommen somit zu einer anderen Auffassung und stellen fest, daß kein Prädikat im univoken Sinn auf Gott und das Erschaffene Anwendung findet. Und doch sind diejenigen Prädikate, die sich hier gleichermaßen anwenden lassen, nicht einfach äquivoke Prädikate, sondern Prädikate in analogischer Verwendung. Diese Art der Prädikation kennt nun zwei Spielarten. Bei der ersten Spielart spricht man zwei Dingen ein Prädikat zu, weil sich dieses Prädikat von einem Dritten her versteht, auf das die beiden Dinge bezogen sind. So spricht man z. B. der Qualität und der Quantität das Prädikat »seiend« zu, da sich dieses Prädikat von der Substanz her 96 Aristoteles, Eth. Nic. I, 4; 1096 b 25–30.

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versteht, auf die die beiden bezogen sind. Bei der zweiten Spielart spricht man zwei Dingen ein Prädikat zu, weil sich das Prädikat für das eine Ding vom anderen Ding her versteht. Ein Beispiel hierfür ist das Prädikat »seiend« für die Substanz und die Qualität. Bei der ersten Spielart der [analogischen] Prädikation muß es eine dritte, übergeordnete Instanz geben, auf die die beiden [Gegenstände der Prädikation] bezogen sind. Bei der zweiten Spielart trifft dies nicht zu; bei ihr ist es vielmehr erforderlich, daß der eine [Gegenstand der Prädikation] dem anderen übergeordnet ist. Da Gott nichts übergeordnet ist, sondern er über der Schöpfung steht, findet die zweite und nicht die erste Spielart der Analogie bei der Rede von Gott Anwendung. Zu 1. Dieses Argument setzt ein Maß voraus, das man an das Gemessene anlegen bzw. an dem man es auch messen kann. Gott ist jedoch kein Maß in diesem Sinne, da er unendlich all das übersteigt, was an ihm gemessen wird. Zu 2. Die Ähnlichkeit des Erschaffenen mit Gott bleibt in zweierlei Hinsicht hinter einer Ähnlichkeit zurück, wie sie univok Ausgesagtem zukommt. Erstens beruht ihre Ähnlichkeit nicht darauf, daß sie beide an ein und derselben Form teilhaben, wie dies z. B. auf zwei warme Gegenstände zutrifft, die an ein und derselben Wärme teilhaben. Denn all das, was man über Gott und das Erschaffene aussagt, spricht man Gott dem Wesen nach zu, dem Erschaffenen hingegen in Form der Teilhabe. Die Ähnlichkeit zwischen Gott und dem Erschaffenen meint also eine Ähnlichkeit, wie sie zwischen einem warmen Gegenstand und der Wärme besteht, und keine Ähnlichkeit, wie sie zwischen einem warmen Gegenstand und einem Gegenstand besteht, der etwas wärmer ist. Zweitens hat eine Form, an der ein Geschöpf teilhat, längst nicht den Charakter des göttlichen Wesens. So hat ja auch die Hitze eines Feuers längst nicht den Charakter derjenigen Kraft, mit der die Sonne Hitze erzeugt. Zu 3. Graduelle Unterschiede lassen drei Spielarten zu und sich dementsprechend als Prädikat verwenden. Die erste Spielart betrifft nur die Quantität derjenigen Instanz, zu der bestimmte Dinge in einem Teilhabeverhältnis stehen. In diesem Sinne nennt man den

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Schnee weißer als eine Wand, da das Weiß des Schnees einen höheren Grad hat als das Weiß an der Wand. Gleichwohl ist das Weiß in beiden Fällen von derselben Art. Daher führt dieser graduelle Unterschied nicht zu einem Unterschied in der Spezies. – Bei der zweiten Spielart kommt dem einen Ding etwas dank seiner Teilhabe daran zu, dem anderen Ding hingegen dem Wesen nach. In diesem Sinne könnte man sagen, daß die Gutheit im höheren Grad gut ist als etwas Gutes. – Bei der dritten Spielart trifft ein und dasselbe Prädikat im hervorgehobenen Sinn eher auf ein Ding zu als auf ein anderes Ding, so z. B. die Hitze, die im hervorgehobenen Sinn eher der Sonne als einem Feuer zukommt. Nur bei den beiden letzten Spielarten ist eine Einheit in der Spezies sowie die univoke Verwendung von Prädikaten ausgeschlossen. Daß man auf diese Weise einen graduellen Unterschied von Gott und dem Erschaffenen aussagt, müßte nach den obigen Ausführungen klar sein. Zu 4. Wenn man davon spricht, daß Gott im höheren Grad gut bzw. das höchste Gut ist, dann vergleicht man hier Gott mit dem Erschaffenen nicht in dem Sinne, daß sie beide dasselbe generische Wesen miteinander teilen, so wie dies etwa mehrere Spezies tun, sondern in dem Sinne, daß Gott das Prinzip dieser Gattung ist. Zu 5. Je höher die Seinsweise ist, in der ein Erkenntnisbild auftritt, desto vollkommener ist die Erkenntnis, die sich aus jenem Bild gewinnen läßt. So ist die Erkenntnis, die sich mit dem Intellekt aus dem Erkenntnisbild eines Steines gewinnen läßt, vollkommener als diejenige Erkenntnis, die sich mit den Sinnen aus jenem Bild gewinnen läßt. Daher vermag Gott die Dinge dank seines Wesens auf höchst vollkommene Weise zu erkennen, insofern sein Wesen eine Ähnlichkeit mit den Dingen aufweist und dabei in unerreichbarer Weise über den Dingen steht. Zu 6. Zwischen dem Erschaffenen und Gott herrscht eine Ähnlichkeit in zweifachem Sinn. Erstens gibt es eine Ähnlichkeit des Erschaffenen mit dem göttlichen Intellekt. Hierbei weist eine Form im göttlichen Intellekt eine Gleichartigkeit mit demjenigen Ding auf, welches Gott erkennt. Allerdings hat sie nicht dieselbe Seinsweise, da die erkannte Form ausschließlich im Intellekt auftritt, die kreatürliche Form hingegen auch in der Materie. Zweitens hat das gött-

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liche Wesen als solches mit allen Dingen eine Ähnlichkeit, die so erhaben ist, daß sie eine Gleichartigkeit mit den Dingen nicht zuläßt. Im Sinne dieser zweiten Form von Ähnlichkeit kann man ein Prädikat wie »gut« und dergleichen auf Gott und das Erschaffene gleichermaßen anwenden, nicht jedoch im Sinne der ersten Form von Ähnlichkeit. Wenn man davon spricht, daß Gott gut ist, dann ist diese Zuschreibung nicht aus dem Grund sinnvoll, weil Gott die Gutheit des Erschaffenen erkennt. Wir hatten ja schon vorher davon gesprochen und erklärt, daß man auch ein Haus im Geist des Baumeisters und ein in der Materie vorliegendes Haus nicht im univoken Sinn als Haus bezeichnen kann. Zu 7. Eine wirkende Instanz, die einen äquivoken Gebrauch zuläßt, steht notwendigerweise höher als eine wirkende Instanz, welche einen univoken Gebrauch zuläßt. Denn der Ursachencharakter der letzteren Instanz erstreckt sich nicht auf die gesamte Spezies [zu der diese wirkende Instanz gehört], sonst wäre sie ja Ursache ihrer selbst. Vielmehr erstreckt sich ihr Ursachencharakter auf einzelne Exemplare ihrer Spezies.97 Dagegen besitzt diejenige wirkende Instanz, die einen äquivoken Gebrauch zuläßt, einen Ursachencharakter, der sich auf eine Spezies in ihrer Gesamtheit erstreckt. Aus diesem Grund muß die oberste wirkende Instanz eine Instanz sein, die einen äquivoken Gebrauch zuläßt. Zu den vorgebrachten Gegenargumenten ist festzustellen: Zu 1. Aristoteles spricht hier von einer Gemeinsamkeit, wie sie den natürlichen Dingen zukommt, und nicht von ihrer Gemeinsamkeit in logischer Hinsicht. Nun haben diejenigen Dinge, welche eine verschiedene Seinsweise kennzeichnet, keine Gemeinsamkeit im Hinblick auf dasjenige Sein, welches Gegenstand des Naturphilosophen ist. Sie können jedoch eine Gemeinsamkeit in einer bestimmten logischen Hinsicht aufweisen, welche Gegenstand des Logikers 97 Mit einem Aristotelischen Beispiel gesprochen: »Ein Mensch zeugt einen Menschen«. Als eine Ursache, die eine univoke Wirkung hervorbringt, bringt der Mensch ein je einzelnes Exemplar von Seinesgleichen hervor, nie und nimmer aber die gesamte Spezies Mensch.

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ist. Zudem gehören nach den Maßstäben des Naturphilosophen ein Körper, der aus den Elementen besteht, und ein Himmelskörper nicht derselben Klasse an, nach den Maßstäben des Logikers hingegen schon. Davon abgesehen ist es hier nicht Aristoteles’ Absicht, eine analogisch faßbare Gemeinsamkeit zu bestreiten, sondern eine univok gefaßte Gemeinsamkeit. Zu 2. Ein Unterschied im Genus verhindert zwar die univoke Verwendung von Prädikaten, nicht aber ihre Verwendung im analogen Sinn. Dies erklärt sich folgendermaßen: Diejenige Gesundheit, die man vom Urin aussagt, gehört zur Klasse der Indikatoren, während diejenige Gesundheit, die man einem Heilmittel zuspricht, zur Klasse der Ursachen gehört. Zu 3. Auf keinen Fall läßt sich behaupten, daß Gott dem Erschaffenen ähnelt, sondern es gilt das Umgekehrte. Denn wie Dionysius bemerkt, ist bei einer Ursache und dem von ihr Verursachten das Ähnlichkeitsverhältnis kein gegenseitiges, dies gilt vielmehr nur bei dem, was dieselbe Rangstufe einnimmt.98 So sagt man ja auch nicht, daß ein Mensch seinem Abbild ähnelt, sondern es gilt das Umgekehrte, da sich diejenige Form, aufgrund von der man die Ähnlichkeit feststellt, in erster Linie am Menschen und erst dann an seinem Abbild findet. Daher sprechen wir nicht davon, daß Gott dem Erschaffenen ähnelt, sondern es gilt das Umgekehrte. Zu 4. Der Satz, daß kein Geschöpf Ähnlichkeit mit Gott hat, ist nach der eben angeführten Stelle aus Dionysius so zu verstehen,99 daß das Verursachte mangelhafter ist als seine Ursache und so ohne jede Vergleichsmöglichkeit hinter ihr zurückbleibt. Dies wiederum bezieht sich nicht auf das quantitative Ausmaß einer Instanz, zu der bestimmte Dinge in einem Teilhabeverhältnis stehen, sondern auf die beiden anderen, vorhin dargestellten Spielarten [eines graduellen Unterschiedes].100 Zu 5. Das, was den Status eines Akzidens hat, kann keine Ähnlichkeit mit der Substanz haben, zumindest keine Ähnlichkeit, die auf einer Gleichartigkeit in der Form beruht. Doch nichts spricht 98 Dionysius Areopagita, De div. nom. IX, 6 (Dion. I, 472). 99 Ebd. 100 Vgl. De pot. q. 7 a. 7 ad 3.

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hier gegen diejenige Ähnlichkeit, wie sie zwischen einem Verursachten und seiner Ursache besteht. Denn die erste Substanz ist zwangsläufig die Ursache all ihrer Akzidentien. Zu 6. Hier läßt sich das Gleiche sagen wie gerade eben. Zu 7. Die Farbe Weiß fällt weder in den Bereich der Zahlen noch ist sie ein Prinzip in diesem Bereich. Daher läßt sich keine Ähnlichkeit zwischen ihr und einer Zahl feststellen. Dagegen ist Gott das Prinzip für alles, und deshalb haben alle Dinge auf irgendeine Weise eine Ähnlichkeit mit ihm. Zu 8. Dieses Argument stützt sich auf eine Gemeinsamkeit in generischer oder materialer Hinsicht. Dieser Umstand läßt sich jedoch nicht auf das Verhältnis zwischen Gott und dem Erschaffenen übertragen.

8. Artik el Die achte Frage lautet: Gibt es irgendeine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen? 101 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Aristoteles zufolge treten Relate zeitgleich auf.102 Nun kann es aber keine Gleichzeitigkeit zwischen Gott und dem Erschaffenen geben. Denn Gott ist in jeder Hinsicht früher als das Erschaffene. Demnach kann es keine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen geben. 2. Dinge, die in einer Relation zueinander stehen, können in einer bestimmten Hinsicht miteinander verglichen werden. Zwischen Gott und dem Erschaffenen gibt es jedoch keine Vergleichsmöglichkeit. Denn was nicht zu derselben Gattung gehört, kann auch nicht verglichen werden, wie z. B. eine Zahl und eine Linie. Demnach gibt es keine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen. 3. Relat und Korrelat gehören stets derselben Gattung an. Doch Gott und das Erschaffene gehören nicht derselben Gattung an. So-

101 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 28 a. 1 ad 3. ScG II, 11. Sent. I, d. 14 q. 1 a. 1 c. 102 Aristoteles, Cat. 7; 7 b 15.

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mit läßt sich von ihnen auch nicht sagen, daß sie in einer Relation zueinander stehen. 4. Das Erschaffene kann nicht in einem Gegensatzverhältnis zu Gott stehen. Denn bei einem Gegensatzverhältnis ist das eine Glied nicht die Ursache für das andere Glied. Nun stehen aber Relate zueinander in einem Gegensatzverhältnis. Demnach kann es keine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen geben. 5. Wenn man von etwas sagen kann, daß es einen Anfang hat, dann kann man auch von ihm sagen, daß es einem Werden unterworfen ist. Wenn man nun Gott irgendeine Relation auf das Erschaffene zusprechen würde, dann würde daraus folgen, daß Gott einem Werden unterworfen wäre. Dies kann jedoch nicht sein, da Gott keine Veränderung kennt. 6. Alles, was man einem bestimmten Etwas als Prädikat zusprechen kann, ist entweder ein substantielles oder ein akzidentelles Prädikat. Nun kann aber das, was eine Relation auf das Erschaffene impliziert, kein substantielles Prädikat für Gott sein, da substantielle Prädikate notwendig und immer gelten. Doch ebensowenig handelt es sich hier um ein akzidentelles Prädikat. Demnach kann man gar keine Art von Relation von Gott aussagen. Dagegen spricht: Augustinus bemerkt, daß Gott eine Relation zum Erschaffenen hat, wie sie der Herr zum Sklaven hat.103 Antwort: Die Relation unterscheidet sich von der Quantität und der Qualität dadurch, daß die Quantität und die Qualität Akzidentien sind, die in ihrem Träger verankert sind. Dagegen bringt die Relation Boethius zufolge104 nicht zum Ausdruck, daß sie in einem Träger verankert ist, sondern daß sie gewissermaßen auf etwas anderes übergeht. Aus diesem Grund behaupteten Gilbert von Poitiers und seine Anhänger, daß Relationen nicht [an einen Träger] gebunden

103 Augustinus, De trin. V, 13 (CCSL 50, 221). 104 Boethius, De trin. V, 14–29 (ed. Elsässer, 22).

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sind, sondern ihm von außen beigefügt sind. Dies ist in einem bestimmten Sinn wahr, wie später noch gezeigt werden soll. Wenn man nun einem Ding etwas zuschreibt, was von diesem Ding ausgeht und auf etwas anderes übergeht, dann ist damit nicht behauptet, daß zwischen diesem Attribut und jenem Ding eine innere Verbindung105 besteht. In diesem Sinne besteht etwa zwischen einer wirkenden Instanz und ihrem Wirken keine innere Verbindung. Aus diesem Grund führt Aristoteles auch den Nachweis, daß mit einer Relation keine Bewegung einhergehen muß.106 Denn ohne daß sich ein Ding selbst verändert, kann seine Relation auf ein anderes Ding allein dadurch hinfällig werden, daß sich dieses andere Ding verändert. Dies zeigt sich beispielsweise auch an dem Umstand, daß man angesichts von einem Wirken allenfalls im übertragenen und uneigentlichen Sinn von einer Bewegung sprechen kann. So sprechen wir ja davon, daß sich jemand verändert, wenn er vom Zustand des Untätigseins in ein Tätigsein übergeht. So etwas ließe sich nicht behaupten, wenn eine Relation bzw. ein Tätigsein etwas bezeichnen würde, was mit seinem Träger fest verbunden ist. Damit ist klar, daß die Einfachheit eines Dinges sehr wohl eine Vielzahl von Relationen zuläßt, welche zwischen ihm und anderen Dingen bestehen. Mehr noch: Je einfacher dieses Ding ist, desto mehr Relationen gehen mit ihm einher. Denn je einfacher etwas ist, desto weniger ist seine Kraft eingeschränkt, und auf entsprechend mehr Dinge erstreckt sich sein Ursachencharakter. Daher heißt es im Buch von den Ursachen, daß jede geeinte Kraft weniger eingeschränkt ist als eine zerteilte Kraft.107 Man muß nun wissen, daß die Relation zwischen einem Prinzip und dem, was sich ihm verdankt, nicht nur eine Ursprungsrelation darstellt, welche angibt, daß das Prinzipiierte aus seinem Prinzip entspringt, sondern auch eine Relation der Unterscheidung. Denn eine Wirkung unterscheidet sich zwangsläufig von ihrer Wirkung, da nichts Ursache seiner selbst ist.

105 Übersetzung von »compositio«. 106 Aristoteles, Phys. V, 2; 226 b 10–18. 107 Liber de causis, prop. 16 [17]; n. 138 (ed. Schönfeld, 34 f.).

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Aus diesem Grund ist es mit der höchsten Einfachheit Gottes vereinbar, daß unendlich viele Verhältnisse oder Relationen zwischen dem Erschaffenen und Gott bestehen, insofern Gott ja Geschöpfe hervorbringt, die sich von ihm unterscheiden und ihm dennoch auf bestimmte Weise ähneln. Zu 1. Diejenigen Relate sind von Natur aus gleichzeitig, welche sich in ihrem Bezug wechselseitig voraussetzen, also z. B. Vater und Sohn, Herr und Sklave, das Doppelte und die Hälfte. Diejenigen Relate hingegen, welche sich in ihrem Bezug nicht wechselseitig voraussetzen, sind nicht gleichzeitig. Vielmehr ist eines davon von Natur aus früher, und zwar in dem Sinne, wie dies Aristoteles anhand der Wahrnehmung und des Wahrnehmbaren bzw. des Wissens und des Wißbaren erläutert.108 Somit ist klar, daß Gott und das Erschaffene nicht zwangsläufig von Natur aus gleichzeitig sind. Denn für ihren Bezug setzen sie sich nicht gegenseitig voraus. Davon abgesehen ist es nicht notwendig, daß bei jenen Relaten, welche von Natur aus gleichzeitig sind, auch deren Träger von Natur aus gleichzeitig sind. Dies gilt hier nur von ihrer Relation.109 Zu 2. Nicht alle Dinge, die in einer Relation zueinander stehen, lassen sich auch miteinander vergleichen. Dies gilt nur für diejenigen Dinge, deren Relation zueinander auf einer einheitlichen Quantität oder Qualität beruht. Erst auf dieser Grundlage kann man etwas im Vergleich zu etwas anderem als größer, besser, weißer usw. beschreiben. In einer reziproken Relation der Verschiedenheit kann hingegen auch dasjenige stehen, was jeweils unterschiedlichen Gattungen angehört. Denn das, was verschiedenen Gattungen angehört, unterscheidet sich auch wechselseitig voneinander. Abgesehen davon ist Gott jedoch kein Element einer Gattung und gehört daher auch nicht derselben Gattung wie das Erschaffene an. Er ist aber in allen Gattungen als deren Prinzip. Aus diesem Grund besteht sehr wohl eine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen, und zwar 108 Aristoteles, Cat. 7; 7 b 15 ff. 109 Im Bespiel gesprochen: Die Vater-Sohn-Relation bleibt auch dann

bestehen, wenn der Vater verstirbt und es somit für eines der Relationsglieder keinen »Träger« (subiectum) mehr gibt.

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so, wie sie zwischen einem Prinzip und dem von ihm Prinzipiierten besteht. Zu 3. Die Träger bestimmter Relationen müssen nicht zwangsläufig zu ein und derselben Gattung gehören. Dies gilt vielmehr nur für die Relationen selbst. Dies zeigt sich etwa daran, daß man einen Unterschied zwischen einer Quantität und einer Qualität macht. Eben diese Konstellation trifft, wie bereits ausgeführt, auf Gott und das Erschaffene ebensowenig zu wie auf diejenigen Dinge, welche zu verschiedenen Gattungen gehören und die dabei in überhaupt keinem Beziehungsgefüge zueinander stehen. Zu 4. Der Gegensatzcharakter einer Relation unterscheidet sich in zwei Punkten von anderen Formen der Entgegensetzung. Erstens beruht bei den letzteren Formen der Entgegensetzung die Gegensätzlichkeit zweier Glieder darauf, daß das eine Glied das andere Glied für nichtig erklärt. Denn eine Negation erklärt eine Affirmation für nichtig, und auf diesem Ausschluß beruht ihre Gegensätzlichkeit. Nun liegt aber, wie es im 10. Buch der Metaphysik heißt, dem Gegensatz von Privation und Habitus bzw. einem konträren Gegensatz ein kontradiktorischer Gegensatz zugrunde.110 Das gerade Ausgeführte trifft jedoch auf die Glieder eines relativen Gegensatzes nicht zu. Denn der Gegensatz zwischen Sohn und Vater beruht nicht darauf, daß hier der Sohn den Vater für nichtig erklären würde, sondern darauf, daß der Sohn durch seinen Bezug auf den Vater bestimmt ist. Damit ist auch schon das zweite Unterscheidungsmerkmal angegeben: Bei den anderen Formen der Entgegensetzung ist nämlich stets eines der beiden Glieder unvollkommen. Dieser Umstand ist dem negativen Charakter geschuldet, der mit einer Privation bzw. mit dem einen Glied eines konträren Gegensatzes einhergeht. Bei den Gliedern einer Relation ist dies hingegen nicht unbedingt der Fall; im Gegenteil: Beide Glieder lassen sich hier als etwas Vollkommenes begreifen. Am deutlichsten zeigt sich dies bei einer Relation zwischen gleichgestellten Gliedern sowie an einer Ursprungsrelation, z. B. an Dingen, die wie Vater und Sohn einander gleichen oder ähneln. 110 Aristoteles, Met. X, 4; 1055 a 33 ff.

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Daraus begründet sich nun, warum man Gott eher eine Relation als andere Formen der Entgegensetzung zusprechen kann. Denn aufgrund des ersten Unterscheidungsmerkmals läßt sich der Gegensatz zwischen Gott und dem Erschaffenen als ein relativer Gegensatz verstehen und nicht im Sinne der anderen Formen von Entgegensetzung. Denn Gottes Verhältnis zum Erschaffenen zeichnet sich ja zunächst einmal dadurch aus, daß Gott das Erschaffene zuläßt, und nicht dadurch, daß er es für nichtig erklären würde. Dies schließt jedoch einen Bezug des Erschaffenen auf Gott keineswegs aus. – Aufgrund des zweiten Unterscheidungsmerkmals besteht zwischen den göttlichen Personen, in denen es keine Unvollkommenheit geben kann, ein Gegensatz, wie er mit einer Relation auftritt, und keine andere Form der Entgegensetzung. Dies wird später noch erörtert werden.111 Zu 5. ›Werden‹ bedeutet eine Veränderung im eigentlichen Sinn. Eine Veränderung betrifft daher eine Relation nur im akzidentellen Sinn, dann nämlich, wenn es zu einer Veränderung bei demjenigen Ding kommt, welches diese Relation aufweist. Das Gleiche gilt auch für einen Werdeprozeß. Denn wenn sich ein Körper in quantitativer Hinsicht verändert und dabei [einem anderen Ding] gleich wird, dann hängt diese seine Veränderung nicht an sich, sondern akzidentell mit seinem Gleichsein zusammen. Freilich muß sich ein Ding nicht notwendig verändern, damit sich an ihm dann auch eine neu auftretende Relation feststellen lassen kann. Es reicht vielmehr aus, wenn eine Veränderung an dem einen der beiden Relationsglieder auftritt. Denn die Grundlage für ein Verhältnis zwischen zwei Gliedern besteht in etwas, was jedem der beiden Glieder innewohnt. Es ist daher egal, durch welches der beiden Glieder eine Veränderung an der Grundlage ihres Verhältnisses hervorgerufen wird, ein Verhältnis zwischen den beiden Gliedern ist dann jedenfalls gegenstandslos. Dementsprechend kann eine bestimmte Veränderung, die an einem Geschöpf hervorgerufen wird, der Anlaß dafür werden, daß man Gott eine bestimmte Relation zuschreibt. So kann man allenfalls im übertragenen Sinn Gott ein Werden zusprechen, weil er sich wie etwas Gewordenes verhält, wenn man über ihn etwas Be111 Vgl. De pot. q. 8.

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stimmtes zum ersten Mal aussagt, also z. B.: »Herr, Du bist unsere Zuflucht geworden« (Ps. 89, 1).112 Zu 6. Der Anlaß dafür, daß man Gott diese Relationen zuschreibt, ist eine Veränderung, die am Erschaffenen hervorgerufen wird. Daraus erklärt sich denn auch, daß der Grund, warum sie Gott zugeschrieben werden, auf Seiten des Erschaffenen zu suchen ist und daß sie von Gott im akzidentellen Sinn ausgesagt werden. Gemeint ist damit freilich kein Akzidenz, das in Gott läge, sondern, wie Augustinus sagt, etwas, was Gott äußerlich ist und das man mit ihm im akzidentellen Sinn in Beziehung setzt.113 Denn das Sein Gottes hängt ebensowenig vom Erschaffenen ab wie etwa das Sein des Baumeisters von einem Haus. Wie daher das Sein eines Hauses für den Baumeister akzidentell ist, so ist auch das Sein des Erschaffenen für Gott akzidentell. Denn wir sprechen ja dann davon, daß ein Ding einen akzidentellen Bezug auf etwas anderes hat, wenn sein Sein davon unabhängig ist.

9. Artik el Die neunte Frage lautet: Sind die Relationen, die zwischen Gott und dem Erschaffenen bestehen, etwas Wirkliches am Erschaffenen? 114 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Es gibt bestimmte Relationen, die an ihren beiden Gliedern nichts Wirkliches beschreiben. Avicenna behauptet dies beispielsweise von der Relation, die zwischen Seiendem und Nichtseiendem besteht.115 Nun gibt es keine Relationsglieder, die so weit voneinander entfernt wären wie Gott und das Erschaffene. Demnach beschreibt diese Relation an beiden Gliedern nichts Wirkliches.

112 Vgl. dazu auch Augustinus, De trin. V, 16 (CCSL 50, 226). 113 Augustinus, De trin. V, 16 (CCSL 50, 226 f.). 114 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 13 a. 7; q. 34 a. 3 ad 2; q. 6 a. 2 ad 1;

q. 28 a. 1 ad 3; a. 4 c.; q. 45 a. 3 ad 1; III, q. 2 a. 7 c. Sent I, d. 30 a. 1; d. 37 q. 2 a. 3. De ver. q. 4 a. 5. De pot. q. 3 a. 3. 115 Avicenna, Met. III, 10 (Avicenna latinus 3, ed. Van Riet, 182 f.).

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2. All das ist zu verneinen, das zu einem Fortschreiten ins Unendliche führt. Wenn nun die Relation auf Gott etwas Wirkliches am Erschaffenen wäre, dann würde man hier ins Unendliche fortschreiten. Denn jene Relation wäre etwas Erschaffenes, wenn sie etwas Wirkliches wäre, und dieses müßte wiederum eine weitere Relation auf Gott besitzen und so fort ins Unendliche. Demnach läßt sich nicht behaupten, daß die Relation auf Gott etwas Wirkliches am Erschaffenen ist. 3. Jedes Ding steht nur dann in einer Relation, wenn es sich auf ein einziges, bestimmtes Ding bezieht.116 Daher steht das Doppelte nicht zu allem Beliebigen in einer Relation, sondern nur zur Hälfte; der Vater nur zum Sohn usw. Somit müssen sich das, von dem eine Relation ihren Ausgang nimmt, und das, worauf sich diese Relation richtet, in ihren unterscheidenden Merkmalen entsprechen. Nun ist Gott aber schlechthin Ein Seiendes. Daher können die Geschöpfe insgesamt in keiner Relation zu Gott stehen, welche eine wirkliche Relation wäre. 4. Das Erschaffene steht insofern in einer Relation zu Gott, als es aus ihm hervorgeht. Nun verdankt aber das Erschaffene diesem Hervorgang aus Gott seine Substanz. Seine Relation auf Gott verdankt das Erschaffene daher seiner Substanz und keiner zusätzlichen Relation. 5. Die Relation ist eine Art Zwischeninstanz, die zwischen den Relationsgliedern angesiedelt ist. Nun kann es aber keine reale Zwischeninstanz zwischen Gott und dem Erschaffenen geben, da dieses doch unmittelbar von Gott erschaffen worden ist. Folglich ist die Relation auf Gott nichts Wirkliches am Erschaffenen. 6. Wenn, wie Aristoteles sagt, all das wahr wäre, was uns so erscheint, dann würden sich die Dinge der Meinung und der Wahrnehmung verdanken, welche wir von ihnen haben.117 Nun ist es aber bekanntlich so, daß sich alle Geschöpfe der Wertschätzung und dem Wissen verdanken, das ihr Schöpfer von ihnen hat. Folglich beziehen sich alle Geschöpfe dank ihrer Substanz auf Gott und nicht dank einer Relation, die an ihnen auftritt. 116 Aristoteles. Met. IV, 6; 1011 a 3–b 5. 117 Aristoteles. Met. IV, 5; 1009 a 6–1010 b 2.

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7. Je größer der Abstand zwischen den Dingen ist, desto weniger besteht zwischen ihnen eine Relation. Nun besteht zwischen Gott und dem Erschaffenen ein größerer Abstand als zwischen dem Erschaffenen untereinander. Eine Relation zwischen zwei Geschöpfen ist jedoch offensichtlich nichts Wirkliches. Denn weil sie keine Substanz ist, muß sie ein Akzidens sein. Somit muß sie an einem Träger auftreten und kann von diesem nicht abgelöst werden, wenn sich dieser nicht verändert. Das genaue Gegenteil hiervon wurde aber vorhin von der Relation festgestellt. Folglich ist auch die Relation des Erschaffenen auf Gott nichts Wirkliches. Dagegen spricht: 1. Augustinus bemerkt: »Das, was man zum ersten Mal von Gott aussagt und vordem noch nicht von ihm ausgesagt hat, versteht sich offensichtlich als etwas Relationales. Allerdings ist damit kein Akzidens in Gott gemeint, welches ihm zukommen könnte, sondern zweifelsohne ein Akzidens desjenigen Dinges, in Relation zu dem man etwas zum ersten Mal von Gott aussagt.«118 Nun stellt ein Akzidens etwas dar, was an seinem Träger wirklich auftritt. Demnach ist die Relation auf Gott etwas Wirkliches am Erschaffenen. 2. Alles, was infolge seiner Veränderung in einen Bezug zu etwas tritt, bezieht sich wirklich darauf. Nun tritt das Erschaffene infolge seiner Veränderung in einen Bezug zu Gott. Folglich ist sein Bezug auf Gott etwas Wirkliches. Antwort: Die Relation auf Gott stellt etwas Wirkliches am Erschaffenen dar. Damit dies auch einsichtig wird, ist das zu bedenken, was Averroes in seinem Kommentar zum 12. Buch der Metaphysik anmerkt:119 Da die Relation im Vergleich zu den anderen Prädikamenten ein schwächeres Sein hat, waren manche der Ansicht, daß die Relation aus einer Erkenntnis der zweiten Stufe resultiert. Denn der Gegenstand einer Erkenntnis der ersten Stufe sind die extramentalen Dinge, 118 Augustinus, De trin. V, 16 (CCSL 50, 227). 119 Averroes, In Met. XI, comm. 19 (Aristotelis opera cum Averrois

commentariis, Bd. VIII, fol. 306 rB).

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deren Erkenntnis den Intellekt zunächst beschäftigt. Der Gegenstand einer Erkenntnis der zweiten Stufe sind dagegen sind die sogenannten ›Einstellungen‹120, die sich aus unserer Erkenntnisweise ergeben. Denn in einem Erkenntnisakt der zweiten Stufe bezieht sich der Intellekt auf sich selbst und erkennt dabei sowohl die Tatsache seiner geistigen Tätigkeit als auch die Weise seiner Erkenntnis. Nach diesem Verständnis würde also eine Relation nicht an den extramentalen Dingen, sondern ausschließlich im Intellekt vorkommen, so wie dies z. B. auch für die Einstellungen auf das Genus, die Spezies und die zweiten Substanzen gilt. Dies kann jedoch unmöglich so sein. Denn jedes Prädikament sagt ausschließlich etwas über die extramentale Wirklichkeit aus. Daher wird im 5. Buch der Metaphysik das Seiende im logischen Sinn vom Seienden abgesetzt, welches sich in die zehn Prädikamente unterteilt.121 Wenn jedoch die Relation nicht an den extramentalen Dingen vorkommen würde, dann würde sie auch nicht unter die Prädikamente zählen. Deswegen versteht sich die Vollkommenheit und Gelungenheit, die an den extramentalen Dingen vorkommt, nicht bloß als etwas, was je für sich mit einem Ding verbunden ist, sondern auch im Sinne einer Ordnung, die unter den Dingen besteht. So zeichnet sich z. B. ein gutes Heer durch die Ordnung seiner Teile aus. Mit einer solchen Ordnung vergleicht ja auch Aristoteles die Ordnung des Weltganzen.122 Zwischen den Dingen selbst muß demnach eine bestimmte Ordnung bestehen, und diese Ordnung stellt eine Form der Relation dar. Zwangsläufig treten daher an den Dingen selbst bestimmte Relationen auf, dank derer ein Ding mit einem anderen Ding in einer Ordnung steht. Diese Ordnung unter den Dingen besteht nun entweder im Hinblick auf ihre Quantität oder aber im Hinblick auf ihre aktive Kraft bzw. ihr passives Vermögen. Denn es gibt nur diese beiden Aspekte, unter denen man an einem Ding etwas feststellen kann, was in Relation zu etwas außerhalb von diesem Ding steht. Und so bemißt sich ein Ding nicht nur nach der Quantität, die es selbst 120 Übersetzung für »intentiones«. 121 Aristoteles, Met. V, 7; 1017 a 3–b 9. 122 Aristoteles, Met. XII, 10; 1075 a 11–35.

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aufweist, sondern auch nach der Quantität, die ein anderes Ding aufweist. Ebenso wirkt ein Ding dank seiner aktiven Kraft auf ein anderes Ding ein bzw. erfährt aufgrund seines passiven Vermögens eine Einwirkung durch ein anderes Ding. Hingegen stellt die Substanz bzw. die Qualität eines Dinges ein Ordnungsgefüge dar, das nur dieses Ding allein betrifft, in das aber nicht noch ein anderes Ding miteinbezogen ist. Letzteres ließe sich allenfalls im akzidentellen Sinn behaupten, insofern nämlich eine Qualität, eine substanziale Form oder auch die Materie eine aktive Kraft bzw. ein passives Vermögen darstellen, welche man einer Quantifikation unterwerfen kann. So ist z. B. die Einheit in der Substanz für die Identität [zweier Dinge] verantwortlich, die Einheit in der Qualität für ihre Ähnlichkeit sowie die Anzahl bzw. Mehrzahl dafür verantwortlich, daß zwei identische Dinge eine Unähnlichkeit und Verschiedenheit aufweisen. Es ist diese Unähnlichkeit, die es ermöglicht, zwei Dinge in eine graduelle Abstufung zueinander zu bringen. In diesem Sinne ist z. B. ein Ding in höherem Grad weiß als ein anderes. Deswegen stellt Aristoteles im 5. Buch seiner Metaphysik, wo er die Formen der Relation behandelt, fest, daß manche von ihnen auf der Quantität beruhen, manche aber auf Aktivität bzw. Passivität.123 Demnach müssen sich die Dinge, die auf etwas hingeordnet sind, auch wirklich darauf beziehen, und diese Relation ist etwas Wirkliches an ihnen. Alle Geschöpfe ordnen sich aber auf Gott als ihrem Ursprung und ihr Ziel hin. Denn die Ordnung, die unter den Teilen des Weltganzen herrscht, verdankt sich der Hinordnung des gesamten Weltganzen auf Gott. Genauso verdankt sich nach dem 12. Buch der Metaphysik die Ordnung, die unter den Teilen eines Heeres herrscht, der Hinordnung des Heeres auf den Feldherrn.124 Somit steht das Erschaffene notwendigerweise in einer wirklichen Relation auf Gott, und die Relation selbst ist etwas Wirkliches am Erschaffenen. Zu 1. Daß es Relationen zwischen den Geschöpfen gibt, wo die Relation an beiden Gliedern nichts Wirkliches mit sich bringt, liegt 123 Aristoteles, Met. V, 15, 1020 b 26–32. 124 Aristoteles, Met. XII, 10; 1075 a 11–35.

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nicht an dem Abstand, der zwischen diesen Geschöpfen besteht. Es liegt vielmehr daran, daß manche Relationen keine Ordnung darstellen, die sich an den Dingen findet, sondern eine Ordnung, die ausschließlich Inhalt unseres Intellekts ist. Dies gilt jedoch nicht für die Hinordnung des Erschaffenen auf Gott. Zu 2. Eine Relation verdankt ihren Bezug auf anderes keiner weiteren Relation. Sie bezieht sich vielmehr von sich aus darauf, weil sie dem Wesen nach eine Relation ist. Die Sache liegt jedoch anders bei dem, das ein für sich bestehendes Sein hat. Daher gibt es hier kein Fortschreiten ins Unendliche. Zu 3. Die Schlußfolgerung, die Aristoteles an der angeführten Stelle zieht, ist folgende: Wenn alle Dinge einen Bezug auf das höchste Gut haben, dann muß dieses höchste Gut seinem Wesen nach unendlich sein. Zu dem aber, was seinem Wesen nach unendlich ist, kann ohne weiteres eine unendliche Vielzahl von Dingen in Bezug stehen. Gott ist nun solch ein Unendliches, da sich seine vollkommene Substanz auf kein Genus eingrenzen läßt. Deswegen kann auch eine unendliche Vielzahl an Geschöpfen in einem Bezug zu Gott stehen. Zu 4. Die Geschöpfe beziehen sich dank ihrer Substanz auf Gott, insofern diese die Grundlage für ihre Relation ist. In formaler Hinsicht verdankt sich ihr Bezug auf Gott eben dieser Relation. So ähnelt ja auch ein Ding einem anderen in der Qualität, weil diese Qualität die Grundlage für ihre Ähnlichkeit ist. In formaler Hinsicht liegt dies an der Ähnlichkeit. Daraus erklärt sich die Rede von einer Ähnlichkeit beim Erschaffenen. Zu 5. Wenn man davon spricht, daß das Erschaffene unmittelbar aus Gott hervorgeht, dann ist damit eine Zwischeninstanz ausgeschlossen, die als schöpferische Ursache auftreten könnte. Hingegen ist damit nicht ein wirklicher Bezug ausgeschlossen, der sich von Natur aus als eine Zwischeninstanz mit der Hervorbringung der Geschöpfe einstellt. So stellt sich ja auch eine Ähnlichkeit auf bestimmte Weise125 mit dem Auftreten einer Quantität ein. Entsprechend stellt sich auch mit der Hervorbringung der erschaffenen Substanzen von Natur aus ein realer Bezug ein. 125 indeterminate M : determinate L

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Zu 6. Das Erschaffene verdankt sich dem göttlichen Wissen in dem Sinn, wie sich eine Wirkung ihrer Ursache verdankt. Damit ist jedoch nicht gemeint, daß das dem Erschaffenen eigene Sein nur im Wissen Gottes Bestand hat. Denn dann wäre das Sein des Erschaffenen nichts weiter als das Wissen, das Gott von ihm hat. In diese Richtung argumentierten diejenigen, die davon ausgingen, daß all das wahr wäre, was uns so erscheint, daß die Dinge sich der Meinung und der Wahrnehmung verdanken würden, welche wir von ihnen haben, und daß somit das Sein eines jeden Dinges gleichbedeutend sei mit der Wahrnehmung und Ansicht, die jemand von ihnen hat. Zu 7. Eine Relation, die nichts anderes darstellt als ein Ordnungsgefüge zwischen zwei Geschöpfen, weist jeweils andere Merkmale auf, je nachdem, ob man sie als ein Akzidens oder eben als eine Relation bzw. als ein Ordnungsgefüge betrachtet. Als Akzidens betrachtet, weist sie das Merkmal auf, daß sie an einen Träger gebunden ist. Als Relation bzw. als Ordnungsgefüge betrachtet, weist sie nicht dieses, sondern nur das Merkmal auf, daß sie auf etwas anderes geht und gleichsam dorthin übergeht und dabei der bezogenen Sache gewissermaßen an die Seite tritt. Eine Relation ist demnach mit ihrem Träger verbunden, allerdings nicht aus dem Grund, daß sie eine Relation ist. So hat ja auch ein Wirken, rein für sich genommen, den Aspekt, daß es von einer wirkenden Instanz ausgeht. Als Akzidens betrachtet, hat ein Wirken hingegen den Aspekt, daß es an eine wirkende Instanz gebunden ist. Daher kann ein solches Akzidens ohne weiteres wieder verschwinden, auch wenn sich sein Träger nicht verändert. Denn dieses Akzidens ist nicht vollständig dadurch charakterisiert, daß es an ebendiesen Träger gebunden ist, sondern auch durch seinen Übergang auf etwas anderes. Ist dieser Übergang nicht mehr gegeben, dann kommt auch der spezifische Charakter dieses Akzidens nicht mehr in der Wirklichkeit zur Entfaltung, sondern bleibt nur mehr an seiner Ursache bestehen. So kommt es z. B. nicht mehr zu einer Erhitzung, wenn man ihr die entsprechende Materie entzieht, und doch bleibt die Ursache für die Erhitzung bestehen. Zu 8. Zwischen dem erschaffenen Sein und dem Nichtsein besteht keine Ordnung, sehr wohl aber zwischen dem erschaffenen und dem unerschaffenen Sein. Deswegen ist dieser Vergleich schief.

10. Artik el Die zehnte Frage lautet: Hat Gott einen wirklichen Bezug auf das Erschaffene, so daß die Relation etwas Wirkliches an ihm ist? 126 Dies scheint der Fall zu sein; denn: 1. Zwischen dem Bewegenden und dem dadurch Bewegten besteht eine wirkliche Beziehung. Daher zählt Aristoteles im 5. Buch seiner Metaphysik die Relation zwischen Bewegendem und Bewegten unter die Kategorie der Relation.127 Nun verhält sich Gott zum Erschaffenen wie das Bewegende zum Bewegten. Folglich hat Gott einen wirklichen Bezug auf das Erschaffene. 2. Dazu ließe sich bemerken: Gott bewegt das Erschaffene, ohne sich selbst dabei zu verändern. Daher hat Gott keinen wirklichen Bezug auf das Erschaffene. – Dem ist zu erwidern: Das eine Glied in einem relativen Gegensatz bedingt nicht, daß man ihm das zuschreiben muß, was für das andere Glied zutrifft. So ist z. B. etwas nicht dadurch das Doppelte, daß es auch die Hälfte ist. Genausowenig ist Gott dadurch der Vater, daß er auch der Sohn ist. Wenn also zwischen dem Bewegenden und dem Bewegten ein relativer Gegensatz besteht, dann steht ein Ding nicht deswegen als Bewegendes in einer Relation, weil es auch als Bewegtes in einer Relation steht. Wenn sich Gott also nicht bewegt, dann ist dies kein Hinderungsgrund dafür, daß er als das Bewegende in einer wirklichen Relation zum Bewegten steht. 3. Der Schöpfer verleiht dem Erschaffenen das Sein wie ein Vater seinem Sohn. Nun hat ein Vater einen wirklichen Bezug auf seinen Sohn und somit auch der Schöpfer auf das Erschaffene. 4. Ausdrücke, die man auf Gott im eigentlichen und nicht im übertragenen Sinn anwendet, bringen es mit sich, daß der sachliche Gehalt, den sie zum Ausdruck bringen, auch in Gott so vorliegt. Zu Ausdrücken dieser Art zählt Dionysius auch »Herr«.128 Demnach liegt der sachliche Gehalt, den »Herr« zum Ausdruck bringt, auch 126 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 13 a. 7 c.; a. 7 ad 2 und ad 4. q. 28 a. 1 ad 3; a. 4. ScG II, 12–13. Sent I, d. 26 q. 2 a. 3 ad 2. 127 Aristoteles, Met. V, 2; 998 b 13–27. 128 Dionysius Areopagita, De div. nom. XII, 2 (Dion. I, 529).

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wirklich so in Gott vor, und der besteht nur in einer Relation auf das Erschaffene. Folglich usw. 5. Nach dem 5. Buch der Metaphysik hat das Wissen einen wirklichen Bezug auf das Wißbare.129 Nun verhält sich Gott zum Erschaffenen wie ein Wissender zum Gegenstand seines Wissens. Folglich hat Gott einen [wirklichen] Bezug auf das Erschaffene. 6. Das Bewegte steht stets in einer realen Beziehung zu seinem Beweger. Nun verhält sich der Wille zu einem Willensinhalt wie das Bewegte zu seinem Beweger. Denn der Gegenstand einer Strebensbewegung ist nach dem 12. Buch der Metaphysik etwas, das in Bewegung versetzt, ohne selbst bewegt zu sein.130 Da also Gott das Sein der Dinge will, so steht er in einem wirklichen Bezug auf das Erschaffene. 7. Wenn Gott keinen Bezug auf das Erschaffene hätte, dann gäbe es dafür offensichtlich keine anderen Gründe als die, daß er vom Erschaffenen nicht abhängig ist, sowie, daß er über es erhaben ist. Doch auch die Himmelskörper hängen nicht von den elementarischen Körpern ab und sind über sie erhaben, ohne daß sich dies in einer Proportion ausdrücken ließe. Daraus würde folgen, daß es keine Beziehung zwischen den höherstehenden und den niederen Körpern gibt. 8. Jede sprachliche Bezeichnung geht auf eine Form zurück. Nun ist eine Form mit dem verbunden, dem sie zugehört. Da nun die sprachlichen Bezeichnungen für Gott auf seine mannigfachen Bezüge zu Geschöpfen zurückgehen, so stellen diese Relationen etwas Wirkliches an Gott dar. 9. Ein proportionales Verhältnis, z. B. zwischen dem Doppelten und der Hälfte, stellt eine wirkliche Relation dar. Nun gibt es offensichtlich so etwas wie ein proportionales Verhältnis zwischen Gott und dem Erschaffenen, da ja zwischen dem Bewegenden und dem von ihm Bewegten ein derartiges Verhältnis bestehen muß. Demnach hat Gott offensichtlich einen realen Bezug auf das Erschaffene.

129 Aristoteles, Met. V, 15; 1020 b 16–1021 b 16. 130 Aristoteles, Met. XIII, 7; 1072 a 25–30.

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10. Wie Aristoteles bemerkt, sind die geistigen Eindrücke Abbilder der Dinge und die Sprachlaute Zeichen für die Dinge.131 Daher gestaltet sich die Reihenfolge dieser Faktoren jeweils anders bei einem Lehrer und einem Lernenden. Denn der Lehrer hält sich an die Dinge, aus denen er eine Erkenntnis in seinen Intellekt aufnimmt, um dann das durch den Intellekt Erfaßte mittels von Sprachlauten zum Ausdruck zu bringen. Der Lernende hingegen hält sich an diese Sprachlaute, die ihn zu den Gedanken im Intellekt des Lehrers führen, um schließlich von diesen Gedanken aus zu einer Erkenntnis über die Dinge zu kommen. Nun ist es aber zwangsläufig so, daß die obigen Feststellungen zu den Relationen zunächst durch einen Lehrer erfaßt werden. Bei diesem Lehrer gehen also die sprachlichen Ausdrücke für Relationen auf die Gedanken seines Intellekts zurück und diese Gedanken auf einen Sachverhalt. Somit sind diese Relationen wirklich. 11. Diejenigen Relationsausdrücke, die man an Gott aus einer zeitlichen Perspektive heranträgt, haben entweder einen wesentlich relationalen Charakter,132 oder ihr relationaler Charakter ergibt sich aus dem Sprachgebrauch.133 Wenn es sich hier um Relationsausdrücke handeln würde, deren relationaler Charakter sich aus dem Sprachgebrauch ergibt, dann beschreiben sie an keinem der beiden Glieder etwas Wirkliches. Dies ist jedoch nach den obigen Ausführungen falsch, denn das Erschaffene zeichnet sich durch einen wirklichen Bezug auf Gott aus. Dies kann nur heißen, daß jene Relationsausdrücke einen wesentlich relationalen Charakter haben. Folglich beschreiben sie an beiden Gliedern etwas Wirkliches. 12. Relationsglieder sind wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß mit dem Vorliegen des einen Gliedes auch das andere vorliegt bzw. mit dem Verschwinden des einen Gliedes das andere verschwindet. Wenn es also am Erschaffenen eine wirkliche Relation [auf Gott] gibt, dann muß es auch an Gott eine wirkliche Relation auf das Erschaffene geben.

131 Aristoteles, Peri herm. 1; 16 a 1–19. 132 Übersetzung für »relativa secundum esse«. 133 Übersetzung für »relativa secundum dici«.

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Dagegen spricht: 1. Augustinus bemerkt im 5. Buch von De Trinitate: »Ganz offensichtlich entspricht einem Relationsausdruck, den man auf Gott anwendet, etwas Akzidentelles an dem Ding, zu dem man Gott gerade in Relation setzen will.«134 Somit haben diese Relationsausdrücke für Gott offenbar keine Entsprechung zu etwas, was an Gott vorkommt, sondern zu etwas, was außerhalb von Gott besteht. Somit beschreiben diese Relationen nichts Wirkliches an Gott. 2. Wie das Wißbare das Maß für das Wissen ist, so ist Gott, wie Averroes in seinem Kommentar zum 10. Buch der Metaphysik bemerkt,135 das Maß für alle Dinge. Nun gestaltet sich aber die Beziehung des Wißbaren zum Wissen nicht so, daß eine Relation am Wißbaren wirklich vorkommt, sondern eher so, daß das Wissen einen Bezug auf das Wißbare hat. Dies kann man dem 5. Buch der Metaphysik entnehmen.136 Folglich kann man auch Gott keinen Bezug zum Erschaffenen zusprechen aufgrund einer Relation, die an ihm wirklich vorkäme. 3. Dionysius bemerkt: »Zwischen einer Ursache und dem von ihr Verursachten besteht kein Ähnlichkeitsverhältnis, das auf Gegenseitigkeit beruhen würde. Denn es läßt sich sagen, daß eine Wirkung ihrer Ursache ähnelt, nicht aber das Umgekehrte.«137 Dies scheint nun auch für andere Relationen als die Ähnlichkeitsrelation zu gelten. Somit beruhen auch diese anderen Relationen zwischen Gott und dem Erschaffenen nicht auf Gegenseitigkeit, wonach Gott deshalb einen wirklichen Bezug auf das Erschaffene hätte, weil auch das Erschaffene einen wirklichen Bezug auf Gott hat. Antwort: Die Relationen zum Erschaffenen, welche man Gott zuspricht, kommen an Gott nicht wirklich vor. Damit dies auch einsichtig wird, ist Folgendes zu bedenken: Wie bereits ausgeführt, steht und fällt 134 Augustinus, De trin. V, 16 (CCSL 50, 227). 135 Averroes, In Met. X, comm. 7 (Aristotelis opera cum Averrois com-

mentariis, Bd. VIII, fol. 257 rA). 136 Aristoteles, Met. V, 15; 1021 a 20–35. 137 Dionysius Areopagita, De div. nom. IX, 6 (Dion. I, 469).

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jede wirkliche Relation mit der Hinordnung eines Dinges auf ein anderes. Daher beruht eine wirkliche Relation nur dort auf Gegenseitigkeit, wo ein und derselbe Umstand dafür sorgt, daß sich beide Relationsglieder wechselseitig aufeinander hinordnen. Dies trifft zumal auf alle Relationen der Quantität zu. Da sich nämlich die Quantität durch ihre Unabhängigkeit von allen sensorischen Faktoren auszeichnet, so betrifft sie alle natürlichen Körper gleichermaßen. Somit ist es ein und demselben Umstand geschuldet, daß zwei Dinge, die jeweils eine Quantität aufweisen, sich wirklich wechselseitig aufeinander beziehen. Wenn man nun eine Quantität isoliert betrachtet und sie dann auf eine andere Quantität hinordnet, dann etabliert sich damit ein Verhältnis, wie es zwischen Maß und Gemessenem besteht und wie das in der Rede vom Teil und Ganzen bzw. von ähnlich gelagerten Dingen, die auf der Quantität beruhen, seinen entsprechenden Ausdruck findet. Dagegen entsteht mit denjenigen Relationen, die auf Aktivität und Passivität bzw. auf einer aktiven Kraft und einem passiven Vermögen beruhen, nicht immer ein Ordnungsgefüge, bei dem beide Relationsglieder unter dem Vorzeichen der Bewegung stehen. Denn das, was von Haus aus der Gegenstand einer Einwirkung ist, einer Bewegung unterliegt oder verursacht ist, ist zwangsläufig auf die entsprechende wirkende und bewegende Instanz hingeordnet. Denn eine Wirkung kommt stets durch ihre Ursache zustande und hängt von ihr ab. Daher ist sie stets auf ihre Ursache hingeordnet, insofern sie dieser Ursache ihr Zustandekommen verdankt. Hingegen ordnen sich wirkende bzw. bewegende Instanzen oder auch Ursachen nur in bestimmten Fällen auf das hin, was durch sie einer Einwirkung bzw. einer Bewegung unterliegt oder verursacht ist. Dies tun sie nämlich insofern, als sich an einer Wirkung bzw. an dem Gegenstand, welcher einer Einwirkung oder Bewegung unterliegt, etwas von dem Guten und Vollkommenen wiederfindet, das jene wirkende oder bewegende Instanz auszeichnet. Dies ist insbesondere augenfällig bei denjenigen wirkenden Instanzen, welche einen univoken Gebrauch zulassen. Denn sie bringen mit ihrem Wirken etwas von ihresgleichen hervor und sichern dadurch ihrem Sein eine möglichst lange Fortdauer. Zudem wird dies augenfällig bei all dem, was bewegt wird und seinerseits etwas bewegt, bewirkt

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oder verursacht. Denn eben diese ihre Bewegung ist verantwortlich für ihre Hinordnung auf die jeweiligen Wirkungen, die da hervorgebracht werden sollen. Außerdem wird dies augenfällig bei all dem, wo einer Ursache etwas Gutes aus ihrer Wirkung erwächst. Es gibt nun manche Dinge, die nicht in einem Ordnungsgefüge stehen, welches auf Wechelseitigkeit beruht. Denn diese Dinge bleiben vollständig unberührt von denjenigen Tätigkeiten und Kräften, durch die jenes Ordnungsgefüge zustande kommt. In diesem Sinne bezieht sich etwa das Wissen auf das Wißbare, da der Wissende dank seiner geistigen Tätigkeit auf den extramentalen Gegenstand seines Wissens hingeordnet ist. Dieser extramentale Gegenstand bleibt jedoch völlig unberührt von jener Tätigkeit, insofern die Tätigkeit des Intellekts nicht auf eine ihm äußerliche Materie übergreift und sie verändert. Somit steht dieser extramentale Gegenstand vollständig außerhalb des geistigen Bereichs. Aus diesem Grund kann auch diejenige Relation, welche durch die Tätigkeit des Intellekts zustande kommt, nicht in jenem Gegenstand Fuß fassen. Entsprechendes gilt nun auch von der sinnlichen Wahrnehmung und ihren Gegenständen. Denn ein sinnlich wahrnehmbarer Gegenstand wirkt zwar auf ein Sinnesorgan verändernd ein, ganz wie dies auch andere wirkende Instanzen in der Natur bei denjenigen Gegenständen tun, die ihrer Einwirkung unterliegen. Jedoch erbringt jene Veränderung am Sinnesorgan keine tatsächliche Wahrnehmung; letztere kommt vielmehr durch die Tätigkeit der Wahrnehmungsfähigkeit zustande. Ebenso hat ein Mensch, der rechts von einer Säule steht, einen entsprechenden Bezug auf diese Säule, was dieser Mensch seiner Kraft zur Fortbewegung verdankt, da diese es ihm erlaubt, sich rechts und links von etwas, vor und hinter etwas, oberhalb und unterhalb von etwas zu befinden. Deshalb sind Relationen dieses Typs beim Menschen bzw. einem Lebewesen auch wirklich, nicht jedoch bei einem Gegenstand, der jene Kraft nicht besitzt. Auch ein Geldstück bleibt von derjenigen Tätigkeit unberührt, mit der sein Wert festgelegt wird, da diese Tätigkeit eine Vereinbarung ist, die bestimmte Menschen miteinander treffen. Des weiteren bleibt auch ein Mensch von den herstellerischen Tätigkeiten unberührt, durch die ein Abbild von ihm zustande kommt. Aus diesem Grund hat weder ein Mensch einen wirklichen Bezug auf

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sein Abbild noch ein Geldstück auf seinen Wert. Vielmehr gilt hier das Umgekehrte. Dagegen handelt Gott nicht in Form einer vermittelnden Tätigkeit, welche so zu verstehen wäre, daß sie von Gott ihren Ausgang nimmt und im Erschaffenen ihr Ziel findet. Vielmehr ist Gottes Tätigsein seine Substanz, und alles in Gottes Substanz ist gänzlich unberührt von einem kreatürlichen Sein, dem das Erschaffene seinen Bezug auf Gott verdankt. Ebensowenig erwächst dem Schöpfer mit der Hervorbringung des Erschaffenen irgend etwas, was gut für ihn wäre, und daher ist, wie Avicenna sagt,138 sein Tätigsein im höchsten Maße frei. Zudem ist klar, daß Gott keiner Bewegung unterliegen muß, um auch tätig sein zu können. Vielmehr bringt er ohne jede Veränderung in sich das Veränderliche hervor. Dies läßt nur den Schluß zu, daß es in Gott keine wirkliche Relation auf das Erschaffene gibt, auch wenn das Erschaffene so in einer Relation auf Gott steht wie die Wirkung auf ihre Ursache. Bei dieser Fragestellung unterlag Rabbi [Moses]139 in vielfacher Hinsicht einem Irrtum, da er nachzuweisen versuchte, daß es zwischen Gott und dem Erschaffenen keine Relation gebe. Denn da Gott kein Körper sei, gebe es bei ihm auch keine Relation auf Zeit und Raum. Damit berücksichtigte er aber nur diejenige Relation, die auf der Quantität beruht, nicht aber diejenige, welche auf Aktivität und Passivität beruht. Zu 1. Die Bewegung bzw. die Wirkung, die von einer bewegenden bzw. wirkenden Instanz ausgeht, stellt ein Mittelglied dar, das zwischen dieser bewegenden bzw. wirkenden Instanz und ihren jeweiligen Objekten angesiedelt ist. Daher müssen die wirkende Instanz und der Gegenstand ihrer Einwirkung bzw. die bewegende Instanz und das von ihr Bewegte zumindest dank dieses Mittelgliedes etwas miteinander zu tun haben. Insofern steht die wirkende Instanz als solche nicht außerhalb des Bereichs, dem der Gegenstand ihrer Einwirkung zugehört. Daher beziehen sich beide wechselseitig aufeinander, insbesondere weil hier das Wirken als Mittelglied 138 Avicenna, Met. VIII, 7 (Avicenna latinus 4, ed. Van Riet, 428). 139 Mose ben Maimon, Führer der Unschlüssigen I, 52 (ed. Weiss I, 165 f.).

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etwas zustande bringt, was gerade der wirkenden Instanz zugute kommt. Mithin ist das Ziel ihres Wirkens etwas, worin für die wirkende Instanz ein Gut liegt. So etwas trifft aber, wie gezeigt, auf Gott nicht zu. Daher ist der hier vorgenommene Vergleich schief. Zu 2. Der Sachverhalt, daß eine bewegende Instanz ihrerseits auch einer Bewegung unterliegt, ist nicht die Ursache dafür, daß dieser Instanz auch wirklich die Relation zukommt, die mit einer bewegenden Instanz einhergeht. Vielmehr wird an diesem Sachverhalt etwas Bestimmtes ablesbar. Denn an der Tatsache, daß eine bewegende Instanz etwas in Bewegung versetzt und dabei ihrerseits bewegt wird, wird deutlich, daß auch sie in gewisser Hinsicht dem Bereich der Dinge zugehört, die einer Bewegung unterliegen können. Zudem wird an der Tatsache, daß sie sich in ihrer Bewegung auf ein Ziel ausrichtet, deutlich, daß dieses Ziel für sie ein Gut darstellt. Zu 3. Ein Vater verleiht seinem Sohn ein Sein, wie er es selbst hat, da er ja eine wirkende Instanz ist, die einen univoken Gebrauch zuläßt. Gott hingegen verleiht dem Erschaffenen kein Sein, wie er es selbst hat. Daher ist der hier vorgenommene Vergleich schief. Zu 4. Der Ausdruck »Herr« birgt drei Bedeutungsnuancen in sich: erstens die Verfügungsgewalt über Untergebene, zweitens, aufgrund dieser Gewalt, einen Bezug auf die Untergebenen; drittens eine Ausrichtung der Untergebenen auf ihren Herrn. Denn die Bedeutung eines relationalen Ausdrucks impliziert das andere Relationsglied. Angesichts von Gott gelten damit die erste und die dritte Bedeutungsnuance dieses Ausdrucks weiterhin, nicht aber die zweite. Daher bemerkt auch Ambrosius, daß der Ausdruck »Herr« ein Ausdruck für die Macht ist;140 und Boethius bemerkt, daß die Herrschaft in der Verfügungsgewalt über Sklaven besteht.141 Zu 5. Gottes Wissen hat ein anderes Verhältnis zu den Dingen, als es unser Wissen hat, da Gottes Wissen die maßgebende Ursache für die Dinge ist. Daher bemißt sich die Wahrheit der Dinge danach, wie Gott sie in seinem Wissen verfügt hat. Für unser Wissen hingegen sind die Dinge die maßgebende Ursache. Somit hat unser Wissen einen wirklichen Bezug auf die Dinge, umgekehrt gilt dies 140 Ambrosius, De fide ad Gratianum I, 1 (CSEL 78/8, 7). 141 Boethius, De trin. V, 13 f. (ed. Elsässer, 22 f.).

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aber nicht. Genauso haben die Dinge einen wirklichen Bezug auf Gottes Wissen, umgekehrt gilt dies aber nicht. – Man könnte aber auch so argumentieren: Gott erkennt die anderen Dinge, indem er sich selbst erkennt. Daher bezieht sich Gottes Wissen nicht direkt auf die Dinge, sondern auf das göttliche Wesen. Zu 6. Das, was eine Strebensbewegung aufrechterhält, ist das Ziel dieser Strebensbewegung. Dagegen halten die Mittel, die diesem Ziel dienen, die Strebensbewegung nur aufrecht, weil sie zum Ziel hinführen. Gottes Wille hat jedoch nichts anderes zum Ziel als seine Gutheit. Folglich gibt es hier auch nichts anderes, worauf sich der göttliche Willen so richten könnte wie ein Bewegtes auf seine bewegende Instanz. Zu 7. Zwischen den Himmelskörpern und den niederen Körpern besteht ein wirklicher Bezug, der auf der Quantität beruht. Denn die Quantität betrifft beide Glieder dieser Relation gleichermaßen. Zudem besteht zwischen den Himmelskörpern und den niederen Körpern ein wirklicher Bezug, der auf einer aktiven Kraft und einem passiven Vermögen beruht. Denn die Bewegung, mit der die Himmelskörper auf das von ihnen Bewegte einwirken, ist ein Tätigsein, das den Charakter einer Zwischeninstanz hat und das nicht ihre Substanz ausmacht. Daher liegt auch ein Gut für sie darin, daß sie die Ursache für die niederen Körper sind. Zu 8. Das, worauf eine sprachliche Bezeichnung zurückgeht, muß nicht stets eine Form sein, die das Wesen eines Dinges ausmacht. Vielmehr reicht hier schon eine Form im grammatikalischen Sinn aus. Denn die sprachliche Bezeichnung für den Menschen geht auf den Umstand zurück, daß der Mensch handelt, bekleidet ist und dergleichen. Dies sind aber keine wirklichen Formen. Zu 9. Wenn hier mit »Proportion« gemeint sein sollte, daß sie einen ganz bestimmten Differenzwert angibt, dann besteht zwischen Gott und dem Erschaffenen kein proportionales Verhältnis. Wenn jedoch hier mit »Proportion« einfach nur eine Bezüglichkeit gemeint ist, dann besteht zwischen Gott und dem Erschaffenen sicher ein proportionales Verhältnis, das freilich nur beim Erschaffenen ein wirkliches ist, nicht aber beim Schöpfer. Zu 10. In der Tat hält sich der Lehrer zuerst an die Dinge. Dennoch nimmt der Geist des Lehrers das, was er an den Dingen erfaßt,

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nicht in der Weise auf, wie das von ihm Erfaßte in den wirklichen Dingen vorliegt. Denn alles, was durch etwas anderes aufgenommen wird, wird so aufgenommen, wie es dem Aufnehmenden entspricht. Denn es liegt auf der Hand, daß das, was von den Dingen erfaßt wird, im Geist des Lehrers materiefrei vorliegt, in der Natur hingegen mit der Materie verbunden ist. Zu 11. Die Einteilung der Relationsausdrücke in solche, die einen wesentlich relationalen Charakter haben, und in solche, deren relationaler Charakter sich aus dem Sprachgebrauch ergibt, trägt nichts zur Frage nach dem Wirklichkeitscharakter einer Relation bei. Denn es gibt Relationsausdrücke, die einen wesentlich relationalen Charakter haben und die trotzdem keine wirkliche Relation beschreiben. So beschreiben die Relationsausdrücke »rechts von« und »links von« keine wirkliche Relation, wenn sie einer Säule zugeschrieben werden. Ebenso gibt es Relationsausdrücke, deren relationaler Charakter sich aus dem Sprachgebrauch ergibt und die gleichwohl eine wirkliche Relation beschreiben. Ein Beispiel hierfür sind »Wissen« und »Wahrnehmung«. Um Relationsausdrücke, die einen wesentlich relationalen Charakter haben, handelt es sich nämlich dann, wenn ihre Bedeutung eben eine Bezüglichkeit zum Ausdruck bringt. Um Relationsausdrücke, deren relationaler Charakter sich aus dem Sprachgebrauch ergibt, handelt es sich hingegen, wenn ihre Bedeutung zunächst nur bestimmte Qualitäten o. ä. bezeichnet, mit denen dann auch ein relationaler Charakter verbunden ist. Für diese Einteilung spielt es aber keine Rolle, ob eine Relation eine wirkliche oder bloß eine gedachte ist. Zu 12. Zwar liegt mit einem Relationsglied auch das andere Relationsglied vor. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, daß sie beide auf dieselbe Weise vorliegen müssen. Es reicht vielmehr, wenn das eine Glied wirklich und das andere Glied im Denken vorliegt.

11. Artik el Die elfte Frage lautet: Sind diejenigen Relationen, die den Bezug Gottes auf das Zeitliche betreffen, gedachte Relationen? 142 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Nach Boethius ist ein Begriff nutzlos und leer, wenn ihm nichts Wirkliches entspricht.143 Die vorangegangenen Ausführungen zeigen aber, daß jene Relationen nichts Wirkliches an Gott beschreiben. Ein Begriff von ihnen wäre also nutzlos und leer, wenn diese Relationen in Gott gedachte Relationen wären. 2. Das, was ein ausschließlich gedankliches Sein besitzt – also z. B. ein Genus, eine Spezies oder eine Ordnung –, kommt den Dingen nur insofern zu, als die Dinge so vorgestellt werden. Gott kommen jedoch jene Relationen auf das Zeitliche nicht einfach deshalb zu, weil Gott so vorgestellt wird. Denn sonst wäre etwa die Aussage »Gott ist der Herr« gegenstandslos, da sie ja besagt, daß Gott über das Erschaffene herrscht. Daß dies jedoch falsch ist, liegt auf der Hand. Folglich sind diese Relationen in Gott nicht bloß gedachte Relationen. 3. Der Ausdruck »Herr« bezeichnet eine Relation, da es sich hier um einen Relationsausdruck handelt, der einen wesentlich relationalen Charakter hat. Nun ist aber Gott nicht einfach deshalb der Herr, weil er auch so gedacht wird. In Gott sind demnach Relationen dieses Typs nicht bloß gedachte Relationen. 4. Angenommen, es gäbe keinen erschaffenen Intellekt, dann wäre Gott immer noch der Herr und Schöpfer. Hingegen gäbe es keine Gedankendinge, wenn es keinen erschaffenen Intellekt gäbe. Folglich bezeichnen Ausdrücke wie »Herr«, »Schöpfer« und dergleichen keine bloß gedanklichen Relationen. 5. Das, was nur nach den Maßstäben unseres Geistes existiert, war nicht schon von Ewigkeit an da. Dagegen existierten einige von 142 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 6 a. 2 ad 1; q. 13 a. 7; q. 28 a. 1 ad 3; q. 32 a. 2; q. 45 a. 3 ad 1; III, q. 35 a. 5. Sent. I, d. 8 q. 4 a. 1 ad 3; d. 30 q. 1 a. 1 ad 1; a. 3 c. ScG II, 13. Quodl. I, a. 2; IX, a. 4. 143 Boethius, In Isagogen Porphyrii commmentarium I, 10 (CSEL 48, 160).

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Gottes Relationen auf das Erschaffene von Ewigkeit an, so z. B. diejenigen Relationen, die in den Ausdrücken »Wissen« und »Vorherwissen« impliziert sind. In Gott sind demnach Relationen dieses Typs nicht bloß gedachte Relationen. Dagegen spricht: Zu Beginn von Peri hermeneias heißt es, daß die sprachlichen Ausdrücke Zeichen für Begriffe oder Gedankeninhalte sind.144 Es ist aber bekanntlich so, daß diese Ausdrücke in Bezug auf etwas ausgesagt werden. Zwangsläufig sind daher diese Bezüge nur gedankliche Relationen. Antwort: Eine wirkliche Relation tritt innerhalb einer Ordnung auf, die zwischen Dingen herrscht. Genauso tritt eine gedachte Relation innerhalb einer Ordnung auf, die es zwischen Gedankeninhalten gibt. Hierbei sind allerdings zwei Spielarten zu unterscheiden, wie es zu solch einer Ordnung kommen kann. Bei der ersten Spielart macht der Intellekt diese Ordnung als einen zusätzlichen Gesichtspunkt ausfindig und bei dem geltend, was hier als Relationsglied in Frage kommt. Relationen von dieser Sorte, also z. B. die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Genus und einer bestimmten Spezies, macht der Intellekt bei den Dingen geltend, insofern er sie unabhängig von anderen Dingen erkennt. Denn Relationen dieses Typs macht der Verstand ausfindig, sobald er die Ordnung ins Auge faßt, welche zwischen seinen Begriffen und den extramentalen Dingen herrscht bzw. welche zwischen seinen Begriffen untereinander besteht. Bei der zweiten Spielart ergeben sich die Relationen aus einer bestimmten Vorstellungsweise, nämlich dann, wenn der Intellekt Dinge in eine bestimmte Ordnung zueinander bringt. Eine solche Ordnung macht der Intellekt freilich nicht ausfindig. Eher schon ergibt sich diese Ordnung zwangsläufig aus einer bestimmten Vorstellungsweise. Diese Relationen macht der Intellekt aber nicht bei seinen eigenen Inhalten geltend, sondern bei den wirklichen Din144 Aristoteles, Peri herm. 1; 16 a 1–19.

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gen. So verfährt der Intellekt zumal dann, wenn er bestimmte Dinge, die von sich aus nicht in einer Ordnung zueinander stehen, in eine Ordnung zueinander bringt. Gleichwohl erkennt der Intellekt hier nicht, daß diese Dinge in einer Ordnung zueinander stehen, da dies ja falsch wäre. Damit es aber überhaupt eine Ordnung zwischen zwei Dingen geben kann, müssen beide jeweils ein Sein besitzen, voneinander unterschieden sein – kein Ding kann ja mit sich selbst ein Ordnungsgefüge bilden – und aufeinander beziehbar sein. In manchen Fällen nun stellt sich der Intellekt zwei Dinge als seiend vor, obwohl nur eines davon oder sogar keines von beiden ein Sein hat. Hierbei stellt sich der Intellekt z. B. zwei zukünftige Sachverhalte oder auch einen gegenwärtigen und einen anderen, zukünftigen Sachverhalt vor und bringt sie dabei in eine Ordnung zueinander, indem er etwa den einen Sachverhalt im Vergleich zum anderen als früher ansetzt. Daher sind Relationen dieses Typs ausschließlich gedankliche Relationen, da sie ja durch eine bestimmte Weise des Denkens zustande kommen. – In manchen Fällen stellt der Intellekt ein Ding so vor, als ob er es mit zwei Dingen zu tun hätte, und setzt diese beiden Momente dann in eine bestimmte Ordnung zueinander; z. B. tut er dies dann, wenn davon die Rede ist, daß etwas mit sich selbst identisch ist. Auch diese Relation ist ausschließlich eine gedankliche. – In wieder anderen Fällen stellt der Intellekt zwei Dinge so vor, als ob sie wechselseitig aufeinander beziehbar wären, obwohl es bei ihnen keinen wechselseitigen Bezug geben kann, da eines der beiden Glieder einen wesenhaft relationalen Charakter hat. Dies gilt z. B. in dem Fall, wo eine Relation an ihrem Träger auftritt. Daher ist ein derartiger Bezug der Relation auf etwas anderes ein ausschließlich gedanklicher. – Dann gibt es Fälle, wo der Intellekt etwas als bezogen auf anderes denkt, und zwar im Sinne eines Zielpunktes, auf den sich dieses andere ausrichtet – und dies, obwohl es keinen Bezug auf anderes kennt. So stellt sich der Intellekt z. B. das Wißbare als einen Zielpunkt vor, auf den sich das Wissen richtet. Damit gewinnt der Ausdruck »das Wißbare« dank dieses Bezuges auf das Wissen einen relationalen Sinn. Diese Relation ist von ausschließlich gedanklicher Natur. In ganz ähnlicher Weise verfährt unser Intellekt, wenn er für Gott bestimmte Relationsausdrücke in

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Anschlag bringt und dabei Gott als den Zielpunkt vorstellt, auf den sich die Relationen der Geschöpfe richten. Daher sind diese Relationen [Gottes auf das Zeitliche] von ausschließlich gedanklicher Natur. Zu 1. Bei diesen Relationen gibt es etwas, was auch wirklich ist, nämlich den Bezug des Erschaffenen auf Gott. Denn nach dem 5. Buch der Metaphysik145 hat auch das Wißbare einen relationalen Sinn, und zwar nicht deswegen, weil es sich auf das Wissen beziehen würde, sondern deswegen, weil sich das Wissen auf es richtet. In diesem Sinne läßt sich auch bei Gott eine Relation feststellen, da sich die Geschöpfe auf ihn beziehen. Zu 2. Dieses Argument hat diejenigen gedachten Relationen im Blick, die der Verstand ausfindig macht und für seine Gedankeninhalte geltend macht. Die hier in Frage stehenden Relationen gehören jedoch nicht dazu, sondern ergeben sich aus bestimmten Vorstellungsweisen. Zu 3. Jemand ist wirklich und nicht nur dem Begriff nach mit sich selbst identisch, auch wenn diese Relation nur eine gedachte ist. Denn es gibt eine wirkliche Ursache für diese Relation, nämlich die Einheit in der Substanz, die der Intellekt als eine Relation vorstellt. Genauso liegt in Gott wirklich die Verfügungsgewalt über das ihm Untergebene. Diese Verfügungsgewalt stellt der Intellekt als einen Bezug Gottes auf das Untergebene vor, da letzteres einen Bezug auf Gott hat. Aus diesem Grund heißt Gott wirklich »Herr«, auch wenn diese Relation nur eine gedachte ist. Ebenso liegt auf der Hand, daß Gott auch dann der Herr ist, wenn es keinen erschaffenen Intellekt gäbe. Zu. 4. Damit ist auch hier die Antwort klar. Zu 5. Wie oben ausgeführt, bezieht sich Gottes Wissen nicht in erster Linie und an sich auf das Erschaffene, sondern auf das Wesen des Schöpfers, dank dem Gott alles weiß.

145 Aristoteles, Met. V, 15; 1021 a 29–35.

VIII. DIE RELATIONEN, DIE SEIT EWIGKEIT VON GOTT GELTEN

Die hier behandelten Fragen lauten: 1. Sind diejenigen Relationen, die seit Ewigkeit von Gott gelten und die mit »Vater« und »Sohn« zum Ausdruck kommen, wirkliche oder bloß gedachte Relationen? 2. Ist in Gott die Relation mit seiner Substanz identisch? 3. Sind es die Relationen, die die Personen bzw. Hypostasen und deren Unterschiedenheit konstituieren? 4. Bleibt eine Hypostase in der Gottheit bestehen, wenn man sich ihre Relation wegdenkt?

1. Artik el Die erste Frage lautet: Sind diejenigen Relationen, die seit Ewigkeit von Gott gelten und die mit »Vater« und »Sohn« zum Ausdruck kommen, wirkliche oder bloß gedachte Relationen? 1 Sie scheinen keine wirklichen Relationen zu sein; denn: 1. Johannes von Damaskus bemerkt: »Das substantielle Sein der Trinität ist der Sache nach ein allgemeines und einheitliches. Hingegen ist es unsere Erkenntnis und unser Denken, die dort Unterschied und Verschiedenheit feststellt.«2 Nun lassen sich die Personen anhand ihrer Relationen unterscheiden. Demnach sind die Relationen in der Gottheit bloß gedachte. 2. Boethius sagt: »Bei der Trinität gleicht die Relation des Vaters auf den Sohn und die Relation beider auf den Hl. Geist der Relation 1 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 28 a. 1 c.; q. 29 a. 4 c.; q. 39 a. 1; q. 40 a. 1. ScG IV, 14. Sent. I, d. 26 q. 2 a. 1; d. 33 q. 1 a 1. De pot. q. 1 a. 1 ad 3; ad 12. Quodl. VI, a. 1. Comp. theol. 53. 2 Vgl. Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 8, 17 [I, 8] (ed. Buytaert, 43 f.).

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eines Dinges auf sich selbst.«3 Nun ist die Relation der Identität eine bloß gedachte. Folglich gilt dies auch von der Relation der Vaterschaft und der Sohnschaft. 3. In Gott gibt es keinen realen Bezug auf das Erschaffene. Denn Gott brachte, wie Augustinus bemerkt, die Geschöpfe hervor, ohne sich dabei zu verändern.4 Erst recht aber vollzog sich keine Veränderung bei der Hervorbringung des Sohnes durch Gottvater und dem Hervorgang des Sohnes aus dem Vater. Demnach ist in der Gottheit weder die Relation des Vaters auf den Sohn noch diejenige des Sohnes auf den Vater eine reale Relation. 4. Unvollkommenes, also z. B. Privation, Materie oder Bewegung, schreibt man Gott nicht zu. Nun hat die Relation unter allem Seienden das schwächste Sein. Daher zählten manche, z. B. Averroes, die Relation zu den Begriffen der zweiten Stufe.5 Demnach kann es in Gott keine Relation geben. 5. Bei den Geschöpfen bildet jede Relation mit ihrem Träger ein Zusammengesetztes. Denn ohne Zusammensetzung kann kein Ding einem anderen inhärieren. In Gott hingegen kann es keine Zusammensetzung geben, und damit kann es in ihm keine Relation geben, die wirklich wäre. 6. Was im höchsten Grad einfach ist, unterscheidet sich von sich aus. Nun sind aber die göttlichen Personen im höchsten Grad einfach. Somit unterscheiden sie sich von sich aus und nicht vermittels bestimmter Relationen. Demnach braucht man keine Relationen für Gott anzunehmen, da man ja dies einzig deswegen tut, um die göttlichen Personen voneinander zu unterscheiden. 7. Die Relationen charakterisieren die göttlichen Personen ganz so, wie die unbezüglichen Attribute das göttliche Wesen charakterisieren. Nun liegen aber die unbezüglichen Attribute ausschließlich 3 Boethius, De trin. VI 19–22 (ed. Elsässer, 26). 4 Augustinus, De trin. V,16 (CCSL 50, 224 f.). 5 Mit diesen Begriffen der zweiten Stufe (intellectus secundae) sind

Begriffe gemeint, die sich (wie z. B. spezifische und generische Begriffe) dem menschlichen Intellekt erst in einer intentio obliqua erschließen. – Vgl. Averroes, In Met. XI, comm. 19 (Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Bd. VIII, fol. 306 rB).

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als gedachte in Gott. Demnach sind auch die Relationen in Gott nur gedachte und keine wirklichen. 8. Wie es im 3. Buch der Physik heißt, ist dasjenige vollkommen, dem nichts abgeht.6 Nun ist die göttliche Substanz höchst vollkommen. Folglich geht ihr nichts ab, was zu ihrer Vollkommenheit gehört. Die Annahme von Relationen in Gott ist also überflüssig. 9. Gott ist der allererste Anfang und das letzte Ziel der Dinge. Daher kann in Gott nichts liegen, was sich auf etwas Vorgeordnetes zurückführen läßt, sondern nur dasjenige, worauf sich anderes zurückführen läßt; z. B. läßt sich ja Bewegliches auf Unbewegliches und Akzidentelles auf für sich Bestehendes zurückführen. Aus diesem Grund kennt Gott weder eine Bewegung noch ein Akzidens. Nun läßt sich aber alles, was sich als relational versteht, auf etwas Unbezügliches zurückführen, das für sich besteht. Demnach liegt in Gott nichts Relationales, sondern nur das, was ausschließlich für sich besteht. 10. Gott existiert notwendigerweise durch sich selbst. Nun steht all das, was notwendigerweise durch sich selbst existiert, in keinen Bezügen. Denn ein Relat kann nicht ohne sein Korrelat bestehen. Was hingegen notwendigerweise durch sich selbst existiert, das kann auch dann existieren, wenn es kein weiteres Ding gibt. Demnach liegt in Gott keine Relation, die wirklich wäre. 11. Wie in der vorangegangenen Quaestio festgestellt,7 beruhen alle wirklichen Relationen auf der Quantität oder aber auf einem Wirken bzw. Erleiden. Nun gibt es aber in Gott keinerlei Quantität. Denn wie Augustinus sagt, nennen wir Gott groß jenseits der Quantität.8 Ebensowenig gibt es, wie Boethius bemerkt, in Gott eine Zahl, aus der sich eine Relation ergeben könnte, auch wenn es dort eine Zahl gibt, die sich aus der Relation ergibt.9 Wenn es also eine wirkliche Relation in Gott geben sollte, dann muß sie Gott aufgrund von einer seiner Tätigkeiten zukommen. 6 7 8 9

Aristoteles, Phys. III, 3; 207 a 8–10. Vgl. De pot. q. 7 a. 9 c. Augustinus, De trin. V, 2 (CCSL 50, 207). Boethius, De trin. VI, 1–10 (ed. Elsässer, 24).

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Dies kann jedoch nicht diejenige Tätigkeit sein, mit der Gott die Geschöpfe hervorbringt. Denn in der letzten Quaestio wurde festgestellt, daß die Relation Gottes auf das Erschaffene keine wirkliche ist.10 Ebensowenig kann es sich um eine Tätigkeit handeln, die – wie z. B. die Zeugung – einer Person in der Gottheit zukommt. Da nämlich die Zeugung in der Gottheit einer gesonderten Instanz vorbehalten ist, da aber einzig die Relation für eine Unterscheidung in der Gottheit sorgt, so muß man die Relation noch vor dieser Tätigkeit ansetzen. Somit kann die Relation nicht auf jener Tätigkeit beruhen. Wenn es also in Gott eine Relation geben sollte, die wirklich ist und die auf einer seiner Tätigkeiten beruht, dann kann es sich hierbei nur noch um diejenige Tätigkeit Gottes handeln, die ewig ist bzw. sein Wesen ist: sein Denken und Wollen. Doch auch dies ist unmöglich. Denn auf jener Tätigkeit beruht die Relation des Denkenden zum Gedachten, und diese Relationen sind in Gott keine wirklichen – sonst müßten sich Denkendes und der Gegenstand seines Denkens in der Gottheit real unterscheiden. So etwas ist offensichtlich falsch, da sich ja beides von jeder der [göttlichen] Personen sagen läßt: Nicht nur Gottvater ist Denkender, sondern auch der Sohn und der Hl. Geist; und ebenso ist hier jede Person Gegenstand des [göttlichen] Denkens. Demnach sieht es so aus, daß es in Gott keine Relation geben kann, die wirklich ist. 12. Der natürliche Verstand des Menschen ist in der Lage, zu einer Erkenntnis des göttlichen Intellekts zu gelangen. Denn die Philosophen haben eindeutig nachgewiesen, daß Gott Geist ist. Angenommen also, daß aufgrund der Tätigkeit unseres Intellekts diejenigen Relationen wirklich wären, mit denen sich die göttlichen Personen unterscheiden lassen, dann ließe sich die Dreieinigkeit der Personen mit dem menschlichen Verstand entdecken und sie wäre dann kein Gegenstand des Glaubens mehr. Denn »der Glaube ist die Grundlage für das, was wir erhoffen, die Überzeugung von dem, was wir nicht sehen« (Hebr. 11, 1). 13. Ein relationaler Gegensatz unterscheidet sich von den anderen Arten von Gegensätzlichkeit. Gott kann man aber keine ande10 Vgl. De pot. q. 7 a. 10 c.

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ren Formen von Gegensätzlichkeit zuschreiben und demnach auch keine Relation. Dagegen spricht: 1. Boethius sagt, daß es ausschließlich die Relation ist, die zur Dreiheit vervielfacht.11 Diese Vervielfachung ist jedoch keine bloß gedankliche, sondern eine wirkliche. Denn Augustinus bemerkt, daß der Vater, der Sohn und der Hl. Geist wirklich drei sind.12 Demnach muß es so sein, daß die Relationen in Gott nicht bloß gedachte, sondern auch wirkliche sind. 2. Alles, was wirklich ist, gründet auf etwas Wirklichem. Nun sind die Relationen in der Gottheit charakteristische Merkmale, auf denen die [göttlichen] Personen beruhen. »Person« wiederum verweist auf etwas Wirkliches. Demnach müssen auch die Relationen in der Gottheit wirklich sein. 3. Die Zeugung in der Gottheit ist vollkommener als diejenige unter den Geschöpfen. Nun kommt mit einer Zeugung bei den Geschöpfen eine wirkliche Relation zustande: diejenige von Vater und Sohn. Erst recht sind daher die Relationen in der Gottheit wirklich. Antwort: Wer die katholische Glaubenslehre befolgt, kann nicht umhin zu sagen, daß die Relationen in der Gottheit wirklich sind. Denn der katholische Glaube kennt drei Personen in Gott, die eines Wesens sind. Nun ist aber eine Zahl immer das Resultat einer bestimmten Unterscheidung. Daher muß es in Gott eine Unterscheidung geben, und zwar nicht nur im Vergleich zu den Geschöpfen, die sich von Gott dem Wesen nach unterscheiden, sondern auch bei dem, was innerhalb des göttlichen Wesens eine gesonderte Instanz ausmacht. Diese Unterscheidung kann allerdings nicht bei dem vorgenommen werden, was unbezüglich ist, da ja alles, was man ohne eine Bezüglichkeit von der Gottheit aussagt, das Wesen Gottes betrifft. Denn sonst würden sich die göttlichen Personen dem Wesen nach voneinander unterscheiden, wie dies die arianische Irrlehre behaup11 Boethius, De trin. VI 7–9 (ed. Elsässer, 24). 12 Augustinus, De doctr. christ. I, 5 (CCSL 32, 9).

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tet. Demnach kann ein Unterschied in den göttlichen Personen nur ein relationaler sein. Gleichwohl kann dieser Unterschied nicht bloß ein gedanklicher sein. Was nämlich in einem bloß gedanklichen Gegensatz zueinander steht, das kann problemlos gegenseitig voneinander prädiziert werden. So kann man z. B. den Anfang als Ende bezeichnen, da ein einzelner Punkt in Wirklichkeit sowohl einen Anfang als auch ein Ende [innerhalb eines Kontinuums] markiert, obwohl dies gedanklich auseinandergehalten werden kann. Aus all dem würde ja folgen, daß Gottvater der Sohn und der Sohn Gottvater wäre. Denn da man sprachliche Ausdrücke einsetzt, um damit bestimmte Hinsichten zum Ausdruck zu bringen, würden sich die Personen in der Gottheit nur dem Namen nach unterscheiden, wie dies die Irrlehre des Sabellius behauptet. Und so ist festzustellen, daß die Relationen in Gott etwas Wirkliches sind. Wie dies sich verhält, müssen wir unter Berücksichtigung der Lehren der Kirchenväter untersuchen, auch wenn eine Einsicht in diesen Sachverhalt nicht vollends gelingen mag. Es ist also bewußt zu halten, daß eine Relation nur dann als eine wirkliche gelten kann, wenn sie auf einer quantitativen Größe oder auf einem Wirken bzw. Erleiden beruht. Daher müssen wir auch die Relation in Gott nach einer dieser Spielarten bestimmen. In Gott kann es jedoch weder eine kontinuierliche noch eine diskrete Quantität geben, ebenso wie es dort nichts gibt, was einer quantitativen Größe ähnlich ist. Ausgenommen davon sind diejenige Vielheit, die einer Relation entspringt und sie zur Voraussetzung hat, sowie die Einheit im Wesen, aus der sich keine wirkliche Relation, sondern eine nur gedankliche Relation ergibt. Dies gilt, wie vorhin ausgeführt,13 etwa von derjenigen Relation, die das Wort »identisch« zum Ausdruck bringt. So kann man in Gott nur noch eine Relation annehmen, die sich aus einer Tätigkeit ergibt. ›Tätigkeit‹ meint hier nicht eine solche, welche auf etwas geht, was einer Einwirkung unterliegen kann. Denn in Gott kann es nichts geben, was einer Einwirkung unterliegen kann, da es dort keine Materie gibt. Zu dem aber, was außerhalb 13 Vgl. De pot. q. 7 a. 11.

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von ihm ist, steht Gott, wie aufgezeigt,14 in keiner Relation, die wirklich wäre. Damit kann sich eine wirkliche Relation in Gott nur noch derjenigen Tätigkeit verdanken, die im Wirkenden selbst verbleibt; und dies sind das Denken und das Wollen Gottes. Eine sinnliche Wahrnehmung, die sich ja mit Hilfe eines Körperorgans vollzieht, kann man Gott, der vollkommen körperlos ist, nicht zuschreiben. Aus diesem Grund bemerkt Dionysius, daß in Gott die Vaterschaft vollkommen ist, also nicht körper- und materiegebunden, sondern von geistiger Art.15 Nun kann sich ein Erkennender beim Erkennen auf viererlei ausrichten: auf die Sache, die erkannt wird, auf das Erkenntnisbild, vermittels dessen der Intellekt in seine Wirklichkeit gelangt, auf den Erkenntnisakt und auf den gewonnenen Begriff im Intellekt. Dieser Begriff hebt sich von den drei anderen angeführten Punkten ab. Von der erkannten Sache unterscheidet er sich dadurch, daß diese Sache zuweilen ein extramentaler Gegenstand ist, der Begriff dagegen ausschließlich im Intellekt auftritt. Zudem stellt die erkannte Sache für diesen Begriff im Intellekt das Ziel dar, worauf er ausgerichtet ist. Denn der Intellekt bildet sich einen Begriff von dieser Sache, um diese zu begreifen. – Von einem Erkenntnisbild unterscheidet sich dieser Begriff, da das Erkenntnisbild den Intellekt in seine Wirklichkeit bringt und daher als das Prinzip für den Erkenntnisakt gelten kann. Jede wirkende Instanz wirkt ja nur, insofern sie in der Wirklichkeit ist; und in die Wirklichkeit gelangt sie vermittels einer Form, die somit das Prinzip für ein Wirken sein muß. – Vom Erkenntnisakt unterscheidet sich jener Begriff dadurch, daß er als ein Zielpunkt gelten kann und insofern als etwas, was gleichsam durch den Erkenntnisakt zustandegebracht wird. Denn der Intellekt bildet durch seine Tätigkeit eine Definition oder auch einen affirmativen bzw. negativen Satz über eine Sache. Diesen Begriff in unserem Intellekt bezeichnet man im eigentlichen Sinn als »Wort«, da es dieses [innere] Wort ist, das durch das gesprochene Wort bezeichnet wird. Eine sprachliche Äußerung bezeichnet ja weder den Intellekt noch ein Erkenntnisbild, noch einen 14 Vgl. De pot. q. 7 a. 10. 15 Dionysius Areopagita, De div. nom. 2 (Dion. I, 98 f.).

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Erkenntnisakt, sondern einen Begriff im Intellekt, vermittels dessen sich der Intellekt auf eine Sache bezieht. Dieser Begriff bzw. dieses Wort, mit dem der Intellekt eine von ihm verschiedene Sache erkennt, hat dementsprechend seinen Ursprung in etwas anderem, wie er auch etwas anderes wiedergibt: Er entspringt einer Tätigkeit des Intellekts und er ist ein Abbild der erkannten Sache. Wenn nun der Intellekt sich selbst erkennt, dann ist jenes Wort bzw. jener Begriff der Abkömmling und das Abbild eben dieses Intellekts, welcher sich selbst erkennt. Und dies ist deswegen so, weil eine Wirkung ihrer Ursache in der Form gleicht. Die Form des Intellekts ist aber die erkannte Sache. Somit ist das Wort, welches seinen Ursprung im Intellekt hat, das Abbild der erkannten Sache, also entweder das Abbild des Intellekts selbst oder von etwas anderem. Dieses Wort unseres Intellekts ist aber dem Sein des Intellekts in bestimmter Weise äußerlich – es kommt ja nicht aus dem Wesen des Intellekts, sondern widerfährt dem Intellekt sozusagen. Dieses Wort ist jedoch nicht dem Denkakt des Intellekts äußerlich, da ja dieser Akt ohne jenes Wort nicht vollzogen werden kann. Wenn es also einen Intellekt gibt, bei dem Denken und Sein identisch sind, dann wird jenes Wort weder dem Sein jenes Intellekts noch seinem Denkakt äußerlich sein können. Dies trifft nun beim göttlichen Intellekt zu, denn in Gott sind Sein und Denken identisch. Somit kann das Wort des göttlichen Intellekts nicht seinem Wesen äußerlich sein, sondern muß mit ihm wesenseins sein. In diesem Sinne kann man in Gott den Ursprung von etwas aus etwas ausmachen, nämlich den Ursprung des Wortes aus dem, der dieses Wort ausspricht, ohne daß dadurch die Einheit des Wesens in Frage gestellt wäre. Wo nun etwas aus etwas entspringt, da muß es eine Relation geben, die wirklich ist. Diese Relation kann nun entweder ausschließlich bei dem Entsprungenen bestehen, wenn es nämlich nicht dieselbe Natur besitzt wie sein Ursprung, wie dies z. B. beim Hervorgang der Geschöpfe aus Gott der Fall ist. Oder aber jene Relation besteht bei beiden Bezugsgliedern, wenn nämlich das Entsprungene an die Natur seines Ursprungs heranreicht. Dies ist etwa der Fall bei der menschlichen Fortpflanzung, wo beim Vater und beim Sohn eine Relation besteht, die wirklich ist. Das Wort in der Gottheit ist jedoch, wie aufgezeigt, wesenseins mit seinem Ur-

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sprung. Damit kann es nur so sein, daß die Relation in der Gottheit sowohl vom Wort aus als auch von dem aus, der das Wort ausspricht, eine wirkliche ist. Zu 1. Bei den göttlichen Personen ist die Einheit etwas Wesenhaftes, ihre Unterscheidung ist dagegen eine gedankliche, und zwar aufgrund einer Relation, die sich nicht real, sondern nur gedanklich vom [göttlichen] Wesen unterscheidet. Dies wird später noch klar werden. Zu 2. Bei den göttlichen Personen weist die Relation eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Identitätsrelation auf, sofern man sich auf die Einheit des Wesens konzentriert. Wenn man sich aber auf den Ursprung des einen aus dem anderen innerhalb derselben Natur konzentriert, dann müssen jene Relationen wirkliche sein. Zu 3. Wie Gott sich nicht verändert bei der Hervorbringung der Geschöpfe, so ändert er sich auch nicht bei der Hervorbringung des göttlichen Wortes. Dennoch reichen die Geschöpfe nicht an das Wesen und die Natur Gottes heran. Daher teilt sich das göttliche Wesen ihnen auch nicht mit. Aus diesem Grund bezieht sich Gott auf seine Geschöpfe nicht durch etwas, was in ihm selbst liegt, sondern bloß durch etwas, was mit dem Erschaffenen zu tun hat. Das Wort hingegen ist als wesenseins mit Gott selbst hervorgebracht. Daher bezieht sich Gott auf sein Wort durch das, was in ihm liegt, und nicht bloß durch etwas an seinem Wort. Denn eine Relation ist dann in dem einen Glied, nicht aber im anderen Glied eine wirkliche, wenn diese Relation sich dem einen Glied, nicht aber dem anderen Glied verdankt. Dies ist z. B. beim Wissenden und dem Wissen der Fall, denn deren Relation verdankt sich einem Akt des Wissenden und nicht dem möglichen Gegenstand seines Wissens. Zu 4. Die Relation hat, für sich allein genommen, das schwächste Sein. So verhält es sich aber nicht bei Gott. Denn hier hat die Relation kein anderes Sein als die Substanz. Dies wird gleich noch klar werden.16 Daher ist dieses Argument nicht stichhaltig. Zu 5. Dieses Argument geht von einer wirklichen Relation aus, deren Sein vom Sein derjenigen Substanz, an der sie auftritt, ver16 Vgl. De pot. q. 8 a. 2.

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schieden ist. So verhält es sich aber nicht bei unserem Problem. Dies wird sich später noch zeigen. Zu 6. Da die göttlichen Personen sich aufgrund ihrer Relationen voneinander unterscheiden, so unterscheiden sie sich dabei einzig und allein von sich aus. Denn wie später noch klar werden wird,17 sind die Relationen eben die subsistierenden Personen selbst. Zu 7. Diejenigen Attribute, die das [göttliche] Wesen charakterisieren, sind in Gott wirkliche und nicht bloß gedachte. Denn Gottes Güte ist etwas Wirkliches, ebenso seine Weisheit usw. Gleichwohl ist der Unterschied dieser Attribute vom Wesen nur ein gedanklicher. Dasselbe gilt nun auch von den Relationen, wie später noch klar werden wird. Zu 8. Gottes Substanz wäre unvollkommen, wenn es in ihr etwas gäbe, das nicht sie selbst wäre. Die Relation in Gott ist aber, wie sich noch zeigen wird, mit seiner Substanz identisch. Daher ist dieses Argument nicht stichhaltig. Zu 9. Das Bewegliche und das Akzidentelle lassen sich in der Weise auf etwas Vorgeordnetes zurückführen, wie sich Unvollkommenes auf Vollkommenes zurückführen läßt. Denn ein Akzidens ist etwas Unvollkommenes, und ebenso ist die Bewegung die Wirklichkeit dessen, was noch nicht zu seiner Vollendung gekommen ist. Hingegen ergibt sich das, was sich als relational versteht, zuweilen daraus, daß etwas zu seiner Vollendung gekommen ist. Dies zeigt sich z. B. im Falle des Intellekts. Denn hier ergibt sich die Relation aus der Tätigkeit des Intellekts, die ja dessen Vollendung ist. Aus diesem Grund ist die Vollkommenheit Gottes ein Hinderungsgrund dafür, in Gott Bewegung und Akzidentelles anzusetzen, sie ist jedoch kein Hinderungsgrund für die Annahme einer Relation in Gott. Zu 10. Das, was notwendigerweise durch sich selbst existiert, kennt keinen Bezug auf etwas, was außerhalb seiner selbst liegt. Gleichwohl heißt dies nicht, daß es sich nicht auf etwas innerhalb seiner selbst beziehen könnte. Auch wenn man daher nicht sagen kann, daß etwas durch etwas anderes notwendig ist, so kann man doch sagen, daß etwas durch sich selbst notwendig ist.

17 Vgl. De pot. q. 8 a. 4.

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Zu 11. Eine wirkliche Relation in Gott ist die Folge aus der Tätigkeit seines Intellekts. Allerdings ist dies nicht so zu verstehen, daß dies eine wirkliche Relation eines Denkenden auf ein erkanntes Ding wäre, sondern daß dies eine wirkliche Beziehung des Denkenden auf sein Wort ist. Denn es ist ja das Wort und nicht das erkannte Ding, das aus dem Denkenden hervorgeht. Zu 12. Der natürliche Verstand kann bis zu dem Nachweis gelangen, daß Gott Geist ist. Doch die Weise, wie Gott denkt, kann er nicht in hinreichender Weise aufdecken. Denn wie wir von Gott wissen können, daß er ist, nicht aber, was er ist, so können wir auch von Gott wissen, daß er denkt, nicht aber, auf welche Weise er denkt. Daß man aber beim Denken im Besitz eines geistigen Wortes ist, hat mit der Denkweise zu tun. Somit kann der Verstand dies nicht in hinreichender Weise [für Gott] nachweisen, sondern nur im Vergleich mit dem, was bei uns der Fall ist, vermutungsweise erschließen. Zu 13. Bei den anderen Formen von Gegensätzlichkeit ist stets ein Glied unvollkommen oder nichtseiend oder mit Nichtsein durchsetzt. Die Negation schließt ja ein Sein aus, und die Privation ist eine Form von Negation; so hat immer eines von beiden konträren Gegensatzgliedern etwas von einer Privation an sich. Daher kann es die anderen Formen von Gegensätzlichkeit in Gott nicht geben, aber einen relationalen Gegensatz sehr wohl, da keines seiner beiden Glieder eine Unvollkommenheit impliziert.

2. Artik el Die zweite Frage lautet: Ist die Relation in Gott mit seiner Substanz identisch? 18 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. ›Keine Substanz ist eine Relation‹ – dieser Satz ist so evident wie der Satz ›Keine Substanz ist eine Quantität‹. Demnach ist auch die göttliche Substanz keine Relation. 2. Dazu ist zu bemerken: Gottes Substanz ist eine wirkliche und nicht bloß eine gedachte Relation. – Dem ist zu erwidern: Ein Be18 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 28 a. 2. ScG IV, 14. Sent. I, d. 33 q. 1 a 1. Quodl. VI, q. 1. Comp. theol. 55, 66, 67.

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griff, dem in der Sache nichts entspricht, ist leer und nichtig. Nichtiges kann man aber in Gott nicht ansetzen. Demnach kann es nicht so sein, daß der Unterschied zwischen der Relation und dem Wesen ein gedanklicher ist. 3. Die göttlichen Personen unterscheiden sich aufgrund ihrer Relationen. Denn nach Boethius ist es allein die Relation, die zur Dreiheit vervielfacht.19 Angenommen also, daß die göttlichen Personen sich nicht in der Substanz unterscheiden und daß die Relation keine wirkliche, sondern bloß eine gedankliche Hinzufügung zur Substanz erbringt, dann folgt daraus, daß der Unterschied zwischen den göttlichen Personen bloß ein gedachter ist – und dies behauptet die Irrlehre des Sabellius. 4. Der Unterschied zwischen den göttlichen Personen besteht nicht in etwas Unbezüglichem. Sonst würde nämlich daraus folgen, daß sie dem Wesen nach voneinander unterschieden sind. Denn das, was man von Gott ohne eine Bezüglichkeit aussagt, bezeichnet sein Wesen, also z. B. die Güte, die Weisheit und dergleichen. Wären also die Relationen mit der göttlichen Substanz identisch, dann wäre es unweigerlich so, daß sich entweder die göttlichen Personen nicht aufgrund von Relationen voneinander unterscheiden würden oder daß der Unterschied der Personen ein Unterschied im Wesen wäre. 5. Wenn die Relation mit der Substanz Gottes völlig identisch wäre, dann verhielte es sich mit der Vaterschaft so wie mit Gott und seiner Größe, die zur Kategorie der Substanz zählen, da Gott seine eigene Größe ist: Auch die Vaterschaft würde zur Kategorie der Substanz zählen. Somit wäre alles, was man von Gott aussagt, auf seine Substanz zu beziehen. Dies widerspricht dem Satz des Augustinus, daß nicht alles, was man von Gott aussagt, auf dessen Substanz zu beziehen ist.20 Denn manches versteht sich als relational, so z. B. ›Vater‹ in Relation zum Sohn.21 6. [Bei einer Prädikation] sagt man all das, was man von einem Prädikat aussagt, auch vom Subjekt aus.22 Wenn nun die Relation 19 20 21 22

Boethius, De trin. VI, 7–9 (ed. Elsässer, 24). Augustinus, De trin. V, 5 (CCSL 50, 210). Ebd. Vgl. Boethius, In Cat. 1, 1 (PL 64, col. 175 C).

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mit dem göttlichen Wesen völlig identisch wäre, dann wäre die Aussage »Gottes Wesen ist Vaterschaft« genauso wahr wie »Die Sohnschaft ist das Wesen Gottes«. Die Konklusion daraus würde aber lauten: »Sohnschaft ist Vaterschaft«. 7. Alle Dinge, die miteinander identisch sind, bringen es mit sich, daß von ihnen dieselben Prädikate gelten. Daher bemerkt Aristoteles: »Mit einem Unterschied, und sei er noch so klein, werden wir aufzeigen können, daß die Dinge nicht identisch sind.«23 Wenn man nun vom göttlichen Wesen aussagt, daß es weise ist, daß es die Welt erschaffen hat und dergleichen, dann läßt sich dies offensichtlich nicht von der Vaterschaft oder Sohnschaft geltend machen. Demnach ist die Relation in Gott nicht identisch mit seinem Wesen. 8. Das, was für die Unterscheidung der göttlichen Personen voneinander sorgt, ist nicht identisch mit dem, was weder eine Unterscheidung erbringt noch eine Unterscheidung zuläßt. Nun erbringt die Relation eine Unterscheidung in der Gottheit, das Wesen hingegen erbringt weder eine Unterscheidung noch läßt es sie zu. Demnach sind sie nicht miteinander identisch. 9. Ein und dasselbe Ding kann von seinem Wesen her nicht oder allenfalls akzidentell die Ursache für einen konträren Gegensatz sein. Nun steht der Unterschied, der sich der Relation in der Gottheit verdankt, in einem konträren Gegensatz zur Einheit, die sich dem Wesen verdankt. Demnach sind die Relation und das Wesen nicht miteinander identisch. 10. Wenn zwei Dinge identisch sind, dann muß das eine überall dort auftreten, wo das andere ist. Wenn also das göttliche Wesen und die Vaterschaft miteinander identisch wären, dann müßte überall dort, worin das göttliche Wesen liegt, auch die Vaterschaft sein. Nun liegt aber das göttliche Wesen im Sohn – und damit müßte auch die Vaterschaft im Sohn liegen. Dies ist aber offensichtlich falsch. 11. Der Unterschied von Relation und Wesen ist in der Gottheit zumindest ein gedanklicher. Bei dem aber, dessen Begriff bzw. Definition jeweils anders ist, ist auch das Sein ein je anderes. Denn eine Definition ist eine Aussage, die anzeigt, was etwas ist. Demnach ist 23 Aristoteles, Top. I, 18; 108 b 2–4.

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das Sein der Relation und dasjenige der Substanz in der Gottheit ein je anderes. Folglich unterscheiden sich die Relation und das Wesen in ihrem Sein und damit ist ihr Unterschied ein wirklicher. 12. Wie es in den Kategorien heißt, bezeichnet man das als relational, dessen Sein in einem Bezogensein auf anderes besteht.24 Demnach stellt sich das Sein der Relation als ein Bezug auf anderes, nicht aber als ein substantielles Sein dar. Folglich unterscheiden sich die Relation und das Wesen in ihrem Sein, und damit gilt dasselbe wie vorhin. 13. Nach Augustinus versteht sich manches, was man von Gott aussagt, nicht in einem substantiellen, sondern in einem relationalen Sinn.25 Dasjenige aber, was die göttliche Substanz bezeichnet, versteht sich in einem substantiellen Sinn. Demnach bezeichnet die Relation in der Gottheit nicht die Substanz, und somit gilt dasselbe wie oben. 14. Nach Augustinus26 ist Gott nicht aufgrund desselben Umstandes Gott, wie er Vater ist: Gott ist er aufgrund des göttlichen Wesens, Vater hingegen aufgrund der Vaterschaft. Demnach ist das Wesen nicht mit der Vaterschaft identisch. Somit sind die Relationen in Gott nicht mit der göttlichen Substanz identisch. Dagegen spricht: 1. In Gott ist alles Gott, wie Augustinus sagt.27 Nun ist die Relation ebenso in Gott wie die Vaterschaft im Vater. Demnach ist die Relation mit Gott selbst und der göttlichen Substanz identisch. 2. Jede Substanz, in der verschiedene Dinge liegen, ist zusammengesetzt. Nun liegen aber in der Person des Vaters die Vaterschaft und das [göttliche] Wesen. Wenn also die Vaterschaft und das göttliche Wesen zwei verschiedene Dinge wären, dann hieße dies, daß die Person des Vaters zusammengesetzt wäre. Dies ist jedoch offensichtlich falsch. Es kann also nur so sein, daß die Relation in der Gottheit mit der Substanz völlig identisch ist. 24 25 26 27

Aristoteles, Cat. 7; 6 a 36 f. Augustinus, De trin. V, 5 (CCSL 50, 210). Augustinus, De trin. VII, 6 (CCSL 50, 262). Augustinus, De trin. V, 5 (CCSL 50, 210).

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Antwort: Unter der Voraussetzung, daß es in der Gottheit Relationen gibt, muß man unweigerlich zu der Feststellung kommen, daß die Relationen mit der göttlichen Substanz identisch sind. Andernfalls wäre man zu der Annahme genötigt, daß Gott zusammengesetzt ist und daß die Relationen in der Gottheit Akzidentien sind. Denn alles, was einem Ding über dessen Substanz hinaus innewohnt, ist ein Akzidens. Genauso müßte man annehmen, daß es etwas gibt, was nicht mit Gottes Substanz identisch und gleichwohl ewig ist. All dies sind häretische Auffassungen. Damit dies auch einsichtig wird, ist Folgendes zu bedenken: Bei den neun Klassen der Akzidentien sind einige von ihnen gekennzeichnet durch das Merkmal eines Akzidens, und dieses Merkmal ist die Inhärenz. Deswegen halte ich all das, was durch seine Inhärenz in einem anderem gekennzeichnet ist, für etwas, das als ein Akzidens gekennzeichnet ist. Beispiele hierfür sind die Quantität und Qualität. So ist es ja das Kennzeichen der Quantität, daß sie demjenigen zugehört, an dem sie auftritt, und gleiches gilt von der Qualität. Die Relation hingegen ist nicht durch das Merkmal eines Akzidens gekennzeichnet. Denn ihr Kennzeichen ist es nicht, daß sie demjenigen zugehört, an dem sie auftritt, sondern daß sie sich auf etwas bezieht, was außerhalb davon liegt. Deswegen sagt auch Aristoteles, daß das Wissen im Sinne einer Relation nicht dem Wissenden zugehört, sondern dem, was gewußt werden kann.28 Manche, die bei den relationalen Ausdrücken die Art ihres Gehaltes ins Auge faßten, behaupteten daher, daß Relationen nicht an einen Träger gebunden sind, sondern von außen beigefügt sind. Die Relationen seien demnach eine Art Mittelglied zwischen dem in Bezug stehenden Träger und dem, worauf dieser sich beziehe. Und daraus folge, daß die Relationen beim Erschaffenen keine Akzidentien wären, da ja das Sein eines Akzidens in einem Sein an etwas bestehe. Diese Ansicht machten manche Theologen, namentlich Gilbert von Poitiers und seine Anhänger, sogar bei den Relationen in Gott geltend, indem sie behaupteten, daß die Relationen nicht mit den göttlichen Personen verbunden, sondern ihnen von außen bei28 Aristoteles, Met. V, 15; 1021 a 29–33.

