201 53 19MB
German Pages 174 [117] Year 1982
HANS-HEINRICH
ATLAS D E U T S C H E R
WÄNGLER
SPRACHLAUTE
ATLAS DEUTSCHER SPRACHLAUTE
YON HANS-HEINRICH
WÄNGLER
7., unveränderte Auflage
AKADEMIE-VERLAG•BERLIN 198 1
Erschienen im Akademie-Verlag, DDR -1080 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1981 Lizenznummer: 202 • 100/157/81 Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 7400 Altenburg Bestellnummer: 750863 7 (5316) • LSV0815 Printed in GDR DDR 2 9 , - M
INHALTSVERZEICHNIS
Vorbemerkungen zu den Auflagen 1 bis 7
7
1
Textteil
9
1.1
Von der Bedeutung der Sprachlaute
9
1.2
Phonetische Darstellungsmethoden der Spraehlaute
14
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3
Bildung der Laute Anatomisches Physikalisches Physiologisches
18 18 20 23
1.4
Die Einteilung der Sprachlaute
26
1.5
Phonetische Umschrift
31
1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.2.1 1.6.2.2 1.6.2.3 1.6.2.4 1.6.3 1.6.4 1.6.4.1 1.6.4.2 1.6.4.3 1.6.4.4 1.6.4.5 1.6.4.6 1.6.4.7 1.6.5
Die deutschen Sprachlaute Übersicht Die Konsonanten Die Verschlußlaute Die Nasallaute Die Reibe- oder Engelaute Die Schwinglaute (Vibrantes) Ein Hilfsmittel zur Kennzeichnung der Lautbildung Die Vokale a-Laute e-Laute i-Laute o-Laute u-Laute o-Umlaute u-Umlaute Die Diphthonge
32 32 35 35 37 38 40 42 43 43 44 45 45 46 46 46 47
1.7
Literaturverzeichnis
48
2
Bildteil
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3
Verschlußlaute stimmhaft [b], stimmlos [p] stimmhaft [d], stimmlos [t] stimmhaft [g], stimmlos [k]
Tafel 1 Tafel 2 Tafel 3
2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3
Nasale stimmhaft [m] stimmhaft [n] stimmhaft [ij]
Tafel 4 Tafel 5 Tafel 6
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6
Reibelaute und Lateralengelaut stimmhaft [v]; stimmlos [f] stimmhaft [z]; stimmlos [s] stimmlos [f] stimmhaft [j]; stimmlos [9] stimmlos [x] stimmhaft [1]
Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel
2.4 2.4.1 2.4.2
Schwinglaute (Vibrantes) stimmhaft [r] stimmhaft [ r ]
Tafel 13 Tafel 14
2.5 2.5.1 2.5.2
a-Laute kurzes, vorderes [a] langes, hinteres [a:]
Tafel 15 Tafel 16
2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3
e-Laute kurzes, offenes [s]; langes [e:] langes, geschlossenes [e:] kurzes, unbetontes [a]
Tafel 17 Tafel 18 Tafel 19
2.7 2.7.1 2.7.2
i-Laute kurzes, offenes [1] langes, geschlossenes [i:]
Tafel 20 Tafel 21
2.8 2.8.1 2.8.2
o-Laute kuzes. offenes [0] langes, geschlossenes [o:]
Tafel 22 Tafel 23
2.9 2.9.1 2.9.2
u-Laute kurzes, offenes [u] langes, geschlossenes [u:]
Tafel 24 Tafel 25
2.10 o-Umlaute 2.10.1 kurzes, offenes [ce] 2.10.2 langes, geschlossenes [0:]
Tafel 26 Tafel 27
2.11 u-Umlaute 2.11.1 kuzes, offenes [Y] 2.11.2 langes, geschlossenes [y:]
Tafel 28 Tafel 29
7 8 9 10 11 12
VORBEMERKUNGEN
Zur 1. Auflage Es fehlte an einer neueren systematischen Darstellung deutscher Sprachlaute. Diese Tatsache wurde zum Anlaß f ü r den Versuch, die spürbare Lücke mit zeitgemäßen phonetischen Unter suchungsmitteln und Darstellungsmethoden auszufüllen. Die Forderung nach Anschaulichkeit erzwang dabei die Beschränkung auf das Notwendigste. Auf jede Retuschierung von Originalaufnahmen, die stets einen Ausschnitt aus einem natür lichen Sprechverlauf darstellen, wurde verzichtet. Das Recht zur Verallgemeinerung so „zufälliger" Ergebnisse leitet sich aus der großen Zahl der Versuche her, die der Zusammenstellung der einzelnen Lauttafeln vorausging. Herr Dr. med. habil. B. Schloßhauer war so freundlich, mir bei der Fertigung der Röntgenaufnahmen seinen R a t und tatkräftige Hilfe zu leihen. Die photographischen Arbeiten führte Herr Th. Voigt als Leiter der Fotostelle der Universität Hamburg aus. In vorbildlicher Zusammenarbeit mit dem Verlag wurden drucktechnische Schwierigkeiten durch das Berufsinteresse seiner Mitarbeiter mühelos überwunden. Ohne solchen Beistand h ä t t e die Arbeit nicht vorgelegt werden können. Es ist mir deshalb ein Bedürfnis, den Genannten an dieser Stelle zu danken. Hamburg, im J u l i 1958
Hans-Heinrich Wangler
Zur 2. Auflage Wenig mehr als ein J a h r nach ihrem Erscheinen war diese Arbeit vergriffen. Verlag und Autor schlössen daraus nicht nur auf den allgemeinen Nutzen solcher Darstellungen, sondern auch auf den speziellen Gebrauchswert der hier gewählten Materialanordnung. Da darüber hinaus die Fachkritik der Arbeit nahezu einhelliges Lob gespendet hat, glaubten wir uns berechtigt, die Gesamtanlage unverändert zu lassen, obwohl einige wissenschaftliche Sonder fragen zu anderer Stoffbehandlung verlockten. Weder eine vermehrte Anzahl von Abbildungen noch die naheliegende Vergrößerung der Bildausschnitte hätten indessen, wie eine Überprüfung ergab, der Praxis einen dem höheren Herstellungspreis entsprechenden Gewinn gebracht. Die in dieser Hinsicht wissenschaftlich Interessierten aber können sich das weitere Einsichten zulassende Ausgangsmaterial ohnehin verhältnismäßig leicht beschaffen. Für die Ergänzungen der 2. Auflage haben sich die bewährten Mitarbeiter freundlicherweise wiederum zur Verfügung gestellt. Dafür sei ihnen an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt. Hamburg, im März 1961
Hans-Heinrich Wängler
Zur 3. Auflage Die 3. Auflage dieser Arbeit, die jetzt notwendig geworden ist, erscheint in altem Entwurf und wenig veränderter Durchführung. Dazu ermutigen in erster Linie viele positive Stellungnahmen, ja dringende Bitten, den offenbar hohen Gebrauchswert des „Atlas" nicht durch grundsätzliche Veränderungen zu gefährden. Dem Autor ist diese Entscheidung nicht leicht geworden. Die Kritiker, die in der bildlichen Darstellung von normativen Sprachlauten ein prinzipiell unlösbares Problem sahen, brauchten zwar nicht zu ernst genommen zu werden; sie haben die Absicht meiner p h o n e t i s c h e n Bemühungen zu gründlich verkannt. Weit schwerer wog die Scheu, in unserer schnellebigen Zeit, die oft entscheidende technische Verbesserungen in kurzen Zeitabständen zuläßt, Materialien wieder vorzulegen, die nun schon mehr als acht Jahre alt sind. Hinzu kam der Wunsch zu umfassenderer Bearbeitung des Stoffes mit dem Ziel, seine wissenschaftliche Ergiebigkeit zu erhöhen. Das wäre indessen nicht ohne wesentliche Umstellungen und bedeutende Erweiterungen möglich gewesen. Beide Maßnahmen hätten aber weder dem ursprünglichen Plan noch den bisherigen Anforderungen entsprochen, die die Benutzer an die eingeführte Veröffentlichung stellten. Es ist deshalb bei einer sorgfältigen Überarbeitung von Text- und Bildteil verblieben. Hamburg, im September 1963 Hans-Heinrich Wängler
Zur 4. Auflage Für die 4. Auflage des „Atlas" wurden nur wenige Veränderungen vorgenommen. Sie beziehen sich vor allem auf einige Neuformulierungen im Textteil, gewisse Verbesserungen an den Abbildungen und Ergänzungen zum Literaturverzeichnis. Die Gesamtanlage der Arbeit blieb indessen unberührt, da die alte Anordnung und Darstellungsform offenbar noch nichts von ihrem Gebrauchswert eingebüßt hat. Mein besonderer Dank geht an die Mitarbeiter des Akademie-Verlages, die sich für diese Auflage darum bemüht haben, die wichtigen Deckfolien für die Originalaufnahmen technisch noch zu verbessern. Boulder (Colo.) USA, im November 1966
Hans-Heinrich Wängler
Zur 5. Auflage Bis auf Druckfehlerberichtigungen und einige nicht sachabhängige Ergänzungen, für die ich Mitarbeitern des Akademie-Verlages danke, sind für die 5. Auflage des „Atlas" keine Veränderungen gegenüber der längst vergriffenen 4. Auflage vorgenommen worden. Hans-Heinrich Wängler z. Z. Hamburg, im November 1973
Zur 6. Auflage Für die neue Auflage wurde gegenüber der alten lediglich das Literaturverzeichnis ergänzt. Hans-Heinrich Wängler Boulder, Colorado, im Februar 1975
Zur 7. Auflage Die 7. Auflage ist ein unveränderter Nachdruck der 6. Hannover, im November 1979
Hans-Heinrich Wängler
1 TEXTTEIL
1.1 V O N D E R B E D E U T U N G D E R
SPRACHLAUTE
Unter Laut verstehen wir im weitesten Sinne des Wortes etwas Vernehmbares, etwas Lautes. Der physikalische Begriff der Lautheit erscheint am unmittelbarsten davon abgeleitet. In der Phonetik denkt man im besonderen an Sprachlaute, die artikulierten Laute des Menschen, die ein geordnetes System von Verständigungszeichen darstellen. Diese menschlichen Verkehrssignale, zugleich Ausdruck und Symbol, untersucht die Phonetik als physiologische Abläufe (genetisch) und als physikalisch-akustische Erscheinungen (gennematisch). In dieser Hinsicht hatten in vorchristlicher Zeit schon die Inder 1 und Ägypter, dann Denker des klassischen Altertums 2,3 , wichtige Erkenntnisse gesammelt. Die menschliche Sprache interessierte früh als Phänomen, und so versuchte man vor allem, ihre Erscheinungsform zu zergliedern. F ü r die Zeit vom 1. bis zum 15. nachchristlichen Jahrhundert ist ein Stillstand an Begebenheiten der phonetischen Forschung festzustellen, die dann aber bis zum 17. Jahrhundert wieder einen bedeutenden Aufschwung nehmen; die ersten Promotionen erfolgen auf Grund von Dissertationen über phonetische Themen. Immer mehr machte man sich die Meinung der Alten wieder zu eigen, daß Einsicht in den Sprechvorgang die wichtigste Quelle sprachwissenschaftlicher Forschung sei. Mit dieser Entwicklung der Abkehr von spekulativer Etymologie mit dem Buchstaben als Grundlage bis zur exakten Lautlehre sind die Namen von KEMPELEN, RAPP, JOHS. MÜLLER, BRÜCKE, MERKEL, HELMHOLTZ auf der einen, RASK, GRIMM, BOPP u. a. auf der anderen Seite eng verknüpft. 1
Im 7. Jahrhundert v. Chr. bearbeitete SAUNAKA in seinem Werk „Rig-Veda-Präriääkya" schon die lautlichen Regeln der Sanskrit-Phonetik. 2 Vgl. G. PANCOSTCELLI-CALZIA, Geschichtszahlen der Phonetik (3000 Jahre Phonetik), Hamburg 1941. 3 Vgl. G. PANCONCET.LI-CALZIA, Quellenatlas zur Geschichte der Phonetik, Hamburg 1940.
