Antichrist: Konstruktionen von Feindbildern 9783050058979, 9783050047430

Der Antichrist und vergleichbare Figuren, Helfer oder auch Vorläufer desselben eignen sich gut zum interreligiösen Vergl

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German Pages 309 [312] Year 2010

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Antichrist: Konstruktionen von Feindbildern
 9783050058979, 9783050047430

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Antichrist

Antichrist Konstruktionen von Feindbildern Herausgegeben von Wolfram Brandes und Felicitas Schmieder

Akademie Verlag

Einbandgestaltung unter Verwendung eines Ausschnitts aus Luca Signorellis Fresko ,La predicazione dell'Anticristo", 1499, in der Cappella Nuova des Doms von Orvieto

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-05-004743-0

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2010 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übertragung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: pro:design, Berlin Druckvorlage: Peter Rotkehl, Berlin Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

Inhaltverzeichnis

Wolfram Brandes / Felicitas Schmieder: Einleitung Marco Rizzi: L'ombra dell'anticristo nel cristianesimo orientale tra tarda antichità e prima età bizantina

VII

1

Lutz Greisiger: Die Geburt des Armilos und die Geburt des „Sohnes des Verderbens". Zeugnisse jüdisch-christlicher Auseinandersetzung um die Identifikation des Antichristen im 7. Jahrhundert

15

Anna Akasoy: Niffan: a Sufi Mahdi in the Fourth c. AH/ Tenth c. AD?

39

Kristin Skottki: Der Antichrist im Heiligen Land. Apokalyptische Feindidentifizierungen in den Chroniken des Ersten Kreuzzugs

69

Hannes Möhring: Die zwei Gesichter des Sufyani. Vorläufer des Dadjdjal (Antichrist) oder Vorläufer des Mahdi?

99

Dirk Jäckel: Saladin und Antichrist. Das andere Bild vom Ayyubidensultan im 12. Jahrhundert

117

Lars M. Hoffmann: Zum Verständnis des Antichrists im süditalienischen Griechentum. Das Beispiel des Nikolaos-Nektarios von Otranto

135

Michael Oberweis: Jüdische Endzeiterwartung im 13. Jahrhundert - Realität oder christliche Projektion?

147

Pavlína Cermanová: Die Erzählung vom Antichrist und seine Funktion in der religiösen und politischen Imagination im luxemburgischen Böhmen

159

Klaus Ridder / Ulrich Barton: Die Antichrist-Figur im mittelalterlichen Schauspiel

179

Rebekka Voß: Propter seditionis hebraicae. Judenfeindliche Apokalyptik und ihre Auswirkungen auf den jüdischen Messianismus

197

VI

Inhaltsverzeichnis

Ralf-Peter Fuchs: Das Wüten des bösen Feindes. Glaubensgegner, Hexen und der Antichrist in der Welt des Theodorus Graminaeus

219

Hubertus Busche: Wer ist der „Antichrist"? Die Kirche, Jesus und Nietzsche in der Dialektik ihrer Anti-Stellung

235

Michael Hagemeister: Trilogie der Apokalypse. Vladimir Solov'ev, Serafim von Sarov und Sergej Nilus über das Kommen des Antichrist und das Ende der Weltgeschichte

255

Namen- und Sachverzeichnis

277

Autorenverzeichnis

291

Einleitung

Der Antichrist und vergleichbare Figuren, Helfer oder auch Vorläufer eignen sich gut für einen interreligiösen Vergleich: Das hatte sich bereits auf dem Kolloquium über „Endzeiten. Politische und gesellschaftliche Implikationen universaleschatologischer Vorstellungen in den drei monotheistischen Weltreligionen (5. bis 16. Jahrhundert)" herausgestellt, das mit Förderung der Thyssen-Stiftung im April 2005 in Frankfurt am Main stattfand. Inzwischen sind die Vorträge dieser Tagung publiziert.1 Die durchweg positiven Reaktionen auf diesen Tagungsband bestätigen unser damaliges Forschungskonzept. Jener Vergleich zwischen den Kulturen gehörte auch zu den zentralen Anliegen der Veranstaltung, die diesem Band zugrunde liegt, sowie der zusätzlich eingeworbenen Beiträge. Vom 24. bis 27. September 2007 konnten die Teilnehmer der Tagung „Antichrist. Eschatologische Feindtypisierungen und -identifizierungen" ihre Beiträge vorstellen und ausführlich diskutieren. Das verdanken wir wiederum der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung, der an dieser Stelle nochmals für ihre unbürokratische Unterstützung gedankt sei. Wie schon 2005 genossen wir die Gastfreundschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt auf ihrem neuen Campus. In Kontinuität zur Tagung von 2005 unterschied sich der Ansatz der AntichristTagung maßgeblich von Forschungen über Eschatologie und spezieller Antichristvorstellungen, die in jüngster Zeit mehr als früher unternommen werden. Erneut konnte deutlich werden, wie sehr Motive sich ähneln, wie stark die Einzelkulturen religionsübergreifend aufeinander reagieren und sich aneinander abarbeiten und in welchem Maße hier gegenseitige Beeinflussung der Vorstellungen über die Kulturgrenzen hinweg und auch über die schlichte Inversion hinweg (in dem Sinne, dass der einen Antichrist der Messias der anderen sei und umgekehrt) möglich war. Gerade die Zeichnung der eigenen positiven Heilsgestalten in Auseinandersetzung mit ihren Negationen beim Nachbarn bietet ein spannendes Forschungsfeld: Wie oft müssen wir akzeptieren, dass über die Möglichkeit hinaus, dass ähnliche Ideen auch unabhängig voneinander in grundsätzlich ähnlichen Kontexten (nämlich einem göttlich vorbestimmten Ende der Welt) entstehen können, die Erklärung von gegenseitiger negativer wie positiver Beeinflussung nahe liegt - und wie sehr zeigt das einen Kulturkontakt, der in ungewolltem, aber damit umso stärkerem kulturellem Lernen resultiert?

1 Wolfram Brandes/Felicitas Schmieder (Hg.): Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen (Millennium-Studien 16), Berlin, New York 2008.

VIII

Einleitung

Unter diesem Aspekt stellten wir folgende Leitfragen: Welcher Böse ist am Ende der Zeiten zu erwarten, was tut er (oder sie?) und was wird dagegen unternommen? Wie kündigt er sich an, wem gleicht er und wer unterstützt ihn absichtlich oder gezwungenermaßen - wie gewinnt er Anhänger? Schließlich, auch das in Aufnahme der Gedanken der ersten Tagung: Wer konnte zu verschiedenen Zeiten mit ihm identifiziert werden, wie wurde er erkannt und welche Konsequenzen hatte das? Es bieten sich zahlreiche Ansatzpunkte an. In Zeiten gesellschaftlicher Krisen und Umbrüche (Islamische Expansion, Reconquista, Investiturstreit, byzantinischer Bilderstreit, Kreuzzüge, Pest, Reformationen - bis hin zu Napoleon oder dem Ersten Weltkrieg), so lässt sich ohne Übertreibung feststellen, wurde mit Regelmäßigkeit die Antichristproblematik aufgegriffen. Die Diffamierung von Gegnern als antichristi, praecursores desselben etc. setzt eine Wirksamkeit (d. h. eine allgegenwärtige Bekanntheit der Figur des Antichrist) voraus, die auch in „ruhigeren" Zeitabschnitten gegeben war - und das, mutatis mutandis, in den verschiedenen monotheistischen Religionen, deren Eschatologien Gegenstand der Tagung waren und dieses Bandes sind. Die Antichristproblematik war von erheblicher Bedeutung in interreligiösen Auseinandersetzungen, nicht nur im Sinne einer gegenseitigen Diffamierung. Darauf deutet auch die Zusammenschau der bisherigen Forschung,2 die sich entweder auf die Entstehimg und die geistesgeschichtlichen Hintergründe der Figur des Antichrist konzentrierte3 oder aber seine Erscheinungsformen an bestimmten Stellen der Geschichte im Detail betrachtete4 und hin und wieder zu sozialgeschicht-

2

Ein Gesamtschau über die Forschung kann hier nicht geboten werden, es sei aber auf den Band von 2008 und die Beiträge dieses Buches verwiesen, die zusammen einen brauchbaren Überblick bieten. 3 Grundlegend ist (und bleibt) Wilhelm Bousset: Der Antichrist in der Überlieferung des Judentums, des Neuen Testaments und der alten Kirche. Ein Beitrag zur Auslegung der Apocalypse, Göttingen 1895 (ND 1983) (vgl. dazu ders.: Beiträge zur Geschichte der Eschatologie, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 20 [1900], S. 103-131, 261-290; ders.: Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter [Handbuch zum Neuen Testament 21], Tübingen 1926); Ernst Bernheim: Mittelalterliche Zeitanschauungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung, I [mehr nicht erschienen], Tübingen 1918 (ND 1964); Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im Mittelalter. Von Tyconius zum Deutschen Symbolismus, Münster 1973 (21979); Eric R. Chamberlin: Antichrist and Millennium. New York 1975; kurz, aber prägnant ist Bernard McGinn: Antichrist. Two Thousand Years of the Human Fascination with Evil, San Francisco 1996; dazu die Aufsatzsammlung dess.: Apocalypticism in the Western Tradition, Aldershot 1994; ders.: Visions of the End, New York 1979; ders.: Awaiting an End: Research on Medieval Apocalypticism, 1974—1981, in: Medievalia et Humanística Ν.S. 11 (1982), S. 263-289; ders.: Early Apocalypticism: the Ongoing Debate. The Apocalypse in English Renaissance Thought and Literature, ed. by C. A. Patrides/J. Wittreich, Manchester 1984, S. 2-39; ders.: Teste David cum Sibylla: The Significance of the Sibylline Tradition in the Middle Ages. Women of the Medieval World. Essays in Honour of John H. Mundy, ed. by J. Kirshner/S. F. Wemple, Oxford 1985, S. 7-35; Robert E. Lernen Refreshment of the Saints: The Time after Antichrist as a Station for Earthly Progress in Medieval Thought, in: Traditio 32 (1976), S. 97-144; Richard Κ. Emmerson: The Coming of the Antichrist: An Apocalyptical Tradition in Medieval Literature, Diss. Stanford 1979; Rosemary M. Wright: Art and Antichrist in Medieval Europe, Manchester, New York 1995; Andrew C. Gow: The Jewish Antichrist in Medieval and Early Modern Germany, in: Medieval encounters 2 (1996), S. 249285. 4 Robert Konrad: De ortu et tempore Antichristi. Antichristvorstellungen und Geschichtsbild des Abtes Adso von Montier-en-Der, Kallmünz 1964; Hans-Peter Kursawa: Antichristsage, Weltende und Jüngstes Gericht in mittelalterlicher deutscher Dichtung, Köln 1976; Robert E. Lerner: Antichrists and

Einleitung

IX

liehen und politischen Deutungen vorstieß.5 Viel zu oft wurde aber zugleich die Brisanz und Bedeutung einer Antichristsemantik ignoriert oder gar geleugnet. So schien es uns an der Zeit, sich im fâcher- und zeitübergreifenden Vergleich dieser Problematik anzunehmen. In den Jahren um 2000, als eschatologische Themen sogar die Boulevardpresse erreichten, erschien eine größere Anzahl von mehr oder weniger wissenschaftlichen Veröffentlichungen, in denen regelmäßig auch die Figur des Antichrist eine prominente Rolle spielte.6 Unter den wissenschaftlichen Publikationen ist Möhrings Buch über den Endzeitkaiser, dem Gegner des Antichrist am Ende der Zeiten,7 wo in umfassender Weise die relevanten Quellen und Forschungsprobleme thematisiert und präsentiert werden, hervorzuheben. Von besonderer Bedeutung ist weiterhin das Projekt von Potestà und Rizzi, in einer dreibändigen Ausgabe sämtliche Texte, die den ,Antichrist" (bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert) behandeln, im Original nebst ita-

Antichrist in Joachim of Fiore, in: Speculum 60 (1985), S. 553-570; Adriaan H. Bredero: The Announcement of the Coming of the Antichrist and the Medieval Concept of Time, in: Prophecy and Eschatology, ed. by M. Wilks, Oxford 1994, S. 3-13; Manfred Gerwing: Vom Ende der Zeit. Der Traktat des Arnald von Villanova über die Ankunft des Antichrist in der akademischen Auseinandersetzung zu Beginn des 14. Jahrhunderts, Münster 1996; David Burr: Antichrist and Islam in Medieval Franciscan Exegesis, in: Medieval Christian Perceptions of Islam. A Book of Essays, ed. by J. V. Tolan, New York, London 1996, S. 131-152; ders.: The Antichrist and the Jews in four thirteenth-century Apocalyse commentaries, in: Friars and Jews in the Middle Ages and the Renaissance, ed. by St. J. McMichael/S. E. Myers, Leiden 2004, 23-38. 5 Hans-Dieter Heimann: Antichristvorstellungen im Wandel der mittelalterlichen Gesellschaft. Zum Umgang mit einer Angst- und Hoffnungssignatur zwischen theologischer Formalisierung und beginnender politischer Propaganda, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 47 (1995) 2, S. 99-113; Hans-Dietrich Kahl: Der sog. „Ludus de Antichristo" (De Finibus Saeculorum) als Zeugnis frühstaufischer Gegenwartskritik. Ein Beitrag zur Geschichte der Humanität im abendländischen Mittelalter, in: Mediävistik 4 (1991), S. 53-148; Hans Martin Schaller: Endzeit-Erwartungen und Antichrist-Vorstellungen in der Politik des 13. Jahrhunderts, in: Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. von M. Kerner, Darmstadt 1982, S. 303-331. 6 Hier nur eine unvollständige Auflistung einschlägiger Titel: John Parker: The Aesthetics of Antichrist from Christian Drama to Christopher Marlow, Ithaca, N.Y. 2007; Ingvild Richardsen-Friedrich: Antichrist-Polemik in der Zeit der Reformation und der Glaubenskämpfe bis Anfang des 17. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2003; Jean-Robert Armogathe: L'Antéchrist à l'âge classique. Exégèse et politique, Paris 2005; Kevin L. Hughes: Constructing Antichrist. Paul, Biblical Commentary, and the Development of Doctrine in the Early Middle Ages, Washington, D.C. 2005; Cristian Badilita: Métamorphoses de l'Antichrist chez les pères de l'Église, Paris 2005; Curtis V. Bostick: The Antichrist and the Lollards. Apocalypticism in Late medieval and Reformation England, Leiden 1998; Sebatián Fuster Perelló, O.P.: "Tímete Deum". El Anticristo y el final de la historia según San Vicente Ferrer, Valencia 2004; José Guadalajara Medina: Las profecías del Anticristo en la edad media, Madrid 1996; Lambertus Johannes Lietaert Peerbolte: The Antecedents of Antichrist. A Traditio-Historical Study of the Earliest Christian Views on Eschatological Opponents, Leiden, New York, Köln 1996; Martin McNamara: The Irish Legend of Antichrist, in: Jerusalem, Alexandria, Rome. Studies in Ancient Cultural Interaction in Honour of A. Hilhorst, ed. by F. Garcia Martinez/G. P. Luttikhuizen, Leiden, Boston 2003, S. 201-219; ders. (ed.): Apocalyptic and Eschatological Heritage. The Middle East and Celtic Realms, Portland 2003; Albert I. Baumgarten (ed.): Apocalyptic Time, Leiden, Boston, Köln 2000; siehe u. a. auch Johannes Fried: Aufstieg aus dem Untergang. Apokalyptisches Denken und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter, München 2001; Christian Jostmann: Sibilla Erithea Babilonica. Papsttum und Prophetie im 13. Jahrhundert (MGH-Schriften 54), Hannover 2006. 7 Hannes Möhring: Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung (Mittelalter-Forschungen 3), Stuttgart 2000.

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Einleitung

lienischer Übersetzung abzudrucken und zu kommentieren. Der bereits erschiene erste Band8 belegt die Qualität dieser wichtigen Quellensammlung, die sicher - hoffentlich folgen die beiden noch ausstehenden Bände in naher Zukunft - zum Standardreferenzwerk der künftigen Antichrist-Forschung werden. Das Thema „Antichrist" ist - im Zeitalter der umfassenden Verfügbarkeit von Informationen (und Desinformationen) im Internet - heute aktueller denn je. Eine einfache Abfrage bei Google (nur ,Antichrist", ohne Berücksichtigung der nichtenglischen oder -deutschen Schreibweisen) ergibt heute (Februar 2010) mehr als sieben Millionen Einträge. Davon dürfte nur der kleinste Teil wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Auch wegen dieser Situation ist es wichtig, sich auf seriöse Weise mit dem Antichrist, der Apokalyptik und Eschatologie und verwandten Themen zu befassen. Dem war die „Endzeit"-Tagung von 2005 wie auch die Tagung, deren Beiträge hier publiziert werden, gewidmet. Der Beitrag von Marco Rizzi („L'ombra dell'anticristo nel cristianesimo orientale tra tarda antichità e prima età bizantina") greift weit ins frühe Christentum zurück. Die Antichristfigur entstammt, so die These, nicht einer allgemeinen kosmologischen Idee, die bereits in der Bibel angelegt war. Sondern Irenaeus und Hippolytos konstruierten sie aus zwei konkreten Anlässen, zum einen aus der Notwendigkeit einer Begründung für die sog. Parousieverzögerung und zum anderen zum Zwecke der Christianisierung der breiten jüdisch-christlichen apokalyptischen Vorstellungswelt des 2. Jahrhunderts. Dabei griffen sie auf den noch ganz uneschatologischen Antichristbegriff der Johannesbriefe des Neuen Testaments zurück und deuteten ihn apokalyptisch-endzeitlich um, wobei sie die antihäretischen Züge beibehielten (die Figur wurde wichtig in den Auseinandersetzungen um den Arianismus). Sie sahen im Antichrist den letzten falschen Propheten, eine Figur stärker als alle anderen „im apokalyptischen Pantheon". Anhand der Figur kann man auch beobachten, wie sich allmählich westliche und östliche Traditionen im geteilten Römischen Reich zwischen Spätantike und frühem Mittelalter voneinander ablösten: Während Interesse an der neuen Figur offenbar nur im Westen bestand, wurde im Osten der Antichrist nur als einer unter anderen, älteren Protagonisten der Endzeit (so eine ganze Genealogie von häretischen Propheten) aufgenommen - wahrscheinlich, weil die Apokalypse weit weniger kanonisch verstanden wurde und der Einfluss des Orígenes stark war (so wurde der Antichrist intellektuell und moralisch als Möglichkeit in jedem Menschen Christus entgegengesetzt). Ganz im Osten des Mittelmeerraumes und in Zeiten der Umwälzung bewegt sich der Beitrag von Lutz Greisiger über „Die Geburt des Armilos und die Geburt des ,Sohnes des Verderbens'. Zeugnisse jüdisch-christlicher Auseinandersetzung um die Identifikation des Antichristen im 7. Jahrhundert". Schauplatz ist das in rascher Folge abwechselnd unter byzantinischer, sassanidischer, arabischer Herrschaft und sogar kurzzeitig unter jüdischer Selbstverwaltung (?) stehende Jerusalem. Die Stimmen, die nachgezeichnet werden, kommen von Juden in der krisenhaften und damit

8 Gian Luca Potestà/Marco Rizzi: L'anticristo, I: Il nemico dei tempi finali. Testi dal II al IV secolo, Milano 2005.

Einleitung

XI

eschatologisch fruchtbaren Zeit des 7. Jahrhundert, in denen die Byzantiner ebenso als Edom verstanden wie als Befreier begrüßt werden konnten. Die Quellen der jüdischen apokalyptischen Deutungen der Geschehnisse sind dabei ganz unterschiedlicher, auch griechischer Provenienz; zentrales Thema ist der Wiederaufbau des Tempels, verbunden mit messianischen Hoffnungen, die sich nicht zuletzt auf die Muslime richteten. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, wie stark sich die apokalyptische Deutungen der Christen und Juden gegenseitig als Erzfeinde betrachteten und sich gleichzeitig gegenseitig intensiv rezipierten - unter anderem bei der Identifikation des jeweiligen Antimessias (und damit an der Figur des von Satan gezeugten Armilos, des jüdischen Pendants zum Antichrist). In Vorstellungswelten des Sufismus westislamischer Prägung und damit vor allem in die Berberreiche des Maghreb fuhrt der Beitrag von Anna Akasoy „Niffan: a Sufi Mahdi in the Fourth c. AH/Tenth c. AD?". Hier geht es vor allem um Sufis, die Mahdi-Ansprüche erhoben (und damit auf einen guten Protagonisten, was sie in den Augen ihrer Kritiker auf die Seite des Schlechten stellte) und mit Ideen wie der weiter existierenden Möglichkeit von Prophetie oder des hohen Status von Heiligen Widerstand erregten. Anhand detaillierter Untersuchung bisher unedierter Textzeugnisse spürt die Autorin den möglichen, aber meist eher in den Unterstellungen der Gegner auffindbaren als tatsächlich nachweisbaren Mahdi-Ansprüchen ihres Protagonisten Niffari nach - eines Sufis aus dem Irak, der vor allem in Andalusien im 12./13. Jahrhundert und später in den Schriften Ibn Khalduns bekannt wurde. Zentrale Fragen drehen sich um die mögliche Deutung der nachweisbaren Äußerungen Niffaris (für die sich mehrere wahrscheinliche Deutungsebenen anbieten) als spirituelle Apokalypse und die bewusst politische Argumentation Niffaris versus sein Treiben als Spielball der Zeitläufte. Kristin Skottki stellt in ihrem Beitrag „Der Antichrist im Heiligen Land. Apokalyptische Feindidentifizierungen in den Chroniken des Ersten Kreuzzugs" wichtige Züge ihrer vor dem Abschluss stehenden Dissertation vor. Die These besagt, dass die Chronisten der Kreuzzüge (als Extremen von Feindseligkeiten zwischen Muslimen und Christen), da sie Kleriker waren, sich besonders stark auf religiöse Dichotomien konzentrierten - bei einer allgemein elitären, literalen und eurozentrischen Perspektive. Damit wäre bei jeglicher Referenz auf die biblische Offenbarung ein topisches Arsenal von gegen die Muslime gerichteten Feindbildern zu erwarten. Untersucht wird dies anhand des Ersten Kreuzzugs, dessen Quellenlage besonders vielfältig ist: Aus nahezu 60 lateinischen historiographischen Texten können die zwölf maßgeblichen ausgewählt werden. Insgesamt werden (abhängig vom Grundtenor und den Abfassungskontexten der jeweiligen Chroniken) selten apokalyptische Töne angeschlagen und der Antichrist noch seltener aufgerufen: Wenngleich er zum Beispiel bei Guibert von Nogent als zentrale Begründungsfigur auftritt, werden Gog und Magog im gesamten Corpus an keiner Stelle erwähnt und ist die eindeutig endzeitliche Interpretation rar. Obgleich ein direkter „Antichrist" im Islam nicht zu erwarten ist, fokussierten auch die Muslime den Gegensatz der endgültigen Opposition von Gut und Böse, von Mahdi und Dadjdjal, wie Hannes Möhring in „Die zwei Gesichter des Sufyani. Vorläufer des Dadjdjal (Antichrist) oder Vorläufer des Mahdi?" feststellen kann. Wie in den anderen Weltreligionen entwickelt sich auch hier eine Vorstellung von

XII

Einleitung

einem ausdifferenzierten und mehrfach hin und hergehenden Endkampf zwischen Gut und Böse mit scharf konturierten, aber auch wechselhaften Protagonisten beider Seiten. Wie Jesus eine maßgebliche Rolle in der Endzeitvorstellung der jüngsten der drei verwandten Religionen zukommt, so setzte sich der Islam auch mit der Antichristfigur auseinander. Hinzu kamen durch die Zeiten politisch-reale Personifikationen und Instrumentalisierungen der Figuren, Selbst- und Fremdidentifikationen, die wie beim Verhältnis zwischen Christen und Juden am meisten auf die religiös bedrohlichsten Gegner sahen. Die andere Seite - die Sicht der Christen auf die Muslime - nimmt Dirk Jäckel mit seinem Beitrag „Saladin und Antichrist. Das andere Bild vom Ayyubidensultan im 12. Jahrhundert" in den Blick. Er kann gegen das Bild vom großen muslimischen Helden Saladin, den nicht erst seit der europäischen Aufklärung (mit dem toleranten Heiden Lessing'scher Prägung) auch seine christlichen Gegner verklärten, das zeitgenössisch wesentlich verbreiterte Negativbild und hier besonders dessen apokalyptisch geprägte Variante setzen. In der ersten Hochzeit lateinisch-eschatologischen Schrifttums spielt Saladin als Identifikation für einen von Antichrists Vorläufern nicht nur bei Joachim von Fiore eine wichtige Rolle. Immer wieder in nicht unmittelbar endzeitlicher, aber klar negativer Gewandung tritt er bei manchen Chronisten und nicht zuletzt in der Märtyrer-Vita auf, die Peter von Blois dem Saladin-Gegner Rainald von Châtillon gewidmet hat. Im geographischen und intellektuellen Bereich der Rezeption des kalabresischen Propheten Joachim von Fiore bewegt sich der Beitrag von Lars M. Hoffmann „Zum Verständnis des Antichrists im süditalienischen Griechentum: Das Beispiel des Nikolaos-Nektarios von Otranto". Im Nachklang des Vierten Kreuzzuges und im untergehenden griechischen Milieu des staufischen Apulien musste der griechische Protagonist den Gegensatz zu den Lateinern (immer wieder als Auseinandersetzungen innerhalb der engsten Familie, zwischen Brüdern oder Eltern und Kindern beschrieben) als Zeichen für das nahe Weltende deuten und darin Aktivitäten Antichrists lesen. Konkreter Anlass für die im Zentrum des Beitrages stehenden Schriften scheint aber eine Welle von Konversionen zum Judentum gewesen zu sein, die auf die Nähe zwischen Antichrist und dem jüdischen Messias hinzudeuten schien. Auch die Juden konnten, wie bereits erwähnt, in Krisenzeiten apokalyptische Feinde und Freunde in ihrer realen Umwelt finden. Die weit verbreitete Ansicht, dass im Zusammenhang mit dem Mongolensturm der 1240er Jahre die Juden Hoffnung fassten, weil die Ereignisse nahe an ihrem Jahr 5000 lagen, tritt Michael Oberweis entgegen (,Jüdische Endzeiterwartung im 13. Jahrhundert - Realität oder christliche Projektion?"). Er betont, dass sich in den drei existierenden christlichen Quellen dafür vor allem christliche theologische Erwartungen von dem, was die Juden tun würden, gespiegelt finden - immer wieder in einer Art, die nach jüdischem Verständnis sinnlos oder doch sehr ungewöhnlich wäre. Abgesehen davon, dass auch rechnerisch die Ereignisse eben nicht so genau wie stets geglaubt mit der fraglichen Jahrtausendwende zusammentrafen, sind auch in den keineswegs raren jüdischen Quellen der Zeit Endzeiterwartung oder enttäuschte Hoffnungen extrem schlecht belegt. Andererseits lassen sich die christlichen Chroniken so lesen, dass sie die jüdische Messiashoffnung erkannten, weil sie eigenen Antichristerwartungen verifizieren wollten (und den jüdischen Messias als Antichrist sahen).

Einleitung

XIII

Über ein parallel zum Leben Christi geschaffenes Leben Antichrists im luxemburgischen Milieu des Königreichs Böhmen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts reflektiert Pavlina Cermanová („Die Erzählung vom Antichrist und seine Funktion in der religiösen und politischen Imagination im luxemburgischen Böhmen"), das in seinen konkreten Erscheinungsformen stets Teil eines aktuellen religiösen und politischen Diskurses ist: In diesem Fall lässt sich Herrschaftsrepräsentation des Hofes beobachten mit Ausdrucksformen, die üblicherweise erst den Hussiten zugeschrieben wurden, die hier aber in einem vorhussitischen intellektuellen und nicht zuletzt städtischen Milieu in Prag bereits voll ausgeprägt sind. Nicht zuletzt bieten die Überlegungen einen bislang übersehenen Kontext für die renovierten und erneut in die Marien-Kirche in Frankfurt an der Oder (und damit im luxemburgischen Brandenburg) eingesetzten Scheiben des „Antichrist-Fensters".9 Die weit verbreitete Tradition Antichrists als apokalyptische, religiös-politische und Figur (mit mythologischen Zügen) des Glaubenskampfes und des christlicheschatologischen Heilsgeschehens fand ihren Niederschlag auch im Spiel: Zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert angesiedelt sind die Überlegungen von Klaus Ridder und Ulrich Barton über die wechselnde Gestaltung der „Antichrist-Figur im mittelalterlichen Schauspiel". An Beispielen vom „Ludus de Antichristo" über Hans Folz und „Des Endkrist Vasnacht" bis zum Pammachius des Naogeorgus verfolgen sie das Spiel steter dualistischer Spannungen zwischen Gut und Böse, in die Zukunft verlegter Ängste und Hoffnungen und sogar eine Vergegenwärtigung des Bösen, das die Irritation offenbar bis hin zu einem offenen Ende ohne klaren Sieg des Guten treiben konnte. Hans Folz gehört auch zu den Autoren, die Rebekka Voß ihr Material für die gegenseitige Beeinflussung zwischen Juden und Christen im 16. Jahrhundert liefern („Propter seditionis hebraicae. Judenfeindliche Apokalyptik und ihre Auswirkungen auf den jüdischen Messianismus"). Die religiösen Gruppen lebten in Mitteleuropa auf engem Raum zusammen, nahmen einander wahr und reagierten lebenspraktisch ebenso wie eschatologisch aufeinander. Unter Konzentration auf die Figur des „Endechrist" (Antichrist oder „Ende der Christen") werden Reaktionen von Christen und Juden im Reich der erweiterten Reformationszeit beobachtet: Projektionen von Erwartungen und „den schlimmsten christlichen Alpträumen", insbesondere im Rahmen des neuen literarischen Genus der „Ethnographie" von Juden und Judentum gegenüber jüdischer vorsichtiger Selbstzensur angesichts der neuartigen und bedrohlichen Polemik (wobei die jüdischen Gruppen der Sepharden und Aschkenasen sich unterschieden). Der katholischen Seite des eschatologischen Reformationsdiskurses kurz vor 1600 (im Spannungsfeld der Diskussionen um Glaubenseifer und -reinheit sowie Konfessionen) wendet sich Ralf-Peter Fuchs mit dem Beitrag „Das Wüten des bösen Feindes. Glaubensgegner, Hexen und der Antichrist in der Welt des Theodorus Gra-

9 Abbildungen bei Frank Mangelsdorf (Hg.): Der gläserne Schatz. Die Bilderbibel der St. Marienkirche in Frankfurt (Oder), Berlin 2005 ( 2 2007); die darüber vor Ort veranstaltete Tagung konnte den Kontext des außergewöhnlichen Werkes noch nicht klären: Ulrich Rnefelkamp/Frank Martin (Hg.): Der Antichrist. Die Glasmalereien der Marienkirche in Frankfurt (Oder), Leipzig 2008.

XIV

Einleitung

minaeus" zu. Sein Protagonist, der Katholik Graminaeus, betätigte sich in zwei Schriften von 1578 und 1594 unter anderem als mathematicus, als Zahlendeuter und Meister der Zeit (auch auf den Hexendiskurs angewandt), der Joachim von Fiore als Autorität rezipierte und sich vor allem mit Luthers Antichrist-Deutungen auseinandersetzte, aber auch eigene Feindbilder im eschatologischen Kontext fruchtbar machte. Ergebnis ist ein dichter und multivalenter Endzeitdiskurs, in dem, bei allem Bemühen, Zeit für die katholische Mission zu gewinnen, eine Zunahme des Bösen bereits zwischen seinen beiden Schriften zu beobachten ist. Mit den beiden letzten Beiträgen wird schließlich nach Spätantike, Mittelalter und Früher Neuzeit das 19./ 20. Jahrhundert erreicht. Hubertus Busche fragt „Wer ist der ,Antichrist'? Die Kirche, Jesus und Nietzsche in der Dialektik ihrer AntiStellung". Er untersucht das Spätwerk Friedrich Nietzsches, das dieser abschloss, kurz bevor er dem Wahnsinn verfiel, auf dessen argumentationslogische Züge unter Zuhilfenahme früherer Schriften. Danach sah sich Nietzsche (der gegen die eigene familiäre Tradition ankämpfend eine Psychologie des Christentums versuchte) selbst als Antichrist in zweifacher Bedeutung des Wortes, nämlich als Gegner des Christentums und der Kirche, aber auch als „anstelle Jesu Christi", dessen Ideen bereits von den ersten Anhängern und ganz besonders von Paulus verdreht und verfälscht worden seien hin zu einer unnatürlichen Negativ-Religion, fixiert auf Schuld und Strafe, mit einem Gott des Ressentiments - weshalb der eigentliche Antichrist eben die Kirche und das Christentum seien und er selbst, Nietzsche, ein „Christus-naher Anti-Antichrist". Michael Hagemeisters Beitrag „Trilogie der Apokalypse. Vladimir Solov'ev, Serafini von Sarov und Sergej Nilus über das Kommen des Antichrist und das Ende der Weltgeschichte" beleuchtet u. a. die Wirkungen des Sergej Nilus bis heute. Kontext sind russische Krisenbewältigungsdiskurse der Zeit um 1900, in denen Vorstellungen vom jüdischen Antichrist und von dessen (von Europa ausgehenden) Weltherrschaftsgedanken in das traditionelle Weltendeszenario eingefügt den Boden bereiteten unter anderem für die berüchtigten „Protokolle der Weisen von Zion". Diese werden in ihrem russischen Entstehungs- und Rezeptionskontext um 1900, in den 1920er Jahren und erneut heutzutage verfolgt. Damit kehrt auch das Ende des Bandes wieder zur Feindtypisierung des Juden durch den Christen zurück (und könnte gewiss im 21. Jahrhundert auch die gegenseitige Stilisierung von Christen und Muslimen finden). Der Antichrist ist uns in den vorgeführten Beispielen in sehr unterschiedlichen Gestalten entgegengetreten, fast könnte man sagen, dass wir zahlreiche Antichriste vorfanden - nicht nur dann, wenn bereits die jeweiligen Zeitgenossen die Figur vermehrt hatten und mehrere Antichriste, oft eine ganze Genealogie von ihnen ins endzeitliche Szenario eingeschrieben wurden. Schon das Neue Testament kennt nicht nur den Antichrist, sondern kann auch von deren mehreren sprechen. Darüber hinaus ist es eine bekannte rhetorisch-literarische Erscheinung, dass Motive verdoppelt oder vermehrt werden, entweder, um sie mit unterschiedlichen Bedeutungen zu verbinden und ihnen unterschiedliche Funktionen im Ablauf der Handlung zuzuweisen - oder, um sie zu verstärken - oder, so kam die Frage beim Antichrist auf, vielleicht auch um sie abzuschwächen, zu verharmlosen, wenn die eine Angst all-

Einleitung

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mählich relativiert wird. Es scheint, als fanden sich leicht Beispiele für alle drei Gründe, denkt man nur an die auf der Tagung lediglich am Rande in den Blick gekommene Etablierung zweier Antichriste, die das 1000-jährige Friedensreich des Geistes nach dem großen lateinisch-christlichen Propheten des Mittelalters, Joachim von Fiore (f 1202), einrahmen. Teilweise mögen die Vermehrfachungen auch historisch gewachsen sein, haben wir uns doch auch die Frage gestellt, wie die Zeitgenossen einer historisch späten Phase eines eschatologischen kulturellen Diskurses mit der Tatsache umgehen, dass schon so viele Identifikationen Antichrists sich als falsch erwiesen haben. Genannt wurde die produktiv-interpretatorische Verarbeitung einer ganzen Abfolge von anscheinenden Antichristen, die mit ihnen die sieben apokalyptischen Drachen-Häupter identifiziert. Manch ein Nachahmer Joachims, wie der Franziskaner Johannes von Rupescissa (f nach 1365), musste sich nicht nur damit auseinandersetzen, dass sein großes Vorbild bereits verstorben und viele seiner Vorhersagen nicht eingetroffen waren - sondern auch damit, dass der erste joachitische Antichrist (Kaiser Friedrich II., f 1250) ebenfalls schon allzu lange untergegangen war. Dann konnte er eine kaiserliche Genealogie von Antichristen kreieren, die mit Friedrich beginnt (der beinahe Antichrist war) und bis hin zu Ludwig dem Bayern ( | 1347) reicht. Die Genealogie ist objektiv-blutsverwandtschaftlich nicht immer verifizierbar, doch das tut der Argumentationslinie keinen Abbruch, die sich verwandtschaftlichen Vokabulars bedient - wie sie auch für die Gegenlinie von Endkaisern aus dem Stamme Karls (von Anjou, f 1285), letztlich Karls des Großen verwandt wird. Eine neue Form der „Genealogie" scheint Luther einzuführen, wenn er in dem Papsttum, oder der Reihe der Päpste, den Antichrist entdeckt - der nicht geboren werden kann, sondern entdeckt werden muss, weil „das Papsttum" nun einmal nicht geboren werden kann. Nicht zuletzt deshalb sind wir davon überzeugt, dass dieser Gedanke Luthers erst im Zuge der Ausbildung institutionellen Denkens in der Gesellschaft möglich war, das weitestgehend personale Vorstellungen ablöste und das sich im Bereich staatlicher Entwicklung ebenso zeigt wie auf zahlreichen anderen Ebenen. All die bisher genannten Traditionsverschiebungen sind - das kann man auch unter Historikern gar nicht oft genug betonen stets auf das Intensivste bedingt durch den jeweiligen sozialen und aktuellpolitischen Kontext, in dem sich die Ideen und ihre Ausformulierungen entwickelten - der historische Ort überlagert die scheinbare Ewigkeit der religiösen Vorstellungen oft nicht zuletzt entgegen der Überzeugung der Zeitgenossen. Ebenso, auch das haben wir immer wieder feststellen können, ist die Einzelbiographie der Protagonisten von hoher Bedeutung. Damit kommen wir zu einer weiteren verwirrenden Erkenntnis: Bei all den Wandlungen der Einzelvorstellungen und Bilder entwickelte sich innerhalb aller eschatologisch denkenden Kulturen ein Reservoir von Interpretationsvorschlägen, Ergänzungen, Neuformulierungen, aus dem Spätere schöpfen konnten - und von dem man sich fragen muss, ob sämtliche Elemente vollkommen frei kombinierbar oder ob dem Grenzen gesetzt waren: Der genannte Johannes von Rupescissa bietet dicht nebeneinander zwei ganz unterschiedliche Konzepte vom Antichrist, die sich anscheinend ausschließen, die er allerdings auch nicht verbindet, sondern schlicht parallelisiert. In dieser Hinsicht ist er der beste Zeuge einer späten Zeit, die über ein riesiges Reservoir verfugt, denn er legt eine stupende Sammlung der unterschied-

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lichsten Prophetien vor. Angesichts solcher Phänomene darf man fragen: Gab es einen kanonischen Grund- oder Restbestand an Bildern, an den nicht gerührt werden konnte? Gab es Dinge, die man mit Antichrist keinesfalls verbinden konnte? Unterscheiden sich die groß- und binnenkulturellen Räume hier eventuell untereinander? Wir haben uns im Laufe der Tagung schon hie und da überlegt, ob man all dies nicht eventuell auch einmal am Beispiel der Zahlen, die in Prophetien vorkommen, vergleichend thematisieren könnte - in genannten Anzahlen und in Zeiträumen, in Berechungen und deren astronomischen Grundlagen. Wir haben die Frage aufgeworfen, inwieweit apokalyptische Vorstellungen in individualeschatologischen Kontexten auftreten - man könnte an den Hymnus vom „Dies irae dies ille" denken, der universaleschatologische Elemente mit jeder individuellen Totenmesse verbindet - aber so etwas mag es darüber hinaus in den Christentümern ebenso wie in den anderen Religionen und ihren unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen geben.10 Eine gewiss spannende und intensiv zu untersuchende Frage wäre, inwieweit und in welchen Kontexten eine Art Anti-Apokalyptik im Sinne einer Ablehnung einer bestimmten Art der aktuellen Verwendung von apokalyptischen Elementen aufkommt, und dies wieder im Kulturvergleich. Die Tagung war ebenso wie die vorhergehende gezielt nicht nur transdisziplinär angelegt, sondern polykulturell in dem Sinne, dass die drei großen monotheistischen Religionen in den vergleichenden Blick kommen sollen in möglichst allen Einzelkulturen, die sie ausgebildet haben. Nicht nur im Christentum gibt es ja bereits spätestens beim zweiten Blick deutliche Unterschiede zwischen Lateinern, Griechen und Oriens Christianus - und dann innerhalb dieser Großgruppen, wie wir nicht zuletzt in der Diskussion um Luthers apokalyptische Vorstellungen feststellen konnten: Luthers Biographie ist ebenso wichtig wie sein geographischer Ort, aus und in dem wir ihn erklären müssen - aber die Reaktion der päpstlichen Kirche auf ihn, ihre offensichtliche Weigerung, ihrerseits apokalyptische Propaganda der seinen entgegenzusetzen, erklärt sich aus den italienischen Verhältnissen, die die Reformationsforschung gerne vernachlässigt gegenüber dem deutschen politischen Umfeld Luthers und seiner direkten theologischen Widersacher. Es war damals und schon früher nicht gleichgültig, ob man nördlich oder südlich der Alpen lebte und eingebunden war (und das gilt trotz aller zunehmenden Vernetzung innerhalb Lateineuropas), es war nicht egal, ob man in Konstantinopel oder Otranto - oder auch in Kiev lebte, ob in Äthiopien oder Armenien, in Syrien oder wo sonst als Christ unter nicht-christlicher Herrschaft. Ähnliches gilt es für den Islam und das Judentum zu vermerken: Nicht nur der Unterschied zwischen Schiiten und Sunniten, von dessen Existenz wir im modernen Westen allmählich zu wissen beginnen, war bedeutsam, sondern zusätzliche gab es einander überlagernde Binnendifferenzierungen - nicht zuletzt auch hier zu Zeiten einen Unterschied zwischen West und Ost, zwischen maghrebinisch-andalusischen Almohaden etwa und irakischen Spät-Abbasiden im 12. Jahrhundert. Auch das Judentum entwickelte sich bei aller Traditionalität nicht aus einem Guss, und bestimmte Ideen unter Diaspora-Juden mögen sich beinahe mehr in Auseinandersetzung mit den sie umgebenden anderen Kulturen entwickelt

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Vgl. McGinn, Teste David cum Sibylla (s. Anm. 2).

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haben als im Austausch der verschiedenen jüdischen Gruppen untereinander, über die wiederum traditionsbildende Unterscheidung in Sepharad und Aschkenas hinaus. Ähnlich lassen sich in den in Randbereichen der christlichen Großräume entstandenen Devianzen - Häresien - Auseinandersetzungen mit der von außen konkurrierenden Kultur spüren - und dies scheint wenigstens auf der Iberischen Halbinsel auch für den Islam zu gelten. Manch eine Frage trieb uns um und musste doch offen bleiben: So die nach der Erkennbarkeit des Antichrist. Wird er mit bestimmten physiognomischen Merkmalen beschrieben,11 hat er bestimmte Eigenschaften - wie stellt man ihn bildlich dar, bedenkt man die urchristliche Tradition, wonach er eben nicht so einfach erkannt werden kann, wenn er auftritt und alle, sogar die Gerechten, zu täuschen vermag? Der Mühe des Registermachens unterzog sich Imke Just, B.A., wofür wir ihr hier ausdrücklich danken möchten. Dass dieser Band Aufnahme in das Programm des Akademie Verlags fand, verdanken wir unserem Lektor Peter Heyl. In Zeiten, in denen Verlage die Lektoratstätigkeit reduzieren und „outsourcen" (horribile dictu), danken wir ihm für sein anhaltendes Interesse und Engagement.

Wolfram Brandes

Felicitas Schmieder

11 Siehe dazu die bei Wolfram Brandes: Anastasios ó δίκορος. Endzeiterwartung und Kaiserkritik in Byzanz um 500 n. Chr., in: Byzantinische Zeitschrift 90 (1997), S. 24-63, verzeichnete Literatur.

Marco Rizzi

L'ombra dell'anticristo nel cristianesimo orientale tra tarda antichità e prima età bizantina

Secondo una consolidata opinione storiografica, avviatasi a fine ottocento con i due studi di H. Gunkel e W. Bousset,1 la figura dell'anticristo sarebbe già sostanzialmente presente in una vasta serie di tradizioni precedenti, tutte derivate da un mito cosmico escatologico che narra lo scontro finale dell'umanità contro un nemico sovrumano (il drago nel mito babilonese). L'anticristo rappresenterebbe l'ultima e più fortunata rideclinazione di questo mito, variamente presente nell'Antico e soprattutto nel Nuovo Testamento, nelle sezioni apocalittiche dei vangeli sinottici, nella Seconda lettera ai Tessalonicesi e in special modo n&\YApocalisse. Abbandonando una tale idea, non dando per scontata l'esistenza di una generica "idea dell'anticristo", e cercando di restare il più possibile aderenti ai testi degli autori cristiani dei primi secoli in cui il termine "anticristo" compare effettivamente, Gian Luca Potestà ed io abbiamo sviluppato una comune ricerca che, grazie ad un costante scambio di idee e di interpretazioni dei testi, ci ha condotti a concludere che l'"anticristo" così come siamo abituati a considerarlo è il prodotto consapevole di una costruzione teologica nata sotto la penna di Ireneo e di Ippolito per rispondere a due precise esigenze: giustificare il ritardo della seconda venuta di Cristo e assorbire, cristianizzandolo, il vasto immaginario apocalittico giudeo-cristiano ancora vivo nel II secolo, sottraendone l'uso agli ebrei e vanificando così la loro persistente attesa messianica.2 Per far ciò, Ireneo ricorre al termine "anticristo" che era utilizzato nelle epistole giovannee per polemizzare contro chi, agli occhi del loro autore, era portatore di una comprensione deviata della figura di Cristo, con un valore quindi esclusivamente polemico ed eresiologico, senza alcuna dimensione escatologica;3 Ireneo attenua questo significato e rende il termine "anticristo" il nome proprio di una autonoma figura escatologica, destinata non più ad essere un generico "falso profeta" o "falso messia", bensì l'ultimo, specifico oppositore di Gesù Cristo, già apparso sulla terra quale vero messia e ora atteso per la sua seconda venuta: un antiCristo, appunto. Ireneo prima e Ippolito poi fanno confluire in questo nuovo personaggio, non senza contraddizioni, i diversi aspetti del precedente immaginario

1 Hermann Gunkel: Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit, Göttingen 1895; Wilhelm Bousset: Der Antichrist in der Überlieferung des Judentums, des Neuen Testaments und der alten Kirche. Ein Beitrag zur Auslegung der Apocalypse, Göttingen 1895. La più recente monografia che si muove ancora in questa direzione è quella di C. Badilata: Métamorphoses de l'Antichrist chez les pères de l'Église, Paris 2005, cui si rimanda anche per la storia degli studi. 2 Si veda la raccolta di testi dei secoli II-IV: L'Anticristo, vol. I: Il nemico dei tempi finali, a cura di Gian Luca Potestà e Marco Rizzi, Roma, Milano 2005, soprattutto l'Introduzione generale, pp. XVIIXXVIII. 3 Per la dimostrazione di questo assunto, cf. L'Anticristo (cf. η. 2), vol. I, pp. 5-13 e 437-445.

Marco Rizzi

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apocalittico giudeocristiano (il falso messia o il falso profeta, l'empio, il figlio della perdizione, e così via), anzitutto quelli dei discorsi escatologici di Gesù riportati dai vangeli sinottici, poi quelli della Seconda lettera ai Tessalonicesi e soprattutto dell' Apocalisse. Si avvia così la fortunata storia dell'Anticristo, il nemico dei tempi finali, che proprio perché figura ex novo cristiana surclasserà ogni altro personaggio del pantheon apocalittico, dando così ragione all'invenzione di Ireneo. Tuttavia, la tradizione polemica ed eresiologica associata al termine "anticristo" si snoda per un significativo lasso di tempo accanto al forgiarsi della minacciosa figura escatologica nell'officina intellettuale di Ireneo e di Ippolito; se il più diretto erede delle posizioni delle epistole giovannee è, intorno al 120, Policarpo di Smirne,4 ancora gli inizi del terzo secolo Tertulliano presenta la voce "anticristo" associata alle posizioni teologiche di Marcione e degli ebioniti nel catalogo delle eresie tracciato nel suo De praescriptione haereticorum.5 Non solo; questa valenza antiereticale prosegue ben oltre l'affermazione della concezione escatologica dell'anticristo; la ritroviamo infatti ancora in autori del V secolo, tanto greci quanto latini, come Macario di Magnesia,6 che presenta una aggiornamento del catalogo tertullianeo, o Arnobio il Giovane,7 che invece sembra ricollegarsi alle posizioni delle epistole giovannee e di Policarpo di Smirne. In ogni caso, nonostante il decisivo ruolo di Ireneo e Ippolito a cavallo tra II e III secolo, nel pieno III secolo e immediatamente a ridosso della cosiddetta "svolta costantiniana" l'attenzione sull'Anticristo appare concentrarsi soprattutto in Occidente, con autori come Cipriano, Vittorino di Petovio, Lattanzio, che accumulano dettagli cronologici, geografici e tipologici sino, addirittura, alla creazione di un doppio Anticristo nel Carmen di Commodiano.8 Nel IV secolo, poi, l'accostamento degli avversari all'Anticristo diviene un topos polemico ricorrente nei conflitti dottrinali e disciplinari che travagliano la chiesa latina sulla scia della crisi ariana, come ben esemplificato da Lucifero di Cagliari, in cui il termine perde qualsiasi connotazione escatologica o esegetica, per ridursi a mero capo d'imputazione politico-ecclesiastica.9 Esaminando una serie di testi a partire dal IV secolo, la presente relazione si propone di confermare questa interpretazione della genesi dell'Anticristo escatologico, mostrando la persistenza nell'oriente greco e siriaco di protagonisti dei tempi finali di più antica e consolidata tradizione, conservatrice e di matrice giudeocristiana, quali "il falso profeta", "l'empio", "il figlio della perdizione", il Diavolo stesso, a cui solo poco alla volta e attraverso influssi stratificati si aggiungerà anche

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Polycarp. Ep. Ad Philpp. 6,2-7,2, sui cui cf. L'Anticristo (cf. η. 2), vol. I, pp. 14 e 445-449. Tert. De praes. haer. 33, su cui cf. L'Anticristo (cf. η. 2), vol. I, pp. 74-78 e 479-483. 6 Macar. Magn. Apocrit. IV 15,1 (cf. Macarios de Magnésie : Le Monogénès. Introduction générale, éd. critique, traduction française et commentaire par Richard Goulet, 2 vols., Paris 2003, vol. 2: Édition critique, traduction française et commentaire, p. 280). Arnob. Jun. Conflict. I 18,38 (cf. Arnobio il Giovane: Disputa tra Arnobio e Serapione, a cura di Franco Gori [Corona Patrum 14], Torino 1993, p. 128). 8 Comm. Carm. 805-995 (cf. L'Anticristo [cf. η. 2], vol. I, pp. 404-414 e 562-566). 9 Basti consultare l'Index verborum alla voce Antichristus nell'edizione Luciferi Calaritani Opera quae supersunt, ad fidem duorum codicum qui adhuc extant necnon adhibitis editionibus veteribus, ed. Gerardus Frederik Diercks (Corpus Christianorum Series latina 8), Tumhout 1978, p. 374. 5

L'ombra

dell'anticristo

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l'Anticristo, che a differenza di quanto accaduto in occidente non riuscirà però a soppiantarle del tutto neppure ben dentro l'epoca bizantina. Due sono probabilmente i motivi di questa tendenza orientale: tra loro strettamente legati da un lato la perdurante diffidenza del mondo greco circa il valore canonico àtW Apocalisse, che invece Ireneo, Ippolito e gli autori occidentali assumevano come testo chiave di ogni anticristologia10; dall'altro lato, il determinante influsso di Origene, che pur entrando nel dibattito sull'Anticristo aperto da Ireneo e Ippolito tende a destoricizzarlo e con ciò a deescatologizzarlo, rendendolo un simbolo dell'opposizione intellettuale e morale a Cristo possibile in ogni uomo11. Uno sguardo ad alcuni autori greci che trattano dell'Anticristo tra IV e V secolo può confermare questa interpretazione. Il primo è Cirillo di Gerusalemme, che compone intorno al 348 le sue omelie destinate ai battezzandi ad illustrazione degli articoli del credo. La quindicesima omelia è tenuta sull'articolo: "Verrà nella gloria per giudicare i vivi e i morti e il suo regno non avrà fine" e sui passi di Daniele 7,9 e 13, relativi alla visione dell'Antico dei giorni e del Figlio dell'uomo che celebra la sua vittoria sulla bestia, versetti che 12

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già Ireneo e Ippolito avevano riferito alla vittoria di Cristo sull'Anticristo. Cirillo inserisce le sue osservazioni sull'Anticristo14 nel contesto della dottrina ormai canonizzata della doppia venuta di Cristo, la prima nell'incarnazione, la seconda nel giudizio; il tempo intermedio è caratterizzato dal dispiegarsi dell'azione di Satana contro i fedeli, che si manifesterà nella sua forma più acuta proprio con l'apparizione dell'Anticristo nelle vesti di un mago che, grazie ai suoi artifici, sedurrà pagani e Giudei, convincendo questi ultimi di essere il cristo da loro atteso e illudendoli con la ricostruzione del tempio. Cirillo viene da ciò condotto ad una sovrapposizione potenzialmente contraddittoria - e ricorrente negli autori greci del IV secolo - tra la figura dell'Anticristo (di natura umana) e l'idea secondo cui il nemico finale è il più terribile perché è Satana ad agire negli ultimi giorni, talché resistere all'Anticristo è resistere direttamente a Satana.15 Il quadro generale presentato dall'omelia è tratteggiato con il ricorso ai segni annunciati nel discorso escatologico

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Non è un caso che le poche attestazioni del termine nella letteratura cristiana greca del III secolo siano riconducibili a contesti marginali rispetto a quelli della grande chiesa; si veda Clem. Alex. Exc. ex Theod. 9, dove resta difficile stabilire se si tratti di un frammento gnostico o di una chiosa di Clemente (cf. la mia introduzione in: L'anticristo, vol. I, p. XXII n. 1); Mart. Pyon. 14,10, laddove Pionio era il leader di una comunità cristiana minoritaria, separata da quella cattolica, come indicano la celebrazione dell'eucaristia con l'acqua (3,1) e la polemica nei confronti del vescovo cattolico della città (15,2) (cf. Le martyre de Pionios prêtre de Smyrne, éd., traduit et commenté par Louis Robert, Washington 1994, pp. 40, 33, 41 rispettivamente). 11 Al proposito cf. L'Anticristo (cf. η. 2), vol. I, pp. 237-240. 12 Cf. Iren. Adv. haer. V 25,3 (cf. L'Anticristo [cf. η. 2], vol. I, pp. 46-48). 13 Hipp. De Chr. et Ant. 20-22; 44,1; In Dan. IV 1; 4,2 (cf. L'Anticristo [cf. η. 2], vol. I, pp. 134-136; 158; 188-190 e 196-198). 14 Cyrill. Hieros. Catech. ad ini. XV 11-18 (cf. Wilhelm Carl Reischl e Joseph Rupp: Cyrilli Hierosolymarum archiepiscopi opera quae supersunt omnia, vol. 2, München 1860 [rist. anastatica Hildesheim 1967], pp. 168-180). 15 Cyrill. Hieros. Catech. ad ini. XV 17 (cf. Reischl e Rupp [cf. η. 14], vol. 2, p. 176).

Marco Rizzi

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di Gesù 16 e in parte già storicamente avvertibili, anche se Cirillo mette in guardia da calcoli troppo immediati; le indicazioni specifiche relative alla comparsa e alle azioni dell'Anticristo sono invece legate al libro di Daniele17 e alla Seconda lettera ai Tessalonicesi.n L'Apocalisse è assente da questa sezione come peraltro da tutte le omelie; anzi, Cirillo polemizza esplicitamente con essa, laddove afferma che il periodo di tre anni e mezzo per il regno dell'Anticristo è indicato dal libro canonico di Daniele e non da quelli che egli definisce "gli apocrifi", dietro cui si scorge facilmente Y Apocalisse giovannea. 9 Pur non accettando la canonicità dell' Apocalisse, nondimeno la polemica di Cirillo appare volta a difendere la possibilità stessa di una concezione anticristologica; per questo motivo, egli dichiara di basarsi sulle Scritture, in specie sul libro di Daniele, e non su quelle che gli avversari ritenevano speculazioni capziose, ancora con probabile riferimento all'Apocalisse.20 La polemica che doveva circondare le dottrine anticristologiche nell'oriente ellenofono e la loro limitata circolazione 21

sono provate anche dall'invito che conclude la sezione anticristologica dell'omelia, con cui Cirillo invita a rendere partecipi anche gli altri dei segni che preannunceranno la venuta dell'Anticristo; un atteggiamento opposto a quello che riscontriamo all'apertura del De Christo et Anticristo di Ippolito, che invitava al contrario ad un uso molto prudente del materiale esegetico lì presentato.22 Qualche decennio dopo Cirillo, ampi stralci del trattato ippoliteo sono ripresi alla lettera e inseriti in una apocalisse di impostazione tradizionalmente giudeocristiana. Si tratta dei capitoli centrali (dal diciottesimo al trentesimo) del De consummatione mundi, in seguito falsamente attribuito a Ippolito. Il carattere post-costantiniano della redazione è mostrato dalla conclusione, identica a quella di Cirillo, dove si sottolinea la superiorità dei martiri futuri uccisi dall'Anticristo rispetto a quelli del tempo ormai trascorso delle persecuzioni avvenute nell'impero. 2 La non coerenza dei materiali originari assemblati dallo pseudo Ippolito emerge dalla giustapposizione, ancor più marcata che non nello stesso Cirillo, tra la figura dell'Anticristo e quella del diavolo. Quest'ultimo è il protagonista esclusivo della narrazione escatologica che incornicia la sezione anticristologica ripresa da Ippolito. Per cercare di armonizzare le due impostazioni, l'autore inserisce il termine diavolo in circa metà dei luoghi in cui Ippolito utilizzava quello di Anticristo,24 ottenendo lo straniante effetto di creare un personaggio la cui identità rimbalza costantemente tra le due figure, sino al paradosso di una doppia nascita dell'avversario escatologico, l'una come dia-

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Matth. 24 e paralleli. Cyrill. Hieras. Catech. ad ini. XV 13 (cf. Reischl e Rupp [cf. η. 14], vol. 2, pp. 170-172). 18 Cyrill. Hieras. Catech. ad ini. XV 14 (cf. Reischl e Rupp [cf. η. 14], vol. 2, p. 172). 19 Cyrill. Hieras. Catech. ad ini. XV 16 (cf. Reischl e Rupp [cf. η. 14], vol. 2, pp. 174-176). 20 Cyrill. Hieras. Catech. ad ini. XV 13 (cf. Reischl e Rupp [cf. η. 14], vol. 2, p. 170). 21 Cyrill. Hieras. Catech. ad ini. XV 18 (cf. Reischl e Rupp [cf. η. 14], vol. 2, pp. 178-180). 22 Hipp. De Chr. et Ant. 1,2 (cf. L'Anticristo [cf. η. 2], vol. I, pp. 114-116 e 495^496, nn. 3-5). 23 Ps. Hipp. De consum. mundi 30 (cf. Hippolyt's kleinere exegetische und homiletische Schriften, ed. H. Achelis [GCS 1.2], Leipzig 1897, p. 301). 24 Cf. Ps. Hipp. De consum. mundi 19 (tris: cf. Hipp, de Chr. et Ant. 14,2-15,1; 14,1; 6,1-2); 21 (cf. Hipp, de Chr. et Ant. 47,2) (cf. Hippolyt's kleinere ... Schriften [cf. η. 23], pp. 296 e 297). 17

L'ombra dell 'anticristo

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volo ex virgine,25 per completare la simmetria ippolitea tra Cristo e Anticristo, l'altra 26

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come Anticristo ex tribu Dan, secondo un'idea già presente in Ireneo e Ippolito. Se non si vuole derubricare un tale modo di procedere ad una sorta di confusione mentale, non resta che considerarlo il tentativo di comporre in unità materiali provenienti da due tradizioni distinte e di recuperarle pienamente entrambe al comune sentire orientale. Tentativo che si accompagna ad un episodio unico nella vicenda anticristologica, legato ancora una volta al problema della legittimazione dell'Apocalisse e del suo autore, Giovanni, ormai identificato con Giovanni il Teologo autore di Vangelo e Lettere. Nel momento in cui riprende alla lettera il cap. 47 del De Christo et Antichristo, lo pseudo-Ippolito modifica l'originale aggiungendo Giovanni il teologo ai due profeti Enoch ed Elia che profetizzeranno immediatamente prima della venuta dell'Anticristo.29 Una tale inserzione sembra ancora una volta motivata da esigenze di simmetria, laddove si creerebbe così un preciso parallelismo tra Giovanni il Battista, precursore della prima venuta di Cristo, e Giovanni il Teologo, precursore della seconda parousia; ma nel medesimo luogo, l'autore del De consummatione mundi interviene anche sul testo del l'Apocalisse, citato sulle orme di Ippolito, sostituendo all'espressione originaria "durante i giorni della loro profezia",30 riferita ad Enoch ed Elia, una formulazione che cita esplicitamente l'Anticristo: "Durante i giorni della venuta dell'Anticristo". Subito dopo, lo pseudo-Ippolito attribuisce a Daniele anche la successiva citazione dell 'Apocalisse, 1 che Ippolito aveva genericamente introdotto con 1'epressione: "afferma il profeta".32 Il libro di Daniele viene poi immediatamente evocato con l'indicazione del quarto e più piccolo dei dieci corni della bestia {Dan. 7,8, che poco più avanti [Dan. 7,21] viene detto muovere guerra ai santi).33 L'autore conosce e apprezza l'ultimo libro del Nuovo Testamento, dato che più oltre offre la sua interpretazione del numero della bestia di Ap. 13,8;34 può darsi quindi che l'attribuzione a Daniele del passo dell'ultimo libro biblico sia semplicemente un errore indotto dalla genericità del riferimento presente nell'originale di Ippolito; oppure che l'autore del De consummatione mundi, dovendo attribuire a Giovanni una sorta di autoprofezia che in realtà non compare in nessuno dei suoi scritti (il fatto cioè che si accompagnerà a Enoch ed Elia nella predicazione degli ultimi giorni), operi volontariamente una forzatura, attribuendo ad un profeta riconosciuto ed accettato la novità dell'accostamento di Giovanni ai due precursori, riuscendo così al tempo stesso a dotare di valore canonico i passi dell'Apocalisse utilizzati nel De Christo et Antichristo di Ippolito e da lì ripresi.

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Ps. Hipp. De consum. mundi 22 (cf. Hippolyt's kleinere ... Schriften [cf. η. 23], p. 298). Ps. Hipp. De consum. mundi 19 (cf. Hippolyt's kleinere ... Schriften [cf. η. 23], p. 296). 27 Iren. Adv. haer. V 30,2 (cf. L'Anticristo [cf. η. 2], vol. I, p. 64). 28 Hipp, de Chr. et Ant. 14—15 (cf. L'Anticristo [cf. η. 2], vol. I, pp. 126-128). 29 Ps. Hipp. De consum. mundi 21 (cf. Hippolyt's kleinere ... Schriften [cf. η. 23], p. 297). 30 Αρ. 11,3. 31 Αρ. 11,7: "La bestia che sale dall'abisso farà guerra contro di loro e li vincerà e li ucciderà". 32 Hipp, de Chr. et Ant. 47,2 (cf. L'Anticristo [cf. η. 2], vol. I, p. 162). 33 Ippolito identificava questo corno con l'Anticristo, mentre nel De consummatione mundi è definito diavolo: cf. supra η. 24. 34 Ps. Hipp. De consum. mundi 28 (cf. Hippolyt's kleinere ... Schriften [cf. η. 23], p. 301). 26

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Così, se ancora verso la fine del quarto secolo, commentando la Seconda lettera ai Tessalonicesi Giovanni Crisostomo ribadiva come l'Anticristo si dovesse tenere per distinto da Satana,35 la vicenda sin qui esaminata della sovrapposizione di tradizioni escatologiche diaboliche e anticristiche ha il suo momento di sintesi e conclusione nell'opera di Teodoreto di Cirro, composta tra il 430 e il 450. Il ventitreesimo capitolo del quinto libro del suo trattato antiereticale Haereticarum fabularum compendium illustra la figura dell'Anticristo nell'ambito di una esposizione generale dell'escatologia cristiana.36 Ma già in precedenza Teodoreto aveva affrontato il tema commentando il libro di Daniele37 e la Seconda lettera ai Tessalonicesi,38 In entrambi i casi, però, il precipuo interesse esegetico pare focalizzato altrove: nel caso di Daniele, sull'esatta interpretazione della successione dei quattro regni profetizzati, contro chi vedeva ormai realizzata la profezia con il regno di Antioco IV, a favore invece dell'identificazione dell'ultimo regno con l'impero romano;39 nel caso di Paolo, sul significato dell'enigmatico katechon, di cui Teodoreto offre un'interpretazione differente da ogni precedente, secondo cui il katechon è l'idolatria che trattiene l'uomo e impedisce l'avvento di Cristo.40 Pur rimandando alle sue due precedenti opere per maggiori dettagli, Teodoreto non pare aggiungere alcunché di nuovo alle tradizioni anticristologiche precedenti, rivelando anche in questo caso qualche sutura non particolarmente riuscita tra le due differenti versioni (diabolica e anticristica) degli eventi finali.41 Proprio l'apertura del V secolo rappresenta una svolta decisiva per la storia ricostruita qui, con la presenza dei Goti a Costantinopoli nell'anno 400 e il sacco di Roma nel 410. Un simile sfondo storico, quale descritto da Filostorgio42 o dalle lettere dell'esilio di Giovanni Crisostomo,4 specie il deplorevole stato delle province d'Oriente, contribuisce a spiegare la fioritura di una nuova letteratura apocalittica; anche in questo caso è possibile riscontrare la persistenza, accanto ad un filone esplicitamente anticristico, di un filone legato al più tradizionale immaginario escatologico giudeo-cristiano.

35 Joh. Chrys. Horn. III in II Ep. ad Thess. 2 (cf. PG 62, col. 482): Τίς δέ ούτός έστιν; άρα ó σατανάς; Ουδαμώς· άλλ' άνθρωπος τις πάσαν αύτοϋ δεχόμενος την ένέργειαν'. L'affermazione di Giovanni ricalca direttamente la definizione che Ireneo dà dell'Anticristo come omne suscipiens diaboli virtutem (Ir. Adv. haer. V 25,1, cf. L'Anticristo [cf. n. 2], vol. 1, p. 120). 36 Theod. Cyr. Haer. fab. comp. V 23 (cf. PG 83, coll. 525-532). 37 Theod. Cyr. Interpretatio in Danielem VII (cf. PG 81, coll. 1417D-1437B). 38 Theod. Cyr. Interpretatio in II Ep. Ad Thess. 2 (cf. PG 82, coll. 661C-668B). 39 Theod. Cyr. Interpretatio in Danielem VII 24-27 (cf. PG 81, coll. 1429C-1437B). 40 Theod. Cyr. Interpretatio in II Ep. Ad Thess. 2 (cf. PG 82, coll. 663C-668A). 41 In particolare, sin dalle prime battute del capitolo in questione, l'Anticristo viene identificato con "il demone antidio", colui che sin dalle origini aveva introdotto i falsi culti tra gli uomini e che, a somiglianza di Cristo, assumerà nei tempi finali un aspetto umano (ma non una vera natura umana, come invece Gesù), caratteristiche tradizionalmente attribuite al principe dei demoni; in conclusione, però, Teodoreto viene ad affermare che costui accoglierà la forza di Satana, come se si trattasse di altri da lui. 42 Philost. Hist. eccl. XI7-8. 43 Joh. Chrys. Ep. LXVIII; LXIX.

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Il primo è costituito da testi come la prima apocalisse apocrifa di Giovanni44 o l'apocalisse greca di Esdra,45 probabilmente correlate in qualche modo tra loro, che grosso modo riutilizzano il materiale dello pseudo Ippolito. In esse è esplicitamente prevista la presenza dell'Anticristo, ma in un contesto di particolare interesse, quello della descrizione fisiognomica del nemico dei tempi finali, in cui confluiscono molteplici fonti e paralleli riscontrabili tanto in testi apocalittici ebraici, quanto nella storiografia romana (il ritratto di Caligola in Seneca e Svetonio) 46 Ebbene, per cristianizzare tali modelli, i due autori non trovano di meglio che far comparire, a scanso di equivoci, una esplicita dicitura "Anticristo" sulla fronte dell'orrendo nemico dei tempi finali,47 mentre nella tradizione rabbinica questi portava il nome di Armillus e simboleggiava l'impero romano. Va osservato il decisivo scarto dalla tradizione dell 'Apocalisse canonica, nel momento in cui il nome della bestia non è più declinato nella forma gematricamente ambigua del numero 666, corrispondente alle lettere greche X H Q bensì palesemente dichiarato - anche questo un indizio forse di una volontà di differenziazione dal testo canonico, che doveva risultare ancora accompagnato da qualche diffidenza 48 Il secondo filone è invece rappresentato da scritti come il Testamentum Domini, che risale con ogni probabilità a questo stesso periodo e di cui l'originale greco è andato perduto 4 Le varie traduzioni di questo testo risultano particolarmente significative per la tesi che si vuole qui sostenere. Sia nelle versioni siriache,50 sia in quella etiopica,51 che a parere del suo ultimo editore, Robert Beylot, risulta indi-

44 Edita da Konstantin von Tischendorf: Apocalypses apocryphae. Mosis, Esdrae, Pauli, Iohannis, item Mariae donnitio, additis Evangeliorum et Actuum Apocryphorum supplementis, Leipzig 1866 (rist. anastatica Hildesheim 1966), pp. 70-94. 45 Edita sempre da Tischendorf, Apocalypses apocryphae (cf. η. 44), pp. 24—33, ora anche in: Apocalypsis Esdrae. Apocalypsis Sedrach. Visio beati Esdrae, ed. Otto Wahl, Leiden 1977, pp. 25-34. 6 Cf. Sen. De const, sap. 18; Suet. Vit. XII Caes. 50. Sulle fonti (ebraiche e non) di questa figura si veda Jean-Marc Rosenstiehl: Le portrait de l'Antichrist, in: Pseudépigraphes de l'Ancien Testament et manuscrits de la Mer Morte, 1, par Marc Philonenko, Jean-Claude Picard, Jean-Marc Rosenstiehl, Francis Schmidt, Paris 1967, pp. 45-60. 47 1 Apoc. apocr. Io. 7; Apoc. gr. Ezr. 4 (cf. Tischendorf, Apocalypses apocryphae [cf. η. 44], pp. 75 e 29; per la seconda cf. anche Wahl, Apocalypsis Esdrae [cf. η. 45], p. 30). 4 Va segnalato, quale posizione intermedia, il testo apocalittico presente in un manoscritto di Montpellier, H 405, che al f. 117 riporta le tre lettere α τ χ, evidentemente priva di valore numerico, tanto che l'autore si affretta a chiosare "ossia Anticristo" (citato per la prima volta da Frédéric Macler: Les Apocalypses apocryphes de Daniel, Paris 1895, pp. 108-109). 49 François Nau: La version syriaque de l'Octateuque de Clément traduit en Français, Paris 1913 (rist. anastatica Milano 1967), p. 27 η. 13 vorrebbe invece anticiparlo alla metà del IV, almeno per quello che riguarda la componente più specificamente apocalittica. 50 Test. Dom. syr. 11 (cf. Ignatius Ephraem II Rahmani Patriarcha Antiochenus Syrorum: Testamentum Domini Nostri Jesu Christi, Kirchheim, Mainz 1899; trad, francese in: Nau, La version syriaque de l'Octateuque [cf. η. 49], p. 28); questa versione viene datata al 687. Il frammento pubblicato da John P. Arendzen: A New Syriac text of the Apocalyptic Part of the Testament of the Lord, in: The Journal of Theological Studies 2 (1900), pp. 401-416 riporta una traduzione parziale dell'originale greco differente da quella pubblicata da Rahamani; anche in questo caso compare solo il termine "Figlio della perdizione", senza alcun riferimento all'Anticristo. 51 Test. Dom. eth. 6 (cf. Testamentum Domini Éthiopien, éd. et traduction par Robert Beylot, Louvain 1984, pp. 13-15 e 152-153).

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pendente da quelle siriache ed araba e riconducibile direttamente al testo greco,52 alla descrizione fisiognomica del nemico dei tempi finali non corrisponde in alcun modo la denominazione di Anticristo, bensì quella più antica di "empio" o "figlio della perdizione". Nella frammentaria traduzione latina,53 invece, compare la sostituzione del termine anticristo a quello di "demonio" e "falso messia" delle corrispondenti rubriche siriaca54 ed etiopica e una glossa conclusiva: "Haec autem omnia ante ventum Antechristi erunt, Dexius erit nomen Antechristf ,55 In Dexius Harnack vedeva un riferimento all'imperatore persecutore Decio e ne derivava un terminus a quo.56 L'equivalenza dexius!Decius però è paleograficamente difficile e del resto l'identificazione dell'Anticristo con un imperatore notoriamente persecutore può essere stata operata anche successivamente, a partire da Commodiano e dalla sua identificazione di Decio con il settimo (e ultimo) persecutore.57 Al di là di problematiche indicazioni cronologiche, più interessante è verificare, ancora una volta, come materiali apocalittici vengano adattati a un contesto, quello occidentale latino, in cui la figura dell'Anticristo ha assunto un ruolo escatologico centrale, diversamente da quanto accadeva ancora nell'ambiente di origine degli stessi materiali. Sempre a proposito della traduzione latina del Testamentum Domini, va infatti rilevato come in essa manchi il capitolo 10 della versione siriaca, in cui sono riportate le devastazioni subite dalle regioni orientali, che costituiscono il piatto forte delle altre versioni e più in generale della geografia apocalittica che si viene delineando in oriente. I medesimi materiali ora analizzati sono poi presenti in un altro testo etiopico, il Testamentum Domini nostri in Galilaea, in cui invece il termine Anticristo compare a glossare la figura del "seduttore" e dell'"impuro", senza risultare apposto sulla fronte, in un passaggio significativamente tribolato della tradizione manoscritta.58 E' così evidente come il testo greco di partenza abbia conosciuto un differente adattamento ai vari contesti: nell'occidente latino tramite il sistema di glossatura si riconducono almeno una volta le diverse figure apocalittiche a quella lì dominante e consolidata dell'Anticristo, mentre nelle aree orientali, dove come detto la penetrazione di Apocalisse e Anticristo sarà ben più lenta, ciò non accade se non tardivamente; in questo modo, per lungo tempo si resta così ancorati all'originario immaginario apocalittico giudeo-cristiano.59

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Beylot, Testamentum Domini Éthiopien (cf. η. 51), p. Vili. Montague Rhodes James: Apocripha anecdota I, in: Texts and Studies, II 3, Cambridge 1893, p. 153. 54 Secondo il ms. S utilizzato da Rahmani, Testamentum Domini Nostri Jesu Christi (cf. η. 50). 55 Cf. James, Apocripha anecdota I (cf. η. 53), p. 153. 56 Citato da Arendzen, A New Syriac text (cf. η. 50), p. 401 η. 2. 57 Comm. Carm. 808 (cf. L'Anticristo, vol. 1, p. 404 e pp. 562-563 η. 20 per l'identificazione della settima persecuzione). 58 Test. Dom. in Galil. 6 (cf. Le testament en Galilée de notre-seigneur Jésus Christ, texte éthiopien éd. et traduit par L. Guerrieu, in: Patrologia Orientalis 9, Paris 1913 [rist. anastatica Tumhout 1971], p. 43 [183]). 59 Esemplare in finizione riassuntiva di quanto sin qui sostenuto è la vicenda dell'Apocalisse di Elia. Nella forma pervenutaci, risulta essere la traduzione etiopica dell'originale greco composto forse nel terzo secolo, che a sua volta cristianizzava un apocrifo giudaico del I secolo a.C.: in nessun modo vi compare la menzione dell'Anticristo; cf. Jean-Marc Rosenstiehl: L'Apocalypse d'Elie. Introduction, traduction et notes, Paris 1972, pp. 75-76. 53

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Del resto, al siriaco mancava persino la parola per indicarlo, almeno sino al VI secolo.60 Infatti, nella più antica traduzione siriaca del Nuovo Testamento (la cosiddetta Peshitta, realizzata, al più tardi, al principio del V secolo) nei tre passi della Prima lettera di Giovanni che nell'originale greco presentano il termine anticristo,61 il traduttore siriaco ha inserito sistematicamente l'espressione mshiha ' d-gala ', che significa "falso Cristo" (letteralmente "Messia della falsità"), ripresa da Matth. 24,24. Ci si attenderebbe un mutamento con la traduzione della Bibbia promossa da Filosseno di Mabbug nel 508, dal momento che questa nuova versione contiene i testi completi delle epistole cattoliche e soprattutto quello dell'Apocalisse di Giovanni, fino ad allora assenti dal canone siriaco. Invece, il testo filosseniano, per quanto ricostruibile, sembra aver mantenuto la traduzione della Peshitta: questo si può dedurre, oltre che da citazioni in opere monofisite, dalla testimonianza diretta di un frammento del Commentario su Matteo e Luca dello stesso Filosseno ove viene riportato il passo di 1 Gv. 4,3.62 Si tratta di una lunga sezione in cui Filosseno polemizza con i Nestoriani definendoli "gli eretici" e accusandoli di negare la vera umanità di Cristo; può così riferire loro il passo di 1 Gv. 4,3 riportato ancora secondo la versione della peshitta in cui compare l'espressione mshiha ' d-gala '; subito dopo, però, Filosseno afferma che ad assumere per primo questa posizione ereticale sarebbe stato Simon Mago, definito il "primo degli apostoli dell'Anticristo",63 seguito nell'errore da eutichiani, marcioniti, valentiniani e manichei: sembra quindi che il vescovo introduca per la prima volta nella lingua siriaca il termine greco "Anticristo", traslitterando il greco nei caratteri della propria lingua ('anticristos) e rifacendosi alla genealogia ereticale iniziatasi con la Prima lettera di Giovanni e ancora viva, come visto sopra, nel V secolo. Ancora più interessante un altro frammento64 in cui Filosseno polemizza sempre con i nestoriani, associandoli questa volta ad ariani e giudei e accusandoli di credere in un "altro cristo", chiosando che quest'ultimo sarebbe appunto l'Anticristo o uno di quei "falsi messia" preannunciati dal Signore stesso in Matth. 24,24 (dove compare appunto l'espressione mshiha ' d-gala '): insomma, Filosseno introdurrebbe nella cultura siriaca la figura dell'Anti-

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Sono debitore a Gian Luca Potestà per l'indicazione di tutti i testi siriaci, greci e latini cui mi riferirò in questa sezione finale del mio contributo, ad eccezione della Peshitta, di Filosseno di Mabbug, della Harcleense e dell'Apocalisse edita da Henze; devo a lui anche l'individuazione in essi dei passi riguardanti il "figlio della perdizione"/Anticristo e la segnalazione della relativa letteratura critica. Sono inoltre grato a Giovanni Bazzana per le traduzioni dei passi neotestamentari cui mi riferisco e per verifiche riguardo al lessico utilizzato in altri scritti siriaci citati qui di seguito; e a Emidio Vergani per le osservazioni sul testo dell'Apocalisse edita da Henze (cf. η. 77). 61 1 Gv. 2,18. 22; 4, 3. I testi delle diverse versioni siriache e delle citazioni in opere monofisite della prima lettera di Giovanni che verranno qui esaminati sono editi sinotticamente in: Das Neue Testament in syrischer Überlieferung, 1 : Die großen katholischen Briefe, in Verbindung mit Andreas Juckel hg. und untersucht von Barbara Aland, Berlin 1986, pp. 230 (1 Gv. 2,18); 231 (1 Gv. 2,22); 243 (1 Gv. 4,3). 62 Philox. Mabb. Comm. in Matth, et Luc. fr. 51 (su Luc. 3,22) (cf. Philoxenus of Mabbug, Fragments of the Commentary on Matthew and Luke, ed., translated by John W. Watt, 2 vols. [CSCO 392/393 - Scriptores Syri 171/172], Louvain 1978, vol. 1, p. 71). 63 1 nestoriani, tra l'altro, persistevano nel negare la canonicità àt\V Apocalisse. 64 Philox. Mabb. Comm. in Matth, et Luc. Fr. 27 (su Matth. 16,16-17) (cf. Philoxenus of Mabbug, Fragments of the Commentary on Matthew and Luke [cf. η. 62], vol. 1, p. 29).