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gefügt wären. Und da das göttliche Wesen in den Personen liege, so könnten die Relationen auch nicht mit dem göttlichen Wesen identisch sein. Da nämlich jedes Akzidens an einen Träger gebunden sei, so wären die Relationen auch keine Akzidentien. In diesem Sinne verstanden sie Augustinus’ vorhin angeführtes Diktum, daß die Relationen Gott weder substantiell noch akzidentell zukommen.29 Die Folge dieser Ansicht wäre jedoch, daß die Relation nichts Wirkliches wäre, sondern nur ein gedachtes Sein hätte. Denn alles, was wirklich ist, ist entweder eine Substanz oder ein Akzidens. Aus diesem Grund waren, wie Averroes berichtet, manche ältere Autoren der Ansicht, daß die Relationen zu einer Erkenntnis der zweiten Stufe gehörten.30 Damit waren auch Gilbert und die Seinen zu der Behauptung genötigt, daß die Relationen in Gott bloß gedankliche seien. Dann aber wäre es so, daß der Unterschied der göttlichen Personen kein wirklicher wäre – und dies ist eine häretische Ansicht. Somit ist Folgendes festzustellen: Etwas mag durchaus mit einem Träger verbunden sein und doch nicht als ein Akzidens gekennzeichnet sein. So ist z. B. eine Tätigkeit nicht dadurch gekennzeichnet, daß sie mit einer wirkenden Instanz verbunden ist, sondern daß sie von dieser Instanz ausgeht – und doch ist es so, daß diese Tätigkeit mit einer wirkenden Instanz verbunden ist. Ebenso ist eine Relation nicht dadurch gekennzeichnet, daß sie mit einem Träger verbunden ist, und doch ist es zwangsläufig so, daß sie mit einem Träger verbunden ist. Letzteres gilt dann, wenn die Relation eine wirkliche ist. Wenn sie hingegen eine bloß gedachte ist, dann ist sie nicht mit einem Träger verbunden. Wie daher die Relation beim Erschaffenen ein Akzidens darstellt, so muß die Relation in Gott mit der Substanz identisch sein. Denn alles in Gott ist mit der göttlichen Substanz identisch. Somit müssen die Relationen der Sache nach mit der göttlichen Substanz identisch sein. Gleichwohl weisen sie nicht den Modus der Substanz auf. Vielmehr gelten sie von Gott

29 Augustinus, De trin. V, 5 (CCSL 50, 210). 30 Averroes, In Met. XI, comm. 19 (Aristotelis opera cum Averrois

commentariis, Bd. VIII, fol. 306 rB).

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in anderer Weise als das, was man von Gott in einem substantiellen Sinn aussagt. Zu 1. Keine Substanz im kategorialen Sinn kann eine Relation sein. Denn sie ist ja als eine ganz bestimmte Kategorie festgelegt und grenzt sich dadurch von einer anderen Kategorie ab. Doch das göttliche Wesen fällt nicht unter die Kategorie der Substanz. Vielmehr ist sie über alle Kategorien erhaben und befaßt daher die Vollkommenheiten aller Kategorien in sich. So spricht auch nichts dagegen, daß sich in ihr die Merkmale der Relation finden. Zu 2. Die Substanz und die Relation betreffen einen je anderen Aspekt, und beide beziehen sich auf etwas Wirkliches in Gott. Doch dieses Wirkliche ist nicht etwas je anderes, sondern ein und dasselbe. Daß sich zwei Aspekte auf ein und dasselbe Wirkliche beziehen, ist besonders dann der Fall, wenn das Wesen jene Wirklichkeit in vollkommener Weise verkörpert. Zu 3. Zwar erbringt eine Relation keine wirkliche, sondern eine bloß gedachte Hinzufügung zum Wesen. Dennoch ist diese Relation etwas Wirkliches. So ist ja auch die Güte etwas Wirkliches in Gott, obwohl ihr Unterschied vom Wesen ein ausschließlich gedanklicher ist. Gleiches gilt von der Weisheit. Wie daher Gott das, was die Güte bzw. die Weisheit ausmacht, also z. B. Denken und dergleichen, wirklich zukommt, so liegt das, was für eine wirkliche Relation charakteristisch ist, also der Gegensatz und die Unterscheidung, auch wirklich in der Gottheit. Zu 4. Die wesentlichen Attribute bezeichnen nicht nur das göttliche Wesen, sondern sie tun dies auch auf eine entsprechende Weise: Sie zeigen an, daß das von ihnen Bedeutete in Gott auch existiert. Deshalb würde eine Unterscheidung von unbezüglichen Momenten in einen Unterschied im [göttlichen] Wesen münden. Die göttlichen Relationen hingegen bezeichnen zwar auch das göttliche Wesen, doch sie tun dies nicht auf eine Weise, die das Wesen tangiert: Sie zeigen nicht an, daß etwas nicht existiert, sondern daß sich etwas auf etwas anderes bezieht. Daher bedeutet die Unterscheidung, die sich in der Gottheit aus den Relationen ergibt, keinen Unterschied im Wesen. Sondern sie besagt einzig und allein, daß sich etwas auf etwas anderes als seinen Ursprung bezieht.

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Zu 5. Zwar ist die Relation mit der göttlichen Substanz identisch: Doch mit ihr ist, wie oben ausgeführt,31 kein Gehalt verbunden, der die Substanz tangiert. Deshalb sagt die Relation nichts über die Substanz aus, da ja eine Aussage über die Substanz zu einer Aussageweise gehört. Zu 6. Dieses Argument trifft auf Aussagen zu, bei denen etwas an sich prädiziert wird. An sich wird aber etwas von einem Ding prädiziert, wenn man etwas über dessen eigentümliche Natur aussagt. Wenn man jedoch nichts über die eigentümliche Natur, sondern eine reale Identität aussagt, dann wird hier auch nichts an sich prädiziert. Wenn man also sagt: »Das göttliche Wesen ist die Vaterschaft«, dann wird hier die Vaterschaft vom göttlichen Wesen nicht aufgrund ihrer begrifflichen, sondern aufgrund ihrer realen Identität prädiziert. Das gleiche ist der Fall, wenn das göttliche Wesen von der Vaterschaft prädiziert wird. Denn das Wesen und die Relation sind, wie bereits ausgeführt, begrifflich verschieden. So kommt es also bei diesem Argument zu einem Fehlschluß von einem Akzidens aus: In Gott ist zwar kein Akzidens, doch aber so etwas wie ein Akzidens. Denn Dinge, die sich im Hinblick auf ihre Akzidentien wechselweise voneinander prädizieren lassen und dabei begrifflich verschieden sind, sind der Substanz nach identisch. Zu 7. Wie Aristoteles im 3. Buch seiner Physik bemerkt,32 müssen Dinge, die auf eine beliebige Art miteinander identisch sind, nicht unbedingt identische Prädikate haben. Vielmehr gilt dies nur für diejenigen Dinge, die vom Begriff her miteinander identisch sind. Nun sind aber das göttliche Wesen und die Vaterschaft der Sache nach identisch, nicht aber ihrem Begriff nach. Daher muß es nicht unbedingt so sein, daß alle Prädikate von jenem auch von dieser ausgesagt werden. Man sollte sich aber bewußt halten, daß es bestimmte Merkmale sind, die mit dem spezifischen Begriff des Wesens bzw. mit demjenigen der Relation verbunden sind. So ergibt sich z. B. das allgemein verbindende Sein aus dem Wesen und eine Unterscheidung aus der Relation. Das eine hebt hier also das andere auf, denn weder er31 Vgl. q. 8 a. 2 c. 32 Aristoteles, Phys. III, 3; 202 b 14–16.

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bringt das Wesen eine Unterscheidung, noch hat die Relation etwas allgemein Verbindendes. Manche Merkmale aber bringen – zwar nicht für den hauptsächlich zum Ausdruck gebrachten Sachverhalt, doch aber durch die Art des sprachlichen Ausdrucks – einen Unterschied gegenüber dem Begriff des Wesens bzw. der Relation mit sich. Diese Merkmale lassen sich, wenn auch nicht im eigentlichen Sinn, vom Wesen und von der Relation prädizieren. Dazu gehören Adjektive und Verbalsubstantive wie »gut«, »weise«, »Denken« und »Wollen«. Was den hierbei zum Ausdruck gebrachten Gegenstand angeht, so bezeichnen diese Ausdrücke das Wesen selbst. Doch fassen sie das Wesen sprachlich als etwas Substrathaftes und nicht als etwas schlichtweg für sich Bestehendes. Deswegen sagt man »gut«, »weise«, »schöpferisch tätig« und dergleichen im ganz eigentlichen Sinn von den göttlichen Personen und den konkreten Wesensnamen wie »Gott« oder »Vater« aus. Vom Wesen – nicht als Substrat verstanden, sondern als etwas schlichtweg für sich Bestehendes – kann man sie im uneigentlichen Sinn aussagen. Noch weniger aber lassen sie sich von den Relationen aussagen. Denn diese Prädikate kommen einem Träger aufgrund seines Wesens zu und nicht aufgrund einer Relation. Gott ist ja gut oder schöpferisch tätig, weil er ein Wesen besitzt und nicht weil er eine Relation aufweist. Zu 8. Das, was eine Unterscheidung ermöglicht, kann sachlich, nicht aber begrifflich mit dem identisch sein, was weder Unterscheidung erbringt noch eine zuläßt. Zu 9. Die Einheit des Wesens steht in keinem Gegensatz zur Unterschiedenheit der Relationen. Daher läßt sich nicht sagen, daß das Wesen und die Relation einen Gegensatz aufmachen. Zu 10. Bei allem, was sachlich und begrifflich miteinander identisch ist, ist es zwangsläufig so, daß das eine überall dort auftritt, wo das andere vorliegt. Dies gilt jedoch nicht unbedingt bei dem, was zwar sachlich, nicht aber begrifflich miteinander identisch ist. So ist z. B. ein Augenblick identisch mit dem Anfangspunkt des Zukünftigen und mit dem Schlußpunkt des Vergangenen. Und doch kann man hier nicht sagen, daß der Anfangspunkt des Zukünftigen in der Vergangenheit liege, sondern nur, daß das, was der Anfangspunkt des Zukünftigen ist, in der Vergangenheit liegt. Genauso kann man

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nicht sagen, daß die Vaterschaft im Sohn liegt, sondern nur, daß das, was die Vaterschaft ist, also das Wesen, im Sohn liegt. Zu 11. In Gott gibt es kein anderes Sein als das Wesen, genauso wie es dort kein anderes Erkennen gibt als den [göttlichen] Intellekt. Deshalb gibt es in Gott nur Ein Erkennen wie auch nur Ein Sein. Daher kann man in keiner Weise einräumen, daß in Gott das Sein der Relation verschieden wäre vom Sein des Wesens. Ein Begriff hingegen bezeichnet nicht das Sein [einer Sache], sondern das Wassein, also das, was etwas ist. Daher zeugen zwei Begriffe für ein und dieselbe Sache nicht von ihrem zweifachen Sein, sondern davon, daß man auf zweifache Weise angeben kann, was jene Sache ist. So kann man z. B. bei einen Punkt angeben, was er als ein Anfang und was er als ein Ende ist, und dies weil der Begriff des Anfangs und der Begriff des Endes verschieden sind. Zu 12. Insofern bei den Geschöpfen die Relation ein Akzidens ist, so ist hier das Sein der Relation ein Sein an etwas. Daher besteht ihr Sein auch nicht darin, sich auf etwas anderes zu beziehen. Doch als Relation betrachtet, besteht ihr Sein in einem solchen Bezug auf anderes. Zu 13. Relationale Prädikate betreffen nicht die göttliche Substanz, da sie nichts zum Ausdruck bringen, was in einer Substanz wirklich ist, sondern eine Ausrichtung auf etwas anderes hin. Und doch heißt dies nicht, daß das, was sie bezeichnen, nicht die Substanz wäre. Zu 14. Gott bezeichnet man nicht auf dieselbe Weise als Gott und als Vater. Dies liegt, wie vorhin gezeigt, an der unterschiedlichen Art, in der man mit »Göttlichkeit« und mit »Vaterschaft« etwas zum Ausdruck bringt.

3. Artik el Die dritte Frage lautet: Sind es die Relationen, die die Personen bzw. Hypostasen und deren Unterschiedenheit konstituieren? 33 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Augustinus sagt: »Jedes Ding, das sich als etwas Relationales versteht, ist noch etwas anderes, wenn man von seiner Relationalität absieht. So ist z. B. der Herr auch noch Mensch und der Sklave ebenso.«34 Nun verstehen sich die Personen in der Gottheit als etwas Relationales. Daher sind sie noch etwas anderes, wenn man ihre Relationalität beiseite läßt. Und so sind die Relationen nicht konstitutiv für sie. Denn kein Ding kann noch etwas anderes sein, wenn man das beiseite läßt, was konstitutiv für es ist. 2. Dazu läßt sich sagen: Wenn man den Bedeutungsgehalt von Vaterschaft beiseite läßt, dann ist in Gott der Vater. – Dem ist zu erwidern: Es ist klar, daß »Vater« ebenfalls einen relationalen Sinn hat. Wenn es also neben der Vaterschaft, die ja etwas Relationales ist, noch etwas anderes in dieser [göttlichen] Person geben sollte, dann müßte man mit gleichem Recht neben dem Gehalt von »Vater« noch etwas anderes in dieser Person annehmen, was keinen relationalen Sinn hat.35 3. An der gerade angeführten Stelle bemerkt Augustinus, daß man gar nicht glauben braucht, man könne die Aussagen über den Vater nur auf diesen selbst beziehen. Vielmehr sagt man alles, was man über ihn aussagt, auch in Beziehung auf den Sohn aus.36 Somit ergibt sich das gleiche wie vorhin. 4. Dazu läßt sich nun sagen: Läßt man einmal die Relation beiseite, dann ist das Wesen des Vaters identisch mit dem [göttlichen] Wesen. – Dem ist zu erwidern: Alles, was außer der Relation noch in einem Ding ist, bezieht sich dank dieser Relation auf etwas anderes. Dies zeigt sich ja an den Beispielen, die Augustinus hier liefert. 33 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 30 a. 4; q. 40 a. 2. ScG IV, 24. De pot. q. 9 a. 4 ad 15. Sent. I, d. 26 q. 2 a. 2. Quodl. q. 4 a. 2. 34 Augustinus, De trin. VII, 1 (CCSL 50, 247). 35 quod relative dicatur M : quod non relative dicatur L 36 Augustinus, De trin. VII, 1 (CCSL 50, 247).

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Denn dank des relationalen »Herr« hat ein Mensch einen Bezug auf einen Sklaven. Doch das göttliche Wesen steht in keinem Bezug. Denn es zeugt weder, noch ist es gezeugt. So etwas kann man also nicht vom Wesen sagen, sondern nur vom Träger einer Relation, denn auf diesen trifft es zu, daß er zeugt bzw. gezeugt ist. 5. Jedes Ding betrachtet man zunächst an sich selbst, bevor man es zu etwas anderem in Beziehung setzt. Denn für kein Ding ist das grundlegend, was man an ihm erst in der Folge erkennt. Demnach ist für die Hypostase des Vaters auch keine Relation konstitutiv, mit der er sich auf etwas anderes bezieht. 6. Die Hypostasen in Gott sind vollkommener als bei uns Menschen. Bei uns Menschen sind nun die eigentümlichen Merkmale nicht konstitutiv für die Einzelwesen und für deren Unterschiedenheit. Vielmehr sind diese Merkmale Anzeichen für die Unterschiedenheit bereits bestehender Einzelwesen. Demnach sind auch in der Gottheit die Relationen, die ja eigentümliche Merkmale sind, nicht konstitutiv für die Hypostasen und deren Unterschiedenheit. 7. Dem Begriff nach geht die zeugende Hypostase der Zeugung voran, da der Zeugende als der Ursprung für die Zeugung gelten kann; und die Zeugung wiederum geht dem Begriff nach der Vaterschaft voran. Denn relationale Bezüge, so heißt es im 5. Buch der Metaphysik, sind eine Folgeerscheinung von Aktivität und Passivität.37 Demnach geht die Hypostase des Vaters dem Begriff nach der Vaterschaft voran, und damit ist für diese Hypostase die Vaterschaft ebensowenig konstitutiv wie die Sohnschaft für die Hypostase des Sohnes. 8. Eine Form besitzt nur innerhalb ihres Genus eine konstitutive und unterscheidende Funktion. So ist z. B. die Farbe Weiß konstitutiv für etwas Weißes und dafür verantwortlich, daß sich dieses Weiße qualitativ von etwas Schwarzem unterscheidet. Genauso konstituiert und unterscheidet das Längenmaß ein Ding in quantitativer Hinsicht. Somit besitzt auch die Relation nur innerhalb des Genus des Relationalen eine konstitutive und unterscheidende Funktion. Doch eine Hypostase gehört zum Genus der Substanzen. Demnach

37 Aristoteles, Met. V, 15; 1021 a 14 ff.

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hat die Relation keine konstitutive und unterscheidende Funktion für eine Hypostase. 9. In der Gottheit ist die Relation mit dem göttlichen Wesen identisch. Angenommen also, die Relation ist für eine Hypostase und deren Unterschiedenheit konstitutiv, dann beruht dies entweder darauf, daß die Relation die göttliche Substanz ist, oder darauf, daß sie Relation ist. Das erstere kann nun nicht der Fall sein. Denn da das göttliche Wesen allen drei Personen gemeinsam ist, so kann es auch nicht das Prinzip für deren Unterschiedenheit sein. Ebensowenig ist das letztere der Fall. Denn als relational kann man nichts bezeichnen, was für sich Bestand hat – dies kommt vielmehr mit dem Wort »Hypostase« zum Ausdruck –, sondern nur etwas Bezügliches läßt sich als relational bezeichnen. Demnach ist die Relation überhaupt nicht für eine Hypostase und für deren Unterschiedenheit konstitutiv. 10. In der Gottheit gibt es nichts, was sich selbst konstituieren und an sich selbst unterscheiden würde. Nun sind hier die Relationen identisch mit den Hypostasen. Denn wie sich die Göttlichkeit nicht von Gott unterscheidet, so ist dies auch nicht bei der Vaterschaft und dem Vater der Fall. Demnach sind die Relationen weder für die Hypostasen noch für deren Unterschiedenheit konstitutiv. 11. Man kann zwei Dinge nur dann daraufhin untersuchen, worin sie sich unterscheiden, wenn sie auch etwas gemeinsam haben, das sich aufgrund eines zusätzlichen Merkmals in den beiden Dingen verschieden ausnimmt. So sind z. B. Mensch und Pferd beide Lebewesen. Doch diese Lebewesen unterscheiden sich durch das zusätzliche Merkmal der Vernünftigkeit und Nicht-Vernünftigkeit. Dies ist der Grund, warum wir fragen können, wodurch sich der Mensch vom Pferd unterscheidet. Dinge hingegen, die keine Gemeinsamkeit miteinander haben, an der sich dann ein Unterschied der gerade genannten Art zeigen könnte, unterscheiden sich an sich selbst und nicht aufgrund eines Unterscheidungsmerkmals. Nun haben zwei Hypostasen in der Gottheit nichts gemeinsam außer das göttliche Wesen, welches sich durch überhaupt keine Relation unterscheiden läßt. Demnach kann keine Rede davon sein, daß sich die Hypostasen durch die Relationen unterscheiden, sondern nur davon, daß sie sich an sich selbst unterscheiden.

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12. Kein Ding ist die Ursache für seine Voraussetzung. Nun setzt die Relation eine Unterschiedenheit voraus. Denn dank einer Relation bezieht sich ein Ding auf etwas anderes. Andersheit impliziert aber Unterschiedenheit. Daher kann eine Relation nicht das Prinzip für eine Unterschiedenheit sein. 13. Richard von St. Viktor sagt, daß sich bei den Engeln die Einzelwesen nur qualitativ unterscheiden, während die Hypostasen in der Gottheit nur einen Unterschied im Hinblick auf den Ursprung kennen.38 Nun besteht ein begrifflicher Unterschied zwischen Ursprung und Relation, so wie er zwischen Zeugung und Vaterschaft besteht. Demnach unterscheiden sich die göttlichen Hypostasen nicht durch Relationen, sondern durch den Ursprung. 14. Johannes von Damaskus zufolge unterscheiden sich die göttlichen Hypostasen durch ihre charakteristischen Merkmale.39 Nun ist es, so Augustinus, ein für den Vater charakteristisches Merkmal, den Sohn gezeugt zu haben, und ein für den Sohn charakteristisches Merkmal, aus dem Vater geboren zu sein.40 Somit unterscheiden sich Vater und Sohn durch Zeugung und Geburt. Diese beiden Merkmale verweisen aber auf den Ursprung. Und so unterscheiden sich Vater und Sohn nicht mittels einer Relation, sondern im Hinblick auf ihren Ursprung. 15. Es gibt manche Relationen in der Gottheit, die weder für die Hypostasen noch für deren Unterschied konstitutiv sind, so etwa die Relation der Gleichheit und der Ähnlichkeit. Demnach sind auch die anderen Relationen, wie etwa die Vaterschaft und Sohnschaft, nicht konstitutiv für eine Hypostase und deren Unterschiedenheit. Dagegen spricht: 1. Boethius sagt, daß es ausschließlich die Relation ist, die zur Dreiheit vervielfacht.41 Für diese trinitarische Vielheit sind aber die 38 Richard von St. Viktor, De trin. IV, 15 (SC 63, 260). 39 Vgl. Johannes Damascenus, De fide othodoxa, Kap.8, 11 (ed. Buy-

taert, 40). 40 Ps.-Augustinus (= Fulgentius von Ruspe), De fide ad Petrum, 53 [regula VII/VIII], (CCSL 90, 747). 41 Boethius, De trin. VI, 7–9 (ed. Elsässer, 24).

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bereits bestehenden und unterschiedlichen Hypostasen konstitutiv. Demnach ist es ausschließlich die Relation, die die Personen bzw. Hypostasen und deren Unterschiedenheit konstituiert. 2. Die Dinge unterscheiden sich einzig durch das, was nicht von ihnen gemeinsam aussagbar ist. Nun werden Augustinus zufolge einzig die relationalen Prädikate einzeln und nicht allgemein von den göttlichen Personen ausgesagt.42 Also unterscheiden sich die Personen bzw. Hypostasen in der Gottheit einzig aufgrund der Relationen. Antwort: In dieser Frage gibt es zwei Auffassungen. Nach der ersten Auffassung sind die Relationen in der Gottheit nicht konstitutiv für die Hypostasen und deren Unterschiedenheit. Vielmehr veranschaulichen sie die bereits bestehenden und unterschiedenen Hypostasen. (A) Damit dies auch einsichtig wird, muß man sich Folgendes bewußt machen: Das Wort »Hypostase« bezeichnet eine individuelle Substanz, also etwas, was nicht als Prädikat von mehreren Dingen fungieren kann. Daher können die generischen und artspezifischen Bestimmungen innerhalb der Kategorie der Substanz, also z. B. Mensch und Lebewesen, auch nicht als Hypostasen gelten, da sie ja als Prädikat von mehreren Dingen fungieren können. Dagegen gelten Sokrates und Platon als Hypostasen, da man sie ausschließlich für jemanden ganz Bestimmten verwendet. Wenn man daher in der Gottheit keine Dreieinigkeit der Personen annehmen würde, so wie dies die Juden und andere Nichtchristen tun, dann erübrigte sich die Frage nach dem, was für eine Hypostase und deren Unterschiedenheit konstitutiv ist, und die Untersuchung würde sich einzig auf das göttliche Wesen richten. Gott ist nämlich aufgrund seines Wesens etwas in sich Ununterschiedenes und von allem, was nicht Gott ist, unterschieden. Weil aber der katholische Glaube ein einziges Wesen in drei Personen lehrt, so läßt sich das göttliche Wesen nicht als diejenige Instanz begreifen, die für die Hypostasen und deren Unterschiedenheit konstitutiv ist. Denn die Göttlichkeit läßt sich als das begreifen, 42 Augustinus, De trin. V, 8 (CCSL 50, 215).

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was Gott zu Gott macht, und dies ist allen drei Personen gemeinsam. Das, was mit ihr zum Ausdruck kommt, erstreckt sich somit auf mehreres und beschränkt sich nicht auf eine einzige Hypostase. Mit gleichem Recht läßt sich all das, was man von Gott als solchem aussagt, nicht als etwas begreifen, was für das einzelne Sein der Personen und für deren Unterschiedenheit konstitutiv ist. Denn das, was man von Gott als solchem aussagt, meint etwas, was mit seinem Wesen zu tun hat. So muß also das, was für eine Hypostase in der Gottheit und ihre Unterschiedenheit konstitutiv ist, etwas sein, das in erster Linie nicht von mehrerem gilt, sondern nur auf ein einzelnes zutrifft. Diese Bedingung erfüllen nur zwei Dinge, und dies sind Relation und Ursprung, Zeugung und Vaterschaft (bzw. Geburt und Sohnschaft). Diese sind zwar der Sache nach in Gott miteinander identisch, sie unterscheiden sich aber begrifflich und in der Ausdruckweise voneinander. Dem Begriff nach nimmt der Ursprung die erste Stelle unter ihnen ein, da sich ja eine Relation offensichtlich erst mit dem Ursprung einstellt.43 Deswegen geht diese Auffassung davon aus, daß die Hypostasen in der Gottheit durch den Ursprung konstituiert und unterschieden werden. Dies wird zum Ausdruck gebracht, wenn man sagt: ›A stammt von B her‹ bzw. ›Von B stammt A her‹. Zudem nimmt diese Auffassung an, daß die Relation der Vater- und der Sohnschaft dem Begriff nach auf die Konstituierung und Unterscheidung der Personen folgt und daß diese Relationen die bereits bestehenden und unterschiedenen Hypostasen veranschaulichen. Denn durch den Umstand, daß man vom Vater spricht, kommt zum Vorschein, daß von ihm ein anderer herstammt; und durch den Umstand, daß man vom Sohn spricht, kommt zum Vorschein, daß er von einem anderen herstammt. Gleichwohl folgt aus dieser Ansicht nicht zwangsläufig, daß die göttlichen Hypostasen, wenn sie sich nicht aufgrund von Relationen unterscheiden, sich dann aufgrund von etwas unterscheiden, was unbezüglich ist. Denn ein Ursprung bringt eine Relation mit sich. Wie man nämlich von einem Vater nur im Hinblick auf seinen

43 Gemeint ist also: Ein Ursprung ist immer ›Ursprung von …‹.

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Sohn spricht, so tut man dies bei einem Zeugenden im Hinblick auf den von ihm Gezeugten. (B) Allerdings ist diese Auffassung offensichtlich nur ungenügend begründet. Denn das, was eine Hypostase und ihre Unterschiedenheit konstituiert, kann zweierlei meinen. Zum einen kann damit diejenige Instanz gemeint sein, wodurch sich etwas formal unterscheidet und konstituiert. So ist z. B. für einen Menschen die menschliche Form und für Sokrates die Sokrates-Form44 konstitutiv. Zum anderen kann damit sozusagen der Weg gemeint sein, auf dem sich etwas konstituiert und unterscheidet. So könnte man z. B. sagen, daß Sokrates dank seiner Entstehung ein Mensch ist und diese der Weg zu derjenigen Form ist, welche für ihn formal konstitutiv ist. Es ist damit klar, daß der Ursprung von einem Ding nicht als diejenige Instanz gelten kann, die für dieses Ding und seine Unterschiedenheit konstitutiv ist, bzw. allenfalls noch im Hinblick auf das, was für jenes Ding und seine Unterschiedenheit formal konstitutiv ist. Denn wenn die menschliche Form nicht über einen Entstehungsprozeß ins Dasein gelangen würde, dann hätte sich kein Mensch je über einen Entstehungsprozeß gebildet. Man kann also unmöglich behaupten, daß für die Hypostase des Sohnes sein Geborensein konstitutiv ist, bzw. höchstens insofern behaupten, als man sich bewußt hält, daß sein Geborensein auf etwas hinzielt, was für den Sohn formal konstitutiv ist. Die Relation, worauf das Geborensein abzielt, ist die Sohnschaft. Es muß also so sein, daß die Sohnschaft formal die Hypostase des Sohnes und ihre Unterschiedenheit konstituiert, und dies im Gegensatz zum Ursprung und der Relation, die der Ursprung impliziert. Denn sowohl die im Ursprung implizierte Relation als auch der Ursprung selbst meinen nicht etwas, was bereits in seiner Natur besteht, sondern etwas, was in seine Natur gelangen will. Da zudem bei allen wesenseinen Hypostasen der Grund für ihre Konstitution und Unterscheidung derselbe ist, so muß man auch angesichts des Vaters zu der Einsicht kommen, daß für die Hypostase des Vaters und ihre Unterschiedenheit die Vaterschaft konstitutiv ist und nicht die aktive Zeugung oder die damit implizierte Relation. 44 Übersetzung von »Socrateitas«.

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Darin besteht nun die zweite Auffassung: daß nämlich die Relationen für die Personen bzw. die Hypostasen und deren Unterschiedenheit konstitutiv sind. Dies kann folgendermaßen einsichtig gemacht werden: Wie bereits erwiesen, ist die Vaterschaft mit dem göttlichen Wesen selbst identisch; und mit gleichem Recht ist auch der Vater identisch mit dem, was Gott ist. Wenn also die Vaterschaft den Vater konstituiert, dann konstituiert sie damit auch Gott. Wie die Vaterschaft zwar mit dem göttlichen Wesen identisch ist und doch anders als das Wesen nicht allen gemeinsam ist, so ist auch der Vater eben das, was Gott ist, und doch nicht allen so gemeinsam wie Gott, sondern etwas Eigenes. Gottvater hat also als Gott die verbindende göttliche Natur, als Vater hingegen ist er etwas Eigenes, das von den anderen [Personen] unterschieden ist. Aus diesem Grund ist der Vater eine Hypostase, was besagt, daß er in einer Natur subsistiert und von den anderen unterschieden ist. Auf diese Weise konstituiert die Vaterschaft den Vater und ineins damit diese Hypostase. Zu 1. Die Personen sind noch etwas, wenn man ihre Relationalität beiseite läßt, und dieses Etwas ist das Wesen, mit dem kein relationaler Sinn verbunden ist. Dies ist es, was Augustinus hier meint, was seine Worte, sorgsam bedacht, auch zu verstehen geben. Zu 2./3. Daher lassen wir diese Argumente gelten. Zu 4. Auch wenn die Relation kein Attribut ist, das man wie eine Form vom göttlichen Wesen aussagt, so ist sie doch ein Attribut, das die Identität mit dem Wesen zum Ausdruck bringt. Dann während nicht davon die Rede sein kann, daß das Wesen zeugend tätig ist oder sich auf etwas bezieht, so kann man sehr wohl sagen, daß das Wesen identisch mit der Zeugung und der Relation ist. Die Wesensnamen [für Gott] ermöglichen zwar keine Unterscheidung [der Personen], doch kann man mit diesen Wesensnamen relationale Ausdrücke verbinden, wenn diese Wesensnamen so verwendet werden, daß sie auch eine bestimmte Person meinen. Hierbei kann sogar die Verleihung einer Form zum Ausdruck kommen. Denn wir sprechen ja davon, daß Gott Gott zeugt und daß sich Gott auf Gott bezieht, und zwar deswegen, weil man, wie aufgezeigt, für die Relation und für das Wesen eine identische Grundlage denken muß. Läßt man

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also die relationalen Ausdrücke beiseite, dann ermöglichen die Wesensnamen, auch wenn sie eine bestimmte Person meinen, nicht deren Unterscheidung. Einen relationalen Sinn erhalten sie aufgrund der Relationen. Zu 5. Bei jeder Hypostase gibt es etwas, was einen unbezüglichen Sinn hat und mit dem Wesen zu tun hat. Bei unserer Art des Begreifens geht dieses Wesentliche dem voran, was in der Gottheit eine relationale Bedeutung hat. Was wir aber als unbezüglich, da allen Personen zugehörig, begreifen, das hat mit der Unterscheidung der Personen nichts zu tun. Daher kann nicht gefolgert werden, daß man zuerst eine Hypostase in ihrer Unterschiedenheit erkennt und dann deren Relation. Zu 6. Bei den niederen Dingen unterscheiden sich die Einzelwesen aufgrund ihres Wesens. Deswegen können hier die ganz spezifischen Merkmale, die sich aus dem Wesen ergeben, nicht das Prinzip für die Unterschiedenheit sein. Sondern diese Merkmale sind eher Anzeichen für eine Unterschiedenheit. Die göttlichen Hypostasen hingegen unterscheiden sich auf keinen Fall aufgrund ihres Wesens. Von daher sind bei ihnen die ganz charakteristischen Merkmale auch das Prinzip für ihre Unterschiedenheit. Zu 7. Für eine Hypostase sind zwei charakteristische Merkmale unabdingbar: Erstens muß sie für sich bestehen und in sich ungeteilt sein. Zweitens muß sie von den anderen Hypostasen unterschieden sein, welche dieselbe Natur wie sie besitzen. Der gelegentliche Umstand, daß es von ein und derselben Natur nicht mehrere Hypostasen gibt, tut einer Hypostase allerdings keinen Abbruch, wie etwa in Adams Fall, wo es damals ja auch keine weiteren Hypostasen von der menschlichen Natur gab. Die Vorgängigkeit einer zeugenden Hypostase gegenüber dem Akt ihrer Fortzeugung müssen wir uns also stets unter dem Aspekt denken, daß diese Hypostase für sich als einzelne besteht, nicht aber unter dem Aspekt, daß diese Hypostase von weiteren Hypostasen mit derselben Natur unterschieden ist. Dies gilt ausschließlich für die Fälle, wo durch solch eine Art von Fortzeugung weitere Hypostasen mit derselben Natur entstehen. Auch Adam war ja noch nicht von weiteren Hypostasen mit derselben [menschlichen] Natur unterschieden, bevor seine Frau aus seiner Rippe geformt war und seine Kinder geboren wa-

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ren. In der Gottheit vervielfältigen sich aber die Hypostasen einzig und allein dadurch, daß die anderen Personen aus einer Person hervorgehen. Daher müssen wir uns die Vorgängigkeit der Hypostase des Vaters gegenüber dem Akt ihrer Fortzeugung unter dem Aspekt denken, daß diese Hypostase für sich besteht, nicht aber unter dem Aspekt, daß sie von den anderen Hypostasen mit demselben [göttlichen] Wesen unterschieden ist. Denn der Hervorgang dieser anderen Hypostasen wird ja nur möglich unter der Voraussetzung jener Fortzeugung [der Hypostase des Vaters]. Auch wenn daher die Relationen in der Gottheit konstitutiv für die Hypostasen sind und insofern deren Bestehen ermöglichen, so tun sie dies nur, insofern sie mit dem göttlichen Wesen identisch sind. Denn eine Relation als Relation ist nicht dazu in der Lage, daß sie für sich besteht bzw. daß sie solch ein Bestehen ermöglicht − so etwas kommt ausschließlich einer Substanz zu. Die Relationen als Relationen ermöglichen vielmehr eine Unterscheidung, denn sie spannen ja als solche ein Gegensatzverhältnis auf. Dies läßt nun folgenden Schluß zu: Insofern die Relation der Vaterschaft konstitutiv für die Hypostase des Vaters ist − und dies ist sie, insofern sie mit der göttlichen Substanz identisch ist −, kann diese Relation gegenüber der Fortzeugung als vorgängig gedacht werden. Insofern aber diese Relation eine Unterscheidung [der göttlichen Personen] ermöglicht, kann die Zeugung gegenüber der Vaterschaft als vorgängig gedacht werden. Im Hinblick auf Gottsohn gibt es keine weiteren Erklärungsnöte: Denn die Geburt geht in logischer Hinsicht der Hypostase des Geborenen voraus, da sich ja die Geburt als der Weg hin zu dieser Hypostase versteht. Denn das Entstehen ist der Weg hin zur Substanz. Zu 8. Wie bereits ausgeführt, ist die Relation in der Gottheit nicht bloß eine Relation, sondern sie ist der Sache nach eben das göttliche Wesen selbst. Daher kann sie dort auch für etwas Substantielles und nicht nur für etwas Relationales konstitutiv sein. Zu 9. Die Relation erbringt, wie gesagt, eine Unterscheidung der Hypostasen, insofern sie Relation ist. Insofern sie aber mit dem göttlichen Wesen identisch ist, konstituiert sie eine Hypostase. Beides aber konstituiert sie, insofern sie das göttliche Wesen und eine Relation ist.

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Zu 10. Zwischen einem abstrakt gefaßten und einem konkret gefaßten Sachverhalt besteht in der Gottheit kein sachlicher Unterschied. Denn in Gott gibt es ja kein Akzidens und keine Materie. Allenfalls gibt es hier einen Unterschied in der Art, wie dieser Sachverhalt sprachlich umgesetzt wird. An dieser Art liegt es, daß wir uns die Göttlichkeit als etwas denken, was für Gott konstitutiv ist, und daß wir Gott als den Inhaber der Göttlichkeit denken. Ähnlich liegt der Fall bei ›Vaterschaft‹ und ›Vater‹. Denn die beiden sind zwar der Sache nach identisch, sie unterscheiden sich aber in der Art, wie sie einen Sachverhalt sprachlich umsetzen. Zu 11. Der Sache nach gründet jede Gemeinsamkeit in der Gottheit einzig und allein in der Einheit des [göttlichen] Wesens. Gleichwohl läßt sich eine Gemeinsamkeit bei den göttlichen Personen auch noch dahingehend denken, daß jede dieser Personen ein Träger des [göttlichen] Wesens ist. Diese Gemeinsamkeit kommt mit allen bestimmten Ausdrücken für das Wesen zur Sprache, welche das Sein eines Trägers im allgemeinen bestimmen. Beispiel hierfür ist: »Gott ist einer, der Göttlichkeit besitzt.« Diese gedanklich faßbare Gemeinsamkeit, daß die drei Personen Träger des göttlichen Wesens sind, kommt ihnen dreien zu, und dies, obwohl sie nicht ein einziger, sondern drei Träger sind. So sind ja etwa auch Platon und Sokrates zwei Menschen, und dies, obwohl ihnen das Menschsein dem Begriff nach gemeinsam ist. Ein Unterschied kommt aber nicht nur bei den Dingen in Frage, die eine wirkliche Gemeinsamkeit aufweisen, sondern auch bei den Dingen, bei denen sich eine Gemeinsamkeit nur gedanklich feststellen läßt. Zu 12. Eine Relation setzt eine Unterschiedenheit in den anderen Kategorien, z. B. einen Unterschied in der Substanz und Qualität, manchmal auch in Aktivität und Rezeptivität, voraus. Hingegen setzt eine Relation einen relationalen Unterschied nicht voraus, sondern erbringt ihn erst. Im Beispiel gesprochen: Das relationale Verhältnis von ›doppelt‹ [und ›halb‹] setzt den quantitativen Unterschied von ›groß‹ und ›klein‹ voraus. Doch der Unterschied, der zwischen ›doppelt‹ und ›halb‹ besteht, ist keine Voraussetzung für jenes relationale Verhältnis, dieser Unterschied wird mit jenem Verhältnis erst erbracht. In der Gottheit gibt es aber keine anderen Unterschiede als die, die auf einem relationalen Verhältnis beruhen.

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Zu 13. Daß der Unterschied der Hypostasen voneinander in ihrem Ursprung liegt, meint für Richard, daß sich dieser Unterschied als das relationale Verhältnis im Hinblick auf den Ursprung darstellt. Zu 14. Augustinus versteht unter der Wendung »zeugte den Sohn« dasselbe wie »ist Vater«. Deswegen spricht er zuweilen vom ›Ursprung‹ im Sinne von ›Relation‹. Zu 15. Die Relation der Ähnlichkeit und der Gleichheit können keinen Unterschied der Personen erbringen, ihre Unterschiedenheit ist vielmehr eine Voraussetzung für diese Relationen. Ähnlichkeit meint ja die Identität in einer Qualität bei Dingen, die sich unterscheiden, und Gleichheit meint eine Identität in quantitativer Hinsicht bei verschiedenen Dingen.45 Somit ist klar, daß die Unterschiedenheit von Trägern die Voraussetzung für ihre Gleichheit und ihre Ähnlichkeit ist.

4. Artik el Die vierte Frage lautet: Bleibt eine Hypostase in der Gottheit bestehen, wenn man sich ihre Relation wegdenkt? 46 Dies scheint der Fall zu sein; denn: 1. Alles, was sich am Erschaffenen findet, ist dem nachgebildet, was in Gott ist. Wenn man sich nun bei einer menschlichen Hypostase deren Relationen und Eigentümlichkeiten wegdenkt, dann bleibt diese Hypostase weiterhin bestehen. Folglich gilt das Gleiche im Fall von Gott. 2. Es liegt nicht an demselben Umstand, daß Gottvater jemand Bestimmter ist und daß er der Vater ist. Denn auch Gottsohn ist jemand Bestimmter und doch nicht der Vater. Wenn man also an Gottvater außer Betracht läßt, daß er der Vater ist, dann ist er immer noch jemand Bestimmter. Nun ist aber Gottvater jemand Bestimmter, insofern er eine Hypostase darstellt. Wenn man sich also

45 Vgl. Aristoteles, Met. V, 15; 1020 b 26 ff. 46 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 40 a. 3. Sent. I, d. 26 q. 1 a. 2. Comp.

theol. 61.

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die Vaterschaft wegdenkt, dann bleibt Gottvater immer noch eine Hypostase. 3. Jedes Ding wird vermittels seiner Definition begrifflich erfaßt. Daher läßt sich ein Ding auch dann erfassen, wenn dasjenige außer Betracht bleibt, was nicht zu seiner Definition gehört. Nun gehört eine Relation nicht zur Definition einer Hypostase. Demnach kann man eine Hypostase erfassen, wenn man ihre Relation außer Betracht läßt. 4. Die Juden und andere Nichtchristen47 erkennen Gott eine Hypostase zu. Denn sie sehen Gott als ein für sich selbst bestehendes Wesen an. Doch die Vaterschaft, die Sohnschaft und dergleichen Relationen erkennen sie Gott nicht zu. Läßt man also diese Relationen außer Betracht, dann bleiben die Hypostasen davon unberührt in der Gottheit bestehen. 5. Dasjenige, dem etwas hinzugefügt wird, bleibt davon unberührt, wenn diese Hinzufügung wieder zurückgenommen wird. Im Beispiel gesprochen: ›Mensch‹ fügt ›Lebewesen‹ die Bestimmung des Vernunftbegabten hinzu. Denn der Mensch ist ja ein vernunftbegabtes Lebewesen. Nimmt man daher die Bestimmung des Vernunftbegabten zurück, dann bleibt immer noch ›Lebewesen‹. Nun fügt ›Person‹ zu ›Hypostase‹ eine eigentümliche Bestimmung hinzu. Denn eine Person ist eine Hypostase, deren Unterscheidungsmerkmal in einer eigentümlichen Bestimmung liegt, welche mit Würde zu tun hat.48 Denkt man sich also diese eigentümliche Bestimmung bei einer Person weg, dann bleibt deren Hypostase. 6. Augustinus bezeichnet das Wort49 als die gezeugte Weisheit.50 ›Weisheit‹ steht hier aber für eine Hypostase und ›gezeugt‹ für eine eigentümliche Bestimmung. Läßt man also beim Wort außer Betracht, daß es gezeugt ist, dann bleibt dessen Hypostase. Entsprechendes gilt bei den anderen [göttlichen] Personen. 7. Denkt man sich die Vaterschaft und die Sohnschaft in der Gottheit weg, dann gibt es hier immer noch einen, der von dem anderen 47 48 49 50

Übersetzung für »gentiles«. Vgl. dazu Sum. theol. I, q. 29 a. 3 ad 2. Gemeint ist Gottsohn. Augustinus, De trin. VII, 2 (CCSL 50, 250).

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stammt, und einen, von dem der andere stammt. Damit sind aber Hypostasen gemeint. Bleiben also die Relationen außer Betracht, dann bleiben die Hypostasen in der Gottheit bestehen. 8. Läßt man diejenige Differenz außer Betracht, die für eine Spezies ausschlaggebend ist, dann bleibt immer noch das Genus. Nun fungieren aber die personalen Eigentümlichkeiten, die ja für die Personen ausschlaggebend sind, gewissermaßen als die hier ausschlaggebenden Unterschiede. Bleiben also die Relationen außer Betracht, dann bleiben immer noch das Genus der Person und damit auch die Hypostase bestehen. 9. Sehen wir von dem Umstand ab, daß [diese Person] Gottvater ist, dann bleibt, wie Augustinus bemerkt, immer noch die Tatsache bestehen, daß er ungezeugt ist.51 Nun ist aber ›ungezeugt‹ eine bestimmte Eigenschaft, die an keinem anderen Träger auftreten kann als an einer Hypostase. Bleibt also die Vaterschaft außer Betracht, dann bleibt immer noch die Hypostase des Vaters bestehen. 10. Relationen sind Eigenschaften von Hypostasen, ganz so, wie die Attribute Eigenschaften des [göttlichen] Wesens sind. Denkt man sich nun ein wesentliches Attribut weg, dann bleibt der Begriff der göttlichen Substanz davon unberührt. Denn wenn man, wie Boethius sagt, sich die Güte von Gott wegdenkt, dann gilt immer noch, daß er Gott ist.52 Wenn man also die Relationen außer Betracht läßt, dann bleiben immer noch die Hypostasen in der Gottheit bestehen. 11. Nach Boethius53 ist es für den Intellekt charakteristisch, daß er voneinander scheidet, was in der Wirklichkeit eine Einheit bildet. Nun bilden eine personale Eigentümlichkeit und eine Hypostase eine wirkliche Einheit in der Gottheit. Demnach kann sie der Intellekt voneinander scheiden. 12. Läßt man dasjenige außer Betracht, was an etwas anderem auftritt, dann bleibt dasjenige, woran jenes erstere auftritt, davon unberührt. So läßt sich z. B. auch dann eine Substanz erfassen, wenn man von einem ihrer Akzidentien absieht. Nun treten nach allge51 Augustinus, De trin. V, 6 (CCSL 50, 211 f.). 52 Boethius, De hebd. 92 f. (ed. Elsässer, 38). 53 Boethius, Comm. in Porphyrium I (CSEL 48, 165).

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meiner Auffassung die Relationen an den Hypostasen der Gottheit auf. Denkt man sich also diese Relationen weg, dann bleiben die Hypostasen davon unberührt. Dagegen spricht: In der Gottheit kann es keine andere Unterscheidung geben als diejenige, die auf Relationen beruht. Nun meint eine Hypostase etwas, was klar unterschieden ist. Wenn man also die Relationen außer Betracht läßt, dann bleiben auch die Hypostasen davon nicht unberührt. Denn wenn es im Fall von Gott ausschließlich zwei Weisen der Prädikation gibt − nämlich eine Prädikation im Hinblick auf die Substanz und eine im Hinblick auf die Relation −, dann kann es nach Weglassung der Relationen nur noch Prädikate geben, die sich auf die [göttliche] Substanz beziehen. Diese beziehen sich aber auf das göttliche Wesen, und somit können die Hypostasen nicht weiter voneinander unterschieden werden. Antwort: Wie oben ausgeführt,54 vertraten manche die Meinung, daß die Hypostasen in der Gottheit nicht durch Relationen, sondern einzig durch ihren Ursprung konstituiert und unterschieden werden. Die Relationen stellen sich in ihren Augen vielmehr erst mit dem Ursprung ein, sozusagen als dessen Ergebnisse, mit denen der Ursprung seine Vollständigkeit erhält und die mit Würde zu tun haben. Weil aber das Wort ›Person‹ offenbar einen mit Würde ausgestatteten Träger bezeichnet, so behaupteten diese Leute, daß die [göttlichen] Personen durch diejenigen Relationen, die man an den Hpyostasen im Gefolge erkennt, konstituiert werden. Diese Relationen waren also ihrer Meinung nach konstitutiv für die göttlichen Personen, nicht aber für die Hypostasen. Von daher nennen manche diese Relationen ›die persönlichen Wesen‹. Denn wenn man sich bei der Gottheit die personalen Relationen von den [göttlichen] Personen wegdenke, dann blieben, so diese Leute, die Hypostasen bestehen, nicht aber die Personen. Dies sei ganz so, wie man auch bei einem Menschen das außer Betracht las54 Vgl. De pot. q. 8 a. 3 c.

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sen könne, was mit seiner Würde zu tun hat und was ihn zur Person macht, und er dann immer noch als Hypostase bestehen bleibe. Nun haben wir aber bereits vorhin gezeigt, daß die besagten Relationen die [göttlichen] Hypostasen sowohl konstituieren als auch voneinander unterscheiden. Daher ist mit anderen Autoren Folgendes festzustellen: Denkt man sich jene Relationen weg, dann bleiben die Personen ebensowenig bestehen wie die Hypostasen. Fällt nämlich das weg, was für eine Sache konstitutiv ist, dann kann auch diese Sache selbst nicht mehr bestehen bleiben. Zu 1. Im Falle des Menschen sind für die Hypostasen weder Relationen noch Eigentümlichkeiten konstitutiv, wogegen sie es, wie aufgezeigt, im Fall der Gottheit sind. Demnach ist die hier vorgenommene Gleichsetzung falsch. Zu 2. Es liegt an ein und demselben Umstand, daß Gottvater jemand Bestimmter ist und daß er der Vater ist. Ich meine damit, daß dieser Umstand der Sache nach ein und derselbe ist, nicht aber für unser Denken. Es handelt sich hier um einen durch unser Denken aufgemachten Unterschied, wie er etwa zwischen Allgemeinem und Besonderem oder zwischen Gemeinsamem und Eigentümlichem besteht. So liegt es ja bekanntlich an ein und derselben substantialen Form, daß ein Mensch ein Lebewesen ist und zugleich Mensch. Denn für ein und dasselbe Ding gibt es nicht mehrere substantiale Formen, die der Sache nach voneinander verschieden wären. Daß ein Mensch ein Lebewesen ist, liegt gleichwohl ausschließlich an seiner Seele, insofern diese eine sensitive Seele ist. Insofern aber seine Seele sensitiv und vernunftbegabt ist, führt dies dazu, daß dieser Mensch ein Mensch ist. Aus diesem Grund ist auch ein Pferd ein Lebewesen, es ist aber kein Mensch. Denn seine sensitive Seele ist nicht numerisch identisch mit derjenigen eines Menschen. Insofern ist dieses Pferd auch nicht als Lebewesen zahlenmäßig identisch mit einem Menschen. Entsprechendes gilt nun für den hier in Frage stehenden Punkt: Daß Gottvater jemand Bestimmter ist und daß er der Vater ist, liegt an der Relation. Doch daß Gottvater überhaupt jemand ist, liegt ganz allgemein an der Relation. Daß aber Gottvater dieser ganz Bestimmte ist, liegt an der bestimmten Relation der Vaterschaft. Daher ist auch Gottsohn, in dem eine Relation liegt, aber

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nicht die bestimmte Relation der Vaterschaft, überhaupt jemand, nicht aber jener ganz Bestimmte, welcher der Vater ist. Zu 3. Der relationale Bezug zwischen zwei Gliedern kann sich auf zweierlei Weise gestalten: einerseits explizit bzw. der Wirklichkeit nach und andererseits implizit bzw. der Möglichkeit nach. Mit dem Begriff des Lebewesens ist ja eine Vernunftseele nicht explizit und der Wirklichkeit nach verbunden, denn sonst hätte jedes Lebewesen eine Vernunftseele. Vielmehr ist sie mit diesem Begriff implizit bzw. der Möglichkeit nach verbunden, denn ein Lebewesen ist eine belebte Substanz, die zur Wahrnehmung fähig ist. Nun ist aber in ›Seele‹ der Möglichkeit nach die Vernunftseele mit einbegriffen, und in eben der Weise ist auch unter ›belebt‹ das Vernunftbegabte mit einbegriffen. Sobald daher die Definition ›Lebewesen‹ einem Menschen wirklich zugesprochen wird, muß auch das ›vernunftbegabt‹ in der Definition von Lebewesen explizit werden, insofern hier ja ›Lebewesen‹ mit einem Menschen identifiziert wird. Entsprechendes gilt nun auch für den hier in Frage stehenden Punkt: Eine Hypostase ist nämlich, ganz allgemein verstanden, eine klar unterschiedene Substanz. Wenn es daher keine andere Unterscheidung in der Gottheit geben kann als durch die Relation, dann muß mit der Rede von einer ›göttlichen Hypostase‹ notwendig verbunden sein, daß diese Hypostase so zu denken ist, daß sie durch eine Relation klar unterschieden ist. Und so gehört die Relation zwar nicht zur Definition der Hypostase des Menschen, doch aber zur Definition einer Hypostase Gottes. Zu 4. Die Juden und die anderen Nichtchristen erkennen keinen anderen Unterschied für das [göttliche] Wesen an als dessen Unterschied gegenüber dem, was nicht seines Wesens ist. Diese Unterscheidung ergibt sich freilich aus dem göttlichen Wesen selbst. Wir [Christen] dagegen erkennen einer Hypostase einen Unterschied gegenüber dem zu, was eines Wesens mit ihr ist und wovon sie sich ausschließlich durch eine Relation unterscheidet. Daher ist dieses Argument nicht stichhaltig. Zu 5. Die Art, wie Akzidentien und wie Substanzen definiert werden, ist jeweils eine andere. Substanzen werden nämlich nicht durch etwas definiert, was nicht zu ihrem Wesen gehört. Daher ist das erste, was in die Definition einer Substanz gehört, das Genus,

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welches das ›Was‹ vom Gegenstand einer Definition aussagt. Dagegen wird ein Akzidenz durch etwas definiert, was nicht zu seinem Wesen gehört, nämlich durch seinen Träger, von dem es in seinem Sein abhängt. Daher nimmt bei seiner Definition der Träger die Stelle des Genus ein. Ein Beispiel hierfür ist: »Wulstig ist eine Lippe, die aufgeworfen ist.«55 Läßt man also bei der Definition von Substanzen die unterscheidenden Merkmale außer Betracht, so hat man immer noch das Genus. Genauso verbleibt bei der Definition von Akzidentien immer noch der Träger, wenn man das Akzidens außer Betracht läßt, welches die Stelle des unterscheidenden Merkmals einnimmt. Beide Fälle sind jedoch jeweils anders gelagert. Läßt man bei einem Genus das unterscheidende Merkmal außer Betracht, dann hat man immer noch das Genus, allerdings nicht mehr genau dieses eine Genus. Denn läßt man das ›vernunftbegabt‹ außer Betracht, dann hat man nicht mehr genau dieses eine Lebewesen, d. h. das vernunftbegabte Lebewesen. Läßt man hingegen bei der Definition von Akzidentien das außer Betracht, was die Stelle des unterscheidenden Merkmals einnimmt, dann hat man immer noch genau diesen einen Träger. Läßt man nämlich das ›wulstig‹ außer Betracht, dann hat man immer noch genau diese eine Lippe. Dies ist der Grund, warum ein Akzidens das Wesen seines Trägers nicht in der Weise vollständig macht, wie dies die artbestimmende Differenz im Falle des Wesens eines Genus tut. Sagt man also: »Eine Person ist eine Hypostase, deren Unterscheidungsmerkmal in einer eigentümlichen Bestimmung liegt, welche mit Würde zu tun hat«, dann fungiert ›Hypostase‹ in der Definition von ›Person‹ nicht als Träger, sondern als Genus. Läßt man daher die eigentümliche Bestimmung, welche mit Würde zu tun hat, außer Betracht, dann bleibt auch die Hypostase nicht mehr dieselbe, weder der Zahl noch der Spezies

55 Im Original lautet der Satz: »simum est nasus curvus«, wörtlich übersetzt: »stupsig ist eine (nach oben) gebogene Nase«. Das lateinische »simus« geht zurück auf das griechische simÒj und ist »nur durch Aristoteles zu einer Art gelehrter Unsterblichkeit gelangt« (H.-G. Gadamer). Das Beispiel findet sich z. B. in: Phys. II, 2; 194 a 1 ff.; Met. VI, 1; 1025 b 30 ff. VII, 5; 1030 b 14 ff. De an. III, 4; 429 b 13 ff.

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nach. Sie bleibt es vielmehr nur noch dem Genus nach, insofern sie weiterhin auch auf nicht vernunftbegabte Lebewesen zutrifft. Zu 6. Sagt man: »Das Wort56 ist die gezeugte Weisheit«, dann steht hier »Weisheit« für eine Hypostase, obwohl »Weisheit« von seiner Bedeutung her kein Einzelwesen bezeichnet. In seiner Bedeutung ist daher keine eigentümliche Bestimmung einbegriffen, diese muß vielmehr erst noch hinzugefügt werden, wie z. B. in dem Satz: »Gott ist der gezeugte Sohn«. Zu 7. Derjenige, der von dem anderen stammt, und derjenige, von dem der andere stammt, unterscheiden sich allenfalls so von der Sohnschaft und der Vaterschaft, wie sich das Allgemeine vom Besonderen unterscheidet. Denn mit ›Sohn‹ ist derjenige gemeint, der aufgrund der Zeugung vom anderen stammt, und mit ›Vater‹ ist derjenige gemeint, von dem der andere aufgrund der Zeugung stammt. Ansonsten müßten wir schon behaupten, daß mit »derjenige, der von dem anderen stammt« und mit »derjenige, von dem der andere stammt« ein Ursprungsverhältnis zum Ausdruck kommt und daß ›Vater‹ und ›Sohn‹ sich aus dieser Relation des Ursprungs ergeben. Vorhin haben wir jedoch bereits klargestellt, daß die [göttlichen] Hypostasen nicht durch ihren Ursprung, sondern durch ihre Relationen konstituiert werden. Zu 8. Läßt man diejenige Differenz außer Betracht, die für eine Spezies ausschlaggebend ist, dann bleibt immer noch das Genus und zwar als allgemeines, nicht aber in der Spezies oder der Zahl nach. Zu 9. Augustinus will hier nicht zum Ausdruck bringen, daß Gottvater auch dann noch ungezeugt ist, wenn man von seiner Vaterschaft absieht, und daß ›ungezeugt‹ in diesem Fall allenfalls noch eine Wesenbestimmung, aber keine personale Eigenschaft mehr meinen kann. Augustinus’ Absicht ist vielmehr, zu zeigen, daß auch nach der Weglassung der Vaterschaft immer noch das ›ungezeugt‹ in einem unspezifischen Sinn gilt. Denn all das, was ungezeugt ist, muß nicht unbedingt Gottvater sein. Zu 10. Der Begriff der Güte ist nicht konstitutiv für den Begriff des Wesens. Vielmehr versteht sich ›gut‹ als ein Attribut von Sein. Eine eigentümliche Bestimmung ist dagegen für eine Hypostase 56 Gemeint ist Gottsohn.

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konstitutiv. Demnach ist die hier vorgenommene Gleichsetzung falsch. Zu 11. Zwar kann der Intellekt Dinge voneinander scheiden, die eine Einheit bilden. Dies gilt aber nicht in jedem Fall. Denn er kann dann nicht voneinander scheiden, wenn etwas für den Begriff von etwas anderem unabdingbar ist. So kann er z. B. nicht die Lebendigkeit vom Menschen scheiden. Eine eigentümliche Bestimmung ist aber für den Begriff der Hypostase unabdingbar. Daher ist dieses Argument nicht schlüssig. Zu 12. Läßt man das außer Betracht, was an etwas anderem – sei es an einem Träger oder an einen Ort – auftritt, dann bleibt immer noch das, an dem es auftritt. Dies gilt jedoch nicht, wenn man etwas außer Betracht läßt, was ein wesentlicher Bestandteil von etwas ist. Denn läßt man ›vernunftbegabt‹ weg, so hat man keinen Menschen mehr. Entsprechend hat man auch keine Hypostase mehr, wenn man ihre eigentümliche Bestimmung wegläßt.

IX. DIE GÖTTLICHEN PERSONEN

Die hier behandelten Fragen lauten: 1. In welchem Verhältnis steht die Person zum Wesen, zur Subsistenz und zu einer Hypostase? 2. Was ist eine Person? 3. Kann es in Gott eine Person geben? 4. Meint das Wort »Person« etwas Relationales oder etwas Unbezügliches in der Gottheit? 5. Gibt es eine Anzahl von Personen in der Gottheit? 6. Ist es gerechtfertigt, das Wort »Person« im Plural von der Gottheit auszusagen? 7. Auf welche Weise lassen sich von der Gottheit Zahlbegriffe aussagen – indem man sie ihr zuspricht oder sie ihr abspricht? 8. Gibt es in Gott irgendeine Verschiedenheit? 9. Gibt es in der Gottheit ausschließlich drei Personen oder aber mehr bzw. weniger als drei?

1. Artik el Die erste Frage lautet: In welchem Verhältnis steht die Person zum Wesen, zur Subsistenz und zu einer Hypostase? 1 Sie scheinen vollständig identisch zu sein; denn: 1. Wie Augustinus im 7. Buch von De trinitate bemerkt,2 meinen die Griechen, die sich zu den drei Hypostasen in Gott bekennen, dasselbe wie die Lateiner, die sich zu den drei Personen in Gott bekennen. Demnach besagt ›Hypostase‹ und ›Person‹ dasselbe. 2. Dazu läßt sich sagen: ›Person‹ unterscheidet sich von ›Hypostase‹ darin, daß eine Hypostase ein Einzelwesen gleich welcher Natur innerhalb der Kategorie der Substanz meint, eine Person hin1 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 29 a. 2. Sent. I, d. 23. 2 Augustinus, De trin. VII, 6 (CCSL 50, 261).

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gegen ausschließlich ein Einzelwesen von geistiger Natur. – Dem ist mit Boethius zu erwidern, daß die Griechen das Wort ›Hypostase‹ ausschließlich für ein Einzelwesen von geistiger Natur verwenden.3 Wenn also ›Person‹ ein Einzelwesen von geistiger Natur bezeichnet, dann sind eine Hypostase und eine Person miteinander vollkommen identisch. 3. Die sprachlichen Ausdrücke werden geprägt aufgrund der Begriffe für die Dinge, auf die diese Ausdrücke dann verweisen. Nun gilt derselbe Begriff von Individualität sowohl für die Substanzen, die von geistiger Natur sind, als auch für die übrigen Substanzen. Demnach braucht es für ein Einzelwesen von geistiger Natur keinen spezifischen Ausdruck neben den übrigen Einzelwesen innerhalb der Kategorie der Substanz, so, als ob damit ein Unterschied zwischen einer Hypostase und einer Person zu Tage treten würde. 4. Das Wort »Subsistenz« leitet sich von »subsistieren« ab. Denn nichts subsistiert außer den Einzelwesen, die zur Kategorie der Substanz gehören. An diesen treten, wie es in den Kategorien heißt, sowohl die Akzidentien als auch die zweiten Substanzen, d. h. Gattung und Art, auf.4 Demnach sind ausschließlich Einzelwesen, die zur Kategorie der Substanz gehören, subsistierende Wesen. Folglich ist ein subsistierendes Wesen dasselbe wie eine Person und eine Hypostase. 5. Dazu läßt sich sagen: Die Gattung und die Arten innerhalb der Kategorie der Substanz subsistieren, und zwar weil sie, wie Boethius sagt, dadurch gekennzeichnet sind.5 – Dem ist zu erwidern: ›Subsistieren‹ meint nichts anderes als: ›für sich selbst bestehen‹. Was also Bestand an etwas anderem hat, das subsistiert nicht. Nun treten aber die Gattungen und die Arten nur an etwas anderem auf, nämlich nur mit den ersten Substanzen. Verschwinden die letzteren, dann kann, wie es in den Kategorien heißt, auch nichts von dem anderen bestehen bleiben.6 Es ist demnach nicht für die Gattungen und die Arten charakteristisch, zu subsistieren, sondern ausschließlich für Einzelwesen, welche in die Kategorie der Substanz gehören. 3 4 5 6

Boethius, De persona et de duabus naturis III (PL 64, col. 1344 C–D). Aristoteles, Cat. 5; 2 a 11 ff. Boethius, De persona et de duabus naturis III (PL 64, col. 1344 C). Aristoteles, Cat. 5; 2 b 6.

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Somit kann es nur so sein, daß ein subsistierendes Wesen dasselbe wie eine Hypostase ist. 6. Boethius bemerkt, daß die ›Ñus…a‹, d. h. ›Wesen‹, etwas aus Materie und Form Zusammengesetztes meint.7 So etwas muß aber ein Einzelwesen sein. Denn die Materie ist das Prinzip für die Herausbildung von Einzelwesen. Demnach ist mit ›Wesen‹ ein Einzelwesen gemeint. Und so sind die Person, Hypostase, Wesen und Subsistenz miteinander identisch. 7. Das Wesen ist das, was in einer Definition zum Ausdruck kommt, denn eine Definition setzt uns darüber in Kenntnis, was ein Ding ist. Wie aber Aristoteles klarstellt, beinhaltet die Definition eines natürlichen Dinges, welches aus Materie und Form zusammengesetzt ist, nicht nur dessen Form, sondern auch dessen Materie.8 Demnach ist ein Wesen etwas aus Materie und Form Zusammengesetztes. 8. Dazu muß man anmerken: Mit ›Wesen‹ ist eine Natur gemeint, die mehreren Dingen gemeinsam ist; die anderen drei, d. h. das subsistierende Wesen, die Hypostase und die Person, bezeichnen ein Einzelwesen, welches in die Kategorie der Substanz gehört. − Dem ist zu erwidern: Universales und Partikulares gibt es bei jeder Kategorie. Bei den anderen Kategorien gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen den Ausdrücken für Universales und Ausdrücken für Partikulares. So wird eine Qualität oder Quantität mit derselben sprachlichen Bezeichnung zum Ausdruck gebracht, egal, ob diese sich nun im universalen oder partikularen Sinn verstehen. Demnach gibt es auch bei der Kategorie der Substanz nicht zwangsläufig unterschiedliche Ausdrücke für eine Substanz im universalen Sinn und für eine einzelne Substanz. Und somit besteht zwischen den angeführten Bezeichnungen offensichtlich kein Unterschied. Dagegen spricht: 1. In seinem Kommentar zu den Kategorien bemerkt Boethius, daß ›Ñus…a‹ oder ›Wesen‹ etwas aus Form und Materie Zusammen-

7 Boethius, In Cat. (PL 64, col. 192 C–D). 8 Aristoteles, Met. VII, 10; 1035 a 22– b 2.

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gesetztes bezeichnet,9 daß ›Ñus…wsij‹ oder ›subsistierendes Wesen‹ die Form betrifft und ›Hypostase‹ die Materie.10 Demnach unterscheiden sich diese drei Ausdrücke. 2. Dasselbe läßt sich auch daraus ersehen, daß Boethius den Unterschied zwischen jenen Ausdrücken in seinem Buch Von den beiden Naturen behandelt.11 Antwort: Wie Aristoteles feststellt, hat ›Substanz‹ einen zweifachen Sinn.12 Zum einen ist nämlich mit ›Substanz‹ der letzte Träger gemeint, der nicht mehr ein Prädikat für etwas anderes sein kann. Hierbei handelt es sich um ein Einzelwesen, das in die Kategorie der Substanz gehört. Zum anderen ist mit ›Substanz‹ die Form bzw. die Natur eines Trägers gemeint. Der Grund für diese Unterscheidung liegt darin, daß sich mehrere Träger ausmachen lassen, die alle eine einzige Natur besitzen; z. B. besitzen mehrere Menschen die menschliche Natur. Von daher mußte man hier eine Unterscheidung treffen zwischen dem, was jeweils einheitlich ist, und dem, was in einer Vielzahl auftreten kann. Mehreren Dingen gemeinsam ist ja diejenige Natur, welche mit einer Definition zum Ausdruck kommt, welche wiederum anzeigt, was ein Ding ist. Diese allgemeine Natur nennt man deshalb Wesen oder Washeit. All das also, was bei einem Ding mit seiner allgemeinen Natur zu tun hat, fällt unter die Bedeutung von ›Wesen‹. Hingegen fällt all das, was eine einzelne Substanz kennzeichnet, nicht darunter. Wenn nämlich die Merkmale einer einzelnen Substanz zu deren allgemeiner Natur gehören würden, dann wäre eine Unterscheidung von einzelnen Substanzen, welche dieselbe Natur besitzen, unmöglich. Was nun eine einzelne Substanz über ihre allgemeine Natur hinaus kennzeichnet, ist eine individuelle Materie, welche das Prin9 Boethius, In Cat. (PL 64, col. 184). 10 Weder der ungewöhnliche Terminus »oÙs…wsij« noch derjenige

der »hypostasis« läßt sich in Boethius’ Kategorien-Kommentar nachweisen. Siehe auch die diesbezügliche Richtigstellung von Thomas am Ende des Artikels. 11 Boethius, De persona et duabus naturis III (PL 64, col. 1344 B–D). 12 Aristoteles, Met. V, 8; 1017 b 13 ff.

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zip für ihren Charakter als Einzelwesen darstellt, und damit auch individuelle Akzidentien, die diese Materie bestimmen. Demnach stellt das Wesen für eine Substanz deren formales Moment dar, wie z. B. das Menschsein für Sokrates. Und so sind bei den Dingen, die aus Materie und Form zusammengesetzt sind, das Wesen und die Substanz nicht völlig miteinander identisch. Daher kann das Wesen auch kein Prädikat für eine Substanz sein, da man ja nicht sagen kann, daß Sokrates das Menschsein sei. Dagegen gibt es bei den einfachen Substanzen keinen Unterschied zwischen dem Wesen und der Substanz, da es bei ihnen auch keine individuelle Materie gibt, durch die eine allgemeine Natur zu einer individuellen wird. Dies erhellt aus Aristoteles13 und aus Avicenna, der in seiner Metaphysik sagt, daß die Washeit einer einfachen Substanz mit dieser Substanz identisch ist.14 Doch eine Substanz, die auch Träger ist, besitzt zwei charakteristische Merkmale: Erstens braucht sie keine ihr äußerliche Grundlage, durch die sie gestützt wird. Vielmehr stützt sie sich auf sich selber. In diesem Sinne spricht man von ihrem ›Subsistieren‹, da sie durch sich selber und nicht an etwas anderem ihr Sein hat. Zweitens ist sie die stützende Grundlage für die Akzidentien, und in diesem Sinne spricht man von ihrem ›Grundlage sein‹15. Insofern also eine Substanz, die auch Träger ist, subsistiert, heißt sie ›oÙs…wsij‹ bzw. ›subsistierendes Wesen‹; insofern sie Grundlage ist, heißt sie ›Hypostase‹ bei den Griechen, bei den Lateinern aber ›erste Substanz‹. Damit ist klar, daß der Unterschied zwischen Hypostase und Substanz nur ein gedanklicher ist, die beiden aber in Wirklichkeit miteinander identisch sind. Bei den mit Materie behafteten Substanzen ist aber ihr Wesen nicht mit diesen Substanzen der Sache nach identisch. Doch es ist auch nicht völlig von ihnen verschieden, weil das Wesen das formale Moment an ihnen darstellt. Bei den materielosen Substanzen ist dagegen deren Wesen der Sache nach völlig identisch mit diesen Substanzen, und der Unterschied zwischen ihnen ist ein bloß 13 Aristoteles, Met. VII, 6; 1031 a 15 ff. 14 Avicenna, Met. V, 5 (Avicenna latinus 4, ed. Van Riet, 274). 15 Übersetzung für »substare«, wörtlich: ›darunter stehen‹.

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gedanklicher. − ›Person‹ bringt aber zu einer Hypostase noch eine ganz bestimmte Natur bei: Eine Person ist nichts anderes als eine Hypostase von geistiger Natur. Zu 1. Insofern ›Person‹ nichts als die geistige Natur zu ›Hypostase‹ noch hinzufügt, sind eine Hypostase und eine Person in dieser geistigen Natur zwangsläufig vollkommen identisch. So fügt ja z. B. ›Mensch‹ zu ›Lebewesen‹ die Vernunftbegabung hinzu, und daher ist es auch hier zwangsläufig so, daß ein vernunftbegabtes Lebewesen ein Mensch ist. Daher ist Augustinus’ Bemerkung richtig, der zufolge die Griechen, wenn sie sich zu drei Hypostasen in Gott bekennen, dasselbe meinen wie die Lateiner, die sich zu drei Personen bekennen. Zu 2. Das Wort ›Hypostase‹ bedeutet im Griechischen eigentlich eine einzelne Substanz gleich welcher Natur. Der Sprachgebrauch hat es aber mit sich gebracht, daß damit nur noch ein Einzelwesen von geistiger Natur gemeint ist. Zu 3. Wie es für eine einzelne Substanz charakteristisch ist, daß sie von sich aus Bestand hat, so auch, daß sie von selber ihre Wirksamkeit entfaltet. Denn nur das ist wirksam, was in der Wirklichkeit ist. Wie daher die Hitze nicht für sich besteht, so entfaltet sie auch nicht von selber ihre Wirksamkeit. Vielmehr bewirkt ein heißer Gegenstand mit Hilfe der Hitze eine Erhitzung. Dieses Merkmal, daß sie von selber eine Wirksamkeit entfalten, kommt den Substanzen von geistiger Natur im Vergleich zu den anderen Substanzen in ausgezeichneter Weise zu. Denn nur die geistbegabten Substanzen sind Herr über ihr Tätigsein, und zwar deswegen, weil es an ihnen liegt, tätig zu werden oder nicht tätig zu werden. Die anderen Substanzen dagegen unterliegen eher einer Einwirkung, als daß sie eine Wirksamkeit entfalten. Von daher ist es angemessen, wenn die Einzelsubstanzen von geistiger Natur einen eigenen sprachlichen Ausdruck bekommen haben. Zu 4. Auch wenn ausschließlich eine Einzelsubstanz, also eine sogenannte Hypostase, subsistiert, so ist es doch nicht ein und dieselbe Hinsicht, unter der man von ihrem ›Subsistieren‹ bzw. von ihrem ›Grundlage sein‹ sprechen kann. Diese Substanz subsistiert, insofern sie ihr Sein nicht an etwas anderem hat; sie ist aber Grund-

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lage, insofern anderes an ihr auftritt. Wenn es daher eine Substanz gibt, die durch sich selbst ihr Sein hat und doch nicht Grundlage für irgendein Akzidens ist, dann könnte man diese eigentlich ein ›subsistierendes Wesen‹ nennen, nicht aber ›Substanz‹. Zu 5. Boethius geht hier mit der Auffassung Platons konform, der zufolge die Gattungen und die Arten Formen sind, welche ganz für sich bestehen können und völlig frei von Akzidentien sind. In dieser Perspektive ließen sie sich dann als subsistierende Wesen, nicht aber als Hypostasen bezeichnen. − Oder man könnte so argumentieren: Subsistenz kommt den Gattungen und den Arten nicht aus dem Grund zu, weil sie selber subsistieren würden, sondern deshalb, weil sie mit den Einzelwesen, die von ihrer Natur sind, subsistieren, und dies auch dann, wenn man alle Akzidentien außer Betracht läßt. Zu 6. Bei den mit Materie behafteten Substanzen bezeichnet ›Wesen‹ das aus Materie und Form Zusammengesetzte, wobei allerdings nicht eine individuelle, sondern eine Materie im allgemeinen Sinn gemeint ist. So beinhaltet die Definition des Menschen, die dessen Wesen zur Sprache bringt, zwar Muskelmasse und Knochen, nicht aber die Muskelmasse und die Knochen von jemandem Bestimmten. Die individuelle Materie bei den mit Materie behafteten Substanzen kommt vielmehr mit den Ausdrücken ›Hypostase‹ und ›subsistierendes Wesen‹ zur Sprache. Zu 7. Damit ist auch die Antwort zu diesem Punkt klar. Zu 8. Akzidentien treten nur dadurch je einzeln auf, daß sie an ihren entsprechenden Trägern auftreten. Einzig Substanzen treten von selber und dank der ihnen eigentümlichen Prinzipien einzeln auf. Daher ist es angemessen, wenn es einzig in der Kategorie der Substanz eine eigene Bezeichnung für das Einzelwesen gibt. Die angeführten Gegenargumente lassen wir gelten. Doch sollte man sich dessen bewußt sein, daß Boethius in seinem Kommentar zu den Kategorien diese Ausdrücke anders als in ihrem üblichen Sinn verwendet und anders, als er sie selbst in seinem Buch Über die beiden Naturen erklärt. Den Ausdruck ›Hypostase‹ verwendet er für die Materie als dem wichtigsten Prinzip dafür, daß eine erste Substanz als Grundlage für die Akzidentien dient. Denn, wie Boethius selbst in De Trinitate sagt, kann eine einfache Form nicht als

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Träger fungieren. Den Ausdruck ›Ñusièsij‹ bzw. ›subsistierendes Wesen‹ verwendet er für die Form als dem Prinzip dafür, daß ein Ding in der Wirklichkeit ist; und den Ausdruck ›Ñus…a‹ bzw. ›Wesen‹ verwendet er für das Zusammengesetzte.16 Damit zeigt er auf, daß bei den mit Materie behafteten Wesen sowohl die Form als auch die Materie Seinsprinzipien sind.

2. Artik el Die zweite Frage lautet: Was ist eine Person? 17 Boethius definiert sie in seinem Buch Über die beiden Naturen als »einzelne Substanz von geistiger Natur«.18 Diese Definition scheint nicht zu stimmen; denn: 1. Aristoteles zufolge gibt es keine Definition für ein Einzelding.19 Nun stellt aber eine Person nach den vorigen Ausführungen ein Einzelding innerhalb der Kategorie der Substanz dar. Folglich läßt sie sich nicht definieren. 2. Dazu kann man Folgendes sagen: Zwar stellt eine Person ein Einzelding dar, doch der Begriff der Person ist ein allgemeiner, und insoweit läßt sich die Person auf einer allgemeinen Ebene definieren. − Dem ist zu erwidern: Das Gemeinsame an allen Einzelsubstanzen von geistiger Natur ist die Vorstellung von ihnen, daß sie jeweils einzigartig sind, und diese hat in der Kategorie der Substanz keinen Platz. Demnach darf man bei der Definition der Person nicht der Substanz die Rolle des Genus zuweisen. 3. Dazu läßt sich wiederum sagen: Das Wort ›Person‹ meint nicht nur eine Vorstellung [von ihr], sondern es meint eine Vorstellung und zugleich den Gegenstand dieser Vorstellung. − Dem ist zu erwidern: Wie Aristoteles nachweist, kann es dort, wo ein Gegenstand mit einem Akzidens [an sich] verbunden ist, keine Definition ge-

16 Boethius, De trin. V, 42–101 (ed. Elsässer, 78–81). 17 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 29 a. 1; a. 3 ad 2 und 4; III, q. 2 a. 2.

Sent. I, d. 25 a. 1. De un. verbi inc. a. 1. 18 Boethius, De persona et de duabus naturis III (PL 64, col. 1343 C). 19 Aristoteles, Met. VII, 15; 1039 b 27 ff.

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ben.20 Denn diese Definition wäre nichtssagend, weil bereits die Definition des Akzidens den Gegenstand mit einschließt, wie z. B. die Definition von ›stupsig‹ die Nase mit einschließt. So kommt es bei der Definition dieser Verbindung zwangsläufig dazu, daß der Gegenstand zwei Mal auftaucht: zum einen als er selber, zum anderen im Akzidens.21 Wenn also ›Person‹ eine Vorstellung und zugleich den Gegenstand dieser Vorstellung meint, dann ist ihre Definition sinnlos. 4. Der Gegenstand jener im allgemeinen verbleibenden Vorstellung ist ein Einzelding. Angenommen also, mit ›Person‹ wäre jene Vorstellung und zugleich der Gegenstand dieser Vorstellung gemeint, dann hieße dies, daß mit der Definition von Person das Einzelding definiert würde. So etwas ist jedoch abwegig. 5. Eine Vorstellung gehört genausowenig in die Definition eines wirklichen Dinges, wie ein Akzidens in die Definition einer Substanz gehört. Nun bezeichnet ›Person‹ ein wirkliches Ding und eine Substanz. Also stimmt es nicht, daß »einzelne« in die Definition der Person gehört, da es eine Vorstellung und ein Akzidens bezeichnet. 6. Ein Ding, in dessen Definition eine Substanz als Genus fungiert, ist zwangsläufig eine besondere Form von Substanz. Nun ist aber eine Person keine besondere Form von Substanz, denn sonst müßte sie sich gegenüber anderen Formen von Substanz abgrenzen lassen. Also stimmt es nicht, daß »Substanz« als Genus in die Definition der Person gehört. 7. Es gibt die Unterscheidung zwischen erster und zweiter Substanz. Nun kann aber eine zweite Substanz nicht in die Definition der Person gehören. Denn es wäre ein Widerspruch in sich, wenn man hier von einer »einzelnen Substanz« sprechen würde, da doch die zweite Substanz eine Substanz ist, die das Einzelne übersteigt. Ebensowenig kann aber eine erste Substanz in die Definition der 20 Aristoteles, Met. VII, 5; 1030 b 14 ff. Aristoteles’ Beispiel ist an dieser Stelle die ›Stupsnäsigkeit‹. 21 Im Beispiel gesprochen: Da ›stupsig‹ (lat. ›simus‹) ein Akzidens ist, das nur an einer Nase auftreten kann, gehört ›Nase‹ bereits zur Definition von ›stupsig‹. Eine stupsige Nase wäre dann zu definieren als ›stülpnasige Nase‹.

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Person gehören. Denn erste Substanz meint eine einzelne Substanz. In diesem Fall wäre es nichtssagend, wenn man in der Definition der Person das ›einzeln‹ zu ›Substanz‹ hinzufügt. Folglich stimmt es nicht, daß »Substanz« in die Definition der Person gehört. 8. Die Bezeichnung ›subsistierendes Wesen‹ scheint auf die Person besser zu passen als ›Substanz‹. Denn man sagt ja, daß es in Gott drei subsistierende Wesen gibt, wie man auch von den drei Personen spricht. Dagegen spricht man nicht von drei Substanzen in Gott, sondern von einer Substanz. Daher sollte man die Person eher als subsistierendes Wesen denn als Substanz definieren. 9. Steht der Gegenstand einer Definition im Plural, dann gilt dies auch für das Genus in dieser Definition. Denn viele Menschen sind auch viele Lebewesen. Nun gibt es in Gott drei Personen, nicht aber drei Substanzen. Demnach gehört ›Substanz‹ nicht als das Genus in die Definition der Person. 10. ›Geistbegabt‹ ist ein Unterscheidungsmerkmal bei Lebewesen. Personen sind aber auch die, die keine Lebewesen sind: die Engel und Gott. Demnach dürfte ›geistig‹ nicht in die Definition der Person gehören. 11. Zur Natur gehören nur die Dinge, die der Bewegung unterworfen sind. Denn wie es im 2. Buch der Physik heißt, ist die Natur der Grund für die Bewegung.22 Ein Wesen haben dagegen sowohl die Dinge, die der Bewegung unterworfen sind, als auch diejenigen, die es nicht sind. Richtiger wäre also, in der Definition der Person ›Wesen‹ anstatt von ›Natur‹ zu verwenden, da es Personen unter den Dingen gibt, die der Bewegung unterworfen sind, wie auch unter denjenigen, die es nicht sind: Menschen, Engel und Gott. 12. Eine Definition muß mit dem Gegenstand dieser Definition konvertibel sein. Nun ist aber nicht jede Einzelsubstanz von geistiger Natur auch eine Person. Denn das göttliche Wesen ist als solches keine Person. Andernfalls gäbe es in Gott nur eine einzige Person, da es auch nur ein einziges Wesen gibt. Die oben angeführte Definition der Person stimmt also nicht. 13. Die menschliche Natur in Christus ist eine Einzelsubstanz von geistiger Natur, da sie weder akzidentell an ihm aufgetreten 22 Aristoteles, Phys. II, 1; 192 b 21 ff.

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ist noch eine Substanz ist, die im allgemeinen verbleibt, noch von geistloser Natur ist. Gleichwohl hat die menschliche Natur in Christus keinen personalen Charakter. Sonst hieße dies, daß diejenige göttliche Person, die die menschliche Natur angenommen hat, auch eine menschliche Person wäre. Dann aber gäbe es in Christus zwei Personen: die göttliche Person, die etwas annimmt, und die angenommene menschliche Person. Damit sind wir jedoch bereits bei der Irrlehre der Nestorianer. Folglich ist nicht jede Einzelsubstanz von geistiger Natur auch eine Person. 14. Die Seele, welche sich im Tod vom Körper löst, kann man nicht als eine Person bezeichnen − und doch ist sie eine einzelne Substanz von geistiger Natur. Folglich stimmt die oben angeführte Definition der Person nicht. Antwort: Wie bereits besprochen, hat es seinen Grund, daß es für die Einzelwesen innerhalb der Kategorie der Substanz eine spezielle Bezeichnung gibt. Denn daß eine Substanz ein Einzelwesen ist, ist durch die ihr eigenen Prinzipien bedingt und nicht durch eine Instanz, die ihr äußerlich wäre, so wie z. B. die einzelne Ausprägung eines Akzidens durch seinen Träger bedingt ist. Ebenso hat es seinen Grund, daß es unter den Einzelsubstanzen eine spezielle Bezeichnung für die Einzelsubstanzen von geistiger Natur gibt. Denn wie schon erwähnt, ist es für diese Einzelsubstanzen wahrhaft eigentümlich, daß sie von selber eine Wirksamkeit entfalten. Die spezielle Bezeichnung für die Einzelwesen innerhalb der Kategorie der Substanz lautet also bei den Griechen ›Hypostase‹ und bei den Lateinern ›erste Substanz‹; für die Einzelwesen von geistiger Natur wiederum lautet die spezielle Bezeichnung ›Person‹. Damit begreift die Bezeichnung ›Person‹ diese beiden besonderen Merkmale mit ein. Will man also zum Ausdruck bringen, daß es sich innerhalb der Kategorie der Substanz speziell um ein einzelnes Exemplar handelt, dann spricht man von einer ›Einzelsubstanz‹. Will man noch zum Ausdruck bringen, daß es sich bei dieser Einzelsubstanz speziell um eine Substanz von geistiger Natur handelt, dann bringt man den Zusatz ›von geistiger Natur‹ an. Mit der Bezeichnung einer Person

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als Substanz schließt man somit von ihrem Begriff akzidentelle Bestimmungen aus, da kein Akzidens ›Person‹ genannt werden kann. Mit ihrer Bezeichnung als ›einzelne Substanz‹ schließt man an der Kategorie der Substanz generische und spezifische Bestimmungen aus, welche auch nicht ›Person‹ genannt werden. Mit dem Zusatz ›von geistiger Natur‹ schließt man leblose Körper, Pflanzen und Tiere aus, die auch keine Personen sind. Zu 1. Bei einer einzelnen Substanz sind drei Punkte im Auge zu behalten. Erstens: Eine generische und spezifische Natur hat ihr Dasein in diesem Einzelwesen. Zweitens die Seinsweise jener Natur: Denn in einer Einzelsubstanz liegt diese generische und spezifische Natur als etwas vor, was dieser ganz bestimmten Substanz eigentümlich und nicht mehreren gemeinsam ist. Der dritte Punkt ist das Prinzip, aus dem sich diese Seinsweise ableitet. Wie nun solch eine Natur, für sich genommen, einen allgemeinen Charakter hat, so gilt dies auch für ihre Seinsweise. Die menschliche Natur findet sich in der Wirklichkeit ja nur so vor, daß sie durch ein Einzelwesen ihr einzelnes Dasein hat. Denn es gibt keinen Menschen, der nicht ein bestimmter Mensch wäre, es sei denn, man wäre der Ansicht Platons, der für sich bestehende Universalien annahm. Doch das Prinzip für eine solche Seinsweise, also das Prinzip für die Herausbildung von Einzelwesen, ist kein allgemeines, sondern in jedem Einzelwesen verschieden. Denn ein ganz bestimmtes Einzelding wird durch eine ganz bestimmte Materie zu einem Einzelwesen, und wieder ein anderes Einzelding durch eine andere ganz bestimmte Materie. Wie daher ein Ausdruck für eine Natur, z. B. »Mensch« oder »Lebewesen«, einen allgemeinen Charakter hat und es eine Definition für ihn gibt, so gilt dies auch für einen Ausdruck, der eine Natur im Verein mit jener Seinsweise beinhaltet, also z. B. für »Hypostase« und »Person«. Dagegen hat ein Ausdruck, der in seiner Bedeutung ein ganz bestimmtes Prinzip für die Herausbildung von Einzelwesen mit einschließt, weder einen allgemeinen Charakter, noch gibt es eine Definition für ihn. Beispiele hierfür sind »Sokrates« oder »Platon«. Zu 2. Alle einzelnen Substanzen verbindet nicht bloß, daß man sie sich als jeweils einzelne vorstellt, sondern auch eine generische

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Natur im Verein mit jener [individuellen] Seinsweise. In diesem Sinn bezeichnet der Ausdruck »Hypostase« die generische Natur einer Substanz als einer einzelnen. Hingegen bezeichnet der Ausdruck »Person« ausschließlich eine geistige Natur, die jene Seinsweise besitzt. Aus diesem Grund ist weder »Hypostase« noch »Person« ein Ausdruck für eine geistige Vorstellung, so wie dies etwa »Einzelding« oder »Einzelwesen« sind. Vielmehr sind sie ausschließlich Ausdrücke für einen [wirklichen] Gegenstand – und nicht für eine geistige Vorstellung im Verein mit dem Gegenstand dieser Vorstellung. Zu 3./4. Damit ist auch hier die Antwort klar. Zu 5. Weil wesentliche Unterschiede zwischen den Dingen des öfteren unerkannt und ohne Namen bleiben, muß man manchmal akzidentelle Unterschiede in Anspruch nehmen, um damit substantielle Unterschiede zum Ausdruck zu bringen. So lehrt es Aristoteles.23 In diesem Sinn gehört »einzelne« in die Definition der Person, da dadurch auf die einzelne Seinsweise [einer Person] hingewiesen wird. Zu 6. Die Unterscheidung zwischen erster und zweiter Substanz ist keine Auffächerung eines Genus in seine Artbestimmungen, denn eine zweite Substanz beinhaltet nichts, was nicht auch in der ersten Substanz enthalten ist. Es handelt sich hierbei vielmehr um die Auffächerung eines Genus in verschiedene Seinsweisen. Denn »zweite Substanz« besagt einfach eine generische Natur als solche, »erste Substanz« hingegen meint diese Natur im Sinne eines subsistierenden Einzelwesens. Daher hat diese Unterscheidung eher die Form einer [Attributions-]Analogie, als daß sie die Differenzierung eines Genus meint. Und so ist zwar eine Person in der Kategorie der Substanz mit einbegriffen, allerdings nicht als eine ihrer spezifischen Bestimmungen, sondern zur Bestimmung einer besonderen Seinsweise. Zu 7. Manche behaupten, daß ›Substanz‹ in die Definition der Person gehöre, insofern damit eine Hypostase gemeint ist. Der Begriff der Hypostase schließe aber die Bestimmung ›einzeln‹ so ein, daß diese Bestimmung einen Gegensatz zum allgemeinen Charakter ei23 Vermutlich Anspielung auf Aristoteles, Met. VIII, 2; 1038 a 13 f.

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nes Universale und zu einem Teilstück beschreibe; denn man könne weder ein Universale noch ein Teilstück, wie etwa eine Hand oder einen Fuß, als Hypostase bezeichnen. Der Begriff der Person schließe darüber hinaus die Bestimmung ›einzeln‹ so ein, daß diese Bestimmung einen Gegensatz zu etwas beschreibe, was man sich allgemein zu eigen machen könne. Denn diese Leute sind der Meinung, daß die menschliche Natur in Christus eine Hypostase darstellt, aber keinen personalen Charakter hat. Um daher auszuschließen, daß es zu einer solchen Aneignung kommt, wird in die Definition der Person die Zusatzbestimmung ›einzeln‹ aufgenommen. Das eben Gesagte ist aber offensichtlich nicht mit der Ansicht des Boethius vereinbar, der mit dem Ausdruck ›einzeln‹ von seinem Personenbegriff die Universalien fernhalten will. Daher sollte man besser davon sprechen, daß ›Substanz‹ in der Definition der Person nicht für eine Hypostase steht, sondern für das Allgemeine an einer ersten Substanz − die Hypostase nämlich − und für das Allgemeine einer zweiten Substanz und daß diese beiden Momente dabei voneinander gesondert werden. Somit wird jener Allgemeinbegriff [der Substanz] mittels der Zusatzbestimmung ›einzelne‹ beschränkt auf die Hypostase, so daß dann die Rede von einer »einzelnen Substanz von geistiger Natur« dasselbe meint, wie wenn man von einer Hypostase von geistiger Natur spricht. Zu 8. Im Lichte der Ausführungen von eben ist dieses Argument nicht stichhaltig. Denn »Substanz« steht nicht für eine Hypostase, sondern für das, was das Allgemeine an einer − wofür auch immer stehenden − Substanz ist. Aber selbst wenn »Substanz« doch für eine Hypostase stehen sollte, dann ist dieses Argument immer noch nicht schlüssig. Denn »Substanz« im Sinne der Hypostase scheint für eine Person besser zu passen als »subsistierendes Wesen«, weil eine Person wie die erste Substanz etwas Substrathaftes ist und nicht bloß wie ein subsistierendes Wesen etwas ist, das für sich besteht. Weil aber der Ausdruck »Substanz« bei den Lateinern auch in der Bedeutung von Wesen verwendet wird, sprechen wir, um Zweideutigkeiten zu vermeiden, nicht von drei Substanzen, wie wir von drei subsistierenden Wesen sprechen. Die Griechen hingegen unterscheiden zwischen »Hypostase« und »Ñus…a« und bekennen sich daher unzweifelhaft zu den drei Hypostasen in Gott.

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Zu 9. Wie wir von drei Personen in Gott sprechen, so können wir hier auch von drei einzelnen Substanzen reden, obgleich es hier nur eine einzige Substanz im Sinne von Wesen gibt. Zu 10. ›Geistbegabt‹ ist ein Unterscheidungsmerkmal bei den Lebewesen, sofern der Geist − von dem her sich das ›geistbegabt‹ versteht − eine diskursive Erkenntnisform meint, die es bei den Menschen gibt, nicht aber bei den Engeln und bei Gott. Boethius verwendet aber das ›geistbegabt‹ in dem allgemeinen Sinn von ›mit Intellekt begabt‹, und das gilt gleichermaßen für Gott, die Engel und die Menschen. Zu 11. In der Definition der Person versteht sich »Natur« nicht wie in der Definition des Aristoteles als der Grund aller Bewegung, sondern so, wie sie Boethius definiert: als die spezifische Differenz, die einem jeden Ding seine Form verleiht. Da aber die artbestimmende Differenz eine Definition vervollständigt und den Gegenstand der Definition unter eine Spezies bringt, paßt in der Definition der Person, welche ja mit spezifischen Substanzen zu tun hat, der Ausdruck »Natur« besser als der Ausdruck »Wesen«, der die größte Allgemeinheit besitzt. Zu 12. In der Definition der Substanz meint das »einzelne«, daß es nicht als Prädikat für mehreres fungieren kann. In diesem Sinn ist das göttliche Wesen allerdings keine einzelne Substanz, da sie von mehreren Personen prädiziert wird − und gleichwohl ist sie der Sache nach einzigartig. Richard von St. Viktor verbessert allerdings Boethius’ Definition für ihre Anwendung auf die göttlichen Personen, indem er so formuliert: »Die Person ist das nicht übertragbare Sein des göttlichen Wesens«.24 Mit dem Ausdruck »nicht übertragbar« soll gezeigt werden, daß das göttliche Wesen keine Person darstellt. Zu 13. Da eine Einzelsubstanz etwas für sich Bestehendes und Abgeschlossenes ist, so kann man die menschliche Natur in Christus − zumal sie von der göttlichen Natur angenommen worden ist − nicht als eine Einzelsubstanz im Sinne einer Hypostase bezeichnen. Genausowenig besteht ja auch eine Hand, ein Fuß oder dergleichen für sich und von den anderen Dingen unberührt. Somit läßt sich 24 Richard von St. Viktor, De trin. IV, 22 (SC 63, 282).

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nicht folgern, daß [die menschliche Natur in Christus] eine Person darstellt. Zu 14. Die [nach dem Tod vom Körper] abgelöste Seele ist ein Teil der geistigen Natur des Menschen, aber nicht das Ganze der geistigen Natur des Menschen. Deshalb ist sie auch keine Person.

3. Artik el Die dritte Frage lautet: Kann es in Gott eine Person geben? 25 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Boethius bemerkt, daß sich das Wort »Person« von »hindurchtönen« [personare] ableitet.26 Als Personen bezeichnete man nämlich diejenigen Leute, die bei den Komödien und Tragödien eine Maske trugen und durch diese hindurch sprachen. Daß aber Gott eine Maske tragen würde, kann auf ihn nicht oder allenfalls in einem übertragenen Sinn zutreffen. Demnach kann man das Wort »Person« nicht oder allenfalls in einem übertragenen Sinn auf Gott anwenden. 2. Wie Johannes von Damaskus bemerkt, können wir bei keinem der Dinge, die wir Gott zuschreiben, wissen, was es ist, wenn es Gott dann auch zukommt.27 Nun wissen wir aber dank der vorhin gegebenen Definition, was eine Person ist.28 Demnach kann »Person« nicht auf Gott zutreffen, zumindest nicht im Sinne der vorhin gegebenen Definition. 3. Gott fällt unter keine Kategorie. Da er nämlich unendlich ist, kann er auch nicht innerhalb des abgegrenzten Bereichs irgendeiner Kategorie erfaßt werden. Nun meint aber »Person« etwas, was in die Kategorie der Substanz gehört. Folglich kann »Person« nicht auf Gott zutreffen.

25 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 29 a. 3. Sent. I, d. 23 a. 2. 26 Boethius, De persona et de duabus naturis III (PL 64, col. 1343 D). 27 Vgl. Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 1; 2; 4 (ed. Buy-

taert, 11–15, 19–21). 28 Vgl. De pot. q. 9 a. 2 c.

3. Artikel

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4. In Gott gibt es keinerlei Zusammensetzung. Nun meint aber »Person« etwas Zusammengesetztes. Denn ein Einzelwesen mit einer menschlichen Natur, also eben eine Person, ist insbesondere etwas durch und durch Zusammengesetztes. Zudem zeigen die Teile der Definition für die Person, daß diese zusammengesetzt ist. Demnach kann es in Gott keine Person geben. 5. In Gott gibt es keinerlei Materie. Das Prinzip für die Herausbildung von Einzelwesen ist aber die Materie. Wenn also die Person eine Einzelsubstanz darstellt, kann sie Gott nicht zukommen. 6. Eine Person ist ein subsistierendes Wesen. Gott kann man aber nicht als ein subsistierendes Wesen bezeichnen, da er nicht die Grundlage für irgend etwas abgibt. Folglich ist Gott keine Person. 7. Die Person fällt unter den Begriff der Hypostase. Nun kann es in Gott keine Hypostase geben, da es in ihm auch kein Akzidens gibt und da, wie oben ausgeführt,29 eine Hypostase die Grundlage für ein Akzidens ist. Demnach gibt es in Gott keine Person. Dagegen spricht: Das Gegenteil erhellt aus dem Athanasischen Glaubensbekenntnis,30 aus dem 7. Buch von Augustinus’ De Trinitate31 und aus dem allgemeinen Sprachgebrauch der Kirche, die, durch den Hl. Geist belehrt, nicht irren kann. Antwort: Wie ausgeführt, meint »Person« eine bestimmte Natur mit einer bestimmten Seinsweise. Doch diese Natur, welche das Wort »Person« in seiner Bedeutung mit einbegreift, ist die würdigste unter allen Naturen: eine grundsätzlich geistige Natur. Ebenso ist auch die Seinsweise, die einer Person eignet, die würdigste: daß nämlich etwas durch sich selbst besteht. 29 De pot. q. 9 a. 1. 30 Gemeint ist das Pseudo-Athanasische Glaubensbekenntnis (entstan-

den zwischen 430 und 500). Vgl. Denzinger / Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum n. 75. Dort heißt es: »Alia est enim persona Patris, alia Filii, alia Spiritus Sancti.« (›Die Person der Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes ist jeweils eine andere.‹) 31 Augustinus, De trin. VII, 6 (CCSL 50, 261 f.).

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Da man also alles, was an den Geschöpfen im höchsten Grad erhaben ist, Gott zuschreiben sollte, läßt sich ihm das Wort »Person« ebenso zu Recht zuschreiben wie alle anderen Namen, die man von Gott im eigentlichen Sinn aussagt. Zu 1. An einem Wort sind zwei Hinsichten zu berücksichtigen, nämlich worauf die Bedeutung eines Wortes verweist sowie von woher sich diese Bedeutung ableitet. Denn oftmals verweist die Bedeutung eines Wortes auf eine Sache, während sie sich von einem Akzidens, einer Tätigkeit oder einer Wirkung jener Sache ableitet. In erster Linie verweist die Bedeutung jenes Wortes jedoch nicht auf diese letzteren, sondern auf die Substanz oder die Natur jener Sache. So leitet sich z. B. auch das Wort »Stein« [lapis] von »Fußverletzung« [laesio pedis] ab.32 Diese letztere hat das Wort »Stein« allerdings nicht zu seiner Bedeutung, sondern in erster Linie den Körper, welcher des öfteren solch einen Vorfall auslöst. »Fußverletzung« hat daher mehr mit der Herkunft des Wortes »Stein« als mit dessen Bedeutung zu tun. Wenn also die Sache, worauf die Bedeutung eines Wortes verweist, auf Gott nicht zutrifft, wenn es vielmehr eine bestimmte vergleichbare Eigentümlichkeit an dieser Sache ist, die auf Gott zutrifft, dann wird dieses Wort im übertragenen Sinn auf Gott angewendet. Im Beispiel gesprochen: Gott nennt man nicht deswegen einen Löwen, weil die Natur dieses Tieres auf Gott zutreffen würde, sondern wegen der Kraft, die man mit einem Löwen verbindet. Wenn hingegen die Sache, worauf die Bedeutung eines Wortes verweist, auf Gott zutrifft, dann wird dieses Wort, also z. B. »gut«, »weise« usw., im eigentlichen Sinn auf Gott angewendet. Dies gilt auch dann, wenn sich dieses Wort von einer Sache ableitet, die auf Gott nicht zutrifft. Somit kommt zwar ein »Durchtönen« [personare], wie es für Leute mit einer Maske charakteristisch ist und von woher sich das Wort »Person« ableitet, für Gott nicht in Frage. Gleichwohl trifft das, worauf die Bedeutung dieses Wortes verweist, auf Gott zu: nämlich das zu sein, was seinen Bestand in einer geistigen Natur hat. Aus die32 Diese im Mittelalter gängige Etymologie geht zurück auf Isidor von Sevilla, Etymologiae XIV, 3,1.

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sem Grund findet das Wort »Person« im eigentlichen Sinn auf die Gottheit seine Anwendung. Zu 2. Sowohl das Wort »Person« als auch die bereits gegebene Definition von Person treffen auf Gott zu. Gleichwohl heißt dies nicht, daß »Person« eine Definition für Gott wäre, da in Gott mehr liegt, als mit diesem Wort bezeichnet werden kann. Was daher in Gott ist, läßt sich nicht mit Hilfe des Personenbegriffs in eine Definition fassen. Zu 3. Gott gehört zwar nicht als eine Spezies in die Kategorie der Substanz. Gleichwohl hat er mit dieser Kategorie zu tun: Er ist das Prinzip für diese Kategorie. Zu 4. Wenn es einmal vorkommt, daß eine Person als solche zusammengesetzt ist, dann liegt dies daran, daß die Vollständigkeit und Vollkommenheit, welche für den Begriff der Person erforderlich ist, sich nicht sogleich in einem einzigen einfachen Moment zeigt, sondern dafür eine Vereinigung von mehreren Momenten nötig wird, was sich z. B. im Falle des Menschen zeigt. In Gott jedoch geht die höchste Einfachheit mit der höchsten Vollkommenheit einher, und deshalb ist dort die Person frei von jeder Zusammensetzung. Diejenigen Teile, aus denen die Definition der Person besteht, weisen nur im Fall der mit Materie behafteten Substanzen auf eine Zusammensetzung in der Person hin. Da aber ›einzeln‹ nur eine Negation beibringt,33 deutet die Hinzufügung von »einzeln« zu »Substanz« nicht auf eine Zusammensetzung hin. Somit können hier für eine Zusammensetzung nur eine Einzelsubstanz im Sinne von Hypostase sowie eine Natur in Frage kommen. Diese beiden Momente sind bei den materiefreien Substanzen der Sache nach völlig identisch. Zu 5. Bei den mit Materie behafteten Dingen, bei denen die Formen nicht durch sich selbst Bestand haben, sondern an der Materie auftreten, ist es zwangsläufig so, daß das Prinzip für die Herausbildung von Einzelwesen in der Materie liegt. Die materiefreien Formen hingegen bestehen durch sich selber und sind daher auch durch sich selber Einzelwesen. Denn daß etwas nicht als Prädikat von mehreren Dingen fungieren kann, liegt daran, daß es subsi33 Siehe De pot. q. 9 a. 7 c.

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stiert. Und so gibt es keinen Grund, warum es bei den materiefreien Substanzen keine Einzelsubstanzen und Personen geben sollte. Zu 6. Zwar gibt es in Gott keinerlei Zusammensetzung, die es als denkbar erscheinen lassen könnte, daß in Gott ein Moment die Grundlage für ein anderes darstellt. Doch mit unserem Intellekt erfassen wir Gottes Sein gesondert von seiner Substanz, für deren Dasein es die Grundlage bildet, und bezeichnen es als subsistierend. − Oder man könnte so argumentieren: Zwar trifft auf Gott das nicht zu, wovon sich das Wort »subsistieren« ableitet: daß er Grundlage für etwa anderes ist. Doch trifft auf ihn das zu, worauf jenes Wort mit seiner Bedeutung verweist: daß er durch sich selbst ist. Zu 7. Es gibt zwar keine Akzidentien in Gott, doch aber die personalen Eigentümlichkeiten, für die die Hypostasen die Grundlage bilden.

4. Artik el Die vierte Frage lautet: Meint das Wort »Person« etwas Relationales oder etwas Unbezügliches in der Gottheit? 34 Anscheinend meint es etwas Unbezügliches; denn: 1. Zu dem Satz von Johannes: »Drei sind es, die Zeugnis geben im Himmel, der Vater, das Wort und der Hl. Geist«35, bemerkt Augustinus: »Wenn man hier fragt: ›Drei was?‹, dann lautet die Antwort: ›die drei Personen‹.«36 Wer aber nach dem Was fragt, fragt nach dem Wesen. Somit bezeichnet das Wort »Person« das Wesen [und damit etwas Unbezügliches]. 2. Im selben Buch sagt Augustinus, daß in Gott »sein« und »Person sein« identisch sind.37 Angesichts von Gott meint aber »sein« das Wesen und keine Relation. Folglich gilt dies auch für »Person«. 34 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 29 a. 4. Sent. I, d. 23 a. 3; d. 26 q. 1 a. 1. 35 Vgl. 1 Joh. 5, 7. Bei diesem Satz aus dem ersten Johannesbrief, dem

sog. »Comma Ioanneum«, handelt es sich um eine spätere Ergänzung, die sich erst im lateinischen Bibeltext findet. 36 Augustinus, De trin. VII, 4 (CCSL 50, 257). 37 Augustinus, De trin. VII, 6 (CCSL 50, 261).

4. Artikel

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3. An derselben Stelle bemerkt Augustinus: »Mit ›Person‹ ist [der Vater] als solcher gemeint, nicht in Relation zum Sohn und zum Hl. Geist, genauso wie er auch als solcher mit ›Gott‹, ›groß‹, ›gut‹ und ›gerecht‹ benannt wird.«38 All diese Bezeichnungen bringen das Wesen und keine Relation zum Ausdruck. Folglich gilt dies auch für »Person«. 4. An der angeführten Stelle sagt Augustinus: »Obwohl die Bezeichnung ›Wesen‹ allen dreien, also dem Vater, dem Sohn und dem Hl. Geist, gemeinsam ist, so daß ein jeder von ihnen das Wesen genannt werden kann, ist ihnen auch das Wort ›Person‹ gemeinsam.«39 Dagegen ist die Relation nichts, was ihnen gemeinsam wäre, sondern etwas, das Unterschiede setzt. Folglich meint »Person« in der Gottheit keine Relation. 5. Dazu muß man sagen: In der Gottheit ist »Person« nur dem Begriff nach, nicht aber wirklich etwas, was ihnen gemeinsam ist. − Dem ist zu erwidern: In der Gottheit gibt es keinerlei Universalien. Daher mißbilligt Augustinus in seinem angeführten Buch die Ansicht derjenigen, für die das Wesen in der Gottheit die Rolle des Genus bzw. der Spezies hat, die Person aber die Rolle des Einzelwesens bzw. der Spezies. Das aber, was dem Begriff nach und nicht wirklich mehreren gemeinsam ist, hat den Charakter einer Universalie. Folglich ist »Person« nicht bloß als Begriff, sondern auch wirklich etwas Gemeinsames in der Gottheit; und so kann es keine Relation meinen. 6. Kein Wort bezeichnet Gegenstände aus verschiedenen Bereichen, es sei denn auf äquivoke Weise. Denn »scharf« verwendet man in äquivoker Weise beim Schmecken und bei Kurven. Nun ist es aber ganz klar, daß »Person« bei den Engeln und Menschen keine Relation meint, sondern etwas Unbezügliches. Wenn also »Person« bei Gott eine Relation anzeigen sollte, dann wird dieser Ausdruck äquivok. 7. Ein akzidentelles Moment an einem Gegenstand, welcher durch einen sprachlichen Ausdruck bezeichnet wird, gehört nicht zur Bedeutung dieses Ausdrucks. So gehört z. B. »hellhäutig«, was ein akzidentelles Moment am Menschen ist, nicht zur Bedeutung 38 Augustinus, De trin. VII, 6 (CCSL 50, 262). 39 Augustinus, De trin. VII, 4 (CCSL 50, 258 f.).

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von »Mensch«. Derjenige Gegenstand, der durch das Wort »Person« bezeichnet wird, ist aber eine einzelne Substanz von geistiger Natur. Nach dem 4. Buch der Aristotelischen Metaphysik wird nämlich der Begriff, auf den ein sprachlicher Ausdruck hinweist, zur Definition.40 Nun ist es aber für solch eine Substanz akzidentell, in einer Relation zu stehen. Die Relation gehört also nicht zur Bedeutung des Wortes »Person«. 8. Kein Ausdruck läßt sich als ein wahrhaftes Prädikat für einen Gegenstand begreifen, bei welchem es undenkbar ist, daß ihm das zukommt, was durch jenen Ausdruck ausgesagt wird. So läßt sich z. B. nichts als ein Mensch begreifen, bei dem es undenkbar ist, daß es ein vernunftbegabtes, sterbliches Lebewesen ist. Nun bekennen sich aber die Juden und Nichtchristen dazu, daß Gott eine Person ist, nicht aber dazu, daß es in ihm Relationen gibt, wie wir sie ihm nach unserem Glauben zuschreiben. Demnach bezeichnet das Wort »Person« keine derartigen Relationen in Gott. 9. Dazu ist zu sagen: Die Juden und Nichtchristen haben eine falsche Ansicht über Gott. Daher kann man aus dieser Ansicht kein Argument gewinnen. − Dem ist zu erwidern: Weder eine fälschliche Ansicht noch die Wahrheit ändern etwas an der Bedeutung eines Wortes. Wenn also bei denjenigen, die sich über Gott im Irrtum befinden, das Wort »Person« keine Relation aussagt, dann tut es dies auch nicht bei denjenigen, die über Gott richtig denken. 10. Nach Aristoteles sind die stimmlichen Laute Zeichen für die Begriffe.41 Derjenige Begriff aber, der in dem Wort »Person« erfaßt ist, ist der Begriff der ersten Substanz. Somit bezeichnet das Wort »Person« eine erste Substanz, im Vergleich zu der nichts in so hohem Maß unbezüglich ist, da sie ja durch sich selber Bestand hat. Folglich bezeichnet der Ausdruck »Person« keine Relation, sondern etwas Unbezügliches. 11. Dazu ist anzumerken, daß das Wort »Person« eine Relation meint, die sprachlich als eine Substanz gefaßt ist. − Dem ist zu erwidern: Der Satz »Keine Relation ist eine Substanz« ist genauso evident wie der Satz »Keine Quantität ist eine Substanz«. Dies geht 40 Aristoteles, Met. IV, 7; 1012 a 23 f. 41 Aristoteles, Peri herm. 1; 16 a 3 f.

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aus Aristoteles hervor.42 In Anbetracht dessen also, daß das Wort »Person« nachweislich eine Substanz bezeichnet, kann es unmöglich eine Relation meinen. 12. Gegensätzliche Begriffe können nicht wahrhaft auf denselben Gegenstand zutreffen. Nun besteht aber ein Gegensatz zwischen dem, was für sich besteht, und dem, was in Relation zu etwas anderem steht. Wenn daher das, worauf der Ausdruck »Person« verweist, eine Substanz, also etwas für sich Bestehendes, ist, dann kann dies unmöglich etwas Relationales sein. 13. Jeder Ausdruck, der eine Relation beinhaltet, bezieht sich auf etwas, worauf er implizit verweist, wie z. B. im Fall von »Herr« und »Knecht«. Nun steht aber der Ausdruck »Person« offensichtlich in keiner Beziehung zu etwas anderem. Also bezeichnet er auch keine Relation, sondern etwas Unbezügliches. 14. »Person« [persona] versteht sich als etwas, was durch sich selber einheitlich ist [per se una]. Die Einheit in der Gottheit hat aber mit ihrem Wesen zu tun. Der Ausdruck »Person« bezeichnet daher das Wesen und keine Relation. 15. Dazu ist anzumerken: Jener Ausdruck bezeichnet etwas Einheitliches und klar Unterschiedenes. Da aber eine Unterscheidung in der Gottheit durch die Relationen erfolgt, bezeichnet dieser Ausdruck eine Relation. − Dem ist zu erwidern: Gottsohn und der Hl. Geist unterscheiden sich bekanntlich durch die Weise ihres Ursprungs. Denn Gottsohn geht auf geistige Weise als das Wort hervor, der Hl. Geist dagegen auf willentliche Weise als die Liebe. Damit erfolgt eine Unterscheidung in der Gottheit nicht bloß durch die Relationen. Und so braucht »Person« nicht zwangsläufig eine Relation zu bezeichnen. 16. Wenn eine Relation in der Gottheit eine Unterscheidung vornimmt, wenn aber eine Person etwas Unterschiedenes ist, das seinerseits keine Unterscheidung vornimmt, dann bezeichnet das Wort »Person« auch keine Relation. 17. Die Relationen in der Gottheit nennt man Eigentümlichkeiten. Hingegen bezeichnet »Person« etwas, was einer Eigentümlichkeit als Grundlage dient, und von daher auch keine Relation. 42 Vgl. Aristoteles, Anal. post. I, 4; 73 b 16 ff.