10
Von der Bedeutung der Sprachlaute
Die damit vollzogene Aufspaltung der Phonetik in einen physiologischen und einen linguistischen Zweig überbrückte dann der Abbé ROTTSSELOT4, der die Erforschung sprecherischer Vorgänge bewußt in den Dienst sprachlicher Zielstellung stellte. Daß sich etwa gleichzeitig durch B. DE COURTEÎTAY6, J . W I N T E L E R 6 , F . DE SAUSSURE 7 u n d N . S. T R U B E T Z K O Y 8 d i e w i s s e n s c h a f t -
liche Betrachtung des Sprachlautes als funktionstragendes Abstraktum im Rahmen sprachlich relevanter Beziehungen ausbildete (Phonologie) und später durch E. ZWIRNER9 in der Phonometrie die Norm des Lautes durch statistische Erfassung seiner sprecherischen Variation erarbeitet wurde, braucht an dieser Stelle nur gestreift zu werden. Gerade von der z. T . grundsätzlichen Verschiedenheit der Betrachtungsstandpunkte und Arbeitsmethoden hat die allgemeine Sprachwissenschaft den größten Nutzen. Hier geht es im Sinne einer Grundaufgabe der Phonetik um Darstellung genetischer Lautmerkmale. Das K i n d lernt durch Ohr und Auge sprechen Es baut so nicht nur sein Sprechen als verlautbare Realisierung einer imaginären Form, sondern auch seine Sprache, eben dieses Normensystem relevanter Symbole selbst, an der Vielfalt apperzipierter Erscheinungs formen durch die Reproduktion entsprechender Versuchs-, später Auswahl-, schließlich Zielbewegungen auf. Es ist schon deshalb wissenschaftlich wie praktisch wichtig, die Natur des Lautbildungsvorganges zu erkennen, weil sie einen Einblick in Wesen und Werden von Sprechen und Sprache vermittelt. Darum bemüht sich die Phonetik u. a., indem sie unter Zuhilfenahme von geeigneten Geräten explorativ vorgeht, wo unsere Sinne nicht mehr ausreichen. An dieser Methode hat man häufig Kritik geübt. In erster Linie argumen tierte man gern so, daß es ja solcher Hilfsmittel nicht bedürfe, denn jedermann erlerne die Sprache ohne sie, die möglicherweise durch ihre Wesens fremdheit und Ungenauigkeit Fehlerquellen in einen ganz natürlichen Vorgang hineinprojizierten. Es ist bedauerlich, daß heute noch immer der Hinweis auf die Vielzahl der gehörlosen (und darum stummen) oder sonstwie sprachgestörten Kinder nötig ist, um Maßnahmen zu begründen, die über das allgemeine, für manche 4 5
P. J. ROUSSELOT, Les modifications de la parole, Diss. 1891. In seiner russischen Antrittsvorlesung im Jahre 1870.
• J. WINTELER, Die Kerenzer Mundart des Kantons Glarus, Leipzig 1876. 7 F. DE SAUSSURE, Cours de linguistique générale, Lausanne 1916. s X. S. TRUBETZKOY, Grundzüge der Phonologie, Prag 1939. * E. und K . ZWIRSER. Grundfragen der Phonometrie, Berlin 1936.
Von der Bedeutung der Sprachlaute
11
Zwecke ausreichende Niveau von der Kenntnis des Sprechvorganges hinaus zielen. Wer es sich zur Lebensaufgabe machte, diesen unglücklichen Kindern zu helfen, kommt u. a. an phonetischen Spezialkenntnissen nicht vorbei. Ist der Erfolg seiner Arbeit doch davon abhängig, solchen Kindern die Vorgänge der Sprachlautbildung auf eine besondere Weise ins Bewußtsein zu bringen. Ähnliches gilt auch bei der Fremdsprachenerlernung, da ein Hörer zunächst nur das richtig aufnehmen und wiedergeben kann, was ihm lautbildungsmäßig von seiner eigenen Muttersprache her vertraut ist. Mangelhaftes Beherrschen der sprachgerechten Lautbildung ist aber der erste Grund für schlechtes Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch usw. bei Aus ländern. Langandauernde Höreinwirkung des Richtigen hülfe dem sicher ab, heißt es. Doch das ist in dieser Formulierung ein hartnäckiges Märchen, das neuerdings von denen wieder erzählt wird, die die Methodik des modernen Fremdsprachenunterrichts falsch verstanden haben. Jeder kennt doch Ausländer, die schon lange Zeit in seiner Heimat leben, vielleicht zwanzig Jahre oder mehr, und trotzdem seine Muttersprache so auffällig sprechen, daß sie als Fremde zu erkennen sind, sobald sie den Mund nur auftun. Dabei haben sie das „Richtige" zweifellos lange genug gehört, bedeutend länger jedenfalls als ihre an dem angenommenen Ort geborenen Kinder, die diese Sprache fehlerlos sprechen.
Entscheidend ist natürlich nicht in erster Linie die Quantität der Höreinwirkung, sondern die Qualität. Da Hören indessen einen sehr komplizierten psychophysiologischen Vorgang darstellt, wohl mit abhängig von der Einwirkungsqualität des Schalleindrucks, hauptsächlich aber an seine richtige Deutung gebunden, heißt das hier weniger Sende- als vielmehr Aufnahme qualität. Es gilt, die richtige Apperzeption des Wahrgenommenen zu erreichen, und das geht auf sprachlichem Gebiet nicht ohne das unverfälschte Erkennen jener phonetischen Unterschiede ab, die zwischen Mutter- und Fremdsprache relevant sind. Mag in näher verwandten Sprachen die einfache phonetische Beschreibung solcher distinktiver Merkmale und ihr kontrolliertes Training ausreichen, um schließlich den neuen Laut sprachgerecht zu bilden, für Sprachen anderer Kulturkreise genügt auch das häufig genug noch nicht. Über die Natur mancher Laute in afrikanischen Sprachen beispielsweise (Schnalze, Ejektive mit oralem oder larvngalem Stützverschluß u. a.) wissen wir überhaupt nur durch das gezielte phonetische Experiment. Phonetische Experimente werden weiter wesentliche heuristische Hilfen geben, um die neueren sprachtheoretischen Erkenntnisse aus ihrem hypothetischen Stadium zu erlösen. Nach ihnen nimmt Sprache (im weitesten Sinne des Wortes) die Schlüsselposition unserer menschlichen Existenz ein.
12
Von der Bedeutung der Sprachlaute
Durch sie wird Erkenntnis erst möglich, sie ist der primäre Zugang zu ihr, prägt ihre Tiefe und Breite, bestimmt ihre Art bis in Einzelheiten hinein. Sprache ist demnach alles andere als nur ein praktisches Hilfsmittel, um immanente, aus einer Art von logischem Reservoir im Menschen geschöpfte Gedanken zum Ausdruck zu bringen, sondern sie ist vielmehr gleichzeitig Ausgangspunkt dieser Gedanken. Wir können nur durch das Gefüge von Sprache denken (i. e. S.); sie ist die Brille, durch die wir Dinge geistig sehen. Sprachen sind es, die die Natur und das Weltverständnis in verschiedener Weise aufgliedern, die eine Totalität von Gegebenheiten aus ihren gewachsenen Strukturverhältnissen heraus interpretieren; sie reflektieren und formen die verschiedenen Welten der Sprecher, die ihnen angehören. Sprechen nun, ureigentlicher Gegenstand phonetischer Bemühungen, besteht deutlich aus zwei verschiedenen Komponenten. Die eine heißt unzweifelhaft Realisierung dessen, was eine einzelsprachliche Norm fordert. Andererseits birgt aber das Sprechen noch heute das alte phonatorische Bemühen um Kontaktaufnahme eines Ich zu einem Du, aus dem sprachliche Norm im Verlaufe langer Zeiträume erst entstand. Diese sprachschöpferische Komponente des Sprechens als Vorgang ist noch heute Lebenselement der Sprachen nicht nur in dem Sinne, der meint, daß sogenannte „lebende" Sprachen auch immer gesprochen werden müssen, sondern Lebenselement durchaus im Sinne einer Grundvoraussetzung der vitalen Existenz überhaupt. Anzeichen dafür, daß Sprechen diese Funktion auch heute noch im Rahmen der sprachlichen Gegebenheiten erfüllt, ist die Tatsache ständiger sprachlicher Veränderungen durch das Agens Sprechen. Solche Gedankengänge stellen die Beschäftigung mit Sprachen, der Muttersprache10 sowohl als der Fremdsprachen11, nicht nur in ein neues Licht, sondern geben die linguistische Phonetik, besonders wenn sie genetisch und experimentell vorgeht, einmal mehr als echte sprachwissenschaftliche Grundlagendisziplin zu erkennen. Schließlich wird sich auch jeder Berufssprecher (Pfarrer, Lehrer, Sänger, Schauspieler) mit Vorteil über die genetische Seite der Laute unterrichten, sei es, um Fehlwirkungen zu vermeiden, die gelegentlich erst durch seine gehobenen Ansprüche in Erscheinung treten, sei es, um durch gründliche Materialkenntnis vom Handwerkszeug seines Berufes für die Erfüllung 10 11
L. WEISGERBER, Von den Kräften der deutschen Sprache I—IV, Düsseldorf 1953. H.-H. WÄNGLER, Bemerkungen zur Methodik des Fremdsprachenunterrichts, Zs. f. Phon. 1964, S. 347 ff. (Festschrift Häla).
Von der Bedeutung der Sprachlaute
13
seiner eigentlichen Aufgabe besser gerüstet zu sein oder die K r a f t des Ausdrucks auf der sicheren Grundlage solchen Wissens zu erhöhen. K a n n es so selbst für praktische Zwecke nur dem anspruchslosen, normalsinnigen, nicht sprachgestörten Laien als Hörer im Rahmen seiner Muttersprache weitgehend gleichgültig sein, was beim Sprechen nun eigentlich vor sich geht, so reicht solche Einstellung für eine wissenschaftliche Bearbeitung der Sprache selbstredend niemals aus. Hier werden Einsichten in die Lautbildung der einzelnen Sprachen zur unerläßlichen Voraussetzung für fundierte sprachwissenschaftliche Ergebnisse. I m übrigen hat eine jede wissenschaftliche Arbeit aus grundsätzlichen Erwägungen heraus weit über ^wairtiscA-wissenschaftliche Erfordernisse hinauszugehen.
1.2 P H O N E T I S C H E D A R S T E L L U N G S M E T H O D E N DER
SPRACHLAUTE
Entsprechend der hohen allgemeinen Bedeutung der Sprachlaute bemühte man sich früh um ihre Darstellung. In welchem Maße auch auf diesem Gebiete das Gedankengut des Altertums im Mittelalter wieder verlorenging, zeigt VAN H E L M O N T S kurioser Versuch, das hebräische Alphabet als bildliche Darstellung der betreffenden Laute zu beschreiben, weil (!) Gott hebräisch gesprochen habe 12 . Wer es heute als Phonetiker unternimmt, die Sprachlaute darzustellen, hat mancherlei Theorien gegen sich. Zunächst gibt es solche, die eine bildliche Wiedergabe der einzelnen Stellungsphasen für überholt ansehen. Die genetische Seite der Laute — so meint man — sei längst bekannt, lediglich von der physikalischen Zergliederung des akustischen Endproduktes könnten noch neue Erkenntnisse erwartet werden. Tatsächlich bleibt die genetische Darstellung einzelner Positionen eine alte Methode13 auch dann, wenn man sich, wie hier geschehen, neuerer Mittel bedient. Auf der anderen Seite stehen von der elektroakustischen Bearbeitung der Sprachlaute her fraglos noch viele weitere wichtige Ergebnisse auch auf dem Gebiet der Phonetik an. Beide Arten aber gegeneinander auszuspielen, ist durchaus ungerechtfertigt 14,15 . Will man gar im Sinne des Fortschrittgedankens die „alte" durch die „neue" Methode als überholt ansehen, so zeugt das von mangelhafter Einsicht in die Problematik der allgemeinen Aufgabe. Beide Methoden haben nebeneinander ihr volles Recht; 12
FRAÍTZ MERCURIUS VA N- HELMONT, Kurzer Entwurff des eigentlichen Na tur-Alphabets der Heiligen Sprache (1667), Neudruck besorgt von W. Vietor, Hamburg 1916, Vox 1916. AnhangS. 1 - 6 4 .
13
V g l . L a u t t a f e l n v o n TECHMER, RAUSCH, SCHNELL, V I É T O R U. a .
14
J . FORCHHAMMER, Einteilung der Sprachlaute. Akustisch oder artikulatorisch, lingüistica 8 , 1 9 5 4 / 1 , S. 34ff.