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cristo ancora una volta attraverso il sistema delle glosse e in stretta relazione alla tradizione eresiologica greca e latina da cui lo avrebbe ripreso. Accanto a Filosseno o immediatamente dopo di lui, può aver contribuito all'introduzione del termine una traduzione del De Christo et Anticristo di Ippolito, frammenti della quale sono presenti in alcuni manoscritti conservati ad Harvard e pubblicati da Sebastian Brock;65 in particolare, il termine siriaco 'anticristos compare nel ms. Harvard syr 47, ff. 137a—138a, che, pur attribuendolo erroneamente al Commento a Daniele, contiene un estratto corrispondente a De Chr. et Ant. 7-14; 66 Brock propone di assegnare al VI secolo67 la traduzione, che risulta essere la medesima utilizzata da Dionigi bar Salibi nelle corrispondenti citazioni di Ippolito inserite suo commento ¿Ά'Apocalisse. Brock ipotizza quindi che il trattato Ippoliteo possa essere stato tradotto integralmente;68 se così fosse, si tratterebbe di una significativa coincidenza cronologica che può illuminare il contesto in cui Filosseno risulta essere il primo autore siriaco ad utilizzare autonomamente il termine "Anticristo" in un proprio scritto, appunto il Commentario su Matteo e Luca citato sopra. Bisogna infatti attendere la nuova revisione della Bibbia siriaca, la cosiddetta "harcleense" realizzata nel 616 e tradizionalmente attribuita a Tomaso di Harkel, perché il termine entri anche nella versione della Prima lettera di Giovanni. Questo può essere facilmente spiegato in riferimento ai caratteri specifici di tale traduzione: essa, infatti, viene concepita in un clima culturale e politico fortemente filobizantino ed è animata dal desiderio di rispettare nella maniera più letterale possibile il dettato della base greca fin nella successione delle parole. Dal canto suo, il mondo greco bizantino aveva solo da poco superato l'ostracismo verso l'Apocalisse e verso l'interpretazione anticristologica dei suoi protagonisti negativi, grazie ai due grandi e antagonisti commentari di Andrea di Cesarea e di Ecumenio redatti tra la metà del VI e i primissimi anni del VII, la cui ascendenza occidentale è dimostrata dall'indicazione della soluzione Βενέδικτος per il numero della bestia,69 che viene esplicitamente ricondotto da Andrea al greco ευλογημένος ή εύλογήτος, che non compare però in alcun altro commento a noi noto. Tornando all'ambiente siriaco, oltre alla versione harcleense, il principio del VII secolo vede un'altra comparsa del termine "Anticristo" nella conclusione del cosiddetto Poema di Alessandro, pseudepigraficamente attribuito al monofisita Giacomo di Sarug e databile a prima del 636. Nell'ultima parte di questo poema epico-apocalittico, concepito come una lunga rivelazione degli eventi ultimi posta sulle labbra di Alessandro Magno, il conquistatore macedone usa in un'occasione il termine Anticristo per accennare alla sua manifestazione prima dello scontro finale. In tutte

65 Sebastian Brock: Some New Syriac Texts Attributed to Hippolytus, in: Le Muséon 94 (1981), pp. 177-200. 66 Brock, Some New Syriac Texts (cf. n. 65), pp. 184—188, con traduzione inglese. 67 Brock, Some New Syriac Texts (cf. n. 65), p. 177. 68 Brock, Some New Syriac Texts (cf. n. 65), p. 188. 69 Andr. Caes. Comm. in Apoc. 38 (cf. Patrologia Graeca CVI col. 340 CD); Oecum. Comm. in Apoc. VIII (cf. Oecumenii Commentarius in Apocalypsin, ed. a M. De Groóte, Leuven 1999, p. 193).

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le tre versioni note di questo testo appare il prestito dal greco:70 è interessante notare che nella meno attendibile delle tre, custodita dal manoscritto Par. Syr. 243, il copista che la realizzò, il monaco maronita Sergio attivo a Roma nel 1610, aggiunse come glossa a fianco della menzione dell'Anticristo la specificazione per la quale si sarebbe trattato del "falso Cristo" secondo il dettato della Peshitta,71 In ogni caso, il termine Anticristo non pare avere incontrato grande successo nella restante produzione apocalittica in lingua siriaca, se esso non appare nei testi della seconda metà del VII ed all'inizio dell'VIII secolo, scritti nel pieno degli sconvolgimenti portati dall'invasione araba: il Discorso sulla fine dello pseudo-Efrem, composto nel periodo tra il 640 e il 683 usa i termini "figlio della perdizione", "senza Dio", "apostata", ma mai Anticristo;72 così pure YApocalisse dello Pseudo-Metodio databile al 690-692 ("figlio della perdizione", "ingannatore", "antikeimenos", nemico)73 e la cosiddetta Apocalisse di Edessa che è sostanzialmente una riedizione della precedente;74 anche la Doctrina Iacobi nuper baptizati presenta la figura di Maometto quale "falso profeta";75 il primo testo orientale in cui questi è presentato come precursore dell'Anticristo è, allo stato delle mie conoscenze, il capitolo 100 del trattato De haeresibus attribuito a Giovanni Damasceno, sulla cui autenticità non vi è accordo e che comunque risale a dopo il 725.76 Forse, il repentino crollo del potere bizantino nell'area aveva determinato l'affievolirsi delle tendenze filoelleniche di cui la "harcleense" e la stessa figura di Alessandro erano espressione. Per concludere questo sommario esame dell'ambito siriaco, si può ricordare Y Apocalisse siriaca di Daniele edita da Henze.77 Al capitolo 22 la consueta descrizione fisiognomica dell'avversario escatologico, comparsa per la prima volta agli inizi del V secolo è accompagnata dalle definizioni di "insensato", "perverso serpente" e "falso messia" (mshiha ' d-gala ');78 lo scritto è collocato da Henze nella prima metà del VII secolo in ambiente melchita, tra la leggenda di Alessandro e lo

70 Das syrische Alexanderlied. Die drei Rezensionen, hg. und übersetzt von Gerrit J. Reinink, 2 vols. (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 454/455 - Scriptores Syri 195/196), Leuven 1983, vol. 1, pp. 118-119. 71 Cf. Das syrische Alexanderlied (cf. η. 70), vol. 1, ρ. 119 η. 34. 72 Ps. Ephraem Syr., Sermo in adventum Domini et de consummatione saeculi (cf. Des heiligen Ephraem des Syrers Sermones, III, hg. und übersetzt von Edmund Beck, 2 vols. [Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 320/321 - Scriptores Syri 138/139], Louvain 197, vol. 1, pp. 60-71), su cui Gerrit J. Reinink: Pseudo-Ephraems Rede über das Ende und die syrische eschatologische Literatur des siebenten Jahrhunderts, in: Aram 5 (1993), pp. 437-463. 73 Cf. Die syrische Apokalypse des Pseudo-Methodius, hg. und übersetzt von Gerrit J. Reinink, 2 vols. (Cornus Scriptorum Christianorum Orientalium 540/541 - Scriptores Syri 220/221), Leuven 1993. Pubblicata in: Journal asiatique, IX ser. 9(1917), pp. 425^46. 75 Doctrina Iacobi nuper baptizati V 16-17 (cf. Doctrina Iacobi nuper baptizati, éd. et traduction par Vincent Déroche, in: Travaux et mémoires 11 (1991), pp. 209-213). 76 Cf. Johannes Damaskenos und Theodor Abu Qurra: Schriften zum Islam, kommentierte griechischdeutsche Textausgabe von Reinhold Glei und Adel Theodor Khoury, Würzburg, Altenberge 1995, pp. 74— 82; per la questione dell'autenticità cf. pp. 38-44. 7 Matthias Henze: The Syriac Apocalypse of Daniel, Tübingen 2001. 78 Cf. Henze, The Syriac Apocalypse of Daniel (cf. n. 77), p. 46; non si capisce su quale base Henze possa a p. 90 tradurre il termine con "Antichrist". Stesso errore compare nella traduzione tedesca (senza originale a fronte) Syrische Danielapokalypse, hg. von Matthias Henze, München 2006, p. 50.

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pseudo-Metodio. Come ha di recente mostrato Balzaretti,79 proprio questa parte del testo è in gran parte comune (oltre settanta versetti) con un'altra apocalisse apocrifa, conservata in un manoscritto del British Museum, la cosiddetta Apocalisse siriaca del giovane Daniele. Anche nella sezione fisiognomica di quest'ultima non compare alcuna menzione dell'Anticristo, bensì quella di "insensato" (comune con la precedente) e del più tradizionale "figlio della perdizione", mentre, come detto, la gran parte dei due testi risulta perfettamente sovrapponibile nel resto della sezione escatologica. Il manoscritto del British Museum risale al XII secolo: significativamente la sezione che qui interessa è rubricata a margine con l'indicazione "Anticristo", che non compariva nel testo originario.80 Proprio quando questo genere di testi passa alle culture greca e latina attraverso traduzioni quasi immediate, il meccanismo di glossatura assume importanza centrale per l'acquisizione di sempre nuovo materiale al cantiere anticristologico: il traduttore aggiunge nel titolo o in qualche luogo del testo, preferibilmente all'inizio o in conclusione, la menzione dell'Anticristo, che viene così identificato con il protagonista della narrazione e con tutte le sue altre denominazioni. E' il caso del materiale apocalittico che compare nelle omelie greche di tema escatologico attribuite ad Efrem, tra cui appunto il Sermo in adventum Domini et de consummatione saeculi, e soprattutto di una interessante variante della versione latina dello pseudo-Metodio greco, che così grande importanza ha per l'immaginario escatologico medievale occidentale, edita da Otto Prinz,81 in cui il processo di inserzione per glossatore e aggiunte è di limpida evidenza.82 La stessa cultura bizantina conosce significative oscillazioni nella medesima linea sin qui ripercorsa. Nell'ambito della fiorente produzione escatologica e in specie delle cosiddette visiones Danielis83 troviamo così testi quale l'Apocalisse greca di Daniele, del secolo IX, pubblicata da Klaus Berger,84 in cui l'Anticristo assume ruolo centrale sulle orme dello pseudo Ippolito sin dalla titolazione; ma anche l'apocalisse apocrifamente attribuita a Leone di Costantinopoli, pubblicata da Riccardo

79 Claudio Balzaretti: L'apocalisse del giovane Daniele (Syr Dan), in: Rivista di Storia e Letteratura Religiosa 42 (2006), pp. 109-129. 0 Balzaretti, L'apocalisse del giovane Daniele (cf. η. 79), pp. 122 e 129. 81 Otto Prinz: Eine frühe abendländische Aktualisierung der lateinischen Übersetzung des Pseudo-Methodius, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 41 (1985), pp. 1-23. 82 Nella parte conclusiva, dove lo pseudo-Metodio tratta dell'avvento del "figlio della perdizione", il traduttore di Prinz aggiunge sistematicamente la glossa qui est antichristus o qui dicitur antichristus (rispettivamente alle it. 209, 213 e 218 dell'edizione di Prinz, Eine frühe abendländische Aktualisierung [cf. η. 81], pp. 15-16). Anche le due successive menzioni dell'Anticristo sono da questi aggiunte rispetto alla traduzione latina standard dello pseudo-Metodio, che può leggersi in: Ernst Sackur: Sybillinische Texte und Forschungen. Pseudo-Methodius, Adso und die Tiburtinische Sibille, Halle 1898, pp. 59-96. Prinz evidenzia tipograficamente questi scostamenti. 83 Per una breve presentazione e una classificazione di questa tipologia di testi, si vedano Paul J. Alexander: The Visions of Daniel: Extant Texts, in: Paul J. Alexander, The Byzantine Apocalyptic Tradition, ed. by Dorothy de F. Abrahamse, Berkeley 1985, pp. 61-95; Lorenzo DiTommaso, The book of Daniel and the apocryphal Daniel literature, Leiden 2005, pp. 331-377. 84 Die griechische Daniel-Diegese. Eine altkirchliche Apokalypse. Text, Übersetzung und Kommentar von Klaus Berger, Leiden 1976.

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Maisano e da questi datata ali' 802-811 85 o immediatamente dopo, dunque pressoché coeva al testo precedente, in cui invece non ne compare menzione alcuna. L'elenco potrebbe continuare; ma, in conclusione, occorre piuttosto chiedersi cosa significhi l'individuazione di simili oscillazioni nell'accettazione della figura dell' Anticristo escatologico nell'oriente, greco e non. Innanzitutto, credo ne esca confermata la genesi secondaria e derivata di questo personaggio, rispetto all'originario immaginario apocalittico giudeo-cristiano. In questo senso, ambienti teologicamente ed esegeticamente più conservatori, come quello siriaco, mostrano resistenza ad accettare l'innovazione introdotta da Ireneo e Ippolito, sentita come estranea all'originario dettato neotestamentario. C'è da indagare, a questo proposito, se le minori o maggiori accentuazioni delle componenti antigiudaiche presenti nei vari testi non possano essere lette anche in funzione della maggiore o minore cristianizzazione - cioè anticristologizzazione - del terribile nemico dei tempi finali. Come pure rimane da tracciare una interessante geografia storica degli interscambi escatologici tra oriente e occidente tardoantichi, in cui una volta ancora il ruolo di mediazione centrale è giocato dalla cultura teologica di lingua greca. Infine, le stesse oscillazioni degli autori greci del IV-V secolo, a fronte della pacifica accettazione latina consacrata da autori del calibro di Gerolamo e Agostino, mostrano come il prosieguo della vicenda dell'Anticristo sia faccenda per lo più dell'occidente, laddove questo risulta essersi sbarazzato abbastanza velocemente già nel corso del IV secolo del diavolo o del "figlio della perdizione" o dell'"empio" quale protagonista alternativo della persecuzione finale: a differenza dell'escatologia bizantina in senso stretto, qualsiasi denominazione del male assoluto nell'apocalittica latina medievale si traduceva immediatamente in Anticristo. Se ciò valeva per le denominazioni di consacrate tradizioni precedenti, tanto più ciò poteva accadere con nomi, figure e personaggi nuovi, spesso derivati dalla più stretta attualità, senza bisogno di proiettare troppo in là, in un imprecisato orizzonte escatologico, l'adempimento della profezia: da figura teologico-escatologica l'Anticristo si connota come topos di una sempre rinnovata e rinnovabile polemica teologico-politica. Ma questa è cosa nota, che ha però prodotto la bizzarra conseguenza di indurre non solo i cristiani dei tempi trascorsi, ma anche studiosi di grande valore a credere ad un anticristo non generato dalla storia, bensì da sempre presente e immanente alla vicenda dell'uomo, come un'ombra già per sua natura sfuggente, che però ad uno sguardo attento non pare rivelare effettiva consistenza.

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L'Apocalisse apocrifa di Leone di Costantinopoli, a cura di Riccardo Maisano, Napoli 1975,

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Die Geburt des Armilos und die Geburt des „Sohnes des Verderbens" Zeugnisse jüdisch-christlicher Auseinandersetzung um die Identifikation des Antichristen im 7. Jahrhundert

Als im Jahr 603 die persischen Streitkräfte byzantinisches Territorium angriffen, leiteten sie damit eine Epoche von schweren militärischen Auseinandersetzungen und politischen Krisen ein, an deren Ende sich das Machtgefiige im östlichen Mittelmeerraum und im Nahen Osten völlig verändert haben würde.1 Seit der Usurpator Phokas 602 in Konstantinopel die Macht ergriffen hatte und seinen Vorgänger Maurikios (582-602) und dessen Familie hatte ermorden lassen, war der kurze Frieden zwischen dem Byzantinischen Reich und seinem persischen Gegner beendet. Der sasanidische Großkönig Xusrö II. Parwïz (590-628), dem Maurikios seinerzeit Schutz vor dem Thronprätendenten Vahräm Cöbln gewährt und ihm zur Macht verholfen hatte, begann, unter dem Vorwand, seinen Gönner zu rächen, in byzantinisches Territorium einzudringen.2 Unter dem Befehl des Generals Sahrbaräz besetzten persische Truppen Teile Kleinasiens und Syrien, nahmen 619 Ägypten ein,3 um schließlich 626, zusammen mit den Awaren, die Reichshauptstadt selbst zu bedrohen.4 Der Vormarsch der Perser gegen den Erzfeind Edom musste die Juden des Nahen Ostens, nachdem sie sich seit langem wachsender Repressalien seitens des byzantinischen Staates ausgesetzt gesehen hatten, mit großen Hoffnungen auf eine Besserung ihrer Lage erfüllen.5

1 Walter E[mil] Kaegi [Jr.]: Byzantium and the Early Islamic Conquests. Cambridge, New York 1992, zahlr. ND, S. 26-46; Geoffrey Greatrex, Samuel N. C. Lieu (Hg.): The Roman Eastern Frontier and the Persian Wars. Part II, AD 363-630. A Narrative Sourcebook, London, New York 2002, S. 182228; Walter E[mil] Kaegi [Jr.]: Heraclius. Emperor of Byzantium, Cambridge, New York u. a. 2003; Beate Dignas, Engelbert Winter: Rome and Persia in Late Antiquity. Neighbours and Rivals, Cambridge, New York u. a. 2007, S. 44f. und 115f. 2 Greatrex, Lieu (s. Anm. 1), S. 182-184; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 37-40 und 65-68; Dignas, Winter (s. Anm. 1), S. 44f. und 115f. 3 Alfred J[oshua] Butler, P[eter] M. Fraser (Hg.): The Arab Conquest of Egypt and the Last Thirty Years of the Roman Dominion, Oxford 1978, ND 1998, S. 69-92; Greatrex, Lieu (s. Anm. 1), S. 196f.; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 73-83; Dignas, Winter (s. Anm. 1), S. 45 und 115-118. J[ames] D. Howard-Johnston: The siege of Constantinople in 626, in: Cyril Mango, Gilbert Dagron (Hg.): Constantinople and its Hinterland. Papers from the Twenty-Seventh Spring Symposium of Byzantine Studies, Oxford, April 1993 (Society for the Promotion of Byzantine Studies Publications 3), Aldershot 1995, S. 131-142; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 133-138. 5 Vgl. Joshua Starr: Byzantine Jewry on the Eve of the Arab Conquest (565-638), in: The Journal of the Palestine Oriental Society 15 (1935), S. 280-293.

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Auf ihrem Weg hatten die Perser bereits 611 Antiochia, 613 Damaskus und im Jahr darauf Jerusalem erobert.6 An verschiedenen Kriegsschauplätzen waren die Perser von jüdischen Bewohnern mit offenen Armen und tatkräftiger Hilfe empfangen worden und Juden hatten vielerorts die Häuser geplündert, die die vor der Invasion geflüchteten Christen verlassen hatten. In Palästina hatten sich zahlreiche Juden den persischen Truppen angeschlossen, innerhalb derer sie wohl selbständige Einheiten bildeten. 7 Im Mai fiel, nach 19-tägiger Belagerung, die Heilige Stadt und war in den folgenden drei Tagen Schauplatz schwerster Ausschreitungen: Sakralbauten, darunter die Grabeskirche, gingen in Flammen auf und tausende von christlichen Stadtbewohnern wurden massakriert.8 Wenn die Darstellungen der Ereignisse bei den christlichen Geschichtsschreibern auch übertrieben und tendenziös sein mögen, steht doch außer Zweifel, dass Juden aktiv an diesen Gewalttaten beteiligt waren. 9 Zu allem Überfluss ließ Sahrbaräz die heiligste Reliquie der Christenheit, das Kreuz Christi, zusammen mit zahllosen Kriegsgefangenen, unter ihnen der Patriarch Zacharias (609-632), nach Ktesiphon verschleppen. 10 In den folgenden drei Jahren begannen die Juden in verschiedenen Städten Palästinas, unter Duldung der persischen Besatzer, eine Selbstverwaltung aufzubauen. 11 In einem anonym überlieferten Piyyut (liturgische Dichtung 12 ), der in apoka-

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Greatrex, Lieu (s. Anm. 1), S. 187-193; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 77-80. Gilbert Dagron, Vincent Déroche: Juifs et chrétiens dans l'orient du VIIe siècle, in: Travaux et Mémoires du Centre d'Histoire et Civilisation de Byzance 11 (1991), S. 17-45, hier S. 22. 8 Robert Schick: The Christian Communities of Palestine from Byzantine to Islamic Rule. A Historical and Archaeological Study (Studies in Late Antiquity and Early Islam 2), Princeton/NJ 1995, S. 33-39, 328-337, 332-343 und 350-355. 9 Starr: Byzantine Jewry (s. Anm. 3), S. 280-293; Michael Avi-Yonah: Geschichte der Juden im Zeitalter des Talmud in den Tagen von Rom und Byzanz (Studia Judaica 2), Berlin 1962, S. 259-270. Von der Mehrzahl der Autoren wird die jüdische Beteiligung allerdings sehr zurückhaltend beurteilt: Andrew Sharf: Byzantine Jewry from Justinian to the Fourth Crusade, London 1971, S. 48-50; Dagron, Déroche: Juifs et chrétiens (s. Anm. 7), S. 19-26; Peter Schäfer: The History of the Jews in the Greco-Roman World, London, New York 2 2003, S. 190-194 (1. Aufl. u.d.T. The History of the Jews in Antiquity. The Jews of Palestine from Alexander the Great to the Arab Conquest, Amsterdam 1995 [Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart 1983], S. 206-209); David Michael Olster: The Politics of Usurpation in the Seventh Century. Rhetoric and Revolution in Byzantium, Amsterdam 1993, S. 101-115; Schick (s. Anm. 8), S. 33-39; Günter Stemberger: Jewish-Christian Contacts in Galilee (Fifth to Seventh Centuries), in: Arieh Kofsky, Guy [Α.] G[edalyahu] Stroumsa (Hg.): Sharing the Sacred. Religious Contacts and Conflicts in the Holy Land, First-Fifteenth Centuries CE, Jerusalem 1998, S. 132-146, hier S. 261-264; Greatrex, Lieu (s. Anm. 1), S. 187-193; Wout [=Wouter] Jac[obus=Jacques] van Bekkum: Jewish Messianic Expectations in the Age of Heraclius, in: Gerrit J[an] Reinink, Bernard Hendrikus] Stolte (Hg.): The Reign of Heraclius (610-641): Crisis and Confrontation (Groningen Studies in Cultural Change 2), Leuven, Paris, Dudley/MA 2002, S. 95-112, bes. S. 101-104 und 108; Kaegi, Heraclius (s. Anm. 1), S. 78-80. Die Rekonstruktion der Ereignisse von 614 ist begreiflicherweise höchst umstritten. Vgl. den ausführlichen, wenn auch polemisch gefärbten Überblick bei Elliott Horowitz: "The Vengeance of the Jews Was Stronger Than Their Avarice": Modern Historians and the Persian Conquest of Jerusalem in 614, in: Jewish Social Studies 4 (1998), S. 1-39. 10 Schick (s. Anm. 8), S. 39; Greatrex, Lieu (s. Anm. 1), S. 191 f.; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 78 und 80. 11 Vgl. Ferdinand Dexinger, Werner Seibt: A Hebrew Lead Seal from the Period of the Sasanian Occupation of Palestine (614-629 A.D.). A Contribution on the Position of the Jews Between Byzantium and the Persians in the Seventh Century, in: Revue des Études Juives 140 (1981), S. 303-317; 7

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lyptischer Form die Ereignisse dieser Zeit schildert, heißt es, die Perser würden Israel eine Atempause verschaffen und die Wiedererrichtung des Tempels erlauben. Tatsächlich habe man in einem provisorischen Heiligtum den Kultbetrieb wieder aufgenommen; bereits nach drei Monaten sei aber der Messias im Tempel getötet worden. So fand diese Episode einer jüdischen „radikalmessianischen Herrschaft" (Schäfer) in Erez Israel ihr Ende.13 Nur wenige Jahre später, 622, begann Kaiser Herakleios (610-641) - gleichsam als Kreuzfahrer avant la lettre - mit einer Gegenoffensive und eroberte bis 627/28 die ehemaligen Reichsgebiete zurück. 628 kam ihm eine Adelsrevolte in Ktesiphon zu Hilfe, in deren Verlauf Xusrö von einer Gruppe von Verschwörern um seinen Sohn Siröe ermordet wurde, und die dem Sasanidenreich eine Phase schwerer Thronwirren bescherte, von der es sich nicht mehr erholen sollte. Schließlich wurde auch die Heilige Stadt von den byzantinischen Truppen zurückerobert.14 In Tiberias war Herakleios nach dem Bericht des Eutychios von Alexandrien (Said ibn Batnq, 876/77-940) von den dortigen Juden bereits als Befreier begrüßt worden - ein Hinweis auf die radikal veränderte Politik der persischen Besatzer gegenüber den Juden. In Jerusalem fand der Kaiser neben den Spuren der 14 Jahre zurückliegenden Verwüstung auch einige bereits wieder instand gesetzte Kirchen vor - die Perser hatten den Juden die Herrschaft wieder entzogen und den christlichen Bewohnern solche Baumaßnahmen gestattet.15 Unter dem Druck der christlichen Bevölkerung ließ Herakleios unter den Juden, die sich nicht durch Flucht retten konnten, ein Blutbad anrichten.16 Zudem erging 632 - wenn auch wohl ohne allzu weit

Schäfer, History (s. Anm. 9), S. 191. In persischem Auftrag eroberten jüdische Truppen Akko und belagerten erfolglos Tyros, in dessen Umgebung sie zahlreiche Kirchen zerstörten - Avi-Yonah (Anm. 10), S. 268f.; Schick (s. Anm. 8), S. 27-29 (mit Datierung der Belagerung von Tyros auf 608-09). 12 Zu Geschichte, Funktion und Formen der Gattung vgl. Ismar Elbogen: Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, Frankfurt a. M. 3 1931, ND Hildesheim 1962, 1967, 1995, S. 2 0 8 221. 13 Ezra Fleischer (ΚΊτν ,"ΐ®,,ι59): tVì? 'm'a ι τ Λ ν η inlays Dipoi u»t rftxtff pins1? - Solving the Qiliri Riddle, in: rmn/Tarbiz 54 (1985), S. 3 8 3 ^ 2 7 , hier S. 412-427 (Text); Joseph Yahalom ( ,η^Π' ηον): t r a m i Q^D^S VW ono'sn 's ^ ^ ( o w - r i i a rivira 'si'rn , in: Shalem 6 (1992), S. 1-22, hier S. 7 (vgl. ebd., S. 6, Anm. 21 die Bemerkungen zu nötigen Korrekturen an Fleischers Textrekonstruktion); vgl. die Teilübersetzungen bei Dagron, Déroche: Juifs et chrétiens (s. Anm. 7), S. 27f., Anm. 47; van Bekkum (s. Anm. 9), S. 109; Hagith Sivan: From Byzantine to Persian Jerusalem: Jewish Perspectives and Jewish/Christian Polemics, in: Greek Roman and Byzantine Studies 41 (2000), S. 277-306, hier S. 287-289 und 291-293. Vgl. ferner (noch ohne Berücksichtigung dieses Piyyuts) Avi-Yonah (s. Anm. 9), S. 266-272, sowie Schäfer: History (s. Anm. 9), S. 191. Schäfer bezweifelt die Wiederaufnahme des Kultbetriebes, wie sie auch Sefer Zerubbäbel (vgl. unten, Anm. 38) andeutet. 14 Schick (s. Anm. 8), S. 49f.; Greatrex, Lieu (s. Anm. 1), S. 198-227; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 100-155. 15 Schick (s. Anm. 8), S. 41^13 und 52f. 16 Michael Breydy (Hg., Übers.): Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien. Ausgewählte Geschichten und Legenden kompiliert von Said ibn Batnq um 935 A.D. (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 471 [Text], 472 [Übers.] = Scr. Arab. 44/45), Lovanii 1985, Bd. 471, S. 128-130; Bd. 472, S. 108f. Vgl. Theophanes AM 6120 - Carl de Boor (Hg.): Theophanis chronographia. 2 Bde., Leipzig 1883-1885, N D Hildesheim 1963, 1980, Bd. 1, S. 328f.; Cyril Mango, Roger Scott (Übers.): The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284—813, Oxford 1997, S. 458f. (vgl. Hoyland [s. Anm. 26], S. 4 2 8 ^ 3 2 ) ; Avi-Yonah (s. Anm. 9), S. 270-274; Bieberstein (s. Anm. 8), S. 158; Schick (s. Anm. 8), S. 50f.; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 205.

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reichende Konsequenzen - ein Erlass Herakleios', alle Juden des Reiches zwangsweise zu taufen. Das für die christliche Bevölkerung wohl wichtigste Ereignis im Zusammenhang mit der byzantinischen Rückeroberung des Heiligen Landes war aber, dass der Kaiser das Wahre Kreuz (wohl im Frühjahr 630 18 ) an seinen angestammten Platz in der Grabeskirche zurückbrachte. In den Friedensverhandlungen war die Rückgabe der Reliquie ein wichtiger Punkt gewesen und Herakleios' Propaganda bedurfte des triumphalen Einzugs in Jerusalem, um seinen ,heiligen Krieg' gleichsam dramaturgisch abzurunden.1 Nur wenige Jahre später, 633 oder 634 betrat ein neuer machtpolitischer Akteur die Szene. Von jenem Propheten, der kurz zuvor gestorben war und von den Bewegungen, die er unter den Arabern jenseits der Reichsgrenzen ausgelöst hatte, hatte man vielleicht gerüchteweise gehört; Veranlassung zu ernsthaften Verteidigungsvorbereitungen sah man jedoch offenbar nicht. So traf der Vorstoß der muslimischen Araber die Byzantiner schlecht vorbereitet und bereits 636 erlitten diese ihre entscheidende Niederlage in der Schlacht am Yarmük. 20 Im selben Jahr verloren die Perser Mesopotamien mit ihrer Hauptstadt Ktesiphon in der Schlacht bei Qädislya. Bis 640 hatten die Muslime Syrien und bis 642 das Sasanidenreich unterworfen.21

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Avi-Yonah (s. Anm. 9), S. 275f.; Sharf (s. Anm. 9), S. 43f.; Dagron, Déroche: Juifs et chrétiens (s. Anm. 7), S. 28-32; Schick (s. Anm. 8), S. 52; skeptischer Günter Stemberger: Zwangstaufen von Juden im 4. bis 7. Jahrhundert: Mythos oder Wirklichkeit?, in: Clemens Thoma, Günter Stemberger, Johann Maier (Hg.): Judentum - Ausblicke und Einsichten. Festgabe für Kurt Schubert zum siebzigsten Geburtstag (Judentum und Umwelt 43), Frankfurt a. M. u. a. 1993, S. 81-114, hier S. 106-110. 18 Zum Problem der genauen Datierung der Restitutio Crucis, derer bis heute mit dem Fest der Kreuzerhöhung am 14. September gedacht wird vgl. at-TabarT, übers. Thfeodor] Nöldeke: Geschichte der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus der arabischen Chronik des Tabari, Leyden 1879, S. 365, Anm. 1 und S. 392f., Anm. 1; übers. Clifford] E[dmund] Bosworth: The History of al-Taban (Ta'rïkh al-rusul wa'l-mulük), Bd. 5: The Säsänids, the Byzantines, the Lakhmids, and Yemen (Bibliotheca Persica/SUNY - Series in Near Eastern Studies), New York 1999, S. 383f., Anm. 951 und S. 405, Anm. 998; Norman Hfepburn] Baynes: The Restoration of the Cross at Jerusalem, in: The English Historical Review 27 (1912), S. 287-299; Anatole Frolow: La Vraie Croix et les expéditions d'Héraclius en Perse, in: Revue d'études byzantines 11 (1953), S. 88-105; Venance Grumel: La reposition de la vraie croix à Jérusalem par Héraclius. Le jour et l'année, in: Peter Wirth (Hg.): Polychordia. Festschrift Franz Dölger zum 75. Geburtstag (Byzantinische Forschungen 1), Amsterdam 1966, Bd. 1, S. 139-149; Paul Speck: Das geteilte Dossier. Beobachtungen zu den Nachrichten über die Regierung des Kaisers Herakleios und die seiner Söhne bei Theophanes und Nikephoros (Ποικίλα Byzantina 9), Bonn 1988, S. 356377; ders.: Zum Datum der Translation der Kreuzreliquien nach Konstantinopel, in: [o. Hrsg.]: Varia VII (Ποικίλα Byzantina 18), Bonn 2000, S. 167-177; Kaegi: Byzantium (s. Anm. 1), S. 74, Anm. 20; Schick (s. Anm. 8), S. 50. 19 Greatrex, Lieu (s. Anm. 1), S. 227f.; Schick (s. Anm. 8), S. 50; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 190 und 205-207. Die Wiedergabe der Reliquie war durch Vermittlung des nestorianischen Katholikos Isö'yahb II. (628-646) zustande gekommen - J[érôme] Labourt: Le christianisme dans l'empire perse sous la dynastie Sassanide (224—632), Paris 1904, S. 243-245. Zur propagandistischen Bedeutung der Episode vgl. Jan Willem Drijvers: Heraclius and the Restitutio Crucis. Notes on Symbolism and Ideology, in: Reinink, Stolte (s. Anm. 9), S. 175-190. 20 Philip K[huri] Hitti: History of Syria including Lebanon and Palestine, London 1957, S. 411 —421 ; Fred McGraw Donner: The Early Islamic Conquests, Princeton 1981, S. 111-148; Moshe Gil: A History of Palestine, 634-1099, Cambridge 1992, S. 32-74; Kaegi: Byzantium (s. Anm. 1), S. 66-146; Schick (s. Anm. 8), S. 68-80. 21 Donner (s. Anm. 20), S. 148-220.

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Im selben Zeitraum nahmen sie außerdem Ägypten ein und erst die christlichen Königreiche Nubiens brachten die muslimische Südexpansion in Afrika zum Stillstand.22 Jerusalem wurde der islamischen Überlieferung nach 636, nach zweijähriger Belagerung, an den Kalifen 'Umar b. al-Hattäb (634-644) persönlich übergeben, der den Bewohnern die Sicherheit ihrer Person und ihres Eigentums garantierte bzw. ihnen freien Abzug auf byzantinisches Territorium gewährte. Er sicherte den Christen außerdem freie Religionsausübung zu und verbot Juden, sich in der Stadt niederzulassen.23 Bei der Einnahme von Hebron und Caesarea waren dennoch Juden den muslimischen Truppen behilflich und in Tripoli siedelten die Invasoren sogar Juden an, nachdem die christlichen Bewohner zu Schiff aus der belagerten Stadt geflohen waren.24 Nur kurze Zeit nach der Erneuerung des Ansiedlungsverbotes für Juden in Jerusalem wurde dieses denn auch von "Umar wieder aufgehoben.25 Aus einem der apokalyptischen Texte der Zeit, den Mysterien des (Nistäröt) R. Sim'δη b. Yohai26 geht hervor, dass Teile der Judenheit in Mohammed einen von Gott zu den Arabern gesandten Propheten erblickten, mit dem Auftrag, Israel das bevorstehende Ende das Herrschaft Edoms zu verkünden.27 Eine griechische Schrift aus dem Kontext des Zwangskonversionsdekrets von 632, die Doctrina Jacobi nuper baptizati, die vielfach - in für die Adversus-Judaeos-Literatur ungewöhnlich lebhafter Weise - den jüdischen Blick auf das Zeitgeschehen wiedergibt, bestätigt die Verbreitung dieser Ansicht, indem sie gegen jenen „falschen Propheten" polemisiert,

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Butler (s. Anm. 3), S. 194-495; Giovanni Vantini: Christianity in the Sudan, Bologna 1981, S. 63-70. Zu dem Echo, das die Ereignisse im Niltal unter den Christen Syromesopotamiens hervorriefen vgl. Lutz Greisiger: Ein nubischer Erlöser-König: Küs in syrischen Apokalypsen des 7. Jahrhunderts, in: Sophia G. Vashalomidze, Lutz Greisiger (Hg.): Der Christliche Orient und seine Umwelt. Gesammelte Studien zu Ehren Jürgen Tubachs anläßlich seines 60. Geburtstags (Studies in Oriental Religions 56), Wiesbaden 2007, S. 189-213. 23 Gil (s. Anm. 20), S. 51-56; Schick (s. Anm. 8), S. 75f. 24 Norman A. Stillman: The Jews of the Arab Lands. A History and Source Book, Philadelphia 5739/1979, ND [1995], S. 23 und 152f.; Stefan Leder: The Attitude of the Population, especially the Jews, towards the Arab-Islamic Conquest of Biläd al-Shäm and the Question of their Role therein, in: Die Welt des Orients 18 (1987), S. 64-71; Gil (s. Anm. 20), S. 57-60. 25 Stillman (s. Anm. 24), S. 154f.; Gil (s. Anm. 20), S. 68-74. 26 Adolph Jellinek (pnx ,ρΓν?3Ρ) (Hg.): Bet ha-Midrasch. Sammlung kleiner Midraschim und vermischter Abhandlungen aus der altern jüdischen Literatur, 5 Bde., Jerusalem 1938, ND 1967, 1982, Bd. 3, S. 78-82; Yehuda Even-Shmuel (NNN' ¿toatP-px): navma ΙΓΤΙΓΡΠ NOB^PISXN '¡NO .N'JIJJ .Τ'Βίη H>N JETAIT . m i Η^ΚΗ ÌTWÌO TOI 'TAN NA^NN [1954], S. 187-198 (rekonstruierter Text), S. 401-403 (Text nach Jellinek); Avraham [Yosef] Wertheimer ([ηον] οττπχ . n a w n ) , Shlomo Aharon Wertheimer (ρπκ nabw ,ΊΏΤΙϋτι) (Hg.): ' a m 's bv [Π3Ί3]1? [a:i-D]r [υ'Β3]π ' a m a ntrani ana?» . m i m a ra r w n 2 crVinT ,cmxai Ο^ΙΡΙΎ m n i a τ [ 2 1954], Bd. 2, S. 497-505; August Wünsche (Übers.): Aus Israels Lehrhallen. Kleine Midraschim zur jüdischen Eschatologie und Apokalyptik, Leipzig 1907-1910, ND (in 2 Bdn.) Hildesheim 1967, Bd. 3, S. 146-154 (Übers, des Textes in Jellinek); John C. Reeves: Trajectories in Near Eastern Apocalyptic. A Postrabbinic Jewish Apocalypse Reader (Resources for Biblical Study 45), Atlanta 2005 = Leiden, Boston 2006, S. 78-89 (Übers, des Textes in Jellinek); zu weiteren Hss. vgl. ebd., S. 78. Vgl. Robert G. Hoyland: Seeing Islam as Others saw it. A Survey and Evaluation of Christian, Jewish and Zoroastrian Writings on Early Islam (Studies in Late Antiquity and Early Islam 13), Pnnceton/NJ 1997, S. 308-312. 27 Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 78; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 146f.; Reeves (s. Anm. 26), S. 78-82; vgl. Gil (s. Anm. 20), S. 61-63.

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der unter den Sarazenen aufgetreten sei und das Kommen eines Gesalbten (^αλειμμένου καί Χριστού) verheißen habe.28 Eine ähnliche Lehre verkündete auch Abü Isä (Obadyä) al-Isfahânï, der eine messianische Bewegung im Iran anführte und als letzter und vollkommenster von fünf Propheten, unter ihnen Jesus und Mohammed, auftrat 29 Verschiedene arabische Quellen und der byzantinische Chronist Theophanes (ca. 760-818) berichten, dass 'Umar nach der Einnahme Jerusalems am heiligen Felsen gebetet und wenig später eine provisorische Gebetsstätte, den Vorläufer der späteren al-Aqsä-Moschee, habe errichten lassen. Späteren Überlieferungen nach halfen Juden dem Kalifen, den Felsen zu finden, der unter einer Müllhalde begraben gewesen war, als welche die christlichen Stadtbewohner den Tempelberg bislang missbraucht hatten. 'Umar habe eine Reinigung des Platzes angeordnet, an der Juden mitgearbeitet hätten. 30 Theophanes schreibt unumwunden, 'Umar habe begonnen, „den Tempel (ναός) in Jerusalem zu errichten", und schildert, wie dessen Mauern immer wieder einstürzten, bis ihm Juden den Grund dafür verraten hätten: das Kreuz auf dem Ölberg müsse erst entfernt werden. In der Folge hätten Muslime nicht nur dieses, sondern auch zahlreiche andere Kreuze niedergerissen und der Bau

28 Doctr. Jac. 5,16 - Vincent Déroche (Hg., Übers.): Doctrina Jacobi nuper baptizati, in: Travaux et Mémoires du Centre d'Histoire et Civilisation de Byzance 11 (1991), S. 47-229, hier S. 208f. (Text, Übers.). Vgl. Hoyland (s. Anm. 26), S. 55-61; Heinz Schreckenberg: Die christlichen Adversus-JudaeosTexte und ihr literarisches und historisches Umfeld ( 1.-11. Jh.) (Europäische Hochschulschriften. Reihe 23 : Theologie 172), Frankfurt a. M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 41999, S. 437f. Karäische Quellen identifizieren die Muslime häufig als das Kleine Horn aus Dan 7,8 - Gil (s. Anm. 20), S. 63f. Vgl. Leder (s. Anm. 24); Gil (s. Anm. 20), S. 60-64; Gedaliahu [Α.] G[uy] Stroumsa: False Prophet, False Messiah and the Religious Scene in Seventh Century Jerusalem, in: Markus Bockmuehl, James Carleton Paget (Hg.): Redemption and Resistance. The Messianic Hopes of Jews and Christians in Antiquity, London 2007, S. 285-296, v.a. S. 294-296. Die Vorstellung, Mohammed sei als Prophet bzw. Apostel - wie in Tora und Evangelium verheißen - unter die Völker gesandt worden (vgl. Koran 7,157), die offenbar den Ursprung der muslimischen Lehre von Mohammeds Analphabetismus bildet, könnte gut auf eine jüdische Interpretation aus der Frühzeit der Ausbreitung des Islam zurückgehen - Isaiah Goldfeld: The Illiterate Prophet (Nabï Ummi). An inquiry into the development of a dogma in Islamic tradition, in: Der Islam 57 (1980), S. 58-67. Eine andere islamische Tradition legt Ibn Sayyäd, einem jüdischen Konkurrenten Mohammeds um das Prophetenamt, die Worte in den Mund: „Ich bezeuge, dass du der Prophet der Völker (rasül al-ummiyyln) bist." - David J[oel] Halperin: The Ibn Sayyäd Traditions and the Legend of al-Dajjäl, in: Journal of the American Oriental Society 96 (1976), S. 213-225, hier S. 216. 29 Die Quellen widersprechen sich hinsichtlich der zeitlichen Einordnung (7. oder 8. Jh.) der Bewegung - Harris Lenowitz: The Jewish Messiahs. From the Galilee to Crown Heights, Oxford u. a. 1998, S. 71-76 (mit Datierung der Bewegung auf das 8. Jh.); Steven M[ark] Wasserstrom: Between Muslim and Jew. The Problem of Symbiosis under Early Islam, Princeton/NJ 1995, S. 68-89. Goitein sieht in der genannten Passage der Nistäröt R. Sim on b. Yohai einen Beleg für die Verbreitung der Isäwiyya in breiteren Kreisen des zeitgenössischen Judentums, was allerdings eine Datierung der Apokalypse auf „around 750" erforderlich macht - S[hlomo] D[ob Fritz] Goitein: Jews and Arabs. Their Contacts through the Ages, New York 31974, ND 1982, ND (u.d.T. Jews and Arabs. A Concise History of Their Social and Cultural Relations) Mineóla, 2005, S. 170. 30 Heribert Busse: 'Omar b. al-Hattäb in Jerusalem, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 5 (1984), S. 73-119, hier S. 86-94; Gil (s. Anm. 20), S. 65-67; Andreas Kaplony: The Haram of Jerusalem 324-1099. Temple, Friday Mosque, Area of Spiritual Power (Freiburger Islamstudien 22), Stuttgart 2002, S. 23-31.

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auf dem Tempelberg sei fortan gut gediehen. 3 1 Das armenische Geschichtswerk des Pseudo-Sebëos berichtet darüber hinaus, die Juden selbst hätten begonnen, den Tempel Salomos wiederaufzubauen, bevor die Muslime die Stätte für sich beanspruchten. 3 2 A u c h der Karäer Salmon b. Yerüham (Sulaimän b. Rühaim, 8 8 5 - 9 6 0 ) erwähnt in seinem Psalmenkommentar diese kurzzeitige Freigabe des Tempelbergs für die Juden. 33 Es spricht also einiges dafür, dass, nachdem jüdische Zeitgenossen bereits M o h a m m e d das Prophetenamt zuerkannt hatten, diese den Kalifen, der sich offenbar anschickte, den Tempel wiederzuerrichten - eine nach traditioneller jüdischer A u f fassung mit der erwarteten Herrschaft des Erlösers verbundene Maßnahme - nun gar in die N ä h e des Messias selbst rückten. 34 Das Auftreten eines Propheten und einer Art Messias-Prätendenten, das offenbar vorübergehend in gewissen jüdischen Kreisen Erlösungshoffhungen weckte, konnte unter den christlichen Zeitgenossen nur auf vehemente Ablehnung stoßen. So lässt der Autor der Doctrina Jacobi einen schriftgelehrten Juden denn auch auf die Frage, was v o n M o h a m m e d zu halten sei, sagen: „Ein Betrüger ist er. K o m m e n denn die Propheten v o n K o p f bis Fuß bewaffnet?" 3 5 Trotz der demonstrativen Milde 'Umars gegenüber der christlichen Stadtbevölkerung wurde ihm sein bescheidenes Auftreten - er war in einen abgetragenen Kamelhaarmantel gehüllt in der Stadt erschienen als Arroganz ausgelegt und, als der Eroberer den Tempelberg besichtigte, rief Patri-

31 Theophanes, AM 6135, ed. de Boor (s. Anm. 16), Bd. 1, S. 342; übers. Mango, Scott (s. Anm. 16), S. 476; vgl. Gil (s. Anm. 20), S. 72; Schick (s. Anm. 8), S. 165. 32 R[obert] W[illiam] Thomson, James Howard-Johnston, Tim Greenwood (Hg.): The Armenian History attributed to Sebeos (Translated Texts for Historians 31), 2 Bde., Liverpool 1999, Bd. 1, S. 102f. (Übers.); vgl. Hoyland (s. Anm. 26), S. 124-132. 33 Jacob Mann: The Jews in Egypt and in Palestine under the Fatimid Caliphs. A Contribution to Their Political and Communal History Based Chiefly on Genizah Material Hitherto Unpublished, 2 Bde., Oxford 1920-1922, ND New York 1970, Bd. 1, S. 46, Anm. 1 (Text); Hoyland (s. Anm. 26), S. 127 (Übers.). Eine ähnliche Episode findet sich in einer Anthologie eschatologischer Weissagungen mit dem Titel Pirqë Masiah in der der „König der Araber" den Juden das Anrecht auf den Tempelberg streitig macht, nachdem er ihnen gestattet hat, ein Opfer darzubringen, dessen Annahme durch Gott aber von Satan hintertrieben worden ist. Nachdem anschließend das Opfer der Muslime angenommen wird, weisen die Juden die Aufforderung, sich mit den Muslimen zu einem Volk (ummä) zu vereinigen, vehement und einhellig zurück - eine Erzählung, die der Bemühung entsprungen sein dürfte, die anfängliche .Verwirrung' in Teilen der jüdischen Bevölkerung über die Ereignisse auf dem Tempelberg nachträglich ins rechte Licht zu rücken - Jellinek (s. Anm. 26), S. 68-78, hier S. 71; Even-Shmuel (s. Anm. 26), S. 332-344 (rekonstruierter Text); Wünsche (s. Anm. 26), S. 126-146, hier S. 133 (Übers.); Reeves (s. Anm. 26), S. 150-169, hier S. 157 (Übers.). 34 Patricia Crone, Michael Cook: Hagarism. The Making of the Islamic World, Cambridge u. a. 1977, ND 1980, S. 4f. Vgl. Suliman Bashear: The Title "Färüq" and its Association with 'Umar I, in: Studia Islamica 72 (1990), S. 47-70 (= in: ders.: Studies in Early Islamic Tradition [Collected Studies in Arabic and Islam 2], Jerusalem 2004, Nr. IV). Zu der Auffassung, dass die muslimischen Baumaßnahmen einer Wiedererrichtung des Tempels gleichkämen, vgl. ferner Heribert Busse: The Temple of Jerusalem and its Restitution by 'Abd al-Malik b. Marwän, in: Bianca Kühnel (Hg.): The Real and Ideal Jerusalem in Jewish, Christian and Islamic Art, Jerusalem 1998, S. 23-33, hier S. 24f. 35 Doctr. Jac. 5,16 - Déroche: Doctrina (s. Anm. 28), S. 208f. (Text; Übers.). Die Nähe dieses Verdikts zu der von Benedikt XVI. in seiner umstrittenen Regensburger Vorlesung von 2006 zitierten Polemik Kaiser Manuels II. (1391-1425 - Karl Forstel [Hg.]: Manuel II. Palaiologos, Dialoge mit einem Muslim [Corpus Islamo-Christianum. Series Graeca 4,1-3], Würzburg 1993-1996, Dialexis 7,1, Bd. 1, S. 238-243) gibt zu denken.

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arch Sophronios (633/34-638) laut dem Bericht des Theophanes aus, dies sei der „Greuel der Verwüstung", den Daniel prophezeit habe (Dan 11,31) und verstarb kurz nach dem Fall der Heiligen Stadt.36 Die Baumaßnahmen am Ort des früheren Tempels schließlich mussten Christen, die es gewohnt waren, den Alten Bund samt Tempel und Kult als Bestandteile einer heilsgeschichtlich überholten Weltordnung zu betrachten, zutiefst verstören. In den folgenden Jahrzehnten wurden diejenigen, die in der muslimischen Herrschaft eine vorübergehende Episode erblickt haben mochten, eine Zeit göttlicher Prüfungen, in denen die Spreu der Wankelmütigen vom Weizen der wahren Gläubigen getrennt würde, eines besseren belehrt. Trotz blutiger Bürgerkriege unter den Muslimen blieb ihr Reich stabil und nahm sogar einen neuen Aufschwung unter dem Umayyaden-Kalifen 'Abd al-Malik b. Marwän (685-705). Dessen strikte Arabisierungspolitik dürfte das Krisenbewusstsein der Nichtmuslime erneut verstärkt haben, eine Entwicklung, die vom Baubeginn am Felsendom 691/92 gekrönt wurde, der den islamischen Anspruch einer Überbietung und Ablösung der beiden rivalisierenden monotheistischen Religionen in symbolträchtigster Weise bekräftigte: mit der endgültigen Vereinnahmung und Islamisierung der Heiligen Stadt und der ehemaligen Wohnstätte Gottes.37 Dieses Stakkato politischer Umwälzungen und blutiger Auseinandersetzungen, das Juden und Christen im Nahen Osten in ein Wechselbad von Hoffnung und Enttäuschung stürzen musste, führte zur Wiederbelebung apokalyptischen Denkens und einer Renaissance apokalyptischer Literatur. Einige dieser Schriften wie Sefer Zerubbäbel und die syrische Apokalypse des Pseudo-Methodios avancierten im Mittelalter geradezu zu Klassikern apokalyptischer Geschichtsdeutung und prägten die Zukunftserwartungen von Juden beziehungsweise Christen einer ganzen Epoche. Dass Juden und Christen unter den geschilderten historischen Umständen und zumal in apokalyptischer Perspektive einander mehr denn je als Gegner, ja Erzfeinde ansehen mussten, liegt auf der Hand. Dass jedoch die apokalyptischen Texte dieser Zeit Geschichtsdeutungen und eschatologische Erzählungen des jeweiligen Gegners in vielfältiger Form aufgriffen, ist ein eher überraschender Befund. Im Folgenden sollen diesen zwei Beispiele illustrieren, die einen für „Feindtypisierungen und -Identifizierungen" zentralen topos im jeweiligen System eschatologischer Erwartungen betreffen: die Identität des Anti-Messias beziehungsweise Antichristen, insbesondere seine Abstammung und Geburt.

36 Theophanes, AM 6127 - ed. de Boor (s. Anm. 16), S. 339; übers. Mango, Scott (s. Anm. 16), S. 471f.; vgl. Gil (s. Anm. 20), S. 53. 37 Hitti (s. Anm. 20), S. 457-516; Busse: Temple (s. Anm. 34); G[erald] R. Hawting: The First Dynasty of Islam. The Umayyad Caliphate AD 661-750, London, New York 2 2000, S. 58-71; Gil (s. Anm. 20), S. 75-105. Auch diese zweite Bauphase wurde als Wiederaufbau des Tempels verstanden - Bernard Flusin: L'Esplanade du Temple à l'arrivée des Arabes d'après deux récits byzantines, in: Julian Raby, Jeremy Johns (Hg.): Bayt al-Maqdis. 'Abd al-Malik's Jerusalem (Oxford Studies in Islamic Art 9), 2 Bde., Oxford 1992-1999, Bd. 1, S. 17-31; Schick (s. Anm. 8), S. 338-340; Hoyland (s. Anm. 26), S. 315-317; Gerrit J[an] Reinink: Early Christian Reactions to the Building of the Dome of the Rock in Jerusalem, in: Khristianskij Vostok 2 [8] (2001), S. 227-241 (= in: ders.: Syriac Christianity Under Late Sasanian And Early Islamic Rule [Variorum Collected Studies Series], Aldershot 2005, Nr. XII); Kaplony (s. Anm. 30), S. 33^18.

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Armilos In dem wohl wenige Jahre vor der islamischen Eroberung entstandenen Sefer Zerubbäbel,n einer Apokalypse, in der der Führer der ersten Gruppe von Heimkehrern aus dem babylonischen Exil und Gründer des Zweiten Tempels 39 als Offenbarungsempfánger fungiert, tritt erstmals eine Gestalt auf, die als jüdisches Pendant zum christlichen Antichristen gelten kann. Der Name Armïlôs ist offenbar die aramaisierte beziehungsweise hebraisierte Form von 'Ρωμύλος, dem legendarischen Begründer Roms. Die syrische Apokalypse des Ps.-Methodios vom Ende des Jahrhunderts gibt dem König Roms, einem der Begründer der Dynastie des sogenannten Endkaisers,40 den Namen Armaläös (œordosir«'), der offenbar auf ähnliche Weise zustande gekommen ist, wie Armïlôs,41 Die Doctrina Jacobi nuper baptizati wiederum nennt in ihren apokalyptischen Passagen den „teuflischen Verführer", dessen Auftreten kurz bevorstehe, nicht αντίχριστος, sondern Έρμόλαος, offenbar eine ,regräzisierte' Form von Armïlôs oder Armaläös?2 Eine bemerkenswerte Erklärung des Namens Armilos bietet Sefer Zerubbäbel. Die leider in allen Textzeugen verderbte Passage scheint ursprünglich gelautet zu haben: „und sein Name bedeutet in hebräischer Sprache: ,er wird ein Volk vernichten'". Das hebräische Verb le-hahrib, das hier gebraucht wird, bedeutet etwa „vernichten, verwüsten", woraus man ein (hypothetisches) griechisches Analogon Έρημόλαος, etwa „Verwüster des Volkes" erschlossen hat, das den Verfasser der Doctrina Jacobi dazu gefuhrt habe, dem Antichristen den geläufigen griechischen Personennamen 'Έρμόλαος zu geben. Ist diese Rekonstruktion richtig, kann die zitierte Stelle aus

38 Eine kritische Edition des Textes fehlt bislang. Die beste Ausgabe ist Israel Lévi (Hg., Übers., Komm.): L'Apocalypse de Zorobabel et le roi de Perse Siroès, in: Revue des études juives 67 (1914), S. 129-160; 69 (1919), S. 108-121; 71 (1920), S. 57-65 (= in: ders., Evelyne Patlagean [Hg.]: Le Ravissement du Messie à sa naissance et autres essais [Collection de la Revue des études juives], Paris, Louvain 1994, S. 173-227.); Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 2, S. 54-57; Even-Shmuel (s. Anm. 26), S. 7188 (rekonstruierter Text); Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 2, S. 81-88 (Übers.); Eli Yassif (Hg.): iso ^ ο π τ ? '-Ol κιπ .rmrarn, Tel Aviv 2001, S. 427-435; Martha Himmelfarb (Übers.): Sefer Zerubbäbel, in: David Stern, Mark Jay Mirsky (Hg.): Rabbinic Fantasies. Imaginative Narratives from Classical Hebrew Literature, New Haven, London 1990, ND 1998, S. 67-90; Reeves (s. Anm. 26), S. 51-66 (Übers.). 39 Vgl. Esra 2,2; 3,2; 3,8; 4,2f.; 5,2; Neh 7,7; 12,1; Sach 4,6f. 40 Zu dieser Gestalt vgl. G[errit] J[an] Reinink: Pseudo-Methodius und die Legende vom römischen Endkaiser, in: Werner Verbeke, Daniel Verhelst, Andries Welkenhuysen (Hg.): The Use and Abuse of Eschatology in the Middle Ages (Mediaevalia Lovaniensia, ser. 1: Studia 15), Leuven 1988, S. 82-111 (= in: Reinink: Syriac Christianity Under Late Sasanian And Early Islamic Rule [Variorum Collected Studies Series], Aldershot 2005, Nr. VIII) und, mit einer erschöpfenden Untersuchung der Wirkungsgeschichte des Motivs in der mittelalterlichen christlichen Eschatologie: Hannes Möhring: Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung (Mittelalter-Forschungen 3), Stuttgart 2000. Zu der dynastischen Konstruktion bei Ps.-Methodios und in der Edessenischen Apokalypse vgl. ferner Greisiger (s. Anm. 22). 41 Ps.-Methodios 9,4f. - Gerrit J[an] Reinink (Hg., Übers.): Die syrische Apokalypse des PseudoMethodius (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 540/541 = Scr. Syri 220/221), Lovanii 1993, Bd. 1, S. 18 (Text); Bd. 2, S. 28f. (Übers.). 42 Paul Speck: The Apocalypse of Zerubbäbel and Christian Icons, in: Jewish Studies Quarterly 4 (1997), S. 183-190, hier S. 186, Anm. 12.

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Sefer Zerubbäbel Armilos bewusst mit der rabbinischen Tradition um den ,Antipropheten' Bileam verbunden haben, dessen Name als billa 'am „er hat ein Volk zu Grunde gerichtet" gedeutet wurde.43 Da auch der Name Aräm („Aramäer", „Heide"), der in Armilos anklingt, traditionell auf die Gojim bezogen und möglicherweise mit Edom, dem Erzfeind Rom, gleichgesetzt wurde (wozu die Ähnlichkeit der Namen im hebräischen Schriftbild: m s / m s , einladen würde), lässt sich ein dichtes Geflecht von Bezügen ausmachen, in dem der Name Armilos auf die Christen und ihr Machtzentrum Rom verweist, das damit gleichsam als ,Hauptstadt des Bösen' stilisiert wird.44 „Rom" - vielleicht hat der Autor auch an das Zweite Rom, Konstantinopel, gedacht - ist denn auch der Ort, an den Serubbabel entrückt wird, um dem dort gefangengehaltenen Messias zu begegnen und eine Offenbarung über Armilos zu empfangen: Er [d.i. Michael = Metatron] hielt mich fest und sie [sie!] brachten mich zum Haus der Schmähung und des Hohns. Dort zeigte er mir einen Marmorstein in Gestalt einer Jungfrau, ihre Züge und ihre Gestalt höchst lieblich und schön anzuschauen. Dann antwortete er und sagte zu mir: Diese ist das Weib Belials. Satan wird kommen und bei ihr liegen und ein Sohn wird aus ihr hervorgehen namens Armilos [was] in hebräischer Sprache [bedeutet] „er wird ein Volk vernichten". Er wird über alle [Völker] herrschen und sein Reich wird sich von einem Ende der Erde bis zum anderen erstrecken ... Er wird die Verehrung fremder Götter betreiben und Lügen reden. Niemand wird ihm widerstehen können und jeden, der nicht an ihn glaubt, wird er mit dem Schwert töten - viele von ihnen wird er töten. Er wird sich gegen die heiligen Männer des Höchsten wenden ... und er wird gegen die Heiligen Krieg führen. Er wird sie besiegen und den Messias ben Joseph, Nehemyä ben Husïël, töten ... Dann werden sie Israel in drei Gruppen in die Wüste treiben 45 In einem zweiten Teil der Apokalypse heißt es weiter: Dieser Armilos wird seine Mutter, von der er geboren wurde, aus dem Haus der Schmähung der Spötter nehmen und alle Völker werden von allen Orten her kommen und ihr dienen. Der Stein - sie werden ihr Rauch- und Trank-

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David Berger: Three Typological Themes in Early Jewish Messianism: Messiah ben Joseph, Rabbinic Calculations, and the Figure of Armilus, in: AJS Review 10 (1985), S. 141-164, hier S. 157— 160. Vgl. Yehoshua M[eir] Grintz: Balaam - In the Aggadah, in: Encyclopaedia Judaica2, Bd. 3, S. 80f. Bergers Rekonstruktion hat, trotz ihrer Gewagtheit, bislang kaum Widerspruch gefunden - vgl. aber Joseph Dan: Armilus: The Jewish Antichrist and the Origins and Dating of the Sefer Zerubbavel, in: Peter Schäfer, Mark Cohen (Hg.): Toward the Millennium. Messianic Expectations from the Bible to Waco (Studies in the History of Religions [Numen Book Series] 77), Leiden, Boston, Köln 1998, S. 7 3 104, hier S. 80, Anm. 22: „...yet his [i.e. Berger's] ingenious suggestion does not fit the apocalyptic context; Balaam was never a participant in the mythical drama in any Jewish or Christian text." 44 Berger (s. Anm. 43), S. 161f. 45 Lévi, RÉJ 67 (Anm. 38), S. 136f. und 152; Himmelfarb: Sefer Zerubbäbel (s. Anm. 38), S. 75; Reeves (s. Anm. 26), S. 58f.

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opfer darbringen und niemand wird ihr Gesicht anschauen können wegen ihrer Schönheit und alle, die sich nicht vor ihr niederwerfen, werden qualvoll sterben [wie] Tiere. 46 Die Erzählung von der Zeugung des Armilos durch Satan wird in ähnlicher Form in einer Reihe von Midraschim wiederholt. 47 In einer anderen Fassung der Legende, wie sie zwei apokalyptische Midraschim, das Gebet des (Tefillat) R. Sim'δη b. Yohai4H und die Zeichen des Messias (Ötöt ha-Masiah),49 wiedergeben, ist es nicht Satan, sondern „Bösewichter (bnë bliyy'al) von den Völkern der Welt", die Verkehr mit der Statue haben, die daraufhin den Antimessias gebiert. Bemerkenswert an dieser Version ist, dass hier Gott selbst als Schöpfer der Statue fungiert, gar an ihrer Schwangerschaft mitwirkt. Was unter dem Terminus „Haus der Schmähung und des Hohns", dessen korrekte Lesung und wörtliche Bedeutung nicht völlig gesichert sind, zu verstehen ist, ist unklar; die übliche Interpretation ist, der Autor des Sefer Zerubbäbel habe als Schauplatz dieser haarsträubenden Szenen eine Kirche im Sinn. 50 Das Vorbild der , Mutter' des Armilos wird in der Forschung meist in der Muttergottes gesehen; die Zeugung des Bösen sei eine Karikatur der Jungfrauengeburt und er selbst eine des christlichen Heilands. Demnach sei in der geschilderte Statue ein Bildnis der Heiligen Jungfrau zu erkennen, dessen Verehrung Juden natürlich als Götzendienst erscheinen musste. 51 Mitunter wird andersherum Sefer Zerubbäbel als

46 Lévi, RÉJ 67 (s. Anm. 38), S. 143; 159; Himmelfarb: Sefer Zerubbäbel (s. Anm. 38), S. 80; Reeves (s. Anm. 26), S. 65. 47 So etwa in Nistäröt R. Simon b. Yohai - Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 80; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 150; Reeves (s. Anm. 26), S. 85 und in den Zeichen des (Ötöt) R. Simon b. Yohai [Arthur] Marmorstein (Hg., Übers.): Les signes du Messie, in: Revue des Études Juives 51 (1906), S. 176-186, hier S. 183 (Text) und 185 (Übers.); besserer Text bei Even-Shmuel (s. Anm. 26), S. 311314, hier S. 312 (vgl. 423, Anm. zu Z. 49); Reeves (s. Anm. 26), S. 111-116, hier S. 114; vgl. Hoyland (s. Anm. 26), S. 317f. Nur die Geburt aus d. Stein erwähnen die Zehn Zeichen (Eser Ötöt) - EvenShmuel (s. Anm. 26), S. 315-317, hier S. 316; Reeves (s. Anm. 26), S. 116-121, hier S. 119. Völlig unerwähnt bleiben Zeugung und Geburt im letzten, apokalyptischen Teil des Midrasch Wayyösa Even-Shmuel (s. Anm. 26), S. 93-98, hier S. 96; Reeves (s. Anm. 26) S. 173-176, hier S. 174. 48 Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 4, S. 117-126, hier S. 124; Even-Shmuel (s. Anm. 26), S. 268-286, hier S. 284; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 154-169, hier S. 167; Bernard Lewis: An Apocalyptic Vision of Islamic History, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies 13 (1949/50), S. 308-338 (= in: ders.: Studies in Classical and Ottoman Islam (7th—16th Centuries) [Collected Studies 54], London 1976, V), hier S. 319 (Übers.); Reeves (s. Anm. 26), S. 90-105, hier S. 103. 49 Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 2, S. 58-63, hier S. 60; Yassif (s. Anm. 38), S. 436-442, hier S. 439; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 107-125, hier S. 11 If.; Reeves (s. Anm. 26), S. 121-130, hier S. 125. 50 Himmelfarb: Sefer Zerubbäbel (s. Anm. 38), S. 87, Anm. 73; David Biale: Counter-History and Jewish Polemics Against Christianity: The Sefer toldot yeshu and the Sefer zerubavel, in: Jewish Social Studies N.S. 6 (1999), S. 130-145, hier S. 139; Martha Himmelfarb: The Mother of the Messiah in the Talmud Yerushalmi and Sefer Zerubbäbel, in: Peter Schäfer (Hg.): The Talmud Yerushalmi and GraecoRoman Culture, Bd. 3 (Texts and Studies in Ancient Judaism 93), Tübingen 2002, S. 369-389, hier S. 385. 51 Lévi, RÉJ 71 (s. Anm. 38), S. 60; Brannon M. Wheeler: Imagining the Sasanian Capture of Jerusalem. The "Prophecy and Dream of Zerubbäbel" and Antiochus Strategos' "Capture of Jerusalem", in: Orientalia Christiana Periodica 57 (1991), S. 69-85, hier S. 75, Anm. 27; Himmelfarb: Sefer Zerubbäbel (s. Anm. 38), S. 69; Biale (s. Anm. 50), S. 139; Himmelfarb: Mother of the Messiah (s. Anm.

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Zeugnis dafür bemüht, dass Herakleios, während dessen Regierungszeit die Apokalypse ja verfasst wurde, in besonderem Maße den Bilderkult gefördert habe. In einer Studie zum Thema hat Paul Speck diese Argumentation zurückgewiesen und betont, dass jeder Beleg für ,ikonodulische' Bestrebungen im frühen 7. Jahrhundert fehle. Insbesondere könne die Beschreibung einer Skulptur kaum auf schlichte (zweidimensionale) Bilder bezogen werden, deren Gebrauch für das 7. Jahrhundert bestenfalls belegbar wären.52 Zugleich wird in der Forschung häufig davon ausgegangen, dass Herakleios selbst in der Figur des Armilos verkörpert sei, der ein Weltreich gründet, den Kult von Götzenbildern propagiert, Israel verfolgt und zuletzt jedermann dazu nötigt, seiner steinernen ,Mutter' zu huldigen und zu opfern.53 Die Verbreitung von Ikonen und ihrer Verehrung hatte tatsächlich seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts deutlich zugenommen. 54 Innerkirchliche Auseinandersetzungen um diese Praxis unterschieden dabei bisweilen deutlich zwischen gemalten Bildwerken, die als statthaft und Skulpturen, die als verwerflich eingestuft wurden,55 blieben insgesamt jedoch, verglichen mit den ikonoklastischen Kämpfen des 8. Jahrhunderts, in Umfang und argumentativer Differenzierung eher bescheiden.56 Als Beleg für die kultische Verehrung der Theotokos in Gestalt von Bildnissen, die Herakleios besonders gefordert habe, wird meist eine Episode angeführt, die Georgios Pisides (ca. 580-ca. 635) in seinem Panegyrikon auf den Kaiser überliefert. Herakleios habe, als er gegen Phokas zu Felde zog, „ihr hilfreiches Bild" (αυτής ... την βοηθόν εικόνα) mit sich geführt.57 Ahnliche Funktion hatten, nach dem Bericht

50), S. 384f.; Peter Schäfer: Mirror of His Beauty. Feminine Images of God from the Bible to the Early Kabbalah (Jews, Christians, and Muslims from the Ancient Period to the Modern World), Princeton, Oxford 2002, S. 123. 52 Speck (s. Anm. 42), S. 183-190. 53 So etwa Sharf (s. Anm. 9), S. 53f.; Fleischer (s. Anm. 13), S. 129; ferner Joseph Dan: The Doctrine of the Messiah in the Middle Ages, in: Encyclopaedia Judaica2, Bd. 14, S. 112-114, hier S. 113; Günter Stemberger: Die römische Herrschaft im Urteil der Juden (Erträge der Forschung 195), Darmstadt 1983, S. 140; Johann Maier: Geschichte des Judentums im Altertum. Grundzüge (WB-Forum 33), Darmstadt 21989, S. 137f.; Wheeler (s. Anm. 51), S. 75-77; Günter Stemberger: Einleitung in Talmud und Midrasch, München s 1992, S. 320; Biale (s. Anm. 50), S. 141; van Bekkum (s. Anm. 9), S. 109. 54 Ernst Kitzinger: The Cult of Images in the Age before Iconoclasm, in: Dumbarton Oaks Papers 8 (1954), S. 83-150. 55 So etwa Julian v. Atramytion in seiner Anfrage an Bf. Hypatios v. Ephesos (erste Hälfte 6. Jh.), deren Inhalt in dessen Antwortschreiben erhalten ist - Franz Diekamp: Analecta patristica. Texte und Abhandlungen zur griechischen Patristik (Orientalia Christiana analecta 117), Roma 1938, S. 127-129 (Text); Cyril Α. Mango: The Art of the Byzantine Empire 312-1453. Sources and Documents, Englewood Cliffs/NJ 1972, ND Toronto 1993, S. 116f. (Übers.). Vgl. Paul Jfulius] Alexander: Hypatius of Ephesus. A Note on Image Worship in the Sixth Century, in: The Harvard Theological Review 45 (1952), S. 177-184; Kitzinger (s. Anm. 54), S. 94f. mit Anm. 33; S. 131f„ Anm. 211. 56 Kitzinger (s. Anm. 54), S. 129-149. 57 Georgios Pisides: Heraclias 2,15 - Agostino Pertusi (Hg., Übers.): Giorgio di Pisidia, poemi, Bd. 1: Panegirici epici, Ettal 1959, S. 252. Nach Theophanes waren die Masten der Schiffe mit Ikonen und Reliquiaren bewehrt: AM 6102, ed. de Boor (s. Anm. 16), Bd. 1, S. 298; übers. Mango, Scott (s. Anm. 16), S. 427. Vgl. Himmelfarb: Sefer Zerubbabel (s. Anm. 38), S. 69 (sie gibt die Stelle ungenau wieder: „Heraclius ... carried a statue of the Virgin into battle with him."); dies.: The Mother of the Messiah (s. Anm. 50), S. 384 (nun korrekt [nach Theophanes]: „images of the Virgin"); Schäfer: Mirror

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des Georgios Synkellos (f 810), Bildnisse der Muttergottes und ihres Kindes, der konstantinopolitanische Patriarch Sergios I. (610-638) im Jahre 626 an den Toren der Hauptstadt anbringen ließ, um der Awaren-Gefahr zu begegnen.58 Belege für die Verehrung, ja die bloße Existenz von Skulpturen, die die Heilige Jungfrau darstellten, fehlen für den fraglichen Zeitraum aber offenbar. Es fallt auf, dass einzig Sefer Zerubbäbel die Steinerne Mutter des Bösen als „Jungfrau" (n^inn nwx) bezeichnet, während sie sonst entweder schlicht als „Stein"59 oder als „Stein in Gestalt eines Mädchens" (mw m07 ... px) 60 bezeichnet wird. Wenn, wie oft angenommen wird, sich die Armilos-Episode als vaticinium ex eventu auf Herakleios' Triumph und antijüdische Politik bezöge, wäre gemäß der fraglichen Interpretation der Erzählung in Sefer Zerubbäbel zu erwarten, dass der, Befreier' sein Werk in besonderem Maß der Heiligen Jungfrau gewidmet hätte. Für einen solchen ,militanten Marienkult' fehlt jedoch, von den genannten zwei Nachrichten abgesehen, ebenso jeder Beleg - Herakleios' Propaganda drehte sich um das Wahre Kreuz, dessen ,Heimführung' als der krönende Triumph seines ,Heiligen Krieges' galt. Auch ist es fraglich, ob ein paranoides Phantasma wie die Armiloslegende den Wirklichkeitssinn der Zeitgenossen derart außer Kraft zu setzen vermochte, dass sie tatsächlich glaubten, der Kaiser sei von einer steinernen Statue zur Welt gebracht worden und ein Monstrum mit deformiertem Extremitäten, grüner Haut, goldenem Haar und zwei Köpfen, wie Armilos in Sefer Zerubbäbel und den meisten einschlägigen Texten beschrieben wird.61 Ferner wurde Herakleios von Christen des Nahen Ostens wohl als Befreier und Retter gefeiert, nichts jedoch deutet daraufhin, dass er, wie Armilos in späteren Versionen der Legende, als Erlöser angesehen wurde oder auftrat (siehe unten); die Zeiten schließlich, in denen die Kaiser, wie der Armilos der Legende, Göttlichkeit beanspruchen konnten, waren schon seit Jahrhunderten vorüber. Armilos' Einführung des Kultes seiner ,Mutter' gehen zudem Maßnahmen voran, in denen Herakleios' Tun ebensowenig wiederzerkennen ist:

of His Beauty (Anm. 50), S. 213f.; ferner Kitzinger (s. Anm. 54), S. 111; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 113. 58 Theodoras Synkellos: De obsidione Constantinopolitana - Leo Stembach (Hg.): Analecta Avaria, in: Rozprawy Akademii Umiejetnosci. Wydzial Filologiczny, Ser. 2, 15 (1900), S. 297-365, hier S. 306; vgl. Kitzinger (s. Anm. 54), S. 112; Kaegi: Heraclius (s. Anm. 1), S. 136f. 59 Zum Beispiel in Nistäröt R. Simon b. Yohai - Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 80; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 150; Reeves (s. Anm. 26), S. 85. 60 So etwa in Tefillat R. Sim on b. Yohai - Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 4, S. 124; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 167; Reeves (s. Anm. 26), S. 103 oder in Ötöt ha-Masiah - Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 2, S. 60; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. l l l f . ; Reeves (s. Anm. 26), S. 125. 61 Sefer Zerubbäbel - Lévi, RÉJ 67 (s. Anm. 38), S. 143; Himmelfarb: Sefer Zerubbäbel (s. Anm. 38), S. 80; Reeves (s. Anm. 26), S. 65. Vgl. femer Tefillat R. Simon b. Yohai - Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 4, S. 124; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 167; Reeves (s. Anm. 26), S. 103 und Ötöt ha-Masiah - Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 2, S. 60; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 112; Reeves (s. Anm. 26), S. 125; Midrasch Wayyösa - Even-Shmuel (s. Anm. 26), S. 96f.; Reeves (s. Anm. 26) S. 174.