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18. Es gibt vier Relationen in Gott: Vaterschaft, Sohnschaft, Hervorgang und die gemeinsame Hauchung. Denn das Nichtgeborenseinkönnen, welches das fünfte personale Unterscheidungsmerkmal in der Gottheit ist, stellt keine Relation dar. Das Wort »Person« bezeichnet aber nichts davon. Denn wenn es die Vaterschaft bezeichnen würde, dann könnte es nicht auf Gottsohn angewendet werden. Wenn es die Sohnschaft bezeichnen würde, dann könnte es nicht auf Gottvater angewendet werden. Wenn es den Hervorgang des Hl. Geistes bezeichnen würde, dann könnte es weder auf Gottvater noch auf Gottsohn angewendet werden. Wenn es die gemeinsame Hauchung bezeichnen würde, dann könnte es nicht auf den Hl. Geist angewendet werden. Somit bezeichnet das Wort »Person« keine Relation. Dagegen spricht: 1. Boethius sagt, daß jeder Ausdruck, der sich auf die [göttlichen] Personen bezieht, eine Relation bezeichnet.43 Nun trifft kein Ausdruck die [göttlichen] Personen besser als eben der Ausdruck »Person«. Demnach bezeichnet der Ausdruck »Person« eine Relation. 2. Zu den göttlichen Personen gehören der Vater, der Sohn und der Hl. Geist. Diese Ausdrücke beinhalten aber eine Relation. Also gilt dies auch für den Ausdruck »Person«. 3. In Gott läßt sich nichts unterscheiden, was unbezüglich ist, wohl aber die Personen. Also ist eine Person hier nichts Unbezügliches, sondern etwas Relationales. Antwort: Der Ausdruck »Person« teilt mit den unbezüglichen Bezeichnungen für Gott die Eigenschaft, daß er von jeder Person ausgesagt wird und er darüber hinaus nicht noch auf etwas anderes verweist. Mit denjenigen Bezeichnungen, die einen relationalen Bezug beinhalten, teilt er dagegen die Eigenschaft, daß er eine Unterscheidung vornimmt und im Plural stehen kann. Somit hat offenbar das Wort »Person« sowohl etwas Relationales als auch etwas Unbezügliches zu seiner Bedeutung. Wie aber beide Bedeutungen zum Wort »Per43 Boethius, De trin. VI, 1–11 (ed. Elsässer, 24).

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son« gehören, ist von verschiedener Seite auf verschiedene Weise erklärt worden. (A) Manche behaupten nämlich, daß »Person« beide Bedeutungen besitzt, dies aber in Form einer Äquivokation. Ihnen zufolge bezeichnet der Ausdruck »Person«, für sich genommen, sowohl im Singular als auch Plural schlichtweg das [göttliche] Wesen, genauso wie dies auch die Ausdrücke »Gott«, »gut« oder »groß« tun. Angesichts des unzulänglichen Charakters unserer Ausdrücke für die Rede von Gott haben die Konzilsväter von Nizäa den Ausdruck »Person« jedoch so angepaßt, daß man ihn auch, insbesondere im Plural, für etwas Relationales verwenden kann, z. B. in dem Satz: »Vater, Sohn und Hl. Geist sind drei Personen« oder in Verbindung mit einem distributiven Terminus wie in: »Die Person des Vater und des Sohnes ist eine je andere«, aber auch in dem Satz: »Der Sohn unterscheidet sich als Person vom Vater«. Im Singular jedoch kann dieses Wort in unbezüglicher Verwendung gleichermaßen das Wesen und die Person bezeichnen, so z. B. in dem Satz: »Der Vater ist Person« oder: »Der Sohn ist Person«. Dies ist offensichtlich die Meinung von Petrus Lombardus im ersten Buch seiner Sentenzen.44 − Diese Lösung ist aber offensichtlich unbefriedigend. Denn jenen Ausdruck wählten die göttlich inspirierten Konzilsväter nicht im Ausgang von einem Begriff, der nichts mit der eigentlichen Bedeutung dieses Ausdrucks zu tun hat, wenn sie mit ihm das Bekenntnis des wahren Glaubens zum Ausdruck bringen wollten. Insbesondere taten sie dies deswegen nicht, weil sie mit der Rede von drei Personen sonst Anlaß zu Irrtümern gegeben hätten, für den Fall, daß der Ausdruck »Person« schlicht das Wesen bezeichnen würde. (B) Andere behaupteten daher, jener Ausdruck bezeichne das Wesen und die Relation, dies jedoch nicht auf die gleiche Weise; vielmehr bezeichne er das eine direkt und das andere indirekt. Manche von diesen Leuten meinten, dieser Ausdruck bezeichne das Wesen direkt und die Relation indirekt. Andere wiederum meinten das Gegenteil. − Doch keiner der beiden Standpunkte löst das Problem. Denn wenn das Wesen hier die direkte Bedeutung wäre, dann dürfte jener Ausdruck nicht im Plural verwendet werden. Wenn aber die 44 Petrus Lombardus, Sent. I. d. 25 (ed. Coll. S. Bon. I, 190 f.).

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Relation die direkte Bedeutung wäre, dann dürfte man diesen Ausdruck nicht unbezüglich und zudem nicht gesondert auf eine einzelne Person anwenden. (C) Wieder andere sagten deshalb, daß dieser Ausdruck beides direkt bezeichne. Ein Teil dieser Leute war der Auffassung, daß der Ausdruck das Wesen und die Relation gleichberechtigt bezeichne, ohne daß dabei das eine erst im Gefolge am anderen auftreten würde. − Dies ist jedoch keine vernünftige Lösung. Denn etwas, was nicht etwas Bestimmtes bezeichnet, hat auch keine Bedeutung. Daher sagt auch Aristoteles im 4. Buch seiner Metaphysik, daß jeder Ausdruck etwas Bestimmtes eindeutig bezeichnet.45 (D) Andere sagten wiederum, daß die Relation im Gefolge an etwas Unbezüglichem auftrete. − Dies ist allerdings schwer einzusehen, da die Relationen in der Gottheit keine Bestimmung des göttlichen Wesens vornehmen. (E) Eine weitere Ansicht war daher die, daß jener Ausdruck nichts Unbezügliches meine, also nicht die Substanz im Sinne von Wesen, sondern im Sinne von Hypostase meine. Denn letztere sei durch eine Relation bestimmt. − Diese Feststellung ist zwar richtig, bringt uns aber keine Klarheit. Denn der Ausdruck »Hypostase« bzw. »subsistierendes Wesen« ist weniger klar als der Ausdruck »Person«. (F) Um nun Klarheit in dieser Frage zu bekommen, sollte man berücksichtigen, daß, wie Aristoteles sagt, die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks in dem liegt, was im eigentlichen Sinn durch ihn begriffen wird.46 Wenn nun dieser sprachliche Ausdruck für einen Gegenstand geltend gemacht wird und wenn dieser Gegenstand dabei geradewegs so in der Bedeutung dieses Ausdrucks enthalten ist wie etwas Bestimmtes in etwas Unbestimmtem, dann spricht man davon, daß dieser Gegenstand durch jenen Ausdruck vertreten wird. Handelt es sich hingegen um etwas, was nicht geradewegs in der Bedeutung jenes Ausdrucks enthalten ist, dann spricht man davon, daß so etwas mit einem sprachlichen Ausdruck verbunden ist. Im Beispiel gesprochen: Der Ausdruck »Mensch« meint eine lebendige, 45 Aristoteles, Met. IV, 2; 1003 b 25 ff. 46 Aristoteles, Met. IV, 2; 1003 a 33 ff.

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zur Wahrnehmung fähige Substanz, und »weiß« meint diejenige Farbe, durch die das Sehvermögen [die Gegenstände] unterscheiden kann.47 »Mensch« ist nun geradewegs so im Begriff des Lebewesens enthalten wie etwas Bestimmtes in etwas Unbestimmten. Denn der Mensch ist ja eine lebendige, zur Wahrnehmung fähige Substanz mit einer ganz bestimmten − nämlich einer geistbegabten − Seele. In »weiß« ist jedoch »Mensch« nicht geradewegs enthalten, da »weiß« nicht zum Wesen des Menschen gehört. Daher wird »Mensch« durch den Ausdruck »Lebewesen« vertreten, mit dem Ausdruck »weiß« hingegen verbunden. Nun verhalten sich das, was unter einen allgemeinen Ausdruck fällt und durch diesen Ausdruck vertreten wird, und jener allgemeine Ausdruck so zueinander wie etwas Bestimmtes und etwas Unbestimmtes. Fügt man daher diesem allgemeinen Ausdruck noch ein ganz bestimmtes Merkmal hinzu, dann wird das, wofür dieser [allgemeine] Ausdruck steht, zum Bedeutungsgehalt dieses Ausdrucks. Denn die Bedeutung von »Lebewesen mit Vernunftbegabung« ist der Mensch. Des weiteren muß man berücksichtigen, daß es zwei Spielarten von Bedeutung gibt: einerseits die formale Bedeutung, andererseits die materiale Bedeutung. Die formale Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist dasjenige, worauf dieser Ausdruck in erster Linie verweist: Dies ist sein begrifflicher Gehalt. In diesem Sinn bedeutet z. B. der Ausdruck »Mensch« etwas, was sich aus Körper und vernunftbegabter Seele zusammensetzt. Die materiale Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist hingegen dasjenige, worauf sich der begriffliche Gehalt dieses Ausdrucks stützt. In diesem Sinn bedeutet der Ausdruck »Mensch« etwas, was ein Herz, ein Gehirn und der47 Übersetzung für »disgregativum visus«, das seinerseits das diakritikÕn Ôyewj aus Aristoteles, Top. III, 5; 119 b 30 und Met. X, 7; 1057 b 8 f. wiedergibt. Da sich für Aristoteles alle Farben aus den konträren Extremwerten Weiß und Schwarz aufbauen (vgl. Phys. I, 5; 188 b 24 f.), hat jeder Farbton bestimmte Anteile von Weiß oder Schwarz. Ist daher ein Gegenstand völlig schwarz – also ganz ohne Weißanteil –, dann verunmöglicht dieser Umstand, daß der Sehsinn hier einzelne Teile voneinander unterscheiden kann.

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gleichen Körperteile besitzt. Denn ohne diese Teile kann es keinen lebendigen Körper mit einer vernunftbegabten Seele geben. In Anbetracht des Dargelegten ist also festzustellen, daß der Ausdruck »Person«, ganz allgemein verstanden, nichts anderes bedeutet als »einzelne Substanz von geistiger Natur«.48 In »einzelne Substanz von geistiger Natur« ist aber »einzelne Substanz« enthalten, und das meint − bei Gott ebenso wie bei den Menschen und den Engeln − etwas, was nicht übertragbar und was von anderem unterschieden ist. Unweigerlich muß daher »göttliche Person« etwas zu seiner Bedeutung haben, was innerhalb der göttlichen Natur für sich und wohl unterschieden besteht, ganz so wie auch eine menschliche Person das meint, was innerhalb der menschlichen Natur für sich und wohl unterschieden besteht. Dies ist die formale Bedeutung, die gleichermaßen für eine menschliche wie für eine göttliche Person gilt. Innerhalb der menschlichen Natur besteht allerdings etwas nur deshalb für sich und wohl unterschieden, weil es dank seiner ganz bestimmten Materie zu einem Einzelwesen wird und sich von anderem unterscheidet. Dies ist der materiale Bedeutungsgehalt, wenn wir von einer menschlichen Person sprechen. Innerhalb der göttlichen Natur wohl unterschieden und nicht übertragbar kann jedoch einzig und allein eine Relation sein, denn alles Unbezügliche in der Gottheit ist allgemein und setzt keinen Unterschied. Der Sache nach ist eine Relation in Gott freilich identisch mit seinem Wesen. In Gott sind aber das Wesen und der Inhaber dieses Wesen – also die Göttlichkeit und Gott – genauso miteinander identisch wie eine Relation und das, was in dieser Relation steht. Daraus folgt nun, daß eine Relation und das, was innerhalb der göttlichen Natur für sich und wohl unterschieden besteht, miteinander identisch sind. Damit ist Folgendes klargestellt: »Person« bedeutet, ganz allgemein verstanden, eine »einzelne Substanz von geistiger Natur«. Der formale Bedeutungsgehalt von »göttliche Person« ist aber: das, was für sich und wohl unterschieden innerhalb der göttlichen Natur besteht. Und weil dies nichts anderes sein kann als eine Relation bzw. etwas Relationales, so ist dies der materiale Bedeutungsgehalt 48 Boethius, De persona et de duabus naturis III (PL 64, col. 1343 C).

4. Artikel

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von »göttliche Person«. Aus diesem Grund läßt sich auch sagen, daß »göttliche Person« eine Relation bedeutet, welche als Substanz  − nicht im Sinne von Wesen, sondern im Sinne von Hypostase − auftritt; sowie, daß »göttliche Person« eine Relation nicht als solche bedeutet, sondern das, was in dieser Relation steht, was heißt, daß diese Relation z. B. durch den Ausdruck »Vater« und nicht durch den Ausdruck »Vaterschaft« bezeichnet wird. Auf diese Weise taucht also der relationale Bedeutungsgehalt indirekt in der Bedeutung einer göttlichen Person auf, welche nichts anderes ist als das, was innerhalb des göttlichen Wesens relational unterschieden für sich besteht. Zu 1. Die Frage nach dem ›Was‹ fragt nicht nur nach dem Wesen, sondern manchmal auch nach einem bestimmten Träger, wie z. B. in: »Was schwimmt im Meer? − Fische.« Es ist dieser Sinn, in dem die Frage nach dem ›Was‹ mit »Person« beantwortet wird. Zu 2. Wenn Augustinus davon spricht, daß in Gott »sein« und »Person sein« identisch sind, dann begründet sich dies aus der Weise, wie der Ausdruck »Person« seine Bedeutung zur Sprache bringt. Denn »Person« hat, anders als z. B. »Vater« und »Sohn«, keinen Bedeutungsgehalt, mit der auch eine Relation zum Ausdruck kommt. Zu 3. Es liegt am formalen Bedeutungsgehalt, daß mit »Person« etwas als es selbst, ohne eine Relation auf anderes, gemeint ist. Zu 4. Das Wesen ist der Sache nach in der Gottheit etwas Allgemeines, die Person hingegen nur als Begriff, genauso wie auch die Relation. Zu 5. In der Gottheit gibt es keinen Unterschied im Sein, da es hier nur Ein Sein gibt. So etwas ist jedoch mit dem Begriff einer Universalie unvereinbar. Daher gibt es in Gott keine Universalie, auch wenn es in ihm etwas gibt, was nur eine begriffliche Einheit und keine der Sache nach ist. Zu 6. Der Umstand, daß »Person« im Fall von Gott etwas anderes bedeutet als beim Menschen, hat damit zu tun, daß »Person« hier für jeweils Verschiedenes steht, und weniger mit verschiedenen Bedeutungsgehalten, die »Person« gleichermaßen umfassen würde. Nicht der Umstand, daß ein Ausdruck für Verschiedenes stehen kann, sondern daß er verschiedene Bedeutungen hat, macht ihn äquivok.

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Zu 7. Zwar gehört eine Relation nur akzidentell zum allgemeinen Bedeutungsgehalt von »Person«, im Fall einer göttlichen Person gilt dies, wie eben gezeigt, aber nicht. Zu 8. Dieses Argument stützt sich auf den formalen und nicht auf den materialen Bedeutungsgehalt von [»Person«]. Zu 9. Hier gilt das Gleiche. Zu 10. Eine erste Substanz bezeichnet man als unbezüglich, insofern sie nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu etwas anderem steht. Im Falle der Gottheit schließt ein relationaler Ausdruck jedoch nicht eine Form von Unbezüglichkeit aus, welche ein Abhängigkeitsverhältnis zu etwas anderem kennt, sondern eine Unbezüglichkeit, welche keine Relation auf anderes kennt. Zu 11. Der Satz »Keine Relation ist eine Substanz« ist unmittelbar einsichtig, wenn man hier die Relation und die Substanz als Kategorien versteht. Gott läßt sich jedoch nicht im abgegrenzten Bereich irgendeiner Kategorie erfassen, er faßt vielmehr die Vollkommenheit aller Kategorien in sich. Daher gibt es in ihm auch keinen wirklichen Unterschied zwischen der Relation und der Substanz. Zu 12. Das, was für sich besteht, steht in einem Gegensatz zu dem, was nicht für sich selbst besteht, nicht aber zu dem, was in Relation zu etwas anderem steht. Zu 13. Von der sprachlichen Form her gesehen, steht »Person« in keiner Relation zu etwas anderem. Dies liegt an der Art und Weise, wie hier etwas mit diesem Ausdruck zur Sprache kommt. Zu 14. Im Falle von Gott gilt die Kennzeichnung des »Einen« gleichermaßen für das Wesen wie für die Relation. Denn man sagt sowohl, daß das Wesen Eines ist, wie auch, daß der Vater Einer ist. Zu 15. Jene unterschiedliche Weise des Hervorgehens − daß also Gottsohn auf geistige Weise, der Hl. Geist jedoch auf willentliche Weise hervorgeht − reicht vielleicht nicht ganz hin, um den Hl. Geist von Gottsohn als Person unterscheiden zu können. Denn der Intellekt und der Wille setzen bei Gott keinen Unterschied in der Person. Falls man aber zugesteht, daß dies doch für einen Unterschied zwischen ihnen hinreicht, dann ist es ganz klar, daß beide sich dank einer Relation von Gottvater unterscheiden. Denn der eine geht als Gezeugter aus Gottvater hervor, der andere aber als Gehauchter. Diese Relationen sind aber für sie als Personen konstitutiv.

5. Artikel

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Zu 16. Wie der Relation die Bedeutung zukommt, daß sie eine Unterscheidung in der Gottheit vornimmt, so hat das Relat die Bedeutung des dabei Unterschiedenen. In Gott gibt es jedoch genausowenig einen Unterschied zwischen Relation und Relat wie zwischen der Wesenheit und einem bestimmten Einzelwesen. Daher gibt es bei Gott auch keinen Unterschied zwischen derjenigen Instanz, die eine Unterscheidung vornimmt, und dem dabei Unterschiedenen. Zu 17. Eine Eigentümlichkeit hat bei Gott keinen akzidentellen Charakter, sondern ist der Sache nach identisch mit dem Träger dieser Eigentümlichkeit. Ein Unterschied besteht hier nur für unseren Intellekt, der dies so auffaßt. Demnach bezeichnet »Person« keine Relation im Sinne einer Eigentümlichkeit, sondern eine Relation, die einer Eigentümlichkeit und dem Wesen zugrunde liegt. Zu 18. Zwar kann kein Universale neben den Einzeldingen existieren, es läßt sich jedoch unabhängig von diesen denken und entsprechend zum Ausdruck bringen. Daher läßt sich hier folgern: Wenn keine Einzelwesen existieren, dann gibt es auch kein Universale. Dagegen läßt sich hier nicht folgern: Wenn man nicht an ein bestimmtes Einzelwesen denkt und dieses in seiner Rede meint, dann wird man auch kein Universale denken und zum Ausdruck bringen können. Denn der Ausdruck »Mensch« bezeichnet keinen bestimmten einzelnen Menschen, sondern nur den Menschen im allgemeinen. Genauso bezeichnet der Ausdruck »Person« zwar nicht die Vaterschaft, die Sohnschaft oder die Hauchung und einen Hervorgang im allgemeinen, doch aber eine Relation im allgemeinen; und zwar tut er dies auf die oben beschriebene Weise, wie dies auf seine Art auch der Ausdruck »Relation« tut.

5. Artik el Die fünfte Frage lautet: Gibt es eine Anzahl von Personen in der Gottheit? 49 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Boethius bemerkt: »Das ist wahrhaft eines, in dem keinerlei 49 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 30 a. 1. Sent. I, d. 2 a. 4; d. 23 q. 4. Comp. theol. 50, 55. Quodl. VII, q. 3 a. 1.

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Zahl ist.«50 Nun ist Gott im höchsten Maß wahrhaft einer. Demnach ist in ihm keinerlei Zahl. 2. Dazu ist zu sagen: In Gott gibt es nicht schlechthin Zahl, sondern eine Anzahl von Personen. – Dem ist zu erwidern: Von einer akzidentellen Bestimmung aus kann man stets auf etwas für sich Bestehendes schließen, solange mit dieser Bestimmung keine Verringerung [des Seins] verbunden ist. Und so ist der Schluß zulässig: »Es ist ein hellhäutiger Mensch, also ist es ein Mensch.« Dagegen kann man nicht folgern: »Es ist ein toter Mensch, also ist es ein Mensch.« Wenn man nun von einer Anzahl der [göttlichen] Personen spricht, dann ist dies keine verringernde Bestimmung, da die Person etwas höchst Vollkommenes ist. Sollte es also in Gott eine Anzahl von Personen geben, dann folgt daraus, daß es dort schlichtweg Zahl gibt. 3. Nach Aristoteles steht die Einheit in einem Gegensatz zur Vielheit.51 Gegensätzliches tritt aber nicht an Ein und Demselben auf. Wenn also Gott die höchste Einheit ist, dann kann es in ihm keinerlei Zahl oder Vielheit geben. 4. Wo immer es Zahl gibt, da ist auch eine Vielheit von Einheiten. Wo es aber eine Vielheit von Einheiten gibt, da gibt es auch ein vielfältiges Sein. Denn das Sein der einen Einheit ist verschieden vom Sein der anderen Einheit. Wenn es also in Gott eine Zahl gibt, dann wird es in ihm zwangsläufig auch ein vielfältiges Wesen geben. Das ist aber offensichtlich falsch. 5. Wie das Eine keine Teile kennt, so gibt es Vielheit nicht ohne Teilung. In Gott gibt es aber keine Teilung, da es dort keinerlei Zusammensetzung gibt. Also kann es in der Gottheit keinerlei Zahl geben. 6. Jede Zahl besitzt Teile, da sie sich aus Einheiten zusammensetzt. In Gott gibt es jedoch keine Teile, da es dort keinerlei Zusammensetzung gibt. Also gibt es in Gott keine Zahl. 7. Das, wodurch sich das Erschaffene von Gott unterscheidet, darf man Gott nicht zuschreiben. Nun unterscheidet sich das Erschaffene von Gott dadurch, daß es in einer bestimmten Anzahl hervorge50 Vgl. Boethius, De trin. III, 3–5 (ed. Elsässer, 11). 51 Aristoteles, Met. X, 6; 1056 b 32.

5. Artikel

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bracht worden ist, wie es in Weish. 11, 21 heißt: »Alles hast Du nach Maß, Zahl und Gewicht eingerichtet«. Eine Zahl darf man demnach nicht für die Gottheit ansetzen. 8. Die Zahl ist eine Form von Quantität. In Gott gibt es jedoch keinerlei Quantität. Wenn daher in der Rede von Gott irgendein Ausdruck mit quantitativer Bedeutung vorkommt, dann verändert sich dieser nach Boethius substantiell.52 Entweder ist also die Zahl auf keinerlei Weise in Gott, oder sie hat mit seiner Substanz zu tun; letzteres ist aber glaubenswidrig. 9. Wo immer es Zahl gibt, da gibt es auch bestimmte Dinge, die man mit Zahlen machen kann, also etwa Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und all dergleichen, was mit den Zahlen zu tun hat. Derartiges kann es jedoch im Falle von Gott nicht geben. Demnach kann in Gott keinerlei Zahl sein. 10. Jede Zahl ist finit. Was also unendlich ist, das kann nicht gezählt werden. Da aber Gott unendlich ist, kann es in ihm keinerlei Zahl geben. 11. Dazu ist zu sagen: Auch wenn Gott für uns unendlich ist, so ist er doch für sich selbst begrenzt. − Dem ist zu erwidern: Was Gott aus seiner Perspektive zukommt, das kommt ihm mit größerer Wahrhaftigkeit zu als das, was ihm aus unserer Perspektive zukommt. Wenn also Gott für sich selbst begrenzt, aus unserer Perspektive aber unbegrenzt wäre, dann wäre er mit größerer Wahrhaftigkeit begrenzt als unbegrenzt. Dies ist aber offensichtlich falsch. 12. Aristoteles zufolge ist die Zahl eine Vielheit, die sich nach einer Einheit bemißt.53 Gott ist aber das Maß, das sich seinerseits nicht bemessen läßt. Demnach gibt es in Gott keinerlei Zahl. 13. Bei jeder Wesensnatur, die sich nicht von ihrem Träger differenzieren läßt, kann es unmöglich eine Vielzahl von Trägern jener Wesensnatur geben. Darauf beruht ja die Möglichkeit, daß es viele Menschen mit ein und derselben menschlichen Natur gibt, denn ein bestimmter Mensch ist ja nicht mit seiner menschlichen Natur identisch. Somit ist die Vielzahl von Einzelwesen, welche ein und dieselbe menschliche Natur besitzen, der Unterschiedlichkeit ihrer 52 Boethius, De trin. II, 56–III, 4 (ed. Elsässer, 10 f.). 53 Aristoteles, Met. X, 6; 1057 a 3 f.

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individuellen Prinzipien geschuldet, und diese haben nicht den Charakter einer umfassenden Wesensnatur. Hingegen kann es bei den materiefreien Substanzen, bei denen die artspezifische Wesensnatur nur in einem Träger besteht, unmöglich mehrere Einzelwesen mit ein und derselben Artbestimmung geben. In Gott sind jedoch Wesen und Träger identisch, denn das göttliche Sein − das ja mit dem göttlichen Wesen identisch ist − besteht für sich selbst. Folglich kann es bei der göttlichen Natur unmöglich mehrere Träger bzw. mehrere Personen geben. 14. »Person« ist der Ausdruck für eine Sache. Wo es also keine Anzahl von Sachen gibt, da gibt es auch keine Anzahl von Personen. Nun gibt es aber in Gott keine Anzahl von Sachen. Denn Johannes von Damaskus bemerkt, daß Vater, Sohn und Hl. Geist zwar der Sache nach eins sind, doch dem Begriff nach und für unser Denken sich unterscheiden.54 Demnach gibt es in Gott keine Anzahl von Personen. 15. Innerhalb einer Einheit kann es eine Vielzahl von Dingen nur geben aufgrund von deren Zusammensetzung. Gott ist aber Einer. Wenn es also in Gott mehrere Personen, d. h. mehrere Dinge gäbe, dann hieße dies, daß es in ihm Zusammensetzung gibt. Dies ist aber mit der Einfachheit Gottes unvereinbar. 16. Unbezügliches ist vollkommener als Relationales. Nun sind die unbezüglichen Eigentümlichkeiten, also die wesentlichen Attribute wie die Weisheit, die Gerechtigkeit usw. nicht konstitutiv für eine Mehrzahl an Personen in Gott. Also sind sie auch nicht konstitutiv für die relationalen Eigentümlichkeiten wie die Vaterschaft und die Sohnschaft. 17. Das, wodurch sich die Dinge voneinander unterscheiden, spielt bei diesen Dingen die Rolle eines konstitutiven Unterschiedes. Wenn sich nun die Personen in der Gottheit durch die Relationen voneinander unterscheiden, dann müssen diese Relationen für den Unterschied der Personen konstitutiv sein. Daraus würde aber folgen, daß es bei den göttlichen Personen Zusammensetzung gibt,

54 Vgl. Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 8, 17 [I, 8] (ed. Buytaert, 43 f.).

5. Artikel

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denn derjenige Unterschied, der innerhalb einer Gattung auftritt, ist für eine Artbestimmung konstitutiv. 18. Was sich durch Formen unterscheidet, die in ihrer Artbestimmung verschieden sind, das unterscheidet sich zwangsläufig in der Artbestimmung. So unterscheiden sich etwa Mensch und Pferd in ihrer Artbestimmung als vernunftbegabt und vernunftlos. Nun sind aber die Vaterschaft und die Sohnschaft Relationen, die sich in der Artbestimmung unterscheiden. Wenn sich also die göttlichen Personen einzig durch die Relationen voneinander unterscheiden, dann werden sie sich zwangsläufig in ihrer Artbestimmung voneinander unterscheiden. Folglich werden sie nicht ein und dieselbe Wesensnatur besitzen − und so etwas ist glaubenswidrig. 19. Es ist undenkbar, daß es mehrere verschiedene Träger gibt, die ein einziges Sein haben. Nun gibt es in der Gottheit nur ein einziges Sein. Demnach ist es unmöglich, daß es dort mehrere Träger bzw. Personen gibt. 20. Da das Erschaffen eine für Gott eigentümliche Tätigkeit ist, muß es zwangsläufig so sein, daß sie von jedem Träger des göttlichen Wesens ausgeht. Da aber diese Tätigkeit eine einzige ist, kann sie unmöglich von mehreren Trägern ausgehen, denn eine einzige Tätigkeit kann nur von einem einzigen Träger herrühren. Demnach kann es nicht so sein, daß es für das göttliche Wesen mehrere Träger bzw. mehrere Personen gibt. 21. Bei den Dingen hier unten ergeben sich aus dem Unterschied in einer Eigentümlichkeit noch keine verschiedenen Träger. Denn nicht dadurch, daß jemand hellhäutig und ein anderer dunkelhäutig ist, unterscheidet sich ein Träger der menschlichen Natur von einem anderen. Vielmehr unterscheidet er sich aufgrund einer individuellen Materie, welche die Grundlage für ein Einzelwesen ist. Wenn es also einen Unterschied in der Gottheit nur aufgrund von relationalen Eigentümlichkeiten gibt, dann gibt es dort unmöglich mehrere Träger bzw. Personen. 22. Die höchsten Geschöpfe sind Gott ähnlicher als die niedrigsten. Nun gibt es bei den niedrigsten Geschöpfen mehrere Träger mit einer einzigen Natur, bei den höchsten Geschöpfen wie etwa den Himmelskörpern dagegen nicht. Folglich gibt es auch in Gott nicht mehrere Personen mit einer einzigen Natur.

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23. Wenn sich die Vollkommenheit einer Artbestimmung vollständig an einem einzigen Träger findet, dann gibt es hier keine weiteren Träger, wie ja auch Aristoteles nachweist, daß es nur eine einzige Welt gibt, da diese ihre Materie vollständig umfaßt.55 Die Vollkommenheit des göttlichen Wesens findet sich aber vollständig an einem einzigen Träger. Demnach gibt es nicht mehrere Träger bzw. Personen mit einer einzigen Natur. 24. Dazu ist zu sagen: Zur vollen Freude ist es nötig, daß es eine Gemeinschaft von mehreren in der Gottheit gibt. Denn nach Boethius kann man sich nur in Gemeinschaft am Besitz einer Sache erfreuen.56 Ebenso besteht vollendete Liebe darin, daß einer den anderen wie sich selbst liebt. − Dem ist zu erwidern: Wenn man die erfüllte Freude und Liebe erst in jemand anderem findet, ist dies ein Zeichen für die unzureichende Güte in einem selbst. Daher sagt Aristoteles, daß schlechte Menschen, die an sich selbst keine Freude haben, den Umgang mit anderen suchen.57 Gute Menschen hingegen suchen den Umgang mit sich selbst, da sie in sich selbst den Anlaß zur Freude finden. Dem göttlichen Wesen kann nun überhaupt keine Güte abgehen. Wenn daher ein einziger Träger der göttlichen Natur die ganze Fülle der Freude und Liebe in sich aufweist, dann braucht man deswegen auch nicht mehrere Träger bzw. Personen in der Gottheit anzunehmen. Dagegen steht: 1. In 1 Joh. 5, 7 heißt es: »Drei sind es, die Zeugnis ablegen: der Vater, das Wort und der Hl. Geist.« 2. Athanasius sagt in seinem Glaubensbekenntnis: »Alle drei Personen sind gleich ewig und einander gleich.«58 Folglich gibt es in der Gottheit eine Anzahl von Personen. 55 Aristoteles, De coelo I, 1; 268 b 6 f. 56 Thomas führt mehrfach diese Stelle unter dem Namen des Boethius

an, z. B. Sum. theol. I-II q. 4 a. 8 arg. 8 (ed. L, Vol. VI, 45). Dort findet sie sich augenscheinlich nicht; der Gedanke geht zurück auf Seneca, Ep. ad Lucillium 6, 4. 57 Aristoteles, Eth. Nic. IX, 4; 1166 b 20 f. 58 Vgl. dazu S. 145 Anm. 30.

5. Artikel

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Antwort: Die Mehrzahl der Personen in der Gottheit ist Gegenstand des Glaubens und kann von der natürlichen Vernunft des Menschen weder durchdrungen noch hinreichend begriffen werden. Doch wir haben die Hoffnung, dies im Himmel zu begreifen, wo wir Gott in seinem Wesen schauen werden und die Schau dem Glauben nachfolgt. Gleichwohl waren die Kirchenväter angesichts von Leuten, die den Glauben leugnen, gezwungen, sich in dieser Sache und in anderen Glaubensdingen zu erklären. Dies taten sie freilich auf zurückhaltende Weise und mit Ehrfurcht, ohne Anmaßung des Bescheidwissens. Zudem hat solch eine Untersuchung ihren guten Sinn, wenn sich mit ihrer Hilfe der Verstand aufschwingt, um ein Stück Wahrheit zu erfassen, welches zum Ausschluß von Irrtümern hinreicht. Von daher bemerkt Hilarius: »Im Glauben daran« – nämlich an eine Mehrzahl der Personen in der Gottheit – »mach dich auf den Weg, schreite voran und halte durch! Auch wenn ich weiß, daß Du niemals ans Ziel gelangen wirst, begrüße ich freudig deinen Fortschritt. Wer nämlich in frommer Gesinnung dem Unendlichen nachgeht, der wird, auch wenn er an es nie heranreichen wird, Fortschritte machen, solange er auf es zugeht.«59 Um also etwas Klarheit in dieser Frage zu bekommen, sollte man, insbesondere auch im Blick auf Augustinus’ diesbezügliche Bemerkungen, sich Folgendes bewußt machen: All das, was an den Geschöpfen vollkommen ist, muß man Gott zuschreiben, und zwar schlichtweg den Inbegriff einer Vollkommenheit, nicht aber so, wie diese Vollkommenheit in diesem oder jenem Ding vorliegt.60 Denn anders als bei uns liegt in Gott die Gutheit und Weisheit nicht als ein Akzidens, sondern in ihm liegt die höchste Gutheit und vollkommene Weisheit.

59 Hilarius von Poitiers, De trin. II, 10 (CCSL 62, 48). 60 Dieses Zitat schreibt Thomas wiederholt Augustinus zu: De ver. q. 2

a. 1 sc; Sent: I, d. 2 q. 1 a. 2 sc. In De pot. q. 1 a. 1 arg. 2 wird dagegen ausdrücklich auf Anselm verwiesen: Anselm von Canterbury, Monologion 15 (Opera omnia I, ed. Schmitt, 29).

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Nun findet sich aber an den Geschöpfen nichts Erhabeneres und Vollkommeneres als das Denken. Ein Anzeichen hierfür ist der Umstand, daß unter allen Geschöpfen die geistbegabten Substanzen die erhabensten sind und daß sie angesichts ihres Geistes als Abbild Gottes bezeichnet werden. Zwangsläufig kommt also Gott das Denken und all das, was mit diesem verbunden ist, zu. Und doch kommt es ihm auf andere Weise als den Geschöpfen zu. Mit dem Denken ist aber verbunden, daß es jemanden gibt, der erkennt, und etwas, was erkannt wird. Nun ist das, was an sich erkannt ist, jedoch kein Ding, von dem der Intellekt erst noch Kenntnis gewinnen muß. Denn letzteres ist zuweilen nur ein potentiell Gedachtes und befindet sich außerhalb des Erkennenden. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Mensch materiebehaftete Dinge denkt, wie z. B. einen Stein, ein Lebewesen und etwas in der Art. Dagegen muß das erkannte Ding im Erkennenden und mit ihm eins sein. Ebensowenig ist das, was an sich erkannt ist, ein Abbild der erkannten Sache, durch das der Intellekt zu seiner Tätigkeit gebracht wird. Denn der Intellekt kann nur insofern erkennen, als er durch jenes Abbild in Tätigkeit versetzt wird, wie ja alles eine Tätigkeit nicht dadurch entfalten kann, daß es in der Möglichkeit ist, sondern nur dadurch, daß es durch eine Form in Tätigkeit versetzt wird. Dieses Abbild ist also für den Akt des Erkennens der Ausgangspunkt – so wie etwa die Hitze der Ausgangspunkt für die Erwärmung ist –, es ist aber nicht der Zielpunkt des Erkennens. Somit ist das, was zuerst und an sich erkannt wird, identisch mit dem, was der Intellekt in sich selbst von der erkannten Sache begreift, sei dies nun eine Definition oder sei es ein Zusprechen [von Prädikaten], welche ja als die beiden Tätigkeiten des Intellekts im dritten Buch von Über die Seele namhaft gemacht werden.61 Was aber der Intellekt auf diese Weise erkennt, das bezeichnet man als das ›innere Wort‹, auf das ein sprachlicher Ausdruck verweist. Denn das gesprochene Wort verweist nicht auf das erkannte Ding als solches, auch nicht auf dessen intelligible Form oder den Erkenntnisakt als solchen, sondern es verweist auf einen Begriff im Intellekt, über den vermittelt der sprachliche Ausdruck auf das Ding verweist, so 61 Aristoteles, De an. III, 6; 430 b 27 ff.

5. Artikel

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etwa, wenn wir sagen »Mensch« oder »Der Mensch ist ein Lebewesen«. In dieser Hinsicht macht es keinen Unterschied, ob der Intellekt sich selbst erkennt oder etwas anderes als sich selbst. Denn wenn der Intellekt etwas anderes als sich selbst erkennt, dann formiert er einen Begriff von dieser Sache, welcher dann sprachlich zum Ausdruck kommt; genauso wenn der Intellekt sich selbst erkennt: er formiert dann einen Begriff von sich selbst, den man ebenfalls sprachlich zum Ausdruck bringen kann. Da also in Gott Denken ist und er im Denken seiner selbst alles andere denkt, so muß man für Gott einen Begriff von Denken ansetzen, welcher schlichtweg der Inbegriff von Denken ist. Wenn wir aber in der Lage wären, das göttliche Denken in seinem Was und seinem Wie so zu erfassen, wie wir das bei unserem Denken können, dann würde das Begreifen des göttlichen Wortes ebensowenig unseren Verstand übersteigen wie das Begreifen des menschlichen Wortes. Gleichwohl sind wir in der Lage zu wissen, was das göttliche Denken nicht ist. Auch können wir erkennen, wie es sich nicht vollzieht, so daß wir auch den Unterschied wissen können zwischen dem Wort, das von Gott gedacht, und dem Wort, das von uns gedacht wird. Wir wissen nämlich zunächst, daß es in Gott nur einen einzigen Denkakt gibt und nicht vielfältige Akte so wie bei uns. Denn unsere Denkakte, in denen wir einen Stein und eine Pflanze erkennen, sind jeweils verschieden, doch Gottes Denkakt ist einer, und in ihm erkennt er sich und alles andere. Deswegen denkt unser Intellekt viele Wörter, während das Wort, das von Gott gedacht wird, nur Eines ist. Darüber hinaus erkennt unser Intellekt sich selbst und das andere meistens unvollkommen. Dagegen kann das göttliche Denken nicht unvollkommen sein. Aus diesem Grund ist das göttliche Wort vollkommen, indem es alles auf vollkommene Weise verkörpert, unser Wort hingegen ist in der Regel unvollkommen. Zudem sind bei unserem Intellekt Denken und Sein verschieden. Wenn daher das Wort, das in unserem Intellekt gedacht wird, aus dem Intellekt als solchem hervorgeht, dann bildet es mit dem Intellekt keine Einheit im Wesen, sondern nur im Erkenntnisakt. Dagegen ist Gottes Denken sein Sein, und so geht das Wort, welches aus Gott hervorgeht, indem er denkt, aus Gott hervor, insofern er ist.

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Daher hat hier das gedachte Wort dasselbe Wesen und dieselbe Natur wie der denkende Intellekt. Weil man aber beim Lebendigen den Empfänger einer Form als einen Gezeugten und als Sohn bezeichnet, spricht man davon, daß das göttliche Wort gezeugt und der Sohn ist. Bei unserem Wort hingegen kann man nicht oder allenfalls metaphorisch davon sprechen, daß es von unserem Intellekt gezeugt worden und dessen Sohn ist. Das Wort unseres Intellekts ist also in zweifacher Weise von unserem Intellekt verschieden: einmal dadurch, daß es aus unserem Intellekt hervorgeht, und einmal darin, daß es von anderer Natur als unser Intellekt ist. Da wir aber, wie vorhin gezeigt,62 vom göttlichen Wort einen Unterschied im Wesen ausschließen können, so verbleibt als Unterschied nur, daß das göttliche Wort aus einem anderen hervorgeht. Wenn aber die Verschiedenheit die Ursache für die Zahl ist, so ergibt sich, daß die einzige Zahl in Gott diejenige der Relationen ist. Die Relationen in der Gottheit sind jedoch keine Akzidentien, sondern eine jede von ihnen ist wirklich mit dem göttlichen Wesen identisch. Daher besteht auch eine jede, ganz wie das göttliche Wesen, von sich aus. Wie aber die Göttlichkeit identisch ist mit Gott, so ist auch die Vaterschaft identisch mit dem Vater, und so auch der Vater identisch mit Gott. Die Zahl der Relationen entspricht somit der Zahl der Dinge, die in der göttlichen Natur von sich aus Bestand haben. Dies sind, wie der letzte Artikel gezeigt hat, die göttlichen Personen. Das ist der Grund, warum wir eine Anzahl von Personen in der Gottheit ansetzen. Zu 1. Mit seiner Bemerkung will Boethius die Zahl aus dem göttlichen Wesen ausschließen; denn darum geht es ihm an dieser Stelle. Zu 2. Zwar werden die Personen in ihrem Sein nicht verringert durch den Begriff der Zahl, sie werden es aber doch, sofern man sie als Relationen betrachtet. Denn der Unterschied aufgrund einer Relation ist der geringste aller Unterschiede, genauso wie auch die Relation das geringste Sein unter allen Kategorien hat. Zu 3. Einheit und Vielheit schreibt man Gott nicht unter derselben Hinsicht zu, sondern die Einheit in Anbetracht des Wesens und 62 Vgl. De pot. q. 8 a. 1 c.

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die Vielheit in Anbetracht der Personen bzw. die Einheit angesichts der unbezüglichen Momente und die Vielheit angesichts der Relationen. Zu 4. Wenn eine Vielheit von Einheiten sich einem Unterschied verdankt, der ein Unterschied im Sein ist, dann unterscheiden sich diese Einheiten zwangsläufig dem Sein nach. Wenn es sich aber um einen Unterschied aufgrund von Relationen handelt, dann unterscheiden sich die Einheiten, aus denen jene Vielheit besteht, ausschließlich aufgrund von Relationen voneinander. Zu 5. Jeder beliebige Unterschied schafft es, eine ihm entsprechende Vielheit zustande zu bringen. Und so gibt es in Gott bei den unbezüglichen Momenten keinen Unterschied − den es ja ohne Zusammensetzung nicht geben kann −, sondern nur den Unterschied in den Relationen, ebenso wie es in Gott keine Vielheit im Hinblick auf die unbezüglichen Momente gibt, sondern nur, wie bereits ausgeführt,63 im Hinblick auf die Relationen. Zu 6. Einheiten sind stets Teile der Zahl, wenn es hierbei um die bloße Zahl geht, mit der wir zählen. Wenn es hingegen um die Zahl geht, die in den Dingen liegt, dann ist hier die Vorstellung von Teil und Ganzem fehl am Platz, es sei denn, es findet sich an den gezählten Dingen Teil und Ganzes. Nun sind aber die verschiedenen Relationen in der Gottheit keine Teile, wie ja auch die Vaterschaft und die Sohnschaft keine Teile von Sokrates sind, obwohl er unterschiedliche Menschen zum Vater und zum Sohn hat. Daher ist die einzelne Relation in ihrem Verhältnis zur Zahl der Relationen auch nicht als ein Teil faßbar. Zu 7. Die Geschöpfe unterscheiden sich von Gott dadurch, daß für sie eine Zahl von Prinzipien wesentlich ist. Diese Art von Zahl hat nichts mit der Zahl der [göttlichen] Personen zu tun. Zu 8. Die Zahl im Sinne einer Form der Quantität kommt durch die Unterteilung eines Kontinuums zustande. Eine kontinuierliche Größe ist aber ein mathematischer Gegenstand − denn diese Größe ist begrifflich, nicht aber dem Sein nach von der sinnlich wahrnehmbaren Materie geschieden −, ebenso wie die Zahl im Sinne einer Form der Quantität ein Gegenstand der Arithmetik ist, deren 63 Vgl. De pot. q. 9 a. 5 c.

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Prinzip die Eins als das erste Maß für die quantitativen Größen ist. Von daher ist klar, daß es diese Art von Zahlen bei den materielosen Dingen nicht geben kann. Bei ihnen gibt es vielmehr eine Vielheit, die im Gegensatz zum Einen steht, welches mit ›seiend‹ austauschbar ist. Diese Vielheit kommt hier zustande durch einen formalen Unterschied, den es bei bestimmten unterschiedlichen Formen gibt, welche unbezüglich sein oder in Relation zueinander stehen können. Von dieser Art ist die Zahl in der Gottheit. Zu 9. Jene Dinge, die man mit Zahlen machen kann, gelten von den Zahlen, welche Formen der Quantität sind und die es, wie ausgeführt, in Gott nicht geben kann. Zu 10. Gott ist unendlich in der Vollkommenheit seiner Größe, seiner Weisheit und dergleichen. Daher heißt es auch in Ps. 147, 5, daß »seine Weisheit ohne Zahl ist«. Dagegen geht der Hervorgang in der Gottheit, durch den es mehrere göttliche Personen gibt, nicht ins Unendliche. Denn die göttliche Zeugung ist nach einem Wort Augustins nicht ohne Maß.64 Daher ist auch die Anzahl der göttlichen Personen nicht unendlich. Zu 11. Wenn man davon spricht, daß Gott für sich selbst begrenzt ist, dann nicht deswegen, weil er sich als begrenzt erkennen würde, sondern weil wir ihn bei der Erkenntnis seiner selbst in ein Verhältnis zu sich selbst setzen, wie wir es zu den endlichen Dingen haben. Zu 12. Diese Definition gilt für die Zahl, welche in die Kategorie der Quantität gehört und auf die der Begriff des Maßes anwendbar ist. Zu 13. Bei den erschaffenen Dingen bringen die individuierenden Prinzipien Zweierlei mit sich. Einerseits sind sie das Prinzip dafür, daß etwas Bestand hat – eine allgemeine Wesensnatur hat ja von Haus aus nur Bestand in den Einzelwesen. Andererseits unterscheiden sich dank dieser Prinzipien die einzelnen Träger einer allgemeinen Wesensnatur voneinander. In der Gottheit dagegen bringen die personalen Eigentümlichkeiten ausschließlich das mit sich, daß sich die Träger des göttlichen Wesens voneinander unterscheiden. Sie sind hier aber nicht das Prinzip dafür, daß das göttliche Wesen Be64 Augustinus, Contra Maximinum Arianorum Episcopum II, 3 (PL 42, col. 1077 C).

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stand hat, denn das göttliche Wesen hat ja durch sich selbst Bestand. Vielmehr ist es umgekehrt so, daß die personalen Eigentümlichkeiten dank des göttlichen Wesens Bestand haben. So ist auch die Vaterschaft deshalb etwas, was Bestand hat, weil das göttliche Wesen, mit dem die Vaterschaft der Sache nach identisch ist, etwas ist, das Bestand hat. Daraus folgt, daß das göttliche Wesen ebenso identisch mit Gott ist wie die Vaterschaft mit dem Vater. Zudem folgt daraus, daß das göttliche Wesen sich nicht zahlenmäßig vervielfältigt angesichts der Mehrzahl seiner Träger, so wie dies bei den Dingen hier unten der Fall ist. Denn etwas wird ja zahlenmäßig durch diejenige Instanz vervielfältigt, der es sein Bestehen verdankt. Zwar wird das göttliche Wesen sozusagen durch sich selbst individuiert, insofern es durch sich selbst Bestand hat. Dennoch gibt es trotz dieser Einzahl des göttlichen Wesens in der Gottheit mehrere Träger, die sich voneinander durch die tatsächlich bestehenden Relationen unterscheiden. Zu 14. Wenn der Vater, der Sohn und der Hl. Geist sich nicht wirklich, sondern nur dem Begriff nach unterscheiden würden, dann spräche nichts dagegen, daß sie sich gegenseitig voneinander aussagen ließen, so wie dies etwa bei »Kleid« und »Gewand« der Fall ist. In diesem Sinne wäre dann der Vater der Sohn und umgekehrt, wie dies der Irrglaube von Sabellius annimmt. Von daher ist festzustellen, daß Vater, Sohn und Hl. Geist drei Dinge sind, wie Augustinus im ersten Buch von De doctrina christiana sagt,65 und zwar für den Fall, daß »Ding« hier ein relationales Ding meint. Für den Fall aber, daß unter »Ding« etwas Unbezügliches verstanden wird, sind Vater, Sohn und Hl. Geist ein einziges Ding, wie ebenfalls Augustinus bemerkt. In diesem Sinne sind auch die Worte von Johannes von Damaskus zu verstehen, wonach Vater, Sohn und Hl. Geist der Sache nach eins sind. Wenn er aber davon spricht, daß sie sich nur dem Begriff nach66 unterscheiden, dann ist darunter, wie üblich, zu verstehen: ›durch die Relation‹. Auch wenn nämlich eine Relation gegenüber der ihr entgegengesetzten Relation einen wirklichen Unterschied in der Gottheit setzt, so läßt sie sich 65 Augustinus, De doctr. christ. I, 5 (CCSL 32, 9). 66 ratio M : ratione L

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vom göttlichen Wesen doch nur dem Begriff nach unterscheiden. Dazu kommt, daß die Relation unter allen Kategorien das schwächste Sein hat. Zu 15. Eine Vielzahl von Dingen in der Gottheit ist die Vielzahl der wirklich bestehenden Relationen der Gegensätzlichkeit. Das heißt aber nicht, daß es eine Zusammensetzung in der Gottheit gibt. Denn im Hinblick auf das göttliche Wesen trifft die Relation keine Unterscheidung in der Sache, sondern nur dem Begriff nach. Daher verursacht die Relation auch keine Zusammensetzung beim göttlichen Wesen, genausowenig wie es die Gutheit oder ein anderes wesentliches Attribut tut. Doch im Hinblick auf die entsprechend gegensätzliche Relation ergibt sich eine Vielzahl und trotzdem keine Zusammensetzung. Denn insofern die Relationen in einem Gegensatz zueinander stehen, unterscheiden sie sich voneinander. Und eine Zusammensetzung kommt nicht durch unterschiedene Dinge als solche zustande. Zu 16. Die wesentlichen Attribute stehen anders als die Relationen in keinem wechselseitigen Gegensatz. Auch wenn sie daher wie die Relationen wirklich bestehen, so erbringen sie doch keine Vielzahl von Trägern, die sich wechselseitig unterscheiden würden. Denn eine Vielzahl ergibt sich aus einer Unterscheidung. Eine formale Unterscheidung kommt jedoch durch eine Entgegensetzung zustande. Zu 17. In der Gottheit macht es keinen Unterschied, ob man die Form oder den einzelnen Träger zum Ausdruck bringt, wie etwa bei ›Göttlichkeit‹ und ›Gott‹, bei ›Vaterschaft‹ und ›Vater‹. Auch wenn daher die relationalen Eigentümlichkeiten so etwas wie die konstitutiven Unterschiede für die Personen sind, so erbringen sie nicht zwangsläufig eine Zusammensetzung bei den Personen, für die sie konstitutiv sind. Zu 18. Zwar lassen sich der Vater und der Sohn nur durch Vaterschaft und Sohnschaft auseinanderhalten. Vater und Sohn in der Gottheit unterscheiden sich aber nicht deshalb zwangsläufig durch eine Artbestimmung, weil Vaterschaft und Sohnschaft Relationen sind, die von ihrer Artbestimmung her unterschiedlich sind. Denn die besagten Relationen sind für die göttlichen Personen nicht das, was die Artbestimmung angibt, sondern eher das, was die Träger

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unterscheidet und konstituiert. Dasjenige aber, was für die göttlichen Personen die Artbestimmung angibt, ist das göttliche Wesen, in dem der Sohn dem Vater gleicht. Denn der Zeugende zeugt, was ihm in der Art gleicht und nicht in den individuellen Eigentümlichkeiten. Auch wenn sich z. B. Sokrates und Platon als Individuen nur durch die weiße bzw. schwarze Hautfarbe unterscheiden würden – was ja Qualitäten mit einem spezifischen Unterschied sind –, so würden sich beide dennoch nicht in der Artbestimmung unterscheiden. Denn das, was bei Weiß und Schwarz eine spezifische Bestimmung ausmacht, ist nicht die spezifische Bestimmung von Sokrates und Platon. In diesem Sinne ist es unplausibel, daß der Vater und der Sohn sich in der Artbestimmung unterscheiden, weil die Vaterschaft und die Sohnschaft einen spezifischen Unterschied ausmachen. Davon abgesehen, läßt sich bei der Gottheit eigentlich nicht davon sprechen, daß sich etwas in der Artbestimmung unterscheiden würde. Denn dort gibt es weder Spezies noch Genus. Zu 19. Man muß voll und ganz zugestehen, daß es in der Gottheit ausschließlich ein einziges Sein gibt. Das Sein hat ja immer mit dem Wesen zu tun, besonders bei Gott, dessen Sein sein Wesen ist. Doch die Relationen, die die Hypostasen in der Gottheit unterscheiden, fügen dem Sein des göttlichen Wesens kein weiteres Sein hinzu. Sie verursachen ja, wie gesagt, keine Zusammensetzung beim göttlichen Wesen. Jede Form aber, die ein Sein zu einem substantiellen Sein hinzufügt, bewirkt eine Zusammensetzung bei der Substanz. Und dieses Sein ist ein akzidentelles, wie etwa das Weiß-Sein und Schwarz-Sein. Eine Verschiedenheit im Sein ergibt sich bei den erschaffenen Dingen also aus einer Vielzahl von Trägern, ebenso wie die Verschiedenheit des Wesens. Keines von beidem gilt jedoch von der Gottheit. Zu 20. Ein Wirken geht von einem Wirkenden nach Maßgabe seiner Form bzw. seiner Kraft aus, die das Prinzip seines Wirkens ist. Daher kann aus den drei Personen, die eine einzige Natur und Kraft haben, problemlos eine einzige schaffende Tätigkeit hervorgehen. Das ist genauso, wie wenn es bei drei heißen Dingen zahlenmäßig eine Hitze gibt: Von ihnen ginge zahlenmäßig eine einzige Erhitzung aus. Zu 21. Die individuierenden Formen bei den erschaffenen Din-

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gen existieren nicht in der gleichen Weise wie bei der Gottheit. Daher ist die hier vorgenommene Gleichsetzung falsch. Zu 22. Bei den erschaffenen Dingen gehört zu der Vielheit von Trägern eine Vervielfältigung des Wesens, was auf die Gottheit nicht zutrifft. Daher ist dieses Argument nicht schlüssig. Zu 23. Zwar ist die vollständige und vollkommene Göttlichkeit in jeder der drei Personen mit ihren je eigenen Seinsweisen. Trotzdem gehört es zur Vollkommenheit der Göttlichkeit, daß es in der Gottheit mehrere Seinsweisen gibt: es gibt dort einen, aus dem ein anderer, er selbst aber aus keinem anderen hervorgeht. Und es gibt einen, der aus dem anderen hervorgeht. Denn es würde keine vollständige Vollkommenheit in der Gottheit geben, wenn es dort keinen Hervorgang des Wortes und der Liebe gäbe. Zu 24. Dieses Argument verfährt so, als ob sich die göttlichen Personen dem Wesen nach unterscheiden würden. Auf diese Weise wäre ja die volle Freude, die der Vater im Sohn hat, in etwas ihm Äußerlichen, und der Vater hätte sie nicht in sich selbst. Weil aber der Sohn im Vater als dessen Wort ist, kann der Vater die volle Freude an sich selbst nur im Sohn haben. Genauso freut sich ein Mensch über sich selbst nur durch die Vorstellung, die er von sich hat.

6. Artik el Die sechste Frage lautet: Ist es gerechtfertigt, das Wort »Person« im Plural von der Gottheit auszusagen? 67 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Eine Person ist eine Substanz, wie aus der Definition des Boethius erhellt. Nun wird aber die Substanz nicht im Plural von der Gottheit ausgesagt. Folglich auch nicht die Person. 2. Die anderen unbezüglichen Namen sagt man von der Gottheit nur im Singular aus, also etwa weise, gut usw. Nun ist das Wort »Person« ein unbezüglicher Name. Demnach darf man ihn nicht im Plural bei der Gottheit verwenden. 67 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 30 a. 4. Sent. I, d. 25 a. 3.

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3. Das Wort »Person« versteht sich offenbar von »für sich bestehen« her. Denn es bezeichnet ein Einzelwesen innerhalb der Kategorie der Substanz. Eine Person ist ja sozusagen eine Einheit für sich.68 Für sich zu bestehen hat aber etwas mit dem Wesen zu tun, das sich bei der Gottheit nicht vervielfältigt. Also kann auch das Wort »Person« nicht im Plural ausgesagt werden. 4. Dazu ist zu sagen: »Für sich bestehen« versteht sich zwar vom Wesen her. Dennoch können wir sagen, das es in der Gottheit drei gibt, die für sich bestehen – und damit eben auch, daß es drei Personen sind. – Dem ist zu erwidern: Das, was das Wesen in der Gottheit bezeichnet, kann man nicht im Plural verwenden, außer es handelt sich um Adjektive, die ihren [grammatischen] Numerus nicht von der ausgesagten Form bekommen, sondern von den Einzelsubstanzen. Das Gegenteil gilt bei den Substantiven. So kann man sagen, daß es in Gott drei Ewige gibt, sofern man hier »ewig« adjektivisch faßt. Wenn man es jedoch substantivisch faßt, dann gilt, was Athanasius im Glaubensbekenntnis schreibt: »Es sind nicht drei Ewige, sondern es ist Ein Ewiger.«69 Das Wort »Person« ist aber ein Substantiv und kein Adjektiv. Also darf man es nicht im Plural verwenden. 5. Zwar werden die Adjektive für das Wesen bei der Gottheit im Plural ausgesagt. Doch die damit zum Ausdruck kommenden Formen werden nicht im Plural, sondern nur im Singular ausgesagt. Auch wenn wir in einem bestimmten Sinn bei der Gottheit von drei Ewigen im Plural reden können, so reden wir auf keinen Fall von drei Ewigkeiten. Auch wenn man also in einem bestimmten Sinn davon reden kann, daß es drei Personen in der Gottheit gibt, so kann man auf keinen Fall davon sprechen, daß es hier drei Persönlichkeiten gibt. 6. Wie »Gott« denjenigen bezeichnet, der Göttlichkeit besitzt, so bezeichnet »göttliche Person« denjenigen, der in der Gottheit für sich besteht. Wie wir nun sagen, daß es in der Gottheit drei gibt, die in ihrer Göttlichkeit für sich bestehen, so sagen wir auch, daß die 68 Das Wortspiel persona – per se (für sich) läßt sich im Deutschen nicht nachahmen. 69 Vgl. Denzinger / Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum n. 75.

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drei Göttlichkeit besitzen. Wenn man aus diesem Grund behaupten kann, daß es in der Gottheit drei Personen gibt, so läßt sich gleichermaßen sagen, daß es dort drei Götter gibt. Das aber ist häretisch. 7. Nach Boethius70 sind es deswegen nicht drei Götter, weil Gott sich von Gott nicht in der Göttlichkeit unterscheidet. Gleichermaßen unterscheidet sich nun eine göttliche Person von der anderen nicht durch einen bestimmten Unterschied in der Persönlichkeit. Denn offensichtlich ist ihnen das gemeinsam: eine Person zu sein. Also kann man die Person nicht im Plural von der Gottheit aussagen. Dagegen spricht: 1. Augustinus sagt: »Wer fragt, was die Drei – Vater, Sohn und Heiliger Geist – sind, bekommt zur Antwort: drei Personen.«71 Folglich läßt sich die Person im Plural von der Gottheit aussagen. 2. Bei Athanasius steht: »Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind jeweils eine andere Person.«72 Unterscheidung ist aber der Grund für die Zahl. Also muß man die Person im Plural von der Gottheit aussagen. Antwort: Wie vorhin schon gesagt, bekommen substantivische Nomina ihren Numerus von der ausgesagten Form, Adjektive dagegen von den Einzelsubstanzen. Der Grund dafür ist, daß Substantive nach Art einer Substanz bedeutsam sind, Adjektive sind es hingegen nach Art eines Akzidens. Letzteres wird durch seinen Träger individuiert und vervielfältigt, die Substanz aber durch sich selbst. Da nun das Wort »Person« ein Substantiv ist, muß man anhand der mit ihm ausgesagten Form überlegen, ob es im Plural ausgesagt werden kann. Die Form, die mit dem Wort »Person« zum Ausdruck kommt, ist aber nicht das Wesen schlechthin. Denn sonst würde mit dem Wort »Mensch« und mit »menschliche Person« dasselbe zum Ausdruck kommen, was ganz klar falsch ist. Vielmehr drückt das Wort »Person« formal die Nicht-Übertragbarkeit aus bzw. die 70 Boethius, De trin. II, 5–25 (ed. Elsässer, 28). 71 Augustinus, De trin. VII, 7 (CCSL 50, 257). 72 Siehe S. 145 Anm. 30.

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Individualität dessen, was für sich als ein Wesen besteht. Das alles erklärt sich aus dem vorher Besprochenen. Da es in der Gottheit mehrere Eigentümlichkeiten gibt, die ein unterschiedenes und nicht übertragbares Sein mit sich bringen, muß man das Wort »Person« im Plural von der Gottheit aussagen. Genauso wird auch bei den Menschen das Wort »Person« im Plural verwendet wegen der Vielzahl an individuierenden Prinzipien. Zu 1. Eine Person ist eine individuelle Substanz, d. h. eine Hypostase. Und letztere wird im Plural verwendet, wie sein Gebrauch im Griechischen zeigt. Zu 2. Das Wort »Person« ist von seiner Sprachform her unbezüglich. Gleichwohl meint es eine Relation, wie aus dem vorhin Gesagten erhellt. Zu 3. Das Wort »Person« zeigt nicht bloß ein Bestehen an, welches offensichtlich mit dem Wesen zu tun hat. Es zeigt auch ein unterschiedenes und nicht übertragbares Sein an, das sich den relationalen Eigentümlichkeiten in der Gottheit verdankt. Zu 4. Die Form, die mit dem Wort »Person« zum Ausdruck kommt, ist nicht schlechthin das Wesen, sondern das, was das Prinzip für Nicht-Übertragbarkeit und Individuation ist. Daher wird es im Plural verwendet, auch wenn es ein Substantiv ist. Da es zudem mehrere Eigentümlichkeiten in der Gottheit gibt, spricht man hier auch von mehreren Persönlichkeiten. Zu 5. Damit ist auch hier die Antwort klar. Zu 6. Das Wort »Person« bezeichnet denjenigen, der im göttlichen Wesen für sich, und zwar unterschieden und nicht übertragbar, besteht. Doch das Wort »Gott« bezeichnet denjenigen, der das göttliche Wesen besitzt, ohne einen Unterschied und eine Unübertragbarkeit zu implizieren. Deshalb ist die hier vorgenommene Gleichsetzung falsch. Zu 7. Zwar unterscheidet sich Gott nicht von Gott durch irgendeinen Unterschied in der Göttlichkeit – denn es gibt ja zahlenmäßig nur eine einzige Göttlichkeit. Doch unterscheidet sich die eine Person von der anderen göttlichen Person in der Personalität, da ja die Personalität in der Gottheit mit einer Eigentümlichkeit zu tun hat, die die Personen voneinander unterscheidet.

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7. Artik el Die siebte Frage lautet: Auf welche Weise lassen sich von den göttlichen Personen Zahlbegriffe aussagen – bejahend oder nur verneinend? 73 Offenbar bejahend; denn: 1. Wenn [die Zahlbegriffe] nichts an der Gottheit bejahen, dann spricht der, der von den drei Personen redet, von nichts, was in Gott liegt. Folglich wird auch der, der die drei Personen verneint, nichts an Gott verneinen, was in ihm ist. Somit sagt er nichts Wahrheitswidriges und wird so auch kein Häretiker. 2. Nach Dionysius spricht man auf dreifache Weise von Gott: mittels der Verneinung, mittels der Übersteigerung und mittels der Angabe der Ursache.74 Wie immer man nun die Zahlbegriffe von der Gottheit aussagt: sie treffen zwangsläufig etwas. Dies ist freilich evident, wenn man sie in Form der Übersteigerung oder zur Angabe der Ursache verwendet. Doch das gleiche gilt, wenn man sie in negativer Form einsetzt. Denn wie auch Dionysius sagt,75 wird nichts von Gott in dem Sinn verneint, als ob ihm etwas abginge, sondern weil es ihm nicht auf dieselbe Weise zukommt wie uns. In allen Spielarten treffen somit die Zahlbegriffe etwas. 3. Alles, was von Gott und den Geschöpfen ausgesagt wird, wird von Gott in einem erhabeneren Sinn ausgesagt als von den Geschöpfen. Nun werden die Zahlbegriffe bei den Geschöpfen bejahend ausgesagt – und daher erst recht von Gott. 4. Die Vielzahl und die Einheit, die mit Zahlbegriffen verbunden ist, sind nicht bloß im Intellekt, wenn sie von Gott ausgesagt werden. Denn sonst gäbe es die drei Personen in Gott nur für den Intellekt, und das sieht nach der Häresie des Sabellius aus. Zwangsläufig entspricht ihnen der Sache nach etwas in Gott selbst. Und somit verwendet man sie bejahend für Gott. 5. Wie das Eine in die Kategorie der Quantität gehört, so das Gute in die Kategorie der Qualität. In Gott jedoch gibt es weder Quantität 73 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 30 a. 3. Sent I, d. 24 a. 3. Quodl. X, q. 1 a. 1. 74 Dionysius Areopagita, De div. nom. VII, 3 (Dion. I, 402). 75 Dionsyius Areopagita, De div. nom. IV (Dion. I, 158 f.).

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noch Qualität noch irgendein Akzidens. Und trotzdem sagt man von Gott das Gute nicht verneinend, sondern bejahend aus. Also gilt das gleiche für das Eine und in der Folge auch für die Vielzahl, die auf der Einheit gründet. 6. Man spricht von vier Transzendentalien: seiend, eines, wahr und gut. Nun werden drei von ihnen – nämlich seiend, wahr und gut – von Gott bejahend ausgesagt. Also gilt das Gleiche für das Eine und in der Folge auch für die Vielzahl. 7. Vielzahl und Größe gehören zu zwei Sorten der Quantität, nämlich zu den diskreten und den kontinuierlichen Größen. Nun wendet man die Größe bejahend auf Gott an, wenn es in Ps. 147, 5 heißt: »Groß ist der Herr und groß seine Macht.« Also tut man das auch mit der Vielzahl und der Einheit. 8. Die Geschöpfe tragen eine Ähnlichkeit mit Gott an sich, insofern sich an ihnen eine Spur der Göttlichkeit zeigt. Nach Augustinus hat nun jedes beliebige Geschöpf eine Spur der göttlichen Trinität an sich: insofern es etwas Einheitliches ist, seine Form durch eine Spezies erhält und ein bestimmtes Ordnungsgefüge aufweist.76 Demnach ist ein Geschöpf etwas Einheitliches kraft seiner Ähnlichkeit mit Gott. Nun sagt man »eines« von einem Geschöpf bejahend aus und somit auch von Gott. 9. Wenn man »einer« von Gott im privativen Sinne aussagt, dann muß das zwangsläufig etwas in Abrede stellen, und das könnte nur die Vielzahl sein. Jedoch die Vielzahl ist es nicht. Denn wenn da eine Person ist, dann folgt daraus nicht, daß es da nicht mehrere gibt. »Eines« sagt man daher nicht in einem verneinenden Sinn von Gott aus und in der Folge auch nicht die Vielzahl. 10. Eine Privation ist für nichts die Grundlage. Doch das Eine ist die Grundlage für die Vielzahl. Also verwendet man es nicht im privativen Sinn. 11. In Gott ist keine Privation, denn jede Privation hat mit einer Ausfallserscheinung zu tun. »Einer« sagt man jedoch von Gott aus. Damit bedeutet es keine Privation. 12. Nach Augustinus betreffen alle Aussagen über Gott die Sub-

76 Augustinus, De trin. VI, 10 (CCSL 50, 242).

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stanz oder die Relation.77 Und Boethius sagt zudem, daß alle göttlichen Prädikate in die Substanz übergehen mit Ausnahme der Relation.78 Wenn man also Zahlbegriffe von Gott aussagt, dann meinen sie die Substanz oder die Relation. Damit sagt man sie zwangsläufig im bejahenden Sinn von Gott aus. 13. Eines und Seiend sind austauschbar und damit offensichtlich Synonyme. Nun sagt man »seiend« bejahend von Gott aus. Und damit auch »eines« und in der Folge auch die Vielzahl. 14. Wenn »eines« von Gott etwas im verneinenden Sinn aussagt, dann muß es die Vielheit als sein Gegenteil in Abrede stellen. Das kann aber unmöglich so sein, da eine Vielheit aus Einheiten besteht. Doch ein Glied eines Gegensatzes gründet sich nicht auf dem anderen Glied. Folglich sagt »eines« von Gott nichts im verneinenden Sinn aus. 15. Wenn »eines« das Ausbleiben einer Vielheit meint, dann muß das Eine in einem Gegensatz zur Vielheit stehen, so wie bei Privation und Habitus. Ein Habitus geht jedoch der Wirklichkeit nach einer Privation voran – und ebenso dem Begriff nach, da eine Privation nur mittels des Habitus definiert werden kann. Somit würde die Vielheit dem Einen der Wirklichkeit und dem Begriff nach vorangehen. Das ist aber abwegig. 16. Wenn man »eines« und »viele« bei Gott im verneinenden Sinn aussagt, dann stellt die Einheit zwangsläufig die Vielheit in Abrede und die Vielheit die Einheit. Das ist jedoch abwegig, weil sich daraus ein Zirkelschluß von Einem und Vielem ergeben würde: Das Eine ist dann das, was nicht das Viele ist; und das Viele ist das, was nicht das Eine ist. Damit wäre keine Erkenntnis gewonnen. Man kann also nicht sagen, daß »eines« und »vieles« von Gott im verneinenden Sinn ausgesagt werden. 17. Da das Eine und das Viele sich wie Maß und Gemessenes zueinander verhalten, scheinen sie in einem relationalen Gegensatz zueinander zu stehen. Doch bei einem relationalen Gegensatz haben beide Glieder einen bejahenden Sinn. Demnach sagt sowohl »eines« wie auch »vieles« etwas im bejahenden Sinn von Gott aus. 77 Augustinus, De trin. V, 6 (CCSL 50, 210). 78 Boethius, De trin. IV–V (ed. Elsässer, 14–25).

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Dagegen spricht: 1. Dionysius bemerkt in seinen »Göttlichen Namen«: »Die gelobte Einheit und Dreiheit, die die über alles erhabene Gottheit ist, ist weder die Einheit noch die Dreiheit, welche von uns oder irgendeinem anderen Lebewesen erkannt wird.«79 2. Augustinus sagt: »Die menschliche Hilflosigkeit versuchte sich daran, die Drei auszudrücken, und nannte sie Substanzen bzw. Personen. Mit diesen Bezeichnungen wollte sie nicht die Verschiedenheit betonen, sondern sie wollte den Eindruck vermeiden, daß Gott alleine wäre.«80 Derartige Zahlbegriffe werden also für die Gottheit eher im verneinenden als im bejahenden Sinn verwendet. 3. Das Eine und die Vielheit bzw. die Zahl gehören in die Kategorie der Quantität. In Gott kann es jedoch keinerlei Quantität geben, da die Quantität ein Akzidens ist und eine Eigenschaft der Materie. Demnach bejahen Zahlbegriffe nichts an Gott. 4. Dazu ist zu sagen: Zwar kann die Quantität nicht im Hinblick auf ihren kategorialen Gehalt oder als ein Akzidens in Gott liegen. Dennoch läßt sich eine Quantität in einer spezifischen Spielart von Gott aussagen, wie dies ja auch bei einer Qualität, wie etwa dem Wissen oder der Gerechtigkeit, der Fall ist. – Dem ist zu erwidern: Einzig diejenigen spezifischen Spielarten einer Qualität sind für Aussagen über Gott zulässig, welche ihrem spezifischen Gehalt nach keine Unvollkommenheit implizieren, also etwa Wissen, Gerechtigkeit und Gleichheit – nicht aber Unwissenheit und Weiße. Nun beinhaltet aber jede Quantität ihrem spezifischen Gehalt nach eine Unvollkommenheit: Denn das, was Quantität hat, ist etwas Teilbares,81 und die spezifischen Spielarten der Quantität unterscheiden sich nach den verschiedenen Arten der Teilung. So ist eine Mehrzahl teilbar in nicht-kontinuierliche Größen, eine Linie ist teilbar innerhalb einer Dimension, eine Oberfläche teilbar innerhalb von zwei Dimensionen und ein Körper innerhalb von drei. Eine Teilung steht aber zur vollkommenen Einfachheit Gottes im Widerspruch.

79 Dionysius Areopagita, De div. nom. XIII, 3 (Dion. I, 550 f.). 80 Augustinus, De trin. VII, 4 (CCSL 50, 259). 81 quantum sit quod est indivisibile M : quantum sit quod est divisibile L

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5. Dazu ist zu sagen: Die Unterscheidung aufgrund von Relationen, die verantwortlich ist für die Anzahl der Personen in der Gottheit, impliziert keine Unvollkommenheit in Gott. – Dem ist zu erwidern: Jede Unterteilung bzw. Unterscheidung bewirkt eine bestimmte Vielheit. Aber nicht jede Vielheit ist auch eine Zahl, die eine spezifische Spielart der Quantität ist. Denn Vielheit und Einheit ziehen sich durch alle Gattungen. Nicht jede Unterteilung bzw. Unterscheidung reicht daher hin, die Grundlage für die Zahl zu bilden, welche eine spezifische Spielart der Quantität ist. Das gilt nur für eine Unterteilung von quantitativen Größen, und dazu gehört die Unterscheidung durch die Relationen nicht. 6. Dazu kann man wiederum sagen: Jede Vielheit ist eine spezifische Spielart der Quantität, und jede Unterteilung bildet eine hinreichende Grundlage für eine Spielart der Quantität. – Dem ist zu erwidern: Gibt es eine Substanz, dann ist damit nicht auch schon Quantität gegeben, insofern es ja eine Substanz ohne Akzidens geben könnte. Sind nämlich nur substantielle Formen gegeben, dann erfolgt eine Unterscheidung anhand der Substanzen. Demnach bewirkt nicht jede beliebige Unterscheidung die Vielheit, die ein Akzidens und eine spezifische Spielart der Quantität ist. 7. Die diskretive Trennung, die die Zahl als eine spezifische Spielart der Quantität begründet, bildet einen Gegensatz zum Kontinuum. Im Gegensatz zum Kontinuum steht die diskretive Trennung aber deswegen, weil sie ein Kontinuum unterteilt. Demnach führt nur die Unterteilung eines Kontinuums, die auf Gott nicht zutrifft, zur Zahl als einer spezifischen Spielart der Quantität. Und somit kann man die Zahl als eine spezifische Spielart der Quantität nicht auf Gott anwenden. 8. Jede Substanz ist eine Substanz. Nun ist sie dies aufgrund ihres Wesens oder sie verdankt es etwas anderem. Wenn sie es etwas anderem verdankt – das wiederum seinerseits eines sein muß –, dann muß jenes andere von selbst eines sein oder es verdankt dies einem weiteren anderen, und jenes wiederum noch einem weiteren anderen. Das kann jedoch unmöglich so ins Infinite weitergehen. Also muß man irgendwo Halt machen. Es ist aber besser, wenn man beim Ersten Halt macht, also dabei, daß eine Substanz von selbst eine ist. »Eines« ist daher nichts, was zu einer Substanz noch hinzukäme.

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Und damit verwendet man es offensichtlich nicht im bejahenden Sinn. 9. Dazu läßt sich sagen: Eine Substanz ist nicht von selbst eine Substanz, sondern durch die Einheit, die ihr akzidentell zukommt. Die Einheit aber ist von sich aus eine. Denn die obersten Begriffe bezeichnen sich selbst: So ist ja die Gutheit gut, die Wahrheit wahr und eben auch die Einheit eine. – Dem ist zu erwidern: Derartige Begriffe bezeichnen sich deswegen selbst, weil sie die obersten Formen sind. Denn die nachrangigen Begriffe bezeichnen sich nicht selbst. So ist etwa die Weiße nicht weiß. Was sich aber als Hinzufügung zu einem anderen präsentiert, das ist kein Oberstes. Demnach stellen sich die Einheit und Gutheit nicht als Hinzufügungen zur Substanz dar. 10. Nach Aristoteles82 nennt man all das Eines, was ungeteilt ist. »Ungeteilt zu sein« hat aber keinen bejahenden, sondern nur einen verneinenden Sinn. Demnach verwendet man »eines« bei der Gottheit nicht im bejahenden, sondern im verneinenden Sinn. Folglich gilt das auch für die Vielheit, die sich aus Einheiten zusammensetzt. Antwort: Angesichts des Einen und des Vielen gibt es Verschiedenes, was bei den Philosophen für Meinungsverschiedenheiten sorgte. Für das Eine gilt ja, daß es das Prinzip der Zahl ist sowie daß es mit »seiend« konvertibel ist. Entsprechend gilt für das Viele, daß es mit einer spezifischen Spielart der Quantität namens Zahl zu tun hat sowie daß es sich durch alle Gattungen zieht – ganz wie das Eine, mit dem die Vielheit einen Gegensatz bildet. (A) Unter den Philosophen gab es welche, die nicht zwischen dem mit »seiend« konvertiblen Einen und dem Einen als Prinzip der Zahl unterschieden. Und so nahmen sie an, daß das Eine in keinerlei Sinn etwas zu einer Substanz hinzufüge, sondern in jedem Sinn die Substanz einer Sache bezeichne. Die Folge davon war, daß auch die Zahl, die sich aus Einheiten zusammensetzt, die Substanz aller Dinge ausmache. Dieser Ansicht waren die Pythagoreer und Platon.

82 Aristoteles, Met. V, 6; 1016 b 1 ff.

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(B) Manche aber, die nicht zwischen dem mit »seiend« konvertiblen Einen und dem Einen als Prinzip der Zahl unterschieden, waren vom Gegenteil überzeugt: daß das Eine in beiderlei Sinn als ein bestimmtes akzidentelles Sein zu einer Substanz hinzukäme. Und in Folge davon wäre jede Vielheit zwangsläufig ein Akzidens, das in die Kategorie der Quantität gehöre. Dieser Ansicht war Avicenna, und darin scheinen ihm alle Gelehrten der Vergangenheit gefolgt zu sein. Denn sie verstanden unter dem Einen und dem Vielen ausschließlich etwas, was in den Bereich der diskretiven Größen gehört. (C) Andere wiederum beachteten, daß es in Gott keinerlei Quantität geben kann, und waren daher der Ansicht, daß die Begriffe des Einen und des Vielen, auf Gott angewendet, von ihm nichts im bejahenden Sinn, sondern nur im verneinenden Sinn etwas aussagen. Denn diese Begriffe könnten nur das bejahend zur Sprache bringen, was sie auch bedeuten – nämlich eine diskretive Größe, die es aber in Gott überhaupt nicht geben kann. Nach ihrer Meinung wendet man »Eines« auf Gott an, um damit die Vielheit von diskretiven Größen von ihm fernzuhalten. Die Begriffe aber, die eine Pluralität zum Ausdruck bringen, wende man an, um von Gott die Einheit fernzuhalten, die das Prinzip der diskretiven Größen ist. Diese Auffassung vertrat offensichtlich Petrus Lombardus, die er im ersten Buch seiner Sentenzen darlegt.83 Wenn man die Grundlage für Petrus’ Ansicht gelten läßt – daß nämlich jede Vielheit eine diskretive Größe meint und jedes Eine ihr Prinzip –, dann scheint diese Auffassung unter allen die vernünftigste zu sein. Denn auch Dionysius sagt, daß Negationen für Gott am meisten wahr sind, Affirmationen dagegen inadäquat.84 Denn wir wissen laut Johannes von Damaskus von Gott nicht, was er ist, sondern eher, was er nicht ist.85 Daher haben auch nach Rabbi Moses alle affirmativen Ausdrücke für Gott die Aufgabe, eher etwas zu verneinen als etwas zu behaup-

83 Petrus Lombardus, Sent. I, d. 24 (ed. Coll. S. Bon. I, 187 f.). 84 Dionysius Areopagita, De cael. hier. II, 3 (Dion. II, 758 f.). 85 Vgl. Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. I, 4 [I, 4] (ed. Buy-

taert, 20).

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ten.86 Denn wir bezeichnen Gott als lebendig, um damit von ihm eine Seinsweise fernzuhalten, die bei uns den leblosen Dingen zukommt, und nicht darum, um für Gott ein Leben zu behaupten. Denn »Leben« und alle derartigen Namen sollen bestimmte Formen und Vollkommenheiten an den Geschöpfen zum Ausdruck bringen, von denen Gott weit entfernt ist. Und doch ist dies nicht in jeder Hinsicht wahr, da man laut Dionysius Gott die Weisheit, das Leben und dergleichen nicht abspricht, weil dies ihm abgehen würde, sondern weil er das alles auf eine erhabenere Weise besitzt, als es das menschliche Denken und Sprechen fassen und ausdrücken kann.87 Aus dieser göttlichen Vollkommenheit steigen die Vollkommenheiten der Geschöpfe in unvollkommener Ähnlichkeit herab. Deswegen sagt man nach Dionysius etwas über Gott nicht nur mittels der Verneinung und mittels der Angabe der Ursache aus, sondern auch mittels der Übersteigerung.88 Wie es nun immer um die geistigen Vollkommenheiten bestellt ist – sicher ist, daß materiale Eigenschaften von Gott gänzlich ferngehalten werden müssen. Wenn daher die Quantität eine Eigenschaft der Materie ist und die Zahlbegriffe ausschließlich etwas Quantitatives zum Ausdruck bringen, dann darf man sie, wie von Petrus Lombardus dargelegt,89 auf Gott nur anwenden, um von ihm das fernzuhalten, was diese Ausdrücke besagen. Aus Petrus’ Annahme folgt jedoch kein Zirkel, wonach die Einheit die Vielheit beseitigt und umgekehrt. Denn von Gott verneint man diejenige Einheit und Vielheit, die es im quantitativen Bereich gibt und die man beide auf Gott nicht anwenden kann. Somit wird die Einheit, die man auf Gott anwendet und die die Vielheit verneint, von ihm nicht verneint, sondern die Einheit im anderen (d. h. quantitativen) Sinn, welche man auf Gott nicht anwenden kann. (D) Andere aber sahen nicht ein, daß affirmative Namen bei den Aussagen über Gott zum Zweck des Absprechens eingesetzt werden können, und beließen das Eine und das Viele im Bereich der diskre86 87 88 89

Moshe ben Maimon, Führer der Unschlüssigen I, 58 (ed. Weiss I, 196). Vgl. Dionysius Areopagita, De div. nom. IV (Dion. I, 158 f.). Vgl. ebd., II, 3 (Dion. I, 71 ff.); De cael. hier. II (Dion. II, 758 ff.). Vgl. Anm. 83.

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ten Größen, die sie auf Gott aber nicht anzuwenden wagten. So behaupteten sie, die Zahlbegriffe würden auf Gott nicht als sprachliche Bezeichnungen angewandt, die ein Konzept für etwas Wirkliches ausdrücken, sondern gleichsam als förmliche Bezeichnungen, die etwas an der Gottheit geltend machen: nämlich eine Art synkategorematischer Unterscheidung.90 Das ist freilich albern, da sich nichts dergleichen aus der Bedeutung dieser Begriffe gewinnen läßt. (E) Deswegen behaupteten wiederum andere, die besagten Begriffe würden von Gott etwas im bejahenden Sinn aussagen, obwohl sie unterstellten, daß das Eine und das Viele ausschließlich in den Bereich der Quantität fallen. Ihnen zufolge ist es nicht unstimmig, Gott eine spezifische Spielart der Quantität zuzuschreiben, auch wenn man die Quantität als solche von Gott verneine. Genauso wende man auf Gott bestimmte spezifische Spielarten der Qualität an, z. B. Weisheit und Gerechtigkeit, auch wenn es in Gott keine Qualität geben könne. Diese Gleichsetzung geht jedoch fehl, worauf vorhin schon ein Gegenargument eingegangen ist.91 Denn alle spezifischen Spielarten der Quantität – jedoch nicht alle spezifischen Spielarten der Qualität – haben eine Unvollkommenheit an sich. Außerdem ist die Quantität im strengen Sinn eine Eigenschaft der Materie. Daher sind alle Spielarten der Quantität mathematische Gegenstände, die in ihrem Sein nicht von der sinnlich wahrnehmbaren Materie gesondert werden können. Davon ausgenommen sind Ort und Zeit als natürliche Gegenstände, die der sinnlich wahrnehmbaren Materie eher beigefügt sind. Von daher ist klar, daß keine Spielart der Quantität auf geistige Dinge zutreffen kann, es sei denn im übertragenen Sinn. Dagegen ergibt sich eine Qualität aus der Form, weswegen manche Qualitäten vollständig materiefrei sind und so geistigen Dingen zugeschrieben werden können.

90 Synkategorematisch sind nach damaliger Auffassung Ausdrücke, die keine bestimmte und eigenständige Bedeutung haben, sondern nur im Verein mit einem Kategorem (d. h. einem Verb oder Nomen) ihre vollständige Bedeutung erhalten. 91 Vgl. De pot. q. 9 a. 7, 5 s.c.

7. Artikel

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(F) Die bisherigen Ansichten galten unter der Voraussetzung, daß das mit dem Seienden konvertible Eine identisch ist mit dem Einen als dem Prinzip der Zahl sowie daß es keine andere Vielheit gebe als die Zahl, die eine spezifische Spielart der Quantität ist. Das ist jedoch ganz klar falsch. Da nämlich eine Teilung für die Vielheit verantwortlich ist, die Ungeteiltheit aber für die Einheit, muß man sich den Charakter einer Unterteilung ansehen, um sich ein Urteil über das Eine und das Viele bilden zu können. Es gibt nun eine bestimmte Unterteilung, die den Bereich der Quantität völlig hinter sich läßt, nämlich eine Unterteilung vermittels eines formalen Gegensatzes, der überhaupt nichts mit Quantität zu tun hat. Zwangsläufig sind daher die Vielheit, die aus dieser Unterteilung resultiert, und das Eine, das eine solche Teilung ausschließt, von größerer Allgemeinheit und Reichweite als der Bereich der Quantität. Daneben gibt es noch die quantitative Unterteilung, die den quantitativen Bereich nicht hinter sich läßt. Daher gehören die Vielheit, die aus dieser Unterteilung resultiert, und das Eine, das eine solche Teilung ausschließt, dem quantitativen Bereich an. Dieses letztere Eine ist eine akzidentelle Hinzufügung zu dem Ding, worauf man es anwendet: Es hat den Charakter eines Maßes. Andernfalls wäre die Zahl, die sich aus der Einheit bildet, kein Akzidens und auch keine spezifische Spielart des [quantitativen] Bereichs. Dagegen fügt das mit dem Seienden konvertible Eine dem Seienden nichts hinzu – ausgenommen die Negation seiner Teilung. Es weist so nicht bloß auf die Ungeteiltheit als solche hin, sondern auf eine Substanz in ihrer Ungeteiltheit. Denn »Eines« ist dasselbe wie »ungeteiltes Seiendes«. Genauso fügt die Vielheit, die zu dieser Einheit gehört, den vielen Dingen nichts hinzu, außer die Unterscheidung, mit der in den Blick kommt, daß das eine Ding nicht das andere ist. Das aber haben die Dinge nicht durch irgendeinen Zusatz, sondern das verdanken sie ihren eigenen Formen. Damit ist klar, daß das mit dem Seienden konvertible Eine eben dieses Seiende benennt, ihm aber nichts hinzufügt außer die Verneinung seiner Geteiltheit. Und die Vielheit, die zu dieser Einheit gehört, fügt den als »viele« bezeichneten Dingen hinzu, daß das eine Ding nicht das andere ist, worin ja das Wesen dieser Unterscheidung

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liegt. Während das Eine dem Seienden nur eine Negation hinzufügt – insofern etwas in sich ungeteilt ist –, fügt die Vielheit zwei Negationen hinzu: insofern etwas in sich ungeteilt ist und insofern es von etwas anderem geschieden ist. Darin besteht ja diese Unterscheidung: daß das eine nicht das andere ist. (G) Ich stelle also fest: Von der Gottheit sagt man nicht das Eine und das Viele aus, welches mit dem quantitativen Bereich zu tun hat, sondern das mit dem Seienden konvertible Eine und die dazu gehörige Vielheit. Daher sagen das Eine und das Viele von der Gottheit genau das aus, was sie bedeuten, doch sie fügen nichts hinzu außer Unterscheidung und Ununterschiedenheit – was, wie gerade erläutert, nichts anderes ist als die Hinzufügung von Negationen. So gestehen wir zu: Angesichts der Tatsache, daß [das Eine und das Viele] dem Gegenstand ihrer Aussage etwas hinzufügen, haben sie im Fall von Gott einen verneinenden Sinn. Insofern sie aber in ihrer Bedeutung den Gegenstand ihrer Aussage einschließen, haben sie einen bejahenden Sinn. Daher müssen wir auf die Argumente, die von beiden Seiten vorgebracht wurden, eingehen. Zu 1. Wer von den drei Personen spricht, bringt etwas über Gott zum Ausdruck, nämlich eine Unterscheidung der Personen. Wer die verneint, ist ein Häretiker. Doch diese Unterscheidung fügt nichts zu den unterschiedenen Personen hinzu. Zu 2. Zwar stellt man von Gott manches in Abrede, das man ihm zugleich mittels der Übersteigerung und mittels der Angabe der Ursache zuspricht. Manches jedoch wird schlichtweg von Gott verneint, und es kommt ihm auf keinerlei Weise zu, beispielsweise, daß Gott ein Körper ist. In diesem Sinn könnte man mit Petrus Lombardus sagen, daß von Gott eine zahlenmäßige Größe vollkommen ausgeschlossen ist. In ähnlicher Weise schließt man nach unserem Dafürhalten von Gott eine Unterteilung seines Wesen vollkommen aus, wenn man sagt: »Das göttliche Wesen ist eines.« Zu 3. Bei den erschaffenen Dingen besagen die Zahlbegriffe nichts Zusätzliches an den Dingen, für die man sie verwendet – außer, daß sie auf etwas im Bereich der diskreten Größen hinweisen. In diesem Sinn können sie nicht von Gott ausgesagt werden, und das hat mit seiner Vollkommenheit zu tun.

7. Artikel

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Zu 4. Einheit und Vielheit, die man vermittels von Zahlbegriffen von Gott aussagt, liegen nicht bloß in unserem Verstand, sondern sind der Sache nach in Gott. Doch deswegen ist mit ihnen nichts im bejahenden Sinn gemeint, was jenseits von den Dingen läge, auf die diese Begriffe angewendet werden. Zu 5. Das Gute aus dem qualitativen Bereich ist nicht das Gute, das mit dem Seienden konvertibel ist und das der Sache nach nichts zum Seienden hinzufügt. Doch das Gute aus dem qualitativen Bereich fügt eine bestimmte Qualität hinzu, wodurch man dann einen Menschen als gut bezeichnen kann. Das Gleiche gilt für das Eine, wie aus dem vorhin Besprochenen erhellt. Doch ein Unterschied besteht hier darin, daß das Gute – nicht aber das Eine – in seinen beiden Bedeutungen für Aussagen über Gott in Frage kommen kann. Denn wie bereits erklärt, ist mit einer Quantität und einer Qualität nicht dieselbe Vorstellung verbunden. Zu 6. Unter den besagten vier obersten Begriffen ist das Seiende das Allererste. Deshalb wird es zwangsläufig im bejahenden Sinn verwendet. Denn eine Negation oder Privation kann nicht das Erste sein, was der Intellekt erfaßt, da ein Verständnis von Negation und Privation stets etwas voraussetzt, was da verneint wird bzw. bei dem es eine Ausfallserscheinung gibt. Die anderen drei Begriffe müssen aber dem Seienden etwas hinzufügen, was das Seiende nicht verengt. Würden sie nämlich das Seiende verengen, wären sie keine ersten Begriffe mehr. So kann es nur so sein, daß sie etwas ausschließlich dem Begriff nach hinzufügen. Das ist entweder eine Negation, die das Eine hinzufügt, oder eine Relation oder etwas, was von sich aus im universalen Sinn mit dem Seienden verbunden sein kann – also der Intellekt, zu dem das Wahre eine Relation besitzt, oder das Begehrungsvermögen, zu dem das Gute eine Relation besitzt. Denn nach dem ersten Buch der Nikomachischen Ethik ist ja das Gute das, wonach alles strebt.92 Zu 7. Aristoteles zufolge93 spricht man vom Vielen in zweierlei Weise: einmal schlichtweg, und so versteht es sich als Gegenteil zum Einen. Zweitens verwendet man es vergleichsweise, insofern 92 Aristoteles, Eth. Nic. I, 1; 1094 a 1–3. 93 Aristoteles, Met. X, 6; 1056 b 16 ff.

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»viel« das Überschreiten einer kleineren Anzahl meint, und so versteht es sich als Gegenteil zum Wenigen. Ganz ähnlich kann man auch vom Großen in zweierlei Weise sprechen: einmal schlichtweg, insofern es ein kontinuierliches Ausmaß, eine sogenannte Größe, meint. Zweitens verwendet man es vergleichsweise, insofern »groß« das Überschreiten eines geringeren Ausmaßes meint. Im ersten Sinn sagt man »groß« von Gott nicht aus, doch aber im zweiten Sinn, so daß damit seine Erhabenheit über jedes Geschöpf zum Ausdruck kommt. Zu 8. Das Eine, das mit der Spur Gottes in seinen Geschöpfen zu tun hat, ist das Eine, das mit dem Seienden konvertibel ist und das etwas meint – nämlich eben das Seiende, dem es, wie gesagt, nur eine Verneinung hinzufügt. Zu 9. Das eine Glied eines Gegensatzes schließt nicht das andere aus, höchstens bei dem, von dem es ausgesagt wird. Denn wenn Sokrates weiß ist, dann folgt daraus nicht, daß nichts schwarz ist, sondern daß er nicht schwarz ist. Genauso folgt dann, wenn die Person des Vaters eine ist, daß es nicht mehrere Personen vom Vater gibt, nicht aber, daß es keine weiteren Personen in der Gottheit gibt. Zu 10. Das Eine bildet die Grundlage für das Viele, das aber nicht dank einer Privation, sondern dadurch, daß es ein Seiendes meint. Zu 11. Wie im 5. Buch der Metaphysik steht,94 spricht man von einer Privation in dreierlei Weise. Erstens im eigentlichen Sinn, wenn einem Ding etwas fehlt, was es von sich aus besitzt bzw. zu einem bestimmten Zeitpunkt besitzen könnte. So ist etwa der Ausfall des Augenlichts beim Menschen eine Privation der Sehkraft. Zweitens spricht man in einem weiteren Sinn von Privation. Dann nämlich, wenn einem Ding etwas fehlt, was es zwar von sich aus nicht besitzen kann, seine Gattung aber schon. So kann man etwa das Fehlen des Augenlichts bei einem Maulwurf als eine Privation der Sehkraft bezeichnen. Drittens spricht man in einem sehr weiten Sinn von Privation. Dann nämlich, wenn einem Ding etwas fehlt, was jedes andere Ding von sich aus besitzen kann, nur ebendieses Ding nicht und auch keines seiner Gattung. So mag man etwa das Fehlen des Augenlichts bei einer Pflanze als eine Privation der Seh94 Aristoteles, Met. V, 22; 1022 b 22 ff.

7. Artikel

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kraft bezeichnen. Diese letztere Privation ist ein Mittleres zwischen einer echten Privation und einer schlichten Negation, da sie mit beiden jeweils eine Gemeinsamkeit aufweist. Die Gemeinsamkeit mit einer echten Privation besteht darin, daß sie eine Negation an einem bestimmten Träger ist und daß sie daher schlichtweg keinem NichtSeienden zukommen kann. Die Gemeinsamkeit mit einer einfachen Negation besteht darin, daß sie keine entsprechende Eigenschaft an einem Träger braucht. In dieser Weise kann man »eines« im privativen Sinn verwenden, genauso wie anderes, das man von der Gottheit aussagt, wie z. B. »unsichtbar«, »unermeßlich« usw. Zu 12. Zahlbegriffe fügen bei der Gottheit nichts über das hinaus zu, von dem sie ausgesagt werden. Wenn sie also von dem ausgesagt werden, was mit dem Wesen zu tun hat, dann bezeichnen sie das Wesen. Wenn sie aber von dem ausgesagt werden, was die Personen betrifft, dann bezeichnen sie die Relation. Zu 13. Eins und Seiendes sind im Hinblick auf eine Einzelsubstanz konvertibel. Und doch fügt das Eine von seinem Begriff her die Privation einer Unterteilung hinzu. Deswegen sind sie auch nicht synonym, denn Synonyme bezeichnen dasselbe unter ein und demselben Gesichtspunkt. Zu 14. Am Einen kann man zweierlei in Betracht ziehen: einmal, daß es etwas bestimmt, und so ist es Grundlage für die Vielheit. Zweitens die Negation, die es hinzufügt, und so steht das Eine im privativen Gegensatz zur Vielheit. Zu 15. Nach Aristoteles95 ist die Vielheit für die Sinne früher da als das Eine, genauso wie das Ganze vor seinen Teilen und das Zusammengesetzte vor dem Einfachen. Doch von seiner Natur und seinem Begriff her ist das Eine früher als die Vielheit. Das reicht jedoch offensichtlich noch nicht dazu hin, daß das Eine im privativen Gegensatz zur Vielheit steht. Denn eine Privation ist von ihrem Begriff her etwas Nachträgliches, da für das Verständnis einer Privation ihr Gegenteil unabdingbar ist, durch das sie definiert wird. Außer vielleicht, daß sich dies ausschließlich auf die Bedeutung des Wortes bezieht, insofern ja das Wort »Eines« eine Privation meint und das Wort »Vielheit« etwas Positives. Ausdrücke prägen wir ja 95 Aristoteles, Met. X, 3; 1054 a 26 ff.

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so, wie wir die Dinge erkennen. Damit also etwas mittels eines Ausdrucks die Bedeutung einer Privation erhält, reicht es hin, daß wir es als etwas Nachträgliches erkennen; doch das reicht nicht hin, daß auch die Sache selbst nun eine Privation ist, es sei denn, sie wäre von ihrem Begriff her etwas Nachträgliches. So sollte man besser sagen, daß eine Unterteilung der Grund für die Vielheit ist und von ihrem Begriff her der Vielheit vorangeht. Das Eine jedoch hat eine privative Bedeutung im Hinblick auf eine Unterteilung – es ist ja ein ungeteiltes Seiendes –, nicht aber im Hinblick auf eine Vielheit. Daher geht die Unterteilung vom Begriff her dem Einen voran, die Vielheit dagegen folgt erst später. Das wird folgendermaßen klar: Das Erste, was in den Intellekt gelangt, ist das Sein; das Zweite ist dann die Verneinung des Seins. Aus diesen beiden Punkten folgt drittens ein Verständnis von Unterteilung; denn daraus, daß man etwas als seiend erkennt und erkennt, daß es nicht ein anderes Seiendes ist, verstehen wir dann, daß das eine vom anderen geschieden ist. Als Viertes folgt nun im Intellekt ein Begriff vom Einen, insofern ja das besagte Seiende nicht in sich selbst geteilt ist. Das Fünfte ist dann ein Verständnis von Vielheit, insofern klar wird, daß das besagte Seiende sich von einem anderen unterscheidet und daß beide von ihnen in sich jeweils eines sind. Wann immer man nämlich Dinge als unterschieden erkennt, erkennt man nur dann eine Vielheit, wenn man jedes der unterschiedenen Dinge jeweils auch als ein Eines erkennt. Somit ist klar, daß es bei der Definition des Einen und der Vielheit keinen Zirkel gibt. Zu 16. Damit ist auch hier die Antwort klar. Zu 17. Im Sinne eines Prinzips für die Zahl steht das Eine zur Vielheit wie das Maß zum Gemessenen. Doch dieses Eine fügt der Substanz etwas Positives hinzu. Das ist oben besprochen worden.96 Nach dem oben Erläuterten kann man unschwer auf die Gegeneinwände antworten, sofern man beachtet, inwieweit sie der Wahrheit nahekommen. Einen Punkt jedoch, der in diesen Einwänden berührt wurde, muß man beachten: Solche obersten Begriffe wie Wesen, Einheit, Wahrheit und Güte bezeichnen deswegen sich selbst, weil 96 Vgl. De pot. 9 a. 7 c.

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»eines«, »wahr« und »gut« sich aus dem »seiend« ergeben. Da nun das Seiende das Erste ist, was in den Intellekt gelangt, erkennt man zwangsläufig alles, was in den Intellekt gelangt, als seiend und dann auch als eines, wahr und gut. Wenn nun der Intellekt das Wesen, die Einheit, Wahrheit und die Güte im allgemeinen erfaßt, wird von jedem dieser Begriffe zwangsläufig »seiend« und die anderen drei im konkreten Sinn ausgesagt. Aus diesem Grund bezeichnen sich diese Begriffe selbst, andere Begriffe aber, die nicht mit dem Seienden konvertibel sind, tun dies nicht.

8. Artik el Die achte Frage lautet: Gibt es in Gott irgendeine Verschiedenheit? 97 Dies scheint der Fall zu sein; denn: 1. Nach Aristoteles98 macht eine Einheit in der Substanz die Dinge identisch, eine Vielheit in der Substanz macht sie hingegen verschieden. Nun gibt es in der Gottheit eine Vielheit im Hinblick auf die Substanz. Denn Hilarius sagt ja, daß Vater, Sohn und Hl. Geist kraft der Substanz drei sind, kraft der Harmonie aber eines.99 Demnach gibt es in der Gottheit eine Verschiedenheit. 2. Nach Aristoteles100 meint Unterschied etwas, was von sich aus besteht, Verschiedenheit meint dagegen etwas, was in Relation zu etwas besteht.101 Daher ist alles, was voneinander verschieden ist, auch anders; jedoch ist nicht alles, was anders ist, auch voneinander verschieden. Nun kann man sagen, daß es in der Gottheit eine Verschiedenheit gibt. Johannes von Damaskus sagt ja: »Wir erkennen die Verschiedenheit der Personen an den drei Eigenschaften der Va97 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 31 a. 3. Sent. I, d. 9, q. 1; d. 19, q. 1 a. 1 ad 2; d. 24, q. 2 a. 1. 98 Aristoteles, Met. V, 9; 1018 a 4 ff. 99 Hilarius, De synodis, Kap. 29 (PL 10, col. 503 B). 100 Aristoteles, Met. X, 3; 1053 b 22 ff. 101 Gemeint ist: Unterschieden, je für sich bestehend sind die Dinge immer von sich aus, kraft ihrer Form; dagegen sind sie voneinander verschieden dank eines Dritten, worin sie sich unterscheiden.

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terschaft, der Sohnschaft und des Hervorgangs.«102 Demnach gibt es in der Gottheit eine Verschiedenheit. 3. Eine akzidentelle Verschiedenheit macht ein Ding bloß anders; eine substantielle Verschiedenheit macht ein Ding zu etwas anderem, d. h. zu einem unterschiedenen Ding. Wenn es also in der Gottheit eine Verschiedenheit gibt und wenn sie dort keine akzidentelle sein kann, sondern zwangsläufig eine substantielle Verschiedenheit sein muß, dann muß es dort einen Unterschied geben. 4. Wie bereits festgestellt,103 resultiert die Vielheit aus einer Unterscheidung. Wo es aber Unterschied gibt, da gibt es dann auch Verschiedenheit. Wenn es also in der Gottheit Vielheit gibt, dann wird es dort auch einen Unterschied geben. 5. Identität und Unterschied untergliedern das Seiende in zureichender Weise. Nun ist der Vater nicht identisch mit dem Sohn. Denn man kann ja nicht sagen, daß der Vater, wenn er den Sohn zeugt, sich selber als Gott zeugt. Demnach ist der Sohn vom Vater unterschieden. Dagegen spricht: 1. Hilarius sagt: »In der Gottheit ist nichts neu, nichts unterschieden, nichts Fremdes, nichts Abtrennbares.«104 2. Ambrosius bemerkt: »Der Vater und der Sohn sind eins in der Gottheit, und es gibt dort keinen Unterschied in der Substanz noch irgendeine Verschiedenheit.«105 Antwort: Nach einem Wort des Hilarius kommt die Häresie von einem unordentlichen Sprachgebrauch.106 Deswegen muß man von der Gottheit so reden, daß sich keine Gelegenheit zu einem Irrtum bietet. Über das göttliche Wesen gab es aber zwei Irrtümer, die besonders 102 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 49 [III, 5] (ed. Buytaert, S. 183). 103 De pot. q. 9 a. 7 ad 15. 104 Vgl. Hilarius, De trin. VII, 39 (CCSL 62, 307). 105 Ambrosius, De fide I, 2, 18 f. (CSEL 78, 11). 106 Petrus Lombardus (Sent. IV q. 13 a. 2) schreibt dieses Adagium Hilarius zu. Tatsächlich findet es sich jedoch in der Glosse zu Hosea 2, 16.

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diejenigen vermeiden müssen, die über die Einheit und Trinität in der Gottheit sprechen: einmal gibt es nämlich den Irrtum des Arius, der die Wesenseinheit leugnete, indem er für den Vater und den Sohn jeweils ein anderes Wesen annahm. Andererseits ist da der Irrtum des Sabellius, der eine Mehrzahl der Personen leugnete und behauptete, der Vater sei derselbe wie der Sohn. Um also den Irrtum des Arius zu vermeiden, müssen wir uns vor Viererlei beim Bekenntnis unseres Glaubens hüten: erstens vor einem Unterschied, der die Wesenseinheit aufhebt. Die bekennen wir, wenn wir unseren Glauben an den Einen Gott zum Ausdruck bringen; zweitens vor einer Unterteilung, die der Einfachheit Gottes im Wege steht; drittens vor einer Ungleichheit, die der Gleichheit der göttlichen Personen widerspricht. Viertens sollten wir uns vor dem Bekenntnis hüten, daß der Sohn dem Vater unähnlich sei, wodurch die Ähnlichkeit aufgehoben wird. Gleichermaßen sollte man sich angesichts des Irrtums von Sabellius vor Viererlei hüten: erstens vor einer Vereinzelung, die die Mitteilbarkeit des göttlichen Wesens aufhebt; zweitens vor dem Wort »der Einzige«, das den realen Unterschied der Personen aufhebt; drittens vor einer Verwirrung, die die Ordnung bei den göttlichen Personen zerstört; viertens vor einer Einsamkeit, die die enge Verbindung der göttlichen Personen bestreitet. Wir bekennen uns also gegen einen Unterschied und zur Wesenseinheit, gegen eine Unterteilung und zur Einfachheit, gegen eine Ungleichheit und zur Gleichheit, gegen eine Unähnlichkeit und zur Ähnlichkeit, gegen eine Vereinzelung und zu einer Mehrzahl der Personen, gegen eine Vereinheitlichung und zur Unterscheidung, gegen eine Verwirrung und zur Auseinanderhaltung, gegen einen einsamen Gott und zur Harmonie und Verbindung in der Liebe. Zu 1. In den angeführten Worten ist mit »Substanz« eine Hypostase gemeint, nicht das Wesen, das, wäre es vervielfältigt, eine Verschiedenheit nach sich ziehen würde. Zu 2. Zwar findet sich bei manchen Kirchenlehrern das Wort »Verschiedenheit« im Zusammenhang mit Gott. Dennoch sollte man es nicht regelmäßig und häufig verwenden. Denn Verschiedenheit impliziert eine Unterscheidung hinsichtlich der Form, was in der

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Gottheit unmöglich so sein kann. Gottes Form ist ja, wie Augustinus sagt, die göttliche Natur.107 »Verschiedenheit« sollte man vielmehr so interpretieren, daß es für eine Unterscheidung der geringfügigsten Art steht. Denn von manchem läßt sich sagen, es unterscheide sich nur im Hinblick auf eine Relation oder nur begrifflich. In diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn sich in der Gottheit eine Verschiedenheit findet. Wenn man also etwa davon spricht, daß die Person des Vaters von der Person des Sohnes verschieden ist, dann ist dieses »verschieden« (diversus) als »unterschieden« (distinctus) zu verstehen. Noch mehr Vorsicht als beim Wort »Verschiedenheit« sollte man bei der »Andersheit« walten lassen. Die Andersheit hat nämlich in höherem Grad mit einer Unterscheidung im Wesen zu tun. Eine Vielheit von Formen zieht ja eine Verschiedenheit nach sich, doch die Andersheit kommt ausschließlich über substantielle Formen zustande. Zu 3. Zwar gibt es in der Gottheit kein Akzidens, doch aber die Relation, deren Gegensatzcharakter eine Unterscheidung in der Gottheit erbringt, aber keine Andersheit nach sich zieht. Zu 4. Zwar gibt es in der Gottheit im eigentlichen Sinn keine Unterteilung, doch aber eine Unterscheidung dank der Relationen, was für eine Zahl der Personen hinreicht. Zu 5. Der Sohn ist derselbe Gott wie der Vater. Trotzdem kann man nicht behaupten, daß der Vater sich als Gott zeugt, wenn er den Sohn zeugt. Denn das »sich« ist rückbezüglich und meint ein und dasselbe Fundament [der Relation]. Doch Vater und Sohn sind in der Gottheit zwei Fundamente.

9. Artik el Die neunte Frage lautet: Gibt es in der Gottheit ausschließlich drei Personen oder aber mehr bzw. weniger als drei? 108 Offenbar mehr als drei; denn: 107 Augustinus, De trin. I, 7 (CCSL 50, 45 f.). 108 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 30 a. 2; q. 31 a. 1. Sent. I, d. 24 q. 2 a. 2.

ScG IV, 26. Sent II, d. 10 a. 5; d. 33 a. 2 ad 1; Comp. theol. 56, 60.

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1. Augustinus bemerkt in seiner Schrift Gegen Maximinus: »Der Sohn hat keinen Schöpfer gezeugt. Nicht, daß er es nicht gekonnt hätte; aber es wäre nicht angemessen gewesen.«109 Nun gibt es aber in der Gottheit, wie bei allen anderen ewigen Dingen, keinen Unterschied zwischen Sein und Können.110 Folglich hat der Sohn einen weiteren Sohn gezeugt. Somit gibt es zwei Söhne in der Gottheit und damit mehr als drei Personen. 2. Man könnte dazu sagen: Die Wendung »Nicht, daß er es nicht gekonnt hätte« ist so zu verstehen: Es lag nicht an einem Unvermögen. – Dem ist zu erwidern: Jedem einzelnen Träger einer bestimmten Natur kommt die Wirklichkeit eben jener Natur zu, es sei denn, ein Unvermögen verhindert das. Nun ist die Zeugung eine Wirklichkeit, die mit der Vollkommenheit der göttlichen Natur zusammenhängt. Andernfalls würde sie dem Vater nicht zukommen, in dem es nichts Unvollkommenes gibt. Wenn also der Sohn keinen weiteren Sohn zeugt, dann wird das an seinem Unvermögen liegen. 3. Wenn der Sohn nicht zeugen kann, so kann er doch gezeugt werden. Er hat also die Möglichkeit, gezeugt zu werden, aber nicht das Vermögen, zu zeugen. Nun sind aber das Zeugen und das Gezeugtwerden jeweils etwas anderes. Wenn sich also die Vermögen hinsichtlich ihrer Gegenstände unterscheiden, dann sind die Vermögen des Vaters und des Sohnes nicht miteinander identisch – und das ist häretisch. 4. Wirken und Erleiden bei den Dingen, die etwas wirken bzw. Einwirkungen erfahren, lassen sich auf verschiedene Prinzipien zurückführen. Denn bei den erschaffenen Dingen wirkt etwas dank seiner Form, es erfährt aber eine Einwirkung dank seiner Materie. Nun kommen aber mit »Zeugen« und »Gezeugtwerden« ein Wirken und ein Erleiden zum Ausdruck. Zwangsläufig lassen sie sich dann auf verschiedene Prinzipien zurückführen. Damit kann es unmöglich ein einziges Vermögen sein, mit dem der Vater zeugt und durch das der Sohn gezeugt wird.

109 Augustinus, Contra Maximinum Arianorum Episcopum II, 12, 3 (PL 42, col. 768). 110 Vgl. Aristoteles, Phys. III, 3; 203 b 30.