15
B. MALMBERG, Unhörbare Laute. Eine Erwiderung an J . Forchhammer, Studia lingüística 8,19.54/1, S. 54 ff.
Studia
Phonetische Davstelhingsmethoden der Spraehlaute
15
welche von ihnen man auswählt, ist ausschließlich eine Sache der speziellen wissenschaftlichen Fragestellung. Fragen der Nachrichtenübermittlung beispielsweise wird man nicht vorwiegend genetisch zu lösen suchen, während die elektroakustischen Hilfsmittel versagen, wenn es z. B. um Einblicke in die Bildung der Laute als Voraussetzung sprachheilpädagogischer Arbeit geht. Die erste Aufgabe der Phonetik aber bleibt es, den Phonationsvorgang HB. Organismus festzustellen und zu erklären. Ein weiterer möglicher Einwand wiegt schwerer. Die Wirklichkeit der Rede kennt keine isolierten Lautpositionen; die Kontinuierliehkeit des Verlaufs ist aber mit photographischen Momentbildern nicht darstellbar. Darüber könnte man sich trösten, wenn man, wie EDUARD SIEVERS 1 6 , die SfeUungslaute noch als geschlossene Einheit ansehen dürfte, die im gesprochenen Satz durch An- und Abglitt von den Übergangslauten auf kürzestem Wege verbunden werden. Gerade die Experimentalphonetik hat aber nachweisen können, daß eine solche Ansicht nicht länger aufrechterhalten werden kann. Das Sprechen, ist keine Abfolge von Stellungsphasen 17 , sondern ein kontinuierlicher Gestaltungsverlauf. Die einzelnen Laute gehen mit ihren Nachbarlauten nicht nur eine enge Verbindung ein (Koartikulation) 18 , sie sind vielmehr im Zusammenwirken mit der Komponente Stimme Endprodukte artikulatorischer Dauerbewegungen 19 , die ihre phonetischen Bestimmungsdimensionen (Artikulationsart, -ort, -modus) nur streifen und nicht einmal dann ganz zur Ruhe kommen, wenn in den Pausen, die die Sinngruppen voneinander trennen, gar keine Sprachlaute gebildet werden. Wir haben es hier demnach mit einer Ganzheit, mit einer echten Gestalt im psychologischen Sinne zu tun. Es erhebt sich die Frage, was man da noch von einer Darstellung der Einzelpositionen erwarten darf. Zunächst: Wenn auch einerseits die aneinandergesetzten Buchstaben lange Zeit die Theorie von der Reihungsabfolge adäquater Laute im Wort vortäuschen konnten, so hat doch sicher keiner, der fachlich ernst genommen zu werden verdient, sich darunter je nur die Summe klar abgegrenzt erkennbarer Komponenten vorgestellt. Die Einführung des Begriffes Gestalt (der doch besagen will, daß hier die Komponenten zu einer den Einzelteilen übergeordneten eigenwertigen Ganzheit verbunden werden durch eine Kraft, die den Komponenten selbst offenbar nicht innewohnt) hat vielfach 56
EDUARD SIEVBRS, Grimdzüge der Phonetik, 4. .AUFL. 1893, S. 32. F. DE SATTSSUBE, Conrs eto. 1916. 18 P. MEJTZBBATH und A. DE LACEBDA, Koartikulation, Steuerung und Lautabgrenzung, Berlin und Bonn 1933. 19 CHE. WINKLBR, Deutsche Sprechkunde und Sprecherziehung. Düsseldorf 1954. S. 218ff. 17
16
Phonetische Darstellungsmethoden der Sprachlaute
dazu geführt, den Blick von den Bausteinen ab- und dem neuen Ganzen allein zuzuwenden. Das kann jedoch nur dann richtig sein, wenn man unter gebührender Wertung des Umfelds wieder zu einer Gliederung fortschreitet. Gehört es doch zum Wesen geistiger Tätigkeit, vom Einzigartigen zum typisch Gemeinsamen vorzudringen und hier zu verbindlichen Ordnungen zu kommen, eine Methode, die Erkennen und Deuten des Einzelnen im Ganzen der Erscheinung voraussetzt. Eine Ganzheit ohne Einzelteile ist ebensowenig existent, wie sie durch deren Reihung allein begriffen werden kann. So ist es vielleicht nötig, die Elemente neu zu definieren und besonders ihrer Funktion im Zusammenhang sich zuzuwenden; dadurch gewinnt aber das Einzelne, besonders in seiner Abgrenzung, eher an Bedeutung im Rahmen eines neuen wissenschaftlichen Ganzheitsaspektes, als daß es daran verliert. Weiter bleibt es dabei, daß unser Ohr im gesprochenen Wort tatsächlich Reihen unterschiedlicher Schälle wahrnimmt 20,21 . Diesen Schällen muß ein Substrat artikulatorischer Organbewegung entsprechen, denn die sprachlich relevante Modifikation dieser Schälle entsteht erst durch sie. Wenn uns ihre Abgrenzung gegen das Nachbargeschehen genetisch und am Klangendprodukt nicht immer leicht fällt, so liegt das nicht zuletzt an der Unzulänglichkeit unserer experimentellen Mittel. Überwiegend ist, jedenfalls in unserer Sprache, der auch in seiner Genese gut erkennbare stationäre Anteil, die Klarphase22 des Klanges, die den Hörer zur zweifelsfreien Identifizierung des Sprachlautes gelangen läßt. Die gewiß objektiv vorhandenen Übergangsphasen sind sprachlich irrelevant und auch sprecherisch innerhalb weiter Grenzen bedeutungslos. Diese akustisch ausgeprägte Mittelphase des Klanges ist ebenso die hörbare Folge eines artikulatorischen Bewegungsausschnittes, der unter durchaus zulässiger Verallgemeinerung genetisch als der sprachlautbestimmende Moment angesehen werden kann. Er ist nicht zu kurz, um bei sorgfältiger Versuchsanordnung in Augenblicksbildern festgehalten zu werden. Das ist hier geschehen und hat über die Systematik der Anordnung hinaus in manchen Einzelheiten zu neuen Erkenntnissen geführt. Obwohl in allen diesen Beispielen demnach niemals Einzellaute gebildet wurden, alle Aufnahmen vielmehr unter häufiger Wiederholung und sorgfältiger Vergleichung der Ergebnisse aus einem gesprochenen Wort , ,heraus20 21 22
0. VON ESSEN, Allgemeine und angewandte Phonetik, 3. Aufl. Berlin 1963, S. 96. 0 . VON ESSEN, Über das Wesen der Assimilation, Vox 1953. E. DIETH, Vademecum der Phonetik, Bern 1950, S. 230.
Phonetische Darstellungsmethoden der Sprachlaute
17
geschossen" wurden, blieb es erwünschenswert, einen größeren Anteil des Bewegungsablaufes und seine positionsbedingte Beeinflussung zu untersuchen. Es wurde deshalb gleichzeitig ein Röntgentonfilm vom Sprechvorgang gefertigt, der zwar nicht aufnahmetechnisch, wohl aber phonetisch über das bekannte Material von R O B E R T J A N K E R (Bonn) aus dem Jahre 1939 deutlich hinausgeht. Der Film bestätigt die Ergebnisse der hier vorgelegten Arbeit und erweist, daß ihm gegenüber die Veröffentlichung in dieser Form für den gedachten Zweck den Vorteil größerer Anschaulichkeit bietet.
2
Wängler, Atlas
1.3 B I L D U N G D E R L A U T E
1.3.1
Anatomisches
Von den Blasinstrumenten hat man die Bezeichnung Ansatzrohr für die mit der Schallquelle meist unmittelbar verbundenen Resonanzräume auf das menschliche Sprachorgan übertragen. Obwohl der Name weder sprachlich noch sachlich 23,24 voll zufriedenstellen kann, hat er sich gut eingebürgert. Man weiß eben, daß im menschlichen Ansatzrohr nicht nur Schälle schlechthin gebildet werden, sondern Sprachlaute gestaltet und — das macht auch einen Unterschied gegenüber der ursprünglichen Bedeutung in rein technischer Hinsicht aus — erzeugt werden. Denn keineswegs ist zur Lautbildung das Zusammenwirken von Atmung, Stimme und Ansatzrohr unbedingte Voraussetzung. Bei Schnalzen und Ejektiven mit oralem Stützverschluß z. B. ist es allein tätig. Das menschliche Ansatzrohr reicht von den Stimmbändern (ausschließlich) bis zu den Mundlippen und Nasenöffnungen, umfaßt demnach den Rachenraum, (Hypo-, Meso- und Hyperpharynx), die Mundhöhle (Cavum oris) und den durch das Septum in zwei Hälften längsgeteilten Nasenraum (Cavum nasale). Mundhöhle und Nasenraum sind durch den Gaumen (Palatum) voneinander getrennt. Das ganze Ansatzrohr ist in bestimmter Weise durch Muskeln der Größe und Konfiguration nach modifizierbar und ganz mit Schleimhaut überkleidet. Man kann die für die Lautbildung wesentlichen Teile des Ansatzrohres in aktive und passive einteilen. Zu den aktiven Teilen zählen Unterkiefer, Zunge, Lippen, Gaumensegel (auch Zungenbein und Kehldeckel), zu den passiven Zähne, Zahndamm und harter Gaumen. Der Unterkiefer wird durch die Kaumuskulatur (Mm. masseter und temporalis) bewegt. 23 24
N. TRAUTMANN schlägt statt dessen „Lautrohr" vor. Die Sprachlaute etc., 1884. E . D I E T H will auch noch das nichtssagende „häßliche Bild vom angesetzten Rohr" vermieden sehen und bietet „Lautgang" an. Vademecum der Phonetik, Bern 1950, S. 124.
19
Anatomisches
Dem kräftigen Zungenmvskel (M. genioglossus) dient das Zungenbein (Os hyoideum) als Basis, an dem auch der M. hyoglossus ansetzt. Mehrere andere Zungenmuskeln durchziehen die Zunge frei, andere wirken als Retraktoren (M. palatoglossus, M. styloglossus) und machen das komplizierte Muskelsystem Zunge, beweglichstes Organ unseres Körpers, zur Erfüllung seiner vielfältigen Aufgaben fähig. Die Lippen werden hauptsächlich vom Mundringmuskel (M. orbicularis oris) sowie den viereckigen Ober- (M. quadratus labii sup.) und Unterlippenmuskeln (M. quadratus labii inf.) in jene Stellungen gebracht, die für die Artikulation wichtig werden.
Patatum (harter Saun Atveoiarrond Oberlippe— Zähne Unterlippe lungeUnterkiefer-
Schematische
Darstellung
der menschlichen
Sprechorgane
Die ausgiebige Beweglichkeit des Gaumensegels (Velum) weist wieder darauf hin, daß hier mehrere Muskeln zusammenwirken. Zu nennen sind der M. tensor veli palatini, der M. levator veli palatini und der M. uvulae, der im Zäpfchen enthalten ist, in welches der weiche Gaumen ausläuft. Die Arbeit dieser drei Muskeln bewerkstelligt, zusammen mit dem obersten der drei Schlundschnürer (Mm. constrictores pharyngis), der bei Funktion den „PASSAVÁNTschen Wulst" ausbildet, den gelegentlich vollkommenen Abschluß des Nasenraumes von der Mundhöhle. Der Kehldeckel (Cartílago epiglottica) wächst, wie ein Schuhlöffel geformt, aus der Incisura thyreoidea (deren Rand äußerlich als „Adams2*
Physikalisches
21
weise eine Schwerhörigkeit bis in den Bezirk von etwa 600—900 Hz herunter, so klingen die Vokale i, e und a dem geschädigten Ohre wie ein dumpfes o, weil diese Vokale noch einen Unterformanten haben, der — wie der Hauptformant des o — noch unterhalb dieser Grenze liegt. Manche Konsonanten haben einen noch höheren Formantbereich als die Vokale, und nicht selten Formantbereiche deutscher Vokale
a a:
um 800 Hz „ 750 „ „ 500 „ ,, 375 ,, „ 500 „ „ 325 „ „ 275 „ „ 500 „ „ 375 „ „ 325 „ „ 275 „ „ 500 „ „ 375 „ „ 325 „ „ 275 „
£
e:
8
I i:
0 o:
u u: ce
0
Y
y:
um 1400 Hz „ 1150 „ „ 1900 „ „ 2100 „ „ 1200 „ „ 2200 „ „ 2400 „ „ 900 „ „ 850 „ „ 850 „ „ 750 „ „ 1550 „ „ 1700 „ 1800 „ » 2000 „
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auf G r u n d
unserer B e o b a c h t u n g e n
festgestellten
nasal-pharvngalen
Physiologisches
25
Öffnungsgrade bleiben nicht nur sprachlich, sondern auch sprecherisch irrelevant 30 . H E L M H O L T Z vertrat die Ansicht, daß die für die einzelnen Vokale charakteristischen Partialtöne bereits durch die Schwingungsform der Stimmlippen angelegt werden. Das mag immerhin das auslösende Moment der Vokalbildung sein. Das Bestimmende ist aber zweifellos die Ansatzrohrgestaltung. Schon J O H S . M Ü L L E R 3 1 wies das nach. Bläst man einen Leichenkehlkopf an, nachdem man durch geeignete Manipulationen die Annäherung der Stimmlippen erreicht hat, so resultiert ein quäkender Pfeifton, nichts sonst. Modelliert man darüber aber das Ansatzrohr und formt es nach den phonetischen Merkmalen des einfachen Sprachlautes, so entsteht bei neuerlichem Anblasen eben dieser Laut 32 . Die bekannten Summer, die seit Jahrzehnten von vielen Menschen nach erfolgter Kehlkopfexstirpation verwendet werden, beweisen dasselbe. An geeigneter Stelle, etwa im Hals-Unterkiefer-Winkel, gegen das Ansatzrohr gesetzt, entstehen bei entsprechender Artikulation klar verständlich Vokale und stimmhafte Konsonanten. 30
H.-H. WÄNGLER, Uber die Punktion des weichen Gaumens beim Sprechen, VViss. Zs. d. Martin-Luther-Universität H a l l e - W i t t e n b e r g 1962, S. 1747 ff. 31 J O H S . M Ü L L E R , Handbuch der Physiologie des .Menschen, Coblenz, 1837, 2. Aufl. 1. Abt. 32 Vf. hat seither den Versuch mehrmals mit bestätigenden Ergebnissen nachgebaut.