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Er wird beginnen, alle Götzenbilder der Völker zu errichten ( ΠΠΙΡΚ ΠΚ yü]1? D'un) und Göttern (n,l7i?3) zu dienen, die der HErr hasst ... Er wird vier [sieben] Altäre errichten und den HErrn mit seinen bösen Taten erzürnen.62 Zweifellos erschienen Juden Aspekte der christlichen Religion als Götzendienst der Kult aller Götzen der Völker aber, den Armilos einfuhrt, erinnert, ebenso wie die Rauchopfer und Libationen, die seiner , Mutter' dargebracht werden, viel eher an heidnische, als an christliche Bräuche. Kaum beachtet hingegen wurde in der Forschung bislang eine andere Parallele. In seiner antipaganen, Adversus nationes genannten Schrift (ca. 303) gibt Arnobius von Sicca die Kultlegende um Kybele wieder. Die Kultanhänger glaubten, dass die Magna Mater einst von Zeus bedrängt worden sei, der, als es ihm nicht gelang, sein Begehren zu befriedigen, seinen Samen in einen Stein vergossen habe, welcher daraufhin Agdistis, einen Unhold von übermächtigen Kräften, triebhaft und gewalttätig, gebar, der die Götter bedrohte und nur durch eine List überwunden werden konnte. 3 Die Legende um die phrygische Kybele gehört zu einer ganzen Familie von „Steingeburtssagen", die sich seit hethitischer Zeit in Anatolien nachweisen lassen64 und sich von dort in den Kaukasus und bis nach Osteuropa verbreiteten.65

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Lévi, RÉJ 67 (s. Anm. 38), S. 143; 159; Even-Shmuel (s. Anm. 26), S. 82 (mit willkürlichen Textumstellungen); Himmelfarb: Sefer Zerubbabel (s. Anm. 38), S. 80; Reeves (s. Anm. 26), S. 65. 63 Arnobius: adv. nat. 5,5-7 - C[oncetto] Marchesi (Hg.): Amobii Adversus nationes libri VII (Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum [62]), Aug[usta] Taurinorum u. a., 2[1953], S. 253-258; George E[nglert] McCracken (Übers.): Arnobius of Sicca, The Case against the Pagans (Ancient Christian Writers 7; 8), 2 Bde., Westminster/MD 1949, ND New York, Ramsey/NJ [1978], S. 414-417. Einzig Dan: Armilus (s. Anm. 43), S. 90f. erwähnt beläufig, mit Verweis auf Augustinus (s. unten, Anm. 70), Kybele und ihre Statue in Rom als mögliches Vorbild von Armilos' Mutter, stellt jedoch keinen Bezug zu ihrer Kultlegende her. 64 Harry A[ngier] Hoffner (Übers.), Gary M. Beckman (Hg.): Hittite Myths (Society of Biblical Literature - Writings from the Ancient World 2), Atlanta 1990, S. 40-43 und 52-61. 65 Afugust] von Löwis of Menar: Nordkaukasische Steingeburtsagen, in: Archiv für Religionswissenschaft 13 (1910), S. 509-524; Kurt Wais: Ullikummi, Hrungnir, Armilus und Verwandte, in: Hermann Schneider (Hg.): Edda, Skalden, Saga. Festschrift zum 70. Geburtstag von Felix Genzmer, Heidelberg 1952, S. 211-261 = in: Kurt Wais: An den Grenzen der Nationalliteraturen. Vergleichende Aufsätze, Berlin 1958, S. 341-405, mit Nachtrag S. 406-414; Klaus E[rich] Müller: Zur Problematik der kaukasischen Steingeburt-Mythen, in: Anthropos 61 (1966), S. 481-515; Walter Burkert: Von Ullikummi zum Kaukasus: die Felsgeburt des Unholds. Zur Kontinuität einer mündlichen Erzählung, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft NF 5 (1979), S. 253-261; zum größeren religionsgeschichtlichen Zusammenhang vgl. Volkert Haas: Hethitische Berggötter und hurritische Steindämonen. Riten, Kulte und Mythen. Eine Einführung in die altkleinasiatischen religiösen Vorstellungen (Kulturgeschichte der antiken Welt 10), Mainz [1982], bes. S. 142-163 und 210-214; und ders.: Die hethitische Literatur. Texte, Stilistik, Motive, Berlin 2006, S. 156-175. - Der mit dem Fluss Araxes (Aras) verbundene Diorphos-Mythos in Ps.-Plutarchs De fluviis, Kpt. 23 (Felix Jacoby: Die Fragmente der griechischen Historiker, Bd. 3: Geschichte von Städten und Völkern (Horographie und Ethnographie), T. A: Autoren über verschiedene Städte (Länder), Berlin, Leiden 1940, S. 162 [Text]; Burkert, S. 260 [Übers.]), in dem Mithras nicht nur, wie aus der Legende des Mysterienkults bekannt, selbst als felsgeboren erscheint, sondern seinerseits einen Stein schwängert, stellt offenbar eine Adaption persischer Vorstellungen an kaukasische Mythologie dar - vgl. Manfred Clauss: Mithras. Kult und Mysterien, München 1990, S. 71; Albert de Jong: Traditions of the Magi. Zoroastrianism in Greek and Latin Literature (Religions in the Graeco-Roman World 133), Leiden 1997, S. 290-294. Vielleicht ist in der

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Bekanntlich war der Kult der Magna Mater in Rom seit 204 v. Chr. heimisch, als die Göttin in Gestalt ihres Kultsteins aus dem phrygischen Pessinus dorthin ,umgesiedelt' wurde.66 Ihr Kult bildete fortan einen festen Bestandteil der religiösen Landschaft Roms; seit 191 v. Chr. hatte die „Mutter der Götter" einen eigenen Tempel auf dem Palatin, mit einem Kultbild, in das ihr heiliger Stein eingelassen war.67 Eine zentrale Kulthandlung der Mysten bestand in ihrem Abstieg in das „innerste Heiligtum" der jeweiligen Kultstätte, das „Brautgemach" (θάλαμος oder παστός), wo sie sich offenbar in einer Art heiliger Hochzeit mit der Göttin vereinigten.68 Der Kult der Kybele und ihres Genossen Attis erfuhr in der Spätantike eine Neubelebung und avancierte, mit der fortschreitenden Christianisierung des Reiches, zum „letzten Hort der Altgläubigen" (Giebel).69 Dass das Treiben der Kultanhänger feindselige Reaktionen seitens der Christen herausfordern musste, liegt auf der Hand und Arnobius ist hierfür ein Kronzeuge.70 Insbesondere die ekstatischen Selbstverstümmelungen der Galloi, der Priester der Göttermutter, die sich auf dem Höhepunkt ihres jährlichen Festes selbst entmannten und deren Hoden anschließend der Göttin dargebracht und in Kultgefäßen bestattet wurden, erregten, gerade auch durch ihren sexuellen Aspekt, die Abscheu christlicher Autoren.71 Direkte Zeugnisse dafür, dass man die Kultlegende mit Satan in Verbindung brachte, sind allerdings nicht erhalten. Ein fernes Echo einer solchen Übertragung könnte die Legende darstellen die der karthagische Bischof Quodvultdeus (ca. 385-ca. 453) in seinem Liber de promessibus et de praedictionibus Dei

Erzählung aber auch schlicht eine der Fabulierlust des Autors entsprungene Kontamination der MithrasLegende mit kaukasischen Steingeburtsmythen zu erblicken. 66 Livius, 29,10f.; 14 - Hans Jürgen Hillen (Hg., Übers.): T. Livius, Römische Geschichte. Buch XXVII-XXX, Darmstadt, München Y1997, S. 371-375 und 383-385; Ovid: Fasti 4,179-348 - Franz Börner (Hg., Übers.): P. Ovidius Naso, Die Fasten (Wissenschaftliche Kommentare zu lateinischen und griechischen Schriftstellern), 2 Bde., Heidelberg 1957, S. 187-193; Arnobius: Adv. nat. 7,49-51 Marchesi (s. Anm. 63), S. 409^112; McCracken (s. Anm. 63), Bd. 2, S. 536-539. Vgl. Maarten J[ozef = Josef] Vermaseren: Cybele and Attis: The Myth and the Cult, London 1977, S. 38-41. 67 Vermaseren (s. Anm. 66), S. 41-43. 68 Clemens v. Alexandrien, prot. 2,15,3 - Otto Stählin (Hg.): Clemens Alexandrinus, Bd. 1: Protrepticus und Paedagogus (Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte [58]), Berlin 3 1972, S. 13; Miroslav] Marcovich (Hg.): Clementis Alexandrini Protrepticus (Supplements to Vigiliae Christianae 34), Leiden, New York, Köln 1995, S. 24; Otto Stählin (Übers.): Des Clemens von Alexandreia Mahnrede an die Heiden. Der Erzieher (Bibliothek der Kirchenväter2, 2. Reihe, Bd. 7), München 1934, S. 86; Firmicus Maternus, err. 18,1 - Konrat Ziegler (Hg., Übers.): Iuli Firmici Materni V- C De errore profanorum religionum (Das Wort der Antike 3), 2 Bde., München 1953, Bd. 1, S. 62 (Text); Bd. 2, S. 30f. (Übers.). Vgl. Henri Graillot: Le culte de Cybèle, Mère des Dieux à Rome et dans l'Empire Romain, Paris 1912, S. 182-184; Marion Giebel: Das Geheimnis der Mysterien. Antike Kulte in Griechenland, Rom und Ägypten, Düsseldorf, Zürich 1990, ND 2000, S. 136-138; Hans Kloft: Mysterienkulte in der Antike. Götter - Menschen - Rituale, München 1999, S. 64f. 69 Marion Giebel: Mysterien (s. Anm. 68), S. 138-147. 70 Bes. Adv. nat. 5,8-17 - Marchesi (s. Anm. 63), S. 258-270; McCracken (s. Anm. 63), S. 417^126. Vgl. ferner Augustinus: civ. 3,12 - Sancti Aurelii Augustini De Civitate Dei Libri I-X (Corpus Christianorum, Series Latina 47), Turnholti 1955, S. 73; Wilhelm Thimme (Übers.), Carl Andresen (Komm.): Aurelius Augustinus, Vom Gottesstaat, 2 Bde., Zürich, München 21978, Bd. 1, S. 126; Firmicus Maternus: err. 18,1 (s. Anm. 68). 71 Kloft (s. Anm. 68), S. 63f.; vgl. z. B. Augustinus: civ. 7,24 - Thimme, Andresen (s. Anm. 70), S. 351-354.

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überliefert: eine angehende Novizin habe die in der städtischen Therme aufgestellte Venusstatue nachgeahmt und so dem Satan erlaubt, Besitz von ihr zu ergreifen {ut domicilium se diabolo praebuit), der nur durch einen Exorzismus wieder habe ausgetrieben werden können. Die Episode findet sich bezeichnenderweise in dem Praedictio ... signorum Antichristi überschriebenen Kapitel.72 Da Agdistis selbst im Kybelekult aber bereits das widergöttliche Prinzip verkörperte, lag eine Identifikation mit dem Widersacher Gottes, beziehungsweise dem des Erlösers, wohl mehr 73

als nahe. Bereits in der älteren Forschung wurde eine andere, mittelalterliche Überlieferung mit der Armilos-Legende in Verbindung gebracht, die in der sogenannten VergilSage enthalten ist. Jansen Enikel (f nach 1302) erzählt in seiner Weltchronik, Vergil habe in Rom eine steinerne Statue in Gestalt eines schönen Weibes aufgestellt und dieser mittels teuflischer Kräfte solchen sex appeal verliehen, dass Männer mit ihr verkehrt hätten.74 Legenden über die erotisierende Wirkung von Aphrodite-Skulpturen, namentlich der berühmten knidischen Aphrodite des Praxiteles (4. Jh. v. Chr.), waren in der Spätantike und durch das gesamte Mittelalter verbreitet; nicht selten kommt es darin zwischen Männern und ihrer Angebeteten auch zum Äußersten.75 Keine dieser Erzählungen weiß jedoch von einer Empfängnis des jeweiligen Standbildes und der Geburt eines halbmenschlichen Ungeheuers. Dasselbe gilt für die Episoden bei Quodvultdeus und in der Vergil-Sage. Insbesondere die Verehrung „fremder Götter" durch Armilos und später seiner ,Mutter' selbst deute, argumentiert Speck, auf einen ursprünglich christlichen Kontext der Legende hin. Dass die Gojim Götzendienst trieben, war für Juden ja nichts Neues und konnte von ihnen schwerlich als besonders bedrohlich empfunden wer-

72 6,9f. - René Braun (Hg., Übers.): Quodvultdeus, Livre des promesses et des prédictions de Dieu (Sources Chrétiennes 101/102), 2 Bde., Paris 1964, Bd. 2, S. 605-609. 73 Dasselbe gilt für die verschiedenen Verbindungen mit bzw. Anspielungen auf Satan/Samael in den kaukasischen volkstümlichen Erzählungen (vgl. deren Wiedergaben in den Arbeiten von v. Löwis of Menar, Wais und Müller [Anm. 65]), die auf die dortigen christlichen bzw. jüdischen Gemeinschaften zurückgehen dürften. 74 V. 23765-23778 - Philipp Strauch (Hg.): Jansen Enikels Werke (Monumenta Germaniae Histórica, Scriptorum qui vernacula lingua usi sunt 3: Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters 3), Hannover, Leipzig 1900, ND Dublin u. a. 1972, München 1980, 2001, S. 463. Vgl. Felix Liebrecht: Zur Virgiliussage, in: Germania. Vierteljahresschrift für deutsche Alterthumskunde 10 (1865), S. 406-416, hier S. 414; M[oritz] Güdemann: Geschichte des Erziehungswesens und der Cultur der abendländischen Juden während des Mittelalters und der neueren Zeit, Bd. 2: Geschichte des Erziehungswesens und der Cultur der Juden in Italien während des Mittelalters, Wien 1884, ND Amsterdam, 1966, S. 220f.; 332f.; ferner Domenico Comparetti: Virgil im Mittelalter, Leipzig 1875 (= Virgilio nel Medio Evo, Livorno 1872), S. 309f.; Manfred Kern: Vergilius, in: ders., Alfred Ebenbauer (Hg.): Lexikon der antiken Gestalten in den deutschsprachigen Texten des Mittelalters, Berlin, New York 2003, S. 662-669, hier S. 664. Dass die „Vergil-Sage" auch von Juden rezipiert wurde, belegt die hebräische Fassung einer der in ihr enthaltenen Erzählungen - David Flusser: απρ nn¡7 llS'tn ηιΚΜΠ Ol'V'm in: Roberto Bonfil u. a. (Hg.): Scritti in memoria di Umberto Nahon. Saggi sull' Ebraismo Italiano, Gerusalemme 1978, S. 168-175; engl. Ubers, in ders.: Virgil the Magician in an Early Hebrew Tale, in: Florilegium. Carleton University Annual Papers on Classical Antiquity and the Middle Ages 7 (1985), S. 145-154. 75 Berthold Hinz: Statuenliebe. Antiker Skandal und Mittelalterliches Trauma, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 22 (1989), S. 135-142.

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den, zumal nirgends davon die Rede ist, dass Armilos Israel zum Götzendienst verführen oder gar zwingen würde - seine ,religiöse Propaganda' richtet sich an „die Völker" oder schlicht an „Edom". Umso mehr musste ein solches Szenario, so Speck, Christen als frevelhaft und unheilvoll erscheinen. Armilos gleiche demnach weniger Christus oder einem christlichen Kaiser, sondern vielmehr einem Julianus redivivus, einem endzeitlichen Gewaltherrscher und Apostaten, der die Völker zum Glaubensabfall verführen und ins Verderben stürzen würde.76 Tatsächlich findet sich in dem umfangreichen œuvre Julians (361-363) neben einer Hymne auf Helios auch eine, die der Göttermutter gewidmet ist.77 In seinem Bemühen, den Einfluss des Christentums zurückzudrängen und die traditionelle ,hellenistische' Religion wiederzubeleben, spielte die Magna Mater eine nicht geringe Rolle. So erklärte der Kaiser in einem Brief an Arsakios, den Oberpriester Galatiens, wirtschaftliche Hilfe für die Stadt Pessinus werde es nur geben, „wenn ihre Bürger sich der Gnade der Göttermutter versichern" und „mit ihrer gesamten Gemeinde Bittflehende der Göttermutter ... werden" und droht zugleich mit seiner 78

Ungnade, sollten sie diesem Gebot nicht folgen. Auf seinem Persienfeldzug 363 machte er eigens einen Umweg über Pessinus, um ihr in ihrem dortigen Heiligtum zu huldigen, wie Libanios (314-nach 393) in zwei seiner Reden, die dem Kaiser gewidmet sind, hervorhebt.79 Speck vermutet, das Vorbild für jene steinerne Mutter des Bösen sei ein Venusbild und das „Haus der Schmähung und des Hohns" ein Tempel der Schönheitsgöttin.80 Für eine solche Interpretation spricht ohne Frage, dass in mehreren Versionen der Armilos-Legende die Schönheit seiner ,Mutter' betont wird und in einigen der Böse das Ergebnis unzüchtiger Handlungen ist, die Männer mit ihr begehen, wie in den erwähnten Legenden über Aphrodite-Standbilder. Das Element der „Steingeburt" verweist jedoch unzweifelhaft auf Kybele und so sind in der Schilderung der Skulptur der jüdischen Legende offenbar Motive aus Erzählungen verschmolzen, die sich um beide Göttinen rankten. Wenn der Autor des Sefer Zerubbäbel für seine Schilderung der Geburt des Antimessias auch, direkt oder indirekt, aus christlicher, antipaganer Polemik schöpfte, deutet die Charakterisierung der Statue als „Jungfrau" dennoch darauf, dass hier zugleich eine Spitze gegen das Christentum durchaus gemeint war. In anderen apokalyptischen Midraschim, die wenig später entstanden, verschafft sich diese antichristliche Tendenz der Legende noch deutlicher Geltung. So heißt es etwa in Ötöt ha-Masiah über Armilos:

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Speck (s. Anm. 42), S. 190. Wilmer Cave Wright (Hg., Übers.): The Works of the Emperor Julian (The Loeb Classical Library), 3 Bde., London 1913-1923, ND 1930, 1954, 1962, 1980, S. 442-503. 78 Bertold K[arl] Weis (Hg., Übers.): Julian, Briefe, München 1973, Nr. 39, S. 105-109, hier S. 109. 79 Libanios: Or. 12,87; 17,17 - A[lbert] F[rancis] Norman (Hg., Übers.): Libanius, Selected Works, Bd. 1: The Julianic Orations (The Loeb Classical Library), Cambridge/MA, London 1969, ND 1987, S. 89 und 261. 80 Speck (s. Anm. 42), S. 189. 77

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Er wird zu dem bösen Edom kommen und zu ihnen sagen: „Ich bin der Messias! Ich bin Gott!" Sie werden ihm sogleich glauben und ihn zum Herrscher über sich erheben und alle Söhne Esaus werden sich mit ihm verbünden und zu ihm kommen. Er wird ausziehen und alle Länder unterwerfen. Und er wird zu den Söhnen Esaus sagen: „Bringt mir meine Tora, die ich euch gegeben habe!" Sie werden ihm ihre Obszönität [nm^STi] bringen und er wird zu ihnen sagen: „Dies ist wahrhaftig, was ich euch gegeben habe!" Und er wird zu den Völkern der Welt sagen: „Glaubt an mich, denn ich bin euer Mes81 sias!" und sie werden sogleich an ihn glauben. Hier erscheint Armilos vollends als Antichrist, der als Messias der Christen und als Gott auftritt und sich auf „seine Tora", das Neue Testament, beruft. Er ist unzweifelhaft ein dämonischer Jesus redivivus und seine Geburt eine verzerrte Wiederholung der angeblichen Jungfrauengeburt. So konnten Juden Erzählungen aus christlichem Kontext, die gegen das Heidentum gerichtet waren, aufgreifen und, mit leichten Abwandlungen, für ihre antichristliche Polemik nutzbar machen.

Der Sohn des Verderbens Die syrische, meist sogenannte Apokalypse des Pseudo-Methodios,82 die Ende des Jahrhunderts (nach ihrem Herausgeber Gerrit Reinink 692) entstand, heißt es über den Antichristen: Denn dieser Sohn des Verderbens ... ist ein Mensch [V: der Sünde], der mit einem Körper bekleidet wird vom Samen eines Mannes und geboren wird aus einer verheirateten Frau vom Stamm Dan. 83 Sollte dem Leser beziehungsweise Hörer dieser Weissagung noch unklar sein, unter welchen Umständen die Zeugung des Antichristen zustande kommt, verdeutlicht dies der Redaktor der V-Rezension, indem er ihn als illegitimes Kind „der Sünde" charakterisiert, den Spross eines ehebrecherischen Verhältnisses. Eine ähnliche Angabe findet sich bei einem Zeitgenossen des Verfassers der Apokalypse, bei Jakob von Edessa (633-708), in dessen Exegese des Jakobs-Segens über Dan (Gen 49,16f.). Es heißt dort, dass diese Schlange geboren werden wird aus dem Stamm Dan durch eine Frau, die von ihm [d.i. der Stamm Dan] allein ist, von einem lateinischen

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Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 2, S. 60; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 112; Reeves (s. Anm. 26), S. 125; vgl. Tefillat R. Simon b. Yohai - Jellinek (s. Anm. 26), Bd. 4, S. 124f.; Wünsche (s. Anm. 26), Bd. 3, S. 167; Reeves (s. Anm. 26), S. 103. 82 Gerrit J[an] Reinink (Hg., Übers.): Die syrische Apokalypse des Pseudo-Methodius (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 540/541 = Scr. Syri 220/221), 2 Bde., Lovanii 1993. Ps.-Methodios 14,10. - Reinink: Pseudo-Methodius (s. Anm. 82), CSCO 540, S. 47; CSCO 541, S. 77.

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Mann, der Ehebruch mit ihr begehen wird. Da sie kriecht wie eine Schlange auf dem Acker, illegitim ist, empfangen wird [als] ein Mensch der Sünde und auf diese Welt kommt, [so] wird sie das Verderben und die Verfuhrung der Welt.84 Das Auftreten des Sohnes des Verderbens wird auch bei Pseudo-Methodios mit einer Exegese des Jakobs-Segens versehen, in der, wie bei Jakob von Edessa, die Worte des Patriarchen „Dan ist eine Schlange am Weg, eine Hornotter am Pfad, die in die Fersen des Pferdes beisst, und rücklings fallt sein Reiter" auf den Antichristen gedeutet wird, der folglich ein Jude vom Stamm Dan sein werde. Diese Auffassung hatte bereits eine lange Tradition in der Alten Kirche und findet sich erstmals bei 85

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Irenäus von Lyon (ca. 150-200) und dann bei Hippolyt von Rom (ca. 170-235) auf den sich auch Jakob von Edessa ausdrücklich beruft. Schon dass der Antichrist mütterlicherseits von Dan abstammt, legt den Verdacht nahe, dass es sich um eine Exegese handelt, die ursprünglich aus dem Judentum stammt,87 in dem ja die Zugehörigkeit zum Volk Israel durch die Mutter vererbt wird. Zudem sind nach jüdischer Überlieferung häufig große Militärfiihrer, darunter Simson (Ri 13), dieser Abstammung.88 Eine in diesem Zusammenhang bemerkenswerte Passage findet sich im Midrasch Berësït Rabbä: Ein Löwenjunges ist Juda (Gen 49,9) - R. Hämä b. R. HanTnä sagte: das ist der Messias ben David, der hervorgehen wird aus zwei Stämmen, sein Vater aus Juda und seine Mutter aus Dan und über beide steht geschrieben, sie seien Löwen: Ein Löwenjunges ist Juda (Gen 49,9); Dan ist ein Löwenjunges (Dtn 33,22).89 Diese rabbinische Exegese war offenbar bereits Hippolyt bekannt, wenn sie der Midrasch auch dem etwa ein Jahrhundert später lebenden R. Hämä b. HanTnä, einem

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Der Text ist überliefert in der sogenannten Severus-Katene - Petrus Benedictas, [Stefano Evodio Assemani] (Hg.): nasJba ^-u«· ,-ra rí¡=,t\ myjfna rcííun.j rfiwuyla - Sancti Patris Nostri Ephraem Syri Opera Omnia quae Exstant Grace, Syriace, Latine, Bd. 1 : Syriace et Latine. Explanatio in Genesim, Exodum, Leviticum, Numeros, Deuteronomium, Josue, Judicum, Regum Primum, Secundum, Tertium, Quartum, Romae 1737, S. 192. 85 Irenäus: haer. 5,30,2 - Norbert Brox (Hg., Übers.): Irenäus von Lyon, Adversus haereses - Gegen die Häresien, 5 Bde. (Fontes Christiani 8), Freiburg, Basel, Wien, Barcelona, Rom, New York 1993— 2001, Bd. 5, S. 224-227, mit Verweis auf Jer 8,16 und das Fehlen Dans in der Liste der Versiegelten, Offb 7,5-8. 86 Vgl. unten, mit Anm. 91. 87 Vgl. zum Folgenden C[harles] E[van] Hill: Antichrist from the Tribe of Dan, in: The Journal of Theological Studies 46 (1995), S. 99-117. 88 Dan: Armilus (s. Anm. 43), S. 74, Anm. 2. 89 BerR 97,9 - Chfanoch] Albeck: Bereschit Rabba mit kritischem Apparat und Kommentar, 3 Bde., Jerusalem 21965, Bd. 3, S. 1218.

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Amoräer der zweiten Generation,90 zuschreibt. Hippolyt schreibt in De Christo et Antichristo: Ihn [d.i. Christus] nun haben die Schriften als Löwen und als Junges eines Löwen vorherverkündigt. Dasselbe ist auch vom Antichristen gesagt worden. Ein Löwenjunges ist Dan und wird aus Basan hervorspringen (Dtn 33,22). Damit sich aber niemand täusche und meine, der Ausspruch beziehe sich auf den Erlöser, so möge er wohl aufmerken. ... Dan sagt er, ist ein Löwenjunges. Mit dem Ausspruch hat er den Stamm Dan bezeichnet, aus welchem einst der Antichrist geboren werden soll. Denn wie Christus aus dem Stamm Juda geboren wurde, so wird der Antichrist aus dem Stamm Dan geboren werden. Dass dies so ist, sagt Jakob: Dan wird eine Schlange sein, auf der Erde sitzend, stechend die Ferse des Pferdes (Gen 49,16). Wer anders aber ist die Schlange als der Antichrist, jener Verfuhrer, von dem in der Genesis gesagt wird, er habe Eva verfährt und Adam überlistet?91 Diese Ausführungen lesen sich beinahe wie eine Polemik gegen die des R. Hämä: Der Erlöser stammt nicht von Juda und Dan ab; das Löwenjunge aus Dtn 33,22 bezieht sich nicht auf diesen, sondern auf seinen Widerpart, den Antichristen, was Gen 49,16 deutlich mache. Die Exegese von Jakob von Edessa schließt an die von Hippolyt an und betont, der Antichrist werde vom Stamm Dan, „von ihm allein" sein. Dass er und Pseudo-Methodios Wert darauf legen, dass der Sohn des Verderbens mütterlicherseits von Dan stammt, wie bei R. Hämä der Messias, macht deutlich, dass hier offenbar eine jüdische Auffassung über den Erlöser christlicherseits auf den Antichristen übertragen worden ist. Es dürfte für Christen wohl außer Frage gestanden haben, dass der Vater des letzteren nicht, wie Jesus Christus, von Juda abstammen konnte, womit die Stelle des Vaters frei wurde. Die Vorstellung der beiden Syrer, der Antichrist werde aus einem ehebrecherischen Verhältnis stammen, hat jedoch offenbar einen anderen Ursprung. Dass nur Jakob von Edessa von einem „lateinischen" Vater des Antichristen weiß, dürfte damit zu tun haben, dass ein zentrales Motiv bei Pseudo-Methodios, das Auftreten eines (ost-)römischen Kaisers, der vor dem Ende der Zeit ein Weltreich des Friedens und der Frömmigkeit errichten werde,92 schlecht zu einer ähnlichen Abstammung des Antichristen passen würde, dessen Schreckensherrschaft das letzte Stadium der Geschichte, nach dem Ende des „Endkaiser"-Reiches und vor der Wiederkehr Christi,93 bildet. 90

Vgl. Wilhelm Bacher: Die Agada der palästinensischen Amoräer, Bd. 1: Vom Abschluß der Mischna bis zum Tode Jochanans (220 bis 279 nach der gew. Zeitrechnung), Straßburg 1892, ND Hildesheim 1965, Hildesheim, Zürich, New York 1992, S. 447-476. 91 Hippolyt: Antichr. 14 - Hans Achelis (Hg.): Hippolytus Werke, Bd. 1: Exegetische und Homiletische Schriften. Teil 2: Hippolyt's kleinere exegetische und homiletische Schriften, Leipzig 1897, S. 11; Valentin Grone (Übers.): Hippolytus' des Presbyters und Märtyrers Buch über Christus und den Antichrist (Bibliothek der Kirchenväter [27]), Kempten 1873, S. 22. 92 Vgl. oben, Anm. 40. 93 Ps.-Methodios 13,11-21. - Reinink: Pseudo-Methodius (s. Anm. 82), CSCO, Bd. 540, S. 38-43; CSCO, Bd. 541, S. 62-69.

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Diese Erzählung von einer Jüdin, die mit einem Römer Ehebruch begeht und daraufhin den Gegenspieler des Erlösers gebiert, ähnelt auffallend einer Geschichte, die jüdischerseits über Jesus von Nazaret kolportiert wurde. Deren frühestes Zeugnis findet sich in der gegen die (verlorene) antichristliche Schrift des Heiden Kelsos aus dem Jahre 178 gerichteten Polemik des Orígenes (ca. 185-253/54). Dieser zitiert Kelsos, der sich seinerseits auf einen jüdischen Gewährsmann berufen hatte, folgendermaßen: Zuerst wirft er [d.i. der Jude] ihm vor, dass er sich fälschlich als den Sohn einer Jungfrau ausgegeben habe, er schmäht ihn aber auch, dass er aus einem jüdischen Dorf und von einer einheimischen armen Handarbeiterin stamme. Er sagt dann, diese sei von ihrem Mann, der seines Zeichens Zimmermann gewesen sei, als des Ehebruchs schuldig verstoßen worden. Weiter bringt er vor, von ihrem Manne verstoßen und unstet und ehrlos umherirrend hätte sie den Jesus heimlich geboren. Dieser habe sich aus Armut nach Ägypten als Tagelöhner verdungen und sich dort an einigen Zauberkräften versucht, auf die die Ägypter stolz seien; er sei denn auch zurückgekehrt und habe sich viel auf diese Kräfte eingebildet und sich ihretwegen öffentlich zum Gott erklärt. Etwas später fährt Orígenes fort: Doch wollen wir uns nun wieder zu den Worten zurückwenden, die Celsus den Juden sagen lässt, zu der Behauptung nämlich, die Mutter Jesu sei von dem Zimmermann, mit dem sie verlobt war, verstoßen worden, weil sie des Ehebruchs überführt worden sei und [ein Kind] von einem Soldaten [στρατιώτης] namens Panthera [Πανθήρα] geboren habe,94 Gegen den Vorwurf, Jesus habe magische Kräfte mittels der Kenntnis von Engelnamen und Geheimlehren erworben, die er aus ägyptischen Tempeln gestohlen hätte, polemisiert auch Arnobius von Sicca in seiner schon genannten Schrift Adversus nationes.95 Die Verbreitung der Panthera-Legende scheint zusätzlich eine Reihe von altkirchlichen Texten zu belegen, die einen Mann dieses Namens in die Genealogie Jesu integrieren. Das früheste Zeugnis dieser Tradition bietet die Doctrina Jacobi, die bezeichnenderweise einen Rabbi aus Tiberias als Gewährsmann für diesen, von den (widersprüchlichen) neutestamentlichen Quellen Mt 1,6-16 und Lk 3,2332 abweichenden Stammbaum Jesu nennt.96 Dass dieser auch in Kreisen des syrischen Christentums bekannt war, belegen ein Brief wiederum Jakobs von Edessa,

94 Orígenes: Contr. Cels. 1,28; 34 - Miroslav] Marcovich (Hg.): Orígenes: Contra Celsum libri VIII (Supplements to Vigiliae Christianae 65), Leiden, Boston, Köln 2001, S. 29f. und 33 (Text); Paul Koetschau: Des Orígenes acht Bücher gegen Celsus, Bd. 1: Buch I-IV (Des Orígenes ausgewählte Schriften, Bd. 2, Bibliothek der Kirchenväter [52]), München 1926, S. 38f. und 44 (Teil-ND u.d.T.: Orígenes: Gegen Kelsos [Schriften der Kirchenväter 6], München 1986, S. 50f. [nur 1,28]). Vgl. Schreckenberg (Anm. 28), S. 228-235. 95 Arnobius: adv. nat. 1,43 - Marchesi (s. Anm. 63), S. 37f.; McCracken (s. Anm. 63), S. 90f. 96 Doctr. Jac. 1,42 - Déroche: Doctrina Jacobi (s. Anm. 28), S. 132-135.

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der sich dem Problem widmet,97 und das Fragment einer syrischen Übersetzung der Doctrina Jacobi, das ausgerechnet die genannte Passage enthält.98 Sollte diese Version der Genealogie Jesu tatsächlich, wie in der Doctrina Jacobi behauptet, aus jüdischer Quelle stammen, dürfte ihr Ursprung in judenchristlicher Tradition liegen, wofür es auch weitere indirekte Belege gibt.9 In jedem Fall stand offenbar das Bestreben im Hintergrund, die antichristliche Polemik der Panthera-Legende durch die Integration des Namens zu neutralisieren. Für das Fortleben der Panthera-Legende liegen eine Reihe von Belegen aus Tosefta, Talmudim und Midraschim vor, die Johann Maier sämtlich spät, möglicherweise erst auf die nachtalmudische Zeit datiert und der Bearbeitung von Traditionsgut, das sich ursprünglich nicht auf den historischen Jesus bezog, zuschreibt.100 All diese Traditionen über Yesü b. Pandera, oder doch ihre große Mehrzahl, lag zweifellos im 7. Jahrhundert lange vor. Damit stand die wohl ursprünglich aus dem westlichen Diaspora-Judentum stammende Erzählung101 auch den palästinischen und babylonischen Juden für antichristliche Polemik zur Verfügung. Höchstwahrscheinlich hatte auch längst jener Prozess begonnen, der zur Entstehung der Töldöt-YesüLiteratur führte, die über das gesamte Mittelalter bis in die Neuzeit die jüdischen volkstümlichen Erzählungen über Jesus, darunter mit dem Namen Pandera verbundene Episoden, tradierte.102 Dafür dass nach der jüdischen Überlieferung der Verführer der Miryam ein Soldat und folglich Römer, zumindest römischer Legionär war, liefern all diese Texte keinen Beleg. Einen deutlichen Hinweis darauf gibt jedoch der Lyoner Erzbischof Amulo (t 852) in seinem Liber contra Judaeos, in dem er mitteilt, die Juden glaubten, der Heiland entstamme dem ehebrecherischen Verhältnis Marias mit einem ungläubigen ethnicus namens Pandera.103 Die Namensform Pandera legt nahe, dass der Autor hier nicht aus Orígenes' Schrift gegen Kelsos geschöpft hat, sondern lebendige jüdische Tradition wiedergibt.

97 F[rançois] Nau (Hg., Übers.): Lettre de Jacques d'Édesse sur la généalogie de la Sainte Vierge, in: Revue de l'Orient Chrétien 6 (1901), S. 512-531, hier S. 519 (Text) und 525 (Übers.). 98 F[rançois] Nau (Hg., Übers.): Littérature anti-judaïque, Bd. 1: La didascalie de Jacob. Texte grec, original du Dargis d'Aberga (Patrologia Orientalis 8,5=40), S. 721f. [1 lf.]. 99 Vgl. Johann Maier: Jesus von Nazareth in der talmudischen Überlieferung (Erträge der Forschung 82), Darmstadt 1978, S. 262 (zu Epiphanius Monachus und Hieronymus). 100 Maier: Jesus von Nazareth (s. Anm. 99), S. 130-202; passim; Peter Schäfer: Jesus in the Talmud, Princeton, Oxford 2007, S. 15-24, passim. 101 Maier: Jesus von Nazareth (s. Anm. 99), S. 251; Ernst Bammel: Der Jude des Celsus, in: ders.: Judaica. Kleine Schriften I (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 37), Tübingen 1986, S. 265-283. 102 Kommentierte Texte, und Übersetzungen bei Samuel Krauss (Hg., Übers.): Das Leben Jesu nach jüdischen Quellen, Berlin 1902, N D Hildesheim, Zürich, New York 1994; Günter Schlichting: Ein jüdisches Leben Jesu. Die verschollene Toledot-Jeschu-Fassung Tarn ü-mu äd. Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar, Motivsynopse, Bibliographie (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 24), Tübingen 1982; vgl. Riccardo Di Segni: Il Vangelo del Ghetto. Le „storie di Gesù": leggende e documenti della tradizione medievale ebraica (Magia e religioni 8), Roma 1985. 103 Jfacques] P[aul] Migne (Hg.): Haymonis Halberstatensis episcopi opera omnia, praemittuntur Ebbonis Rhemensis ... Amulonis episcopi Lugdunensis scripta quae supersunt (Patrologia Latina 116), Lutetiae Parisiorum 1852, N D 1879, N D Turnhout 1970, 1985, 1992, Sp. 169. Vgl. Schreckenberg (s. Anm. 28), S. 502-506.

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Sowohl Irenäus als auch Hippolyt erwägen bezüglich der Frage des Namens des Antichristen, dessen Zahl nach Offb 13,18 666 betragen werde, unter anderem Λατε'ί'νος·;104 - von der Vaterschaft eines ,Lateiners' und dessen ehebrecherischem Verhältnis zu einer Jüdin findet sich dort jedoch nichts. Pseudo-Methodios und Jakob von Edessa verknüpfen offensichtlich die christliche Tradition von der Geburt des Antichristen aus dem Stamm Dan mit der jüdischen von der Geburt Jesu aus der ehebrecherischen Verbindung einer Jüdin und eines Römers. Der Pseudo-Messias Jesus von Nazaret ist demnach in einem unbekannten Stadium der Überlieferungsgeschichte zum Anti-Messias avanciert. Da dieser Vorgang vor der Übernahme des Motivs durch die beiden syrischen Autoren stattgefunden haben dürfte, trägt der „Sohn des Verderbens" offensichtlich Züge des jüdischen Antimessias. Die Ereignisse des 7. Jahrhunderts waren im höchsten Maß dazu angetan, die jüdischchristliche Auseinandersetzung zu verschärfen. Dass Juden und Christen gerade bei der Frage mit dem vielleicht größten polemischen Potential', der nach der Identität des Feindes par excellence, so überraschend unbekümmert Traditionen der jeweils gegnerischen Religionsgemeinschaft aufgriffen, zeugt davon, dass diese Auseinandersetzung noch weit davon entfernt war, eine so hermetische Ab- und Ausgrenzung zu bewirken, wie sie für das jüdisch-christliche Verhältnis späterer Epochen bestimmend wurde.

104 Irenäus: Adv. haer. 5,30,2 - Brox (s. Anm. 85), S. 226f.; Hippolyt: antichr. 50 - Achelis (s. Anm. 91), Bd. 1, S. 33f.; Grone (s. Anm. 91), S. 48.

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Niffan: a Sufi Mahdi in the Fourth c. AH/Tenth c. AD?

1. Introduction As David Cook, Mercedes García-Arenal and other historians of medieval Islam have shown, apocalyptics and eschatology provided powerful paradigms in political struggles throughout Islamic history.1 Among those who claimed to have authority in such contexts, usually by suggesting that they were Mahdis, were Sufis from the Western Mediterranean, most prominently during the period of the Berber empires (eleventh-thirteenth centuries). It is not always easy to ascertain in which ways exactly these men claimed to be Mahdis and what such a claim may have entailed. As García-Arenal points out in her study of Mahdism in the political culture of Western Islam, it is also often uncertain to what degree such claims in fact resulted from their own propaganda or rather from the expectations of their followers. Be this in each individual case as it may, a fierce opposition against such Sufi Mahdism arose above all in the Eastern Mediterranean. One of the best-known spokesmen of this opposition was Ibn Khaldün (732/1332-808/1406) who in the Muqaddima ("Introduction") to his History attacked a specific group of controversial twelfthand thirteenth-century Andalusian Sufis, the most famous among them being Ibn 'Arab! (born in Murcia 560/1165, died in Damascus 638/1240).2 Ibn Khaldün, like many other polemicists,3 claimed that Sufism had started as a movement of pious ascetics, but was corrupted by some deluded individuals who were influenced by radical Shiite ideas, claimed that God was present in certain people and predicted the arrival of a messianic figure. They also maintained that prophecy had not really ended and that saints had the same status as prophets or were even superior. According to Ibn Khaldün, these false ideas were adopted by those Andalusian Sufis

Research for this paper was first conducted during a stay at the Forschungs- und Landesbibliothek Gotha thanks to a Herzog-Ernst grant of the Fritz Thyssen foundation in May and June 2005. The manuscript of the Mawäqif and Mukhätabät in the library (Forschungs- und Landesbibliothek Gotha ms. 880), completed in 581/1185 or 1186, preserves a very old tradition of the text. I would like to thank Christopher Melchert for his comments on a previous version of this article. 1 David Cook: Studies in Muslim Apocalyptic, Princeton 2002; Mercedes García-Arenal: Messianism and Puritanical Reform. Mahdis of the Muslim West, Leiden 2006 and the special issue of Revue des mondes musulmans et de la méditerranée 91-94 (2000) edited by García-Arenal under the title Mahdisme et millénarisme en Islam. See also the contributions concerning Islamic history in Wolfram Brandes and Felicitas Schmieder (eds.): Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen, Berlin 2008. 2 Ibn Khaldün: The Muqaddimah. An Introduction to History, transi. Franz Rosenthal, 3 vols., Princeton 21967, ii, 186sqq. See also below. 3 Alexander Knysh: Ibn 'Arab! in the Later Islamic Tradition. The Making of a Polemical Image in Medieval Islam, New York 1999, 184-197 on Ibn Khaldün.

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who had gained prominence in the Muslim world from the twelfth century onwards. I will return to these arguments later. Ibn Khaldün's criticism has served modern historians of the Muslim West as an important testimony for the assumption that these Sufis indeed claimed to be Mahdis—generally speaking, the evidence is rather scarce. I have suggested elsewhere that there were other reasons which may have led Ibn Khaldün to suspect that some of these Sufis were dangerous elements in society, namely that they adopted philosophical concepts of prophecy in the tradition of al-Fârâbï and Ibn Sina which explained revelation in terms of sense perception and as resulting from a contact with the Active Intellect and hence potentially accessible to all human beings and after Muhammad's death. 4 In the present contribution, I would like to deal with another element in Ibn Khaldün's criticism, namely his statement that this tendency of Sufi Mahdism only became prominent in twelfth- and thirteenth-century Andalusia. First of all, Ibn Khaldün's claim seems to find support in what modern research has established. Even though the Sufi orders which emerged from the twelfth century onwards in Muslim lands east of al-Andalus and the Maghreb had an enormous impact in society, politics and culture, and even though certain Sufi masters acquired great authority in medieval Muslim societies, claims for political authority based on Mahdist pretensions seem to be rather uncommon among Sufis in the pre-modern period. As Sara Sviri points out, quoting the eleventh-century Sufi al-Qushayn: "The Sufi is the child of the moment"—and as such someone who is not particularly interested in making claims about an apocalyptic future. 5 There is no contradiction between this observation and the fact that early Muslim ascetics frequently preoccupied themselves with apocalyptic traditions as ascetic material, probably for preaching purposes. 6 However, recent research has suggested that certain features associated with Ibn 'Arab! and other Sufis who followed similar tendencies are less peculiar to them than has been previously assumed. Sara Sviri and Sarah Stroumsa, for example, point out in their re-examination of the works of the tenth-century Andalusian Sufi Ibn Masarra that a combination of philosophical and mystical ideas can be traced back to this early period and does not begin with the impact of al-Ghazâlï or Ibn 'Arab! as is often assumed. That Sufi Mahdism too may not have been as limited as the criticism of Ibn Khaldün suggests is supported by the study of García-Arenal who has shown that

4 The Muhaqqiq as Mahdi? Ibn Sabin and Mahdism among Andalusian Mystics in the 12th/13th Centuries, in: Brandes and Schmieder (eds.): Endzeiten (cf. fh. 1), 313-337. 5 Sara Sviri: The Taste of Hidden Things. Images on the Sufi Path, Inverness/Ca. 2 2002, 16. Sviri interprets al-Qushayri as follows: 'The Sufi is the child of the moment. (...) The poor (of heart, al-faqïr) is not concerned with his past or with his future; he is concerned with the moment in which he is.' For this idea see also Michel Chodkiewicz: Seal of the Saints. Prophethood and Sainthood in the Doctrine of Ibn 'Arabi, Cambridge 1993, 38. 6 See Cook, Studies (cf. fh. 1), 12f. See also Alexander Rnysh: Islamic Mysticism. A Short History, Leiden 2000, 46 for Muhâsibï's (d. 243/857) use of eschatological themes to make his listeners repent, and 88f. for Ibn Karräm (d. 255/869).

Niffarï: a Sufi Mahdi in the Fourth/Tenth Century?

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Mahdism was a feature of political culture in the Western Mediterranean throughout the Islamic period. However, Ibn Khaldün may have been right in describing it as a geographically limited, i.e. Andalusian and North African phenomenon. An opportunity for exploring these questions can be found in the manuscript and commentary tradition of the Mawäqif, the work of the tenth-century Iraqi Sufi Niffan which may present an unusual case of Sufi Mahdism long before the twelfth century and in the main lands of the Islamic world. A direct connection between these two potential cases of Sufi Mahdism is constituted by the fact that the main commentator of Niffarî's work was "Afîf al-Dïn al-Tilimsânî (died in Damascus 690/1291),7 who belonged to the circle criticised by Ibn Khaldün. In addition to that, other authors associated with the circle around Ibn 'Arab! including the Shaykh al-Akbar (i.e. Ibn 'Arabi) himself were important for the reception and transmission of NiffarT's works. What I do not intend to suggest here is that if there was a basis to Ibn Khaldün's criticism, the Mahdist pretensions of Ibn 'Arabi and others were inspired by Niffan.

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2. Niffan and his Stayings Our knowledge of the biography of Muhammad ibn 'Abd al-Jabbär ibn al-Hasan alNiffañ is very much limited to what 'Afîf al-Dïn al-Tilimsänl tells us about him.9 Biographical snippets are also contained in some of the manuscripts which preserve Niffan's works. The only entries in bio-bibliographical compendia are in Sha'rânï's (897/1492-973/1565) al-Tabaqät al-kubrä and Hâjjï Khalifa's (1017/1609-1067/ 1657) Kashf al-zunün.w His nisba, al-Niffarî, refers to the ancient city of Nippur, one hundred miles south of Baghdad located in the present-day Iraqi province of alQädisiyya.11 The year of his death is now usually given as c. 366/976 or 977. According to Tilimsânï, he may have died in Egypt, but this is not certain.12

7 For a biography of 'Afîf al-Dîn al-Tilimsânî see the introduction to the edition of his commentary: Sharh Mawâqif al-Niffaiï, ed. Jamal al-Marzüqí, Cairo 1997. See also Paul Nwyia: Une cible d'Ibn Taimîya: le moniste al-Tilimsânî (m. 690/1291), in: Bulletin d'Études Orientales 30 (1978), 127-145. 8 For an update on Niffan scholarship see the review of Marzûqï's edition of al-Tilimsänl's commentary on the Mawäqif by Michel Chodkiewicz in: Studia Islamica 90 (2000), 183f. Michael Sells has published a new translation of two of the "stayings" in his Early Islamic Mysticism. Sufi, Qur'an, Mi'raj, Poetic and Theological Writings, New York 1996, 281-301. 9 See Arthur John Arberry in his introduction to Muhammad ibn 'Abd al-Jabbâr al-Niffarî, The Mawáqif and Mukhátabát, ed. and transi. A. J. Arberry, London 1935; repr. Cambridge 1987, 1. The significance of Niffan for 'Afîf al-Dîn is confirmed by the latter's biographers. Cf. for example alMunäwi: Al-Kawäkib al-durriyya, ed. Muhammad Adîb al-Jädir, Beirut 1999, 420-427 (= no. 512). 10

Sha'rânî: al-Tabaqät al-kubrä, Cairo 1343/1925, i, 175. Hâjjï Khalïfa: Kashf al-zunün, Istanbul 1941-1943, ii, 1891 (no. 13355). See also Arberry in his introduction to al-Niffañ: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fn. 9), 11-13. 11 For current excavations see http://oi.uchicago.edu/research/projects/nip/ (acc. 16 August 2007). 12 Sharh Mawäqif al-Niffarî (cf. fn. 7), 259. The manuscript India Office London 597 used by Arberry in his edition is currently catalogued as Tilimsânî: Sharh al-Mawäqif, Bijapur 396. Arberry's reference to folio 72b is confusing since—although he counted the folio numbers from right to left (as one does in an Arabic manuscript)—he labelled the recto and verso of the individual folios from left to right.

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It was also Tilimsânï who described Niffarï as someone without a fixed abode: "He was a wanderer in deserts, and dwelt in no land, neither made himself known to any man."13 The British Orientalist Arthur John Arberry described him as "a mystic of a fairly common type—careless on his own account, careless even of the future destiny of his divine revelations, a wanderer and a free-lance."14 In addition to his best-known collection, the Mawäqif Niffarï wrote Mukhätabät ("addresses"), which Arberry described as not sharing the literary character of the Mawäqif, but as having the "unmistakable appearance of authority and primitiveness". 5 There are other fragments which do not fit into either category. The Mawäqif are "stations", or, as Arberry preferred to translate it, "stayings" (since it is God who places the mystic on the station), on the Sufi path towards God. The final aim is waqfa, a state in which the mystic is no longer distracted by conventional forms of knowledge (ma rifa and 'ilm). It is a state beyond farness and nearness and brings the presence of God in which state the mystic becomes aware of an extraordinary kind of knowledge. Niffarï, we can learn from later writers, did not leave behind any coherent text. He rather wrote down his ideas on scraps of paper which were collected by a later compiler whose identity is uncertain. It may have been his son, his grandson, or a companion.16 It was already 'Afïf al-Dïn al-Tilimsânï who regarded the result of this compilation with a critical eye: "If the Shaykh had set them (i.e. the mawäqif) in order, they would have been better arranged than this."17 We thus have to be careful when making arguments based on the coherence of the text and of Niffarï's mystical system. Judging from statements by modern readers, whether or not a specific passage fits to the style of the author or seems rather alien at the place where it appears in the text, are questions very much open to subjective perception. As the dearth of biographical data may already suggest, Niffarï's influence was rather limited in his own time and during the following two centuries. It was in the twelfth and thirteenth centuries that the work of Niffarï was discovered again among mystics associated with Ibn 'Arabi. Ibn 'Arab! himself referred several times to Niffarï's Mawäqif in his Meccan Revelations (al-Futühät al-Makkiyya)}% The anonymous commentator of the Mawäqif and Mukhätabät in the ms. Oxford, Bodleian Library, Marsh 554, which I discuss in more detail below, may even be

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Sharh Mawäqif al-Niffan, 259. Ms London, Bijapur 396, fol. 72a (b according to Arberry). Translation by Arberry in his introduction to al-Niffan: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fh. 9), 1. 14 Arberry in his introduction to al-Niffaiï: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fn. 9), 2. 15 Arberry in his introduction to al-Niffari: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fh. 9), 7. 16 Arberry in his introduction to al-Niffan: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fh. 9), 1. 17 Sharh Mawäqif al-Niffan (cf. fh. 7), 259. Ms London, Bijapur 396, fol. 111b (a according to Arberry). Translation by Arberry in his introduction to al-Niffan: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fn. 9), 1. 18 Arberry included an English translation of these passages in his introduction to al-Niffaiî: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fh. 9), 8-11. According to Elmore, Ibn 'Arab! used Niffañ's Mawäqif as a model for his Kitäb mashähid al-asrär al-qudsiyya. See Gerald Elmore: New Evidence on the Conversion of Ibn Al-'ArabT to Sflfism, in: Arabica 45 (1998), 50-72, at 51.

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identical with Ibn 'Arabi.19 Ibn 'Arabi's disciple IsmäH ibn Sawdakïn (d. 640/1242) copied one of the Niffarï manuscripts used by Paul Nwyia (ms. Konya, Yusuf Aga 5925),20 and Shushtarï, a disciple of the Sufi Ibn Sabin (614/1217-664/1270) from Murcia, mentioned him prominently in one of his poems.21 Ibn Sabin was also a teacher of 'Afîf al-Dïn al-Tilimsänl. Among the four dated manuscripts used by Arberry, only one dates back to this period (G, ms. Gotha 880, 581/1185 or 1186), while another one is slightly later (B, ms. Marsh 166, 694/1294 or 1295) and two others considerably later (I, ms. India Office London 597, 1087/1676 or 1677; Q, ms. Timur Pasha, Tasawwuf 11, 1116/1704 or 1705). The other four manuscripts are not dated, but one of them was completed before the mid-seventeenth century (L, ms. Leiden Warner 638). The complicated circumstances of the composition and transmission of Niffarï's work are reflected in the way scholars of the twentieth century (and up until the present day) have approached this Sufi. In 1935, Arberry published a critical edition and annotated English translation of all the Niffarï material known at that time. Arberry distinguished two branches in the manuscript tradition: one comprising only the 77 mawäqif, the second additional 56 mukhätabät (respectively Y and X in the stemma reproduced in the appendix). In 1953, Arberry published in the Bulletin of the School of Oriental and African Studies an article about a discovery he had made in the library of Chester Beatty in Dublin: a valuable Niffarï autograph.22 A substantial corpus of further texts was unearthed by Paul Nwyia who published an additional 70 mawäqif and further material, 130 pages in the Arabic edition.23 It was only in 2007 that a volume edited by Said al-Ghäniml united all these fragments.24 Unfortunately, though, it seems that the editor did not use all known manuscripts and a critical edition remains a desideratum. One of the things that have to be noted in this context is that the medieval recipients are likely to have seen different parts of

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Arberry in his notes on al-Niffan: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fh. 9), 202 (mawqif 7.4). Paul Nwyia (ed.): Nusüs süfiyya ghayr manshüra / Trois œuvres inédites de mystiques musulmans, Beirut 1973, repr. 1986, 187. See also A. Ateç in: Belleten (Ankara) 16 (1952), 74-78. For Ibn Sawdakïn see Claude Addas: Quest for the Red Sulphur. The Life of Ibn 'Arabi, Cambridge 1993, passim. 21 Paul Nwyia: Exégèse coranique et langage mystique. Nouvel essai sur le lexique technique des mystiques musulmans, Beirut 1970, 353. Dïwân Abî Ί-Hasan al-Shushtan al-kabîr fï Ί-Andalus wa'lMaghrib, ed. 'All Sâmï al-Nashshâr, Alexandria 1960, 75 (from arä taliban minnä ...). 24:48 Reason enraptured the essence of al-Niffan so that he spoke of nothing but monotheism until it became his companion 24:49 Niffarï was the mediator who communicated with both worlds. He who is poor may see the sea into which he plunged (Slightly revised translation by 'All Sâmï al-Nashshâr, included in his PhD thesis, The Poetry and Mystical Philosophy of Abu al-Hasan al Shushtari: Diwan Abu al-Hasan al Shushtari, University of Cambridge 1951.) 22 Arthur J. Arberry: More Niffan, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies 15 (1953), 29-42. 23 Nwyia (ed.): Nusüs süfiyya ghayr manshüra (cf. fh. 20). 24 Muhammad ibn 'Abd al-Jabbâr ibn al-Hasan al-Niffari: al-A'mäl al-süfiyya, ed. Said al-Ghânimî, Cologne 2007.1 am grateful to Ahmad Achtar for drawing my attention to this volume and making his copy available to me. 20

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this material. 'Afîf al-Dïn al-Tilimsânï, for example, commented on the 77 mawäqif edited by Arberry, but not on the mukhätabät or the additional material published by Nwyia and al-Ghânimï. The passage of interest here seems to have been absent from the manuscript TilimsanI had at his disposal (which belonged to the Y branch).

3. A Passage on Mahdism? In one of the two branches of the manuscript tradition used by Arberry (that is, three out of eight preserved manuscripts), the text contains a passage which the modern editor and translator regarded as being "of Mahdi significance", i.e. that the author claimed to be the or a Mahdi. Arberry suggested that it did not genuinely belong to the text. 25 He argued that the interpolation was in content and style similar to two other passages in the Mawäqif and Mukhätabät which "where they occur, disturb the literary arrangement in an unwarrantable manner." Furthermore, Arberry stated, "Niffari was not interested in Mahdi pretensions: his kingdom was of the next world, not of this." 26 Sara Sviri interpreted the statement by Qushayn along similar lines, and as representative of the Sufi position. Arberry's doubts regarding the authenticity of the passage were so serious that he decided not to include it in the body of the edited text unlike the two other, shorter passages which are similar in content and style. He published it in an appendix, where, unlike the rest of the text, he left it uncommented, together with another passage that he did consider authentic since it contained "nothing that is foreign to Niffari". 27 The second editor, Nwyia, argued for the authenticity of the passage. He was bewildered by what probably seemed to him a hasty judgment by Arberry and suggested that the passage was indeed genuine—I shall return to the details of their arguments later. Apart from the Niffan editors, the passage has not attracted any significant interest among modern scholars. Only Kämil Mustafa al-Shaybl quotes the passage as evidence for the close connection between Sufism and Shiism, illustrated here by the adoption of the Mahdi theme by Sufis. 28 However, al-Shaybï did not suggest that Niffari claimed to be a or the Mahdi himself. First of all, I would like to introduce the passage in question. Not unlike the rest of the text, it has a rather enigmatic character and it is difficult to identify anything like a clear line of argument. 29 We can, however, discern three different layers in which the relationship between the addressee/Sufi, the world and God is described. One level is the intimate encounter between the Sufi and God as described in the rest of the Mawäqif and Mukhätabät. The traveller on the mystical path, or rather his

25 Arberry in his introduction to al-Niffan, The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fn. 9), 7. A similar view is presented by Knysh, Islamic Mysticism (cf. fn. 6), 105, who points out that even if the passage was not authentic, the text would still have shocked Niffarï's contemporaries. 26 Ibid. 27 Ibid. 28 Kamil Mustafa al-Shaibi: Sufism and Shi'ism, Surbiton 1991, 76f. 29 See also the statement by Michael Sells: Early Islamic Mysticism (cf. fh. 8), 301.

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soul, becomes like the face of God (62:40), he moves entirely in the sphere of the Divine, and his journey ends with the loving embrace of the friend ("enter unto Me, that I may kiss thee between the eyes", 63:5-6). The closeness to God and the sole focus on God allow the Sufi to acquire a kind of knowledge which transcends human limits ("for he that sees Me, sees that which is neither manifest nor hidden", 63:43^15). The Sufi is encouraged to remain on his path, where he will enjoy the company of God and spiritual knowledge ('ilm, 63:16). The criticism of 'ilm as ordinary or conventional knowledge which is characteristic of the Mawäqifi0 does not seem to play a role here. The same seems to apply to other concepts such as ghayba which does not seem to be used in a spiritual sense in our passage. The intimacy of the encounter and the knowledge obtained through it put the Sufi in an exceptional position within society. He has not only the means to transmit what has been disclosed to him, he has also a responsibility to transmit it. In fact, he becomes God's instrument: "thou art my bridge (jisr), and thou art the path of my recollection; upon thee I cross unto my companions" (63:20-22). The Sufi becomes a bridge which can be crossed from either side: God reveals himself through the Sufi, but the Sufi is also the "path" of God's "recollection", i.e. the path of dhikr, the spiritual practice of the Islamic mystics to evoke the presence of God. Even more, the Sufi assumes a cosmological role: "Stone the house with thy stars, and stablish the Pole with thy fingers" (64:24-30). This cosmological dimension and the term "pole" in particular are reminiscent of the concept of the "perfect man" (al-insän alkämil) or the "pole" (qutb) which is very popular in Sufism. This exceptional figure is the head of a hierarchy of saints, an axis or mediator between God and the world with a key function in creation, but also someone who allows mankind to approach God. Like a bridge or rather a ladder, the "pole" combines the bottom-up and the top-down perspective in a unique fashion. 1 He guarantees the presence of true religion in this world. In the passage by Niffan or pseudo-Niffan, these singular features have important consequences for the Sufi's role in society. God uses him as His bridge under very specific circumstances, and this is where the possible apocalyptic layer comes into play. Through the Sufi, God will "marshal" his newly disclosed knowledge "in armies, and they shall cross upon thee, and stay near thee this side of the path" (63:27-28). This knowledge comes at a time of anguish for the true believers, but God sends with the Sufi a clear sign and someone who helps to tell friends from foes. God promises to appear soon: "I shall appear, thou knowest not from whence" (63:28-29), 32 and "the Word of God shall appear" (65:38-39). "I shall come forth suddenly. But do not fear, neither be thou dismayed: for I shall not be henceforth absent, save once only. Then I shall appear, and not be absent: and thou wilt see my friends of old abiding, rejoicing" (67:5-10). The declaration that God will be absent

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Al-Niffarï: The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fn. 9), 52. See also Arberry's introduction, 16-18. See the article "kutb" by F. de Jong in the Encyclopaedia of Islam. For two elaborate concepts see Gerhard Böwering: The Mystical Vision of Existence in Classical Islam. The Qur'anic Hermeneutics of the Sufi Sahl al-Tustari (d. 283/896), Berlin 1980 and Chodkiewicz, Seal of the Saints (cf. fn. 5). 32 "Only God knows when the End will come" is a Quranic principle (7:187; 31:34; 33:63). See Cook, Studies (cf. fn. 1), 19. 31

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is enigmatic. Does it mean that He cannot be seen because the revelation ended with the death of Muhammad? Or is this perhaps a reference to the Imam who, according to the Twelver Shiites, is absent during a shorter and then a longer ghaybal Another way of reading it is an eschatological one, i.e. God appears on the Day of Judgment. Such an interpretation would be in harmony with another passage (pseudonymous, according to Arberry) in the Mawäqif as well as with the anonymous commentary (for both see below). Generally speaking, we have at least three alternatives for interpreting what is happening here: 1) either the text is God's address to the world or 2) that of an intermediary, a Mahdi, Imam, or Sufi saint, although he is not mentioned explicitly, and this figure is addressing his helper here. Another possibility is 3) the combination of various voices as we can also find it in the Qui an which Muslims believe is the word of God, but where God is sometimes spoken of in the third person, while at other times, He addresses Muhammad directly or perhaps via an intermediary. 33 Our passage describes clearly apocalyptic events, the moment when the true believers find themselves in times of trouble, but receive sudden support from God: "O my servant!" God says, "Thy time is come: so gather for Me about thyself my bands" (64:8-9), "they shall be gathered about Me. He that is feeble will seek my aid, and all will put their trust in Me" (64:19-20). It is the addressee who is put in charge: "Verily the authority is thine alone" (64:32-33), "they shall see Me with thee and before thee" (64:45^46). Passages such as these suggest that it is God who is speaking to a Mahdi and not the Mahdi to a helper. This is confirmed by the following parallel to Muhammad's biography in the historical apocalypse: "God shall manifest His friend in the earth, to take the friends of God as friends. The Believers shall pay allegiance to him at Mecca. These are the lovers of God: God will help them, and they will help God." (65:39-43) So far the text does not suggest anything beyond a purely spiritual commitment with the "lovers" of God as a popular Sufi theme, but as it proceeds there are clear references to social interaction and political fight. The author makes a parallel between the new army of God and the early believers who according to the Islamic tradition defeated their Meccan enemies in the battle of Badr although massively outnumbered: "These are they that seek protection, the number of such as was slain at Badr. They perform, and believe— three hundred and thirteen they be—and they are the manifesters" (65:43-47). This last army of 310 to 315 true believers who gather in Mecca, where they are led by the Mahdi, is a common theme of Islamic apocalyptics. 34 The Islamic tradition knows several messianic figures; a great diversity of elements is combined in a variety of ways. We need therefore not to be too much alarmed by the lack of clarity concerning the identity of this apocalyptic person. To begin with, there are several Mahdis. The word itself means "rightly guided" and can be used in this sense as a simple passive participle. It can also denote the

33 Rosalind Ward Gwynne: Patterns of Address, in: Andrew Rippin (ed.): The Blackwell Companion to the Qur'än, Oxford 2005, 73-87. 34 Cook, Studies (cf. fn. 1), 163, 204 and 208. See also Etan Kohlberg: The Development of the Imâmï Shu Doctrine of Jihäd, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 126 (1976), 64—86, 79 where the Mahdi is said to be joined by 313 warriors referred to as ashäb al-qaim.

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messianic figure, but while some Mahdis are "merely" mujaddids who renew Islam at the turn of each century,35 another kind of Mahdi heralds the end of times. The most prominent Mahdi is Jesus who will fight the Antichrist. The prophet is also the only person mentioned by name in our text: "this is the coming down of Jesus son of Mary from the heavens to the earth. The times are near which are announced, and command for those who have been given knowledge, and guidance whereby God guides unto Him, and seeks to deliver many that are ignorant" (65:11-20). Another allusion to Jesus might be the table (al-maida, 66:40),36 perhaps a reference to the respective sura in the Qur an where Jesus asks God to send down a table as a sign (Q5:l 14—115). If one were to argue that the "apocalypse" had Shiite features, the prominence of Jesus would suggest rather the contrary.37 In Shiite Islam, it is the Imam Mahdi who occupies this key position. There is also another apocalyptic character that makes a brief appearance in our text: the däbba, the "beast" of the Islamic apocalypse which has a rather positive role to play.38 Accordingly, God addresses the Sufi: "Thee only have I informed of the appearing of eternity. Cast away therefore the wrappings from thy face, and ride upon the beast that wanders over the earth" (65:23-27). The details of these events remain enigmatic, and so far I have found no case in which anybody is said to ride on the apocalyptic beast.39 The casting away of wrappings from the face probably simply represents the popular theme of the lifting of the veil, i.e. the removal of the barrier between God and the believer. Another typical element of the apocalyptic tradition is the dichotomy between knowledge ('ilm) and ignorance (jahl),40 which becomes apparent every now and then in the text. Again, it is difficult to discover here traces of Niffarï's criticism of 'ilm. 'Ilm where it appears in our passage seems to mean knowledge of the truth (just as believers in the Quran are frequently referred to as "those who know") without any further specification. The prospects under these apocalyptic circumstances are not bleak, on the contrary: "Arise and wake" God addresses the sleeper, "and proclaim the good tidings" (66:39^40). "Thy hour is come, and the appointed season of my appearing is at hand" (67:12-13). It is then that a golden age of justice41 and riches will begin for mankind. In Islamic apocalyptics, the era of the final Mahdi is one in which the earth offers all its treasures to mankind.42 Time will be lengthened in the Messianic age and birds and beasts will be summoned to a feast (compare Revelation 19:17—18).43 There may be a parallel in our passage with the curious statement that "I shall confound all the times and thou wilt see the bird feeding in its nest" (62:26-28).

35 See Ella Landau-Tasseron: The 'Cyclical Reform': a Study of the Mujaddid Tradition, in: Studia Islamica 70(1989), 79-117. 36 1 owe this reference to Ahmad Achtar. 37 Cook, Studies (cf. fh. 1), 213. 38 Cook, Studies (cf. fh. 1), 120-122. 39 See also the article on the däbba by A. Abel in the Encyclopaedia of Islam. 40 Cook, Studies (cf. fn. 1), 137. 41 Cook, Studies (cf. fn. 1), 11 and 137. 42 Cook, Studies (cf. fh. 1), 212. 43 Cook, Studies (cf. fn. 1), 234 and 309.

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God's light will illuminate the earth and the sun is no longer needed: this Biblical image (Revelation 21:23-24) was borrowed by the Islamic tradition44 and appears also in our text, although in a slightly different way. The sun is actually one of the protagonists in our passage, but it is difficult to tell what is happening and whether and where this fits into the Islamic apocalyptic tradition. That the sun appears in such a context is hardly surprising. It is a popular element in Neoplatonic thought, and light is a popular element in Sufi literature—not least because of the prominence which the Light Verse in the Quian enjoys.45 The text has, for example, the following command to the sun, uttered by the addressee, following God's instruction: "set not in the west, and rise not in the east" (66:9-10). This could be an allusion to the famous omen that the sun rises in the West,46 but then the text goes on and says: "but stay in the Shadow". It seems we are dealing with events which transcend conventional apocalyptics, i.e. not simply a reversal of natural conditions, but a complete restructuring. But we find also eschatological motives. As far as the passage in question is concerned, the addressee is referred to, as I have already mentioned, as a bridge. The bridge is an important element at the Day of Judgment. It is described as thin as a hair and as sharp as a sword, and human beings have to cross it in order to reach Paradise. Those who do not fulfil the appropriate conditions will fall down from it. In the passage in which the friend of God is described as a bridge, we find the following sentences: "Everything shall pass beyond thee. As for him that passes over thee, him I will meet and carry: but as for him that passes thee by, he shall be utterly destroyed" (63:32-35). Clearly, the Day of Judgment and the Messianic era cannot happen at the same time. Even though the text proclaims several times "thy time has come" the balance between apocalyptics and eschatology remains uncertain. It is difficult for various reasons to determine precisely the apocalyptic character of this passage and its role within Niffan's work, whether he was the author of the passage or not. First of all, many elements which are key for assessing Islamic apocalyptic material are absent, most importantly those which refer to time or space. There are, for example, no clear references to political events or social circumstances: we are almost dealing with a spiritual apocalypse. There are also no traces of the local or national patriotism which often characterises Islamic apocalyptics.47 Since such spacio-temporal markings are missing, it is almost impossible to relate this passage to apocalyptic traditions which spell out the individual events. As mentioned above, apart from Mecca, Jesus is the only name which is clearly iden44 Cook, Studies (cf. fh. 1), 177. In the words of the King James version: " 23 And the city had no need of the sun, neither of the moon, to shine in it: for the glory of God did lighten it, and the Lamb is the light thereof. 24 And the nations of them which are saved shall walk in the light of it: and the kings of the earth do bring their glory and honour into it." 45 Gerhard Böwering: The Light Verse: Qur'änic Text and Süfl Interpretation, in: Oriens 36 (2001), 113-144. The verse is also the topic of al-Ghazäll's Mishkât al-anwâr (Niche of Lights). 46 Gerald T. Elmore: Islamic Sainthood in the Fullness of Time. Ibn al-'Arabl's Book on the Fabulous Gryphon, Leiden 1999, 189sqq for Ibn 'Arabi presenting himself as this Western sun when he arrived in the East. 47 Cook, Studies (cf. fh. 1), 9.

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tifiable. The Mahdi's antagonist, the Sufyânï or the Dajjäl, is conspicuously absent,48 the only enemies are ignorant people. The setting is at times much more reminiscent of the early days of Islam and Muhammad's struggle against the Meccan unbelievers. This may suggest that the kind of Mahdi the author of the passage claims to be—if this is what he does—is much closer to the prophetic figure than to an apocalyptic one. Furthermore, our messianic figure does not have a name, nor is he associated with a genealogy or has any bodily marks, as messianic figures often do. There is no connection with the family of the prophet or the Imams. He is, however, not exclusively a spiritual Mahdi or someone who provides moral guidance, but also someone who supports the armies, even leads them. He might be closer to the Shiite version of the Mahdi than to the Sunni one who is reluctant to fulfil his role, as David Cook has pointed out.49 Such a reluctance is not mentioned in our text, but the overall impression is too vague to make much of this tendency. It is therefore easier to say what this "apocalypse" is not rather than what it is. I would like to return now briefly to Arberry's claim that the passage is an interpolation. His first argument was based on Niffaiï's character as a mystic, the second was of a more philological nature, i.e. that the passage was similar in content and style to two other, shorter ones (reproduced in Arberry's translation in the appendix to this article) which—according to Arberry—were equally out of place where they appeared, and hence he suggested that all three were incorporated at a later stage. Paul Nwyia on the contrary argued that, given the peculiar character of the text, an argument based on an alleged lack of coherence was not sufficient.50 Arberry, after all, stated himself: "The attention of the reader is called to the numerous places in the [i.e. Arberry's] Commentary where passages out of context are noted." As a way of solving the difficulties resulting from Arberry's first argument, i.e. the way Niffarï presented himself in general which did not seem to fit Mahdi pretensions, Nwyia suggested that Jesus was the only Mahdi for Niffañ which was, after all, a perfectly orthodox Islamic position.52 Even though Nwyia's arguments seem much more convincing to me than Arberry's straightforward dismissal of the passage's authenticity, the explanation that the only Mahdi in the text was Jesus is not entirely satisfactory either. Jesus is mentioned only once briefly and in the third person in the middle of the passage. In the rest, another, probably messianic figure is addressed in direct speech in the second person. We should at least allow another possibility: that Niffarï did indeed identify himself with this messianic figure or with some player in the imminent messianic age, whatever this meant for him in practice. We should also not exclude the possibility that somebody else wrote the passage in question, but so

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The Dajjal stops the movement of the sun (Cook, Studies (cf. fn. 1), 101), but here the stopping of the sun is a good sign, since it stops burning the earth (62:5-7) which will be illuminated by a divine light. 49 Cook, Studies (cf. fn. 1), 226f. 50 Nwyia, Exégèse coranique (cf. fn. 21), 401. 51 Arberry in his introduction to al-Niffan, The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fn. 9), 7. Italics mine. 52 Nwyia, Exégèse coranique (cf. fn. 21), 40If.

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far we know nothing about who this person could have been and why he would have wanted to do such a thing. Arberry's second argument is equally problematic. Unlike the critical passage which appears only in one branch of the stemma, the two similar passages are included in all the manuscripts used by Arberry. We would therefore have to assume that all three parts were inserted before the tradition branched out, and that the critical passage then dropped out in one branch. As far as the material transmission of the text is concerned, Arberry's arguments were also not entirely convincing. Although Arberry probably had a valid point in arguing that the passage seemed out of place, his conclusions are certainly not the only ones which are possible. Considering the obscure circumstances of the compilation and transmission of the text, why not assume that Niffan wrote the text at some point in his life on one of his scraps of paper? Perhaps these scraps of papers got mixed up and the passage ended up somewhere where it did not belong? The same may have happened with the other two passages. Another interesting question regarding these two passages is: can they illuminate the apocalyptic or eschatological contents of the longer passage under examination here? Generally speaking, they are even less specific as far as apocalyptic events are concerned. In the first of these passages, God describes how He will appear, perhaps in something like a messianic age—that is, if we read the passage in an apocalyptic frame. His enemy will love Him, and His friends will hold sway. There are also the familiar cosmological signs: He will join the sun and the moon together. The addressee has again the position of a mediator, someone who brings forth God's treasure. This passage is similar to the previously discussed one, but it is clearer, more focused on God, and more focused on the messianic age. The enemies are mentioned, but no battle. The second passage is far less clear. We find references to time such as the end of the night and the command to wake up. It also deals again with the presence of God in this world, and alludes to its limits: "that is the last time that it [= the earth] will see me." It also suggests that once God has left the earth, its existence comes to an end. The end of the world as we know it is a new beginning. God will be joined by His Companions who will live in blissful eternity. Even though there are more additional figures present, this second passage also seems to focus in a clearer way on the relationship between God and the world, when compared to the more enigmatic passage on the Mahdi.

4. The Historical Context Arberry and Nwyia based their arguments mainly on Niffaiî's mystical ideas, but we should also take the historical context into consideration in which the Sufi lived. Even though we do not know much about his biography, we can probably rely on the general framework, i.e. that he lived in the tenth century in the area between Iraq and Egypt. In those years and in this region, Mahdism was not exactly unheard of. Soon after the prophet Muhammad had died, the Muslim community began to show inner divisions. Questions of succession and leadership arose immediately and they

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were to stay. Even though the division between Sunnis and Shiites crystallized only in the tenth century, i.e. at the time that Niffarï was alive, both groups created historical narratives which traced their origins back to the fateful disagreement about the succession of Muhammad. These narratives are accurate in the sense that there had always been those who championed the rights of the immediate family of the prophet, the supporters of the 'Alid cause. In the mid-eighth century the 'Abbäsids claimed the central authority of the Islamic world for themselves, legitimising themselves as members of the family of the prophet, although not his direct descendants. A little more than a century later, towards the end of the ninth century, a new movement spread among the Muslims: first south of Baghdad, then, with the help of missionaries, in Bahrayn, the Yemen, Iran and Syria. This movement was later known as the Ismailis. Whereas the Twelver Shiites maintained that the twelfth Imam was in ghayba, the Ismailis rejected the last five Imams of the Twelvers and claimed that the line of Imams after the sixth Imam, Ja'far al-Sädiq, was a different one. His successor was his son Ismail and after him the Imams were merely concealed and had representatives in this world. The followers of this doctrine are also known as Sevener Shiites. The two best known groups are the Carmathians who ruled in Bahrayn and even succeeded in keeping the black stone from the Kaaba in al-Hasa from 317/930 until 339/951, and the Fätimids whose Mahdi appeared in 297/909 in Ifriqiya and who later developed a claim for universal rule over the Islamic world. From 358/969 onwards they ruled in Egypt over a majority Sunni population until their rule was ended by the Sunni Ayyübids under Saladin in 567/1171. Since the origins of both Carmathians and Fätimids are in the dark, it remains controversial whether they belonged in fact to the same movement and then split up, or whether they were only later grouped together, partly because of the efforts of the Fätimids to unite the Seveners, partly because biased historical sources suggest that. Heinz Halm, a representative of the first view, believes like many other scholars in one Ismaili movement at the end of the ninth century which branched out, whereas Michael Brett highlights the role the role of the Fätimids in the making of Ismailism. 53 Be this as it may, what is of great importance for our text here is that several people associated with this movement or these movements declared themselves Mahdis. Another rebellion which took place at around the same time was the revolt of the Zanj which lasted fourteen years from 255/869 until 270/883. 55 The Zanj were slaves of East African origin who lived in southern Iraq where they were employed in agriculture. The leader of the rebellion was a certain 'Ali ibn Muhammad, a man

53 Heinz Halm: The Empire of the Mahdi. The Rise of the Fatimids, Leiden 1996. Michael Brett in his review of this book points out some of the main differences between his view and that of Halm: The Realm of the Imam. The Fatimids in the Tenth Century, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies 59 (1996), 431-449. One of his most important objections is that Halm relied too much on the historiography produced by the Fatimids themselves. 54

In general see Michael Brett: The Rise of the Fatimids. The World of the Mediterranean and the Middle East in the Fourth Century of the Hijra, Tenth Century CE, Leiden 2001. 55 Alexandre Popovic: The Revolt of African Slaves in Iraq in the 3Γά/9ώ Century, Princeton 1999.