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5. Hier ließe sich anmerken: Es handelt sich um dasselbe Vermögen, insofern beide Vermögen im göttlichen Wesen gründen. Und das ist ein und dasselbe beim Vater und beim Sohn. – Dem ist zu erwidern: Das Vermögen, zu erhitzen und auszutrocknen, gründet in einem einzigen Substrat, nämlich dem Feuer. Und doch handelt es sich hier nicht um ein und dasselbe Vermögen. Denn die Hitze, die das Prinzip für die Erhitzung ist, ist eine andere Qualität als die Trockenheit, die das Prinzip für die Austrocknung ist. Demnach reicht die Einheit des göttlichen Wesens nicht dazu hin, das Vermögen des Vaters, mit dem er zeugt, und das Vermögen des Sohnes, gezeugt zu werden, in eins zu setzen. 6. Jeder, der einsieht und erkennt, verfügt dank seiner Einsicht über eine bestimmte Empfängnis111. Nun ist der Sohn genauso wie der Vater einsichtig und erkennt. Folglich verfügt er über eine bestimmte Empfängnis. Die Empfängnis des Vaters ist aber das Wort, das der Sohn ist. Also hat auch der Sohn einen weiteren Sohn. 7. Dazu ließe sich anmerken: Unter »Wort« versteht man bei der Gottheit nicht nur etwas, was die Person betrifft, sondern auch das Wesen. Und somit kann das Wort, welches das Wesen meint, eine Empfängnis des Sohnes sein. – Dem ist zu erwidern: »Wort« meint etwas, was empfangen worden ist und das der Kundmachung dient; und somit verweist es auf seinen Ursprung. Was aber in der Gottheit mit dem Ursprung zu tun hat, das betrifft eine Person und nicht das Wesen. Demnach kann »Wort« nicht das Wesen betreffen. 8. Anselm bemerkt im Monologion: »Wie der Vater so spricht auch der Sohn und der Heilige Geist sich selbst aus.« Und weiter: »Wenn nun der Vater sich selbst ausspricht, so ist das dasselbe, wie den Sohn zu zeugen.«112 Folglich zeugt der Sohn einen weiteren Sohn. Und damit gilt das gleiche wie oben. 9. Daß Gott zeugt, erweist sich daraus, daß er anderem die Entstehung schenkt. In Jes. 66, 9 heißt es ja: »So spricht der Herr: ›Wenn ich anderem die Entstehung gewähre, wie sollte ich da unfruchtbar 111 Der Doppelsinn von lat. »conceptio« – Empfängnis wie Vorstellung(sinhalt) – kann im Deutschen nicht nachgeahmt werden. 112 Anselm von Canterbury, Monologion LXII (Opera I, ed. Schmitt, 182 f.).

9. Artikel

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sein?‹« Wie der Vater, so verleiht nun auch der Sohn die Entstehung, denn die Werke der Dreifaltigkeit sind ungeteilt. Und so zeugt der Sohn einen Sohn. 10. Augustinus sagt in seinem Brief An Orosius, daß der Vater den Sohn kraft seiner Natur zeugt.113 Und Johannes von Damaskus spricht davon, daß die Zeugung ein Werk der Natur sei.114 Nun ist aber die Natur des Vaters und des Sohnes identisch. Wie also der Vater zeugt, so tut dies auch der Sohn. Damit gibt es mehrere Söhne in der Gottheit, mithin mehr als drei Personen. 11. Dazu ist zu sagen: In der Gottheit kann es nicht mehrere Söhne geben, und zwar deswegen, weil es dort nur eine einzige Sohnschaft geben kann. Denn die Form einer einzigen Artnatur läßt sich nur vervielfältigen über eine Teilung in der Materie, und die gibt es überhaupt nicht in der Gottheit. – Dem ist zu erwidern: Jeder Unterschied bringt von Haus aus eine Vielheit mit sich. Nun kann es sehr wohl einen Unterschied zwischen zwei Sohnschaften geben, und das nicht nur aufgrund der Materie, sondern dadurch, daß die eine Sohnschaft so und so geartet ist, die andere Sohnschaft aber anders geartet. Somit spricht nichts dagegen, mehrere Sohnschaften in der Gottheit anzusetzen, auch wenn es dort keine Materie gibt. 12. Der Sohn geht vom Vater aus wie der Glanz von der Sonne. In Hebr. 1, 3 heißt es ja: »Er ist der Glanz seiner Herrlichkeit.« Nun kann der Glanz einen weiteren Glanz hervorrufen. Folglich kann der Sohn einen weiteren Sohn hervorbringen. Und daraus folgt, daß es in der Gottheit mehrere Söhne sowie mehr als drei Personen gibt. 13. Der Heilige Geist ist die Liebe, mit der der Vater den Sohn liebt. Nun liebt der Vater auch den Heiligen Geist. Zwangsläufig muß es einen weiteren Geist geben, mit dem der Vater den Heiligen Geist liebt. Und damit gibt es vier Personen in der Gottheit. 14. Nach Dionysius teilt das Gute sich selbst mit.115 Die Güte schreibt man aber insbesondere dem Heiligen Geist so zu wie dem 113 Augustinus, Dial. 65 quaest., Orosii percontantis et Augustini respondentis 7 (PL 40, col. 736). 114 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 8, 4 [I, 8] (ed. Buytaert, S. 32). 115 Dionysius Areopagita, De div. nom. IV (Dion. I, S. 224).

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Vater die Macht und dem Sohn die Weisheit. Somit scheint es recht eigentlich auf den Heiligen Geist zuzutreffen, daß er das göttliche Wesen den anderen Personen mitteilt. Und damit gibt es mehr als drei Personen in der Gottheit. 15. Aristoteles zufolge ist jedes Ding vollkommen, wenn es etwas von seinesgleichen aus sich hervorbringen kann.116 Nun ist der Heilige Geist vollkommen Gott. Somit kann er eine andere göttliche Person hervorbringen. Und damit gilt das gleiche wie oben. 16. Der Sohn erhält vom Vater die göttliche Natur in ebenso vollkommener Weise wie der Heilige Geist. Nun erhält der Sohn vom Vater die göttliche Natur nicht bloß als eine sozusagen passive, insofern er vom Vater gezeugt ist. Sondern er erhält sie auch als eine aktive, da er die selbige anderem mitteilen kann. Demnach kann auch der Heilige Geist die göttliche Natur anderem mitteilen. 17. Was es an Vollkommenheit bei den erschaffenen Dingen gibt, muß man Gott zusprechen. Nun gehört es zur Vollkommenheit bei den erschaffenen Dingen, daß man seine Natur weitergibt, wenn auch die Art und Weise der Weitergabe manche Unvollkommenheit an sich hat, insofern ja solch eine Weitergabe eine Teilung nach sich zieht oder auch eine bestimmte Veränderung des Hervorbringenden. Die Weitergabe der göttlichen Natur gehört demnach zur Vollkommenheit in Gott, und dementsprechend ist sie dem Heiligen Geist zuzusprechen. Aus dem Heiligen Geist geht also eine göttliche Person hervor. Daraus folgt, daß es mehr als drei Personen in der Gottheit gibt. 18. Wie die Göttlichkeit, so ist auch die Vaterschaft in Gott etwas Gutes. Daraus nun, daß der Besitz eines Gutes nur dann erfreut, wenn man ihn teilt, folgern manche, daß es mehrere gibt, die die göttliche Natur besitzen. Dementsprechend gibt es mehrere Väter in der Gottheit, ebenso mehrere Söhne und Heilige Geiste. Und damit gibt es mehr als drei Personen. 19. Der Sohn und der Heilige Geist unterscheiden sich offenbar dadurch voneinander, daß der Sohn als das Wort aus dem Vater über den Intellekt hervorgeht, der Heilige Geist aber als die Liebe über den Willen. Nun gibt es noch weitere Wesensattribute über den In116 Aristoteles, De an. II, 4; 415 a 26–b 1.

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tellekt und den Willen hinaus: etwa die Gutheit, die Macht und dergleichen. Demnach gehen mehr Personen aus dem Vater hervor als nur der Sohn und der Heilige Geist. 20. Ein natürlicher Hervorgang unterscheidet sich von einem geistigen Hervorgang offenbar in höherem Grad als von einem willentlichen Hervorgang. Bei den erschaffenen Dingen begleitet ja ein willentlicher Hervorgang stets einen geistigen Hervorgang, da jeder, der etwas erkennt, das auch will. Jedoch geht nicht immer ein geistiger Hervorgang mit einem natürlichen Hervorgang einher, da nicht bei allem, was auf natürliche Weise etwas hervorbringt, sich Geist findet. Wenn also die Person, die über den Willen als Liebe hervorgeht, eine andere in der Gottheit ist als diejenige Person, die über den Intellekt als Wort hervorgeht, so wird auch die Person, die über den Intellekt als Wort hervorgeht, eine andere sein als diejenige, die über das Wesen als Sohn hervorgeht. Demnach gibt es drei Personen, die in der Gottheit hervorgehen, und eine Person, die dies nicht tut. Folglich sind es hier vier Personen. 21. Die Mehrzahl der Personen in der Gottheit ergibt sich aus den Relationen als solchen. Für die Gottheit lassen sich aber fünf relationale Begriffe angeben: Vaterschaft, Sohnschaft, Hervorgang, das Nichtgeborenseinkönnen und die gemeinsame Hauchung. Somit gibt es fünf Personen in der Gottheit. 22. Diejenigen Relationen, die von Gott seit Ewigkeit gelten, sind nicht in den erschaffenen Dingen, sondern in Gott. Nun besteht all das, was in Gott ist, für sich, da es kein Akzidens in Gott gibt. Demnach bestehen alle Relationen, die Gott seit Ewigkeit zukommen, für sich und sind folglich auch Personen. Davon gibt es aber unendlich viele, da die Ideen von den erschaffenen Dingen seit Ewigkeit in Gott sind und diese sich voneinander nur unterscheiden mit Blick auf die Geschöpfe. Somit gibt es unendlich viele Personen in Gott. Dagegen spricht: Offensichtlich gibt hier weniger als drei Personen. 1. Bei ein und derselben Natur gibt es auch nur eine einzige Art und Weise, wie diese Natur weitergegeben wird. Averroes zufolge gehören die Lebewesen, die aus Samen entstehen, nicht zur selben Artnatur wie diejenigen Lebewesen, die aus verfaultem Material

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entstehen.117 Die göttliche Natur ist jedoch im höchsten Grade eine einzige. Somit kann es hier ausschließlich zwei Personen geben, und zwar die eine, die die Göttlichkeit auf irgendeine Weise weitergibt, sowie diejenige Person, die die Göttlichkeit auf entsprechende Weise empfängt. 2. Hilarius weist darauf hin, daß der Sohn aus dem Vater von Natur aus hervorgeht, da er genauso ist, wie Gott ist; daß hingegen die Geschöpfe willensmäßig aus Gott hervorgehen, da sie nicht so sind, wie Gott ist, sondern so, wie Gott sie haben wollte.118 Somit geht auch der Heilige Geist, ganz wie der Sohn, von Natur aus aus dem Vater hervor. Es gibt also beim Heiligen Geist und dem Sohn nicht den Unterschied, daß der Sohn auf dem Wege der Natur hervorginge, der Heilige Geist aber nicht. 3. Die Natur des Willens und des Intellekts unterscheiden sich in Gott höchstens dem Begriff nach. Somit unterscheidet sich ein Hervorgang kraft der Natur, des Willens oder des Intellekts allenfalls begrifflich. Wenn also der Sohn und der Heilige Geist sich dadurch unterscheiden, daß der eine kraft der Natur bzw. des Intellekts hervorgeht, der andere aber willentlich, dann werden beide sich nur begrifflich unterscheiden. Demnach wird es hier keine zwei Personen geben, da eine Mehrzahl an Personen eine Mehrzahl an Dingen bedeutet. 4. Einen Unterschied bei den göttlichen Personen gibt es nur hinsichtlich der Ursprungsrelation. Um aber einen Ursprung kenntlich zu machen, braucht es nur zwei Relationen: die eine zeigt an, wovon der andere herstammt; die andere aber, wer vom anderen stammt. Somit gibt es in der Gottheit nur zwei Personen. 5. Jede Relation benötigt zwei Glieder. Wenn sich also die göttlichen Personen nur begrifflich unterscheiden, so muß es zwangsläufig in der Gottheit entweder zwei Relationen geben: damit gäbe es vier Personen; oder nur eine Relation: damit gäbe es auch nur zwei Personen.

117 Averroes, in Met. XII, comm. 18 (Aristoelis opera cum Averrois commentariis, Bd. VIII, fol. 303 vG–H, 204 rA). 118 Hilarius, De synodis, Kap. 24 (PL 10, col. 520 C).

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Dagegen spricht: Offenbar gibt es nur drei Personen in der Gottheit. 1. In 1 Joh. 5, 7 heißt es ja: »Drei sind es, die Zeugnis im Himmel ablegen.« Und wenn man fragt, wer die Drei sind, antwortet Augustinus zufolge die Kirche mit: »die drei Personen«.119 Somit gibt es in der Gottheit drei Personen. 2. Zur Vollkommenheit der göttlichen Güte, Glückseligkeit und Glorie muß in Gott die wahre und vollkommene Liebe sein.120 »Denn nichts ist besser, nichts ist vollkommener als die Liebe«, wie Richard von St. Viktor in Über die Trinität bemerkt.121 Nun gibt es keine Glückseligkeit ohne Freude, die ganz besonders über die Liebe aufkommt. Im besagten Buch heißt es nämlich: »Nichts ist süßer als die Liebe, nicht erfreulicher; im Vergleich zu den Vergnügungen der Liebe ist ein vernunftbestimmtes Leben auch nicht süßer, auch nicht angenehmer.« 122 Auch die Vollkommenheit der Glorie zeigt sich in der Großartigkeit einer vollendeten Hingabe, die aus der Liebe kommt. Doch die wahre und vollendete Liebe erfordert in der Gottheit die Dreizahl der Personen. Ist doch die Liebe, mit der jemand bloß sich selbst liebt, eine mangelhafte Liebe und keine wahre Liebe. Gott kann aber einen anderen im höchsten Grad nur dann lieben, wenn der im höchsten Grad liebenswert ist; und im höchsten Grad liebenswürdig ist nur der, wer im höchsten Grad gut ist. Daher ist klar, daß die wahre Liebe in Gott nicht die höchste sein kann, wenn es dort nur eine einzige Person gäbe; ebensowenig wäre sie vollkommen, wenn es dort nur zwei Personen gäbe. Denn zur vollendeten Liebe gehört es, daß der Liebende will, daß das, was er liebt, ebenso auch ein anderer liebt. Es ist ja ein Anzeichen großer Schwäche, wenn man es nicht fertig bringen kann, seine Liebe zu teilen. Wenn man es dagegen kann, ist das ein Zeichen großer Vollkommenheit. »Die Dankbarkeit bei der Annahme ist um so größer, je größer die Sehnsucht war, es zu erlangen«, sagt Richard in der schon erwähn-

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Augustinus, De trin. VII, 4 (CCSL 50, 257). Vgl. Richard von St. Viktor, De trin. III, 2 (SC 63, 168). Ebd. Richard von St. Viktor, De trin. III, 4 (SC 63, 174).

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ten Schrift.123 Wenn also in Gott vollkommene Güte, Glückseligkeit und Glorie liegen, dann muß es in der Gottheit zwangsläufig eine Dreizahl an Personen geben. 3. Wenn sich das Gute selbst mitteilt, gehört es zur Vollkommenheit der göttlichen Güte, daß Gott das Seine im höchsten Maß mitteilt. Wenn es nun nur eine einzige Person in der Gottheit gäbe, dann würde Gott nicht im höchsten Maß seine Güte mitteilen: den Geschöpfen teilt er sich ja nicht im höchsten Maß mit. Wenn es aber nur zwei Personen gäbe, dann würden sie sich nicht auf vollkommene Weise ihre gegenseitige Freude an der Liebe mitteilen. Zwangsläufig muß es also eine zweite Person geben, welcher sich die göttliche Güte mitteilt, und eine dritte Person, welcher sich auf vollkommene Weise die Freude an der göttlichen Liebe mitteilt. 4. Zur Liebe gehört dreierlei: der Liebende, das Geliebte und die Liebe selbst. So sagt es Augustinus im 9. Buch von Über die Trinität.124 Die beiden, die sich gegenseitig lieben, sind der Vater und der Sohn. Die Liebe aber, die das Band zwischen ihnen ist, ist der Heilige Geist. Es sind also drei Personen in der Gottheit. 5. Wie Richard von St. Viktor bemerkt, ist es im menschlichen Bereich ersichtlich, daß eine Person aus einer anderen Person auf dreifache Weise hervorgeht: einmal ausschließlich unmittelbar, wie Eva aus Adam; dann ausschließlich mittelbar, wie Enoch aus Adam; und schließlich unmittelbar und mittelbar zugleich, wie Seth aus Adam. Unmittelbar war dies, insofern Seth der Sohn von Adam war; mittelbar, insofern er der Sohn von Eva war, die wiederum aus Adam hervorgegangen war.125 In der Gottheit jedoch kann keine Person aus der anderen nur mittelbar hervorgehen, sonst gäbe es dort nicht die höchste Gleichheit. Es ergibt sich also: In der Gottheit ist eine Person, die nicht aus einer anderen hervorgeht, und das ist der Vater; eine Person, die ausschließlich unmittelbar hervorgeht: der Sohn; und eine weitere Person, die mittelbar und unmittelbar zugleich hervorgeht: der Heilige Geist, der aus dem Vater und dem

123 Vgl. ebd. III, 11 (SC 63, 192). 124 Augustinus, De trin. IX, 2 (CCSL 50, 294). 125 Richard von St. Viktor, De trin. V, 6 (SC 63, 312–314).

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Sohn hervorgeht. Somit gibt es eine Dreizahl an Personen in der Gottheit. 6. Das Geben und das gleichzeitige Empfangen der vollkommenen Göttlichkeit steht in der Mitte zwischen einem Geben, das nicht auch empfängt, und einem Empfangen, das nicht auch gibt. Mit der Person des Vaters ist nun die Gabe der vollkommenen Göttlichkeit verbunden, ohne daß er sie empfinge; mit der Person des Heiligen Geistes ist es verbunden, die Göttlichkeit zu empfangen, ohne sie zu geben. Zwangsläufig muß es also eine dritte Person geben, die die vollkommene Göttlichkeit gibt und zugleich empfängt; und das ist die Person des Sohnes. Es gibt folglich drei Personen in der Gottheit. Antwort: Im Ausgang von den Ansichten der Häretiker ist es überhaupt nicht möglich, eine gesicherte Anzahl an Personen für die Gottheit festzulegen. Arius verstand nämlich die Trinität der Personen in dem Sinn, daß Sohn und Heiliger Geist Geschöpfe seien. Und Macedonius dachte ebenso vom Heiligen Geist. Jedoch ist der Hervorgang der Geschöpfe aus Gott nicht auf eine bestimmte Anzahl beschränkt, da die göttliche Kraft aufgrund ihrer Unermesslichkeit es mit sich bringt, jede kreatürliche Weise, Form und Anzahl zu übersteigen. Wenn also Gott, der allmächtige Vater, zwei ganz ausgezeichnete Geschöpfe erschaffen hätte, welche Arius als Sohn und Heiliger Geist bezeichnet, dann ist nicht von der Hand zu weisen, daß Gott andere, ihnen ebenbürtige oder sogar noch vollkommenere Geschöpfe hätte erschaffen können. Sabellius aber vertrat die These, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist sich nur dem Namen und dem Begriff nach unterscheiden würden – was offensichtlich auch die Möglichkeit zu einer Vervielfältigung ins Unendliche bietet: Unser Verstand kann auf unendliche Weise über Gott im Ausgang von seinen Wirkungen nachsinnen und ihn dann entsprechend benennen. Allein der katholische Glaube, der die Einheit des göttlichen Wesens in den real voneinander geschiedenen Personen vertritt, kann die Dreizahl in der Gottheit einsichtig machen. Und so sagt Hilarius, daß, wer in der Gottheit zwei Ungewordene anerkennt, damit zwei

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Götter anerkennt. Denn die Natur eines jeweils ungewordenen Gottes erfordert es, ihn jeweils als Gott anzuerkennen. Daher behaupteten manche Philosophen, daß es bei den materielosen Dingen keine Mehrzahl geben könne, es sei denn im Hinblick auf ihren Ursprung. Eine einzige Natur kann ja gleichermaßen an mehreren Instanzen auftreten dank einer Unterteilung der Materie, welche in Gott nicht auftritt. Somit kann man in der Gottheit nur eine einzige, ungewordene Person ansetzen, die nicht aus einem anderen hervorgeht. Wenn aber von ihr andere Personen hervorgehen, dann geschieht dies zwangsläufig vermittels irgendeiner Tätigkeit; freilich nicht mittels einer Tätigkeit, die sich an dem vollzieht, was sich außerhalb der tätigen Instanz befindet. So sind etwa das Erwärmen und das Schneiden Tätigkeiten des Feuers und einer Säge, ebenso wie die Schöpfung die Tätigkeit von Gott selbst ist. So gesehen, wären dann die hervorgehenden Personen außerhalb der göttlichen Natur. Es kann also nur so sein, daß der Hervorgang der Personen in die eine göttliche Natur nach Maßgabe von Tätigkeiten erfolgt, die sich nicht nach außen entfalten, sondern in der tätigen Instanz verbleiben. Innerhalb der geistigen Natur gibt es nur zwei davon: Erkennen und Wollen. Bei jeder von beiden Tätigkeiten läßt sich etwas ausmachen, das während ihres Vollzuges hervorgeht. Denn ein Erkennen als solches erfolgt nur, wenn etwas im Geist des Denkenden erfaßt wird, was man »Wort« nennt. Denn bevor sich nicht eine bestimmte Auffassung in unserem Geist festigt, kann man von uns nicht sagen, daß wir erkennen, sondern nur, daß wir nachdenken mit dem Ziel des Erkennens. Ebenso erfolgt ein Wollen als solches durch die Liebe, die aus dem Liebenden kraft seines Willens hervorgeht. Denn die Liebe ist nichts anderes als die Befestigung des Willens an ein gewolltes Gut. Das Wort und die Liebe sind bei den Geschöpfen allerdings keine Personen, die in der Natur des Erkennenden und Wollenden für sich bestehen würden. Denn das Erkennen und das Wollen ist bei der Kreatur nicht mit deren Sein identisch. Daher sind das Wort und die Liebe etwas, was bei den zum Erkennen und Wollen fähigen Geschöpfen zusätzlich dazukommt, gleichsam wie Akzidentien. Weil aber in Gott Sein, Erkennen und Wollen identisch sind, können das

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Wort und die Liebe in Gott nicht noch hinzukommen, sondern müssen notwendig zur göttlichen Natur gehören. In Gott gibt es aber nur ein einziges, einfaches Erkennen und ein einziges, einfaches Wollen, denn indem er sein Wesen erkennt, erkennt er alles, und indem er seine Güte will, will er all das, was er will. Demnach gibt es nur ein einziges Wort und eine einzige Liebe in der Gottheit. Die Abfolge des Erkennens und Wollens ist bei Gott und bei uns jeweils anders. Denn wir empfangen eine geistige Erkenntnis von den uns äußerlichen Dingen; kraft unseres Willens hingegen richten wir uns auf etwas uns Äußerliches als dem Ziel. Und so entspricht unser Erkennen einem Gang von den Dingen hin zu der Seele, unser Wollen dagegen einem Gang von der Seele hin zu den Dingen. Gott jedoch empfängt kein Wissen von den Dingen, vielmehr ist sein Wissen die Ursache für die Dinge. Ebensowenig richtet er sich mittels seines Willens auf etwas ihm Äußerliches als einem Ziel; vielmehr ordnet er alles Äußerliche auf ihn selbst als dem Ziel hin. Es gibt also sowohl bei uns als auch bei Gott eine Art von Kreisbewegung bei der Tätigkeit des Intellekts und des Willens. Denn der Wille kehrt zu dem zurück, von dem das Erkennen seinen Anfang nahm. Doch bei uns schließt sich der Kreis bei einer äußerlichen Instanz: ein äußerliches Gut bewegt unseren Intellekt, der Intellekt bewegt unseren Willen und der Wille richtet sich in seinem Streben und seiner Liebe auf das äußerliche Gut. In Gott hingegen schließt sich dieser Kreis in sich selbst. Denn indem Gott sich selbst erkennt, erfaßt er sein Wort, das wiederum der Grund für alles von Gott Erkanntem ist, eben weil er ja alles erkennt, indem er sich selbst erkennt. Und aus diesem Wort geht er hervor in die Liebe zu allem und seiner selbst. Daher hat ein Autor gesagt, daß »die Monas die Monas gezeugt hat und sie auf sich als einen Gluthauch beugt«.126 Nachdem sich der Kreis geschlossen hat, kann dem nichts mehr hinzugefügt werden. Daher ist auch ein dritter Hervorgang in der Gottheit unmöglich. Es erfolgt vielmehr ein weiterer Hervorgang in die äußerliche Natur. 126 Hermes Trismegistos, Liber philosophorum (Übersetzung nach: Was ist Gott? Das Buch der Philosophen, hrsg. von Kurt Flasch, München 2011, 25).

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Somit kann es in der Gottheit nur eine einzige Person geben, welche nicht hervorgeht, und nur zwei Personen, die hervorgehen. Von denen geht die eine als die Liebe hervor und die andere als das Wort. Folglich gibt es eine Dreizahl an Personen in der Gottheit. An den Geschöpfen zeigt sich ein Gleichnis für diese Dreizahl in dreifacher Weise: Zunächst einmal daran, wie eine Wirkung ihre Ursache zur Darstellung bringt. Und so kommt der Ursprung der gesamten Gottheit, also der Vater, durch das zur Darstellung, was das erste an einem erschaffenen Ding ist: daß es nämlich für sich als ein einzelnes Ding existiert. Das Wort aber kommt durch die Form eines jeden beliebigen Geschöpfes zur Darstellung. Denn bei dem, was von einem vernunftbegabten Wesen zustande gebracht wird, leitet sich die erzeugte Form vom Konzept jenes vernunftbegabten Wesens her. Hingegen kommt die Liebe in der Ordnung der Geschöpfe zum Ausdruck. Eben dadurch, daß Gott sich selbst liebt, lenkt er alles in einer bestimmten Ordnung auf sich hin. Diese Art von Gleichnis ist von der Art einer Spur, die auf einen Fuß hinweist, also von der Art, wie eine Wirkung auf ihre Ursache hinweist. Die zweite Art von Gleichnis ergibt sich aus derselben Art des Wirkens. Auf diese Weise kommt die Dreizahl ausschließlich in den vernunftbegabten Geschöpfen zum Ausdruck, die sich wie Gott selbst zu erkennen und zu lieben vermögen und damit ein eigenes Wort und die Liebe zu sich selbst hervorbringen können. Diese Art von Gleichnis ist von der Art eines natürlichen Abbildes; denn nur das kann Abbild von etwas anderem sein, was eine Ähnlichkeit in der Spezies aufweist. Die dritte Art von Gleichnis ergibt sich aus der Einheit des Objekts, insofern ein vernunftbegabtes Geschöpf Gott erkennt und liebt. Dies ist eine bestimmte Gleichförmigkeit bei der Einung, die es nur bei den Heiligen gibt, welche dasselbe erkennen und wollen wie Gott. Über die erste Art von Gleichnis heißt es in Iob. 11, 7: »Willst du etwa die Spuren Gottes erkunden?« Von der zweiten Art von Gleichnis spricht Gen. 1, 26: »Laßt uns Menschen machen nach unserem Abbild, uns ähnlich«; die Rede ist hier vom Abbild bei der Erschaffung. Die dritte Art von Gleichnis kommt in 2 Kor. 3, 18 zum Ausdruck: »Wir alle werden, wenn wir mit enthülltem Antlitz den

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Glanz des Herrn widerspiegeln, zum selben Bild umgeformt.« Und hier ist vom Abbild bei der Neuerschaffung die Rede. Zu 1. Der Grund, warum Augustinus sagt, es sei nicht wahr, daß der Sohn nicht hätte zeugen können, es wäre vielmehr unangemessen gewesen, ist der: Es liegt nicht an einem Unvermögen des Sohnes, daß er nicht zeugt, so daß die Wendung »Er hätte es nicht gekonnt« im privativen Sinn zu verstehen ist und nicht schlichtweg im negativen Sinn.127 Mit der Wendung »Es wäre unangemessen« deutet Augustinus auf die ungereimten Folgen hin, wenn in der Gottheit der Sohn einen weiteren Sohn zeugen würde. Daß dem tatsächlich so ist, kann man sich an vier Punkten klar machen. Erstens: Insofern der Sohn als das Wort hervorgeht, würde, wenn der Sohn einen weiteren Sohn zeugte, folgen, daß in Gott das Wort aus einem Wort hervorginge. Das kann freilich nur der Fall sein bei einem nachforschenden und diskursiven Intellekt, bei dem ein Wort aus dem anderen hervorgeht, während er ausgehend von der Betrachtung der einen Wahrheit zur Betrachtung der anderen übergeht. So etwas paßt in keiner Weise zur Vollkommenheit und Einfachheit des göttlichen Intellekts, der mit einem einzigen Blick alles zugleich sieht. Zweitens: Das, wodurch etwas zu einem Einzelwesen wird und das unübertragbar ist, kann unmöglich mehreren gemeinsam sein. Denn das, wodurch Sokrates eben dieser ist, läßt sich nicht so verstehen, daß es an weiteren Instanzen auftreten würde. Wenn daher in der Gottheit die Sohnschaft mehreren Instanzen zukäme, wäre dies keine Sohnschaft, die die Person des Sohnes zu etwas Unübertragbarem macht. Somit müßte der Sohn durch etwas nur für sich Bestehendes zu einer Einzelperson werden, und das geht mit der Einheit des göttlichen Wesens nicht zusammen. Drittens: Nichts, was der Art nach eine Einheit bildet, kann zahlenmäßig vervielfältigt werden, außer im Hinblick auf seine Materie. Unter diesem Gesichtspunkt kann es in der Gottheit nur ein Wesen geben, da das göttliche Wesen ganz und gar materiefrei ist. Wenn es also mehrere Söhne in der Gottheit gäbe, dann müßte es auch 127 Also etwa im Sinn von: »Er sollte es eigentlich nicht können«.

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mehrere Sohnschaften geben. Zwangsläufig müßten sich diese über eine ihnen zugrundeliegende Materie vervielfältigen. Und das paßt mit der Materiefreiheit Gottes nicht zusammen. Viertens: Als Sohn bezeichnet man jemanden, weil er in einem natürlichen Prozeß hervorgeht. Doch die Natur richtet sich ganz klar auf Eines aus, es sei denn, es gehen akzidentell aus einer Instanz mehrere auf natürlichem Wege hervor, sofern es zur Teilung der Materie kommt. Wo daher eine Natur vollkommen materiefrei ist, kann es nur einen einzigen Sohn geben. Zu 2. Etwas kann auf zweifache Weise zu einer bestimmten Natur gehören. Das eine Mal, sofern man diese für sich selbst betrachtet. Hier ist es erforderlich, daß das, was zu einer bestimmten Natur gehört, auch jedem Träger dieser Natur zukommt. So gehört es zur göttlichen Natur, allmächtig, der Schöpfer und dergleichen zu sein, was alles den drei Personen gemeinsam ist. Das andere Mal gehört etwas zu einer Natur, insofern man diese an einem ganz bestimmten Träger betrachtet. Und hier braucht es nicht so zu sein, daß das, was zu dieser Natur gehört, jedem ihrer Träger zukommen müßte. So verfügt etwa die Natur einer Gattung über etwas, was der einen Spezies zukommt, der anderen aber nicht. Die sinnenhafte Natur etwa bringt einiges für den Menschen mit sich, was den wilden Tieren nicht zukommt, z. B. den Besitz eines hervorragenden Tastsinnes, Gedächtnisses usw. Genauso gehört etwas zur Natur einer Spezies, insofern es an einem bestimmten einzelnen Träger auftritt und keinem anderen Einzelwesen dieser Spezies zukommt. So gehörte es etwa zu der menschlichen Natur, insofern sie Adam innewohnte, daß sie nicht über einen natürlichen Entstehungsprozeß empfangen wurde – obgleich so etwas bei den anderen Individuen der menschlichen Spezies nicht zu finden ist. In diesem Sinne gehört das Zeugungsvermögen zur göttlichen Natur, insofern diese in der Person des Vaters liegt. Dies erhellt daraus, daß der Vater ausschließlich aufgrund seiner Vaterschaft, die ihm als dem Zeugenden zukommt, zu der unübertragbaren Person wird. Und so ist zwar der Sohn ein vollkommener Träger der göttlichen Natur, woraus aber nicht folgt, daß er zeugen könnte. Zu 3. Auch wenn der Vater zeugen kann, nicht aber der Sohn, so folgt daraus noch nicht, daß der Vater ein Vermögen hat, über

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das der Sohn nicht verfügt. Denn das Vermögen des Vaters und des Sohnes, durch das der Vater zeugt und der Sohn gezeugt wird, ist identisch. Ein Vermögen ist ja etwas, was von Gott als solchem gilt. Deswegen läßt es sich in der Gottheit ja auch nicht aufteilen, ebensowenig wie die Güte oder dergleichen. »Zeugen« und »Gezeugt werden« verweisen in der Gottheit auf nichts, was für Gott als solchen gilt, sondern nur auf eine Relation in der Gottheit. Gegensätzliche Relationen teilen in der Gottheit miteinander das, was unbezüglich ist, sie teilen es nicht auf. Wie daher im Vater und im Sohn eine einzige Wesenheit liegt, so läßt sich auch das Vermögen nicht dadurch auftrennen, daß es sich auf die Zeugung und auf das Gezeugtwerden bezieht. Denn selbst bei den Geschöpfen läßt sich ein Vermögen nicht durch einen beliebigen Unterschied in den Objekten unterteilen, sondern nur, wenn sich die Objekte innerhalb desselben Genus formal unterscheiden. So läßt sich ja das Sehvermögen nicht dadurch unterteilen, daß man einmal einen Menschen sieht und einmal einen Esel. Denn es gibt keine Differenz beim sinnlich Wahrnehmbaren, insofern es sinnlich wahrnehmbar ist. Gleichermaßen läßt sich in der Gottheit das, was für Gott als solchen gilt, nicht mit Hilfe von Relationen unterteilen. Zu 4. Bei jeder Tätigkeit, die sich von einem wirkenden Wesen nach außen richtet, muß es für das wirkende Wesen ein Prinzip geben, aufgrund dessen es wirkt, und für dasjenige, das eine Einwirkung erfährt, ein anderes Prinzip, aufgrund dessen es eine Einwirkung erfährt. Doch bei einer Tätigkeit, die sich nicht nach außen richtet, sondern in dem tätigen Wesen verbleibt, braucht es nur ein einziges Prinzip für diese Tätigkeit. So ist etwa bei einem Willensakt ein Prinzip für den Wollenden erforderlich, das ihm das Wollen ermöglicht. Bei den Geschöpfen vollzieht sich nun ihre Entstehung in Form einer Tätigkeit, die sich nach außen richtet, wofür jeweils ein aktives Vermögen beim Erzeugenden und ein passives Vermögen beim Erzeugten erforderlich sind. Doch die göttliche Zeugung ist zu verstehen als eine Tätigkeit, die sich freilich nicht nach außen richtet, sondern innerlich bleibt: nämlich als die Zeugung des Wortes. Somit kann das Vermögen nicht jeweils ein anderes sein: im Vater ein aktives und im Sohn ein passives. Zu 5. Hitze und Trockenheit sind, für sich genommen, bestimmte

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Qualitäten. Gleichwohl kann man sie als Kräfte bezeichnen, insofern sie das Prinzip für bestimmte Tätigkeiten sind. Somit haben sie zwar ihre erste und tiefste Wurzel, nämlich ihr Substrat, gemeinsam; doch als Qualitäten haben sie keine gemeinsame Wurzel. Zu 6. Wie der Vater zeugender Gott, der Sohn aber gezeugter Gott ist, so läßt sich ebenso sagen, der Vater sei wissend und erfassend, der Sohn aber wissend und als das Wort erfasst. Denn darin, daß der Sohn das Wort ist, besteht ja das Erfassen des Wissenden. Da nun all das, was in Gott ist, Gott selbst ist, ist auch das Erfassen des wissenden Gottes Gott selbst, ebenso wie die Weisheit, Macht und all das, was Gott zukommt. Zu 7. »Wort« kann man im eigentlichen Sinn bei der Gottheit nur als Person verstehen. Denn in der Gottheit kann es keinen anderen Ursprung als einen materiefreien geben, welcher auch zu einer geistigen Natur paßt, wie es der Ursprung des Wortes und der Liebe ist. Wenn daher der Ursprung des Wortes und der Liebe nicht zureicht, um eine Unterscheidung der Personen zu treffen, wird überhaupt keine Unterscheidung der Personen in der Gottheit möglich sein. Deshalb verwendet Johannes sowohl am Anfang seines Evangeliums als auch in seiner ersten Epistel die Bezeichnung »Wort« für den Sohn. Und wir sollten nicht anders von der Gottheit reden, als es die Hl. Schrift tut. Zu 8. »Sprechen« kann in einem zweifachen Sinn verstanden werden. Das eine Mal im engen Sinn, und dann meint »sprechen« so viel wie ein Wort äußern. In diesem Sinn bemerkt Augustinus, daß in der Gottheit keine Person spricht, nur der Vater allein.128 – Das andere Mal in einem weiteren Sinn: Hier meint »sprechen« nichts anderes als erkennen. Dies ist der Sinn von Anselms Diktum, wonach nicht nur der Vater, sondern auch der Sohn und der Heilige Geist sprechen. Auch wenn es drei sind, die sprechen, so ist es nur ein einziges Wort, d. h. der Sohn, denn allein der Sohn ist die Erfassung durch den Vater, der das Wort erkennt und erfaßt. Zu 9. Daß es in der Gottheit eine Zeugung gibt, läßt sich nicht einfach daraus erschließen, daß Gott wie eine Wirkursache anderem das Zeugungsvermögen verliehen hat. Sonst würde mit gleichem 128 Augustinus, De trin. VII, 1 (CCSL 50, 244 f.).

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Recht folgen, daß in Gott Bewegung sei, weil er anderem Bewegung verliehen hat. Daß es in Gott eine Zeugung gibt, folgt vielmehr daraus, daß er wie eine Wirk- und urbildhafte Ursache anderem das Zeugungsvermögen verliehen hat. Der Vater ist das Urbild der Zeugung als Zeugender und der Sohn das Urbild der Zeugung als Gezeugter. Daher besteht keine Notwendigkeit, daß auch der Sohn zeugt. Zu 10. Die Zeugung ist das Werk der göttlichen Natur, insofern sie in der Person des Vaters ist. Das wurde oben ausgeführt. Daher besteht keine Notwendigkeit, daß sie auch dem Sohn zukommt. Zu 11. Die Sohnschaft ist eine Relation, die sich aus einem ganz bestimmten Merkmal des Ursprungs, nämlich seinem natürlichen Merkmal, ergibt. Und da ist es unmöglich, daß sich Sohnschaft von Sohnschaft formal unterscheiden könnte; außer es geht hier um einen Unterschied in den Naturen, welche bei dem jeweiligen Zeugungsprozess weitergegeben werden. In diesem Sinn könnte man sagen, es handle sich um eine jeweils andere Form der Sohnschaft, durch die ein bestimmter Mensch bzw. ein bestimmtes Pferd ein männlicher Nachkomme ist. In der Gottheit jedoch gibt es nur eine einzige Natur. Daher kann es dort auch nicht mehrere Sohnschaften geben, die sich formal – und damit offensichtlich auch nicht material – voneinander unterscheiden. Daraus folgt, daß es hier nur eine Sohnschaft und einen Sohn gibt. Zu 12. Der eine Glanz geht jeweils vom anderen Glanz aus, und zwar dadurch, daß sich das Licht auf andere Gegenstände verbreitet. Daraus erhellt, daß dies durch eine materiale Zerteilung zustande kommt, was in der Gottheit aber nicht der Fall sein kann. Zu 13. Alles, was geliebt wird, wird geliebt, insofern es gut ist. Wenn also die Gutheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes eine und dieselbe ist, dann liebt der Vater in derselben Liebe, die der Heilige Geist ist, den Sohn, den Heiligen Geist und die gesamte Schöpfung. Ebenso spricht er in demselben Wort, das der Sohn ist, sich, den Sohn, den Heiligen Geist und die gesamte Schöpfung aus. Zu 14. Gutheit ist das, worauf die innerlich bleibende Tätigkeit des Lebendigen zielt. Denn zunächst wird etwas als wahr erkannt und daraufhin als gut angestrebt. Dort kommt dann die innerlich

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bleibende Tätigkeit wie in ihrem Ziel zum Stehen und zur Ruhe. Hingegen ist das der Ausgangspunkt für einen nach außen gerichteten Tätigkeitsvorgang. Denn dadurch daß der Intellekt etwas erstrebt und liebt, was er zuvor als gut erkannt hat, kann er dann nach außen auf jenes hinarbeiten. Gerade an dem Umstand also, daß die Gutheit dem Heiligen Geist eigens zugesprochen wird, kann man sich ganz gut verständlich machen, daß sich der Hervorgang der göttlichen Personen nicht weiter fortsetzt. Was aber folgt, ist der Hervorgang der Geschöpfe außerhalb des göttlichen Wesens. Zu 15. Unter allen Linien ist die kreisförmige Linie die vollkommenste, da sie keine Erweiterung zuläßt. Von daher gehört es zur Vollkommenheit des Heiligen Geistes, daß er mit seinem Hervorgang gleichsam den Kreis des göttlichen Hervorgangs schließt, so daß hier, wie oben ausgeführt,129 keine Erweiterung mehr möglich ist. Zu 16. Der Umstand, daß die göttliche Natur angenommen und weitergegeben wird, etabliert allenfalls einen Unterschied im Hinblick auf die Relationen. Doch dieser Unterschied kann nicht zu einer Ungleichheit in der Vollkommenheit führen. Das führt auch Augustinus in seiner Schrift Gegen Maximinus an: »Wenn wir fragen, wer aus wem hervorgeht, dann ist das eine Frage nach dem Ursprung, nicht nach Gleichheit und Ungleichheit.«130 Zu 17. Wie die Weitergabe der göttlichen Natur vom Vater auf den Sohn zu ihrer Vollkommenheit gehört, so macht es die Vollkommenheit des Heiligen Geistes aus, sie volkommen anzunehmen. Beide Vollkommenheiten unterscheiden sich aber nicht in ihrem Ausmaß, sondern im Hinblick auf eine Relation, welche, wie ausgeführt, keine Ungleichheit mit sich bringt. Zu 18. Das, wodurch eine Person ihren unübertragbaren Charakter erhält, kann nicht vielen gemeinsam sein. Das wurde bereits besprochen. Wenn jemand teilhätte an diesem Merkmal, dann würde dies kein Vergnügen erbringen, sondern die Unterscheidung der Personen aufheben. Wenn also der Vater bei seiner Vaterschaft 129 Vgl. De pot. q. 9 a. 9 c. 130 Augustinus, Contra Maximinum Arianorum Episcopum II, 18, 3

(PL 42, col. 786).

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einen Teilhaber innerhalb der Gottheit hätte, dann würde dies zur Konfusion der Personen führen. Das gleiche gilt für die Sohnschaft und den Hervorgang. Zu 19. Im Vergleich zum Intellekt und dem Willen implizieren die anderen Attribute keine innerliche Tätigkeit, anhand derer der Hervorgang der göttlichen Personen verständlich würde. Zu 20. Der Hervorgang kraft der Natur und der Hervorgang kraft des Intellekts kommen darin überein, daß beide Male eines aus einem anderen hervorgeht, und zwar in Ähnlichkeit zu dem, woraus es hervorgeht. Doch die Liebe, die willentlich hervorgeht, geht aus zweien hervor, die sich gegenseitig lieben. Im Fall der Liebe kann man nicht folgern, daß es eine Ähnlichkeit bei den Liebenden geben müßte. Deswegen geht in der Gottheit kraft der Natur und des Intellekts ein und dasselbe hervor: als Sohn und als das Wort. Doch es ist die andere Person, die kraft des Willens als die Liebe hervorgeht. Zu 21. Es gibt zwar fünf [relationale] Begriffe für die Gottheit, doch nur drei davon sind personale Eigentümlichkeiten, welche für die Personen konstitutiv sind. Deswegen gibt es hier nur drei Personen. Zu 22. Die ideenhaften Relationen in Gott betreffen die Dinge außerhalb von ihm, d. h. die Geschöpfe. Deswegen erbringen sie keine Unterscheidung der Personen in der Gottheit. Wir sollten auch noch auf die Argumente eingehen, denen zufolge es weniger als drei Personen in der Gottheit gibt. Zu 1. In jeder beliebigen erschaffenen Natur finden sich viele Arten von Hervorgängen, doch nicht bei jedem dieser Hervorgänge wird die artspezifische Natur weitergegeben. Dies liegt an der Unvollkommenheit der erschaffenen Natur, bei der nicht alles von selbst besteht, was in ihr liegt. So ist etwa das Wort, das vom menschlichen Intellekt ausgeht, nicht etwas für sich Bestehendes, ebensowenig wie die Liebe, die aus dem menschlichen Willen hervorgeht. Doch ein Sohn, der in einem natürlichen Vorgang gezeugt wird, ist etwas, was in seiner menschlichen Natur für sich selbst besteht. Dies ist also die einzige Art und Weise, wie hier eine Natur weitergegeben wird, obwohl es beim Menschen mehrere Arten des Hervorgehens gibt. In Gott aber besteht alles, was in ihm ist, für

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sich. Deswegen wird in der Gottheit bei allen Arten des Hervorgehens die göttliche Natur weitergegeben. Zu 2. Es spricht nichts dagegen, daß auch aus dem Willen etwas aufgrund seiner Natur hervorgeht. Denn auch der Willen will und liebt von Natur aus etwas, nämlich die Glückseligkeit und die Erkenntnis der Wahrheit. Deswegen spricht auch nichts dagegen, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, auch wenn er willentlich hervorgeht. Zu 3. Zwar unterscheiden sich der Intellekt und der Wille in Gott nur dem Begriff nach. Doch muß sich der, der kraft des Intellekts hervorgeht, real von dem unterscheiden, der kraft des Willens hervorgeht. Denn das Wort, das kraft des Intellekts hervorgeht, geht nur aus dem Einen als dem Sprechenden hervor; doch der Heilige Geist, der kraft des Willens als die Liebe hervorgeht, geht zwangsläufig aus den beiden hervor, die sich gegenseitig lieben, bzw. aus dem Sprechenden und dem Wort. Man kann nämlich nichts lieben, was der Intellekt nicht schon zuvor als Wort erfaßt hat. Somit muß jener, der kraft des Willens hervorgeht, aus dem stammen, der kraft des Intellekts hervorgeht, und damit von ihm unterschieden sein. Zu 4. Derjenige, der in der Gottheit von einem anderen stammt, kann dies auf zweierlei Weise sein: als das Wort und als die Liebe. Daß man also im unspezifischen Sinn von einem anderen stammt, reicht noch nicht hin, um eine unübertragbare Person zu konstituieren. Vielmehr muß hier noch eine nähere Bestimmung im Hinblick auf das Eigentümliche erfolgen. Zu 5. In der Gottheit gibt es vier Relationen und nicht nur zwei. Doch drei von ihnen betreffen die Personen; eine aber, nämlich die gemeinsame Hauchung, ist keine personale Eigentümlichkeit, da sie zwei Personen gemeinsam ist. Deswegen gibt es in der Gottheit nur drei Personen. Die restlichen Argumente lassen wir gelten.

X. DER HERVORGANG DER GÖTTLICHEN PERSONEN

Die hier behandelten Fragen lauten: 1. Gibt es überhaupt einen Hervorgang in der Gottheit? 2. Gibt es in der Gottheit nur einen einzigen Hervorgang? 3. Welche Rangfolge besteht zwischen Hervorgang und Relation in der Gottheit? 4. Geht der Heilige Geist aus dem Sohn hervor? 5. Bliebe der Heilige Geist vom Sohn unterschieden, wenn er nicht aus ihm hervorginge?

1. Artik el Die erste Frage lautet: Gibt es überhaupt einen Hervorgang in der Gottheit? 1 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Alles, was aus einem anderen hervorgeht, entfernt sich von diesem. Doch bei den göttlichen Personen gibt es keine Entfernung voneinander. Der Sohn spricht ja in Joh. 14, 10: »Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir.« Dasselbe läßt sich auch vom Heiligen Geist sagen, daß er nämlich im Vater und im Sohn ist und umgekehrt. Somit geht in der Gottheit eine Person nicht aus der anderen hervor. 2. Nichts, was mit Bewegung zu tun hat, kann man im strengen Sinn Gott zusprechen, ebensowenig wie das, was mit Materie zu tun hat. Nun ist aber ein Hervorgang eine Art von Bewegung. Folglich kann man davon bei der Gottheit nicht in einem strengen Sinn reden. 3. Alles, was hervorgeht, ist logisch früher als sein Hervorgang, denn es ist ja die Grundlage dieses Prozesses. Doch in der Gottheit kann es nichts geben, was als Hervorgehendes logisch früher als sein Hervorgang wäre. Denn das göttliche Wesen ist weder hervor1 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 27 a. 1. Sent. I, d. 23. a. 1. ScG IV, 11.

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gegangen noch gezeugt worden. Und die Relation ist nicht logisch früher als der Hervorgang, sondern es verhält sich, wie vorhin gezeigt wurde, anders herum.2 Somit kann es keinen Hervorgang in der Gottheit geben. 4. Wie alles Hervorgehende aus einem anderen hervorgeht, so muß es auch in etwas anderes übergehen. Was aber in etwas anderes übergeht, das besteht nicht für sich selbst. Da nun die göttlichen Personen für sich bestehen, ist bei ihnen ein Hervorgang offensichtlich unmöglich. 5. Da die höherrangigen Geschöpfe Gott ähnlicher sind, findet sich das, was bei den niedrigen, nicht aber bei den höherrangigen Geschöpfen auftritt, auch nicht bei Gott, wie etwa Ausdehnungsgrößen, Materie und dergleichen. Nun findet sich ein Hervorgang bei den niedrigen Geschöpfen, bei denen ein Einzelwesen ein anderes von derselben Spezies erzeugt. So etwas kommt aber nicht bei den höherrangigen Geschöpfen vor, also wird sich auch kein Hervorgang in Gott finden. 6. Was der göttlichen Erhabenheit widerspricht, sollte man Gott keinesfalls zuschreiben. Nun besteht nach allgemeiner Auffassung die Erhabenheit Gottes ganz besonders darin, daß er die erste Ursache des Seins ist und sein Sein nicht von einem anderen hat, was wiederum mit einem Hervorgang offensichtlich unvereinbar ist. Denn jedes Hervorgehende stammt auf irgendeine Weise aus etwas anderem. Somit kann man nicht behaupten, daß es in der Gottheit etwas Hervorgehendes gibt. 7. Eine Person ist eine Hypostase mit einem eigentümlichen Unterscheidungsmerkmal, welches auf ihre Erhabenheit Bezug nimmt. Von einem anderen etwas zu empfangen (was wiederum einen Hervorgang impliziert), scheint nicht von Erhabenheit gekennzeichnet zu sein. Demnach darf man einen Hervorgang den göttlichen Personen nicht als eine personale Eigentümlichkeit zuschreiben. 8. Das, von dem etwas anderes hervorgeht, muß in irgendeiner Weise auch die Ursache für jenes andere sein. Nun kann aber die eine [göttliche] Person nicht die Ursache für die andere sein; denn 2 Vgl. De pot. q. 8 a. 3.

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die eine Person kann nicht die intrinsische – also weder die formale noch die materiale – Ursache für die andere Person sein, weil es ja in der Gottheit keine Zusammensetzung aus Form und Materie gibt. Ebensowenig kann die eine Person die extrinsische Ursache sein, da ja die eine Person in der anderen ist. Folglich gibt es keinen Hervorgang in der Gottheit. 9. Jedes Hervorgehende geht aus einem anderen wie aus seinem Prinzip hervor. Nun kann aber die eine Person nicht das Prinzip der anderen sein. Denn »Prinzip« besagt, daß es Prinzip für das ist, was prinzipiiert wird; und so müßte eine [göttliche] Person prinzipiiert sein, was offenbar nur auf die Geschöpfe zutrifft. Demnach gibt es keinen Hervorgang in der Gottheit. 10. Der Ausdruck »Prinzip« kommt offensichtlich von »Priorität«. Athanasius zufolge3 gibt es aber in der Gottheit kein Früher und Später. Demnach ist nicht die eine Person das Prinzip für die andere, und somit kann keine Rede sein von einem Hervorgang der einen Person aus der anderen. 11. Jedes Prinzip ist wirksam und bringt etwas hervor. Nun bringt aber die eine Person die andere nicht hervor; ebensowenig bewirkt sie sie, sonst gäbe es unter den göttlichen Personen etwas Bewirktes und d. h. Erschaffenes. Demnach hat eine göttliche Person kein Prinzip und geht auch nicht hervor. 12. Wenn etwas aus einem anderen hervorgeht, dann haben beide zwangsläufig etwas gemein, was dem Hervorgehenden von seinem Hervorbringer mitgegeben wird. Und zugleich haben beide je etwas Eigenes, was den Hervorgehenden von seinem Hervorbringer unterscheidet. Denn nichts geht ja aus sich selbst hervor. Wo immer es also ein Etwas und ein anderes Etwas gibt, da gibt es Zusammensetzung. Wo es demnach einen Hervorgang gibt, da herrscht auch Zusammensetzung. In der Gottheit gibt es jedoch keine Zusammensetzung und damit auch keinen Hervorgang. 13. Jedes Hervorgehende empfängt etwas von seinem Hervorbringer. Was aber etwas empfängt, das ist von seiner Natur her bedürftig. Denn wenn es nicht bedürftig wäre, bräuchte es auch nichts zu empfangen. Aus diesem Grund bringt man ja auch bei den natür3 Vgl. Denzinger / Schönmetzer, Encheiridion Symbolorum n. 75.

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lichen Dingen die Empfänglichkeit mit der Materie in Zusammenhang. Demnach ist jedes Hervorgehende von seiner Natur her bedürftig. In der Gottheit gibt es jedoch keine Bedürftigkeit, sondern es herrscht höchste Vollkommenheit. Folglich gibt es dort auch keinen Hervorgang. 14. Hier ließe sich anmerken: Wenn das Empfangende bereits existiert, bevor es empfängt, dann ist es auch bedürftig; wenn es aber schon empfangen hat, verfügt es darüber und ist nicht länger bedürftig. Der Sohn und der Heilige Geist empfangen zwar vom Vater, doch sie gehen in ihrer Existenz nicht der Empfängnis voran. Somit gibt es bei ihnen keine Bedürftigkeit. – Dem ist zu erwidern: Jedes Geschöpf ist von seiner Natur her bedürftig, und doch existiert es nicht, bevor es von Gott sein Sein empfängt. Wenn man also nicht existiert, bevor man empfängt, schließt das Bedürftigkeit nicht aus. 15. Wenn ein Ding nur dann etwas besitzt, wenn es das von einem anderen erhält, dann hat es an sich genommen einen Mangel daran. So hat etwa die Luft an sich genommen einen Mangel an Licht, welches sie von einem anderen empfängt. Wenn also der Sohn und der Heilige Geist nur dadurch ein Sein hätten, daß sie aus dem Vater hervorgehen – das müßte man ja behaupten, wenn sie aus dem Vater hervorgehen –, so müßten sie an ihnen selbst notwendigerweise nichts sein. Was aber, für sich genommen, nichts ist, wenn es sein Sein von einem anderen erhält, das stammt zwangsläufig aus dem Nichts, ist also ein Geschöpf. Wenn also der Sohn und der Heilige Geist aus dem Vater hervorgingen, müßten sie Geschöpfe sein. Und das ist die gotteslästerliche Ansicht des Arius. Es gibt also keinen Hervorgang bei den göttlichen Personen. 16. Was aus einem anderem hervorgeht, geht hervor, um zur Existenz zu gelangen. Was aber hervorgeht, um zur Existenz zu gelangen, war nicht schon immer – genauso wie etwas, das an einen Ort gelangt, nicht schon immer an diesem Ort war. Doch die göttlichen Personen sind ewig. Demnach kennt keine der göttlichen Personen einen Hervorgang. 17. Das Prinzip, aus dem etwas hervorgeht, übt eine gewisse Macht über das aus ihm Hervorgehende aus. Wenn also eine göttliche Person aus der anderen hervorginge, wie z. B. der Sohn und der Heilige Geist aus dem Vater, dann müßte der Vater eine gewisse

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Macht über den Sohn und den Heiligen Geist haben. Somit gäbe es eine Ungleichheit unter den göttlichen Personen. Dagegen steht aber die Aussage des Anthanasius, daß in der Trinität nichts früher oder später, größer oder kleiner ist, sondern alle drei Personen untereinander gleich in der Ewigkeit und im Rang sind.4 Demnach gibt es bei den göttlichen Personen keinen Hervorgang. Dagegen spricht: 1. Der Sohn sagt in Joh. 8, 42: »Von Gott bin ich hervorgegangen und komme aus ihm.« 2. Joh. 15, 26 spricht vom »Geist der Wahrheit, der aus dem Vater hervorgeht.« Folglich gibt es bei den göttlichen Personen einen Hervorgang. Antwort: Ein geistiges Erkennen nimmt bei uns seinen Anfang von der Vorstellung und den Sinnen, die nicht über den Bereich der kontinuierlichen Größen hinausgelangen. Von daher kommt es, daß wir die sprachlichen Bezeichnungen für den Bereich der kontinuierlichen Größen dann auch für das verwenden, was wir mit dem Intellekt erfassen. Beispielsweise liegt das beim Wort »Entfernung« klar auf der Hand, das zunächst örtlich gebraucht wird und dann auch für jedweden Unterschied in der Form. Deswegen bezeichnet man alles Konträre, in welchem Bereich auch immer, als Extrema, auch wenn, wie Aristoteles in seiner Metaphysik sagt, eine Entfernung zunächst eine örtliche ist.5 In gleicher Weise wurde der Ausdruck »Hervorgang« zunächst verwendet, um eine Ortbewegung zu bezeichnen, wonach etwas auf geordnete Weise von einem Ort aus über weitere Stationen allmählich in seinen Endpunkt findet. In der Folge bezeichnet der Ausdruck auch all das, wo es das Ordnungsgefüge ›eins aus dem anderen‹ bzw. ›eins nach dem anderen‹ gibt. Von daher kommt es, daß wir für jede Bewegung den Ausdruck »Hervorgang« verwenden. So sprechen wir etwa davon, daß ein Körper vom Weiß ins Schwarze, von einem 4 Vgl. S. 145 Anm. 30. 5 Aristoteles, Met. X, 4; 1055 a 19 ff.

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geringen Ausmaß in ein großes Ausmaß, vom Nicht-Sein ins Sein – und umgekehrt – hervorgeht. Ebenso benutzen wir den Ausdruck »Hervorgang«, wenn etwas von einem anderen ausgeht. So sprechen wir etwa davon, daß der Lichtstrahl von der Sonne ausgeht, und überhaupt eine Tätigkeit bzw. das Resultat dieser Tätigkeit vom Tätigen ausgeht: daß also z. B. etwas, das ein Handwerker herstellt, von diesem ausgeht oder etwas Gezeugtes von seinem Erzeuger. Ganz allgemein bezeichnen wir alle derartigen Ordnungsverhältnisse mit dem Ausdruck »Hervorgang«. Nun ist aber eine Tätigkeit von zweierlei Art. Das eine Mal geht sie vom Tätigen auf etwas, was ihm äußerlich ist, wie etwa die Erhitzung vom Feuer auf das Holz übergeht. Solch eine Tätigkeit führt nicht zur Vollendung der tätigen Instanz, sondern desjenigen, an dem sich die Tätigkeit vollzieht. Denn das Feuer gewinnt durch seine Hitzeleistung nichts hinzu, sehr wohl aber gewinnt das Erhitzte6 die Hitze hinzu. Das andere Mal geht eine Tätigkeit nicht auf etwas Äußerliches, sondern verbleibt in der tätigen Instanz, wie z. B. Denken, Wahrnehmen, Wollen und dergleichen. Tätigkeiten dieser Art vervollkommnen die tätige Instanz. Denn der Intellekt ist nur dann vollkommen, wenn er erkennend am Werk ist, und ebenso die Sinne, wenn sie tatsächlich sinnlich wahrnehmen. Die erste Art der Tätigkeit ist dem Lebendigen und dem Leblosen gemeinsam, doch die zweite Art ist dem Bereich des Lebendigen eigentümlich. Wenn wir also »Bewegung« in einem weiten Sinn für jede Art von Tätigkeit verwenden, wie dies Aristoteles im dritten Buch von Über die Seele tut, wenn er sagt, daß Wahrnehmen und Denken eine Art von Bewegung sind,7 – aber nicht im Sinne des dritten Buches der Physik, wonach die Bewegung die Tätigkeit von etwas Unvollständigem ist,8 sondern Bewegung als die Tätigkeit von etwas Vollständigem –, dann scheint dies für das Lebendige eigentümlich zu sein. Dies ist gemeint, wenn wir davon sprechen, daß etwas sich selbst bewegt. Denn überall da, wo wir sehen, daß etwas 6 calefactio M : calefacto L 7 Aristoteles, De an. III, 10; 433 a 9 ff. 8 Vgl. Aristoteles, Phys. III, 2; 201 b 31 f.

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durch und in sich auf eine bestimmte Art tätig ist, sprechen wir davon, daß es lebendig ist. In diesem Sinn war Platon der Ansicht, daß der erste Beweger sich selbst bewegt.9 Im Hinblick auf beide Arten der Tätigkeit handelt es sich im kreatürlichen Bereich um einen Hervorgang. Denn im Hinblick auf die erste Art der Tätigkeit sprechen wir davon, daß das Gezeugte aus seinem Erzeuger bzw. das Hergestellte aus seinem Hersteller hervorgeht. Was aber die zweite Art von Tätigkeit anbelangt, so sprechen wir davon, daß ein Wort von seinem Sprecher hervorgeht und die Liebe vom Liebenden. Beide Arten dieser Tätigkeiten sprechen wir aber Gott zu. Diejenige Art von Tätigkeit, die sich auf etwas Äußerliches richtet, sprechen wir Gott insofern zu, als er alles erschafft, erhält und lenkt. Aus dieser Art von Tätigkeit erwächst Gott freilich keine Vollkommenheit, es ist eher so, daß die Schöpfung aus der göttlichen Vollkommenheit eine Vollkommenheit erhält. Die zweite Art von Tätigkeit schreiben wir Gott zu, insofern wir ihn als erkennend und wollend beschreiben, womit wir seine Vollkommenheit zum Ausdruck bringen. Gott wäre nämlich nicht vollkommen, wenn er nicht wirklich erkennen und wollen würde. Dies ist der Grund, warum wir ihn als lebendig bekennen. Demnach schreiben wir im Hinblick auf beide Arten von Tätigkeit Gott einen Hervorgang zu. Was die erste Art anbelangt, so sprechen wir davon, daß die göttliche Weisheit und Güte hin zu den Geschöpfen hervorgeht, wie Dionysius sagt,10 sowie davon, daß die Geschöpfe aus Gott hervorgehen. Im Hinblick auf die zweite Art von Tätigkeit sprechen wir angesichts der Gottheit vom Hervorgang des Wortes und der Liebe: dies ist der Hervorgang des Sohnes aus dem Vater als dessen Wort und der Hervorgang des Heiligen Geistes als dessen Liebe und lebensspendendem Hauch. Daher bemerkte Athanasius bei der Beratung auf dem Konzil von Nicäa, daß die Arianer, wenn sie den Sohn und den Heiligen Geist nicht als wesenseins mit

9 Vgl. Platon, Nomoi 894 B – 895 A. (Der Platonische Text war damals nur vermittelt zugänglich über Macrobius.) 10 Dionysius Areopagita, De div. nom. IV, 1 (Dion. I, 146 f.).

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dem Vater anerkennen, Gott nicht für lebendig und erkennend halten, sondern für tot und geistlos.11 Zu 1. Dieses Argument nimmt denjenigen Hervorgang in Anspruch, der als eine sich nach außen richtende Tätigkeit zu verstehen ist. Auf diese Weise gehen die göttlichen Personen nicht hervor, sondern in einer Art von Hervorgang, der als eine in sich bleibende Tätigkeit zu verstehen ist. Was nämlich in dieser Weise hervorgeht, entfernt sich nicht von dem, aus dem es hervorgeht. Genauso entfernt sich ja ein menschliches Wort im Intellekt des Sprechenden nicht von diesem. Zu 2. Der Hervorgang bei den göttlichen Personen versteht sich nicht im Sinne einer Ortsbewegung, sondern als ein Ordnungsgefüge der Emanation. Zu 3. Das, was durch eine Ortsbewegung hervorgeht, muß seinem Hervorgang logisch vorangehen, da es ja die Grundlage für diesen Hervorgang ist. Hingegen ist das, was in einem Ursprungsverhältnis hervorgeht, das Ziel dieses Hervorgangs. Wenn daher das Hervorgehende sich aus Materie und Form zusammensetzt und über eine Erzeugung ins Sein gelangt, dann liegt die Materie bereits vor dem Hervorgang als dessen Substrat vor, während sich die Form und sogar das Zusammengesetzte begrifflich erst aus dem Hervorgang als dessen Ziel ergeben. Auf diese Weise geht etwa ein Feuer aus einem anderen Feuer vermittels seiner Fortzeugung hervor. Wenn jedoch das Hervorgehende nicht zusammengesetzt, sondern reine Form ist, und auch durch einen Schöpfungsakt ins Sein tritt – was zur vollständigen Substanz einer Sache führt –, dann ist das Hervorgehende keinesfalls begrifflich früher als sein Hervorgang. Sondern das Umgekehrte gilt: Wie ein Geschöpf logisch nicht seiner Erschaffung vorangeht, so geht auch ein Lichtstrahl nicht seinem Hervorgang aus der Sonne voran, ebensowenig wie ein Wort dem

11 Thomas verweist auf dieselbe Stelle in Contra Graec. I, 7. Die Editio Leonina rekurriert auf Athanasius, Contra Arianos I, 7–14 (PG 25, col. 23 ff.). In der angegebenen Passage findet sich allerdings keine wörtliche Entsprechung.

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Hervorgang aus seinem Sprecher. Genauso geht das [göttliche] Wort nicht seinem Hervorgang aus dem Vater voran. Zu 4. Bei einem Hervorgang, der ein Ursprungsverhältnis impliziert, kann etwas als ein selbständig Bestehendes ohne Relation auf anderes hervorgehen. Aus einer örtlichen Bewegung hingegen geht etwas nicht als ein für sich Bestehendes hervor, sondern so, daß es sich dann an einem Ort befindet. Solch einen Hervorgang gibt es aber bei den göttlichen Personen nicht. Zu 5. Bei den geistbegabten Substanzen als den ranghöchsten Geschöpfen gibt es auch einen Hervorgang, je nach der Tätigkeit ihres Intellekts und Willens. In Hinblick darauf zeigen sie sich als Abbild der unerschaffenen Trinität. Doch ein Wort und die Liebe bilden bei ihnen keine selbständigen Personen, denn ihr Denken und Wollen ist nicht ihre Substanz, dies ist vielmehr Gott zu eigen. Deswegen gehen in Gott das Wort und die Liebe als selbständige Personen hervor, bei den geistbegabten Geschöpfen aber nicht. Zu 6. Es widerspricht der göttlichen Würde, den Ursprung in etwas anderem, wesensmäßig Verschiedenem zu haben. Letzteres ist vielmehr den Geschöpfen zu eigen. Hingegen trifft es schon eher die Vollkommenheit Gottes, den Ursprung in etwas Wesensgleichem zu haben. Es gäbe ja keine Vollkommenheit in der Gottheit, wenn es dort kein wirkliches Denken und Wollen gäbe. Wenn dem so ist, kommt man nicht um einen Hervorgang des Wortes und der Liebe herum. Zu 7. Auch wenn »empfangen« an sich keine Vollkommenheit bedeutet, bringt es doch für den Empfangenden eine Vollkommenheit mit sich, und dies vor allem bei den göttlichen Personen, die die Fülle des göttlichen Wesens empfangen. Zu 8. Für den Ursprung der göttlichen Personen verwenden die lateinischen Kirchenlehrer selten bzw. niemals den Ausdruck »Ursache«. Denn einerseits impliziert bei uns eine Ursache eine Wirkung – den Vater nennen wir daher nicht Ursache, sonst wären wir gezwungen, den Sohn und den Heiligen Geist als bewirkt zu bezeichnen; andererseits meint der Ausdruck »Ursache« bei uns etwas wesensmäßig Unterschiedenes – eine Ursache ist ja für uns etwas, woraus etwas anderes folgt; zum Dritten verwenden die paganen Philosophen das Wort »Ursache« für Gott, um sein Verhältnis zu

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den Geschöpfen zum Ausdruck zu bringen. Sie behaupten ja, daß Gott die erste Ursache sei und die Geschöpfe das von ihm Verursachte. Damit also nicht der Verdacht aufkommt, jemand würde den Sohn und den Heiligen Geist zu den Geschöpfen zählen, die von Gott dem Wesen nach verschieden sind, vermeiden wir den Ausdruck »Ursache« angesichts der Gottheit. Die Griechen hingegen verwenden den Ausdruck »Ursache« fast ausschließlich bei der Gottheit und meinen dabei nur den Ursprung. Daher gebrauchen sie das Wort »Ursachen« für die göttlichen Personen. Ein Ausdruck ist also im Lateinischen ungebräuchlich, welcher im Griechischen wegen seiner ganz spezifischen Verwendung üblich sein kann. Wenn wir aber den Ausdruck »Ursache« in der Rede von Gott nach Art der Griechen zulassen, dann heißt dies nicht, daß er denselben Sinn hat wie bei der Rede von den Geschöpfen, wo er sich nach Ansicht der Philosophen in die vier Arten von Ursachen unterteilt. Zu 9. Unter allen Begriffen, die den Ursprung in den Blick nehmen, trifft der Ausdruck »Prinzip« angesichts der Gottheit am ehesten zu. Denn da wir das Göttliche nicht begreifen können, bezeichnen wir es treffender mit allgemeinen Ausdrücken, die eine unbestimmte Bedeutung haben, als mit spezifischen Ausdrücken, die auf bestimmte Weise die Spezifik einer Sache bezeichnen. Von daher ist der Name »Der Ist«, der nach Johannes von Damaskus einen unendlichen Ozean an Substanz bezeichnet,12 der angemessenste, wie aus Ex. 3, 14 erhellt. Wie nun »Ursache« ein allgemeinerer Begriff ist als »Element«, das etwas Erstes und Einfaches im Bereich der Materialursachen meint, so ist auch »Prinzip« allgemeiner als »Ursache«. Denn das erste Moment einer Bewegung bzw. einer Linie nennt man Prinzip und nicht Ursache. Somit ist klar, daß Prinzip etwas nicht wesensmäßig Verschiedenes meint, wie es z. B. der Punkt im Verhältnis zur Linie ist. Das trifft auf »Ursache« nicht zu, insbesondere wenn wir von einer Ursache, die den Charakter eines Ursprungs hat, d. h. von einer Wirkursache sprechen. Wenngleich man den Vater als das Prinzip für den Sohn und den Heiligen Geist bezeichnet, sollte man nicht ohne weiteres davon reden, daß der Sohn bzw. der 12 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 9, 2 [9, 1] (ed. Buytaert, S. 48 f.).

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Heilige Geist prinzipiiert seien. Zwar gibt es bei den Griechen diese Redeweise, die bei rechter Einsicht auch zulässig sein mag. Trotzdem sollten wir Begriffe, die irgendeine Abhängigkeit implizieren, vermeiden, damit sie nicht dem Sohn und dem Heiligen Geist zugeschrieben werden und wir nicht in den Irrtum der Arianer verfallen. Auch wenn Hilarius13 zugesteht, daß der Vater wegen der Erhabenheit des Ursprungs größer als der Sohn ist, so gesteht er gleichwohl nicht zu, daß der Sohn kleiner als der Vater sei, von dem er das gleiche Sein bekommen hat. Ebenso sollte man die Bezeichnung »abhängig« oder »prinzipiiert« beim Sohn nicht verwenden, auch wenn der Ausdruck »Erhabenheit« und »Prinzip« beim Vater zulässig sind. Zu 10. Zwar kommt der Ausdruck »Prinzip«, wenn man ihn als solchen betrachtet, von »Priorität«. Gleichwohl meint er keine Priorität, sondern einen Ursprung. So verwendet man ja das Wort »Stein« auch nicht, um damit eine Verletzung des Fußes auszudrükken, auch wenn das die gängige Ableitung ist.14 Auch wenn also der Vater gegenüber dem Sohn nicht vorrangig ist, so ist er doch dessen Prinzip. Zu 11. Nicht jedes Prinzip ist wirksam und bringt etwas hervor. Denn der Punkt ist auf keine der beiden Weisen das Prinzip für die Linie. Zu 12. Im Sohn ist etwas, was er mit dem Vater gemein hat: das Wesen; und zugleich etwas, was ihn vom Vater unterscheidet: die Relation. Denn es gibt hier keine Zusammensetzung, weil die Relation sachlich identisch mit dem Wesen ist. Das ist aus den früheren Erörterungen klar.15 Zu 13. Bevor das Empfangende empfängt, ist es bedürftig – es empfängt ja, um ein Bedürfnis zu stillen. Doch nachdem es empfangen hat, ist es nicht mehr bedürftig, es hat ja jetzt, worauf sein Bedürfnis ging. Wenn also etwas nicht existiert, bevor es empfängt, und es stets schon empfangen hat, dann ist es in keinerlei Weise bedürftig. Der Sohn empfängt jedoch vom Vater nicht in der Weise, 13 Vgl. Hilarius, De trin. VIII, 3 (CCSL 62, 315 f.). 14 Diese im Mittelalter beliebte Etymogelei findet sich bei Isidor von

Sevilla, Etymologiae XIV, 3, 1. 15 Vgl. besonders De pot. q. 8 a. 2.

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daß er zunächst nicht hat und hierauf empfängt. Vielmehr hat er eben sein Sein vom Vater. Daher folgt hier nicht, daß er bedürftig wäre. Zu 14. Das Geschöpf empfängt von Gott ein Sein, welches nicht dauern würde, wenn Gott es nicht erhalten würde. Nachdem es also sein Sein empfangen hat, bedarf es noch des göttlichen Wirkens, damit es sich im Sein hält, und somit ist es von seiner Natur her bedürftig. Der Sohn hingegen empfängt vom Vater ein und dasselbe Sein sowie ein und dieselbe Natur, wie sie der Vater hat. Daher ist er von seiner Natur her nicht bedürftig. Zu 15. Als solcher kommt der Sohn in den Blick mit dem, was er für sich besitzt, und das ist das Wesen des Vaters; und darin ist er nicht nichts, sondern eins mit dem Vater. Doch im Hinblick auf seine Relation zum Vater zeigt er sich als der vom Vater Empfangende; und auch in dieser Hinsicht ist er nicht nichts. Damit ist der Sohn auf keinerlei Weise nichts. Er wäre vielmehr dann für sich genommen nichts, wenn in ihm etwas wäre, was vom Vater absolut geschieden wäre, also so, wie es bei den Geschöpfen der Fall ist. Zu 16. Der Sohn geht hervor, um zu sein. Doch sein Hervorgang ist ein ewiger, so wie der Hervorgang des Glanzes aus der Sonne ihr gleich ewig ist. Somit ist auch der Sohn ewig. Zu 17. Die Macht des Vaters ist nichts anderes als die Relation des Ursprungs. Gleichheit und Ungleichheit haben jedoch nach Augustinus nichts mit der Relation zu tun, sondern mit Quantität.16 Daher ist der Sohn dem Vater nicht ungleich.

16 Augustinus, De trin. V, 3; VI, 3 (CCSL 50, 209, 233).

2. Artik el Die zweite Frage lautet: Gibt es in der Gottheit nur einen einzigen Hervorgang oder sind es mehrere? 17 Es scheint nur einen einzigen zu geben; denn: 1. Boethius bemerkt in seiner Schrift Über die Trinität, daß der Hervorgang in Gott zu seiner Substanz gehört.18 Substantielles vervielfältigt sich in der Gottheit aber nicht. Demnach gibt es nicht mehrere Hervorgänge in der Gottheit. 2. Dazu ist anzumerken: Die Hervorgänge in der Gottheit unterscheiden sich nicht durch das Kriterium der Substanz, welche über einen Hervorgang erst mitgeteilt wird, weshalb man sie als substantielle Hervorgänge bezeichnet. Sie unterscheiden sich vielmehr durch sich selbst. – Dem ist zu erwidern: Alles, was sich voneinander unterscheidet, tut dies aufgrund einer materialen Unterteilung, wie etwa die Einzelexemplare derselben Spezies, oder aufgrund eines formalen Unterschiedes, wie etwa dasjenige, was sich der Spezies und dem Genus nach unterscheidet. Ein Hervorgang erbringt jedoch keine Unterscheidung in der Gottheit nach Art eines materialen Unterschiedes; Gott ist ja gänzlich ohne Materie. Daraus ergibt sich nun, daß jede Unterscheidung in der Gottheit nach Art einer formalen Unterscheidung erfolgt. Jede formale Unterscheidung läuft über einen bestimmten Gegensatz, und zwar vorzugsweise zwischen Dingen innerhalb desselben Genus. Denn ein Genus unterteilt sich nach Aristoteles durch konträre Differenzen, anhand von denen sich die Spezies unterscheiden lassen.19 Wenn man also die Hervorgänge in der Gottheit unterscheiden will, muß dies anhand von einem bestimmten Gegensatz geschehen. Doch Hervorgänge, Tätigkeiten und Bewegungen stehen in keinem Gegensatz zueinander, es sei denn aufgrund ihres Anfangspunktes bzw. ihres Endpunktes. Ersichtlich ist das z. B. bei der Erhitzung und Abkühlung, beim Aufstieg und Abstieg. Folglich können die Hervorgänge 17 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 27 a. 3. Sent. I, d. 23. a. 2. ScG IV, 19. Contra Greacos cap. 3. 18 Boethius, De trin. IV, 9–15 (ed. Elsässer, 14). 19 Vgl. Aristoteles, Met. IV, 10; 1028 a 25 ff. X, 4; 1055 a 5 ff.

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in der Gottheit sich nicht durch sich selbst unterscheiden. Vielmehr müssen sie bei ihrer Unterscheidung anhand des Anfangs- bzw. des Zielpunktes des Hervorganges unterschieden werden: also anhand der Person, bei der der Hervorgang in sein Ziel findet. 3. Was gleichzeitig bestehen kann, macht keinen Unterschied zwischen zwei Dingen auf. So können Weiß und Süß keinen Unterschied zwischen zwei Substanzen aufmachen, weil sie an ein und demselben Ding auftreten können. Jedes Ding unterscheidet sich vielmehr dadurch, daß das eine das andere nicht sein kann. Daß aber manches nicht zugleich bestehen kann, liegt an der Natur eines Gegensatzes. Denn man bezeichnet das als gegensätzlich, was nicht gleichzeitig bestehen kann. Nichts läßt sich also von einem anderen unterscheiden, außer aufgrund eines bestimmten Gegensatzes. Bei einer materialen Unterscheidung gibt es eine Gegensätzlichkeit in der lokalen Stellung, da diese Unterscheidung eine der Quantität nach ist. Wenn also ein Gegensatz bei den Hervorgängen nur, wie gerade gesagt, im Hinblick auf ihre Anfangs- und Endpunkte auftreten kann, können sich die Hervorgänge unmöglich durch sich selbst unterscheiden. 4. Dazu ist anzumerken: Die Hervorgänge in der Gottheit unterscheiden sich dadurch, daß der eine, d. h. der Hervorgang des Sohnes, sich wesensmäßig vollzieht, der andere aber, also der Hervorgang des Heiligen Geistes, sich willentlich vollzieht. – Dem ist zu erwidern: Was natürlich hervorgeht, tut dies auf dem Wege der Natur. Nun geht der Heilige Geist natürlich aus dem Vater hervor. Athanasius spricht nämlich von dem natürlichen Geist des Vaters.20 Demnach geht er auf dem Wege der Natur hervor. 5. Der Wille ist frei. Was also willentlich hervorgeht, geht in Freiheit hervor. Wenn also der Heilige Geist willentlich hervorgeht, dann muß er in Freiheit hervorgehen. Was nun in Freiheit hervorgeht, kann hervorgehen oder auch nicht, kann in diesem oder jenem Grad hervorgehen. Denn was frei geschieht, ist nicht auf Eines hin festgelegt. Demnach konnte der Vater den Heiligen Geist hervorbringen oder auch nicht sowie ihm einen Grad an Größe verleihen, wie er wollte. Daraus folgt nun, daß der Heilige Geist etwas Mög20 Athanasius, Ep. ad Serapionem I, 25 (PG 26, col. 587 C).

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liches ist, nicht etwas an sich Notwendiges und er damit auch kein göttliches Wesen hat. Somit sind wir bei der Häresie des Macedionus und seiner Anhänger. 6. Hilarius trifft die Unterscheidung zwischen dem Sohn und den Geschöpfen mit der Bemerkung, daß Gottes Wille allen Geschöpfen die Substanz verlieh, während der Sohn durch natürliche Geburt seine Substanz vom Vater erhielt.21 Wenn also der Heilige Geist willentlich hervorgeht, geht er folglich als Geschöpf hervor. 7. Natur und Wille unterscheiden sich in Gott nur dem Begriff nach. Wenn man also den Hervorgang des Sohnes und des Heiligen Geistes danach unterscheidet, daß der eine Hervorgang sich auf dem Weg der Natur, der andere willentlich vollzieht, dann folgt daraus, daß es beim Hervorgang des Sohnes und des Heiligen Geistes nur eine begriffliche Differenz gibt. Und damit unterscheiden sich der Sohn und der Heilige Geist nicht als Personen. 8. Dazu ist anzumerken: Die Kraft zur Hauchung und die Zeugungskraft unterscheiden sich im Vater nur dem Begriff nach. Trotzdem ist dies ein realer Unterschied zwischen Sohn und Heiligem Geist. Auf die gleiche Weise können Natur und Wille einen realen Unterschied bei den Hervorgängen und bei den Hervorgehenden aufmachen, obwohl sie sich nur begrifflich unterscheiden. – Dem ist zu erwidern: Sohn und Heiliger Geist unterscheiden sich durch das, was in ihnen ist. Nun ist weder die Zeugungskraft im Sohn, noch ist im Heiligen Geist die Kraft zur Hauchung. Dadurch lassen sich also Sohn und Heiliger Geist nicht unterscheiden. 9. Daß es in der Gottheit eine Entstehung gibt, welche ein Hervorgang auf natürlichem Weg ist, erweist sich daraus, daß den Geschöpfen ein Abbild davon verliehen wurde. Es heißt ja in Jes. 66, 9: »Sollte ich, der anderen die Entstehung verleiht, etwa unfruchtbar sein?« Dagegen wird der willentliche Hervorgang den Geschöpfen nicht verliehen, da ja kein Geschöpf seine Natur anders bekommt als über seine Entstehung. Somit gibt es keinen willentlich geprägten Hervorgang in der Gottheit. 10. Ein Modus fügt einer Sache etwas hinzu und erbringt somit eine Zusammensetzung, und das erst recht, wenn es eine Viel21 Hilarius, De synodis, Kap. 24 (PL 10, col. 520 C).

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zahl an Modi gibt. Nun herrscht aber in der Gottheit Einfachheit schlechthin. Demnach gibt es dort keine Vielzahl an Modi, so daß sich nicht sagen läßt, der Sohn gehe in einem Modus, d. h. auf dem Wege der Natur, und der Heilige Geist in einem anderen Modus, nämlich willentlich, hervor. 11. In der Gottheit unterscheidet sich der Wille nicht im höheren Grad von der Natur als der Intellekt. Nun ist aber in der Gottheit der Hervorgang über den Intellekt kein anderer als der Hervorgang auf dem Wege der Natur. Demnach ist auch der willentlich geprägte Hervorgang kein anderer als der Hervorgang auf dem Wege der Natur. 12. Dazu ist anzumerken: Der Hervorgang des Heiligen Geistes unterscheidet sich vom Hervorgang des Sohnes darin, daß sich der Hervorgang des Sohnes ausschließlich dem verdankt, was selbst nicht hervorgeht, also dem Vater; doch der Hervorgang des Heiligen Geistes verdankt sich gleichzeitig dem, was nicht hervorgeht und was hervorgeht, also dem Vater und dem Sohn. – Dem ist zu erwidern: Wenn man zwei Hervorgänge in der Gottheit annimmt, müssen sich diese entweder nur zahlenmäßig oder der Art nach unterscheiden. Wenn sie sich nur zahlenmäßig unterscheiden, dann muß man beide Hervorgänge als Zeugung bzw. als Geburt fassen und damit beide Hervorgehenden als Sohn. Wenn sie sich jedoch der Art nach unterscheiden, dann muß die im Hervorgang mitgeteilte Natur sich der Art nach unterscheiden. Auf diese Weise ist etwa der Hervorgang eines Menschen und eines Pferdes aus ihren jeweiligen Prinzipien je verschieden, nicht aber der Hervorgang von Sokrates und Platon. Da es also nur eine einzige göttliche Natur gibt, kann es nicht mehrere, der Art nach verschiedene Hervorgänge geben, insofern der eine Hervorgang sich einem seinerseits Hervorgehenden verdankt, der andere Hervorgang aber nicht. 13. Der Sohn und der Heilige Geist unterscheiden sich nicht so, wie sich die Geschöpfe der Art nach unterscheiden. Denn sie sind Hypostasen ein und derselben Natur. Doch Hervorgänge, mit denen Dinge von derselben Spezies als zahlenmäßig verschiedene hervortreten, besitzen keine spezifische Differenz, wie z. B. die Entstehung von Sokrates und von Platon. Demnach sind der Hervorgang des Sohnes und des Heiligen Geistes nicht spezifisch voneinander geschieden.

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14. Wie etwas Hervorgehendes sich einem seinerseits Hervorgegangenen verdanken kann, so kann auch ein Geborener sich einem seinerseits Geborenen verdanken. So verhält es sich ja z. B. bei den Menschen, wo einer, der von einem anderen abstammt, einen Nachkommen hat, der seinerseits von ihm abstammt. Wenn es also in der Gottheit zwei Hervorgänge gibt, insofern ein Hervorgehendes aus einem seinerseits Hervorgehenden hervortritt, dann wird es mit gleichem Recht zwei Zeugungen geben, insofern hier ein Gezeugter von einem seinerseits Gezeugten abstammt. 15. Wenn der Hervorgang des Heiligen Geistes sich vom Hervorgang des Sohnes darin unterscheidet, daß der Heilige Geist aus dem hervorgeht, was nicht hervorgeht und was hervorgeht, nämlich aus dem Vater und dem Sohn, dann wird er entweder aus ihnen hervorgehen, insofern sie eins sind, oder aber, insofern sie mehrere sind. Wenn sie aber mehrere sind, dann muß der Heilige Geist zusammengesetzt sein. Denn der Hervorgang von etwas Einem und Einfachem kann sich wiederum nur Einem als seinem Prinzip verdanken. Wenn aber der Heilige Geist aus ihnen hervorgeht, insofern sei eins sind, dann spielt es keine Rolle, ob er aus mehreren oder nur aus einem hervorgeht. Demnach läßt sich der Hervorgang des Heiligen Geistes nicht dadurch vom Hervorgang des Sohnes abgrenzen, daß der Sohn nur aus einem, der Heilige Geist aber aus zweien hervorginge. 16. Der Hervorgang unterscheidet sich seinerseits von der Vaterschaft und der Sohnschaft. Denn diese bezeichnet man als die drei personalen Eigentümlichkeiten. Nun gibt es aber in der Gottheit nur eine einzige Vaterschaft und eine einzige Sohnschaft. Demnach auch nur einen einzigen Hervorgang. 17. Bei den Geschöpfen gibt es nur eine einzige Art des Hervorgehens, mit der eine Natur verliehen wird. Aus diesem Grund bemerkt Averroes, daß diejenigen Lebewesen, die durch Samen entstehen, nicht zu derselben Spezies gehören wie diejenigen, die ohne Samen aus verfaultem Material entstehen.22 Doch die göttliche Natur ist nur eine einzige. Demnach kann sie nur auf eine einzige 22 Averroes, in Met. XII, comm. 18 (Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Bd. VIII, fol. 303 vG, 304 rA).

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Art verliehen werden. Folglich gibt es nicht mehrere Hervorgänge in der Gottheit. 18. Der Sohn geht aus dem Vater hervor wie der Glanz, wie es in Hebr. 1, 3 heißt: »Er, der Abglanz seiner Herrlichkeit ist.« Dies ist so, weil der Sohn aus dem Vater hervorgeht und gleich ewig wie er ist, etwa so, wie der Glanz von der Sonne oder einem Feuer ausgeht. Nun geht aber der Heilige Geist gleichermaßen aus dem Vater hervor und ist gleich ewig wie er. Also geht er aus ihm auf dieselbe Weise hervor wie der Sohn. Und damit gibt es nicht mehrere Hervorgänge in der Gottheit. 19. Der ewige Hervorgang einer göttlichen Person ist das Urbild und die Ursache für den zeitlichen Hervorgang der Geschöpfe und für ihre Ausstattung. Deswegen legt Augustinus in seinem GenesisKommentar die Worte aus Gen. 1: »Er sprach und es wurde« so aus: »Er zeugte das Wort, in dem war, was werden sollte.«23 Nun ist der Sohn auf vollendete Weise das Urbild und die Ursache für die Hervorbringung der Geschöpfe. Daher braucht es keinen weiteren Hervorgang einer göttlichen Person über den Hervorgang des Sohnes hinaus. 20. Je vollkommener eine Natur ist, desto weniger Mittel braucht sie für ihr Wirken. Nun ist die göttliche Natur am vollkommensten. Wenn also eine erschaffene Natur nur auf eine Weise des Hervorgehens verliehen wird, dann wird auch die göttliche Natur nicht anders als durch eine einzige Art von Hervorgang verliehen. 21. Aus dem einfachen Einen kann nur Eines kommen. Nun ist aber der Vater das einfach Eine. Demnach kann aus ihm nur ein einziger Hervorgang kommen. Es gibt also nicht mehrere Hervorgänge in der Gottheit. 22. Alles entsteht nach allgemeiner Auffassung dadurch, daß es eine Form erhält. Denn die Entstehung gestaltet sich bei den erschaffenen Dingen als ein Werden zu einer Form hin. Nun erhält der Heilige Geist bei seinem Hervorgang eine Form, nämlich das göttliche Wesen. Von dem heißt es in Phil. 2, 6: »Da er in der Form Gottes war, sah er im Gottgleichsein keinen für sich festzuhaltenden Gewinn.« Demnach gestaltet sich der Hervorgang des Heiligen 23 Augustinus, In Gen. ad litt. II, 6 (CSEL 28/1, 42).

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Geistes als eine Entstehung. Somit unterscheidet sie sich nicht von der Zeugung des Sohnes. 23. Wie bereits der Wortlaut besagt, ist eine Geburt (nativitas) der Weg zu einer Natur (via in naturam). Nun wird beim Hervorgang des Heiligen Geistes diesem die göttliche Natur verliehen. Demnach ist der Hervorgang des Heiligen Geistes eine Geburt und wird sich folglich nicht von dem Hervorgang des Sohnes unterscheiden. Somit gibt es nicht mehrere Hervorgänge in der Gottheit. Dagegen spricht, dass es in der Gottheit mehr als zwei Hervorgänge gibt; denn: 1. Es gibt einen Hervorgang auf dem Wege der Natur, wofür der Ausdruck »Sohn« steht, dann gibt es einen Hervorgang über den Intellekt, wofür der Ausdruck »Wort« steht, und schließlich einen willentlich geprägten Hervorgang, wofür der Ausdruck »Liebe« steht, welche in der Gottheit hervortritt. Demnach gibt es in der Gottheit drei Hervorgänge. 2. Dazu ist anzumerken: Der Hervorgang auf dem Wege der Natur und derjenige über den Intellekt sind in der Gottheit identisch. Denn der Sohn ist mit dem Wort identisch. – Dem ist zu erwidern: Die Hervorgänge der Geschöpfe sind gestaltet nach den Hervorgängen der göttlichen Personen. Daher heißt es in Eph. 3, 15 von Gottvater: »Er, von dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat.« Nun ist aber bei den Geschöpfen ein natürlicher Hervorgang, über den ein Mensch einen Menschen zeugt, verschieden von einem geistigen Hervorgang, über den der Intellekt ein Wort hervorbringt. Also ist auch in der Gottheit der Hervorgang über den Intellekt und derjenige auf dem Wege der Natur nicht in eins zu setzen. 3. Nach Dionysius gehört es zur göttlichen Güte, daß sie hervorgeht.24 Nun ist der Vater im höchsten Maß gut. Also geht er hervor. Demnach gibt es in der Gottheit drei Hervorgänge: erstens den des Vaters, zweitens den des Sohnes und drittens den des Heiligen Geistes.

24 Dionysius Areopagita, De div. nom. IV, 2 (ed. Dion I, 179).

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Dagegen spricht, dass es in der Gottheit nur zwei Hervorgänge gibt; denn: 1. Augustinus bemerkt im 5. Buch seiner Schrift Über die Trinität, daß der Hervorgang des Sohnes eine Zeugung und Geburt darstellt, während der Hervorgang des Heiligen Geistes dies nicht ist.25 Und doch sind beide nicht in Worten zu fassen. Demnach gibt es in der Gottheit nur zwei voneinander abgrenzbare Hervorgänge. Antwort: Es war die Hartnäckigkeit der Häretiker, die die Glaubenslehrer der Vorzeit nötigte, über Dinge des Glaubens in eine Auseinandersetzung zu treten. (A) Arius war nämlich der Ansicht, es widerspräche der göttlichen Natur, ein Sein aus einem anderen zu haben. Deshalb hielt er den Sohn und den Heiligen Geist, von denen die Hl. Schrift sagt, sie seien aus einem anderen, für Geschöpfe. Um diesen Irrtum zu widerlegen, mußten die heiligen Väter aufzeigen, daß es keine Unmöglichkeit ist, daß jemand aus Gottvater hervorgeht, der gleichen Wesens ist wie dieser, insofern er dieselbe Natur erhält, die der Vater hat. (B) Da nun der Sohn vom Vater dessen Natur erhält und deshalb als der vom ihm Geborene bzw. Gezeugte gilt, da jedoch der Heilige Geist in der Schrift nicht als geboren bzw. gezeugt bezeichnet wird, aber als aus Gott kommend gilt, war Macedonius der Ansicht, daß der Heilige Geist nicht eines Wesens mit dem Vater sei, sondern dessen Geschöpf. Denn er glaubte nicht, daß jemand von einem anderen dessen Natur empfangen könne, ohne von diesem als sein Sohn geboren worden zu sein. Daher hielt er es für eine unwiderlegbare Schlußfolgerung, daß, wenn der Heilige Geist seine Natur und sein Wesen vom Vater erhalte, er auch gezeugt und sein Sohn sein müsse. Um diesen Irrtum abweisen zu können, mußten unsere Lehrer aufzeigen, daß die göttliche Natur durch einen zweifachen Hervorgang verliehen werden kann, wovon der eine eine Zeugung bzw. eine Geburt darstellt, der andere aber nicht. Mit anderen Worten: Sie muß-

25 Augustinus, De trin. V, 6 f., 14 f. (CCSL 50, 137–148).

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ten nach einem Unterscheidungsmerkmal bei den Hervorgängen in der Gottheit fragen. 1. Manche behaupteten nun, daß die Hervorgänge in der Gottheit sich von sich aus unterscheiden würden. Der Grund für diese Annahme war, daß ihrer Ansicht nach die Relationen keine Unterscheidung der göttlichen Hypostasen erbringen, sondern nur deren Unterschiedlichkeit sichtbar machen. Denn sie glaubten, daß die Relationen in der Gottheit, etwa so wie bei den Geschöpfen, individuelle Eigentümlichkeiten seien, welche auch nicht die Ursache für die Unterscheidung der Einzelwesen sind, sondern diese nur sichtbar machen. Diese Autoren behaupten also, daß die Hypostasen in der Gottheit sich nur anhand ihres Ursprungs unterscheiden lassen. Weil aber das, anhand von dem sich etwas in erster Linie unterscheiden läßt, sich seinerseits von sich aus unterscheiden muß – so müssen ja z. B. die gegensätzlichen Merkmale, anhand derer man die Spezies voneinander unterscheidet, sich von sich aus unterscheiden, wenn man nicht in einen infiniten Regress kommen will –, kam es zu der Behauptung, daß die Hervorgänge in der Gottheit sich von sich aus unterscheiden würden. Doch dies kann nicht die Wahrheit sein. Denn jedes Ding unterscheidet sich von einem anderen in spezifischer Hinsicht durch seine spezifischen Merkmale sowie zahlenmäßig durch seine individuellen Merkmale. Ein Unterschied zwischen den göttlichen Hervorgängen kann sich aber nicht bloß wie ein zahlenmäßiger Unterschied, sondern muß sich wie ein spezifischer Unterschied gestalten, da ja der eine Hervorgang eine Zeugung ist, der andere hingegen nicht. Daraus folgt nun, daß die göttlichen Hervorgänge anhand von spezifischen Merkmalen unterschieden werden. Kein Hervorgang, keine Tätigkeit, keine Bewegung ist jedoch von sich aus spezifisch bestimmt, sondern alle werden dies durch ihren End- bzw. Ausgangspunkt. Daher ist die Behauptung sinnlos, daß sich Hervorgänge von sich aus unterscheiden würden. Sie tun dies vielmehr im Hinblick auf ihren jeweiligen Ausgangs- und Endpunkt. 2. Aus diesem Grund behaupteten manche, daß sich in der Gottheit die Hervorgänge nach ihren Ausgangspunkten unterscheiden würden: insofern der eine Hervorgang auf dem Wege der Natur bzw. über den Intellekt erfolgen würde, der andere aber willentlich. Denn

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»Intellekt« und »Wille« würden bestimmte Ausgangspunkte für eine Tätigkeit bzw. für einen Hervorgang zum Ausdruck bringen. Wenn man das aber sorgfältig durchdenkt, ist es leicht zu sehen, daß dies für eine Unterscheidung der göttlichen Hervorgänge nicht hinreicht, es sei denn, man nimmt noch etwas hinzu. Es muß sich nämlich am Hervorgehenden eine Ähnlichkeit finden zu dem, was der Ausgangspunkt des Hervorgangs ist, so wie es ja etwa bei den erschaffenen Dingen am Gezeugten eine Form geben muß, die der seines Erzeugers ähnelt. Wenn daher die Hervorgänge in der Gottheit danach unterschieden werden, daß der Ausgangspunkt für den einen die Natur bzw. der Intellekt ist, für den anderen aber der Wille, dann kann sich zwangsläufig in dem, was über den einen Hervorgang hervortritt, nur das finden, was mit der Natur und dem Intellekt zu tun hat, sowie in dem anderen nur das, was mit dem Willen zu tun hat. Das ist jedoch offensichtlich falsch. Denn mit dem einen Hervorgang des Sohnes aus dem Vater verleiht dieser dem Sohn alles, was er hat: die Natur, den Intellekt, die Kraft, den Willen und all das, was man Gott als solchem zuspricht. Wie der Sohn das Wort, d. h. gezeugte Weisheit, ist, so kann man ihn auch gezeugte, d. h. durch Zeugung verliehene Natur, Macht oder gezeugten Willen nennen – oder besser noch: als den, der all dieses durch Zeugung erhält. Aufgrund des Umstandes, daß alle essentiellen Attribute mit dem einen Hervorgang des Sohnes einhergehen, läßt sich anhand des unterschiedlichen begrifflichen Gehaltes dieser Attribute also keine Unterscheidungsmöglichkeit für die Hervorgänge gewinnen – so, als ob man mit einem jeweils andern Hervorgang die Verleihung eines jeweils anderen Attributes verbinden könnte. Wenn nun der Endpunkt eines Hervorgangs der Besitz ist – eine göttliche Person geht ja hervor, um zu besitzen, was sie im Hervorgehen empfängt – und sofern die Hervorgänge anhand ihrer Endpunkte unterschieden werden, muß man in der Gottheit den Besitzenden in der gleichen Weise differenzieren wie im Falle des Hervorgehenden. Denn der eine Besitzende in der Gottheit unterscheidet sich vom anderen nicht dadurch, daß jeder jeweils andere Attribute besitzen würde, sondern dadurch, daß der eine vom anderen dasselbe hat. Denn alles, was der Vater hat, hat auch der Sohn; doch der Sohn unterscheidet sich dadurch vom Vater, daß er jenes vom Vater hat.

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Die eine hervorgehende Person unterscheidet sich also von der anderen nicht deshalb, weil jede bei ihrem Hervorgang jeweils anderes empfangen würde, sondern weil die eine von ihnen von der anderen empfängt. Sofern man also all das, was zu einem göttlichen Hervorgang gehört, sogleich als zu einem einzigen Hervorgang gehörig erkennt, ohne daß man einen weiteren Hervorgang voraussetzen muß, dann handelt es sich hier nur um einen einzigen Hervorgang. Hingegen handelt es sich sogleich um einen anderen Hervorgang, wenn genau das, was in dem ersten Hervorgang empfangen worden ist, noch in einem weiteren Hervorgang hervortritt. Somit ist allein die Ordnung der Hervorgänge, die sich aus dem jeweiligen Ausgangspunkt eines Hervorgangs ergibt, für eine Vielzahl in der Gottheit verantwortlich. Daher war die Behauptung nicht ohne Grund, daß es einen Hervorgang auf dem Wege der Natur bzw. über den Intellekt gibt und einen anderen, willentlich geprägten, wobei der erstere Hervorgang den letzteren nicht voraussetzt. Dagegen setzt der willentlich geprägte Hervorgang den anderen voraus: Denn die Liebe zu einer Sache kann aus dem Willen nur unter der Voraussetzung hervorgehen, daß zuvor schon aus dem Intellekt das durch ihn erfaßte Wort für jene Sache hervorgegangen ist. Denn Objekt des Willens ist das, was als gut erkannt worden ist. Zu 1. Man rechnet den Hervorgang in der Gottheit zur Substanz, weil er sich nicht als ein Akzidens verstehen läßt; und durch ihn erhält die hervorgehende Person die Substanz. Zu 2./3. Diese Argumente lassen wir gelten. Zu 4. Es spricht nichts dagegen, daß vom Willen etwas von Natur aus hervorgeht. Der Wille zielt nämlich von Natur aus auf ein letztes Ziel, genauso wie auch jedes andere Vermögen sich von Natur aus in seinem Tätigsein auf sein jeweiliges Objekt ausrichtet. Daran liegt es auch, daß der Mensch von Natur aus die Glückseligkeit erstrebt. In gleicher Weise liebt Gott von Natur aus seine Güte, wie er von Natur aus seine Wahrheit erkennt. Wie also der Sohn von Natur aus als das Wort aus dem Vater hervorgeht, so geht auch der Heilige Geist von Natur aus als die Liebe aus ihm hervor. Gleichwohl geht der Heilige Geist nicht auf natürlichem Wege hervor. Denn im Fall der Gottheit meint »Hervorgang auf natürlichem Wege« un-

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gefähr das Gleiche, wie wenn bei den Geschöpfen eine Sache von Natur aus und nicht willentlich hervorgebracht wird. Somit gibt es einen Unterschied zwischen einer Hervorbringung »von Natur aus« und einer Hervorbringung »auf natürlichem Wege«. Wenn nämlich eine Sache von Natur aus hervorgebracht wird, dann meint das, daß dies aufgrund ihres natürlichen Verhältnisses zu ihrem Prinzip geschieht; wenn aber eine Sache auf natürlichem Wege hervorgebracht wird, dann meint dies, daß sie von einem Prinzip auf die Art hervorgebracht wird, wie es die Natur tut. Zu 5. Nach Augustins Lehre steht die natürliche Notwendigkeit, wonach der Wille etwas mit Notwendigkeit will – also z. B. die Glückseligkeit –, nicht im Widerspruch zur Freiheit des Willens.26 Denn die Freiheit des Willens steht im Gegensatz zu Gewalt und Zwang. Es liegt aber keine Gewalt und kein Zwang vor, wenn etwas nach der Ordnung seiner Natur bewegt wird, sondern eher dann, wenn eine natürliche Bewegung behindert wird, also z. B. dann, wenn ein schwerer Gegenstand an seiner Fallbewegung in Richtung [Erd-] Zentrum gehindert wird. Daher strebt der Wille aus freien Stücken nach der Glückseligkeit, auch wenn er dies notwendigerweise tut. Genauso liebt Gott mit seinem Willen sich selbst aus freien Stücken, auch wenn er dies notwendig tut. Darüber hinaus ist es notwendig, daß er sich selbst insoweit liebt, als er gut ist, und sich selbst insoweit erkennt, als er ist. Der Heilige Geist geht also aus freien Stücken aus dem Vater hervor – und dies doch nicht bloß möglicherweise, sondern notwendig. Genausowenig konnte er in einem geringeren Grad als der Vater hervorgehen, sondern er ist notwendigerweise dem Vater gleich, ganz wie der Sohn, das Wort des Vaters. Zu 6. Die Schöpfung geht aus dem göttlichen Willen weder von Natur aus noch notwendig hervor. Zwar liebt Gott mit seinem Willen sich selbst von Natur aus und mit Notwendigkeit – und die dabei hervorgehende Liebe ist der Heilige Geist; doch er will nicht von Natur aus und mit Notwendigkeit, daß Geschöpfe hervorgebracht werden, sondern er will dies aus Gnade. Denn weder sind die Geschöpfe das letzte Ziel des göttlichen Willens, noch hängt von ihnen die Güte Gottes ab, der selbst das letzte Ziel ist, da der göttlichen 26 Augustinus, De civ. Dei V, 10 (CCSL 47, 140 f.).

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Güte aus den Geschöpfen nichts zuwächst. In gleicher Weise will der Mensch mit Notwendigkeit die Glückseligkeit, nicht aber das, was dem Weg dahin dient. Zu 7. In Gott unterscheiden sich Natur und Wille zwar nicht der Sache nach, sondern nur begrifflich. Doch aber muß sich der, der willentlich hervorgeht, wirklich von dem unterscheiden, der auf dem Wege der Natur hervorgeht – und damit der eine Hervorgang sich vom anderen unterscheiden. Es wurde bereits besprochen, daß ein Hervorgang auf dem Wege der Natur so viel bedeutet, daß etwas aus etwas anderem von Natur aus hervorgeht; und daß ein willentlicher Hervorgang so viel meint, wie daß etwas aus dem Willen hervorgeht. Der Wille bringt aber stets nur dann etwas hervor, wenn bereits zuvor ein Hervorgang erfolgt ist. Denn der Wille strebt nicht nach einer Sache, bevor nicht der Intellekt einen Begriff von dieser Sache hervorgebracht hat. Denn das als gut Erkannte setzt den Willen in Bewegung. Hingegen setzt ein Hervorgang aus einer natürlichen Wirkinstanz keinen weiteren Hervorgang voraus, höchstens akzidentell, wenn nämlich eine natürliche Wirkinstanz von einer anderen abhängig ist. Doch das hat mit ihrer Natur als solcher nichts zu tun. Von daher ist klar, daß in der Gottheit der besagte Hervorgang auf dem Wege der Natur keinen anderen voraussetzt, doch der besagte willentliche Hervorgang seinen Ausgang nimmt von einem bereits erfolgten Hervorgang. Somit muß es einen Hervorgang aus einem Hervorgang geben sowie eine hervorgehende Person aus einer hervorgehenden Person. Und das erbringt einen wirklichen Unterschied in der Gottheit. Zu 8. Das Argument lassen wir gelten. Zu 9. Gott hat den Geschöpfen eine Ähnlichkeit mit beiden Hervorgängen verliehen. Dank des Hervorganges, der sich auf dem Wege der Natur vollzieht, ist es den erschaffenen Dingen möglich, ihre Natur weiterzugeben, da ja das Bewirkte der hervorbringenden Instanz als solcher ähnelt. Daher kann dank des Wirkens derjenigen Instanz, deren Natur der Ausgangspunkt ist, das Bewirkte jene Natur annehmen. Dagegen kann durch das Wirken derjenigen Instanz, deren Wille der Ausgangspunkt ist, das Bewirkte nur eine Ähnlichkeit zu dem erhalten, was im Willen liegt: also etwa mit einem Ziel oder einer Form, wie sich etwa an artifiziell Hergestelltem

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sehen läßt. Was auch immer aber in Gott liegt, das ist von göttlicher Natur. Von daher muß durch beide Hervorgänge die Natur verliehen werden. Zu 10. Wenn man angesichts der Gottheit von einem Hervorgang auf dem Wege der Natur bzw. von einem willentlichen Hervorgang spricht, schreibt man Gott keinen Modus zu, der als eine Qualität zur göttlichen Substanz noch hinzukäme. Vielmehr weist man damit auf eine vergleichsweise Ähnlichkeit zwischen den göttlichen Hervorgängen und denjenigen bei den erschaffenen Dingen hin. Zu 11. In der Gottheit unterscheidet sich der Hervorgang über den Intellekt nicht von dem Hervorgang auf dem Wege der Natur. Von beiden unterschieden ist vielmehr der willentliche Hervorgang. Und dies aus drei Gründen. – Erstens: Wie der Hervorgang auf dem Wege der Natur keinen anderen Hervorgang voraussetzt, so tut das auch nicht der Hervorgang über den Intellekt. Doch der willentliche Hervorgang setzt mit Notwendigkeit einen Hervorgang über den Intellekt voraus. – Zweitens: Wie die Natur etwas von ihresgleichen hervorbringt, so tut dies der Intellekt sowohl nach innen wie nach außen. Nach innen, insofern ein Wort der geistig erfaßten Sache und auch dem sich selbst begreifenden Intellekt ähnlich ist; nach außen, insofern eine geistig erfaßte Form einem künstlich hergestellten Ding aufgeprägt wird. Dagegen bringt der Wille nichts ihm Ähnliches hervor, weder nach innen, noch nach außen. Nach innen nicht, weil die Liebe, die ein innerlicher Hervorgang des Willens ist, keine Ähnlichkeit mit dem Willen und auch nicht mit dem Gewollten hat. Die Liebe ist vielmehr ein Eindruck, den das Gewollte auf den Willen macht, bzw. eine Art Vereinigung zwischen den beiden. Nach außen bringt der Wille ebensowenig etwas ihm Gleiches hervor, insofern der Wille einem künstlich hergestellten Ding eine Form aufprägt, die von der logischen Abfolge her zunächst erkannt und erst dann gewollt wird. Von daher ähnelt diese Form in erster Linie dem Intellekt und erst in zweiter Linie dem Willen. – Drittens: Ein Hervorgang auf dem Wege der Natur kommt nur dann aus einer einzigen wirkenden Instanz, wenn diese vollkommen ist. Daher spricht nichts dagegen, daß bei den Lebewesen etwas aus zwei Instanzen entsteht, nämlich aus Vater und Mutter. Bei einer Entstehung hat aber nur der Vater den aktiven Part und die Mutter den

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passiven. Ganz ähnlich kommt auch der Hervorgang des Intellekts aus einer einzigen Instanz, während die Freundschaft, die auf gegenseitiger Liebe beruht, aus zwei sich gegenseitig Liebenden hervorgeht. Zu 12. Zwar spricht man angesichts der Gottheit nicht im eigentlichen Sinne von Genus und Spezies, vom Allgemeinen und Besonderen. Gleichwohl unterscheidet man – soweit ein Vergleich des Göttlichen mit dem Kreatürlichen möglich ist – Vater, Sohn und Heiliger Geist voneinander wie mehrere Individuen von derselben Spezies. Das sagt Johannes von Damaskus so.27 Man muß sich aber bewußt halten, daß man die Spezies bei einem Individuum, das zu den Substanzen gehört, auf zweifache Weise in den Blick nehmen kann: einmal seine spezifische Bestimmung als Einzelsubstanz und dann im Sinne seiner individuellen Eigentümlichkeit. Angenommen nämlich, Sokrates sei weiß und Platon sei schwarz, sowie, daß Weiß und Schwarz Eigentümlichkeiten sind, die Sokrates und Platon zu Individuen machen, dann ist die Behauptung wahr, daß Sokrates und Platon eins in ihrer Spezies sind, in der sie als Einzelsubstanzen enthalten sind. Sie kommen nämlich im Menschsein überein, unterscheiden sich aber im Hinblick auf ihre spezifischen Eigentümlichkeiten. Weiß und Schwarz unterscheiden sich ja in spezifischer Hinsicht. Ganz ähnlich ist es nun beim Vater und beim Sohn. Denn man kann sie als eins in der Spezies auffassen, unter die sie als Einzelsubstanzen fallen, insofern sie in der einen göttlichen Natur übereinkommen. Doch im Hinblick auf ihre spezifischen Eigentümlichkeiten als Personen finden sich Unterschiede. Denn Vaterschaft und Sohnschaft sind Relationen, die sich spezifisch unterscheiden. Zudem muß man wissen, daß die Entstehung bei den erschaffenen Dingen sich an der Spezies ausrichtet. Denn die Natur zielt darauf, einen Menschen hervorzubringen. Daher vervielfältigt sich die artspezifische Natur bei den erschaffenen Dingen über die Fortzeugung. Jedoch dient kein Hervorgang in der Gottheit der Vervielfältigung der Hypostasen, an denen sich die auch zahlenmäßig eine göttliche Natur findet. Von daher sind es die Hervorgänge in 27 Vgl. Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. 48 [III, 4] (ed. Buytaert, S. 180).