1.4 D I E E I N T E I L U N G D E R
SPRACHLAUTE
Aus der Überfülle der physiologisch denkbaren Artikulationsmöglichkeiten — ihre Zahl ist theoretisch unbegrenzt — wählt eine jede Sprachgemeinschaft jeweils n u r wenige aus. Das Prinzip dieser Auswahl b e r u h t nicht einfach auf angestrebter Leichtigkeit der Bildung, wenngleich gewisse organbedingte u n d physiologisch naheliegende L a u t m e r k m a l e weltweit verbreitet sind. Vielmehr spielen hier verschiedenartige psychologische Grundvoraussetzungen eine entscheidende Rolle. Welcher N a t u r diese sind u n d welchen Gesetzen sie im einzelnen folgen, das k o n n t e bis heute nicht fraglos dargestellt werden. Der Phonetiker h a t auch k a u m Anteil an ihnen, im allgemeinen setzt seine Arbeit die gegebene Sprechwirklichkeit voraus. Gewiß erkennen wir unsere Sprachlaute im wesentlichen an ihren akustischen Zeichen 33 . Wird nur deutlich genug artikuliert, so können sie auch von der Schallplatte, dem Tonbandgerät oder dem R a d i o her zweifelsfrei identifiziert werden. Das geht jedoch n u r deshalb, weil wir in unserer Muttersprache wissen, wie sie gebildet werden. Die akustische Erscheinungsform erweckt in uns die Erinnerung an vert r a u t e motorische Abläufe, die — wie d u r c h jahrelange frühkindliche Ü b u n g gefestigte E r f a h r u n g uns lehrte — zu entsprechenden R e s u l t a t e n führen. Wir abstrahieren, u n d die Abstraktion gelingt in dem erfolgsbestimmenden Maße, weil wir uns eine empirische K e n n t n i s der Grundtatsache aufbauten, d a ß die akustische L a u t f a r b e gänzlich von ihren physiologischen Ausgangstatsachen abhängig ist. Dieser Vorgang liegt recht eigentlich d e m natürlichen A u f b a u unserer Muttersprache zugrunde, mindestens ist er so unlöslich eng mit ihm v e r k n ü p f t , daß uns die ursächlichen Zusammenhänge gar nicht mehr bewußt werden.
33
Die Schriftzeichen sollen hier ganz außerhalb der Betrachtung bleiben.
Die Einteilung der Sprachlaute
27
So ist im Irrtum, wer glaubt, bei der Bearbeitung fremder Sprachen reiche der akustische Perzeptionsweg aus, um zu Einsichten in die Laute, ihre Bildung und ihr System zu gelangen. Davon kann keine Rede sein. Was man hört, versteht, aufschreibt und kategorisiert, ist nicht der Sprachlaut, sondern mehr oder weniger die eigene, muttersprachlich dirigierte Vorstellung von ihm. Unser Ohr ist kein Mikrophon. Selbst wenn aber der kompliziert psychophysiologische Akt Hören nichts anderes wäre als objektive Registrierung von Schall Vorgängen, käme man keinen Schritt näher an das eigentliche Problem heran, denn ein jedes Klangendprodukt läßt nur leichtsinnige Schlüsse auf seine Entstehung zu. Diese gilt es jedoch gerade zu erkennen, denn von der Genesis her sind die sichersten Einblicke in die Natur der Sprachlaute und ihren positionsbedingten Wandel zu erwarten. I n dieser Hinsicht kann auch die große Zuverlässigkeit der neueren physikalischen Analyse und Synthese der Laute, die beispielsweise für die Nachrichtenübermittlung einen hervorragenden praktischen Wert besitzt, keinen Ersatz bieten. Nun ist es weder möglich noch notwendig, alle lautkonstituierenden Faktoren zu erkennen und zu beschreiben, denn lange nicht alle werden als Unterscheidungskriterium wichtig. Es reicht durchweg aus, die phonetischen Bestimmungsdimensionen: a)
Artikulationsstelle,
b) artikulierendes Organ, c)
Artikulationsmodus
einzusetzen. Daneben ist es oft noch wichtig, den Überwindungsmodus, zu dem auch die Angabe der Stimmhaftigkeit gehört, zu kennzeichnen. Zur Angabe der Artikulationsstelle eignen sich in erster Linie alle Teile des Mundraumes, die sich bei der Lautbildung in wesentlichen passiv verhalten, soweit diese von einem artikulierenden Organ berührt werden: vor allem der (bis auf den velaren Bezirk) feststehende Gaumen mit Oberzahnreihe und Zahndamm, aber auch der Rachenraum und der Kehlkopf. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, auch noch die Oberlippe und das Zäpfchen einzubeziehen, ein Verfahren, das im Grunde nicht ganz korrekt ist, weil sie sehr wohl auch als artikulierende Organe verstanden werden können. So ergibt sich diese Gebietsaufteilung als erstes Bestimmungsstück der Lautbezeichnung:
28
Die Einteilung der Sprachlaut«
Artikulationsstelle
Lautbezeichnung
Oberlippe
Labiales (Lippenlaute)
Oberzahnreihe
Dentales (Zahnlaute) a) Addentales b) Interdentales 3 4
Oberer Zahndamm
Alveolares (Zahndammlaute)
Vorderer Mittlerer Hinterer
PraeMedioPost-
Hartgaumen
Palatales (Gaumenlaute)
Weichgaumen
Velares (Gaumensegellaute)
Zäpfchen
Uvulares (Zäpfchenlaute)
(Mund-) Rachen
Pharyngales (Rachenlaute)
Kehlkopf
Larvngales (Kehllaute) 35
Die aktiven Teile sind in erster Linie artikulierende Organe (mit Ausnahme von Oberlippe und Velum, s. o.). Das zweite Bestimmungsstück der Laute f ü h r t zu folgenden Bezeichnungen: Artikulierendes Organ
Lautbezeichnung
Unterlippe
Labiales
Zungenkranz
Koronales 36
Vordere Mittlere Hintere
PraeMedioPost-
Zungenoberfläche
Stimmlippen
Dorsales
Laryngales
Der Artikulationsmodus beschreibt die Art und Weise, wie die beiden vorerwähnten Bestimmungsstücke zur Lautbildung zusammenwirken. Es wird hier nach 34 35 36
Nicht im Deutschen. Nicht im Deutschen. Als Bezeichnung, die auch den Zungenkranz noch auf einen bestimmten Bezirk, die Zungenspitze, eingrenzt, ist „apikal'" eingeführt. Siehe a. S. 39.
Die Einteilung der Sprachlaute
29
1. Öffnung (Phonationsstrom nicht behindert) 2. Reibung bzw. Enge (Phonationsstrom behindert) a) Lateralenge (Phonationsstrom tritt seitlich aus) 3. Verschluß (Phonationsstrom wird im Ansatzrohr abgesperrt) a) Unterbrochener Verschluß (Phonationsstrom wird durch schnelle Folge von Verschluß und Öffnung unterbrochen) 4. Nasalöffung (Phonationsstrom kann Nasenraum passieren) 5. Uberwindungsart (wie der Phonationsstrom die Hemmung übemoindet) unterschieden. In der Regel genügt eine Angabe aus jedem Bestimmungsstück neben der Angabe stimmlos bzw. stimmhaft, um die Lautbildung zu charakterisieren. So ist etwa „p" ein bilabialer 37 stimmloser Verschlußlaut, ,,n" ein alveolar koronaler (stimmhafter) Nasal. Mit der Benennung der wesentlichen Artikulationsmerkmale ist eine für praktische Zwecke hinreichende Kennzeichnung der Konsonanten gegeben. Das System entspricht im Prinzip der Erscheinung. Während es aber Verschluß und Reibung bzw. (meist auffällige) Enge gut erfaßt, leistet es naturgemäß weit weniger, wo es, wie bei den Vokalen, um die Darstellung der Resonanzraumgestaltung geht. Ist doch bei Bildung der Öffnungslaute in der Regel die Zungenspitze nicht aktiv beteiligt ; weiter kommt es bei ihnen zu keiner Berührung der Zunge in der Mittellinie des Gaumens 38 . Bei dem Versuch, die Vokale hinsichtlich ihrer physiologischen Merkmale in ein einfaches System zu bringen, kam HELLWAG im Jahre 1 7 8 1 3 9 auf sein bekanntes Vokaldreieck. Er orientierte sich an der Zungenlage und nahm deren Extremstellungen (a — tiefste Zungenlage; i = größte Hebung der Vorderzunge; u = größte Hebung der Hinterzunge) zu Eckpunkten. Die anderen Vokale gruppierten sich dann nach Zwischenstellungen. Unter den zahlreichen späteren Darstellungsversuchen seien die von CHLADNI, D U B O I S - R E Y M O N D , WINTELER-SIEVERS, TECHMER, TRAUTMANN, B E L L , SWEET, PASSY, JONES, FORCHHAMMER 37
und
STUMPF
hervorgehoben.
In diesem Falle ist mit „bilabial" schon etwas über Artikulationsstelle und das artikulierende Organ (Oberlippe-Unterlippe) ausgesagt. 38 „Vokale sind Öffnungslaute, zu deren Klangfarbengestaltung die Resonanz der Ansatzräume wesentlich ist, ohne Berührungsfläche in der Mittellinie des Gaumens, sofern sie prosodische Wortmerkmale tragen...". VON ESSEN, Allgem. und angewandte Phonetik, 3. Aufl., Berlin 1962, S. 72. 39 CHR. FE. HELLWAG, Dissertatio inauguralis physiologico-medica de formatione loquelae, Tübingen 1781. Neudruck (Vietor) Heilbronn 1886.
Die Einteilung der Sprachlaute
30
Später entstand in Erweiterung und Berichtigung das Vokalvier eck40 als brauchbare Übersichtsfigur. Solchen Anordnungen haften aber zweifellos erhebliche Mängel an, die dadurch nicht geringer werden, daß man sie mit einer Fülle von Einzelangaben überhäuft. Sie erreichen bei weitem nicht die Klarheit der Konsonantengruppierung. 40
Von der Kopenhagener Konferenz (1925) angenommen. Siehe a. S. 22 u. S. 34.
e
u
u
o
o
ä
vordere
ä a
HELLWAGS V o k a l d r e i e c k (1781)
a
Vokalviereck der sogenannten Kardinalvokale
1.5 P H O N E T I S C H E
UMSCHRIET
Unsere konventionellen Schriftzeichen der Orthographie lassen kein sicheres Erkennen der Lautwerte zu. Dabei wirkt sich weniger der Grad der Abstraktion störend aus (das „e" der Stammsilbe in „beten" ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von dem in „betten" deutlich verschieden), als vielmehr die Tatsache, daß einerseits manch gleicher Laut durch verschiedene Buchstaben bezeichnet wird, andererseits aber ein einziges Schriftzeichen als Symbol für verschiedene Laute dient. So erscheint z. B. der stets gleichartige stimmlose s-Laut im deutschen Schriftbild bald als s, bald als ss oder ß, während die sogenannten vorderen bzw. hinteren ,,ch"-Laute („ich" bzw. „ach") trotz ihrer wesentlichen phonetischen Unterschiede durch die gleichen Buchstaben abgebildet werden. Weiter bleibt es gelegentlich bei demselben Schriftzeichen, wenn die Komponente Stimme hinzutritt (stimmloses „s" — stimmhaftes „s"), während für die Kennzeichnung des entsprechenden Vorgangs beim vorderen „ch" ein ganz neues Schriftzeichen gebraucht wird („j"). Solche Inkonsequenzen und Unzulänglichkeiten machten es für wissenschaftliche wie für praktische Bedürfnisse gleichermaßen notwendig, einen jeden Laut unmißverständlich darzustellen. I m Verlaufe der Zeit wurde eine ganze Reihe phonetischer Umschriftsysteme aufgebaut. Besondere Erwähnung verdienen die von LEPSIUS, ELLIS, SWEET, JESPERSEN und FORCHHAMMER41. Heute ist eine monotype Weiterentwicklung, das System der International Phonetic Association (IPA), am weitesten verbreitet. Mag man für Sonderaufgaben andere geeigneter finden (z. B. das diakritische System der Kopenhagener Konferenz, 1925), zur Kennzeichnung der deutschen Sprachlaute ist es gut geeignet. Zur vorläufigen Orientierung werden die Zeichen kurz erläutert, die für die Kennzeichnung deutscher Sprachlaute wichtig sind. 41
Vgl. M . H E E P E , Lautzeichen und ihre Anwendung in verschiedenen Sprachgebieten. Berlin 1928, und The Principles of the International Phonetic Association, London 1949.