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of Arab origin born in Persia who had, perhaps for some time already, tried to present himself as a prophet. After apparently having abandoned this claim, he claimed to be a member of the 'Alid family—although there is some confusion which member exactly he claimed to be. We know nothing about his religious ideas, but decisive for his success among the Zanj must have been that he promised them great wealth and punishment for their owners. In 257/871, the rebels took Basra, destroyed it and killed its inhabitants. With Mukhtära, 'All ibn Muhammad founded his own capital, minted his own coins and took the title of Mahdi. When the rebellion was finally put down in 270/883, Basra and southern Iraq had suffered lasting damage. To be sure, there were also other figures with whom political leaders with such tendencies could have identified themselves and it is not always obvious what exactly being a Mahdi entailed in practice, but apocalyptic rhetoric and expectations and Mahdism were in those years certainly not simply subjects discussed by scholars in ivory towers. Something that we do not yet know very well is whether and, if so, to what degree Sufis were associated with these movements in the early years. In later years the common Neoplatonic tendencies provided a link between Sufis and Ismailis, and some of the Andalusian Sufis Ibn Khaldün criticised were, for example, influenced by the Epistles of the Brethren of Purity, a group in tenth-century Baghdad with Ismaili sympathies. Sufis are sometimes criticised for their excessive veneration of 'All and his descendants. Some modern scholars have discussed the possibility that the Sufi idea of the pole (qutb) and a hierarchy of the saints was inspired by Ismaili hierarchies, but this suggestion has not found universal acceptance.56 Still, generally speaking the situation for contacts or overlaps between Sufism and Shiism is not very clear in those early years. Part of the problem is that there are also many open questions as far as the origins of Sufism in general are concerned. The view that Sufism emerged as an antinomian and un- or even anti-orthodox movement certainly needs to be corrected; but can we rule out connections between Sufis and members of those groups which later became the Ismailis? A passage in the Sïrat Ja'far even suggests that the missionary who spread Ismailism into Ifnqiya was himself a Sufi.57 Sufism may not have entailed more here than exemplary piety. But just as Ibn Khaldün criticised the Andalusian Sufis for being influenced by Shiite ideas, where we may simply be dealing with similar concepts of spiritual and religious authority, Ismailism was a reproach directed against individual Sufis in early tenth-century Iraq where it seems likely that the opponents of these men were simply looking for a good way of discrediting them. The famous ecstatic mystic al-Halläj was accused of supporting the Zanj rebellion because of family connections.58 The accuracy of this

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See the literature quoted by F. de Jong in his article on kutb in the Encyclopaedia of Islam. Translation in Vladimir Ivanov: Ismaili Tradition Concerning the Rise of the Fatimids, Bombay 1942, 206. 58 Critics accused al-Halläj of being a missionary (dai) for the Ismailis. In 301/913, after his first imprisonment which had lasted nine years, the mystic was publicly denounced as a supporter of the Carmathians. See Knysh, Islamic Mysticism (cf. fh. 6), 72f. and 75. 57

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accusation is debated among modern scholars. 59 His execution by the 'Abbäsid authorities in 309/922 in Baghdad may very well, amongst other things, have been triggered by their fear of Shiite rebellions. 0 As Louis Massignon demonstrated in his article about the "al-Halläj conspiracy", opponents of the Sufis associated with Ibn 'Arab! and Ibn Sabin sometimes include a "black list" of twelfth- and thirteenthcentury mystics whose corrupted form of Sufism was originally inspired by alHalläj.61 Ibn Khaldün, however, does not mention al-Halläj in his version of this list. Are there then any traces of Ismailism in our passage? Given the enigmatic style of the text, we should perhaps restrict ourselves to the terminology. There are certain words which Niffan used that are also significant in Fätimid or Ismaili terminology. Hujja ("proof') and qutb are such words, 62 but the way in which they are used in Niffan's text is not specific enough as to allow any conclusions in this respect. For hujja, a possible precedent in the ninth century is a teacher of al-Halläj, Sahl alTustan (born in Tustar 203/818, died in Basra 283/896). 03 When Sahl presented himself as a hujjat allah in Basra, he was challenged by some of the leading local scholars of the Shäfii school. 64 While contemporary as well as later Sufi writers understood this primarily as a claim to have a quasi-prophetic status, his words quoted in later sources also reveal what has been interpreted as Shiite or Ismaili undertones. Yet, Tustan's further claim to be an Imam and Mahdi does not have an obvious meaning. 65 He may simply have meant that he was rightly guided. As far as we can tell, apart from minor troubles to be expected in times of turmoil, Tustarî was not involved in any major political confrontations. We can see the same openness to interpretation in the passage under examination here. The author may present

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Knysh (see previous note) suggests that the accusation was probably unfounded since al-Halläj had good Sunni credentials, whereas Said Amir Aijomand considers it accurate (The Crisis of the Imamate and the Institution of Occultation in Twelver Shi'ism: a Sociohistorical Perspective, in: International Journal of Middle East Studies 28 [1996], 491-515, at 506-508). His interpretation is supported by the fact that al-Nadlm who wrote his catalogue of books (Fihrist) in 377/987 or 988 places al-Halläj directly after the Ismailis. I owe this information to Christopher Melchert. 60 Michael Brett: The MIm, the 'Ayn, and the Making of Ismailism, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies 57 (1994), 25-39, 26. "The fear of revolutionary Shfism, at a time when the Fätimid Mahdi had come to power in North Africa, and the so-called Carmathians of Bahrayn were threatening Iraq, no doubt contributed to the prosecution of Halläj by an embattled Caliphate in Baghdad." See also Idem, Rise of the Fatimids (cf. fn. 54), 61. Brett based his argument on Louis Massignon: The Passion of al-Hallaj, Mystic and Martyr of Islam. Translated from the French with a Biographical Foreword by Herbert Mason, 4 vols., Princeton 1982, i, 389-392. Massignon too argues for al-Halläj's involvement with the Shiite milieu in Baghdad. 61 Louis Massignon: Ibn Sabin et la 'conspiration hallâgienne' en Andalousie et en Orient au XIIe siècle, in: Études d'orientalisme dédiées à la mémoire de Lévi-Provençal, 2 vols., Paris 1962, ii, 661-681. 62 For hujja cf. Brett, Rise of the Fatimids (cf. fn. 54), 62; for qutb cf. Brett, "Realm of the Imäm" (cf. fn. 53),' 431. 63 For a later connection between Tustan and Niffari via Abü Ί-Qäsim al-Saqall see Gerhard Böwering: The Mystical Vision of Existence in Classical Islam. The Qur'änic Hermeneutics of the Süfi Sahl At-Tustan (d. 283/896), Berlin 1980, 14f. 64 Sha'rânï, Al-Tabaqät al-kubrä (cf. fn. 10), i, 67. Böwering, Mystical Vision of Existence (cf. fn. 63), 65. See also the article Gerhard Böwering on Sahl al-Tustarî in the Encyclopaedia of Islam. 65 Abü Nu'aym: Hilyat al-awliya wa-tabaqât al-asfiya, 10 vols., Cairo 1932-1938, x, 190. See also Böwering, Mystical Vision of Existence (cf. fn. 63), 65.

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himself as a prophetic rather than a messianic figure: "Thou art truly the mercy of the Lord, and His holiness. He sendeth thee to whomsoever He will, and this is a guidance by which God guides whomsoever He wills. Thus doth God send down the revelation." (66:11-14). The frequent command to "stand up" in our passage might be a reference to the qaim, a Shiite messianic figure, but this is too vague a parallel. 66 There is, however, one term which is indeed more suspect: "The orphan will come unto thee, and will wax great: and there will be gathered unto thee the missionaries (duäh). And thou shalt see my Light, how it blazeth." (66:24-29). Da'wa, mission, may suggest Ismaili mission with the duäh as its missionaries. Did Niffan perhaps intend to become a Fätimid missionary? He died in around 366/976 or 977, a year after Abu Mansür Nizär al-Άζϊζ bi'lläh had become the new Fätimid Caliph and successor to al-Mu'izz under whom the Fätimids had conquered Egypt (358/969-362/973). Were it perhaps these events which attracted Niffan from Iraq to Egypt? 67 The bottom line is that we simply do not know enough about Niffan's background to associate him with any of these movements, and the passage does not allow any well-founded conclusions in that respect. However, what we can say is that Mahdi pretensions in Sufi contexts may not have been so unusual after all— whether they were closer to the claim of a prophetic status or closer to an apocalyptic vision. So far I have not dealt with one important piece of evidence presented by Arberry for his Mahdist interpretation, and this is a short remark by the lexicographer Murtadâ al-Zabïdï (1145/1732-1205/1791) who characterised Niffan as someone who has brought forward "the stayings, pretensions and error" (sähib al-mawäqif wa'l-da'äwä wa'l-daläl).6S The same words already appear in a book by the medieval Syrian scholar DhahabI (673/1274-748/1348). 69 This could be a simple condemnation of Niffan's Sufism. Dhahabï had a fairly critical attitude towards the Andalusian Sufis, and Murtadâ al-Zabïdï was associated with the "orthodox" Sufi orders, the Qädiriyya and the Naqshbandiyya. Both probably disapproved of Niffan's more esoteric mysticism—perhaps it was simply tainted by its association with the Ibn 'Arabi circle.70 Arberry, however, interpreted the expression "pretensions and error" as a criticism of Niffan's claim to be the Mahdi. 71

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Cook, Studies (cf. in. 1), 195f. To be sure, for many medieval Sufis, travelling was part and parcel of their lifestyle of poverty and devotion and a material supplement to their spiritual quest. Egypt may have been among the destinations of Sahl al-Tustan (Böwering, Mystical Vision of Existence [cf. fil. 63], 55). 68 Murtadâ al-Zabïdî, Täj al-'arüs, s.v. n-f-r. 69 DhahabI: al-Mushtabih fi Ί-rijäl asma ihim wa-ansäbihim, ed. 'All Muhammad al-Bijâwï, Cairo 1962, 646. 70 For Murtadâ al-Zabïdî and his Sufi background see Stefan Reichmuth: Murtadâ az-Zabïdî (d. 1791) in Biographical and Autobiographical Accounts. Glimpses of Islamic Scholarship in the 18th Century, in: Die Welt des Islams, NS 39 (1999), 64-102. Equally "tainted by association" was the poet Ibn al-Färid (576/1181-632/1235) whose works were commented upon by members of the Ibn 'Arab! circle. See Th. Emil Homerin: From Arab Poet to Muslim Saint. Ibn al-Färid, His Verse, and His Shrine, 67

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Interestingly, among the heterodox doctrines Niffan's commentator, 'Afif al-Dïn al-Tilimsânï, was accused of was Shiism and partisanship of the Nusayriyya, a radical sect of Shiite Gnostics which originated in ninth-century Iraq and venerated 'All as a divine being. 72 Such allegations are mentioned by authors of the thirteenth and fourteenth centuries such as Qutb al-Dïn al-Yünlnl (d. 726/1326), Ibn Taymiyya (d. 728/1328), one of the greatest opponents of Ibn 'Arab! and like-minded Sufis, 73 and the already mentioned DhahabL74 The latter belonged to the same tradition of polemics against Ibn 'Arab! and other Andalusian Sufis that Ibn Khaldün was part of. 75 Broadly speaking, from an orthodox Sunni point of view, the problem with both Shiism and certain forms of Sufism was that they recognised a divine presence in living individuals. The alleged Shiite or Ismaili influences were also one of the main reasons for Ibn Khaldün to condemn the Sufis associated with Ibn 'Arabi. He highlighted in particular their expectations regarding the arrival of a messianic figure referred to as "the Fätimid."76 In the nineteenth and twentieth centuries, Shiite scholars such as the celebrated authority from the Lebanese Jabal Amil, Muhsin alAmln (1867-1952), have included Tilimsânï among the Shiites. 77 Hasan al-Sadr (1856-1935), a leading Shiite cleric in Iraq and great-grandfather of Muqtadä alSadr, remarked that Tilimsânï was a Shiite, but not a Nusayn. 78

Columbia 1994 and the review by Bernd Radtke in: Journal of the American Oriental Society 119 (1999), 326. 71 Arthur John Arberry, article on Niffari in Encyclopaedia of Islam. 72 For the Nusayns see Heinz Halm's article in the Encyclopaedia of Islam and idem: Die islamische Gnosis. Die extreme Schia und die 'Alawiten, Zürich 1982. 73 Kutubl (686/1287-764/1363) quotes in his Fawät al-wafayät (ed. Ihsän "Abbâs, 5 vols., Beirut 1973-1974, ii, 72-76 = n. 179) Qutb al-DIn al-Yûnïnl as saying that many thought Tilimsânï had Nusan inclinations (p. 72). The same words appear in Safadï's (696/1297-764/1363) Kitäb al-wâfî bi'l-wafayät (xv, ed. Bernd Radtke, Wiesbaden 1979, 408^113, at 408). I have not been able to identify such a statement in Yûnînî's Dhayl Mir'at al-zamän. See also M. Yalaoui in the article on al-Tilimsânï in the Encyclopaedia of Islam. For Ibn Taymiyya see Nwyia, Une cible d'Ibn Taimîya (cf. fn. 7), 129. 74 Dhahabï: al-'Ibar fï khabar man ghabara, ed. S. Munajjid (1961), v, 367. 75 Rnysh, Ibn 'Arabï in the Later Islamic Tradition (cf. fn. 3). 76 Maribel Fierro: On al-Fâtimï and al-Fätimiyyün, in: Jerusalem Studies in Arabie and Islam 20 (1996), 130-161, for the messianic dimension of the Fätimid in particular 157-160, and for its use by messianic movements in the Maghrib Mercedes García-Arenal: La conjonction du süfisme et du shanfisme au Maroc: le Mahdï comme sauveur, in: Revue des mondes musulmans et de la méditerranée 55/56 (1990), 233-256. 77 Muhsin al-Amïn: A'yän al-Shïa, ed. Hasan al-Amïn, 11 vols., Beirut 1986, vii, 308. Al-Amïn refers to Tilimsânï's strong Shiite tendencies ( s h a d ï d f i Ί-tashayyu). For Muhsin al-Amïn see Sabrina Mervin: Muhsin al-Amïn, in: Farouk Mardam-Bey (ed.): Liban. Figures contemporaines, Paris 1999, 59-69, and Muhsin al-Amïn (1867-1952), Autobiographie d'un clerc chiite du Gabal 'Amil, transi. Sabrina Mervin and Haïtham al-Amin, Damascus 1998. More generally see Sabrina Mervin: The Clerics of Jabal 'Amil and the Reform of Religious Teaching in Najaf since the Beginning of the 20th Century, in: Rainer Brunner and Werner Ende (eds.), The Twelver Shia in Modern Times. Religious Culture and Political History, Leiden 2001, 79-86. 78 Hasan al-Sadr: Ta'sïs al-Shfa li-'ulüm al-Isläm, Baghdad 1951, 129. For Hasan al-Sadr see Marco Salati: La 'Takmila amai al-âmil' di Hasan as-Sadr (1272-1354/1856-1935), in: Rivista degli studi orientali 62 (1988), 7-24 and Meir Litvak: Madrasa and Learning in 19th-century Najafand Karbala, in: Brunner and Ende (eds.): The Twelver Shia in Modem Times (cf. ih. 77), 58-78.

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Finally, there is an anecdote preserved in al-Munâwï's (952/1545-1031/1621) Al-Kawäkib al-durriya in which a certain Abü Ί-Qäsim 'Umar al-Marâghï reports that Tilimsânî had read from Niffan's Mawäqif to him, and that he challenged Tilimsânï concerning a passage which contradicted religious law. Tilimsânî replied: "If you want to understand the knowledge of the people, take the law, the Qui an and the sunna, wrap them up and throw them away." From then on, Abü Ί-Qäsim stayed away from Tilimsânî. 9 Although the anecdote does not suggest any Shiite inclinations of Tilimsânî, it adds not only to the impression that Tilimsânî himself was considered heterodox, but also that Niffan influenced his convictions.

5. The Medieval Commentaries So far I have discussed mainly the modern reactions to the passage in question, but what about the medieval ones? One of the manuscripts which include the "Mahdist" passage (ms. Oxford, Bodleian Library, Marsh 554; M in the stemma) also preserves an anonymous commentary which Arberry attributed to Ibn 'Arabi. What did this commentator make of the enigmatic words? Arberry described the interpretation as too esoteric,80 and it is not difficult to see why he came to such a conclusion. Elements which could be meant to happen in the real, albeit apocalyptic, world in the text are interpreted as taking place on an epistemic or spiritual level in the commentary. The appearance of God, for example, is explained as the appearance of the all-encompassing truth (62:9-10). The commentator stresses the layer which refers to the relationship between the individual believer's soul and God as well as the significance of death and how it transforms this relationship. It also seems that he emphasises eschatology rather than historical or meta-historical apocalyptics: once the Mahdi has arrived, the dead will be raised and the Day of Judgment is there.81 Or he talks about the end of the world for a particular individual because he dies, not of the end of the world for all of us. The Sun, for example, is interpreted as a metaphor for the radiant soul which is about to leave the dying body (66:2-3) rather than the real sun which stops shining in the messianic age. Events which refer to confrontations in this world are passed over in silence. What is particularly interesting is that anything connected with authority in the messianic age, namely the amr or "command", is associated with the prophets (anbiya) (65:28) and saints (awliya). Likewise, the commentator identifies the du ah, translated by Arberry as "missionaries", with the prophets and saints (66:28). Anything that is potentially explosive because it could legitimise individuals in a current society to claim

79 Al-Munâwï: Al-Kawäkib al-duiriya, ed. Muhammad Adïb al-Jädir, Beirut 1999, 420-427 = η. 512, at 420. 80 Arberry in his introduction to al-Niffan, The Mawáqif and Mukhátabát (cf. fh. 9), 7, note 4: "The commentary of M has an ingenious esoteric interpretation of these passages: but can we accept it?" Nwyia agrees with him, see: Une cible d'Ibn Taimîya (cf. fn. 7), 131. 81 62:30-31 in the text. Instead of reading it as a description of the Messianic age, it is interpreted as a description of life in paradise. The same observation can be made for 63:2-5, 65:8-10, 65:11 (Jesus), 66::2, 67:8-10, and 67:24-26.

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political power is thus interpreted away. It is, of course, not entirely clear that the text has to be understood as referring to imminent apocalyptic events, but it could be understood in such a way. The commentator apparently preferred a different reading, one that is individualist or even more spiritual, perhaps quietist. Whether or not this is what the original author had in mind and whether we should dismiss this interpretation as too esoteric, as Arberry has done, is one question, but we should acknowledge what his interpretation may tell us about his own time. If the commentator was Ibn 'Arabi or someone associated with his circle, this esoteric interpretation hardly lends weight to Ibn Khaldün's accusations, even though it does not refute them either. We can find a similar approach in the commentary of the two similar passages by 'Afïf al-Dïn al-Tilimsânï.82 In his explanation of the first passage, he presents God's appearance to the world as an encounter between Him and the individual believer, and everything else as an illumination for the believer ensuing from this encounter. Tilimsânï and the other twelfth- and thirteenth-century Western Sufis associated with Ibn 'Arab! are often referred to as followers of a monistic mystical philosophy. The central belief of this philosophy is the "oneness of being", i.e. that God is the only existent being and that someone who has reached the final stage of the mystical path can see that anything other than God does not exist.83 All the distinctions in this world are merely an illusion. This notion of the Sufi seeing only God because God is the only existant is at the heart of Tilimsânï's interpretation of the two passages. When the text speaks about God's enemies loving Him, Tilimsânï explains this as meaning that once the Sufi has achieved his vision, he recognises that what "outward", i.e. conventional or orthodox religion, considers the enemy of God is in reality something that loves God. The implicit metaphysical claim is that these outward labels really apply to non-existent entities. Instead of a change in the conditions of the real world we find here a deeper understanding of the traveller on the mystical path. Hence, when the texts says that God will "gather all men in happiness", Tilimsânï quotes the example of one Shaykh "Abd al-Rahmän ibn alSabbägh who said that he used to hate being in the same place as Jews or Christians until he realised that they should all be united in happiness. There are also cases in which Tilimsânï presents a reading which is spiritual, but not individualised. The "stars" which God is gathering around Himself are explained by Tilimsânï as spiritual guides. But then again, he explains the hour which is announced in the passage as the hour o f f a n a , i.e. the hour of mystical death in which the Sufi finally succeeds in leaving his self behind. This approach is very similar to that of the anonymous commentary which accompanies our "Mahdist" passage. Yet, 'Afïf alDïn al-Tilimsânï was clearly not blind to a potential apocalyptic interpretation: he

Mawäqif Niffarï, Sharh Tilimsânï, ed. al-Marzüql, 93-99 for mawqif 5 and 260-267 for mawqif 23. Arberry translated Tilimsânï's commentary on the two passages in question in the notes to his English translation of the Mawäqif (cf. η. 7), 196-198 and 215-218. The anonymous commentary attributed by Arberry to Ibn 'Arab! is very short and contributes little to the interpretation of both passages. 83 Interestingly, Ibn Taymiyya already counted Niffarï among the proponents of this mystical metaphysical doctrine. See Knysh, Ibn 'Arab! in the Later Islamic Tradition (cf. fh. 3), 90. 82

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offers a second, alternative reading. According to this reading, the passage deals with the appearance of the Mahdi who has become so close to God that he is presented as God himself. Being an enemy of God can be understood in a very straightforward way as not agreeing with God. The passage could be referring to God bringing an age of justice, and the "stars" could be the companions of the Mahdi. TilimsänT does not seem to favour this interpretation. It comes second and is much shorter than the first one. Also, in his commentary on the second passage we find no such alternative. He interprets the text exclusively in terms of God's "selfmanifestation" (tajallï dhâtî) and displays the beliefs that he and other adherents of monistic Sufism were accused of.84 God's presence in the world is interpreted as God appearing through His creation, i.e. as "partial manifestations", whereas the Sufi is waiting for God's absence or rather a state beyond presence and absence in which there is only God and God is not bound by His presence in anything.

6. Conclusion How far did readers in the tenth and in the twelfth and thirteenth centuries interpret the passages in question as a spiritual apocalypse, as something which happens within individual believers while they are alive, or as references to events in the "real", material world, as something that happens to all of us at the same time, or perhaps as something in between, as the individual experience of death? There are other examples of spiritual interpretations of apocalyptic themes; pseudo-Ibn 'Arabi, for example, read Gog and Magog in his Taf sir in such a way.85 However, mystics also interpreted the relevant passages in the Qur an in a straightforward apocalyptic way. One might consider an ambiguous use of terminology related to political and military power in such mystical contexts an interesting parallel to Sufi concepts of the "greater jihad". 86 Al-Ghazäli in his Revivification of the Religious Sciences (Ihya 'ulüm al-dïn) spoke of the "soldiers of the heart"as the forces a human being is endowed with.87 This struggle against one's own lower desires, however, did not deny the necessity of a military effort to defeat the enemies of Islam. It also did not exclude the possibility of Sufis getting involved in fighting. A mystical apocalypse may have the same character of multi-layered meanings. Where does Niffan fit into the picture? Did he, in the last years of his life, see a need for political action? Was he impressed by the Fätimid campaigns and even intended

84

See the articles by Eric Geoffroy on tadjallï and William Chittick on wahdat al-shuhüd in the Encyclopaedia of Islam. 85 Ibn 'Arabi: Tafslr, Beirut 1968, i, 376-377. For the uncertain attribution see Alexander Knysh: Süfism and the Qur'än, in: Jane Dämmen McAullife (ed.): Encyclopaedia of the Qur'ân, v, Leiden 2006, 137-159. 86 John Renard: Al-Jihäd al-Akbar: Notes on a Theme in Islamic Spirituality, in: Muslim World 78 (1988), 225-242; Alfred Morabia: Le gihâd dans l'Islam medieval, Paris 1993, 291-336; David Cook: Understanding Jihad, Berkeley 2005, 32^18. 87 Ihya ulüm al-dïn, 5 vols., Dâr al-qalam, iii, 6-7.

Niffarï: a Sufi Mahdi in the Fourth/Tenth Century?

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to become a missionary? Or was he an innocent traveller blissfully unaware of the political turmoil around him? All this is speculation, and as Arberry correctly stated, there is little in Niffarï's work which would support an active role in political confrontations. But still, Mahdism was clearly in the air in those years, and it might have left its traces on one of those scraps of paper. Because of the unfortunate lack of evidence, it is difficult to tell whether it was any specific form of Mahdism which may have inspired Niffarï. Perhaps a later copyist tried to avoid any association with the politically dangerous Mahdism and removed the passage, or perhaps he anticipated Arberry's instinct and thought that it was out of place or that it was even written by someone else. The terminus ante quem for the removal of the passage from one branch of the manuscript tradition is 690/1291 when 'Afïf al-Dïn alTilimsânï died, i.e. more than three centuries after Niffan's death. Within this time period key events for the history of Mahdism took place. More than 150 years after Niffari died and fifty years before the Fâtimid rule over Egypt was ended, the Muslim West succumbed to the Almohads, a Berber dynasty with Shiite inclinations, founded by a Mahdi by the name of Ibn Tümart. They may have followed the at least for some time successful model of the Fätimids. Under the later Almohads, however, as it was clear that there would be no further apocalyptic events and the new rulers desired political stability.88 The third caliph, Abü Yüsuf Ya'qüb (580/1184-595/1199), had already expressed doubts concerning Ibn Tümart's Mahdism, and under al-Ma'mün (624/1227-630/1232), Jesus was declared the only Mahdi. It was under Almohad rule that the Sufis emerged who were criticised by Ibn Khaldün. The great writer was born one century after the collapse of the Almohad rule, but he might have still been impressed by their example. Mahdism clearly continued being "in the air" for centuries and it probably continued having political implications. Yet, the commentators of Niffan's works who belonged to this group did not interpret the text in a way which suggested that Niffañ had claimed to be the Mahdi or that one of their contemporaries was doing this. This is clearly not a very satisfactory situation for a researcher. Our material is as scarce as it is unclear, and it allows a variety of interpretations. What can be learned from examples such as this is that although in many cases we have statements which can be unambiguously interpreted as Mahdist pretensions, other cases are not as clear. Their Mahdism might have been a vague reflection of political or theological discussions, or it might have provided a literary or thematic frame. 89 But, whether we like it or not, we still have to deal with these cases if we want to put the whole phenomenon into perspective.

88 Maribel Fierro: The Legal Policies of the Almohads and Ibn Rushd's Bidäyat al-Mujtahid, in: Journal of Islamic Studies 10 (1999), 226-248, 236sqq. 89 See also Cook, Studies (cf. fn. 1), 19. "Many times the true meaning of the core traditions is unclear because they appear in a story line with little or no apparent connection to it. They apparently trigger a special response of familiarity with the audience."

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Appendix 1) The two similar passages, translation Arberry 5.8 "My time has come, and it is high time that I should show forth my face and reveal my splendours, and that my light should (p. 31) be joined with sensible forms and what is beyond them, and that the eyes and the hearts should look upon Me; and that thou shouldst see my enemy loving Me, and my friends holding sway, and that I should raise up thrones for them, and that they should despatch the Fire, so that it should not return; and that I should repair my fallen houses, to be adorned with the adornment that is true; and that thou shouldst see my portion, how it makes all beside it to pass away; and that I should gather all men in happiness, no more to scatter or to be despised. Do thou then bring forth my Treasure, and realise that which I have caused thee to realise of my informing and providing, and the nearness of my overlooking thee. For lo, I shall appear: and the stars will be gathered about Me. And I shall join the sun and the moon together. And I shall enter into every house: and they will hail Me, and I shall hail them. All this, because mine is the Will; and by my permission the hour will come; and I am the Mighty, the Merciful." (Translation Arberry in al-Niffan, The Mawáqif and Mukhátabát, 30-31.) 23.7 "The night has set, and risen is the face of dawn, and daybreak becomes intense. Wake therefore, o thou that sleepest, unto thy appearing: stand upon thy prayer-rug. Verily I shall come forth from the mihrab: so let thy face be the first that I shall meet. Many a time have I gone forth upon the earth, and ever passed across it, save this time: for now I abide in my house, and desire to return to the heavens; and my manifestation in the earth is my passing over it, and my going forth from it, and that is the last time that it will see Me. Thereafter it shall not see Me, nor anything that is in it, forevermore. But when I go forth from it, if I lay not hold on it, it will not remain. And I shall loose the belt, and everything will be scattered: and I shall remove my cuirass and my breastplate, and war shall cease. And I shall strip the veil and wear it no more. And I shall summon my Companions, the ancients, even as I promised them: and they will come to Me, and be blessed, and continue in bliss; and they shall see the day to be eternal. That is my Day, and my Day is never done." (Translation Arberry in al-Niffañ, The Mawáqif and Mukhátabát, 59.) 2) TilimsänT on the Mahdi (Translation Arberry in al-Niffan, The Mawáqif and Mukhátabát, 198.) "The second interpretation of this revelation, that belonging to the condition of sitting down upon the throne and taking possession of the carpet, refers to the appearing of the Mahdi, who is God's lieutenant in His Being, and the source of His generosity and lavishness, and he is the form of Muhammad. He is described as God because he has passed away in God, and is a centre where God's ordinances are manifested, in what he leaves and what he brings: and so he is after the heart of Muhammad. "It is high time that I should show forth my face"—the face of my lieutenant, "and reveal my splendour"—

Niffarï: a Sufi Mahdi in the Fourth/Tenth

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ditto; "and that thou shouldst see my enemy loving Me"—agreeing to obey God: before his manifesting he did not agree with or love God. The "thrones" are the Ranks; "and that they should despatch the Fire, so that it should not return"—they should miss its authority. Fire here means tyranny, which God will abolish with justice: for God will fill the world with justice, even as it is filled with tyranny. The "fallen houses" are the houses of God, that is, His mosques and the hearts of His servants. The "stars" are the principal men among the followers of the Mahdi and his companions. So his grandfather said: "My companions are like stars: ye imitate whichever of them ye are guided by." "I shall join the sun and moon together—the earth will bring forth its treasures of silver and gold." 3) Stemma

Arberry, Stemma mss. Mawaqif, in: al-Niffan, The Mawàqif and Mukhátabát, 26. Β = ms. Oxford, Bodleian Library, Marsh 166 G = ms. Gotha, Forschungs- und Landesbibliothek 880 I = ms. London, India Office 597 = TilimsänT, Sharh al-Mawäqif, 10 Bijapur 397/1 L = ms. Leiden, Warner 638 M = ms. Oxford, Bodleian Library, Marsh 554 Q = ms. Timur Pasha, Tasawwuf 11 Τ = ms. Oxford, Bodleian Library, Thurston 4 Ζ = Anonymous commentary Mss with 'Mahdist' passage shaded.

Anna

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4) The Mahdi passage with anonymous commentary (ms. Oxford, Bodleian library, Marsh 554) (English translation of Niffarfs text by Arberry, slightly emended; anonymous commentary in curly brackets, my translation) = sharh\ C= commentary He stayed me, and said to me: Say unto the Night: The Dawn hath come, and thou wilt no more hereafter return. For I shall make the Sun to rise, after her long setting from the earth: and I shall confine her, so that she may not come and consume {C: i.e. as she was consuming} that which was seeking thy shade, and growing as a plant that hath no sap {C: by sap he means life, and this points to the plentifulness of water}. And I shall appear from every quarter {C: i.e. it will appear that the truth encompasses everything}, and give the beasts to eat {C: i.e. the animals of the earth that eat the bodies} of thy plant: but my plant will wax great {C: the flourishing} and fair, and its eyes will be opened, and they shall see Me. And I shall rehearse my Proof, and they will write it down, together with their faith {C: i.e. the secret of the divine decree and the wisdom of creation will appear to them and the right proof will be established}. And the soaring mountain will tremble from its depths {C: i.e. it appears that the truth at the beginning is like the foundation on which something is built and the water is the source of eternal life}, after the waters have stood upon its heights, and it hath not drunk. And I shall lower the depths of the water {C: i.e. to an endless degree}: and I shall lengthen the noonday, and shall not cause it thereafter to decline. Here they shall be gathered together. And I shall confound all the times {C: i.e. I will dissipate}: and thou wilt see the bird feeding in its nest, and thou wilt see him that seeketh repose bartering wakefulness for slumber, and ransoming war with ease {C: i.e. in the next world there is no toil and no obligation of worship}. Annunciation He said to me: Say to her that is distended {C: i.e. the extended (or: happy) soul which holds the attributes of the True the Sublime} and expanded: Make thyself ready for thy condition {C: i.e. for what you deserve}, and deck thyself out for thy station {C: i.e. from now onwards}. Cover thy face with a thin covering, and be a companion to him who covers thee with his face. For thou art My Face {C: i.e. it becomes apparent through his speech, that the Gnostic becomes like the face of the

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Niffarî: a Sufi Mahdi in the Fourth/Tenth

Century?

from thy veil: for I shall make the sun to rise upon thee. Take thy doom {C: i.e. the knowledge of your doom, and this is what is written in your book which you have written in pre-eternity; what is meant here is that it extends to everything (?) with the servant what you have promised God} in thy right hand, and run about like the winds {C: i.e. fast}. Grid thyself with the garment of prevenient mercy: and do not slumber, for thy dawn is come {C: i.e. the moment}, and daybreak is at hand {C: i.e. resurrection}. This is one of the tokens of thy Lord, and this is for the coming down of Jesus son of Mary {C: i.e. that he will resurrect the dead from among you and the truth about how he will come down} from the heavens to the earth. The times are near which are announced, and command for those who have been given knowledge {C: i.e. it leads them to the truth of those who have been sent regarding what they say after the coming down of Jesus}, and guidance whereby God guides unto Him, and seeks to deliver many that are ignorant {C: i.e. regarding [through?] the appearance of the Mahdi}. Annunciation Thus saith the Lord: Thee only have I informed of the appearing of eternity. Cast away therefore the wrappings from thy face {C: i.e. the vision of the veils}, and ride upon the beast that wanders {C: i.e. the commanded idea} over the earth: raise my well-schooled foundations {C: the commands of the prophets}, and bear them upon thy hands, him that agrees with thee upon thy right, and him that doth oppose thee upon thy left. And be displayed, O thou that art treasured, and be set forth, O thou that art guarded: gird about thee thy garments, and raise thy trousers to thy knee. Verily I am awaiting thee at every pass. Be spread forth like the land and sea, and be raised up like the raised heavens: for I shall send Fire {C: i.e. the fire of war against the establishment of [the true?] religion} before thee, so do thou neither encircle nor rest. Verily in this is a sign: for the Word of God shall appear, and God shall manifest His friend in the earth, to take the friends of God as friends. The Believers shall pay allegiance to him at Mecca. These are the lovers of God: God will help them, and they will help God. These are they that seek protection {C: i.e. through the protection of God}, the number of such as was slain at Badr. They perform {C: i.e. the command}, and believe—three hundred and thirteen they be—and they are the manifesters.

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Biblia pietà Velislai, Ms. NB Prag, XXIII.C.124, fol. 133v.

Handschriften, die mittels der Illuminationen das Thema des Lebens Antichisti bearbeiteten, erschien.32 Wie auch aus dem Text des Kompendiums hervorgeht, assis-

32 Bernard McGinn: Portraying Antichrist in the Middle Ages, in: The Use and Abuse of Eschatology in the Middle Ages, ed. Werner Verbeke, Daniel Verhelst, Andries Welkenhuysen, Leuven 1988, S. 19.

Die Erzählung vom Antichrist

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tierte bei der Geburt des Antichrist ein Engel, der ihn ursprünglich hatte schützen sollen, der danach aber ein Ankläger seiner Sünden wurde. Der Abbildung der Geburt folgte unmittelbar die Ankunft in Jerusalem und die Beschneidung, „ ad complacentiam iudeocum Iherusalem [...] ut legem eorum confirmet",24 Das bestimmende Grundmotiv der folgenden Szenen ist die Schilderung der vier Arten, wie Antichrist die Gläubigen täuschte und verführte: Predigten des Antichrist, die Verführung durch Reichtum, die Wunder und schließlich der gewaltige Terror. Unter den Wundern wurden vor allem die, die im Compendium geschildert sind, dargestellt. Die wirkliche Kumulation der Wunder finden wir auf folio 133v, wo der Antichrist die Säule sprechen und das Zukünftige vorhersagen macht, dass Feuer und Steine aus dem Himmel fallen und den bösen Geist auf seine {„super suos") Anhänger niedersteigen läßt.35 Obwohl das Wunder der sprechenden Statue (Säule) seine Basis in den Glossen zur Offenbarung Johannis36 hat und später im „Compendium theologicae veritatis" erwähnt wird, wurde es im Kontext der anderen europäischen illuminierten Handschriften oder bildlichen Werken recht selten dargestellt, rar aber nicht ganz vereinzelt. Solche Darstellungen finden wir zum Beispiel in der Handschrift „Apocalypsis S. Johannis cum glossis et Vita S. Johannis", ms. 49 aus der Sammlung The Wellcome Library in London (fol. 10v) und in einer Handschrift aus St. Gallen, die aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts stammt.37 Später im 15. Jahrhundert wurde dieses Wunder vor allem im deutschen Raum in den frühen Blockbüchern, die die Thematik des Lebens des Antichrist und der Fünfzehn Zeichen vom Jüngsten Gericht bearbeiteten, recht häufig abgebildet.38 Was aber in diesem Kontext sehr interessant ist: Noch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhundert finden wir im territorialen Rahmen der Länder der Böhmischen Krone noch ein Beispiel der Darstellung des Säulenwunders, und zwar in den Glasmalereien des südlichen Fensters in der Marienkirche in Frankfurt an der Oder. Hier wurde der Komplex von Wundern, die in der Velislav-Bibel in der Gesamtheit dargestellt wurden, in zwei Teile geteilt. In einer Szene bewegt der Antichrist die Säule, hinter der ein Teufel hervorlugt, zu sprechen, darüber finden wir dann eine zweite Darstellung, worin der Antichrist das Feuer und die Steine aus dem Himmel fallen läßt. Dazu später mehr, zunächst zurück zur Velislav-Bibel. In der oben geschilderten Abbildung der Wunder (fol. 133v) wird das Herabschicken des heiligen Geistes dargestellt. Der spiritus malignus ist hier als ein klei-

33 Biblia pietà Velislai, fol. 130": „Angelus bonus primo deputabitur Antichristo ad custodia, sed postea quando obstinabitur in peccato, tunc non habebit eum adpromocionem sed ad accusacionem. " 34 Biblia pietà Velislai, fol. 131'. 35 Biblia pietà Velislai, fol. 133v: „Faciet enim arte magica arborem florere, statuam ridere et faciei earn loqui et futura predicere. Faciet et ignem de celo descendere in terram et lapides de celo cadere et malignum spiritum super suos descendere, ut loquantur variis Unguis. " 6 Vgl. Glossa ordinaria, MPL 114, col. 734 A (ad Ape 13,15): „Ut loquatur imago. Hic magica arte faciet statuam loqui et futura praedicere. " 37 Ms. St. Gallen Staatsarchiv Cod. Fabariensis XVI, fol. 113v. 38 Siehe Der Antichrist und Die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht. Faksimile der typographischen Ausgabe eines unbekannten Straßburger Druckers, um 1480, Hamburg 1979, Abb. 16,1; Der Antichrist und die Fünfzehn Zeichen. Faksimile-Ausgabe des einzigen erhaltenen chiroxylographischen Blockbuches, hg. von H. Th. Musper, München 1970, fol. 9r (114r).

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Pavlína Cermanovà

ner Teufel mit grünen Flügeln abgebildet. In der dazu relevanten Passage des theologischen Kompendiums wird ausdrücklich gesagt, dass der böse Geist solcherweise an die Nachfolger des Antichrist niedersteigen wird, wie der heilige Geist auf die Apostel Christi niedergestiegen sei, „spiritus enim malignus descendet in eos in conspectu homini, sicut spiritus sanctus descendit in apostolos Christi ",39 Eine ähnliche Darstellung finden wir dann auf denselben Folio (133r), wo der Antichrist mit einem Buch in der rechten Hand an der Mensa sitzt und zur Schar seiner Zuhörer predigt. Über ihnen schwebt ein grüner kleiner Teufel, der eine Parodie des heiligen Geistes darstellen soll, wie es aus dem begleitenden Text hervorgeht: „Accipite spiritum sanctum, quorum remisitis peccata remittuntur eis. "40 Auf Grund der Tatsache, dass der betrachtete Antichristzyklus heute mit dem Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem und der Verehrung des Antichrist als wahrer Gott endet, ist schwer zu beurteilen, ob der Autor vorhatte, auch das Abbild von der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi in den Zyklus einzureihen, wie es in der zeitgenössischen textlichen Tradition oft thematisiert wurde. In Hinsicht auf den allgemeinen Charakter des Werkes ist es jedoch höchst wahrscheinlich. Eine wichtige Rolle hatte in den dargestellten Leben und Taten des Antichrist das Motiv von Gog und Magog. In der Anknüpfung an die bisherige Tradition41 und in der Textübereinstimmung mit dem Compendium42 wurden diese mit den zehn jüdischen Stämmen in Zusammenhang gebracht, die unter der Herrschaft der Königin von Amazonien hinter dem Kaspischen Gebirge eingeschlossen worden sein sollten.43 Im Teilunterschied zur traditionellen Ausdeutung wurden Gog, Magog und die zehn Stämme nicht von Anfang an als Schar und Armee des Antichrist identifiziert. Antichrist, von seinen Nachfolgern begleitet, war zuerst gegen Gog, Magog und die Stämme aufgetreten, die nachfolgend nach Jerusalem mit seiner Armee kamen.44 Die Velislav-Bibel ist eine Handschrift von außerordentlicher Bedeutung und Wert. Der darin eingeschlossene Antichristzyklus war ein einzigartiges Werk in seiner Zeit. Für den Zeitraum seit dem 12. Jahrhundert bis zum 14. Jahrhundert sind nur zwei teilweise erhaltene Beispiele eines solchen Zyklus mit dem Thema des Lebens des Antichrist bekannt - eines davon ist die Velislav-Bibel. Der zweite erwähnte Zyklus war ein Teil des „Hortus deliciarum" von Herrad von Landsberg

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Compendium theologicae veritatis, cap. 9. Biblia pietà Velislai, fol. 133Γ. 41 Die mittelalterliche Tradition kombinierte in dieser Frage mehrere Quellen zusammen, vor allem die Tiburtinische Sibylle mit der Legenden, die Alexander Großen betrafen. Im deutschen Raum wurde dazu noch der Element der Roten Juden beigefügt. Dazu ausfurlich Andrew Colin Gow: The Red Jews. Antisemitism in an Apocalyptic Age 1200-1600, Leiden, New York, Köln 1995, S. 113f. 42 Vgl. Compendium theologicae veritatis, cap. 11:,, Gog et Magog dicunt quidam, que sunt decern tribus intra montes caspios clause, non ita tanti, qui exire possent, si permitterent. Sed non permittuntur a regina amazonum sub cuius regno et dictatione vivunt. Has dicunt ludei in fine exituras et venturas in Hierusalem et cum suo messia ecclesias déstructuras. Alii dicunt quod per Gog et Magog intelligitur exercitus Antichristi, qui in fine seculi veniet ad expugnandum ecclesiam. " 43 Siehe dazu A. C. Gow: The Red Jews (s. Anm. 41), S. 99f. 44 Biblia pietà Velislai, fol. 134v: „Ibi Antichristus vadit cum regibus et suis prophetis et apostolis contra Gog et Magog, idem contra illas X tribus, que clause sunt ultra montes Caspios. Non tamen ita clause sunt quoniam bene possent exire. Sed non permituntur a regina Amazonum, sub cuius regno et dicione vivunt. Isti tempore Antichristi sunt venturi in Jherusalem cum suo exercitu. " 40

Die Erzählung vom Antichrist

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(1167 geschaffen). 45 Der Antichrist wird in den beiden Handschriften in sybyllinischer (adsonischer) Tradition als konkrete Figur geschildert, die am Ende der irdischen Geschichte erscheinen soll, damit sie ihre Rolle in den eschatologischen Ereignissen erfüllt. Vor allem in der Velislav-Bibel wird Antichrist als die Antithesis zu Christus dargestellt, was die zukünftige Entwicklung in der (vor-)hussitischen Ideologie und Reformrhetorik antizipieren konnte. Die ikonographische Darstellung des Lebens des Antichrist in der Velislav-Bibel war in ihrer Zeit außerordentlich, im Rahmen der Länder der Böhmischen Krone aber nicht ganz singulär. Den ganzen wertvollen Zyklus, in dem Leben und Taten Antichristi thematisiert werden, finden wir, wie gesagt, auch in den typologisch aufgefassten Glasmalereien der St. Marienkirche in Frankfurt an der Oder in Brandenburg 46 In einem der Chorfenster der Marienkirche in Frankfurt wird die Schöpfungsgeschichte von der Erschaffung der Welt bis zu Noah erzählt, im zweiten Fenster wird die neutestamentliche Geschichte der Vita Christi, von der Geburt bis zur Himmelfahrt, typologisch bearbeitet, somit den Ereignissen aus dem Leben Christi die Szenen aus dem Alten Testament (von Abraham bis zu den Propheten) gegenüber gestellt. Das Antichristfenster erzählt die Vita Antichristi von der Geburt bis zu dessen Tötung durch den Erzengel Michael und leitet damit über zum Jüngsten Gericht. Die kunsthistorische Analyse der Glasmalereien hat Anfang des 21. Jahrhunderts gezeigt, dass die Formensprache und stilistische Orientierung vom Hof Karls IV. ausgegangen sind.47 Jiri Fajt hat sogar die Vermutung ausgesprochen, dass sie Hauptformen der höfischen Malerei der Generation vor der Ankunft Meister Theodorik entsprachen. Er stellte die Frankfurter Glasmalereien in die direkte Verbindung mit der Stilschicht, die mit Nikolaus Wurmser von Straßburg, der den bildlichen Zyklus der Apokalypse in der Burg Karlstein schuf, zusammenhängt. Das würde eindeutig dafür sprechen, dass die Glasmalereien der Chorfenster erst anfangs der luxemburgischen Herrschaft in Brandenburg (1373-1415) geschaffen wurden, während die Literatur deren Entstehung herkömmlicherweise in die 1360-er Jahre setzte. 49 Die in den Fenstern dargestellten biblischen Szenen und das Leben des Antichrist können wir dann als eine mögliche Äußerung des Einflusses der kaiserlichen Kunst betrachten.

45 Herrad of Landsberg: Hortus Deliciarum (Garden of Delights), ed. Aristide D. Caratzas, New Rochelle, NewYork 1977, plate LXII-LXIV, S. 212-221. Der Zyklus in Hortus deliciarum ging vor allem von den Expositiones super Apocalypsin von Haymo ζ Auxerre und vom Adsos Traktat De ortu et tempore Antichristi aus. Der Antichrist wurde hier als mittelalterlicher König von edeln Zügen, mit dem prachtvollen gewand und der Krone dargestellt. 46 Dazu neu das Sammelwerk Der Antichrist. Die Glasmalereien der Marienkirche (s. Anm. 19); vgl. auch Marina Flüge: Frankfurt an der Oder. Zu den Glasmalereien der St. Marienkirche, in: Brandenburgische Denkmalpflege 12 (2003), 2, S. 62-70; Joachim Seeger: Die Antichristlegende im Chorfenster der Marienkirche zu Frankfurt an der Oder, in: Städel-Jahrbuch, Neue Folge, 6 (1977), S. 265-289. 47 Marina Flüge: Frankfurt an der Oder (s. Anm. 46), S. 68. 48 Jiri Fajt: Brandenburg wird böhmisch. Kunst als Herrschaftsinstrument, in: Die Kunst des Mittelalters in der Mark Brandenburg. Tradition - Transformation - Innovation, hg. von Ernst Badstübner, Peter Knüvener, Adam S. Labuda, Dirk Schumann, Berlin 2008, S. 230. 49 Dazu vgl. ebd., S. 229, wo der Autor auch die bisherige Literatur zusammenfasst und zitiert.

Pavlína

Cermanovà

Geburt des Antichrist. Antichrist-Fenster, Marienkirche in Frankfurt an der Oder, Chor s II, lb (Zustand 2005 vor der Restaurierung).

Die Erzählung vom Antichrist

Verwandlung von Steinen in Brot. Antichrist-Fenster, Marienkirche in Frankfurt an der Oder, Chor s II, 2c (Zustand 2005 vor der Restaurierung).

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Pavlína

Cermanovà

Weitergabe des Goldes. Antichrist-Fenster, Marienkirche in Frankfurt an der Oder, Chor s II, 3b (Zustand 2005 vor der Restaurierung).

Die Erzählung

vom

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Antichrist

In der Geschichte des Antichrist, die in den Glasmalereien der Frankfurter Marienkirche verbildlicht wurde, wurden mehrere apokalyptische Narrative absorbiert. Ähnlich wie der vorgestellte Antichristzyklus in der Velislav-Bibel gründet die Frankfurter Darstellung auf der bisherigen mittelalterlichen Texttradition, die mehrere Quellen kombinierte (Tiburtinische Sibylle, Alexanderlegende, Adso de Montieren-Der, Herrad von Landsberg, Petrus Comestor, Hugo Ripelin von Straßburg, Apokalypse des Heinrichs von Hesler50 etc.) Der ganze Zyklus beginnt mit der dämonischen Parodie der Verkündigung und der Geburt Christi. Nach der Beschneidung folgen mehrere Darstellungen der vier Arten, durch die der Antichrist die Gläubigen an seine Seite lockt und überzeugt, d. h. Predigten, Reichtum, Wunder, Gewalt. Wie bereits erwähnt, wird der Zyklus mit der Darstellung des Sturzes des Antichrist durch den Erzengel Michael weitergeführt, der die Auferweckung der Propheten (Enoch und Elias), das Weltende und die Abbildung der Verdammten in der Hölle folgen. Von den präsentierten Wundern habe ich schon im Zusammenhang mit der Velislav-Bibel die Szenen mit der sprechenden Säule und mit dem aus dem Himmel fallenden Feuer erwähnt. Unter den einzelnen Abbildungen können wir zwei Motivlinien unterscheiden, die spezifisch waren und außerhalb der in den genannten Texten überlieferten Tradition standen. Das erste ist das Motiv der roten Juden, die der Antichrist befreit. Die Legende von den roten Juden als dem Gefolge des Antichrist stammt aus dem deutschsprachigen Raum, wo sie seit Ende des 13. Jahrhunderts in den apokalyptischen Texten erschien.51 Das zweite Motiv, das die herkömmliche Tradition überschritt, ist die Abbildung des Kaisers und des Papstes, die als die Ermahnung des Kaisers durch den Papst interpretiert werden kann. Damit stand in Verbindung die Darstellung der Unterwerfung des Kaisers unter den Antichrist. Wie Elena Kozina plausibel vorgeschlagen hat, könnte der dargestellte Kaiser auf Kaiser Ludwig der Bayer verweisen, also den Vorgänger und Gegner Karls IV., der im päpstlichen Bann war und von der päpstlichen Seite oft als Antichrist bezeichnet wurde.52 Falls wir diese Interpretationsmöglichkeit annehmen, können wir das ikonographische Programm der Frankfurter Glasmalereien als wichtigen Beweis von Karls kaiserlicher Herrschaftspropaganda, die im System des eschatologischen und apokalyptischen Denkens verankert wurde, ausdeuten. Im Kontext der zeitgenössischen verbreiteten Prophezeiungsliteratur sind dann die Frankfurter Glasmalereien als die Anspielung auf die eschatologische Rolle Karls IV. als Endzeitskaisers zu interpretieren, was auch in Übereinstimmung mit dem ideologischen Konzept der Ausschmückung der Burg Karlstein stand. * *

*

50 Erwähnenswert ist an dieser Stelle der Fakt, dass die Apokalypse Heinrichs von Hesler, die am Ende des 13. Jahrhunderts verfasst wurde, nach dem selben Muster schematisiert wurde wie die Frankfurter Fenster, siehe Heinrich von Hesler: Die Apokalypse, hg. von Karl Helm (Dichtungen des Deutschen Ordens I), Berlin 1907. 51 Andrew Colin Gow: The Red Jews (s. Anm. 41), passim; ders.: Das Gefolge des Antichristen: Zur Legende von den „roten Juden", in: Der Antichrist. Die Glasmalereien der Marienkirche (s. Anm. 19), S. 102-112. 52 Elena Kozina: Das Bildprogramm der Chorverglasung der Marienkirche in Frankfurt (Oder) und seine historischen Voraussetzungen, in: Glasmalerei im Kontext. Bildprogramme und Raumfunktionen, hg. von Rüdiger Becksmann, Nürnberg 2005, S. 146.

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Pavlína Cermanovà

Wenn wir über die apokalyptischen Darstellungen und deren Funktion in der mittelalterlichen Gesellschaft nachdenken, müssen wir sie als Teil des ganzen Komplexes der Beziehungen betrachten. Ebenso wie die in den Texten überlieferten apokalyptisch orientierten Prophezeiungen, kann auch deren Visualisierung im Bild nicht als reine Erzählung betrachtet werden, sondern als ein Medium der darin eingeschlossenen Botschaft. Am Ende müssen wir daher wieder die Frage stellen: Was verbirgt sich in den Darstellungen des apokalyptischen Narrative? Die Visualisierung des apokalyptischen Narrative kann als ein symbolischer Ausdruck des Einflusses des Hofs Karls IV. und gleichzeitig als ein wichtiger Bestandteil von Karls Herrschaftsrepräsentation interpretiert werden. In den apokalyptischen Motiven, die in den Werken an Karls Hof thematisiert wurden, können wir einen Ausdruck der religiösen Herrschaftsauffassung des Kaisers und einen Verweis auf seine mögliche Rolle in den eschatologischen Ereignissen finden. Die Eschatologie, Apokalyptik und deren Darstellungen im Text und Bild waren ein beliebtes Thema im Böhmen der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Im Milieu von Karls kaiserlichem Hof wurden solche Kunstwerke erschaffen, wie die Ausschmückung der Burg Karlstein, wo mehrere Hauptelemente der mittelalterlichen religiösen Imagination im ikonographischen Programm durchgedrungen sind, oder die Darstellung des Jüngsten Gerichts am Veitsdom in Prag. Auch die Velislav-Bibel, die den einzigartigen Antichristzyklus schließt, kann als Ausdruck der Kunst am Prager Hof betrachtet werden. Die allgemeine Atmosphäre in Böhmen, vor allem in Prag, wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von eschatologischem und apokalyptischem Denken beeinflusst. Dafür spricht auch die Popularität der Reformprediger, deren Predigten manchmal sehr stark eschatologisch und apokalyptisch orientiert waren. Auch die Antichristvorstellungen wurden in ihnen oft thematisiert (Milic von Kremsier). Die Kunst und Ideologie des Prager Hofs sind im Rahmen der Länder der Böhmischen Krone als Norm und Vorbild aufzufassen, die weiter in die Gebiete des luxemburgischen Einflusses „exportiert" wurden und nachfolgend als Symbol der Herrschaftsideologie und Herrschaftsanwesenheit wahrgenommen wurden.53 In der Ausdeutungen des Antichrist können wir im böhmischen Milieu in dieser Zeit über einen Paradigmawechsel sprechen. Für die Reformlinie der (vor-)hussitischen Autoren war die symbolische Ausdeutung des Antichrist charakteristisch, die den Narrativ der sibyllinischen Tradition, in dem Antichrist als historische Figur aufgefasst wurde, kurzfristig ersetzte. In Karls Herrschaftsverständnis und -representation, die im religiösen Kontext verwurzelt wurden, dominierte noch die Darstellung des Antichrist und der eschatologischen Ereignisse, die der mittelalterlichen „eschatologischen Mythologie" entsprach, d. h. die Darstellung, die wir aus den Schilderungen des Lebens des Antichrist und aus den sibyllinischen Prophezeiungen von dem Endzeitkaiser kennen.

53

Das galt nicht nur für die Gebiete unter direkter luxemburgischer Herrschaft, sondern z. B. auch für Nürnberg, wo sich von einer Epoche der,bildenden Kunst zur Zeit der Luxemburgen' sprechen lässt. Vgl. Nürnberg. Geschichte einer europäischen Stadt, hg. von Gerhard Pfeiffer, München 1971, S. 106f. In der Nürnberger Kirche der Heiligen Martha entstand zur Zeit der Luxemburger ein GlasmalereiZyklus, der die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht und die Predigt des Antichrist darstellt.

Klaus Ridder / Ulrich Barton

Die Antichrist-Figur im mittelalterlichen Schauspiel

1. Der Antichrist als negative Leitfigur In christlich-eschatologischer Perspektive kündigt sich das Ende der Welt durch das Auftreten des Antichrist an, das der Ankunft Christi auf Erden vor dem letzten Gericht vorausgeht. Nur auf wenige Stellen des Alten und des Neuen Testaments gestützt, in der Tradition der Apokryphen und wohl unter dem Einfluss der oströmischen Sibyllistik, formt sich in patristischer Auslegung eine Vorstellung vom Antichrist aus. Doch erst der lothringische Abt Adso von Montier-en-Der entwirft um 950 in seiner Schrift De ortu et tempore Antichristι ein einheitliches Bild des Antichrist, das eine enorme Wirkung entfaltete. Er hat die verschiedenen Stofftraditionen „als erster in Form einer kohärenten Vita"2 dargeboten. Der Abt schreibt einerseits im Blick auf die mit dem Jahr 1000 verbundenen Untergangsängste, zieht aber andererseits die Vita des Antichrist bis zum Jüngsten Gericht aus. Adso lässt die Biografie des Antichrist mit einer genauen Einordnung von dessen Herkunft beginnen. Seine Zeugung wurde vom Teufel veranlasst; geboren wird er in Babylon als ein aus dem Stamme Dan kommender Jude. Der Satan und falsche Propheten nehmen sich seiner Erziehung an und begleiten ihn in der Zeit seines Erwachsenwerdens. Nach der Regierungszeit des letzten Frankenkönigs werden die biblischen Propheten Enoch und Elias wiedergeboren, um die Gläubigen dreieinhalb Jahre lang zu warnen, und selbst die Juden sollen durch sie zum Christentum bekehrt werden. Es folgt die Zeit des Antichrist, welcher nach Jerusalem ziehen, die beiden warnenden Propheten töten und im neu aufgebauten Tempel sein Reich gründen wird. Den Christen begegnet er mit Verfolgungen; seinen Regierungsanspruch über die Welt sichert er durch Terror, Bestechungen und Wunder. Die Herrscher der Welt werden sich ihm unterwerfen und ihn ehren; nahezu alle Menschen, darunter ausnahmslos alle Juden, bekennen sich zu ihm und sehen in ihm den Messias. Dreieinhalb Jahre wird seine Herrschaft andauern, dann wird sie durch die Wiederkunft Christi beendet. Der Antichrist wird von Christus bzw. dem Erzengel Michael vernichtet. Die wesentlichen Dimensionen der Antichrist-Figur sind hier angelegt. Der Antichrist ist eine apokalyptische Figur, die Endzeiterwartung und Schrecken verbreitet, da sie das Ende der Welt und die Wiederkunft des Erlösers einleitet. Der Antichrist ist eine religiös-politische Figur, eine Inkarnation des Bösen in der Gegenwart. Im politischen Gegner kann er sich verkörpern; der kann als Antichrist entlarvt und

1 D. Verhelst (Hg.): De ortu et tempore Antichristi. necnon et tractatvs, qvi ab eo dependvnt. Adso Dervensis, Tumholti 1976. 2 Barbara Haupt: Die vorgezeichnete Zukunft. Vom Ende der Geschichte. Zum Linzer Antichrist, in: dies. (Hg.): Endzeitvorstellungen, Düsseldorf 2001, S. 147-178, hier S. 162.

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diese Erkenntnis in der aktuellen politischen Auseinandersetzung genutzt werden. Der Antichrist ist ebenso eine Figur des Glaubenskampfes, die in antijüdische Argumentationen und, im 16. Jahrhundert, in die Auseinandersetzungen der beiden christlichen Konfessionen einbezogen wurde. Der Antichrist ist eine Figur mit mythologischen Zügen, die im Endkampf der christlichen Mächte als Gegenspieler Christi fungiert und unterliegt. Schließlich kann man die Figur auch komisch akzentuieren, wenn Aufstieg und Fall in der Perspektive des anmaßenden, scheiternden Tyrannen gezeigt werden. Der Antichrist ist also ebenso eine Figur der christlich-eschatologischen Heilsgeschichte, der jeweils aktuellen Gegenwart, die beständig neue Spekulationen provoziert, wie auch eine Figur der Zukunft, die Unheilserwartung und Endzeitstimmung auslöst. Adsos kurze und prägnante Darstellung wurde zur Hauptquelle für die Antichristspiele des Mittelalters. Auf dieser Grundlage ließ sich die Vita des Antichrist weiter ausbauen, zudem ihr Charakter als eine Negativfolie zum Leben Christi verschärfen, und zwar von der Weissagung des Alten Testaments, über die Geburt, das Wirken, die Herrschaft und das Scheitern des Antichrist bis zu den Vorzeichen des Jüngsten Gerichts. Zur szenischen Gestaltung auf der Bühne bot sich die Spannung Antichrist vs. Christus geradezu an. Das aus diesem Gegensatz erwachsende Darstellungspotential war für das Schauspiel interessant und produktiv; es trug vermutlich wesentlich zur Attraktivität der Antichristspiele bei. Adsos Antichrist-Text war den Spielredaktoren eine ideale Vorlage, um dieses Potential szenisch auszuarbeiten. Der Antichrist als Gegenspieler Christi Das Interesse an dieser Perspektive wurzelt zum einen in den, auf Bühnenpräsenz ausgerichteten, Möglichkeiten des Schauspiels, auf der anderen Seite sicher auch in der Aktualität mythisch-dualistischen Denkens. Um solche Vorstellungen im christlichen Horizont zu verstehen, muss man wohl nicht einen permanenten Einbruch lebendiger, aber unterdrückter paganer Mythen im Schauspiel annehmen. Walter Haug hat in seiner Auseinandersetzung mit den Argumenten von Rainer Warning und Friedrich Ohly in dieser Frage den Akzent darauf gelegt, dass „die nie völlig aufhebbare quasi dualistische Spannung in der religiösen Erfahrung"3 natürlich auch dem Christentum, und zwar von Anfang an, eigen ist. Diese Spannung wird auf der Bühne des mittelalterlichen religiösen Theaters in unterschiedlichen stofflichen Szenerien und Akzentuierungen ausgetragen. Das Interesse am Teufel oder am Antichrist stellt sich inszenatorisch immer wieder neu gegen die Position christlicher Lehre, dass das Mythologisch-Böse nur das weniger Gute, also keine dem Positiven gleichberechtigte Macht sei. Man hat den Eindruck, dass diese Verkündigung im geistlichen Schauspiel mit jeder Aufführung neu versichert, zugleich aber auch jedes Mal neu in Zweifel gezogen wird. Ausdruck dieses Zugleichs ist die komische Inszenierung des Bösen und das provozierte Lachen der Zuschauer: Es wird die

3

Walter Haug: Rainer Warning, Friedrich Ohly und die Wiederkehr des Bösen im geistlichen Schauspiel des Mittelalters, in: Hans-Joachim Ziegeler (Hg.): Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Tübingen 2004, S. 361-374, hier S. 372.

Die Antichrist-Figur

im mittelalterlichen

Schauspiel

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Erkenntnis in szenisches Geschehen umgesetzt, dass man das Mythisch- und das Menschlich-Böse nicht ein für alle Mal auslöschen kann, sich vielmehr immer wieder mit ihm auseinandersetzen, ihm aber keine unbeschränkte Geltung und Daseinsberechtigung zugestehen muss. Der Antichrist als

Pseudomessias

Schon Adso legt in seiner Schrift dar, der Antichrist werde nicht nur Heiden und Juden, sondern auch Christen aller Stände und Professionen durch die Botschaft, dass er als wahrer Gott und Messias auf die Erde gekommen sei, für sich gewinnen. Gläubige, die sich widersetzen, bringt er zu Tode. Die Verfolgung der rechtgläubigen Christen durch den Antichrist wird schon „bei Adso durch den programmatischen Judaismus des Pseudomessias motiviert"; sie soll „zweifellos antijüdische Affekte freisetzen".4 Die Antichrist-Darstellung ist hier ein Medium antijüdischer Tendenzen; diese Traditionslinie lässt sich bis zum Ende des Mittelalters verfolgen. Im 16. Jahrhundert wird dann, vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten, die Thematik des Kampfes gegen die Juden um eine neue Dimension erweitert. So kann zum Beispiel bei Martin Luther der Papst als tyrannischer Antichrist erscheinen, und aus katholischer Sicht stellt sich Luther zumindest als einer der Vorläufer des Antichrist dar.5 Der Antichrist im politischen

Gegner

Durch die Stofftradition ist die Antichrist-Figur zwar immer schon besonders eng mit der Gruppe der Juden verbunden und eignet sich deshalb besonders gut zu entsprechender Polemik, aber als Denkfigur, als Feindbild, ist sie beliebig verwendbar und wurde auch auf vielfältige Gegner bezogen, etwa in politischen Auseinandersetzungen. Besonders prominent sind beispielsweise die Streitigkeiten zwischen Friedrich II. und Papst Gregor IX., welche sich gegenseitig als Antichrist beschimpften.6 Der Vorteil eines apokalyptischen Feindbildes liegt darin, dass politische Gegner, die die eigene Position in Frage stellen, schon von vornherein in das eigene Weltbild integriert sind: Man weiß im voraus, dass der Feind kommen wird, und wenn er dann kommt und die eigene Identität bedroht, dann wird diese durch ihn nicht erschüttert, sondern gerade bestätigt. Krisensituationen können so verstanden und bewältigt werden.7

4 Thomas Habel: Prototyp und Variation. Aufstieg und Fall des Antichrist in Nürnberger Bildtexten und Fastnachtsspielen des 15. Jahrhunderts, in: Theodor Wolpers (Hg.): Der Sturz des Mächtigen. Zu Struktur, Funktion und Geschichte eines literarischen Motivs. Bericht über Kolloquien der Kommission für literaturwissenschaftliche Motiv- und Themenforschung 1995-1998, Göttingen 2000, S. 149-201, hierS. 168. 5 Siehe Klaus Aichele: Das Antichristdrama des Mittelalters, der Reformation und der Gegenreformation, Den Haag 1974, S. 76f. 6 Vgl. Peter Segl: Die Feindbilder in der politischen Propaganda Friedrichs II. und seiner Gegner, in: Franz Bosbach (Hg.): Feindbilder. Die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 1992, S. 41-71. 7 Dazu Michael Wolter: Der Gegner als endzeitlicher Widersacher. Die Darstellung des Feindes in der jüdischen und christlichen Apokalyptik, in: Franz Bosbach (Hg.): Feindbilder (s. Anm. 6), S. 23-40.

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Seit dem 4. Jahrhundert bietet die Antichrist-Figur auch noch eine andere Möglichkeit zur Feindkennzeichnung: In dieser Zeit nämlich entwickelt Tyconius die Vorstellung vom Corpus Antichristi. Dieses Corpus bestehe aus Vorgängern des einen Antichrist, die bereits in der Vergangenheit und in der Gegenwart erschienen sind bzw. erscheinen, als Präfigurationen des einen, letzten, großen Antichrist.8 Man kann also politische Gegner nach dem Vorbild des Antichrist stilisieren und sie mit ihm in Beziehung setzen, ohne sie direkt mit ihm zu identifizieren. Als Beispiel für dieses Verfahren kann der Tegernseer Ludus de Antichristo 9 dienen.

2. Der Tegernseer Ludus de Antichristo Verknüpfte schon Adso seine Antichrist-Vita mit einer politischen Stellungnahme zugunsten der westfränkischen Ansprüche auf die Kaiserherrschaft, propagiert das älteste erhaltene Antichristspiel, der lateinische Ludus de Antichristo, ein Römisches Reich unter deutscher, d. h. staufischer Herrschaft gegen französische Ansprüche. Das Spiel entstand wohl in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, vielleicht im Kloster Tegernsee.10 Aufgrund seiner Gestaltung und seiner politischen Tendenz steht es als Sonderfall unter den mittelalterlichen Antichristspielen.11 Abgesehen von der Parteinahme für die staufischen Herrschaftsansprüche hält sich jedoch auch der Ludus von deutlicheren Bezugnahmen auf das aktuelle Zeitgeschehen zurück.12 Das Spiel gliedert sich in zwei Teile: Im ersten wird gezeigt, wie der Kaiser die Könige von Frankreich, von Griechenland und von Jerusalem zu Huldigung und Tributpflicht auffordert. Einzig der französische König widersetzt sich ihm, was als superbia gekennzeichnet wird. Der Kaiser unterwirft ihn schließlich. Als der König von Babylon Jerusalem belagert, zieht der Kaiser gegen ihn zu Felde, vertreibt ihn aus Jerusalem und legt Krone, Zepter und Reichsinsignien im Jerusalemer Tempel nieder. Diese Handlung leitet die Zeit des Antichrist ein und damit den zweiten Teil des Spiels: Wie der Kaiser im ersten Teil erhebt nun der Antichrist Anspruch auf die Weltherrschaft. Er vertreibt den König von Jerusalem und fordert Huldigung von den Königen von Griechenland, Frankreich und Deutschland. Hier ist nun der deutsche König dem französischen durch Parallelisierung entgegengesetzt. Wie dieser sich zuvor gegen den Kaiser zur Wehr setzte, stellt sich der deutsche König jetzt dem Antichrist entgegen. Der französische König lässt sich durch Geschenke ohne weiteres vom Antichrist gewinnen; der deutsche weist die Geschenke zurück und kann sogar den militärischen Angriff des Antichrist niederschlagen; als dieser jedoch Wunder vollbringt, wird auch der deutsche König schwankend und ergibt sich schließ-

8 Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im Mittelalter: Von Tyconius zum Deutschen Symbolismus, Münster 1973, S. 102-121. 9 Gisela Vollmann-Profe (Hg.): Ludus de Antichristo, 2 Bde. (Litterae 82,1/11), Lauterburg 1981, Bd. 1: Abbildung der Handschrift und Transkription; Bd. 2: Edition und Übersetzung. 10 Zur Datierung vgl. Hannes Möhring: Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung, Stuttgart 2000, S. 178-180, 184. Vgl. Klaus Aichele: Antichristdrama (s. Anm. 5), S. 29f. 12 Siehe aber Anm. 15.

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lieh. Mit Hilfe des deutschen Königs unterwirft der Antichrist nun noch den König von Babylon und erringt somit die Weltherrschaft. Die Juden erkennen ihn zunächst als ihren Messias an. Jedoch ist im Ludus keine antijüdische Tendenz feststellbar, denn die Synagoge bleibt beim Auftreten der Propheten Enoch und Elias nicht verstockt, sondern lässt sich zum Christentum bekehren und wendet sich als einzige vom Antichrist ab.13 Die Könige vollziehen diesen Schritt erst nach dem Sturz des Antichrist, und damit endet das Spiel. Sind schon durch die Handlungsführung der deutsche und der französische König besonders eng aufeinander bezogen und wertend voneinander abgesetzt, so wird der französische König noch durch andere Mittel negativ gezeichnet, nämlich durch ein Lob aus dem Mund des Antichrist. Dieser sagt über die Franzosen: Hi nostro ritui formam adinvenere, nostro adventui viam praeparavere. Horum subtilitas nobis elaboravit Tronum conscendere, quem virtus occupavit (w. 221-224). Sie sind es, die das Modell für unsere Religion geschaffen haben,/ sie haben unserer Ankunft den Weg bereitet./ Ihre Sophismen haben für uns die Vorarbeit geleistet/ zur Besteigung jenes Throns, den unsere Tüchtigkeit nun eingenommen hat. Damit erscheint der französische König als Wegbereiter des Antichrist, ja sogar als eine Art Präfiguration, da er das „Modell" (lat. : forma) der Religion des Antichrist geschaffen habe - ein „Seitenhieb auf das neue Denken der Scholastik, deren Wiege eben das damalige Frankreich war". 14 Sein antichristliches Wesen zeigte der französische König bereits in seiner superbia gegenüber dem rechtmäßigen Kaiser. Die besondere Verbundenheit zwischen ihm und dem Antichrist wird zudem dadurch unterstrichen, dass dieser ihn als einzigen von allen ihm huldigenden Königen mit einem Kuss auszeichnet (v. 226a). Der Antichrist des Ludus hat seinen Ursprung nicht im Volk der Juden, sondern im „Schoß der Kirche" (v. 183: ecclesiae gremio), in der christlichen Geistlichkeit selbst, und zwar in einer Geistlichkeit, die unter einem bestimmten französischen Einfluss steht. Mit diesem französischen Einfluss kann, wie gesagt, das scholastische Denken gemeint, aber auch auf ein Kreuzzugs- und Glaubensverständnis im Gefolge Bernhards von Clairvaux angespielt sein. 5 Dementsprechend könnte sich

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Die erstaunliche Judenfreundlichkeit des Ludus zeigt sich auch darin, dass der Antichrist nicht wie üblicherweise aus dem Volk der Juden hervorgeht, sondern vom „Schoß der Kirche" (v. 183: ecclesiae gremio) empfangen und geboren wird. Zum Judenbild des Ludus und seiner möglicherweise gegenwartskritischen Aussage vgl. Hans-Dietrich Kahl: Der sog. „Ludus de Antichristo" (De Finibus Saeculorum) als Zeugnis frühstauferzeitlicher Gegenwartskritik. Ein Beitrag zur Geschichte der Humanität im abendländischen Mittelalter, in: Mediävistik 4 (1991), S. 53-148, hier S. 83-92. 14 Ebd., S. 70. 15 Vgl. ebd.: Während der Feldzug des Kaisers im ersten Teil des Spiels zur Verteidigung der heiligen Stätten gegen die Heiden nicht als Kreuzzug betrachtet werden dürfe, da entscheidende Kreuz-

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die Darstellung des Antichrist an Bernhard orientiert haben:16 Wie die Franzosen das Modell der antichristlichen Religion geliefert haben sollen, so hätte Bernhard dem Ludus-Dichter als Modell für die Darstellung des Antichrist gedient. Die Franzosen werden antichristlich, der Antichrist ,französisch' gezeichnet. Stellt das Spiel zwar ein endzeitliches Geschehen dar und verzichtet es dabei auf direkte aktuelle Zeitbezüge, so wendet es sich doch an die eigene Gegenwart, wenn es das französische Königtum als ,Prä-formation' der antichristlichen Herrschaft kennzeichnet und „die für die Kirche von der Häresie ausgehende Gefahr" 17 aufzeigt. Die Denkfigur des Corpus Antichristi, der Vorläufer des einen, großen Antichrist in Gegenwart und Vergangenheit, macht es möglich, Zeitgenossen, wenn nicht selbst als den einen Antichrist zu brandmarken, so doch immerhin nach dessen Vorbild zu zeichnen und sie mit ihm in Beziehung zu setzen, wie auch umgekehrt den Antichrist mit Zügen zeitgenössischer Gegner auszustatten. So werden Ängste und Feindseligkeiten, die sich auf den Antichrist am Ende der Zeiten beziehen, auf zeitgenössische politische Gegner umgeleitet bzw. die politischen und eschatologischen Feindseligkeiten zusammengeführt und dadurch potenziert.

3. Der Antichrist im volkssprachigen geistlichen Schauspiel Wenn das geistliche Spiel, namentlich in den Osterspielszenen von der Höllenfahrt Christi, die Wiedervergegenwärtigung oder sogar, um mit Rainer Warning zu reden, die Remythisierung eines im Grunde schon gelösten Konflikts, nämlich desjenigen zwischen Gut und Böse, bietet,18 dann darf man Antichristspiele als eine besondere Form des geistlichen Spiels hervorheben, da der in ihnen verhandelte Konflikt gerade noch nicht bewältigt ist, vielmehr als apokalyptisches Geschehen noch bevorsteht: In der Zukunft wird das Böse noch einmal freigelassen, und diese Zukunft holt das Antichristspiel in die Gegenwart herein. Es ruft nicht ein Geschehen der Vergangenheit in Erinnerung, um die Gegenwart feierlich daran zurückzubinden, sondern lässt, wie das Weltgerichtsspiel, mit dem es verbunden sein kann,19 die noch nicht geschehene, mit Angst und Hoffnung erwartete Endzeit im Spiel gegenwärtig

zugselemente wie der Aufruf von Seiten des Papstes /der Kirche und die Verheißung von Ablass oder Märtyrerehren fehlten (S. 65), sei der Feldzug des Antichrist als eigentlicher Kreuzzug, genauer als „Missionskreuzzug" (S. 76) zu werten, eine Form des Kreuzzugs, die sich Mitte des 12. Jahrhunderts durch den Einfluss Bernhards von Clairvaux herausgebildet hatte. An einem solchen Kreuzzugsverständnis, wenn nicht am Kreuzzugsgedanken überhaupt, übe der Ludus Kritik. Auch in diesem Fall hätte ein Franzose das Modell der antichristlichen Religion geliefert, und Bernhard bzw. sein Kreuzzugsverständnis werden als antichristlich gebrandmarkt. 16 Ebd., S. 75-77: Der Antichrist, der den deutschen König durch die Schwertübergabe zur kriegerischen Bekehrung der Heiden aufruft ( w . 285a, 286), repräsentiere Bernhard von Clairvaux, der Konrad III. mit großer Mühe, angeblich sogar mit Wundern, zum zweiten Kreuzzug überredete und dies mit der Übergabe einer Fahne besiegelte (S. 76). 17 Hannes Möhring: Weltkaiser (s. Anm. 10), S. 183. 18 Vgl. Rainer Warning: Funktion und Struktur. Die Ambivalenzen des geistlichen Spiels, München 1974. 19 So etwa beim Jour du Jugement von Besançon (14. Jh.) oder beim Churer Weltgerichtsspiel (1517).

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und erfahrbar sein. Das Antichristspiel ruft damit reale Ängste wach, denn während die Angst vor Figuren der Vergangenheit durch die Inszenierung erst herbeigespielt werden muss, ist die Angst vor dem Antichrist in den Zuschauern bereits vorhanden, da der Antichrist als noch bevorstehend gedacht wird und mit seinem realen Erscheinen jederzeit gerechnet werden muss. Indem Antichristspiele den Zuschauern den Auslöser ihrer Angst vor Augen stellen und auch seinen Untergang vorführen, rufen sie diese Angst zwar konkret in ihnen herauf, können sie aber auch von ihr befreien: Dadurch, dass die Zuschauer im Spiel das Ende des Antichrist miterleben, können sie dann, im Glauben gestärkt, vielleicht mit abgemilderter Angst und mehr Zuversicht dem Kommen des wahren Antichrist entgegensehen. Auch Warning spricht von einer entlastenden Funktion der Antichristspiele: Diese „feiern im rituellen Spiel die Niederlage des Übermächtigen und haben hierin den gleichen Entlastungseffekt wie die geistlichen Spiele im engeren Sinne",20 d. h. wie die Osterspiele, durch deren Komik infolge der inszenierten Entmachtung des Teufels die Zuschauer ihre Teufelsangst in einem Lachritual bewältigen können; mit einem solchen immer wieder vollzogenen Entlastungsritual bestätigen sie jedoch stets aufs neue die Existenz und ungebrochene Macht des Teufels. Wie das Osterspiel dadurch in den mythischen Dualismus von Gut und Böse zurückfalle, seien Antichristspiele gleichfalls nicht Kennzeichen eines apokalyptischen, sondern eines mythischen Weltverständnisses: „wer sich tatsächlich dem unmittelbar bevorstehenden Ende konfrontiert glaubt, führt keine Spiele a u f (S. 232); ,,[w]o rituelle Spiele statthaben, ist die Welt als letztlich verläßlich und fortbestehend vorausgesetzt" (S. 233). Anders als die Angst vor dem Teufel, der als mythisches böses Prinzip stets gegenwärtig sein muss und dessen beständige Gegenwart Angst auslöst, speist sich die Angst vor dem Antichrist gerade aus seiner Zukünftigkeit als Vorzeichen des Weltendes. Warning ebnet den Unterschied zwischen Teufel und Antichrist ein, indem er vom „Übermächtigen" spricht, aber es ist fraglich, ob die Spiele das zulassen: In ihnen wird der Antichrist nicht als bereits gegenwärtig, sondern als (wenn auch unmittelbar) bevorstehend dargestellt; dieser „Übermächtige" übt seine Macht noch gar nicht aus; der Dualismus zwischen Christus und Antichrist besteht noch gar nicht, so dass er und damit ein mythisches Denken in ewigen Kreisläufen nicht als Grundlage für die Inszenierung ritueller Antichristspiele herhalten kann. Eine mythisch-dualistisch verstandene Welt mag Teufelsspiele wie das Osterspiel nötig haben; Spiele vom noch nicht gegenwärtigen, erst kommenden Bösen wie das Antichristspiel sind nur in einer eschatologisch verstandenen Welt sinnvoll. Hier dienen sie als Rituale zur Entlastung von eschatologischen Ängsten.21 Die mittelalterlichen Antichristspiele verstehen sich als Vergegenwärtigung des Noch-nicht-Gegenwärtigen, als Vorwegnahme der Endzeit und verzichten daher weitgehend auf zeitgeschichtlich-aktuelle Bezüge, wie etwa die Identifizierung rea-

20

Rainer Warning: Funktion und Struktur (s. Anm. 18), S. 233, Anm. 389a. Hinzu kommt, dass der Antichrist, anders als der Teufel in den Osterspielen, in den eigentlichen Antichristspielen nie als komische Figur erscheint, so dass es in diesen auch kein entsprechendes Lachen gibt, das den Antichrist als eigenständige, zum Weltganzen wesentlich gehörende Macht bestätigte. 21

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1er Personen mit dem Antichrist;22 der Antichrist wird als ein Mensch dargestellt, der noch kommen wird und dessen Leben sich nur dadurch konkretisiert, dass es in allem das Leben Christi parodiert.23

4. Der Antichrist auf der Fastnachtsbühne Auf unterschiedliche Funktionalisierungen des Antichrist-Stoffes in zwei Nürnberger Fastnachtspielen möchten wir näher eingehen. Der Antichrist agiert hier als Gegenspieler Christi im Endzeitgeschehen, als Christenverfolger in der Rolle des jüdischen Messias und als lächerlicher, weil scheiternder Tyrann, der all seinen Schrecken verloren hat und dadurch selbst zum Objekt der Verfolgung und Demütigung werden kann. Zunächst zu dem von Hans Folz verfassten Fastnachtspiel Der Juden Messias.24 In diesem Spiel treffen der Herzog von Burgund und die Prophetin Sibylla in Nürnberg zur Fastnachtszeit zusammen. Die Prophetin nutzt die Gelegenheit, um die Behauptung der Juden zu widerlegen, ihr Messias sei gekommen und werde die Weltherrschaft übernehmen. Der jüdische Messias lässt als Zeichen seiner Macht einen Feuer speienden Drachen auf der Bühne erscheinen. Sibylla prüft ihn zunächst darauf hin, ob er der Antichrist sei (Z. 151). Mittels eines Glücksrades wird dann endgültig klar, dass es sich um einen falschen Antichrist, d. h. um einen Betrüger und Scharlatan (Z. 142ff.) handelt; sie tötet ihn mittels eines Trankes, lässt ihn dann jedoch wieder auferstehen, damit er die zahlreichen Verbrechen der Juden gegen die Christenheit bekennen kann. Der falsche Messias legt dar, dass die Juden schon seit jeher danach trachteten, den Christen die Herrschaft zu entreißen, sie zu unterwerfen und zu töten: O genediger fürst vnd werde fraw,/ Ir zwinget mich so hart vnd gnaw/ Mit ewrem cristenlichem gewalt, / Das ich nichtz heimlichs dahinden behalt./ Sunder das ist die grost vrsach:/ Wir han nw talast vngemach/ Gehabt wol xiiij0 [1400] jar/ Vnd in solicher zeit furwar/ Gar vil geliden von den cristen./ Ja, wann sie dennoch dabei wisten,/ Was grosser fluch, was hass vnd neit/ Wir in stet han getragen seit,/ Wie vil groß guts in abgeraubt,/ Wie vil an irem leben getaubt,/ Der ertzet wir gewesen sein,/ Wie vil der jungen kindelein/ In

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Klaus Aichele: Antichristdrama (s. Anm. 5), S. 51: „Die mittelalterlichen Antichristspiele befassen sich nicht mit den flgurae Antichristi, sie sind nicht interessiert an den historischen bzw. hic et nunc auftretenden Vorläufern des eigentlichen Antichrist." 23 Vgl. zu den mittelalterlichen Antichristspielen allgemein: Georg Jenschke: Untersuchungen zur Stoffgeschichte, Form und Funktion mittelalterlicher Antichristspiele, Diss, masch. Münster 1971; Klaus Aichele: Antichristdrama (s. Anm. 5); Richard K. Emmerson: Antichrist in the Middle Ages. A Study of Medieval Apocalypticism, Art, and Literature, Manchester 1981, S. 163-187; Richard K. Emmerson: Antichrist on Page and Stage in the Later Middle Ages, in: Robert E. Stillman (Hg.): Spectacle and Public Performance in the Late Middle Ages and the Renaissance, Leiden, Boston 2006, S. 1-29. 24 Edition in: Klaus Ridder, Hans-Hugo Steinhoff (Hg.): Frühe Nürnberger Fastnachtspiele (Schöninghs mediävistische Editionen 4), Paderborn, München, Wien, Zürich 1998, S. 85-108 (Text), S. 156— 167 (Kommentar), Bearbeiter: Martin Przybilski.