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der Gottheit, die gleichsam aufgrund der unterschiedlichen personalen Eigentümlichkeiten spezifisch verschieden sind. Und doch ist den hervorgehenden Personen eine einzige Natur gemein. Zu 13./14. Damit ist hier die Antwort klar. Zu 15. Der Heilige Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor, die insofern zwei sind, wenn man sie als die hauchenden Instanzen faßt. Weil nämlich der Heilige Geist die gegenseitige Liebe und das Band der beiden ist, muß er zwangsläufig von zweien gehaucht sein. Wenn man aber das in den Blick faßt, wodurch die beiden hauchen, so geht der Heilige Geist aus ihnen hervor, insofern sie eins in der göttlichen Natur sind. Denn Gott kann aus nichts anderem hervorgehen, es sei denn aus Gott. Zu 16. Derjenige Hervorgang, der sich seinerseits von der Vaterschaft und der Sohnschaft unterscheidet, ist eine personale Eigentümlichkeit des Heiligen Geistes. Diese ist zwar eine Relation, doch hat sie keinen eigenen Namen wie die Vaterschaft und die Sohnschaft; sie wird daher als Hervorgang bezeichnet, so wie wenn es keinen Namen für die Sohnschaft gäbe und diese als »Geburt« bezeichnet würde, welches der spezielle Name für den Hervorgang des Sohnes ist. Der Hervorgang des Heiligen Geistes hat jedoch keinen speziellen Namen, weil durch diese Art von Hervorgang bei den Geschöpfen keine Natur verliehen wird. Das ist eben besprochen worden. Die sprachlichen Bezeichnungen übertragen wir aber von den Geschöpfen auf den göttlichen Bereich. Daher folgt hier nicht, daß es in der Gottheit nur einen einzigen gemeinsamen Hervorgang gibt. Zu 17. Bei den Geschöpfen, die zur Annahme von Akzidentien fähig sind, kann es etwas über ihre jeweilige Natur hinaus geben. Bei Gott hingegen geht dies nicht. Deswegen wird in der Gottheit bei jedem Hervorgang die Wesensnatur verliehen, bei den Geschöpfen ist dies nicht der Fall. Zwar gibt es bei ihnen verschiedene Hervorgänge, doch die Wesensnatur wird nur auf eine einzige Weise verliehen. Zu 18. Daß der Hervorgang des Sohnes gleich ewig wie der Vater ist, trifft zu, insofern es ja ein göttlicher Hervorgang ist. Daher trifft das auch auf den Heiligen Geist zu. Es trifft also auf den Sohn nicht zu, insofern sein Hervorgang von dem des Heiligen Geistes verschieden ist.

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Zu 19. Als das Wort und das Urbild ist der Sohn der zureichende Grund für den zeitlichen Hervorgang der Schöpfung. Hingegen ist der Heilige Geist als die Liebe der Grund für den Hervorgang der Schöpfung. Wie Gott nämlich nach Weish. 9, 1 alles durch sein Wort schafft, so heißt es in Weish. 11, 25, daß Gott alles, was ist, liebt und nichts von dem haßt, was er erschaffen hat. Zudem bemerkt Dionysius, daß Gottes Liebe keine Unfruchtbarkeit zuließ.28 Zu 20. Eine vollkommene Natur ist zu vielen Tätigkeiten fähig, selbst wenn ihr für jede ihrer Tätigkeiten wenig Mittel reichen. Zu 21. Aus dem einen und einzigen Vater gibt es nur einen und einzigen Hervorgang: den des Sohnes. Doch aus dem Vater und zugleich aus dem Sohn kommt der andere Hervorgang: der des Heiligen Geistes. Zu 22. Der Hervorgang des Heiligen Geistes ist der Hervorgang der Liebe. Doch durch einen Hervorgang aus Liebe geht nichts hervor, was die Form bzw. die Natur dessen annehmen könnte, aus dem es hervorgeht. Deswegen hat der Hervorgang der Liebe nicht den Charakter einer Zeugung bzw. Geburt. Daß aber der Heilige Geist bei seinem Hervorgang die Form und die Natur von Gottvater erhält, liegt daran, daß er die Liebe Gottes ist, in dem nichts ist, was nicht von seiner Natur ist. Zu 23. Damit ist auch hier die Antwort klar. Auch auf diejenigen Argumente, die belegen wollen, daß es mehr als zwei Hervorgänge in der Gottheit gibt, müssen wir eingehen. Zu 1. Wie vorhin gezeigt,29 ist bei der Gottheit der Hervorgang über den Intellekt identisch mit demjenigen auf dem Wege der Natur. Zu 2. Die menschliche Natur ist mit Materie behaftet, d. h. aus Materie und Form zusammengesetzt. Deswegen kann beim Menschen ein natürlicher Hervorgang nur in Form einer natürlichen Veränderung vonstatten gehen. Dagegen ist ein Hervorgang über den Intellekt stets materielos, insofern der Intellekt selbst materiefrei ist. Daher können beim Menschen ein Hervorgang auf dem 28 Dionysius Areopagita, De div. nom. IV, 10 (Dion. I, 201). 29 Vgl. De pot. q. 10 a. 2 ad 7 und ad 11.

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Wege der Natur und derjenige über den Intellekt nicht identisch sein. In der Gottheit aber sind sie identisch, weil eben die göttliche Natur ohne Materie ist. Zu 3. Der ›Hervorgang in …‹ unterscheidet sich vom ›Hervorgang aus …‹. Denn ›Hervorgang in …‹ besagt: etwas anderes bekommt eine Ähnlichkeit verliehen. In diesem Sinn ist nach Dionysius der Hervorgang der göttlichen Güte in die Schöpfung zu verstehen. Doch ›Hervorgang aus …‹ besagt: sein Sein von einem anderen haben. In diesem Sinn sprechen wir heutzutage von einem Hervorgang; und auf diese Weise kann dem Vater bekanntlich kein Hervorgang zukommen.

3. Artik el Die dritte Frage lautet: Welche Rangfolge besteht zwischen Hervorgang und Relation in der Gottheit? 30 Offenbar rangiert der Hervorgang seinem Begriffsgehalt nach vor der Relation in der Gottheit; denn: 1. Petrus Lombardus sagt, daß der Vater von Ewigkeit der Vater ist, weil er den Sohn von Ewigkeit gezeugt hat.31 »Zeugung« weist aber auf einen Hervorgang hin und »Vater« auf eine Relation. Somit rangiert der Hervorgang begrifflich vor den Relationen in der Gottheit. 2. Nach Aristoteles ergeben sich Relationen aus Tätigkeiten bzw. aus quantitativen Größen.32 Doch die göttlichen Relationen ergeben sich bekanntlich nicht aus quantitativen Größen. Somit müssen sie sich nach unserem Verständnis aus einer Tätigkeit ergeben. Nun werden aber die Hervorgänge bei den göttlichen Personen nach der Art ihrer personalen Tätigkeit benannt. Somit rangiert der Hervorgang begrifflich vor den Relationen in der Gottheit.

30 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 42 a. 4. Sent. I, d. 1. a. 1; d. 20 a. 3. Contra err. Graec. II, 31. 31 Petrus Lombardus, Sent. I, d. 27, 2 (ed. Coll. S. Bon. I, 204). 32 Aristoteles, Met. V, 15; 1020 b 26 ff.

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3. Etwas Bezugsloses ist früher als etwas Relationales, wie ja auch das Eine früher als das Viele ist. Nun gehören Tätigkeiten eher zu den bezugslosen Dingen als zu den relationalen. Demnach sind sie dem Begriff nach früher als die Relationen. 4. Alles, was eine Relation aufweist, bezieht sich auf etwas anderes. Nun kann es aber keinen Bezug auf anderes geben, solange es keinen Unterschied gibt. Doch der Unterschied bei den göttlichen Personen ergibt sich im Hinblick auf ihren Ursprung, also daß die eine Person aus der anderen hervorgeht. Somit rangieren die Hervorgänge begrifflich vor den Relationen in der Gottheit. 5. Jeder Hervorgang kommt begrifflich vor seinem Zielpunkt. Nun ist die Sohnschaft, die ja die Relation des Sohnes darstellt, der Zielpunkt seiner Geburt, welche ja den Hervorgang des Sohnes darstellt. Demnach geht der Hervorgang des Sohnes seiner Sohnschaft voraus. Nun sind aber Sohnschaft und Vaterschaft nicht nur der Natur und der Zeit nach gleich, sondern auch dem Begriff nach. Denn jedes der beiden Relativa versteht sich vom jeweils anderen her. Die Geburt des Sohnes geht also begrifflich der Vaterschaft voran, und erst recht tut dies die Zeugung als das Wirken des Vaters. Damit rangieren die Hervorgänge in Gott ohne jede Einschränkung begrifflich vor den Relationen. Dagegen spricht: 1. Dem Begriff nach ist eine Person früher als ihr Wirken. Nun sind aber die Relationen konstitutiv für die göttlichen Personen, die Hervorgänge sind hingegen so etwas wie ihre Tätigkeiten. Demnach sind dem Begriff nach die Relationen früher als die Hervorgänge. 2. Ein Hervorgang muß zwangsläufig aus etwas zu etwas anderem erfolgen. Denn wie nach Augustinus33 kein Ding sich selbst ins Sein bringt, so geht auch kein Ding aus sich selbst hervor. Demnach erfordert ein Hervorgang in der Gottheit einen Unterschied. Doch einen Unterschied gibt es in der Gottheit nur im Hinblick auf die Relationen. Demnach setzen die Hervorgänge in der Gottheit die Relationen voraus.

33 Augustinus De trin. I, 1 (CCSL 50, 28).

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Antwort: Ohne Unterscheidung gibt es keine Rangfolge. Wo es also keine Unterscheidung in der Sache, sondern nur dem Begriff nach gibt, da kann es auch nur eine Rangfolge dem Begriff nach geben. Eine Unterscheidung der Sache nach gibt es in der Gottheit nur zwischen den Personen und den einander entgegengesetzten Relationen. Daher gibt es in der Gottheit keine reale Rangfolge, es sei denn im Hinblick auf die Personen, zwischen denen, so Augustinus, eine Rangfolge der Natur besteht, insofern die eine Person aus der anderen stammt und nicht, weil die eine früher als die andere wäre.34 Die Hervorgänge und die Relationen in der Gottheit unterscheiden sich nun nicht in der Sache, sondern nur für unsere Begriffe. Von daher bemerkt Augustinus, daß es dem Vater eigentümlich ist, den Sohn zu zeugen.35 Damit gibt er zu verstehen, daß die Zeugung des Sohnes die Eigentümlichkeit des Vaters ist; und das ist keine andere Eigentümlichkeit als die Vaterschaft, die als die personale Eigentümlichkeit des Vaters gilt. Man sollte also beim Hervorgang und der Relation in der Gottheit nicht nach einer Rangfolge suchen, welche sachlich bestehen würde, sondern nur nach einer, die für unsere Begriffe gilt. Wie also Relation und Hervorgang in der Gottheit sachlich identisch sind und sich nur dem Begriff nach unterscheiden, so ist auch die Relation selbst zwar sachlich nur eine, doch für unsere Begriffe zeigt sie sich als vielfältig. Denn wir sehen die Relation selbst als konstitutiv für eine göttliche Person an; doch dies ist sie nicht als Relation. Dies wird folgendermaßen klar: Im menschlichen Bereich konstituieren Relationen keine Personen, da sie Akzidentien sind. Eine Person ist jedoch etwas, was für sich selbst besteht und unter die Kategorie der Substanz fällt. Eine Substanz kann sich jedoch nicht vermittels eines Akzidens konstituieren. Dagegen ist eine Relation 34 Hierbei handelt es sich um ein weit verbreitetes Zitat, »das bei Augustinus nicht so gefunden wird« (Richard Schneider, Die Trinitätslehre in den Quodlibeta und Quaestiones disputatae des Johannes von Neapel O. P. († 1336), München u. a. 1972 [= Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes, N. F. 16], 201). 35 Ps.-Augustinus (= Fulgentius von Ruspe), De fide ad Petrum 7 (CCSL 90, 261).

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in der Gottheit imstande, daß sie eine Person konstituiert, insofern sie je eine göttliche Relation ist. Das vermag sie dadurch, daß sie mit dem göttlichen Wesen identisch ist, weil es ja in Gott kein Akzidens geben kann. Weil also eine Relation sachlich identisch ist mit der göttlichen Natur selbst, kann sie auch eine göttliche Hypostase konstituieren. Die Betrachtungsweise bei derjenigen Relation, die für eine göttliche Person konstitutiv ist, ist also eine andere als bei einer Relation als solcher. Daher spricht nichts dagegen, wenn nach der einen Betrachtungsweise die Relation einen Hervorgang voraussetzt, nach der anderen Betrachtungsweise aber das Umgekehrte gilt. Somit ist festzuhalten: Wenn man die Relation als solche betrachtet, dann setzt sie einen Hervorgang begrifflich voraus. Betrachtet man sie hingegen als konstitutiv für eine göttliche Person, dann ist diejenige Relation, die konstitutiv für diejenige Person ist, von welcher wiederum der Hervorgang seinen Ausgang nimmt, begrifflich früher als der Hervorgang. Damit ist also die Vaterschaft, welche konstitutiv für den Vater ist, begrifflich früher als die Zeugung. Dagegen ist diejenige Relation, welche konstitutiv für die hervorgehende Person ist, – auch wenn sie für diese Person konstitutiv ist – dem Begriff nach dem Hervorgang nachgeordnet. Damit ist also die Sohnschaft der Geburt nachgeordnet. Und dies ist deswegen so, weil die hervorgehende Person den Zielpunkt des Hervorganges darstellt. Zu 1. Petrus Lombardus spricht hier von der Vaterschaft im Sinne einer Relation. Zu 2./3. Das Gleiche gilt hier. Zu 4. Bei den Dingen, bei denen die Relationen Akzidentien sind, setzt eine Relation zwangsläufig eine Unterscheidung voraus. Bei der Gottheit hingegen konstituieren die Relationen die drei göttlichen Personen. Zu 5. Vaterschaft versteht sich von der Sohnschaft her und umgekehrt, sofern wir beide als Relationen betrachten. In diesem Sinne spricht man davon, daß die Relationen in der begrifflichen Rangfolge den Hervorgängen nachgeordnet sind. Die beiden Gegenargumente gehen von einer Relation aus, wie sie für die göttlichen Personen konstitutiv ist.

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4. Artik el Die vierte Frage lautet: Geht der Heilige Geist aus dem Sohn hervor? 36 Dies scheint nicht der Fall zu sein; denn: 1. Nach Dionysius sind der Sohn und der Heilige Geist gleichsam die Blüten der gottgebärenden Gottheit.37 Eine Blüte kann aber nicht aus einer anderen stammen. Demnach kommt der Heilige Geist nicht aus dem Sohn. 2. Gesetzt, der Sohn ist das Prinzip für den Heiligen Geist, dann hat er dies entweder von selber oder er hat es von einem anderen. Von selber hat er es aber nicht, denn auf den Sohn als Sohn trifft es nicht zu, das Prinzip zu sein, eher schon, von einem Prinzip zu stammen. Wenn der Sohn es aber vom Vater hat, dann muß er zwangsläufig ebenso wie der Vater Prinzip sein. Prinzip ist aber der Vater als Zeugender. Folglich wäre der Sohn als Zeugender das Prinzip für den Heiligen Geist. Und damit wäre der Heilige Geist ein Sohn des Sohnes. 3. Was dem Vater und dem Sohn gemeinsam ist, trifft auf beide zu. Wenn es also dem Vater und dem Sohn gemeinsam ist, das Prinzip zu sein, dann wird der Sohn ebenso wie der Vater das Prinzip sein. Prinzip ist aber der Vater als Zeugender, folglich gilt dies auch für den Sohn. Damit folgt hier das Gleiche wie oben. 4. Der Sohn ist deswegen der Sohn, weil er aus dem Vater hervorgeht und dessen Wort ist. Der Heilige Geist wird aber Basilius zufolge als Wort des Sohnes bezeichnet, was Basilius den Worten des Apostels in Hebr. 1, 3 entnimmt, wonach der Sohn »alles trägt durch sein machtvolles Wort«.38 Wenn also der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht, dann muß er ein Sohn des Sohnes sein. 5. Zwar sind der Sache nach die Vaterschaft und die Sohnschaft früher in Gott als in uns, angesichts der Worte das Apostels an die Epheser (3, 15): »von dem« – also von Gottvater – »alle Vater36 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 36 a. 2. ScG IV, 24; 26. Sent. I, d. 11. a. 1. Contra err. Graec. II, 27–32. Comp. theol. 49. Contra errores Graec. 4. In Joh c. 15, 6; 16, 4. 37 Dionysius Areopagita, De div. nom. II, 7 (Dion. I, 96 f.). 38 Basilius Magnus, Adversus Eunomium V (PG 29, col. 731 A).

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schaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat«. Im Hinblick auf den sprachlichen Ausdruck jedoch sind diese Bezeichnungen vom menschlichen auf den göttlichen Bereich übertragen worden. Wer nun im menschlichen Bereich aus einem Sohn hervorgeht, den nennt man Enkel. Wenn demnach der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht, dann wäre er der Enkel des Vaters. Und das ist abwegig. 6. Die Eigentümlichkeit des Sohnes besteht darin, daß er etwas empfängt. Er heißt ja deswegen Sohn, weil er dank seiner Zeugung die Natur des Vaters empfängt. Wenn also der Sohn den Heiligen Geist aus sich entließe, dann wären in ihm zwei sich widersprechende Eigentümlichkeiten. Und das geht nicht. 7. Alles, was in der Gottheit ist, ist entweder den Personen gemeinsam oder ihnen eigentümlich. Nun ist aber nicht der gesamten Trinität gemein, den Heiligen Geist hervorgehen zu lassen. Es trifft ja nicht auf den Heiligen Geist zu. Demnach ist dies für den Vater eigentümlich und somit nicht für den Sohn. 8. Der Heilige Geist ist die Liebe, wie Augustinus in seiner Schrift Über die Trinität aufzeigt.39 Die Liebe des Vaters für seinen Sohn ist aber reine Gnade; er liebt ja seinen Sohn nicht als jemand, der etwas vom Sohn empfangen würde, sondern als der, der ihm etwas schenkt. Doch die Liebe des Sohnes für den Vater ist eine geschuldete Liebe, denn er liebt den Vater als derjenige, der etwas von ihm empfängt. Eine geschuldete Liebe ist aber eine andere als die Liebe aus reiner Gnade. Wenn also der Heilige Geist die Liebe wäre, die aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, müßte er von sich selbst verschieden sein. 9. Der Heilige Geist ist die Liebe aus reiner Gnade. Daher fließen aus ihm die Gnadengaben, wie es in 1 Kor. 12, 4 heißt: »Es gibt verschiedene Gnadengaben, doch der Geist ist derselbe.« Wenn also die Liebe des Sohnes für den Vater keine Liebe aus reiner Gnade ist, dann ist der Heilige Geist auch nicht die Liebe des Sohnes; und damit geht er nicht aus ihm hervor. 10. Wenn der Heilige Geist aus dem Sohn als die Liebe deswegen hervorgeht, weil der Sohn den Vater und der Vater40 den Sohn 39 Augustinus, De trin. VI, 5 (CCSL 50, 235 f.). 40 mater M : pater L

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liebt, dann müßte der Heilige Geist eben aus dem Vater in den Sohn hervorgehen wie umgekehrt aus dem Sohn in den Vater. Dies kann jedoch offensichtlich nicht so sein. Die Folge davon wäre nämlich, daß der Vater etwas vom Sohn empfinge, was ganz und gar unmöglich ist. 11. Wie der Vater und der Sohn sich lieben, so tun dies auch der Sohn und der Heilige Geist bzw. der Vater und der Heilige Geist. Wenn also der Heilige Geist deswegen aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, weil sie sich lieben, dann wird aus eben dem Grund, daß der Heilige Geist und der Vater sich lieben, der Heilige Geist aus sich selbst hervorgehen. Und das kann nicht sein. 12. Dionysius sagt: »Überhaupt sollte man es nicht wagen, etwas über die überseiende und verborgene Gottheit zu sagen oder auch zu denken, es sei denn das, was uns auf göttliches Geheiß in den heiligen Schriften geoffenbart wurde.«41 In der Heiligen Schrift steht jedoch nicht, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht, sondern nur, daß er aus dem Vater hervorgeht, so etwa in Joh. 15, 26: »Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater senden werde, den Geist der Wahrheit, der aus dem Vater hervorgeht, …«. Demnach sollte man weder sagen noch denken, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. 13. In den Akten der Konzils von Ephesus heißt es: Nachdem man das Glaubensbekenntnis vom Konzil zu Nicäa verlesen hatte, beschloß die heilige Synode, »es soll niemandem gestattet sein, einen anderen Glauben zu bekennen, zu verbreiten oder zu lehren als den, den die heiligen Väter festgeschrieben haben, als sie in Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist sich in Nicäa versammelt hatten. Wer sich aber erdreistet, einen anderen Glauben zu ersinnen, zu lehren und unter denen zu verbreiten, die sich vom Heidentum, Judentum oder einem anderen Unglauben zur Kenntnis der Wahrheit bekehren wollen, der soll, wenn er Bischof ist, von seinem Bischofsamt entfernt werden und, wenn er Kleriker ist, aus dem Klerus. Handelt es sich aber um Mönche und Laien, sollen sie exkommuniziert werden.«42 Ganz ähnlich heißt es in den Akten des Konzils zu Chal41 Dionysius Areopagita, De div. nom. I, 1 (Dion. I, 7). 42 Acta conc. oec. Vol. II/1, 1, ed. Schwartz, 191.

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kedon nach der Verlesung von Konzilsbeschlüssen: »Wer es aber wagt, einen anderen Glauben zu ersinnen und zu verbreiten und ein anderes Glaubensbekenntnis denen zu lehren und zu überliefern, die sich vom Heidentum, Judentum oder einem anderen Unglauben zur Kenntnis der Wahrheit bekehren wollen, der soll, wenn er Bischof ist, von seinem Bischofsamt entfernt werden und, wenn er Kleriker ist, aus dem Klerus. Handelt es sich aber um Mönche und Laien, sollen sie exkommuniziert werden.«43 In den erwähnten Konzilsbeschlüssen wird jedoch nicht festgehalten, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht, sondern nur, daß er aus dem Vater hervorgeht. Zudem heißt es in dem Glaubensbekenntnis des Konzils von Konstantinopel: »Wir glauben an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der aus dem Vater hervorgeht und zusammen mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird.« Man durfte also zu überhaupt keinem Glaubensbekenntnis hinzufügen, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. 14. Wenn man behauptet, der Heilige Geist gehe aus dem Sohn hervor, dann stützt sich dies entweder auf die Autorität der Hl. Schrift oder auf die Vernunft. Allerdings reicht die Autorität der Hl. Schrift offenbar nicht hin, um das zu erweisen. Zwar spricht die Hl. Schrift davon, daß der Heilige Geist zum Sohn gehört, so etwa in Gal. 4, 6: »Gott sandte den Geist seines Sohnes in eure Herzen«; oder in Röm. 8, 9; »Hat aber einer den Geist Christi nicht, gehört er nicht zu ihm.« Zudem heißt es, daß der Heilige Geist vom Sohn gesandt ist; Christus spricht nämlich in Joh. 16, 7: »Gehe ich nicht fort, wird der Beistand nicht zu euch kommen; wenn ich aber fortgehe, werde ich ihn zu euch senden.« Gleichwohl folgt aus der Tatsache, daß der Heilige Geist zum Sohn gehört, nicht, daß er aus dem Sohn hervorgeht. Nach Aristoteles hat ja das »gehört zu …« eine mehrfache Bedeutung.44 Ebensowenig folgt dies aus dem Umstand, daß der Heilige Geist als Gesandter des Sohnes bezeichnet wird. Denn obwohl der Sohn nicht aus dem Heiligen Geist stammt, 43 Symbolum CL Sanctorum Patrum, qui in Constantinopolin congregati sunt (PL 62, col. 515 B). 44 Aristoteles, Top. IX, 5; 167 b 1–8.

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wird er dennoch als Gesandter des Heiligen Geistes bezeichnet, so etwa in Jes. 48, 16, wo die Person Christi spricht: »Und nun hat der Herr und Gott mich gesandt und seinen Geist«, oder in Jes. 61, 1: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; um den Bedrängten die frohe Botschaft zu bringen, hat er mich gesandt.« Diese Worte haben sich, wie Christus selbst sagt, in ihm erfüllt.45 Ebensowenig läßt sich das Obige aus der Vernunft schlagend erweisen. Denn selbst wenn der Heilige Geist nicht aus dem Sohn käme, blieben sie immer noch voneinander unterschieden: durch ihre personale Eigentümlichkeiten. Nichts zwingt uns also zu der Behauptung, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. 15. Alles, was aus einem anderen hervorgeht, besitzt etwas von diesem. Wenn nun der Heilige Geist aus den beiden, also aus dem Vater und dem Sohn, hervorgeht, muß er von beiden etwas empfangen. Und daraus folgt anscheinend, daß er zusammengesetzt ist. 16. Aristoteles zufolge kennzeichnet es ein Prinzip, daß es nicht von einem anderen stammt.46 Doch der Sohn stammt von einem anderen, nämlich dem Vater. Demnach ist der Sohn nicht das Prinzip für den Heiligen Geist. 17. Der Wille bewegt den Intellekt zu einer Tätigkeit, denn der Mensch ist nur dann geistig tätig, wenn er das will. Nun geht der Heilige Geist willentlich als die Liebe hervor, der Sohn hingegen über den Intellekt als das Wort. Somit scheint der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorzugehen, sondern es verhält sich eher umgekehrt. 18. Nichts geht aus demjenigen hervor, worin es ruht. Nun geht der Heilige Geist aus dem Vater hervor und ruht in dem Sohn. So steht es ja in der Passion des Hl. Andreas.47 Also geht der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervor. 19. Etwas Einfaches kann nicht aus zweien hervorgehen, denn sonst wäre eine Wirkung einfacher und von höherem Rang als ihre Ursache. Nun ist der Heilige Geist einfach. Demnach geht er nicht aus zweien hervor, also nicht aus dem Vater und dem Sohn. 45 Vgl. Luk. 4, 18 ff. 46 Aristoteles, Phys. I, 6; 198 a 18–20. 47 Vgl. Acta et martyrium S. Andreae Apostoli (PG 2, col. 1217 A).

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20. Wenn etwas auf vollkommene Weise aus nur einem hervorgeht, dann ist es überflüssig, daß es aus zweien hervorgehen soll. Nun geht der Heilige Geist auf vollkommene Weise aus dem Vater hervor. Demnach ist es überflüssig, daß er zugleich aus dem Vater und dem Sohn hervorgehen soll. 21. Wie der Vater und der Sohn eins sind in der Substanz und in der Natur, so auch der Vater und der Heilige Geist. Doch der Heilige Geist kommt mit dem Vater nicht in der Zeugung des Sohnes überein. Demnach kommt auch der Sohn nicht mit dem Vater überein, daß er den Heiligen Geist hervorgehen läßt. 22. Der Sohn ist der Strahl des Vaters, wie Dionysius sagt.48 Der Heilige Geist dagegen ist der Glanz. Doch der Glanz kommt nicht von einem Strahl. Somit kommt der Heilige Geist nicht aus dem Sohn. 23. Der Sohn ist eine Art Licht des Vaters, da er dessen Wort ist. Doch der Heilige Geist ist der Hitze vergleichbar, er ist ja die Liebe. Von daher erschien er auch über den Jüngern in Gestalt eines Feuers.49 Eine Hitze kann jedoch nicht vom Licht ausgehen und somit auch nicht der Heilige Geist vom Sohn. 24. Nach Johannes von Damaskus50 spricht man davon, daß der Heilige Geist zum Sohn gehört, nicht aber davon, daß er aus ihm komme. Dagegen spricht: 1. Das, was Athanasius sagt: »Der Heilige Geist ist vom Vater und vom Sohn: nicht gemacht, nicht erschaffen, nicht gezeugt, sondern hervorgehend.«51 2. Den Heiligen Geist nennt man die dritte trinitarische Person, den Sohn die zweite und den Vater die erste. Ein Drittes geht aber aus dem Ersten nur vermittels des Zweiten hervor. Somit geht der Heilige Geist aus dem Vater vermittels des Sohnes hervor. 48 Dionysius Areopagita, De cael. hier. I (Dion. II, 729–731). 49 Vgl. Apg. 2, 3. 50 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. III, 18 (ed. Buytaert,

47). 51 Vgl. Denzinger / Schönmetzer, Encheiridion Symbolorum n. 75.

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3. Da unter den göttlichen Personen höchste Übereinstimmung herrscht, steht jede von ihnen mit den anderen in unmittelbarer Verwandtschaft. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn der Heilige Geist nicht aus dem Sohn wäre. Denn dann stünden der Sohn und der Heilige Geist nicht unmittelbar miteinander in Verwandtschaft, sondern nur vermittels des Vaters, insofern sie ja beide aus dem Einen sind. Somit ist der Heilige Geist aus dem Sohn. 4. Die göttlichen Personen unterscheiden sich voneinander nur im Hinblick auf ihren Ursprung. Wenn also der Heilige Geist nicht vom Sohn käme, dann würde er sich von ihm nicht unterscheiden. Das aber ist Unsinn. Antwort: In Entsprechung zu den vorangegangenen Festlegungen geht der Heilige Geist notwendigerweise aus dem Sohn hervor. Wenn nämlich der Heilige Geist und der Sohn zwei Personen sind, dann muß ihr jeweiliger Hervorgang auch jeweils verschieden sein. Vorhin wurde aber aufgezeigt, daß in der Gottheit zwei Hervorgänge nur in einer bestimmten Ordnung möglich sind: daß also von dem, der in einem ersten Hervorgang hervorgeht, ein weiterer Hervorgang ausgeht. Damit ist es notwendig so, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt. Doch abgesehen von diesem Argument läßt sich auch noch aus anderen Gründen mit Notwendigkeit erweisen, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt. Jede Differenz zwischen zweien muß sich nämlich aus einem fundamentalen Merkmal für ihre Unterschiedenheit ergeben, sieht man einmal davon ab, daß diese Differenz eine akzidentelle sein kann, wie z. B. zwischen einem Gehenden und einem Sitzenden. Dies ist so, weil all das, was einem Ding an sich innewohnt, entweder zu seinem Wesen gehört oder sich aus den für es wesentlichen Prinzipien ergibt, aus denen wiederum ein fundamentales Merkmal für die Unterschiedenheit der Dinge erwächst. Nun kann es aber in der Gottheit nichts Akzidentelles geben. Denn all das, was einem Ding akzidentell innewohnt, ist seiner Natur äußerlich und muß ihm daher auch aus einem äußerlichen Grund zukommen. So etwas kann bei der Gottheit nicht der Fall sein.

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Jede Differenz zwischen den göttlichen Personen muß sich also aus dem fundamentalen Merkmal für ihre Unterschiedenheit ergeben. Nun erwächst das fundamentale Merkmal für die Unterschiedenheit des Vaters und des Sohnes aus der Vaterschaft und der Sohnschaft. So erwächst jede Differenz zwischen dem Vater und dem Sohn zwangsläufig daraus, daß dieser der Vater und jener der Sohn ist. Doch daß der Vater das Prinzip für den Heiligen Geist ist, kommt ihm nicht als Vater aufgrund seiner Vaterschaft zu. Ansonsten hätte dies zur Folge, daß der Heilige Geist auch ein Sohn wäre. Dies steht auch nicht im Widerspruch zum Begriff der Sohnschaft, da es bei der Sohnschaft keinen anderen Bezug gibt als den auf den Vater. Somit kann der Unterschied zwischen dem Vater und dem Sohn nicht darin bestehen, daß der Vater das Prinzip für den Heiligen Geist ist, der Sohn hingegen nicht. Darüber hinaus heißt es in der Schrift Über die Synoden, daß es den Geschöpfen eigen ist, von Gott willentlich hervorgerufen zu sein. Dies erweist Hilarius daraus, daß die Geschöpfe nicht so sind, wie Gott ist, sondern so, wie Gott sie haben wollte.52 Weil aber der Sohn so ist wie der Vater, spricht man davon, daß der Vater den Sohn seiner Natur gemäß gezeugt hat. Aus dem gleichen Grund kommt der Heilige Geist naturgemäß aus dem Vater, weil er dem Vater ähnlich und gleich ist. Eine Natur bringt ja etwas von ihresgleichen hervor. Somit müssen die Geschöpfe, die aus dem Vater nach seinem Willen kommen, auch aus dem Sohn kommen. Denn der Wille des Vaters und des Sohnes sind identisch. Ebenso ist die Natur der beiden identisch. Somit kann es nur so sein: Der Heilige Geist kommt ebenso aus dem Vater wie aus dem Sohn. Gleichwohl bedeutet dies nicht, daß der Sohn und der Heilige Geist aus dem Heiligen Geist kommen, obwohl auch er dieselbe Natur wie der Vater hat. (Nebenbei bedeutet dies, daß die Geschöpfe aus dem Heiligen Geist kommen, insofern er denselben Willen wie der Vater hat.) Es ergäbe sich ein Widerspruch, wenn der Heilige Geist aus sich selbst kommen sollte bzw. wenn aus ihm der Sohn kommen sollte, der ja das Prinzip für den Heiligen Geist ist. 52 Hilarius, De synodis, Kap. 24 (PL 10, col. 520 C).

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Das wird noch auf einem anderen Weg ersichtlich: In der Gottheit können die Personen nur im Hinblick auf die Relationen unterschieden sein. Denn das, was man der Gottheit an sich zuschreibt, wie etwa Güte, Weisheit und dergleichen, betrifft das Wesen und ist allen Personen gemeinsam. Verschiedene Relationen können aber eine Unterscheidung nur auf Grundlage eines Gegensatzes erbringen. Denn einer kann ja in verschiedenen Relationen zu einem anderen Jemand stehen: Denn der eine kann zum anderen offensichtlich in der Relation des Sohnes, des Schülers, des Gleichseins stehen sowie in vielen anderen Relationen, die in keinem Gegensatz zueinander stehen. Damit ist klar, daß sich der Sohn vom Vater dadurch unterscheidet, daß er in einer bestimmten Relation zu ihm steht und daß sich der Heilige Geist ebenso aufgrund einer bestimmten Relation vom Vater unterscheidet. In wie hohem Grad verschieden sich diese Relationen auch zeigen mögen, so können sie einen Unterschied zwischen dem Heiligen Geist und dem Sohn nur dann erbringen, wenn sie auf einem Gegensatz beruhen. Doch einen Gegensatz kann es in der Gottheit nur im Hinblick auf den Ursprung geben, insofern eine Person aus der anderen kommt. Der Sohn und der Heilige Geist können sich also überhaupt nicht dadurch unterscheiden, daß jeder von beiden sich auf verschiedene Weise auf den Vater bezieht, es sei denn, einer von ihnen bezieht sich auf den anderen als derjenige, der aus letzterem kommt. Es ist aber bekanntlich nun so, daß der Sohn nicht aus dem Heiligen Geist kommt. Im Begriff des Sohnes liegt es ja, daß er sich nur auf den Vater bezieht, insofern er von ihm sein Sein hat. Es ergibt sich damit mit Notwendigkeit, daß es der Heilige Geist ist, der aus dem Sohn kommt. Da aber hier jemand sagen könnte, daß Glaubensinhalte nicht nur durch Gründe, sondern auch durch Autoritäten untermauert werden sollten, wollen wir noch durch die Autorität der Hl. Schrift aufzeigen, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt. An mehreren Stellen der Hl. Schrift heißt es nämlich, daß der Heilige Geist zum Sohn gehört, so z. B. Röm. 8, 9: »Hat aber einer den Geist Christi nicht, gehört er nicht zu ihm«; oder Gal. 4, 6: »Gott sandte den Geist seines Sohnes in eure Herzen«; sowie Apg. 16, 7: »Sie versuchten, nach Bithynien zu gehen, doch der Geist Jesu gestattete es ihnen nicht«.

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Dies ist nicht so zu verstehen, als sei der Heilige Geist der Geist von Christus als Mensch, so, als ob der ihn erfüllen würde. Der Heilige Geist ist ja beim Menschen, insofern dieser ihn besitzt und nicht insofern er ihn spendet. Hingegen gehört der Heilige Geist zum Sohn, insofern er diesen spendet, wie es etwa in Joh. 4, 13 heißt: »Daran erkennen wir, daß wir in ihm bleiben und er in uns, daß er uns von seinem Geist gegeben hat«; auch Apg. 5, 32 spricht davon, daß er den Heiligen Geist jenen verliehen hat, die ihm gehorchen. Somit bezieht sich die Rede vom Heiligen Geist des Sohnes auf diesen als göttliche Person. Entweder ist nun damit gemeint, daß der Heilige Geist uneingeschränkt dem Sohn gehört, oder aber, daß er als der Heilige Geist zu ihm gehört. Wenn er ihm uneingeschränkt gehören würde, dann müßte der Sohn Macht über den Heiligen Geist besitzen. Denn wir sprechen ja davon, daß jemand in bestimmter Hinsicht zu einem anderen gehört, welcher über jenen keine Macht hat, also z. B. bezeichnen wir Petrus als den Gefährten von Johannes. Dagegen kann nicht davon die Rede sein, daß Petrus uneingeschränkt dem Johannes gehören würde, es sei denn, er gehörte zu dessen Besitz, etwa als ein Sklave, der seinem Herrn gehört. In der Gottheit jedoch gibt es nichts, was dienen würde oder unterworfen wäre. Vielmehr bezieht sich hier »Macht« auf den Ursprung. Somit muß der Heilige Geist seinen Ursprung im Sohn haben. Die gleiche Schlußfolgerung läßt sich ziehen für den Fall, daß der Heilige Geist zum Sohn gehört, und zwar als dessen Geist. Insofern nämlich »Geist« der Name für eine göttliche Person ist, impliziert er eine Ursprungsrelation zur hauchenden Person, genauso wie der Sohn zur zeugenden Person. Darüber hinaus gibt es, wie schon erwähnt, in der Hl. Schrift Stellen, wo der Sohn den Hl. Geist sendet. Es scheint aber stets so zu sein, daß der Aussendende eine Macht auf den Ausgesandten ausübt. Ein Machtgefüge gibt es in der Gottheit jedoch nur im Hinblick auf den Ursprung. Somit folgt daraus, daß der Heilige Geist seinen Ursprung im Sohn hat. Der Hl. Schrift kann man zudem entnehmen, daß wir durch den Heiligen Geist dem Sohn gleich gestaltet werden. In diesem Sinne heißt es etwa in Röm. 8, 15: »Empfangt den Geist der Sohnschaft«, sowie in Gal. 4, 6: »Weil ihr Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen«. Nun ist aber jemand einem anderen

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nur in dessen eigentümlichen Merkmalen gleich gestaltet. Bei den erschaffenen Wesen ist es aber so, daß das, was dafür sorgt, daß etwas einem anderen gleich gestaltet ist, auch aus diesem anderen kommt. So ist etwa der Same des Menschen nicht einem Pferd gleich gestaltet, sondern demjenigen Menschen, aus dem der Same stammt. Der Heilige Geist hingegen kommt aus dem Sohn als dessen eigentümliches Merkmal. So heißt es von Christus in 2 Kor. 1, 21 f., daß er »uns gesalbt und uns sein Siegel aufgedrückt und den Geist als Unterpfand in unsere Herzen gegeben hat«. Noch deutlicher sind die Worte des Sohnes über den Heiligen Geist: »Er wird mich verherrlichen, denn er wird von dem, was mein ist, empfangen«.53 Es ist dabei klar, daß der Heilige Geist vom Sohn nicht so empfängt, als hätte er zuvor noch nicht besessen; denn dann wäre er veränderlich und von seiner Natur her bedürftig. Damit muß er seit Ewigkeit vom Sohn empfangen. Zudem konnte er nicht empfangen, was seit Ewigkeit nicht zu seinem Wesen gehört. Demnach empfing der Heilige Geist sein Wesen vom Sohn. Den Grund aber, warum der Heilige Geist vom Sohn empfangen hat, nennt der Sohn selbst, wenn er in Joh. 16, 15 spricht: »Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist«. Was den Sinn hat: »Des Vaters und mein Wesen sind identisch; der Heilige Geist kann daher das Wesen nicht vom Vater haben, ohne meines zu haben.« Zudem überliefert die Hl. Schrift, daß der Sohn durch den Geist wirkt. So heißt es in Röm. 15, 18, wo der Apostel spricht: »Das« – nämlich Wunder und andere Wohltaten – »wirkte Christus durch mich im Heiligen Geist«, d. h. durch den Heiligen Geist. Auch Hebr. 9, 14 spricht davon, daß Christus »durch den Heiligen Geist sich selbst dargebracht hat«. Wann immer aber jemand durch jemanden anderen wirken soll, muß der Wirkende seine Wirkmacht dem verleihen, durch den er wirkt; auf diese Weise wirkt ein König durch seinen Kanzler oder einen Gerichtsdiener. Oder es verhält sich umgekehrt, so daß man davon sprechen kann, ein Gerichtsdiener wirke durch den König. Wenn also der Sohn durch den Heiligen Geist wirkt, dann muß entweder der Heilige Geist seine Wirkmacht dem Sohn verleihen, 53 Joh. 16, 14.

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oder es muß sich umgekehrt verhalten. Und damit muß der eine dem anderen das Wesen verleihen, da die Wirkkraft bei beiden nicht von ihrem Wesen geschieden ist. Es steht aber nun fest, daß der Heilige Geist dem Sohn nicht das Wesen verleiht, da der Sohn nur Sohn vom Vater ist. Es ergibt sich also, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt. Zu demselben Schluß gelangt man auch über einen Gesichtspunkt, den die Griechen bekennen. Sie bekennen nämlich, daß der Heilige Geist durch den Sohn aus dem Vater kommt, sowie, daß der Vater durch den Sohn den Heiligen Geist haucht. Nun ist aber stets das, wodurch etwas hervorgebracht wird, das Prinzip für das Hervorgebrachte. Damit muß der Sohn ein Prinzip für den Heiligen Geist sein. Wenn sich die Griechen aber zu bekennen weigern, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, da ja der Sohn selbst aus einem anderen kommt und er somit nicht das grundlegende Ursprungsmerkmal für den Heiligen Geist sein kann, dann ist diese Begründung haltlos. So wehrt sich ja auch niemand gegen die Behauptung, wonach ein Stein von einem Stock bewegt wird, auch wenn der Stock wiederum von der Hand bewegt wird; oder wonach Jakob von Isaak stammt, auch wenn Isaak aus Abraham stammt. Um so weniger sollte man sich bei der hier in Frage stehenden Sache querstellen. Denn die Wirkkraft des Vaters ist identisch mit der des Sohnes, was bei den erschaffenen bewegenden und wirkenden Instanzen nicht der Fall ist. Wie man also bekennen muß, daß die Geschöpfe aus dem Sohn kommen, auch wenn er selbst aus dem Vater kommt, so muß man bekennen, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, auch wenn er selbst aus dem Vater kommt. Wenn also die Griechen behaupten, der Heilige Geist sei durch den Sohn aus dem Vater, nicht aber aus dem Sohn, dann verstehen sie ganz offensichtlich nicht, was sie sagen. Das hatte Aristoteles schon über Anaxagoras gesagt.54 Und in 1 Tim. 1, 7 steht geschrieben: »Sie wollen Gesetzeslehrer sein, verstehen aber nichts von dem, was sie sagen und worüber sie so sicher urteilen.« 54 Aristoteles, Met. I, 4; 985 a 15 ff.

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Zu 1. Als Blüten der gottgebärenden, d. h. der väterlichen Gottheit werden der Sohn und der Heiligen Geist bezeichnet, insofern jeder von ihnen aus dem Vater kommt. Insofern aber der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, kann man den Sohn als Wurzel und den Heiligen Geist als Blüte bezeichnen. Denn ein Vergleich mit körperlichen Dingen muß nicht unbedingt auf alles in der Gottheit zutreffen. Zu 2. Der Sohn hat es vom Vater, daß er aus sich den Heiligen Geist entläßt. Daher kommt ihm das ganz genau so zu wie dem Vater. Doch der Vater ist nicht nur auf eine Weise das Prinzip für eine göttliche Person, sondern auf zwei Weisen: nämlich in Form der Zeugung und der Hauchung. Von daher läßt sich nicht folgern, daß der Sohn durch Zeugung das Prinzip des Heiligen Geistes wäre. Vielmehr ist dies ein Trugschluß, der aus der Folge auf den Grund schließt, und dies zumal, weil nicht einmal der Vater durch Zeugung das Prinzip des Heiligen Geistes ist. Zu 3. Hier ist das Gleiche anzumerken. Zu 4. Den Heiligen Geist kann man nicht im eigentlichen, sondern in einem weiteren Sinn als Wort bezeichnen, insofern man alles, was von jemandem offenbar wird, als dessen Wort bezeichnen kann. Der Heilige Geist macht aber den Sohn offenbar, wie es ja der Sohn selbst vom Heiligen Geist in Joh. 16, 14 sagt: »Er wird mich verherrlichen, denn er wird von dem, was mein ist, empfangen«. Der Sohn hingegen heißt im eigentlichen Sinn Sohn, da er die Auffassung des göttlichen Intellekts ist. Zu 5. Bei der menschlichen Generationenabfolge nennt man einen Enkel denjenigen, der aus einem Sohn genauso wie dieser aus seinem Vater stammt. Der Heilige Geist hingegen geht in der Gottheit aus dem Sohn nicht so wie der Sohn aus dem Vater hervor. Deswegen ist dieses Argument falsch. Zu 6. »Prinzip sein« steht in keinem Gegensatz zu »aus einem Prinzip sein«, es sei denn, es handelt sich hier um dasselbe Ding. Denn etwas kann nicht Prinzip für dasjenige sein, woraus es seinerseits als seinem Prinzip kommt. Daher kann man nicht folgern, daß im Sohn gegensätzliche Eigentümlichkeiten sind, wenn er aus dem Vater kommt und zugleich das Prinzip für den Heiligen Geist ist. Zu 7. Alles, was in der Gottheit ist, ist entweder etwas Gemeinsa-

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mes oder etwas Eigentümliches. »Eigentümlich« verwendet man auf zweifache Weise: Zum einen meint es einfach und schlichtweg, daß etwas nur auf eine einzige Instanz zutrifft, wie z. B. das Lachvermögen auf den Menschen. Zum anderen versteht sich »eigentümlich« nicht schlichtweg, sondern im vergleichenden Sinn, so etwa, wenn man davon spricht, daß im Vergleich zu einem Pferd die Geistigkeit für den Menschen eigentümlich ist, auch wenn diese noch anderen, etwa den Engeln, zukommt. Es gibt also in der Gottheit etwas Gemeinsames, was den drei Personen zukommt, also z. B. Gott zu sein und dergleichen. Dann gibt es dort etwas, was schlechthin eigentümlich ist und nur einer Person zukommt. Und schließlich etwas, was vergleichsweise eigentümlich ist; z. B. ist es dem Vater und dem Sohn im Vergleich zum Heiligen Geist eigentümlich, den Heiligen Geist zu hauchen. Diese Art von Eigentümlichkeit muß man aber in der Gottheit ansetzen, selbst wenn der Heilige Geist nicht aus dem Sohn käme. Denn im Vergleich zum Vater55 ist es immer noch so, daß es dem Sohn und dem Heiligen Geist eigentümlich ist, aus einem anderen zu kommen. Zu 8. Recht besehen, klingt der Ausdruck »geschuldet« für die Gottheit überhaupt nicht gut. Denn »geschuldet« impliziert eine Unterwerfung und Verpflichtung, die es in der Gottheit unmöglich geben kann. Gleichwohl verwendet Richard von St. Viktor die Unterscheidung zwischen einer Liebe aus freien Stücken und einer geschuldeten Liebe.56 Mit »aus freien Stücken« meint er ausschließlich etwas, was nicht von einem anderen stammt; mit »geschuldet« aber ausschließlich das, was aus einem anderen stammt. So verstanden, spricht nichts dagegen, daß ein und dieselbe Liebe aus freien Stücken kommt, wie beim Vater, und, wie beim Sohn, zugleich geschuldet ist. Denn die Liebe, mit der der Vater und der Sohn lieben, ist identisch. Diese Liebe hat der Sohn jedoch vom Vater, der Vater aber von niemandem. Zu 9. Der Heilige Geist ist nur in dem Sinn die Liebe aus freien Stücken, als diese Liebe aus freien Stücken in einem Gegensatz zu einer berechnenden Liebe steht, die etwas nicht um seiner selbst 55 matrem M : patrem L 56 Richard von St. Viktor, De trin. III, 3; V, 16 (CS 63, 172, 344).

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willen liebt, sondern wegen irgendeines äußerlichen Vorteils. Wenn wir aber mit dieser Liebe aus freien Stücken verbinden, daß sie ihren Ursprung in einem anderen hat, dann trifft es durchaus auf den Heiligen Geist zu, daß er die Liebe aus freien Stücken ist. Denn jene Liebe, mit der wir durch den Heiligen Geist Gott lieben, hat ihren Ursprung in dem, was Gott uns geschenkt hat. Somit spricht nichts dagegen, daß die Liebe des Sohnes, die er von einem anderen hat, der Heilige Geist ist. Zu 10. Der Heilige Geist geht sowohl aus dem Vater in den Sohn als auch aus dem Sohn in den Vater hervor. Beide empfangen aber dabei nichts, sondern sind das jeweilige Objekt der Liebe. Denn daß der Heilige Geist aus dem Vater in den Sohn hervorgeht, meint, daß der Heilige Geist die Liebe ist, mit der der Vater den Sohn liebt. Wenn aber der Heilige Geist aus dem Sohn in den Vater hervorgeht, meint das aus gleichem Grund, daß er die Liebe ist, mit der der Sohn den Vater liebt. Daß der Heilige Geist aus dem Vater in den Sohn hervorgeht, läßt sich auch so verstehen, daß der Sohn vom Vater die Kraft erhält, den Heiligen Geist zu hauchen. Doch dann kann man nicht sagen, daß der Heilige Geist vom Sohn in den Vater hervorgeht, da ja der Vater vom Sohn nichts empfängt. Zu 11. Das Wort »lieben« meint nicht nur, daß man Liebe ausströmen läßt, sondern auch ein Betroffensein und eine bestimmte Verfassung angesichts der Liebe. Das nun, was in der Gottheit auf ein Ausströmen-Lassen hindeutet, ist nur personenbezogen zu verstehen, also etwa das Zeugen, das Hauchen usw. Was hingegen nicht auf die Tätigkeit des Ausströmens hindeutet, sondern eher mit der formalen Verfassung des Aussagegegenstandes zu tun hat, das bezieht sich auf das Wesen in der Gottheit, also z. B. gut zu sein, geistig zu sein usw. Von daher meint die Liebe des Heiligen Geistes nicht, daß er Liebe verströmen würde – das trifft so nur auf den Vater und den Sohn zu; vielmehr bezieht sich »lieben« hier auf das Wesen in der Gottheit. Zu 12. Es ist die Regel in der Hl. Schrift, daß das, was sie über den Vater sagt, auch vom Sohn zu gelten hat; sowie daß das, was sie über jeden bzw. über einen der beiden sagt, auch vom Heiligen Geist zu gelten hat – und dies selbst dann, wenn sie einen abgrenzenden

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Ausdruck verwendet. Ausgenommen sind nur Ausdrücke, mit denen die göttlichen Personen voneinander unterschieden werden. So heißt es beispielsweise in Joh. 17, 3: »Das aber ist das ewige Leben, daß sie dich erkennen, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus.« Denn man kann schlecht leugnen, dem Sohn komme es zu, wahrer Gott zu sein, was der Sohn selbst allein dem Vater vorbehalten hat. Denn da der Vater und der Sohn eines, aber nicht einer sind, so muß das, was über den Vater gesagt wird, auch vom Sohn gelten. Ebensowenig kann man mit der angeführten Stelle – wo der Heilige Geist ja nicht erwähnt wird – bestreiten, daß es ewiges Leben gebe, wenn man den Heiligen Geist erkennt. Denn es gibt nur eine einzige Erkenntnis von den Dreien. Ebensowenig kann man dem Heiligen Geist die Erkenntnis des Vaters und des Sohnes absprechen, auch wenn es in Math. 11, 27 heißt: »Niemand kennt den Sohn als der Vater, und auch den Vater kennt niemand als der Sohn.« Nun hat aber der Aspekt, daß der Heilige Geist aus einer Person hervorgeht, nichts mit der Vaterschaft und Sohnschaft, durch die sich Vater und Sohn unterscheiden, zu tun. Wenn es daher im Evangelium heißt, daß der Heilige Geist aus dem Vater hervorgeht, dann ist genau damit gesagt, daß er aus dem Sohn hervorgeht. Zu 13. Die Lehre des katholischen Glaubens ist zur Genüge beim Konzil von Nicäa festgelegt worden. Daher war es nicht die Absicht der heiligen Väter, bei den nachfolgenden Konzilen dem etwas hinzuzufügen. Sie bemühten sich vielmehr angesichts aufgekommener Häresien, das, was damals implizit geblieben war, explizit zu machen. Und so heißt es in der Schlußbestimmung des Konzils zu Chalkedon: »Dieses geheiligte, große und allgemeine Konzil vertritt auch heute die von Anfang an unerschütterliche Lehre, dieselbe, wie sie die 318 heiligen Väter bei ihrer Zusammenkunft in Nicäa als den unantastbaren Glauben festlegten. Angesichts derer, die den Heiligen Geist leugnen, bestätigen wir die Lehre betreffs der Substanz des Heiligen Geistes, wie sie zu späterer Zeit von den 150 Vätern bei ihrer Zusammenkunft in Konstantinopel festgelegt wurde. Diese Lehre machten diese Väter allen bekannt, nicht aber, weil etwas gefehlt hätte in den vorangegangenen Beschlüssen, sondern weil sie mit Hilfe von Zeugnissen aus der Hl. Schrift das Verständnis jener

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Väter vom Heiligen Geist erklären wollten, gegen jene, die dessen Herrschaft nicht anerkennen.«57 In diesem Sinne ist festzustellen, daß der Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Sohn implizit in der Bestimmung des Konzils von Konstantinopel enthalten ist, insofern es dort heißt, daß der Heilige Geist aus dem Vater hervorgeht. Was nämlich vom Vater gilt, das muß auch vom Sohn gelten, da sie sich in nichts unterscheiden, es sei denn, daß dieser der Sohn und jener der Vater ist. Doch wegen der aufkommenden Irrlehren jener, die den Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Sohn leugneten, war es sinnvoll, im Glaubensbekenntnis einen Einschub zu machen, jedoch nicht im Sinne einer Erweiterung, sondern als eine explizite Interpretation dessen, was schon implizit da stand. Genauso müßte man, wenn z. B. eine Häresie aufkäme, die den Heiligen Geist als Schöpfer des Himmels und der Erde leugnet, dies explizit machen, da das besagte Glaubensbekenntnis dies nur vom Vater sagt. Nun hat ein späteres Konzil die Vollmacht, das Glaubensbekenntnis eines früheren Konzils zu interpretieren und etwas zu dessen Erklärung einzufügen. Dies erhellt aus dem eben Gesagten. Genausogut kann dies der Römische Pontifex kraft seiner Autorität tun: Durch dessen Autorität allein kann ein Konzil zusammentreten, durch ihn werden dessen Beschlüsse bestätigt und an ihn kann es appellieren. Das alles erhellt aus den Akten des Konzils zu Chalkedon. Zudem ist es nicht nötig, daß für eine derartige Klärung ein ökumenisches Konzil zusammentritt, da zuweilen kriegerische Auseinandersetzungen dies verhindern. So liest man im siebten Konzil die Bemerkung des Kaisers Konstantin, daß er wegen bevorstehender Kriege nicht alle Bischöfe versammeln konnte. Doch diejenigen, die sich versammelten, entschieden über strittige Punkte des Glaubens und folgten der Auffassung von Papst Agathon, wonach in Christus zwei Willen und zwei Tätigkeiten sind. Ebenso schlossen sich die auf dem Konzil zu Chalkedon versammelten Väter der Ansicht von Papst Leo an, der festgelegt hatte, daß in Christus nach der Inkarnation zwei Naturen sind. 57 Collectio Cassinensis (ACOe, Concilium Universale Calcedonense, Vol. II/3, ed. Schwartz, 43).

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Doch ist auch Folgendes zu beachten: Den Beschlüssen der wichtigsten Konzile kann man entnehmen, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. Denn wie es in einem Dekret des Konzils zu Konstantinopel heißt, erhielt das Konzil Briefe des Seligen Cyrill, des Bischofs von Alexandria, an Nestorius und an andere im Osten. In einem dieser Briefe steht: »Da Christus zum Erweis seiner Göttlichkeit sich des Heiligen Geistes bediente für seine großen Taten, sprach er davon, daß er durch den Heiligen Geist verherrlicht werde. Das ist in etwa so, wie wenn jemand über seine eigene Stärke, seine eigene Bildung oder irgendeine andere Begabung sagt, daß sie ihn verherrliche. Genauso verhält es sich bei der besonderen Subsistenz des Geistes, wenn man ihn als solchen, als vom Sohn unterschiedene Person, in den Blick nimmt. Gleichwohl ist der Geist nichts anders gegenüber dem Sohn. Er heißt ja Geist der Wahrheit und ist der Geist der Wahrheit, der aus dem Sohn fließt wie aus dem Vater.«58 Es hat nichts zu bedeuten, daß es hier »fließt« heißt anstatt von »geht hervor«. Denn wie aus dem vorhin Besprochenen erhellt, ist der Ausdruck »geht hervor« der allgemeinste unter den Begriffen, die einen Ursprung bezeichnen. Was daher entsandt wird, ausfließt oder wie auch immer entspringt, das geht mithin hervor. Auch in dem Beschluß des fünften Konzils von Konstantinopel heißt es: »Wir folgen in allem den Heiligen Vätern und Lehrern der Kirche: Athanasius, Hilarius, Basilius, Gregor dem Theologen, Gregor von Nyssa, Ambrosius, Augustinus, Theophilus, Johannes von Konstantinopel, Wilhelm, Leo und Proklos von Konstantinopel. Und wir übernehmen all das, was sie über den richtigen Glauben lehrten, um die Häretiker zu widerlegen.«59 Es ist nun offensichtlich, daß viele von den Erwähnten in ihrer Lehre festhielten, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. Bei keinem von ihnen findet sich aber eine Leugnung des Sachverhalts. Daher ist es kein Widerspruch zu den Konzilen, sondern steht mit ihnen im Einklang, wenn man sagt, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. 58 Cyrill, Epistola synodica ad Nestorium 8, 10 (ACOe, Concilium Universale Calcedonense, Vol. I/3, ed. Schwartz, 32). 59 Vgl. Ps.-Alkiun, Liber de processione sancti Spiritus (PL 101, col. 73 A–B).

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Zu 14. Zwar hat der Ausdruck »gehört zu …« vielerlei Bedeutungen, doch bei der Gottheit kann er sich auf nichts anderes beziehen als auf den Ursprung. Doch bei »Entsendung« sollte man sich bewußt sein, daß alle Lehrer darin übereinstimmen, daß keine Person entsandt wird, die nicht aus einer anderen kommt. Entsandt zu werden trifft also auf den Vater nicht zu, da er ja aus keinem anderen kommt. Doch bei der Person, mit der die Entsendung geschieht, waren die Lehrer verschiedener Ansicht. Nach Athanasius60 und manch anderen Autoren wird keine [trinitarische] Person in der Zeit entsandt, es sei denn, das geschieht durch diejenige Person, aus der jene Person seit Ewigkeit kommt. So wird also der Sohn in der Zeit vom Vater entsandt, aus dem er seit Ewigkeit hervorgegangen ist. Daraus kann man nun untrüglich schließen, daß, wenn der Heilige Geist vom Sohn entsandt wird, er dann seit Ewigkeit aus ihm hervorgeht. Wenn es aber heißt, daß der Sohn vom Heiligen Geist entsandt wird, dann gilt dies vom Sohn in seiner menschlichen Natur, der vom Heiligen Geist entsandt worden ist zur Verkündigung. Ausdrücklich heißt es ja in Jes. 61, 1: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; er hat mich gesandt, um den Armen Frohes zu melden.« So legt dies Ambrosius in seiner Schrift Über den Heiligen Geist aus;61 doch nach dem Verständnis von Hilarius62 ist mit dem Geist der Vater gemeint, da »Geist« im Falle der Gottheit etwas zum Wesen Gehöriges63 meint. Dagegen ist Augustinus64 der Ansicht, daß eine hervorgehende Person auch nur von einer Person, aus der sie nicht seit Ewigkeit hervorgeht, in der Zeit entsandt werden kann. Insofern nämlich die Entsendung einer göttlichen Person verständlich wird an einer Wirkung bei den Geschöpfen, die aus der gesamten Trinität hervorgehen, so erfolgt die Entsendung einer göttlichen Person durch die gesamte Trinität. »Entsendung« meint hier nicht die Macht der entsendenden 60 In Sent. I, d. 15 a. 3 schreibt Thomas dieses Diktum Ambrosius zu, bei dem es sich nicht nachweisen läßt. 61 Ambrosius, De Spiritu Sancto III, 1, 2 ff. (CSEL 79, 150). 62 Hilarius, De trin. VIII, 23 (CCSL 62/A, 335). 63 aeternaliter M : essentialiter L 64 Ps.-Augustinus, De trin. et unitate, Kap. 3 (PL 42, col. 1196).

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Instanz über die entsandte Person, sondern ein Ursache-WirkungsVerhältnis, von dem aus man dann von der Entsendung einer Person sprechen kann. Doch das Argument, das den Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Sohn mit deren Unterschiedenheit erklärt, wird nicht dadurch entkräftet, daß sich der Sohn und der Heilige Geist in ihren Eigentümlichkeiten unterscheiden. Denn diese Eigentümlichkeiten sind relational aufeinander bezogen und könnten einen Unterschied nur aufmachen, wenn sie in einem Gegensatzverhältnis stehen würden, so wie es oben erklärt worden ist.65 Zu 15. Zwar kommt der Heilige Geist aus zweien; dennoch ist er nicht zusammengesetzt, da jene beiden, d. h. der Vater und der Sohn, wesenseins sind. Zu 16. Nur sofern es sich um die ersten Prinzipien handelt, spricht Aristoteles es ihnen zu, daß sie aus keinem anderen stammen. Und das erste Prinzip ist sozusagen ein Prinzip ohne Prinzip: der Vater. Zu 17. Zwar bewegt der Wille den Intellekt zu einem Erkenntnisakt, doch der Wille kann nicht wollen, was nicht zuvor erkannt worden ist. Um daher nicht in einen infiniten Regreß zu kommen, wird man schließlich dazu gelangen, daß der Intellekt etwas von Natur aus erkennt und nicht auf Geheiß des Willens. Der Sohn geht aber naturgemäß vom Vater aus. Auch wenn er also über den Intellekt ausgeht, dann folgt daraus nicht, daß er aus dem Heiligen Geist hervorgeht, sondern daß es sich umgekehrt verhält. Zu 18. Daß der Heilige Geist im Sohn ruht, kann auf dreierlei Weise verstanden werden. Erstens im Hinblick auf die menschliche Natur [des Sohnes], in Entsprechung zu Jes. 11, 1: »Es wächst ein Reis hervor aus der Wurzel Jesse und eine Blüte bricht aus seiner Wurzel hervor und der Geist des Herrn ruht auf ihm.« – Zweitens meint das Ruhen des Geistes im Sohn, daß die Kraft zur Hauchung dem Sohn vom Vater verliehen wird und nicht darüber hinaus. – Drittens ist gemeint, daß die Liebe im Geliebten zur Ruhe kommt, in dem das Gefühl des Liebenden Ruhe findet. Doch keine dieser Verständnisweisen schließt aus, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. 65 Vgl. De pot. q. 8 a. 3–4.

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Zu 19. Es steht nicht im Widerspruch zur Einfachheit des Heiligen Geistes, daß er aus zweien, also dem Vater und dem Sohn, kommt, da sie ja wesenseins sind. Zu 20. Die Vollkommenheit von Vater und Sohn ist identisch. Sofern also der Heilige Geist auf vollkommene Weise aus dem Vater hervorgeht, schließt dies nicht aus, daß er aus dem Sohn hervorgeht. Ansonsten würde folgen, daß die Geschöpfe nicht vom Sohn erschaffen sind, da sie auf vollkommene Weise vom Vater erschaffen sind. Zu 21. Die Einheit im Wesen führt nicht zu einer Konfundierung der Personen. Denn aus der Einheit im Wesen kann man keine Schlüsse ziehen, die im Widerspruch zur relationalen Verschiedenheit stehen. Und so kann daraus, daß der Vater und der Heilige Geist eins sind, nicht der Schluß gezogen werden, daß der Sohn aus dem Heiligen Geist komme, weil er zwar aus dem Vater komme, der Heilige Geist aber aus dem Vater komme. Zudem würde folgen, daß der Heilige Geist der Vater sei, da ja »Vater sein« nichts anderes sei, als einen Sohn zu haben, der aus einem hervorgeht. Zu 22. Der Glanz kommt aus dem Lichtstrahl, da er nichts anderes ist als der Widerschein des Lichtstrahls auf einem hellen Körper. Der Glanz wird aber dem Sohn zugesprochen, der ja »der Abglanz seiner Herrlichkeit« (Hebr. 1, 3) ist. Zu 23. Die Hitze kommt vom Glanz. Denn die Himmelskörper verursachen an den Körpern hier unten vermittels ihrer Strahlen die Hitze. Zu 24. Nach Ansicht der Nestorianer kommt der Heilige Geist nicht aus dem Sohn. So heißt es im Nestorianischen Glaubensbekenntnis, das auf dem Konzil von Ephesus verurteilt wurde: »Wir glauben, daß der Heilige Geist weder der Sohn ist noch daß er durch den Sohn das Wesen erhalten hat.« Aus diesem Grund hielt Cyrill in seinem bereits erwähnten Brief gegen Nestorius fest, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt. Theodor wiederum schreibt in einem Brief an Johannes von Antiochien: »Der Heilige Geist kommt nicht aus dem Sohn und hat von ihm auch nicht sein Wesen. Geist des Sohnes wird er aber genannt, weil er mit ihm wesenseins ist.«66 Die 66 Versio Symboli Theodorei (ACOe, Vol. I/5, ed. Schwartz, 24).

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eben zitierten Worte schreibt Theodor dem Cyrill zu, wonach dieser sie in seinem Brief an Johannes von Antiochien verwendet hätte. Doch in diesem Brief finden sie sich nicht; vielmehr steht da: »Der Geist von Gottvater geht aus diesem hervor, und auch aus dem Sohn, mit dem er wesenseins ist.« Der Auffassung von Theodor folgte später Johannes von Damaskus, obwohl die Lehre von besagtem Theodor auf dem fünften Konzil verurteilt worden sind. Daher brauchen wir in diesem Punkt nicht der Auffassung von Johannes sein.

5. Artik el Die fünfte Frage lautet: Bliebe der Heilige Geist vom Sohn unterschieden, wenn er nicht aus ihm hervorginge? 67 Dies scheint der Fall zu sein; denn: 1. Nach Richard von St. Viktor unterscheiden sich die Personen im Hinblick auf den Ursprung dadurch, daß die eine Person einen Ursprung hat, die andere aber keinen. Wenn sie aber einen Ursprung hat, dann unterscheidet sich der Ursprung der einen Person von demjenigen der anderen.68 Nun ist der Ursprung des Heiligen Geistes und des Sohnes ein jeweils anderer. Denn der Heilige Geist geht als Gehauchter hervor, der Sohn aber als Gezeugter. Demnach unterscheidet sich der Heilige Geist als Person vom Sohn, selbst wenn er aus diesem nicht hervorginge, was an ihrem unterschiedlichen Ursprung liegt. 2. Anselm bemerkt: »Der Sohn und der Heilige Geist haben beide ihr Sein vom Vater, doch auf verschiedene Weise: der eine durch die Geburt, der andere durch den Hervorgang, so daß sie dadurch voneinander geschieden sind.« Und weiter: »Wenn es keinen anderen Grund gäbe für den Unterschied von Sohn und Heiligem Geist, dann wären sie allein dadurch verschieden.«69 Auch wenn der Hei67 Paralleltexte: Sum. theol. I, q. 35 a. 2; a. 4. ScG IV, 25. Sent. I, d. 11. a. 2; a. 4; d. 29 a. 4. 68 Vgl. Richard von St. Viktor, De trin. IV, 13 (SC 63, 256). 69 Anselm von Canterbury, De processione Spiritus Sancti, Kap. 1 (Opera omnia, ed. Schmitt, II, 184.).

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lige Geist nicht aus dem Sohn hervorginge, dann bliebe er demnach als Person vom Sohn unterschieden aufgrund der unterschiedlichen Art ihres Ursprungs. 3. In der Gottheit unterscheiden sich die Personen deswegen, weil nach Art eines Ursprungs die eine Person aus der anderen stammt. Nun geht aber über eine einzige Art von Ursprung auch nur eine einzige Person in der Gottheit hervor. Wenn es also zwei Arten von Ursprung gibt, dann gibt es auch zwei hervorgehende Personen, selbst wenn die eine aus der anderen nicht hervorgeht. Nun geht aber bekanntlich der Sohn in einer anderen Art von Ursprung aus dem Vater hervor, als dies der Heilige Geist tut. Somit sind der Sohn und der Heilige Geist als Personen voneinander unterschieden, und zwar auch dann noch, wenn der eine nicht aus dem anderen hervorgeht. 4. Keine der Hypostasen kann angesichts ihrer einheitlichen Natur in mehreren Hervorgängen hervorgehen, da ja eine Hypostase ihre Natur dadurch erhält, daß sie hervorgeht. Somit weist der Sohn zwei Hervorgänge auf angesichts seiner zwei Naturen. Nun gibt es in der Gottheit zwei Hervorgänge, die eine nach Art einer Geburt, die andere nach Art einer Hauchung. Unmöglich kann daher ein und dieselbe Person in diesen beiden Hervorgängen hervorgehen. Es müssen also zwei unterschiedliche Personen sein, die in diesen Hervorgängen hervorgehen. Somit bleibt der Heilige Geist als Person vom Sohn unterschieden, auch wenn er aus ihm nicht hervorgeht. 5. Die ewigen Relationen in der Gottheit sind weder akzidentell noch von außen hinzugefügt, sondern sie sind die subsistierenden Personen. Das also, woraus sich eine Mehrzahl von Relationen in der Gottheit ergibt, reicht auch zur Unterscheidung der Personen hin. Für die Verschiedenheit der Relationen reicht aber eine spezifische Verschiedenheit in der Tätigkeit hin. Denn aus der Tätigkeit des Herrschens resultiert die Relation des Herr-Seins; aus der Tätigkeit des Zeugens resultiert eine andere Relation: die der Vaterschaft. Ganz genauso resultieren aus spezifisch unterschiedlichen Quantitäten verschiedene Relationen: aus einer Zweiheit resultiert die Relation des Doppelten, aus einer Dreiheit die Relation des Dreifachen. Nun werden die Hervorgänge in der Gottheit als Tätigkeiten gefaßt. Wenn es also dort zwei Hervorgänge gibt, muß es dort zwei

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Relationen geben, die aus den Hervorgängen resultieren. Demnach muß es zwei Personen geben, und somit gilt das gleiche wie vorhin. 6. Der Hervorgang in der Gottheit ist vollkommener als einer bei den Geschöpfen. Daher sagt ja der Apostel in Eph. 3, 15, daß vom himmlischen Vater »alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat«. Bei den erschaffenen Dingen reicht aber ein Hervorgang hin, um einzelne Exemplare zu unterscheiden. Denn bei jeweils einem anderen Hervorgang bzw. einer anderen Geburt kommt ein jeweils anderer Mensch zur Welt. Demnach reicht bei der Gottheit ein Unterschied im Hervorgehen hin, um die Personen, d. h. den Sohn und den Heiligen Geist, zu unterscheiden. 7. Auf dem Wege der Natur hervorzugehen ist nicht dasselbe wie in Liebe hervorzugehen. Nun meint »Sohn« die Person, die auf dem Wege der Natur hervorgeht, »Heiliger Geist« aber die Person, welche in Liebe hervorgeht. Demnach würde sich der Heilige Geist allein wegen des unterschiedlichen Hervorgangs vom Sohn auch dann unterscheiden, wenn er nicht aus ihm hervorginge. 8. Im Vater liegen ein aktives Zeugen und ein aktives Hauchen. Nun machen das Zeugen und das Hauchen den Unterschied der Personen in der Gottheit aus. Wie also der Sohn als unterschiedene Person aus dem Vater kommt, indem er von diesem gezeugt wird, so kommt auch der Heilige Geist als unterschiedene Person aus dem Vater, indem er von diesem gehaucht wird. Somit gibt es drei Personen in der Gottheit, auch wenn der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorgehen sollte. 9. Anselm spricht in seiner Schrift Über den Hervorgang des Heiligen Geistes davon, daß der Heilige Geist auf genauso vollkommene Weise aus dem Vater kommt wie aus Sohn und zugleich Vater.70 Nun kommt der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn und ist dabei von beiden verschieden. Wenn er also nur aus dem Vater käme, bliebe er von beiden geschieden. 10. Der Vater ist das zureichende und vollkommene Prinzip. Ein vollkommenes Prinzip braucht jedoch nichts anderes, um auf vollkommene Weise das hervorzubringen, wofür es Prinzip ist. Folglich braucht der Vater den Sohn nicht, um die dritte Person, d. h. den 70 Ebd., Kap. 14 (ed. cit., II, 212).

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Heiligen Geist, hervorzubringen. Angenommen also, der Heilige Geist würde nicht aus dem Sohn hervorgehen, dann gäbe es immer noch drei unterschiedliche Personen in der Gottheit. 11. Denkt man sich das logisch Spätere weg, ist damit nicht notwendig das logisch Vorrangige aufgehoben. So ist z. B. »Lebewesen« noch nicht aufgehoben, wenn man sich »Mensch« wegdenkt. Dreierlei sagt man nun von der Gottheit aus: Hervorgang, Gemeinschaft, Verwandtschaft. Vom Begriff her ist aber der Hervorgang logisch früher als die Gemeinschaft und die Verwandtschaft. In der Gottheit gäbe es jedoch weder Gemeinschaft noch Verwandtschaft, wenn es keine Mehrzahl an Personen gäbe, die sich über einen Hervorgang vervielfältigen. Denkt man sich also Gemeinschaft und Verwandtschaft bei der Gottheit weg, so bleibt immer noch der Hervorgang. Zwar gibt es dann keine Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes mehr bei der Hauchung des Heiligen Geistes; ebenso auch keine Verwandtschaft des Heiligen Geistes mit dem Sohn aufgrund von seinem Hervorgang aus letzterem. Doch aber gibt es weiterhin einen Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Vater und damit auch weiterhin drei verschiedene Personen in der Gottheit: zwei, die hervorgehen, und eine, die hervorgehen läßt. 12. Bei der Gottheit kann die Rede sein von: Eigentümlichkeiten, Relationen und Kennzeichen [der Personen]. Vom Begriff her ist nun die Eigentümlichkeit logisch früher als die Relation und das Kennzeichen. Denn man erkennt die Personen zunächst eher an ihren konstitutiven personalen Eigentümlichkeiten als daran, daß sie sich wechselseitig aufeinander beziehen und Kennzeichen haben. Denkt man also die Relationen weg, dann bestehen weiterhin die Eigentümlichkeiten, die für die Personen konstitutiv sind. Auch wenn dann der Heilige Geist sich nicht mehr auf den Sohn bezieht, von dem er sein Sein erhält, so werden der Sohn und der Heilige Geist aufgrund ihrer Eigentümlichkeiten weiterhin verschiedene Personen sein. 13. Die Sohnschaft ist die Eigentümlichkeit des Sohnes, welche für seine Person konstitutiv ist; der Hervorgang hingegen die Eigentümlichkeit des Heiligen Geistes, welcher für dessen Person konstitutiv ist. Nun ist aber die Sohnschaft kein Hervorgang und steht auch nicht in einem relationalen Gegensatz zu ihm. Denkt man sich

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also jede Relation des Heiligen Geistes auf den Sohn weg, dann werden der Sohn und der Heilige Geist auch weiterhin verschiedene Personen sein. 14. Viele, so etwa die Griechen, halten daran fest, daß der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorgeht, doch gehen sie von drei Personen in der Gottheit aus. Falls also der Heilige Geist nicht aus dem Sohn kommen sollte, wäre er weiterhin vom Sohn unterschieden. 15. Johannes von Damaskus sagt: »Wir erklären, daß der Heilige Geist aus dem Vater, nicht aber aus dem Sohn hervorgeht. Vielmehr nennen wir ihn den Geist des Sohnes.«71 Auch wenn also der Heilige Geist nicht aus dem Sohn kommen sollte, wäre er immer noch der Geist des Sohnes und damit immer noch von ihm unterschieden. 16. Die griechischen Heiligen sprechen über den Sohn und den Heiligen Geist in körperlichen Vergleichen. So nennen sie sie etwa die zwei Strahlen der väterlichen Klarheit oder die beiden Ströme aus der göttlichen Quelle, die im Vater liegt, oder auch die beiden Blüten aus der Natur des Vaters. Nun unterscheiden sich aber mehrere Strahlen, Quellen und Blüten jeweils voneinander, selbst dann, wenn die eine nicht aus der anderen kommt. Somit unterscheiden sich der Sohn und der Heilige Geist voneinander. Dagegen spricht: 1. Nach Boethius72 ist allein die Relation für eine Mehrzahl in der Gottheit verantwortlich. Wenn aber der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorginge, dann gäbe es auch keine Relation des Heiligen Geistes auf den Sohn und somit würde er sich auch nicht in der Person von ihm unterscheiden. 2. Anselm zufolge73 sind der Vater und der Sohn in allem eins außer darin, daß sie sich aufgrund eines relationalen Gegensatzes unterscheiden. Dies ist so wegen ihrer Wesenseinheit. Nun sind ganz genau so der Sohn und der Heilige Geist wesenseins. Somit 71 Johannes Damascenus, De fide orthodoxa, Kap. VIII, 18 (ed. Buytaert, 47). 72 Boethius, De trin. VI, 1–9 (ed. Elsässer, 24). 73 Anselm von Canterbury, De processione Spiritus Sancti, Kap. 1 (Opera omnia, ed. Schmitt, II, 178 f.).

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sind sie in allem eins außer darin, daß sie sich aufgrund eines relationalen Gegensatzes unterscheiden. Wenn aber der Heilige Geist nicht aus dem Sohn käme, würden sie sich überhaupt nicht voneinander aufgrund eines relationalen Gegensatzes unterscheiden. Damit wären sie überhaupt nicht voneinander unterschieden. 3. Nach Richard von St. Viktor74 kann in der Trinität eine Person auch nur aus einer einzigen Person kommen. Wenn aber der Heilige Geist nicht aus dem Sohn käme, dann käme, ganz wie der Sohn, auch der Heilige Geist nur aus einer einzigen Person, nämlich dem Vater. Und somit wären Sohn und Heiliger Geist eine einzige Person. 4. Ihm zufolge75 kann es in der Gottheit nur eine einzige Person geben, die keine aus ihr hervorgehende Person hat. Wenn aber der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorginge, dann hätte, ganz wie der Heilige Geist, auch der Sohn keine Person, die aus ihm hervorginge. Und somit wären Sohn und Heiliger Geist eine einzige Person. 5. Wo immer Personen durch Relationen unterschieden sind, müssen die so unterschiedenen Personen in einem Bezug zueinander stehen. Nun sind in der Gottheit die Personen durch Relationen unterschieden, sie können ja nicht durch etwas Bezugloses voneinander geschieden sein. Es gäbe hier also keinen Unterschied, wenn es hier keinen Bezug gäbe. Wenn nun der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorginge, dann würde er nicht in einem Bezug zu ihm stehen und damit wäre er als Person nicht vom ihm unterschieden. 6. Ein Gegensatzglied unterscheidet seinen Träger nur von einem Träger mit dem entsprechenden anderen Gegensatzglied. So unterscheidet sich z. B. ein Ding durch seine Weiße nur von einem Ding, an dem Schwärze auftritt. Also unterscheidet auch eine Relation ihren Träger nur von einem Träger mit der entsprechend anderen Relation. Die für den Heiligen Geist eigentümliche Relation, mit der er sich als Person unterscheidet, ist nun der Hervorgang. Als Person unterscheidet er sich demnach nur von dem, in dem die entsprechende andere Relation – also die aktive Hauchung – liegt. Diese wäre aber nicht im Sohn, wenn der Heilige Geist nicht aus dem Sohn 74 Richard von St. Viktor, De trin. V, 10 (SC 63, 330). 75 Richard von St. Viktor, De trin. V, 13 (SC 63, 336).

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käme. Wenn daher der Heilige Geist nicht aus dem Sohn käme, so gäbe es hier keinen Unterschied in der Person. 7. In der Gottheit gibt es allgemein zwei Aspekte, die mit der Relation zu tun haben: einmal, daß aus einer Person eine andere kommt; sowie, daß eine Person aus einer anderen kommt. Doch die Person, aus der eine andere kommt, läßt sich als Person nicht unterscheiden anhand von verschiedenen Arten des Entspringens. Denn der Vater bleibt dieselbe Person, aus der der Sohn durch die Zeugung und der Heilige Geist durch den Hervorgang kommen. Also unterscheidet sich auch diejenige Person, die durch Hauchung aus einer anderen Person kommt, mithin der Heilige Geist, nicht von derjenigen Person, die durch Zeugung aus einer anderen Person kommt, d. h. vom Sohn. 8. Richard von St. Viktor76 benennt den Unterschied zwischen den beiden Hervorgängen von Sohn und Heiligem Geist mit den Worten: »Die Weitergabe der Herrlichkeit war, um mich so auszudrücken, der Grund für den Ursprung der einen Person« – also des Sohnes –, »die Weitergabe der Liebe war der Grund für den Ursprung der anderen Person« – also des Heiligen Geistes. Aus der Weitergabe der Liebe würde aber kein Hervorgang des Heiligen Geistes resultieren, wenn nicht Vater und Sohn sich gegenseitig lieben würden und auf diesem Weg der Heilige Geist hervorgehen würde. Wenn also der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorginge, dann gäbe es keinen Unterschied zwischen dem Hervorgang des Heiligen Geistes und der Zeugung des Sohnes; und damit wären Sohn und Heiliger Geist auch nicht als Personen unterschieden. Antwort: Wer die Aussagen der Griechen recht bedenkt, wird finden, daß sie sich von uns mehr im Wortlaut als ihrem Sinn nach unterscheiden. Sie räumen zwar nicht ein, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, und dies entweder aus Ignoranz, aus Starrsinnigkeit, aus Sophisterei oder aus anderen Gründen. Doch aber gestehen sie ein, daß der Heilige Geist der Geist des Sohnes ist und vermittels des Sohnes aus dem Vater kommt – was sich gar nicht behaupten ließe, 76 Richard von St. Viktor, De trin. VI, 6 (SC 63, 388).

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wenn denn der Hervorgang des Heiligen Geistes völlig unabhängig vom Sohn wäre. Dem dürfen wir entnehmen, daß auch die Griechen selbst es so verstanden, daß der Hervorgang des Heiligen Geistes in irgendeiner geordneten Beziehung zum Sohn steht. Ich stelle nun fest: Wenn der Heilige Geist nicht aus dem Sohn käme und der Sohn nicht in irgendeiner Weise das Prinzip für den Hervorgang des Heiligen Geistes wäre, dann würde sich der Heilige Geist vom Sohn unmöglich in der Person unterscheiden können. Ebenso wäre es unmöglich, den Hervorgang des Heiligen Geistes von der Zeugung des Sohnes zu unterscheiden. Dies wird offensichtlich, wenn man darauf achtet, woran manche Autoren den Unterschied der göttlichen Personen festmachen. Denn einige führen den Unterschied der Personen auf die Relationen zurück, andere auf die Arten des Ursprungs, wieder andere auf die wesentlichen Attribute. (A) Wenn wir uns also ansehen, wie die Personen über die Relationen unterschieden werden, dann wird evident, daß der Heilige Geist als Person nicht vom Sohn unterschieden werden könnte, wenn er nicht aus diesem hervorginge; denn: 1. Eine wechselseitige Unterscheidung von Dingen kann im strengen Sinn nur erfolgen entweder über eine materiale bzw. quantitative oder über eine formale Unterteilung. Die Unterscheidung anhand von einer materialen bzw. quantitativen Unterteilung gibt es nur bei körperhaften Dingen: Hier gibt es mehrere Einzelexemplare von ein und derselben Spezies, weil eine spezifische Form an verschiedenen Teilen der Materie auftritt, insofern letztere quantitativ unterteilbar ist. Wenn daher ein Einzelwesen aus der gesamten Materie besteht, an der eine spezifische Form auftreten kann, dann ist es unmöglich, daß es von dieser Spezies mehrere Einzelexemplare gibt. Dies weist Aristoteles am Anfang seiner Schrift Über Himmel und Erde nach.77 Diese Art der Unterscheidung muß man jedoch völlig von der Gottheit fernhalten, da es in Gott weder Materie noch köperhafte Ausdehnung gibt. Eine Unterscheidung bei denjenigen Dingen, die eine gemeinsame, also zumindest eine generische Natur haben, kann aber nur über eine formale Unterscheidung 77 Vgl. Aristoteles, De caelo et mundo I, 9; 278 a 12 ff.

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erfolgen, welche auf irgendeinem Gegensatz beruht. Denn es ist ja so, daß innerhalb eines jeden beliebigen Genus die Unterschiede auf einem Gegensatz beruhen. Deshalb ist es unmöglich und undenkbar, daß es in der göttlichen Natur irgendeine Unterscheidung gibt, es sei denn die eine – nicht nur dem Genus, sondern auch der Anzahl eine – Unterscheidung aufgrund eines Gegensatzes. Wenn daher Personen in der Gottheit unterschieden werden, dann muß dies über einen relationalen Gegensatz geschehen, da es in Gott keinen anderen Gegensatz geben kann. Das dürfte zur Genüge klar sein. Denn was auch immer sich seinem Begriff nach unterscheidet, also z. B. die wesentlichen Attribute, das erbringt doch keinen Unterschied bei den Personen, da es in keinem Gegensatzverhältnis zueinander steht. Ebenso gibt es mehrere Kennzeichnungen für ein und dieselbe göttliche Person, da sie in keinem Gegensatzverhältnis zueinander stehen: also etwa beim Vater das Ungeboren-Sein, die Vaterschaft und die aktive Hauchung. Es gibt ja erst dort eine Unterscheidung, wo ein relationaler Gegensatz auftritt, also z. B. beim Vater- und dem Sohn-Sein. Wo es also keinen relationalen Gegensatz in der Gottheit gibt, da kann es auch keine reale Unterscheidung, mithin keine Unterscheidung in der Person geben. Wenn daher der Heilige Geist nicht aus dem Sohn hervorgehen würde, gäbe es keinen Gegensatz zwischen dem Sohn und dem Heiligen Geist, und somit würde sich der Heilige Geist nicht als Person vom Sohn unterscheiden. Doch kann man hier nicht behaupten, daß für eine derartige Unterscheidung der Gegensatz von Affirmation und Negation hinreichen würde. Dieser Gegensatz ergibt sich nämlich aus einem Unterschied, ist also nicht die Ursache für einen solchen, da ja das, was existiert, von etwas anderem durch etwas Akzidentelles oder Substantielles unterschieden ist. Denn daß dieses Ding nicht jenes Ding ist, folgt daraus, daß beide unterschieden sind. Genauso ist klar, daß die Wahrheit einer negierenden Behauptung über etwas Existierendes auf der Wahrheit der affirmativen Behauptung beruht; so beruht z. B. die Wahrheit der negierenden Behauptung »Ein Afrikaner ist nicht weiß« auf der Wahrheit der affirmativen Behauptung »Ein Afrikaner ist schwarz«. Daher muß jeder Unterschied, der auf dem Gegensatz von Affirmation und Negation

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beruht, auf einem Unterschied eines affirmativen Gegensatzes beruhen. Daher kann der letzte Grund für den Unterschied zwischen Sohn und Heiligem Geist nicht darin liegen, daß der Sohn gezeugt und nicht gehaucht, der Heilige Geist hingegen gehaucht und nicht gezeugt ist. Denn zuvor müssen wir schon den Unterschied zwischen Zeugung und Hauchung, zwischen Sohn und Heiligem Geist anhand eines Gegensatzes von zwei affirmativen Gliedern eingesehen haben. 2. Augustinus zufolge78 ist das, was von der Gottheit ohne Bezug ausgesagt wird, allen drei Personen gemeinsam. Daher kann es nur so sein, daß eine Unterscheidung der göttlichen Personen nur anhand von etwas erfolgen kann, was relational von ihnen ausgesagt wird. Denn es gibt ja nur diese beiden Arten von Prädikation bei der Gottheit.79 Doch die grundlegende relationale Unterscheidung, die es bei der Gottheit gibt, ist folgende: einmal, daß aus dem einen der andere kommt; sowie, daß der eine aus keinem anderen kommt. Wenn man nun eines der beiden Glieder – also: daß aus dem einen der andere kommt – weiter unterteilt, dann muß diese Unterteilung anhand von Merkmalen erfolgen, die auf derselben Ebene liegen. Wie nämlich Aristoteles erklärt,80 verstößt man gegen die richtige Abfolge beim Unterteilen, wenn man hier etwas Akzidentelles und nichts Substantielles in Anschlag bringt, also wenn man etwa sagen würde: »Bei den Lebewesen unterscheidet man zwischen vernunftbegabten und vernunftlosen. Bei den vernunftlosen Lebewesen unterscheidet man weiter zwischen weißen und schwarzen.« Dies wäre keine richtige Unterteilung, denn aus dem, was akzidentell ist, läßt sich nichts schlichtweg Einheitliches bilden, und die unterste Spezies, die vieles Unterschiedliche umfaßt, wäre dann nichts schlichtweg Einheitliches mehr. Wenn also in der Gottheit der Umstand, daß einer aus einem anderen kommt, unterschieden und weiter unterteilt wird, dann geschieht dies anhand von unterschiedlichen Merkmalen, die auf derselben Ebene liegen – so daß also von den beiden, die jeweils aus 78 Augustinus, De trin. V, 8 (CCSL 50, 215 f.). 79 Ebd. V, 5 (CCSL 50, 210). 80 Aristoteles, Met. VII, 10; 1035 b 34. VII, 12; 1037 b 29 f.

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einem anderen kommen, der eine von den beiden aus dem anderen von den beiden kommt. Und dies impliziert einen Unterschied im Hervorgehen, der mit der Rede davon zum Ausdruck kommt, daß der eine über die Zeugung, der andere aber über die Hauchung hervorgeht. Daher unterscheidet Richard von St. Viktor die beiden Hervorgehenden so voneinander, daß der eine einen anderen hat, der aus ihm hervorgeht, der andere hingegen dies nicht hat.81 3. Obwohl im Vater zwei Relationen sind – die Vaterschaft und die aktive Hauchung –, ist nur die Vaterschaft für die Person des Vaters konstitutiv. Von daher nennt man sie die personenbezogene Eigentümlichkeit bzw. Relation. Hingegen ist die aktive Hauchung diejenige Relation der Person [des Vaters], welche nicht personenbezogen ist – sie kommt sozusagen zu der bereits konstituierten Person noch hinzu. Von daher ist klar, daß die aktive Zeugung bzw. die Vaterschaft in der begrifflichen Ordnung der Hauchung vorangeht. Ebenso muß nun die Sohnschaft, die der Vaterschaft als ihrem Gegenteil korrespondiert, der passiven Hauchung, also dem Hervorgang des Heiligen Geistes, irgendwie vorangehen. (a) Entweder tut sie dies so, daß bei derselben Person die passive Hauchung zur Sohnschaft noch hinzukommt, ganz wie die aktive Hauchung zur Vaterschaft. Und damit wird dieselbe Person gehaucht und gezeugt, ganz wie ein und dieselbe Person zeugt und haucht. (b) Oder aber es gibt eine andere Ordnung zwischen Sohnschaft und passiver Hauchung. Nun gibt es aber in Gott ausschließlich eine Ordnung im Wesen, so daß, wie Augustinus bemerkt, der eine aus dem anderen kommt.82 81 Richard von St. Viktor, De trin. V, 10 (SC 63, 330). 82 Die meisten De-Potentia-Ausgaben verweisen hier auf Augustinus,

De trin. et unitate, Kap. XIII. In Mignes Edition dieses pseudographischen Textes bricht der Text nach den ersten fünf Kapiteln ab (PL 42, col. 1193–1200; siehe auch Anm. 64). In der Edition des Werkes aus dem Jahr 1694 (Augustini Opera, Vol. VIII, Paris, exc. Franciscus Muguet) endet der Text an derselben Stelle wie bei Migne. Auch die Einleitung zu diesem Textfragment hat Migne von dieser Edition wörtlich übernommen. Frühere Editionen konnten bislang nicht gefunden werden; alle späteren Editionen schließen sich der Version von Migne an. Das läßt den Schluß zu: Sobald sich herausstellte, daß es sich nicht um einen Augustinus-Text handelt, wurde das Werk gar nicht mehr vollständig gedruckt. – Für diese

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Daher kann es hier nur so sein, daß entweder die Person des Sohnes und des Heiligen Geistes identisch sind oder aber der Heilige Geist aus dem Sohn kommt. (B) Wenn man aber eine Unterscheidung der göttlichen Personen nach ihrem Ursprung und nicht nach ihren Ursprungsrelationen in Erwägung zieht, dann kommt man zum selben Schluß. Das wird aus den folgenden Bemerkungen klar. 1. Wenn man auf die Eigentümlichkeit der göttlichen Natur schaut, dann kann es in Gott eine Mehrzahl an Personen nur dadurch geben, daß die eine aus der anderen entspringt, keinesfalls aber dadurch, daß zwei aus einer entspringen. Dies wird klar, wenn man beachtet, wie es bei unterschiedlichen Dingen zu einer Unterscheidung kommt. Denn bei den materialen Dingen, die sich, wie schon gesagt, durch Teilung der Materie bzw. von quantitativen Größen vervielfältigen, können sich zwei Einzelexemplare von derselben Spezies gleich ausnehmen, ganz so, wie etwa zwei Stücke einer quantitativen Größe gleich sein können. Doch wo es einen grundlegenden Unterschied hinsichtlich der Form gibt, da können sich zwei Dinge83 unmöglich gleich ausnehmen. Denn wie Aristoteles sagt, sind die Formen der Dinge den Zahlen vergleichbar, die durch Addition bzw. Subtraktion der Eins andere Gestalt annehmen.84 Darüber hinaus bilden die formalen Differenzen zwischen den Dingen eine Rangordnung in der Vollkommenheit aus. So unterscheidet sich z. B. eine Pflanze spezifisch von einem Stein dadurch, daß bei ihr noch Lebendigkeit hinzukommt; das vernunftlose Tier unterscheidet sich von der Pflanze dadurch, daß bei ihm noch die Wahrnehmung hinzukommt; und der Mensch vom vernunftlosen Tier dadurch, daß bei ihm noch Geistigkeit hinzukommt. Aus diesem Grund gibt es bei den materiefreien Dingen, welche sich nicht durch materiale Unterteilung vervielfältigen lassen, eine Mehrzahl nur im Verein mit einer bestimmten Ordnung. Bei den erschaffeHinweise danke ich Herrn Mag. Markus Bürscher von der Universitätsbibliothek der KU Linz sehr herzlich. 83 aliquo duo M : aliqua duo L 84 Aristoteles, Met. VIII, 3; 1043 b 34 ff.

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nen materiefreien Substanzen ist das die Rangordnung in der Vollkommenheit, so daß der eine Engel in seinem Wesen vollkommener ist als der andere. Da manche Philosophen der Ansicht waren, jede unvollkommene Natur werde von einer vollkommeneren erschaffen, so behaupteten sie, daß die Vervielfältigung der materiefreien Substanzen ausschließlich über Ursache und Wirkung geschehe. Doch der wahre Glaube sieht dies anders, da wir glauben, daß aus der Ordnung der göttlichen Weisheit die verschiedenen Ordnungen der immateriellen Substanzen hervorgegangen sind. Wenn man also in der Gottheit keine Rangordnung in der Vollkommenheit ansetzen kann, wie es die Arianer taten – mit der Behauptung, der Vater sei über den Sohn und beide über den Heiligen Geist erhaben –, dann kann es nur so sein, daß eine Mehrzahl bei den göttlichen Personen einzig möglich und denkbar ist im Hinblick auf die Abfolge des Ursprungs: so daß also der Sohn aus dem Vater kommt und der Heilige Geist aus dem Sohn. Wenn nämlich der Heilige Geist nicht aus dem Sohn käme, dann wären sie beide gleich in ihrem Ursprung aus dem Vater. Damit wären sie aber entweder keine zwei Personen, oder es gäbe bei ihnen eine Rangfolge in der Vollkommenheit, wie es die Arianer behaupten. Oder aber es gäbe zwischen ihnen eine materiale Unterteilung, was jedoch nicht möglich ist. In der Linie dieses Argumentes steht die Aussage des Hilarius, daß man zwei Götter annehme, wenn man in der Gottheit zwei nicht-gezeugte Götter ansetze, die ihr Sein nicht aus dem anderen haben.85 Wenn nämlich die Vervielfältigung nicht über die Abfolge des Ursprungs zustande käme, dann müßte sie über eine Rangfolge im Wesen erfolgen. Es liefe daher auf das Gleiche wie vorhin hinaus, wenn man nicht beim Sohn und beim Heiligen Geist eine Abfolge ihres Ursprungs ansetzen würde. 2. Was der Natur nach aus Einem hervorgeht, muß selbst Eines sein. Denn die Natur geht stets auf Eines. Was hingegen aus einer willentlichen Tätigkeit hervorgeht, das kann mehreres sein, auch wenn es aus einer einzigen Instanz kommt. So gingen etwa aus dem Einen Gott nach seinem Willen unterschiedliche Geschöpfe hervor. Doch der Sohn geht bekanntlich der Natur nach aus dem Vater 85 Hilarius, De synodis, Kap. 24 (PL 10, col. 520 C).

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und nicht willentlich hervor, wie die Arianer meinten. Aus diesem Grund bemerkt Hilarius: »Was der Natur nach hervorgeht, das ist so wie das, aus dem es hervorgeht; was aber aus einer willentlichen Tätigkeit hervorgeht, das ist nicht so wie das, woraus es hervorgeht, sondern so, wie es jenes haben wollte.«86 Der Sohn ist nun so wie der Vater; doch die Geschöpfe sind so, wie Gott sie haben wollte. Deshalb kommt der Sohn der Natur nach aus dem Vater, die Geschöpfe hingegen willentlich. Auch der Heilige Geist ist so wie der Vater, denn er ist kein Geschöpf, wie das Arius und Macedonius behaupteten. Er muß also der Natur nach aus dem Vater hervorgehen. Deswegen bezeichnen Athanasius und andere heilige Männer ihn als den natürlichen Geist des Vaters und des Sohnes.87 Folglich können der Sohn und der Heilige Geist nur so aus dem Vater hervorgehen, daß einer allein, d. h. der Sohn, nur aus dem Vater hervorgeht sowie der eine Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn, insofern sie eins sind. 3. Richard von St. Viktor88 weist die Unmöglichkeit nach, daß es in der Gottheit einen vermittelten Hervorgang geben kann. Wenn nämlich jede der göttlichen Personen in der jeweils anderen ist, dann muß eine jede von ihnen unmittelbar auf die jeweils anderen hingeordnet sein. Wenn aber der Sohn und der Heilige Geist aus dem Vater kämen, ohne daß der Heilige Geist aus dem Sohn käme, dann gäbe es keine unmittelbare Hinordnung des Heiligen Geistes zum Sohn. Denn sie wären sonst nur vermittels von dem, aus dem sie ihr Sein haben, aufeinander hingeordnet89, wie dies z. B. der Fall wäre bei zwei Brüdern, die von einem Vater abstammen. Als zwei derart unterschiedene Personen, bei denen die eine nicht aus der anderen kommt, können demnach der Sohn und der Heilige Geist nicht aus dem Vater kommen. (C) Wenn man sich die Unterscheidung der göttlichen Personen im Hinblick auf die wesentlichen Attribute ansieht, dann kommt man offensichtlich zu denselben Schlußfolgerungen; denn: 1. In diesem Zusammenhang spricht man davon, daß der Sohn 86 87 88 89

Ebd. Athanasius, Ep. ad Serapionem I, 25 (PG 26, col. 587 C). Richard von St. Viktor, De trin. V, 9 (SC 63, 324–328). ordinaretur M : ordinarentur L

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auf dem Wege der Natur, der Heilige Geist hingegen willentlich hervorgeht. Stets ist ja ein Hervorgang der Natur das Prinzip und der Ursprung für jede andere Art von Hervorgang. Denn alles, was durch Kunstfertigkeit, willentlich oder durch den Intellekt zustande kommt, geht auf Grundlage von dem hervor, was naturgemäß ist. So sagt auch Richard von St. Viktor, daß unter allen Arten des Hervorgehens zweifellos jene den ersten und alle anderen übertreffenden Platz einnimmt, in der der Sohn aus dem Vater hervorgeht.90 Denn wenn dieser Hervorgang nicht vorangegangen wäre, hätte keiner der übrigen irgendeinen Platz zum Existieren gefunden. 2. Klar wird dies auch angesichts der Redeweise, wonach der Sohn über einen geistigen Hervorgang als das Wort, der Heilige Geist aber über einen willentlichen Hervorgang als die Liebe hervorgeht. Denn es ist weder möglich noch denkbar, daß es eine Liebe zu etwas geben kann, was nicht zuvor im Intellekt erfaßt worden ist. Von daher kommt jede Liebe aus einem Wort, was nur bei einer Liebe von geistiger Natur gilt. 3. Das gleiche zeigt sich, wenn man wie Athanasius den Heiligen Geist als einen belebenden Hauch der Gottheit bezeichnet. Denn jede Lebensregung und lebendige Tätigkeit wird durch den Geist gelenkt, es sei denn, das Gegenteil tritt aufgrund einer Unvollkommenheit der Natur ein. Aus all dem Angeführten läßt sich somit ersehen, daß der Heilige Geist nicht vom Sohn zu unterscheiden wäre, wenn er nicht aus ihm hervorginge, sowie, daß dann die Hauchung nicht von der Zeugung unterschieden wäre. Zu 1. Der Heilige Geist unterscheidet sich substantiell dadurch vom Sohn, daß der Ursprung des einen vom Ursprung des anderen unterschieden ist. Doch dieser Unterschied im Ursprung kommt daher, daß der Sohn einzig aus dem Vater hervorgeht, der Heilige Geist aber aus dem Vater und dem Sohn. Richard von St. Viktor macht dies klar, wenn er sagt: »Es ist zu beachten, daß der Unterschied in den Eigentümlichkeiten nur an der Zahl der hervorbringenden Per90 Richard von St. Viktor, De trin. VI, 17 (SC 63, 424).

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sonen liegt; denn die erste Person hat ihr Sein von keiner anderen, die zweite ihr Sein von einer einzigen Person und die dritte von den beiden.«91 Zu 2. Anselms Diktum, wonach sich der Sohn und der Heilige Geist allein darin unterscheiden, daß sie auf unterschiedliche Weise hervorgehen, ist vollkommen wahr. Wie aber aufgezeigt, würden beide nicht auf je verschiedene Weise hervorgehen, wenn der Heilige Geist nicht auch aus dem Sohn käme. Wenn man also in Abrede stellt, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, dann wird jeder Unterschied zwischen Sohn und Heiligem Geist hinfällig. Anselms Absicht ist jedoch, zunächst die Punkte hervorzuheben, in denen wir mit denen übereinstimmen, die den Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Sohn leugnen und die gleichwohl behaupten, der Heilige Geist sei vom Sohn unterschieden. Daher sind die angeführten Worte von Anselm eher als ein Diskussionsbeitrag denn als eine Behauptung mit Wahrheitsanspruch zu verstehen. Zu 3. Die Folgerung ist korrekt, daß es, wenn es zwei Arten von Hervorgang in der Gottheit gibt, auch zwei hervorgehende Personen gibt. Doch, wie aufgezeigt, kann es zwei Arten von Hervorgang nur geben, wenn der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht. Zu 4. Das Gleiche gilt hier. Zu 5. Es muß nicht unbedingt so viele subsistierende Personen in der Gottheit geben, wie es dort Relationen gibt. Denn in der einen Person des Vaters gibt es zwei Relationen: die Vaterschaft, in der er sich auf den Sohn bezieht, sowie die gemeinsame Hauchung, mit der er sich auf den Heiligen Geist bezieht. Und die Relation der Vaterschaft konstituiert eine subsistierende Person, während die Relation der gemeinsamen Hauchung keine Eigentümlichkeit ist, die eine Person konstituiert, sondern eine Relation, die an einer bereits konstituierten Person auftritt. Wenn sich also aus der Zeugung und dem Hervorgang zwei Relationen ergeben, dann folgt daraus nicht, daß es auch zwei Personen geben muß. Man könnte hier auch so antworten, wie oben ausgeführt: Es gibt nur dann zwei Hervorgänge, wenn einer der beiden Hervorgehenden aus dem anderen hervorgeht. 91 Richard von St. Viktor, De trin. V, 10 (SC 63, 330).

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Zu 6. Damit ist auch hier die Antwort klar. Zu 7. Was aus Liebe hervorgeht, das muß aus dem hervorgehen, was auf dem Wege der Natur hervorgeht. Das erhellt aus dem oben Ausgeführten. Zu 8. Die Hauchung unterscheidet den Heiligen Geist vom Hauchenden, ganz so wie die Zeugung den Sohn vom Zeugenden unterscheidet. Gleichwohl folgt daraus nicht, daß sich der Gehauchte und der Gezeugte unterscheiden, wenn der Hauchende und der Zeugende ein und dieselbe Person ist. Ebensowenig folgt dies daraus, daß ein und dasselbe Ding nicht über verschiedene Hervorgänge hervorgehen kann. Vielmehr können die Hervorgänge in der Gottheit nur dadurch verschieden sein, daß eine der beiden hervorgehenden Personen aus der anderen hervorgeht. Das ist oben aufgezeigt worden.92 Zu 9. Der Heilige Geist kommt in gleich vollkommener Weise aus dem Vater wie aus dem Vater und dem Sohn. Gleichwohl unterscheidet er sich vom Sohn nicht deshalb, weil er aus dem Vater kommt, sondern weil er aus dem Sohn kommt. Zu 10. Der Vater ist das zureichende Prinzip für den Heiligen Geist und er benötigt nicht noch ein anderes Prinzip, um den Heiligen Geist hauchen zu können. Denn der Sohn ist kein vom Vater unterschiedenes Prinzip für den Heiligen Geist, sondern ein Prinzip mit ihm zusammen. Zu 11. Vom Begriff her gesehen, ist ein Hervorgang früher als die Gemeinschaft, ganz so, wie das Gemeinsame früher ist als das Eigentümliche. Gleichwohl ist ein Hervorgang von dieser Art – der Heilige Geist geht ja als die Liebe, die Gemeinschaft und als das Band zwischen Vater und Sohn hervor – von seinem Begriff her nicht früher als die Gemeinschaft. Wenn man sich daher die Gemeinschaft wegdenkt, so bleibt nicht einfach der Hervorgang übrig. Genauso geht ja »Lebewesen« von seinem Begriff her »Mensch« voran, während »vernunftbegabtes Lebewesen« dies nicht tut. Zu 12. Der Sache nach sind die Eigentümlichkeiten, die Relationen und die Kennzeichen in der Gottheit identisch – abgesehen davon, daß es nur drei Eigentümlichkeiten gibt: Vaterschaft, Sohn92 Vgl. De pot. q. 10 a. 4.

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schaft und Hervorgang. Dagegen gibt es vier Relationen, insofern hier zu den besagten drei Eigentümlichkeiten noch die gemeinsame Hauchung hinzukommt, die zwar eine Relation ist, doch aber keine Eigentümlichkeit, da sie ja nicht auf eine einzige Person zutrifft, sondern auf zwei. Von den Kennzeichen gibt es fünf; hier kommt noch das Ungeboren-Sein hinzu, welches keine Relation darstellt, sondern ein Kennzeichen, an dem der Vater erkannt wird. Darüber hinaus ist es auch eine Eigentümlichkeit, weil es allein dem Vater zukommt. Gleichwohl ist es keine personale Eigentümlichkeit, da es nicht für die Person des Vaters konstitutiv ist. Der Sache nach kann es also keine Rangfolge bei den Eigentümlichkeiten, Relationen und Kennzeichen geben, da ja mit allen drei dasselbe zum Ausdruck kommt. Doch wenn wir uns ihre Rangfolge im Lichte ihrer jeweiligen Begriffsinhalte ansehen, dann ist das Kennzeichen der Relation in der Rangfolge so vorgeordnet, wie das bei unseren Einordnungen geschieht. In der sachlichen Rangfolge hingegen sind die Relation und die Eigentümlichkeit vorgeordnet. Wenn wir nun nach einer Rangfolge zwischen der Relation und der Eigentümlichkeit fragen, so können wir in der erschaffenen Welt keine Rangfolge zwischen ihnen ausmachen. Denn manche, doch nicht alle Eigentümlichkeiten sind auch Relationen, wie auch manche, aber nicht alle Relationen Eigentümlichkeiten sind. Wenn wir aber die Eigentümlichkeit bei etwas Bezuglosem nehmen, dann ist die Eigentümlichkeit das erste in der Rangfolge, in der das Bezuglose dem Relationalen vorangeht. Bei den göttlichen Personen hingegen muß die Relation der Eigentümlichkeit vorangehen. Denn eigentümlich ist ja das, was nur einer einzigen Person zukommt, und daher setzt der Begriff der Eigentümlichkeit eine Unterschiedenheit voraus. In der Gottheit ist aber nur durch die Relation etwas unterschieden. Somit ist die Relation als das Prinzip für die Unterscheidung in der Gottheit von ihrem Begriff her der Eigentümlichkeit vorgeordnet. Man muß jedoch beachten, daß es weder zum Begriffsumfang der Eigentümlichkeit noch zu dem der Relation als solchem gehört, konstitutiv für eine Person zu sein. Denn da eine Person eine Einzelsubstanz von geistiger Natur ist, so kann nichts, was nicht zur Substanz gehört, für eine Person konstitutiv sein. Bei den erschaf-

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fenen Dingen sind nun die Eigentümlichkeit und die Relation nicht konstitutiv, sondern kommen eher erst zu einer Person hinzu. In der Gottheit aber ist die Relation, die hier zugleich auch Eigentümlichkeit ist, das göttliche Wesen selbst. Daran liegt es, daß das, was durch sie konstituiert wird, eine Person ist. Denn wenn die Vaterschaft nicht identisch mit dem göttlichen Wesen wäre, würde das Wort »Vater« überhaupt keine Person bezeichnen, sondern nur eine Relation als Akzidens einer Person, so wie dies beim Menschen der Fall ist. Sofern also die Vaterschaft identisch mit dem göttlichen Wesen ist, konstituiert sie eine Hypostase in der Gottheit. Insofern die Vaterschaft aber eine Relation ist, erbringt sie einen Unterschied; insofern sie aber eine Eigentümlichkeit ist, trifft sie nur auf eine und keine weitere Person zu; insofern sie ein Kennzeichen ist, ist sie das Prinzip, wodurch sie als Person erkannt wird. In der logischen Abfolge ist somit das erste das, was die Person konstituiert; das zweite das, was sie unterscheidet; das dritte das, was für sie eigentümlich ist; das vierte das, wodurch sie sich zu erkennen gibt. Zu 13. Zwar steht die Sohnschaft in keinem relationalen Gegensatz zum Hervorgang [des Heiligen Geistes]; doch der hervorgehende [Heilige Geist] steht in einem relationalen Gegensatz zum Sohn. Das ist der Grund, warum sich der Hervorgang von der Sohnschaft unterscheidet. Zu 14. Zwar erkennen die Griechen nicht an, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht, doch aber erkennen sie an, daß der Sohn in bestimmter Weise das Ursprungsprinzip für den Heiligen Geist ist. Das zeigt sich an ihrer Rede davon, daß der Heilige Geist »vermittels des Sohnes« aus dem Vater komme und er der Geist des Sohnes sei. Davon abgesehen kann eine Aussage implizit einen kontradiktorischen Widerspruch in sich bergen, dem ein Unwissender ohne weiteres explizit zustimmen kann. Und so vermag ein Uneinsichtiger zu behaupten, daß der Heilige Geist nicht aus dem Sohn komme, auch wenn er vom Sohn verschieden sei. Zu 15. Dadurch, daß Johannes von Damaskus den Heiligen Geist als den Geist des Sohnes anerkennt, möchte er zum Ausdruck bringen, daß der Heilige Geist in irgendeiner Weise aus dem Sohn entspringt. Zu 16. Den Heiligen Geist und den Sohn nennt man die beiden

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Ströme, insofern sie beide aus dem Vater kommen. Zwar heißt es auch bei den griechischen Gelehrten, daß der Sohn die Quelle des Heiligen Geistes sei, nicht aber, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt. Dasselbe kann man auch von den anderen Gleichnissen feststellen.