1.6 D I E D E U T S C H E N
1.6.1 [b] [p] [m] [d] [t] [n] [g] [k] [rj] [v] [f] [z] [s] [f] [j] [9] [x] [1] [r] [R] [h]
SPRACHLAUTE
Übersicht
— stimmhafter, bilabialer Verschlußlaut: bitte, Ebbe — stimmloser, bilabialer Verschlußlaut: Peter, Mappe, knapp — stimmhafter, bilabialer Nasal: Mutter, Amme, L a m m — stimmhafter, alveolar-koronaler Verschlußlaut: Dieb, Ida — stimmloser, alveolar-koronaler Verschlußlaut: Tag, Watte, Welt — stimmhafter, alveolar-koronaler Nasal: Name, Kanne, Mann — stimmhafter, velar-postdorsaler Verschlußlaut: Garten, legen — stimmloser, velar-postdorsaler Verschlußlaut: Karl, wecken, Sack — stimmhafter, velar-postdorsaler Nasal: Angel, eng — stimmhafter, denti-labialer Reibelaut: Wiege, ewig — stimmloser, denti-labialer Reibelaut: Finger, Vater, Affe, Haff — stimmhafter, (denti-)alveolar-praedorsalerReibelaut: singen,langsam — stimmloser, (denti-)alveolar-praedorsaler Reibelaut: was, essen, Haß — stimmloser, präpalatal-koronaler Reibelaut mit Lippenrundung: Schüler, Esche, rasch — stimmhafter, palatal-dorsaler Reibelaut: ja, A j a x — stimmloser, palatal-dorsaler Reibelaut: China, ich — stimmloser, velar-postdorsaler Reibelaut: suchen, ach — stimmhafter, alveolar-koronaler Lateralengelaut: Laut, alle, Null —stimmhafter, alveolar-koronaler Schwinglaut ( = Zungenspitzen-r): rot, Ehre, Herr — stimmhafter, uvular-postdorsaler Schwinglaut ( = Zäpfchen- oder ,,Rachen"-r): rot, Ehre, Herr — stimmloser, gehauchter Vokaleinsatz: halt, Ahorn 42 .
Die Stimmhaftigkeit ist ganz allgemein starken graduellen Schwankungen unterworfen. Sie erscheint vor allem positionsbedingt und von Akzentuierungsverhältnissen abhängig, unterliegt aber auch mundartlichen 42
Gehauchter Vokalabsatz im Deutschen nur ausdrucksrelevant (z. B. ah!).
Die deutschen Sprachlaute Tabellarische
Übersicht über die deutschen
Lab.
Verschl.
Stil.
stl.
[b]
[PL
zeritr. Enge
33
Dent.-Alv. sth.
stl.
M
M
[v]
[f]
lat.
Sprachlaute Pal.
sth.
stl.
[d]
[t]
sth.
[j]
M
Vel.
stl.
sth.
stl.
[g]
[k] [x]
M
[1]
interm. Verschl.
[E]
[r]
öffng. Nas.
Unlok.
[h] [m]
[n]
Vorn
fo]
Mitte
Hinten
Hoch
['] [ I ] M m
[u] [u]
Mitt.
[e] |>][0],[ce]
[0] [ o ]
Flach
[a]
Diphth. [ai]
_ [a°] - [ 0 y]
[a]
Gewohnheiten. Volle Stimmhaftigkeit von Verschlußlauten trifft man nur noch im Inlaut zwischen Vokalen an, während sie in Auslautstellung und auch im Anlaut geschwunden oder doch stark reduziert ist. Die deutsche Hochsprache43 fordert noch ba: dan ( = baden), aber ap ( = Part, ab) z. B. in 'apbla:zan (abblasen). [a] — kurzer, vorderer (heller) a-Laut: hatte, Mann [a:] — langer hinterer (dunkler) a-Laut: Abend, Tat [s] — kurzer, offener e-Laut: Ebbe, Bett 43
3
SIEBS, Deutsche Hochsprache (Bühnenaussprache), 18. Aufl. Berlin 1961, „Alle b, d, g im Silbenanlaut sind stimmhaft zu sprechen, wie es in Norddeutschland üblich ist. Eine bloße Lenis-Aussprache ohne Stimmton, wie sie in Mittel- und Süddeutschland herrscht, genügt nicht." S. 78. ,,Alle b, d, g im Silben -oder Wortauslaut sind stimmlos. Sie unterscheiden sich in nichts von stimmlosen p, t, k, sind also wie diese behaucht zu sprechen." „Silbenschließendes b, d, g vor stimmhaft anlautenden Ableitungssilben wie : -lieh, -lein, -ling, -nis, -bar, -sam, -sal, -sei verliert ebenfalls den Stimmton, ist aber weniger energisch (lenis) zu verhärten und nicht, wie sonst, im Auslaut zu behauchen." S. 78. W ä n g l e r , Atlas
34
[s:] [e:] [a] [i] [i:] [o] [o:] [u] [u:] [ce] [0] [Y] [y:] [a 1 ] [a°] [Dy]
Die deutschen Sprachlaut«
— langer, offener e-Laut: äsen, Käse 44 — langer, geschlossener e-Laut: eben, lesen, See — kurzer, unbetonter (schwacher) e-Laut: hatte — kurzer, offener i-Laut: immer, bitte — langer, geschlossener i-Laut: Ida, Miete, nie — kurzer, offener o-Laut: offen, Tochter — langer, geschlossener o-Laut: Ofen, Sohn — kurzer, offener u-Laut: Ulm, Mutter — langer, geschlossener u-Laut: Uhr, Mut, du — kurzer, offener o-UmLaut: Hölle, Götter — langer, geschlossener o-Umlaut: Höhle, Goethe — kurzer, offener u-Umlaut: üppig, Hütte — langer, geschlossener u-Umlaut: Übel, Hüte — Diphthong: eine, nein, Bäckerei — Diphthong : aus, Laut, Frau — Diphthong: euch, Fräulein, neu
Länge wird allgemein durch Punkte hinter dem Umschriftzeichen angedeutet.
35
Die Konsonanten
1.6.2 Die
Konsonanten
1.6.2.1 Die
Verschlußlaute
Nur in dieser Lautklasse wird der vollkommene Abschluß des Nasenraumes von der Mundhöhle erreicht (s. S. 24). Das artikulierende Organ legt sich der Artikulationsstelle an (I. Phase). Während dieser Status über einen Zeitraum aufrechterhalten wird, staut sich hinter dem Verschluß die L u f t (II. Phase), bis dieser sich unter explosiver Geräuschbildung aktiv löst (III. Phase) 45 . Das gilt für die Lenes wie für die Fortes. Bei diesen ist der Luftstau wohl größer, aber doch nicht etwa so groß, daß er von sich aus zur Sprengung des (in diesen Fällen normalerweise gespannteren) Verschlusses führte. Dagegen sind die Berührungsflächen bei den Fortes allgemein geringer (!) als bei den Lenes. Zu den Merkmalen der Lenis-Reihe gehört im Deutschen in der Regel die Stimmhaftigkeit, zu denen der Fortis-Reihe Stimmlosigkeit, größere Spannung und im absoluten Anlaut sowie im Auslaut kräftige Aspiration 46,47 . Stehen die Verschlußlaute im absoluten Anlaut oder geht ihnen ein anderer Laut der gleichen Artikulationsstelle voraus, so erfährt die I. Phase durch VERSCHLUSSLAUTE = EXPLOSIVAE
45 46
47
3*
Lenes
Fortes
(Mediae)
(Tenues)
stimmhaft
stimmlos
ungespannt,
gespannt,
unaspiriert
aspiriert
[b] [d]
[P] [t]
[g]
M
Die Aufnahmen wurden während der II. Phase gefertigt. Im Französischen und auch im Englischen besteht zwischen Fortes und Lenes sprachgerecht ein geringerer Unterschied als im Deutschen. Für die Behauchung deutscher Tenues gelten Einschränkungen, wenn diese in bestimmten Kombinationsanordnungen mit Reibelauten (z. B. pf, ts — orthographisch z, tz; ps und ks — orthographisch x, chs) stehen.
36
Die deutschen Sprachlaute
das Ausfallen der Implosion, der Schließung, eine Änderung; stehen die Verschlußlaute im absoluten Auslaut, so fällt — neben der Komponente Stimme bei den Lenes (s. u.) — die I I I . Phase, die Explosion, wohl gelegentlich ganz weg. Bei schnellem Sprechen können mangelhafte Verschlüsse zur Bildung homorganer Reibelaute führen. Diese Modifikationen sind jedoch sprachlich nicht relevant; sie haben als phonetische Varianten zu gelten. Ebenso schwankt die Stimmhaftigkeit der Mediae in ihrer Intensität beträchtlich. Anlautstellung und die Nachbarschaft eines stimmlosen Konsonanten bewirken weitgehenden, wenn nicht totalen Verlust der Komponente Stimme. Im Auslaut werden die Medien überhaupt zu Tenues (vgl. Anm. 43)48. [b] — stimmhafter, bilabialer Lenis-Verschlußlaut (orthogr. b, bb: Baum, aber, Ebbe) [p] — stimmloser, bilabialer Fortis-Verschlußlaut (orthogr. p, pp, im Auslaut b: Papier, Puppe, Dieb). Unter Absperrung des Nasenweges (durch das Velum) und des Mundes (Artikulation der Unterlippe gegen die Oberlippe) steigert sich der intraorale Druck bis zur Verschlußlösung 49 . Die Stellung der unbeteiligten Zunge wird in der freien Rede einerseits durch die vokalische Umgebung, andererseits durch die Tendenz bestimmt, in der Indifferenzlage zu verharren. [d] — stimmhafter, alveolar-koronaler Lenis-Verschlußlaut (orthogr. d, dd: du, baden, Pudding) [t] — stimmloser, alveolar-koronaler Fortis-Verschlußlaut (orthogr. t, th, tt, dt, im Auslaut d : tausend, Thema, bitten, Stadt, Hand). Auch hier wird der Nasenweg total verlegt. Verschlußbildung durch Berührung des Zungenrandes in seinem vorderen Teil mit dem Zahndamm bzw. Teilen der Oberzahnreihe. Gewisse Veränderungen (Artikulationsstelle Hinterseite der oberen Schneidezähne, artikulierendes Organ: Zungenblatt) sind dialekt- oder positionsbedingt. 48 49
Im Gegensatz zum Französischen und Englischen. Dieser Vorgang darf jedoch nicht so gedacht werden, daß der intraorale Druck in der Fortis-Reihe (im Gegensatz zur Lenis-Reihe) die Verschlußsprengung allein herbeiführt bzw. gar erzwingt.
Die Konsonanten
37
[g] — stimmhafter, velar-postdorsaler Lenis-Verschlußlaut 59 (orthogr. g, gg: gut, Wagen, Egge) [k] — stimmloser, velar-postdorsaler Fortis-Verschlußlaut 50 (orthogr. k, ck, c, ch, qu, im Auslaut g: Kohle, Bäcker, Cuxhaven, Chor, Quarantäne, Tag). Die Zunge bewegt sich in ihrem hinteren Teil gegen den weichen Gaumen. Da dieser seinerseits den Nasenraum absperrt, muß die Hinterzunge sich — bei großem Kieferwinkel stark — heben, um einen Verschluß zu erreichen. 1.6.2.2
Die
Nasallaute
Die Nasales dieser drei Artikulationsgebiete entsprechen den Explosivae insofern, als im Mundraum die Gestaltung ganz gleichsinnig erfolgt [b], [p] [m]; [d], [t] -> [n ]; [g], [k] -> [13], Der entscheidende Unterschied beruht darauf, daß das Velum hier schlaff herunterhängt und so eine ungehinderte Passage Mundraum—Nasenraum ermöglicht. Es versteht sich von selbst, daß es jetzt trotz des oralen Abschlusses nicht mehr zur Sprengung kommt, weil die Luft durch die Nase entweichen kann. Im Deutschen sind die Nasale stets stimmhaft 5 1 . [m] — stimmhafter, bilabialer Nasal (orthogr. m, m m : Mensch, Blume, Dom, Sommer). Die Lippen treffen locker aufeinander. Die Zunge liegt unbeteiligt (häufig etwas nach unten gespannt) im Mundboden. Das Gaumensegel hängt entspannt auf den hinteren Teil des Zungenrückens und gibt so den Nasenweg vollkommen frei. [n] — stimmhafter, alveolar-koronaler Nasal (orthogr. n, nn: Nase, weinen, Mann). Die Lippen sind geöffnet, bei deutlicher Artikulation leicht seitwärts gespannt. Die Zunge schließt mit ihrem vorderen Rand den Mundraum nach vorn-oben zu ab; ihre Spitze befindet sich dabei an den Zahntaschen der oberen Schneidezähne bzw. an diesen selbst. Das Gaumensegel hängt entspannt herab und gibt damit den Nasen weg frei. 59 51
Beide Laute werden, abhängig von der Lautumgebung, auch postpalatal-dorsal gebildet. Stimmlose Nasale sind durchaus möglich. Sie kommen (nach Sievers) im Isländischen, (nach Panconcelij-Calzia) im Ndonga, (nach Dammann) im Kwangali und (nach Sapir) im Kymbrischen (Walisischen) und in einigen Indianersprachen vor.