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abgestolen vnd getot/ Vnd mit irem keuschem plut gerot/ Vnd die euch cristen abgefiirt/ Zu smach der jerlichen gepurt/ Jhesu, die ir ewig beget,/ Des haß vnd neyd vns so bestet,/ Das es all vnser frewd vertreibt/ Vnd Messias solang aussen bleit/ Vnd in kein wegk vns tröstet nicht./ Deshalb hab wir diß zugericht:/ Meinten als volk gereitzet han/ Vns gantz zu werden vnttertan./ Das hat vns vil zu schir gefeit,/ Bleibt furpas mer wol abgestelt,/ Piß das er selber kumpt ein mal./ Dann wer vns ietz dieser vnfal/ Allein darzu geschlagen nicht,/ So hetten wir die zuuersicht:/ Die gantz judischeit must sein verdorben,/ Oder all cristen darumb gestorben. (Z. 342-378.) Dieses Bekenntnis ist der Ausgangspunkt zu einer neuen Wendung des Geschehens. Es werden Strafen fur die Juden vorgeschlagen, die sich an Drastik mehr und mehr steigern, dann wird die Bestrafung durchgeführt. Die anwesenden Hofnarren zwingen die Juden, sich unter eine Sau zu legen, an deren Zitzen zu saugen und Kot zu fressen; schließlich werden sie ihres Geldes beraubt und aus der Stadt gejagt (Z. 495-623). Folz verschränkt in dem Spiel den Traditionshorizont der Antichrist-Figur mit der Tradition antijüdischer Stereotypen - eine Verknüpfung, die freilich in der Antichrist-Tradition schon angelegt war. Der Betrüger schlüpft in die Rolle des jüdischen Messias und des apokalyptischen Antichrist. Darin kann man ein Moment fastnächtlicher Verkehrung, ein Durchspielen von verkehrter Welt sehen. Doch der Messias/Antichrist wird als Betrüger entlarvt, brutal bestraft und mitsamt den Juden endgültig aus der städtischen Gemeinschaft ausgegrenzt. Daher fallt die Rolle des falschen Messias in eins mit christlich-antijüdischen Grundüberzeugungen. Die Aufdeckung der Anmaßung nimmt der Figur jeden apokalyptischen Schrecken und gibt sie dem verächtlichen Lachen preis. Doch das Spiel bleibt dabei nicht stehen, sondern zum erniedrigenden Lachen gesellt sich brutale Gewalttätigkeit, materielle Gier und endgültiger sozialer Ausschluss. Als einen ernsthaften Gegenspieler zu Christus kann man diesen Antichrist kaum auffassen. Diese Ebene der Figur ist jedoch in dem zweiten Spiel, das hier betrachtet werden soll, wesentlich deutlicher und auch irritierender ausgearbeitet. In Des 25

Entkrist Vasnacht, so der Spieltitel, entwickelt sich das Geschehen zunächst so wie in den traditionellen geistlichen Antichristspielen. Das Fastnachtspiel geht wohl auf ein verlorenes geistliches Spiel zurück, das vermutlich 1353/54 in Zürich verfasst wurde.26 Der Autor orientiert sich eng an den bekannten Elementen der geistlichen Antichristspiele: Zunächst treten die Propheten Enoch und Elias auf, dann der Antichrist, der sich als Messias, Weltenherrscher und Schöpfergott einführen lässt ( w . 66-87). Er proklamiert sich zum wahren Gott, verleumdet Christus ( w . 89128), kann die Juden auf seine Seite ziehen, tötet die alttestamentarischen Propheten, erfüllt den Mächtigen der Welt ihre Wünsche und gewinnt sie dadurch ausnahmslos.

25

Edition in: Friederike Christ-Kutter (Hg.): Frühe Schweizerspiele, Bern 1963, S. 41-61. Dazu Martin Przybilski: Das menschgewordene Böse zwischen Grauen und Lächerlichkeit. Der Antichrist in der deutschen Literatur des späteren Mittelalters, in: Wirkendes Wort 56 (2006), S. 181— 198, hier S. 194. 26

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Allein ein besitzloser Pilger widersteht ihm, worauf die Schergen des Antichrist ihn töten. Doch der Antichrist erweckt den Pilger wieder zum Leben; nun leugnet auch dieser Christus und bekennt sich zum Antichrist. Das Spiel schließt damit, dass ein Fastnachtsnarr, der Fraß, auftritt, der sich um der Speise willen zum Antichrist bekennt. Zwei Gestaltungsmomente sind in dem Spiel auffällig: Zum einen legt der Autor besonderes Gewicht auf die Spannung Antichrist vs. Christus, zum anderen spart er den, in keinem geistlichen Spiel fehlenden, Sturz des Antichrist aus.27 Der Entkrist beansprucht die Position des christlichen Gottes: „Ich pin der war got/ Sicherlich on allen Spot" (w. 98f.). Er entwirft sich als Gegenbild zu Christus, indem er dem kenotischen christlichen Gott-Menschen das Bild eines Sieger-Gottes entgegenhält, und er stellt sich damit in die Nachfolge des Christus der Auferstehung, des Erlösers als Triumphator, wie er im Osterspiel dargestellt wird. Der Entkrist usurpiert das christliche Gottesverständnis, indem er dessen von Beginn an problematische Züge dem Gelächter preisgibt und die Rolle des triumphalen Gottes übernimmt. Ein Pilger entlarvt ihn schließlich als zauberkundigen Betrüger und „des tewfels knecht" (v. 446). Der Entkrist lässt ihn erschlagen und anschließend wieder auferstehen. Der Pilger legt daraufhin Zeugnis seines Glaubens an den Entkrist ab, denn seine Seele sei in der Hölle gewesen ( w . 477-484). Nachdem auch der am Rande der Gesellschaft ohne weltliche Bindungen und Sicherheiten lebende Pilger in der Nachfolge Christi die Herrschaft des Antichrist anerkannt hat, ist sie uneingeschränkt. Die uneingeschränkte Herrschaft des Bösen, also die Inszenierung einer absoluten Verkehrung des Geltenden, steht am Schluss des Fastnachtspiels vom Entkrist; mit diesem irritierenden Eindruck entlässt das Spiel die Zuschauer wieder in die Realität der Fastnacht. Die Antithetik Christ vs. Antichrist und die zwischen Gottes Herrschaft und der Herrschaft des Bösen ist für das Spiel konstitutiv; sie hat unterschiedliche Interpretationen herausgefordert. Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass das Auftreten des Fastnachtsnarren das Geschehen am Schluss des Spiels an die zeitlich begrenzte Ausnahmesituation Fastnacht zurückbindet und dadurch die uneingeschränkte Herrschaft des Antichrist relativiert. In dieser Perspektive erscheint die Fastnacht als verkehrte Ordnung, als Zeit der Herrschaft des Antichrist, doch deren Geltung - und damit auch die des Antichrist - ist zeitlich limitiert. Das Spiel setzt die Zeit der Fastnacht und die Herrschaft des Antichrist in eins; das Ende der Fastnachtszeit schließt das Ende der Herrschaft des Antichrist ein. Zu dieser Sicht tendiert die Interpretation von Hedda Ragotzky, die zu zeigen versucht, wie in dem Stück das „gattungsbestimmende Prinzip fastnächtlicher Verkehrung und die heilsgeschichtliche Verkehrung, die für die Antichrist-Figur prägend

27 Das Folgende, zum Teil auch wörtlich, in: Klaus Ridder: Erlösendes Lachen. Götterkomik Teufelskomik - Endzeitkomik, in: Hans-Joachim Ziegeler (Hg.): Ritual und Inszenierung (s. Anm. 3), S. 195-206, hier S. 203-205.

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ist, miteinander in Beziehung gesetzt werden". 28 Die Antichristspiele insgesamt könne man aus heilsgeschichtlicher Sicht als Darstellungen eines ,,Prozess[es] fortschreitender Verkehrung" betrachten. In der Konfrontation zwischen Entkrist und Christen gewinne im vorliegenden Stück diese „Verkehrung zunehmend fastnächtliches Profil". „Während die Juden durch ihre heilsgeschichtliche ,Blindheit' zu ,Narren' werden, erweisen sich die Christen als Fastnachtsnarren im eigentlichen Sinne. Sie verfallen [...] den Lockungen des Antichrist" (S. 59). Mit der Wiedererweckung des getöteten Pilgers habe sich „das Prinzip fastnächtlicher Verkehrung der endzeitlichen Welt bemächtigt und deren Regeln außer Kraft gesetzt" (S. 62). Indem sich der Antichrist, nachdem er die ganze Welt unterworfen hat, an die, die Fastnacht symbolisierende, Figur des Fraß wende, erreiche die Verkehrung ihren Höhepunkt. „Damit tritt an die Stelle, an der in den Antichrist-Spielen die Vernichtung des Antichrist und/oder seine Höllenfahrt bzw. das Jüngste Gericht stattfinden, die fröhliche Kumpanei, in der die beiden Verkehrer-Figuren die endzeitliche Fastnacht feiern und mit der das Spielgeschehen wieder in die Fastnachtsgeselligkeit einmündet" (S. 63). Hedda Ragotzkys Interpretation des Stücks ist kohärent und konsequent aus der Gattungstradition der Fastnachtsspiele entwickelt. Etwas Provozierendes hat das Spiel in dieser Sicht allerdings nicht mehr, und was in der Schlusspointe, in der „fröhlichen Kumpanei" der beiden Erzverkehrer Antichrist und Fraß, fastnächtlich verkehrt sein soll, ist nur bedingt einsehbar. Wir möchten daher folgendes Verständnis des Textes zur Diskussion stellen: Im Fastnachtspiel vom Entkrist wird unter den Vorgaben der Gattung ein Eindringen des teuflischen Entkrist in die Alltagsrealität durchgespielt, das das Ende der Zeit ankündigt. Der Entkrist lässt Zeichen geschehen, die das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigen, und reißt schließlich die Weltherrschaft an sich. Als letzter huldigt ihm auch der Fraß, und von dieser Figur aus wächst dem Spielgeschehen Bedeutung zu. Die Herrschaft des Antichrist wird von den positiven christlichen Mächten nicht gebrochen; das Böse dominiert ohne erkennbare Begrenzung. Und genau darin liegt das entscheidende Moment der Verkehrung. Das Fastnachtspiel nutzt den Freiraum der karnevalesken Lizenz, um die Gewissheit eines schlussendlichen Sieges des christlichen Gottes im Endkampf der apokalyptischen Mächte zu irritieren. Der Gedanke einer absoluten religiösen Negativität wird durchgespielt, und zwar gegen das Wissen um den Erlösertod Christi und das christliche Versprechen einer Errichtung des Gottesreiches. Im Zeichen der Fastnacht kann die Herrschaft des Mythisch-Bösen als eine absolute verstanden werden, weil die Grenzen der Fastnacht jedem klar vor Augen stehen. Der Antichrist kann sich als wahrer Gott aufspielen, Wunder wie der Gottessohn wirken, Tote auferwecken, den christlichen Gott schmähen, die christlichen Mächte ausnahmslos unterwerfen oder beseitigen, er kann eine unumschränkte Macht entfalten. Und vor allem: Seine Machtfülle kann ungebrochen bleiben, sein Absturz wird bewusst ausgespart.

28 Hedda Ragotzky: Fastnacht und Endzeit. Zur Funktion der Antichrist-Figur im Nürnberger Fastnachtspiel des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 121 (2002), S. 54-71, hier S. 54.

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Diese kalkuliert-provozierende Veränderung des Antichrist-Stoffes lässt sich nicht durch die Annahme entschärfen, dass der „für das Verständnis [des Stücks] zentrale Schluß der Antichrist-Fabel [...] durch Textverlust untergegangen" sei; mit Thomas Habel gehen wir davon aus, dass es sich um einen „bewußten Gestaltungsakt [...] des Verfassers" handelt. Denn daß die komplette Antichrist-Vita dem theologisch und literarisch interessierten Hans Rosenplüt nicht vertraut gewesen wäre, ist schwerlich vorstellbar - zumal die nicht erhaltene Züricher Vorlage seines Fastnachtspiels Sturz und Ende des Antichrist mit großer Wahrscheinlichkeit entweder durch Be29 rieht vermittelt oder sogar in Szene gesetzt hat. Thomas Habel sieht die Funktion der Verkehrung des Antichrist-Stoffes darin, dass das heilsgeschichtlich gesicherte Ende des Widersachers Christi im Spiel außer Kraft gesetzt sei, „um für den Augenblick der Fastnacht eine gegenweltliche Realität zu schaffen, in der die Kräfte des Bösen in erschreckender Weise obsiegen" (S. 186). Auch Habel schwächt die Provokation des Spielgeschehens jedoch ab, wenn er den Fokus des Stücks in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen und menschlichen Schwächen sieht. Im Sinne traditioneller Lasterkritik sind diese durchaus thematisiert, doch im Fokus der Verkehrung steht die unumschränkte und ungebrochene Herrschaft des Antichrist als Verkörperung des Mythisch-Bösen, die offensichtliche Ohnmacht des christlichen Gottes und die Unmöglichkeit des Endgerichts als Vorstufe der Errichtung des Gottesreiches. Uns scheint - dies zum Schluss - , dass der in Des Entkrist Vasnacht ausgetragene Konflikt zwar vom Verkehrungsprinzip der Fastnacht her zu verstehen ist, dass die Spezifik der Verkehrung jedoch von einer - so noch einmal Walter Haug - „dualistische[n] Spannung in der religiösen Erfahrung"30 zeugt, die man vielleicht als eine Grunderfahrung religiösen (und daher auch christlichen) Denkens verstehen darf. Diese Spannung tendierte in besonderer Weise zu einer Ausarbeitung auf der mittelalterlichen Bühne; in ihr darf man eine der Triebkräfte für die Transformation des Religiösen im geistlichen Schauspiel sehen.

5. Der Antichrist als reformatorische Propagandafigur Von den mittelalterlichen Antichristspielen unterscheiden sich jene im Dienst der Reformation beträchtlich: Gemäß Luthers Lehre, dass der Papst der Antichrist sei, der Papst aber nicht als Person, sondern als Institution, das Papsttum also überhaupt, verzichten sie auf eine Vita des Antichrist. Nicht die einzelnen Lebensstationen Christi werden im Antichrist verkehrt, sondern seine Lehren und seine Erscheinung, so etwa in Nikiaus Manuels tableauartigem Spiel Von Papsts und Christi Gegen-

29 30

Thomas Habel: Prototyp (s. Anm. 4), S. 185. Walter Haug: Rainer Warning (s. Anm. 3), S. 372.

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s atz,31 ebenso in Lucas Cranachs Holzschnittfolge Passional Christi und Antichrist?2 und in Abbildungen auf reformatorischen Flugblättern,33 die beispielsweise dem ärmlich auf einem Esel reitenden Christus den hoch zu Ross und in voller Pracht sitzenden Papst gegenüberstellen. Nicht in seinem Lebenslauf, sondern in seiner Erscheinung und in seiner Lebensweise ist der Papst das Gegenbild zu Christus. Wenn der Antichrist also nicht eine konkrete Person der Zukunft ist, sondern eine Institution, die zudem bereits besteht, dann holen die reformatorischen Antichristspiele nicht - wie die mittelalterlichen - ein Stück Zukunft in die Gegenwart, sondern thematisieren die Gegenwart selbst, wollen den Zuschauern die Augen öffnen für ihre eigene Gegenwart und diese Gegenwart als die eigentliche Endzeit entlarven. Das beliebteste und am weitesten verbreitete unter den in Deutschland entstandenen antipäpstlichen Reformationsdramen ist die 1538 gedruckte Tragoedia nova Pammachius des Thomas Kirchmaier, genannt Naogeorgus.34 Sie wurde allein viermal ins Deutsche übersetzt, außerdem ins Englische (1538/39 durch John Bale) und ins Tschechische (1546).35 Im Folgenden zitieren wir nach der 1539 erschienenen kongenialen Übersetzung durch Justus Menius.36 Der Prolog kündigt an: „wer da wissen wil,/ Was Bapstum sey, dem zeigts dis Spiel,/ Als nemlich, das der Bapst ist/ Gewiß der rechte Antichrist" ( w . 115-118), und man solle sich nicht durch die papistischen „Heuchler" (v. 176) betrügen lassen: „Drumb ist der Handel solcher gstalt/ Inn diesem Spiel fur äugen gmalt,/ Auff das der arm einfeltig Ley/ Erkenn und meyd solch büberey" ( w . 177-180). Intention des Dramas ist demnach, das breite Volk über das wahre Gesicht des Papsttums aufzuklären und für die davon ausgehende Gefahr zu sensibilisieren. Das Drama beginnt mit einer Art Prolog im Himmel: Christus kündigt vor Petrus und Paulus an, dass nun die Zeit gekommen ist, in welcher der Satan noch einmal

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Jakob Bächtold (Hg.): Nikiaus Manuel. Werke, Frauenfeld 1878, S. 101-111. Hildegard Schnabel (Hg.): Lucas Cranach. Passional Christi und Antichristi, Berlin 1972 (FaksimileAusgabe); Karin Groll: Das „Passional Christi und Antichristi" von Lucas Cranach d. Ä., Frankfurt a. M. u. a. 1990. 33 Vgl. Ingvild Richardsen-Friedrich: Antichrist-Polemik im Zeitalter der Reformation und der Glaubenskämpfe bis Anfang des 17. Jahrhunderts. Argumentation, Form und Funktion, Frankfurt a. M. u. a. 2003. 34 Zu Naogeorg vgl. Hans-Gert Roloff: Thomas Naogeorg und das Problem von Humanismus und Reformation, in: ders., Kleine Schriften zur Literatur des 16. Jahrhunderts, hg. von Christiane Caemmerer u. a. (Chloe 35), Amsterdam, New York 2003, S. 317-337. 35 Hans-Gert Roloff: Heilsgeschichte, Weltgeschichte und aktuelle Polemik. Thomas Naogeorgs Tragoedia nova Pammachius, in: ebd., S. 339-357, hier S. 344. 36 Vom Bapstumb Eine newe seer schone Tragedia/ Thomae Naogeorgi/ aus dem Latin verdeudscht durch Justum Meni, sampt einer Vorrede, in: Richard Froning (Hg.): Das Drama der Reformationszeit, Stuttgart 1894, ND Darmstadt 1964, S. 183-382. Menius' Übersetzung ist weniger darum bemüht, die Form und den Wortlaut der Vorlage getreu wiederzugeben, als vielmehr deren Witz und Lebendigkeit herüberzubringen, im Unterschied zu der genaueren, aber blasseren, wenngleich von Naogeorg explizit gebilligten Übersetzung durch Johannes Tyrolff; vgl. dazu: Ulrike Michalowsky: Übersetzung als Mittel politisch-religiöser Propaganda. Zwei deutsche Fassungen der ,Tragoedia nova Pammachius' (1538) des Thomas Naogeorg, in: Daphnis 16 (1987), S. 615-663. Der lateinische Text sowie Tyrolffs Übersetzung sind abgedruckt in: Thomas Naogeorg, Sämtliche Werke, hg. von Hans-Gert Roloff, Bd. 1, Berlin, New York 1975. 32

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freigelassen werden soll; wir befinden uns also an der Schwelle zur Endzeit. Interessant ist, wie Christus diese kommende Endzeit beschreibt, nämlich als Zeit des Mönchtums, des Fastens, des Zölibats, des Heiligenkults und dergleichen. Petrus und Paulus können ihren Ohren gar nicht trauen und setzen ihre Hoffnung auf den tugendsamen Bischof Pammachius, doch Christus sieht dessen Hinwendung zum Satan schon voraus und formuliert den Gegensatz zwischen sich und ihm: dieser trachtet tag und nacht/ Nach weltlicher ehr, gwalt und pracht:/ Derhalb er wird allm wesen mein/ Stracks ganz und gar entkegen sein./ Da ich war arm, wird dieser reich!/ Den weg lart Ich zum Himelreich,/ Den wird er niemand wissen lan,/ All menschen füren von der ban!/ Auff das die Seelen hetten trost,/ Mit meinem tod ich sie erlost:/ Kein grösser freud der haben wird,/ Denn wenn er sie zur hellen fürt!/ Den Keiser und all Oberkeit/ Inn ehren hielt ich allezeit:/ All Oberkeit und Maiestet/ Wird dieser stracks mit füssen trett!/ Mein Jüngern wussch ich selbs die füß:/ Dem müssen seine gros Herrn küß!/ Zum fried Ich allzeit gholffen han:/ Wo fried ist, rieht der hadder an!/ Ich wolt keins könges ehr noch macht:/ Nach andrer Köngreich dieser tracht!/ Mein Creutz Ich trug zu meinem tod:/ Der lesst sich tragn on alle not! ( w . 400-423). Damit formuliert Christus hier denselben Gegensatz, den Nikiaus Manuel szenisch und Lucas Cranach bildlich darstellen. Da das Stück davon handelt, wie Pammachius das Papsttum gründet und damit das Papsttum selbst verkörpert, wird die gesamte Zeit des Papsttums und der katholischen Kirche als die Endzeit gekennzeichnet: Dies ist die Zeit der Verkehrung des christlichen Glaubens, und damit wird den Zuschauern deutlich gemacht, dass diese Zeit ihnen nicht mehr bevorsteht, sondern dass sie bereits in der Endzeit leben: Ihre eigene Gegenwart ist die Zeit des Antichrist. Zunächst war Pammachius ein guter Bischof, dem es sogar gelungen ist, den Kaiser Julianus zum Christentum zu bekehren. Jetzt aber bedauert er es, dass man als Christ ein so schweres Leben hat: Man ist Verfolgungen ausgesetzt, muss Armut, Qualen und eventuell den Märtyrertod auf sich nehmen. Wer Christus folge, bringe sich selbst ins Unglück - das sei doch gegen alle Vernunft; Vernunft strebe nach und führe zur Verbesserung des Lebens. Pammachius beschließt also, „Dem Fürsten dieser werlet" (v. 869) zu dienen: Ich wil das Heubt und Oberst sein/ Uber alle Bisschoff gros und klein,/ Das meine macht durch alle weit/ Allein und sonst keins andern gelt!/ Zu dem ich auch noch haben wil/ Silbers und golds on massn viel!/ Wil noch dazu Herr und allein/ Uber Köng, Keiser Richter sein!/ All Herrn und Fürsten aller Land Und, was da ist von hohem Stand,/ Sol dienen mir und fürchten mich! ( w . 952-962). Aus Pammachius spricht hier also die traditionelle Eigenschaft des Antichrist, die superbia. Um seine Macht zu sichern, verlangt er nach dem Monopol über die richtige Bibelauslegung ( w . 992-995). Als der Kaiser es ablehnt, ihm Reichtum und

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weltliche Macht zu verschaffen, wendet Pammachius sich an Satan. Dieser verleiht ihm die Tiara, den Stuhl Petri und das päpstliche Siegel - so wird augenfällig, dass das Papsttum eine Einrichtung von Satans Gnaden ist. Nach dieser Gründung des Papsttums wandelt sich denn auch der Fluch „Box haut" (so Pammachius v. 668) in Satans Mund zu „Babsts haut!" (v. 2418). Pammachius wird nun auch vor aller Welt als Papst eingesetzt, wobei er seine Unfehlbarkeit verkünden lässt, denn was er sage, sei so wahr, ,,[a]ls obs Gott selbst vom Himmel hett/ On all mittel erab gered!" ( w . 3397f.). Der Papst selbst stehe so weit über allen Königen und Kaisern, dass er als „irdischer Gott" (v. 3354) bezeichnet werden könne. Die Grundzüge des katholischen Glaubens werden verkündet, wobei ein besonderer Akzent auf Werkgerechtigkeit und Ablasshandel gelegt wird: Auch hilfft kaum was so seer auff Erdn,/ Wer Sündlos und gerecht wil werdn,/ Als gelt, Nach dem ein jeder wil/ Des geben wenig oder viel:/ Denn was man wil inn aller weit,/ Bringt man zu weg durch gut und gelt (vv. 3731-3736). Die ganze katholische Kirche wird vorgeführt als eine Einrichtung, die einzig zur Bereicherung und Machtvergrößerang des Antichrist geschaffen ist. Die Weltherrschaft erreicht Pammachius durch das Recht, Kaiser ein- und abzusetzen, von dem er auch sogleich Gebrauch macht, indem er den Kaiser Julianus entthront und mit dem Kirchenbann belegt; er setzt ihn erst wieder ein, als dieser sich ganz seinem Willen unterworfen hat. Damit gelingt es dem Drama, sogar noch die Endkaisersage einzubauen. Auch Wunder tut Pammachius: Mit bloßen Worten erschafft er nämlich neue Kreaturen: Kardinäle, die verschiedenen Mönchsorden, Heiligenbilder und Ähnliches. Schließlich hat er einen gottgleichen Status erreicht und verwandelt die Welt in ein einziges satanisches Gelage. Christus beklagt den Zustand der Welt: „Der Satan hersscht in aller Welt,/ Kerts unterst zöberst, wies im gfellt!" ( w . 5111f.). Diese verkehrte Welt ist die Welt des Papsttums, das sich in Pammachius verkörpert. Christus schickt Paulus und durch ihn die göttliche Wahrheit ins „Sachssner Land" (v. 5475) zu Luther, damit er die Deutschen aus ihrem Schlaf wecke. Am Ende des vierten Aktes rüsten sich Pammachius und die Teufel zum Gegenschlag. Darauf folgt anstelle des fünften und letzten Aktes der Beschlus des Spiels. Darin wird gesagt, dass es an Christus persönlich sei, das Spiel zu beenden, dann nämlich, wenn er am Jüngsten Tag wiederkommen und dem antichristlichen Treiben ein Ende machen werde. Das bedeutet also, dass der fünfte Akt noch immer andauert, und zwar in der Realität der Zuschauer: Der fünfte Akt des Spiels ist ihre eigene Gegenwart! Nirgends könnte deutlicher werden als hier, dass das reformatorische Antichristspiel nicht eine nahe oder ferne Zukunft in die Gegenwart hereinholt, sondern die Gegenwart selbst zur Darstellung bringt und als Endzeit entlarvt. Das Pammachius-Orama hat nicht einen Blick in die Zukunft getan, sondern im Gegenteil die Vergangenheit dargestellt, nämlich Entstehung und Entwicklung des Papsttums, und diese Vergangenheit schließlich in die eigene Gegenwart übergeleitet. Die Gegenwart ist der fünfte Akt einer Tragödie, die schließlich durch Christus beendet werden wird. Das Drama macht die Zuschauer zu den eigentlichen Handlungsträgern: Sie werden vor

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die Entscheidung gestellt, welche Rolle sie in diesem fünften Akt übernehmen wollen, auf welche Seite sie sich hier und jetzt, in ihrer eigenen Realität schlagen, auf die des Papstes, der durch das Spiel als der Antichrist entlarvt wurde, oder auf die der Reformatoren, der von Christus selbst ausgesandten apokalyptischen Propheten. Das reformatorische Antichristdrama rüstet seine Zuschauer zum gegenwärtigen und d. h. endzeitlichen Kampf gegen den vermeintlichen Antichrist.

6. Schluss An Antichristspielen wird eine Problematik besonders deutlich, die das geistliche Spiel überhaupt prägt: die dualistische Grundspannung religiöser Erfahrung, der Gegensatz von Gut und Böse. Mit Christi Tod und Höllenfahrt ist diese Dualität eigentlich schon aufgehoben: Das Böse ist besiegt. Spiele, die den Kampf zwischen Gut und Böse und den Sieg des Guten darstellen, vergegenwärtigen demnach ein Geschehen, das eigentlich bereits bewältigt ist. Solche Vergegenwärtigung in Form geistlicher Spiele antwortet auf das Bedürfnis, Glaubensinhalte subjektiv zu erfahren: Der Gläubige wird in die Polarität von Gut und Böse hineingestellt, so dass er an beiden Dimensionen durch Akte bewusster Entscheidung teilhaben kann. Aus der Grundspannung zwischen Gut und Böse, die aller religiösen Erfahrung stets innewohnt, lässt sich die Entstehung des geistlichen Spiels verständlich machen: Das geistliche Spiel ist Ausdruck und Medium dieser Grundspannung religiöser Erfahrung. Diese Problematik wird an Antichristspielen insofern besonders akut, als der Kampf zwischen Christus und Antichrist noch gar nicht ausgefochten ist: Er steht jedem Gläubigen tatsächlich noch bevor und wird bisweilen mit großer Angst erwartet. Dieses Geschehen nehmen die Antichristspiele vorweg: Der Zuschauer wird hier nicht in eine eigentlich schon überholte Situation hineingestellt, sondern in eine, die erst noch kommen wird. Er spielt den Kampf durch, der ihm bevorsteht, wobei das Spiel seine realen apokalyptischen Ängste wachruft; er erlebt die Endzeit vorweg sowie den Sturz des Antichrist, was vermutlich entscheidend wichtig ist noch bevor der reale Antichrist in Erscheinung tritt, hat der Zuschauer bereits den Sturz seiner theatralen Repräsentation erlebt. Durch diese Erfahrung könnte die apokalyptische Angst ein Stückweit bewältigt und der Glaube, in Vorbereitung auf die künftige Endzeit, gestärkt werden. Umso abgründiger wirkt das Fehlen des Sturzes in Des Entkrist Vasnacht. Ganz anders ist die theatrale Situation in reformatorischen Antichristspielen: Sie wollen nicht einen zukünftigen, apokalyptischen Endkampf zwischen Gut und Böse erfahrbar machen, sondern den aktuellen Kampf gegen das Papsttum darstellen und anheizen; die eigene Gegenwart wird hier zum Thema, und die Antichrist-Figur wird propagandistisch genutzt, um Aggression gegen den Papst zu wecken. Indem die Spiele den Antichrist mit dem Papst identifizieren, kennzeichnen sie die eigene Gegenwart als Endzeit und stellen so den Zuschauer nicht nur für die Dauer des Spiels, sondern für seine eigene Realität vor die Entscheidung im aktuellen Kampf zwischen dem vermeintlich Guten und dem vermeintlich Bösen.

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So lässt das Antichristspiel des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zwei Möglichkeiten des Umgangs mit dem Antichrist erkennen: Wird in ihm hauptsächlich eine Figur der heilsgeschichtlichen Zukunft gesehen, dient seine Inszenierung vorwiegend der religiösen Erfahrung und der Bewältigung apokalyptischer Ängste (so in den traditionellen geistlichen Antichristspielen und, eigentümlich verkehrt, in Des Entbist Vasnacht)·, erscheint er dagegen als eine Figur, die bereits in die Gegenwart hereinwirkt oder sogar schon gegenwärtig ist, kann seine Inszenierung als Mittel zur Deutung und Veränderung der Gegenwart eingesetzt werden (so im Ludus de Antichristo, als Ständekritik in Des Entkrist Vasnacht, in Der Juden Messias und im Pammachius).

Rebekka Voß

Propter seditionis hebraicae Judenfeindliche Apokalyptik und ihre Auswirkungen auf den jüdischen Messianismus

Der jüdische Antichrist Antijudaismus und Antisemitismus fanden ihren Ausdruck im christlichen Europa des Mittelalters und der Frühneuzeit auch in der Vorstellungswelt der Apokalyptik. Judenhass und Endzeiterwartung waren untrennbar miteinander verbunden,1 da ein bedeutender Aspekt der Antichristtradition die Assoziation dieser zentralen Figur des christlichen Endzeitszenarios mit den Juden war.2 Bereits in der Antike identifizierten christliche Theologen den Antichrist, der am Ende der Zeiten Verderben über die Gläubigen bringen wird, mit dem jüdischen Messias. Sie sahen im Antichrist die Person, die die Juden als ihren Messias erwarteten. Schließlich personifizierte der jüdische Messias das Leugnen der Messianität Jesu; er war im zeitgenössischen Sprachgebrauch der „Widerchrist" schlechthin.3 Eines der frühesten Zeugnisse für die Vorstellung vom jüdischen Endzeitgegner Jesu ist der lateinische Text der tiburtinischen Sibylle aus dem 4. Jahrhundert: Hier wird ein Antichrist prophezeit, der als Jude aus dem Stamme Dan geboren werden

Eine englischsprachige Version dieses Artikels erscheint in Andrew C. Gow (Hg.): Antichrist and Apocalypse in the Western Tradition. Revisions and Revisionings. Die Übersetzungen aus dem Hebräischen sind meine eigenen, wenn nicht anders vermerkt. Ich danke Michal Bondy, Ursula Reuter und Wolfgang Treue für die kritische Lektüre des Manuskripts. 1

Andrew C. Gow: The Red Jews. Antisemitism in an Apocalyptic Age, 1200-1600, Leiden 1995, S. 3. Dazu im Detail ders.: The Jewish Antichrist in Medieval and Early Modern Germany, in: Medieval Encounters. Jewish, Christian and Muslim Culture in Confluence and Dialogue 2 (1996), 3, S. 249-285. Ein knapper Überblick, der jedoch den breiteren kulturgeschichtlichen Zusammenhang nicht berücksichtigt, auch bei Joshua Trachtenberg: The Devil and the Jews. The Medieval Conception of the Jew and Its Relation to Modern Anti-Semitism, New Haven 1943 (ND Philadelphia 1983), S. 32^13. 3 Vgl. 1 Joh 2,22: „Wer ist ein Lügner, wenn nicht, der da leugnet, dass Jesus der Christus sei? Das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet." In den Johannesbriefen, in denen der Begriff „Antichrist" erstmals auftaucht, bezeichnet er sowohl jemanden, der nicht in Jesus als den erwarteten Erlöser glaubt, als auch einen eschatologischen Anti-Messias (Belial/Beliar, später Armilus) nach der vorchristlichen jüdischen Tradition. Vgl. 1 Joh 2,18. Zur Armilus-Tradition siehe Joseph Dan: Armilus. The Jewish Antichrist and the Origins and Dating of the „Sefer Zerubbavel", in: Peter Schäfer, Marc Cohen (Hg.): Toward the Millennium. Messianic Expectations from the Bible to Waco, Leiden 1998, S. 73-104; David Berger: Three Typological Themes in Early Jewish Messianism. Messiah Son of Joseph, Rabbinic Calculations, and the Figure of Armilus, in: AJS Review. The Journal of the Association for Jewish Studies 10 (1985), 2, S. 141-164, hier S. 155-162. 2

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wird,4 um als falscher Messias von einem wiedererrichteten Jerusalem die Welt zu regieren.5 Diese Version der Antichristtradition sollte die Endzeitvorstellung im christlichen Abendland - zum Teil bis heute6 - maßgeblich bestimmen. Weite Verbreitung fand sie besonders durch die Revelationes divinae des Pseudo-Methodius (7. Jahrhundert), eine der einflussreichsten Quellen zum Antichrist in der mittelalterlichen Apokalyptik überhaupt,7 und die systematische Zusammenstellung der Antichrist-Lehre durch den burgundischen Abt Adso von Montier-en-Der, Libellus de ortu et tempore Antichristi (um 950). 8 Die Vorstellung, dass die Juden den Antichrist als ihren lang ersehnten Messias annehmen und seine ersten und treuesten Anhänger sein würden, legte nahe, ihnen im 12. Jahrhundert außerdem eine aktive Hauptrolle als seine Diener und Handlanger zuzuweisen. Die apokalyptischen Zerstörer Gog und Magog (Ez 38-39; Offb 20), die allgemein mit den barbarischen, „unreinen" Völkern identifiziert wurden, die Alexander der Große der Sage nach zum Schutz der zivilisierten Welt an einem Ort in Asien eingeschlossen hatte,9 und die seit der Spätantike Eingang in die Antichristlegende fanden,10 wurden nun auch mit den so genannten verlorenen zehn Stämmen Israels gleichgesetzt. 11 Schließlich ist die Wiederkehr der zehn Stämme in der

4 Zu der exegetischen Tradition, die den Antichrist zu einem Abkömmling Dans macht, siehe Wilhelm Bousset: Der Antichrist in der Überlieferung des Judentums, des Neuen Testaments und der alten Kirche. Ein Beitrag zur Auslegung der Apocalypse, Göttingen 1895 (ND Hildesheim 1983), S. 108-115; Richard K. Emmerson: Antichrist in the Middle Ages. A Study of Medieval Apocalypticism, Art and Literature, Seattle 1981, S. 79f.; Gregory C. Jenks: The Origins and Early Development of the Antichrist Myth (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 59), Berlin 1991, S. 77ff, 83-86 und 183f. 5 Ernst Sackur: Sibyllinische Texte und Forschungen. Pseudomethodius, Adso und die tiburtinische Sibylle, Halle 1898 (ND Turin 1976), S. 177-187, hier S. 185f. 6 Siehe den Beitrag von Michael Hagemeister in diesem Band. 7 Willem J. Aerts, George Α. A. Kortekaas (Hg.): Die Apokalypse des Pseudo-Methodius. Die ältesten griechischen und lateinischen Übersetzungen, 2 Bde., Leuven 1998, S. 191 und 195. 8 Daniel Verhelst (Hg.): De ortu et tempore Antichristi. Necnon et tractatus qui ab eo dependunt (Corpus Christianorum, Continuatio mediaevalis 45), Turnholt 1976, S. 20-30, hier S. 23f. und 27. Das Standardwerk zu Adso ist Robert Konrad: De ortu et tempore Antichristi. Antichristvorstellung und Geschichtsbild des Abtes Adso von Montier-en-Der (Münchener Historische Studien, Abt. mittelalterliche Geschichte 1), Kallmünz 1964. Siehe außerdem Horst-Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im Mittelalter. Von Tyconius zum Deutschen Symbolismus (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters NF 9), Münster 21979, S. 153-164. 9 Zur Alexandertradition Friedrich Pfister: Kleine Schriften zum Alexanderroman, Meisenheim am Glan 1976; George Cary: The Medieval Alexander, Cambridge 1956 (ND New York 1987). Speziell zu den verschlossenen Völkern Andrew R. Anderson: Alexander's Gate, Gog and Magog and the Inclosed Nations, Cambridge, MA 1932. 10 Gow, Jewish Antichrist (s. Anm. 2), S. 254-256. 11 Der erste Beleg dafür ist die Historia Scholastica (zwischen 1169 und 1173) des Pariser Gelehrten Peter Comestor. Siehe zu den Vermischungen der unterschiedlichen, ursprünglich voneinander unabhängigen Traditionen Gow, Red Jews (s. Anm. 1), Kap. 2-3. Eine gute Zusammenfassung der Geschichte und der jüdischen Tradition der zehn Stämme mit umfangreichen Hinweisen auf weiterführende Literatur bieten Dan Ben-Amos, Dov Noy (Hg.): Folktales of the Jews, Bd. 1 : Tales from the Sephardic Dispersion, Philadelphia 2006, S. 450-472.

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jüdischen Apokalyptik unlösbar mit der Ankunft des Messias verbunden. 12 Erwarteten die Juden den Antichrist als Messias, war es aus christlicher Sicht nur logisch, dass jene Stämme seine blutrünstige Armee sein mussten. Im deutschsprachigen Raum bekam dieses imaginäre Volk, das am Ende der Tage gemeinsam mit dem Antichrist die Christenheit heimsuchen würde, Ende des 13. Jahrhunderts eine eigene Färbung: Es war in volkssprachlichen Texten als „rote Juden" bekannt. 13 Die Vorstellung v o m jüdischen Antichrist und vor allem seinen jüdischen Gefolgsleuten fand breiten Anklang in allen sozialen Klassen und Bildungsstufen. Insbesondere im deutschen Sprachraum, der im Zentrum des vorliegenden Aufsatzes steht, war dieses Attribut ein integraler Bestandteil volkstümlicher Endzeiterwartung mit einer langen Tradition in unterschiedlichen Textgattungen, in der gelehrten Theologie, der volkssprachlichen Exegese und der Literatur, aber auch in der Predigt, der darstellenden und bildenden Kunst. 14 So sind unter den eifrigsten Anhängern des Antichrist im gleichnamigen Fenster der Marienkirche in Frankfurt an der Oder, welches außerdem eine Darstellung der roten Juden bietet, auch einige durch den spitzen Judenhut als Juden gekennzeichnet. 1 5 Im 15. Jahrhundert wurde der jüdische Antichrist auch in Drucken aufgegriffen. Er begegnet beispielsweise in den zahlreichen Ausgaben des Pseudo-Methodius (Erstdruck Köln 1475), 1 6 und - gemein-

12 Die zehn Stämme nahmen bereits sehr früh eine aktive Rolle im Erlösungsprozess ein, nämlich eben bei der militärischen Niederringung Edoms, also der Christenheit, zur Befreiung ihrer Brüder in der Diaspora; vgl. Israel J. Yuval: Zwei Völker in deinem Leib. Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen in Spätantike und Mittelalter (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur 4), Göttingen 2007, S. 48. Hier falsch Babylonischer Talmud BB 103b, richtig 123b. 13 Gow, Red Jews (s. Anm. 1), S. 70. Zu der überaus populären Variante der Legende ausführlich mit zahlreichen Textbelegen ebd., Kap. 4-6. 14 Gow, Jewish Antichrist (s. Anm. 2), S. 258f. und 270. Zahlreiche Belege ebd., bes. S. 266-282. Zum Drama siehe außerdem Klaus Aichele: Das Antichristdrama des Mittelalters, der Reformation und Gegenreformation, Den Haag 1974, S. 140-148. 15 Frank Mangelsdorf (Hg.): Der gläserne Schatz. Die Bilderbibel der St. Marienkirche in Frankfurt (Oder), Berlin 22007, S. 110, 115 und 116f. Dazu Annette Weber: Das Antichristfenster der Marienkirche in Frankfurt (Oder) im kulturhistorischen Kontext, in: Ulrich Knefelkamp, Frank Martin (Hg.): Der Antichrist. Die Glasmalereien in der Marienkirche in Frankfurt (Oder), Leipzig 2008, S. 80-101, bes. S. 85-88, und Andrew C. Gow: Das Gefolge des Antichristen. Zur Legende von den „roten Juden", in: ebd., S. 102-112, hier S. 107. Die Darstellung in einer Enzyklopädie aus dem Eisass aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bei Rosemary Muir Wright: Art and Antichrist in Medieval Europe, Manchester 1995, S. 82, Abb. 18. Vgl. auch die Abbildungen aus dem 13. Jahrhundert aus Frankreich und England, die Juden als Komplizen des Antichrist darstellen, ebd., S. 95, Abb. 20 und S. 104-108, und bei Sara Lipton: Images of Intolerance. The Representation of Jews and Judaism in the Bible moralisée, Berkeley 1999, S. 42 und 121f. (siehe auch ebd., S. 172, Anm. 78); Vivian D. Lipman: The Jews of Medieval Norwich, London 1967, Abb. 10; Suzanne Lewis: Tractatus Adversus Judaeos in the Gulbenkian Apocalypse, in: Art Bulletin 68 (1986), 4, S. 543-566, hier S. 550, Nr. 5 (dazu ebd., S. 549) und 556, Nr. 16-18 (dazu ebd., S. 555). 16 Die mit Holzschnitten illustrierte Ausgabe des durch Wolfgang Aytinger kommentierten PseudoMethodius, die Sebastian Brant 1498 herausgab, wurde bis 1576 sieben Mal nachgedruckt; Bernard McGinn: Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle Ages (Records of Civilization 96), New York 1979 (ND New York 1998), S. 271. Zur Rezeption des Pseudo-Methodius im deutschen Raum Christine Stöllinger-Löser: Pseudo-Methodius, in: Burghart Wachinger, Gundolf Keil (Hg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 11, Berlin 22004, Sp. 995-1002, hier Sp. 9981002.

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sam mit seiner roten Armee - in den deutschen Blockbüchern zum Antichrist. 17 Diese Legenden blieben unabhängig von konfessionellen Neigungen bis weit ins Reformationsjahrhundert hinein lebendig. 18

Christliche Wahrnehmung jüdischer Messiaserwartung Es ist nicht verwunderlich, dass die weithin akzeptierte Gleichsetzung des Antichrist mit dem jüdischen Messias, die die christliche Apokalyptik insbesondere in Deutschland für Jahrhunderte charakterisierte, Auswirkungen auf die christliche Wahrnehmung der jüdischen Messiaserwartung hatte, besonders da das Weltende für den vormodernen Menschen nicht bloß ein fernes Phantasiebild war. Die zukünftig zu erwartenden Ereignisse am Ende der Tage waren für ihn eine Realität, die Furcht oder Hoffnung weckte und mit der er von Kindesbeinen an vertraut war. Die Hauptfiguren des Endzeitszenarios wie der Messias/Antichrist und die roten Juden waren in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorstellungswelt wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut.19 Da der jüdische Messianismus die Messianität Jesu explizit negiert, wurde er von Christen grundsätzlich negativ aufgefasst. Die Erwartung eines anderen Messias galt als Blasphemie. Doch stellte die jüdische Weigerung, den Anspruch Jesu anzuerkennen, um stattdessen weiterhin auf die zukünftige Erfüllung der messianischen Hoffnung zu warten, aus christlicher Sicht nicht nur ein theologisches Problem vermeintlicher jüdischer Blindheit und Verstocktheit in der Messiasfrage dar. Der jüdische Messianismus war mit seinem Angriff auf die Grundfeste christlichen Glaubens gleichzeitig ein Angriff auf die gesamte darauf basierende Weltordnung. Namentlich auf Grund der Vorstellung vom jüdischen Antichrist und seiner gefürchteten Schreckensherrschaft wurde die jüdische Erlösungshoffnung gerade im deutschen Sprachraum als eine handfeste Bedrohung der christlichen Gesellschaft verstanden. Tatsächlich nahm der jüdische Messianismus in der deutschen volkssprachlichen Literatur einen wichtigen Platz ein: Er taucht in verschiedenen Textgattungen auf, im traditionellen Genre der jüdisch-christlichen Polemik, in der schönen Literatur

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Siehe Der Antichrist und Die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht, Hamburg 1979; Heinrich T. Musper (Hg.): Der Antichrist und die fünfzehn Zeichen. Faksimile-Ausgabe des einzig erhaltenen chiroxylographischen Blockbuches, München 1970. Siehe außerdem Gow, Jewish Antichrist (s. Anm. 2), S. 269-272. 18 Ebd., S. 252 und 258, Anm. 36. Siehe auch Emmerson, Antichrist in the Middle Ages (s. Anm. 4), S. 204-237, bes. S. 215. Zwar wiesen die bibeltreuen Reformatoren die Existenz der roten Juden zurück, da ihre Rolle nicht aus der heiligen Schrift zu belegen war. Vor allem verlor dieses Feindbild jedoch auf Grund der weitaus realeren Gefahr, die die Türken für die Christen des Abendlandes darstellten, mit der Zeit an Bedeutung. Tatsächlich wandelte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts das Image der roten Juden von Zerstörern der „guten" Christen zu einer Bedrohung der „bösen" Türken bzw. Verbündeten der Christen gegen die Moslems. So verschwanden die roten Juden als die Helfershelfer des jüdischen Antichrist zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus der christlichen Apokalyptik. Vgl. Gow, Red Jews (s. Anm. 1), S. 167-173. 19 Trachtenberg, The Devil and the Jews (s. Anm. 2), S. 37ff.

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wie im „Sachbuch". In Deutschland entwickelte sich die Polemik gegen die jüdische Messiashoffnung in großer Vielfalt und Dynamik und erfuhr besondere Variationen, die in anderen europäischen Ländern entweder gar nicht bekannt oder nicht so stark antijüdisch aufgeladen waren.20 So waren die roten Juden, der Begriff und die Legenden, die sich damit verbanden, ausschließlich im deutschen Sprach- und Kulturraum bekannt.21 Durch die volkstümliche Überlieferung fand die christliche Polemik in der Messiasfrage in Deutschland starke Verbreitung und war in ihren charakteristischen Ausprägungen tief im Denken der Menschen verankert. Der jüdische Messianismus wurde hier zur Projektionsfläche für die schlimmsten christlichen Alpträume. 22 Dies macht einer der bekanntesten deutschen Dichter seiner Zeit, der für eine ausgesprochen antijüdische Einstellung bekannte Hans Folz (1435/40-1513),23 in seinem Spil von dem Herzogen von Burgund 24 unmissverständlich deutlich. Eine Seherin enthüllt Herzog Philipp von Burgund, Sohn Kaiser Maximilians, eine jüdische Verschwörung: Etliche Rabbiner rufen überall im Lande die Ankunft ihres Messias aus, der im Begriff sei, alle Königreiche, weltliche und geistliche Fürstentümer einzunehmen.25 Als der Messias selbst die Bühne betritt, richten sich seine jüdischen Begleiter respektlos an das christliche Publikum: Weicht auß, tret umbe und ruckt von stat! Ir habt lang genug innen gehabt Gewalt, herschaft und regiment, Das nu alles wurd sein end. Wir haben doch so lang geharrt, Piß sich begeben hat ein fart, Das wir auch kumen sein zum prêt, Das ir zwar nit noch gedacht het.

20 Elisheva Carlebach: Die messianische Haltung der deutschen Juden im Spiegel von Glikls Zikhroynes, in: Monika Richarz (Hg.): Die Hamburger Kauffrau Glikl. Jüdische Existenz in der Frühen Neuzeit, Hamburg 2001, S. 238-252, hier S. 248. Siehe zur christlichen Polemik gegen die jüdische Messiashoffnung auch dies.: Divided Souls. Converts from Judaism in Germany, 1500-1750, New Haven 2001, Kap. 4; dies.: The Last Deception. Failed Messiahs and Jewish Conversion in Early Modern German Lands, in: Matt D. Goldish, Richard H. Popkin (Hg.): Millenarianism and Messianism in Early Modern European Culture, Bd. 1 : Jewish Messianism in the Early Modern World (Archives internationales d'histoire des idées 173), Dordrecht 2001, S. 125-138. 21 Gow, Red Jews (s. Anm. 1), S. 69f. 22 Carlebach, Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 249. 23 Siehe Edith Wenzel: Zur Judenproblematik bei Hans Folz, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 101 (1982), S. 79-104. 24 Adelbert von Keller (Hg.): Fastnachtspiele aus dem 15. Jahrhundert, 4 Bde. (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 28-30 und 46), Stuttgart 1853-1858 (ND Darmstadt 1966), Bd. 1, S. 169190, Nr. 20. Das Stück wurde zwischen 1486 und 1494 verfasst; Hanns Fischer: Hans Folz. Altes und Neues zur Geschichte seines Lebens und seiner Schriften, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 95 (1966), S. 212-236, hier S. 225. Vgl. zu dem Theaterstück Carlebach, Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 248f. 25 Von Keller, Fastnachtspiele (s. Anm. 24), S. 171.

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Ir Cristen, do tret an ein ort, Weicht in die winkel da und dort Und laßt uns auch herschen ein weil, Wann er ist nit von hinn ein meil, Hie stet er, der fort wirt regiren, Daran in niemant mer mag geirren. Ir habt gemutwilt lange zeit, Dann ruckt zusamen und macht weit!26 Folz setzt die jüdische Erlösungshoffnung gar mit dem Wunsch nach der Vernichtung der Christenheit gleich. So erklärt der Messias, dessen wahre Identität die Sibylle als die des Antichrist aufgedeckt hat,27 seinen zeitgenössischen Namen „Endchrist" damit, „das ist schlecht davon der sin,/ Das ich ein ent der Cristen bin".28 Als Motiv seines zerstörerischen Wirkens und als die Hauptursache, warum die Juden auf ihn warten, gibt er den Wunsch nach blutiger Vergeltung an: Wir han nu talast ungemach Gehabt wol xiiij.c jar, Und in solicher zeit furwar Gar vil geliden von den Cristen. Ja wann sie dennoch dabei wisten, Was großer fluch, was haß und neit Wir in stet han getragen seit.29 Die christliche Apokalyptik reflektierte und übernahm jüdische Endzeitvorstellungen in antijüdischer Umdeutung. Allein die politische Natur der jüdischen Hoffnung, die Vorstellung von der Wiedererrichtung eines unabhängigen Königreichs Israel unter dem Messias als einem weltlichen Herrscher, bedeutete in christlicher Sicht eine Umkehr der gottgewollten Gesellschaftsordnung. Solche jüdischen Machtgelüste wurden im christlichen Denken mit der befürchteten eschatologischen Rache für Jahrhunderte der Unterdrückung und Erniedrigung verbunden. Für Martin Luther lag in eben diesem Punkt der Unterschied zum christlichen Erlösungsverständnis: Wo die Christen in Jesus, ihrem gewaltlosen Messias, die Vergebung der Sünden und das ewige Leben gefunden hatten, klagten die Juden fur Gott über uns, das wir sie im Elende gefangen halten, Und bitten hefftiglich, das Gott wolt sein heiliges Volck und lieben Kinder von unser gewalt und gefengnis erlösen, ... Nemlich also: Er solle uns Heiden durch jren Messia alle tod schlahen und vertilgen, damit sie aller Welt Land, güter und

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Ebd., S. 171f. "Ebd., S. 173. 28 Ebd. 29 Ebd., S. 179f.

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Herrschafft kriegten. Und hie gehen die Wetter über uns mit fluchen, lestern, speien, das nicht zu sagen ist, Wündschen uns, das Schwert und Kriege, angst und alles unglück über uns verfluchten Gojim kome.30 Der apokalyptische Vergeltungswunsch der Juden wird besonders prominent in Pamphilius Gengenbachs Nollhart (Basel 1517) formuliert:31 Das einzige Verlangen eines jüdischen Charakters ist es, dass Gott den Messias am nächsten Tag schicke, damit er endlich die Unterdrückung der Juden durch die Christen räche.32 In dieser Wahrnehmung der jüdischen Messiaserwartung war ein allgemeiner Wandel der christlichen Vorstellung von Juden wirksam geworden, der mit dem späteren 15. Jahrhundert zunehmend greifbar wird. Das Motiv jüdischen Betrugs und aktiver Täuschung spielte nun eine immer prominentere Rolle. In Bezug auf die jüdische messianische Hoffnung bedeutete dies, dass die Bewertung der Juden als Betrogene, die von ihren falschen Sehnsüchten getäuscht seien, immer stärker von ihrer Darstellung als Betrüger überlagert wurde: 33 Während sich die Juden nach außen als loyale Untertanen gäben, nährten sie in Wirklichkeit einen unerbittlichen Hass auf Christen und Christentum, der besonders in ihrem Messianismus fest verankert sei. Der jüdische Messianismus wurde in der christlichen Wahrnehmung zur letzten Täuschung der Christen und zum Topos jüdischen Betrugs schlechthin. Jetzt galt nicht mehr nur der Antichrist/Pseudo-Messias als Meister der apokalyptischen Verstellung - diese Charaktereigenschaft wurde nun auf das ganze jüdische Volk ausgedehnt. Die jüdische messianische Erwartung wurde als Versuch gewertet, die Christen bewusst zu hintergehen: Die Verirrung der Juden bezüglich der Identität des Messias sei nicht unschuldig und einzig zu ihrem eigenen Schaden. Im Gegenteil sei der jüdische Messianismus, da er sich auf den Antichrist richte, seinem Wesen nach subversiv, eine groß angelegte Verschwörung mit dem Ziel der Vernichtung der Christenheit.34 Das 16. Jahrhundert bot im deutschen Raum hinsichtlich der christlichen Wahrnehmung des jüdischen Messianismus auch aus anderen Gründen eine veränderte Situation. Nicht nur erhielt die Polemik zur Messiasfrage durch die zeitliche Parallelität der apokalyptischen Erwartungen unter Juden und Christen und ihre viel-

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Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen, Wittenberg 1543 (D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe [Weimarer Ausgabe], 65 Bde., Weimar 1883-1993, Bd. 53, S. 412-552, hier S. 519f.). Vgl. Shlomo Eidelberg: A Passage in Martin Luther's Writing Regarding Maimonides' Description of the Messianic Age (hebr.), in: ders.: Medieval Ashkenazic History. Studies on European Jewry, Bd. 2: Hebrew Essays (hebr.), Brooklyn 2000, S. 98-101. 31 Eine weitere Ausgabe erschien in demselben Jahr in Augsburg u.d.T.: Dieprophecien sancii Methodii und Nollhardi. 32 Pamphilius Gengenbach: Der Nollhart, bearb. von Violanta Werren-Uffer (Schweizer Texte 1), Bern 1977, S. 79 und 81. Das Stück beinhaltet ferner eine klassische Beschreibung des jüdischen Antichrist; ebd., S. 78f. 33 Siehe Elisheva Carlebach: Jews, Christians and the Endtime in Early Modern Germany, in: Jewish History 14 (2000), 3, S. 331-344, hier S. 333ff, mit weiterführenden Literaturangaben. 34 Ebd., S. 334f.

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fáltigen Berührungen zusätzliche Schärfe und Brisanz. 35 Durch den Druck von Texten in der Landessprache wurden außerdem neue Leserkreise erschlossen, so dass auch die Diskussion über die Messiasfrage ein breiteres Publikum als zuvor erreichte. Eine weitere wichtige Neuerung jenes Jahrhunderts bestand darin, dass es nicht mehr wie in der antijüdischen Polemik des Mittelalters vorrangig um den Beweis ging, dass Jesus der Messias sei und die Juden unnötig auf einen anderen warteten. In der Frühneuzeit wurde der jüdische Messianismus als solcher, seine aktuellen Ausprägungen und eben auch die Gefahr, die er darstellte, Gegenstand der Betrachtung. 36 Dies hing eng mit einem neuen literarischen Genre zusammen, das sich im 16. Jahrhundert in Deutschland entwickelte, den so genannten „Ethnographien" von Juden und Judentum, polemischen Beschreibungen zeitgenössischen jüdischen Lebens. 37 Anstelle der überzeitlichen Diskussion bestimmter Texte stand in den Ethnographien, die zunächst federführend von Konvertiten zum Christentum verfasst wurden, die Kritik an den Grundlagen des jüdischen Lebens und der Praxis der zeitgenössischen Juden im Vordergrund. Das Studium des Judentums wich der Beobachtung der Juden und ihres Verhaltens. Die Wahrnehmung basierte also nicht mehr auf literarischen Stereotypen oder der theoretischen Kenntnis aus Texten, sondern auf dem - wenn auch mitunter verzerrten - Wissen aus erster Hand.38 Auf

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Vgl. ebd., S. 331. Zum Beziehungsgeflecht und zur wechselseitigen Beeinflussung und Interaktion jüdischer und christlicher Endzeiterwartung in Deutschland Rebekka Voß: Umstrittene Erlöser. Politik, Ideologie und jüdisch-christlicher Messianismus in Deutschland, 1500-1600 (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur 11), Göttingen 2010 (in Vorbereitung). Allgemein zum jüdischen Messianismus im 16. Jahrhundert siehe Überblick und Quellensammlung von Aaron Ζ. Aescoly: Jewish Messianic Movements. Sources and Documents on Messianism in Jewish History from the Bar-Kokhba Revolt until Recent Times in 2 Vols., Bd. 1: From the Bar-Kokhba Revolt until the Expulsion of the Jews from Spain (hebr.) [mehr nicht erschienen], Jerusalem 21987, Kap. 6; Harris Lenowitz: The Jewish Messiahs. From the Galilee to Crown Heights, New York 1998, Kap. 5-6; Abba H. Silver: A History of Messianic Speculation in Israel. From the First through the Seventeenth Centuries, New York 1927 (ND Whitefish 2003), Kap. 6-7. Einen Überblick zum christlichen Chiliasmus im 16. Jahrhundert bietet Richard Bauckham: Chiliasmus IV. Reformation, in: Gerhard Krause u. a. (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, 36 Bde., Berlin 1976-2006, Bd. 7, S. 737-745. Siehe außerdem die Beiträge in Bernard McGinn, John J. Collins, Stephen J. Stein (Hg.): Encyclopedia of Apocalypticism, 3 Bde., New York 32000 (ND New York 2003), Bd. 2, und in Richard Popkin u. a. (Hg.): Millenarianism and Messianism in Early Modern European Culture, 4 Bde. (Archives Internationales d'Histoire des Idées 173-176), Dordrecht 2001. 36 Vgl. Nils Roemer: Colliding Visions. Jewish Messianism and German Scholarship in the Eighteenth Century, in: Allison P. Coudert, Jeffrey S. Shoulson (Hg.): Hebraica Veritas? Christian Hebraists and the Study of Judaism in Early Modern Europe, Philadelphia, PA 2004, S. 266-285, hier S. 267. 37 Zu diesem Genre siehe Yaacov Deutsch: Von der luden Ceremonien. Representations of Jews in Sixteenth-Century Germany, in: Dean P. Bell, Stephen G. Burnett (Hg.): Jews, Judaism, and the Reformation in Sixteenth-Century Germany (Studies in Central European Histories 37), Leiden 2006, S. 335-356; ders.: Judaism in Christian Eyes. "Ethnographic" Descriptions of Judaism in the Writings of Christian Scholars in Western Europe from the Sixteenth to the Middle of the Eighteenth Century (hebr.), Diss, masch, Jerusalem 2004; Maria Diemling: „Christliche Ethnographien" über Juden und Judentum in der Frühen Neuzeit. Die Konvertiten Victor von Carben und Anthonius Margaritha und ihre Darstellung jüdischen Lebens und jüdischer Religion, Diss, masch., Wien 1999, S. 10-16. 38 Im Allgemeinen sind die Informationen der Konvertiten verlässlich und finden Bestätigung in unterschiedlichen hebräischen Quellen der Zeit. Diese methodische Prämisse legen ihrem Umgang mit Konvertitenquellen zugrunde z. B. Elisheva Carlebach: The Anti-Christian Element in Early Modem Yiddish Culture (Braun Lectures in the History of the Jews in Prussia 10), Ramat Gan 2003, S. 15 und

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Grund ihrer Nähe zum realen Leben waren diese neuen „Enthüllungsbücher" für die jüdische Gemeinschaft besonders bedrohlich, zumal da sie fast ausschließlich auf Deutsch geschrieben waren, so dass ihre Rezeption sich nicht auf den Gelehrtendiskurs beschränkte. In den Ethnographien wurde insbesondere der jüdische Hass auf die Christen hervorgehoben, der sich tatsächlich gerade auch in dem eschatologischen Konzept ihrer Vernichtung konzentrierte.39 So führte einer der christlichen Ethnographen, der Frankfurter Orientalist Johann Jakob Schudt, zu Beginn des 18. Jahrhunderts den Prototyp des falschen Messias, Bar Kochba (132-135 n. Chr.),40 als Sinnbild für den vermeintlichen jüdischen Blutdurst an: „Es würdens uns wohl die Juden/ wo sie die Oberhand hätten/ aus Blutdürstigkeit machen/ wie zur Zeit ihres falschen Meßia Bar Cochba, da sie sonderlich die Christen verfolget". Als warnendes Beispiel brachte Schudt die Revolte gegen die Römer der Jahre 115-117, die ebenfalls messianische Untertöne gehabt hatte: „Ja die Juden haben damahls zur Zeit Trajani unter ihrem Obristen Andrea viel 1000. vom Volck ermordet/ dero Fleisch gefressen/ ihre Häute getragen/ und mit ihren noch blutenden Därmen sich umgürtet".41 Nicht zuletzt auf Grund des Konzepts der Vergeltung, das die jüdische Erlösungserwartung zum Verbrechen, zum Verrat an der christlichen Herrschaft, stilisierte, stellten diese Schriften den sozialen und politischen Status der Juden im Reich ausdrücklich in Frage und gefährdeten damit die ohnehin prekäre Existenz der jüdischen Gemeinden. 4 Es ist also kaum verwunderlich, dass die in engem Zusammenhang mit der Auffassung vom jüdischen Antichrist stehende Wahrnehmung des jüdischen Messianismus praktische politische und soziale Auswirkungen für die Juden

17; Deutsch, Von der luden Ceremonien (s. Anm. 37), S. 339; Maria Diemling: Anthonius Margaritha and his „Der Gantz Jüdisch Glaub", in: Bell, Burnett: Jews, Judaism, and the Reformation (s. Anm. 37), S. 303-333, hier S. 327. 39 Vgl. ebd., passim; Deutsch, Von der luden Ceremonien, passim (s. Anm. 37). Zum Vergeltungsgedanken, der die jüdische Erlösungshofftaung in Deutschland prägte („Rache-Erlösung"), siehe Yuval, Zwei Völker in deinem Leib (s. Anm. 12), Kap. III. 1. 40 Zu Bar Kochba allgemein Peter Schäfer: Der Bar Kokhba Aufstand. Studien zum zweiten jüdischen Krieg gegen Rom (Texte und Studien zum antiken Judentum 1), Tübingen 1981; ders. (Hg.): The Bar Kokhba War Reconsidered. New Perspectives on the Second Revolt against Rome (Texts and Studies in Ancient Judaim 100), Tübingen 2003; Yigal Yadin: Bar-Kokhba. The Rediscovery of the Legendary Hero of the Second Jewish Revolt Against Rome, New York 1971. Speziell als messianische Revolte Aescoly, Jewish Messianic Movements (s. Anm. 35), Kap. 2; Lenowitz, Jewish Messiahs (s. Anm. 35), S. 25-29. 41 Johann Jakob Schudt: Jüdische Merckwürdigkeiten. Vorstellende Was sich Curieuses und denckwürdiges in den neuem Zeiten bey einigen Jahr=hunderten mit denen in alle IV. Theile der Welt/ sonderlich durch Teutschland/ zerstreuten Juden zugetragen. [...], Frankfurt 1714—1718 (ND Berlin 1922), Teil 2, Buch 6, Kap. 17, S. 298. Siehe zu dem Werk Yaacov Deutsch: Johann Jacob Schudt. Der erste Ethnograph der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main, in: Fritz Backhaus u. a. (Hg.): Die Frankfurter Judengasse. Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. 2006, S. 67-76. 42 Die judenfeindlichen Forderungen Antonius Margarithas fanden Resonanz auf höchster politischer Ebene und wurden auf kaiserliche Anordnung auf dem Augsburger Reichstag von 1530 diskutiert. Dazu Diemling, Antonius Margaritha (s. Anm. 38), S. 305f. Siehe auch Selma Stern: Josel von Rosheim. Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, Stuttgart 1959, S. 99ff.

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im Reich hatte und die Angst vor der jüdischen Messiaserwartung konkrete Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren, die damit angeblich verbunden waren, legitimieren konnte.43

Auswirkungen auf den jüdischen Messianismus Die negative christliche Wahrnehmung der jüdischen Messiashoffnung und die daraus resultierenden Handlungsmuster hatten bedeutende Rückwirkungen auf die Art und Weise, in der die jüdische Endzeiterwartung im deutschen Raum ihren Ausdruck fand.44 Denn die Juden wussten um die Konsequenzen ihrer Erlösungshoffnung für die Beziehung zu ihrer christlichen Umwelt. 45 Schon im Talmud werden im Wissen um die destruktive Kraft der enttäuschten Erlösungshoffhung die Berechnung des Weltendes und politisch-revolutionäre Versuche der Herbeiführung des Messias abgelehnt.46 Angesichts der durch die Dominanz des Christentums bestimmten Situation lag es im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa zweifellos nahe, diese traditionelle Haltung zu übernehmen.47 Aus Angst, Aufsehen bei den Christen zu erregen, war man nach außen auf einen eher vorsichtigen Ausdruck messianischer Erwartung bedacht.48 So riet die Moralschrift Sefer Chassidim (Buch der Frommen) dem Leser im 13. Jahrhundert, sich vorzusehen, wenn

43 Siehe Yuval, Zwei Völker in deinem Leib (s. Anm. 12), Kap. VI. Yuval, ebd., Kap. IV, bes. 5.3, bringt gar das Aufkommen des Ritualmordvorwurfs mit der christlichen Wahrnehmung jüdischer Messiaserwartung in Verbindung. Zum Synchronismus jüdischer Hoffnung und christlicher Angst im 16. Jahrhundert siehe Voß, Umstrittene Erlöser (s. Anm. 35). 44 Siehe ebd., passim. Vgl. Carlebach, Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 250; dies.: The Sabbatian Posture of German Jewry, in: Rachel Elior (Hg.): The Sabbatian Movement and Its Aftermath. Messianism, Sabbatianism and Frankism (hebr.), 2 Bde. (Jerusalem Studies in Jewish Thought 16-17), Jerusalem 2001, Bd. 2, S. 1-30, (engl. Teil), hier S. 25 und 28f., und Yuval: Zwei Völker in deinem Leib (s. Anm. 12), S. 273 und 286. 45 Dass der christliche Diskurs über die jüdische Messiashoffnung von den Juden rezipiert wurde, ist belegt. So berichtet der Konvertit Daniel Jacob Bon: „Bevorab zu der Zeit/ da man wegen der Ankunfft des von den Juden schmertzlichst/ bißher aber gantz vergeblich verlangten Messiae in fremden Landen/ mancherley münd= und schrifftliche Zeitungen ausgestreuet/ welche aber nach und nach für gantz falsch/ erdichtet und erlogen befunden/ und unsere darob in allzugrosser Leichtgläubigkeit geschöpffte Freude verlohren/ ja in eine allgemeine Verspottunge verwandelt worden"; Wolgemeintes Sendschreiben/ [...] Darin [...] die Ursach meines Abtrits vom Jüdenthum samt dem gantzen Verlauff meiner Bekehrung zum Christenthum/ [...] zur Nachfolge fürgestellet wird, Nordhausen 1694, S. 3. Vgl. Carlebach, Last Deception (s. Anm. 20), S. 133. Vgl. auch Gershom Scholem: Sabbatai Zwi. Der mystische Messias, Frankfurt a. M. 1992, S. 539. 46 Vgl. z. B. Babylonischer Talmud, Traktat Sanhédrin, fol. 97b und Traktat Ketubot, fol. 110a. Dazu Peter Schäfer: Studien zur Geschichte und Theologie des rabbinischen Judentums (Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums 15), Leiden 1978, S. 225, 228, 230 und 234. 47 Vgl. Scholem, Sabbatai Zwi (s. Anm. 45), S. 562ff, 572, 574f., 641f. und 847 mit Anm. 205. 48 Wenn sich Beispiele der Ablehnung eines aktiven Messianismus eher unter der Elite finden, folgt daraus nicht umgekehrt, dass messianische Bewegungen nur im Volk entstanden seien. Besonders Scholem hat einen Gegensatz zwischen messianischen Bewegungen und der rabbinischen Elite vertreten; vgl. z. B. in: Die Krise der Tradition im jüdischen Messianismus, in: Eranos Jahrbuch 39 (1970), S. 9-44; ders.: Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum, in: ders.: Judaica, Bd. 1, Frankfurt a. M.

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jemand über den Messias prophezeit [...], dass es aller Welt offenbar werde. Und am Ende wird er vor aller Welt zu Schanden und Schmach [...]. Und über diesen Ort wird irgendein Unglück kommen wegen dieses Beschwö49 rers. Obwohl dies allgemein als Leitlinie galt,50 ist die Dichotomie zwischen einem tiefen inneren Glauben an die baldige Erlösung und einer eher distanzierten Haltung in der Öffentlichkeit besonders unter den deutschen Juden erkennbar.51 So brachten in Hamburg die Sefarden ihre Begeisterung über den Messias Schabtai Zvi mit Feiern in der Synagoge für jederman sichtbar zum Ausdruck. Die Aschkenasen hingegen, die die feindliche christliche Haltung zu ihrem Messianismus über Generationen hinweg verinnerlicht hatten, stellten ihre Überzeugungen weniger demonstrativ zur Schau.

Jüdische Selbstzensur Solche Vorsicht angesichts der christlichen Wahrnehmung brachte eine jüdische Selbstzensur in der Überlieferung messianischer Traditionen mit sich.52 In einer kleinen handschriftlichen hebräischen Erzählsammlung des späten 15. Jahrhunderts aus dem italienischen Senigallia ist folgende Geschichte überliefert: Zur Zeit der Pestverfolgung von 1349 erhoben sich die Wormser Bürger gegen die Juden. Plötzlich erschien jedoch eine Marmorsäule auf dem jüdischen Friedhof, wuchs zum Schrecken der christlichen Peiniger hoch wie ein Turm in den Himmel und neigte sich drohend gegen die Stadt. Die Christen zogen sich zurück und die Juden waren gerettet. Zur Warnung blieb die Säule noch einige Tage stehen und schrumpfte erst, nachdem wieder völlige Ruhe herrschte. Noch heute stehe sie, etwa zwei Ellen hoch, auf dem Wormser jüdischen Friedhof.53 Die apokalyptische Dimension der Wormser Wundergeschichte, die offenbar im Verborgenen tradiert wurde, enthüllte christlichen Augen zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine ethnographische Schrift des Konvertiten Johannes Pfefferkorn: Die legendäre Säule messe die Zeit, die bis zur An-

1963, S. 7-74. Für ein nuancierteres Bild des rabbinischen Establishments siehe z. B. Elisheva Carlebach: The Pursuit of Heresy. Rabbi Moses Hagiz and the Sabbatian Controversies, New York 1990. 49 Juda b. Samuel he-Chassid: Das Buch der Frommen nach der Rezension in Cod. de Rossi No. 1033 (hebr.), hg. von Jehuda Wistinetzki, Berlin 1891 (ND Jerusalem 1998), S. 76f., Nr. 212. Vgl. Yuval, Zwei Völker in deinem Leib (s. Anm. 12), S. 274ff.; Carlebach, Sabbatian Posture (s. Anm. 44), S. 21; Gerold Necker: „Brennende Landschaft der Erlösung". Jüdische Mystik und Messiashoffnung in Mitteleuropa (1200-1500), in: Eveline Brugger, Martha Keil (Hg.): Die Wehen des Messias. Zeitenwenden in der jüdischen Geschichte, Berlin 2001, S. 47-66, hier S. 50f. 50 Vgl. Scholem, Sabbatai Zwi (s. Anm. 45), S. 847 mit Anm. 205, 562ff„ 572, 574f. und 641f. 51 Carlebach, Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 239. 52 Die allgemeine Literatur zur jüdischen Selbstzensur ist umfangreich. Siehe zu dem Thema stellvertretend William Popper: The Censorship of Hebrew Books, o. O. 1899 (ND Hoboken, NJ 1969), s. v. self-censorship; Meir Benayahu: Copyright, Authorization and Imprimatour for Hebrew Books Printed in Venice (hebr.), Jerusalem 1971, S. 81 und 195. 53 Gedruckt bei Abraham David: Tales Concerning Persecutions in Medieval Germany (hebr.), in: Zvi Malachi (Hg.): Papers on Medieval Hebrew Literature. Presented to A. M. Habermann on the Occasion of His 75th Birthday (hebr.), Jerusalem 1977, S. 69-83, Nr. 6.