NACHWORT ZU DE POTENTIA 1

Mit diesem dritten und letzten Teilband liegt die erste deutsche Gesamtübersetzung der »Quaestiones disputatae de potentia Dei« nun vollständig vor. Die hier versammelten Quaestionen gliedern sich folgendermaßen: Quaestio VII: Die Einfachheit des göttlichen Wesens (11 Artikel) Quaestio VIII: Die Relationen, die seit Ewigkeit von Gott gelten (4 Artikel) Quaestio IX: Die göttlichen Personen (9 Artikel) Quaestio X: Der Hervorgang der göttlichen Personen (5 Artikel) Bereits diese Aufzählung läßt erkennen, daß der in den vorangegangenen Quaestionen zentrale Begriff der »potentia«, also der göttlichen Macht bzw. des göttlichen Vermögens, offenbar so gut wie keine Rolle mehr spielt. Kaum ein Dutzend Mal fällt dieser vormals auf Schritt und Tritt gebrauchte Terminus in den letzten vier Großabschnitten. Bis heute herrscht daher die Meinung vor, daß die späteren Titel, die sich in manchen alten Druckausgaben finden – »De potentia Dei et ultra« (›Über Gottes Vermögen und darüber hinaus‹) oder »De potentia Dei cum annexis« (›Über Gottes Vermögen nebst Anhängen‹) –, die Sachlage durchaus treffend wiedergeben: Konzentrieren 1 Für allgemeine Bemerkungen zur Textkonstitution und zur Übersetzung von »De potentia«, zum Gesamtaufbau und zum Gliederungsprinzip dieser Schrift siehe mein Nachwort zum ersten Teilband, v. a. S. 311–319. – Wie in den beiden ersten Teilbänden sind auch hier diejenigen Stellen in den Fußnoten eigens vermerkt, an denen meine Übersetzung vom lateinischen Text der Marietti-Ausgabe abweicht und sich am noch unpublizierten Text der »Editio leonina« orientiert. Dem Vorsitzenden der »Commissio leonina«, Herrn Dr. P. Adriano Oliva OP, sei wiederum ganz herzlich gedankt für seine bereitwilligen Auskünfte zu Textproblemen und zu Fragen bei Quellennachweisen.

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Nachwort zu de potentia

sich die ersten Quaestionen noch thematisch auf die göttliche »potentia«, auf ihre Reichweite und ihre verschiedenen Formen als Zeugungs- und Schöpfungsvermögen, so ist spätestens ab Quaestio VII der sachliche Zusammenhang mit den Anfangspassagen des Werkes so locker geworden, daß man nicht mehr guten Gewissens von einem einheitlichen Werk reden kann.2 Gleichwohl ist bei der obigen Übersicht eine durchaus geschlossene Thematik nicht zu verkennen. Denn die vier letzten Quaestionen konzentrieren sich allesamt auf einen Bereich, der zentral für das christliche Selbstverständnis, insbesondere im lateinischen Westen, ist. Gemeint ist die innere, trinitarische Verfaßtheit der christlichen Gottheit und hierbei wiederum die spezifische Weise des Hervorgangs der drei göttlichen Personen. Zugleich aber darf diese Dreiheit der Personen in keiner Weise die absolute Einfachheit Gottes in Frage stellen. Vielmehr muß die erstere auf letzterer gleichsam aufruhen. Konsequenterweise beginnt Thomas denn auch die Erörterung der innergöttlichen Verhältnisse mit der Behandlung der Einfachheit des göttlichen Wesens. Somit präsentiert sich das Themenspektrum in den letzten vier Quaestionen zwar als wohlgeordnet und durchdacht. Dennoch bleibt die Frage, ob und wie diese Abschnitte mit dem Vorangegangenen zusammenhängen. Begibt man sich auf die Suche nach einem sachlichen Konnex, so kann man hier nicht auf irgendwelche selbstreflexiven Bemerkungen von Thomas zurückgreifen, aus denen unmittelbar klar würde, wie es denn nun mit dem Ganzen von »De potentia« bestellt sei. Allenfalls indirekt ist daher ein thematischer oder 2 Neuerdings hat David Berger diese Sicht bekräftigt, wonach hier »inhaltlich sehr verschiedene Quaestionen versammelt« sind, von denen »nur die ersten sechs Fragen […] in irgendeiner Weise von der Macht Gottes« handeln. Vgl. D. Berger, Art. »Die quaestiones disputatae«, in: Thomas-Handbuch, hrsg. von Volker Leppin, Tübingen 2016, S. 163–171; hier S. 167. – Auch Chenu ist der Ansicht, daß manche Quaestio disputata »erst post factum zusammengestellt wurde und daß darin auch isolierte Disputationen aufgenommen wurden« (M.-D. Chenu OP, Das Werk des Hl. Thomas von Aquin, übs. von Otto M. Pesch OP, Heidelberg (u. a.) 1960, S. 320.). Weitere Literatur zu dieser Frage in meinem Nachwort zum ersten Band, S. 314 f.

Nachwort zu de potentia

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systematischer Zusammenhang in diesen Quaestiones disputatae zu erschließen. Und so bietet es sich am ehesten an, sich nochmals den Gesamtaufbau von »De potentia« vor Augen zu führen. I. Die Quaestionen VII–X im Gesamtaufbau von »De potentia« Die Grundlage des Ganzen bilden Thomas’ Reflexionen auf den Begriff der potentia als solchen. Im Hinblick auf Gott, und hier speziell im Hinblick auf dessen Allmacht, differenziert Thomas das göttliche Vermögen. In Gottes Macht steht dabei nicht in einem unverbindlichen Sinne jedes Beliebige; vielmehr zeigt sich die göttliche potentia auf zwei Weisen, die ihr und nur ihr zukommen: als Zeugungsvermögen und als Schöpfungsvermögen. Gottvater zeugt Gottsohn, in dem er sich vollkommen reflektiert und ihm dabei sein gesamtes Wesen mitteilt. Und als Schaffender verfügt Gott über das Vermögen, einen vollkommenen, an nichts Vorgängiges gebundenen Neuanfang von Sein aus dem Nichts zu setzen. Diese Differenzierung des Vermögens zur Zeugung (generatio) von demjenigen zur Schöpfung (creatio) bleibt nun für den Gesamtaufbau der zehn Quaestionen bis zum Schluß bestimmend. (a) Quaestio II handelt zunächst die grundsätzlichen Fragen zum göttlichen Zeugungsvermögen ab; also etwa, ob dieses sich einem Akt des Willens verdanke (3. Artikel), ob es Bestandteil der göttlichen Allmacht sei (6. Artikel), ob es identisch mit dem Schöpfungsvermögen sei (6. Artikel). (b) Ab Quaestio III steht dann bis zur Quaestio VI das Schöpfungsvermögen im Vordergrund des Interesses. Ungemein vielfältige Aspekte kommen hier im Laufe von Hunderten Druckseiten zur Sprache. Gleichwohl kann man anhand der Abfolge der einzelnen Quaestionen, die gleichsam als Themenpakete fungieren, einen durchaus geschlossenen Gedankengang nachzuvollziehen. Zunächst steht mit der umfangreichen Quaestio III die Frage im Raum, was es für den Kosmos bedeutet, erschaffen zu sein: Ist dies gleichbedeutend mit der völligen Abhängigkeit der Welt und der innerweltlichen Prozesse von der göttlichen Allmacht? Und wenn dies

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nicht zutrifft, ist die Natur dann selbst schöpferisch tätig? 3 Kann der Geist eines Menschen über natürliche Prozesse in Sein gelangen? Und schließlich: Kann der Kosmos, der aus einer ewigen Instanz hervorgeht, selber ewig sein? Auch wenn die Quaestio IV nicht zur Gänze von Thomas stammt, so behandelt sie ein gewichtiges Problem, das sich aus der aristotelischen Kosmologie im Kontext des Schöpfungsbegriffes ergibt. Für Aristoteles ist die Materie nicht nur das Prinzip für die Individuation der Formen, sondern als die erste, formlose Materie verkörpert die Materie sozusagen den negativen Grenzbegriff der reinen Möglichkeit, in der sämtliche Werdeprozesse im Kosmos ihr Fundament haben, die sich jedoch ihrerseits nicht einem Werdeprozeß verdankt. Doch unter christlichen Auspizien ist auch die erste Materie als erschaffen zu denken – oder aber dieser Grenzbegriff einer Materie vor aller Formung, und d. h. vor aller Erschaffung der konkreten Dinge, verliert seine Funktion als Prinzip des Werdens (principium ex quo) und damit seinen Sinn. Zuletzt greifen die Quaestionen V und VI die Frage nach der Reichweite des göttlichen Schöpfungsvermögens auf, die erstere in zeitlicher Hinsicht, die letztere anhand des Spezialfalls der Wunder: Wenn Erschaffung nicht nur eine Initialzündung meint, sondern den ständigen Erhalt der Dinge im Sein, dann sind Gründe zu plausibilisieren, warum dieser Erhalt am Sein dereinst von Gott wieder rückgängig gemacht werden sollte. Hätte die Schöpfung ansonsten ein Anrecht auf immerwährende Existenz? – Wunder schließlich sind der Extremfall, an dem der einmal eingerichtete Kosmos seine Grenzen zu finden scheint. Wunder sind offenbar per definitionem unnatürlich und konterkarieren insofern das göttliche Schöpfungsvermögen: als zusätzliche göttliche Eingriffe in das kosmische Geschehen.

3 Erhellendes dazu bei Rolf Schönberger, »Abhängige Selbständigkeit. Metaphysische Reflexion über den Begriff der Schöpfung im Ausgang von Thomas von Aquin«, in: Naturalisierung des Geistes? Beiträge zur gegenwärtigen Debatte um den Geist, hrsg. von. K. Appel (u. a.), Würzburg 2008, 171–201.

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Damit hat Thomas den Bezirk des göttlichen Schöpfungsvermögens abgeschritten: was dieser für das Erschaffene bedeutet, für dessen Anfang und mögliches Ende sowie für die ihm immanente, natürliche Regularität. (c) Mit der Quaestio VII wendet sich der Blick zurück auf die zweite Quaestio. In einer Art Ringkomposition werden Fragen, die im Zusammenhang mit dem göttlichen Zeugungsvermögen standen, nun auf die trinitarische Struktur des christlichen Gottes bezogen. Mit der Quaestio II war zwar grundsätzlich geklärt, daß das Vermögen zur Zeugung – anders als das Schöpfungsvermögen – dem göttlichen Wesen notwendig zugehört: Ohne Schöpfung wäre Gott immer noch Gott, nicht aber ohne die Zeugung von Gottsohn. Dennoch war damit noch nicht ge- und erklärt, was diese Zeugung impliziert. Von Quaestio VII an rückt daher der Begriff der Relation (relatio) ins Zentrum der Betrachtung und löst damit in sachlicher Konsequenz den Begriff des Vermögens (potentia) ab. Die göttliche potentia meint also nicht nur unspezifisch ein Können oder gar ein Alles-Können, sondern sie meint insbesondere ein Sich-Verhalten (relatio), aus dem sich erklärt, was und in welcher Form Gott überhaupt können kann.4 II. Einige Grundgedanken in den Quaestionen VII–X Die siebte Quaestio umfaßt 11 Artikel; sie setzt ein mit der Frage nach der Einfachheit Gottes und beschäftigt sich zuletzt mit dem Status der Relationen, die zwischen Gott und seiner Schöpfung bestehen. Auf den ersten Blick sieht das nach einem thematischen Sammelsurium aus. Doch das scheint nur so: Es handelt sich dabei vielmehr um eine wohldurchdachte Abfolge von Überlegungen. 4 Zur Relation bei Thomas siehe etwa Anton Krempel, La doctrine de la relation chez saint Thomas. Exposé historique et systématique, Paris 1952; Marc G. Henninger, »Aquinas on the Ontological Status of Relations«, in: Journal of History of Philosophy 25 (1987), S. 491–515; Rolf Schönberger, Relation als Vergleich. Die Relationstheorie des Johannes Buridan im Kontext seines Denkens und der Scholastik. Leiden 1994 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters, 43), S. 63 ff. (zu Thomas).

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Das zeigt sich zunächst daran, daß Thomas seine Argumente für die Einfachheit des göttlichen Wesens nicht etwa, ganz formal, auf die Gegensatzlosigkeit oder Ungeteiltheit dieses Wesens stützt, sondern daß er dieses göttliche Wesen modal faßt: als reine Wirklichkeit, ohne jede Verwobenheit in eine Möglichkeit.5 Denn erst eine Differenz von Wirklichkeit und Möglichkeit (potentia) erlaubt es, ein Werden als den Übergang von einer Möglichkeit in die Wirklichkeit zu denken und damit ein Beieinander von Sein und Nichtsein. Dagegen eignet der reinen Wirklichkeit keine Möglichkeit ihres Entstehens – es gibt sie sozusagen ›einfach‹. Indem Thomas die Einfachheit Gottes aus dessen reiner Wirklichkeit ableitet, ist damit nicht nur die Existenzweise Gottes geklärt, sondern auch der Umstand, daß Gott der Grund von allem ist, insofern die Wirklichkeit zeitlich und der Sache nach jeder Möglichkeit vorangeht: Das Einfache ist damit zugleich das Erste. Schon in diesem Stadium der Überlegungen wird klar, daß dies Konsequenzen für den Status der extratrinitarischen Relationen hat. Um als das reine Wirkliche auch das Erste sein zu können, braucht das absolut Erste nichts weiteres, auf das es sich beziehen könnte oder müßte. Der Bezug Gottes auf die von ihm erschaffenen Dinge ist daher kein realer, sondern nur ein für uns denknotwendiger.6 Im Fall des Erschaffenen verhält es sich genau umgekehrt: Für seine Wirklichkeit ist der Bezug auf Gottes Wirklichkeit unabdingbar und daher ist auch die Relation, die die Schöpfung zu Gott besitzt, nicht bloß denknotwendig, sondern real. (Und damit ist diese Relation der Schöpfung auf Gott prinzipiell unabhängig davon, ob einzelne Menschen gewillt sind, sie als Realität zu akzeptieren oder nicht.) Daraus lassen sich nun weitere Folgerungen ziehen, unter anderem diejenige wie im 3. Artikel: Als der absolut Einfache kann Gott nicht unter eine Gattung fallen. Damit ist ausgeschlossen, daß es 5 Vgl. q. 7 a. 1 c. – Zum unum als indivisum bei Thomas siehe etwa Ludger Oeing-Hanhoff, Ens et unum convertuntur. Stellung und Gehalt des Grundsatzes in der Philosophie des Hl. Thomas von Aquin, Münster 1953 (BGPhThMA XXXVII, 3), S. 140 ff. 6 Vgl. q. 7. a. 1 ad 9.

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im Fall von Gott mehrere Exemplare von derselben Gattung geben könnte. Und selbst wenn nur ein einziges Exemplar in die Gattung Gott fiele, dann führte dies zu absurden Konsequenzen: Gottes »Wesen und seine Vollkommenheit wären dann auf die Merkmale einer bestimmten Gattung eingeschränkt«.7 Gott ist daher kein Einzelfall von etwas Allgemeinerem, das hier als generische oder spezifische Bestimmung dienen könnte. Wie nebenbei hat Thomas damit auch die Erklärung geliefert, warum von Gott keine Definition, deren wesentliche Bestandteile ja das genus proximum und die differentia specifica sind, und warum damit auch kein Beweis von Gott an sich möglich ist. Allenfalls möglich ist hier ein »Beweis, der seinen Ausgang von Gottes Wirkungen nimmt«.8 In knapper, aber präziser Ausführung ist damit die Einfachheit Gottes abgehandelt. Doch damit eröffnet sich zugleich ein weiteres Problemfeld: Wie passen die verschiedenen, biblisch verbürgten Attribute Gottes, also etwa »gut«, »weise«, »gerecht«, zu seiner Einfachheit? Zwei Lösungen bieten sich im Kontext der aristotelischen Substanzenontologie an: Entweder haben diese Attribute einen akzidentellen Status oder sie betreffen direkt die göttliche Substanz (Artikel 4 und 5). – Ein möglicher akzidenteller Status dieser Attribute ist schnell abgehandelt: Gottes Einfachheit und Unveränderlichkeit läßt keine Bestimmungen zu, die an ihm auftreten und wieder verschwinden könnten und die mithin Gottes Wesen äußerlich blieben. Hingegen veranlaßt die Frage nach einem substantiellen Charakter dieser Attribute Thomas zu einer längeren Einlassung (Artikel 5 und 6). Zunächst weist Thomas die Ansicht zurück, daß diese Attribute als Vergleichspunkte fungieren, die bestimmte Leistungen und Vorzüge der Schöpfung auf Gott zu übertragen bzw. umgekehrt bestimmte Ausfallserscheinungen und Unvollkommenheiten von Gott 7 q. 7 a. 3 c. 8 Ebd. – Zur Thomasischen Auffassung der Gottesbeweise siehe neuer-

dings Henning Tegtmeyer, Gott, Geist, Vernunft. Prinzipien und Probleme der Natürlichen Theologie, Tübingen 2013 (Collegium Metaphysicum 8), S. 181 ff.; sowie die knappen, aber treffenden Ausführungen bei Gunnar Hindrichs, Das Absolute und das Subjekt. Untersuchungen zum Verhältnis von Metaphysik und Nachmetaphysik, Frankfurt a. M. 2008, S. 25 ff.

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fernzuhalten versuchen. Was Thomas vor allem daran stört, ist Folgendes: Jeglicher Vergleichsmaßstab wäre aus dem Erschaffenen gewonnen, und es ist dabei nicht abzusehen, welche Prädikate dann als göttliche Attribute in Frage kämen. Es würde dann »keinen Unterschied machen, ob man nun sagt: ›Gott ist weise‹, ›Gott ist zornig‹ oder ›Gott ist Feuer‹. Gott läßt sich nämlich als zornig bezeichnen, da er nach Art eines Erzürnten handelt, wenn er straft. Denn so verhalten sich erzürnte Menschen in der Regel. Ebenso läßt er sich als Feuer bezeichnen, da er nach Art eines Feuers wirkt, wenn er reinigt. Denn auch ein Feuer tut dies auf seine Art. Das Ausgeführte widerspricht aber der Auffassung der Heiligen und der Propheten, die Gott mancherlei zusprechen und mancherlei absprechen. Denn sie halten dafür, daß Gott lebendig, weise und dergleichen ist, daß er aber nicht körperhaft oder Leidenschaften unterworfen ist. Nach der obigen Ansicht hingegen könnte Gott alles unterschiedslos und mit gleichem Recht zu- und abgesprochen werden.«9 Dreh- und Angelpunkt für diese Attribute kann für Thomas daher nur Gott selbst, d. h. dessen Substanz sein: Diese Attribute wurzeln in Gottes Wirklichkeit. Dementsprechend können dann auch die Wirkungen, die von Gott ausgehen, mit diesen Attributen qualifiziert werden. Allerdings versieht Thomas diese Konstellation mit einer Kautele. All diese Attribute kommen nämlich nicht an die Vollkommenheit Gottes heran; »sie bezeichnen daher die Substanz Gottes, allerdings auf eine mangelhafte und unvollkommene

9 q. 7 a. 5 c. – Entsprechendes gilt von Attributen, die von Gott eine bestimmte Unvollkommenheit ausschließen möchten; denn der Fokus derartiger Negationen bleibt für Thomas zu spezifisch: »Denn es gibt keinen Ausdruck für eine Spezies, mit dem sich ein bestimmter, auf Gott unzutreffender Umstand nicht ausschließen ließe. Jeder artspezifische Ausdruck bringt ja den Verweis auf eine Differenz mit sich, durch die sich eine andere, von der ersten unterschiedene Spezies ausschließen läßt. So bringt z. B. der Ausdruck ›Löwe‹ die Differenz der Vierbeinigkeit mit sich, durch die sich der Löwe von einem Vogel absetzt. Wenn man also die Prädikate für Gott nur zum Zweck ihrer Verneinung einführen würde […], so könnte man zu der Behauptung gelangen, daß Gott ein Löwe ist, da er nicht die Seinsweise eines Vogels besitzt.« (Ebd.).

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Weise«.10 Das hat für Thomas einen sachlichen sowie einen gnoseologischen Grund: Zum einen gehen von der ungeteilten Kraft Gottes derart viele und verschiedenartige Wirkungen aus, daß keine dieser Wirkungen in der Qualität und Intensität an ihren Verursacher heranreicht. Zum anderen aber lassen sich diese Attribute nicht unmittelbar aus der Schöpfung oder gar aus Gott entnehmen. Vielmehr zeigen sich jene göttlichen Attribute nur vermittelt für unseren Intellekt, und zwar in zweifacher Weise vermittelt: einmal aus den Dingen, deren Vollkommenheiten wiederum auf Gott verweisen. Dadurch daß die Attribute ihr Fundament in Gott haben, ist einerseits die Vollkommenheit an den Dingen sozusagen garantiert. Andererseits ist sichergestellt, daß es sich bei diesen Attributen um nichts Ausgedachtes, um keine bloße Hinsichtnahme unseres Intellekts handelt, denen in der Sache nichts entspricht. Daß hierbei verschiedene sprachliche Ausdrücke für das Eine Wesen Gottes stehen, ist aber der diskursiven Erkenntnisweise unseres Intellekts geschuldet: »Somit liegt die Mannigfaltigkeit und Unterschiedlichkeit der Ausdrücke an unserem Intellekt, der nicht dazu hinreicht, Gottes Wesen so zu schauen, wie es in sich selbst ist. Er schaut es vielmehr in mannigfachen Abbildern, die hinter Gottes Wesen zurückbleiben und die am Erschaffenen wie in einem Spiegel hervorscheinen. Wenn unser Intellekt das Wesen selbst schauen könnte, dann müßte er sich weder mit einer Vielzahl von Ausdrücken noch mit einer Vielzahl von Begriffen behelfen.«11 Dem göttlichen Wesen wird daher kein anderer Geist sozusagen intellektuell gerecht als der göttliche selbst. Unter endlichen Bedingungen hingegen ist kein direkter Rückschluß auf das Wesen Gottes möglich, da, wie Thomas bereits angedeutet hat, die Relation zwischen Gott und seiner Schöpfung keine symmetrische sein kann. Konsequenterweise steht mit dem achten Artikel der Begriff der Relation im Fokus der weiteren Erörterungen. Bis zum Ende von Quaestio VII, also in insgesamt vier Artikeln, steht zunächst die Relation von Gott und seiner Schöpfung im Mittelpunkt des Interesses. Ab Quaestio VIII bis zur abschließenden zehnten Quaestio werden 10 q. 7. a. 5 c. 11 q. 7. a. 6 c.

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dann die innertrinitarischen Relationen und mit ihnen zusammenhängende Problemstellungen die Diskussion beherrschen. Für einen systematischen Kopf wie Thomas hat die Erörterung der Relation mit der Frage zu beginnen, ob es überhaupt eine Relation zwischen Gott und dem Erschaffenen geben kann (8. Artikel). Das scheint deswegen fraglich, weil eine Relation bei ihren beiden Relaten oder Fundamenten offensichtlich deren Vergleichsmöglichkeit, ihr gleichzeitiges Bestehen u. a. m. voraussetzt, was sich im Falle von Gott und seiner Schöpfung nur schwer sagen läßt.12 Thomas macht nun klar, worin das Alleinstellungsmerkmal einer Relation gegenüber allen anderen Prädikamenten besteht. Anders als etwa eine Qualität oder Quantität ist die Relation nicht in einem Träger verankert, eben weil sie diesem nicht zur Gänze zugehört: Ihr Sein besteht ja in einem Bezogen-Sein, und sie markiert insofern einen Übergang, ein Zwischen, indem zwei Relate aufeinander bezogen und zugleich auseinander gehalten sind. Daher kann es für Thomas auch zu keiner inneren Verbindung (compositio) zwischen einer Relation und ihrem Träger kommen, da ja über den Träger und seine Relation hinaus mindestens noch eine weitere Komponente mit im Spiel ist: eben ein zweites Relat. Dies hat nun auch Konsequenzen für eine der wichtigen Spielarten der Relation: die Relation zwischen einem aktiven Wirken und dem entsprechend passiven Erfahren eben dieser Wirkung. Hier kommt es nach Auffassung von Thomas zu keiner inneren Verbindung zwischen einer wirkenden Instanz, die hier als Träger fungiert, und ihrem Wirken, mit dem sich eine Relation zum Gegenstand der Einwirkung etabliert. Dies wiederum bedeutet, daß die Tätigkeit des Wirkens ihren Träger, also diese wirkende Instanz, nicht substantiell verändert, also nicht in den Seinshaushalt dieses Trägers umgestaltend eingreift (wie dies etwa bei einer quantitativen oder qualitativen Änderung des Trägers der Fall wäre). Dies zeigt sich für Thomas insbesondere daran, daß eine Relation sich dann erledigt hat, sobald das zweite Relat einen Veränderungsprozess durchmacht. Da aber für Aristoteles und Thomas Veränderungsprozesse auf Gegensätzen beruhen – aus kalt wird warm, aus hell wird dunkel 12 Siehe die obiectiones in q. 7 a. 8.

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etc. –, kann eine Relation, wie es ein aktives Wirken ist, zwar eine Veränderung an einem entsprechenden Relat (d. i. dem Gegenstand ihrer Einwirkung) hervorrufen und also dort eine Abfolge von gegensätzlichen Momenten initiieren. Das bedeutet jedoch nicht, daß nun die wirkende Instanz und das entsprechende Objekt der Einwirkung ihrerseits in einer Form von Entgegensetzung stünden, welche auf einer Negation oder Privation beruht.13 Eben letzteres ist aber für Veränderungsprozesse konstitutiv. Um im Thomasischen Beispiel zu reden: Bei der Relation von Vater und Sohn stellt das eine Relationsglied weder die Negation noch die Privation bzw. Schwundstufe des anderen Gliedes dar. Thomas’ Resümee an dieser Stelle lautet daher: »Daraus begründet sich nun, warum man Gott eher eine Relation als andere Formen der Entgegensetzung zusprechen kann. […] Denn Gottes Verhältnis zum Erschaffenen zeichnet sich ja zunächst einmal dadurch aus, daß Gott das Erschaffene zuläßt, und nicht dadurch, daß er es für nichtig erklären würde. Zudem besteht zwischen den göttlichen Personen, in denen es keine Unvollkommenheit geben kann, ein Gegensatz, wie er mit einer Relation auftritt, und keine andere Form der Entgegensetzung. Dies wird später noch erörtert werden.«14 Im diesem Stadium der Überlegungen hat Thomas geklärt, daß es eine Relation zwischen Gott und seiner Schöpfung geben muß. Diese Form der Beziehung und des damit einhergehenden Gegensatzes erlaubt, zwei entscheidende Gesichtspunkte miteinander zu verbinden: Zum einen erbringt eine Relation an ihrem Träger keine neue Seinsbestimmung; sie verändert daher ihren Träger nicht, eben weil ihr Sein nicht zur Gänze in diesem Träger wurzelt. Zum andern etabliert sich mit einer Relation auch kein Gegensatz, mit dem sich nun beide Relate ihrerseits verändern müßten. Aufgrund der relationalen Form ist daher Gottes schöpferisches Wirken, seine potentia creativa, die Grundlage für eine Veränderung, ohne daß sich Gott selbst dafür ändern müßte. Und ebensowenig tritt mit der 13 Vgl. q. 7 a. 8 ad 4. 14 Ebd. – Allein schon dieser Verweis auf später zu Erörterndes sollte

zur Vorsicht gemahnen bei der wiederholt anzutreffenden Unterstellung, daß »De potentia« keine erkennbare Struktur im Ganzen aufweist.

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Erschaffung der Welt eine neue Bestimmung Gottes zu Tage, da die Welt keinen konträren oder kontradiktorischen Gegensatz zu Gott aufmacht (nach dem bekannten Muster: ›erst noch kein Schöpfergott, dann aber – mit dem Bestehen der Welt – Schöpfergott‹). Damit ist der prädikamentale Gehalt der Relation geklärt, das also, was eine Relation zu verstehen gibt – nicht aber ihre Wirklichkeit. Diesen Problemaspekt entfaltet Thomas nun in den Artikeln 9 bis 11 von Quaestio VII. Auch in der Frage nach dem Sein der Relation entpuppt sich diese für Thomas als ein Zwischenphänomen: Insofern nämlich die Relation sich nicht zur Gänze der Wirklichkeit eines bestimmten Trägers verdankt, kann sie nur ein »schwächeres Sein« (esse debilior) aufweisen. (Anders etwa bei einer Qualität: Das Rot-Sein einer Rose tritt zwar an einer Rose auf, doch verdankt es seine Wirklichkeit ganz der Wirklichkeit dieser Rose.) Aus diesem verminderten Sein der Relation folgt für Thomas nun gerade nicht automatisch, daß es sich bei Relationen um Gedankendinge handeln muß, so, als ob relationale Verhältnisse nur Hinsichtnahmen unseres Intellekts auf die Welt wären.15 Mit Aristoteles beharrt Thomas darauf, daß die Relation ein Prädikament ist, daß mithin mit ihr ein wirklich bestehender Seinsgehalt verbunden ist – wenn auch ein Seinsgehalt von besonderer Art und Weise. Zentral wird hier nun der Gedanke der Ordnung, und zwar speziell der Ordnung, wie sie innerhalb der Schöpfung auszumachen ist. Indem Thomas Ordnung als ein relationales Phänomen faßt, kann er zwei Grundformen innerhalb unserer Wirklichkeit namhaft machen: Jede Ordnung etabliert sich hier entweder über die Quantität oder über die potentia. Im ersten Fall stellt sich Ordnung in Form von Proportionen ein: die Hälfte, ein Drittel sind stets relational bezogen auf entsprechende Quantitäten, von denen sie die Hälfte, ein Drittel etc. sind. Im zweiten Fall aber stellt sich Ordnung in Form einer Passgenauigkeit ein: Eine aktive Kraft (potentia activa) kommt nur zu Entfaltung, wenn und solange es die entsprechende passive Möglichkeit (potentia passiva) zu dieser Entfaltung gibt: Feuer entfaltet nun einmal seine Kraft nur an Brennbarem. Diese beiden Formen, wie Dinge in unserer Wirklichkeit einander 15 Vgl. q. 7. a. 9 c.

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zugeordnet sind, sind dermaßen universal – sie beziehen sich einmal auf alle körperhaften Dinge der Natur, das andere Mal auf alle Weisen der Veränderung –, daß die Wirklichkeit der Welt nicht nur als eine universale Zuordnung der Dinge untereinander verstanden werden muß, sondern zugleich als Hinordnung der Welt auf Gott. Mit einem berühmten aristotelischen Beispiel macht Thomas dies deutlich: Zur Wirklichkeit eines Heeres gehört nicht nur seine (auf Befehl und Gehorsam fußende) Binnenordnung, sondern auch eben aufgrund dieser Ordnungsstruktur die Hinordnung auf den Feldherrn. Damit ist klar, daß die Relation des Erschaffenen auf Gott zur Wirklichkeit des Erschaffenen gehört. Die sich anschließende Frage ist nur, welchen Status diese Relation für die Wirklichkeit des Erschaffenen hat: Wenn die Relation ein Akzidens ist, dann muß auch die Relation auf Gott, der kreatürliche Charakter der Welt unweigerlich einen akzidentellen Charakter haben. In diese Richtung sind denn auch manche modernen Thomas-Interpreten gegangen.16 Thomas selbst zieht freilich nicht diese eindeutige Konsequenz, was an dem, wenn man so will, zweideutigen Status der Relation liegt: Sie inhäriert ja nicht bloß einem einzelnen Ding, sondern besteht zwischen mindestens zwei Dingen. Die Ordnung der Dinge ist daher nicht einfach nur akzidentell in ihnen verankert, sondern konstitutiv für ihre Wirklichkeit: Es gäbe sonst keinen Kosmos, sondern nur Chaos – was etwas substantiell anderes wäre. Für Thomas 16 Siehe etwa Klaus Hedwig, »Redigere in nihilum. Über den Rückfall des Seienden in das Nichts«, in: ders., Circa Particularia. Studien zu Thomas von Aquin, hrsg. von Manfred Gerwing, Regensburg 2015, S. 112– 127; hier S. 115: »Nach Thomas geht die passiv verstandene ›Geschaffenheit‹ nicht in das ›Wesen‹ der geschaffenen Dinge ein und erweist sich damit als eine ›Relation‹, die gegenüber der Kreatur akzidentell bleibt. Und mehr noch: Das Geschaffensein ist in gewisser Weise sogar ›später‹ als die Dinge, die als Relationsträger ›früher‹ (›prius … in esse‹) bestehen. In einer sicherlich provokanten, doch nicht abwegigen Überspitzung könnte man daher sagen, daß es dem Geschaffenen ›wesentlich‹ gleichgültig ist, geschaffen zu sein – weil die Relation des Geschaffenen nicht in das ›Wesen‹ eines Dinges eindringt, das ›ist‹. […] Das ›Wesen‹ eines Dinges besteht nicht darin, geschaffen zu sein.«

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gilt daher: »Die Geschöpfe beziehen sich dank ihrer Substanz auf Gott, insofern diese die Ursache für ihre Relation ist.«17 Insofern vermag auch eine Einzelsubstanz nicht über den akzidentellen Status der Weltordnung und damit über ihren kreatürlichen Charakter zu entscheiden.18 Der reale Bezug des Erschaffenen ist jedoch nur die eine Seite der Medaille: Wie es mit dem Bezug Gottes auf seine Schöpfung aussieht, klärt Thomas in den abschließenden Artikeln von Quaestio VII. Für Thomas unterliegt es keinem Zweifel, daß Gottes Bezug auf seine Schöpfung kein wirklicher sein kann. Das bedeutet nun nicht, daß Thomas hier behaupten will, Gott habe die Welt gar nicht wirklich erschaffen, sondern wir würden uns das nur so denken. Der grundlegende Gedanke für Thomas’ These ist vielmehr: Gott kann kein Teil der Ordnung sein, für die er der absolute Grund ist; er steht daher auch nicht in einer realen Relation zu seiner Schöpfung. Für das reale Bestehen einer Relation gibt es nach Thomas daher ein entscheidendes Kriterium: beide Fundamente einer Relation müssen eine Gemeinsamkeit aufweisen, welche die Reziprozität beider Relationsglieder garantiert.19 Im Falle des einen Relationstyps gibt es solch ein universales Kriterium: Alle natürlichen Körper können miteinander in Relation treten, insofern sie alle eine bestimmte Quantität auszeichnet. Insofern stehen sie wirklich miteinander in bestimmten Proportionen zueinander. Für den anderen Relationstyp sieht Thomas dagegen kein solches Kriterium gegeben: Im Zuge eines Wirkens und der Aufnahme dieses Wirkens stellt sich zwar so etwas wie Bewe17 q. 7. a. 9 ad 4. 18 Vgl. dazu Kurt Flasch, Ordo dicitur multipliciter. Eine Studie zur

Philosophie des »ordo« bei Thomas von Aquin, Masch. phil. Diss., Frankfurt a. M. 1956, S. 98: »Lassen wir uns von dem unglücklichen Wort ›Akzidenz‹ nicht zu Fehlurteilen verleiten. […] [W]enn wir sagen, der ordo sei nicht das Wesen der Kreatur, sagen wir nicht, er sei ihr äußerlich oder nachträglich. […] Wir dramatisieren nicht die Isolation der Dinge, um ihnen nachträglich einen Zusammenhang anzukleben: der ordo folgt aus dem Wesen oder inhäriert ihm.« – Im übrigen bedürfte dieser gehaltvolle Erstling von Kurt Flasch dringend einer Publikation! 19 q. 7. a. 10 c.

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gung oder Veränderung ein; letztere fungiert aber gerade nicht ausnahmslos als gemeinsames Kriterium für beide Relationsglieder. Zwei Fälle sind hier denkbar: Das eine Mal verändert eine aktiv wirkende Kraft nicht sich, wohl aber anderes. (Ich vermag also z. B. durchaus einen Ballon aufzupumpen, ohne daß mir dabei Gleiches widerfahren müßte.) In diesem Sinne wäre vielleicht noch eine reale Relation Gottes auf seine Schöpfung denkbar: Gott bringt anderes ins Sein, ohne dabei selbst ein anderes Sein annehmen zu müssen. Es ist daher vor allem der zweite Fall, der den wirklichen Charakter von Gottes Relation auf seine Schöpfung in Frage stellt. Thomas illustriert dies anhand der Relation von Wissen und dem »Wissbaren«, dem also, was Gegenstand des Wissens werden kann. Auch wenn ich mich aktiv auf mögliche Gegenstände des Wissens beziehe, so werden diese Gegenstände nicht durch meinen Bezug darauf verändert. Sie gelten vor, während und nach meiner denkerischen Aktivität gleichermaßen. Verändert hat sich im besten Fall mein Wissen, das mehr geworden ist. Gottes Tätigsein kann sich daher nicht wirklich auf mögliche Gegenstände seines Wirkens richten – also etwa auf das, was noch zu erschaffen wäre. Andernfalls würde Gott mit diesen Gegenständen einen Zweck verbinden, den er ohne sie nicht erreichen könnte.20 Gottes Wirken hat also kein Ziel, vielmehr ist Gott das Ziel für alles Geschaffene. Als dieses Ziel gewinnt Gott nun doch den Charakter eines Relats – doch dies nur durch unseren Intellekt. Daß Gott in einer Relation zu seiner Schöpfung steht, ist der unbeholfene Ausdruck unserer Vorstellungen darüber, was Schöpfung meint. Diese Unbeholfenheit wird nicht kleiner, wenn Thomas ab der achten Quaestio nun die christliche Lehre von der göttlichen Trinität in den Mittelpunkt der Diskussionen rückt. Dieses zentrale Stück christlichen Glaubens hat schon zu Zeiten des Thomas eine lange Geschichte von Auslegungen und Kontroversen hinter sich. Daher ist es für Thomas von vorneherein klar, daß ohne die »Berücksichtigung der Lehren der Kirchenväter«21 hier kein Land zu gewinnen 20 Ebd. 21 q. 8. a. 1 c.

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ist. Ebenso klar ist es für Thomas aber, daß trotz – oder gerade aufgrund – dieser langen Deutungsgeschichte »eine Einsicht in diesen Sachverhalt nicht vollends gelingen kann«.22 All diese Kautelen entpflichten Thomas jedoch nicht, noch einmal selbst intensiv über dieses Problem nachzudenken. Daß er dabei in »De potentia« diesem Themenfeld einen so breiten Raum zugesteht – immerhin handeln drei von insgesamt zehn Quaestionen davon –, hat durchaus seinen nachvollziehbaren sachlichen Grund: Es ist der Begriff der Relation, ohne den ein zureichendes Verständnis der Trinitätslehre gar nicht entwickelt werden kann. Es ist daher nur konsequent, wenn Thomas sich innerhalb von »De potentia« fragt, welche Arten von Relation bei den beiden göttlichen potentiae – dem Zeugungs- und dem Schöpfungsvermögen – im Spiel sind. Wenn nun bereits seit Quaestio VII feststeht, daß Gott in keiner realen Relation zu seiner Schöpfung stehen kann, dann steht damit auch die Frage im Raum, ob die Relationen, die von Gott ausgehen und sozusagen in ihm verbleiben, überhaupt real sein können. Oder ist die Trinität doch nur eine Sache unseres Verständnisses, das in Gott eine Relation von Vater, Sohn und Heiligem Geist hineinträgt? Bevor Thomas sich in dieser Sache festlegt, umreißt er zunächst kurz den Problemhorizont: Nach christlichem Verständnis müssen die drei göttlichen Personen unterschieden werden – die biblisch verbürgte Rede von Vater, Sohn und Heiligem Geist wäre sonst sachlich überflüssig. Diese Unterscheidung in der Person muß aber zugleich von der Gestalt sein, daß mit ihr die Einheit des göttlichen Wesens nicht in Frage steht. Mithin kann ein personaler Unterschied in Gott kein substantieller sein – denn dann hätten wir es mit drei Göttern zu tun; der Unterschied von Vater, Sohn und Heiligem Geist kann daher nur auf einer Relation beruhen. Wenn aber eine Relation für den Unterschied der göttlichen Personen verantwortlich ist, dann kann dieser Unterschied ebensowenig als ein akzidenteller verstanden werden. Dies hätte sonst zur Folge, daß etwa die Zahl oder die Dauer der göttlichen Personen grundsätzlich variierbar wären. Mit diesen Überlegungen ist bereits der gedankliche Aufbau von Quaestio VIII vorgezeichnet: Zunächst ist aufzuzeigen, daß die in22 Ebd.

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nertrinitarischen Relationen real sind (q. 8 a. 1), damit dann das Verhältnis dieser Relationen zur göttlichen Substanz näher bestimmt werden kann (q. 8 a. 2.). Wie souverän Thomas hier den Einstieg in das Themenfeld der göttlichen Relationen schafft, zeigt sein Vorgehen. Thomas genügt nämlich eine kurze Reminiszenz an zuvor schon Geklärtes, um sich mitten in der nun interessierenden Problematik wiederzufinden. So wurde schon festgestellt, daß eine Relation dann als wirklich gelten kann, wenn sie entweder auf einer Quantität beruht oder auf dem Zusammenspiel von actio und passio, also von Entfaltung und entsprechender Aufnahme einer Kraft. Da Gott nun nicht in einer quantitativ grundierten Relation stehen kann – wie sollte er sich auch als das Vielfache von etwas beliebig anderem verstehen lassen! –, ist hier nur mehr die letztere Spielart einer realen Relation in Gott denkbar. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zu dem herkömmlichen Zusammenspiel von Wirken und Erfahren von Wirkung: Gottes Kraft kann sich nicht auf etwas in ihm selbst richten, was einer Einwirkung und damit einer Veränderung zugänglich wäre. Wenn es also in Gott Relationen gibt, dann beruhen diese auf einem Wirken oder einer Tätigkeit, die im Wirkenden selbst verbleibt und die nicht das Ziel hat, eine Veränderung hervorzurufen. Nach Thomas kann solch eine Tätigkeit nur zwei Formen annehmen: als Denken und als Wollen. Es ist bezeichnend, daß Thomas sich zunächst auf das göttliche Denken konzentriert, mit dem die Hervorbringung des göttlichen Wortes ›erfolgt‹. Dafür gibt es theologische Vorgaben, die Thomas später noch näher beleuchten wird: Die Zeugung des Sohnes hat nämlich insofern Vorrang, als die dritte Person des Heiligen Geistes aus dem Vater und zugleich aus dem Sohn hervorgeht. Der Vorrang des Denkens vor dem Wollen ist aber auch einer sachlichen Hinsicht geschuldet, insofern das Denken nur von einer einzigen Instanz oder Person ausgehen kann, während das Wollen in Form der Liebe seine Erfüllung nur in zwei sich gegenseitig liebenden Instanzen finden kann. Um nun zu zeigen, von welcher Art das göttliche Denken sein muß, nimmt Thomas seinen Ausgangspunkt bei der Struktur des menschlichen Denkens. Hier unterscheidet Thomas mehrere Ge-

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sichtspunkte, die auseinandergehalten werden müssen: den Akt der Erkenntnis, das Erkenntnisbild, den Begriff und die begriffene Sache. Thomas entwickelt an dieser Stelle keine ausführliche Erkenntnistheorie, sondern schneidet die Sache nur so weit an, wie es ihm zur Lösung des in Frage stehenden Problems dienlich scheint. Von vorrangigem Interesse ist hier denn auch die Beziehung des Intellekts zu dem Begriff, den der Intellekt von einer Sache bildet. Thomas faßt diese Bildung eines Begriffes als einen geistigen – also zunächst im Intellekt verbleibenden – Ausdruck und entsprechend diesen Begriff als geistiges, inneres »Wort«.23 Diese innere Bindung von Intellekt und Begriff zeigt für Thomas zweierlei: Ohne die Bildung eines Begriffs bzw. »Wortes« ist kein Denkakt möglich; dieser besteht vielmehr darin. Zugleich aber zeigt sich daran, daß unserem Intellekt kein »Wort« bzw. Begriff wesentlich ist, da sich sonst der Akt unseres Denkens mit der Bildung eines einzigen »Wortes« begnügen könnte. Unser Denken bleibt jedoch zur Bildung seiner Begriffe auf die extramentalen Dinge angewiesen und damit auf die Bildung immer neuer Begriffe. Bei Gott hingegen sieht das ganz anders aus: Hier gibt es keine Differenz von Denken und Sein, so daß das göttliche »Wort« weder dem göttlichen Intellekt noch dem Denkakt äußerlich sein kann. Denkt Gott, so muß dieser Akt real (und nicht bloß ein von ihm gedachter) sein. Entsprechendes gilt damit auch für die dabei auftretenden Relationen. Anders gesagt: Für Gott besteht der Denkakt im Vollzug seines Wesens; oder theologisch gesprochen: Gottvater spricht sich in der Zeugung von Gottsohn als dem Wort oder Logos vollkommen aus. Gottes Denken etabliert zudem kein ›Gefälle‹ bei dieser absoluten Selbstreflexion: Denkendes und Gedachtes, Ursprung und Entsprungenes sind wesenseins und doch auseinander gehalten. Beide Relationen – vom Vater auf den Sohn und vice versa – sind als real zu denken. Es liegt demnach an der Identität von Sein und Denken, daß die Relation zwischen Vater und Sohn eine wirkliche ist. Damit tut sich unmittelbar das Folgeproblem auf, daß alle Relationen in Gott offensichtlich mit seiner Substanz identisch sein müssen. In der Tat 23 q. 8 a. 1 c.

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ist dem nach Thomas (und nicht nur nach ihm) so.24 Damit ist unverkennbar eine Aufwertung der Relation verbunden: von einem bloßen Akzidens an einem Träger zum fundamentalen Begriff der Trinitätslehre. Das sieht Thomas dadurch gerechtfertigt, daß unter allen kategorial fassbaren Akzidentien einzig der Relation das entscheidende Merkmal für ein Akzidens abgeht: die Inhärenz in einem Substrat. Ihr Merkmal ist vielmehr, daß sie als »ein Mittelglied«25 zwischen den beiden Fundamenten steht. Eine Relation ist daher für Thomas durchaus mit einem Substrat verbunden, doch aber zugleich keine bloß akzidentelle Bestimmung für dieses Substrat. Beispielhaft macht Thomas das anhand des Phänomens einer Tätigkeit klar: Zwar nimmt eine Tätigkeit bzw. ein Wirken seinen Ausgang von einem Substrat oder Träger; das Entscheidende an einer Tätigkeit aber ist ihr Übergang auf den Gegenstand der Einwirkung – eben ihr Wirken. Dasselbe gilt auch für die Tätigkeit des Denkens: Es gestaltet sich ebenfalls als ein Wirken in der Hervorbringung des »Wortes«. Die beiden abschließenden Artikel von Quaestio VIII arbeiten sich an weiteren Fragen ab, die sich aus dem substantiellen Charakter der Relation ergeben. Insbesondere wird das Problem virulent, ob die Relationen den zureichenden Grund für die Verschiedenheit der göttlichen Personen abgeben oder ob es noch eine weitere Instanz braucht, damit die göttlichen Personen in Relation zueinander treten können (q. 8 a. 2–3). Möglicher Kandidat hierfür wäre etwa eine Ursprungsbeziehung, mit der sich verständlich machen ließe, daß in Gott überhaupt etwas hervorgeht, was man dann näherhin als Gottsohn mit einer entsprechenden Relation auf den Vater ausbuchstabieren könnte. Solchen Überlegungen erteilt Thomas eine definitive Absage: Die Relationen zwischen den göttlichen Personen reichen für Thomas völlig hin, um die drei Hypostasen, d. h. die individuellen Ausprägungen des Einen Gottes, zu konstituieren und aufzuspannen. Es braucht mithin keine Relation zweiten Grades wie diejenige des Ursprungs, damit die innertrinitarischen Relationen auch ihre Funktion erfüllen können. Nicht nur würde ein infiniter 24 q. 8 a. 2 c. 25 Ebd.

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Regress drohen; der Begriff des Ursprungs ließe, anders als derjenige der Relation, zudem an eine Genese oder zumindest einen Hervorgang denken, mit dem die – bei Gott völlig unangebrachte – Vorstellung eines zeitlichen Prozesses leichter verbunden werden kann.26 Mit Quaestio IX rückt die Frage in den Mittelpunkt, was denn da eigentlich in der Gottheit mittels Relationen auseinandergehalten werden kann und muß. Fragwürdig ist dies deswegen, da die philosophisch-theologische Tradition mehrere Begriffe für Gottvater, Sohn und Heiligen Geist kennt, welche dafür in Frage kommen können: Handelt es sich hierbei um Personen, Hypostasen oder um Substanzen im Sinne von ›Einzelwesen‹? Bis zum Ende von Quaestio IX gewinnt der Text langsam eine spekulative Dichte wie kaum zuvor und danach in »De potentia«. In den ersten drei Artikeln weist Thomas nun nach, daß es sachlich gerechtfertigt ist, in erster Linie von »Personen« in der Gottheit zu sprechen. Zwar sind Personen durchaus als Einzelwesen, mithin als Substanzen, zu verstehen. Doch der Begriff der Substanz erschöpft sich nicht in dieser Gleichsetzung mit einem Einzelwesen: er meint zugleich die Form oder Natur, die mehreren Einzelwesen gemeinsam ist, kurzum: deren Wesen. (Daher unterschied bereits Aristoteles die ersten von den zweiten Substanzen, Einzelwesen von den ihnen entsprechenden Formen.) Aufgrund dieses asymmetrischen Verhältnisses kann kein Einzelwesen seine Form oder Wesensnatur vollständig verkörpern: Kein Mensch ist die menschliche Natur, vielmehr hat jeder Mensch diese Natur.27 Aufgrund dieser zwei Schichten im Substanz-Begriff eignet sich dieser nicht unmittelbar zur Kennzeichnung der drei göttlichen Instanzen: Diese stellen ja keine drei gesonderten Einzelwesen dar, denen eine bestimmte Form, wie etwa die Göttlichkeit, gemeinsam wäre. Die Konsequenz ist klar: Wir hätten es dann mit drei Göttern zu tun. Gleichwohl gibt es einen Aspekt am Substanz-Begriff, der in diesem Zusammenhang weiterführt: Als Einzelwesen besitzen Sub26 q. 8 a. 3 c. 27 q. 9 a. 1 c.

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stanzen ein selbständiges Sein; sie »stützen sich auf sich selber«.28 Ihre Seinsweise ist demnach diejenige der Subsistenz; oder griechisch ausgedrückt: ihnen eignet der Charakter einer Hypostase. Damit ist für Thomas klar, daß es nicht ein sachhaltiger Gehalt ist, auf den die drei göttlichen Instanzen reduziert werden können, sondern für sie muß eine Seinsweise kennzeichnend sein, die ihren jeweils irreduziblen, nicht verallgemeinerbaren Charakter aufrechterhält. Nur so unterscheiden sich diese Instanzen dann auch wirklich (und nicht bloß begrifflich) voneinander. Eine sachlich entscheidende Weiterbestimmung fehlt aber noch: Als diese drei Hypostasen sind diese göttlichen Instanzen von geistiger Natur – damit ist der Begriff der Person erschlossen und für die christliche Auffassung der Trinität fruchtbar gemacht. Drei Aspekte macht Thomas am Personen-Begriff also namhaft: Hierbei handelt es sich (a) nicht um eine akzidentelle Bestimmung – Personen sind ja Einzelwesen; ebensowenig aber handelt es sich (b) um eine generische oder spezifische Bestimmung – Personen als solche konstituieren sich ja nicht durch derartige Bestimmungen; und schließlich handelt es sich (c) nicht um eine Bestimmung, die für Körper, Pflanzen und Tiere gelten kann – Personen sind ja von geistiger Natur.29 Personalität ist daher für Thomas eine Vollkommenheit, an die nichts innerhalb der Schöpfung heranreicht; sie kann daher Gott zugeschrieben werden.30 Mit der Betonung des personalen Charakters der drei göttlichen Instanzen ist ihr jeweils irreduzibler Charakter sozusagen sichergestellt. Damit steht aber sogleich wieder ihr relationaler Charakter auf dem Spiel: Drei Personen sind ja durchaus vorstellbar ohne jede Relation zueinander. Es bedarf daher für Thomas einer längeren Erörterung, ob mit »Person« angesichts von Gott etwas Relationales oder etwas gemeint ist, was in keinerlei Beziehungen steht (q. 9 28 Ebd. 29 q. 9 a. 2 c. 30 q. 9 a. 3 c. – Die Reflexion auf den Begriff der Person hat eine lange

Vorgeschichte, die mindestens bis zu Boethius zurückreicht. Dazu immer noch instruktiv: Corinna Schlapkohl, Persona est naturae rationabilis individua substantia. Boethius und die Debatte über den Personbegriff, Marburg 1999 (= Marburger theologische Studien 56).

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a. 4). Doch allein schon die Frage formuliert eine falsche Alternative, denn einerseits gilt der Ausdruck »Person« für Thomas nur jeweils für eine bestimmte Instanz in der Gottheit, und zwar für sie als solche. Andererseits aber kommt eben auch ein bestimmter Unterschied zwischen den Personen zum Tragen – der wiederum keinen substantiellen, sondern ›nur‹ relationalen Charakter haben kann. Strittig ist also, wie sich das Verhältnis beider Aspekte verstehen läßt: wie also der unverwechselbare Charakter einer göttlichen Person sich zu ihrem Eingefügt-Sein in die Trinität verhält. Die Tradition hat jedenfalls eine lange Reihe verschiedener Verständnismöglichkeiten entwickelt, die Thomas hier kritisch Revue passieren läßt.31 Thomas selbst argumentiert, gemäß der Eingangsfrage, semantisch: Allgemein sei ein formaler von einem materialen Bedeutungsgehalt zu unterscheiden, welche beide mit einem sprachlichen Ausdruck – wie etwa dem der »Person« – verbunden sind. Gemeint ist damit: Die Bedeutung oder der washeitliche Gehalt eines Ausdrucks ist abzusetzen von der materialen Grundlage, auf der dieser Gehalt beruht. Im Fall von »Person« ist mit diesem Ausdruck gesetzt, daß es sich dabei um etwas handeln muß, was nicht auf anderes übertragbar bzw. was nicht verallgemeinerbar ist und das sich insofern von anderem unterscheidet. Die Grundlage für eine solchermaßen gefaßte Individualität ist für Thomas – zumindest bei endlichen Wesen – die Materie. Ein und dieselbe Natur prägt sich eben individuell an der Materie aus.32 Formal ist bei Gott nun kein anderer Gehalt als bei den endlichen Wesen damit verbunden, wenn wir auch bei Gott von »Personen« reden: Alle drei sind in dem Sinne zu verstehen, daß sie wohl voneinander unterschieden sind. Gleichwohl fußt ihre Unterschiedenheit hier nicht auf einem substantiellen Unterschied – es wäre ja absurd, die Materie als principium individuationis für die göttlichen Per31 Vgl. q. 9 a. 4 c. 32 Einen guten geschichtlichen Überblick über diesen Zusammenhang

bietet Johannes Assenmacher, Die Geschichte des Individuationsprinzips in der Scholastik, Leipzig 1926 (Forschungen zur Geschichte der Philosophie und der Pädagogik I, 2), v. a. S. 38 ff. (zu Thomas).

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sonen anzusetzen. Der Unterschied der göttlichen Personen kann daher nur wiederum auf der Relation beruhen. Allerdings taucht der relationale Charakter in den Namen für die göttlichen Personen nur indirekt auf: »Vater« impliziert der Sache nach die Relation der Vaterschaft. Zugespitzt gesagt: Der Vater ist diese Relation – nichts weiter. Es ist die Konsequenz davon, daß die Relation in Gott selbst substantiellen Charakter hat und sie damit eine wesentliche bzw. wirkliche Unterscheidung zuläßt, ohne eine neue Bestimmung des göttlichen Wesens zu erbringen. Daß damit die Grenzen des Denkbaren erreicht sind, ist Thomas nur allzu klar. Wie sollte es auch anders sein – der Mensch verfügt nicht über einen göttlichen Intuitus. Der Plural von drei Personen in der Einen Gottheit kann denn auch »von der natürlichen Vernunft weder erforscht noch hinreichend begriffen werden«.33 Gleichwohl besteht hier Klärungsbedarf, und zwar nicht nur aus apologetischen Zwecken, insofern sich Christen durchaus (im Hinblick auf) die Trinität sollten erklären können, sollte diese in Abrede gestellt werden. Auch pro domo kann eine intensive denkerische Bemühung hier nicht schaden: Für Thomas ist schon viel gewonnen, wenn der christliche Glaube an die Trinität dadurch keinen falschen Vorstellungen oder gar gravierenden Irrtümern erliegt.34 Das Paradigma, das nach Thomas »ohne Anmaßung des Bescheidwissens«35 hier ein Stück Aufklärung bringen soll, – ist unser Denken selbst. Das ist merkwürdig genug: Eine Reflexion auf unser Denken soll das Problem lösen, welches, wie vorhin festgestellt, mit den Mitteln der natürlichen Vernunft gar nicht zu lösen ist. Eben das aber ist hier der richtige Weg für Thomas. Unser Denken hat nämlich neben vielen anderen Vorteilen auch den Vorzug, daß es sich zu allem in Beziehung setzen kann, auch und vor allem zu dem, was es selbst nicht ist. Das gilt nun auch für unseren Bezug auf das göttliche Denken. Immerhin sind wir so in der Lage »zu wissen, was das göttliche Denken nicht ist«.36 Bezeichnenderweise sind für Tho33 34 35 36

q. 9 a. 5 c. Ebd. Ebd. Ebd.

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mas diejenigen Differenzen, die das menschliche Denken selbst auszeichnen, ihrerseits das, was den entscheidenden Unterschied zum göttlichen Denken ausmacht. Durch mindestens drei grundsätzliche Differenzen sieht Thomas hier unser Denken geprägt: Erstens kann unser diskursiv verfahrender Verstand nicht umhin, einzelne Denkinhalte als voneinander verschieden zu denken, so daß damit viele verschiedene Denkakte für uns unumgänglich sind. Zum zweiten besteht eine unaufhebbare Differenz zwischen unseren Denkanstrengungen und dem Resultat: »Unser Intellekt erkennt sich selbst und das andere meistens unvollkommen.«37 Dies hängt unmittelbar mit der letzten entscheidenden Differenz zusammen, die unser Denken prägt: Unser Denken und das in ihm jeweils Gedachte sind dem Wesen nach verschieden. Im einzelnen Erkenntnisakt stellt sich zwar so etwas wie eine vorübergehende Einheit von Denken und Gedachtem, von Intellekt und dem von ihm hervorgerufenen inneren »Wort« her; doch aber ist diese Einheit keine wesentliche – selbst dann noch, wenn wir einen Begriff von unserem eigenen Denken bekommen möchten. Damit gewinnt nun zumindest unsere Vorstellung vom göttlichen Denken Kontur. Gott denkt sich im strikten Sinne selbst: als der Eine, der in einem einzigen Akt das Eine Wort denkt, welches wesenseins mit dem Denkenden ist. Sofern hier also Differenzen auszumachen sind, können sie nur auf Relationen beruhen. Daher bemißt sich auch die Anzahl der Personen nach der Anzahl der Relationen. Dies ist ein Gedanke, der vorausweist in die letzte Quaestio, in der es gilt, ein Kriterium zu entwickeln, warum bei Gott von drei und nur von drei Personen die Rede sein kann.38 Beim jetzigen Stand der Erörterungen kann man zu Recht von realen Relationen reden, deren Anzahl über die Zahl der göttlichen 37 Ebd. 38 Im übrigen ist an diesen Passagen zu beobachten, daß Thomas keine

ausführliche Erkenntnistheorie oder gar Kritik des menschlichen Intellekts entwickelt. In seinen Einlassungen geht Thomas immer nur so weit, wie es ihm für das jeweils in Rede stehende Problem erforderlich erscheint – durchaus ein Kennzeichen von bewundernswerter Schärfe des Denkens.

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Personen entscheidet. Damit ist unumgänglich ein Zahlbegriff aufgerufen – ist also doch eine Pluralität in der christlichen Gottheit unvermeidlich? Wenn dem so ist, dann ist zu klären, inwiefern Gott überhaupt eine (An-)Zahl affirmativ zuzusprechen ist. Thomas erkennt klar, daß das Problem auf dem Gegensatz von Einheit und Vielheit aufruht: Gott soll zugleich als einer und als viele verstanden werden. Die Frage ist also, wie dieser Widerspruch zu lösen ist, zumal es eben nicht zureicht, eines der beiden Gegensatzglieder von Gott zu negieren. Wiederum erinnert Thomas nun an traditionelle Verständnismöglichkeiten und sieht darin bereits einen ersten Lösungsansatz: Einheit und Vielheit kommen den Dingen offensichtlich nicht in einem eindeutigen Sinn zu. (Sie stehen damit auch in keinem eindeutigen Gegensatz zueinander.) Somit ist zunächst zu klären, in welchem Sinn Einheit und Vielheit Gott zukommen können.39 1. Der augenfälligste Anwendungsbereich für Einheit und Vielheit liegt im Bereich der diskretiven Größen und hier insbesondere der (natürlichen) Zahlen. Einheit oder die Eins fungiert hier als Prinzip der Zahlen, insofern jede Zahl ein bestimmtes Vielfaches dieser Eins ist. Solche quantitativen Aspekte an den Dingen haben jedoch einen akzidentellen Status; sie haben den »Charakter eines Maßes«,40 das für den Bestand eines Dinges nicht ausschlaggebend ist: Ob nun zwei oder vier Menschen in einem Raum anwesend sind, ist für den Bestand eines jeden dieser Einzelwesen nicht von essentiellem Belang. Man beginge also buchstäblich einen Kategorienfehler, würde man Einheit und Vielheit als ein quantifizierbares Akzidens auf das Wesen Gottes anwenden. 2. Weit grundsätzlicher dagegen ist ein Begriff von Einheit und Vielheit, der einen essentiellen Aspekt an den Dingen selbst namhaft macht: daß jedes Ding, als es selbst, eben damit auch verschieden ist von anderen Dingen. Diese Spielart von Einheit steht und fällt mit dem Sein eines Dinges; in der Terminologie der mittelalterlichen Philosophie: es ist dies die Einheit, die mit dem Sein konvertibel ist – 39 Zu diesem Problem siehe etwa Oeing-Hanhoff, Ens et unum convertuntur (wie Anm. 5), S. 125–140. 40 q. 9 a. 7 c.

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insofern ein Ding ist, ist es auch ein Ding. Diese Einheit ist denn auch nicht meßbar, sondern drückt unmittelbar das Sein eines Dinges aus. Allerdings geschieht dies in negativer Form: »Während das Eine dem Seienden nur eine Negation hinzufügt – insofern etwas in sich ungeteilt ist –, fügt ihm die Vielheit zwei Negationen hinzu: insofern etwas in sich ungeteilt ist und insofern es von etwas anderem geschieden ist. Darin besteht ja eine Unterscheidung: daß das eine nicht das andere ist.«41 Insofern Einheit und Vielheit keine weitere sachliche Bestimmung zum Wesen einer Sache erbringen, sondern nur für deren Konturierung nach innen und nach außen via negationis sorgen, kann auch Gott Einheit und zugleich Vielheit zugesprochen werden: Ungeteiltheit im Wesen und Unterschiedenheit der Personen. Der letzte Artikel von Quaestio IX eröffnet bereits ein Themenfeld, das anschließend in Quaestio X eingehend beackert wird. Es geht hier, wenn man so sagen darf, um die konkrete Anzahl der göttlichen Personen. A limine ist nämlich nicht einzusehen, warum es deren drei geben soll und nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denkbar sind ja offensichtlich unzählige Relationen in Gott. Diese Denkmöglichkeit wäre für Thomas durchaus ein gangbarer Weg – wenn denn die göttlichen Personen Geschöpfe des Vaters (und seien es Geschöpfe von ausgezeichneter Vollkommenheit) wären. Hier gäbe es in der Tat kein Halten mehr: der Extension wie der Intension nach wäre eine Vervielfältigung und Vervollkommnung der göttlichen Personen ad infinitum möglich. Die Sache hätte nur einen Haken: Mit dem göttlichen Charakter all dieser Personen wäre es vorbei. Für Thomas führt daher kein Weg daran vorbei: »Nur der katholische Glaube, der die Einheit des göttlichen Wesens in den real voneinander geschiedenen Personen vertritt, kann die Dreizahl in der Gottheit einsichtig machen.«42 In drei kurzen Schritten verdeutlich Thomas dies: 1. Das erste Kriterium, das Thomas hier anführt, ist dasjenige des ›Ungeborenseins‹ (innascibilitas), d. h. der Ursprungslosigkeit Gottes. Dieses 41 q. 9 a. 7 c. 42 q. 9 a. 9 c.

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Kriterium kann sich freilich nur auf einen einzigen Gott oder zumindest nur auf eine einzige Instanz in der Gottheit beziehen, sonst gäbe es mehrere ursprungslose Götter (die zudem in keiner Relation zueinander stehen müßten). 2. Dies bedeutet wiederum, daß von dieser ursprungslosen Instanz oder Person in der Gottheit die anderen göttlichen Personen ausgehen müssen. 3. Der Hervorgang der anderen Personen aus dem Ursprung kann aber nur über eine Tätigkeit erfolgen, »die sich nicht nach außen entfaltet, sondern in der tätigen Instanz verbleibt. Innerhalb der geistigen Natur gibt es nur zwei davon: Erkennen und Wollen.«43 (Wollen meint dabei eine Tätigkeit in Form eines Bezuges auf das Gewollte; der Bezug selbst, das Wollen als solches, erfolgt dabei in Gestalt der Liebe im Sinne eines affirmativen Strebens.) Wiederum dient nun Thomas »unser« – das menschliche – Erkennen und Wollen als Kontrastfolie. Beide Tätigkeiten bilden sozusagen den für uns halbwegs einsichtigen Vordergrund, der sich abhebt von einem – für uns – opaken Grund: dem göttlichen Denken und Wollen. Die Gemeinsamkeit und zugleich Differenz bei der menschlichen und göttlichen Tätigkeit verdeutlicht Thomas mit dem Hinweis auf die Kreisstruktur dieser Tätigkeiten: »Es gibt sowohl bei uns als auch bei Gott eine Art von Kreisbewegung bei der Tätigkeit des Intellekts und des Willens.«44 Die Metapher des Kreises signalisiert zunächst durchaus eine Gemeinsamkeit bei all diesen Tätigkeiten: sie sind allesamt in irgendeiner Form kompakt; sie fransen gewissermaßen nicht aus, sondern vollziehen sich retrograd. Allerdings entscheidet diese Kreisform noch nicht darüber, ob die jeweilige innere Tätigkeit eine geschlossene ist: ob also diese Tätigkeit bei sich bleibt. Für unser menschliches Denken und Wollen gilt nämlich nach Thomas: Im Vollzug dieser Tätigkeiten sind wir nie einfach nur bei uns, sondern immer auch bei der Sache, um die es sich beim Denken und Wollen buchstäblich dreht. »Für uns schließt sich der Kreis bei einer äußerlichen Instanz: ein äußerliches Gut bewegt unseren Intellekt, der Intellekt bewegt unseren Willen, und 43 Ebd. 44 Ebd.

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der Wille richtet sich in seinem Streben und seiner Liebe auf das äußerliche Gut.«45 Göttliches Denken und Wollen schließt hingegen jeden Fremdbezug aus; hier läßt sich tatsächlich von einem vollkommen in sich geschlossenen Kreis reden. Das vollkommene Sich-selbst-Erkennen, mit dem der Hervorgang des Wortes bzw. des Sohnes aus dem Vater zu verstehen ist, ist zugleich eine Selbst-Affirmation in Form der gegenseitigen Liebe von Vater und Sohn. Mit diesem gegenseitigen Bezug ist ein zweiter Hervorgang in der Gottheit verbunden. »Ein dritter Hervorgang in der Gottheit ist daher unmöglich«.46 Wie dies näher zu verstehen ist und welche Konsequenzen damit verbunden sind, wird Gegenstand der zehnten und letzten Quaestio sein. Wenn also die Anzahl der göttlichen Personen sich bemißt nach der Anzahl der realen Relationen in Gott, dann erfordert es der Nachweis der Dreizahl von Personen, daß es nur ganz bestimmte und voneinander unterscheidbare »Hervorgänge« in Gott gibt. Quaestio  X setzt daher mit der grundsätzlichen Frage ein, ob es überhaupt einen Hervorgang (processio) in Gott geben kann (q. 10 a. 1). Diese Frage ist mehr als nur eine scholastische Pflichtübung, eine Erörterung stets bei grundsätzlichen Problemen einsetzen zu lassen. Die Bedeutung von »Hervorgang« ist nämlich leicht mißverständlich, da ein Hervorgang zunächst eine lokale Bewegung meint, die sich geordnet über mehrere prozessuale Stadien hinzieht und die schließlich zu ihrem Ende mit einem entsprechenden Resultat gelangt. Beispiele für derartige Hervorgänge in der Natur gibt es zuhauf: alle Formen der Fortpflanzung etwa. Damit dieser Begriff auch in der Rede von Gott sinnvoll angewandt werden kann, sucht Thomas einen leitenden Aspekt, unter dem sich alle Bedeutungen von »Hervorgang« bündeln lassen. Dies ist der Aspekt der Veränderung, die sich mit oder an einem Hervorgang zeigt. (a) Zunächst und zuvor betrifft diese Veränderung das Objekt bzw. das Resultat des Hervorganges; mit ihm und an ihm kommt 45 Ebd. 46 Ebd.

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etwas Neues und anderes ins Sein. In Thomas’ Beispiel eines Entzündungsvorganges gesprochen: Das entzündende Feuer verändert sich in seiner Hitzeleistung nicht; es ist das angezündete Material, das sich verändert. (b) Doch die Veränderung kann auch diejenige Instanz betreffen, die einen Hervorgang initiiert. In diesem Fall ist aber Veränderung im Sinne von Vervollkommnung zu verstehen: Etwas tritt als es selbst in seiner Wirklichkeit hervor. So kommen etwa unser Intellekt und unsere Sinnesorgane erst mit den entsprechenden Aktivtäten des Denkens und Wahrnehmens zu sich. Und dies nicht nur allein deswegen, weil mit ihren jeweiligen Tätigkeiten ein Hervorgang von etwas weiterem – von einem Begriff bzw. von einem Vorstellungsbild – einhergeht. Von Bedeutung ist hier genauso, daß der Intellekt erst mit einer derartigen Tätigkeit sich vervollkommnet – sich als eben der zeigt, der er ist: als denkende Instanz. Die beiden genannten Spielarten einer Tätigkeit, mit der ein Hervorgang verbunden ist, können nun auch für Gott in Anschlag gebracht werden. (a) Zum einen ist dies ein Hervorgang aus Gott, der eine Veränderung ausschließlich am Hervorgehenden mit sich bringt – und zwar die denkbar radikalste Veränderung: den Übergang vom Nichts ins Sein, welcher im Schöpfungsakt erfolgt. »Aus dieser Art von Tätigkeit erwächst Gott freilich keine Vollkommenheit, es ist eher so, daß die Schöpfung aus der göttlichen Vollkommenheit eine Vollkommenheit erhält.«47 (b) Wie ist aber bei Gott nun eine Vollkommenheit zu denken, die ihm selbst aufgrund einer Tätigkeit zukommen sollte? Für Thomas ist klar: Es ist Gottes aktives Denken und Wollen, die ihn als den Vollkommenen zeigen. Diese Tätigkeiten bringen naturgemäß keine Veränderung mit sich, die Gott selbst betreffen könnte; Gott hebt nicht an zu denken und zu wollen, sondern er ist Denken und Wollen. Vielmehr würde sich alles andere radikal ändern, wenn man außer acht ließe, daß Gottes Sein im Denken und Wollen besteht. Gott wäre dann für uns »tot oder geistlos«.48 47 q. 10 a. 1 c. 48 Ebd.

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Indem also eine relatio in Gott als processio gefaßt wird, wird damit auch und insbesondere bedeutet, daß in Gott sozusagen etwas vor sich geht. Die Trinität ist mehr als nur ein triadisches Strukturmodell, das sich überall in der Natur wieder auffinden ließe. Die Überlagerung des Begriffs der Relation mit demjenigen des Hervorganges hat aber noch einen weiteren Grund. Die göttlichen Personen unterscheiden sich nämlich nur dann aufgrund von Relationen, wenn die Verschiedenheit dieser Relationen einsichtig gemacht werden kann; was für Thomas heißt: wenn die Art des Hervorganges der göttlichen Personen verschieden, je einzigartig auf die jeweilige göttliche Person ›zugeschnitten‹ ist (q. 10 a. 2). Der Unterschied bei den Hervorgängen in Gott muß nach Thomas ein spezifischer sein. Die Zeugung des Sohnes muß demnach ein der Art nach anderer Hervorgang sein als derjenige des Heiligen Geistes. Es kann damit auch nicht bloß die Anzahl sein, die den Hervorgang des Sohnes und des Heiligen Geistes voneinander unterscheidet. Bei Artgleichheit des Hervorganges wären Sohn und Heiliger Geist sonst nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Thomas’ weitere Überlegung ist nun: Das spezifische Unterscheidungsmerkmal, das zwei Hervorgänge voneinander abhebt, kann entweder in ihrem jeweils verschiedenen Ausgangspunkt liegen oder aber darin, daß jeder Hervorgang ein anderes Ziel bzw. Ergebnis verfolgt. Es kann jedoch nicht so sein, daß beim Hervorgang des Sohnes aus dem Vater bestimmte essentielle Attribute Gottes gleichsam zurückgehalten werden, weil sie für den Heiligen Geist reserviert wären. Eine Aufsplittung der Hervorgänge im Hinblick auf die dabei jeweils zu übermittelnden Attribute ist mithin Unsinn, da damit die Wesenseinheit der drei Personen passé wäre. Jede der beiden göttlichen Personen empfängt vielmehr vom Vater alles, was dieser selbst hat. Damit zeichnet sich für Thomas die Lösung des Problems ab: Entscheidend für den Unterschied der göttlichen Hervorgänge ist die Art des Empfangens, die jeweils eine andere ist: »Die eine hervorgehende Person unterscheidet sich also von der anderen nicht deshalb, weil jede bei ihrem Hervorgang jeweils anderes empfangen würde, sondern weil die eine von ihnen von der anderen empfängt. […] Es handelt sich erst dann um einen anderen Hervorgang, wenn

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genau das, was in dem ersten Hervorgang empfangen worden ist, noch in einem weiteren Hervorgang hervortritt. Somit ist allein die Ordnung der Hervorgänge, die sich aus dem jeweiligen Ausgangspunkt eines Hervorgangs ergibt, für eine Vielzahl in der Gottheit verantwortlich.«49 Wie konkret diese Ordnung auszusehen hat, entwickeln die unmittelbar sich anschließenden Artikel. Klar ist allerdings, daß es ohne den Vater keinen Sohn gäbe, der aber seinerseits nicht aus dem Heiligen Geist kommen kann (welcher sonst auch der Vater wäre); ebensowenig kann aber der Heilige Geist ausschließlich aus dem Vater kommen, er wäre sonst genauso ein Sohn wie das göttliche Wort. Damit bleibt nur mehr die Möglichkeit, daß der Heilige Geist aus dem Vater hervorgeht – und zugleich aus dem Sohn: »Wenn nämlich der Heilige Geist und der Sohn zwei Personen sind, dann muß der Hervorgang des einen und derjenige des anderen jeweils verschieden sein. Vorhin wurde aber aufgezeigt, daß in der Gottheit zwei Hervorgänge nur in einer bestimmten Ordnung möglich sind: daß also von dem, der in einem ersten Hervorgang hervorgeht, ein weiterer Hervorgang ausgeht. Damit kann es nur so sein, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt.«50 Dies ist bekanntlich die lehramtliche Trennlinie – das berühmt-berüchtigte filioque –, die die katholische Westkirche von der Ostkirche scheidet, bis zum heutigen Tag. Thomas belegt diesen zentralen und für ihn unverhandelbaren Inhalt des katholischen Glaubens mit einer massiven Anhäufung von Vernunftgründen – aber eben nicht ausschließlich mit solchen. Dies schiene ihm sonst wohl eine unsachgemäße Rationalisierung eines ›Sachverhaltes‹, dessen rationaler Durchdringung er eingangs der Erörterungen wenig Aussicht auf Erfolg attestierte. Es schließt sich an dieser Stelle eine ganze Reihe Hinweise auf die »Autorität der Hl. Schrift«51 an, die den Hervorgang des Heiligen Geistes aus Gottsohn belegen sollen.52 q. 10. a. 2 c. q. 10 a. 4 c. Ebd. In den responsiones von q. 10 a. 4 finden sich übrigens lange und detaillierte Hinweise von Thomas auf Konzilsentscheidungen in dieser 49 50 51 52

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Aus philosophischen und biblischen Gründen kennt Thomas daher kein Pardon für die falsche Ansicht der »Griechen« der Ostkirche: »Wenn sich die Griechen aber zu bekennen weigern, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, da ja der Sohn selbst aus einem anderen kommt und er somit nicht das grundlegende Ursprungsmerkmal für den Heiligen Geist sein kann, dann ist diese Begründung haltlos. So wehrt sich ja auch niemand gegen die Behauptung, wonach ein Stein von einem Stock bewegt wird, auch wenn der Stock wiederum von der Hand bewegt wird […]. Wie man also bekennen muß, daß die Geschöpfe aus dem Sohn kommen, auch wenn er selbst aus dem Vater kommt, so muß man bekennen, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, auch wenn er selbst aus dem Vater kommt. Wenn also die Griechen behaupten, der Heilige Geist sei durch den Sohn aus dem Vater, nicht aber aus dem Sohn, dann verstehen sie ganz offensichtlich nicht, was sie sagen.«53 Gleichwohl hat nicht scharfe Polemik das letzte Wort in »De potentia«. Souverän, wie es sich für Thomas gehört, streicht er vielmehr die Gemeinsamkeiten mit den »Griechen« in dieser Frage heraus. Diese sind für ihn bezeichnenderweise eine Frage des einsichtsvollen Verstehen-Wollens: »Wer die Aussagen der Griechen recht bedenkt, wird finden, daß sie sich von uns mehr im Wortlaut als ihrem Sinn nach unterscheiden. Sie räumen zwar nicht ein, daß der Heilige Geist aus dem Sohn kommt, und dies entweder aus Ignoranz, aus Starrsinnigkeit, aus Sophisterei oder aus anderen Gründen. Doch aber gestehen sie ein, daß der Heilige Geist der Geist des Sohnes ist und vermittels des Sohnes aus dem Vater kommt – was sich gar nicht behaupten ließe, wenn denn der Hervorgang des Heiligen Geistes völlig unabhängig vom Sohn wäre. Dem dürfen wir entnehmen, daß auch die Griechen selbst es so verstanden, daß der Hervorgang des Heiligen Geistes in irgendeiner geordneten Beziehung zum Sohn steht.«54

Frage; diese sind aber offensichtlich weniger von philosophischem Interesse als von kirchen- bzw. dogmengeschichtlicher Relevanz. 53 Ebd. 54 q. 10. a. 5 c.

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Wer, in einem letzten Blick zurück, nach sachlichen Verbindungslinien innerhalb des Ganzen von »De potentia« fragt, wird kaum um die beiden Zentralbegriffe der potentia und der relatio und ihr Zusammenspiel herumkommen. Von daher lautet eine der zentralen Einsichten in diesem monumentalen Opus, daß die beiden göttlichen Vermögen zur Zeugung und zur Schöpfung erst dann in ihrer Sachhaltigkeit und Differenz verständlich werden, wenn ihr relationaler Charakter einsichtig gemacht worden ist. Und so präsentiert sich das Zeugungsvermögen als Ordnungsgefüge von spezifischen, in sich differenzierten Hervorgängen in der Gottheit, die sich dadurch relational in die Trinität entfaltet. Dagegen kann das Schöpfungsvermögen kein reales In-Bezug-Treten Gottes zu irgendetwas anderem meinen. (Wenn Gott in Bezug tritt, dann höchstens zu sich selber.) Schöpferische Omnipotenz ist daher in erster Linie keine Frage, was Gott so alles kann – worauf sich also sein Schöpfungsvermögen richten könnte, und sei dieser ›Gegenstand‹ noch so absurd. Der Gedanke der Allmacht ist denn auch keine Spielwiese für eine scharfsinnige Kasuistik, die einzelne Fälle oder Bereiche konstruiert, auf welche sich dann Gottes Macht nicht erstrecken kann. Schöpfung ermöglicht nach Thomas vielmehr den realen Bezug des Erschaffenen auf Gott. Insofern meint der potentia-Begriff weitaus mehr als ein Vermögen, das auf der Vorstellung eines bloß artifiziellen Könnens beruht. Das verliehe dem alten Titel durchaus einen guten neuen Sinn: de potentia et ultra. *** Nach weit mehr als zehn Jahren findet das Projekt der »De-potentia«Gesamtübersetzung mit diesem dritten Teilband seinen Abschluß. Für die – nicht vorauszusehende – überlange Dauer waren private wie berufliche Umstände verantwortlich. Ich möchte mich daher beim Verlag Felix Meiner sowie bei Rolf Schönberger, dem GesamtHerausgeber der »Regensburger Ausgabe«, für ihren langen Atem und ihre Geduld sehr herzlich bedanken. Auch hartnäckiges Schweigen bedeutet zuweilen einen großen Zuspruch. Herrn Joseph Sonnleitner, Mitarbeiter an meinem Lehrstuhl, schulde ich großen Dank für die gewissenhafte Mithilfe bei der mühsamen Aufschlüsselung

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der von Thomas zitierten Textstellen nach modernen Maßstäben und Editionen; bei Hunderten dieser Zitate konnten wir uns auf keinerlei Vorarbeiten stützen. Gewidmet seien die drei Bände von »De potentia« meinen beiden geliebten Kindern Margarethe und Moritz Kirchner: in Dankbarkeit für das alltägliche Wunder, ihnen bei der Entfaltung ihrer Anlagen und Kräfte zusehen zu können. Regensburg / Linz 2005–2018

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS DER ZITIERTEN WERKE

1. Text-Ausgaben F

Sancti Thomae Aquinatis Doctoris angelici ordinis praedicatorum Opera omnia ad fidem optimarum editionum accurate recognita, Parmae typis Petri Fiaccadori 1852 ff.; vol. VIII, Parmae 1856, 1–218.

L

Sancti Thomae de Aquino Opera omnia iussu Leonis XIII P. M. edita; Vol. XXI [in Vorbereitung].

M

S. Thomae Aquinatis doctoris angelici Quaestiones disputatae, cura et studio P. Bazzi et al., Taurini / Romae 101965; Vol. II, 7–276.

V

Doctoris angelici divi Thomae Aquinatis sacri Ordinis F. F. Praedicatorum Opera omnia sive antehac excusa, sive anecdota […], studio ac labore Stanislai Eduardi Fretté et Pauli Maré Sacerdotum, Scholaeque thomistica Alumnorum, Parisiis apud Ludovicum Vivès 1871 ff.; Vol. XIII: Quaestiones disputatae. De Potentia – De malo, Parisiis 1875, 1–319.

2. Editionen der zitierten Wer k e Averroes

Aristotelis opera cum Averrois commentariis, Venedig 1562–1574; Nachdruck: Frankfurt a. M. 1962, 12 Bände.

Buytaert

Johannes Damascenus, De fide orthodoxa. Versions of Burgundio and Cerbanus, ed. E. M. Buy-

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Abkürzungsverzeichnis

taert, Louvain 1955 (= Franciscan Institute Publications. Text series 8). CCCM

Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis, Turnhout 1966 ff.

CCSL

Corpus Christianorum. Series Latina, Turnhout 1953 ff.

CSEL

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Wien 1866 ff.

Coll. S. Bon.

Magistri Petri Lombardi Sententiae in IV libros distinctae, ed. Collegii S. Bonaventurae ad Claras Aquas, Grottaferrata (Romae) 1971 (= Spicilegium Bonaventurianum 4–5).

Denzinger / Schönmetzer

Heinrich Denzinger / Adolf Schönmetzer, Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, hrsg. von P. Hünermann, Freiburg i. Br. 45. Aufl. 2017.

Dion.

Dionysiaca. Recueil donnant l’ensemble des traductions latines des ouvrages attribués au Denys de l’Aréopage et synopse marquant la valeur de citations presque innombrables allant seules depuis trop longtemps, remises enfin dans leur contexte au moyen d’une nomenclature rendue d’un usage très facile, Brügge 1937, 2 Bände.

Elsässer

A. M. S. Boethius, Die theologischen Traktate. Lateinisch – deutsch, übersetzt und mit Anm. versehen von M. Elsässer, Hamburg 1988 (= Philosophische Bibliothek 397).

Heither

Origenes, Commentarii in epistulam ad Romanos / Römerbrief-Kommentar. Band V. Latei-

Abkürzungsverzeichnis

327

nisch – Deutsch. Übersetzt und eingeleitet von Teresa Heither, Freiburg i. Br. 1995 (= Fontes Christiani 2, 5). Isidor von Sevilla Isidorus Hispalensis Episcopus, Etymolgoiarum sive Originum Libri XX, rec. M. W. Lindsay, Oxford 1971. Minio-Paluello

Aristoteles latinus, ed. G. Lacombe / L. MinioPaluello, Rom 1954 ff.

PG

Patrologiae cursus completus, Series Graeca, ed. J.-P. Migne, Paris 1857 ff.

PL

Patrologiae cursus completus, Series Latina, ed. J.-P. Migne, Paris 1844 ff.

SC

Sources Chrétiennes, ed. H. de Lubac, J. Daniélou et al., Paris 1943 ff.

Schönfeld

[Anonymus;] Das Buch von den Ursachen / Liber de causis. Lateinisch – deutsch, übersetzt und mit einer Einleitung versehen von A. Schönfeld und R. Schönberger, Hamburg 2004 (= Philosophische Bibliothek 553):

Van Riet

Avicenna Latinus, ed. S. Van Riet et G. Verbeke, Louvain (u. a.) 1968 ff.

Weiss

Mose ben Maimon, Führer der Unschlüssigen, Übersetzung und Kommentar von A. Weiss. Mit einer Einleitung von J. Maier, Hamburg 1972 (= Philosophische Bibliothek 184 a–c).

THOMAS VON AQUIN

Über die Einung des menschgewordenen Wortes

QUAESTIO DISPUTATA DE UNIONE VERBI INCARNATI 1 ÜBER DIE EINUNG DES MENSCHGEWORDENEN WORTES

1. 2. 3. 4. 5.

Ist diese Einung in der Person oder in der Natur? Ist in Christus nur eine Hypostase? Ist Christus auf sächliche Weise einer oder zwei? Ist in Christus nur ein Sein? Ist in Christus nur eine Tätigkeit?

Erster Artik el Die erste Frage lautet: Ist diese Einung in der Person oder in der Natur? 2 Es scheint, daß sie in der Natur ist. 1. Athanasius sagt nämlich im Glaubensbekenntnis: »Wie der eine Mensch vernunftbegabte Seele und Fleisch ist, so der eine Christus Gott und Mensch.«3 Die vernunftbegabte Seele und das Fleisch

1 Textausgabe: S. Thomae Aquinatis, Quaestiones disputatae, Vol. II., ed. P. Bazzi, M. Calcaterra, T. S. Centi et al., Editio IX revisa, Taurini, Romae: Marietti 1953, 421–435. Dieser Edition entspricht der E-Text des Corpus Thomisticum, ed. R. Busa / E. Alarcón (2000): http://www.corpus thomisticum.org/qdi.html. 2 Par alleltexte: Sum. theol. III, q. 2, a. 1–2; Sent. III, d. 4, q. 1, a. 2–3; ScG IV, 35 u. 41; De ver., q. 20, a. 1; Comp. theol., c. 206; Super Ioh., c. 1, lect. 7; Super Rom., c. 1, lect. 2 u. Super Phil., c. 2, lect. 2. ScG zit. n. Marietti-Ausgabe, ed. Marc (1967). 3 Vgl. Ps-Athansius von Alexandrien, Symbolum ›Quicumque‹ (»Athanasium«), n. 32–37 (DSH 76); vermutlich zw. 430 u. 500 abgefaßt. Als Autoren kommen in Frage: Hilarius von Poitiers, Ambrosius von Mailand,

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Über die Einung des Menschgewordenen Wortes

werden aber in der einen menschlichen Natur vereinigt. Folglich werden Gott und Mensch in der einen Natur Christi vereinigt. 2. Johannes von Damaskus sagt im 3. Buch von Über den Glauben: »Dies versetzt die Häretiker in den Irrtum, weil sie sagen, daß Natur und Hypostase4 dasselbe seien.«5 Dies scheint aber nicht falsch zu sein: Denn in einem jeden Einfachen, und vor allem in Gott, sind der Träger6 und die Natur dasselbe. Folglich ist es nicht falsch, was die Häretiker sagen, daß die Einung, wenn sie in der Person geschieht, in der Natur geschehe. 3. Johannes von Damaskus sagt im 3. Buch von Über den Glauben, daß »die zwei Naturen miteinander auf unvertauschbare und unveränderbare Weise vereint sind«.7 Die Einung der Naturen aber scheint eine naturhafte Einung zu implizieren. Folglich geschah die Einung in der Natur. 4. Bei allen Dingen, bei denen der Träger etwas über die Natur der Art hinaus besitzt, sei es ein Akzidens oder eine individuelle Natur8, ist es notwendig, daß sich der Träger von der Natur unterscheidet, wie es nach Aristoteles im 7. Buch der Metaphysik9 offensichtlich

Niketas Remesiana u. a. Die Leib-Seele-Einheit gilt als typisches Denkmodell der »Logos-Sarx-Christologie«; s. auch De pot., q. 2, a. 4 arg. 1. 4 Übersetzung für hypostasis (ØpÒstasij), d. h. »Grundlage«. Der Begriff meint eine unabhängige Wirklichkeit, in der Trinitätslehre: die göttliche Person, also Vater, Sohn und Heiliger Geist, im Unterschied zu der ihnen gemeinsamen göttlichen Wesensnatur. Christus, Gott und Mensch, bildet eine einzige Hypostase (DSH 302). 5 Vgl. Johannes Damascenus, De fide III, c. 3 (PG 94, col. 991A; PTS 12, 112,39 f.). 6 Übersetzung für suppositum: das der allgemeinen Natur »Untergelegte«, d. h. ihr »Träger« (Subjekt). Synonyme sind »hypostasis«, »subiectum« oder »fundamentum«; vgl. Sum. theol. I, q. 29, a. 2 c. 7 Vgl. Johannes Damascenus, De fide III, c. 3 (PG 94, col. 987B; PTS, 111,2). 8 Übersetzung für natura individualis (einige Hss.: materia individualis). Gemäß seiner Edition übersetzt K. Obenauer (ed.) mit »Individualmaterie« (21) u. H.-M. Deloffre (ed.) nach korrigiertem Marietti-Text mit »une nature individuelle« (83). 9 Vgl. Aristoteles, Met. VII, c. 11; 1037 a 21–b 7.

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ist. Wenn aber die Einung der menschlichen Natur mit dem Wort10 nicht in der menschlichen Natur11 geschieht, wird sie auch nicht die Natur der Art des Wortes selbst betreffen. Daraus würde folgen, daß der Träger des Wortes verschieden von der göttlichen Natur ist; was [aber] unmöglich ist. Folglich scheint es, daß die Einung in der Natur geschehe. 5. Jede Einung zielt auf etwas Geeintes12, das nach der Einung selbst ist. Die Einheit der Person des Wortes, da sie ewig ist, besteht nicht nach der Einung, welche in der Fülle der Zeit13 geschah. Folglich geschah die Einung nicht in der Person. 6. Einung besagt eine gewisse Hinzufügung14. Daher kann also eine Einung nicht in etwas stattfinden, das von höchster Einfachheit ist. Die Person des Wortes aber, weil sie wahrhaft Gott ist, ist von höchster Einfachheit. Folglich kann in der Person des Wortes keine Einung geschehen. 7. Zwei Dinge, die nicht einer Gattung sind, können nicht in etwas vereinigt werden; aus einer Linie und der Weiße z. B. wird nämlich nicht Eines. Die menschliche Natur unterscheidet sich aber viel stärker von der göttlichen Natur als diejenigen Dinge, welche sich in einer Gattung unterscheiden. Folglich kann die Einung der menschlichen und göttlichen Natur nicht zugleich in einer einzigen Person geschehen. 8. Die Person und Natur des Wortes unterscheiden sich allein der Erkenntnisweise15 nach, insofern die Person des Wortes – nicht 10 Übersetzung für Verbum (Logos), d. h. der Sohn als die zweite Person der Trinität. 11 Es muß heißen: »Wenn aber die Einung … nicht in der göttlichen Natur geschieht, wird [die menschliche Natur] auch nicht die Natur der Art des Wortes selbst betreffen. Daraus würde folgen, daß der Träger des Wortes etwas anderes als die Natur des Wortes ist.«; vgl. ed. Obenauer, 22 u. ed. Deloffre, 82. 12 Übersetzung für aliquod unum. Obenauer: »irgendein Eines« (23). 13 Übersetzung für plenitudo temporis. Vgl. Gal 4, 4 u. Mk 1, 15: Der Begriff bezeichnet die eschatologische Dimension der Menschwerdung als Vollendung der Offenbarungsgeschichte (Beginn der Endzeit). 14 Übersetzung für additamentum. Obenauer: »Zusatz« (23). 15 Übersetzung für modus intelligendi.

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aber die Natur des Wortes – eine Beziehung zum Ursprung16 impliziert. Durch die Beziehung zum Ursprung aber wird das Wort nicht auf die menschliche Natur bezogen, sondern auf den Vater. Folglich verhalten sich die Person des Wortes und dessen Natur auf dieselbe Weise zur angenommenen [Menschen]natur. Wenn also die Einung in der Person geschieht, wird sie in der Natur geschehen. 9. Die Menschwerdung17 treibt uns an, den menschgewordenen Gott zu lieben. Wir dürfen aber die eine göttliche Person nicht mehr lieben als die andere. Weil ihnen die gleiche Gutheit zukommt, muß es auch die gleiche Liebe sein. Folglich geschah die Einung der Menschwerdung in der den drei Personen gemeinsamen Natur. 10. Nach Aristoteles im 2. Buch von Über die Seele ist das Leben das Sein der Lebewesen.18 In Christus aber ist ein zweifaches Leben, nämlich das menschliche und göttliche Leben. Folglich kommt ihm ein zweifaches Sein zu und folgerichtig zweifach die Person: Das Sein kommt nämlich dem Träger oder der Person zu. Folglich geschah die Einung nicht in der Person. 11. Wie sich die Form des Teils zur Materie verhält, so die Form des Ganzen zum Träger.19 Die Form des Teils kann aber nur in der ihr eigentümlichen Materie sein. Folglich kann die Form des Ganzen, welche die Natur ist, nur in dem ihr eigentümlichen Träger sein,20 was die menschliche Person ist. Aus demselben Grund ist die göttliche Natur auch in der göttlichen Person. Folglich ist es notwendig, wenn darin zwei Naturen sind, daß dort [auch] zwei Personen sind. 16 Übersetzung für relatio originis. Obenauer: »Ursprungsbeziehung« (23). Der Ursprung ist der Vater, der den Sohn als 2. Person der Trinität zeugt (generatio filii); vgl. auch Sum. theol. I, q. 39, a. 1 c. 17 Übersetzung für incarnatio (Fleischwerdung); s. Joh. 1, 14: »Und das Wort ist Fleisch geworden (Et Verbum caro factum est).« 18 Grundsatz vivere viventibus est esse. Vgl. Aristoteles, De an. II, c. 4; 415 b 13: »denn bei allen Dingen ist die Ursache des Seins das Wesen, das Leben ist aber bei den Lebewesen das Sein, und Ursache und Prinzip hiervon ist die Seele.« (dt. Seidl, 81). 19 Übersetzung für forma partis : materia – forma totius : suppositum. 20 Übersetzung für materia propria (»eigene Materie«) – suppositum proprium (»eigener Träger«).

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12. Alles, was zutreffend über etwas ausgesagt wird, kann an dessen Stelle gesetzt werden. Die göttliche Natur wird aber wahr über die Person des Wortes ausgesagt. Folglich kann sie an deren Stelle gesetzt werden. Wenn also die Einung in der Person geschah, kann wahr gesagt werden, daß die Einung in der Natur geschehen sei. 13. Alles, was mit etwas geeint wird, wird mit ihm entweder auf wesenhafte oder akzidentelle Weise geeint.21 Die menschliche Natur wird aber mit dem Wort nicht auf akzidentelle Weise geeint, weil sie so ihr Personsein zurückbehalten würde und es zwei Personen sein würden. Jede Substanz nämlich, die zu einer anderen Substanz hinzukommt, behält ihre Einzelhaftigkeit22; wie das angelegte Kleid und das Pferd des Reiters. Folglich kommt sie [die menschliche Natur] ihm [dem Wort] auf wesenhafte Weise zu, insofern sie das Wesen bzw. die Natur des Wortes betrifft. Folglich geschah die Einung in der Natur. 14. Nichts, was unter einem anderen Ding zusammengefaßt wird, erstreckt sich auf etwas Äußeres davon; wie etwa das, was sich an einem Ort befindet, nicht an einem Ort außerhalb davon ist. Der Träger jedweder Natur aber wird unter der betreffenden Natur einbegriffen, von daher auch Sache der Natur23 genannt. So wird nämlich das Einzelwesen unter der Art zusammengefaßt, wie auch die Art unter der Gattung.24 Wenn das Wort also der Träger der göttlichen Natur ist, kann es sich nicht auf eine andere Natur erstrecken, um deren Träger zu sein, außer es werde eine einzige Natur bewirkt. 15. Die Natur verhält sich zum Träger in der Weise eines mehr Formhaften, sowohl in der Weise eines Einfacheren als auch in der Weise eines sie Begründenden.25 Auf diese Weise aber kann sich die 21 Übersetzung für essentialiter – accidentialiter. 22 Übersetzung für singularitas. Obenauer: »Einzelheit« (25). R. W.

Nutt (ed.) übersetzt: »individuality«. (89). 23 Übersetzung für res naturae. Obenauer: »Sache von jener Natur« (25) u. Deloffre: »une réalité naturelle« (87). Die Einzelsubstanz, sofern sie Träger einer allgemeinen Natur ist (»Diese Weiße in diesem Träger«); vgl. auch Sum. theol. I, q. 29, a. 2 c. 24 Übersetzung für individuum – species – genus. 25 Vgl. Obenauer: »nach Art des Formaleren und Einfacheren und Konstituierenden« (25).

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menschliche Natur nicht zu der Person des Wortes verhalten. Folglich kann die Person des Wortes nicht die Person der menschlichen Natur sein. 16. Eine Tätigkeit wird dem Träger oder der Person zugeschrieben. Denn nach Aristoteles26 kommen die Tätigkeiten den Einzeldingen zu. In Christus sind aber zwei Tätigkeiten, wie Johannes von Damaskus im 3. Buch von Über den Glauben27 beweist. Folglich sind in Ihm zwei Personen. Folglich geschah die Einung nicht in der Person. 17. »Person« wird bestimmt: Eine durch Eigenheit unterschiedene Natur.28 Wenn also die Einung in der Person geschah, folgt, daß die Einung in der Natur geschehe. Dagegen spricht: 1. Was Augustinus im Buch von Über den Glauben an Petrus sagt: »Die Wahrheit zweier Naturen wohnt in Christus hinsichtlich einer einzigen Person.«29 2. Im Brief An Orosius sagt er: »Zwei Naturen erkennen wir in der einen Person des Sohnes.«30 Antwort: Zur klaren Erkenntnis in dieser Frage muß überlegt werden: (1) Erstens, was eine Natur ist, (2) zweitens, was eine Person ist und 26 Übersetzung für actio. Vgl. Aristoteles, Met. I, c. 1; 981 a 16–a 17 u. Eth. Nic. II, c. 7; 1107 a 31. 27 Vgl. Johannes Damascenus, De fide III, c. 15 (PG 94, col. 1045 f. C /A; PTS 12, 144,2–5). 28 Übersetzung für persona definitur esse natura prorietate distincta. Obenauer: »Eigentümlichkeit« (25). Vgl. unten c. (Abs. 2.1) u. a. 2 c. (2.1); s. auch Anm. 41 u. 132. Zum Begriff »persona« vgl. Sum. theol. I, q. 29, a. 1, arg. 1: »Person ist Einzelsubstanz der vernunftbegabten Natur« (DThA 3, 41). Zur Herkunft: Boethius, De duabus Naturis in Christo (Contra Eut. et Nest.), c. 4 (PL 64, col. 1343C). 29 Das Werk stammt von Fulgentius von Ruspe: De fide ad Petrum (PL 40, col. 759; CCSL 49, 171, n. 60). 30 Vgl. Augustinus, Ad Orosium (Contra Priscillianistas), 7 (PL 42, col. 669 ff.; CCSL 49, 171). Das Zitat kann nicht sicher identifiziert werden.

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(3) drittens, auf welche Weise die Einung des menschgewordenen Wortes in der Person geschah, nicht in der Natur. (1.1) Das Wort »Natur« wird von »Geboren werden« genommen. Von daher ist »Natur« zuerst – gleichsam als »Geboren werden«31 – die natürliche Entstehung32 der Lebewesen selbst genannt worden, nämlich die der Tiere und Pflanzen. (1.2) Danach wurde das Wort »Natur« auf das Prinzip der zuvor genannten [natürlichen] Entstehung übertragen. (1.3) Weil das Prinzip solch einer natürlichen Enstehung innerlich ist, wurde das Wort »Natur« ferner auf die Bezeichnung des inneren Prinzips der Bewegung bezogen, entsprechend dem, was im 2. Buch der Physik 33 gesagt wird. Denn die Natur ist in demjenigen, worin sie ist, das Prinzip der Bewegung an sich,34 nicht akzidentell. (1.4) Weil die natürliche Bewegung insbesondere bei der Zeugung auf die Wesen[sform] der Art35 hingeordnet ist, wird schließlich die Wesensform der Art, welche die begriffliche Wesensbestimmung36 bezeichnet, »Natur« genannt. Daher sagt auch Boethius im Buch Über die zwei Naturen: Die Natur sei der jedes [Ding] formhaft bestimmende, artbildende Unterschied. 37 Und auf diese Weise wird hier »Natur« aufgefaßt. (2.1) Um aber zu verstehen, was eine »Person« ist, muß bedacht werden, daß – wenn ein Ding gegeben ist, in dem nichts anderes als die Wesensform der Art ist – , die Wesensform der Art durch sich 31 Übersetzung für nascitura. Nutt: »something to be born« (91); zur Etymologie: Sum. theol. III, q. 2, a. 1 c. 32 Übersetzung für nativitas (»Geborensein«): d. h. die natürliche Geburt (generatio); s. De pot., q. 10, a. 2 arg. 23 o. Sum. theol. I, q. 27, a. 2 c. 33 Vgl. Aristoteles, Phys. II, c. 1; 192 b 8–193 a 2. 34 Übersetzung für principium motus in quo per se, d. h. im »Träger« (suppositum). 35 Übersetzung für terminatur ad essentiam speciei. 36 Übersetzung für definitio. 37 Übersetzung für natura est unumquodque informans specifica differentia. Vgl. Boethius, De duabus Naturis in Christo (Contra Eut. et Nest.), c. 1 (PL 64, col. 1342B; ed. Moreschini, 212,111 f.); dt. Elsässer: »Natur ist die ein jedes Ding bestimmende spezifische Differenz«. (71); s. auch unten a. 3 arg. 4 (Anm. 188) u. a. 5 sc. (Anm. 302).

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selbst in der Weise eines Einzeldinges subsistiert.38 Auf diese Weise wären in solch einem Ding der Träger und die Natur der Sache nach dasselbe und würden sich allein dem Begriff nach unterscheiden. Es wird etwas nämlich »Natur« genannt, sofern es die Wesensform der Art ist, »Träger« hingegen, sofern es durch sich selbst subsistiert. Wenn aber eine Wirklichkeit39 darin ist, welche über die Wesensform der Art hinaus geht, welche die begriffliche Wesensbestimmung bezeichnet, dann ist es etwas anderes: entweder ein Akzidens oder die einzeldingartige Materie40. Dann wird der Träger nicht gänzlich dasselbe sein, was die Natur ist, sondern er wird sich durch eine Hinzufügung zur Natur auszeichnen. Dies ist besonders bei den Dingen offensichtlich, die aus Materie und Form zusammengesetzt sind. Was über den Träger gesagt wurde, ist [auch] in Bezug auf die Person in der vernunftbegabten Natur zu verstehen. Denn die Person ist nichts anderes als der Träger der vernunftbegabten Natur, entsprechend dem, was Boethius im Buch Über die zwei Naturen sagt: »Die Person ist die unteilbare Substanz einer vernunftbegabten Natur«.41 (3.1) So ist also deutlich: Es hindert nichts, daß Dinge in der Person geeint werden, welche nicht in der Natur geeint sind. Es kann eine unteilbare Substanz einer vernunftbegabten Natur42 nämlich etwas besitzen, das nicht zur Natur der Art gehört, und dies wird mit ihr auf personhafte Weise geeint, nicht auf naturhafte. Deshalb muß auf diese Weise angenommen werden, daß die menschliche Natur mit dem Wort Gottes in der Person geeint wurde, nicht aber in der Natur: Die [menschliche Natur] bezieht sich zwar nicht auf die göttliche Natur, wohl aber auf die [göttliche] Person, 38 Übersetzung für per se individualiter subsistens. Obenauer: »individuell Selbstand habend« (29). 39 Übersetzung für res. Deloffre: »une réalité« (89). 40 Übersetzung für materia individualis. 41 Übersetzung für persona est rationalis individua naturae substantia. Vgl. Boethius, De duabus Naturis in Christo (Contra Eut. et Nest.), c. 4 (PL 64, col. 1343C; ed. Moreschini, 214,171 f.); dt. Elsässer: »Person aber die unteilbare Substanz einer verständigen Natur ist« (80,8 f.; s. auch 82,2 f.); s. oben arg. 17 u. unten a. 2 c. (Abs. 2.1); s. auch Anm. 132. 42 Übersetzung für individua substantia rationalis naturae.

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insofern die Person des Wortes die menschliche Natur – dadurch, daß sie diese annahm – mit sich verband. Bei solch einer Weise der Verbindung43 ergibt sich aber ein Zweifel bzw. eine Unstimmigkeit. Denn wir sehen bei den Geschöpfen, daß etwas auf zweifache Weise zu einem anderen hinzukommt, nämlich auf akzidentelle oder wesenhafte Weise. (3.2) Deshalb lehrten Nestorius44 und vor ihm Theodor von Mopsuestia,45 die menschliche Natur sei mit dem [göttlichen] Wort auf akzidentelle Weise verbunden, nämlich aufgrund der Einwohnung der Gnade. Denn sie lehrten, daß das Wort Gottes mit dem Menschen Christus geeint wurde, indem es in Ihm wie in seinem Tempel wohnte. Wir sehen aber, daß jede Substanz, die auf akzidentelle Weise einem anderen Ding verbunden wurde, ihre eigentümliche Einzelheit für sich zurückbehält,46 wie etwa das Kleid, das zum Menschen hinzukommt, oder das Haus, das denjenigen, der in ihm wohnt, umschließt. Daraus folgt, daß jener 43 Übersetzung für modus coniunctionis. 44 Nestorius († 451), Erzbischof von Konstantinopel (Antiochenische

Schule), soll gelehrt haben, daß in Christus die Gottheit und Menschsein getrennt voneinander subsistieren. Er nannte Maria nicht »Gottesgebärerin« (qeotÒkoj), sondern »Christusgebärerin« (cristotÒkoj). Subjekt der Attribution der göttlichen und menschlichen Eigenschaften ist nicht primär der »Sohn« (Verbum Dei), sondern Christus, das sich aus der Vereinigung ergebende »prÒswpon« (»Person«). Beide Naturen stehen nur in engster Berührung. Die Gottheit des Sohnes wohnt im Leib Jesu wie in einem Tempel. 45 Theodor von Mopsuestia († 428), bedeutendster antiochenischer Theologe, vertritt eine »Trennungschristologie« (Diphysitismus). Seine Schriften richten sich gegen Apollinaristen und Arianer, welche Christus eine menschliche Vernunftsseele absprachen. Der Logos nimmt ihnen zufolge nur den Leib Christi an. Die Leidensunfähigkeit des Logos und Leidensfähigkeit des Menschen Jesus werden von Theodor strikt unterschieden. Er betont zwar die Einheit in Christus, zugleich scheinen beide Naturen wie zwei getrennte Subjekte konzipiert zu sein. Sie sind nur durch engste Verbindung geeint, als deren Ergebnis das »prÒswpon« (persona) Christi gedacht ist. 46 Übersetzung für propriam singularitatem retinere.

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Mensch die eigentümliche Einzelheit behalten haben wird, welche sein Personsein47 ist. Daraus folgte nach Nestorius, daß in Christus die Person des Menschen eine von der Person des Wortes unterschiedene Person und der Sohn des Menschen ein anderer als der Sohn Gottes sei. Deshalb wurde die selige Jungfrau [im Glaubensbekenntnis] nicht »Mutter Gottes«48, sondern bloß »Mutter des Menschen« genannt. – Dies aber ist gänzlich sinnwidrig. (3.2.1) Erstens nämlich, weil die Heilige Schrift in einer Weise über die Menschen spricht, in denen das Wort Gottes durch Gnade wohne,49 und in anderer Weise über Christus. Denn von den anderen Menschen sagt sie, daß das Wort Gottes etwa an solch einen Propheten erging, aber von Christus sagt sie: »Das Wort ist Fleisch geworden«50, das heißt »Mensch«; wie wenn das Wort selbst auf personhafte Weise Mensch sei. (3.2.2) Zweitens, weil der Apostel im Brief an die Philipper51 diese Einung als »Entäußerung« des Gottessohnes bezeichnet. Es ist aber offensichtlich, daß die Einwohnung der Gnade nicht für den Wesensgehalt der Entäußerung ausreicht. Sonst würde die Entäußerung nicht allein dem Sohn zukommen, sondern auch dem Vater und dem Heiligen Geist, über welchen der Herr im 14.  Kap. des Johannes-Evangeliums sagt: »Er wird bei euch bleiben, und er wird in euch sein«;52 und über sich und den Vater sagt er: »Wir werden zu ihm kommen, und bei ihm Wohnung nehmen.«53 Deswegen und

47 Übersetzung für personalitas. 48 Vgl. zum Titel »qeotÒkoj« (Deigenetrix); Anathematismen Kyrills

von Alexandrien († 444), d. i. 3. Brief Kyrills an Nestorius, n. 1 (DSH 252). 49 Zur Gnade als »Einwohnung« (inhabitatio) des dreifaltigen Gottes: De ver., q. 27, q. 2 ad 3. 50 Vgl. Joh. 1, 14 (Verbum caro factum est). 51 Übersetzung für exinanitionem Filii Dei. Vgl. Phil. 2, 6 f.: »Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich« (sed semetipsum exinanivit formam servi ); s. unten ad 14 u. a. 4 arg. 2. 52 Vgl. Joh. 14, 17. 53 Vgl. Joh. 14, 23.

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aus vielen anderen [Gründen] wurde die zuvor genannte Irrlehre auf dem Konzil von Ephesus verurteilt.54 (3.3) Einige55 hingegen, welche mit Nestorius daran festhielten, daß die menschliche Natur auf akzidentelle Weise zum Wort hinzukam, wollten die Zweiheit der Personen vermeiden, die Nestorius behauptete, indem sie lehrten, daß das Wort selber eine Seele und einen Leib annahm, welche nicht miteinander geeint waren, damit so nicht eine menschliche Person aus Seele und Leib entstehe. Daraus ergibt sich aber der noch größere Widerspruch, daß [nämlich] Christus nicht wahrhaft Mensch gewesen sei. Denn der Wesensbegriff des Menschen56 beinhaltet die Einung von Seele und Leib. Folglich wurde auch diese Irrlehre unter Papst Alexander III. auf dem Konzil von Tours57 verurteilt. (3.4) Andere58 wiederum nahmen die Gegenseite ein: Denn sie lehrten, daß die menschliche Natur zum Wort auf wesenhafte Weise hinzukomme und gleichsam zu einer einzigen Natur oder einem einzigen Wesen aus göttlicher Natur und menschlicher Natur verschmölzen. Dazu stellte Apollinaris von Laodizea59 drei Lehrsätze

54 Vgl. Konzil von Ephesus (Juni–Sept. 431): DSH 250–268; bes. 264. 55 Die Anhänger der 3. Einheitstheorie, welche Petrus Lombardus

(† 1160) in Sent. III, d. 6, c. 4, anführt (ed. Coll. S. Bonav. II, 59 f.) Thomas lehnt diese sogenannte »Habituslehre« als häretisch ab; vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 6 c. u. ScG IV, 37 (n. 3754). Diese Lehre wird Petrus Abaelard († 1142) zugeschrieben; s. unten a. 2 c. (2) u. Anm. 129. 56 Übersetzung für ratio hominis. Zur Anima-forma-corporis-Lehre: Sum. theol. I, q. 76, a. 1 c. u. ScG II, 57 (n. 1341): »Also ist die Seele die Form und der Akt des Körpers« (dt. Albert, 237). 57 Vgl. Synode von Tours (Mai 1163): »daß Christus, so wie als vollkommener Gott, so auch als vollkommener Mensch gelehrt wird, der aus Leib und Seele besteht« (DHS 749). Verurteilt wird die These »Christus ut homo non est aliquid« (daß Christus, sofern er Mensch ist, kein Etwas sei). 58 D. h. die Monophysitisten. 59 Apollonarius von Laodicaea († nach 375) lehrte, daß bei der Menschwerdung der Logos die Stelle der menschlichen Seele eingenommen habe. Er nimmt keine Einung mit einer vollständigen Menschennatur aus Leib und Geistseele an (Logos-Sarx-Modell).