38
Die deutschen Sprachlaute
[q] — stimmhafter, velar-postdorsaler Nasal (orthogr. ng bzw. n k, wenn beide zum Stamm gehören: jung, Bank). Die Zungenspitze bleibt an der Innenkante der Unterzahnreihe liegen oder ist doch nur wenig davon zurückgezogen. Der Zungenrücken hebt sich gegen das Gaumendach und schließt den Mundraum etwa am Übergang vom harten zum weichen Gaumen ab. Das Gaumensegel hängt wieder auf den hinteren Teil des Zungenrückens herab und läßt so die freie Passage des Phonationsstromes zum Nasenraum zu. 1.6.2.3 Die Reibe- oder Engelaute
Die Reibe- oder Engelaute stehen ihrem Öffnungsgrade nach zwischen den Verschlußlauten und den Vokalen. Einerseits nähert sich das artikulierende Organ der Artikulationsstelle, aber es kommt eben nicht zur Verschlußbildung, dem bestimmenden Lautmerkmal der anderen Klasse. Von den Vokalen andererseits unterscheiden sich die Reibe- oder Engelaute, soweit sie stimmhaft sind, in bezug auf ihre Hervorbringung hauptsächlich durch den höheren Grad der Schließung 52 . Daraus ergibt sich, daß Reibelaute Grundzüge der beiden anderen Gruppen aufweisen. So kommt es denn, besonders in mundartlich gebundener Rede, auch vor, daß die Qualitäten Gefahr laufen, ineinander überzugehen (z. B. [ja] ['ia:] -> ['ea:]). Sprachgerechte bilabiale Reibelaute gibt es — im Gegensatz zum Englischen und Französischen — im Hochdeutschen nicht 53 . [v] — stimmhafter, denti-labialer Reibelaut (orthogr. w, v im An- oder Inlaut von Fremdwörtern: Winter, Löwe, Vase, Klavier) [f] — stimmloser, denti-labialer Reibelaut (orthogr. f, ff, v im An- oder Inlaut deutscher oder eingedeutschter Wörter: Frieden, Schiff, Vater). Die Unterlippe legt sich leicht den Schneiden der Oberzahnreihe an, Zungenlage flach, Gaumensegel gehoben (s. S. 24). Durch leichte Spannung der lateralen Ränder verhindern Unterlippe und Zunge das seitliche Austreten des Luftstromes bzw. eine allzu „breite" Geräuschbildung. Die 52
53
Palatogramme weisen allerdings aus, daß Vokale hoher Zungenstellung gelegentlich größere Gaumenberührung haben als „Engelaute". In dieser Hinsicht birgt solche Bezeichnung Problematisches. In Mittel- und Süddeutschland sind sie mundartlich bedingt. Hier wird die Enge bei [v] durch Annäherung von Unter- und Oberlippe gebildet. Ebenso in der Lautverbindung [kv] (orthogr. qu).
Die Konsonanten
39
Zungenspitze bleibt an der Innenseite der Unterzahnreihe liegen. Der Kieferwinkel ergibt sich aus der Berührung Unterlippe-Oberzahnreihe. Sprachgerechte interdentale oder addentale Engelaute kommen im Deutschen nicht vor [z] — stimmhafter, dentalalveolar-praedorsaler Reibelaut (orthogr. s im Anlaut des Wortes oder der Silbe: Sonne, Nase) [s] — stimmloser, dentalalveolar-praedorsaler Reibelaut (orthogr. s im Auslaut, in der Verbindung vor Konsonanten auch im Anlaut, st, und sp im Inlaut und Auslaut, ß und ss: Glas, Sklave, Knospe, Wurst, Fuß, essen). Die Vorderzunge wölbt sich (unter leichtem Abstützen ihrer Spitze an der Innenfläche der Unterzahnreihe) dem oberen Zahndamm entgegen. Die Vorderzahnreihen nähern sich einander, die Lippen zeigen leichte Breitspannung. Der Luftstrom wird in angedeuteter, nach vorn sich verbreiternder Längsrille der Zunge durch die Enge an die Schneidezähne herangeführt und bricht sich hier. Das Gaumensegel ist gehoben. Die Bildung wird im allgemeinen fälschlicherweise als „koronales s" 5 4 bezeichnet. Demgegenüber ist das „apikale s" durch freischwebende Zungenspitze (zwischen Zahnspalt und Alveolarrand) charakterisiert. [J] — stimmloser, präpalatal-koronaler Reibelaut (orthogr. schund im Anlaut der Stammsilbe deutscher oder eingedeutschter Wörter bei den Verbindungen st und sp durch den Buchstaben s: waschen, Stunde, sparen). Die Stellung der Zunge ist ähnlich wie die beim apikalen s, nur ihre Spitze ist weiter zurückgezogen, die Längsrille breiter und die dorsale Aufwölbung größer. Delle hinter dem vorderen Zungenrand. Die Lippen stülpen sich (in der freien Rede mehr als im Englischen, weniger als im Französischen) vor, das Gaumensegel ist gehoben. [j] — stimmhafter, palatal-dorsaler Reibelaut (orthogr. j, bei Eigennamen und Fremdwörtern auch y : jung, York) [9] — stimmloser, palatal-dorsaler Reibelaut (orthogr. ch, g in Silbe -ig: ich, Honig, Predigt). Die Zungenspitze liegt leicht an der Unterzahnreihe an, der Zungenrücken aber wölbt sich weit hoch. Alles strebt nach vorn-oben und bildet 54
E. DIETH, Vademecum der Phonetik, Bern i960. S. 186/187.
40
Die deutschen Sprachlaute
unter Anlehnen an die lateralen Bezirke des harten Gaumens eine Rinne in der Mitte. Diese Enge — sie ist enger als im Englischen — passiert der Luftstrom unter Geräuschbildung beim [j] mit, beim [9] ohne Stimme. [x] — stimmloser, velar-postdorsaler Reibelaut (orthogr. ch nach a-, o- und u-Lauten: Buch). Hier kommt es zur Engebildung zwischen Zungenrücken und (gehobenem) weichem Gaumen. Die Zunge strebt nach hinten oben. Der Kieferwinkel hängt weitgehend von der Lautnachbarschaft ab. Ist er kleiner, dann kommt es zu größeren Berührungsflächen der Hinterzunge an den Backenzähnen bzw. deren Alveolarrändern. Dieser (dem [9] gegenüber im Deutschen ursprüngliche) Laut steht heute nur noch nach a, o, u, au, wenn er zum gleichen Stamm gehört. Das Deutsche kennt nur einen sprachgerechten Lateralengelaut: [1] — stimmhafter, alveolar-koronaler Lateralengelaut (orthogr. 1, 11: lachen, alle). Die Zunge berührt mit ihrer Spitze den Zahndamm der oberen Schneidezähne. Dabei ist der Kiefer mehr als bei den meisten Konsonanten abgesenkt. Das Röntgenbild zeigt im Gegensatz zu bisherigen Darstellungen, daß die Zunge im ganzen schon postdorsal jene Höhe erreicht, die in der Horizontalebene des oberen Alveolarr an des liegt. Die Zungenspitze braucht sich demnach nur noch geringfügig zu erheben, um die oberen Schneidezähne zu berühren. Das macht den verbreiteten Wandel l > u leicht erklärlich 55 . Der entsprechende Klang wird wesentlich durch die meist beiderseits unbehinderte laterale Passage des Phonationsstromes mitbestimmt. Das Gaumensegel ist gehoben. 1.6.2.4 Die Schwinqlaute
(Vibranies)
Die beiden r-Laute erfüllen ein und dieselbe sprachliche Funktion, sie können also promiscue gebraucht werden. Beide gehören neben 1 unter die grammatische Bezeichnung „Liquidae". Phonetisch sind sie Schwinglaute (Vibrantes), d. h. ein Teil der Zunge berührt intermittierend einen ihm gegenüberliegenden Gau menbezirk. 66
So ist z. B. im Westpolnischen altes 1 ganz zu einem u-Laut geworden. In diesem Falle muH man allerdings von verstärkter Hebung der Hinterzunge ausgehen.
Die Konsonanten
41
[r] — stimmhafter, alveolar-koronaler Schwinglaut (orthogr. r, rr, r h : rot, Narr, Rhythmus) [R] — stimmhafter, velar-postdorsaler Schwinglaut (orthogr. rr, r h : rot, Narr, Rhythmus). Bei [r] bewegt sich die Zungenspitze in Richtung auf den Alveolarrand und flattert dann passi v gegen ihn, den die Schwingung bewirkenden Luftstrom unterbrechend. Früher waren anlautend etwa zehn Anschläge Forderung 56 , heute werden es selten mehr als ein bis zwei. Im 17./18. J a h r h u n d e r t breitete sich unter dem Einfluß der vordringenden französischen Sprache das ,,Rachen"-r im Deutschen aus 57 , das bis dahin wohl nur sehr begrenzt existierte. Heute übertrifft es im hochdeutschen Sprachgebrauch seinen Schwesterlaut bei weitem. — Engebildung durch Annäherung des hinteren Zungenrückens an Velum bzw. Zäpfchen. Das Hindurchtreten des Phonationsstromes bewirkt die Schwingung dieser Teile gegeneinander. Während beider Bildungen sperrt das Velum den Nasenraum vom Mundraum ab. Ebenso findet sich beim vorderen und beim hinteren r-Laut ([r], [B]) sprachlich irrelevanter Stimmtonverlust, besonders unter dem Einfluß stimmloser Lautnachbarschaft, neben anderen Verkümmerungen des [R] (Vokalisierung, Entwicklung zum Engelaut) 5 8 . So z. B. [a:m] s t a t t [aRm] bzw. [arm], [koat] oder [ku-at] statt [kuRt]; [ty :a] s t a t t [ty: R] oder [gaxtan] statt [gaRtan]. Obwohl sich bereits gewisse Gesetzmäßigkeiten in der fortschreitenden Tendenz des deutschen [R]-Lautes zur Vokalisierung bzw. zum Engelaut abzeichnen, fordert der S I E B S noch stimmhaften, intermittierenden Verschluß. Es gibt mehrere typische Hervorbringungsvarianten für den [ß]-Laut im Deutschen. Anlautend pflegt [R] ein ausgeprägter Schwinglaut zu sein. Folgt [R] einem kurzen Vokal (z. B. Herr), so erscheint der Vibrationseffekt oft deutlich reduziert. Die Reduktionserscheinung ist nach langen Vokalen noch erheblich ausgeprägter (z. B. nur) und erreicht hier nicht selten die Grenzen der phonetischen Merkmale einer Vibrans. In Endsilben nach [a] schließlich (z. B. Bruder) tritt — mindestens in der Umgangssprache — weit überwiegend Vokalisierung des Schwinglautes ein (z. B. [bRu :daa]). 66
Siehe Chr. WINKLBR, Deutsche Sprechkunde u. Sprecherziehung, Düsseldorf 1954, S. 216. Ursprünglich auch in Frankreich das noch heute in manchen Gegenden des Sprachgebietes verwendete alveolar-koronale r. 68 H. MÖHRING fand den r-Laut am meisten der artikulatorischen Beeinträchtigung ausgesetzt. Lautbildungsschwierigkeiten im Deutschen, Diss. Hamburg 1938. 57
42
Die deutschen Sprachlaute
1.6.3 Ein Hilfsmittel zur Kennzeichnung der Lautbildung Die gewonnenen Röntgenaufnahmen legen in dieser Konsequenz erstmalig den Gebrauch eines für allgemeine Zwecke immerhin ausreichenden (oder für phonetisch-wissenschaftliche Zwecke zusätzlichen) Bestimmungsstückes zur Kennzeichnung der Lautbildung nahe. Es ist die Richtung der Zunge gemeint, die — von einem angenommenen Mittelpunkt am Mundboden aus — auffällig und fein differenziert gegen den Gaumen genommen wird. Bringt man dieses Prinzip im Anschluß an V I E T O R S Schemata59 für die Verschluß-, Nasal-, Enge- und Zitterlaute des Deutschen (mit Ausnahme der ohnehin gut erkennbaren Labiales und Labiodentales) zur Anwendung, so ergibt sich diese Einteilung:
Es ist mit dieser Darstellung nicht unbedingt die Angabe der Verschluß stelle oder Engebildung gemeint, sondern die Richtungstendenz der ganzen Zunge. Das schränkt zwar den Gebrauch solcher Darstellung in Hinsicht auf das sprachlich distinktive Lautmerkmal ein, erweitert aber andererseits unsere bisherigen Möglichkeiten zur Charakterisierung der Hervorbringung. Bei den Vokalen würde es zu diesem Schema kommen:
Zur Kurzangabe könnte man die ungefähre Gradzahl, bezogen auf eine durch den angenommenen Mittelpunkt gehende Horizontale, wählen. Daß mit solchen Gradangaben keine Genauigkeit im mathematischen Sinne gemeint sein kann, versteht sich aus der Natur der Sache von selbst.