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kunft des Messias noch vergehen werde. Täglich versinke sie etwas mehr, bis sie schließlich am Tag der Erlösung ganz in der Erde verschwunden sein werde.54 Hatte die Säule den christlichen Verfolgern von Worms zur Zeit des Schwarzen Todes nur gedroht, so wusste der christliche Leser, dass mit der Ankunft des jüdischen Messias furchtbare Rache über die Christenheit hereinbrechen würde. Die Sensibilität der Juden in Deutschland in messianischen Angelegenheiten schlug sich auch in der Art und Weise nieder, wie über Episoden von messianischem Aktivismus berichtet wurde.55 Im Gegensatz zu ihren Kollegen in muslimischen Ländern oder in der geistig offeneren Atmosphäre Italiens waren die jüdischen Chronisten, die innerhalb der christlichen Gesellschaft des Alten Reiches lebten, in ihrer Darstellung zumeist sehr darauf bedacht, eine „gereinigte Fassung" der Ereignisse vorzutragen. Ihre lakonischen Berichte verschleiern und minimieren das apokalyptische Element oder verschweigen es sogar ganz. Sehr aufschlussreich ist der Vergleich der Darstellungen der messianischen Bewegung David Re'uvenis und Salomo Molchos. 56 Re'uveni trat 1523 zunächst in Nordafrika und im Nahen Osten, später in Europa mit der Behauptung auf, ein Abgesandter der verlorenen zehn Stämme Israaels zu sein. Seine Mission, das Heilige Land von den Türken zu befreien, ließ die jüdische Hoffnung einer baldigen Rückkehr nach Jerusalem wachsen und fand sogar die Unterstützung der mächtigsten europäischen Herrscher. In Portugal wurde der Converso Diogo Pires auf ihn aufmerksam, der sodann zum Judentum zurückkehrte und unter dem Namen Salomo Molcho ebenfalls messianische Aktivität entwickelte, zunächst allein, später gemeinsam mit Re'uveni. 1532 endete die jüdische messianische Bewegung in Regensburg mit der Verhaftung und anschließenden Hinrichtung der beiden.5 In mehreren Chroniken sefardischer Juden aus dem 16. und 17. Jahrhundert wird darüber ausführlich berichtet. So erzählt Josef Sambari aus Ägypten, der im 17. Jahrhundert die älteren Berichte von Josef ha-Kohen und Gedalja ibn Jachja58 aus Italien miteinander verband, von Molcho, in dem viele Juden den Messias sahen, und von seinem Propheten Re'uveni, der in den endzeitlichen Kriegen die Armee

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Johannes Pfefferkorn: In Lob und eer dem Allerdurchleuchtigsten Großmechtigsten Fürsten vnd heren hern Maximilian [...] Romschen kaysers [...], Köln 1509, fol. 12r-v (eigene Paginierung). Zu Pfefferkorns Leben und Werk siehe Hans-Martin Kirn: Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen 16. Jahrhunderts dargestellt an den Schriften Johannes Pfefferkorns, Tübingen 1989; Ellen Martin: Die deutschen Schriften des Johannes Pfefferkorn. Zum Problem des Judenhasses und der Intoleranz in der Zeit der Vorreformation (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 604), Göppingen 1994. 55 Das hat Carlebach anhand der Darstellungen der messianischen Bewegungen des 16. Jahrhunderts in der zeitgenössischen jüdischen Geschichtsschreibung gezeigt; Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 241-246. 56 Für einen Überblick siehe Miriam Eliav-Feldon: Invented Identities. Credulity in the Age of Prophecy and Exploration, in: Journal of Early Modern History 3 (1999), 3, S. 203-232, hier S. 209 218; Lenowitz, Jewish Messiahs (s. Anm. 35), S. 103-123; Silver, Messianic Speculation (s. Anm. 35), S. 145-150. Die Standardstudie ist immer noch die umfangreich kommentierte und eingeleitete hebräische Quellensammlung von Aaron Ζ. Aescoly: The Story of David Hareuveni. Copied from the Oxford Manuscript (hebr.), Jerusalem 21993, worüber sich auch die ältere Literatur erschließen lässt. Darauf basierend ders., Messianic Movements (s. Anm. 35), S. 273-301 und 357-436. 57 Dazu im Folgenden. 58 Vgl. die Quellentexte in Aescoly, Messianic Movements (s. Anm. 35), S. 424ff. und 430.

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Gottes in den Kampf führen wollte.59 Aschkenasische Chroniken erweisen sich hingegen viel reservierter. So erwähnt eine hebräische Chronik von 1615 aus Prag weder den Namen Re'uvenis noch Molchos; sie deutet in einem einzigen Satz lediglich die Gerüchte von den Rettern aus der Mitte der zehn Stämme an, die 1523 im Zusammenhang mit Re'uvenis Auftauchen kursierten.60 Josel von Rosheim nennt allein Molcho in seinem Chronikeintrag zwar namentlich, jedoch wird unterschlagen, dass sein Besuch in Regensburg 1532 ein klares messianisches Ziel verfolgte und auch unter den Juden in Deutschland eine nachhaltige messianische Begeisterung auslöste: Es kam jener Mann, der eine fremde Sprache sprach, ein gerechter Konvertit namens Rabbi Salomo Molka (sie!), er möge in Frieden ruhen, mit fremden Ideen, um die Aufmerksamkeit des Kaisers durch die Aussage zu wecken, er sei gekommen, um alle Juden zum Kampf gegen die Türken aufzurufen. 61 Da Re'uvenis und Molchos Wirken den Zeitgenossen bekannt war und reichhaltig dokumentiert wurde (vielleicht hatte Josel die beiden in Deutschland sogar selbst getroffen), hat Josel diese essentiellen Details bewusst schweigend übergangen, um die messianischen Vorstellungen und Erwartungen seiner Glaubensgenossen nicht schriftlich darzulegen.62 Auch aus David Gans' Darstellung in Zemah David (Spross Davids, Prag 1592) geht der messianische Charakter von Molchos und Re'uvenis Wirken nicht hervor. Gans beschreibt Molcho als gelehrten Mystiker und stellt die Treffen mit europäischen Herrschern als Missionsversuche dar. 3 Die zurückhaltende Reaktion der deutschen Juden bedeutet jedoch nicht, dass sie weniger stark an messianische Neuigkeiten glaubten.64 Den Manifestationen einer akuten apokalyptischen Erwartung und eines aktiven Messianismus in Deutschland

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Yosef b. Yitzhak Sambari: Sefer divrei Yosef. Eleven Hundred Years of Jewish History Under Muslim Rule. The Full Text Edited on the Basis of Manuscripts and Early Printed Editions and Annotated by Shimon Shtober (hebr.), Jerusalem 1994, S. 293-302. Vgl. Carlebach, Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 244. 60 Abraham David (Hg.): A Hebrew Chronicle from Prague, c. 1615, Tuscaloosa, AL 1993, S. 27. 61 Chava Fraenkel-Goldschmidt (Hg.): Joseph of Rosheim. Historical Writings. Edited with Introduction, Translation and Indices (hebr.), Jerusalem 1996, S. 296, Nr. 17. 62 Vgl. Carlebach, Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 244. 63 David Gans: Zemah David. A Chronicle of Jewish and World History (Prague 1592) (hebr.), hg. von Mordechai Breuer, Jerusalem 1983, S. 138f. Vgl. Carlebach, Messianische Haltung (s. Anm. 20), S. 245. 64 Bis heute gilt die messianische Haltung der Aschkenasen zu unrecht weithin als passiv im Gegensatz zum vermeintlich aktiveren Messianismus der Sefarden; Gerson D. Cohen: Messianic Postures of Ashkenazim and Sephardim, in: Marc Saperstein (Hg.): Essential Papers on Messianic Movements and Personalities in Jewish History (Essential Papers on Jewish Studies 6), New York 1992, S. 202-233, hier S. 219. Daran v. a. die Kritik von Elisheva Carlebach: Between History and Hope. Jewish Messianism between Ashkenaz and Sepharad. Annual Lecture of the Selmanowitz Chair of Jewish History, May 17, 1998, New York 1998. Siehe auch dies., Messianische Haltung (s. Anm. 20).

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muss vielmehr großes Gewicht beigemessen werden.65 Denn der Messianismus in Aschkenas bewegte sich in dem begrenzten Spielraum, den ihm die christliche Wahrnehmung abgesteckt hatte.

Praktische Gefahrenabwehr Die tief greifenden Auswirkungen, die die judenfeindliche christliche Apokalyptik auf den Ausdruck der jüdischen Messiashoffnung in Deutschland hatte, veranschaulichen in eindrucksvoller Weise Ereignisse in Süddeutschland in den Jahren 1530 und 1532. War die Reformationszeit für Juden wie Christen im Allgemeinen eine Hochphase endzeitlicher Erwartung,66 so scheint die jüdische Messiashoffnung in Schwaben in der zweiten Hälfte des Jahres 1529 neue Nahrung bekommen zu haben. Seit dem Vorjahr hatte der Augsburger Täufer Augustin Bader über die große „Veränderung" gepredigt, die Ostern 1530 mit dem Jüngsten Gericht eintreten werde.67 Er hoffte, dass seine Lehre besonders unter den Juden zahlreiche Anhänger finden würde,68 und begann im November 1529 gezielt, Kontakt zu Juden in

65 Zum jüdischen Messianismus in Deutschland im 16. Jahrhundert erstmals im Detail Voß, Umstrittene Erlöser (s. Anm. 35). Zum Sabbatianismus unter den deutschen Juden Scholem, Sabbatai Zwi (s. Anm. 45), S. 645ff.; Carlebach, Divided Souls (s. Anm. 20), S. 76-85. Zum Mittelalter dies., Sabbatian Posture (s. Anm. 44), S. 20-24; Yuval, Zwei Völker in deinem Leib (s. Anm. 12), bes. Kap. IV und VI; ders., Kabbalisten, Ketzer und Polemiker. Das kulturelle Umfeld des Sefer ha-Nizzachon von Lipman Mühlhausen, in: Karl E. Grözinger, Joseph Dan (Hg.): Mysticism, Magic and Kabbalah in Ashkenazi Judaism, Berlin 1995, S. 155-171; Israel Yuval: Magie und Kabbala unter den Juden im Deutschland des ausgehenden Mittelalters, in: Karl E. Grözinger (Hg.): Judentum im deutschen Sprachraum, Frankfurt a. M. 1991, S. 173-189; Ruth Gladstein: Eschatological Trends in Bohemian Jewry during the Hussite Period, in: Ann Williams (Hg.): Prophecy and Millenarianism. Essays in Honour of Maqorie Reeves, Harlow 1980, S. 239-256. 66 Zu Luthers Endzeiterwartungen Hans-Ulrich Hofmann: Luther und die Johannes-Apokalypse. Dargestellt im Rahmen der Auslegungsgeschichte des letzten Buches der Bibel und im Zusammenhang der theologischen Entwicklung des Reformators, Tübingen 1982. Zum apokalyptischen Einfluss des Luthertums Robin B. Barnes: Prophecy and Gnosis. Apocalypticism in the Wake of the Lutheran Reformation, Stanford 1988; Volker Leppin: Antichrist und Jüngster Tag. Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum 1548-1618 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 69), Gütersloh 1999. Siehe zum Millenarismus des linken Flügels der Reformation den Überblick von Walter Ciaassen: Living at the End of the Ages. Apocalyptic Expectation in the Radical Reformation, Lanham, MD 1992; Günther List: Chiliastische Utopie und radikale Reformation. Die Erneuerung der Idee vom Tausendjährigen Reich im 16. Jahrhundert, München 1973. Siehe auch George H. Williams: The Radical Reformation (Sixteenth-Century Essays and Studies 15), Kirksville 32000. Zu jüdischen messianischen Hoffnungen, die mit der Reformation verknüpft wurden, Haim H. Ben-Sasson: The Reformation in Contemporary Jewish Eyes, in: Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities 4 (1970), 12, S. 239-326, hier S. 257-270 und 313ff. 67 Zu Baders Leben und Wirken jetzt erstmals umfassend Anselm Schubert: Täufertum und Kabbalah. Augustin Bader und die Grenzen der Radikalen Reformation (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 81), Gütersloh 2008. Einen Überblick über Bader bietet auch Werner O. Packull: Mysticism and the Early South German-Austrian Anabaptist Movement 1525-1531 (Studies in Anabaptist and Mennonite History 19), Scottsdale 1977, S. 130-138. 68 So Baders eigene Aussage in dem Prozess, der bald gegen ihn geführt werden sollte (siehe im Folgenden); vgl. Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67). Die Prozessakten sind ediert bei

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Vorderösterreich zwischen Lech und Donau, Ulm und Augsburg aufzunehmen. 69 Nach Baders eigener Aussage hätten die, denen er seine Lehre vorgestellt habe, großes Interesse gezeigt und ihn darin bestärkt. Einer sei so begeistert von seiner Botschaft der bevorstehenden Veränderung gewesen, dass er sich der Täufergruppe habe anschließen wollen. 70 Baders Frau Sabina soll sogar von einer großen messianischen Erregung gesprochen haben, die ihr Mann unter den schwäbischen Juden ausgelöst habe: „Zu hand weren sie nachgeloffen vnd grosse ere empotten vnd gestrichen, er were der reht vnd sollte mer mit im reden".71 Obgleich Sabina die jüdischen Reaktionen übertrieben haben mag, ist anzunehmen, dass das Wirken des christlichen Propheten von den Juden in der Tat grundsätzlich positiv aufgenommen wurde und ein Grund für sie war, auf die baldige Ankunft des Messias zu hoffen. 72 Während allein die Gesprächsbereitschaft der Juden an sich bemerkenswert ist, legt außerdem die Nähe von Baders Lehre zur jüdischen Apokalyptik nahe, dass ihr geschildertes Interesse, mehr darüber zu erfahren, der Wirklichkeit entsprach. Schließlich bestätigte der Christ Bader die jüdische Erwartung des Anbruchs der Endzeit für das Jahr 1530, 73 die er selbst von Wormser Juden übernommen hatte.74 Hinzu kam, dass wesentliche Elemente von Baders apo-

Gustav Bossert: Augustin Bader von Augsburg, der Prophet und König und seine Genossen, nach den Prozeßakten von 1530, in: Archiv für Reformationsgeschichte 10 (1912/13), S. 117-165, 209-241 und 297-349, hier S. 45 und 132; 11 (1914), S. 19-64, 103-133 und 176-199, hier S. 46. Ebenfalls abgedruckt in ders. (Hg.): Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, Bd. 1: Herzogtum Württemberg (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 13), Leipzig 1930, S. 921-988. Ein kommentierter Teilabdruck der Urgichten auch in Adolf Laube (Hg.): Flugschriften vom Bauernkrieg zum Täuferreich (1526-1535), 2 Bde., Berlin 1992, Bd. 2, S. 984-996. Die Verhöraussagen sind im Fall dieses Prozesses nicht von der Anklage beeinflusst, da die Beklagten den Gerichtssaal offenbar als ein Forum verstanden, der Welt ihre apokalyptische Botschaft zu verkünden, und dementsprechend unbekümmert ihre Vorstellungen darlegten; vgl. Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67). 69 Jenes ländliche Gebiet war für die Juden nach ihrer Vertreibung aus fast allen deutschen Reichsstädten im Spätmittelalter - zuletzt 1519 aus Regensburg - zu einem wichtigen Rückzugsraum geworden. Hier lebten sie verstreut in kleineren Gemeinschaften und vereinzelt in Dörfern, Marktflecken und Landstädten. Zu dem siedlungsgeschichtlichen Umbruch siehe die Veröffentlichungen von Stefan Rohrbacher, zuletzt Die jüdischen Gemeinden in den Medinot Aschkenas zwischen Spätmittelalter und Dreißigjährigem Krieg, in: Christoph Cluse, Alfred Haverkamp, Israel J. Yuval (Hg.): Jüdische Gemeinden und ihr christlicher Kontext in kulturräumlich vergleichender Betrachtung, von der Spätantike bis zum 18. Jahrhundert (Forschungen zur Geschichte der Juden A 13), Hannover 2003, S. 451^463. 70 Bossert, Augustin Bader von Augsburg (11) (s. Anm. 68), S. 45f. und 59. Siehe auch ebd., S. 131. 71 Ebd., S. 42. 72 Vgl. auch ebd. (10), S. 213f. und Stern, Josel von Rosheim (s. Anm. 42), S. 82. Dagegen Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67). Erstmals zur Bedeutung Baders für die jüdische Geschichtsschreibung Voß, Umstrittene Erlöser (s. Anm. 35), Kap. 4.3. 73 Diesem Jahr maßen z. B. Abraham ha-Lewi (Silver, Messianic Speculation (s. Anm. 35), S. 131) und Salomo Molcho (Moshe Idei: Messianic Mystics, New Haven 1998, S. 149) messianische Bedeutung bei. Isaak Abravanel hatte 5291 (1530/31) als ein mögliches Datum der Ankunft des Messias errechnet (Benzion Netanyahu: Don Isaac Abravanel. Statesman and Philosopher, Ithaca 5 1998, S. 225Í). 74 Baders Lehrer und wichtigster Gefolgsmann Oswald Leber war in der jüdischen Gemeinde zu Worms mit dieser Endzeitberechnung vertraut gemacht worden und hatte sie an Bader weitergegeben; Bossert, Augustin Bader von Augsburg (11) (s. Anm. 68), S. 46. Vgl. ebd., S. 128. Zu Leber siehe Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67).

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kalyptischem Szenario mit jüdischen Traditionen korrespondierten,75 wie die Teilhabe der Juden an der messianischen Zeit, von der Bader ausging. 76 Auch seine Erwartung, dass die Herrschaft der weltlichen und kirchlichen Obrigkeit mit Hilfe der Türken, die 1529 vor Wien standen, als „Zuchtrute des Herrn"77 vernichtet würde, schien die jüdische eschatologische Hoffnung auf Rache an den Christen zu erfüllen. 78 Abgesehen von der Tatsache, dass seine Lehre in weiten Teilen jüdisch inspiriert war oder zumindest schien, gründete Bader seine Hoffnung auf eine positive Resonanz unter den Juden offensichtlich gerade auf eine angenommene Verbindung zwischen ihnen und den Türken. Da viele Juden im Osmanischen Reich zu vergleichsweise günstigen Bedingungen lebten, 79 wurde ihnen verstärkt seit dem Fall Konstantinopels 1453 vorgeworfen, mit den Osmanen im Bunde zu sein und ihrer Expansion auf Kosten Europas Vorschub zu leisten. 80 Diese „natürliche Allianz" der Feinde des Christentums wurde unter anderem auf die jüdische messianische Hoff-

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Ausführlich zu Baders Chiliasmus, der auf der Apokalyptik des Täufers Hans Hut fußte, ebd., S. 225-363. Zu Hut Gottfried Seebaß: Müntzers Erbe. Werk, Leben und Theologie des Hans Hut (1527), Gütersloh 2002. Zur Rezeption jüdischer messianischer Traditionen durch Bader siehe Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67), bes. S. 302-363. Auf jüdische Einflüsse in Baders Lehre hatten bereits Laube, Flugschriften (s. Anm. 68), Bd. 2, S. 994, Anm. 19, und List, Chiliastische Utopie (s. Anm. 66), S. 174—178, hingewiesen. Ausführlich beschäftigte sich mit der Frage Arno Seifert: Reformation und Chiliasmus. Die Rolle des Martin Cellarius-Borrhaus, in: Archiv für Reformationsgeschichte 77 (1986), S. 226-264, der ungewollt jedoch den Eindruck erweckt, dass Baders Ideen gar keinen jüdischen Hintergrund hatten. 76 Nach Bader würden während der Zeit des Gerichts, der endzeitlichen Leidensjahre, die Gerechten auserwählt, die Eingang ins tausendjährige Reich finden würden. Bader vertrat die außergewöhnliche Anschauung, dass dazu neben den Gläubigen - den Christen, die sich Baders Lehre anschlössen - auch Juden und sogar Türken zählen würden; Bossert, Augustin Bader von Augsburg (11) (s. Anm. 68), S. 132. Dazu Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67), S. 270f. und 275. 77 Ebd., S. 270. 78 Silver, Messianic Speculation (s. Anm. 35), S. 112f.; Johann Maier: Die Messianische Erwartung im Judentum seit der talmudischen Zeit, in: Judaica. Beiträge zum Verständnis des jüdischen Schicksals in Vergangenheit und Gegenwart 20 (1964), S. 23-58, 90-120, 156-183 und 213-236, hier S. 162. Vgl. Stern, Josel von Rosheim (s. Anm. 42), S. 82. 79 Im Osmanischen Reich waren Juden zwar willkommen, weil sie wichtige Kenntnisse für die Entwicklung der Wirtschaft mitbrachten und als weitgehend neutrale Minderheit galten, da sie nicht in Verdacht standen, mit den europäischen Mächten zu sympathisieren (dazu Mark A. Epstein: The Ottoman Jewish Communities and Their Role in the Fifteenth and Sixteenth Centuries [Islamkundliche Untersuchungen 56], Freiburg 1980). Trotzdem war die Judenpolitik der Osmanen keineswegs grundsätzlich „freundlich". Bis vor kurzem fand eine romantisierende Sichtweise einer „muslimisch-jüdischen Symbiose" in der Forschung weitgehende Akzeptanz. So noch vor wenigen Jahren Stanford J. Shaw: The Jews of the Ottoman Empire and the Turkish Republic, London 1991, S. 29f. Kritik an diesem Klischee übte jedoch schon früh Joseph Hacker: Ottoman Policies towards the Jews and Jewish Attitudes towards the Ottomans during the 15th Century, in: Benjamin Braude, Bernhard Lewis (Hg.): Christians and Jews in the Ottoman Empire. The Functioning of a Plural Society, Bd. 1, New York 1982, S. 117-126. 80 Vgl. Chava Fraenkel-Goldschmidt: The Historical Writings of Joseph of Rosheim. Leader of Jewry in Early Modern Germany (Studies in Jewish History and Culture 12), Leiden 2006, S. 172f. (wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Seitenangaben auf die englische Fassung); Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 242.

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nung der endzeitlichen Vernichtung der Christen bezogen.81 Auch Bader nahm eine jüdisch-türkische Beziehung an, allerdings im Sinne einer familiären Bindung: Entsprechend der zeitgenössischen, unter anderem von Luther postulierten Identifizierung der Türken mit den roten Juden waren die europäischen Juden für Bader deren Vettern.82 Also glaubte er, dass die Juden als ihre Verwandten dasselbe Interesse wie er selbst an einem Sieg der Türken über das christliche Europa haben müssten. Als die Täufergruppe im Januar 1530 von der vorderösterreichischen Landesregierung wegen des Verdachts des politischen Aufruhrs schließlich verhaftet wurde,83 kam in dem Prozess, der anschließend gegen sie geführt wurde, einiges zu Tage, was auch ein schlechtes Licht auf die Juden warf. Tatsächlich unterstellten die Obrigkeiten den Juden, die vermeintlichen Drahtzieher des befürchteten Täuferaufstands gewesen zu sein; „davon sie vil hilf und Vertröstung gehabt haben". 84 Bekanntermaßen galten die Juden - insbesondere mit dem Wissen um ihren subversiven Messianismus - als die erklärten Feinde der Christenheit. Ohnehin meinte man, im Chiliasmus den schädlichen Einfluss jüdischer „Irrlehren" wahrnehmen zu können. Und abgesehen davon, dass die Juden beschuldigt wurden, mit den Türken im Bunde zu stehen, wurde außerdem der Verdacht gehegt, dass sie mit den Täufern ebenfalls geheime Absprachen hätten.85 Durch die Aussagen der Beklagten im Bader-Prozess wurden diese allgemeinen Verdächtigungen zu Beginn des Jahres 1530 zu einer konkreten, von Zeugen gestützten Anklage: „Allem anseen nach die gröst prakticken dieser erschrockenlichen handlungen von den Juden ausgeen vnd angericht sein möchten".86 Zunächst schien es, dass die erwiesenen Kontakte von Juden und Täufern schwere Folgen für die süddeutschen jüdischen Gemeinden haben würden. So informierte die vorderösterreichische Regierung in Stuttgart den obersten Landesherrn Ferdinand I., der sich in Prag aufhielt, sogleich über die angeblichen jüdischen Hintermänner der Verschwörung und riet zu hartem Durchgreifen.87 Daraufhin ordnete die königliche Kanzlei an, Bader insbesondere zu seinen jüdischen Kontakten durch „gutliche vnd peinliche handlung" zu verhören, „damit die selbige Juden zu gefengnus pracht vnd die warhait irs furnemens aigentlichen erlernet werden mug". Es erging

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Vgl. Carlebach, Endtime (s. Anm. 33), S. 338, zu einem Motiv bei Folz. Bossert, Augustin Bader von Augsburg (11) (s. Anm. 68), S. 46. Vgl. Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67), S. 178. Siehe zur zeitgenössischen Gleichsetzung von Türken und roten Juden Gow, Red Jews (s. Anm. 1), S. 157f. Vgl. auch Manfred Köhler: Melanchthon und der Islam. Ein Beitrag zur Klärung des Verhältnisses zwischen Christentum und Fremdreligionen in der Reformationszeit, Leipzig 1938, S. 67f. 83 Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67), S. 190 und 200. Zur Täuferpolitik Ferdinands I. von Österreich Horst W. Schraepler: Die rechtliche Behandlung der Täufer in der deutschen Schweiz, Südwestdeutschland und Hessen 1525-1618 (Schriften zur Kirchen- und Rechtsgeschichte 4), Tübingen 1957. 84 Wolfgang Steglich (Bearb.): Die schwäbischen Bundestage zwischen den Reichstagen zu Speyer 1529 und Augsburg 1530. Die Bereitstellung der Reichshilfe zum Türkenkrieg und zur Rettung Wiens 1529 (Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe 8,2), Göttingen 1971, S. 792. 85 Vgl. Fraenkel-Goldschmidt, Historical Writings (s. Anm. 80), S. 102f. 86 Bossert, Augustin Bader von Augsburg (11) (s. Anm. 68), S. 52. 87 Ebd. 82

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der Befehl, die Juden von Günzburg, Leipheim und Pfühl zu verhaften, damit sie ihre Absichten geständen und „damit dan solh pose handlung andern zu ainem exempel ernstlich gestraft vnd darin nyemands verschont werde". 88 Auch der Schwäbische Bund reagierte auf die „Umtriebe" der Juden und diskutierte auf seinem Bundestag im Februar/März 1530, sie aus seinen Städten zu vertreiben oder zumindest ihre Siedlungsbedingungen einer „durchgreifenden Reformation" zu unterziehen. 89 Die erwähnte Prager Chronik berichtet: In allen Ländern wurde eine neue Anschuldigung gegen die Juden erhoben, eine, die sich nicht in der Tora findet, nämlich, dass sie den König (Ferdinand) für den König der Ismaeliten ausspionieren würden. Infolgedessen wurde der Plan gemacht, den Juden ihre Rechte zu nehmen, so dass sie einem Blutbad und der Vernichtung schutzlos ausgeliefert gewesen wären. Alle Landesherren beabsichtigten mit dem Einverständnis des Königs eine Vertreibung aus ihren ganzen Ländern durchzuführen. Aber Gott machte ihr böses Vorhaben zunichte. 90 Dass die Bader-Episode erstaunlich glimpflich für die Juden ausging, scheint maßgeblich dem Wirken des berühmten Sachwalters und Vertreters jüdischer Interessen, Josel von Rosheim, zu verdanken gewesen zu sein.91 Für 1530 berichtet Josel in seiner Chronik ebenfalls von dem Vorwurf, die Juden würden für die Türken spionieren. Diese Verleumdungen seien schließlich auch Kaiser Karl und seinem Bruder Ferdinand zu Ohren gekommen. „Daraufhin machte man uns vogelfrei, damit wir keinen Fuß mehr in viele Länder setzen sollten."92 Josel habe deshalb „im Einverständnis mit den (betroffenen) Gemeinden" eine (nicht mehr erhaltene) Rechtfertigungsschrift verfasst, die er Kaiser und König in Innsbruck überreichte.9 Offensichtlich gelang es ihm, die beiden Herrscher von der Haltlosigkeit der Beschuldigung zu

88

Ebd., S. 104. Dies geht aus einen Gutachten des Augsburger Stadtschreibers Konrad Peutinger hervor, das er während des Bundestags an den Stadtrat von Nördlingen schickte; zitiert bei Ludwig Müller: Aus fünf Jahrhunderten. Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im Ries, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 25 (1898), S. 1-124; 26 (1899), S. 81-182, hier S. 83. Vgl. Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67), S. 222. 90 Abraham David (Hg.): A Hebrew Chronicle from Prague (c. 1615) (hebr.), Jerusalem 1984, S. 9. Die Datierung der Ereignisse auf 1529 bezieht sich wohl darauf, dass der Bader-Prozess die Vorwürfe „bewies", die bereits im vorangegangenen Jahr erhoben worden waren. Indiz dafür, dass es hier tatsächlich um die Folgen des Bader-Prozesses geht, ist die Nennung des Königs, Ferdinands I., als Ziel der Verschwörung; Ferdinand war Landesherr sowohl in den vorderösterreichischen Gebieten als auch in Württemberg, das mit dem befürchteten Täuferaufstand in Verbindung gebracht wurde. Dazu Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67), S. 203-221. 91 In Bezug auf die Vertreibungspläne des Schwäbischen Bundes so ebenfalls ebd., S. 223f., basierend auf Müller, Aus fünf Jahrhunderten (s. Anm. 89), S. 83, Anm. 1. Vgl. zu einer allgemeinen Verbindung mit Baders Wirken auch Stern, Josel von Rosheim (s. Anm. 42), S. 80f. 92 Fraenkel-Goldschmidt, Historical Writings (hebr.) (s. Anm. 61), S. 293, Nr. 14. 93 Ebd. 89

Propter sedìtionis hebraicae

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en - am 18. Mai 1530 bestätigte Karl den Juden im Reich ihre PriviDie Ereignisse im Zusammenhang mit dem Bader-Fall stehen auch im Hintergrund der Distanzierung Joseis von den Messiasprätendenten Salomo Molcho und David Re'uveni zwei Jahre später.95 Josel, der 1532 anlässlich des Reichstags in Regensburg weilte, bat Molcho nach eigener Angabe in einem Brief, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen, dem Kaiser den Vorschlag zu unterbreiten, Juden zur Unterstützung im Krieg gegen die Türken zu rekrutieren. Als Molcho in der Stadt eintraf, habe er selbst sie eilig verlassen, „damit der Kaiser nicht sage, meine Hand sei bei diesem Unternehmen im Spiel".96 Denn Josel befürchtete zu Recht, dass das Aufstellen einer jüdischen Armee für zeitgenössische Christen eine entsetzliche Vorstellung sein müsse und fürchterliche Folgen haben könnte. Schließlich hatte er sich erst zwei Jahre zuvor gegen die drohenden Repressalien infolge des BaderProzesses verwenden müssen. Josel wusste also unmittelbar um die möglichen Folgen des akuten jüdischen Messianismus in Verbindung mit dessen negativer Wahrnehmung durch die Christen. Deshalb unterwarf er sein politisches Handeln dem pragmatischen Bemühen um die Gefahrenabwehr.97 Während die Episode in Regensburg, so weit die Quellen dies erkennen lassen, für die Juden im Reich letztlich keine Konsequenzen hatte, endete sie für Molcho und Re'uveni tödlich: Sie wurden schon am Tag nach ihrer Audienz mit Karl V. verhaftet und schließlich hingerichtet.98 Ein christlicher Zeitzeuge, Johann Albrecht Widmannstetter (1506-1557), berichtet über Molcho, dass er „wegen eines (befürchteten) Aufstands der Hebräer" hätte sterben müssen.99 Solch eine drastische Maßnahme war aus Sicht der Christen in den deutschen Ländern verständlich; schließlich fürchteten sie den jüdischen Messianismus als eine Bedrohung für Leib und Leben und vor dieser überaus realen Gefahr galt es, sich mit allen Mitteln zu schützen.100 Auch wenn Molcho und Re'uveni angaben, die christliche Sache gegen die Osma-

94 Ebd. (engl.) (s. Anm. 80), S. 174f.; Ludwig Feilchenfeld: Rabbi Josel von Rosheim. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Deutschland im Reformationszeitalter, Straßburg 1898, S. 116; Stem, Josel von Rosheim (s. Anm. 42), S. 82. 95 Schon Stern, ebd., S. 111, vermutete allgemein den Vorwurf der jüdisch-türkischen Verbrüderung hinter Joseis Standpunkt. 96 Fraenkel-Goldschmidt, Historical Writings (s. Anm. 80), S. 324, Nr. 17. 97 Zu Joseis eigenen messianischen Erwartungen jetzt erstmals Voß, Umstrittene Erlöser (s. Anm. 35), Kap. 4.4. 98 Molcho wurde noch in demselben Jahr auf dem Scheiterhaufen in Mantua verbrannt, Re'uveni ereilte 1538 in Spanien dasselbe Schicksal; Lenowitz, Jewish Messiahs (s. Anm. 35), S. 107. Zu Re'uvenis Ende zuletzt Elias Lipiner: Injanim be-paraschat David ha-Re'uveni u-Schlomo Molcho, in: Aescoly, Storv of David Hareuveni (s. Anm. 56), S. XLV-XLVIII. „Propter seditionis Hebraicae". So Widmanstetter in einer Kurzbeschreibung einer Schrift Molchos, abgedruckt in einer Bibliographie von 1784; zitiert ebd., S. 191, und Fraenkel-Goldschmidt, Historical Writings (s. Anm. 80), S. 191. 100 Für die Verhaftung von Molcho und Re'uveni waren freilich noch andere Gründe verantwortlich, vor allem die Tatsache, dass der Converso Molcho ein Ketzer war; er war vom Christentum abgefallen und zum Judentum, der Religion seiner Vorfahren, zurückgekehrt. Zu den Hintergründen der Inhaftierung siehe grundsätzlich ebd., S. 192-197. Ergänzend mit Blick auf die Situation in Deutschland Voß, Umstrittene Erlöser (s. Anm. 35), Kap. 4.5.

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nen unterstützen zu wollen, konnte dies die tief sitzende Angst vor der endzeitlichen Rache der Juden, die die christliche Wahrnehmung seit dem Mittelalter prägte und die der Bader-Prozess, der reichsweit für Aufsehen gesorgt hatte, 101 scheinbar aufs Neue bewiesen hatte, kaum verdrängen.

Fazit Die judenfeindliche Apokalyptik mit der Vorstellung vom jüdischen Antichrist-Messias, seiner jüdischen Gefolgschaft und der eschatologischen Hoffnung der Juden auf blutige Vergeltung an den Christen prägte die christliche Wahrnehmung des jüdischen Messianismus im deutschen Sprachraum entscheidend. Diese wiederum hatte einen deutlichen Einfluss auf die tatsächlichen Endzeiterwartungen der Juden, wie gerade das 16. Jahrhundert zeigt. Grundsätzlich resultierte die Sensibilität der Juden für die Interpretation ihres messianischen Glaubens in der Umgebungsgesellschaft und ihre Angst vor der christlichen Reaktion in einem nach außen tendenziell gehemmten Ausdruck ihrer Sehnsucht auf Erlösung. Während dies in der zu beobachtenden Selbstzensur apokalyptischer Texte und der Überlieferung messianisch bedeutsamer Ereignisse deutlich wird, schlägt der Fall Bader den Bogen zwischen zwei augenscheinlich widersprüchlichen Phänomenen, zwischen Ablehnung und Befruchtung. So bemühte sich der Täufer Bader, besonders da er eine Interessengemeinschaft des legendären Volkes der roten Juden, den Helfershelfern des Antichrist, und der Juden in seinem Umfeld annahm, um eine jüdische Anhängerschaft. Damit beeinflusste er die jüdische Hoffnung auf die baldige Ankunft des Messias Ende der 1520-er Jahre in Südwestdeutschland zunächst positiv. Das Wissen um die jüdische Sehnsucht nach der Vernichtung der Christen am Ende der Tage konnte jedoch auch Repressalien fur die Juden zur Folge haben, wie die drohenden Verfolgungen in Günzburg und den schwäbischen Bundesstädten im Frühjahr 1530 zeigen. Die christlichen Maßnahmen zur Abwehr der drohenden apokalyptischen Gefahr zwangen in jenem Jahr und zwei Jahre später in Regensburg einen Realpolitiker wie Josel von Rosheim, für den das Wohlergehen der Judenschaft im Reich höchste Priorität besaß, sich um Schadensbegrenzung zu bemühen. Es ist dies wie das Verbergen der Endzeiterwartungen vor der christlichen Öffentlichkeit ein Beispiel für das enge Nebeneinander von akuter Messiaserwartung und den pragmatischen Handlungen, die die christliche Wahrnehmung derselben mit sich brachte. So ist die christliche Apokalyptik nicht nur im Kontext antijüdischer Vorurteile zu sehen, sondern auch in den Zusammenhang mit der jüdischen messianischen Erwartung zu stellen.102 Tatsächlich belegen die vorangehenden Ausführungen eine

101

Zur reichspolitischen Dimension des Prozesses Schubert, Täufertum und Kabbalah (s. Anm. 67), S. 203-221. 102 Vgl. Gow, Jewish Antichrist (s. Anm. 2), S. 282f.

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enge Beziehung zwischen christlicher Apokalyptik und jüdischem Messianismus,103 die durch Konflikt und Interaktion charakterisiert ist: So wie die Ängste des Einen dem Ausdruck der Hoffnungen des Anderen restriktiv gegenüber standen, so bestätigten, verstärkten und befruchteten gleichzeitig die apokalyptischen Erwartungen des Einen die des Anderen. Obwohl - oder gerade weil - sich christliche und jüdische Endzeitvorstellungen widersprachen, da nämlich die Einen den Antichrist, die Anderen die Ankunft des Messias erwarteten, waren sie also nicht zwei Phänomene, die nichts miteinander zu tun hatten. Zwar entstanden die Hoffnungen, Ängste und Erwartungen von Juden und Christen grundsätzlich unabhängig voneinander und bestanden eigengesetzlich nebeneinander fort, so dass häufig lediglich von Parallelitäten und Strukturanalogien zu sprechen ist. Es sind aber auch wechselseitige Einflüsse zu beobachten, die ihre Wurzeln nicht zuletzt in dem Legendenkreis um den jüdischen Antichrist hatten. Paradoxer Weise bildeten gerade die gegenseitigen apokalyptischen Feindidentifizierungen die Grundlage für einen intensiven jüdisch-christlichen Diskurs in der als solcher wahrgenommenen Endzeit.104

103 Wegweisende Studien zur engen Beziehung jüdischer und christlicher apokalyptischer Spekulation und Aktivität stammen von Idei, Messianic Mystics (s. Anm. 73), bes. S. 142ff.; David Β. Ruderman: Hope Against Hope. Jewish and Christian Messianic Expectations in the Late Middle Ages, in: ders. (Hg.): Essential Papers on Jewish Culture in Renaissance and Baroque Italy, New York 1992, S. 299-323, und Richard H. Popkin: Christian Interest and Concerns about Sabbatai Zevi, in: Goldish, Popkin: Jewish Messianism (s. Anm. 20), S. 91-106. Über die Anmerkungen sind Popkins zahlreiche weitere Beiträge zu der Thematik zu erschließen. 104 Vgl. auch den Beitrag von Lutz Greisiger.

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Das Wüten des bösen Feindes Glaubensgegner, Hexen und der Antichrist in der Welt des Theodoras Graminaeus

1. Gottesfeindschaft und Apokalypse Erbitterter konfessioneller Glaubenskampf und Hexenjagden waren im Alten Reich der Frühen Neuzeit Parallelerscheinungen und verweisen offensichtlich auf eine Gesellschaft, die sich in einem tiefen sozialen und mentalen Umbruch befand.1 Die Zusammenhänge sind allerdings keineswegs hinreichend erforscht. Zwar lässt sich beobachten, dass sich Hexenprozesse des Öfteren auf das Wirken von politischen Kräften, die sich rigoros dem Ziel der Glaubensdisziplin und -reinheit verschrieben, zurückführen lassen, wie dies etwa die Beispiele des Herzogtums Bayern,2 des Fürstbistums Eichstätt3 und der Fürstpropstei Ellwangen4 zeigen. Hier waren offensichtlich ,Glaubensfanatiker' bzw. ,Eiferer'5 am Werk. Dass andererseits aus den Reihen der aktiven Glaubenskämpfer auch Gegner der Hexenprozesse kommen konnten, mag das Beispiel des Jesuitenpredigers Adam Tanner verdeutlichen.6 Und umgekehrt zeigt sich, dass sich Duldsamkeit bzw. ,Toleranz' gegenüber Menschen unterschiedlichen Glaubens und Hexenverfolgungszurückhaltung nicht zwangsläu-

1 Zur „Krise des späten 16. Jahrhunderts" und zur Klimaveränderung, die als ,Kleine Eiszeit' bezeichnet wird, siehe Wolfgang Behringer: Hexenverfolgung in Bayern: Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der frühen Neuzeit, München 1987, S. 96ff. Die Verbindung mit dem lutherischen Endzeitdiskurs thematisiert Hartmut Lehmann: Endzeiterwartung im Luthertum im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, in: Hans-Christoph Rublack (Hg.): Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland. Wissenschaftliches Symposium des Vereins für Reformationsgeschichte 1988, Heidelberg 1992, S. 545-554. Lehmann konstatiert dabei eine über das Luthertum hinausreichende pessimistische „frömmigkeitsgeschichtliche Gesamteinstellung", die durch Krisenerscheinungen ausgelöst worden sei. Siehe ebd., S. 550. 2 Zur katholischen ,Zelantenpartei' am Münchner Hof siehe Wolfgang Behringer: Falken und Tauben. Zur Psychologie deutscher Politiker im 17. Jahrhundert, in: Ronnie Po-Chia Hsia, Robert W. Scribner (Ed.): Problems in the Historical Anthropology of Early Modern Europe, Wiesbaden 1997, S. 219-261. 3 Zur Bedeutung der Jesuiten und insbesondere des von ihnen erzogenen Fürstbischofs Johann Christoph von Westerstetten für die Verfolgungen siehe jetzt: Jonathan B. Durrant: Witchcraft, Gender and Society in Early Modern Germany, Leiden, Boston 2007, S. 33ff. 4 Hierzu Wolfgang Mährle: „Oh wehe der armen seelen". Hexenverfolgungen in der Fürstpropstei Ellwangen (1588-1694), in: Johannes Dillinger, Thomas Fritz, Wolfgang Mährle: Zum Feuer verdammt. Die Hexenverfolgungen in der Grafschaft Hohenberg, der Reichsstadt Reutlingen und der Fürstpropstei Ellwangen, Stuttgart 1998, S. 325-500. 5 Behringer 1997 (s. Anm. 2), S. 226. 6 Zu Tanner siehe etwa Johannes Dillinger: Adam Tanner und Friedrich Spee. Zwei Gegner der Hexenverfolgungen aus dem Jesuitenorden, in: Spee-Jahrbuch 6 (2000), S. 31-58.

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fig entsprechen mussten: Das bekannteste Beispiel hierfür liefern die Schriften des Staatstheoretikers Jean Bodin, eines Autors, der bekanntlich für die Zulassung unterschiedlicher Religionen in einem Staatswesen, zugleich aber auch für eine gnadenlose Ausrottung der vermeintlichen Sekte der Teufelsdiener eintrat.7 Natürlich lassen sich für beide Felder politischer Aktivität, die das späte 16. Jahrhundert im Alten Reich prägten, eine Reihe von Gemeinsamkeiten konstatieren. Auf beiden Gebieten wurden religiöse Glaubensinhalte mit konkreten Handlungskonzepten verknüpft, so dass den Theologen eine bedeutende Rolle bei der Autorisierung von Politik zugeschrieben wurde. Dass in diesem Rahmen Endzeitvorstellungen als Waffe bzw. als Argument eingesetzt wurden, ist ein weiterer Verbindungspunkt: Das Wissen um das nah bevorstehende Ende der Welt sollte die eigene Position erhärten und sie in einen universalgeschichtlichen Kontext stellen. Den ,richtigen' politischen Maßnahmen wurde eine bedeutende Rolle im Spiel der Kräfte, Gut und Böse, zugeteilt. Andererseits darf die hohe Akzeptanz der Vorstellung vom Ende der Zeiten, die es als gerechtfertigt erscheinen lässt, von einem .apokalyptischen Zeitalter' zu sprechen,8 nicht den Blick auf wesentliche Unterschiede verstellen. Zum einen erhielt die Apokalyptik eine besondere Bedeutung im Rahmen sozialutopischer Religionsbewegungen.9 Zum anderen ist auf die Differenz „konfessionskultureller Deutungsmuster" hinzuweisen, die Mathias Pohlig so skizziert hat:10 Während passiver Endzeiterwartung im Luthertum zeitweise ein zentraler Stellenwert zukam11 und für die reformierten Glaubensströmungen sogar eine Tendenz zur kämpferischoptimistischen Apokalyptik festzustellen ist,12 war diese im nachtridentinischen Katholizismus deutlich schwächer ausgeprägt.13 Festzuhalten ist, dass die Apokalypse, insbesondere im Kampf der Konfessionen untereinander, eine größere Rolle spielte, Funktion und Bedeutung jedoch je nach Glaubensrichtung und wohl auch innerhalb der Glaubensrichtungen stark variieren konnten. Dass der strategische Rückgriff auf die Apokalypse für einen Katholiken nicht einmal ungefährlich war, zeigt sich in der Person des Theodoras Graminaeus, dessen Schriften im Folgenden etwas genauer vorstellt werden sollen. Seit 1567, vermehrt

7

Hier sei auf die deutsche Übersetzung seiner Démonomanie des Sorciers verwiesen: Jean Bodin: Vom Außgelaßnen Wütigen Teuffelsheer, Straßburg 1591. 8 Thomas Kaufmann: Apokalyptische Deutung und politisches Denken im lutherischen Protestantismus in der Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Arndt Brendecke, Ralf-Peter Fuchs, Edith Koller (Hg.): Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit, Berlin 2007, S. 411-453, hier S. 41 Iff. 9 Hierzu etwa Norman Cohn: Die Sehnsucht nach dem Millennium. Apokalyptiker, Chiliasten und Propheten im Mittelalter, Freiburg/Br., Basel, Wien 1998. 10 Matthias Pohlig: Konfessionskulturelle Deutungsmuster internationaler Konflikte um 1600. Kreuzzug, Antichrist, Tausendjähriges Reich, in: Archiv für Reformationsgeschichte 93 (2002), S. 278-316. 11 Siehe Lehmann 1992 (s. Anm. 1); ebenso Volker Leppin: Antichrist und Jüngster Tag. Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum 1548-1618, Heidelberg 1999, siehe insbes. S. 45ff. Hierzu kürzlich auch Marcus Sandl: Martin Luther und die Zeit der reformatorischen Erkenntnisbildung, in: Arndt Brendecke, Ralf-Peter Fuchs, Edith Koller (Hg.): Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit, Berlin 2007, S. 377-409. Zur Bedeutung der Apokalyptik für die Wittenberger Reformatoren zur Zeit des Schmalkaldischen Krieges siehe Kaufmann 2007 (s. Anm. 8), mit zahlreichen weiteren Literaturbelegen. 12 So zusammenfassend Pohlig 2002 (s. Anm. 10), S. 314ff. 13 Ebd.

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seit den 1570-er Jahren, publizierte dieser Autor Traktate, in denen er insbesondere gegen die protestantische Behauptung agitierte, dass der Papst der Antichrist sei. Graminaeus versuchte, eine katholische Apokalyptik zu etablieren, die Lutheranern und Calvinisten das Wasser abgrub. In diesem Rahmen betrieb er eine Bibelauslegung, der er seine Kenntnisse als mathematicus zugrunde zu legen versuchte, indem er Berechnungen bzw. Zahlenauslegungen durchführte. Dabei war er bestrebt, seine Thesen über astrologische Forschungen zu untermauern. Ähnlich wie der von ihm häufiger zitierte Girolamo Cardano verstand er sich somit als ein ,Meister der Zeit', 14 d. h. als Gelehrter, der die Geheimnisse um die Deutung von Gegenwart und Zukunft zu entschlüsseln vermochte. Interessanterweise beschränkte sich Graminaeus nicht auf die konfessionelle Auseinandersetzung. Auch in den Aufruf zu Hexenverfolgungen sollte Graminaeus apokalyptische Vorstellungen einfließen lassen. Die folgenden Ausführungen haben vor allem zwei Schriften zum Gegenstand. Die eine erschien 1578 zu Köln mit dem Titel „Prodromus oder Furdrab des Antichrists/ darinnen durch den hellen Text/ und waren verstandt der Göttlicher heiliger Schrifft/ außfürlich angezogen unnd erklärt wirt/ Ob der Bapst/ oder Bapstumb zu Rom/ der warer rechter Antichrist sey/ Luther und Calvinus/ Enoch oder Helias."15 Die zweite trägt den Titel „Inductio sive Directorium: Das ist: Anleitung oder Unterweisung/ wie ein Richter in criminal und peinlichen Sachen/ die Zauberer und Hexen belangendt/ sich zu verhalten/ der gebuer damit zuverfahren haben soll/ als wie von ambtßwegen/ und sonst/ so der Kläger Recht begert/ zu verfahren." 16 Sie erschien ebenfalls zu Köln, allerdings 16 Jahre später, 1594. Ich möchte diese beiden Texte vergleichend danach befragen, welche Rolle dem Teufel und den dämonischen Mächten zugewiesen wird und welches Endzeitverständnis ihnen jeweils zugrunde liegt. Dabei liegt es nahe, auch auf Verbindungen dieser beiden Schriften einzugehen. Darauf aufbauend, möchte ich einige Überlegungen zum Selbstverständnis eines katholischen ,Experten' der Apokalyptik, der sich mit diesem Anspruch zugleich als ein Kenner der teuflischen Mächte ausgab, anstellen. Graminaeus ist dabei jedoch alles andere als stellvertretend für die katholische Haltung anzusehen. Vielmehr begab er sich selbst auf die Suche nach einer katholischen Haltung und versuchte, diese mitzugestalten. Über seine Schriften rücken damit die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzbarmachung eines katholischen Endzeitdiskurses zentral ins Blickfeld. Zuvor ist jedoch etwas genauer auf die Persönlichkeit einzugehen, die, sich auf unterschiedlichen wissenschaftlichen Feldern bewegend, versuchte, einen solchen zu entwerfen.

14 Anthony Grafton: Cardanos Kosmos. Die Welten und Werke eines Renaissance-Astrologen, Berlin 1999, S. 7. 15 Im Folgenden zit. als: Graminaeus, Prodromus 1578. 16 Im Folgenden zit. als: Graminaeus, Inductio 1594.

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2. Vorhersehung als Glaubenskampf Längerfristig bekannt geworden ist der aus Roermond stammende Schreiber Theodor oder auch Diederich Graminaeus (Gras) nicht wegen seiner wissenschaftlichen und polemischen Traktate, sondern wegen seines prunkvoll illustrierten Buches „Beschreibung der jülichschen Hochzeit", in dem die Feierlichkeiten anlässlich der Eheschließung des späteren Herzogs von Jülich-Berg, Johann Wilhelm, mit Jakobe von Baden im Jahre 1585 dargestellt sind.17 Graminaeus publizierte den Hauptteil seiner Werke in Köln, wo er in den 1570-er Jahren als Bürger lebte und mathematische Lesungen hielt, wie er in einem seiner Widmungstexte an den Stadtrat bemerkte.18 Vielleicht schon 1583, als eine Schrift über die Gregorianische Kalenderreform in Düsseldorf von ihm erschien,19 spätestens aber 1585, zum Zeitpunkt der jülichschen Hochzeit, befand er sich am bergischen Hof zu Düsseldorf in Diensten von Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve und Berg, Graf von der Mark und Ravensberg. Graminaeus übte dort das Amt des fürstlich-bergischen „General Anwaldt und Landschreibers" aus und verwies nun in seinen Schriften auf Titel eines Lizentiats beider Rechte.20 Seine vorletzte Schrift beinhaltete eine Darstellung der Trauerfeierlichkeiten nach dem Tod seines Fürsten, Herzog Wilhelm, aus dem Jahr 1592, wo er sich als Doktor der Philosophie bezeichnete.21 Die letzte Publikation des auch als Buchhändler und Verleger tätigen22 Graminaeus war jener 1594 erschienene Traktat zur Anleitung von Hexenprozessen, ein Text, in der er sich für die Durchführung von Prozessen in den bis dahin verfolgungsarmen jülich-klevischen Ländern einsetzte.23 Die frühesten bekannten Schriften des Theodorus Graminaeus erschienen bereits 1567 und 1568 und waren den Gestirnen gewidmet. Ein astronomisches Werk, das die Beobachtungen und Lehren des mittelalterlichen Gelehrten Johannes de Sacrobosco wiedergab, stellte den Lauf der Planeten und die Sternbilder als ein wohlgeordnetes Ganzes, entsprechend dem noch immer dominierenden ptolemäischen

17 Theodorus Graminaeus: Beschreibung derer Fürstlicher Güligscher [...] Hochzeit, so im jähr Christi tausent fünffhundert achtzig fünff, am sechszehenden Junij vnd nechstfolgenden acht tagen, zu Diisseldorff mit grossen freuden, Fürstlichen Triumph vnd herrligkeit gehalten worden, Köln 1587. 18 Graminaeus wies auf seine Besoldung „von wegen der Mathematischen Lection" hin. Siehe Theodorus Graminaeus: Erklerung oder Außlegung eines Cometen/ so nuhn ein gutte Zeit/ von Martini des nechst vergangnen Jars/ biß auff den dritten February dieses jetzt lauffenden MDLXXIII. Jars/ am Himmel vernommen, vnd noch bei nächtlicher Zeit gesehen wird [...], Köln 1573, S. 44. Nach Benzing war Graminaeus seit 1566 Professor für Mathematik an der Artistenfakultät. Siehe Josef Benzing: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 1982, S. 245. " Theodorus Graminaeus: Exhortatio de exeqvenda calendarii correctione, qvam S. D. N. Gregorivs XIII. [...] promulgali et per Italiam caeterasque orbis Christiani partes Anno MDLXXXII obseruari mandavit, Düsseldorf 1583. 20 Siehe das Titelblatt der Inductio 1594. Graminaeus soll allerdings bereits zu Köln Professor der Rechte gewesen sein. Siehe Benzing 1982 (s. Anm. 18), S. 245. 21 Theodorus Graminaeus: Spiegel und abbildung der Vergengligkeit. Dem [...] Johan Wilhelm, Herzogen zu Guilich [...] zugeschrieben. [...] Ihres Vatters Absterben [...] zu verehren, Düsseldorf 1592. 22 Benzing 1982 (s. Anm. 18), S. 245. 23 Graminaeus, Inductio 1594 (s. Anm. 16).

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System, mit der Erde als Mittelpunkt der Welt dar.24 Darauf folgend übte sich Graminaeus in der Kunst der astrologischen Vorhersage, nicht ohne auf die für ihn beunruhigenden Ereignisse und Entwicklungen vergangener Jahrzehnte, unter ihnen die „Veränderung der Religion" durch die Protestanten und den Bauernkrieg, einzugehen, die er als Ausflüsse eines 1525 angebrochenen lunarischen Zeitalters deutete.25 1571 veröffentlichte er ein Buch, in dem er Vorhersagen vom Ende der Welt auf der Grundlage biblischer Texte machte und zum ersten Mal seine Vorstellungen vom Antichristen erläuterte.26 Hier ging es ihm nicht nur darum zu belegen, dass der Papst zu Unrecht als Antichrist identifiziert werde, sondern auch darum, Luther einen Platz unter den ketzerischen Vorläufern des Antichrist zuzuweisen. Wesentliche Argumente seines Prodromus wurden hier bereits vorweggenommen. In diesem Kontext griff er auf die allgemein erprobte Beweistechnik einer Analogisierung von Schöpfung und Weltende zurück, indem er je einem Tag der Schöpfung ein 1000-jähriges Weltzeitalter entsprechen ließ.27 Erneut geriet die Gestalt des Martin Luther 1573 ins Visier einer Schrift des Theodorus Graminaeus, in welcher dieser wiederum als Astrologe eine Kometenerscheinung, die 1572 auftauchte, interpretierte.28 Einleitend charakterisierte er den Reformator hier als Spalter und Schädiger der römischen Kirche, dessen Erscheinen bereits Joachim von Fiore vorausgesagt hätte. Im Land der Deutschen, konkret in Sachsen als „Mutter" der „Nord- oder Mitternacht Deutschen" war demzufolge der Ausgangspunkt der verderblichen Geschehnisse um die Kirchentrennung angesiedelt worden. Unter den Töchtern Sachsens habe Joachim von Fiore sogar Eisleben, den Geburtsort Luthers, genannt.29 Die These vom norddeutschen bzw. sächsischen Zentrum des Unheils, die der vom Luthertum zum Katholizismus konvertierte Theologe Friedrich Staphylus bereits zuvor vertreten hatte,30 spezifizierte Grami-

24 Theodorus Graminaeus: Uberior enarratio eorum quae Ioanne de Sacro Bosco proponuntur [...], Köln 1567. 25 Theodorus Graminaeus: Gründlicher/ Astrologischer/ und historischer bericht/ wo her diese gefehrliche der Allgemeiner Christlicher Religion vnd Policey enderung/ auffrhur/ empörung/ Verwüstung erstanden vnd herkommen/ vnd was ferners darauß zu erwarten sey. Alles dem Christlichen günstigen Leser zu gut vnd vortheil gefast vnd gestelt, Köln 1568. 26 Theodorus Graminaeus: In Esaiam et prophetiam sex dierum geneseos oratio, qua omnium prophetarum et legis argumenta summatim comprehendentur & ratio Antichristi eiusq; praecursoris Lutheri evidentissime declarantur, Köln 1571. 27 Zu diesem verbreiteten Muster siehe Heribert Smolinsky: Apokalyptik und Chiliasmus im Hochmittelalter und Früher Neuzeit. Beobachtungen zur Ideengeschichte, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 20 (2001), S. 13-26, hier S. 17. 2 Theodorus Graminaeus: Erklerung oder Außlegung eines Cometen/ so nuhn ein gutte Zeit1 von Martini des nechst vergangnen Jars/ biß auff den dritten February dieses jetzt lauffenden MDLXXIII. Jars/ am Himmel vernommen, vnd noch bei nächtlicher Zeit gesehen wird [...], Köln 1573. 29 Ebd., S. 99ff. 30 Fridericus Staphylus: Vom letzten und großen Abfall/ so vor der zukunfft des Antichrist geschehen soll. Ingolstadt 1565. Für Staphylus war Luther ein prognostiziertes, von „Mitternacht" bzw. Norden kommendes Übel, das das nahe bevorstehende Weltende ankündigte. Siehe ebd., S. 163ff.

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naeus noch einmal genauer und ausführlicher in einem weiteren Buch.31 Anders als Staphylus zeichnete Graminaeus die unmittelbar bevorstehende Zukunft jedoch als eine positive. Die jüngst beobachtete Himmelserscheinung wurde zum Zeichen eines Sieges der rechtgläubigen Kirche über ihre Feinde erklärt. Im Jahre 1578 erschien eine Schrift, in der diese These mit dem Hinweis auf das Auftauchen einer weiteren Himmelserscheinung bekräftigt wurde.32 In diesem Traktat wurde zunächst auf den guten Fortgang der katholischen ,Reformation' seit dem Kometen von 1572 hingewiesen.33 Zwar wurde die Gegenwart noch als eine vorhergesagte Zeit des Elends gesehen, „darinnen die bildensturmerey und Kirchenplungerung fallet".34 Für die nahe Zukunft wurde aber das Verschwinden der Ketzer von der Bühne prognostiziert. Der Komet, der 1572 und 1573 erschienen sei, habe bereits angezeigt, dass in Europa der Glaubenszwiespalt überwunden werde, bevor der letzte Tag erreicht sei. Der nun zu beobachtende Komet verkündige schließlich das Ende der Widerwärtigkeit.35 Graminaeus war keineswegs die einzige Person im katholischen Lager, die sich mit astrologischen Prophezeiungen befasste und sie als Dienst an der rechtgläubigen' Kirche einzubringen versuchte. Eine Reihe von Theologen, unter ihnen der Jesuitenpater Martin Delrio, wurden als Fürsprecher dieser Art der Prognostik ins Feld geführt. 36 Die katholische Astrologie befand sich jedoch in einem Dilemma, da ihre Protagonisten heftigsten Kritiken aus den Reihen eigener Konfession ausgesetzt waren und weniger Unterstützung fanden als ihre Gegenspieler, die auf Melanchthon als Autorität verweisen konnten. Seit dem Trienter Konzil galt namentlich die Judizialastrologie, die sich mit Vorhersagen des Jüngsten Gerichts beschäftigte, als unerwünscht. Zudem wurde jene Art von Astrologie streng verboten, die den freien Willen des Menschen in Frage stellte.37 Claudia Brosseder hat die Herausbildung und Durchsetzung der katholischen Lehre vom freien Willen unter kontroverstheologischen Vorzeichen - sie wurde zugespitzt gegen das Luthertum vorgebracht - kürzlich nachgezeichnet.38 Die Gegner, unter ihnen die Mitglieder der Indexkongregation in Rom, schreckten dabei nicht davor zurück, die Astrologie bedrohlich in die Nähe der gotteslästerlichen Zauberei zu rücken.39

31 Theodoras Graminaeus: Mysticus Aquilo sive Declaratio vaticinij Ieremiae prophetae: Ab aquilone pandetur malum super omnes habitatores terrae [...], Köln 1576. 32 Theodoras Graminaeus: Weltspiegel oder Allgemeiner Widerwertigkeit/ deß fünfften KirchenAlters/ kurtze verzeignuß Darinnen Deß Cometen/ oder außgereckter Ruthen/ so im Jar Christi 1577. den 11. Novembris/ am hohen Himmel vernomen/ stand/ lauff/ bedrewung zuersehen/ so Physice/ Astrologice/ Metaphysice oder aber Formaliter erklert und außgelagt wird, Köln 1578. 33 Ebd., S. 84. 34 Ebd., S. 93. 35 Ebd., S. 84. 36 Claudia Brosseder: Im Bann der Sterne. Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen, Berlin 2004, S. 275ff. 37 Heribert Smolinsky: Deutungen der Zeit im Streit der Konfessionen: Kontroverstheologie, Apokalyptik und Astrologie im 16. Jahrhundert, Heidelberg 2000, S. 4f.; Brosseder 2004 (s. Anm. 36), S. 282. 38 Brosseder 2004 (s. Anm. 36), S. 283ff. 39 Brosseder 2004 (s. Anm. 36), S. 286.

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Im Vergleich dazu mag Theodorus Graminaeus das Gefühl gehabt haben, dass seine auf exegetischen Überlegungen beruhenden Deutungen als weniger problematisch eingeschätzt wurden.40 Luther war bereits zuvor gelegentlich von anderen Autoren als Vorläufer des Antichrist bezeichnet worden. Der Theologe Adam Wallasser hatte 1560 diese These vertreten.41 Ähnlich hatte Sebastian Haydlauf sie 1569 verfochten, wobei die Grenzen zwischen Antichrist bzw. „Wüstgrewel" und dessen Vorläufer bei ihm etwas fließender waren 42 Graminaeus selbst belegte seine Einschätzung über den Hinweis auf Staphylus,43 der, sich seinerseits auf Vinzenz Ferrer berufend, Luther wenn nicht als den leibhaftigen, so doch als einen „vermischten Antichrist" angesehen hatte.44 Dass dieser Friedrich Staphylus bis 1552 Lutheraner gewesen war,45 wirft die Frage auf, inwiefern die lutherische Apokalyptik auch in inhaltlicher Art auf die katholischen Versuche, es dem Gegner gleichzutun, eingewirkt haben könnte. 1565, in jenem Jahr, in dem Staphylus sein Buch über den Antichrist veröffentlicht hatte,46 war dieser allerdings bereits seit längerem in Ämtern und Würden der katholischen Kirche gewesen. Staphylus als ehemals kaiserlicher wie herzoglich-bayerischer Rat und im eigenen Lager besonders angesehener katholischer Kirchenreformer schien jedenfalls geeignet, die Prognosen des Theodorus Graminaeus im Hinblick auf den Antichrist mit beträchtlicher Autorität auszustatten. Dies war angesichts der vorherrschenden Skepsis unter den Katholiken gegenüber einer zukunftsdeuterischen Theologie auch dringend geboten, nicht zuletzt, da Graminaeus seine bibelexegetischen Prognosen gelegentlich mit astrologischen verknüpft hatte.

3. Attentismus, Zukunft: „Prodromus" Warum wurde Luther lediglich als ein Vorläufer (.Prodromus), nicht aber als der Antichrist selbst bezeichnet? Heribert Smolinskys Analysen der Schriften des in Niederösterreich geborenen und in Wien lebenden Theologen Johann Rasch,47 welche in mancherlei Hinsicht mit denen des Graminaeus vergleichbar sind, bieten m. E. ein recht überzeugendes Erklärungsmuster: Man betrachtete die Protestanten als Ordnungsstörer, die das nah bevorstehende Ende der Welt in zersetzerischer Absicht proklamierten. Die Katholiken versuchten dagegen, ihren Glaubenskampf

40 Zum Interesse innerhalb des Katholizismus an der Apokalypse trotz seiner Tendenz zur Abgrenzung siehe Smolinsky 2000 (s. Anm. 37), S. 3Iff. 41 Adam Wallasser: Von dem Antichrist. Ob derselbig kommen sey/ oder noch kommen soll/ ein Dialogus oder Gesprech [...], s. 1. 1560. 42 Sebastian Haydlauf: Ein Christliche Predig/ Vom Wüstgrewel (de abominatione desolationis) oder vom Antichrist/ das nemblich der selb nit bey den Catholischen/ sunder bey den Sectischen öffentlich gefunden werde, Ingolstadt 1569. 43 Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), S. 16f. 44 Staphylus 1565 (s. Anm. 30), S. 104. 45 Zu den biographischen Lebensdaten des Staphylus (Stapelage) siehe Heribert Schützeichel: Art. „Staphylus", in: LThK 2000, Bd. 9, S. 93lf. 46 Smolinsky 2000 (s. Anm. 37), S. 32. 47 Ebd., S. 7ff.

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als ein Stabilisierungsprojekt zu profilieren, das kirchliche wie weltliche Ordnung garantieren bzw. wieder herstellen sollte,48 eine Strategie, die sich offenbar erst einspielen musste, was sich etwa darin zeigt, dass Staphylus noch von einem unmittelbar bevorstehenden Ende der Welt ausging.49 Graminaeus versuchte in seinem Prodromus, die katholische Stabilisierungsrhetorik gleichsam zu optimieren, indem er Kirche und Reich als Bollwerke gegen das prophezeite Übel beschrieb: „Dann so lang das heilige Römische Reich wehret/ mach der Antichrist nicht erscheinen/ noch durch tyrannische wütterey/ unnd eigener personlicher bößheit/ nicht heran brechen."50 Dem Römischen Reich, das für die gute katholische Ordnung steht, wird sogar eine aktive vorsorgende Rolle bei der Abwendung des Antichristen zugeschrieben.51 Der gegenwärtige Glaubensfeind kann konsequenterweise vor diesem Hintergrund nicht als leibhaftiger Antichrist verstanden werden. Dass dieser Feind nichtsdestoweniger, schon aus retorsiven Impulsen heraus, als Verleumder des Papstes und Verderber der Menschen zu verteufeln ist, stellt sich damit als Aufgabe, die über die Zuweisung eines Status als Vorgänger, „furtrab" gelöst wird. An einem späteren Ende der Welt und an einem vorherigen Auftauchen des Antichrist lässt Graminaeus jedoch keinen Zweifel. Er zieht biblische Belege hierfür heran, die vor allem aus der Offenbarung des Johannes und dem Buch des Propheten Daniel geschöpft werden. 52 Was Graminaeus aber in seiner Apokalyptik auf kontroverstheologischer Ebene leistet, besteht darin, eine Streckung des zeitlichen Horizontes zu erzielen, die die Vorhersagen der Glaubensgegner entkräftet. Das Auftauchen des Antichrist wird, im Unterschied zu Staphylus, in eine fernere Zukunft verschoben. Einer optimistischen Zukunftsdeutung, die geeignet erscheint, die katholische Reform der Gegenwart mit Siegesgewissheit zu versehen, wird damit Raum gegeben. Die gegenwärtige Zuversicht wird wiederum durch die Allgegenwart des Teufels ergänzt. Nicht in fleischlicher Form, als Antichrist, wohl aber in geistiger Form ist er stets präsent, um seine Diener, unter ihnen die Protestanten, für sich einzunehmen und wirken zu lassen mit dem Ziel, seine leibhaftige Ankunft vorzubereiten. Als dem Kampf gegen den Teufel gewidmete Institution erscheint hier wiederum die römisch-katholische Kirche mit den Päpsten als Häuptern. So entsteht das Bild eines über Jahrhunderte währenden Kampfes, in dem Rom als „unbeweglich Seul der warheit"53 den bösen Mächten trotzt. Die lange Dauer der Herrschaft ist nicht nur Zeichen für Stabilität, sondern auch zugleich Beweis, dass der Papst der Antichrist nicht sein kann. Es muss hier genügen, die Thesen des Graminaeus, die dieser größtenteils im Rahmen eines fiktiven Streitgesprächs zwischen einem „Catholicus" und einem

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Ebd., S. 13f. Staphylus 1565 (s. Anm. 30), S. 156: „unnd der Abfall wird gar bald volkummen sein und sich vollenden." 50 Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), Vorrede. 51 Das Römische Reich habe „bis auff disse jetzt lauffende zeit/ den Antichrist also außschleissen unnd abkeren" lassen. Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), Vorrede. 52 Zur Bedeutung des Danielbuches für die lutherische Apokalyptik siehe Leppin 1999 (s. Anm. 52), S. 59fT. 53 Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), S. 31. 49

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„Luthero-Calvinista" präsentierte, sehr kurz wiederzugeben. Er versuchte nachzuweisen, dass nach der Johannes-Offenbarung, in der von einer kurzen Dauer der Herrschaft des Satans nach seiner 1000-jährigen Fesselung die Rede war,54 nicht das Jahr 666, sondern das Jahr 1666 das Datum des Erscheinens des Antichrists bildete.55 Diese These wurde durch weitere Berechnungen gestützt, die auf der Vorstellung der 6000-jährigen Dauer der Existenz der Welt gründeten.56 Durch die Praxis einer Analogisierung von Zeitangaben aus dem Alten und Neuen Testament einerseits, von Genesis und Apokalypse andererseits, gewann er Zahlenmaterial, das er mit Rechenoperationen, denen er die Ziffer Sieben als Multiplikator zur Erlangung von Zeitangaben zugrunde legte, erneut dem Jahr 1666 als Jahr des Erscheinens des Antichrist zuführte. Seiner Theorie eines ,Wunders der Zahlen' zufolge ließ sich der Zeitpunkt sogar noch genauer auf das Jahr 1666 und 8 Monate nach der Geburt Christi festlegen.57 Damit verschob Graminaeus das Eintreten des Weltuntergangs immerhin hinter den Lebenshorizont seiner Zeitgenossen, zumindest der meisten seiner Zeitgenossen, seinen eigenen Inbegriffen. Unabhängig davon, dass das Jahr 1666 für viele Autoren unterschiedlicher Konfession das Weltende markierte,58 die zur Unterstützung herangezogen werden konnten, war einem offensichtlichen Bedürfnis an Zeitgewinn im eigenen Lager Rechnung getragen worden. Diese Intention, der Gewinn an Zeit für einen katholischen Aufbruch und die Mission der ^echtgläubigen Kirche', scheint durch die Argumentation durch. So setzte Graminaeus die Verbreitung des Evangeliums in der ganzen Welt als heilsgeschichtliche Erfüllung vor die Erscheinung des Antichrist und schloss daraus einmal mehr, dass die Päpste zu unrecht geschmäht worden seien, da die ,wahre Lehre' noch nicht über die „terra Magallanica/ und die furnembste örtter Indiae & Africa" 59 verkündet worden sei. Der zeitlichen Verschiebung des Auftretens des Antichrist entsprach darüber hinaus eine räumliche. Anders als die Diffamanten des zu Rom residierenden Papstes sah Graminaeus Jerusalem als Erscheinungsort. Den Kirchenvätern und der Heiligen Schrift sei zu entnehmen, dass dieser aus dem Stamme Daniel geboren werde und die Juden ihm zuerst untertänig würden.60 Graminaeus gab eine detaillierte Vorhersage vom Ablauf des Geschehens, in welcher sich der zur Herrschaft

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Graminaeus bezog sich auch hierbei auf die Bibel (Ofib 20). Das Jahr 1666 lässt sich offensichtlich ebenso als Antwort auf lutherische Endzeiterwartungen, die auf das Jahr 1588 zugeschnitten waren, deuten. Zu 1588 siehe Leppin 1999 (s. Anm. 52), S. 139ff. 56 Spruch des Hauses des Elias, Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), S. 73. Siehe auch Smolinsky 2001 (s. Anm. 27), hier S. 17. 57 Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), S. 94. 58 Zur starken Verbreitung des Musters, das auf 666 als Zahl des apokalyptischen Tieres (Buch Daniel) und auf die Zahl 1000 als Zeitraum der Fesselung des Teufels rekurrierte, siehe Smolinsky 2001 (s. Anm. 27), S. 15. 59 Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), S. 100. 60 Ebd., S. 130. Zum Wandel dieses auf die Endzeit gerichteten Bildes der jüdischen Verschwörung in der Frühen Neuzeit siehe die Studie von Johannes Heil: „Gottesfeinde - Menschenfeinde". Die Vorstellung von jüdischer Weltverschwörung (13. bis 16. Jahrhundert), Essen 2006. 55

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aufgestiegene Antichrist im Tempel zu Jerusalem anbeten lässt,61 dort die beiden gegen ihn kämpfenden gottesfurchtigen Zeugen Henoch und Elias umbringt und über Ägypten, Lybien und Äthiopien die Welt, das Römische Reich eingeschlossen, für kurze Zeit unter seine Knechtschaft bringt,62 um letztlich durch den Erzengel Michael getötet zu werden. Mit der Verlagerung des Hauptgeschehens nach Jerusalem verbunden war für ihn der Beleg, dass weder Luther noch Calvin für sich beanspruchen könnten, Henoch oder Elias zu sein, da sie nicht dort zu Tode gekommen waren.63 Dieses Argument sollte auch der Jesuit Scherer später gegen die Lutheraner ins Spiel bringen.64 Eine genauere Betrachtung der auf 3/4 Jahre bemessenen Herrschaft des Antichrist lässt schließlich die Vorstellungen, die sich Graminaeus von der Magie und Zauberei in den letzten Tagen machte, etwas deutlicher werden: Markant für die Herrschaft des Antichrist, eine Herrschaft des Irrtums, sei der Einsatz von Zauberei und Schwarzkunst, mit der er die Menschen verführe. Die Herrschaft des Irrtums komme über dreierlei Handlungsfelder zum Tragen, zum einen die Verblendung, „lügenhafftige äugen Verblendung", eine Bewirkung von Magie ohne eine wirkliche Veränderung des natürlichen Körpers, zum anderen das Wirken von Wundern durch „wunderbare/ heimliche und verborgene krefften/ art unnd eigenschafft der Natürlicher ding vollenzogen".65 Graminaeus meint hiermit verborgene Gesetze der Natur. Zum dritten nennt er die tyrannische Gewalt, den Mord an den auf dem rechten Glauben beharrenden Auserwählten Gottes. In den verborgenen Kräften der Natur, die Graminaeus anführt, liegt ein interessanter Hinweis auf seine eigenen Aktivitäten und die seiner wissenschaftlichen Vorbilder versteckt. Er erläutert nämlich den Begriff der wissenschaftlichen Geheimnisse, derer sich der Antichrist bedient, indem er auf Gelehrte verweist, die er als Meister auf diesem Gebiet ansieht: Cornelius Agrippa, Trithemius, Cardano und Paracelsus, ebenso Albertus Magnus und Thomas von Aquin.66 Alle diese werde der Antichrist an Meisterschaft noch übertreffen, darüber hinaus werde er allerdings im Gegensatz zu jenen sich allein durch Geschicklichkeit auszeichnenden philosophi und medici auf die Zauber- und Schwarzkunstlehre zurückgreifen, hinter denen der Teufel stecke, der die verborgenen Gesetze der Natur von der Zeit der Erschaffung der Welt her kenne.67 Das Bemühen um eine Abgrenzung dieser Wissenschaften vom Verborgenen gegenüber der Schwarzkunst ist hier, gerade mit Blick auf die eigenen Aktivitäten, unverkennbar. Dabei zeigt sich jedoch auch, dass diese Grenze etwas unscharf gerät. Eine genauere Beschreibung der Schwarzkunst des Antichristen beschränkt sich im Wesentlichen auf dessen Fähigkeit, Feuer vom Himmel

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Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), S. 116ff. Ebd., S. 165ff. 63 Ebd., S. 121. 64 Georg Scherer: Bericht/ ob der Babst zu Rom der Antichrist sey [...], Ingolstadt 1585, S. 151. Scherer verwendete eine Reihe von Argumenten, die Graminaeus 1578 vorgebracht hatte und könnte durch sein Buch beeinflusst sein. 65 Graminaeus, Prodromus 1578 (s. Anm. 15), S. 146. 66 Ebd., S. 148f. 67 Ebd., S. 149. 62

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fallen zu lassen. Anders als jene Autoren, deren Schriften seinem Prodromus beigeheftet wurden und in denen der Teufelspakt der Anhänger des Antichrist und Künste wie das Versetzen von Bergen, das Bewegen der Sonne und die Erweckung von Toten konkretisiert werden, beschränkt sich Graminaeus auf eine abstraktere Darstellung der Magie in der Endzeit. Insgesamt lässt sich der Prodromus als Versuch einer Synthese deuten, die die Schlagkraft der Apokalypse nutzen und für die katholische Kontroverstheologie einsetzbar machen, dabei gleichzeitig einem Bedürfnis nach einer Verlängerung der Zukunft in der Welt gerecht werden sollte. Dies sollte die Lutheraner Lügen strafen und die Vollendung des eigenen katholischen Auftrags ermöglichen. Ein gelassener Attentismus kontrastiert dabei gegenüber den Schreckbildern von den unvermeidbaren Greueln der Endzeit, die angesichts des Jüngsten Gerichts zur Glaubenstreue mahnen. Die Zeit des Antichristen ist auch für Graminaeus eine letzte Zeit der Prüfungen, in denen sich die Auserwählten Gottes von den Unwürdigen scheiden. Aber dieser Vorgang ist eigentlich fur ihn ein die gesamte Heilsgeschichte prägender. Die römisch-katholische Kirche in ihrem stetigen Widerstand gegen die Macht des Teufels ist für ihn jener Hoffnungsträger, der Anlass zur Zuversicht neben der Angst gibt. Eine Stützung seiner Prognosen über astrologische Überlegungen vermied Graminaeus im Prodromus. Das Kapitel der Zukunftsdeutungen anhand der Gestirne war für ihn jedoch keineswegs abgeschlossen. Im gleichen Jahr wie der Prodromus, 1578, erschien sein ,Weltspiegel', in dem er die Astrologie als Beleg für seine Thesen in Anspruch nahm, dass sich 1666 etwas Bedeutsames ereignen werde, dass vor dem jüngsten Tag ein allgemeiner Friede geschlossen und der Stand der Kirche in der Vollkommenheit des evangelischen Lebens nach dem Vorbild der Dominikaner und Franziskaner erneuert werde.68

4. Vergegenwärtigte Endzeit: „Inductio, [...] die Zauberer und Hexen belangendt" Im Jahr 1594 wurde also das Weltende erneut Gegenstand von Überlegungen des Theodor Graminaeus. Er leitete seine juristische Inductio bzw. ,Anleitung' der Hexenprozesse mit der Bemerkung ein, dass der „Tag des Herren/ und die Zeit des Jüngsten Gerichts" nahe. Das Wüten des bösen Feindes werde „größer und mehrer", auch durch die gottlosen Menschen, die ihm dienten. Neben anderen „Zauberern/ weichelern und gifftmischerinnen" seien es jene, „so man hexen und unholden nennet, welche gemeinschafft mit den unreinen geisteren" hätten. „Ein großer anzahl/ bait ein unzehliger hauffen bey diser letzter zeit der Welt/ solcher Zauber/ Hexen und Unholden/ so der Teuffei zum Dienst auffgenommen" seien bereits entdeckt worden, täglich würden es mehr.69

68 69

Graminaeus, Weltspiegel 1578 (s. Anm. 32), S. 93. Graminaeus, Inductio 1594 (s. Anm. 16), Vorrede.