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auf, wie Papst Leo in einem Brief an die Konstantinopolitaner 60 sagt. (3.4.1) Der erste Satz von ihnen lautet, daß [Apollinaris] lehrte, die Seele sei nicht in Christus geeint61, das Wort komme vielmehr zum Fleisch anstelle der Seele hinzu. So sei auf diese Weise aus dem Wort und dem Fleisch eine einzige Natur geworden, wie in uns eine Natur aus Seele und Leib. In dieser Lehre folgte Apollinaris nämlich Arius. (3.4.2) Weil aber die Schrift des Evangeliums ausdrücklich über die Seele Christi sagt – gemäß dem Vers im 10. Kap. bei Johannes: »Ich habe Vollmacht, meine Seele einzusetzen«62 – , verfiel Apollinaris auf den zweiten Lehrsatz: Er lehrte nämlich, daß eine sinnenbegabte Seele in Christus sei, nicht aber eine vernunftbegabte [Seele]. Das Wort sei vielmehr an die Stelle des Verstandes im Menschen Christus getreten.63 Dies aber ist widersprüchlich, weil demzufolge das Wort nicht eine menschliche [Natur], sondern eine tierhafte Natur angenommen hätte, wie Augustinus gegen ihn im Buch der LXXXIII Fragen64 einwendet. (3.4.3) Dessen dritter Lehrsatz war,65 daß das Fleisch Christi nicht von einer Frau angenommen wurde. Vielmehr geschah es durch das Wort, das sich zu Fleisch wandelte bzw. auch umgekehrt. Dies ist aber völlig unmöglich: Denn das Wort Gottes, wenn es wahrhaft 60 Vgl. Leo der Große († 461), Ep. 59 Ad clerum et plebem Constantinopolitanae urbis, V (PL 54, col. 871B–872B); s. ferner: Brief ›Lectis dilectionis tuae‹ an Bischof Flavian von Konstantinopel (Tomus I Leonis) vom 13. Juni 449 (DSH 290 ff.); s. auch Brief ›Promisse me memini‹ an Kaiser Leon I. (Tomus II Leonis) vom 17. Aug. 458 (DHS 317 ff.). 61 Übersetzung für unitam in Christo. Obenauer: »wonach in Christus keine Seele dem Leib uniert sei« (33). Widerlegung: ScG IV, 32 u. De ver., q. 20, a. 1 c. 62 Vgl. Joh. 10, 18. 63 Vgl. ScG IV, 33. 64 Vgl. Augustinus, De diversis quaestionibus LXXXIII, 80,1 (PL 40, col. 93; CCSL 44A, 232). 65 Vgl. ScG IV, 31 (Christi Leib stamme nicht von der Gottesmutter Maria).

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Gott ist, ist gänzlich unwandelbar. Daher wurde Apollinaris wegen dieser drei Lehrsätze auf dem Konzil von Konstantinopel66 verurteilt; ferner auch Eutyches,67 der dessen drittem Lehrsatz folgte, auf dem Konzil von Chalcedon.68 (3.5) Auf diese Weise also, wenn die Einung nicht in der Person geschah, sondern nach Nestorius bloß im Sinne einer Einwohnung, ereignet sich nichts Neues in der Menschwerdung Christi. Daß aber die Einung nach Apollinaris und Eutyches wahrhaft in der Natur geschehe, ist gänzlich unmöglich. (3.5.1) Die Arten der Dinge sind nämlich wie Zahlen, welche durch eine zu ihnen hinzugezählte bzw. von ihnen abgezogene Einheit ihre Art verändern. Wie es im 8. Buch der Metaphysik69 heißt, ist jede Natur in sich vollkommen. Es ist also unmöglich, daß sie die Hinzufügung einer anderen Natur zuließe; beziehungsweise, wenn sie die Hinzufügung einer anderen Natur zuließe, wäre sie nicht mehr dieselbe Natur, sondern eine andere. Die göttliche Natur ist aber am vollkommensten. Ebenso besitzt auch die menschliche Natur die Vollkommenheit ihrer Art. Deshalb ist es unmöglich, daß eine Natur zu einer anderen Natur in einer naturhaften Einung70 hinzukäme. Wenn es aber möglich wäre, würde augenblicklich dasjenige, was aus beiden Naturen entstünde, weder eine göttliche Natur noch eine menschliche Natur sein. Folglich würde Christus weder Mensch noch Gott sein, was widersprüchlich ist. 66 Vgl. Erstes Konzil von Konstantinopel (Mai–Juni 381): DSH 151; s. auch DSH 159 u. 433. 67 Vgl. Eutyches (†  nach 454), Mönch, Begründer des Monophysitismus, bekämpft den Nestorianismus. Seine Lehre führt zu einer Auflösung der menschlichen Natur Christi in der göttlichen Natur: »Ich bekenne, daß unser Herr vor der Vereinigung zwei Naturen hatte, nach der Vereinigung bekenne ich nur eine einzige Natur.« (ACO II/I, 1, 134 f.). 68 Vgl. Konzil von Chalcedon (Okt.–Nov. 451): DSH 300 ff. 69 Vgl. Aristoteles, Met. VIII, c. 3; 1043 b 36–a 1044): »so wird auch die Wesensdefinition (ÐrismÕj) und das Sosein (tÕ t… Ãn e�nai) nicht mehr dasselbe sein, wenn etwas weggenommen und hinzugetan ist.« (dt. Seidl, 91). 70 Übersetzung für unio naturalis. Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 1 c. u. ScG IV, 34 (n. 3732).

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(3.5.2) Von daher ergibt sich, daß die menschliche Natur mit dem Wort weder auf akzidentelle noch auf wesenhafte Weise geeint wurde, sondern vielmehr auf substanzhafte Weise,71 insofern als die Substanz eine Hypostase bezeichnet, und zwar auf hypostatische oder auch personhafte Weise. (3.5.3) Kein Beispiel dieser Einung unter den geschaffenen Dingen ist aber naheliegender als die Einung der vernunftbegabten Seele mit dem Körper, was Athanasius72 lehrt. Allerdings nicht in der Weise, daß die Seele die Form des Körpers ist,73 weil das Wort nicht eine Form in der Materie sein kann; insofern aber, daß der Körper das Werkzeug der Seele ist, allerdings nicht ein äußerliches bzw. hinzugefügtes Werkzeug, sondern ein ihr eigentümliches und mit ihr verbundenes Werkzeug.74 Deshalb sagt Johannes von Damaskus, die menschliche Natur sei das Werkzeug des Wortes.75 Dies Beispiel wäre noch treffender, wie etwa Augustinus76 im Buch Gegen Felicianus sagt, »wenn wir uns vorstellen, wie es viele ja wollen, daß in der Welt eine allgemeine Seele77 ist, welche die für die verschiedenen Formen empfängliche Materie78 mit sich zu einer einzigen Person machen würde.«79 71 Übersetzung für accidentaliter – essentialiter – substantialiter. 72 Vgl. Ps-Athansius von Alexandrien, Symbolum ›Quicumque‹, n. 32–

37 (DSH 76); s. oben arg. 1 (Anm. 3). 73 Grundsatz: anima est forma corporis. 74 Übersetzung für instrumentum proprium – coniunctum. 75 Übersetzung für organum Verbi (divinitatis). Vgl. Johannes Damascenus, De fide III, c. 15 (PG 94, col. 1060A; PTS 12, 150, 171); s. auch De ver., q. 27, a. 4 c. 76 Nicht Augustinus, vermutlich Vigilius von Thapsus († um 500); vgl. PL 42, col. 1155–1158. 77 Übersetzung für anima generalis. Gemeint ist die »Weltseele« (anima mundi). Hintergrund bildet der Pantheismus, d. h. die Lehre, daß die Intellekte der Menschen nicht einen einzigen Intellekt mit der Weltseele bilden« s. Sum. theol. I, q. 3, a. 8 c.; ScG II, 42 (n. 1191) u. 73 (1492). 78 Übersetzung für materia passibilis ad diversas formas. Obenauer: »daß es in der Welt eine allgemeine Seele gibt, welche, indem sie die empfängliche Materie zu ihren eigenen Verwendungen formt, (mit sich) zu einer Person machen würde.« (34); ebenso Deloffre, 94. 79 De unitate Trinitatis ad Felicianum, c. XI (PL 42, col. 1166).

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(3.5.4) Gleichwohl sind all solche Beispiele aber unzulänglich, weil die Einung des Werkzeugs akzidentell ist. Die [Menschwerdung] ist aber eine einzigartige Einung, welche über alle uns bekannten Weisen der Einung hinausgeht. Wie nämlich Gott die Gutheit selbst und sein Sein ist, so ist er auch die Einheit selbst durch sein Wesen.80 (3.5.5) Deshalb gilt: Wie seine Wirkkraft81 nicht auf jene Weisen der Gutheit und des Seins beschränkt ist, die in den Geschöpfen sind, sondern neue Weisen der Gutheit und des Seins schaffen kann, welche uns unbekannt sind, so konnte Gott auch durch die Unendlichkeit seiner Wirkkraft eine neue Weise der Einung schaffen, damit die menschliche Natur mit dem Wort auf personhafte, nicht aber auf akzidentelle Weise vereint würde, obgleich dafür unter den Geschöpfen kein hinreichendes Beispiel zu finden ist. Daher sagt Augustinus in dem Brief an Volusianus82, in dem er über dieses Geheimnis spricht: »Sucht man einen Grund dafür, ist es kein Wunder mehr. Verlangt man ein Beispiel, ist es nicht mehr einzigartig. Wir müssen zugeben: Für Gott ist etwas möglich, von dem wir bekennen müssen, daß wir es nicht erforschen können. Bei solchen Dingen ist nämlich die ganze Begründung des Geschaffenen die Macht des Schaffenden.«83 Dionysius sagt zudem im 2. Kap. von Über die göttlichen Namen: »Jesus ist um unseretwillen die göttliche Zusammenfügung«, das heißt die Einung, »und sie ist sowohl für jedes Wort unaussprechlich als auch unerkennbar für jedes Geistwesen – selbst auch für den ersten der würdigsten Engel.«84

80 Übersetzung für unitas per essentiam. Zur Einheit von »Wesen« und »Sein« vgl. Sum theol. I, q. 3, a. 3–4 c. In Gott fallen esse (Sein), essentia (Wesen), natura (Natur) und suppositum (Wesensträger) in eins. 81 Übersetzung für virtus Dei (virtus increata): Sum. theol. I, q. 14, a. 5 c. 82 Vgl. Augustinus, Ep. 137 Ad Volusinanum, c. II, n. 8 (PL 33, col. 519). 83 Übersetzung für tota ratio facti est potentia facientis. 84 Vgl. Dionysius Areopagita, De div. nom, c. II, 9 (PG 3, col. 648A; PTS 33/CD I, ed. Suchla, 133,5–7.

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Zu 1. Folglich bezieht sich der Vergleich nicht darauf, daß aus Seele und Fleisch die eine Natur des Menschen wird, sondern vielmehr darauf, daß die eine Person aus beidem gebildet wird. Zu 2. Obgleich sich in göttlichen Dingen die Natur und der Träger bzw. die Person der Sache nach nicht unterscheiden mögen, unterscheiden sie sich dennoch dem Begriff nach, wie gesagt wurde.85 Weil der/dieselbe86 in der menschlichen Natur und der göttlichen Natur subsistiert, nicht aber aus beidem [ein und] dasselbe Wesen zusammengefügt wird,87 ergibt sich daraus, daß die Einung in der Person geschah, auf deren Begriff sich »subsistieren« bezieht; nicht aber [bezieht sich »subsistieren«] auf die Natur, welche das Wesen des Dinges besagt. Zu 3. Die Naturen wurden gewiß in Christus geeint, jedoch nicht in der Natur, sondern in der Person. Dies ist selbst daraus ersichtlich, daß von den Naturen gesagt wird, sie seien »unvertauschbar« und »unveränderlich«88 geeint. Zu 4. Die Häretiker, indem sie behaupten, daß die Einung nicht in der Person geschah, sondern vielmehr in der Natur geschehe, zogen nicht in Erwägung – weder der Sache noch dem Begriff nach – , daß die Person etwas anderes als die Natur ist.89 Folglich täuschten sie sich. Zu 5. Etwas wird im eigentlichen Sinn »geeint« in Bezug auf die Einung genannt, wie etwas »eines« im Hinblick auf die Einheit ge85 Vgl. oben Antwort (c.); s. auch Sum. theol. I, q. 39, a. 5 c. u. III, q. 16, a. 5 ad 1. 86 Übersetzung für idem (neutr.), d. i. der »Träger« bzw. die »Person«. 87 Übersetzung für essentia ex utroque componere. 88 Vgl. Konzil von Chalcedon (Okt. 451): »Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt (¢sugcÚnwj), unveränderlich (¢tršptwj), ungetrennt (¢diairštwj) und unteilbar (¢cwr…stwj) erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer Person und einer Hypostase vereinigt« (DSH 302). 89 Obenauer: »wenn die Union in der [göttlichen] Person geworden ist, die Union [auch] in der [göttlichen] Natur geworden ist« (39). Er ediert ohne »nicht« (non) und »sondern« (sed). Ebenso Deloffre, 96 f.; vgl. ScG IV, 49 (n. 3842).

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nannt wird.90 Deshalb wird die Einung auch nicht so aufgefaßt, daß sie auf die göttliche Person beschränkt wird, insofern sie von Ewigkeit her in sich »eine« ist, sondern insofern, daß sie mit der menschlichen Natur in der Zeit geeint wird. So geht die Einung in Bezug auf die Weise der Erkenntnis der Person voraus, nicht als »eine«, sondern als »geeinte«. Zu 6. Es wird nicht gesagt, daß die Einung in der göttlichen Person geschieht, als ob die göttliche Person selbst aus zwei miteinander geeinten [Dingen] gebildet werde. Dies würde nämlich ihrer höchsten Einfachheit widersprechen. Vielmehr wird gesagt, daß die Einung in der Person geschah, insofern die einfache göttliche Person in beiden Naturen subsistiert, nämlich in der göttlichen und menschlichen. Zu 7. Zwei Dinge, welche sich der Gattung nach unterscheiden, werden nicht in einem Wesen oder einer Natur geeint. Nichts aber hindert, daß sie in einem Träger geeint werden, wie etwa aus der Linie und der Weiße nicht ein anderes Wesen wird, diese jedoch in einem Träger gefunden werden. Zu 8. Die Person des Sohnes kann auf zweifache Weise betrachtet werden: Einmal gemäß dem allgemeinen Wesensbegriff der Person, insofern er etwas bezeichnet, was subsistiert. Dementsprechend geschah die Einung in der Person gemäß dem Wesensbegriff der Person, wie oben gesagt wurde.91 Ferner kann in der Person des Sohnes dasjenige betrachtet werden, was das Eigentümliche92 der Person des Sohnes ist, nämlich die Beziehung, durch welche er sich auf den Vater bezieht. Nach dem Wesensbegriff dieser Beziehung wird eine Einung von zwei Naturen aber nicht in Betracht gezogen. Zu 9. Wie die Menschwerdung nichts an Gutheit zur göttlichen Person hinzufügt, so fügt sie ihr auch nichts an Würdigkeit93, geliebt zu werden, hinzu. Von daher ist die Person des menschgewordenen Wortes nicht mehr zu lieben als die Person des Wortes schlechthin, obgleich sie unter einer anderen Hinsicht zu lieben ist. Diese Hin90 91 92 93

Übersetzung für unitum (unio) – unum (unitas). Vgl. oben die Antwort (c.). Übersetzung für proprium personae Filii. Übersetzung für diligibilitas. Fähigkeit, Gegenstand der Liebe zu sein.

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sicht wird jedoch unter der allumfassenden Gutheit94 miteinbegriffen. Deshalb folgt auch nicht, daß darum – wenn die Einung der Menschwerdung in der einen Person und nicht der anderen geschah – die eine Person mehr als die andere zu lieben sei. Zu 10. Das Sein kommt sowohl der subsistierenden Person als auch der Natur zu, in welcher die Person subsistiert, und zwar in der Weise, daß die Person aufgrund jener Natur das Sein besitzt. Folglich ist das Sein der Person des menschgewordenen Wortes seitens der subsistierenden Person »eines«, nicht aber seitens der Natur. Zu 11. Die Natur verhält sich nicht auf dieselbe Weise zum Träger, wie sich die Form zur Materie verhält. Die Materie wird nämlich nicht in das Sein gebracht, außer durch die Form. Deshalb erfordert die Form eine bestimmte Materie95, welche [die Form] in das aktuelle Sein96 versetzen mag. Der Träger wird aber nicht allein durch die Natur einer Art gebildet, sondern kann bestimmte andere Dinge besitzen. Deshalb hindert auch nichts, daß irgendeine Natur einem Träger einer anderen Natur zugeeignet wird. Zu 12. Die göttliche Natur wird von der göttlichen Person aufgrund der Selbigkeit der Sache97 ausgesagt, nicht aber gemäß der Angemessenheit der Bezeichnungsweise.98 Deshalb ist es nicht notwendig, daß der eine Träger an die Stelle des anderen trete. Denn auch in den göttlichen Dingen ist dies wahr: »Die Person zeugt«; jedoch ist dies nicht wahr: »Das Wesen zeugt«. Zu 13. Die menschliche Natur wurde mit dem Wort geeint, allerdings weder auf akzidentelle noch auch auf wesenhafte Weise, in 94 Übersetzung für sub universali bonitate. 95 Übersetzung für materia determinata: synoym mit »materia desi-

gnata« (»bezeichnete Materie«); s. auch Sum. theol. I, q. 75, q. 4 c.; q. 76, a. 4 ad 4; ScG I, 21 (n. 199); II, 75; De ver., q. 2, a. 6 ad 1 o. De ente, c. 2. 96 Übersetzung für esse in actu. 97 Übersetzung für identitas rei. Gegenbegriff ist »diversitas«: In Phys. IV, lect. 23: »ibi possumus identitatem dicere, ubi differentia non invenitur« (ed. Maggiòlo, n. 637) o. In Met. X, lect. 4: »ideo est unitas substantiae, non dicitur similitudo vel aequalitas, sed identitas tantum.« (ed. Cathala, n. 2007). 98 Übersetzung für secundum proprietatem modi significandi.

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dem Sinne, daß sie der göttlichen Natur des Wortes zukomme, sondern vielmehr auf substantielle Weise, das heißt »hypostatisch«, in dem Sinne, daß sie der Hypostase bzw. der Person des Wortes zukommt. Zu 14. Die Person des Wortes wird unter der Natur des Wortes mit einbegriffen, und sie kann sich nicht auf etwas darüber hinaus beziehen. Die Natur des Wortes umfaßt aber aufgrund ihrer Unendlichkeit jede endliche Natur. Deshalb erstreckt sie sich, wenn die Person des [göttlichen] Wortes die menschliche Natur annimmt, nicht über die göttliche Natur hinaus, sondern nimmt dasjenige an, was unter ihr ist. Daher heißt es im 2. Kap. des Briefes an die Philipper: »da er Gott gleich war«, der Sohn Gottes, »entäußerte er sich selbst«.99 Allerdings legte er nicht die Größe der Form Gottes ab, sondern nahm die Niedrigkeit der menschlichen Natur an. Zu 15. Wie die Natur des Wortes unendlich ist, so ist auch die Person des Wortes unendlich. Deshalb entspricht die göttliche Natur des Wortes an sich im gleichen Maße der Person des Wortes selbst. Die menschliche Natur aber entspricht dem Wort, insofern als dieses Mensch wurde. Daher ist es nicht notwendig, daß die Natur einfacher und formhafter als jener Mensch ist, welcher das Wort ist, das Fleisch wurde, und das ihn ausmacht, insofern er Mensch ist.100 Zu 16. Eine Tätigkeit kommt dem Träger gemäß einer bestimmten Natur oder Form zu; und deshalb unterscheiden sich die Tätigkeiten nicht nur aufgrund der Verschiedenheit der Träger, sondern auch aufgrund der Verschiedenheit der Natur oder Form. Wie etwa auch in ein und demselben Menschen aufgrund der verschiedenen Vermögen101 das Sehen eine andere Tätigkeit als das Hören ist. Daher

99 Vgl. Phil. 2, 6 f.; s. oben a. 1 c. (Abs. 3.2.2.) / ad 14 u. unten a. 4 arg. 2. 100 Es muß heißen: »Daher ist es nicht notwendig, daß die [menschli-

che] Natur einfacher und formhafter (formalior) als das Wort an sich sei, sondern sie ist einfacher und formaler als jener Mensch, der das fleischgewordene Wort ist, und [die menschliche Natur] ist für [das Wort] konstitutiv, insofern es Mensch ist.« Ebenso übersetzen Obenauer, 43 u. Deloffre, 99 (s. dazu Nutt, 3). 101 Übersetzung für potentias. D. h. aufgrund der verschiedenen »Seelenkräfte« von Gedächtnis, Verstand, Willen, inneren und äußeren Sinnen.

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sind wegen der zwei Naturen in Christus zwei Tätigkeiten, wenn es auch eine einzige Person bzw. Hypostase sein mag. Zu 17. Die Person ist allerdings eine Substanz, die sich durch eine Eigenschaft unterscheidet, welche sich auf die Würde bezieht. Dies aber nicht in dem Sinn, daß »Substanz« das Wesen oder die Natur bezeichnet, sondern insofern, als sie die Hypostase bezeichnet.102

Zweiter Artik el Die zweite Frage lautet: Ist in Christus nur eine Hypostase oder ein Träger, oder zwei? 103 Dies scheint nicht der Fall zu sein. 1. Augustinus104 nämlich sagt im Buch Gegen Felicianus: »Im Mittler Gottes und des Menschen war der Sohn Gottes etwas anderes als der Menschensohn«.105 Nichts aber, was in einem Träger oder gemäß der Hypostase »eines« ist, unterscheidet sich voneinander. Folglich ist in Christus nicht nur ein Träger bzw. eine Hypostase. 2. Augustinus sagt in dem Buch von Über die Dreifaltigkeit: In Christus ist jede [der beiden Naturen] »Gott«, aufgrund des annehmenden Gottes und jeder »Mensch«, aufgrund des angenommenen Menschen.106 Nichts aber, was im Träger bzw. gemäß der Hypostase »eines« ist, ist »zwei«, so daß es beides genannt werden könnte. Folglich ist in Christus nicht nur eine Hypostase oder ein Träger. 3. Die menschliche Natur ist in Christus eine bestimmte Substanz. Sie war aber keine allgemeine Substanz107, weil eine allge102 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 6 ad 3. 103 Par alleltexte: Sum. theol. III, q. 2, a. 3; Sent. III, d. 6, q. 1, qc. 1–2;

Sent. III, d. 7, q. 1, a. 1; ScG IV, c. 38–39; Contra err. Graec., c. 20; Contr. Graec. Arm. etc., c. 6; Comp. theol., c. 210–211; Quodl. IX, q. 2, a. 1 u. Super Ioh., c. 1, lect. 7. 104 Nicht Augustinus, vermutlich Vigilius von Thapsus; s. oben a. 1 c. Abs. 3.5.3) u. Anm. 76 u. 79. 105 Pseudo-Augustinus, De unitate Trinitatis ad Felicianum, XI (PL 42, col. 1166). 106 Vgl. Augustinus, De trin. I, VII, 14 (PL 42, col. 829; CCL 50, 46). 107 Übersetzung für substantia universalis. Gemeint ist die »substan-

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meine Substanz nicht außerhalb der Seele ist. Folglich war es eine Teilsubstanz108. Teilsubstanz aber ist die Hypostase. Die menschliche Natur in Christus ist aber etwas außerhalb der Hypostase des Wortes Gottes. Folglich ist in Christus noch eine andere Hypostase außer der Hypostase des Wortes Gottes. Also sind in Christus mehrere Hypostasen. 4. Das Wort »Mensch« wird univok109 von Christus und Petrus ausgesagt. Wenn es aber von Petrus ausgesagt wird, besagt es nichts anderes als etwas Zusammengesetztes aus vernunftbegabter Seele und Leib.110 Folglich besagt es auch nichts anderes, wenn es von Christus ausgesagt wird. Außer Seele und Leib aber ist in Christus die Hypostase bzw. der Träger des Wortes Gottes. Die Hypostase und der Träger der menschlichen Natur ist also in Christus etwas anderes als die Hypostase bzw. der Träger der göttlichen Natur. Auf diese Weise ist in Christus nicht nur eine Hypostase oder ein Träger. 5. Nichts Unendliches kann von einer endlichen Natur umfaßt werden. Der Träger bzw. die Hypostase des Wortes Gottes besitzen Unendlichkeit. Folglich kann er /sie nicht von der menschlichen Natur umfaßt werden, die endlich ist. Jeder Träger aber wird von der Natur umfaßt, deren Träger er ist. Folglich kann der Träger, der das Wort Gottes ist, nicht der Träger der menschlichen Natur sein, sondern es muß etwas anderes deren Träger sein. Also ist in Christus noch etwas anderes Träger außer dem Träger, der das Wort Gottes ist. Folglich sind in Christus zwei Träger bzw. Hypostasen. 6. Wie sich die Gattung zur Art verhält, so verhält sich die Art zum Einzelwesen111. Dieselbe Art kann aber nicht in verschiedenen Gattungen sein. Folglich kann ein Einzelwesen nicht zu verschiedenen Arten gehören. Die Hypostase aber ist eine einzeldingartige tia secunda« (»zweite« Substanz) der aristotelischen Kategorienschrift (Kat., c. 5; 2 a 11–19). Diese wird von der Einzelsubstanz als »Art« (species) oder »Gattung« (genus) ausgesagt (Allgemeines o. Wesen). 108 Übersetzung für substantia particularis. Gemeint ist die konkrete Einzelsubstanz, d. h. die »substantia prima« (»erste« Substanz). 109 D. h. »im selben Sinne«. Vgl. ScG IV, 40 (n. 3785). 110 Übersetzung für compositum ex anima rationali et corpore. 111 Übersetzung für genus: species – species: individuum.

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Substanz112 und ebenso der Träger. Folglich kann es keine Hypostase bzw. keinen Träger der menschlichen und der göttlichen Natur geben, welche nicht zu einer einzigen Art gehören. 7. Wie in der Dreifaltigkeit eine Natur in drei Personen ist, so sind in Christus zwei Naturen in einer einzigen Person. Die drei Personen aber sind »eins« aufgrund der Einheit der Natur, nach dem Wort im 10. Kap. des Johannes-Evangeliums: »Ich und Vater sind eins«.113 Folglich ist Christus »zwei« aufgrund der Zweiheit der Naturen. Über nichts aber, was in seinem Träger und gemäß seiner Hypostase »eins« ist, kann gesagt werden, daß es »zwei« seien. Folglich ist Christus in seinem Träger bzw. gemäß seiner Hypostase nicht »eins«. 8. Christus, sofern er Sohn Gottes ist, hat etwas mit dem Vater gemeinsam. Insofern er aber »Menschensohn« genannt wird, hat er nichts mit dem Vater gemeinsam. Also ist in Christus der Sohn Gottes etwas anderes als der Menschensohn. Folglich ist er in dem Träger bzw. gemäß der Hypostase nicht »eins«. 9. Dasjenige, was [der Natur nach] von sich aus nicht mitteilbar ist,114 scheint nicht von sich aus mitteilbar werden zu können. Wie etwa auch dasjenige, was an sich unmöglich ist, nicht möglich werden kann, wie Averroes im 10. Buch der Metaphysik115 sagt. Die menschliche Natur aber, sofern sie in Christus ist, ist von sich aus nicht mitteilbar, weil sie etwas Partikuläres116 ist. Folglich kann sie nicht dem Träger der göttlichen Natur mitgeteilt werden. Der Träger der menschlichen und göttlichen Natur kann also nicht derselbe sein. 10. Jedes Ding kann auf die Dinge zurückgeführt werden, aus denen es besteht.117 Wenn man also – unmöglicherweise – annimmt, das Wort Gottes würde die menschliche Natur ablegen, müßte die 112 Übersetzung für substantia individualis. Obenauer: »eine individuelle Substanz« (47). 113 Vgl. Joh. 10, 30. 114 D. h.: die Natur. 115 Vgl. Averroes († 1198), Metaph. X, comm.; in: Arist. op. lat., Bd. 8, 277c. 116 Übersetzung für aliquid particulare (»etwas, das den Teil betrifft«). 117 D. h.: die zwei Naturen sind implizit weiter vorhanden.

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menschliche Natur infolgedessen einen eigenen Träger und eine eigene Hypostase haben. Also besitzt auch die [mit dem Wort] geeinte [menschliche Natur]118 weiter eine eigene Hypostase oder einen eigenen Träger. Folglich ist dort nicht nur eine Hypostase bzw. ein Träger. 11. Die Natur hängt nicht mehr119 vom Träger als der Träger von der Natur ab. Nicht aber konnte vom Wort Gottes der Träger der menschlichen Natur angenommen werden, ohne daß die menschliche Natur selbst angenommen würde. Folglich konnte auch nicht die menschliche Natur angenommen werden, ohne daß der Träger der menschlichen Natur angenommen würde. Das Annehmende aber ist nicht das Angenommene. Der Träger der menschlichen Natur ist also nicht selbst der Träger des Wortes Gottes. Folglich sind in Christus zwei Träger. 12. Seele und Körper waren in Christus nicht von geringerer Kraft und Würde als in uns. In uns aber wird aus der Zusammensetzung von Seele und Leib die Hypostase bzw. der Träger gebildet – also auch in Christus. Nicht aber kann der Träger und die Hypostase des Wortes Gottes, welche ewig ist, [so gebildet werden], wo doch die zuvor genannte Einung zeitlich ist. Folglich sind in Christus zwei Träger oder zwei Hypostasen. 13. Es gibt in Christus drei Substanzen: Körper, Seele und Gott. Die Seele aber ist nicht der Träger des Leibes. Folglich ist Gott nicht der Träger der menschlichen Natur. 14. Nach Porphyrius120 geschieht die Hervorbringung eines Einzelwesens durch eine Zusammenfügung von Eigenschaften121, die unmöglich in etwas anderem wiederzufinden sind. In Christus gab es aber eine Zusammenfügung von Eigenschaften, die sich auf die menschliche Natur bezogen, welche nicht in einem anderen Einzelwesen wiedergefunden werden konnten. Folglich machten sie die Hervorbringung des Einzelwesens des Wortes Gottes aus, wel118 D. h.: die »natura humana« in der hypostatischen Union. 119 Obernauer: »nicht weniger« (49). 120 Vgl. Porphyrius, Isagoge, c. De specie (peri eidous); 2 b 48–3 a 2

(ed. Busse, 33,4–6). 121 Übersetzung für individuationem facit aggregatio proprietatum.

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ches [aber] keine Akzidentien annimmt.122 Also ist in Christus noch ein anderes Einzelwesen bzw. ein anderer Träger als der Träger des Wortes Gottes. Folglich sind in Christus zwei Träger. 15. Bei den Dingen, denen nicht irgendein Verhältnis123 zukommt, kann nichts werden, das »eines« ist. Die göttliche Natur aber, welche unendlich ist, steht in keinem [bestimmten] Verhältnis zur menschlichen Natur, welche endlich ist. Folglich kann aus zwei Naturen nicht eine Hypostase bzw. ein Träger werden. 16. Die Zeugung124 zielt auf den Träger ab. Denn das Einzelne ist das, was gezeugt wird. In Christus gibt es aber eine zweifache Entstehung125, nämlich die zeitliche und die ewige. Folglich ist in Christus ein zweifacher Träger und nicht nur ein einziger. 17. Das Wort Gottes nahm den Leib und die Seele an, allerdings nicht als getrennte, sondern als geeinte. Der Träger der menschlichen Natur ist aber nichts anderes als die Seele und der Leib, sofern sie geeint sind. Folglich ist in Christus noch ein anderer Träger außer dem Träger des Wortes Gottes. 18. Dasselbe kann nicht zugleich einfach und zusammengesetzt sein. Der Träger der menschlichen Natur ist aber zusammengesetzt, weil die menschliche Natur zusammengesetzt ist. Der Träger kann nämlich nicht einfacher sein als die Natur, deren Träger er ist. Folglich, weil der Träger der göttlichen Natur einfach ist, wird in Christus ein anderer Träger außer dem Träger der göttlichen Natur sein.

122 Es muß heißen: »Folglich bedingten (die Eigenschaften) die Hervorbringung des Einzelwesens; nicht aber die Hervorbringung des Wortes Gottes, welches keine Akzidentien anzunehmen vermag.«; vgl. Obenauer, 50 u. Deloffre, 106. 123 Übersetzung für proportio. 124 Übersetzung für generatio. 125 Übersetzung für nativitas (»Geborensein«); vgl. Sum. theol. I, q. 27, a. 2 c.

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Dagegen spricht: 1. Was Johannes von Damaskus im 3. Buch von Über den Glauben sagt: »Im Herrn Jesus Christus erkennen wir eine einzige Hypostase«.126 2. Bei den Dingen, die sich in ihrem Träger unterscheiden, wird das eine nicht vom anderen ausgesagt. Wenn also in Christus der Träger des Menschen etwas anderes als der Träger Gottes wäre, könnte nicht gesagt werden, daß der Mensch Gott oder Gott Mensch sei, was aber ein Irrtum ist. Folglich ist in Christus der Träger Gottes nichts anderes als der Träger des Menschen. Antwort: Einige,127 weil sie die Irrlehre des Nestorius vermeiden wollten, der in Christus zwei Personen behauptete, nahmen in Christus eine einzige Person an, aber zwei Hypostasen bzw. zwei Träger. (1) Denn sie sagten, daß »dieser Mensch«, womit Christus gemeint war, der Träger und die Hypostase der menschlichen Natur sei, nicht aber der göttlichen. Denn mit dem, was »dieser Mensch« genannt wird, wird nichts anderes besagt als eine bestimmte einzelne Substanz,128 die aus Seele und Fleisch zusammengesetzt ist. Sie meinten jedoch, die menschliche Hypostase bzw. der Träger gehöre zur Person des Wortes, aufgrund dessen, daß sie vom Worte angenommen wurde. (2) Dies ist auch die Meinung, die als erste im 7. Teil des 3. Buches der Sentenzen129 angeführt wird. Diejenigen aber, welche dies 126 Vgl. Johannes Damascenus, De fide orth. III, c. 4 (PG 94, col. 997 B; PTS 12, 116,14 f. 127 Dies sind etwa: Johannes von Cornwall, Eulogius ad Alexandrum II Papam (PL 199, col. 1043–1086); Geroch von Reichersberg, Liber de gloria et honore Filii hominis (PL 194, col. 1134D) o. Robert von Melun (Sententiae II, 33–35). Vgl. unten a. 3 c. (Abs. 1) u. Anm. 211; s. auch Sum. theol. III, q. 2, a. 3 c. 128 Übersetzung für substantia particularis. 129 Lies »6. Teil« (d. 6); vgl. Obenauer, 52. Diese 1. christologische Lehre, die Petrus Lombardus referiert, ist die sogenannte »Homo-AssumptusTheorie«, welche eine Person, aber zwei Naturträger in Christus annimmt: Konstitution eines bestimmten Menschen durch die Inkarnation. Vgl. Lib.

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behaupteten, kannten vor allem nicht die eigentümliche Bezeichnung.130 »Hypostase« ist nämlich nichts anderes als die individuelle Substanz,131 die auch mit dem Wort »Träger« bezeichnet wird. (2.1) Boethius nämlich sagt im Buch von Über die zwei Naturen: »Die Person ist die unteilbare Substanz einer vernunftbegabten Natur«.132 Daraus ist also ersichtlich: Es kann keine Hypostase einer vernunftbegabten Natur geben, ohne daß sie eine Person ist. Es ist aber offensichtlich, daß die menschliche Natur eine vernunftbegabte Natur ist. Daher gilt: Wenn in Christus – außer der Hypostase bzw. dem Träger des Wortes Gottes – eine eigene Hypostase133 bzw. ein eigener Träger der menschlichen Natur ist, folgt der Schluß, daß es noch eine eigene Person der menschlichen Natur in Christus außer der Hypostase des Wortes gibt. Somit unterscheidet sich diese Lehre nicht von der Lehre des Nestorius. (2.2) Ferner [aus folgendem Grund]: Falls man zugesteht, daß die »Person« zur Hypostase in der vernunftbegabten Natur eine bestimmte Eigenschaft hinzufüge, die sich auf die Würde bezieht – wie etwa von denen, welche eine Verkleidung [Maske]134 tragen, gesagt wird, daß sie gleichsam [dadurch] eine entsprechende Würde haben – , ergäbe sich der Schluß, daß die Einung der menschlichen Natur mit dem Wort nur in etwas Akzidentellem geschah; das heißt: in einer bestimmten Eigenschaft, welche die Würde betrifft135 – was auch Nestorius behauptete.

Sent. III, d. 6, c. 2 (ed. Coll. S. Bon. II, 59 f.). Vertreter dieser Denkrichtung ist Hugo von St. Viktor († 1161). Thomas lehnt sie als Irrlehre ab: Sum. theol. III, q. 2, a. 6 c.; s. auch oben a. 1 c. (Abs. 3.3) u. Anm. 55. 130 Übersetzung für vox propria (synonym mit »verbum«). 131 Übersetzung für substantia individualis. 132 Vgl. Boethius, De duabus naturis in Christo (Contra Eut. et Nest.), c. 4 PL 64, col. 1343C; dt. Elsässer: »Person aber die unteilbare Substanz einer verständigen Natur ist« (80,8 f.); Vgl. oben a. 1 arg. 17 u. c. (Abs. 2.1– 3.1); s. auch Anm. 28 u. 41–42. 133 Übersetzung für propria hypostasis. 134 Übersetzung für personatum. Obenauer: »Persönlichkeit besitzen« (53). 135 Vgl. ScG IV, 38 (n. 3763).

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(2.3) Daher muß man wissen, daß diese Irrlehre136 auf dem fünften Konzil, das in Konstantinopel stattfand, verurteilt wurde. Dort liest man folgendes: »Wenn jemand in das Geheimnis Christi zwei Subsistenzen oder zwei Personen einzuführen versucht, und137 [danach] von einer Person der Würde und Ehre und Anbetung spricht, wie es Theodorus und Nestorius in ihrem Unverstand schrieben, der sei mit dem Anathema belegt. Die heilige Dreifaltigkeit erfährt nämlich keine Veräußerung138 einer Person oder Subsistenz, wenn auch einer von der heiligen Dreifaltigkeit, [das heißt] Gottes Wort, Mensch geworden ist.«139 (3) Damit also verstanden wird, was bei diesen Dingen zuzugestehen und was zu verneinen ist, muß man folgendes bedenken: (3.1) Welche der Bezeichungen140 sich auf die Hervorbringung des Einzelwesens bezieht, seien es die Bezeichnungen der ersten Beilegung141, wie etwa »Person« und »Hypostase«, welche die Sachen selbst bezeichnen, oder seien es die Bezeichnungen der zweiten Beilegung,142 136 D. h. die Theorie von zwei Hypostasen in einer Person. 137 Marietti-Text hat »in« (in) statt »und« (et). Korrektur nach Obe-

nauer, 53 u. Deloffre, 110. 138 Übersetzung für abiectio personae (»Ablegung«). Die Trinität erfährt keine Hinzufügung einer »Person« (Hypostase), obwohl der »Logos« (Sohn) Mensch geworden ist. 139 Vgl. Zweites Konzil von Konstantinopel (Mai–Juni 553), Anathematismen über die ›Drei Kapitel‹, n. 5 (DSH 426). 140 Übersetzung im folgenden für »nomen« (im Sinne von »Bezeichnung«). 141 Übersetzung für nomina primae impositionis. Vgl. Sent. I, d. 23, q. 1, a. 3 c.: »per nomen primae intentionis, quod significat rem, cui convenit intentio particularitatis« (ed. Parma VI, 196); ferner: Sent. I, d. 2, q. 1, a. 3 c.; d. 26, q. 1, a. 1 ad 3 u. Sent. III, d. 6, q. 1, a. 1, sol. 1. 142 Übersetzung für nomina secundae impositionis. Vgl. Sent. I, d. 23, q. 1, a. 3 c.: »per nomem secundae intentionis, sicut hoc nomen individuum vel singulare, quod non significat rem singularem, sed intentionem singularitatis« (ed. Parma VI, 196). Es gibt: 1. Namen von den realen Einzelgegenständen: persona, hypostasis, res naturae, subsistencia, potentia und 2. Namen von mentalen Dingen bzw. Gedachtem: singulare, individuum, suppositum, genus, differentia, attributum, diffinitio. Vgl. Manthey, 116 f. u. 131 f.

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wie etwa »Einzelwesen«, »Träger« und andere solcherart, welche den Begriff der Einzeldinglichkeit143 bezeichnen. (3.2) Einige Bezeichnungen beziehen sich allein auf die Gattung der Substanz; wie etwa »Träger« und »Hypostase«, die nicht von den Akzidentien ausgesagt werden, und »Person« in einer vernunftbegabten Natur und auch »Naturding«144, entsprechend der Auffassung des Hilarius.145 (3.3) Einige Bezeichungen hingegen beziehen sich auf die Hervorbringung des Einzelwesens in einer jeden Gattung, wie etwa »Einzelwesen«, »Partikuläres« oder »Singuläres«146, welche auch von den Akzidentien ausgesagt werden. (3.4) Der Substanz aber ist eigen, daß sie durch sich selbst und in sich selbst subsistiert. Den Akzidentien hingegen kommt zu, in einem anderen zu sein.147 Deshalb kommen die Bezeichnungen, welche sich auf die Hervorbringung einer Substanz beziehen, allein bei denjenigen Dingen in Betracht, die durch sich selbst und in sich selbst subsistieren. Darum werden diese Bezeichnungen auch nicht von den Teilen der Substanzen ausgesagt, weil die Teile nicht in sich selbst sind, sondern im Ganzen, obwohl sie nicht in einem Träger sind. (3.5) Gleichwohl können von diesen Dingen diejenigen Bezeichnungen angemessen ausgesagt werden, welche sich sowohl bei Substanzen als auch Akzidentien auf die Hervorbringung eines Einzelwesens beziehen. Nicht kann nämlich gesagt werden: Diese Hand sei die Person oder die Hypostase bzw. der Träger, wenngleich gesagt werden kann: Diese Hand ist etwas Partikuläres, Singuläres oder 143 Übersetzung für intentio individualitatis. Obenauer: »geistige Bezugnahme vom Charakter der Unaufteilbarkeit« (55). Der Begriff »intentio« meint das geistige Erkenntnissbild, die begrifflich-logische Vorstellung des Intellekts (conceptio intelligibilis). 144 Übersetzung für res naturae. 145 Vgl. Hilarius von Poitiers, De trinitate VIII, 22 (PL 10, col. 252 f.; CCSL 62A, 334). 146 Übersetzung für individuatio – individuum – particulare – singulare. 147 Übersetzung für substantia: esse per se et in se – accidens: esse in alio.

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ein Einzelwesen. Die Hand nämlich, obgleich sie sich auf die Gattung der Substanz bezieht, wird – weil sie ja nicht eine vollständige Substanz ist, die in sich selbst subsistiert – nicht Hypostase bzw. Träger oder Person genannt. (4) In dieser Weise also, weil die menschliche Natur in Christus nicht durch sich selbst getrennt subsistiert148, sondern vielmehr in einem anderen existiert, das heißt in der Hypostase des Wortes Gottes – allerdings weder wie ein Akzidens im Träger149 noch eigentlich wie ein Teil im Ganzen, sondern durch eine unaussagbare Annahme150 – kann darum die menschliche Natur in Christus gewiß ein partikuläres oder singuläres Einzelwesen genannt werden. Sie kann jedoch nicht Hypostase oder Träger wie auch nicht Person genannt werden. Folglich ergibt sich, daß es in Christus nur eine Hypostase oder einen Träger gibt, nämlich das göttliche Wort. Zu 1. Von Christus werden göttliche und menschliche Dinge ausgesagt. Wenn man dasjenige erfragt, über das sie ausgesagt werden, [heißt die Antwort]: Es ist ein und dasselbe Ding. Wenn man aber dasjenige in Erwägung zieht, in wessen Hinsicht diese Dinge ausgesagt werden, ist das eine verschieden vom anderen, wie Augustinus im 1. Buch von Über die Dreifaltigkeit 151 sagt: Denn die göttlichen Dinge werden von Christus in Bezug auf die göttliche Natur ausgesagt, die menschlichen Dinge hingegen von Ihm in Hinblick auf die menschliche Natur. Wenn also gesagt wird, daß in Christus der Sohn Gottes etwas anderes ist als der Menschensohn, darf diese Andersheit152 nicht auf dasjenige bezogen werden, von dem »beides« zugleich ausgesagt wird – was [nämlich] der eine Träger beiderlei Sohnschaft ist153 – , 148 Übersetzung für per se separatim subsistit. 149 Übersetzung für accidens in subiecto. 150 Übersetzung für ineffabilem assumptionem. Die »Unaussagbar-

keit« bezeichnet den Geheimnischarakter der hypostatischen Union; vgl. ScG IV, 49 (n. 3846) u. 27 (n. 3635). 151 Vgl. Augustinus, De trin. I, VIII, 28 (PL 42, col. 840 f.; CCSL 50, 69–71). 152 Übersetzung für alietas. 153 Übersetzung für unum suppositum utriusque filiationis.

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wohl aber auf dasjenige, in wessen Hinsicht es [verschieden] ausgesagt wird. Deshalb fügt ebendort Augustinus hinzu: »Etwas anderes, sage ich, wegen der Verschiedenheit der Substanz«, das heißt der Natur, »nicht ein anderer wegen der Einheit der Person«.154 Zu 2. Von Christus wird gewiß die göttliche Natur ausgesagt. Die menschliche Natur aber kann von Ihm nicht ausgesagt werden, wie etwa auch nicht von Petrus, mit dem er gemeinsam im univoken Sinne »Mensch« ist.155 Daher kann nicht gesagt werden, daß Christus zwei oder beides sei, obgleich es zwei Naturen sind. Der Träger der menschlichen Natur aber wird gewiß von Christus ausgesagt. Er bildet mit dem Träger der göttlichen Natur aber keine Vielheit der Zahl nach,156 wie dargelegt wurde.157 Daher bleibt [nur] übrig, daß es, weil Christus beides genannt wird, in sachbezogener Weise158 verstanden werde, wie etwa wenn man sagt: »Die Wand und das Dach sind das Haus«, weil beide Dinge zu einem Haus zusammenkommen. Daher sagt auch Augustinus im Buch Gegen Felicianus159, daß ein und derselbe Mensch sowohl Leib als auch Seele genannt wird. Oder man kann sagen: Dasjenige, was mit »beides«160 benannt wird, muß auf die Anzahl der Bezeichnungen bezogen werden, welche die zwei Naturen bezeichnen. Der Mensch Christus nämlich wird sowohl »Gott« als 154 Lat. Text: »Aliud [neutr.], inquam, pro distinctione substantiae … non alius [mask.] pro unitate personae«; nicht Augustinus, vermutlich Vigilius von Thapse, De unitate Trinitatis ad Felicianum, c. XI (PL 42, col. 1166); s. oben a. 1 c. (Abs. 3.5.3) u. Anm. 76 u. 79. 155 Aufgrund der Distinktion von »Sein« und »Wesen« (distinctio realis) im Geschöpf kann nicht gesagt werden, daß ein konkretes Seiendes (Petrus) mit seinem allgemeinen Wesen (essentia) identisch ist. Der Satz »Christus ist seine Menschheit« ist deshalb falsch. 156 Übersetzung für ponere in numerum. Vgl. Aristoteles, Anal. post. II, c. 1; 89 b 25. 157 Vgl. dazu ScG IV, 49 (n. 3847). 158 Übersetzung für materialiter. 159 Nicht Augustinus, vermutlich Vigilius von Thapse, De unitate Trinitatis ad Felicianum, c. XI (PL 42, col. 1166); s. oben a. 1 c. (Abs. 3.5.3) u. Anm. 76 u. 79. 160 Übersetzung für utrumque dicitur.

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auch »Mensch« genannt, wie auch Gott, das Wort, sowohl »Gott« als auch »Mensch« genannt wird. Und dies ist es, was beides »Gott« genannt wird, wegen des annehmenden Gottes, weil nämlich dieser Name »Gott« sowohl von Gott als auch vom Menschen ausgesagt wird; und was beides »Mensch« [genannt wird], wegen des angenommenen Menschen, weil dieser Name »Mensch« von beiden ausgesagt wird. Zu 3. Für den Begriff der Hypostase und des Trägers ist es nicht hinreichend, daß etwas ein Partikuläres in der Gattung der Substanz ist, sondern darüber hinaus wird gefordert, daß es vollkommen ist und in sich subsistiert, wie gesagt wurde.161 Zu 4. Die Univokation und die Äquivokation162 wird in Betracht gezogen, sofern der Wesensgehalt des Namens163 derselbe bzw. nicht derselbe ist. Der Wesensgehalt des Namens ist dasjenige, was die begriffliche Wesensbestimmung164 bezeichnet. Deshalb wird die Univokation und die Äquivokation gemäß der Bezeichnung165 betrachtet und nicht in Bezug auf die Träger.166 Deshalb wird auch der Name »Mensch« von Christus und Petrus univok ausgesagt, weil er in beiden Fällen die eine Natur bezeichnet, nämlich die menschliche, die aus Seele und Leib zusammengesetzt ist. Jedoch in Christus steht [der Name »Mensch«] für den ewigen Träger, in Petrus aber nicht. Zu 5. Dem Träger oder der Hypostase des Wortes Gottes kommt gemäß der göttlichen Natur unendliches Sein zu; gemäß der menschlichen Natur hingegen kommt es [dem Träger bzw. der Hypotase] zu, unter der menschlichen Natur zu sein.167 Daher sagt Vgl. oben Antwort (c.). Übersetzung für univocatio – aequivocatio. Übersetzung für ratio nominis (d. h. die Natur). Übersetzung für definitio. Synonym mit »ratio«: begriffliche Wesenheit, Begriff (im logischen Sinne). Vgl. Sum. theol. II–II, q. 4, a. 1 c.: »weil die Begriffsbestimmung die Washeit (quidditas) und das Wesen (essentia) eines Dinges angibt« (DThA 15, 95); vgl. Aristoteles, Met. IV, c. 7; 1012 a 24 f.; VII, c. 8; 1042 a 17; ferner: Sum theol. I, q. 85, a. 2 ad 3; Sent. I, d. 33, q. 1, a. 1 ad 1; In Met. VII, lect. 9. (n. 1460). 165 Übersetzung für significatio. 166 Vgl. Sum. theol. III, q. 4, a. 3 ad 3 u. ScG IV, 49 (n. 3847). 167 Vgl. ScG IV, 49 (n. 3849). 161 162 163 164

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Dionysius: »[Jesus] wurde in unsere Natur hineingeboren, was die ganze Ordnung im Bereich der ganzen Natur auf wesentliche Weise übersteigt.«168 Zu 6. Der Name »Art« bezeichnet eine Natur, wie es auch der Name »Gattung« tut. Wenn daher eine Art in verschiedenen Gattungen wäre, würde daraus folgen, daß eine Natur zwei Naturen wären. [Der Name] »Einzelwesen« aber besagt etwas, das nicht zur Natur gehört. Deshalb widerspricht es es nicht dem Begriff des Einzelwesens, daß dasselbe Einzelwesen ein Träger von zwei Naturen sei. Zu 7. Die göttliche Natur ist in der Sache gänzlich dasselbe wie jede der drei Personen [der Dreifaltigkeit], und deshalb können die drei Personen ein Sein genannt werden. Die menschliche Natur aber ist der Sache nach nicht gänzlich dasselbe wie sein Träger; und deshalb wird [die menschliche Natur] nicht vom [Träger] ausgesagt. Es kann also nicht gesagt werden: Christus sei »zwei« aufgrund der zwei Naturen. Zu 8. Der Sohn Gottes hat mit dem Vater die göttliche Natur gemeinsam, nicht aber die Hypostase oder Person. Der Menschsohn hat aber weder die Hypostase noch die Natur mit Gott, dem Vater, gemeinsam. Daher folgt daraus nicht, daß zwischen dem Sohn Gottes und dem Menschensohn ein Unterschied in der Person bzw. Hypostase bestehe, sondern vielmehr nur [ein Unterschied] in der Natur.169 Zu 9. Die vom Wort Gottes angenommene menschliche Natur, sofern sie eine unteilbare170 [Natur] ist, hat es an sich, daß sie nicht in vielen sein kann; und in dieser Hinsicht wird sie »nicht mitteilbar«171 genannt. Aus der Tatsache selbst aber, daß sie eine »Natur« ist, kommt es ihr zu, in einem Träger zu sein.172 Zu 10. Die menschliche Natur besitzt, solange sie mit dem Wort 168 Übersetzung für substantialiter excedit. Vgl. Dionysius Areopagita, De div. nom, c. 1, 4 (PG 3, col. 592A/B; PTS 33/CD I, ed. Suchla, 113,10–12). 169 Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 ad 4. 170 Übersetzung für individua. 171 Übersetzung für incommunicabilis. 172 Vgl. Sum. theol. III, q. 16, a. 12 c. u. ad 4.

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geeint ist, weil sie nicht durch sich selbst existiert, keinen eigenen Träger bzw. eine eigene Hypostase außer der Person des Wortes.173 Wenn sie aber vom Wort getrennt wäre, würde sie nicht nur eine eigene Hypostase bzw. einen eigenen Träger besitzen, sondern auch eine eigene Person, weil sie augenblicklich durch sich selbst existieren würde. Wie nämlich der Teil eines zusammenhängenden Körpers, solange er vom Ganzen ungetrennt ist, in Potenz und nicht aktuell ist,174 [aktuell] aber allein durch die vollzogene Teilung [wird]. Zu 11. In dem Träger wird die Natur einbegriffen, nicht aber umgekehrt. Darum konnte der Träger nicht angenommen werden, ohne daß die Natur angenommen würde. Es konnte aber umgekehrt geschehen. Zu 12. Die Einung von Seele und Leib in Christus ist an sich schon würdiger als in uns, weil sie nicht einen geschaffenen Träger zum Ziel hat, sondern den ewigen Träger des Wortes Gottes.175 Zu 13. Die Seele wird mit dem Leib als dessen Form geeint, um die menschliche Natur zu bilden. Auf diese Weise aber wird in Christus die Gottheit nicht mit der »Menschheit«176 geeint, weil die Einung nicht mit der Natur geschah, wie oben gesagt wurde.177 Folglich ist der Begriff der [Natur in beiden Fällen] nicht der gleiche. Zu 14. Die Zusammenfügung seiner eigentümlichen Akzidentien begründet hinreichend die Individualität der menschlichen Natur in Christus; allerdings nicht, daß [die menschliche Natur Christi] die Beschaffenheit eines Trägers bzw. einer Hypostase habe, weil sie nicht durch sich selbst existiert. Zu 15. In Christus geschah die Einung der menschlichen Natur mit der Person bzw. Hypostase des Wortes nicht in der Weise, daß die [menschliche Natur] der [Person des Wortes] angeglichen wurde, als ob sie die [Person des Wortes] umfasse oder sie von der Per173 Vgl. ScG IV, 49 (n. 3845). 174 Übersetzung für est in potentia et non in actu. D. h.: Er existiert

nicht als getrennter Teil »per se«. 175 Vgl. ScG IV, 49 (n. 3844). 176 Übersetzung für humanitas, d. i. das abstrakt aufgefaßte »menschliche Wesen« (Wesensnatur). 177 Vgl. oben: a. 1 (arg./ad 2).

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son des Wortes [nur] in einem bestimmten Verhältnis überschritten werde. Denn die Person des Wortes überschreitet stets die menschliche Natur unendlich. Dieses unendliche Überschreiten178 jedoch schließt nicht aus, daß die Person Gottes in unaussprechlicher Weise die menschliche Natur mit sich in der Einheit der Hypostase verband. Fürwahr, die unendliche Kraft des annehmenden [Wortes] ist umso wirksamer auf größere Einung hin tätig. Zu 16. Die Zeugung zielt zwar auf den Träger als dasjenige ab, was gezeugt wird; auf die Natur [zielt sie] aber wie auf dasjenige ab, was durch die Zeugung angenommen wird. Daher wird die Form als Endziel der Zeugung bezeichnet. Weil Zeugungen und Bewegungen nach ihren Zielen unterschieden werden, ergibt sich daher, daß Christus ein zweifaches Geborensein gemäß den zwei Naturen zukommt, aber nur eine einzige Geburt179, aufgrund der Einheit des Trägers. Zu 17. Seele und Leib als geeinte bilden den Träger und die Hypostase, wenn das, was aus beiden gebildet wird, durch sich selbst existiert. Das ist aber unter der Voraussetzung [des Einwands] nicht der Fall.180 Zu 18. Christus ist einfach nach der göttlichen Natur, jedoch zusammengesetzt aufgrund der menschlichen Natur, was aus Dionysius im 1. Kap. von Über die göttlichen Namen181 offenkundig ist.182

178 Übersetzung für infinitus excessus. 179 Übersetzung für duae nativitates – unum nascens. Vgl. Sum.

theol. III, q. 35, a. 1 c. 180 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 5, ad 1. 181 Vgl. Dionysius Areopagita, De div. nom, c. 1, 4 (PG 3, col. 592A; PTS 33/CD I, ed. Suchla, 113,9); dt. Suchla: »aus welcher auf unaussprechliche Weise der einfaltige Jesus zusammengesetzt wurde« (BGL 26, 24). 182 Vgl. oben a. 1, ad 15; ferner ScG IV, 49 (n. 3842).

Dr itter Artik el Die dritte Frage lautet:183 Ist Christus auf sächliche184 Weise einer oder zwei? Es scheint, daß er zwei in sächlicher Weise ist. 1. Augustinus sagt im 1. Buch Über die Dreifaltigkeit: »Weil die Form Gottes die Form des Menschen annahm, sind beide Gott und beide Mensch.«185 In Bezug auf dasjenige aber, was nur »eines« ist, kann nicht »beides« ausgesagt werden. Folglich ist Christus nicht nur »eines« [unum], sondern »zwei« [duo]. 2. Wie in den drei göttlichen Personen [der Dreifaltigkeit] eine Natur ist, so sind zwei Naturen in der einen Person Christi. Die drei göttlichen Personen aber werden »eines« genannt aufgrund der Einheit der Natur. Folglich muß Christus »zwei« genannt werden aufgrund der zwei Naturen.186 3. Augustinus sagt im Buch Gegen Felicianus: »Der Sohn Gottes ist ein ›anderes‹ [aliud] und der Menschensohn ist ein ›anderes‹ [aliud]«.187 Wo auch immer sich aber das eine vom anderen unterscheidet, dort sind zwei. Folglich ist Christus zwei, sofern er Sohn Gottes und Menschsohn ist. 4. Dasjenige, was im Träger eins ist, wird aus sich selbst schrittweise etwas anderes aufgrund der verschiedenen Akzidentien; wie 183 Par alleltexte: Sum. theol. III, q. 17, a. 1; Sent. III, d. 6, q. 2, a. 1; Sent. III, d. 21, q. 1, a. 1, qc. 2 ad 6 u. ScG IV, c. 38. 184 Übersetzung für neutraliter. Einige Hss. haben »naturaliter«. Obenauer: »ob Christus eines oder zwei im Sinne des sächlichen grammatischen Geschlechtes ist« (67). Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 c.: »Die Nestorianer aber, welche in Christus zwei Personen annahmen, sagten, daß Christus nicht nur ›zwei‹ im sächlichen (neutraliter), sondern auch ›zwei‹ im Sinne des männlichen (masculine) [grammatikalischen] Geschlechtes sei.« (DThA 26, 53). 185 Vgl. Augustinus, De trin. I, VII, 14 (PL 42, col. 829; CCL 50, 46); s. oben a. 2 arg. 2 u. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 arg. 2. 186 Vgl. oben a. 2 arg. 7. 187 Nicht Augustinus, vermutlich Vigilius von Thapsus, De unitate Trinitatis ad Felicianum, c. XI (PL 42, col. 1166); s. oben a. 1 c. (Abs. 3.5.3) u. Anm. 76 u. 79.

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etwa Sokrates, der Greis, von sich selbst als Kind [unterschieden ist]. Wie die akzidentellen Unterschiede aber ein Ding anders machen, so machen die substantiellen Unterschiede ein anderes Ding. Wenn also sich derselbe Träger von einem substantiellen Unterschied zu einem anderen wandeln könnte, wäre er zugleich »eines« und ein »anderes« [aliud et aliud]. Aus gleichem Grund also [gilt]: Wenn derselbe Träger zugleich zwei wesenhafte Unterschiede hätte, wäre er zugleich »eines« und ein »anderes« [aliud et aliud]. Zwei Naturen zu haben bedeutet aber, zwei substantielle Unterschiede zu haben: Denn die Natur ist der artbildende Unterschied, welche einem jeden Ding die Form verleiht, wie Boethius im Buch Über die zwei Naturen188 sagt. Folglich ist Christus zugleich »eines« und ein »anderes« [aliud et aliud].189 Und so ist Er zugleich zwei. 5. Jede einzelne [Natur] ist dasjenige, was wahrhaft von [Christus] ausgesagt wird. Etwas anderes sagt aber der Name »Mensch« von Christus aus und etwas anderes der Name »Gott«. Denn jeder Name sagt das aus, was er bezeichnet, wie nämlich dieser Name »weiß« nach Aristoteles190 nichts anderes als die Qualität bezeichnet. Auf diese Weise bezeichnet dieser Name »Mensch« nichts anderes als die Menschheit, die von der Gottheit verschieden ist, welche dieser Name »Gott« bezeichnet. Folglich ist Christus das eine und das andere. Also ist Er zwei. 6. Man hat aber gesagt,191 daß dieser Name »Mensch« in seiner Bedeutung den Träger des Menschseins miteinbegreift, welcher sich nicht vom Träger der Gottheit unterscheidet. Folglich ist Christus, sofern er Gott und 188 Übersetzung für natura est unumquodque informans specifica differentia. Vgl. Boethius, De duabus Naturis in Christo (Contra Eut. et Nest.), c. 1 (PL 64, col. 1342B; ed. Moreschini, 212,111 f.); dt. Elsässer: »Natur ist die ein jedes Ding bestimmende spezifische Differenz« (71); s. oben a. 1 c. (Abs. 1.4) u. unten a. 5 sc. 4 (Anm. 37 u. 302). 189 Übersetzung für simul est aliud et aliud. 190 Vgl. Aristoteles, Cat., c. 5; 3 b 19: »›weiß‹ bedeutet nämlich nichts anderes als nur ›derart‹« (dt. Zekl, 18). 191 Der Ausdruck »Sed dicebat« ist evtl. ein Hinweis auf die mündliche Disputation, welcher der schriftlichen Abfassung der Quaestio vorausging.

Dritter Artikel

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Mensch ist, nicht »eines« und ein »anderes« [aliud et aliud]. – Dagegen spricht: Für das Verschiedensein von manchen Dingen ist es nicht erforderlich, daß diese Dinge in Bezug auf alles, was in ihnen ist, verschieden seien, sondern es genügt, wenn sie in einer bestimmten Hinsicht verschieden sind. Mensch und Esel etwa kommen nämlich darin überein, daß sie Lebewesen sind, unterscheiden sich aber durch die Unterschiede »vernunftbegabt« und »unvernünftig«.192 Dafür also, daß dieser Name »Mensch« von Christus das eine und »Gott« das andere aussagt, genügt es, wenn die bezeichnete Natur verschieden ist, obgleich der Träger derselbe ist. 7. Christus, sofern er Gott ist, ist etwas »eines« [aliud unum] durch die ungeschaffene Einheit; sofern er aber Mensch ist, ist er ein »eines« [unum] durch die geschaffene Einheit. Die geschaffene Einheit und die ungeschaffene Einheit sind aber zwei Einheiten. Folglich ist Christus zwei. 8. Es folgt: Christus ist nur »eines« [unum], also ist er dies und nichts »anderes« [aliud]. Aus der Bestreitung des Nachsatzes folgt: Wenn nicht gesagt werden kann, daß Christus Mensch sei und nichts anderes, dann könnte auch nicht gesagt werden, daß Christus nur »eines« sei. Dieser [Satz] aber ist falsch: »Christus ist nur Mensch«. Folglich ist Christus Mensch und etwas »anderes«; und so ist Christus zwei. 9. Dieser Satz »Christus ist Gott und Mensch« ist in Bezug auf das verbundene [zweiteilige] Prädikat eine mehrdeutige Aussage.193 192 D. h.: Durch die artbildenden Unterschiede (differencia specifica) innerhalb der Gattung »Lebewesen« (animal). 193 Lat. Text: »Sed haec propositio, ›Christus est Deus et homo‹ est propositio ›plures‹, cum sit de praedicato copulato«. Der Ausdruck »propositio ›plures‹« ist synonym mit »enuntiatio /oratio ›plures‹« (»mehrfache Aussage«). Der Gegenbegriff ist die »oratio ›una‹« (»einfache Aussage«). Ein Satz kann mehrere Urteile oder nur ein Urteil aussagen. Beim Beispielsatz handelt es sich um eine zusammengesetzte Aussage (enuntiatio composita): Das kopulative Verb ist »est«. Es verbindet Subjekt und Prädikate. Prädikatsnomen sind »Deus« und »homo«. Die Konjunktion »et« ist Kopula der zwei Prädikate. Eine einfache Aussage (enuntiatio simplex) besteht nur aus Nomen und Verb (»Sokrates lebt.«). Die Frage ist, ob es sich um eine einheitliche (una absolute) oder zusammengesetzte Aus-

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Alle solche Sätze aber sagen vieles aus. Folglich ist Christus nicht »eines« [unum], sondern vieles. 10. Nach Aristoteles im 8. Buch der Metaphysik194 wird aus vielen Dingen, wovon das eine Ding [unum] in Potenz ist und das andere [aliud] nicht,195 nicht ein »eines« [unum], sondern »vieles«. Daher, wenn ich sage: »Der Mensch ist ein zweifüßiges Lebewesen«, wird vom Menschen etwas, was »eines« ist, ausgesagt; nicht aber, wenn man sagt: »Sokrates ist ein weißer Musiker«. Das Menschsein und die Gottheit verhalten sich aber nicht wie Potenz und Akt. Wenn man also sagt: »Christus ist Gott und Mensch«, wird nicht ein »eines« behauptet, sondern »vieles«. So ist Christus nicht »eines« [unum], sondern zwei. 11. »Träger« wird dasjenige genannt, was subsistiert. Die Subsistenzweise des Menschensohnes aber unterscheidet sich von der des Sohnes Gottes.196 Folglich unterscheidet sich der eine Träger [aliud] von dem anderen [aliud]. So ist Christus nicht »eines« [unum], sondern zwei.

sage handelt (conjunctione una). Bildet das Bezeichnete (Christus) eine Einheit oder eine Vielheit? Zur Einheitsaussage ist es notwendig, daß das Bezeichnete in einer bestimmten Hinsicht eins bzw. etwas einheitliches ist. Diese Einheit kann durchaus verschiedene Teile in ihr Ganzes (totum) integrieren (Leib-Seele-Kompositum). Vgl. In Peri herm. I, lect. 8: »quod enunciatio una est illa, quae unum de uno significat, non solum si sit simplex, sed etiam si sit coniunctione una.« (ed. Spiazzi, n. 101) u. Aristoteles, Peri herm. I, c. 5; 17 a 17–18: »Einheitlich ist aussagende Rede entweder, indem sie auf einen Sachverhalt hinweist, oder sie ist durch Verknüpfung einheitlich; vielheitlich die, welche auf vieles und nicht eines hinweisen, oder die unverknüpften.« (dt. Zekl, 103). 194 Vgl. Aristoteles, Met. VIII, c. 6; 1045 a 1 ff.); s. auch In Met. VIII, lect. 5: »Nulla enim alia causa est quare ista sunt unum, nisi illa, quae facit id quod est in potentia esse actu.« (ed. Cathala, n. 1759); s. auch Sum. theol. I, q. 3, a. 5 c. 195 Es muss heißen: »wird aus vielen Dingen, von denen nicht ein Ding in Potenz zum anderen Ding steht (non est in potentia ad aliud), nicht eines, sondern vieles«; vgl. Obenauer, 70 u. Deloffre, 120. 196 Übersetzung für ratio subsistendi. Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 4 c.

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12. Unterschiede führen zur Vielheit. Der größte Unterschied aber besteht zwischen menschlicher und göttlicher Natur.197 Folglich ist Christus im höchsten Sinne zwei. 13. Nichts, was »eines« ist, kann an Eigenschaften teilhaben, die nicht mit anderen vereinbar sind.198 In Christus kommen aber miteinander unverbindbare Eigenschaften zusammen, zum Beispiel ewiges Sein und zeitliche Geburt, unendliches Sein und Begrenztheit auf den Ort und anderes solcher Art. Folglich ist Christus nicht »eines« [unum], sondern zwei. 14. Christus ist Mensch. Der Mensch aber ist die Menschheit199, weil das Wesen eines Dinges200 dasselbe wie dasjenige ist, dessen Wesen es ist, wie im 7. Buch der Metaphysik201 gesagt wird. Also ist Christus seine eigene Menschheit. Er ist auch die Gottheit. Wenn also das Menschsein nicht die Gottheit ist, folgt daraus, daß Christus nicht »eines« [unum] ist, sondern zwei. Dagegen spricht: 1. Christus ist nicht zwei Personen, weder zwei Hypostasen, noch zwei Träger, wie aus dem zuvor Gesagten deutlich ist; 202 auch nicht zwei Naturen, weil die menschliche Natur nicht von Christus ausgesagt wird. Folglich ist Christus nicht zwei. 2. Nach Boethius von Über die Einheit und das Eine203 gilt: Ein jedes Ding ist deshalb, weil es der Zahl nach »eines« ist. Wenn Chri197 Vgl. oben a. 2 arg. 15. 198 Übersetzung für incompossibiles proprietates. Vgl. Sum. theol. I–

II, q. 10, a. 4 ad 3; De ver., q. 6, a. 4 ad 4; s. auch Sum. theol. III, q. 16, a. 1 ad 1. 199 Übersetzung für homo – humanitas. 200 Übersetzung für essentia rei. 201 Vgl. Aristoteles, Met. VII, c. 6; 1032 a 5–6: »Daß nun bei demjenigen, was als ein Erstes und ein an sich Seiendes bezeichnet wird, das Wesen des Einzelnen mit dem Einzelnen selbst ein und dasselbe ist, das ist offenbar« (25); s. dazu In Met. VII, lect. 5 (n. 1357). 202 Vgl. oben a. 2 ad 6 u. ad 7; s. auch Sum. theol. III, q. 16, a. 19, ad 1 u. q. 17, a. 1 c. 203 Vgl. Ps-Boethius, De unitate et uno, c. 1: »Quidquid est, ideo est quod unum est.« (PL 63, col. 1075A ). Der Autor ist Dominicus Gundisalvi

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stus also nicht »eines« [unum] wäre, würde folgen, daß er kein Seiendes ist. 3. Die Dinge, welche gegenseitig voneinander ausgesagt werden, bilden keine Vielheit.204 Mensch und Gott aber in Christus werden gegenseitig voneinander ausgesagt. Folglich ist Christus nicht zwei, sofern er Gott und Mensch ist. 4. Die Einung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus ist größer als die Einung des Akzidens mit dem Träger, wie oben dargelegt wurde.205 Das Akzidens und sein Träger aber sind nach Aristoteles206 der Zahl nach »eines«. Folglich ist Christus in viel höherem Maße »eines« [unum], sofern er Gott und Mensch ist. 5. Athanasius sagt von Christus im Glaubensbekenntnis: »Obwohl er Gott ist und Mensch, ist Christus dennoch nicht zwei, sondern ›einer‹ [unus].« 207 6. Was »eines« wurde, ist »eines« wie das, was weiß wurde, weiß ist. Nach Hugo aber im Buch von Über die Sakramente208 gilt: Das Wort Gottes wurde »eines« [unum] mit dem Menschen. Folglich ist Christus, der als Gott und Mensch existiert, »eines«. 7. Die Einheit ist diejenige, wodurch eine jede [Sache] »eines« genannt wird. Nach der Einheit der Dreifaltigkeit aber ist die höchste († nach 1191); s. auch Boethius, De duabus naturis in Christo (Contra Eut. et Nest.), c. 4 (PL 64, col. 1346A): »Sein nämlich und Eins wird vertauscht, und was auch immer eins ist, ist.« (dt. Elsässer, 83); zit. in Sum. theol. III, q. 17, a. 1 sc. 1: »Omne quod est, inquantum est, unum est.« (DThA 26, 519); vgl. unten c. (2.1); a. 4 c. (zu Anfang) u. Anm. 214 u. 258. 204 Vgl. oben a. 1 ad 2: ponere in numerum u. Anal. post. II, c. 1; 89 b 25. 205 Vgl. oben a. 1 c. u. arg./ad 13 (auch: a. 2 c.); s. auch Sum. theol. III, q. 2, a. 6 u. a. 9 c. 206 Vgl. Aristoteles, Met. V, c. 6; 1015 b 20–22: »Denn alles dies wird Eines genannt im akzidentellen Sinne …, weil es Akzidentien sind an demselben einen Wesen.« (dt. Seidl, 195); s. auch In Met. V, lect. 7 (n. 844) u. lect. 11 (n. 908). 207 Vgl. Ps-Athansius von Alexandrien, Symbolum ›Quicumque‹, n. 34 (DSH 76); s. oben a. 1 arg. 1 (Anm. 3). 208 Vgl. Hugo von Sankt Viktor († 1141), De sacramentis II, p. 1, c. 9 u. 4 (PL 176, col. 394–398; 376 ff.). Das Argument bietet die Quintessenz der Ausführungen Hugos.

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Einheit die des menschgewordenen Wortes.209 Folglich ist Christus im höchsten Maße »eines«. Antwort: Das männliche [grammatikalische] Geschlecht, weil es etwas Geformtes ist, wird für gewöhnlich auf die Person bezogen.210 Daraus ist offensichtlich, daß Christus nicht im männlichen [grammtikalischen] Sinne »zwei« ist, sondern »einer« [unus]. Denn in Christus sind nicht zwei Personen, sondern »eine« [una] Person. (1) Einige jedoch,211 obgleich sie in Christus eine Person annahmen, behaupteten zwei Träger bzw. zwei Hypostasen in Christus, nämlich die eine des Sohnes Gottes und die andere des Menschensohnes. Aus diesem Grund – auch wenn sie nicht gesagt hätten, Christus sei wegen der Einheit der Person im männlichen Sinne zwei – lehrten sie dennoch, er sei aufgrund der Zweiheit der Träger im sächlichen Sinne zwei. (2) Weil diese Meinung aber auch der Wahrheit des Glaubens widerspricht, wie oben dargelegt wurde,212 deshalb muß, ohne daß wir uns mit dieser Meinung aufhalten, überlegt werden – vorausgesetzt, daß in Christus eine Hypostase bzw. ein Träger ist –, ob Christus »zwei« oder »eines« [unum] im sächlichen Sinne genannt werden muß. 209 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 9 c. 210 Lat. Text: »quod masculinum genus, qui est formatum«. Statt »qui«

muss es wohl »quia« heißen (Obenauer, 72). Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 c.: »das sächliche Geschlecht bezeichnet etwas Ungeformtes und Unvollständiges; das männliche Geschlecht aber bezeichnet etwas Geformtes und Vollständiges.« (DThA 26, 53); Comp. theol., c. 229: »Man muß bedenken, daß das männliche Geschlecht die Person, das sächliche hingegen die Natur bezeichnet« (dt. Fäh, 420). Das Maskulinum ist »geformt«, da es eine Person bezeichnet. Das Neutrum steht für die nichtpersonale Realität. Thomas lehrt, daß Christus »einer« im maskulinen Geschlecht (eine Person) und »einer« im Sinne des Neutrum ist (ein Suppositum), wenngleich er zwei Naturen umfasst. 211 Übersetzung für quidam ponentes. Vgl. oben a. 2 c. (zu Anfang) u. Anm. 127. 212 Vgl. oben a. 2 c.

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(2.1) Zur klaren Erkenntnis in dieser Frage muß folgendes bedacht werden: Was eine Einheit besitzt, wird im denominativen Sinne213 als »eines« [unum] ausgesagt; wie etwa dasjenige, was weiß ist bzw. was ihr Träger ist, die Weiße besitzt. Aus demselben Grund wird »vieles« denominativ von der Vielheit her ausgesagt und »zwei« [denominativ] von der Zweiheit her. Weil aber »eines« mit »seiend« vertauschbar ist,214 so wird etwas – je nachdem ob es ein akzidentelles Sein oder ein substantielles Sein ist – »eines« oder »vieles« genannt, aufgrund der akzidentellen oder substantiellen Form. (2.1.1) Aufgrund der akzidentellen Formen aber wird etwas »vieles« genannt, das der Träger von verschiedenen akzidentellen Formen ist, sei es in aufeinanderfolgender oder gleichzeitiger Weise. In aufeinanderfolgender Weise: Wie etwa sich Sokrates, der sitzt, von Sokrates, der steht, unterscheidet. Daher ist Sokrates, sofern er zuerst steht und danach sitzt, »vieles« in aufeinanderfolgender Weise. In gleichzeitiger Weise: Wie Sokrates, sofern er weiß ist und musikalisch, »vieles« ist. (2.1.2) »Zweifüßiges Lebewesen« nämlich, das von Sokrates ausgesagt wird, ist »eines« und nicht »vieles«. Das kommt daher, weil sich

213 Übersetzung für dicere denominative. D. h.: »etwas im Sinne einer bloßen Benennung aussagen«. Vgl. Sum. theol. I–II, q. 6, a. 2 ad 1; Sum. theol. III, q. 17, a. 1 arg. 6 u. In Met. IX, lect. 6 (n. 1843); ferner Manthey: »Es gibt zwei Arten von Prädikationen, erstens per identitatem wie z. B. ›tunica est vestis‹, zweitens per informationem, z. B. ›homo est albus‹. Letztere Art wird auch praedicatio per denominationem genannt.« (147). Im 1. Fall wird die Identität von Subjekt und Prädikat ausgesagt. Beim 2. Fall wird vom Subjekt bejaht, daß ihm eine Form bzw. Natur oder deren Eigenschaften inhärieren; s. dazu: Sent. III, d. 33, q. 2, a. 1, sol. 4 ad 1 u. Aristoteles, Cat., c. 1; 1a 12–15. 214 Grundsatz der Konvertibilität von »ens« (seiend) und »unum« (eines). Vgl. Aristoteles, Met. V, c. 6; 1016 b 7 ff. u. X, c. 3; 1054 b 25 u. De pot, q. 9, a. 7 c.: »Unum vero quod convertitur cum ente, non addit supra ens nisi negationem divisonis« (ed. Bazzi, 243); ferner: In Met. IV, lect. 2 (n. 1988); Sum. theol. I, q. 76, a. 3 c. u. a. 6 ad 7. Vgl. oben sc. 2; unten a. 4 c. (zu Anfang) u. Anm. 203 u. 258.

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das eine von ihnen zum anderen wie die Potenz zum Akt verhält,215 wie im 8. Buch der Metaphysik216 gesagt wird. (2.1.3) »Weiß« und »musikalisch« aber verhalten sich auf diese Weise nicht zueinander. Deshalb ist Sokrates, sofern er »weiß« und »musikalisch« ist, »vieles«, allerdings nicht schlechthin, sondern in [nur] gewisser Hinsicht217, wie in Bezug auf die Akzidentien auch gesagt wird, daß etwas in gewisser Hinsicht ist und nicht schlechthin. Gemäß der Substanz aber, wird etwas »eines« bzw. »vieles« schlechthin genannt, wie auch »seiend«. (2.2) Nach Aristoteles im 5. Buch der Metaphysik218 wird »Substanz« auf zwei Weisen ausgesagt, nämlich als der »Träger«, welcher nicht von anderem ausgesagt wird und als die »Form« bzw. »Natur der Art«, welche von dem Träger ausgesagt wird. Diese [zwei Weisen] sind in den bloßen Geschöpfen219 nicht zugleich »eines« und »vieles«. Denn das Wesen verschiedener Träger ist der Zahl nach nicht »eines«, noch findet sich in den bloßen Geschöpfen irgendein Träger [suppositum], der »eines« [unum] [ist und der] zwei naturhafte Substanzen besitzt. [Letzteres] ist gleichwohl der einmalige

215 Vgl. oben arg. 10. 216 Vgl. Aristoteles, Met. VII, c. 12; 1037 b 10 ff. u. VIII, c. 6; 1045

a 16 ff.; ferner: In Met. VIII, c. 5 (n. 1756) u. De spir. creat., q. un., a. 3 c.; s. oben arg. 10. 217 Übersetzung für secundum quid im Unterschied zu esse simpliciter. Es hat eine einschränkende Funktion (der Geltung); s. auch Sum. theol. III, q. 16, a. 8 c. 218 Vgl. Aristoteles, Met. V, c. 8; 1017 b 23: »Es ergibt sich also, daß man Wesen in zwei Bedeutungen gebraucht, einmal als das letzte Subjekt, das nicht weiter von einem anderen ausgesagt wird, dann als dasjenige, welches ein bestimmtes Seiendes und abtrennbar ist; solcherlei aber ist eines jeden Dinges Gestalt und Form.« (dt. Seidl, 207). 219 Übersetzung für creaturis puris. Vgl. Sum. theol. III, q. 1, a. 3, arg.  2: »Kein bloßes Geschöpf (creatura pura) kann aber als unendliche Wirkung [der göttlichen Wirkmacht] betrachtet werden, weil es seinem Wesen nach begrenzt ist.«; s. auch Bonavenura, In Sent. III, d. 20, a. 1, q. 3 arg. 1.

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Fall220 in Christus, die erste Weise aber [etwas] Einmaliges in den drei göttlichen Personen.221 (2.3) Es ist somit deutlich, daß Christus auf bestimmte Weise »eines« [unum] genannt werden kann, weil er dem Träger nach »eines« [unum] ist und auf bestimme Weise »vieles« [multa] oder »zwei« [duo], weil er zwei Naturen besitzt. Viel umfassender als Sokrates, von dem »eines« ausgesagt wird, insofern er »eines« dem Träger nach ist und »vieles«, insofern er »weiß« und »musikalisch« ist.222 (3) Es ist aber zu beachten, daß einiges davon schlechthin und einiges davon in gewisser Hinsicht ausgesagt wird. Man muß nämlich wissen: Es wird von etwas schlechthin und eigentlich gesagt, es sei ein solches, was an sich selbst so beschaffen ist. Man sagt aber, etwas sei an sich selbst solcherart, was es in Hinblick auf das Ganze ist, weniger danach, was es dem Teil nach ist.223 Denn der Teil ist nicht schlechthin dasselbe wie das Ganze. Das Wort »selbst« aber, weil es rückbezüglich ist,224 ist ein Beziehungswort, das vollständige Übereinstimmung aussagt.225 Deshalb kommt auch dasjenige, was mit etwas in Bezug auf das Ganze übereinstimmt, mit ihm mehr schlechthin überein als dasjenige, was mit diesem [nur] dem Teil nach übereinstimmt. Daher gilt: (3.1) Wenn etwas von Natur aus geeignet ist, einem anderen in Bezug auf das Ganze bzw. zum Teil anzugehören, sagt man – falls es ihm nur dem Teil nach angehörte – es komme ihm in gewisser 220 Übersetzung für hoc singulare. D. h.: ein Suppostium und zwei Naturen. 221 D. h.: ein Wesen (Sein) und drei Supposita (Vater, Sohn, Geist); vgl. etwa ScG III, 39 (n. 3373). 222 Vgl. ScG IV, 49 (n. 3849). 223 Vgl. Sum. theol. III, q. 16, a. 8 c. 224 Das Wort »ipsum« ist ein reziprokes Pronomen. Vgl. Sum. theol. I, q. 39, a. 4 ad 4: »weil der Ausdruck ›sich‹ (ly ›se‹), da er rückbezüglich ist (reciprocum), sich auf dassselbe Suppositum bezieht« (DThA 3, 219). 225 Oder: »vollständige Identität aussagt«; vgl. In Met. X, lect. 4 (n. 2014) u. Aristoteles, Met. X, c. 3 (1054 b 14 ff.). Der Begriff »relativum« ist synonym mit dem Ausdruck »ad aliquid«, was die aristotelische Wendung »Ôn prÒj ti« übersetzt: »das sich auf etwas Beziehende«; s. auch Sum. theol. I, q. 32, a. 2 c.; ScG II, 12 (n. 913) u. Sent. I, d. 30, q. 1, a. 3 ad 3.

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Hinsicht zu, nicht aber schlechthin. Zum Beispiel, wenn man einen Äthiopier »weiß« nennt, der weiße Zähne hat.226 (3.2) Anders verhält es sich aber bei dem, was von Natur aus bloß geeignet ist, in Bezug auf einen Teil [ein Ding] inhärent zu sein. Man nennt etwa jemanden »kraushaarig« schlechthin, wenn er krauses Haar besitzt. Es ist aber offensichtlich, daß der Träger nach der Weise eines Ganzen bezeichnet wird, die Natur hingegen nach der Weise eines formhaften Teils, wie aus dem zuvor Gesagten227 hervorgeht. (3.3) Daraus ist offensichtlich – weil »eines« [unum] und »vieles« [multa] auf den Träger und die Natur bezogen werden können – , daß ein bestimmter Träger, falls er mehrere substantielle Naturen228 besitzt, »eines« [unum] schlechthin und »vieles« [multa] in gewisser Hinsicht sein wird. Das Anzeichen dafür ist: Die Dinge, die sich [ihrem] Träger nach unterscheiden und in demjenigen »eines« sind, was an sich zu der Natur gehört, sind nämlich »vieles« schlechthin, aber »eines« der Gattung bzw. der Art nach.229 Deshalb gilt auch umgekehrt: Wenn ein bestimmter Träger viele Naturen besäße, wird er »eines« schlechthin und »vieles« in gewisser Hinsicht sein. Weil also Christus ein Träger ist [unum suppositum], der zwei Naturen besitzt, folgt, daß er »eines« [unum] schlechthin und »zwei« [duo] in gewisser Hinsicht ist. Zu 1. Das Wort des Augustinus »beide Gott und beide Mensch« darf nicht auf eine Zweiheit des Trägers bezogen werden, nach der man sagen würde, Christus sei »zwei« schlechthin. Es muß vielmehr auf die Zweiheit der Naturen [bezogen werden], die mit den 226 Vgl. Sum. theol. III, q. 16, a. 8 c. »Wir sagen nämlich nicht [schlechthin]: ›Der Äthiopier ist weiß‹, sondern vielmehr: ›Er ist weiß, was seine Zähne betrifft‹. Wir sagen aber uneingeschränkt, er sei ein ›Krauskopf‹, weil ihm dies nur zukommen kann, sofern es die Haare betrifft.« (DThA 26, 35). 227 Vgl. oben a. 2 c.; ferner Sum. theol. III, q. 2, a. 2 c.: »Daher ist der Träger als ein Ganzes (totum) aufzufassen, welches die Natur als dessen formhaften und vollendenden Teil besitzt« (DThA 25, 42). 228 Übersetzung für naturas substantiales. 229 Vgl. Sum. theol. I, q. 11, a.1 ad 1 o. Sum. theol. I–II, q. 17, a. 4 c.

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zwei Namen bezeichnet werden: »Gott« und »Mensch«230 – weil von Gott nämlich göttliche und menschliche Bestimmungen ausgesagt werden und auch vom Menschen göttliche und menschliche Bestimmungen ausgesagt werden. Zu 2. Jede der göttlichen Personen ist der Sache nach gänzlich dasselbe wie das göttliche Wesen;231 nicht wird der Person etwas über die göttliche Natur hinaus hinzugefügt, was einen substantiellen Unterschied bewirken könnte. Aufgrund der Tatsache, daß die drei Personen in der göttlichen Natur übereinkommen, sind diese »eines« [unum] schlechthin. Die menschliche Natur verhält sich aber nicht in der gleichen Weise zur göttlichen Person.232 Daher ist also die Begründung nicht dieselbe. Zu 3. Man sagt, daß in Christus sei »eines« [aliud] der »Menschsohn« und ein »anderes« [aliud] der »Sohn Gottes«, weil jeder Name [von ihm] eine andere Natur aussagt,233 nicht [aber] weil es einen anderen Träger [für jede Natur] gibt, woraus folgen würde, daß Christus schlechthin »zwei« ist. Wenn nämlich der menschliche und der göttliche Träger verschieden wären, müßten sie sich in substantieller Weise unterscheiden. Zu 4. Verschiedene Formen, die inhärieren, sei es zur gleichen Zeit oder sei es zu verschiedenen Zeiten, bewirken kein anderes Ding [aliud] schlechthin, wenn derselbe Träger bestehen bleibt. [Dies geschieht] vielmehr allein aufgrund des Trägers, wenn der Träger verschieden ist.234 Zu 5. Unter dem Namen235 »weiß« versteht man die Weiße und den Träger der Weiße. Die Weiße wird auf bestimmte Weise auf-

Vgl. oben a. 2, ad 2; ferner: Sum. theol. III, q. 17, a. 1 ad 1. Übersetzung für divina essentia. Vgl. oben a. 2, ad 7; ferner: Sum. theol. III, q. 17, a. 1 ad 5. Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 ad 2. Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 ad 7: »Deshalb genügt eine Verschiedenheit in der Natur nicht, damit etwas einfachhin ›ein anderes‹ genannt wird, es sei denn, daß auch eine Verschiedenheit der Träger [der Natur] gegeben ist.« (DThA 26, 57); s. auch Sum. theol. III, q. 2, a. 2 ad 1. 235 Es heißt »nomine« statt »homine« (ed. Marietti); vgl. Obenauer, 80 u. Deloffre, 129. 230 231 232 233 234

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gefaßt, der Träger der Weiße aber auf unbestimmte Weise.236 Denn, wenn wir »weiß« sagen, erkennen wir etwas, das von der Weiße geformt wurde; nicht aber wird damit bestimmt, »was« jener Träger ist, etwa so wie man eine Form bestimmt. Ferner ebenso, wenn ich »Mensch« sage oder ein anderes Wort, das der Substanz nach [etwas] benennt237, wird verstanden, daß [es] das Menschsein besitzt. Etwas aber wird im Hinblick auf die Art durch sein Wesen bzw. seine Natur bestimmt, nicht aber durch seine Akzidentien. Deshalb wird unter dem Namen »Mensch« auf bestimmte Weise dasjenige verstanden, was das Menschsein besitzt, mehr als unter dem Namen »weiß« dasjenige erkannt wird, was die Weiße besitzt. Ferner: Dasjenige, was durch einen Namen auf bestimmte Weise erkannt wird, ist das mit dem Namen im eigentlichen Sinn Bezeichnete. Deshalb bezeichnet dieser Name »Mensch« mehr den Träger der Menschheit, als dieser Name »weiß« den Träger der Weiße. Obgleich dieser Name »Mensch« nicht den Träger des Menschseins bezeichnet, sofern er auf seine Einzelheit bestimmt ist,238 sondern [er bezeichnet den Träger] allein, sofern er gemäß der Natur der Art bestimmt ist. Folglich ist der Träger der menschlichen und göttlichen Natur in Christus, sofern er gesondert239 in seiner Einzelheit betrachtet wird, »ein und dasselbe« [unum et idem] in den zwei unterschiedlich bestimmten Naturen. Gleichwohl ist er an sich selbst »eines« [unum] schlechthin240, in gewisser Hinsicht aber [auch] »zwei«, insofern er nämlich zwei Naturen besitzt. Zu 6. Dazu, daß etwas ein »anderes« [aliud] sei, ist nicht erforderlich, daß es sich in Bezug auf das Ganze unterscheidet. Dazu je236 Übersetzung für determinante – indeterminante. Vgl. Quodl. VII, q. 1, a. 1 ad 1: »aliquid dicitur determinatum dupliciter: primo ratione limitationis, alio modo ratione distinctionis.« (ed. Spiazzi, 134). 237 Übersetzung für substantialiter dictum. Vgl. Sum. theol. I, q. 39, a. 4 c. u. ad 3; a. 6 ad 1 u. III, q. 17, a. 1 c. 238 Übersetzung für quod est determinatum in sua singularitate. 239 Übersetzung für in sua singularitate distinctum (»für sich« genommen). 240 Übersetzung für simpliciter unum secundum se ipsum.

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doch, daß es ein »anderes« [aliud] schlechthin sei, ist es notwendig, daß es sich gemäß seiner selbst unterscheidet. Zu 7. Aus der Tatsache, daß die geschaffene Einheit nicht die ungeschaffene Einheit ist, kann nicht geschlossen werden, daß Christus »zwei« ist, sondern vielmehr, daß er in einer zweifachen Einheit subsistiert, wie auch in einer zweifachen Natur. Zu 8. Wenn Christus [dasjenige] »eine« [unum], was der Mensch ist, und nichts »anderes« [aliud] denn Mensch wäre, würde folgen, daß er gänzlich »eines« [unum] wäre, das heißt sowohl der Natur als auch dem Träger nach. Aufgrund dessen aber, daß Christus [dasjenige] »eine« [unum] ist, was der Mensch ist, und [dasjenige] »andere« [aliud], was Gott ist, folgt, daß er »zwei« der Natur nach ist; nicht aber – aufgrund der Einheit des Trägers – , daß er gänzlich und schlechthin »zwei« ist.241 Zu 9. Dasjenige, wovon in einem Satz in Bezug auf das verbundene [zweiteilige] Prädikat242 mehrere Dinge ausgesagt werden, muß nicht notwendig »vieles« schlechthin sein. Andernfalls wäre Sokrates »vieles« schlechthin, wenn er »weiß« und »musikalisch« sein sollte. Deshalb ist es nicht erforderlich, wenn Christus Gott und Mensch ist, daß er schlechthin »zwei« sei. Zu 10. Aus der göttlichen und der menschlichen Natur wird nicht »eines« in Bezug auf die Natur. Beide Naturen kommen jedoch in einem einzigen Träger [unum suppositum] zusammen, weswegen Christus »eines« [unum] ist.243 Zu 11. Wie es nicht notwendig ist, daß Christus zwei Söhne sei, sofern er auf die eine Weise vom Vater geboren wurde und auf die andere Weise von seiner Mutter, so ist es auch nicht erforderlich, daß er »zwei« in Bezug auf den Träger sei; [und zwar] wegen der anderen Weise der Subsistenz244, durch die er subsistiert, insofern er Gott und insofern er Mensch ist. 241 Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 ad 3. 242 Übersetzung für quae est de copulato praedicato. Vgl. oben arg. 9

(Anm. 193). 243 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 3 ad 2. 244 Übersetzung für propter diversam rationem subsistendi. Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 3 ad 2.

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Zu 12. Der größte Unterschied, der zwischen der menschlichen und der göttlichen Natur besteht, zeigt auf, daß es nicht eine einzige Natur von Gott und Mensch geben kann. Daraus folgt aber nicht, daß es nicht »einen« Träger [unum suppositum] von beiden Naturen geben könne.245 Zu 13. Nichts hindert, daß Gegensätze und auch Unterschiede, welche mit anderem nicht vereinbar sind,246 in demselben Träger in verschiedenen Hinsichten sind: Der Mensch etwa ist der Seele nach unvergänglich und dem Körper nach vergänglich. Auf diese Weise kommen auch in Christus bestimmte Gegensätze entsprechend der menschlichen und göttlichen Natur zusammen.247 Zu 14. Dieser Satz ist falsch: »Der Mensch ist die Menschheit«. Es wird nämlich durch das eine und das andere nicht genau dasselbe bezeichnet. Denn Aristoteles sagt im 7. Buch der Metaphysik:248 Das, »was es ist«, das heißt das Wesen eines jeden [Dinges], ist identisch mit [dem Ding], was [aber nur] in Bezug auf diejenigen Dinge gilt, die durch sich selbst sind, nicht aber für diejenigen Dinge, die akzidentell sind. Deshalb ist eine Sache, welche auch immer es sei, der etwas über die Natur ihrer Art hinaus zukommen kann, nicht genau dasselbe wie ihr Wesen.249 Dem Menschen aber kommen viele Dinge über das Wesen der Art hinaus zu. Daher ist es offensichtlich, daß der »Mensch« und die »Menschheit« nicht genau dasselbe sind.250 Denn »Menschheit« besagt das, wodurch jemand ein Mensch ist. So umfaßt der [Begriff] in seiner Bezeichnung nur die [Dinge], die zum Wesen der Art gehö245 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 1 c.; III, q. 16, a. 1 ad 1 u. ScG IV, 35 (n. 3729). 246 Übersetzung für incompossibiles differentias. 247 Vgl. Sum. theol. III, q. 16, a. 112 c. u. ad 3. 248 Vgl. Aristoteles, Met. VII, c. 6; 1031 a 17 ff.: »denn jedes einzelne Ding gilt für nichts anderes als für sein eigenes Wesen und das Sosein (tÕ t… Ãn e�nai) wird eben als das Wesen (oÙs…a) jedes einzelnen bezeichnet. (…) Aber es folgt nicht mit Notwendigkeit, daß Ding und Sosein bei den Akzidentien dasselbe sei.« (ed. Seidl, 21). 249 Vgl. oben a. 1 arg. 4. 250 Vgl. In Met. VII, lec. 5 (n. 1379 f.); Sum. theol. I, q. 3, a. 3 c. u. III, q. 2, a. 2 c.

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ren. »Mensch« aber meint denjenigen, der das Menschsein besitzt251 und in dem auch vieles andere über das Wesen der Art hinaus ist.252

Vierter Artik el Die vierte Frage lautet: Ist in Christus nur ein Sein? 253 Dies scheint nicht der Fall zu sein. 1. In Christus nämlich ist ein göttliches Sein und ein menschliches Sein. Diese können nicht ein einziges Sein bilden, weil das Sein von Gott und den Geschöpfen nicht univok ausgesagt wird.254 Folglich ist Christus nicht nur ein Sein, sondern zwei. 2. Jeder Form entspricht ihr Sein: Weiß zu sein nämlich ist etwas anderes als Mensch zu sein. In Christus aber sind zwei Formen. Denn »da er Gott gleich war«, nahm er »die Gestalt des Knechtes« an, jedoch legte er nicht die Gestalt Gottes ab, wie es im 2. Kap. des Briefes an die Philipper heißt.255 Folglich ist in Christus ein zweifaches Sein. 3. Nach Aristoteles im 2. Buch von Über die Seele ist das Leben das Sein der Lebewesen.256 In Christus ist aber ein zweifaches Leben, nämlich das menschliche Leben, das durch den Tod geraubt wurde, und das göttliche Leben, das durch den Tod nicht geraubt werden konnte. Folglich sind in Christus nicht nur ein Sein, sondern vielmehr zwei.

251 Vgl. oben ad 5. 252 Vgl. oben a. 1 ad 11. 253 Par alleltexte: Sum. theol. III, q. 17, a. 2.; Sent. III., d. 4, q. 1, a. 2,

qc. 1; Sent. III, d. 6, q. 2, a. 2; Quodl. IX, q. 2, a. 2 u. Comp. theol., c. 211 f. 254 Vgl. oben a. 2 ad 2; auch: Sum. theol. I, q. 13, a. 5c.; ScG II, 32–34; De ver., q. 2, a. 11c.; De pot., q. 7, a. 7c. 255 Vgl. Phil. 2, 6 f.; oben a. 1 c. (Abs. 3.2.2) u. ad 14. 256 Grundsatz: vivere viventibus est esse. Vgl. Aristoteles, De an. II, c. 4; 415 b 13 u. oben a. 1 arg. 10.

Vierter Artikel

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Dagegen spricht: 1. Was auch immer eines schlechthin ist, ist dem Sein nach eines. Christus aber ist »einer« schlechthin, wie oben dargelegt wurde.257 Folglich ist in Ihm [nur] ein Sein. Antwort: Die Lösung dieser und der vorhergehenden Frage beruht gewissermaßen auf derselben Begründung. Denn aus demselben Grund wird gesagt, daß etwas »eines« und [daß es] »seiend« ist.258 »Sein« nämlich wird eigentlich und wahrhaft von dem subsistierenden Träger ausgesagt.259 (1) Bei Akzidentien und den Formen, die nicht subsistieren, wird nämlich gesagt, daß sie »sind«, insofern sie in etwas subsistieren, wie etwa die Weiße »seiend« genannt wird, insofern durch sie etwas weiß ist. Es ist aber zu beachten, daß es einige Formen gibt, durch die etwas nicht »seiend« schlechthin ist, sondern [nur] in gewisser Hinsicht, [und] so sind alle akzidentellen Formen. Es gibt aber einige Formen, durch die ein subsistierendes Ding schlechthin das »Sein« besitzt. Denn diese [Formen] begründen offensichtlich das substantielle Sein des subsistierenden Dinges.260 (2) In Christus aber ist der subsistierende Träger261 die Person des Sohnes Gottes, welche als Substanz262 schlechthin durch die gött257 Vgl. oben a. 3 c. 258 Grundprinzip der aristotelischen Philosophie (ens et unum con-

vertuntur). Vgl. Aristoteles, Met. V, c. 6; 1016 b 7 ff. u. X, c. 3; 1054 b 25; Sum. theol. I, q. 76, a. 2 ad 2; s. auch oben a. 3 sc. 2; c. (Abs. 2.1) u. Anm. 203 u. 214. 259 Vgl. Aristoteles, Met. VII, c. 1; a 1028–b 1028 (aristotelisches Grundprinzip) 260 Übersetzung für constituunt esse substantiale rei subsistentis. 261 Übersetzung für suppositum subsistens. 262 Übersetzung für substantificatur. Obenauer: »welche einfachhin als ein Selbststandhaftes konstituiert wird durch die göttliche Natur« (87). Das Verb »substantificare« (»zur Substanz machen«) korrigiert er hier an allen drei Belegstellen zu »sustentificare« (86). Der Träger wird demnach »als substantiale Größe konstituiert« (372); s. dazu Nutt: »This correction is subtle but signifikant« (3 f.). Vgl. De ver., q. 1, a. 1 arg. 5; q. 2, a. 5 ad 16; Quodl. VIII, q. 1, a. 1 c.; In De div. nom. I, lect. 2; II, lect. 4 u. In Lib.

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liche Natur konstituiert wird, nicht aber schlechthin als Substanz konstituiert wird durch die menschliche Natur. Denn die Person des Sohnes Gottes war vor dem angenommenen Menschsein, und die Person erfuhr in keiner Hinsicht eine Zunahme oder ist vollkommener durch angenommene Menschennatur.263 Der ewige Träger aber wurde als Substanz durch die menschliche Natur konstituiert, sofern er dieser Mensch264 ist. Deshalb, wie Christus »einer« schlechthin aufgrund der Einheit des Trägers und in gewisser Hinsicht »zwei« aufgrund der zwei Naturen ist, so besitzt er ein einziges Sein schlechthin aufgrund des einen ewigen Seins des ewigen Trägers.265 (3) Es gibt aber auch ein anderes Sein266 dieses Trägers, nicht insofern es ewig ist, sondern insofern es auf zeitliche Weise Mensch wurde. Dieses Sein, wenn es auch nicht akzidentelles Sein ist – weil »Mensch« nicht auf akzidentelle Weise vom Sohn Gottes ausgesagt wird, wie oben dargelegt wurde267 – ist jedoch nicht das hauptsächliche Sein268 seines Trägers, sondern dessen nachgeordnetes Sein. Wenn aber in Christus zwei Träger wären, dann würde jeder Träger ein eigenes Sein besitzen, welches ihm hauptsächlich zukommt. Auf diese Weise wäre in Christus ein zweifaches Sein. 269 de causis, lect. XV (n. 304). Der Terminus leitet sich aus den lat. Übersetzungen der Schriften des Dionysius Areopagita her; s. etwa das Verb »oÙsiÒw« (»Substanz/Dasein verleihen«) in: De div. nom., c. 2, 6 (PG 3, col. 644C; PTS 33/CD I, 130,6). 263 Vgl. oben a. 1 ad 9. 264 Übersetzung für hic homo. 265 Übersetzung für habet unum esse simpliciter propter unum esse aeternum aeterni suppositi. 266 Übersetzung für aliud esse. Vgl. auch Sum. theol. III, q. 16, a. 9 ad 3 u. III, q. 17, a. 2 ad 2. 267 Vgl. oben a. 1 c. u. arg./ad 13. 268 Übersetzung für esse principale – esse secundarium. Zum »esse secundum« im Sinne von Akzidens: De ente, c. 6: »sondern es verursacht ein zweites Sein, und auch ohne dies Sein kann das Sein des Selbststand habenden Dinges gedacht werden« (dt. Kluxen, 89). Die Menschnatur ist keinesfalls derart als Akzidenz aufzufassen; s. oben a. 1 c. (Abs. 3.5.2). 269 Vgl. Sent. III, d. 6, q. 2, a. 3 c. (a. 2 ad 1). Wenn zwei Träger, dann »zweifaches Sein« (duplex esse).

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Zu 1. Das Sein der menschlichen Natur ist nicht das göttliche Sein. Jedoch darf nicht schlechthin gesagt werden, daß Christus »zwei« dem Sein nach sei. Denn das eine und das andere Sein steht nicht im gleichen Verhältnis270 zum ewigen Träger. In der gleichen Weise ist auf die anderen Einwände zu antworten.

Fünf ter Artik el Die fünfte Frage lautet: Ist in Christus nur eine Tätigkeit? 271 Dies scheint der Fall zu sein. 1. Dionysius nämlich sagt im Brief An den Mönch Gaius: »als Gott Mensch geworden, wandelte Er mit einem bestimmten neuen Wirken Gottes und des Menschen.«272 Es würde aber keine neue Tätigkeit Gottes und des Menschen geben, außer es wäre ein und dieselbe Tätigkeit von beiden. Folglich ist in Christus eine einzige Tätigkeit Gottes und des Menschen. 2. Diejenigen Dinge, die zu derselben Tätigkeit zusammenkommen, machen die Tätigkeit nicht verschieden. Die Gottheit und das Menschsein in Christus aber kommen zu derselben Tätigkeit zusammen, wie etwa bei der Heilung des Aussätzigen die göttliche Wirkkraft und die leibliche Berührung zusammenkommen.273 3. Das Wirken geht vom Wirkenden durch ein bestimmtes Prinzip des Wirkens274 aus, wie etwa das Erwärmen vom Feuer durch die 270 Übersetzung für non ex aequo respicit. Obenauer: »Denn nicht in gleicher Weise betrifft beides Sein das ewige Suppositum« (87). Das Verb »respicit« bezeichnet eine Relation; vgl. Sent. III, d. 6, q. 2, a. 2 c.: »unum esse Christi habet duos respectus« (ed. Parma VII, 84). 271 Par alleltexte: Sum. theol. III, q. 19, a. 1; Sent. III, d. 10, q. 1, a. 1, qc. 1 ad 3; Sent. III, d. 18, a. 1; ScG IV, 36 u. De ver., q. 20, a. 1 ad 2. 272 Übersetzung für operatione Dei et hominis. Vgl. Dionysius Areopagita, Epist. 4 ad Gaium monachum (PG 3, col. 1072C; PTS 36/CD II, ed. Heil / Ritter, 161,8–10). 273 Vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 1 arg./ad 5. 274 Übersetzung für actio – agens – principium actionis.

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Hitze ausgeht. Daher muß man die Vielheit und Einheit des Wirkens, sowohl seitens des Wirkenden als auch seitens des Prinzips, wodurch das Wirkende wirkt, in Erwägung ziehen. 275 Die Anzahl der Wirkungen wird in Christus aber nicht seitens des Prinzips aufgefaßt, wodurch das Wirkende wirkt. Denn von daher würden sich wegen der verschiedenen Seelenvermögen276 [sogar] viel mehr als zwei Wirkungen Christi ergeben. Folglich muß man sagen, daß in Christus ein einziges Wirken277 ist aufgrund des einen wirkenden Trägers. 4. Dem hauptsächlich Wirkenden und dem Werkzeug kommt ein und dasselbe Wirken zu, wie etwa das Sägen die Tätigkeit des Stellmachers und der Säge ist.278 Das Menschsein in Christus war ein Werkzeug der Gottheit in Christus, wie Johannes von Damaskus279 im 3. Buch Über den Glauben sagt. Folglich ist das Wirken der Gottheit und des Menschseins in Christus ein und dasselbe. 5. Den Trägern ist es eigen zu wirken.280 In Christus ist aber kein anderer Träger, außer dem ewigen Träger, von dem nicht gesagt werden kann, daß er kraft der menschlichen Natur wirke. Denn so würde er etwas von der menschlichen Natur empfangen. Er würde sowohl das Sein als auch die Aktualität281 durch die menschliche Natur besitzen. Denn jedes Ding wirkt, insofern es ein aktuell Sei275 Vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 1 arg./ad 3. 276 Übersetzung für poteniae animae. D. h.: Gedächtnis, Verstand,

Willen, innere und äußere Sinne, vegetative Kräfte. Vgl. Sum. theol. I, q. 77, a. 1–3 u. q. 78, a. 1. 277 Übersetzung für una actio. Gemeint ist eine Art des Wirkens der Natur nach (kein partikulärer Wirkakt). 278 Vgl. Sent. III, d. 18, q. 1, a. 1 arg. 4; Sum. theol. III, 19, a. 1 arg./ad 2 u. das Beispiel der »Säge«: De ver., q. 27, a. 4 c. (causa instrumentalis). 279 Übersetzung für organum divinitatis. Vgl. Johannes Damascenus, De fide III, c. 15 (PG 94, col. 1060A; PTS 12, 150,171); s. auch De ver., q. 27, a. 3 ad 7 u. a. 4 c. 280 Übersetzung für suppositorum est agere (arg. 8 u. oben a. 1 arg. 16). Vgl. Aristoteles, Met. I, c. 1; 981 a 16: »die Handlungen und Entstehungen aber auf das Einzelne gehen« (dt. Seidl, 5) u. In Met. I, lect. 1: »actiones sunt circa singularia« (ed. Cathala, n. 21); ferner: Sum. theol. I, q. 40, a. 2 ad 3 u. De ver., 20, a. 1 arg. 2. 281 Übersetzung für esse et actualitas.

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endes ist.282 In Christus ist also nur ein Wirken, das kraft der göttlichen Natur geschieht. Folglich sind in Christus nicht zwei Wirkungen aufgrund der zwei Naturen, das heißt der göttlichen und der menschlichen. 6. Der Träger ist mit der göttlichen Natur mehr verbunden als mit der Tätigkeit. In Christus besitzt aber die menschliche Natur aufgrund ihrer Einung mit der göttlichen Natur keinen eigenen Träger. Also besitzt sie umso weniger eine eigene Tätigkeit. Folglich sind in Christus nicht zwei Tätigkeiten. 7. Tätigkeiten gehören zum Zusammengesetzten. Daher erklärt Aristoteles im 1. Buch von Über die Seele:283 Wenn jemand sagte, die Seele erkenne, sei es das Gleiche als ob er sagte, die Seele webe oder baue.284 Christus aber kommt eine Person zu, in welcher das Menschsein mit der Gottheit verbunden ist. Folglich ist in Christus nur eine Tätigkeit. 8. Die erste und besondere Tätigkeit der vernunftbegabten Natur285 ist das Erkennen selbst. Das Erkennen aber ist keine Tätigkeit, welche auf eine äußere Natur übergeht, sondern im Wirkenden selbst bleibt.286 Das Wirken aber kommt dem Träger zu.287 In Christus aber ist nur ein ungeschaffener Träger, welcher einfach ist. Weil also in einem Einfachen nicht ein zweifaches Erkennen sein kann, scheint es, daß in Christus nicht zwei [verschiedene] geistige Tätigkeiten sein können. 282 Übersetzung für ens actu. Vgl. De pot., q. 2, a. 1 c.: »Unde unumquodque agens agit secundum quod in actu est.« (ed. Bazzi, 25). 283 Übersetzung für operationes sunt coniuncti. Vgl. Sum. theol. I, q. 77, a. 1 ad 3: »Tätigkeit wie auch das Sein kommt dem Zusammengesetzten zu« (DThA 6, 91); s. auch Aristoteles, De an. I, c. 4; 408 b 11 ff. u. In de an. I, lect. 10 (ed. Pirotta, n. 152). 284 Vgl. Aristoteles, De an. I, c. 4; 408 b 11–13: »so ist die Aussage, daß die Seele sich erzürne, ähnlich der, wie wenn man sagte, die Seele webe ein Tuch oder baue ein Haus« (dt. Seidl, 39); s. auch Sum. theol. I, q. 75, a. 3 ad 2: »homo intelligat per animam«. (DTh 6, 12). 285 Übersetzung für natura intellectalis. 286 D. h. im Erkennenden (Träger). Vgl. Sum. theol. I, q. 18, a. 3 ad 1 u. Aristoteles, Met. IX, c. 8; 1050 a 23. 287 Vgl. oben arg. 5.