59
Vgl. W . VIBTOR, Elemente der Phonetik des Deutschen, Englischen und Französischen, 6. Aufl. Leipzig 1915, S. 4 6 / 4 7 .
Die Vokale 1.6.4
Die
43
Vokale
F ü r praktische Zwecke ist es wertlos, die unübersehbare Zahl aller nur möglichen Vokalqualitäten zu unterscheiden 60,61 . Es kann sich nur darum handeln, die typischen Realisierungen jener Vokale darzustellen, die einen echten sprachlichen Funktionsunterschied ausmachen. Bis auf die besonderen Schwierigkeiten bei den e-Lauten reicht dabei die bewährte Unterteilung der 5 Kardinalvokale und der Umlautbildungen in offenere und geschlossenere Formen im ganzen aus. Nasalierte Vokale in sprachlicher Funktion gibt es im Deutschen nicht, allerdings kommt positionsbedingte Beeinflussung durch benachbarte Nasales vor. 1.6.4.1
a-Laute
kurzes (vorderes, helles) [a] 63 (orthogr. a : alt, Ball). Die ganze Zunge liegt flach und breit im Unterkiefer. Sie ist also leicht nach unten gespannt,denn in der Ruhelage wölbt sich die Zunge beträchtlich, meistens bis an den Gaumen heran. Zungenspitze an der lingualen Fläche der unteren Schneidezähne anliegend, leichte Hügelbildung mediodorsal. Verhältnismäßig große, rund-ovale Mundöffnung bei geringer Breitspannungstendenz der Lippen. Das Velum nähert die Uvula gerade so weit dem entgegenkommenden PASSAVANTschen Wulst, daß ein klangbeeinflussendes Hindurchtreten des Phonationsstromes in den Nasenraum vermieden wird. langes (hinteres, dunkles) [a:] 62 (orthogr. a, ah, aa: Zahl, Haar).
Abend,
Der Kieferwinkel 63 ist bei den a-Lauten zur zusätzlichen Kennzeichnung, wie sie bei den anderen Vokalen möglich ist (geschlossen — offen), wenig 60
H. SWEET benennt in seiner Vokaltabelle 72 verschiedene Vokale. A Primer of Phonetics, Oxford 1906, S. 24/25. 61 D. JONES, An Outline of English Phonetics, 8. Aufl., Cambridge 1956, S. 29: "A good ear can distinguish well over fifty distinct vowels (exclusive of nasalized vowels, vowels pronounced with retroflex modification)." 62 „Der Unterschied zwischen einem offeneren (dunkleren) und einem geschlosseneren (helleren) a ist im Deutschen sehr gering..." SIEBS, Deutsche Hochsprache (Bühnenaussprache), 18. Auflage, Berlin 1961, S. 36. 63 Natürlich handelt es sich in all diesen Fällen niemals darum, ob man den Laut unter geschickter Ausnutzung kompensatorischer Raum- und Größenveränderungen des Ansatzrohres auch mit einem anderen Kieferwinkel bilden kann. Gemeint ist selbstverständlich der in der deutschen Sprachgemeinschaft zur Hervorbringung des betr. Lautes allgemein übliche Gebrauch, der seinerseits freilich in zusammenhängender Rede vor allem lautnachbarschaftlich abhängige, aber durchaus regelmäßige Modifikationen erfährt.
44
Die deutschen Sprachlaute
geeignet. — Die Mundöffnung erfolgt ohne Breitspannung der Lippen. Die leichte Hügelbildung hat sich postdorsal verlagert und stärker ausgeprägt; der Bezeichnung vorderer bzw. hinterer a-Laut entspricht also durchaus ein genetisches Substrat. Sonst bei absoluter Flachlage der Zunge keine prinzipielle Veränderung gegenüber dem vorderen, hellen [a]. Das Velum ist gehoben, aber es kommt nicht zur völligen Trennung von Mund- und Nasenraum. 1.6.4.2
e-Laute
kurzes, offenes [s] (orthogr. e, ä, elf, Männer). Geringere Mundöffnung, gegenüber dem [a], leichte Breitspannung der Lippen. Die Zungenspitze liegt der Innenseite der Unterzahnreihe an, der Zungenrücken wölbt sich mediodorsal hoch gegen den Gaumen, schafft jedoch durch die Kieferwinkelbildung erst im hinteren Teil laterale Berührungsflächen. Velum gehoben, aber kein hermetischer Nasenraumabschluß. langes, geschlossenes [e:] (orthogr. e, ee, eh: leben, See, lehren). Noch geringere Mundöffnung, dafür aber größere Breitspannung der Lippen. Zungenspitze am selben Ort wie bei [s], doch hebt sich der Zungenrücken schon weiter vorn und trifft also eher auf die lateralen Bezirke des harten Gaumens. Die Berührungsflächen vergrößern sich nicht nur in sagittaler Richtung, auch die palatale Rille ist schmaler geworden. Das Velum läßt auf den Röntgenbildern noch einen kleinen Spalt zwischen Nasenraum und'Mundraum frei. langes, offenes [s:] (orthogr. ä, äh: Mädchen, zählen). Hinsichtlich der Bildung wird auf [s] verwiesen, von dem dieser Laut nur durch Dauer verschieden ist. — Umgangssprachlich wird [e:] weitgehend durch [e:] ersetzt. kurzes, unbetontes [a] (orthogr. e in unbetonten Nebensilben: behalten, Betten). Der im Deutschen nur in Nebensilben vorkommende Mittelzungenvokal [o]64 ist artikulatorisch verständlicherweise nicht sehr gut ausgeprägt. Bei geringer Mundöffnung kommen Zunge und Lippen ihrer Ruhelage nahe. Man kann diesen Vokal genetisch und gennematisch von fast allen anderen Vokalen ebensogut (und schlecht) herleiten wie von einem e-Laut. 64
Im Englischen auch lang.
Die Vokale 1.6.4.3
45
i-Laute
kurzes, offenes [i] (orthogr. i, ie: ist, vierzig). Artikulatorisch nur geringfügige Veränderungen gegenüber dem langgeschlossenen [e:] (s. d.). Die Berührungsfläche wird durch die größere Zungenspannung noch ein wenig größer, die Mittelpassage enger. Auch die Enge, die das Velum zwischen Mund- und Nasenraum herstellt, ist gegenüber dem [e:] noch kleiner geworden. langes, geschlossenes [i:] (orthogr. i, ie, ieh, y : dir, Liebe, Vieh, Zylinder). Kleiner Kieferwinkel, Breitspannung der Lippen. Die Zahnreihen haben sich, gemessen an einer senkrechten Hilfslinie, deutlich einander genähert (leichtes Vorschieben des Unterkiefers). Zungenspitze am inneren Unterzahnrand, aber schon praedorsal steile Aufrichtung bis zur extremen Hochlage des Zungenkörpers (in Richtung vorn-oben), der jetzt bis auf eine durchgängig enge Mittelpassage am Gaumen anliegt. Abschluß Mund-Nasenhöhle ist gemäß der noch ausgeprägteren oralen Enge (s. S. 24) jetzt fast ganz hergestellt worden. 1.6.4.4
o-Laute
kurzes, offenes [d] (orthogr. o: oft, kommen). Deutlich größerer Kieferwinkel als beim [i:]. Die Lippen sind bei mehr runder Öffnung leicht vorgeschoben. Zungenspitze verbleibt am inneren Unterzahnrand. Die Zunge hebt sich leicht mediodorsal, bleibt bis zum Hinterzungenbereich in dieser Stellung, ohne jedoch eine Berührung mit dem Gaumen herzustellen. Abschluß Mundraum-Nascnraum unvollkommen. langes geschlossenes [o:] (orthogr. o, oo, oh: rot, Boot, wohnen). Kleinerer Kieferwinkel gegenüber dem [o], stärkere Lippenrundung (geringere Öffnung, sagittale Verlängerung des Ansatzrohres durch mäßiges Vorstülpen der Lippen). Die Zunge steigt von der Spitze bis zum postdorsalen Bezirk im ganzen gleichmäßig an. Dort formt sie sich zu einem Wulst, der eine faukale Enge schafft. Auf diese Weise kommt es zu einem recht großen Resonanzraum in der vorderen Mundhöhle, der fast birnenförmige Gestalt gewinnt. Berührungsflächen werden vor allem am Alveolarrand der Backenzähne gebildet. Abschluß Mundraum-Nasenraum unvollkommen.
46
Die deutschen Sprachlaute 1.6.4.5
u-Laute
kurzes, offenes [u] (orthogr. u: Luft). Leichte Verkürzung des Ansatzrohres gegenüber dem [o:]. Die Zunge wölbt sich jetzt aber schon praedorsal auf die Höhe des Hinterzungenwulstes. Trotzdem kommt es wegen des größeren Kieferwinkels nur zur Berührung im Bereich der hinteren Backenzähne. Sonst ist das Bild dem langgeschlossenen [o:] recht ähnlich. Ein vollkommener Abschluß zwischen Mundraum und Nasenraum wird auch hier nicht hergestellt. langes, geschlossenes [u:] (orthogr. u, uh; Bruder, Stuhl). Kleine runde Öffnung der vorgestülpten Lippen. Die Stellung der Zunge erklärt die Bezeichnung Hinterzungen vokal; sie strebt steil nach hintenoben. Wenn sich Berührungsflächen an den hinteren Backenzähnen ergeben, so liegt das allerdings mehr an der Kleinheit des Kieferwinkels als an postdorsaler Aufwölbung. Abschluß Mundraum-Nasenraum unvollkommen. 1.6.4.6
o-Umlaute
Die Umlaute könnte man als gleichzeitige Verbindung zweier Lautbewegungen bezeichnen. In dieser Hinsicht ergibt sich gegenüber älteren Lautdarstellungen kaum etwas Neues. Allerdings gewinnt man durch die Röntgenbilder eine bessere unmittelbare Anschauung von der Art des Zusammenwirkens zweier verschiedener Lauteinstellungen. kurzes, offenes [oe] (orthogr. ö: zwölf). Lippenstellung und Kieferwinkel des [d], Zungenstellung des [e], langes, geschlossenes [0:] (orthogr. ö, öh, oe: hören, Söhne, Goethe65). Lippenstellung des [o:], Zungenstellung des [e:]. 1.6.4.7
u-Umlaute
kurzes, offenes [Y] (orthogr. ü, y : Hütte, Rhythmus). Lippenstellung und Kieferwinkel des [u], Zungenstellung des [i]. langes, geschlossenes [y:] (orthogr. ü, üh, y : Hüte, fühlen, Psyche) Lippenstellung des [u:], Zungenstellung des [i:]. 65
Schreibung oe für [0:] ist im Deutschen seltene Ausnahme. Im allgemeinen hat der Buchstabe e nach o keinen Lautwert, sondern ist wie h im Inlaut nur (altes) Längungszeichen (z. B. Bad Oldesloe = [,oldos'lo:]).
Die Diphthonge
47
1.6.5 Die Diphthonge Es gibt auch im Deutschen drei Doppellaute, die sprachlich als untrennbare Einheit gewertet werden: ei, au, eu (orthographisch). Die Buchstabenfolge ist hier besonders irreführend. Erstens handelt es sich hier noch weniger um einfache Aufeinanderfolge von Lauten 66 , dann aber ist etwa in „eu" weder ein „e" noch ein ,,u" als artikulatorisches Element enthalten. Die sprachliche Funktion der Diphthonge als einfache Vokale schließt verschiedene Silbenzugehörigkeit ihrer Elemente aus67. Phonetisch handelt es sich um Zwielaute in zeitlicher Aufeinanderfolge mit Vorrang des ersten Lautmerkmals ([a1], [a°], [oY]). Da sie sich von der Einheitlichkeit der Bedeutung ihrer artikulatorischen Dauerbewegung her einer Darstellung mit den hier zur Verfügung stehenden Mitteln entziehen, wurde auf entsprechende Abbildungen verzichtet. Das Geschehen ist zu komplex, seine Dauer vor allem zu lang, als daß eine solche Darstellung mehr sein könnte als Sektion und wieder willkürliche Aneinanderreihung sprachlich bedeutungsloser Erscheinungsformen. Hier zeigt der gefertigte Röntgenfilm vom Sprechvorgang seine Überlegenheit gegenüber dieser Wiedergabe der Sprachlaute. 66
siehe S, 15 ff.