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Der Umschwung von einer optimistischen Deutung der Gegenwart zu einer, die dem Teufel wieder mehr Einfluss verleiht, ist auffallig. Auch wenn sich die Prognosen von 1578 und 1594 nicht strikt widersprechen mögen, lässt sich doch die Zunahme des Bösen als ein neues bzw. aufs neue aktualisiertes Element im apokalyptischen Diskurs des Theodoras Graminaeus ausmachen. Der Hinweis auf eine die Welt immer mehr durchdringende Schlechtigkeit scheint nun die Zeit, die bleibt, zu komprimieren. Eine schrumpfende Zukunft wird zum Fundament eines Aufrufes zum Endzeitkampf. Beim Vergleich mit dem Prodromus ist allerdings zu berücksichtigen, dass zum einen ein beachtlicher zeitlicher Abstand zwischen beiden Deutungen von Gegenwart und naher Zukunft liegt, der die Frage aufwirft, ob sich die Sicht der Dinge bei Graminaeus zumindest partiell verändert hatte. Zum anderen ist zu bedenken, dass die Texte sehr differente Zwecke erfüllen sollten. Immerhin lässt sich festhalten, dass ein und derselbe Autor, einmal als theologisch versierter mathematicus, einmal als Jurist, als Diener des rechten Glaubens zu agieren versuchte. Wie noch zu zeigen sein wird, stellte Graminaeus selbst eine Verbindung zwischen diesen beiden Unternehmungen her. Seit 1583 war kein Text des Graminaeus mehr erschienen, der die Sterne explizit zum Gegenstand gehabt hätte. Seit 1578 waren zudem keine Werke prognostischer Art mehr an die Öffentlichkeit gelangt. Dafür mögen die beruflichen Veränderungen in seinem Leben mit verantwortlich sein. Noch ein weiterer Grund für eine Enthaltsamkeit auf dem Gebiet insbesondere der Sterndeutung liegt jedoch auf der Hand: 1586 war ein päpstliches Verbot der astrologischen Prognostik ergangen. In diesem Erlass des Papstes Sixtus V. waren die Tätigkeiten der mathematici, planetarii etc. als schwere Angriffe gegen Gott bezeichnet worden.70 Die bereits zuvor ergangenen Invektiven, durch die die Sterndeutung in die Nähe der Zauberei gerückt worden war, waren damit noch einmal erheblich bekräftigt worden. Einen der Anlässe, warum sich Graminaeus nun, 1594, den Hexenprozessen zuwandte, benannte er selbst: Er habe die Schrift des Trierer Weihbischofs Peter Binsfeld über die Geständnisse der Zauberer und Hexen, erschienen 1590 und 1591 einmal auf Deutsch, einmal auf Latein,71 gelesen und befunden, dass dieser viele Unklarheiten über diese Materie ausgeräumt habe.72 Er selbst sei der Meinung, dass jeder Richter dieses Buch neben der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) fleißig lesen solle.73 Sein eigenes Buch stellte Graminaeus, Bescheidenheit vorgebend, in seiner Vorrede dagegen als eine im Vergleich mehr handliche, praxisbezogene Anleitung für das Justizpersonal dar. Dass Binsfeld mit seiner Publikation eine ungeheure Breitenwirkung erzielte und viele Juristen und Obrigkeiten veranlasste, Verfolgungen zu forcieren, ist lange bekannt. Im Buch des Graminaeus findet sich jedoch eine längere Auseinander-

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Brosseder 2004 (s. Anm. 36), S. 288; siehe auch ebd., Anm. 117 und 118. Graminaeus bezieht sich in seinen Argumenten auf die lateinische Ausgabe Peter Binsfeld: Tractatus de confessionibus maleficorum & Sagarum an et quanta fides iis adhibenda sit, Trier 1591. Dieser Ausgabe ist ein weiteres Werk angebunden: Peter Binsfeld: Commentarius in Titulum Codicis Lib. IX. de Maleficis et Mathematicis [...], Trier 1591. 72 Graminaeus, Inductio 1594 (s. Anm. 15), S. 8. 73 Ebd. 71

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setzung mit Binsfelds Thesen, die den gewöhnlichen Rahmen juristischer bzw. straftheologischer Rezeption sprengt. Graminaeus berief sich auf Ausführungen in Binsfelds lateinischer Ausgabe seines Traktates „von Bekanntnuß der Zauberer und Hexen", in denen dieser erklärt hatte, was von der „Mathematica, und sonderlich von der Astrologischer Weissagung zu halten" sei.74 Er interpretierte diese als Anerkennung der Rechtmäßigkeit der Astrologie, sofern sie den freien Willen des Menschen anerkenne, da die Sterne die Akteure auf Erden zwar beeinflussten, nicht aber in ihrem Willen und Tun festlegten.75 Diese Interpretation Binsfelds ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Andererseits ist unverkennbar, dass dieser die Zukunftsseherei zum großen Teil eben doch in dämonischen Praktiken begründet sah76 und dazu neigte, sie als eine Gottes Zorn herausfordernde Tätigkeit zu betrachten.77 Um jeglichen Verdacht von der Astrologie als Bestandteil der Mathematik auszuräumen, berief sich Graminaeus zudem auf Augustinus, der insbesondere die Praxis der Judizialastrologie gerechtfertigt habe.78 Wie schon im Prodromus wird somit wiederum das Bemühen des Autors deutlich, angesichts seines eigenen Kampfes gegen teuflische Mächte eine Abgrenzung seiner selbst vorzunehmen. Vorbereitet hatte er diesen Versuch einer Reinwaschung durch eine Differenzierung des Magiebegriffs einige Seiten zuvor. Er unterschied die positive „natürliche und zulässige" Magie, namentlich Astrologie, Physik, Prophetien, Weissagung aus natürlichen Ursachen und Werke, die von Unwissenden „für grosse Wunder geachtet" würden, von der gottlosen, teuflischen, abergläubischen Magie. Letztere bezeichnete er auch als doppelte (dubbelte) Magie, da sie das ihr innewohnende Böse verdecke und bemäntele. 79 Wie schon im Prodromus lieferte Graminaeus somit eine Rechtfertigung der Astrologie anlässlich seines Einsatzes gegen die satanischen Kräfte in der Welt. Es spricht einiges dafür, dass sogar eines seiner Motive zum Aufruf, gegen die Hexen vorzugehen, darin gesehen werden kann, sich selbst über jeden Zweifel erhaben zu machen. Er forderte den Feuertod als strengste Bestrafung für jene, die, wie Binsfeld und andere in ihren Schriften versichert hatten, den Teufelspakt geschlossen und damit die göttliche Majestät beleidigt hatten. Damit versuchte er einmal mehr, selbst unter nicht unerheblichem Verdacht stehend, Gott erzürnt zu haben, sich als sein aufrichtiger Diener zu profilieren. Einige Unterschiede in diesem Engagement treten nichtsdestoweniger zutage. Hatte er seinen Kampf gegen die Glaubensgegner noch mit den Mitteln der Judizialastrologie geführt, so war seine Schrift gegen die Hexen, abgesehen von seinen einleitenden Bemerkungen über das nah bevorstehende Ende, frei von eschatologischen Überlegungen oder gar Berechnungen. Der Antichrist kommt darin nicht

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Ebd., S. 34. Ebd., S. 36: „Durch bewegung und enderung der leiblichen bewegung wircken die himlische Lichter und Sternen über des Menschen willen/ und hinneigten denselben zufelliglich/ aber nicht nothwendig." 76 Binsfeld 1591 (s. Anm. 71), S. 375ff. 77 Ebd, S. 410. 78 Graminaeus, Inductio 1594 (s. Anm. 15), S. 40ff. 79 Ebd., S. l l f . 75

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mehr vor. Der Teufel tritt stattdessen als Verfuhrer in Erscheinung. Daneben sind es eindeutig Menschen, deren Entscheidungen für gut und böse im Zentrum der Abhandlung stehen. Graminaeus' Schrift gegen die Hexen ist, trotz seiner Einlassungen auf die Astrologie, gleichzeitig ein Bekenntnis zur menschlichen Willensfreiheit. Dem in den 1570-er Jahren unternommenen Versuch, eine Gegnerschaft, der man nicht habhaft werden konnte, über publizistische Mittel, notgedrungen im Rahmen eines Attentismus, dem die Heilsgeschichte zum Sieg verhilft, zu bekämpfen, folgte nun eine Strategie, die den sofortigen Zugriff beinhaltete. Zwar ließen sich Glaubensgegner wie Hexen gleichermaßen als Vorboten des Weltendes betrachten: Graminaeus nahm fur beide Arten von Teufelsdienern, ähnlich wie bereits der Hexenhammer des Heinrich Kramer von 1487,80 Simon Magus als deren historisches Vorbild in Anspruch.81 Der Kampf gegen das Böse ließ sich jedoch im Falle der Zauberer und Hexen direkt mit Mitteln der ,Guten Policey' und Justiz führen. Eine rigorose Politik der Ausmerzung der Beleidiger Gottes sollte Graminaeus zufolge nun helfen, Tod und Not in Form der ägyptischen Plagen abzuwenden. Apokalyptische Szenarien werden in seiner Inductio nach wie vor beschworen. Aber es handelt sich nun um Szenarien jenseits eines geradlinigen Verlaufs der Heilsgeschichte, wenn Graminaeus davor warnt, dass Gott eben jene Völker auszurotten pflege, die die Zauberei zuließen.82

5. Glaubensgegner und Hexen - zwei Endzeitdiskurse Fazit: So zeigt sich bei allen Ähnlichkeiten, die die Glaubensgegner und die Hexen zuweilen aufweisen, deutlich eine Autonomie der beiden Diskurse, die es nahelegen, von zwei Arten der Apokalyptik zu sprechen. Graminaeus verlegte den Sieg über den großen, nicht niederzuringenden Gegner, die Protestanten, in eine vorhersehbare Zukunft, während der Kampf gegen die Hexen zum Gegenwartskampf erklärt wurde. Bot sich hierbei der Hinweis auf das nah bevorstehende Weltende durchaus an, um die Dringlichkeit von Hexenjagden nahezulegen, so blieb dieser jedoch vage im Hinblick auf eine Terminierung. Es reichte die Vorstellung von der Unausweichlichkeit dieses bald eintretenden Endes und des Jüngsten Gerichts, um die Obrigkeiten zum handeln zu veranlassen, ging es doch nicht zuletzt darum, ihnen deutlich zu machen, dass sie ihr eigenes Seelenheil über beflissene und sofortige Aktion sicherten.83 Der Antichrist als Indikator von Zeitpunkten auf einer heilsgeschichtlichen Zeitleiste war im Rahmen dieses düsteren Gegenwartsszena-

80

Siehe: Heinrich Kramer (Institoris): Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum. Neu aus dem Lateinischen übertragen von Wolfgang Behringer, Günter Jerouschek und Werner Tschacher, hg. von Wolfgang Behringer und Günter Jerouschek, München 2000, S. 437. 81 Graminaeus, Prodromus 1578, S. 168; Graminaeus, Inductio 1594, S. 21. 82 Ebd., S. 118ff. 83 Die Obrigkeiten sündigten keineswegs, wenn sie die Verbrecher hinrichteten, sondern täten „Gott daran ein gefelligen dienst/ zu schützung des Menschlichen lebens/ förderlich und nützlich".

Das Wüten des bösen Feindes

233

riums 84 überflüssig, mehr noch: störend, was sicherlich auch als ein Erklärungsmoment für die Feststellung von Peter Dinzelbacher angesehen werden kann, dass diese biblische Figur in Geständnissen angeblicher Zauberer und Zauberinnen so gut wie nie auftaucht. 85 War die teuflische Magie im Prodromus noch ein Signum für die Schrecknisse einer unausweichlichen Zukunft, so stellte sie nun im Rahmen des Hexereidiskurses den Kern einer vergegenwärtigten Endzeit dar. Genauer: Sie ließ die Gegenwart als Übergangsphase deuten, die man als Schwelle zur Endzeit bzw. Vor-Endzeit beschreiben könnte. Dass in der Variabilität und Offenheit apokalyptischer Deutungsmuster zugleich der Schlüssel zu ihrem Erfolg lag, leuchtet unmittelbar ein. Der Vergleich der beiden Schriften des Graminaeus macht jedoch das Bestreben, die Apokalyptik auf verschiedene Art und Weise nutzbar wie beherrschbar zu machen, überaus deutlich. Das Wissen um das Weltende wurde rigoros eingepasst, den erwünschten Zielen entsprechend. Die Texte lassen zudem erkennen, dass es dabei offensichtlich nicht nur einer rechten Zuschneidung, sondern auch einer Einhegung des Faktors Apokalypse 86 bedurfte. Dies zeigt sowohl der 1578 unternommene Versuch, eine Verlängerung der Zukunft zu errechnen, um konfessionspolitischen Expansionsplänen Raum zu verschaffen, als auch das Vor-Endzeit-Konzept von 1594, das straftheologischen Bedürfnissen Rechnung trug, ,frommen' bzw. gestrengen, mitleidlosen Handlungen der Obrigkeit eine positive Wirkung zuzusprechen. 87 Frappant ist darüber hinaus das Nebeneinander dreier Konzepte von Magie in beiden Schriften. Graminaeus konfrontiert uns mit einer Magie der Zukunft, auf die die Protestanten, bloße Vorläufer des Antichrist, lediglich einen Schatten vorauswerfen. Diese Feinde werden angesichts seiner Eschatologie zu mindermächtigen Gegnern. Mit Blick auf die Hexerei versucht Graminaeus dagegen, die Existenz einer gegenwärtigen teuflischen Magie, ausgeübt durch seine menschlichen Diener, zu belegen, die eine existentielle Gefahr darstellt und daher unmittelbar auszurotten ist. Dem stellt er schließlich sein Konzept einer ihn selbst faszinierenden Wissenschaft vom Verborgenen' gegenüber, in der Mathematik, Astrologie, Medizin und Magie eins werden. Sein Traum, diese Macht für die ,wahre' Kirche und Religion einzusetzen, wird wiederum stets von der unverkennbaren Sorge um Diskreditierung in den eigenen Reihen gestört. Es sieht so aus, als ob den glaubenskämpferischen Unternehmungen des Theodorus Graminaeus gegen die Hexen kein größerer Erfolg beschieden war als jenen, die gegen die Protestanten gerichtet waren. Offensichtlich sah er 1594, kurz nach dem Tode Herzog Wilhelms V. (III.) von Jülich, Kleve und Berg, die Chance, einen neuen Fürsten, der jüngst die Herrschaft übernommen hatte, zu einem gewichtigen

84 So sieht auch Johannes Heil die Hexen und Zauberer eben nicht mehr auf den Antichrist bezogen, sondern auf den „präsentischen Teufel". Heil 2006 (s. Anm. 60), S. 531. 85 Peter Dinzelbacher: Art. „Antichrist", in: Richard M. Golden (Ed.): Encyclopaedia of witchcraft. The Western Tradition, Vol. 1, Santa Barbara, Denver, Oxford (UK) 2006, S. 45^47, hier S. 46. 86 Zu lutherischen Versuchen, die Aussagen zum Weltende in straftheologische Konzepte einzubinden und dadurch den Charakter der Apokalyptik zu mildern, siehe Leppin 1999 (s. Anm. 52), S. 164. 87 Dass sich dieses Bedürfnis auch in der lutherischen Apokalyptik manifestierte, zeigt Leppin auf: ebd., S. 166ff.

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Ralf-Peter Fuchs

politischen Programm zu bewegen. Die Voraussetzungen dafür dürften ihm insofern günstig erschienen sein, als bereits seit geraumer Zeit Kräfte am jülich-bergischen Hof wirksam waren, die eine schärfere religionspolitische Gangart befürworteten. Man kann jedoch der Inductio entnehmen, dass Graminaeus sich zumindest im Ton nicht allzu schroff von jenem entschiedenen Gegner der Hexenprozesse absetzen wollte, der lange Zeit am fürstlichen Hof als medicus in Amt und Würden gewesen war und dessen Name für eine Politik der Vermeidung von Prozessen nach dem Muster des Hexenhammers stand: Johann Weyer. Dessen Sohn Galenus Weyer war wie Graminaeus selbst 1592 unter den zahlreichen Gästen der Trauerfeier anlässlich der Beerdigung Herzog Wilhelms.88 Verfolgungshemmende politische Kräfte scheinen auch unter dessen Nachfolger Johann Wilhelm die Oberhand behalten zu haben.89

88 Zum Leichenbegängnis und den aufgelisteten Gästen siehe Graminaeus: Spiegel und abbildung der Vergengligkeit 1592 (s. Anm. 21). 89 Hierzu Ralf-Peter Fuchs: Hexenverfolgung an Ruhr und Lippe. Die Nutzung der Justiz durch Herren und Untertanen, Münster 2002, insbes. S. 16ff.

Hubertus Busche

Wer ist der „Antichrist"? Die Kirche, Jesus und Nietzsche in der Dialektik ihrer Anti-Stellung

Auf einer Tagung, die sich am Leitfaden der Chiffre vom „Antichrist" mit der Geschichte eschatologischer Feindtypisierungen und Feindidentifizierungen auseinandersetzt, nimmt Nietzsches gleichnamige Spätschrift von 1888 in mindestens zweifacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Zum einen mahnt und warnt Nietzsche nicht etwa vor dem endzeitlichen Feind, wie er in den Johannesbriefen direkt (vgl. 1 Joh 2,18-25; 4,3-6; 2 Joh 7) und in der Johannesoffenbarung indirekt (vgl. Offb 13,1-18; 19,11-21) beschrieben wird; auch scheint er zunächst keine fremden Personen und Mächte als den Antichristen auszumachen; vielmehr identifiziert sich Nietzsche - wohl gerade weil er, einem Topos der Forschung gemäß, „vom Christentum nie losgekommen" ist1 - selbst mit dem Antichristen und erklärt sich selbst zum „Gegner des Christenthums de rigueur" (6, 275).2 Zum anderen aber - dieser Befund ist weniger offenkundig - spielt Nietzsche in Der Antichrist den Stifter des Christentums zugleich gegen die Kirche aus; in Erweiterung und Radikalisierung der protestantischen Kritik am papistischen Christentum identifiziert er nicht nur die römische Kirche, sondern das historische Christentum insgesamt mit dem Gegenspieler Jesu. Das Christentum selbst sei der Widersacher Christi und insofern der Antichrist. „Im Grunde gab es nur Einen Christen, und der starb am Kreuz" (6, 211). „Das ,Evangelium' starb am Kreuz. Was von diesem Augenblick an ,Evangelium' heisst, war bereits der Gegensatz dessen, was er gelebt: eine ,schlimme Botschaft', ein Dysangelium." (6, 211) Insofern habe man „aus dem Gegensatz zum Evangelium die Kirche aufgebaut" (6, 208). So erweist sich Nietzsches Selbstbezeichnung „Antichrist" als Produkt einer doppelten Negation: Nietzsche versteht sich als Antithese zu einer Religion, die ihrerseits die Antithese zu ihrem Stifter geworden sei. Wenn unter dieser Prämisse das Christentum selbst antichristlich ist, so rückt Nietzsche als Anti-Antichrist selbst in die Nähe zu Jesus bzw. Christus.3 Hieraus erklären sich einige partielle Identifika-

1

So Johann Baptist Lötz SJ: Zwischen Seligkeit und Verdammnis. Ein Beitrag zu dem Thema: Nietzsche und das Christentum, München 1953, S. 12-14. Ähnlich schon Josef Hofmiller: Friedrich Nietzsche, Lübeck 1933: „Wer gegen das Christentum so schreibt, ist mit dem Christentum alles andere als fertig" (65). Völlig unergiebig ist dagegen W. L. Hohmann: Zu Nietzsches Fluch auf das Christentum oder Warum wurde Nietzsche nicht fertig mit dem Christentum?, Essen 1984. 2 Sofern im Folgenden keine Sigle angegeben wird, beziehen sich die Ziffern auf Band und Seite von Friedrich Nietzsche: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1980. Die vielen dort gesperrt gesetzten Passagen werden nicht als solche hervorgehoben. 3 Walter Kaufmann: Nietzsche. Philosopher, Psychologist, Antichrist, Princeton 4 1974, S. 337-390, insb. S. 342, hat die These aufgestellt, dass Nietzsche terminologisch zwischen „Jesus" und „Christus"

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Hubertus Busche

tionen mit Jesus;4 z. B. im Jesus-Motto der nur wenige Monate nach dem Antichrist verfassten Schrift Ecce Homo, aber auch in der Behauptung „Ich bin ein froher Botschafter" (6, 366) sowie im Umstand, dass Nietzsche mit seiner Schrift Der Antichrist eine neue Zeitrechnung beginnen will. Er datiert den neuen „Tag [...] des Heils" auf den „30. September 1888 der falschen Zeitrechnung", d. h. auf denjenigen Tag, an dem Der Antichrist gleichsam ausgereift und geboren war. Die Selbstparallelisierung mit Christus erklärt auch, dass Nietzsche eine säkularisierte und negative Eschatologie vertritt, in welcher er als der Antichrist den historischen Endkampf zugunsten einer Religion im Zeichen des Dionysos einleitet. Seit dem Zarathustra bezieht er nach eigenen Worten folgende „Stellung zum Christenthum": ,„Aut Christus, aut Zarathustra!' Oder auf deutsch: es handelt sich um den alten längstverheißenen Antichrist" (KSB 6, 436).5 Entsprechend dieser eschatologischen Dimension sollte auch Der Antichrist die agitatorische Aufgabe erfüllen, den „Boden für den größten Entscheidungs-Krieg der Geschichte" zu bereiten, in dem - verbündet mit den „Juden" und dem „Großcapital" - der „Vernichtungsschlag gegen das Christenthum" geführt werde (KSB 8, 500f.). Allerdings stellt Jesus für Nietzsche in nur eingeschränkter Weise eine Identifikationsfigur dar. Vielmehr bleibt seine Rolle zwiespältig, denn einerseits gilt er Nietzsche als ein extremer Exponent vorbehaltsloser Lebensbejahung, den man einen „freien Geist" nennen könne (6, 204); andererseits gilt er ihm als „décadent" (6, 202), ja als eine Art „Idiot", der aus „krankhafter Reizbarkeit des Tastsinns" vor der Berührung mit der Welt „zurückschaudert" (6, 200). Entsprechend dieser doppelten Selbstpositionierung Nietzsches spielt sein Werktitel Der Antichrist auch bewusst mit zwei Grundbedeutungen. Erstens versteht sich Nietzsche als „Antichrist" in der grundsätzlichen Wortbedeutung, sofern er „gegen" die christliche Religion zu Felde zieht. In Anspielung auf diese primäre Wortbedeutung der griechischen Präposition „anti" schreibt Nietzsche: „Ich bin, auf griechisch, und nicht nur auf griechisch, der Antichrist" (6, 302). Ähnlich hatte Nietzsche Anfang April 1883 an Malwida von Meysenbug geschrieben: „Wollen Sie einen neuen Namen für mich? Die Kirchensprache hat einen: ich bin der

unterscheide. Das lässt sich jedoch weder für Der Antichrist noch für andere Schriften verteidigen. Obwohl „Jesus" bei Nietzsche selbstverständlich eher für den historischen Jesus von Nazareth steht, „Christus" dagegen, d. h. „der Gesalbte", für seine religiöse Titulierung durch die Anhänger, verwendet Nietzsche beide Termini promiscue, zumal die affirmative Verwendung von „Christus" bei ihm ja keinen Sinn macht. Selbst dort, wo die Bezeichnung „Christus" nicht rhetorisch durch die Entgegensetzung gegen „christlich" bzw. „Christentum" motiviert ist (z. B. 13, 161; 13, 517), setzt Nietzsche „Christus" ohne weiteres für den historischen Jesus ein (13, 409), da er diesen Titel gewissermaßen immer in nichtexpliziten Anführungszeichen referiert - ähnlich wie er auch z. B. vom „Leben des Erlösers" (6, 205) spricht, ohne die in diesem Titel enthaltene Wertung zu teilen. 4 Zu diesem Thema völlig indiskutabel, weil an oberflächlicher Polemik kaum zu überbieten ist das Pamphlet von Franz Brentano: Nietzsche als Nachahmer Jesu, in: Die Lehre Jesu und ihre bleibende Bedeutung, mit einem Anhange: Kurze Darstellung der christlichen Glaubenslehre, hg. von Alfred Kastil, Leipzig 1922, S. 129-132. 5 An Heinrich Köselitz, 26. August 1883; die Sigle KSB steht im Folgenden für Friedrich Nietzsche: Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1986. Auch hier werden die gesperrt gesetzten Passagen nicht als solche hervorgehoben.

Nietzsches „Der Antichrist"

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Antichrist" (KSB 6, 357). Und ähnlich wird er im Dezember 1888 einen Entwurf an Bismarck unterschreiben mit „Der Antichrist Friedrich Nietzsche" (KSB 8, 504). Zweitens bedeutet Nietzsches Anti-Christlichkeit aber auch, dass er „anti" im Sinne des koinê-Griechischs ist, nämlich sich „an Stelle" von Christus sieht, für den er sich deshalb stellvertretend stark macht: „Bloss die christliche Praktik, ein Leben so wie der, der am Kreuze starb, es lebte, ist christlich [...]: das echte, das ursprüngliche Christenthum wird zu allen Zeiten möglich sein ..." (6, 211). In dieser dialektischen Mehrfachbedeutung des Buchtitels Der Antichrist darf wohl auch die eigentliche Pointe der Nietzscheschen Schrift gesehen werden: Sie ist, auf der Oberfläche, die Abrechnung des bekennenden Antichristen Nietzsche mit dem Christentum, tiefer betrachtet aber zugleich die Demaskierung der Kirche selbst als des eigentlichen Antichristen, wenn man sie am Maßstab Jesu Christi misst.6 Und von hier aus wiederum lässt sich umgekehrt mit demselben Recht sagen, dass Jesus selbst, wie Nietzsche, der Antichrist ist, wenn man ihn am Maßstab der Kirche misst. Im folgenden Beitrag soll diese Dialektik des „Antichristen" aufgezeigt werden, die sprachlich durch die beiden Grundbedeutungen der Präposition „anti",7 sachlich durch ihre reine Relativität und standpunktlich durch Nietzsches Gegnerschaft gegen das Christentum einerseits und seine Positionierung an Stelle und zugunsten des kirchlichen Antipoden Jesus andererseits ermöglicht wird.8 Der Beitrag beruht auf der nicht eben neuen Überzeugung, dass es „auch für christliche Theologen an der Zeit ist, sich mit Nietzsche, und zwar speziell auch mit Nietzsches Typologie Jesu von Nazaret - also mit dem ,Antichrist' und den Vorarbeiten, aus denen diese Schrift schöpft - erneut auseinanderzusetzen".9 Hierfür werden in Kapitel 2 Nietzsches Argumente gegen das Christentum dargelegt, so dass hier Nietzsche die Rolle des Antichristen zukommt. In Kapitel 3 wird dann der von Nietzsche herausgestellte

6 Diese Stoßrichtung der Schrift kommt in dem ansonsten vorzüglichen Gesamtkommentar von Andreas Urs Sommer: Friedrich Nietzsches ,Der Antichrist'. Ein philosophisch-historischer Kommentar, Basel 2000, nicht so richtig zur Geltung. Sommer deutet die Schrift stattdessen hypothetisch als ein „ironisches Maskenspiel" (55), in dem „Nietzsche sich schon mit dem Titel eine Maske aufsetzt" (54), deren er sich aber „nur aus taktischen Gründen" bediene (526). Mit seiner forcierten Annahme, die Schrift könne sich „schon im Titel als Parodie oder als Travestie zu erkennen geben" (65), sucht Sommer aber nur den Eindruck zu verhindern, dass Nietzsche in dieser Schrift andernfalls recht „dogmatisch" die christlichen Dogmen kritisiert (51). 7 Werner Stegmaier: Nietzsches Kritik der Vernunft seines Lebens. Zur Deutung von ,Der Antichrist' und ,Ecce homo', in: Nietzsche-Studien 21 (1992), S. 163-183, hier S. 176, nimmt sogar drei Bedeutungen des „anti" im Titel an, nämlich außer „Gegnerschaft" und „Stellvertretung" auch „Überbietung". 8 Ein Aufriss von Nietzsches zweifacher Stellung zum Christentum bzw. zu seinem Stifter findet sich bei Hubertus Busche: Religiöse Religionskritik beim frühen Hegel und beim späten Nietzsche, in: Nietzsche und Hegel, hg. von Mihailo Djuric und Josef Simon (Nietzsche in der Diskussion), Würzburg 1992, S. 90-109. 9 So Klaus Schäfer: Zur theologischen Relevanz der Jesus-Deutung Friedrich Nietzsches, in: Wort Gottes in der Zeit. Festschrift Karl Hermann Schelkle zum 65. Geburtstag [...], hg. von Helmut Feld und Josef Nolte, Düsseldorf 1973, S. 319-329, hier S. 319. Und er erläutert: „Der Nihilismus, wie Nietzsche ihn versteht, gibt den Blick auf Jesus neu frei, und zwar für den ,Typus' Jesus, d. h. für Jesus als Prototyp einer Lebensweise, einer .Existenzform'. Nietzsche gibt also - wenn ich recht sehe, zum bisher letztenmal - eine Auslegung jenes Zusammenhangs, in dem heute die christliche Rede von Gott theologisch verantwortet werden kann und muß" (S. 327f.).

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Gegensatz zwischen der Kirche und Jesus erläutert, so dass einerseits die Kirche die Rolle des Antichristen in Relation zu Jesus Christus, andererseits aber Jesus, auf einer Seite mit Nietzsche, die Rolle des Antichristen gegenüber dem kirchlichen Christentum spielt. Zuvor muss jedoch kurz Stellung genommen werden zu einem Verdacht: Nietzsches Schrift mit dem Untertitel „Fluch auf das Christenthum" ist selbst innerhalb der neuzeitlichen Geschichte des Atheismus und Antiklerikalismus von einer derartig schrillen Polemik, dass auch ein Leser, der nicht wüsste, dass Nietzsche am Ende seines Lebens wahnsinnig wurde, den Eindruck gewinnen könnte, dass diese Polemik pathologische Züge hat.

1. Der Antichrist als Schrift eines Geisteskranken? Nun lässt sich in der Tat nicht bestreiten, dass die Fertigstellung des Antichrist, der als erstes Buch der geplanten umfangreichen „Umwertung aller Werte" fungieren sollte, auf Ende September 1888 fällt, das ist drei Monate vor Nietzsches geistigem Zusammenbruch am 3. Januar 1889. Das hat seit je die Frage aufgeworfen, wie ernst man dieses Werk dann überhaupt noch nehmen kann. Enthält es doch immerhin ein „Gesetz wider das Christenthum", das als „Attentat auf zwei Jahrtausende Widernatur und Menschenschändung" geplant war (6, 313) und in dem sich folgende Sätze finden: „Jede Theilnahme an einem Gottesdienste ist ein Attentat auf die öffentliche Sittlichkeit." - „Die fluchwürdige Stätte, auf der das Christenthum seine BasiliskenEier gebrütet hat, soll dem Erdboden gleich gemacht werden und als verruchte Stelle der Erde der Schrecken aller Nachwelt sein. Man soll giftige Schlangen auf ihr züchten." - „Mit einem Priester an Einem Tisch essen stößt aus: man excommunicirt sich damit aus der rechtschaffnen Gesellschaft. Der Priester ist unser Tschandala, - man soll ihn verfehmen, aushungern, in jede Wüste treiben." (6, 254) - Sind diese Ausfälle nicht schon der „Schaum vor dem Mund"10 eines geistig Umnachteten? In der Nietzscheforschung lassen sich drei Arten unterscheiden, mit der Frage nach der geistigen Gesundheit des Autors von Der Antichrist umzugehen. Die erste, die von Erich Podach11 bis Giorgio Colli vertreten wurde, erklärt Nietzsche für den 12

Herbst 1888 bereits für „nicht mehr zurechnungsfähig". Hiernach ist Der Antichrist, wie schon Arthur Drews 1904 schrieb, „keine Kritik mehr, sondern ein wüstes Geschimpfe, wobei sich Nietzsche in eine Wut hineinredet, wie ein Tobsüchtiger, der die Herrschaft über sich selbst verloren hat".13 Eine zweite Auffassung, die sich insbesondere bei für Nietzsche aufgeschlossenen Theologen findet, verschiebt das Pathologische von Nietzsche auf dessen Umfeld und deutet die Spätschriften als idiosynkratische Reaktion auf krankhafte Auswüchse christlicher Lehre

10

Eugen Fink: Nietzsches Philosophie, Stuttgart 6 1992, S. 134. Erich F. Podach: Nietzsches Zusammenbruch, Heidelberg 1930, S. 2Iff. Podach bemerkt jedoch: „Es ist wahrlich eine undankbare Aufgabe, in den Schriften Nietzsches .Pathologisches' aufzuspüren" (S. 34). 12 Giorgio Colli: Nachwort zu „Die Schriften von 1888", in: 6, 449-458, hier 452f. 13 Arthur Drews: Nietzsches Philosophie, Heidelberg 1904, S. 484. 11

Nietzsches „Der

Antichrist"

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und Praxis, denen Nietzsche insbesondere in Gestalt seiner Mutter und Schwester ausgesetzt gewesen sei. So ist etwa Johann Baptist Lötz der Auffassung, dass Nietzsches Fluch nur „dem Christentum seiner Zeit" gegolten habe, so dass folglich auch sein „Bild des Christentums [...] verzerrt" gewesen sei.14 Nach einer dritten Auffassung schließlich, die etwa von Karl Löwith 5, Josef Simon16 und Werner Stegmaier vertreten wird, sind gerade Nietzsches letzte Schriften von einer großen „philosophischen Dignität" und müssen deshalb sehr ernst genommen werden.17 Mit Recht wendet Stegmaier ein: „Nietzsche, solange er schrieb, für wahnsinnig zu erklären, heißt lediglich, soviel haben wir von Foucault gelernt, ihn von einem bestimmten , Punkt' an nicht mehr verstehen zu können oder zu wollen".18 Es scheint jedoch, dass alle drei Auffassungen wohlverstanden nicht nur vereinbar, sondern sogar zutreffend sind, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung. Denn dass Nietzsche 1900 Jahre Christentum primär über den selbst erlebten - aus seiner Perspektive: erlittenen - Protestantismus seines Elternhauses kennt und es hieran misst, ist sicherlich unbestreitbar; hiermit hängt ja auch die aufdringliche Vermutung zusammen, dass „Nietzsches Kampf gegen das Christentum aus christlichen Antrieben erfolgt".19 Das schließt aber keineswegs aus, dass er Wesentliches über die generelle christliche Lehre und Praktik zu sagen hat. Was aber schließlich die Symptome von Irrsinn betrifft, die sich in Nietzsches letzten Schriften unleugbar zu Wort melden, so reichen sie keineswegs so weit, dass damit Nietzsches Denken unverständlich würde. Zwar werden mit Nietzsches wachsendem tödlichen Hass auf das Christentum Stil und Ton befremdlich; die teils differenzierte Kritik, die fiir Nietzsches mittlere Schriften charakteristisch ist, wird zunehmend durch rhetorische Keulen ersetzt und von schrillen Tönen und üblen Schimpfwörtern begleitet. Dennoch wird jede vorurteilsfreie Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, dass die (be-) herrschenden Gedanken in diesen letzten Schriften nicht nur erstaunlich nahe bei den vorhergehenden Werken liegen, sondern dass sie durchaus eine klare argumentative Logik besitzen und deshalb in sich nachvollziehbar sind. Deshalb setzen sich umgekehrt Interpretationen, die aus den pathologischen Symptomen der letzten Schriften den Schluss auf deren Indiskutabilität ziehen, dem Verdacht aus, dass sie

14

Johann Baptist Lötz (s. Anm. 1), S. 14, 19. Karl Löwith: Nietzsches antichristliche Bergpredigt, in: Sämtliche Schriften, Bd. 6, Stuttgart 1987, S. 473. 16 Josef Simon: Welt auf Zeit. Nietzsches Denken in der Spannung zwischen der Absolutheit des Individuums und dem kategorialen Schema der Metaphysik, in: Günter Abel, Jörg Salaquarda (Hg.): Krisis der Metaphysik. Wolfgang Müller-Lauter zum 65. Geburtstag, Berlin, New York 1989, S. 109— 133. Nach Simon ist der Antichrist eine „Auseinandersetzung", die sich „gegen das metaphysische Verständnis des Christentums" richtet, d. h. „gegen dessen Einverleibung in ein begriffliches Verständnis in dogmatisch ausdeutenden ,letzten' Worten über es" (S. 120f.). 17 Walter Kaufmann: Nietzsches Einstellung gegenüber Sokrates, in: Jörg Salaquarda (Hg.): Nietzsche, Darmstadt 2 1996, S. 36, erscheint sogar „Ecce homo", „Nietzsches letztes Werk", als „der Höhepunkt seiner Philosophie". 18 Werner Stegmaier (s. Anm. 7), S. 165 und 166f. " K a r l Jaspers: Nietzsche und das Christentum, Hameln 1938, S. 13; und er erläutert: „Nietzsches Feindschaft gegen das Christentum als Wirklichkeit ist untrennbar von seiner tatsächlichen Bindung an das Christentum als Anspruch" (S. 9). 15

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sich eines unliebsamen Moralisten entledigen wollen, indem sie seine Gedanken pathologisieren. Gerade weil Nietzsches letzte Schriften einschließlich Der Antichrist argumentativ durchweg klar sind, lassen sie sich sowohl der Darstellung als auch der Kritik unterziehen, und dies soll im Folgenden geschehen.

2. Nietzsches antichristliche Argumente Der Untertitel von Der Antichrist sollte zunächst nicht „Fluch auf das Christentum" heißen, sondern „Versuch einer Kritik des Christenthums" (13, 545). Weil das in der Tat zweierlei ist und weil man in der definitiven Fassung des Werkes nur wenig argumentative Kritik findet, aber viel polemische „Verurteilung des Christenthums" (6, 186), müssen Nietzsches Anklagepunkte durch Heranziehung früherer Schriften erläutert werden. Wie jede Religionskritik fußt auch Nietzsches Kritik der Religion und insbesondere des Christentums auf anfechtbaren standpunktlichen Voraussetzungen; sie sind jedoch hier nicht zu erörtern. Von Nietzsches positivistisch-perspektivistischem Standpunkt aus sind alle metaphysischen Erkenntnisansprüche illusionär. Den Gegenständen der historischen Religionen und Metaphysiken korrespondiert keine objektive Realität. Demnach bemisst sich auch der Wert von Mythos, Religion, Metaphysik und sogar von Wissenschaft im Sinne der Weltbildsynthese nicht an theoretischer Wahrheit, sondern an praktischer Zweckmäßigkeit oder, wie Nietzsche oft sagt, an der Dienlichkeit für „das Leben" oder - in seinem terminus technicus für den „Willen zur Macht". Die Religion befriedigt demnach nicht das Erkenntnisstreben, sondern vitale Bedürfnisse der Menschen. Folglich ist auch Nietzsches Religionskritik - obwohl durch Feuerbach inspiriert - weniger eine Kritik des angeblich illusionären Charakters von Religion als vielmehr ihrer potentiell das Leben schädigenden Effekte. Ganz im Gegenteil wäre eine Religion, die dem Leben stärkende und kräftigende Illusionen vermittelte, ganz nach Nietzsches Art. Seine Grundunterscheidung zwischen lebensdienlichen und lebensfeindlichen Religionen wird jedoch ergänzt durch die zusätzliche, politisch-historische Differenz zwischen herrschenden und unterworfenen Völkern. Eine Religion, die für ein (nach Nietzsches Wertmaßstäben) im „Aufsteigen" begriffenes Volk höchst zweckmäßig ist, kann für ein in die Knechtschaft geratenes sehr unzweckmäßig werden - in diesem Punkt hat der späte Nietzsche eine erstaunliche Geistesverwandtschaft zum frühen Hegel.20 Ganz in dem Sinne, dass Religionen gewissermaßen nur noch als Sinnprojektionen einer nationalen Phantasie aufgefasst werden, unterscheidet Nietzsche nun in Der Antichrist zwischen Religionen, in denen der glücklich herrschende Wille zur Macht sich artikuliert und selbst verstärkt, wie dies insbesondere im griechischen Polytheismus der Fall gewesen sei, und umgekehrt Religionen der Ohnmacht, in denen das Leiden am Leben sekundär kompensiert werde, wie vor allem im Christentum.

20

Vgl. Busche (s. Anm. 8).

Nietzsches „Der Antichrist"

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„Ein Volk, das noch an sich selbst glaubt, hat auch noch seinen eignen Gott. In ihm verehrt es die Bedingungen, durch die es obenauf ist, seine Tugenden, - es projicirt seine Lust an sich, sein Machtgefiihl in ein Wesen, dem man dafür danken kann. Wer reich ist, will abgeben; ein stolzes Volk braucht einen Gott, um zu opfern ... Religion, innerhalb solcher Voraussetzungen, ist eine Form der Dankbarkeit. Man ist für sich selber dankbar: dazu braucht man einen Gott. Ein solcher Gott muss nützen und schaden können, muss Freund und Feind sein können, - man bewundert ihn im Guten wie im Schlimmen." (6, 182) Man erkennt an diesem Zitat unschwer, dass Nietzsche im kosmopolitischen Ethos des Christentums, das keinen parteilichen Gott, sondern grundsätzlich den Gott aller Menschen verehrt, den Kardinalfehler dieser Religion selbst sieht, nämlich den Mangel an Selbstbehauptung der alten Volksreligion. Ganz im Unterschied zur nationalen Volksreligion, in der Gott bzw. die Götter stets zweckdienliche Projektionen des jeweils sich im Mittelpunkt erlebenden und insofern stets „auserwählten Volkes" sind (6, 184), habe das Christentum diese ganze Logik der Machtsteigerung auf den Kopf gestellt. Der christliche Gott bleibe nämlich nicht bloße Projektionsfolie, auf der ein Volk gleichsam seine Machtinteressen abbilden kann. Vielmehr habe der Gott der Christen ein normatives Eigenleben gewonnen, das sich nach Nietzsches Wertung von den Erhaltungsbedingungen des Volkes abgespalten habe. Im Gott des Christentums sieht Nietzsche umgekehrt „die Tugenden der Unterworfenen als Erhaltungsbedingungen" am Werke (6, 182f.). Während nämlich in den das Leben steigernden Religionen primär die so genannten „Starken" eines Volkes angesprochen und gefordert werden, d. h. insbesondere die Führungselite und die Krieger, verdanke sich die Imago des christlichen Gottes der subtilen Erfindung der so genannten „Schwachen", d. h. jener Bevölkerungsgruppen, die in unterschiedlichsten Hinsichten vom Leben benachteiligt waren. Nietzsche nennt sie anderenorts auch die Schlechtweggekommenen. Deshalb lautet Nietzsches Hauptanklagepunkt gegen das Christentum, es habe „die Parthei alles Schwachen, Niedrigen, Missrathenen genommen", es habe „ein Ideal aus dem Widerspruch gegen die Erhaltungs-Instinkte des starken Lebens gemacht" (6, 171). Hierdurch sei der Gott des Christentums zum „Symbol eines Stabs für Müde, eines Rettungsankers für alle Ertrinkenden" geworden, zu einem „Arme-Leute-Gott, Sünder-Gott, Kranken-Gott" (6, 184). Politisch identifiziert Nietzsche die Bevölkerungsgruppen, die das Urchristentum propagierten, als die Sklaven bzw. versklavten Völker des Römischen Imperiums. Und wie Nietzsche eine spezifische Sklavenmoral kennt, in der die Unterdrückten aus Ressentiment den Herrschenden gleichsam Ketten ethischer Pflichten anlegen, so ist für Nietzsche vor allem das Christentum eine Sklavenreligion. „Im Christenthume kommen die Instinkte Unterworfener und Unterdrückter in den Vordergrund: es sind die niedersten Stände, die in ihm ihr Heil suchen. [...] Christlich ist die Todfeindschaft gegen die Herren der Erde, gegen die ,Vornehmen'" (6, 188). Anders gesagt, ist das Christentum für Nietzsche, wie schon für Hegel, eine Religion aus dem Leiden und für das Leiden. Es habe ein Netz von transzendenten Größen, eine „reine Fiktions-Welt" errichtet, das die leer ausgehende Realität „fälscht, entwerthet, verneint" (6, 181), um das uneingestandene Leiden am Leben sekundär zu kompensieren durch imaginäre Trostgründe und Entschädigungen: Die

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Letzten werden die Ersten sein; der unschuldig Verfolgte wird gerächt werden usw. „Wer allein hat Gründe sich wegzuliigen aus der Wirklichkeit? Wer an ihr leidet", denn „an der Wirklichkeit leiden heisst eine verunglückte Wirklichkeit sein" (6, 182).

Zu der kompensatorischen Gegenwelt der christlichen Religion gehören nach Nietzsche einerseits „lauter imaginäre Ursachen", wie Gott, Seele, Ich oder Geist, andererseits „lauter imaginäre Wirkungen", die an die moralischen Wertungen wie Sünde, Erlösung, Gnade, Strafe oder Vergebung der Sünden geknüpft sind (6, 181). Durch diese Vermoralisierung der Religion in Gestalt eines fordernden und folglich strafenden und belohnenden Gottes wurde nach Nietzsche aber die ursprünglich kompensatorische und insofern das Leiden mindernde Wirkung dieser Religion mit bedrückenden Gegengewichten belastet, und nach Nietzsches sozialgeschichtlicher Amateuranalyse war es schließlich die Priesterklasse, die den moralisierenden Gott durch ihre asketischen Ideale auf die Spitze der Lebensverneinung trieb. Statt moralische Verfehlungen als bloße Momente, als Abweichungen von einem glückenden Leben aufzufassen, habe das Christentum die positive Perspektivenoptik preisgegeben zugunsten eines Negativismus, der sich ganz auf die Sündhaftigkeit und Verdorbenheit des Menschen infolge des ,peccatum originale' fixiert und alles Unglück als Schuld interpretiert: „Erst das Christenthum hat den Teufel an die Wand der Welt gemalt; erst das Christenthum hat die Sünde in die Welt gebracht" (2, 587). Entsprechend „gab es im Alterthum wirklich noch Unglück, reines, unschuldiges Unglück; erst im Christenthum wird alles Strafe, wohlverdiente Strafe: es macht die Phantasie des Leidenden auch noch leidend, sodass er bei allem Übel-ergehen sich moralisch verwerflich und verworfen fühlt. Arme Menschheit!" (3, 77) Durch die negative Fixierung der christlichen Religion auf Schuld und Strafe sei wiederum alles Natürliche abgewertet worden, insbesondere die Freude am Leben und der Genuss an den irdischen Gütern: „Christlich ist der Hass gegen die Sinne, gegen die Freuden der Sinne, gegen die Freude überhaupt" (6, 188). Seine Verachtung des Leibes (6, 149) bezeuge sich vor allem in der Abwertung und Vermoralisierung der Sexualität, die Nietzsche mit den folgenden, bekannten Worten kommentiert: „Das Christenthum gab dem Eros Gift zu trinken: - er starb zwar nicht daran, aber entartete, zum Laster" (5, 102). Durch die Unterdrückung und Dämonisierung der Fleischeslust sei es „dem Christenthum gelungen, aus Eros und Aphrodite - grossen idealfähigen Mächten - höllische Kobolde und Truggeister zu schaffen, durch die Martern, welche es in dem Gewissen der Gläubigen bei allen geschlechtlichen Erregungen entstehen liess" (3, 73). Durch diese allmähliche Entwertung des Natürlichen bzw. Entnatürlichung der Moral habe zugleich auch die Herrschaft der Priester über den Geist der Religion begonnen. Nietzsche kann in den Priestern nur die „Verneiner, Verleugner, Vergifter des Lebens von Beruf erblicken, die das gesamte „Wert-Urtheil" innerhalb der christlichen Religion „auf den Kopf gestellt" hätten (6, 175f.). Mit dem moralisch reglementierenden und kontrollierenden „Gott, der fordert", sei die in die Hände der Priesterschaft übereignete Moral des Volkes „nicht mehr der Ausdruck der Lebensund Wachsthums-Bedingungen eines Volk[s], nicht mehr sein unterster Instinkt des Lebens, sondern abstrakt geworden, Gegensatz zum Leben geworden, - Moral als grundsätzliche Verschlechterung der Phantasie, als ,böser Blick' für alle Dinge. Was

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ist jüdische, was ist christliche Moral? Der Zufall um seine Unschuld gebracht; das Unglück mit dem Begriff der , Sünde' beschmutzt; das Wohlbefinden als Gefahr, als ,Versuchung'; das physiologische Übelbefinden mit dem Gewissenswurm vergiftet..." (6, 194) Das Fazit, das Nietzsche zur christlichen Religion zieht, ist dezidiert negativ. Durch die Transzendenz seines vollkommenen Gottes einerseits und durch die Fixierung auf ein unvollkommenes und sündiges irdisches Jammertal andererseits habe das Christentum den Schwerpunkt des Lebens auf das Jenseits des Grabes verlagert, nachdem es das Diesseits durch „schlechte Zwecke" entwertet hatte: „Vergiftung, Verleumdung, Verneinung des Lebens, die Verachtung des Leibes, die Herabwürdigung und Selbstschändung des Menschen durch den Begriff Sünde" (6, 239). Das Christentum gilt ihm als Religion, die dem Unglück entspringt und dieses Unglück ständig nur verstärkt. Insofern sei „der christliche Gottesbegriff [...] einer der corruptesten Gottesbegriffe, die auf Erden erreicht worden sind; er stellt vielleicht selbst den Pegel des Tiefstands in der absteigenden Entwicklung des Götter-Typus dar. Gott zum Widerspruch des Lebens abgeartet, statt dessen Verklärung und ewiges Ja zu sein! In Gott dem Leben, der Natur, dem Willen zum Leben die Feindschaft angesagt! Gott die Formel fiir jede Verleumdung des ,Diesseits', fur jede Lüge vom ,Jenseits'! In Gott das Nichts vergöttlicht, der Wille zum Nichts heilig gesprochen! ..."(6, 185) Nietzsche ist jedoch „Anti-Christ" nicht nur in diesem negativen Sinne, dass er „gegen" den unglücklichen Geist des Christentums rebelliert. Vielmehr stellt er sich bis zu einem gewissen Punkt zugleich an die Stelle Christi, da der Stifter des Christentums selbst das Gegenteil dessen verkündet habe, was die Kirche lehrt. „Man soll das Christenthum nicht mit jener Einen Wurzel verwechseln, an die es mit seinem Namen erinnert [...]. Was hat Chr[istus] verneint? - Alles, was heute christlich heißt" (13, 517). Jesus ist für Nietzsche bereits die antizipierte Negation jener Negation des Lebens, in welche die christliche Lehre und Praxis schließlich verfiel. Er war bereits der Antityp gegen eine in Wahrheit antichristliche Kirche. Eine solche vorweggenommene Kritik der Kirche durch Jesus ist fur Nietzsche historisch nicht unglaubwürdig, da der Geist des Christentums nur eine Verstärkung der negativen Charakteristika der jüdischen Priesterreligion gewesen sei, gegen die Jesus sich authentisch gewandt habe. Insofern sei „der Christ [...] nur ein Jude .freieren' Bekenntnisses" (6, 221). Immer stärker dieser Antithese zwischen Christus und Christentum nachgehend nähert sich Nietzsche zunehmend dem ursprünglichen Antichristen namens Christus an und stellt sich ihm zur Seite.

3. Die Kirche und Jesus Christus als Antichristen für einander Für Nietzsche ist der später als der Gesalbte, d. h. „Christos", verkündigte Jesus von Nazareth derjenige, den die Kirche später verleugnet hat. Die „Kirche ist exakt das, wogegen Jesus gepredigt hat - und wogegen er seine Jünger kämpfen lehrte" (13, 98). Insofern ist einerseits die Kirche der Antichrist in Relation zu Jesus Christus, andererseits dieser der Antichrist in Relation zur christlichen Kirche. „Das ganze Leben des Christen ist endlich genau das Leben, von dem Christus die Loslösung predigte ...

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Die Kirche gehört" somit zum „Triumph des Antichristlichen" (13, 161). Die Begründung für diese starke These liefert Nietzsche durch das, was er die „Psychologie des Erlösers" (6, 198) nennt, d. h. die „Psychologie" des wahren, noch nicht durch die Apostel und vor allem durch Paulus verfälschten „Evangeliums" (6, 205). Als „der erste Psychologe des Christenthums" (KSB 8, 482) sucht Nietzsche den authentischen Psychotypus Jesus ,unterhalb' jener überlieferten Evangelien zu rekonstruieren, in denen bereits die frühe Gemeinde das Bild des Stifters verfälscht habe.21 Obwohl sich Nietzsche hierbei keine explizite methodologische Rechenschaft ablegt, befleißigt er sich der Sache nach durchweg großer Gelehrsamkeit in der Tradition der Bibelkritik, historisch-kritischen Philologie 22 und Leben-JesuForschung. 23 Und er zeichnet „ein erstaunliches Bild vom Wesen Jesu", das etwa für den Psychiater Jaspers „ein in sich durch Geschlossenheit überzeugendes Ganzes" bildet. 24 Für die Frohe Botschaft Jesu sei zentral, dass ihr „der Begriff Schuld und Strafe" fremd ist; „insgleichen der Begriff Lohn. Die ,Sünde', jedwedes DistanzVerhältniss zwischen Gott und Mensch ist abgeschafft, - eben das ist die , frohe Botschaft'. Die Seligkeit wird nicht verheissen, sie wird nicht an Bedingungen geknüpft: sie ist die einzige Realität - der Rest ist Zeichen, um von ihr zu reden ..." (6, 205). Beim Bestreben, dieses Evangelium psychologisch zu deuten, sucht Nietzsche gerade den politischen Revolutionär und „Fanatiker", zu dem die Jünger und Apostel nachträglich Jesus stilisiert hätten,25 abzuscheiden vom authentischen „Typus des Erlösers" (6, 203). Denn Nietzsche bezweifelt, ob Jesus einen „Gegensatz" gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten der jüdischen Kirche „überhaupt im Bewusstsein hatte - ob er nicht bloß als dieser Gegensatz empfunden wurde" (6, 198). Jesus ist der Antichrist in Relation zur Kirche, ohne diese Anti-Stellung kämpferisch inten-

21 Nietzsches „psychologischer Rekonstruktionsversuch" nach der Methode der „instinktpsychologischen Interpretation" wurde erstmals in Ansätzen dargestellt von Martin Dibelius: Der psychologische Typus des Erlösers' bei Friedrich Nietzsche, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literatur und Geistesgeschichte 22 (1944), S. 61-91, hier S. 61, 78. Eine Art historischer Genealogie von Nietzsches JesusBild gibt Ernst Benz: Nietzsches Ideen zur Geschichte des Christentums und der Kirche, Leiden 1956. 2 Vgl. Christian Benne: Nietzsche und die historisch-kritische Philologie, Berlin, New York 2005. 23 Man denke etwa an den Topos „die psychologische Entwicklung Jesu" bei Ferdinand Christian Baur: Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts, 1862, in: ders.: Ausgewählte Werke, hg. von Klaus Scholder. Bd. IV, S. 372. Einen Vergleich zwischen dem Jesusbild von Nietzsche und Overbeck geben Hubert Cancik, Hildegard Cancik-Lindemaier: Der psychologische Typus des Erlösers' und die Möglichkeit seiner Darstellung bei Franz Overbeck und Friedrich Nietzsche, in: Rudolf Brändle, Ekkehard W. Stegemann (Hg.): Franz Overbecks unerledigte Anfragen an das Christentum, München 1988, S. 108135. 24 Karl Jaspers (s. Anm. 19), S. 22. 25 „Einstweilen klafft ein Widerspruch zwischen dem Berg-, See- und Wiesen-Prediger, dessen Erscheinung wie ein Buddha auf einem sehr wenig indischen Boden anmuthet, und jenem Fanatiker des Angriffs, dem Theologen- und Priester-Todfeind [...]. Ich selber zweifle nicht daran, dass das reichliche Maass Galle (und selbst von esprit) erst aus dem erregten Zustand der christlichen Propaganda auf den Typus des Meisters übergeflossen ist: man kennt ja reichlich die Unbedenklichkeit aller Sektirer, aus ihrem Meister sich ihre Apologie zurechtzumachen. Als die erste Gemeinde einen richtenden, hadernden, zürnenden, bösartig spitzfindigen Theologen nöthig hatte, gegen Theologen, schuf sie sich ihren ,Gott' nach ihrem Bedürfnisse" (6, 202f.). Nietzsche beschreibt diese Umdeutung der Religion Jesu zur christlichen Religion durch die frühe Gemeinde in den Kapiteln 40 und 41 des Antichrist (6, 213-215).

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diert zu haben. Vielmehr macht das Psychogramm Jesu es für Nietzsche unwahrscheinlich, dass dieser „heilige Anarchist" (6, 198) überhaupt ein politischer Kopf und Kämpfer war. Denn er macht die geistige Größe des Nazareners gerade an einer vitalen Schwäche fest, die es ihm zu rechtfertigen scheint, auf Jesus jene „schockierende [...] Bezeichnung" 26 anzuwenden, die in den Werkausgaben von Nietzsches Schwester zunächst entfernt und erst 1931 von Hofmiller publiziert worden war:27 „das Wort Idiot!" In diesem Kontext fallt auch das Wort „typischer décadent":

26 So noch Eugen Biser: Nietzsches Verhältnis zu Jesus. Ein literarisch-psychologischer Vergleich, in: Concilium. Internationale Zeitschrift für Theologie 17 [1981], S. 401-406, hier S. 405. An anderer Stelle ergänzt Biser: Gottsucher oder Antichrist? Nietzsches provokative Kritik des Christentums, Salzburg 1982, S. 79, die Vermutung, dass sich mit diesem Wort ein „enthemmter Haß" Nietzsches auf Jesus entlädt. 27 Josef Hofmiller: Nietzsche, in: Süddeutsche Monatshefte 29 (November 1931), S. 73-131, hier S. 83. Hofmiller selbst deutet allerdings Nietzsches Anwendung dieses Wortes auf Jesus als ein Symptom, das einen „Beitrag zum Krankheitsbilde" Nietzsches liefere, der „sich" hier angeblich „vergißt" und damit nur dokumentiert, dass er „irrsinnig" wurde. Das aber läßt sich nicht gut verteidigen, wie die folgenden Belegstellen zeigen. 28 Ähnlich öfter im Nachlass, Frühjahr 1888: „Jesus ist das Gegenstück eines Genies: er ist ein Idiot. Man fühle seine Unfähigkeit, eine Realität zu verstehn: er bewegt sich im Kreise um fünf, sechs Begriffe, die er früher gehört und allmählich verstanden, d. h. falsch verstanden hat - in ihnen hat er seine Erfahrung, seine Welt, seine Wahrheit, - der Rest ist ihm fremd. [...] Nicht der entfernteste Hauch von Wissenschaft, Geschmack, geistige Zucht, Logik hat diesen heiligen Idioten angeweht: so wenig als ihn das Leben berührt hat. [...] Man muß das festhalten: er ist Idiot, inmitten eines sehr klugen Volkes ..." (13, 237). „Aber kann man ärger fehlgreifen, als wenn man aus Christus, der ein Idiot war, ein Genie macht?" (13, 409). - Es ist das Verdienst von Martin Dibelius (s. Anm. 21), erstmals den Bedeutungshof des nicht nur auf Jesus, sondern ζ. B. auch auf Kant (6, 177f.) applizierten Wortes „Idiot" durch einen Vergleich benachbarter Stellen in Nietzsches Schriften eingegrenzt zu haben. Sein Ergebnis läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: „Idiot" ist in Bezug auf Jesus einerseits weder die „Bezeichnung eines kranken (nicht nur krankhaften) Menschen (,Idiotenanstalt')" noch ein bloßes „Schimpfwort, das hoffnungslose Dummheit brandmarkt" (65). Andererseits besagt es jedoch mehr, als die bloßen Bedeutungsnuancen des griechischen „idiotês" hergeben, nämlich „Privatmann", „Laie" oder „Ungebildeter" (65f.). Auch ist Nietzsches Lektüre von Dostojewskis gleichnamigem Roman ebenfalls „mit großer Wahrscheinlichkeit zu verneinen" (72; vgl. jedoch Andreas Urs Sommer [s. Anm. 6, S. 288]). Vielmehr stehe es bei Nietzsche für den „ganz bestimmten Typus" des „wirklichkeitsfremden, die natürlichen Instinkte verleugnenden Menschen" (69). Diesem Fazit wird man allerdings nur eingeschränkt zustimmen können, denn es unterschlägt ausgerechnet die entscheidenden pathologischen Merkmale eines Menschentyps, der in seiner „eigenen" (griech. „idios") Welt lebt und somit gerade jene Instinkte, die Nietzsche für die gesunden und natürlichen hält, nicht etwa bloß verleugnet, sondern gar nicht erst besitzt. Unleugbar ist, dass Jesus für Nietzsche, ungeachtet seiner Vorbildlichkeit, eine pathologische Figur ist: „Daß die eigentlichen Manns-Instinkte - nicht nur die geschlechtlichen, sondern auch die des Kampfes, des Stolzes, des Heroismus - nie bei ihm aufgewacht sind, daß er zurückgeblieben ist und kindhaft im Alter der Pubertät geblieben ist: das gehört zum Typus gewisser epilepsoider Neurosen" (13, 237). Deshalb auch die sachliche Nähe des Wortes „Idiot" zur „décadence" (6, 201, 177). - Noch viel weniger haltbar ist allerdings der scheinbare Ehrenrettungsversuch von Jörg Salaquarda: Dionysos gegen den Gekreuzigten, in: Nietzsche (s. Anm. 17), S. 293, Nietzsches Wort „Idiot" durch den Verweis auf seine politische Grundbedeutung „Privatmann" und seinen Gegensatz zum „Staatsbürger" zu verharmlosen. „Nietzsche versteht,Idiot' wesentlich von der griechischen Grundbedeutung her: als Bezeichnung für einen ,unpolitischen', sich der Staatsgeschäfte enthaltenden Privatmann." - Ähnlich neuerdings auch der Versuch von Hans Otto Seitschek: Nietzsches Blick auf Jesus, in: Zeitenwende, Wertewandel. Internationaler Kongreß der Nietzsche-Gesellschaft zum 100. Todestag Friedrich Nietzsches, hg. von Renate Reschke, Berlin 2001, S. 211-215, Nietzsches Bezeichnung „Idiot" durch Verweis auf die griechische Ursprungsbedeutung „Privatmann" oder „Hausmensch" hin zu bagatellisieren (212f.). Noch abstruser ist

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Jesus habe seinen eigenen physiologischen Habitus „krankhafter Reizbarkeit des Tastsinns", der vor Jeder Berührung, vor jedem Anfassen eines festen Gegenstandes zurückschaudert", nur „in seine letzte Logik" hinein vergeistigt (6, 200f.). Angesichts dieses zugrundeliegenden Typus weist Nietzsche die Bezeichnungen „Genie" und „Held" zurück, mit denen Renan Jesus charakterisiert hatte.29 „Aber wenn irgend Etwas unevangelisch ist, so ist es der Begriff Held. Gerade der Gegensatz zu allem Ringen, zu allem Sich-im-Kampf-fühlen ist hier Instinkt geworden: die Unfähigkeit zum Widerstand wird hier Moral (,widerstehe nicht dem Bösen' das tiefste Wort der Evangelien, ihr Schlüssel in gewissem Sinne), die Seligkeit im Frieden, in der Sanfitmuth, im Nicht-feind-sein-können. Was heisst ,frohe Botschaft'? Das wahre Leben, das ewige Leben ist gefunden - es wird nicht verheissen, es ist da, es ist in euch: als Leben in der Liebe, in der Liebe ohne Abzug und Ausschluss, ohne Distanz. Jeder ist das Kind Gottes [...]" (6, 199f.). Der psychologische Typus Jesu, den Nietzsche rekonstruiert oder bloß konstruiert,30 ist einerseits negativ durch krankhafte „Furcht vor Schmerz" (6, 201) gekenn-

Seitscheks Annahme, der „Kern der Kritik" Nietzsches an Jesus besage, „daß Jesus nicht Privatmann' hätte bleiben sollen, sondern sich als aktiver Bürger, als ,Politiker', in der Welt hätte durchsetzen sollen" (213). Auch wenn Nietzsche in der Tat die unpolitisch private Lebensform Jesu konstatiert, liegt doch das semantische Zentrum von Nietzsches Bezeichnung „Idiot" vielmehr im psychisch Eigenbrötlerischen. Salaquarda und Seitschek lassen Nietzsches geradezu klinische Beschreibungen Jesu einfach weg, mit dener er gleichsam eine fernpsychologische, wenn nicht gar fernpsychiatrische Diagnose zu stellen beansprucht. Nietzsche verwendet „das Wort Idiot" nämlich ausdrücklich „mit der Strenge des Physiologen" und spricht deshalb vom „physiologischen habitus" Jesu (6, 200) sowie von seiner „Mischung von Sublimem, Krankem und Kindlichem" (6, 202). „Der Fall der verzögerten und im Organismus unausgebildeten Pubertät als Folgeerscheinung der Degenerescenz ist wenigstens den Physiologen vertraut." (6, 203) Auch charakterisiert Nietzsche hier die „Evangelien" eindeutig als eine „seltsame und kranke Welt", in der sich, „wie aus einem russischen Romane, [...] Auswurf der Gesellschaft, Nervenleiden und ,kindliches' Idiotenthum ein Stelldichein zu geben scheinen" (6, 201 f.). 29 Ernest Renan: La vie de Jésus, Paris 1863, 131864. 30 Grundsätzlich nicht abwegig ist das seit Erich F. Podach: Gestalten um Nietzsche. Mit unveröffentlichten Dokumenten zur Geschichte seines Lebens und seines Werks, Weimar 1932, immer wieder vorgebrachte Argument, dass Nietzsche noch in seinem spätesten Jesusbild auf jenes einseitige JesusKlischee fixiert bleibt, das ihm in seinem Elternhaus, insbesondere durch die Mutter, vermittelt wurde. Hiernach glaubte Nietzsche „später, er habe als Mann der Wissenschaft in der Leidensbejahung, Willensverneinung, Tatabkehr und Lebensscheu den Kern von Jesus Wesen freigelegt und sein Jesusbild mit strengen philologischen Mitteln erobert. Indessen war dies ein alter Besitz, der seiner Seele schon in der Kindheit eingepflanzt wurde. Das Lamm Gottes war der Jesus seiner Mutter; zu diesem vermittelte sie ihm eine innige persönliche Beziehung, die er beibehielt, auch als seine Gefühlshaltung in Haß umzuschlagen drohte [...]. Darin, wie Nietzsche Christus sah, blieb er immer das Kind seiner Mutter." (13f.) Diese Hypothese wäre jedoch nur dann aufschlussreich, wenn sich zeigen ließe, dass Nietzsche bei seiner Rekonstruktion des Typus Jesus massive Fehler oder Ungereimtheiten unterlaufen, die für eine solche Projektion sprechen. Wenig überzeugend und allzu wohlfeil sind dagegen apologetische Ansätze, schon die bloße partielle Nähe zwischen dem Jesus-Bild Nietzsches und dem seiner Mutter als Beweis dafür zu nehmen, dass „Nietzsche niemals dazu gelangt" sei, „ein selbständiges, geistig geläutertes Jesusbild zu gewinnen, das das infantile überwunden hätte", so dass er stattdessen bloß „seinen Infantilismus Christus zuschreibt" - so Georg Siegmund: Nietzsche. Der , Atheist' und ,Antichrist' (1936), Stein am Rhein 51988, S. 130 und 132; ganz abgesehen von dem massiven Widerspruch, einerseits bei Nietzsche einen tiefenpsychischen Anankismus zu unterstellen, andererseits aber ihm vorzuhalten, ein „mit diktatorischer Selbstherrlichkeit" „willkürlich konstruierte^] Jesusbild" zu entwerfen (137), zeugt es auch von geradezu entwaffnender Naivität, auf die angebliche „Tatsache" verweisen zu wollen, „daß Nietz-

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zeichnet, andererseits positiv durch völliges Fehlen von Distanz zu Welt und Mitmensch, somit aber durch „die Freiheit, die Überlegenheit über jedes Gefühl von ressentiment" (6, 213) und repulsiven Affekten; daher könne man, „mit einiger Toleranz im Ausdruck, Jesus auch einen ,freien Geist' nennen" (6, 204). Hieraus entspringe seine Lehre: „Die gute Botschaft ist eben, dass es keine Gegensätze mehr giebt; das Himmelreich gehört den Kindern" (6, 203). Dieser Psychologie gemäß sei auch Jesu „Religion der Liebe" (6, 201) „kein erkämpfter Glaube, - er ist da, er ist von Anfang, er ist gleichsam eine ins Geistige zurückgetretene Kindlichkeit. [...] Ein solcher Glaube zürnt nicht, tadelt nicht, wehrt sich nicht: er bringt nicht ,das Schwert', - er ahnt gar nicht, in wiefern er einmal trennen könnte. Er beweist sich nicht, weder durch Wunder, noch durch Lohn und Verheissung, noch gar , durch die Schrift' : er selbst ist jeden Augenblick sein Wunder, sein Lohn, sein Beweis, sein ,Reich Gottes'. Dieser Glaube formulirt sich auch nicht - er lebt, er wehrt sich gegen Formeln." (6,203) Von hier aus deutet Nietzsche das unter den Evangelien verborgene Evangelium Jesu als „Zeichenrede" oder „Semiotik" der Religion eines „Anti-Realisten" (6, 203), die den denkbar größten Gegensatz zum jüdischen wie christlichen Kirchendogma bildet, ohne sich dieses Gegensatzes kämpferisch bewusst zu sein. Denn dem Grundgefiihl dieser Religion, dem „Zu-Hause-Sein in einer Welt, an die keine Art Realität mehr rührt, einer bloss noch ,inneren' Welt, einer ,wahren' Welt, einer ,ewigen' Welt", korrespondiert zugleich der „Widerwille gegen jede Formel, jeden Zeit- und Raumbegriff, gegen Alles, was fest, Sitte, Institution, Kirche ist" (6, 200). „Der Begriff, die Erfahrung ,Leben', wie er sie allein kennt, widerstrebt bei ihm jeder Art Wort, Formel, Gesetz, Glaube, Dogma. Er redet bloss vom Innersten: , Leben' oder ,Wahrheit' oder ,Licht' ist sein Wort für das Innerste, - alles Übrige, die ganze Realität, die ganze Natur, die Sprache selbst hat für ihn bloss den Werth eines Zeichens, eines Gleichnisses." (6, 204) Übersetzt man die Zeichenrede des „grossen Symbolisten" Jesus (6, 206), indem man die äußeren Realitäten als Chiffren innerer Zustände interpretiert, so wird man einer präsentischen Eschatologie inne. Hiernach bedeutet etwa das Zeichen „Sohn" den „Eintritt in das Gesammt-Verklärungs-Gefuhl aller Dinge (die Seligkeit)"; dagegen bezeichnet „das Wort ,Vater' dieses Gefühl selbst, das Ewigkeits-, das Vollendungs-Gefühl". Der Ausdruck „Himmelreich" wiederum bedeutet einen „Zustand des Herzens - nicht Etwas, das ,über der Erde' oder ,nach dem Tode' kommt. Der ganze Begriff des natürlichen Todes fehlt im Evangelium: der Tod ist keine Brücke, kein Übergang, er fehlt, weil einer ganz anderen bloss scheinbaren, bloss zu Zeichen nützlichen Welt zugehörig. Die ,Todesstunde' ist kein christlicher Begriff - die ,Stunde', die Zeit, das physische Leben und seine Krisen sind gar nicht vorhanden

sehe völlig blind war für das tatsächliche Seelenbild Jesu" (139). Siegmund übersieht schließlich auch, dass die passive Haltung Jesu schon vielen Interpreten des Christentums, ja längst Christen vor Nietzsche aufgefallen ist. Wie will er zudem erklären, dass etwa ein Franz Overbeck die „so passive Menschengestalt wie Jesus" in den Vordergrund seiner Analyse des Christentums stellt? (Christentum und Kultur. Gedanken und Anmerkungen zur modernen Theologie. Aus dem Nachlass hg. von Carl Albrecht Bernoulli, Basel 1919, S. 39).

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für den Lehrer der ,frohen Botschaft'". Und folglich bezeichnet auch die Vokabel „Reich Gottes" nur innerlich Gegenwärtiges, „nichts, das man erwartet; es hat kein Gestern und kein Übermorgen, es kommt nicht in ,tausend Jahren' - es ist eine Erfahrung an einem Herzen; es ist überall da, es ist nirgends da" (6, 207). Von diesem „Symbolismus" (6, 207, 209) aus lässt sich für den „grossen Symbolisten" Jesus folgern, „dass er nur innere Realitäten als Realitäten, als ,Wahrheiten' nahm" und den ganzen „Rest, alles Natürliche, Zeitliche, Räumliche, Historische nur als Zeichen, als Gelegenheit zu Gleichnissen verstand" (6, 206). Somit ist die ganze von Jesus verheißene „Erlösung" eine rein „psychologische Realität" (6, 206). Und entsprechend wollte der Nazarener nicht etwa lehren, wie die Menschen von ihren Sünden zu erlösen sind, sondern „zeigen, wie man zu leben hat" (6, 207); er hatte ein tiefes Gespür „dafür, wie man leben müsse, um sich ,im Himmel' zu fühlen, um sich ,ewig' zu fühlen" (6, 206). Das Fazit, das Nietzsche aus der rekonstruierten Religion des Religionsstifters zieht, zielt direkt auf das Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Christlichen, dem Unchristlichen und dem Antichristlichen in Relation zu Jesus: „Es ist falsch bis zum Unsinn, wenn man in einem ,Glauben', etwa im Glauben an die Erlösung durch Christus das Abzeichen des Christen sieht: bloss die christliche Praktik, ein Leben so wie der, der am Kreuze starb, es lebte, ist christlich ... Heute noch ist ein solches Leben möglich, für gewisse Menschen sogar nothwendig: das echte, das ursprüngliche Christenthum wird zu allen Zeiten möglich sein ... Nicht ein Glauben, sondern ein Thun, ein Vieles-nicht-thun vor Allem, ein andres Sein" (6, 211). Zu dieser spezifischen Differenz des Christseins rechnet Nietzsche folgendes: „Nicht ein ,Glaube' unterscheidet den Christen: der Christ handelt, er unterscheidet sich durch ein andres Handeln. Dass er dem, der böse gegen ihn ist, weder durch Wort, noch im Herzen Widerstand leistet. Dass er keinen Unterschied zwischen Fremden und Einheimischen, zwischen Juden und Nichtjuden macht [...] Dass er sich gegen Niemanden erzürnt, Niemanden geringschätzt" usw. (6, 205) Jenes auch für Nietzsche immer noch „vorbildliche Leben", das Jesu Botschaft war, „besteht in der Liebe und Demuth; in der Herzensfiille, welche auch den Niedrigsten nicht ausschließt; in der förmlichen Verzichtleistung auf das Recht-behalten-wollen, auf Vertheidigung, auf Sieg im Sinne des persönlichen Triumphes; im Glauben an die Seligkeit hier auf Erden, trotz Noth, Widerstand und Tod, in der Versöhnlichkeit, in der Abwesenheit des Zornes, der Verachtung", usw. (13, 103f.) Wenn aber das Christlichsein „ein neuer Wandel, nicht ein neuer Glaube" ist (6, 206),31 dann setzte sich Jesus gerade mit diesem Praktizismus einer gelebten Handlungsweise in einen nicht voll bewussten, nicht kämpferisch erlebten Gegensatz zum Theoretizismus des gelehrten Glaubens seiner Mitwelt: „Das Leben des Erlösers war nichts andres als diese Praktik, - sein Tod war auch nichts andres ... Er hatte keine Formeln, keinen Ritus fur den Verkehr mit Gott mehr nöthig - nicht

31 Dies betont auch, unter Rückgriff auf die eher katholische Gleichsetzung der Praxis mit den Werken, Albert Camus: Nietzsche und der Nihilismus, in: Jörg Salaquarda (s. Anm. 14 ), S. 66: „Nicht der Glaube, sondern die Werke, das ist nach Nietzsche die Botschaft Christi. Seither ist die Geschichte des Christentums nichts anderes als ein langer Verrat an dieser Botschaft."

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einmal das Gebet. Er hat mit der ganzen jüdischen Buss- und Versöhnungslehre abgerechnet; er weiss, wie es allein die Praktik des Lebens ist, mit der man sich ,göttlich', ,selig', ,evangelisch', jeder Zeit ein ,Kind Gottes' fühlt. Nicht ,Busse', nicht ,Gebet um Vergebung' sind Wege zu Gott: die evangelische Praktik allein führt zu Gott, sie eben ist ,Gott' - Was mit dem Evangelium abgethan war, das war das Judenthum der Begriffe ,Sünde', ,Vergebung der Sünde', ,Glaube', ,Erlösung durch den Glauben' - die ganze jüdische Kirchen-Lehre war in der ,frohen Botschaft' verneint." (6, 205f.) Wenn man einmal diese von Nietzsche gezeichnete Religion und Praktik Jesu voraussetzt, muss es in der Tat zur größtmöglichen „Form welthistorischer Ironie" gehören, dass schon wenige Generationen später „die Menschheit vor dem Gegensatz dessen auf den Knien liegt, was der Ursprung, der Sinn, das Recht des Evangeliums war, dass sie in dem Begriff,Kirche' gerade das heilig gesprochen hat, was der , frohe Botschafter' als unter sich, als hinter sich empfand" (6, 208). Der Kern dieser historischen Verfälschung der Religion Jesu liegt nach Nietzsche darin, dass die Zeichenrede des Evangeliums, die Chiffren für ein rein inneres Reich, das ,nicht von dieser Welt' ist (Joh 18,36), fur Bezeichnungen äußerer Realitäten genommen wurden: „Die Geschichte des Christenthums - und zwar vom Tode am Kreuze an ist die Geschichte des schrittweise immer gröberen Missverstehns eines ursprünglichen Symbolismus" (6, 209). In diesem Missverstehen liege der Hauptgrund dafür, weshalb die spätere Kirche selbst antichristlich denke, wenn man es an Jesus misst: „Das gerade, was im kirchlichen Sinn das Christliche ist, ist das Antichristliche von Vornherein: lauter Sachen und Personen statt der Symbole ..." (13, 162) Nietzsches im folgenden Kapitel skizzierte Verfälschungsgeschichte, die in jenes Kirchenchristentum mündet, dessen Kritik in Kapitel 2 dargestellt wurde, wirft nun ganz am Ende die Frage auf, ob es wirklich die Kirche war, die das ursprüngliche Christentum verfälschte, oder ob es umgekehrt Nietzsche war, der den Geist des Christentums durch die Konstruktion eines Gegensatzes zwischen Stifter und Kirche verfälscht hat. Damit sind wir beim „ungeheuren Fragezeichen, das Christenthum heisst" (6, 208), und damit auch bei der zu entscheidenden Frage, wer der eigentliche Antichrist ist.