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9. Die Tätigkeit einer jeden Sache folgt ihrer Eigenart.288 Nach Johannes von Damaskus289 aber tauschen die zwei Naturen in Christus ihre Idiomata290 aus, das heißt ihre »Eigenschaften«, aufgrund der Einheit des Trägers. Aus gleichem Grund geschieht darin eine wechselseitige Mitteilung der Tätigkeiten. So sind es auch nicht zwei verschiedene Tätigkeiten aufgrund des Unterschiedes der Naturen. 10. Alle Tätigkeiten in einem Menschen werden auf ein einziges erstes Prinzip zurückgeführt, nämlich auf den Willen, welcher alle anderen Vermögen zum Wirken bewegt. Auf dieselbe Weise aber ist in Christus ein einziges Prinzip anzunehmen, nämlich die Gottheit, durch die sein Menschsein bewegt wurde. So beziehen sich die Tätigkeiten des Menschseins in Ihm auf die Gottheit als erstes Prinzip. Folglich ist in Christus nur eine Tätigkeit. 11. Athanasius sagt: »Wie der eine Mensch vernunftbegabte Seele und Fleisch ist, so ist der eine Christus Gott und Mensch«.291 Die Tätigkeit aber des menschlichen Körpers oder der Vernunftseele wird menschliche Tätigkeit genannt. Folglich muß man sowohl die Tätigkeit der Gottheit als auch des Menschseins Christi eine christushafte Tätigkeit292 nennen. Somit ist in Christus nur eine einzige Tätigkeit, wie auch [nur] »einer« Christus ist. 288 Übersetzung für proprietas. »Sache« (res) meint jede Wirklichkeit (Realität). 289 Vgl. Johannes Damascensus, De fide III, c. 3–4 (PG 94, col. 993D– 1000A; PTS 12, 116 ff.); s. auch Sum. theol. III, q. 16, a. 4 c. u. DSH 294: »Denn jede der beiden Gestalten (utraque forma) wirkt in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigen ist«. Göttliche und menschliche Attribute Christi sind austauschbar, jedoch nicht die abstrakten Wesensbegriffe (DHS 509–516). 290 Die Lehre von der »communicatio idiomatum« (s. auch ad 9). Beide Naturen haben Anteil an den Attributen der jeweils anderen Natur. Der Logos besitzt dem Sein nach menschliche und der Mensch Christus göttliche Eigentümlichkeiten (idiomata). Es handelt sich um eine Durchdringung ohne Vermischung (ontologische Gemeinsamkeit); vgl. Joh. 1, 14; Röm. 1, 3; Konzil von Ephesus (DSH 251) u. Sum. theol. III, q. 16, a. 4–5 c. 291 Vgl. Ps-Athansius, Symbolum ›Quicumque‹, n. 32–37 (DSH 76); s. oben a. 1 arg. 1 (Anm. 3). 292 Übersetzung für operatio christiana.

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12. Jede Tätigkeit geht aus einer Form oder Kraft hervor.293 Das Hauptwirkende294 aber verleiht dem Werkzeug nicht irgendeine Form oder Kraft. Folglich besitzt das Werkzeug nicht irgendeine Tätigkeit, insofern es Werkzeug ist.295 Die menschliche Natur in Christus aber war ein Werkzeug der Gottheit, wie Johannes von Damaskus296 sagt. Folglich besitzt die menschliche Natur in Christus nicht irgendeine Tätigkeit. So ist also in Christus nur eine Tätigkeit der Gottheit. 13. Das Wirken verleiht dem Wirkenden eine Form.297 In Christus aber ist nur ein einziger Träger, nämlich der ewige [Träger], dem durch eine geschaffene Tätigkeit keine Form verliehen werden kann. Weil also das Wirken dem Träger zukommt,298 scheint es, daß es in Christus keine geschaffene Tätigkeit gibt. So gibt es dort nur eine ungeschaffene Tätigkeit. 14. Einem Träger kommt eine Tätigkeit zu. Christus aber ist schlechthin gesagt »einer«, wie oben dargelegt wurde.299 Folglich ist in Christus nur eine einzige Tätigkeit. Dagegen spricht: 1. Was in dem Dekret der 6. Synode gesagt wird: »Zwei naturhafte Tätigkeiten, ungeteilt, unvertauschbar, unvermischt und untrennbar verherrlichen wir in demselbem Herrn Jesus Christus, unserem wahren Gott, das ist: eine göttliche Tätigkeit und eine menschliche Tätigkeit.«300 293 Vgl. Sum. theol. I, q. 42, a. 1 ad 1 294 Übersetzung für agens principale. 295 Vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 1 ad 2; s. auch Sent. IV, d. 1, q. 1, a. 4,

qla. 3. 296 Übersetzung für organum divinitatis. Vgl. oben arg. 4 u. De fide III, c. 15 (PG 94, col. 1060A; PTS 12, 150,171). 297 Übersetzung für actio informat agentem. D. h.: eine akzidentelle Form. 298 Vgl. oben arg. 5; a. 1 arg./ad 16. 299 Vgl. oben a. 3; auch: Sum. theol. III, q. 19, a. 1 arg. 3. 300 Übersetzung für indivise, inconvertabiliter, inconfuse et inseparabiliter (s. auch a. 1 ad 3). Vgl. Drittes Konzil von Konstantinopel (680– 881): DSH 556; zit. auch Sum. theol. III, q. 19, a. 1 c.

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2. Damascenus sagt im 3. Buch von [Über den Glauben]: »Zwei Tätigkeiten sagen wir im Herrn Jesus Christus aus: Er besitzt nämlich als dem Vater wesensgleich, eine göttliche Tätigkeit und als geschaffener Mensch, eine Tätigkeit der menschlichen Natur.«301 3. Wie in der Dreifaltigkeit eine Natur in drei Personen ist, so sind in Christus zwei Naturen in einer Person. Der ganzen Dreifaltigkeit aber kommt eine einzige Tätigkeit aufgrund der Einheit der Natur zu, folglich sind in Christus zwei Tätigkeiten, wegen der Zweiheit der Naturen. 4. Boethius sagt im Buch von Über die zwei Naturen: Die Natur ist das, was wirken und erleiden kann. Auf diese Weise folgt die Tätigkeit der Natur. 302 In Christus aber sind zwei Naturen. Folglich auch zwei Tätigkeiten. 5. Die Tätigkeit folgt der Kraft. Die Kraft aber folgt dem Wesen, was die Natur der Sache ist. Wo also zwei Naturen sind, gibt es zwei Kräfte und folglich zwei Tätigkeiten.303 Auf diese Weise ist in Christus nicht nur eine Tätigkeit, sondern zwei. Antwort: Die Einheit und Vielheit des Wirkens kann unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden: (1) Einmal seitens des Trägers, der wirkt. In dieser Hinsicht betrachtet man die Einheit und Vielheit des Wirkens der Zahl nach.304 Wie etwa auch jedes beliebige Akzidens die zahlenmäßige Einheit und Vielheit von seinem Träger hat, wie beispielsweise dies Sehen

301 Übersetzung für ut Patri consubstantialis – ut homo factus (»consubstantialis«: von gleicher Substanz, Wesenheit). Vgl. Johannes Damascenus, De fide III, c. 15 (PG 94, col. 1045C–1046A; PTS 12, 144,2–5). 302 Vgl. Boethius, De duabus naturis in Christo (Contra Eut. et Nest.), c. 1 (PL 64, col. 1341C; ed. Moreschini, 210,81 f.): »natura est vel quod facere vel quod pati possit«; dt. Elsässer: »Natur ist, was tätig sein kann oder was erleiden kann« (71); vgl. Sum. theol. I, q. 48, a. 1 ad 4 u. Comp. theol. I, c. 212; s. auch oben a. 1 c. (Abs. 1.4) u. a. 3 arg. 4 (Anm. 37 u. 188). 303 Vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 2 ad 2. 304 Übersetzung für secundum numerum. D. h.: nach der Anzahl der Wirkfaktoren (agens).

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oder Hören des Sokrates der Zahl nach verschieden ist vom Sehen bzw. Hören des Platon. (2) Ferner kann man die Einheit und die Vielheit des Wirkens in Bezug auf das Prinzip betrachten, wodurch das Wirkende tätig ist. In diesem Fall wird das Wirken »eines« oder »vieles« nach der Art genannt.305 Wie zum Beispiel auch das Anblicken und Anhören Tätigkeiten sind, welche sich der Art nach unterscheiden. Das Wirken nämlich geht vom Wirkenden gemäß der Eigenart der Kraft aus, durch welche es wirkt. Nichts hindert, daß die Tätigkeiten entsprechend [ihren] Gegenständen ihre Art empfangen.306 Denn bestimmte Kräfte beziehen sich auf bestimmte Gegenstände. (3) Man muß jedoch folgendes beachten: Wird eine Kraft, welche das Prinzip des Wirkens ist, von einer anderen höheren Kraft bewegt, so wird die Tätigkeit, welche von ihr ausgeht, nicht nur ein »Wirken«, sondern auch ein »Erleiden« sein,307 insofern sie nämlich von einer Kraft ausgeht, welche von der höheren Kraft bewegt wird.308 (3.1) Im Menschen aber werden alle Kräfte des sinnenhaften Teils auf bestimmte Weise vom Willen wie durch ein erstes Prinzip bewegt. Deshalb sind auch Hören, Sehen, Vorstellen, Begehren und Zürnen nicht nur Tätigkeiten, sondern auch gewisse Weisen des Erleidens, welche aus der Bewegung des Willens hervorgehen, insofern der Mensch nämlich aus eigenem Willen zu den zuvor genannten Tätigkeiten schreitet. (3.2) Daher scheinen allerdings in einem Menschen, entsprechend der verschiedenen Vermögen und der Habitus, viele Tätigkeiten zu 305 Übersetzung für secundum speciem. Einheit und Unterschied resultieren aus der jeweils gleichen oder anderen Natur (Form); vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 1 ad 3: »Das Tätigsein kommt der subsistierenden Hypostase zu, aber der Natur und Form nach, von der die Tätigkeit ihre Art empfängt. Deshalb ergeben sich aus verschiedenen Formen bzw. Naturen artverschiedene Tätigkeiten.« (DThA 26, 95). 306 Übersetzung für actiones recipiunt speciem secundum obiecta. Dies geschieht in erster Linie durch ihr »Formalobjekt«, d. h. die spezifische Eigenart (Form), aufgrund deren vom Subjekt eine bestimmte Art der Tätigkeit ausgeht. 307 Übersetzung für actio – passio. 308 Vgl. Sum. theol. I, q. 105, a. 5 ad 2 (causa instrumentalis).

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sein, welche sich der Art nach unterscheiden. Da jedoch alle Tätigkeiten von einem einzigen ersten Wirken des Willens309 ausgehen, sagt man, daß es ein einziges Wirken eines Menschen ist. Wie zum Beispiel, wenn ein Handwerker mittels vieler Werkzeuge tätig wäre, man seine Tätigkeit gleichwohl »eine« nennen würde. (4) In dieser Hinsicht haben einige behauptet, in Christus sei nur eine einzige Tätigkeit, (und zwar) dadurch, daß die menschliche Natur in Christus dem göttlichen Wirken untergeordnet und von ihm bewegt werde. Solchermaßen besitzt auch das Wirken der menschlichen Natur im Verhältnis zum göttlichen Wirken eher die Eigenschaft des Erleidens.310 Daher behaupteten sie311, in Christus sei aufgrund der Kraft des göttlichen Wirkens nur ein einziges Wirken. Dies wurde jedoch aus zwei Gründen ohne Verstand behauptet: (4.1) Einmal nämlich, weil eine Kraft nicht die Herrschaft über ihren Akt besitzt, sofern sie von einer höheren Kraft bewegt wird, so daß sie selbst nicht wirkt, sondern vielmehr gewirkt wird. Daher sagt auch Aristoteles im 4. Buch der Ethik 312, daß der Sinn nicht das Prinzip eines Wirkens ist. Diejenige Kraft aber, welche die Herrschaft über ihren Akt besitzt, das heißt der [menschliche] Wille, wird auf solche Weise von der höheren Kraft, nämlich von Gott, bewegt, daß sie nicht nur gewirkt wird, sondern auch wirkt.313 309 Übersetzung für ab una prima actione voluntatis. Vgl. Aristoteles, Nic. Eth. VI, c. 2; 113 9 b: »Prinzip des Handelns als Ursprung der Bewegung ist der Wille.« (dt. Gigon, 239). 310 Übersetzung für ratio passionis. 311 Dies (aliqui) sind die Anhänger des »Monophysitismus« (Einnaturlehre) und »Monotheletismus« (Einwillenlehre): Apollinaris von Laodicaea, Eutyches, Nestorius, Sergius von Konstantinopel, Makarius von Antiochien, Cyrus von Alexandrien u. a.; vgl. bes. Sum. theol. III, q. 18, a. 1 c.; zur Lehrverurteilung: DSH 150; 302 u. 550 ff. u. a. 312 Übersetzung für sensus. D. h.: vernunftsloser Seelenteil. Vgl. Aristoteles, Nic. Eth. VI, c. 2 (1139 a 17–19: »Drei Dinge in der Seele beherrschen das Handeln und die Wahrheitserkenntnis: Wahrnehmung, Vernunft, Streben. Von ihnen ist die Wahrnehmung niemals Prinzip des Handelns.« (dt. Gigon, 239); s. auch De virt. in com., q. 1, a. 1 c. 313 Übersetzung für agitur: passio – agit: actio. Vgl. Sum. theol. I, q. 105, a. 5 ad 2, ScG III, 70 (n. 2464), De pot., q. 3, a. 7 c.; De malo, q. 3, a. 2 ad 4.

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Deshalb gibt es in Christus aufgrund seiner menschlichen Natur eine geschaffene Wirkmacht des Willens wie auch einen geschaffenen Verstand. Denn Ihm fehlt nichts von denjeingen Dingen, welche zur Vollständigkeit der menschlichen Natur gehören314 – woraus folgt, daß in Christus die Bewegung des menschlichen Willens, ein [auch] »Wirken« ist und nicht nur ein »Erleiden«. Sonst hätte er in Bezug auf die menschliche Natur keine Verdienste erwerben können.315 (4.2) Ferner, weil die Tätigkeit jedes Trägers ihre Art und Einheit von einem ersten Prinzip empfängt, das derselben Natur zugehört. Wie etwa der Wille, durch den alle menschlichen Tätigkeiten ihre Einheit empfangen, ein bestimmtes inneres Prinzip316 der menschlichen Natur ist. Nicht aber empfangen mehrere Tätigkeiten ihre Einheit dadurch, daß sie sich auf irgendein erstes Prinzip anderer Natur zurückbeziehen. Andernfalls würde daraus folgen, daß jedes Ding (nur) ein Wirken hätte, weil es ein erstes Prinzip ist, das alle Dinge bewegt, nämlich Gott.317 (5) Von daher gilt: Wenngleich die menschliche Natur in Christus von der göttlichen Natur bewegt wird, ist es notwendig, weil es ja zwei verschiedene Naturen sind, daß es auch zwei Tätigkeiten sind. Denn daraus, daß man nur eine Tätigkeit in Christus annimmt, folgt, daß in Ihm [nur] eine einzige Natur und ein einziger Wille sei. Folglich entspricht diese Meinung der Lehre, welche als häretisch auf der 6. Synode318 verurteilt wurde. Zu 1. Die Tätigkeit wird in Bezug auf das Menschsein »theandrisch«319 genannt, das heißt »gottmenschlich«, insofern das 314 Vgl. ScG IV, 36. 315 Übersetzung für mereri. Vgl. ScG IV, 36: »Dem göttlichen Willen

aber ist es nicht zu eigen, Verdienste zu erwerben, weil sich [nur] jemand Verdienste erwirbt, welcher zur Vollkommenheit strebt.« (n. 3743). 316 Übersetzung für principium intrinsecum. 317 Vgl. Sum. theol. I, q. 105, a. 5 c. 318 Vgl. Drittes Konzil von Konstantinopel (680–681): DSH 556–557. 319 Übersetzung für theandrica – deivirilis. Vgl. »qeandrikÒj« (gottmenschlich): Dionysius Areopagita, Epist. 4 ad Caium monachum (PG 3, col. 1072C; PTS 36/CD II, ed. Heil / Ritter, 161,9; s. ferner: De div. nom. II,

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Menschsein Christi in der göttlichen Kraft wirkte. Deshalb war das Wirken des Menschseins erlösend, in der Weise wie ein Werkzeug in der Kraft des [hauptsächlich] Wirkenden tätig ist.320 Man spricht vielmehr davon, daß es ein »neues« Wirken gab, weil es als Neues geschaffen wurde, daß das Menschsein Christi ein in der Einheit der Person mit der Gottheit verbundenes Werkzeug ist – nicht aber in dem Sinne, daß aus zwei Tätigkeiten ein Zusammengesetztes321 entstünde. Zu 2. Die Gottheit und das Menschsein Christi liefen in unvermischter Weise322 in derselben Tätigkeit zusammen. Denn jede der beiden Naturen, wie es im Brief von Papst Leo323 heißt, wirkte dasjenige, was ihr eigentümlich ist, gemeinsam mit der anderen Natur. Etwa, daß die göttliche Kraft den Aussätzigen durch gleichzeitiges Berühren des menschlichen Körpers heilte, welches seine Wirksamkeit aus der göttlichen Kraft empfing. Zu 3. In Christus werden alle Tätigkeiten, die zur menschlichen Natur gehören, aufgrund der Einheit des [ihnen] konnaturalen Prinzips324, auf eine einzige Tätigkeit zurückgeführt, nämlich des Willens.325 Jedoch ist die [Tätigkeits]weise von Menschsein und Gottheit nicht dieselbe, wie gesagt wurde.326 6 (PG 3, col. 644C; PTS 33/CD I, ed. Suchla, 130,7); dt. Suchla: »menschliche Gotteswirksamkeit« (BGL 26, 34). Zum Begriff bei Thomas s. Com. theol. c. 212 : »deshalb nennt Dionysius die menschliche Tätigkeit Christi ›theandrisch‹, das heißt gottmenschlich (deivirilem), weil sie nämlich so aus der Menschheit hervorgeht, daß in ihr dennoch die Kraft der Gottheit waltete« (dt. Fäh, 361); s. auch Sum. theol. III, q. 19, a.1 ad 1 u. Sent. III, d. 18, q. 1, a. 1 ad 1. 320 Vgl. Sum. theol. III, q. 18, a. 1 ad 1. 321 Übersetzung für composito. 322 Übersetzung für inconfuse concurere. 323 Vgl. Leo der Große († 461), Epist. XXVIII ad Flavianum (13. Juni 449), c. 4 (PL 54, col. 767 A–B); s. DSH 290 ff. (Tomus I Leonis) u. DSH 557; zit. in Sum. theol. III, q. 19, a. 1 c. 324 Übersetzung für propter unitatem connaturalis principii. Begriff »connatuaralis«, d. h. »mit der Natur eines andern übereinstimmend«; vgl. etwa Sum. theol. I, q. 13, a. 1 ad 3. 325 Vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 2 c. 326 Vgl. oben c.

Fünfter Artikel

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Zu 4. Die menschliche Natur in Christus ist nicht solch ein Werkzeug, welches nur gewirkt wird, sondern es ist auch ein Prinzip des Wirkens, insofern es die Herrschaft über seinen Akt besitzt.327 Zu 5. Etwas wirkt durch die Kraft eines anderen zweifach: Einmal, insofern es von dessen Kraft bewegt wird, wie etwa die natürliche Wärme durch die Kraft der Seele wirkt; ferner, insofern etwas Wirkendes mit der Kraft eines Werkzeuges geeint wird, wie etwa die Seele mittels der Kraft des Auges sieht. In dieser Weise war der ewige Träger mittels der Kraft der menschlichen Natur tätig. Zu 6. Träger ist dasjenige, was von anderen unterschieden ist.328 Deshalb, wenn die menschliche Natur an sich einen Träger besitzen würde,329 würde es die personhafte Einung hindern. Die Tätigkeit aber besagt nicht eine [formhafte] Weise irgendeines Unterschiedes. Deshalb folgt die Begründung nicht. Zu 7. Tätigkeiten sind zusammengesetzt aus mehreren [Elementen], welche in einer Natur zusammenkommen. Solcherart ist die Verbindung mit der Gottheit in Christus jedoch nicht. Daher folgt die Begründung nicht. Zu 8. Das Erkennen selbst ist dem Verstand innerlich. Es gibt aber in Christus den Verstand zweifach, nämlich den geschaffenen und ungeschaffen.330 Deshalb ist in Ihm auch ein zweifaches Erkennen. Zu 9. In Christus gibt es einen Tausch der »Eigenschaften«331, nicht im Sinne irgendeiner Vermischung332 von natürlichen Eigenschaften, sondern weil die Eigenschaften jeder Natur von demselben Träger ausgesagt werden.333 In derselben Weise gibt es einen Tausch der Tätigkeiten, weil es derselbe Träger ist, dem dieselbe Tätigkeit zugeschrieben wird, [nämlich] die göttliche und die menschliche. Zu 10. Der Wille ist dem Wesen der anderen Seelenvermögen entsprechendes Prinzip334. Die Gottheit ist aber nicht wesensgleich 327 328 329 330 331 332 333 334

Vgl. Sum. theol. I, q. 36, a. 1 ad 4: »dominus sui actus«. Vgl. Sent. III., d. 6, q. 1, a. 1, qcl. 2 sc. D. h.: wenn sie einen eigenen Träger besitzen würde. Vgl. Sum. theol. III, q. 9. a. 1 c. Übersetzung für communicatio idiomatum. Übersetzung für confusio. Vgl. Sum. theol. III, q. 16, a. 4–5. Übersetzung für principium connaturale.

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mit der Menschheit. Folglich handelt es nicht um den gleichen Fall. Zu 11. Jener Vergleich des Athanasius335 betrifft die Einheit der Person, nicht [aber] die Einheit der Naturen. Die Seele und der Leib kommen in einer Person und in einer Natur zusammen.336 Deshalb wird eine einzige menschliche Tätigkeit ausgesagt. Die göttliche und menschliche Natur kommen in einer Person zusammen, aber nicht in einer einzigen Natur und folglich auch nicht in einer einzigen Tätigkeit. Zu 12. Das Wirkende verleiht dem Werkzeug nicht immer eine neue Form oder Kraft, die in ihm ruht. Dennoch erlangt das Werkzeug, insofern es vom Wirkenden bewegt wird, eine gewisse ausgerichtete Kraft337 durch den Einfluß des Wirkenden, wessen [Einfluß] mittels des Werkzeugs in die Wirkung eingeht. Zu 13. Wie das Sehen dem Menschen durch das Auge eine Form übermittelt, so verleiht auch das geschaffene Wirken dem ewigen Träger eine Form mittels der menschlichen Natur. Zu 14. Christus ist »einer« schlechthin aufgrund des Trägers. Jedoch sind in Ihm zwei Naturen. Und deshalb ist Christus ein einziges Wirkendes, es gibt aber in Ihm zwei Tätigkeiten.338 ***

335 Vgl. oben a. 1 arg. 1. 336 Vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 2 c. 337 Übersetzung für quamdam intentionalem virtus. Zum Begriff

»virtus intentionalis«: Die in der Weise einer Analogie (abbbildhaft) auf etwas anders übergegangene und in einem Ding inhärierende Kraft; vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 1 u. q. 62, a. 1 ad 2. 338 Vgl. Sum. theol. III, q. 19, a. 1 ad 4.

NACHWORT ZU DE UNIONE

»Die Grundaussage der Christologie ist gerade die Fleischwerdung Gottes, seine Materiellwerdung«1 – die Quaestio disputata De unione verbi incarnati handelt von einer der komplexesten Fragen christlicher Theologie. Es geht um die metaphysische Erfassung der Gott-Mensch-Einheit in Jesus Christus. Unabhängig vom Wahrheitserweis des Glaubensinhalts ist philosophisch die Frage nach einer Höchstform von Einheit gestellt, ihrer adäquaten Begrifflichkeit, widerspruchsfreien Denkbarkeit. Thematisch liegt De unione im Schnittpunkt von Trinitätslehre, Christologie, Anthropologie und Seinslehre. Das Einssein von Gott und Mensch in Christus, ohne ontische Veränderung, Trennung, Teilung oder Vermischung der göttlichen und menschlichen Natur, bezeichnet Thomas als einmaligen Fall von Einheit: »Die Inkarnation ist eine einzigartige Einung (unio singularis), welche über alle uns bekannten Weisen der Einung hinausgeht«.2 Die vorliegende Übersetzung beruht auf der Marietti-Ausgabe von P. Bazzi, M. Calcaterra und T. S. Centi (91953).3 Dieser lateinische Text ist nicht frei von fehlerhaften Lesarten, zudem liegt bisher noch keine textkritische Ausgabe der Editio Leonina vor. In den Antworten des Thomas sind durch Dezimalziffern Sinnabschnitte markiert, um seine Argumentation genauer zitieren zu können (Abs.). Notwendige Konjekturen oder Varianten sind im Fußnotenapparat vermerkt. M. H. Deloffre (2000), welche ihrer französischen Übersetzung den Marietti-Text zugrunde legt, hat an denjenigen Stellen, wo sich offensichtlich relevante Bedeutungsänderungen ergeben, entsprechende Konjekturen durchgeführt, welche auf hssl. Informationen der Commissio Leonina und dem Vergleich mit älteren Editionen beruhen. Die meisten Textvarianten finden sich in Artikel 1 und 1 Vgl. K. Rahner, Grundkurs des Glaubens. Freiburg 61984, 196. 2 De un., a. 1 c. (Abs. 3.5.4); s. auch a. 3 c.: »hoc singulare« (2.2). 3 Zu Editionen, Übersetzungen vgl. Literaturverzeichnis.

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Nachwort zu de unione

2, wenige in Artikel 3, kaum welche in Artikel 4–5.4 Insgesamt sind es wenige Stellen, welche für die authentische Argumentation des Thomas von Bedeutung sind.5 K. Obenauer (2011) hat eine textkritische Edition mit deutscher Übersetzung vorgelegt, welche zahlreiche Textänderungen bietet. Seine Konjekturen stimmen an den relevanten Stellen weitgehend mit Deloffres Konjekturen überein. Viele Konjekturen betreffen gleichwohl marginale Varianten, welche die thomasische Argumentation nicht abändern. Neben den genannten bietet R. W. Nutt (2015) eine englische Übersetzung, die auf der Edition von Obenauer beruht. Ferner haben P. Lippini / R. Coggi (2002) eine italienische Übertragung erstellt, welcher die MariettiTextausgabe (91953) zugrunde liegt. Die Übersetzung bietet jedoch nicht, wie Deloffre und Obenauer, weiterführende Quellenangaben oder Nachweise. Eine Übersetzung als E-Text von Artikel 1–4 bietet J. W. A. West im Internet (The Aquinas Translation Project). Von besonderer Bedeutung ist, daß Obenauer in Artikel 4 Ist in Christus nur ein Sein?, welcher sich signifikant vom Paralleltext Sum. theol. III, q. 17, a. 2, unterscheidet,6 das Verb »substantificare« (»als Substanz konstituieren«) an allen drei Belegstellen durch »sustentificare« ersetzt. Dies übersetzt Obenauer mit »als Selbststandhaftes konstituieren«.7 Einige ältere Hss. von De un., a. 4, belegen »sustentificatur«. Die Frage bleibt, ob damit tatsächlich ein Bedeutungsunterschied gegeben ist bzw. nicht beide Worte letztlich das-

4 Vgl. Deloffre, De un., a. 1: 82 (Anm. a), 92 (b), 94 (c), 96 (d), 98 (e); De un., a. 2: 106 (f), 110 (g); 112 (h) u. De un., a. 3: 120 (i); 122 (j); 126 (k). 5 Vgl. De un., a. 1 arg. 4: Deloffre, 82 (Anm. a); Obenauer, 80 (Anm. 8); De un., a. 1, ad 15: Deloffre, 98 (e); Obenauer, 42 (123) u. De un., a. 3 arg. 10: Deloffre, 120 (i); Obenauer, 70 (24). 6 Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 2 c. Dort kommt »substantificare« o. »sustentificare« nicht vor; s. dazu In Sent. III, d. 6, q. 1, proem.: »Et quia humana natura non substantificatur, ut subsistat, nisi per unionem ad divinam personam« (ed. Parma 7, 78 f.). 7 Vgl. De un., a. 4 c. (Abs. 2) u. Obenauer, 86, Anm. 10, 11 u. 16: »sustentificatur«. Deloffre hat jeweils »substantificatur« und übersetzt mit »substantifiée« (136 f.); ferner: R. Cross, The Metaphysics of Incarnation. Oxford, New York 2002, 162 f.

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selbe aussagen.8 Vergleichsweise spricht der Marietti-Text mehr für eine gewisse Lehrdifferenz. Dort heißt es: »Der ewige Träger [Logos] aber wurde als Substanz (substantificatur) durch die menschliche Natur konstituiert, sofern er dieser Mensch ist (hoc homo)«.9 R. W. Nutt meint, daß der Gebrauch von »substantificatur« von der thomasischen Argumentationslinie in der Summa als auch sonst eher abzuweichen scheint.10 Jedenfalls würde Obenauers Konjektur (sustentificare) begrifflich weniger für eine gewisse Seinsdualität im Trägersubjekt (Logos) der beiden Naturen sprechen. Die Authentizität von De unione, welche bereits älteste Werkkataloge (Ende 13. Jh.) verzeichnen, ist inzwischen von allen Fachleuten anerkannt.11 Die Abfassung fällt in die letzte Ausarbeitungsphase von De malo (qq. 16 ff.), d. h. in die Endphase des Zweiten Pariser Magisteriums (1268/72) bzw. den Beginn der Lehrtätigkeit in Neapel, wo Thomas den Tertia Pars der Summa theologiae schreibt (1272/73). J.-P. Torrell geht davon aus, daß Artikel 4 und Sum. theol. III, q. 17, a. 2, im gleichen Zeitraum entstanden sein dürften.12 Die genaue Datierung ist allerdings umstritten. Die Frage bleibt, ob der Artikel 4 vor oder nach der Quaestio 17, a. 2, abgefasst wurde. Wenn später formuliert, dann könnte Thomas gegen Ende seines Lebens seine Position in der Einheitsfrage revidiert haben. Thomas hätte dann eventuell zwei »Sein« (esse) in Christus eingeräumt, d. h. ein »primär-ewiges Sein« aufgrund der Einheit eines einzigen Trägers (Logos) und ein »sekundär-zeitliches Sein« in Hinblick auf die angenommene Menschennatur in Christus als konkretes Individuum (hoc homo). Denn an allen anderen Stellen außer De unione vertritt Thomas die Auffassung, daß es nur »ein Sein« (unum esse) in Christus gebe.13 Torrell datiert De unione auf das Frühjahr 1272, 8 Vgl. Obenauer, 371 ff. 9 Vgl. De un., a. 4 c. (Abs. 2) u. Anm. 269 u. 271. 10 Vgl. Nutt, 3 f. u. 57 (Anm. 236). Ders. übersetzt: »the eternal sup-

positum is sustained by human nature insofar as it is this man.« (132 f.) 11 Vgl. Deloffre, 24. 12 Vgl. J.-P. Torell, Magister Thomas. Freiburg, Basel, Wien 1995, 342 u. 351. 13 Vgl. Sent. III, d. 6, q. 2, a.2; Qdl. IX, q. 2, a. 2; Comp. theol. I, c. 212 u. Sum. theol. III, q. 17, a. 2.

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kurz vor oder nach Beginn der Arbeit an der Tertia Pars. Er hält es für am wahrscheinlichsten, daß die Quaestio gegen Ende des zweiten Pariser Lehraufenthalts gehalten wurde, d. h. Anfang April oder Mai 1272.14 Für J. A. Weisheipl bildet De unione eine Vorbereitung zur endgültigen Problemlösung in der Summa. Er spricht von einer Gedankenentwicklung, sieht gleichwohl keinen »ernsthaften Widerspruch«.15 Eine Lehrdifferenz zur Summa sollte nicht überwertet werden. Artikel 4 spricht nicht vom distinkten Sein zweier selbstständiger Substanzen, sondern nur in »gewisser Hinsicht« von einem »anderen Sein« (aliud esse) in Christus. Dies »nachgeordnete Sein« (esse secundarium) wird in modaler Hinsicht vom »hauptsächlichen Sein« (esse principale) bzw. »einzigen Sein schlechthin« (esse simpliciter) unterschieden, welches ausschließlich durch das »eine ewige Sein« der Logos-Hypostase (unum esse aeternum) als einzigem Träger der beiden Wesensnaturen (essentia) konstituiert wird.16 Thomas betrachtet das geschaffene Sein (esse creatum) nicht getrennt vom Logos (separatim)17, sondern als vom Logos angenommenes kreatürliches Sein im Menschen Christus. Ferner ist die Denkrichtung beider Abhandlungen eine etwas andere. In der Summa argumentiert Thomas am entscheidenden Punkt relationstheoretisch: »daß dem [Logos] mit der menschlichen Natur kein neues Person-Sein (novum esse personale) zuwächst, sondern nur (solum) eine neue Beziehung des Seins (nova habitudo esse) der bestehenden [Logos-] Person zur menschlichen Natur«.18 In Artikel 4 hingegen liegt der Akzent mehr auf der ontologischen Aussage. Gleichwohl bleibt auch hier die Relationskategorie als Begründung für die Aktualität des Menschseins Christi nicht unberücksichtigt. So heißt es: »Denn das eine und das andere Sein steht nicht (non) im gleichen Verhältnis Vgl. J.-P. Torell, Magister Thomas. Freiburg, Basel, Wien 1995, 221. Vgl. J. A. Weisheipl, Thomas von Aquin. Graz, Wien, Köln 1980, 281. Vgl. De un., a. 4 c. (Abs. 2–3). Vgl. De un., a. 2 c.: »weil die menschliche Natur in Christus nicht durch sich selbst getrennt subsistiert (per se separatim subsistit), sondern vielmehr in einem anderen existiert, das heißt in der Hypostase des Wortes Gottes« (Abs. 4); s. auch ad 10. 18 Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 2 c. (DThA 26, 60). 14 15 16 17

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(ex aequo respicit) zum ewigen Träger« (ad 1). Schließlich wäre zu berücksichtigen, dass die Quaestio 17 der Summa Teil eines theologischen Lehrbuchs ist. Dagegen fasst De unione das Ergebnis einer akademischen Disputation zusammen, d. h. es werden mehr Gesichtspunkte mit einbezogen. Aufgrund ihrer Analogielosigkeit kann die Gott-Mensch-Einheit nur durch die Verbindung von komplementären Grenzbegriffen ausgesagt werden, welche sich in ihren spezifischen Aussagemomenten gegenseitig ausgleichen. Das Grundproblem liegt darin, die Einheit von zwei distinkten Wesensnaturen, d. h. von göttlichem und menschlichem Sein, ohne (latenten) ontischen Dualismus oder Monismus in einem einzigen »Subjekt« (Hypostase) zu denken, d. h. numerisch einem »Träger« (Suppositum) beider Naturen. Wegweisend ist die Ausgewogenheit, die Sprachanalyse, mit der Thomas dieses Einssein in Unterschiedenheit philosophisch durchdenkt, zugleich damit die dogmatische Glaubenslehre verständlich macht. Man könnte von einer philosophischen Mystagogie in das »Geheimnis« der Menschwerdung Gottes sprechen.19 Seine Lehrintention liegt in De unione auf der Linie der Summa contra gentiles.20 Er will die im Bekenntnis bejahte Offenbarungswahrheit21 soweit wie möglich mit Argumenten der natürlichen Vernunft als plausibel erweisen. Spezifisch geht es ihm darum, die christologischen Irrlehren der frühen Kirche zu widerlegen, welche in der Frühscholastik in modifizierter Form fortleben und die Christologien seiner Zeit beeinflussen.22 Thomas widerlegt nicht bloß christologische Irrtümer. Vielmehr beweist er durch seine systematische Vorgehensweise die rationale Denkmöglichkeit der Gott-Mensch-Einheit, wobei er deren positiven Wesensgehalt (unum esse), genauer betrachtet, metaphysisch nur begrifflich umschreibend bestimmt. Die gottmenschliche Ein19 Zum Begriff des »Mysteriums«: De un., a. 1 c. u. 2 c. (Abs. 3.5.5 u. 2.3); bes. a. 2 c.: »per ineffabilem assumptionem«, d. h. »durch eine unaussagbare Annahme [der Menschennatur durch den Logos]« (4). 20 Vgl. ScG IV 27–55 ff. (De incarnatione). 21 Vgl. De un., a. 3 c. (Abs. 2): »Wahrheit des Glaubens« (veritas fidei). 22 Vgl. De un., a. 1 c. (Abs. 3.3.) u. a. 2 c. (2); Anm. 55 u. 129 (»Einige«).

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heit wird von ihm, analog zur »Negativen Theologie«23, Schritt für Schritt gegen selbstwidersprüchliche, unangemessene Denkmodelle, anthropomorphe Vergleiche abgegrenzt, was ihrer unauflösbar paradoxen Seinseinheit entspricht. Sie übersteigt jede rationale Durchdringung, stellt jedoch auch keinen Irrationalismus dar. Von daher findet sich in De unione zu Recht keine endgültige Definition der Gott-Mensch-Einheit in Christus. Thomas entfaltet auf Grundlage aristotelischer Begrifflichkeit eine Metaphysik der Inkarnation, wie sie vor allem das 4. Ökumenische Konzil von Chalcedon (Okt. 451) begründet hat, welches die Vollständigkeit der zwei Naturen in Christus gegen »Monophysitismus« und »Diophysitismus« verteidigt hat. Die Begriffe stehen für die sogenannte »Ein-Natur-Lehre« (geschaffene Natureinheit von Gott u. Mensch im göttlichen Logos) bzw. die »Zwei-NaturenLehre« (Einheit von Gott u. Mensch in Christus als etwas Drittes gegenüber menschlicher Natur u. göttlicher Logos-Natur). Entscheidend ist, dass Thomas die aristotelische Metaphysik, inspiriert vom jüdisch-christlichen Schöpfungsbegriff, wesentlich umgeformt hat. Diese Transformation zeigt sich insbesondere im thomasischen Grundsatz der Differenz (im Geschöpf) oder Identität (in Gott) von »Sein« (esse) und »Wesen« (essentia) bzw. der Unterscheidung von existenzverleihendem »Seinsakt« (actus essendi) und inhaltlich bestimmter »Natur« (forma), d. h. zwischen dem »wodurch etwas ist« (Sein) und »was etwas ist« (Form).24 Dieses Theorem, welches man (neu)scholastisch als »Realdistinktion« bezeichnet hat, ermöglicht es Thomas, das Wesen und Sein Christi begrifflich exakt und widerspruchsfrei zu bestimmen. Neben Aristoteles, Konzilstexten und Hl. Schrift sind vor allem Boethius (Einung in einer Hypostase, Person- u. Naturbegriff), 23 Vgl. ScG I 14 (via remotionis). 24 Vgl. R. Schönberger, Thomas von Aquin zur Einführung. Hamburg

1998, 66–76; hier 69: »Die Originalität seiner Metaphysik liegt darin, Sein weder wie die Platoniker als separate und höchste Form noch wie Aristoteles als einzig in der Form bestehend zu denken.«; weiter: »Aber auch in der Form selbst liegt noch keine Existenznotwendigkeit. Diese Nichtnotwendigkeit denkt Thomas als Nichtidentität von Sein und Wesen.« (71); s. auch Sum. theol. I, q. 4, a. 1 ad 3; q. 3, a. 3–4 o. ScG II, 15 (n. 923).

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Augustinus (zwei Naturen in einer Person, vollständige Vernunftseele, Mysterium), Johannes Damascenus (eine Hypostase, Idiomenkommunikation, Instrumentalursächlichkeit), Dionysius Areopagita (Unaussprechlichkeit, theandrisches Wirken) und Petrus Lombardus (scholastische Einheitstheorien)25 seine zitierten Autoritäten. Wobei Boethius mit seiner Schrift Contra Eutychen et Nestorium (um 512), welche sich gegen die »Einnaturen-Lehre« (Eutyches) bzw. »Zwei-Naturen-Lehre« (Nestorius) richtet, als bedeutender Wegbereiter der »Hypostatischen Union« zu gelten hat. Thomas zitiert besonders Boethius an entscheidenden Stellen.26 Petrus Lombardus hatte im Dritten Sentenzenbuch (um 1150) verschiedene Modelle der Gott-Mensch-Einheit referiert. Dies sind die sogenannte »Homo-Assumptus-Theorie« (eine Person u. zwei Hypostasen), die »Subsistenzlehre« (Logos subsistiert in zwei Naturen) und die »Habitustheorie« (Leib-Seele-Kompositum akzidentell vom Logos angenommen).27 Sie bilden wesentlich den Ausgangspunkt für die scholastische Diskussion. Thomas verwendet zwar nicht diese Fachbegriffe, bezieht sich jedoch inhaltlich auf ihre Vertreter (»einige«).28 Grundlegend wird die »Subsistenztheorie« in Artikel 1 bewiesen. Thomas erklärt: »Vielmehr wird gesagt, daß die Einung in der Person geschah, insofern die einfache göttliche Person in beiden Naturen subsistiert, nämlich in der göttlichen und menschlichen.« (ad 6).29 Dieses Einheitsmodell, welchem Thomas in der Summa theologiae bzw. Contra gentiles zum Durchbruch verholfen hat, ist De unione bereits vorausgesetzte Lehrentwicklung.30 Der dogmatische Lehr25 Vgl. De un., a. 2 c. (Abs. 2); s. auch a. 1 c. (3.3). 26 Vgl. De un., a. 1 c. (Abs. 1.4; 2.1); a. 2 c. (2.1) u. a. 3 sc. 2. 27 Vgl. Petrus Lombardus, Sent. III, d. 6, c. 2 (1. Theorie): »hominem

illum assumptum a Verbo« (Hugo von St. Viktor); c. 3 (2. Theorie): »persona in duabus et ex duabus subsistit naturis« (Gilbert Porretanus) u. c. 4 (3. Theorie): »animam et carnem Verbi personae vel naturae unita esse« (Petrus Abaelard); zit. n. Coll. S. Bon. II, 50,12 f. ; 53,4 f. u. 55,5 f. 28 Vgl. De un., a. 1 c.: Habitustheorie (Abs. 3.3) u. a. 2 c.: Homo-Assumptus-Theorie (1–2). 29 Vgl. De un., a.2 ad 6; a. 3 c. (Abs. 2.3 u. 3.3); ad 5; ad 12 u. a. 4 (2). 30 Vgl. ScG IV 35 (Monophysitismus) u. Sum. theol. III, q. 2 a. 6.;

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streit um die Subjekteinheit in Christus verläuft in der Frühkirche über drei Jahrhunderte, d. h. vom 1. Konzil von Konstantinopel (381) bis zum 3. Konzil von Konstantinopel (681).31 Ansatzpunkt für die scholastische Spekulation ist ungeklärte Frage, in welcher Weise eine einzige »Hypostase« (Person) in dem einen Christus in Bezug auf zwei real unterschiedliche Wesensnaturen verwirklicht ist. Erstaunlich ist die Präsenz der verschiedenen Irrlehren in De unione, was den hohen Stellenwert der Einheitsfrage signalisiert. Es geht um nichts weniger als den zentralen Wahrheitsanspruch des Christentums. Thomas zitiert in De unione fünf Ökumenische Konzilien,32 ferner vier weitere konziliare Schriften.33 O. H. Pesch stellt fest: »[Er] kann gegen Nestorianer, Monophysiten, Monotheleten, Patripassianer usw. argumentieren, als wären sie seine unmittelbaren Gegner in Paris.«34 Thomas lehnt das Homo-Assumptus- und Habitusmodell metaphysisch als unzureichend, theologisch als Irrlehre ab.35 Die Assumptus-Theorie lehrt, daß der göttliche Logos einen vollständigen Menschen annimmt, sich erst zusammen mit ihm eine Person bildet. Die Habituslehre erklärt die Inkarnation mit Hilfe des Bildes vom Sichankleiden, d. h. der Logos nimmt Leib und Seele Christi je s. auch I. Backes, Die christologische Problematik in der Hochscholastik und ihre Beziehung zu Chalkedon, in: A. Grillmeier / H. Bacht (Hrsg.), Das Konzil von Chalkedon, Bd. II. Würzburg 51979, 923–939, hier 932. 31 Vgl. G. L. Müller, Katholische Dogmatik. Freiburg, Basel, Wien 4 1995, 338–355. 32 Vgl. Ephesus (431): De un., a. 1 c. (Abs. 3.3.2); Nestorianismus, Theodor von Mopsuestia (DSH 250–268); Konstantinopel I (381): a. 1 c. (3.4.3); Apollinarismus, Arius (DSH 151, 159, 433); Chalkedon (451): a. 1 c. (3.4.3); Monophysitismus, Eutyches (DSH 300–303, 294); Konstantinopel II (553): a. 2 c. (2.3): Di/Monophysitismus (DSH 252–263, 437, 429) u. Konstantinopel III (681): a. 5 sc. 1 u. c. (5): Monoteletismus (DSH 556–557). 33 Vgl. Symbolum ›Quicumque‹ (um 450): De un., a. 1 arg/ad 1; c. (Abs. 3.5.3); a. 3 sc. 5; a. 5 arg./ad 11; Logos-Sarx-Modell (DSH 76); Synode von Tours (1163): a. 1 c. (3.3); frühschol. Monophysitismus (DSH 749) u. Tomus Leonis I–II (449/458): a. 1 c. (3.4) u. 5 ad 2; Monophysitismus (DSH 290–295, 317–318). 34 O. H. Pesch, Thomas von Aquin. Mainz 31995, 331. 35 Vgl. Sum. theol. III., q. 2, a. 6; s. auch In Sent. III., d. 6, q. 3, art. 2.

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für sich an. Beide Erklärungsmodelle fallen für Thomas unter den Irrtum des Nestorius: »weil es gleichbedeutend ist, in Christus zwei Naturträger oder zwei Personen anzunehmen«.36 Damit folgt er der Linie seines Lehrers Albertus Magnus († 1280). Dessen vorläufige Konzeption der »Subsistenztheorie« wird von ihm zu einer konsistenten Darstellung gebracht. Denn in manchen Formulierungen steht Albert noch der Assumptionstheorie nahe, hat nicht deutlich genug die Unterschiede der drei Einheitstheorien gesehen.37 Dies hängt mit seinem noch stärker neuplatonisch geprägten Seinsbegriff zusammen. Thomas wendet sich auch gegen Tendenzen in der Christologie, wie sie vornehmlich franziskanische Theologen vertreten. Bei Bonaventura († 1274), besonders später bei Duns Scotus († 1308), ergibt sich eine Art Neuauflage der Assumptionstheorie, was eine gewisse, latente Trennungschristologie impliziert und zur Behauptung einer relativen Autonomie der Menschennatur unter dem Logos führt, d. h. Annahme von zwei Existenzweisen der beiden Naturen in Christus (esse existentiae).38 Das zentrale Theorem, welches die Subsistenztheorie ausmacht, ist die sogenannte »Hypostatische Union«, d. h. wörtlich »personale Einung« oder »Subjekteinheit«, wie sie im chalcedonischen Lehrentscheid formuliert worden ist. Dieser stellt ein dogmatisches Vermittlungsdokument dar, welches die Einheitsformeln des Konzils von Nizäa (325) bzw. Konstantinopel I (381) durch formale Grenzziehungen und Präzisierungen weiterführt. Die Kernaussage lautet: »Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt (¢sugcÚnwj), unveränderlich (¢tršptwj), ungetrennt (¢diairštwj) und unteilbar (¢cwr…stwj) erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer Person und einer 36 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 6 c. (DThA 25, 61). 37 Vgl. F. Haberl, Die Inkarnationslehre des Heiligen Albertus Mag-

nus. Freiburg 1939, 59–87; bes. 214. 38 Vgl. G. L. Müller, Katholische Dogmatik. Freiburg, Basel, Wien 4 1995, 361 f. u. A. Auer, Kleine Katholische Dogmatik IV/1. Regensburg 1986, 249 ff.

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Hypostase vereinigt« (DSH 302).39 Thomas nimmt mehrfach Bezug auf die Konzilsaussage.40 Als metaphysisches Einheitstheorem bildet es die unhinterfragte Grundlage von De unione. Der ontologische Status der Natureneinheit wird durch die vier privativen Grenzbegriffe – unvermischt/unveränderlich (Integrität der Naturen) und ungetrennt/unteilbar (Einheit der Naturen) – nach allen Seiten von einseitigen Festlegungen abgegrenzt. Das gottmenschliche Sein wird von ihnen gleichsam wie ein Kern von einer Art Schale umschlossen. Das Verständnis der »unio hypostatica« wird insbesondere in Artikel 2 erörtert. Theoretisch besagt sie Folgendes: Die »Person« (hypostasis) des göttlichen Logos (verbum Dei), d. h. die zweite Person der Trinität (Sohn), nimmt in ihrer Menschwerdung die darin zugleich erschaffene menschliche Natur Christi als ihr Eigen an und in ihre göttliche Einheit auf. Die Logos-Hypostase ist von Anfang an der einzige »Träger« (suppositum) der Menschennatur, wobei die Einheit im Sein dadurch begründet wird, dass die Subsistenz des ungeschaffenen Logos auch den einzigen Subsistenzgrund des geschaffenen Menschenseins bildet.41 Das Zustandekommen der Inkarnation hängt daran, daß Gott und Mensch eine einzige Hypostase in Christus bilden. Der Begriff »Hypostase« (ØpÒstasij) bezeichnet in diesem Zusammenhang, nicht wie ursprünglich im Neuplatonismus göttliche Entitäten (Eines, Geist u. Seele), sondern die wesensgleichen »Personen« der Trinität (eine oÙsia u. drei Hypostasen); hier in der Christologie die zweite Person des »Sohnes« (Logos). Der griech. Begriff »Hypostase« und der lat. »Person« (prÒswpon) sind synonyme Begriffe, bezeichnen – im Unterschied zur Allgemeinheit der »natura« (Wesensform) – ein selbständiges Subjekt (substantia prima). Beide Begriffe meinen den Inhaber, Träger der beiden Naturen in Christus. Der Begriff »Hypostase« im Sinne von »In-sich39 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 1 sc.: »inconfuse, immutabiliter, indivise, inseparabiliter« (a. 2, sc. 1); s. auch 2. Konzil von Konstantinopel (553); Begriff »Hypostase« (Person) bezüglich der Dreifaltigkeit: »tres substistentiae sive personae« (DSH 421). 40 Vgl. De un., a. 1 ad 3: »inconvertibiliter« u. »inalterabiliter«; a. 1 c. (Abs. 3.4.3 u. 3.5.2); ad 13 u. a. 2 ad 9. 41 Vgl. De un., a. 4 c. (Abs. 2).

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Subsistieren« unterstreicht das Besonderssein, das Realsein der drei göttlichen Personen, hier des Logos, im einen Sein der Gottheit (antimodalistischer Begriffsgebrauch). Thomas entwirft in De unione keine umfassende Metaphysik der »Hypostatischen Union«. Sein Vorhaben ist es in erster Linie, die Subsistenztheorie vor falschen Deutungen zu bewahren. Die ist insoweit begründbar, als alle angeführten Einwände widerlegbar sind. Es geht um den Aufweis der Selbstwidersprüchlichkeit der christologischen Häresien, ihrer Falschheit gegenüber den dogmatischen Konzilsentscheidungen und vor allem der Heiligen Schrift. Thomas will nachweisen, dass alle anderen Einheitsmodelle das offenbarungstheologische Grunddatum, wie es vom Johannesevangelium (1,14) vorgegeben ist – »Das Wort ist Fleisch geworden« (Verbum caro factum est)42 – nicht vollständig zum Ausdruck bringen und der metaphysischen Grundformel »eine Person, die in zwei Naturen subsitiert«43 in ihrem Bedeutungsgehalt nicht gerecht werden. Die aktuelle Auseinandersetzung mit dem Islam, der eine Inkarnation seinem Verständnis nach für philosophisch undenkbar hält, weil sie die Erhabenheit Gottes mindern würde, macht darüber hinaus deutlich, daß die Argumente in De unione von apologetischem Wert sein können.44 Sie untermauern die These, daß sie weder der Einzigkeit Gottes (Monotheismus) noch der göttlichen Einheit, Unveränderlichkeit und Transzendenz widerspricht (Attributenlehre). Im Gegenteil vollzieht sich für Thomas gerade in Inkarnation (und Kreuz) die unüberbietbare Höchstform göttlicher Offenbarung. Gottes Barmherzigkeit, seine schöpferische Allmacht verwirklicht sich darin in einer endgültigen, absoluten Weise, d. h. als gnadenhafte, erlösende Selbstmitteilung. Hauptargument gegen die Inkarnation ist die »Einfachheit« Gottes.45 Dagegen erklärt Thomas: »so 42 Vgl. De un., a. 1 c. (Abs. 3.2.1) u. ScG IV 33 (n. 3692) u. 34 (3697). 43 Vgl. De un., a. 1 sc. 1–2; ad 6 u. a. 3 ad 7. 44 Vgl. Sure 4, 157 f.; 171 u. Sure 112, 3; s. auch Thomas, De rat. fidei,

prol.: »Irrident enim Saraceni, ut dicis, quod Christum Dei filium dicimus«. 45 Vgl. De un., a. 1 arg 6: »Einung (unio) besagt eine gewisse Hinzufügung (additamentum). Daher kann also eine Einung nicht in etwas stattfinden, das von höchster Einfachheit ist. Die Person des Wortes aber, weil

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konnte Gott auch durch die Unendlichkeit seiner Wirkkraft eine neue Weise der Einung schaffen (novum modum unionis)«,46 um die Menschnatur mit dem Logos »personhaft« (personaliter), nicht nur akzidentell (trennend) oder essentiell (auflösend) zu verbinden. Diese Einungsweise impliziert keine Minderung des Gottseins, sondern ist Ausdruck absoluter Souveränität Gottes, solch eine höchste Form der Einheit mit seinem eigenen Sein zu verwirklichen.47 Diese Grundeinsicht bildet den theologischen Bezugsrahmen für metaphysische Bestimmung der Hypostatischen Union in Artikel 1. Vorauszusetzen ist, daß die hypostatische Einheit nur im Rahmen des trinitarischen Gottesbegriffs konsequent denkbar ist, nämlich als Menschwerdung des göttlichen »Logos« (Verbum) bzw. »Sohnes« (Filius) als Abbild des »Vaters« (Pater) im »Heiligen Pneuma« (Spiritus Sanctus). Fundament für die Möglichkeit der Inkarnation überhaupt bildet die allumfassende, absolute Relationalität des göttlichen Logos.48 Diese gründet in seiner innergöttlichen Zeugung (generatio) aus dem Vater und der exemplarischen Urbildlichkeit (imago) für die Erschaffung alles Seienden (ratio factiva),49 was von Thomas in De unione jedoch nicht eigens darlegt wird.50 Ebenso ist die Frage einer »absoluten Inkarnation« – ob Gott auch Mensch geworden wäre, wenn der Mensch nicht in Sünde gefallen wäre –, d. h. ihrer soteriologischen »Angemessenheit«, in De unione kein eigesie wahrhaft Gott ist, ist von höchster Einfachheit (summa simplicitas). Folglich kann in der Person des Wortes keine Einung geschehen.«; s. auch Sum. theol. III, q. 2, a. 9 c.: »unio importat conjunctionem aliquorum in aliquo uno« (DThA 25, 72). 46 Vgl. De un., a. 1 c. (Abs. 3.5.5); s. auch De un. a. 5 ad 1 (de novo factum); a. 1 c. (3.5) u. a. 3 sc. 7; ferner Sum. theol. III, q. 2, a. 9 c. (unitas maxima). 47 Vgl. ScG IV 55 (n. 3933 f.). 48 Vgl. De un., a. 1 ad 8 u. ad 14. Die Gottnatur des Logos umfasst jede geschöpfliche Natur. 49 Vgl. Sum. theol. I, q. 27, a. 2 c. (generatio); q. 34, a. 2 c. (verbum); a. 3 c. ad 4 (idea); q. 35, a. 1 c. (imago) u. ad 1 (exemplar); s. auch Kol 1, 15–20 u. 2 Kor 4, 4. 50 Vgl. De un., a. 2 c. (Abs. 2.3; DSH 426); ad 7; a. 2 ad 8 u. a. 3 ad 11; s. auch a. 1 (3.2.2)

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nes Thema. In der Summa hingegen bildet sie den Ausgangspunkt seiner Christologie.51 Metaphysisches Grundproblem in De unione ist folgende Aporie: Bleibt die Integrität des leiblich-seelisch verfassten Menschseins Christi in sich gewahrt, dann führt dies zur Annahme, daß es in Christus irgendwie zwei »Personen« gibt, d. h. ein menschliches und göttliches Suppositum der jeweiligen Natur. Dies ist die Lehrrichtung der Antiochenischen Schule, d. h. Vollständigkeit der Naturen ohne Subjekteinheit: »Trennungschristologie« (Diophysitismus). Wird hingegen die Integrität des Menschseins nicht gewahrt, um den Dualismus zu vermeiden, dann folgt daraus, daß die menschliche Natur mehr oder weniger in der göttlichen Natur des Logos aufgeht. Es findet eine (latente) Veränderung der menschlichen Natur oder Vermischung mit der göttlichen Natur statt. Dies ist die Denkrichtung der Alexandrinischen Schule: »Einheitschristologie« (Monophysitismus). Thomas überwindet diesen Gegensatz unter den Bedingungen der Scholastik. De unione bietet eine auf die Kernfrage konzentrierte christologische Synthese. Das Spezifische der Quaestio liegt darin, daß Thomas die Naturen-Einheit im Sein des Logos als deren einzigen Träger konsequent verteidigt, zugleich im Gegenzug jedoch auch das volle Menschsein Christi ontologisch ebenso stark zur Geltung bringen will. Dies gelingt Thomas insbesondere dadurch, daß er im Unterschied zu Summa mehr differenzierend in Artikel 4 einräumt, daß eine gewisse nachgeordnete Dualität des Seins in Christus denkbar ist. Je nach Gesichtspunkt kann von einem gott-menschlichen Einssein im Logos oder einer Zweiheit des menschlichen und göttlichen Seins in Christus, welche gleichwohl von dem einen Sein des Logos umgriffen wird, gesprochen werden. Die Einheit des Seinsaktes des Logos (actus essendi) bildet den Konstitutions- und Einheitsgrund

51 Vgl. Sum. theol. III, q. 1, a. 1 c.: »Von daher kommt es dem Wesensbegriffs des höchsten Guten zu, daß es sich im höchster Weise dem Geschöpf mitteile« (DThA 25, 6); ein neuplatonisches Konzept: »Gute sucht sich zu verströmen« (bonum est diffusivum sui); s. Ps.-Dionysius, De div. nom., c. 4 (PG 3, col. 694).

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der zweifachen, geeinten Naturwirklichkeit.52 Eine Perspektive ist nicht hinreichend, um die Hypostatische Union zu erfassen. Um dem Anspruch der Attributenlehre (Einheit, Ewigkeit, Unveränderlichkeit) als auch Forderungen, welche sich aus einer vollständigen Anthropologie Christi ergeben (Individualität, Leidensfähigkeit, Leib-Seele-Kompositum) gleichermaßen zu entsprechen, entwickelt Thomas komplementäre Denkperspektiven, welche sich gegenseitig ergänzen. Die Quaestio De unione umfasst 5 Artikel, die systematisch aufeinander aufbauen. Artikel 1–3 (unio hypostatica) liefern die argumentative Grundlage für die ontologische Einheitsthese in Artikel 4 (unum esse) und die handlungsbezogene Einheitslehre bezüglich Erkennen und Wollen in Artikel 5 (operatio). Der Argumentation ist im Vergleich zur Summa an manchen Passagen nicht so leicht zu folgen, da erklärende Zwischenschritte fehlen. Im Einzelnen zeigt sich folgender Aufbau: Der Artikel 1 Ist diese Einung in der Person oder in der Natur? legt die theoretische Basis für alles Folgende. Thomas referiert 17 Argumente für eine Einung in der göttlichen »Natur« (Logos), die er widerlegen wird. Der Fehler dieses Denkansatzes liegt in seiner nicht klaren Unterscheidung bzw. latenten Gleichsetzung der Begriffsinhalte von »Natur« (natura), Person (hypostasis) und Träger (suppositum). Thomas grenzt die Gott-Mensch-Einheit von einer naturhaften, essentiellen Einungsweise ab. Er zeigt auf, dass die Inkarnation nur als substanzhafte Einung von zwei Naturen in der Person des Logos als einziger Hypostase (Träger) gedacht werden kann (Abs. 3.1.; 3.5.1). Diese Position wird entwickelt, indem Thomas zunächst Definitionen einführt, d. h. die Grundbegriffe »Natur« (1.1–3) und »Person« bestimmt (2.1). Im Hauptteil wird die Weise der »Einung« (modus coniunctionis) erörtert (3.1 ff.). Im Mittelpunkt steht die konsistente Bestimmung der »Hypostatischen Union« 52 Vgl. De un., a. 4 c.: »Es gibt auch ein anderes Sein (esse aliud) dieses Trägers, nicht insofern er ewig ist, sondern sofern er auf zeitliche Weise Mensch wurde. Dieses Sein ist jedoch nicht das hauptsächliche Sein (esse principale) seines Trägers, sondern dessen nachgeordnetes Sein (esse secundarium).« (Abs. 3).

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(3.5.1–5). Für ihr Verständnis sind zwei Begriffsdefinitionen entscheidend: Der Begriff »Natur« bezeichnet dasjenige, aufgrund dessen eine Einzelsubstanz (Sokrates) Sein besitzt. Dasjenige, »wodurch« (quo est) etwas Sein hat, ist seine Wesensnatur. Insofern besagt Natur die Bedeutung einer Seins-verleihenden »Form«. Der Begriff »Person« (persona) ist in diesem Zusammenhang nicht im Sinne von »Persönlichkeit« zu verstehen. Vielmehr meint er – im Unterschied zur spezifischen Wesensform (natura) – den »Träger der vernunftbegabten Natur«. Thomas stützt sich auf den Personbegriff des Boethius. Dieser hatte definiert: »Die Person ist die unteilbare Substanz einer vernunftbegabten Natur« (2.1). Der Terminus bezeichnet nicht, wie im modernen Verständnis, eine leiblich verfasste psychisch-geistige Person.53 Eine Einung in der Person ist dann gegeben, wenn zwei Dinge (Naturen) eine Substanz bilden und diese Substanz eine Person ist, d. h. Substanz einer vernünftigen Natur. Ausschlaggebend für die thomasische Konzeption der Subsistenztheorie ist folgende Begriffsdifferenzierung: Daß der »Träger« (suppositum), d. h. die »Hypostase« (Trägersubjekt), einer bestimmten Wesensnatur mit dieser Natur nicht in jedem Fall identisch sein muss.54 Und als »Suppositum« wird etwas bezeichnet, »sofern es durch sich selbst (per se) subsistiert« (2.1). Die »Hypostase« ist dasjenige, was das Sein hat, welches durch die Natur des Trägers gege-

53 Vgl. M. Schmaus, Katholische Dogmatik II/2. München 51955, 123:

»Dabei darf man das Ich nicht bloß psychologisch, man muss es vielmehr metaphysisch verstehen.« Die Menschennatur ist nicht mehr Besitz »eines menschlichen Ich« (125). 54 Vgl. De un., a. 1 ad 2: »Obgleich sich in göttlichen Dingen die Natur und der Träger bzw. die Person der Sache nach nicht unterscheiden mögen, unterscheiden sie sich dennoch dem Begriff nach (ratione), wie gesagt wurde. Weil [die Hypostase/Person] in der menschlichen Natur und der göttlichen Natur subsistiert, nicht aber aus beidem (ein und) dasselbe Wesen (essentia) zusammengefügt wird, ergibt sich daraus, daß die Einung in der Person geschah, auf deren Begriff sich »subsistieren« bezieht; nicht aber (bezieht sich ›subsistieren‹) auf die Natur, welche das Wesen des Dinges impliziert.«

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ben ist.55 Von daher lässt sich eine nicht-naturhafte Einung von zwei Naturen in einer Person als deren einziger Träger denken, wobei die eine Natur (natura humana) von anderer Wesensart als die Artnatur ihres Trägers sein kann. Dies wäre hingegen bei der Einung in einer Natur nicht möglich. Die Lösung lautet: »Es kann eine unteilbare Substanz einer vernunftbegabten Natur (individua substantia rationalis naturae) nämlich etwas besitzen, das nicht zur Natur der Art gehört; und dies wird mit ihr auf personhafte Weise geeint (personaliter), nicht auf naturhafte (naturaliter).« (3.1). Die Theorie der hypostatischen Union baut auf einer exakten Unterscheidung von »Natur« (id quo aliquid habet esse) und »Suppositum« oder »Person« bzw. »Hypostase« auf (id quod habet esse). Thomas erklärt: »Es hindert nichts, daß Dinge in der Person geeint werden, welche nicht in der Natur geeint sind« (3.1). Angewendet auf den Logos als »Person, d. h. vernunftbegabte Natur: »Daß die menschliche Natur mit dem Wort Gottes in der Person geeint wurde, nicht aber in der Natur« (3.1). Die Menschennatur wird nicht von der göttlichen Natur als solcher, sondern von deren Träger-Person (Logos) angenommen, welche sich dadurch in Christus inkarniert. Im Folgenden geht es nicht mehr um die Instanz der Einung – Natur oder Person –, sondern um die Frage nach ihrem Modus. Die Einungsweise der Naturen in der Hypostatischen Union wird präzisiert. Thomas erörtert, ob die Naturen-Einung »beiläufig« (accidentialiter) oder »wesenhaft« (essentialiter) geschieht (3.1 ff.). Beides wird als unzureichend zurückgewiesen. Thomas hat sich inzwischen, bis zur diesen Erörterungen in seinem Spätwerk, eine beachtliche Kenntnis christologischer Lehrentscheide aus Quellentexten angeeignet, was insbesondere De unione bezeugt. An erster Stelle zitiert er das Konzil von Ephesus (431) gegen den Nestorius († 451) und Theodor von Mopsuestia († 428) und die Synode von Tours (1163) gegen den Neonestorianismus, deren Konzeptionen bloß eine »akzidentelle Einung« zulassen (3.2. f.).56 Da55 Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 2 c. 56 Vgl. DSH 250–268 (Konzil von Ephesus). Die Synode von Tours ver-

urteilt den »Nihilianismus«, d. h. die These »Christus, insofern er Mensch ist, kein Etwas sei«. (DSH 749).

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von ausgehend wird zuerst die »Trennungschristologie« widerlegt (Diophysitismus). Thomas zeigt, dass die Theorie der akzidentellen Union zur falschen Annahme von zwei verschiedenen Hypostasen führt. Die Einung wird dabei als gnadenhafte »Einwohnung« des Logos »wie in seinem Tempel« gedacht. In diesem Fall bestehen zwei getrennt subsistierende Naturen (3.2 ff.). Dies ist die sogenannte »Logos-Anthropos-Christologie«. Sie lehrt, dass der Logos sich nicht nur mit dem Fleisch (sarx) vereinigt, sondern vielmehr mit dem vollständigen Menschen (Christus = Logos + Seele + Fleisch), was, als naturhafte Einung gedacht, zwei verschiedene Hypostasen impliziert. Anschließend wird eine Lehre des frühscholastischen Neonestorianismus zurückgewiesen, dass nämlich der Logos selber eine Seele und einen Leib annahm, um die Zweiheit der Personen zu vermeiden (3.3). Denn auf diese Weise wird keine wahre menschliche Natur angenommen. Dies ist sogenannte »Habitustheorie«, welche Petrus Lombardus († 1160) als 3. christologische Einheitslehre im Dritten Sentenzenbuch referiert.57 Mit dieser Lehre wird Petrus Abaelard († 1142) in Verbindung gebracht, ferner wurde sie seinem Schüler Petrus Lombardus selbst zugeschrieben. Dabei wird die Inkarnation im Bild des »Sichbekleidens« erklärt. Der Logos nimmt Leib und Seele je für sich an, wie ein Kleid. Es wird nichts Substantielles in der Menschwerdung angenommen.58 Petrus Lombardus hat jedoch, als er in Paris von dem Engländer Robert von Crickelade deswegen der Häresie bezichtigt wurde, öffentlich erklärt, dass er die anstößige Habituslehre nur als Lehre referiert, nicht als Behauptung vorgetragen habe.59 Im nächsten Schritt wird das Gegenteil, nämlich die »Einheitschristologie« widerlegt. Dazu zitiert Thomas das 1. Konzil von Kon57 Vgl. Petrus Lombardus, Sent. III, d. 6, c. 4 (ed. Coll. S. Bonav. II, 59 f.) Thomas lehnt die »Habituslehre« als häretisch ab; vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 6 c. u. ScG IV, 37 (n. 3754); s. De un., a. 2 c. (Abs. 2). 58 Vgl. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie. Gütersloh 1964, 304 f. u. T. J. White, The Incarned Lord. A Thomistic Study in Christology. Washington 2015, 84 ff. 59 Vgl. L. Ott, Petrus Lombardus. Persönlichkeit und Werk, in: Münchener Theologische Zeitschrift 5 (1954), 99–113; hier 112 f. (Anm. 41 f.).

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stantinopel (381) gegen Apollinaris von Laodizea († nach 375) als einen Nachfolger des Arius († 336) und das Konzil von Chalcedon (451) gegen Eutyches († nach 454), welche eine »wesenhafte Einung« vertraten (3.4–3.4.3).60 Der Monophysitismus vertritt die Irrlehre einer »wesenhaften Union«. Dies führt zur Vermischung der beiden Naturen, zur Auflösung der Menschennatur in der Göttlichkeit des Logos (quasi conflaretur una natura). Thomas widerlegt drei Lehrsätze des Apollinaris von Laodizea († nach 375). Dessen Hauptthese lautet, daß der Logos die Stelle der menschlichen Seele in Christus eingenommen habe (3.4 ff.). Die genannten Einungstheorien sind gegenläufig, führen zu einer Naturen-Trennung oder Auflösung bzw. Ersetzung der Menschnatur. Es findet nach diesen Modellen entweder keine wahre Einung statt oder, wenn eine Einung stattfindet, dann geschieht nichts »Neues« (3.5), d. h. keine wahre Inkarnation. Thomas erklärt weiter, daß die »Leib-Seele-Einheit« nicht als Vergleich für die Hypostatische Union hinreicht. Der Logos kann niemals Form einer individuellen Materie sein (3.5.3). Diese Analogie trifft nur zu, insofern der Körper das »Werkzeug der Seele« ist. Übertragen auf Christus: Die Menschennatur ist werkzeugartiges Wirkmedium (organum Verbi) der Gottheit (causa instrumentalis). Damit weist Thomas die »Logos-Sarx-Christologie« (des Apollinaris) als unzureichend zurück. Diese hatte behauptet, dass der Logos bei der Inkarnation die Stelle der menschlichen Seele bzw. Vernunft (noàj) eingenommen habe (Christus = Logos + Fleisch), was eine Vergottung des Menschen impliziert.61 Allgemein gilt, daß unter den Geschöpfen kein hinreichendes Beispiel für die Einung zu finden ist (2.5.5). Das Modell einer »naturhaften Einung« (unio naturalis) ist für die Hypostatische Union 62 grundsätzlich nicht geeignet. Je nach Denkansatz führt es zu einem Dualismus oder Monismus. Somit ergibt sich folgende Lösung: Die Hypostatische Union geschieht weder »accidentialiter« noch »essentialiter«, sondern ausschließlich 60 Vgl. DSH 151, 159 u. 433 u. DSH 300 ff. 61 Vgl. De un., a. 1 c. (Abs. 3.5.3) u. arg./ad 1. 62 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 1 c. (Einungstheorien).

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»substantialiter« (substanzhaft); dies jedoch nicht im Sinne einer geschaffenen Einzelsubstanz (Sokrates), vielmehr »sofern die Substanz eine Hypostase bezeichnet« (3.5.2).63 Der Begriff »Substanz« ist auf den Träger-Logos zu beziehen. Die Einheit ist nicht so aufzufassen, als ob der Träger aus zwei Entitäten konstituiert würde. Thomas erklärt: »daß die Einung in der Person geschah, insofern die einfache göttliche Person in beiden Naturen subsistiert, nämlich in der göttlichen und menschlichen« (ad 6). Das Menschsein Christi subsistiert durch den Logos, empfängt in ihm den »Selbststand« (subsistentia).64 Die hypostatische Einung ist größer als die Einheit von Person und Natur im Menschen.65 Artikel 2 Ist in Christus nur eine Hypostase? fragt nach der inneren Einheit des Trägersubjekts. Es stellt sich die Frage, wie bei einer einzigen Hypostase noch zwei vollständige Naturen im Träger bestehen bleiben können, was besonders den Status der »angenommen Menschennatur« betrifft.66 Eine einzige Hypostase, eine vollständige Leib-Seele-Einheit, würde normalerweise eine Zweiheit von zwei Naturen in sich ausschließen (arg. 1–4/7). Ferner sind aufgrund des unendlichen Gegensatzes der beiden Naturen bzw. des Artbegriffs (zwei Wesensarten können nicht eine einzige Art bilden) und der Unterschiedlichkeit der Substanzen bzw. Zusammensetzung der verschiedenen Wesensteile Christi (Logos, Körper, Seele) logischerweise zwei Träger gefordert (arg. 5–6; 8 ff.). Die Widersprüche resultieren für Thomas aus einer Fehlbestimmung der Begriffe »Träger« und »Natur«. Die Lösung liegt in der Einsicht, dass die Menschennatur nicht in jedem Fall ein artentsprechendes Suppositum erfordert. Thomas stellt fest: »In dem Träger wird die Natur einbegriffen (includitur), nicht aber umgekehrt. Darum konnte der 63 Vgl. Sum. theol. III, q. 2, a. 6 ad 3: »Das Akzidenz (In-einem-anderen-Sein) steht im Gegensatz zur Substanz (In-sich-selbst-Sein). Unter ›Substanz‹ (substantia) versteht man zweifaches: 1. Das ›Wesen‹ (essentia) oder die ›Natur‹ (natura), 2. den ›Träger‹ dieser Natur (suppositum) bzw. die ›Hypostase‹ (hypostasis).«; s. auch Sum. theol. I, q. 29, a. 2 c. 64 Vgl. Sum. theol. I, q. 29, a. 2 c. (persona, hypostasis, subsistentia, essentia). 65 Vgl. Sum. theol., q. 2, a. 9 ad 3. 66 Vgl. De un., a.2 ad 9 ff.

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Träger nicht angenommen werden, ohne daß die Natur angenommen würde. Es konnte aber umgekehrt geschehen.« (ad 11). Im Unterschied zu Artikel 1 (Begriffsinhalte) setzt Thomas bei einer Klärung von Prädikationen an. Er präzisiert die Bezeichnungsweisen (modi significandi), d. h. »wie« und »was« die Begriffe bezeichnen. Ein Gegenargument lautet: »Bei Dingen, die sich in ihrem Träger unterscheiden, wird das eine nicht vom andern ausgesagt« (sc. 2). Genau diese Nichtaussagbarkeit, welche in Bezug auf zwei geschöpfliche Substanzen gilt, ist jedoch im einmaligen Fall der Hypostatischen Union nicht gegeben. Denn die ewige Logos-Hypostase der Gottnatur ist identisch mit dem Suppositum der Menschennatur. In Christus gibt es keine zweite menschliche Hypostase. Von daher können die Attribute von Gott und Mensch wechselseitig voneinander ausgesagt werden (Idiomenkommunikation).67 Thomas hat in Artikel 2 scholastische Neuauflagen der frühkirchlichen Irrlehren im Blick, welche mehr oder weniger latent dem nestorianischen Grundirrtum verhaftet bleiben (zwei Personen in Christus). Zu Beginn seiner Antwort nennt er »einige« (quidam volentes). Diese Lehrrichtung wird nochmals anfangs der Antwort von Artikel 3 genannt. Sie versucht, den Irrtum des Nestorius durch sein bloßes Gegenstück zu vermeiden: »eine einzige Person, aber zwei Hypostasen bzw. zwei Träger« (Abs. 1). Diese Lehrmeinung wird von Petrus Lombardus im Dritten Sentenzenbuch als erste Theorie von drei unterschiedlichen Einheitskonzepten angeführt. 68 Es handelt sich um die sogenannte »Homoassumptus-Theorie«.69 Diese ist antiochenisch, denkt im Schema 67 Vgl. De un., a. 5 arg./ad 9; s. auch Sum. theol. III, q. 16, a. 4–5 c. 68 Vgl. Petrus Lomb., Lib. Sent. III, d. 7, c. 1 (ed. Coll. S. Bonav. 1971,

vol. II, 59 ff.). 69 Thomas referiert die drei Theorien in Sum. theol. III, q. 2, a. 6 c., d. h. wie folgt: 1. »Homo-assumptus-Theorie«; Logos in Christus wie Einwohnung im »Tempel« (Sent. III, d. 6, c. 2), 2. Habitustheorie, d. h. eine göttliche Person mit akzidenteller Hinzufügung von Leib/Seele Christi; Vergleich mit dem Anziehen des »Kleides« (c. 4) u. 3. Subsistenzheorie (c. 3). Nur das 3. Einheitsmodell, dass der Logos in zwei Naturen subsistiert, wird von ihm anerkannt (medio modo, secundum subsistentiam seu hypostaticam). Er versteht es als »Mittelweg« zwischen Diophysitis-

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»Logos-Mensch«. Sie nimmt einen Seinsunterschied zwischen »angenommenem Menschen« (homo assumptus) und annehmendem Logos an, wobei jedoch nicht die »natura humana« angenommen wird. Vielmehr wird der ganze Mensch mit Leib und Seele vom Logos angenommen. Die Aufnahme des Menschen geschieht in den Logos bzw. dieser wohnt im Menschen wie in einem »Tempel«. Träger der Menschennatur ist der vom Logos angenommene Mensch (Diophysitismus). Die Zweite Person der Trinität (Logos) ist in diesem Fall eine andere als der Mensch Jesus. Thomas präzisiert: »Diejenigen aber, welche dies behaupteten, kannten vor allem nicht die sachgemäße Wortbedeutung. ›Hypostase‹ ist nämlich nichts anderes als die individuelle Substanz, die auch mit dem Wort ›Träger‹ bezeichnet wird.« (Abs. 2). Die Logos-Hypostase als göttliche Vernunft (intellectus) ist notwendig auch »Person«, d. h. nach der in Artikel  1 grundgelegten Person-Definition des Boethius. Folglich würden zwei Träger in Christus zwei Personen implizieren, was den dualistischen Grundirrtum des Nestorius ausmacht (2.1). Thomas untermauert seine Lösung mit sprachphilosophischen Präzisierungen (3.1 ff.). Er führt die Unterscheidung von »Namen« (nomina) der »ersten Beilegung« (prima impositio) ein, welche die Dinge selbst bezeichnen. Dies sind »Person« und »Hypostase«. Ferner gibt es »Namen« (nomina) der »zweiten Beilegung« (secunda impositio), welche die Dinge in Bezug auf ihre Einzeldinglichkeit bezeichnen, d. h. »Einzelwesen« (individuum), »Träger« usf. (suppositum).70 Von daher darf die Menschennatur in Christus nicht als »prima impositio« ausgesagt werden, d. h. als Hypostase bzw. Person. Denn sie bildet nur ein Teilmoment der Substanzganzheit des konkreten Gott-Menschen. Sie subsistiert nicht durch sich selbst (per se), sondern im Träger-Logos; jedoch darin nicht wie normalerweise ein »Akzidens« in der Substanz oder ein bestimmter »Teil« im Ganzen. Gleichwohl kann sie im Sinne der »secunda impositio« ausgesagt werden. Thomas erklärt: »darum kann die menschliche mus und Monophysitismus (medium tenens). Die 1. u. 2. Theorie versteht er als Irrlehre. 70 Vgl. F. Manthey, Die Sprachphilosophie des hl. Thomas von Aquin. Paderborn 1937, 116 f. u. 131 f.; s. auch Übersetzung, Anm. 142.

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Natur in Christus gewiß ein partikuläres oder singuläres Einzelwesen (individuum aliquod) genannt werden« (4). Unter dem Gesichtspunkt der Individualität im existierenden Gottmenschen bildet sie eine vollständige Natur, trotz ihrer Inhärenz im Logos (3.1). Die »Gottheit« ist von Christus begrifflich (in abstracto) und dinghaft (in concreto) aussagbar. Die »Menschheit« als allgemeines »Wesen« (essentia) ist hingegen von Christus nicht »in abstracto«, sondern nur »in concreto« aussagbar; sofern die Menschennatur nämlich als in einem Träger (Logos) aufgenommen bezeichnet wird. Daher ist die Aussage, »Christus sei eine menschliche Natur«, falsch (vgl. ad 2). Die »natura humana« kann nicht von Christus als Mensch ausgesagt werden. Jedoch ist ein Träger der menschlichen Natur von Christus aussagbar (Logos). Richtig ist zu sagen: »Christus ist Mensch« und »Christus ist Gott«. Denn der Begriff »Mensch« bezeichnet unterschiedslos ein Wesen, welches die menschliche Natur hat. Numerisch betrachtet sind zwei Naturen in Christus. Würden jedoch zwei Naturen – eben undifferenziert die Menschennatur (wie die göttliche Natur) – »begrifflich« (in abstracto) von Christus ausgesagt, dann würde sich fälschlicherweise ergeben, daß Christus »zwei« Hypostasen bzw. Personen sind.71 Thomas’ Lösung beruht auf seinem Grundsatz der Identität von »Sein« und »Wesen« in Gott bzw. ihrer Unterschiedenheit im Geschöpf. In der Summa heißt es: »Natur kann, in sich betrachtet und begrifflich (in abstracto) genommen, in Wahrheit nicht von einem Naturträger bzw. einer Person ausgesagt werden, außer bei Gott, in dem ›das, was ist‹ (quod est), und ›das, wodurch es ist‹ (quo est), sich nicht unterscheiden«.72 In Bezug auf Christus »zwei« zu sagen, impliziert also mehrere Bedeutungen (significationes). Die Aussage kann nur dann als zutreffend gelten, wenn mit »zwei« nicht zwei Naturträger, sondern vielmehr zwei Naturen als »dinghaft-wirkli71 Vgl. Sum. theol. IIII, q. 17, a. 1 c.: »Dass ›Natur‹ an sich betrachtet, sofern sie begrifflich aufgefasst wird (in abstracto), nicht wahr von einem Suppositum bzw. einer Person ausgesagt werden kann, es sei denn bei Gott« (DThA 26, 51), d. h. aufgrund der Nichtunterschiedenheit von »quod est« und »quo est.« 72 Sum theol. III., q. 17, a. 1 c. (DThA 26, 51 f.); ferner De un., a. 1 arg./ ad 4 (Sum theol. I, q. 3, a. 3–4).

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che« in Christus (in concreto) gemeint sind.73 Prädikationen sind je nach Bezugspunkt modal genau zu unterscheiden. Es gilt zu beachten, ob und wie sich eine Dualitäts- bzw. Einheitsaussage zutreffend auf die Natur(en) bzw. das Trägersubjekt beziehen kann (ad 1–2). Die Grundregel wird von Thomas prägnant im Compendium theologiae erklärt: »Ebenso muss man auch alles, was Gott und dem Menschen angemessener Weise zur Natur gehörend zugeteilt wird, in Christus mehreres nennen (plura dicere).« In Bezug auf den Träger gilt: »Aber das, was zum Suppositum oder zur Hypostase gehört, muß man in Christus als nur eines bekennen (unum tantum confiteri).«74 Die Menschennatur existiert »in einem anderen« (in alio), d. h. in der Hypostase des Logos. Dies allerdings nicht »wie ein Akzidenz im Träger«, was nämlich ihre Auflösung im göttlichen Logos bedeuten würde (Monophysitismus); noch »wie ein Teil im Ganzen«, was zur Trennung oder Minderung der Naturen führt (Diophysitismus). Das Innesein der Menschennatur geschieht durch eine unaussagbare Annahme durch den Logos: »per ineffabilem assumptionem« (4). Artikel 3 Ist Christus auf (grammatikalisch) sächliche Weise einer oder zwei? spezifiziert die sprachphilosophische Klärung. Die Aussage »Christus ist Gott und Mensch« scheint eine »mehrfache Aussage« zu sein (propositio ›plures‹).75 Sie enthält mehrere Wesensurteile über Christus, d. h. ist nicht eindeutig (arg. 9). Dies scheint zur Annahme von zwei Hypostasen in der einen Person Christi zu führen. Thomas referiert 14 Argumente, die für eine Dualität aufgrund des neutralen grammatikalischen Geschlechts sprechen. Sie gehen von Bedeutung und Prädikation bestimmter Begriffe aus: »Menschensohn« bzw. »Gottessohn« als christologische Titel (zwei Naturen), ferner Akzidenz, Substanz, Potenz und Akt, Subsistenz oder Teilhabe. Die Aussage von zwei Naturen (neutr. aliud) in einer Person (mask. alius) impliziert, daß Christus infolgedessen nicht »eines« ist (unum), d. h. ein Sein besitzt (unum esse), sondern ontisch »zwei« 73 Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 ad 1. 74 Comp. theol., c. 212 (dt. Fäh, 359). 75 Vgl. Übersetzung, Anm. 193.

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(duo) genannt werden muss (arg. 2). Grammatikalisch im Sinne des Neutrums wäre Christus »das eine und das andere«. Die Überlegung geht davon aus, daß ein Seiendes, welches zwei Naturen besitzt (aliud et aliud), nicht eine non-duale Entität bilden kann. Denn es gibt darin zwei substantielle Wesensunterschiede, eine unendliche und eine endliche Einheit, d. h. Menschen- und Gottnatur (arg. 4–5.7), deren zwei reale Subsistenzweisen notwendig zwei Träger implizieren (arg. 11). Sprachlich grundlegend ist folgende modale Unterscheidung: »Das sächliche Geschlecht bezeichnet etwas Ungeformtes und Unvollendetes, das männliche Geschlecht hingegen etwas Geformtes und Vollendetes«.76 Der sächliche Modus bezeichnet den/die »Hypostase(n)« bzw. »Träger« (eines: aliud) und das männliche Geschlecht die »Person« (einer: alius). Daß Christus zwei Naturen besitzt, ist vorausgesetzt. Es ist aber auch widerlegt, daß er zwei Personen ist, d. h. »alius et alius« (mask.). Der Nestoranismus behauptete zwei Personen in Christus.77 Thomas widerlegt, ob nicht stattdessen gesagt werden kann, daß Christus dann »aliud et aliud« ist, d. h. »ein eines und ein anderes«, etwa ein Suppositum und ein anderes Suppositum (neutr.). Seine Antwort rekapituliert den Ertrag aus Artikel 1–2: In Christus gibt es keine zwei Personen, Hypostasen oder Träger (Abs. 2).78 Die Subsistenz des Logos in zwei Naturen fordert keine zwei getrennten Entitäten. Er beweist in Artikel 3, daß Christus sowohl »einer« (mask.) als auch »eines« ist (neutr.). Es wird präzisiert, in welcher Hinsicht von »eines« (unum) und »vieles« (multa) in Christus gesprochen wird (2.1.3; 3). Grundlage dazu bildet die Konvertibilität von »eines« und »seiend« (2.1). Aus der Vertauschbarkeit von »ens« und »unum« scheint zu folgen, dass zwei vollständige Naturen auch zwei durch sich selbst subsistierende Seiende bilden (Substanzen). Zumal die Menschennatur in Christus nicht bloß ein Akzidenz sein soll. Der »Sohn Gottes« (mit Namen Christus), d. h. der Träger-Logos, 76 Vgl. Sum. theol. III. q. 17, a. 1 c. (DThA 26, 53) u. De un., a. 3 c. (zu Anfang). 77 Vgl. Sum. theol. III, q. 17, a. 1 c.: »dicebant Christus duos masculine« (DThA 26, 53). 78 Vgl. De un., a. 3 sc. 1.

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ist die göttliche Natur und die angenommene Menschennatur, aufgrund der Identität von Sein und Wesen in Gott (Aussage in abstracto u. in concreto). Nicht aber kann »in abstracto« (allgemein) die Menschennatur von Christus ausgesagt werden (nur in concreto). Falsch war der Satz: »Christus ist die menschliche Natur« (ad 14). In diesem Fall ist nämlich keine Identität von Natur und Träger gegeben. Ausgehend vom Paralleltext in der Summa ist leichter zu erkennen, worin der Fehler der sächlichen Prädikation liegt. Dort heißt es: »Würden beide Naturen (neutr.), begrifflich genommen (in abstracto)«, – d. h. wesenhaft (essentialiter) – »von Christus ausgesagt, so würde daraus folgen, daß Christus zwei sind«.79 Thomas verbindet damit die Lehre von der »praedicatio per denominationem«: »Was eine Einheit besitzt, wird grammatikalisch im denominativen Sinne als »eines« (unum) ausgesagt« (2.1). Im denominativen Aussagemodus wird prädikativ vom Subjekt bejaht, dass ihm eine bestimmte Form, Natur oder Eigenschaft inhäriert (homo est albus).80 Er will damit sagen, dass nur in dieser Benennungsweise die menschliche »Natur« vom göttlichen Träger-Logos (unus) ausgesagt wird. Damit ist eine Bezeichnungsweise »per identitatem« ausgeschlossen, welche eine schlechthinnige Identität von Subjekt (Hypostase) und Prädikat (Menschennatur) feststellt (Monophysitimus). Eine solche besteht nur zwischen der göttlichen Natur und dem Träger-Logos aufgrund der Identität von Sein und Wesen. Falsch ist es auch, etwa identifizierend auszusagen, dass Christus die Menschennatur sei, da sich »esse« und »essentia« in Geschöpf unterscheiden; denominativ wäre dies ebenso falsch, weil der Menschennatur nicht eine menschliche Hypostase als Träger zugrunde liegt (Diophysitismus). Sprachlogisch ist damit eine von den zwei Naturen (neutr.) abgeleitete Dualität des Trägersubjekts hinfällig. 79 Vgl. Sum theol. III, q. 17, a. 1 c. (DThA 26, 52). 80 Vgl. Übersetzung, Anm. 213 u. F. Manthey, Die Sprachphilosophie

des hl. Thomas von Aquin. Paderborn 1937, 147 f. Diese Prädikationsweise wird auch »praedicatio per informationem« genannt. Etwas wird durch das Prädikat vom Subjekt informierend bejaht. Wenn etwa ein Akzidens vom Subjekt ausgesagt wird. Davon ist die Prädikation »per identitatem« zu unterscheiden, sofern eine Übereinstimmung (Identität) zwischen Subjekt und Prädikat ausgesagt wird.

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Bei Geschöpfen wird »Substanz« zweifach ausgesagt; erstens als »Träger«, der nicht zugleich von einem anderem ausgesagt wird (substantia prima), und zweitens als »Natur« der Art (Form), welche von dem Träger ausgesagt wird (substantia secunda).81 Träger bzw. Natur können aufgrund der Konvertibilität von »Sein« und »Eines« im Geschöpf nicht zugleich »eines« und »vieles« sein (2.2). So betrachtet ist Sokrates als Einzelsubstanz »schlechthin« (simpliciter) ein »eines« (unum), aber sofern er musikalisch, weiß usf. ist, »in gewisser Hinsicht« (secundum quid) auch »vieles« (multa). Weil Christus Gott und Mensch ist, muss beachtet werden, worauf sich die Prädikation bezieht. Zuschreibungen sind nicht wie im Fall von normalen Einzelwesen aufzufassen. Es gibt bei den Geschöpfen keinen Träger, der zwei Substanzen bzw. Naturen besitzt. Dies ist der »einmalige Fall« in Christus (2.2). Der Logos-Träger ist »eines« schlechthin. Als solcher besitzt er die Zweiheit der Naturen nur »secundum quid«. Dies gilt analog zur Aussage, dass ein Mensch (totum) in gewisser Hinsicht auch »vieles« ist, etwa weiße Zähne usf. hat (3.1). Insofern muss der Träger nach der Weise des »Ganzen« und die »Menschennatur« nach der Weise eines »formhaften Teils« dieser Ganzheit bezeichnet werden (3.2). Der Fehler der sächlichen Prädikation liegt darin, dass die beiden Naturen in Bezug auf Christus als Individuum (substantia prima) im gleichen Sinne wie bei jeder geschöpflichen Einzelsubstanz ausgesagt werden. Thomas’ Fazit lautet: »Weil also Christus ein Träger ist, der zwei Naturen besitzt, folgt, daß er ›einer‹ schlechthin (simpliciter) und ›zwei‹ in gewisser Hinsicht (secundum quid) ist.« (3.3).82 81 Dies ist die »substantia prima« (Einzelsubstanz; Subjekt) von der die »substantia secunda« als Allgemeines, Wesensnatur oder Form ausgesagt wird; vgl. Aristoteles Met. V, c. 8; 1012 b 23 (dt. Zekl, 207); s. auch Sum. theol. I,. q. 29, a. 2 ad 2: »Denn mit dem Namen ›Hypostase‹ oder ›erste Substanz‹ (substantia prima) wird nur die Bewandtnis des Allgemeinen (ratio universalis) und des Teiles ausgeschlossen (…) Die menschliche Natur in Christus ist nämlich gerade deshalb keine Person (persona), weil sie von einer höheren angenommen wurde, nämlich vom Worte Gottes.« (DThA 3, 43 f.). 82 Vgl. auch De un., a. 3 c.: »Es ist somit deutlich, daß Christus auf bestimmte Weise ›einer‹ genannt werden kann, weil er dem Träger nach

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Artikel 4 Ist in Christus nur ein Sein? ist der kürzeste Artikel. Er bildet, wie sein Paralleltext in der Summa (III, q. 17, a. 2), die Schnittstelle von Ontologie (esse) und Handlungslehre (operatio), ist damit Grundlage für Artikel 5. Die soteriologische Wirksamkeit Christi beruht auf der Zweinaturen-Einheit in Christus. Daher ist es konsequent, daß Artikel 1–4 (De modo unionis) Artikel 5 vorausgehen. Sie beweisen das »unum esse« als Seinsfundament des gottmenschlichen Wirkens. In Artikel 1 hatte Thomas festgestellt, daß die menschliche Natur das »Werkzeug des Wortes« sei (organum Verbi).83 Die Mittlerschaft Christi, deren Gott und Menschheit verbindende Funktion, gewinnt ihre satisfaktorische Wirksamkeit und Universalität aus der Seinseinheit.84 Der Stellenwert der Instrumentalität der menschlichen Natur liegt hoch. Ihre Unmittelbarkeit im Sein zur Gottheit ist ontologische Bedingung für die effektive Erlösung. Diese wird von Thomas nicht als separates Instrument (gegen Nestorius), sondern als vom Logos ungetrenntes Werkzeug aufgefasst.85 An der Einheit des Seins hängt das Wirklichsein der Erlösung. Thomas referiert drei Argumente für eine ontische Dualität: Dass göttliches und menschliches Sein nicht univok ausgesagt werden kann (arg. 1), es gemäß Phil. 2,6 f. zwei verschiedene »Formen«, d. h. die Gestalt des »Gottes« und des »Knechtes« (2) bzw. göttliches und menschliches »Leben« in der Person Christi gibt (3). Aufgrund des vermeintlichen Lehrunterschieds zu Sum. theol. III, q. 17, a. 2, wird Artikel 4 besonders kontrovers diskutiert.86 In der Summa lautet die These: »Darum behält [Christus] eher (magis) die Einheit aufgrund der Einheit des Trägers (hypostasis), als daß ihm aufgrund der Zweiheit der Naturen eine Zweiheit (dualitas) zukäme.« (ad 1). Die Ein›einer‹ ist; und auf bestimme Weise ›vieles‹ oder ›zwei‹, weil er zwei Naturen besitzt.« (2.3). 83 Vgl. De un., a. 1 c. (Abs. 3.5.3). 84 Vgl. Sum. theol. III, q. 20 ff. 85 Vgl. De un., a. 1 c.: »nicht ein hinzugefügtes Werkzeug, sondern ein ihr eigentümliches und mit ihr verbundenes Werkzeug« (Abs. 3.5.3); s. auch a. 5 c. (Abs. 3 ff.) u. arg./ad 5; ferner Sum. theol. I-II, q. 112, a. 1 ad 1 u. III, q. 2, a. 6 ad 4. 86 Vgl. Nutt, 59–63.

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heitsthese wird in beiden Abhandlungen begrifflich unterschiedlich akzentuiert. Zwei Naturen scheinen notwendig zwei Sein zu fordern (arg. 1). Gibt es zwei Supposita in Christus, welche bloß akzidentell geeint sind, dann ergeben sich zwei »Sein«, ein geschaffenes und ein absolutes Sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Thomas’ Lösung beruht auf den Beweisen der Artikel 1–3. Daher kann er sich kurz fassen. Sprachlogisch betrachtet ist Christus »simpliciter« (schlechthin) nur »Einer« (unus) und auch nur ein »Eines« (unum), nämlich eine einzige Hypostase (neutr.) und eine einzige Person (mask.). Daraus folgt: »Er besitzt ein einziges Sein schlechthin (unum esse simpliciter)«. Im Gegenzug überträgt Thomas ausgleichend die denominative Dualitätsbezeichnung – Inhärenz und nicht Identität – »zwei in gewisser Hinsicht« (duo secundum quid) auf den ontologischen Status der Einheit: »Es gibt aber auch ein anders Sein« (aliud esse).87 Damit ist jedoch kein substantieller Seinsunterschied – zwei Einzelsubstanzen mit eigenem Selbststand (zwei Seinsakte) bzw. ein Substanz-Akzidenz-Verhältnis der Naturen – ausgesagt, sondern nur ein konstitutiver modaler Unterschied, welcher die Vollständigkeit der angenommen Menschennatur unterstreicht. So heißt es: »Denn das eine und das andere Sein steht nicht im gleichen Verhältnis (non ex aequo respicit) zum ewigen Träger« (ad 1). Die Einheitsaussage beruht auf dem Grundsatz, dass Natur und Träger nicht in jedem Fall identisch sind. Was aufgrund der Identität von »Sein« und »Wesen« und der Konvertibiliät von »unum« und »esse«88 ausschließlich bei Gott bzw. dem Logos als ewigen Trägersubjekt der Fall ist. Dies bildet die metaphysische, begriffliche Grundlage der Hypostatischen Union. Zu Beginn der Antwort heißt es: »Denn aus demselben Grund wird gesagt, daß etwas ›eines‹ und (daß es) ›seiend‹ ist. Nämlich ›Sein‹ wird eigentlich und wahrhaft von dem subsistierenden Träger ausgesagt.« (c.) 87 Vgl. De un., a. 3 (Abs. 3.3.) u. a. 4 (2 f.); s. auch M. J. Scheeben, Handbuch der Katholischen Dogmatik II, Freiburg 1933, 830: »durch dessen Aufnahme und Beherrschung die Person [Logos] ein zweites Sein, in einer neuen Art gewinnt«. 88 Vgl. L. Oening-Hanhoff, Ens et unum convertuntur. Münster 1953, bes. 140 ff.

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Das Hauptargument besteht darin, dass das Suppositum, d. h. Logos als »Substanz« (substantifactur) bzw. als »Selbststandhabendes« (sustentificatur)89, durch seine göttliche, ewige, eine Wesensnatur konstituiert wird. So heißt es: »In Christus aber ist der subsistierende Träger (suppositum subsistens) die Person des Sohnes Gottes, welche als Substanz schlechthin durch die göttliche Natur konstituiert wird (substantificatur), nicht aber durch die menschliche Natur.« (2). Christus ist »eines« aufgrund der Einheit des Träger-Logos. Er besitzt auch nur einen einzigen Seinsakt (actus essendi), weil aufgrund des Konvertibilitätsaxioms das »ewige Sein« (esse aeternum) des Logos als »ewiger Träger« zugleich dessen Einssein konstituiert. Die problematische Zusatzaussage lautet: »Es gibt aber auch ein ›anderes Sein‹ (aliud esse) dieses Trägers, nicht insofern es ewig ist, sondern insofern es auf zeitliche Weise Mensch wurde. Dieses Sein (…) ist jedoch nicht das ›hauptsächliche Sein‹ (esse principale) seines Trägers, sondern dessen ›nachgeordnetes Sein‹ (esse secundarium). Wenn aber in Christus zwei Träger wären, dann würde jeder Träger ein eigenes Sein besitzen, welches ihm hauptsächlich zukommt.90 Auf diese Weise wäre in Christus ein zweifaches Sein.« (3). Allerdings ergäbe sich nur bei zwei Hypostasen ein zweifacher Seinsakt. Dies ist jedoch nicht der Fall, was in Artikel 1–3 bewiesen wurde. Im Paralleltext der Summa kommt der Ausdruck »esse secundarium« nicht vor. Der Begriff »hauptsächliches Sein« bezeichnet die Unabhängigkeit des göttlichen Seins des Logos-Trägers vom geschaffenen Sein. Das »nachgeordnete Sein«, welches dem LogosTräger vollständig inhäriert, ist vielmehr unmittelbar von dessen Sein abhängig. Die menschliche Natur in Christus trägt von sich aus selbst nichts zu ihrem Seinsakt als solchem bei. Das geschaffene Sein der Menschennatur kann so aufgefasst werden, dass es gleichsam in das eine Sein des ewigen Logos als seinen einzigen Subsistenzgrund integriert ist.91 Das vom Logos angenommene »esse 89 Vgl. De un., a. 4 c. (Abs. 2) u. Anm. 269. 90 Vgl. Sent. III, d. 6, q. 2, a. 3 c. (dazu: a. 2 ad 1). 91 Vgl. die nachchalcedonische Einheitstheorie der »Enhypostasie«

(Insubsistenz der Menschennatur im Logos als Prinzip deren Individualexistenz). Damit ist gesagt, dass der existenzverleihende Akt außerhalb

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humanum« und das »esse divinum« des Logos bilden darin einen einzigen Seinsakt. Thomas betont in De unione, daß der inkarnierte Logos als Einzelsubstanz als solcher auch durch die Menschennatur mitkonstituiert wird, nämlich »sofern er dieser Mensch ist« (in quantum est hic homo). Sein Ziel ist es, das volle Menschsein Christi gegen einen (latenten) Monophysitismus abzusichern, was die Lehre von der Einzigkeit der Logos-Hypostase insinuiert. Aufgrund dessen, dass der Logos durch sich selbst und in der Menschennatur subsistiert – was ihre vollständige Annahme seitens des Logos ausmacht und ihr das kreatürliche Sein verleiht –, wird der Logos durch die von Gott als verschieden von ihm erschaffene Menschennatur mitkonstituiert (quo est),92 insofern er eben »ewiger Träger« beider Naturen Christi ist. Vermutlich hat Thomas die Schwächen der Subsistenztheorie gesehen. Denn sie behält, trotz seiner Systematisierung, »indem alle Aktivität bei der Bildung der menschlichen Natur selbst hier vom Logos ausgeht, einen alexandrinisch-monophysistischen Charakter«.93 Die Eigenwirklichkeit der menschlichen Individualität scheint von der sie konstituierenden Logos-Unmittelbarkeit überzeichnet zu werden. Die Interpretation von Artikel 4 teilt sich in zwei Gruppen.94 Eine Richtung, etwa Cajetan († 1534), Garrigou-Lagrange († 1964) der Menschennatur bzw. Menschen liegt, d. h. in der göttlichen Hypostase (Logos) als unmittelbarem Seins- und Konstitutionsgrund der leiblichseelischen Person Jesu. 92 Vgl. M. J. Scheeben, Handbuch der Katholischen Dogmatik II, Freiburg 1933, 842: »indem die göttliche Hypostase mit der menschlichen Natur ein hypostatisches menschliches Wesen constituirt, constituirt sie eben dadurch sich selbst als dieses bestimmte menschliche Wesen«; s. auch Sum. theol. IIII, q. 17, a. 2 c.: »Das Sein gehört zur Hypostase und zur Natur; und zwar zur Hypostase als demjenigen, ›was‹ das Sein hat, zur Natur aber als zu demjenigen, ›wodurch‹ (quo) etwas das Sein hat.« (DThA 26, 58). 93 Vgl. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie. Gütersloh 1964, 304 f.; ferner: »wird das tatsächliche Geschehen der Einigung von Gott und Mensch im zeitlichen Vollzuge des Daseinsweges Jesu verdeckt« (350). 94 Vgl. Nutt, 59–63 u. 67 ff.

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u. a., verteidigen die Einzigkeit des »esse« in Christus, sehen in der Summa Thomas’ endgültige Formulierung. Hingegen wird von H. M. Diepen (1960) De unione nicht als vorläufige Lehrposition aufgefasst.95 Er hält Artikel 4 für Thomas reifste Formulierung der Einheit in Christus. Die Quaestio füge neue Argumente hinzu. J. A. Weisheipl dagegen: »Es ist klar, daß Thomas in der Summa den tieferen Sinn einer hypostatischen Union besser erfaßt, daß es nur ein esse für die menschliche und die göttliche Natur gebe, ein esse, daß von der Person [des Logos] nicht verschieden ist.«96 Für Diepen ist das menschliche Sein (aliud esse) durch Subordination in die LogosHypostase integriert. Diese Integrationsthese wurde J. M. Maritain (1954) aufgegriffen, wird auch von M.-H. Deloffre (2000) vertreten.97 Keinesfalls ist an eine Art zusätzliches Sein gedacht. So etwa bei R. Cross (2002), welcher Artikel 4 in der Weise deutet, daß die Menschennatur ihr Sein dem göttlichen Träger mitteile: »communicating esse to the divine suppositum«.98 J. W. Nutt (2015) hält die Differenzierung von »esse principale« und »secundarium« für konsistent mit Thomas’ Gesamtwerk, sofern man die in Artikel 1–3 dargelegten Voraussetzungen berücksichtigt.99 Hingegen meint K. Obenauer (2011), dass eine integralistische Deutung letztlich »ein akthaft, zweites substantiales Sein« unterstellt, wodurch dem Logos das konkrete Menschsein eigen würde. Obenauer kommt in seinem Kommentar zu dem Ergebnis, dass Artikel 4 und die Summa zwei unterschiedliche Konzeptionen sind. Manches spräche dafür, dass Thomas in De unione auf seine Kritiker aus der Franziskanerschule antwortet (»Defensivszenario«).100 Es könnte sein, dass er auf aktuelle Einwände seines Pariser Kon95 Vgl. Deloffre: »une interprétation toute nouvelle, par intégration et non par élemination de l’existence créée« (19). 96 Vgl. J. A. Weisheipl, Thomas von Aquin. Graz, Wien, Köln 1980, 286. 97 Vgl. ed. Deloffre, 64 u. 67. 98 Vgl. R. Cross, The Metaphysics of Incarnation. Oxford, New York 2002, 62; s. auch Nutt: »Cross’s focused reading of esse secundarium cannot be sustained in light of how this passage stands within the work as a whole« (77). 99 Vgl. Nutt, 78. 100 Vgl. Obennauer, 555.

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trahenten Johannes Peckham OFM († 1292) reagiert, seine Konzeption deshalb gegenüber der Summa etwas modifiziert.101 Obenauer meint: »Peckham umschreibt in seinem römischen Quodlibet jene Koordinaten für die richtige Lehre vom Sein Christi, auf denen er erwartungsgemäß schon bei einer entsprechenden Auseinandersetzung mit Thomas insistiert haben muss, auf daß Thomas sich bei der Abfassung von DU 4 genötigt gesehen hätte, Peckhams Insistenzen Rechnung zu tragen«.102 Er argumentiert: »Wie nämlich in Christus zwei Naturen sind, so auch zwei Wesensnaturen und zwei Sein, wobei die eine von ihnen von der anderen abhängt (unum dependet ab alio)«.103 Peckham vertrat in Paris ab 1269 gegen Thomas am ausgeprägtesten eine konservativ-augustinische Lehrmeinung.104 Der Artikel 5 Ist in Christus nur eine Tätigkeit? beweist die operationale Einheit im Wirken. Das Zusammenwirken (cooperatio) von Gott und Mensch bildet eine akthafte Einheit, weil der Tätigkeit des Erlösers ein einziges Trägersubjekt zugrunde liegt. Christi Handeln als Mensch besitzt ihre Eigenwirksamkeit als werkzeugartige Ursächlichkeit (causa instrumentalis). Ohne eigenwirksamen, freien Menschenwillen in Christus gäbe keine effektive Heilswirksamkeit. Die Passion Christi würde wirkungslos sein, Satisfaktionsund Verdienstlehre wären hinfällig. Ohne Einheit im gottmenschlichen Sein gibt es keine soteriologische Wirkung (4.1). Thomas widerlegt in Artikel 5 den »Monotheletismus« (Einwillenlehre) bzw. »Monenergismus«, welcher dem Monophysitismus verwandt ist. Die Menschennatur wird gemindert, sofern der Wille Christi vollständig determiniert vom Logos gedacht wird. Menschliche Willensakte besitzen nur eine Scheinselbständigkeit, wesentliches Handlungssubjekt ist allein der Logos. Diese Einwillenlehre ist Ausdruck eines übersteigerten »Neuchalcedonismus« (Betonung der Einheit 101 Vgl. Obenauer, 418, 425 u. 474. 102 Obenauer, 472. 103 J. Peckham, Qdl. IV, q. 11; Quaestiones disputatae, ed. G. J. Etzkorn.

Grottaferrata 2002 (BFSMA; 28), 197 f. (zit. n. Obenauer, 469); vgl. dazu: De un., a. 4 (Abs. 3). 104 Vgl. J.-P. Torell, Magister Thomas. Freiburg, Basel, Wien 1995, 199 f. u. 314 f.

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der Person).105 Die Menschennatur wird in ihren Willensakten so sehr vom einheitsstiftenden Prinzip des Logos dominiert, dass sie nur passives Organ der Gottheit ist. Auf diese Weise bleibt kein Raum mehr für eine vollständige wesenseigene Aktivität. Die Tätigkeit folgt jedoch der Natur (Boethius), daher bedingen zwei Naturen auch zwei Tätigkeiten (sc. 4). Die Einwillenlehre geht einseitig vom »Prinzip des Wirkens« aus. Ist dieses Prinzip »eines«, d. h. ein Träger (Logos), dann »eine« Tätigkeit. Ist dieses »zwei« (Gott u. Mensch), dann »zwei« Tätigkeiten. Da der Seinsakt des Logos beide Naturen aktuiert, kann es nur eine Tätigkeit in Christus geben (arg. 5). Thomas führt dagegen den Lehrentscheid des 3. Konzils von Konstantinopel an (680/81).106 Der Grundirrtum liegt darin, dass als einziges Aktprinzip nur der Logos identifiziert wird, was nicht zutrifft. Zwei naturspezifische Wirkweisen heben die Einheit nicht auf. Thomas erklärt: »Die Tätigkeit aber impliziert nicht eine [formhafte] Weise irgendeines Unterschiedes.« (ad 6). Seine Lösung basiert wieder auf Klärung von Prädikationen. Er differenziert »Einheit« und »Vielheit« der Tätigkeiten nach Gesichtspunkten (1–3). Der Träger, welcher wirkt (subiectums agentis), bedingt die »nummerische« Einheit oder Vielheit (secundum numerum). Und dasjenige Prinzip, »wodurch« der Träger wirkt (quo agens operatur), bestimmt die Einheit bzw. Vielheit des Wirkens »der Art nach« (secundum speciem), wobei das erste Wirken des Willens die Haupursache aller anderen Tätigkeiten bildet. Der Fehler des Monotheletismus liegt darin, dass die instrumentale Ursächlichkeit (organum divinitatis)107 – die Eigenwirksamkeit der Gott untergeordneten menschlichen Wirkkraft (Erleiden eines göttlichen Einflusses) – ausschließlich und unmittelbar auf den Träger105 Vgl. G. L. Müller, Katholische Dogmatik, Freiburg, Basel, Wien 2001, 351 f. 106 Vgl. De un., a. 5 sc. 1: »Zwei naturhafte Tätigkeiten, ungeteilt (indivise), unvertauschbar (inconvertabiliter) unvermischt (inconfuse) und untrennbar (inseparabiliter) verherrlichen wir in demselben Herrn Jesus Christus, unserem wahren Gott, das ist: eine göttliche Tätigkeit und eine menschliche Tätigkeit.«; s. auch DSH 556 (u. 557); s. auch a. 1 ad 3; zit. auch Sum. theol. III, q. 19, a. 1 c. 107 Vgl. De un., a. 5 arg. 4 u. 12; s. auch a. 1 (Abs. 3.5.3). 4

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Logos zurückgeführt wird, d. h. nicht zunächst auf eine naturspezifische, menschliche Willensaktivität, was eine monophysitistische Allursächlichkeit des Logos ergibt (4.1). Thomas erklärt dagegen, dass der menschliche Wille, sofern er von einer »höheren Kraft« bewegt wird (Gott) »nicht nur gewirkt wird, sondern auch wirkt« (4.1). Eine Dualität der Tätigkeiten ergibt sich insofern »secundum speciem«. Die zwei Naturen bedingen gleichzeitig zwei »der Art nach« unterschiedliche Tätigkeitsmomente (4.2). So heißt es: »Christus ist ein einziges Wirkendes (unum agens), es gibt aber in Ihm zwei Tätigkeiten« (ad 14). Die Annahme der Menschennatur durch den Logos hebt deren Eigendynamik nicht auf. Vielmehr setzt der das menschliche Aktzentrum umgreifende Logos gerade dadurch eine humane Wirksamkeit in vollkommenster, höchster Weise frei. Thomas von Aquin lehrt in De unione, wie in seiner Gnadenlehre, nicht Begrenzung des Menschseins, sondern Freisetzung vollendeter Humanität in Gott.

DE UNIONE VERBI INCARNATI BIBLIOGRAFIE

Es wird in den Fußnoten der Übersetzung zitierte Literatur angeführt! Editionen, Übersetzungen (De unione) Bazzi S. Thomae Aquinatis, Quaestiones disputatae, Vol. II. Cura et studio P. Bazzi, M. Calcaterra, T. S. Centi et al. Marietti: Taurini, Romae 9 1953, 421–435. Deloffre Thomas D’Aquin, Question Dispututeé L’Union Du Verbe Incarné (De unione verbi incarnati). Texte latin de l’edition Marietti. Introduction, traduction et notes par M.-H. Deloffre. Paris 2000 (Bibliothèque des textes philosophiques), 79–149. Lippini Tommaso D’Aquino, Le Questioni Disputate, Vol. 5: Le virtú e L’unione del Verbo incarnato. A cura di P. Lippini e R. Coggi. Bologna 2002 (Studio Domenicano), 606–6074. Obenauer Thomas von Aquin, Quaestio disputata »De unione Verbi incarnati« (»Über die Union des fleischgewordenen Wortes«). Lateinischer Text erstellt von W. Senner, B. Bartocci, K. Obenauer. Übersetzung, ausführlicher wissenschaftlicher Kommentar und theologischtheologiegeschichtliche Reflexion von K. Obenauer. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, 18–103.

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