67
Siehe a. P . MENZERATH, Der Diphthong, Phonet. Studien Bd. 2, Bonn-Berlin 1941, S. 1 2 : „Der Diphthong ist unter allen Umständen einsilbig."
1.7
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2 BILDTEIL
TAFEL 1
[b] = bilabialer Lenis-Versohlußlaut (eben) [p] = bilabialer Fortis-Verschlußlaut (Puppe) Lippenverschluß und totaler nasal-pharyngaler Abschluß. Der Kieferwinkel ist bei leichter Absenkung der ganzen Zunge gering. Keine lingualpalatale Berührung. Stimmhaft [b] — stimmlos [p]. Vgl. S. 36.
TAFEL 2
[d] = alveolar-coronaler Lenis-Verschlußlaut (Ida) [t] = alveolar-coronaler Fortis-Verschlußlaut (Tat) Bei leicht geöffneten Lippen und geringem Kieferwinkel wird der orale Abschluß nach Anlegen des Zungensaumes gegen den oberen Zahndamm (vorn) bzw. gegen die Oberzahnreihe (mitte und hinten) unter vollkommener Verlegung des Nasenweges durch das Velum erreicht. Stimmhaft [d] — stimmlos [t]. Vgl. S. 36.
TAFEL 3
[g] = vclar-postdorsaler Lenis-Verschlußlaut (Egge) [k] = velar-postdorsaler Fortis-Verschlußlaut (Ecke) Lippenöffnung — mittlerer Kieferwinkel (im Röntgenbild erscheint er übertrieben groß). Die Zunge legt sich mit ihrer Spitze der Unterzahnreihe an, während sie sich in ihrem hinteren Teil gegen das Velum steil erhebt und dort einen Verschluß bildet. Velum und Passavantscher Wulst versperren der L u f t den Eintritt in den Nasenraum. Stimmhaft [g] - stimmlos [k]. Vgl. S. 37.
TAFEL 4
[m] = bilabialer, stimmhafter Nasal (Mama) Lippenverschluß, jedoch freie Passage Mundraum — Nasenraum durch herabhängendes Yelum (uvularpostdorsale Berührung). Geringer Kiefenvinkel. Leichte Absenkung der Zunge verhindert palatalen Kontakt. Vgl. S. 37 f.
TAFEL 5
TAFEL 6
[q] = velar-postdorsaler, stimmhafter Nasal (Engel) Lippenöffnung, mittlerer Kieferwinkel. Die Zungenspitze liegt an der Unterzahnreihe. Die Aufwölbung von Mittel- und Hinterzunge gegen das hängende Velum (velar-pharyngale Öffnung) bewirkt eine Berührung der Hinterzunge mit den Molares bzw. deren Zahntaschen wie bei [g] und [k]. Vgl. S. 38.
TAFEL 7
[v] = dentilabialer, stimmhafter Engelaut (wo) [f] = dentilabialer, stimmloser Engelaut (fahren, Vogel) Unterlippe gegen Oberzahnreihe. Kleiner Kieferwinkel. Flachlage der Zunge, Abschluß des Nasenraums. Keine lingualpalatale Berührung. Stimmh a f t [v] — stimmlos [f]. Vgl. S. 38.
TAFEL 8
[z] = dentalalveolar-praedorsaler, stimmhafter Engelaut (sehr) [s] = dentalalveolar-praedorsaler, stimmloser Engelaut (naß) Leichte Öffnung und Breitspannung der Lippen. Die Zungenspitze liegt der Unterzahnreihe an, die Vorderzunge wölbt sich dem oberen Zahndamm entgegen. Bei geringem Kieferwinkel nähern sich die unteren Schneidezähne (durch leichtes Vorschieben des Unterkiefers in horizontaler Richtung) den oberen. Sagittale Rinnenbildung der Zunge, nasalpharyngaler Abschluß, laterale coronal-alveolare Berührung. Stimmhaft [z] — stimmlos [s]. Vgl. S. 39.
TAFEL 9
[J] = präpalatal-coronaler, stimmloser Engelaut (schon) Die vorgestülpten Lippen sind geöffnet und bilden eine rüsselartige Rundung. Geringer Kieferwinkel. Die Zungenspitze wird leicht zurückgezogen, der Zungenrücken wölbt sich auf und legt sich mit seinen lateralen Rändern dem Gaumen an. Die sagittale Rinne ist breiter als bei der s-Bildung, das Gaumensegel — wie dort — gehoben. Vgl. S. 39.
T A F E L 10
[9] = palatal-dorsaler, stimmloser Engelaut (ich) [j] = palatal-dorsaler, stimmhafter Engelaut (ja) Leichte Lippenöffnung bei geringem Kieferwinkel. Während die Zungenspitze der Unterzahnreihe anliegt, wölbt sich die Zunge in ihren anderen Teilen in Richtung vorn oben dem Gaumen entgegen. Laterale lingual-palatale Berührung, velarpharyngaler Abschluß. Stimmhaft [j] — stimmlos [9]. Vgl. S. 39.
T A F E L 11
[x] = velar-postdorsaler, stimmloser Engelaut (ach) Lippenöffnung bei mittlerem Kieferwinkel (das Röntgenbild gibt ihn, durch vorausgehendes [a] beeinflußt, zu groß wieder). Engebildung zwischen Zungenrücken und (gehobenem) weichem Gaumen. Berührungsflächen der Hinterzunge an den Molares. Vgl. S. 40.
TAFEL 12
[1] = alveolar-coronaler, stimmhafter Lateralengelaut (lila) Lippenöffnung bei mittlerem Kieferwinkel. Die Zungenspitze artikuliert gegen den Alveolarrand der oberen und I 2 (Incisivus int. et ext.) bis hin zum Eckzahn jeder Gebißhälfte (Dens caninus). Der Zungenrücken ist aufgewölbt und läßt dabei laterale Passagen frei. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 40.
TAFEL 13
[r] = alveolar-eoronaler, stimmhafter Schwinglaut (rot) Lippenöffnung bei geringem Kieferwinkel. Die Zungenspitze nähert sich dem Alveolarrand und flattert gegen ihn, indem sie den die Schwingung bewirkenden Luftstrom unterbricht. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 40/41.
T A F E L 14
[R] = velar-postdorsaler, stimmhafter Schwinglaut (rot) Lippenöffnung, geringer (bis mittlerer) Kieferwinkel. Während die Zungenspitze der Unterzahnreihe anliegt, hebt sich die Hinterzunge gegen den uvularen Bezirk des Velums. Das Hindurchtreten des Phonationsstromes bewirkt die Schwingung beider Teile gegeneinander. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl S. 40/41.
T A F E L 15
[a] = (vorderer, heller) kurzer a-Laut (hatte) Lippenöffnung bei mittlerem Kieferwinkel. Leichte Breitspannung der Lippen. Die Zunge liegt (von geringer mediodorsaler Hügelbildung abgesehen) im ganzen flach und breit im Unterkiefer. Keine palatale Berührung. Das Gaumensegel ist gehoben, sperrt indessen den Nasenraum nicht vollkommen ab. Vgl. S. 43.
T A F E L 16
[a:] = (hinterer, dunkler) langer a-Laut (haben) Lippenöffnung bei mittlerem (bis großem) Kieferwinkel. Flachlage der ganzen Zunge. Keine palatale Berührung. Trotz Gaumensegelhebung kein vollkommener nasal-pharyngaler Abschluß. Vgl. S. 43.
TAFEL 17
[e] = kurzer, offener e-Laut (nett) [e:] = langer, offener e-Laut (Käse) Geringe (bis mittlere) Mundöffnung, leichte Breitspannung der Lippen. Die Zungenspitze liegt der Unterzahnreihe an, der Zungenrücken wölbt sich hoch gegen den Gaumen. Laterale Berührungsflächen der Zunge im hinteren Gaumenbezirk. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 44.
T A F E L 18
[e:] = langer geschlossener e-Laut (See) Geringe Mundöffnung, Breitspannung der Lippen. Die Zungenspitze liegt der Unterzahnreihe an, der Zungenrücken wölbt sich jedoch schon praedorsal, trifft also weiter vorn auf die lateralen Bezirke des harten Gaumens (sagittale Rinnenbildung). Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 44.
TAFEL 19
[l] = kurzer, offener i-Laut (Wind) Die leicht gespannten Lippen sind bei kleinem Kieferwinkel geöffnet. Zungenspitze an der Unterzahnreihe. Der Zungenkörper ist gewölbt, berührt aber nur die seitlichen Ränder des harten Gaumens. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 45.
TAFEL 21
[i:] = langer, geschlossener i-Laut (wie) Bei geringer Mundöffnung Breitspannung der Lippen. Der Zungenkörper ist steil in Richtung vornoben gegen den harten Gaumen aufgerichtet. Da die Zungenspitze an der Unterzahnreihe verbleibt, kommt es nur zur lateralen Berührung des Palatums. Dabei ist die sagittale Rinne im Vergleich zum [i] enger geworden. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 45.
TAFEL 22
[o] = kurzer, offener o-Laut (Tochter) Runde Öffnung der leicht vorgeschürzten Lippen bei mittlerem Kieferwinkel. Die Zungenspitze liegt der Unterzahnreihe an. Der Zungenkörper ist flach gewölbt und bildet postdorsal eine pharyngale Enge aus. Nur im Hinterzungenbereich geringe lingualpalatale Berührung. Das Yelum ist bei unvollkommener Verschlußherstellung gehoben. Vgl. S. 45.
T A F E L 23
[o:] = langer, geschlossener o-Laut (Sohn) Geringe Öffnung, aber stärkere R u n d u n g der Lippen. Sagittale Ansatzrohrverlängerung durch Vorstülpen der Lippen. Zungenspitze an der Unterzahnreihe. Wulstbildung der Hinterzunge in Richtung hinten-oben, Berührungsflächen am Alveolarrand der Backenzähne, faukale Enge. Bei angehobenem Gaumensegel unvollkommener Abschluß MundraumNasenraum. Vgl. S. 45.
T A F E L 24
[u] = kurzer, offener u-Laut (Mutter) Runde Öffnung der leicht vorgeschürzten Lippen bei kleinem Kieferwinkel. Praedorsale Aufwölbung der Zunge auf die Höhe eines Hinterzungenwulstes. Gegenüber dem [o:] geringere faukale Enge. Linguale Berührung am Alveolarrand der Molares. Der nasalpharyngale Abschluß bleibt unvollkommen. Vgl. S. 46.
T A F E L 25
[u:] = langer, geschlossener u-Laut (gut) Kleine, runde Öffnung der vorgestülpten Lippen. Der Zungenkörper wölbt sich stark nach hintenoben. Linguale Berührung am Alveolarrand der Backenzähne. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 46.
T A F E L 26
[oe] = kurzer, offener o-Umlaut (öffnen) R u n d e Öffnung der leicht geschürzten Lippen bei mittlerem Kieferwinkel (etwa wie bei [o)]. Die Zungenspitze bleibt an der Unterzahnreihe, der Zungenkörper wölbt sich gegen den Gaumen, stellt hier aber wegen des verhältnismäßig großen Kieferwinkels nur eine laterale Berührung am Alveolarrand der Backenzähne her (etwa wie bei [e]). Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 46.
TAFEL 27
[0:] = langer, geschlossener o-Umlaut (Öfen) Kleine, runde Öffnung der vorgestülpten Lippen, geringer Kieferwinkel (etwa wie bei [o:]). Starkes Aufwölben des Zungenkörpers (etwa wie bei [e:]). Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 46.
TAFEL 28
[Y] = kurzer, offener u-Umlaut (Mütter) Runde Öffnung der leicht vorgeschürzten Lippen bei kleinem Kieferwinkel (etwa wie bei [tr]). Starke Aufwölbung des Zungenkörpers in Richtung vornoben (etwa wie [i]). Laterale lingualpalatale Berührung. Gehobenes Velum. Vgl. S. 46.
TAFEL 29
[y:] = langer, geschlossener u-Umlaut (Güte)' Kleine, runde Öffnung der stark vorgestülpten Lippen, geringer Kieferwinkel (etwa wie [u:]). Der Zungenkörper richtet sich (etwa wie bei [i:]) steil gegen das Gaumendach auf und läßt nur eine verhältnismäßig schmale Mittelpassage frei. Das Gaumensegel ist gehoben. Vgl. S. 46.