4. Christus oder die Kirche? Vom ungeheuren Fragezeichen, das Christentum heißt Nietzsches Verfallsgeschichte lässt das „echte, das ursprüngliche Christenthum" (6, 211) viel radikaler und früher verfälscht werden, als es im protestantischen Modell nach Luther geschieht. Es sei bereits die frühe Anhängerschaft und erste Gemeinde gewesen, die aufgrund ihres völlig unjesuanischen Gefühls- und Bedürfnishaushaltes den Geist des Evangeliums nach ihren Bedürfhissen uminterpretiert habe. Und weil nach Nietzsches oben skizzierter Auffassung die Religionen grundsätzlich Affekte und vitale Bedürfnisse, nicht aber das Erkenntnisstreben der Menschen befriedigen, vermag er gegen diese Umdeutung des Evangeliums durch die „ersten Christen" prinzipiell auch nichts einwenden - außer der Qualität dieser Bedürfnisse selbst: Es habe eine Rebellion „aus unterstem Instinkte" stattgefunden, die sich

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„gegen alles Privilegirte" (6, 224) gewendet und insofern jene Umwertung aller Werte herbeigeführt habe, die Nietzsche seinerseits wieder umwerten will. Nach dem ,,schmähliche[n] Tod" Jesu am Kreuze, der „im Allgemeinen bloss für die canaille aufgespart blieb", wurden die Jünger durch das „beleidigte Gefühl" erschüttert, Jesu Tod könnte „die Widerlegung ihrer Sache" bedeuten. Und weil sich auf die Frage „wer hat ihn getödtet?" nur die Antwort nahe legte „das herrschende Judenthum, sein oberster Stand", so habe man sich von nun an „im Aufruhr gegen die Ordnung" empfunden und diesen Aufruhr auch in den Meister hineinprojiziert: „man verstand hinterdrein Jesus als im Aufruhr gegen die Ordnung. Bis dahin fehlte dieser kriegerische, dieser neinsagende, neinthuende Zug in seinem Bilde; mehr noch, er war dessen Widerspruch. Offenbar hat die kleine Gemeinde gerade die Hauptsache nicht verstanden, das Vorbildliche in dieser Art zu sterben, die Freiheit, die Überlegenheit über jedes Gefühl von ressentiment" (6, 213). Durch dieses nach Vergeltung schreiende Kränkungsgefühl angesichts des empörenden Kreuzestodes sei also „gerade das am meisten unevangelische Gefühl, die Rache, [...] wieder obenauf gekommen. Die frühe Gemeinde habe den Kreuzestod durch eine Interpretation verarbeiten müssen, in der das Kreuz einen exklusiven Sinn zur Rechtfertigung der Anhängerschaft gestiftet habe. „Unmöglich konnte die Sache mit diesem Tode zu Ende sein: man brauchte ,Vergeltung', ,Gericht' ( - und doch was kann noch unevangelischer sein als ,Vergeltung', ,Strafe', ,Gericht-halten'!) Noch einmal kam die populäre Erwartung eines Messias in den Vordergrund; ein historischer Augenblick wurde in's Auge gefasst: das ,Reich Gottes' kommt zum Gericht über seine Feinde ... Aber damit ist Alles missverstanden: das ,Reich Gottes' als Schlussakt, als Verheissung! Das Evangelium war doch gerade das Dasein, das Erfülltsein, die Wirklichkeit dieses ,Reichs' gewesen. [...] Jetzt erst trug man die ganze Verachtung und Bitterkeit gegen Pharisäer und Theologen in den Typus des Meisters ein, - und machte damit aus ihm einen Pharisäer und Theologen!" Hatte Jesus nur die Seligkeit einer rein inneren Realität als das ,coelum in terris' artikuliert, ,jede Kluft zwischen Gott und Mensch geleugnet" und die „Einheit vom Gott als Mensch als seine ,frohe Botschaft'" verkündet, so trugen die ersten Christen „schrittweise in den Typus des Erlösers hinein: die Lehre vom Gericht und von der Wiederkunft, die Lehre vom Tod als einem Opfertode, die Lehre von der Auferstehung, mit der der ganze Begriff,Seligkeit', die ganze und einzige Realität des Evangeliums, eskamotiert ist - zu Gunsten eines Zustandes nach dem Tode!" (6, 215) Die Jüngerschaft legte ihrem Meister post mortem ,jene völlig unevangelischen Begriffe, die sie jetzt nicht entbehren konnte,, Wiederkunft', jüngstes Gericht', jede Art zeitlicher Erwartung und Verheissung ohne Zögern in den Mund" (6, 203). Hierdurch wurde nicht nur die Seligkeit (der Himmel) an moralische Bedingungen geknüpft und der Begriff der „Schuld" zentral, den der Nazarener „selbst abgeschafft" hatte. Vielmehr wurde auch Jesu Tod zum Opfertod uminterpretiert. Auf das Problem „wie konnte Gott das zulassen!" fand „die gestörte Vernunft der kleinen Gemeinschaft eine geradezu schrecklich absurde Antwort: Gott gab seinen Sohn zur Vergebung der Sünden, als Opfer. Wie war es mit Einem Male zu Ende mit dem Evangelium! Das Schuldopfer und zwar in seiner widerlichsten barbarischen Form, das Opfer des Unschuldigen für die Sünden der Schuldigen! Welches schauderhafte Heidenthum!" (6, 214f.)

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Nach Nietzsches von Lüdemann inspirierter Interpretation war es insbesondere Paulus, der diesen benötigten Gott des Ressentiments historisch durchgesetzt habe, indem er mit seinem „Tschandala-Hass gegen Rom" (6, 246) eine neue Theologie aus der „unerbittlichen Logik des Hasses" konstruiert habe.32 „Was hat dieser Dysangelist Alles dem Hasse zum Opfer gebracht! Vor allem den Erlöser: er schlug ihn an sein Kreuz. Das Leben, das Beispiel, die Lehre, der Tod, der Sinn und das Recht des ganzen Evangeliums - Nichts war mehr vorhanden, als dieser Falschmünzer aus Hass begriff, was allein er brauchen konnte. [...] Paulus verlegte einfach das Schwergewicht jenes ganzen Daseins hinter dies Dasein, - in die Lüge vom ,wiederauferstandenen' Jesus. Er konnte im Grunde das Leben des Erlösers überhaupt nicht brauchen, - er hatte den Tod am Kreuz nöthig und etwas mehr noch ..." (6, 215f.).33 Hatte Jesus gerade „die Wichtigthuerei der ,Person'" bekämpft (13, 106), so verlagerte Paulus durch seine „grosse Lüge von der Personal-Unsterblichkeit" der Seele das Schwergewicht des Lebens „in's Jenseits", „in's Nichts" (6, 217). Vor allem aber war Paulus derjenige, der den von Jesus implizit ausgesprochenen „Gegensatz des wahren und des falschen Lebens" ins Metaphysische uminterpretiert habe zum „Gegensatz dieses irdischen und jenes himmlischen jenseitigen" Lebens, „zu dem der Tod eine Brücke ist" (13,108). Durch seine Moralisierung und Theologisierung des Evangeliums wurde Paulus in Nietzsches Augen zum genialen Gegenspieler Jesu, zum großen „Falschmünzer" alles Christlichen (6, 216), zum „Dämon des Dysevangeliums" (13, 109), der „das Symbolische" bei Jesus systematisch in „Cruditäten" umgewandelt habe (13, 115).34 „Kein Gott für unsere Sünden gestorben; keine Erlösung durch den Glauben; keine Wiederauferstehung nach dem Tode - das sind alles Falschmünzereien des eigentlichen Christenthums, für die man jenen unheilvollen Querkopf' namens Paulus „verantwortlich machen muß" (13, 103). Weil es mithin bereits Paulus war, der „das ursprüngliche Christenthum", nämlich die Religion und Praktik Jesu, durch Dogmatisierung „annullirt" habe (13, 109), muss man auch Paulus als den ersten Antichristen in diesem Sinne bezeichnen. Vorwiegend durch ihn sei „das , Christenthum' [···] etwas Grundverschiedenes von dem geworden, was sein Stifter that und wollte" (13, 114). Am Maßstab Jesus gemessen war die spätere Kirche nach Nietzsche nur die fortgesetzte Herrschaft des Antichristen. Sie war „nicht nur die Cari-

32 Vgl. Hermann Lüdemann: Die Anthropologie des Apostels Paulus und ihre Stellung innerhalb seiner Heilslehre. Nach den vier Hauptbriefen dargestellt, Kiel 1872. Zu dieser Lektüre ist Nietzsche wohl durch Overbeck angeregt worden; vgl. Sommer (s. Anm. 6), S. 382, Fn. 89. Jörg Salaquarda: Dionysos gegen den Gekreuzigten. Nietzsches Verständnis des Apostels Paulus, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 26 (1974), S. 97-124, wiederabgedruckt in Salaquarda: Nietzsche (s. Anm. 17), S. 288-322, hat eine hilfreiche Konkordanz der Stellen zur Charakterisierungen des Paulus bei Nietzsche und bei Lüdemann erstellt (S. 321f.). 33 Ernst Benz (s. Anm. 21), S. 36, hat sicherlich Recht mit seiner Bemerkung: „Gegen keinen anderen Christen verrät Nietzsche eine solche Animosität, einen solchen explosiven und maßlosen Haß wie gegen Paulus." - Zu Nietzsches teilweise ambivalentem Paulus-Bild ist neuerdings sehr zu empfehlen Daniel Havemann: Der Apostel der Rache. Nietzsches Paulusdeutung (Monographien und Texte zur Nietzscheforschung 46), Berlin, New York 2002. 34 Vgl. hierzu jene ausführlichen sechs Punkte, in denen Nietzsche die Differenzen zwischen Jesuanischem und Paulinischem Christentum zusammenfasst (13, 115).

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katur des Christenthums, sondern der organisirte Krieg gegen das Christenthum" (13, 104). Den allerletzten Schritt in der Verfälschungsgeschichte der Religion Jesu tat am Ende die Ausgestaltung der Paulinischen Lehre zu einer durch Philosophie gestützten theologischen Dogmatik. Es „giebt gar keinen unevangelischeren Typus als den der Gelehrten der griechischen Kirche, die vom IV. Jahrhundert an das Christenthum auf den Weg einer absurden Metaphysik drängen" (13, 184). Für heutige Leser ist es sehr schwierig, diese Nietzschesche Deutung und Geschichte des Christentums mit ihrer Dialektik der Anti-Christlichkeit angemessen zu beurteilen. Wer als ein Kirchentreuer apologetisch die Dogmatik einer der christlichen Konfessionen als letzten Maßstab zugrunde legt, der wird es nicht schwer haben, Nietzsche als den eigentlichen Antichristen auszumachen, der Jesus und zugleich die Kirche einer gehässigen Karikatur unterzogen hat. Wer umgekehrt Nietzsche als den befreienden , Ausgang aus Jahrtausenden des Labyrinths"3 feiert, der wird auch seine Antichristlichkeit leicht bejubeln. Schwierig dagegen ist es fur solche Leser, denen es trotz ihrer Ehrfurcht vor dem Gott der christlichen Religion nicht gelingt, jene große Kluft zwischen Jesus und der Kirche, die ja nicht erst Nietzsche aufgefallen ist, zu leugnen. Sie dürften, heute wie vor 120 Jahren, durch Nietzsches möglicherweise überzeichnete, aber psychologisch durchaus glaubwürdige Ausarbeitung zweier antithetischer Formen von Christlichkeit und Antichristlichkeit fruchtbar irritiert werden vor dem „ungeheuren Fragezeichen, das Christenthum heisst" (6, 208). Da Nietzsche selbst den Standpunkt nicht des Glaubens, sondern der Geschichte, der Philologie und der Psychologie beansprucht, muss er sein Bild von der Entwicklung des Christentums und seinem Stifter grundsätzlich dem Urteil der Forschung unterwerfen lassen. Was allerdings die historische Wahrheit über Jesus und Paulus betrifft, so gibt das in der gegenwärtigen Jesus-Forschung und PaulusForschung zu findende Kaleidoskop der gelehrten Meinungen keine eindeutigen Kriterien an die Hand, um Nietzsches Thesen zu falsifizieren oder zu verifizieren. Zudem bewegen sich gerade Nietzsches Deutungen zu Jesus und Paulus auf einer psychologischen Ebene, die von den Ergebnissen der historischen Forschung ohnehin nur wenig berührt wird. Das ist freilich kein Einwand gegen Nietzsche, denn wo über Wert bzw. Unwert des Christentums nicht der vorgefertigte Glaube bzw. Unglaube entscheiden soll, gewinnt die Psychologie und damit die Glaubwürdigkeit der Personen selbst höchste Realität und Bedeutung. Dass aber die Anwendung der Religionspsychologie auf Personen, über deren Leben wir historisch nur wenig zuverlässig wissen, hochgradig spekulativ ist, rechtfertigt nicht den positivistischen Fehlschluss, dass wir es unterlassen müssten und könnten, die Motive ihres Glaubens psychologisch zu verstehen. Angesichts der mangelnden Handhabe, Nietzsches Bild zweier antithetischer Formen von Christentum mittels der historischen Tatsachen und der Empirie zu beurteilen, muss die Frage, ob dieses Bild wahr, d. h. wirklich zutreffend ist, abge-

35 Rudi Thiessen: Nietzsche Antichrist. Ausgang aus Jahrtausenden des Labyrinths, in: Du: Das Kulturmagazin, 1998, H. 6, S. 32-34.

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schwächt werden zu der Frage, ob es immerhin möglich ist. Die Antwort hierauf scheint grundsätzlich, wenn man einmal von eher untergeordneten Einzelwertungen absieht, bejaht werden zu können, da Nietzsches Bild keine Widersprüche enthält und damit innerlich konsistent zu sein scheint.

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Trilogie der Apokalypse Vladimir Solov'ev, Serafim von Sarov und Sergej Nilus über das Kommen des Antichrist und das Ende der Weltgeschichte

Im Februar 1900 veröffentlichte der Philosoph, Dichter und Mystiker Vladimir Solov'ev eine Kurze Erzählung vom AntichristIm Juni 1902 entdeckte der Schriftsteller Sergej Nilus eine verschollene Prophezeiung des Priestermönchs Serafim von Sarov über den Antichrist und Russland. Und von August bis September 1903 erschien in einer obskuren Petersburger Zeitung ein anonymer Text mit dem Titel Programm der Eroberung der Welt durch die Juden? Auf den ersten Blick scheinen die drei Texte, abgesehen von ihrer russischen Herkunft und der zeitlichen Nähe ihrer Veröffentlichung bzw. Entdeckung, nur wenig gemein zu haben. Offensichtlich gehören sie ganz unterschiedlichen Gattungen an. Solov'evs Kurze Erzählung vom Antichrist präsentiert sich bereits im Titel als literarisches Werk. Serafims Der Antichrist und Russland gilt als Aufzeichnung einer visionären Prophetie aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und das Programm der Eroberung der Welt erweckt den Eindruck, als handele es sich um wörtliche Protokolle geheimer Sitzungen jüdischer Verschwörer, die nach der Weltherrschaft streben; dieser Text ist heute bekannt und weltweit verbreitet als Protokolle der Weisen von Zion. Die drei genannten Texte sind nie miteinander verglichen worden; stellt man sie jedoch nebeneinander, so wirken sie wie Variationen eines Themas. Sie fügen sich gleichsam zu einer Trilogie, schließen sich zu einer großen Erzählung zusammen der Erzählung vom Kommen des Antichrist und vom Ende der Weltgeschichte.

1 Kratkaja povest' ob Antichriste. Diese bildet den Abschluss einer geschichtsphilosophischen Schrift mit dem Titel Drei Gespräche über Krieg, Fortschritt und das Ende der Weltgeschichte mit Einschluss einer kurzen Erzählung vom Antichrist. Vladimir Solov'ev: Tri razgovora o vojne, progresse i konce vsemirnoj istorii, so vkljuceniem kratkoj povesti ob antichriste, in: ders.: Sobranie socinenij, hg. von Sergej Solov'ev und Ernest Radlov, Bd. 10, S.-Peterburg o.J. [21914], S. 83-221. Deutsch in Wladimir Solowjew: Deutsche Gesamtausgabe der Werke, Bd. 8, hg. von Ludolf Müller, München 1979/80, S. 115-294, hier S. 259-294. Auch separat Wladimir Solowjew: Kurze Erzählung vom Antichrist, übers, und eri. von Ludolf Müller, Donauwörth 102009. 2 Antichrist i Rossija, zuerst veröffentlicht in: Moskovskij literator, 32-33 (21.9.1990), S. 7f. Zuvor nur handschriftlich verbreitet; danach zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Anthologien. - Zu Serafim von Sarov (Prochor Masnin), der 1903 kanonisiert wurde und zu den populärsten Heiligen Russlands zählt, siehe den Artikel von Martin George in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 31, Berlin, New York 2000, S. 165-169. Zum Serafim-Kult im postsowjetischen Russland und seiner „masterful manipulation" durch das Moskauer Patriarchat siehe John Garrard, Carol Garrard: Russian Orthodoxy Resurgent: Faith and Power in the New Russia, Princeton, Oxford 2008, S. 101-140. 3 Programa zavoevan'ja mira evrejami, in: Znamia, 190 (28.8./10.9.1903) - 200 (7./20.9.1903).

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Zum Inhalt der Texte Vladimir Solov'ev (1853-1900) imaginiert in seiner Kurzen Erzählung vom Antichrist (im folgenden Erzählung) die dramatischen Ereignisse in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts kurz vor dem Ende der Weltgeschichte. Nachdem sie ein halbes Jahrhundert unter der Herrschaft der Mongolen gelitten haben, gelingt es den Völkern Europas, sich durch eine umfassende Verschwörung davon zu befreien. Die Staaten Europas vereinigen sich zu einem demokratischen Völkerbund. Ihre Führer, die der „mächtigen Bruderschaft der Freimaurer" angehören, wählen ein „geheimes Mitglied" ihres Ordens zu ihrem Präsidenten. Dieser „bemerkenswerte Mensch", den „viele einen Übermenschen nannten", bringt durch das Versprechen von Frieden und Wohlstand, vereinzelt auch durch militärische Gewalt, alle übrigen Länder unter seine Herrschaft und wird damit zum „Imperator" der ganzen Welt. Er gründet eine Weltmonarchie, errichtet einen Wohlfahrtsstaat, löst die sozial-ökonomische Frage durch die „Gleichheit des allgemeinen Sattseins", sorgt für Unterhaltung durch effektvoll inszenierte „Zeichen und Wunder" und betreibt die Vereinigung der christlichen Konfessionen. Auf dem dazu nach Jerusalem einberufenen Konzil wird er von dem russischen Starez Ioann als der Antichrist erkannt.4 Die Mehrheit der Menschen unterliegt indes den Verführungen der Macht des Bösen. Als aber die Juden, die den Weltherrscher für einen der Ihren halten, entdecken, dass dieser nicht beschnitten ist, erheben sie sich gegen ihn. Es kommt zur apokalyptischen Entscheidungsschlacht. Der Antichrist und seine Anhänger werden von einem Feuersee verschlungen. Christus erscheint, die Juden bekehren sich zu ihm, und es beginnt das tausendjährige Friedensreich. Auch die Prophetie des Serafim von Sarov (1754-1833) schildert die Ereignisse kurz vor dem Ende der Geschichte beim Erscheinen des Antichrist: Russland wird einen lang dauernden Krieg und eine Revolution durchleiden, deren Schrecken alle menschliche Vorstellungskraft übersteigen. Die Mehrzahl der Vaterlandstreuen wird untergehen, ihr Besitz wird geraubt oder vernichtet, Kirchen und Klöster werden entweiht und geplündert, Ströme russischen Blutes vergossen werden. Dann aber wird der Herr sich erbarmen und Russland auf dem Weg des Leidens zu höchstem Ruhm führen. Russland wird sich mit den übrigen slavischen Ländern und Stämmen zu einem mächtigen panslavischen Großreich vereinigen. Seine unbesiegbaren Heere werden Konstantinopel, Jerusalem und Wien erobern und die Türkei sowie das Habsburger Reich zerschlagen. Paris, die „Hure Babylon", wird völlig zerstört werden. Wenn das Russische Reich 180 Millionen Untertanen umfassen wird, steht das Erscheinen des Antichrist bevor. Zuvor aber wird das achte Ökumenische Konzil einberufen, auf dem sich die christlichen Kirchen gegen den kommenden Antichrist vereinigen werden. Dabei werden sie die Freimaurerei sowie alle Geheimgesellschaften und revolutionären Parteien verdammen, die das Paradies auf Erden verkünden, in Wahrheit aber in der Nachfolge Satans stehen. Satan war der „erste

4 Die Geschehnisse um den Antichrist lassen sich somit in die siebziger Jahre des 21. Jahrhunderts datieren, heißt es doch in der Erzählung von dem Starez Iohann, er sei der wiedererstandene Einsiedler Fedor Kuz'mic (gest. 1864), der vor 300 Jahren als der künftige Zar Alexander I. geboren worden sei.

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Revolutionär". Mit dem Versprechen allgemeiner Gleichheit und materiellen Wohlergehens suchen seine Nachfolger die Massen zu verführen, in allen Staaten Anarchie hervorzurufen, das Christentum zu vernichten und schließlich durch den Einsatz des Goldes, das sie in ihren Händen konzentriert haben, die ganze Welt der Macht des Bösen zu unterwerfen. Der Antichrist wird in Russland geboren als Sohn des Teufels und einer Hure aus dem Stamm Dan. Ein Russe wird ihn erkennen, verfluchen und aller Welt anzeigen. Dennoch wird die ganze Erde, mit Ausnahme Russlands und Innerasiens, wo die zehn (verlorenen) Stämme des Reiches Israel lebten, unter die Herrschaft des Antichrist fallen. Juden und Slaven sind die Völker des göttlichen Gerichts. Zur Strafe dafür, dass sie den Erlöser nicht angenommen haben, hat Gott die Juden über die ganze Erde zerstreut. Doch in den Zeiten des Antichrist werden sie sich in großer Zahl zu Jesus bekehren, da sie erkennen werden, dass der von ihnen erwartete Messias in Wahrheit der Antichrist ist. Trotz ihrer großen Verfehlung sind die Juden Gottes geliebtes Volk. Als einzige aber werden die Slaven den christlichen Glauben bewahren und sich dem Antichrist verweigern. Gott wird sie dafür mit dem mächtigsten Reich auf Erden belohnen. Die in Solov'evs Erzählung und Serafims Prophetie entworfenen Szenarien weisen weitreichende inhaltliche Übereinstimmungen auf: Beide sprechen von der Vereinigung der Nationen bzw. der slawischen Völker am Ende der Geschichte, der verderblichen Rolle der weltweit agierenden Freimaurer, von allgemeiner Gleichheit und materiellem Wohlergehen, der Vereinigung der Kirchen, der Entlarvung des Antichrist durch einen Russen, der besonderen Rolle der Juden, die den Antichrist zunächst für den Messias halten, sich dann aber von ihm abwenden und sich zu Jesus bekehren. In dem dritten Text, der unter dem - erst von späteren Herausgebern hinzugefügten - Titel Protokolle der Weisen von Zion (im folgenden Protokolle) bekannt geworden ist, gibt es dieses glückliche Finale der Geschichte nicht. Sein Inhalt besteht in der anscheinend wörtlichen Wiedergabe einer Rede, die ein anonymer jüdischer Führer auf den Sitzungen der sogenannten „Weisen" an einem ungenannten Ort zu einem ungenannten Zeitpunkt gehalten hat. In dieser Rede werden - gleichsam als Selbstbekenntnis - die geheimen Methoden und Ziele einer jahrhundertealten jüdisch-freimaurerischen Verschwörung gegen die gesamte nichtjüdische Welt bis in Einzelheiten dargelegt. Zunächst offenbaren die Protokolle detailliert die Strategie und Taktik, nach der die jüdischen Verschwörer mit Hilfe der Freimaurer sämtliche Bereiche des politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens unterwandern und ihren Zielen unterwerfen. So sollen die christlichen Nationen durch Revolutionen, Krieg und Anarchie zermürbt, durch den Einsatz des Goldes wirtschaftlich ruiniert und durch Rationalismus, Materialismus und Atheismus (genannt werden Marx, Nietzsche und Darwin) demoralisiert werden. Geschildert wird sodann, wie das auf den Trümmern der alten Ordnung zu errichtende jüdische Weltreich aussehen wird: Es wird eine zentralistische und patriarchalische Diktatur sein mit einem König aus dem Hause David an der Spitze. Dieser Weltherrscher wird als eine charismatische Gestalt beschrieben, ein Muster an Tugend, Selbstbeherrschung und Verstand. Als wohltätiger Despot wird der jüdische König mit „festem Willen und unbeugsamer Macht" über eine befriedete, geeinte

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und geordnete Welt herrschen. Mit den Worten der „Weisen", die sich selbst als „Wohltäter" bezeichnen: Wir [...] werden der zerrütteten Erde das wahrhaftig Gute zurückgeben und die Freiheit der Person; wir lassen sie Ruhe, Frieden und mitmenschliche Würde genießen, natürlich unter der Bedingung, dass die von uns erlassenen Gesetze beachtet werden. [...] Unsere Macht wird ruhmvoll, da kraftvoll sein, sie wird führen und leiten. [...] Unsere Macht wird der Vollender der Ordnung sein, worin überhaupt das ganze Glück der Menschen besteht.5 Am Ende droht also nicht die offene Versklavung oder gar Vernichtung der Nichtjuden durch die Juden. Ganz im Gegenteil: Das Ziel ist eine totalitäre Wohlfahrtsdiktatur mit sozialistischen Zügen. Es ist ein Reich, in dem die Masse der Menschen zwar unfrei und vollständig manipuliert, aber zugleich durch Vollbeschäftigung und allumfassende Unterhaltung gesättigt und zufrieden gestellt in dumpfem Glück und Frieden lebt. Auch hier handelt es sich um eine Beschreibung des Endes der Geschichte, wenn auch eines nunmehr rein innerweltlichen. Der die Geschichte beherrschende, zumeist versteckt geführte Kampf der Juden gegen die christliche Welt endet jedoch, anders als bei Solov'ev und Serafini, mit dem Sieg der Juden und der Errichtung ihres diesseitigen Weltreichs - einer teuflischen Imitation des jenseitigen Gottesreichs - , das gekennzeichnet ist durch Ruhe, Ordnung und materielles Wohlergehen. Der jüdische Weltherrscher der Protokolle trägt dabei, wie noch zu zeigen sein wird, deutliche Züge des Antichrist. Dieser (wahrscheinlich späteste) Text der ,Trilogie' nimmt somit Motive der beiden anderen (früheren) auf und säkularisiert sie. Allen drei Texten liegt indes dasselbe Geschichtsverständnis zugrunde; es bedingt überhaupt erst die inhaltlichen und strukturellen Gemeinsamkeiten.

Die apokalyptische Matrix Die Weltgeschichte wird bei Solov'ev und Serafim, aber auch in den Protokollen nach dem Schema heilsgeschichtlicher Apokalyptik ausgedeutet.6 „Enthüllt" werden

5

Protokoly sobranij Sionskich mudrecov, in: Sergej Nilus: Bliz gijaduscij antichrist i carstvo diavola na zemle, Sergiev Posad 1911, S. 57-133, hier S. 129f. (Protokoll 22). Der Text der Protokolle liegt auf russisch in mehreren, z. T. erheblich voneinander abweichenden Versionen vor; zitiert wird hier eine Fassung, die nach dem Ersten Weltkrieg weite Verbreitung gefunden hat und auch den meisten Übersetzungen, darunter denen ins Deutsche, zugrunde liegt. Siehe auch: Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus - eine Fälschung. Text und Kommentar, hg. von Jeffrey L. Sammons, Göttingen 1998. 6 Die erste bekannte Fassung der Protokolle (1903) war in 22 Abschnitte gegliedert, wie die Offenbarung des Johannes; dies mag Zufall sein oder Absicht. - Ausdrücklich hat, soweit ich sehe, nur der orthodoxe Theologe Anton Kartasev 1923 im Vorwort zu einer kritischen, heute fast vergessenen Studie die Protokolle als Apokalypse bezeichnet, genauer als „gefälschte Apokalypse" {poddel'nyj apokalipsis), ohne diesen Gedanken allerdings weiter auszuführen. Anton Kartasev: Predislovie, in: Jurij

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die Geschehnisse am Ende der Zeit: der Kampf zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis, die Verführung durch den oder die Repräsentanten des Bösen, die Entscheidungsschlacht, der Untergang der alten, durch Konflikte zerrissenen Welt und der Beginn einer neuen Welt, eines harmonischen Friedensreiches. Die Apokalypse gibt Auskunft über Ende und Ziel der Geschichte und über die dahin treibenden Kräfte. Eigentlich vollzieht sich die Enthüllung als Vision im Traum oder in Ekstase (en pneúmati, Offb 4,2). Das trifft, wenn überhaupt, nur auf die Prophetie des Serafim von Sarov zu, nicht aber auf die Erzählung von Solov'ev oder die Protokolle. Doch wurden auch diese Texte im Rahmen heilsgeschichtlicher Vorstellungen als apokalyptische Prophezeiungen rezipiert und auf die Gegenwart und nahe Zukunft bezogen. Die Auffassung von Geschichte als transzendenter oder immanenter Leidensund Heilsgeschichte beruht auf der Annahme, dass der historische Prozess ein Ziel hat, auf das er durch den permanenten Kampf zweier unversöhnlicher Kräfte und Mächte - des Guten und des Bösen - vorangetrieben wird, und dass die historischen Ereignisse ihre Bedeutung erst vom vorherbestimmten Ende, sub specie finis, erhalten. Die Einheit des historischen Prozesses beruht in der jüdisch-christlichen Vorstellung auf dem Plan Gottes („Vorsehung"), der den Gläubigen - und nur ihnen - in seinem Anfang (Schöpfung) und Ende (Erlösung) sowie den wesentlichen Etappen geoffenbart worden ist. Das télos der Geschichte, das Ende und zugleich sinngebende Ziel, enthüllt das „Buch mit sieben Siegeln": Endkampf, Weltgericht, Reich Gottes. Auch der Mythos der Weltverschwörung basiert auf dem Glauben, dass Geschichte plangemäß und zielgerichtet verlaufe, nämlich nach dem geheimen Plan der als allmächtig vorgestellten, weltweit agierenden Verschwörer in Richtung auf das von ihnen angestrebte Ziel. Während freilich die Geschichte im Blick der Christen bereits entschieden ist,7 lässt sich die Erreichung des Endziels der Weltverschwörung, das die geheimen Drahtzieher verfolgen, möglicherweise doch noch - durch die Gegenwehr der Gewarnten - abwenden. Apokalypse und Verschwörungsmythos versprechen Zugang zu einer Wirklichkeit, die ihrer Natur nach verborgen ist. Doch gerade dort, im Verborgenen, geschieht das Entscheidende, der Kampf der Gegensätze, der die Geschichte voranund ihrem Ende zutreibt. Die uns umgebende Wirklichkeit ist trügerischer Schein; das Eigentliche, Wesentliche vollzieht sich dahinter. Dem Durchschnittsmenschen ist dieser Bereich unzugänglich. Nur Eingeweihte oder Hellsichtige - Propheten, Zeichendeuter, Konspirologen - vermögen, den Vorhang zu lüften und zur Wahrheit vorzudringen. Noch die krudeste Verschwörungstheorie enthüllt diese ,höhere' Wirk-

Delevskij [d.i. Jakov Judelevskij]: Protokoly Sionskich Mudrecov. (Istorija odnogo podloga), Berlin 1923, S. 5-9, hier S. 8. 7 Mit den Worten Solov'evs (des „Herrn Z" in den Drei Gesprächen): „Es wird wohl noch viel Geschwätz und Geschäftigkeit auf der Bühne geben, doch ist das Drama schon lange zu Ende geschrieben, und weder den Zuschauern noch den Mitspielern ist es gestattet, irgend etwas daran zu ändern." Solov'ev: Tri razgovora (s. Anm. 1), S. 220.

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lichkeit, lässt hinter die Kulissen schauen und zeigt die unsichtbare Hand, die auf der Bühne der Geschichte die Fäden zieht.8 Apokalypse und Verschwörungsmythos befriedigen ebenso wie andere „große Erzählungen" (Jean-François Lyotard) das Bedürfnis nach Welterklärung und Sinnstiftung. Zudem liefern sie eine Handlungsanleitung: Freund und Feind werden klar unterschieden; der Feind wird dämonisiert und bekämpft, die Reihen der Gerechten schließen sich. Und sie spenden Trost, indem sie zeigen: Die Zeit des Leidens ist begrenzt, die Herrschaft des Bösen wird (oder kann) überwunden werden. Dies alles wollen auch die hier untersuchten .apokalyptischen' Texte leisten Enthüllung, Sinnstiftung, Warnung, Handlungsanleitung, Trost - und so wurden sie auch rezipiert und propagiert. Um die Zuordnung zu Textgenres oder um die literarische Qualität kümmerte man sich dabei ebenso wenig wie um die Frage der Authentizität. Visionen vom Wirken des Antichrist konnten als politische Pamphlete verwendet, eine Erzählung als konkrete Prophetie verstanden und die angeblichen Protokolle einer Geheimversammlung als Enthüllung des Kampfes übernatürlicher Mächte gedeutet werden.

Deutungshorizont und Wirkungsgeschichte Solov'evs Erzählung hat von allen Werken des Philosophen die weiteste Verbreitung und die stärkste Resonanz gefunden. Seit ihrem ersten Erscheinen im Jahre 1900 ist sie immer wieder nacherzählt, ausgedeutet und in viele Sprachen übersetzt worden.9 Was ist der Grund für den Erfolg dieses Werkes, dem der amerikanische Slavist David Bethea keinerlei „literary merits", dafür aber „speculative interest and charm" bescheinigt?10 Offenbar sind es die außerliterarischen Qualitäten, ist es der prophetische, enthüllende und warnende Anspruch. Mit seiner Vision des Antichrist

8 Eschatologie und Dämonologie des Marxismus kennen den Stufenplan der Geschichte, deren „innre verborgne Gesetze" und „treibende Mächte" (Friedrich Engels) sich erst dem fortschrittlichen Bewusstsein erschließen. Ob im kosmischen Kampf zwischen Gott und Satan oder im menschheitsgeschichtlichen „letzten Gefecht" zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern - stets geht es um Erlösung und Heilung der Welt durch Entlarvung und Überwindung der Agenten des Verderbens. Auch der Nationalsozialismus wird mitunter als dualistisch konstruierte „politische Religion" interpretiert, die das Judentum satanisiert und dem universalen Kampf der lichtvollen Arier gegen den „Antichrist der Weltgeschichte" (Goebbels über die Juden) heilsgeschichtliche Bedeutung zumisst. - Auf den kryptoreligiösen Charakter der linken und rechten Totalitarismen des 20. Jahrhunderts ist oft hingewiesen worden. 'Bereits 1914 erschien die Erzählung in deutscher Übersetzung bei Eugen Diederichs in Jena; danach erfolgten zahlreiche weitere Übersetzungen. Allein die von Ludolf Müller übersetzte und kommentierte Fassung erlebte seit der Erstveröffentlichung 1947 zehn Auflagen mit einer Gesamtauflagenhöhe von mehr als 50.000 Exemplaren. Das Werk wurde auch als Hörspiel bearbeitet und wird als Audio-CD vertrieben. - Die (Forschungs-)Literatur zu Solov'evs Eschatologie ist immens; erst in jüngster Zeit erschlossene und edierte Archivalien (darunter mystische und spiritistische Schriften Solov'evs) ermöglichen neue, differenziertere Interpretationen. Siehe Nikolaj Kotrelev: Êschatologija u Vladimira Solov'eva (K istorii „Trech razgovorov"), in: Éschatologiceskij sbornik, hg. von Dmitrij Andreev u. a., S.-Peterburg 2006, S. 238-257. 10 David M. Bethea: The Shape of Apocalypse in Modern Russian Fiction, Princeton, NJ 1989, S. 114.

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als dem „kommenden Menschen" (grjaduscij celovek)n wollte Solov'ev nach eigenen Worten „die trügerische Maske entlarven, hinter der sich der Abgrund des Bösen verbirgt".12 Sein erklärtes Ziel war es, vor der zunehmenden Macht des verdeckten und verführerischen Bösen in der Geschichte zu warnen und zum Kampf dagegen aufzurufen (weshalb er die Erzählung auch selbst am 26. Februar 1900 im Saal der Petersburger Stadtduma öffentlich gelesen hat). Dass ihm dies gelungen ist, dass seine Schilderung von Aufstieg, Herrschaft und Fall des Antichrist weithin nicht als literarische Fiktion, sondern als konkrete Prophetie aufgenommen und auf die Gegenwart und die nahe Zukunft bezogen wurde, darauf hat der Historiker und Philosoph Georgij Fedotov bereits 1926 hingewiesen: Der Autor, dem ,das Bild des bleichen Todes bereits spürbar und nicht mehr fern' war [...], wächst über die Grenzen der literarischen Form hinaus und spricht in seiner Legende mit beinahe prophetischer Inspiration. Und genau so, als Prophetie, wurde sie auch aufgenommen; als Prophetie lebt sie im Milieu der russischen christlichen Intelligenzija und dringt in breite Kirchenkreise. Selbst Menschen, die Solov'ev feindlich gesonnen sind, beharren fest 13 auf diesem seinem Vermächtnis [...]. Zu denen, die Solov'evs Erzählung schon kurz nach ihrer Veröffentlichung als konkrete Prophetie auffassten, gehörte auch der bereits genannte Sergej Nilus (1862— 1929), ein gebildeter und frommer Mann, der sich als konservativer Publizist und religiöser Schriftsteller einen Namen gemacht hatte.14 Berühmt wurde Nilus als Herausgeber der Protokolle, die er 1905 in die zweite Auflage seines erbaulichen Buches Das Große im Kleinen und der Antichrist als nahe politische Möglichkeit. Aufzeichnungen eines orthodoxen Christen aufnahm und mit Kommentaren versah.15

11 Wohl in Anlehnung an Irenaeus von Lyon, der den Antichrist mit „ille, qui ventures est" bezeichnet; so Ludolf Müller in den Anmerkungen zu Solowjew: Erzählung (s. Anm. 1), S. 81. Nilus spricht im Titel eines seiner Bücher vom „kommenden Antichrist" (grjaduscij antichrist). 12 Solov'ev: Tri razgovora (s. Anm. 1), S. 91. 13 Georgij Fedotov: Ob antichristovom dobre, in: Put', 5, 1926, S. 55-66, hier S. 55. - Bis heute ist die prophetische Lesart von Solov'evs Erzählung nur allzu beliebt, wie z. B. der Beitrag von Tat'jana Kocetkova zum Internationalen Solov'ev-Kongress in Moskau im August 2000 beweist. Über mehrere Seiten zählt die Verfasserin auf, was Solov'ev zutreffend vorhergesagt habe: "Solov'ev predicted ...", "Solov'ev managed to foretell..." Ein einziges Mal nur habe er sich geirrt: "... he failed to foresee the political rise of the United States." Tatyana Kochetkova: Solov'ev's Insight on the Nature of Modernity, in: Solov'evskij sbornik. Materialy mezdunarodnoj konferencii „V.S. Solov'ev i ego filosofskoe nasledie", 28-30 avgusta 2000 g. Moskva 2001, S. 379-397, hier S. 391. 14 Zur Biographie siehe Michael Hagemeister: Wer war Sergej Nilus? (Versuch einer bio-bibliographischen Skizze), in: Ostkirchliche Studien, 40 (1991), 1, S. 49-63; ders.: Nilus, Sergej Aleksandrovic, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 21, Nordhausen 2003, S. 1063-1067, auch: http://www.bautz.de/bbkl/nAiilus_s_a.shtml. 15 Sergej Nilus: Velikoe ν malom i antichrist, kak blizkaja politiceskaja vozmoznost'. Zapiski pravoslavnogo, Carskoe Selo 1905; darin: „Protokoly sobranij Sionskich mudrecov", S. 325-394. Weitere jeweils veränderte Ausgaben dieses Buches mit den Protokollen erschienen 1911, 1912 und 1917 in der Druckerei des berühmten Dreifaltigkeits-Klosters in Sergiev Posad. - Nilus wurde auch zu einer bizarren literarischen Figur, etwa in Umberto Ecos Verschwörungsroman Das Foucaultsche Pendel

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Frontispiz zu Sergej Nilus: Bliz grjaduscij antichrist i carstvo diavola na zemle, Sergiev Posad 1911, mit dem Text der Protokolle der Weisen von Zion. - Die Abbildungen stammen aus Eliphas Lévi (d. i. Alphonse Louis Constant): Dogme et rituel de la haute magie (zuerst Paris 1856). In der Mitte ein Bild des „Antichrist", des falschen Messias der Juden und kommenden Herrschers der Welt, das bei Lévi als Wiedergabe des „Chariot d'Hermes" auf der 7. Karte des Tarot erscheint. Nilus deutete das Monogramm TAROT als „Talmudi Adveniens Rex Orbis Terrarum". Ebenfalls aus Lévi stammen das Tetragrammaton („le Pentagramme de Faust") und das Siegel Salomons („le Triangle de Salomon"), die Nilus als „Siegel des Antichrist" ausgab, während die „quatre grands noms cabalistiques" bei ihm zur „symbolischen Formel der ,Geheimen Macht der Gesetzlosigkeit'" wurden. Über alle diese Satanszeichen setzte Nilus das Kreuz der Orthodoxie mit dem Schriftzug „Darin wirst Du siegen".

(1988) oder Danilo Kiss Erzählung Das Buch der Könige und Narren (1983). Unlängst avancierte ein karikaturhaft verzerrter Nilus gar zum (negativen) Helden eines Comics von Will Eisner {Das Komplott, 2005).

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Nilus war tief apokalyptisch gestimmt und von Naherwartungen erfüllt. Wenn Solov'ev einmal von sich sagte, er sehe alles „sub specie antechristi [sic] venturi", und er das „nahende Ende der Welt" gleichsam atmosphärisch zu spüren glaubte,16 so trifft dies auch für Nilus zu. Überall entdeckte er die Zeichen der Endzeit, glaubte er das „Siegel des Antichrist" oder die „Zahl des apokalyptischen Tieres" zu erkennen.17 Diese Endzeitstimmung teilte Nilus mit vielen seiner Zeitgenossen. Weithin wurden die politischen, ökonomischen und sozialen Umbrüche, in denen Russland sich um die Wende zum 20. Jahrhundert befand, mit Hilfe religiöser Kategorien interpretiert: als „Zeichen der Zeit", Vorwehen einer eschatologischen Katastrophe und als Hinweise auf das Wirken des Antichrist.18 Eine besondere Prägung erfuhren Endzeitstimmung und Revolutionsfurcht in der Subkultur des weithin religiös begründeten russischen Antijudaismus: Dem vor- und antimodernen Bewusstsein galten Juden und Freimaurer - Förderer und Nutznießer des Fortschritts und der Aufklärung - als Wegbereiter des Antichrist, ja wurden oftmals mit diesem identifi•

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ziert. Nilus zeigte sich denn auch tief beeindruckt von Solov'evs Erzählung. In Solov'evs Schilderung des Antichrist als eines charismatischen „Übermenschen", der mit Hilfe der Freimaurer und des Comité permanent universel (antijüdische Lesart: Alliance Israélite Universelle) an die Macht gelangt und unter der Maske des vermeintlichen Wohltäters seine Herrschaft sichert, sah Nilus eine visionäre Zielbeschreibung der „jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung". Nilus war überzeugt, dass das, was Solov'ev auf dem „Höhepunkt eschatologischer Schau" zuteil geworden sei, konkreten Ausdruck in den Protokollen gefunden habe.20 Und in der

16 Vladimir Solov'ev an Eugène Tavernier, 21.7.1888, in: Vladimir Solov'ev: Pis'ma, hg. von Ernest Radlov, Bd. 4, Peterburg 1923, S. 184; Vladimir Solov'ev an Vasilij Velicko, 3.6.1897, ebd., Bd. 1, S.-Peterburg 1908, S. 232. Siehe auch Vasilij Velicko: Vladimir Solov'ev. Zizn' i tvorenija, S.-Peterburg 2 1903, S. 170-173. Velicko (1860-1903), Freund und Biograpf Solov'evs, war prominenter Ideologe der judenfeeindlichen Schwarzhunderter. Zu Tavernier siehe unten Anm. 31. 17 Das „Siegel des Antichrist" verband sich für Nilus mit der „Zahl des Tieres" im sechseckigen „Davidstern", dem „Schild Davids" (Magen David), d. h. des Antichrist. Sergej Nilus an Hierodiakon Zosima, 6.8.1917, in: Sergej Nilus: Polnoe sobranie socinenij, Bd. 6, hg. von Aleksandr Strizev, Moskva 2005, S. 70. Das Erscheinen des (dann 30-jährigen) Antichrist erwartete Nilus für das Jahr 1912, hatte doch der berühmte Starez Amvrosij im Kloster Optina Pustyn' im Jahre 1882 dessen Geburt verkündet. 18 Zur russischen Eschatologie und Apokalyptik seit dem späten 19. Jahrhundert vgl. James H. Billington: The Icon and the Axe: An Interpretive History of Russian Culture, New York 1970, bes. S. 504-518; Ludolf Müller: Russische Eschatologie zwischen Apokalyptik und Utopismus, in: Zeitwende, 59 (1988), 4, S. 207-227; Robert C. Williams: The Russian Revolution and the End of Time: 1900-1940, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 43 (1995), 3, S. 364-401; Antichrist. Antologija, hg. und eingel. von Konstantin Isupov, Moskva 1995; Rossija pered vtorym prisestviem. Materialy k ocerku russkoj èschatologii, hg. von Sergej Fomin und Tamara Fomina, Bde. 1-2, Moskva, S.-Peterburg 3 1998; J. Eugene Clay: Apocalypticism in Eastern Europe, in: The Encyclopedia of Apocalypticism, hg. von Stephen J. Stein, Bd. 3, New York 1998, S. 293-321; Leonid Kacis: Russkaja éschatologija i russkaja literatura, Moskva 2000; Èschatologiceskij sbornik (s. Anm. 9). 19 Siehe Savelij Dudakov: Istorija odnogo mifa. Ocerki russkoi literatury XIX-XX w . , Moskva 1993. 20 Nilus: Bliz grjaduscij antichrist (s. Anm. 5), S. 40. Ein Indiz dafür, dass Solov'ev die geheimen Pläne einer finsteren Macht enthüllt hatte, sah Nilus auch im frühen, plötzlichen Tod des Philosophen

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Tat gibt es zwischen Solov'evs Erzählung und den Protokollen eine Reihe bemerkenswerter Gemeinsamkeiten. -

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In beiden Texten agieren die Freimaurer als Verschwörer und Verbündete des Weltherrschers: Solov'evs Antichrist ist selbst ein „geheimes Mitglied" der „mächtigen Bruderschaft der Freimaurer", die ihn an die Macht bringt. In den Protokollen ist die Verschwörung der Freimaurer ein durchgängiges Thema. In beiden Texten gehen der Machtergreifung des Weltherrschers große innere und äußere Kriege und politische Umwälzungen voran. Beide Texte dienen dazu, reaktionäre Ängste zu schüren, indem sie die Gefahr einer weltweiten Diktatur mit sozialistischen Zügen beschwören. So charakterisiert Solov'ev die großen Sozialreformen, die der Antichrist einführt, mit der 21

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antisozialistischen Phrase der „Gleichheit des allgemeinen Sattseins", während die „Weisen" damit drohen, die Wohlhabenden hoch zu besteuern und die Produktion von Luxusgütern einzuschränken, da diese die Sitten verderben (Protokoll 22 und 23). Hierzu gehört, dass der Erfolg des Antichrist wie auch des jüdischen Königs bei den Massen auf dem Versprechen von Frieden, Sicherheit und Wohlfahrt beruht. In Solov'evs Erzählung vereinigt der Antichrist die Konfessionen und setzt seinen Helfer und Propagandisten, den Magier Apollonius, als Papst der Einheitskirche ein; der jüdische König der Protokolle wird selbst Papst und „Patriarch der internationalen Kirche" sein (Protokoll 17). Und schließlich gibt es noch eine formale Übereinstimmung: Beide Texte werden als Texte aus zweiter Hand ausgegeben (Verfahren der „realistischen Motivierung"). Solov'ev präsentiert die Erzählung als Lesung aus dem nachgelassenen Manuskript des (fiktiven) Mönches Pansofij; Nilus will das Manuskript mit den Auszügen aus den Protokollen von einem ihm „nahestehenden, inzwischen verstorbenen Menschen" erhalten haben.

Besonders auffallend sind die Ähnlichkeiten zwischen dem Bild des Antichrist, wie Solov'ev es zeichnet, und dem jüdischen Weltherrscher der Protokolle. Bereits Georgij Fedotov hat daraufhingewiesen, dass Solov'evs Antichrist sich gravierend von dem unterscheidet, was Bibel und Patristik über ihn berichten: Danach ist der Antichrist entweder von Anfang an der offenbare Böse, oder er gibt sich zunächst heuch-

nur wenige Monate nach der Veröffentlichung der Erzählung. - Auf die Bedeutung von Solov'evs Erzählung für Nilus und den Mythos der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung hat bereits Lloyd W. Eshleman: The Truth about the Protocols, in: The Living Age, December 1934, S. 290-299, hingewiesen. Vgl. auch Savelij Dudakov: Vladimir Solov'ev i Sergej Nilus, in: Russian Literature and History. In Honour of Professor Ilya Serman, hg. von Wolf Moskovich u. a., Jerusalem 1989, S. 163169; Michael Hagemeister: Vladimir Solov'ev and Sergej Nilus: Apocalypticism and Judeophobia, in: Vladimir Solov'ev: Reconciler and Polemicist. Selected Papers of the International Vladimir Solov'ev Conference held at the University of Nijmegen, the Netherlands, in September 1998, hg. von Wil van den Bercken u. a., Leuven 2000, S. 287-296. 21 Auch gedeutet als Anspielung auf die erste Versuchung Christi (Mt 4,3). 22 „Frieden und Sicherheit" (eirënë kai asphaleia) ist die Losung des Antichrist (1 Thess 5,3).

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lerisch tugendhaft, bis er die Macht errungen hat, um dann die Maske fallen zu lassen und sein Schreckensregiment zu errichten.23 Anders bei Solov'ev: Sein Antichrist ist kein dämonisches Ungeheuer, sondern ein charismatischer „Übermensch", von „einzigartiger Genialität, Schönheit und Edelsinn", ein Muster an Tugend und Selbstbeherrschung und ein Wohltäter der Menschheit. Auch nachdem er den ganzen Erdkreis unterworfen hat, entfesselt er kein Terrorregiment, vielmehr errichtet er ein Reich der materiellen Wohlfahrt und des irdischen Friedens. Ganz ähnlich der jüdische Weltherrscher in den Protokollen·. Auch er ist ein Garant für Frieden und Ordnung und wird als eine charismatische Gestalt beschrieben, von der Masse des Volkes bewundert, ja geradezu vergöttert. „Der jüdische König", so die „Weisen", „darf sich nicht von seinen Leidenschaften beherrschen lassen. [...] Als Pfeiler der Menschheit muss der Weltherrscher aus dem heiligen Samen Davids alle persönlichen Neigungen seinem Volk zum Opfer bringen. Unser Herrscher muss ein makelloses Vorbild sein."24 Wie kommt es zu diesen weitreichenden Übereinstimmungen? Die einfachste Erklärung wäre, dass der oder die Verfasser der Protokolle - die sehr wahrscheinlich zwischen April 1902 und August 1903, also nach dem Erscheinen von Solov'evs Erzählung, in Russland entstanden sind25 - sich durch Solov'ev inspirieren ließen. Da wir aber nicht wissen, wer die Protokolle fabriziert hat, lässt sich diese Vermutung nicht beweisen. Beide Texte dürften indes auch unabhängig voneinander durch dieselben literarischen Einflüsse geprägt worden sein: Zum einen durch Fedor Dostoevskij s berühmten „Großinquisitor", der sich mit dem Bösen verbündet hat, um mit Zynismus und Lüge „Gutes" zu tun, indem er die schwachen und einfältigen Menschen von der Zumutung der Freiheit befreit und ihnen dafür Brot, Ordnung und Sekurität bietet;26 zum anderen durch die antijüdische und antifreimaurerische Enthüllungs- und Diffa-

23 Fedotov: Ob antichristovom dobre (s. Anm. 13), S. 58f. Eine seltenere Tradition betont die Pseudoähnlichkeit des Antichrist mit dem biblischen Christus, ikonographisch etwa im gotischen Antichrist-Zyklus in der Marienkirche zu Frankfurt (Oder), der Miniatur im „Liber Floridus" oder dem berühmten Fresko von Luca Signorelli im Dom von Orvieto. Siehe auch Czeslaw Milosz: Science Fiction and the Coming of the Antichrist, in: ders.: Emperor of the Earth. Modes of Eccentric Vision, London 1977, S. 15-31. 24 Protokoly (s. Anm. 5), S. 133 (Protokoll 24). 25 Siehe Cesare G. De Michelis: The Non-Existent Manuscript: A Study of the 'Protocols of the Sages of Zion', Lincoln, London 2004. - Der Ursprung der Protokolle konnte, trotz intensiver Forschung, bislang nicht geklärt werden. Vor allem die Fragen, wer an der Abfassung beteiligt war und welche Absichten dabei verfolgt wurden, sind noch immer offen - und gerade deshalb Gegenstand weitreichender, oft phantastischer Spekulationen. Sicher ist, dass es sich um eine Fabrikation und teilweise Kompilation literarischer und publizistischer Texte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts handelt. Für die vielfach behauptete Mitwirkung der zarischen Geheimpolizei Ochrana gibt es keine Beweise. 26 Fjodor Dostojewskij: Der Großinquisitor, hg. und eri. von Ludolf Müller, München 1985. - Auf die Nähe der „Weisen von Zion" zu Dostoevskijs Großinquisitor hat zuerst Léon Poliakov hingewiesen. Léon Poliakov: La causalité diabolique, Paris 1980, S. 69-78. Zur verkappten Präsenz Dostoevskijs in den Protokollen ausführlich Vadim Skuratovskij: Problema avtorstva „Protokolov sionskich mudrecov", Kiev 2001, S. 191-221.

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mierungsliteratur, wie sie die politische und klerikale Reaktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Frankreich hervorgebracht hatte.27 In diesen Büchern und Pamphleten werden antijüdische und antifreimaurerische Stereotype oftmals mit apokalyptischen Bildern verbunden. Ein klassisches Werk dieser Art, das auch in Russland weit verbreitet war, ist Henri-Roger Gougenot des Mousseaux' Le Juif, le judaïsme et la judaïsation des peuples chrétiens. In diesem erstmals 1869 veröffentlichten Werk wird das Erscheinen eines jüdischen Magiers prophezeit, der als „Genie des Betrugs" geschildert wird. Von den Juden als Messias aufgenommen, wird er die Menschheit zu einer grossen Bruderschaft vereinen und sie mit materiellen Gütern überschütten. Die nichtjüdischen Völker werden ihn als Gott verehren. In Wirklichkeit ist der scheinbare Wohltäter jedoch ein Werkzeug Satans.28 Die Frage, ob Solov'ev bei seiner Schilderung des Antichrist von der Pamphletistik eines Gougenot des Mousseaux oder dessen Gesinnungsgenossen beeinflusst wurde, wäre eine genauere Untersuchung wert. „Bei all seiner Hellsichtigkeit," so Georgij Fedotov, sei Solov'ev doch „ein Kind des 19. Jahrhunderts" gewesen.29 In seiner Schilderung des Antichrist als Freimaurer und als Vollender der sozialistischen Gesellschaftsordnung teilte Solov'ev die von der autokratischen Regierung Russlands geschürten politisch reaktionären Ängste seiner Zeitgenossen.30 Wie Evgenij Trubeckoj berichtet, habe Solov'ev bereits zu Beginn der 1890-er Jahre die Überzeugung geäußert, es werde „die Sache der Bruderschaft der Freimaurer sein, die Herrschaft des Antichrist zu organisieren".31 Er sei überzeugt gewesen, dass der Staat der Sache Christi diene, die antistaatlichen, sozialistischen und anarchistischen Bewegungen hingegen Verbündete des Antichrist seien. In diesen Denkhorizont gehört auch Serafims Prophetie vom Antichrist und Russland. Auch hier werden die Freimaurer genannt, die zusammen mit geheimen und offen revolutionären Gesellschaften angetreten seien, die bestehende göttliche

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Vgl. Johannes Rogalla von Bieberstein: Die These von der Verschwörung 1776-1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung, Flensburg 1992; Geoffrey T. Cubitt: Catholics versus Freemasons in Late Nineteenth-Century France, in: Religion, Society and Politics in France Since 1789, hg. von Frank Tallett und Nicholas Atkin, London 1991, S. 121-136; Norman Cohn: „Die Protokolle der Weisen von Zion". Der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, Baden-Baden, Zürich 1998, S. 42-61. 28 Die gekürzte deutsche Übersetzung unter dem Titel Der Jude, das Judentum und die Verjudung der christlichen Völker wurde 1921 von Alfred Rosenberg besorgt, von dem auch eine kommentierte Ausgabe der Protokolle stammt. 9 Fedotov: Ob antichristovom dobre (s. Anm. 13), S. 60. 30 Siehe Martin George: Die Fälschung der Wahrheit und des Guten. Gestalt und Wesen des Antichrist im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift fur Kirchengeschichte, 102 (1991), S. 76-103, hier S. 101. Solov'evs „Darstellung des Antichrist als eines Menschenfreundes und Humanisten, der soziale Gerechtigkeit herstellt", wurde bereits von Nikolaj Berdjaev als falsch und gefahrlich kritisiert: Dadurch würden „nur konterrevolutionäre und obskure apokalyptische Theorien gerechtfertigt". Nikolaj Berdjaev: Die russische Idee. Grundprobleme des russischen Denkens im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, eingel., übers, und eri. von Dietrich Kegler, Sankt Augustin 1983, S. 193. 31 Evgenij Trubeckoj: Mirosozercanie VI. S. Solov'eva, Moskva 1913, S. 294—296. Solov'ev hatte damals engen Kontakt zu dem französischen katholischen Publizisten Eugène Tavernier (1854—1928); dieser wurde später Mitarbeiter der Revue internationale des Sociétés secrètes, eines berüchtigten Kampfblattes gegen die „Judéo-Maçonnerie".

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Ordnung auf konspirative Weise zu zerstören, um an ihrer Stelle die Herrschaft des Antichrist zu errichten. Dass sie zu diesem Zweck die Massen verführen mit dem Versprechen, gleiche Rechte und materiellen Wohlstand für alle und ein Paradies auf Erden zu schaffen, gehört ebenso zu den stereotypen Verleumdungen wie die Behauptung, sie schürten Zwietracht und Anarchie, bekämpften das Christentum und benutzten das Gold, das sie in ihren Händen konzentriert hätten, um die christlichen Staaten zu ruinieren. Täuschung und Betrug waren seit jeher Merkmale des Antichrist und seiner Verbündeten. Der Verweis auf Satan als den „ersten Revolutionär" ist ein Stereotyp der konservativen Gegenrevolution (Joseph de Maistre, Karl Ludwig von Haller u. a.) wie auch der französischen katholischen Anti-FreimaurerLiteratur des späten 19. Jahrhunderts. Mit ihm wurden die Auflehnung gegen die göttliche Ordnung und der Glaube an die Selbstvervollkommnung und Selbsterlösung des Menschen denunziert.32 Während es sich bei der Vorstellung, der Antichrist werde vom Teufel mit einer Hure aus dem jüdischen Stamm Dan gezeugt, um eine alte Parodie auf die Abkunft des wahren Christus als Sohn Gottes und der Jungfrau Maria handelt,33 ist der prognostizierte Untergang von Paris - seit der Französischen Revolution die „große Hure Babylon", die Stadt des Unglaubens und der Verderbnis im Gegensatz zum Neuen Jerusalem - modern und gehört zum Standardrepertoire der antiaufklärerischen, antirevolutionären und antiliberalen Propaganda des 19. Jahrhunderts.34 Eigenartig erscheint die Prophezeiung, der Antichrist werde in Russland geboren; sie findet sich indes bei dem erzkonservativen Philosophen Konstantin Leont'ev, der kurz vor seinem Tode im Jahre 1891, nachdem er die Mönchsweihen empfangen hatte, eben diese Vorstellung beschwor: Russland sei dazu bestimmt, „in etwa hundert Jahren", wenn die ständische Ordnung dem Egalitarismus und die Kirchlichkeit dem Unglauben gewichen seien, den Antichrist hervorzubringen.35 Die Vision eines slavischen Großreichs unter russischer Führung

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Cubitt: Catholics (s. Anm. 27), S. 131f. Ansatzweise bereits bei Irenaeus von Lyon, ausführlich dann in der berühmten legendarischen Antichrist-Vita des Adso von Montier-en-Der. Später verbreitet auch in der (alt-)russischen Literatur, siehe Fedor Rjazanovskij: Demonologija ν drevne-russkoj literature, Moskva 1915, S. 120-125. - Eine Parodie auf die Jungfrauengeburt Jesu sieht jüngste Forschung auch in der jüdischen „Gegenerzählung" im babylonischen Talmud, wonach Jesus als Sohn einer Hure und deren Liebhaber geboren worden sei. Peter Schäfer: Jesus im Talmud, Tübingen 2007, S. 21, 2 9 ^ 9 , 195-199. 34 Siehe mit zahlreichen Belegen Arthur Hübscher: Die große Weissagung. Texte, Geschichte und Deutung der Prophezeiungen von den biblischen Propheten bis auf unsere Zeit, [München] 1952, bes. S. 51 f., 193-198. Eine weitere Quelle könnte in der russischen Propaganda gegen Napoleon Bonaparte zu suchen sein; so hatte ein Manifest des Heiligen Synods vom Dezember 1806 den Kaiser der Franzosen als Pseudomessias und Antichrist und Paris als Ort der „Synagoge des Satans" diffamiert. Vgl. Hildegard Schaeder: Autokratie und Heilige Allianz, Darmstadt 1963, S. 59; Andrej Zorin: „Kormja dvuglavogo orla ..." Literatura i gosudarstvennaja ideologija ν Rossii ν poslednej treti XVIII - pervoj treti XIX veka, Moskva 2001, S. 331. 35 Konstantin Leont'ev: Nad mogiloj Pazuchina, in: ders.: Izbrannye stat'i, Moskva 1992, S. 2 8 0 292, hier S. 291. Scharf wies Leont'ev denn auch alle Verheißungen und Bestrebungen, ein allumfassendes irdisches Reich des Friedens, der Brüderlichkeit und des Wohlstands zu schaffen, als antichristlich zurück. Nur wenn es Räuber gebe, könne der Samariter Nächstenliebe beweisen. Ders.: Vostok, Rossija i slavjanstvo, Bd. 2, Moskva 1886 (Reprint Osnabrück 1966), S. 286, 288. - Zu den eschatologischen Motiven in Leont'evs Historiosophie siehe die Beiträge von Roman Gogolev und Stanislav Chatuncev in: Éschatologiceskij sbornik (s. Anm. 9). 33

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verweist auf die Ideen des russischen Panslavismus aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, während der Glaube, die Rettung werde aus dem Osten, aus Russland kommen, Ausdruck des russischen weit- und heilsgeschichtlichen Messianis• * 36

mus ist. Es ist mithin höchst unwahrscheinlich, dass die angeführten prophetischen' Äußerungen von einem russischen Priestermönch und Einsiedler aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts stammen; zu deutlich sind die Anklänge an die stereotypen Bilder und Vorstellungen, wie sie erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts durch die politische und klerikale Reaktion vor allem in Frankreich und durch den großrussischen Chauvinismus hervorgebracht wurden. All das spricht dafür, dass es sich um ein Machwerk aus der Zeit um die Jahrhundertwende handelt, gewachsen auf demselben geistigen Boden, der auch die Protokolle hervorgebracht hat und dessen Einfluss sich auch Solov'ev nicht hat entziehen können.37

Apokalyptik und Antijudaismus Sowohl in der Prophetie des Serafini von Sarov als auch in Solov'evs Erzählung ist davon die Rede, dass die Juden am Ende der Geschichte ihren Irrtum erkennen, sich vom Antichrist, dem Herrscher dieser Welt, abwenden und den annehmen werden, dessen „Reich nicht von dieser Welt" ist. Die Juden, heißt es bei Solov'ev, hatten den Aufstieg des „Übermenschen" zunächst unterstützt, da sie ihn für einen „reinrassigen und vollkommenen Israeliten" (krovnym i soversennym izrail 'tjaninom) hielten. Als der Herrscher seine Residenz nach Jerusalem verlegt und unter den Juden das Gerücht ausstreuen lässt, dass er die Aufrichtung der „Weltherrschaft Israels" (vsemirnoe vladycestvo Izrailja) als seine Hauptaufgabe betrachte, erkennen sie ihn als den Messias an, „und ihre begeisterte Ergebenheit ihm gegenüber kannte keine Grenze". Erst als sie „zufällig" entdecken, dass der vermeintliche Messias nicht beschnitten ist, schlägt ihre Ergebenheit in glühenden Hass um: Das ganze Judentum stand auf wie ein Mann, und seine Feinde sahen mit Erstaunen, dass die Seele Israels in ihrer Tiefe nicht von Berechnungen und

36 Dieser wiederum dürfte z. T. auf die Apokalyptik der protestantischen Erweckungsbewegung (Juliane Krüdener, Johann Heinrich Jung-Stilling u. a.) zurückzufuhren sein. Vgl. Ernst Benz: Russische Eschatologie. Studien zur Einwirkung der Deutschen Erweckungsbewegung in Rußland, in: Kyrios, 1 (1936), S. 102-129; George: Die Fälschung (s. Anm. 30), bes. S. 78-82; Hübscher: Die große Weissagung (s. Anm. 34), S. 198-200. 37 Aleksandr Strizev, der Antichrist i Rossija zuerst veröffentlicht und viel zu seiner Verbreitung beigetragen hat, distanzierte sich später von dem Text und bezeichnete ihn als „äußerst zweifelhafte Aufzeichnung". Lediglich der Anfang, wo von Krieg und Revolution die Rede sei, könne Serafim zugeschrieben werden. Der übrige Text hingegen habe „keinerlei Beziehung" zu ihm. Aleksandr Strizev: Öego ne izrekal prepodobnyj Serafim. Κ voprosu o psevdocerkovnom mifotvorcestve, in: Blagodatnyj ogon', 11,2003, S. 3-8.

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der Gier nach Mammon lebt, sondern von der Kraft ihres innersten Gefühls 38 der Zuversicht und dem Zorn ihres uralten Messiasglaubens. Nach der Vernichtung des Antichrist eilen die Juden nach Jerusalem und flehen den Gott Israels um Rettung an. Da zerreißt der Himmel, und Christus erscheint mit den Wundmalen in den ausgebreiteten Händen. Nun nehmen die Juden den Gekreuzigten als ihren König an, und es beginnt das tausendjährige Friedensreich, das die irdische Geschichte der Menschheit christlich vollendet. Dies entspricht der christlich-traditionellen Vorstellung, nach der das Judentum am Ende seine Verblendung überwinden und sich zum Heiland bekehren wird, auf dass, so der Apostel Paulus, „ganz Israel errettet" werde (Rom 11,26). Oder mit den Worten des Philosophen Nikolaj Berdjaev: „Die endgültige Lösung der Judenfrage ist nur möglich in eschatologischer Perspektive. Dies wird auch die Lösung des Schicksals der Weltgeschichte sein, im letzten Akt des Kampfes zwischen Christus und dem Antichrist." 39 Für Solov'ev gab es ebenso wie fiir seine Nachfolger genannt seien die Philosophen und Theologen Berdjaev, Sergij Bulgakov, Vasilij Zen'kovskij und Aleksej Losev - nur eine christliche Lösung der „Judenfrage", die Bekehrung der Synagoge zur Ekklesia: „Der bessere Teil des Judentums wird in die christliche Theokratie eintreten, der schlechtere aber wird ihr fern bleiben, und erst am Ende der Zeiten wird er, nachdem er die gerechte Strafe Gottes erfahren hat, durch seine Gnade erlöst werden."40 Noch „auf seinem Sterbebett" hat Solov'ev „mit hebräischen Psalmworten für die Bekehrung Israels gebetet"41 - das aber heißt: fiir die Abkehr der Juden vom Judentum.

38

Solov'ev: Tri razgovora (s. Anm. 1), S. 219. - Immer wieder wurde die aktive Rolle der Juden bei der Überwindung des Antichrist in Solov'evs Erzählung hervorgehoben, so z. B. von Fritz Lieb, einem protestantischen Theologen und entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus: „In einem letzten Kampfe gegen die Juden geht der Antichrist zu Grunde und Christus erscheint zur Aufrichtung des tausendjährigen Reiches. Das ist die einzig würdige Antwort auf Rosenbergs Antisemitismus und Antichristentum." Fritz Lieb: Der „Mythos" des nationalsozialistischen Nihilismus, in: Freie Wissenschaft. Ein Sammelbuch aus der deutschen Emigration, hg. von Emil J. Gumbel, Strasbourg 1938, S. 110. Denkbar wäre freilich auch eine antijüdische Lesart: Die Juden streben nach der Weltherrschaft und erkennen nur einen der Ihren als Weltherrscher an; zudem sind sie mächtig genug, einen (nichtjüdischen) Weltherrscher zu stürzen. 39 Nikolaj Berdjaev: Smysl istorii. Opyt filosofii celoveceskoj sud'by, Berlin 1923, S. 128. 40 Vladimir Solov'ev: Evrejstvo i christianskij vopros [1884], in: ders.: Socinenija ν dvuch tomach, hg. von Nikolaj Kotrelev und Evgenij Raskovskij, Bd. 1, Moskva 1989, S. 206-256, hier S. 255. - Zur „mystischen Judäophobie" bei Solov'ev, Berdjaev, Bulgakov u. a. siehe Vladimir Paperni: Biblija, iudeo-christianskaja konfrontacija i „novoe religioznoe soznanie" ν russkoj kul'ture konca XIX - nacala XX w . , in: Judeo-Slavic Interaction in the Modern Period, Jerusalem 1995, S. 166-178; Efim Kurganov: Filosofskaja mysl' „Serebqanogo veka" i evrejskij vopros, in: Mezdu Vostokom i Zapadom: evrei ν russkoj i evropejskoj kul'ture, hg. von Irina Belobrovceva u. a., Tallinn 2000, S. 48-79; Gabriele Kohlbauer-Fritz: Die russischen Religionsphilosophen und das Judentum. Zwischen Philosemitismus und Antisemitismus, russischem Sendungsbewußtsein und jüdischem Messianismus, in: Festschrift Professor Jacob Allerhand, hg. von Wolf Moskovich, Jerusalem, Wien 2001, S. 102-122. 41 Gerhard Podskalsky: Wladimir Solovjov und die Juden, in: Una Sancta. Zeitschrift fiir ökumenische Begegnung, 22 (1967), S. 203-211, hier S. 208. Ebenso (wörtlich) Ludolf Müller: Ssolowjow und das Judentum, in: Quatember, 55 (1991), S. 198-203, hier S. 203. Siehe auch Evert van der Zweerde: Vladimir Solov'ev and the Russian-Christian Jewish Question, in: Journal of Eastern Christian Studies 55 (2003), 3^1, S. 211-244; Dmitrij Belkin: „Gäste, die bleiben." Vladimir Solov'ev, die Juden und die Deutschen, Hamburg 2008.

270

Michael Hagemeister

Heetpyiomie bo iMcyca XpMCTa lyAen npMMyrb aHTMxpHCTa Mecciio (loan. δ. 43; 2-e Coa. 2, 10—12).

33

Abbildung aus dem anonymen Werk Znamenija prisestvija Antichrista, Moskva 1912. ,Die Juden, die nicht an Jesus Christus glauben, nehmen den Antichrist als den Messias an. (Joh 5,43; 2 Thess 2,10-12)."

Auch für Nilus bleiben die Juden stets innerhalb des göttlichen Heilsplans, ja agieren als Werkzeuge Gottes. Wie in Jesu Leidensgeschichte Judas durch seinen Verrat den Opfertod des Gottessohnes erst ermöglichte, so müssen auch die Juden ihre Rolle im kosmischen Drama der Heilgeschichte spielen und durch ihre Taten den Heilsprozess von Stufe zu Stufe vorantreiben. Es liegt freilich - wie im Falle Judas' - eine gewisse Tragik darin, dass ihnen dabei der negative Part zugefallen ist, nämlich „Strafe Gottes" zu sein und als Wegbereiter des Antichrist zu agieren.

Trilogie der Apokalypse

271

Die Protokolle wurden von Nilus in einem religiösen, eschatologischen Kontext interpretiert: als Apokalypse, d. h. als „Enthüllung" des Kampfes der unsichtbaren jenseitigen Mächte des Guten und Bösen und ihrer sichtbaren irdischen Verbündeten, eines Kampfes, der mit dem Ende des 19. Jahrhunderts in sein entscheidendes Stadium getreten zu sein schien. Für die Deutung des endzeitlichen Geschehens bedarf es in solcher Sicht keiner historischen Beweisführung, die Forderung nach juristischer oder quellenkritischer Klärung der Echtheit der Protokolle ist, so Nilus, letztlich irrelevant: Man kann uns vorhalten, und dies zu Recht, dass das präsentierte Dokument [die Protokolle; M.H.] apokryph sei. Doch wenn es möglich wäre, seine Echtheit durch Dokumente oder glaubwürdige Zeugenaussagen nachzuweisen, wenn man die Personen bloßstellen könnte, die an der Spitze der weltweiten Verschwörung stehen und deren blutige Fäden in ihren Händen halten, so würde damit zugleich auch das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit" gebrochen werden, doch muss es ungebrochen bleiben, bis zu seiner Inkarnation im „Sohn des Verderbens".42 Nilus bezieht sich hier auf die geheimnisvolle Miniapokalypse im zweiten Brief des (Pseudo-)Paulus an die Thessalonicher, wo vom baldigen Erscheinen des Widersachers (ho antikeimenos), des Antichrist, die Rede ist, der durch Täuschung und Verführung die Parusie des wahren Messias gleichzeitig verbergen und ankündigen soll: Zuerst muss der Abfall von Gott kommen und der Mensch der Gesetzlosigkeit offenbart werden, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott heißt oder Heiligtum, so dass er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt. [...] Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon wirksam; nur muss erst der beseitigt werden, der es bis jetzt noch aufhält, und dann wird der Gesetzlose offenbart werden [...] (2 Thess 2,3f. 7f.). Das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit" (to mystërion tés anomias, Luther übersetzt: „Geheimnis der Bosheit") war für Nilus wirksam - überall nahm er die drohenden Zeichen wahr - , doch war die Zeit noch nicht erfüllt, der Widersacher selbst noch nicht erschienen. Noch immer wurde seine Herrschaft verzögert durch eine hemmende, aufhaltende Macht, durch den oder das Katechon (2 Thess 2,6f.).43 Für Nilus

42 Nilus: Velikoe ν malom (s. Anm. 15), S. 323. - Einem Skeptiker gegenüber soll Nilus einmal geäußert haben: „Nehmen wir an, die ,Protokolle' seien unecht. Kann Gott nicht auch durch sie die bevorstehende Gesetzlosigkeit enthüllen? Hat nicht Bileams Eselin geweissagt? Kann nicht Gott um unseres Glaubens willen Hundeknochen in wundertätige Reliquien verwandeln? So kann er auch einen Lügner die Wahrheit verkünden lassen." Alexandre du Chayla: Vospominanija o S. A. Niluse i Sionskich Protokolach (1909-1920), in: Evrejskaja tribuna 72, 14.5.1921, S. 1-7, hier S. 5. 43 Über die mysteriöse Figur des Katechon (die ja auch das Ende des Weltalters und den Anbrach des Reiches Gottes verzögert) und ihre Manifestation(en) in der Geschichte ist viel spekuliert worden, so

272

Michael Hagemeister

stand indessen fest: „Das letzte Bollwerk der Welt, die letzte Zuflucht auf Erden vor dem heraufziehenden rasenden Orkan ist das Heilige Russland", 44 das Dritte (eschatologisch: letzte) Rom, das „Israel des Neuen Testaments"45 und sein „unbestechlicher und treuer Hüter und Beschützer, der von Gott gesalbte autokratische rechtgläubige Zar". 46 Russen und Juden waren für Nilus die Völker der Eschatologie: Aufhalter und Beschleuniger des Endes. Zur heilsgeschichtlichen Rolle der Juden, die sie bewusst oder unbewusst zu spielen hätten, gehöre, so Nilus, der Kampf gegen die Christenheit und das Streben nach der Weltherrschaft, wie es die Protokolle enthüllten. Dieser Plan zur Eroberung der Welt sei bereits im Jahre 929 vor Christi Geburt von Salomon und anderen jüdischen Weisen erdacht und dann im Laufe der Zeit durch die Eingeweihten immer weiter ausgearbeitet und ergänzt worden. Auch der Apostel Paulus sei als einer der begabtesten Schüler der Pharisäer seinerzeit gewiss in diesen Plan eingeweiht gewesen, und er habe eben diesen Plan gemeint, als er vom „Geheimnis der Gesetzlosigkeit" gesprochen habe, das „schon wirksam" sei.47 Vor dieser nunmehr „nahe bevorstehenden tödlichen Gefahr" wollte Nilus seine christlichen Brüder warnen. Keinesfalls aber, so versicherte er, wolle er durch die Veröffentlichung der Protokolle Feindschaft schüren gegen „das bis zu den Zeiten verblendete jüdische Volk, das in seiner leidenschaftlich, wenn auch falsch glaubenden Masse unschuldig ist an der satanischen Sünde seiner Führer, der Schriftgelehrten und Pharisäer, die Israel schon einmal ins Verderben gestürzt haben". 48 Ich bitte meinen Leser inständig, dass er seinen Zorn nicht ergieße über das vorübergehend verblendete, in seinem Glauben und Unglück große von Gott erwählte Volk. Seine Verblendung ist unsere ewige Rettung, seine Bekehrung

z. B. von Carl Schmitt, dem „Apokalyptiker der Gegenrevolution" (Jacob Taubes), der in seiner Geschichtstheologie Liberalismus, Bolschewismus und Judentum mit dem Antichrist (oder seinen Agenten) identifizierte und den/das Katechon unter anderem in der Diktatur Hitlers zu erkennen glaubte. Siehe Ruth Groh: Arbeit an der Heillosigkeit der Welt. Zur politisch-theologischen Mythologie und Anthropologie Carl Schmitts, Frankfurt a. M. 1998. Bereits 1915 hatte Schmitt Solov'evs Erzählung gelesen (Raphael Gross: Carl Schmitt und die Juden, Frankfurt a. M. 2000, S. 37); auch in Schmitts Vorstellung vom Antichrist hat dieser scheinbar alle Züge der Bosheit abgelegt und sich dem „Glück der Menschheit" verschworen. 44 Nilus: Bliz gijaduscij antichrist (s. Anm. 5), S. 56. 45 Ebd., S. 4. Nilus teilt hier die weit verbreitete Auffassung, wonach die Erwählung Israels und sein messianischer Sendungsauftrag nach dessen „Verrat" auf das russische „Gottesträgervolk" (narod-Bogonosec) übergegangen seien. Wenn Paulus davon spreche, dass am Ende „ganz Israel errettet" werde, so sei damit die Orthodoxe Kirche Christi gemeint, zu der die Juden sich bekehren müssten. 46 Ebd., S. 56. - Im Russischen wird die Rolle des „Selbstherrschers" (samoderzec) als „Aufhalter/ Katechon" (uderzivajuscij) auch etymologisch deutlich; russ. derzat' entspricht griech. katechein. Die Abdankung des Zaren im März 1917 und seine (von orthodoxen Extremisten als jüdischer Ritualmord und „apokalyptisches Verbrechen" gedeutete) Ermordung im Juli 1918 machten somit den Weg frei für die Herrschaft des Antichrist. Michail Nazarov: Vozdu Tret'ego Rima. Κ poznaniju russkoj idei ν apokalipticeskoe vremja, Moskva 2005, S. 914—955. 47 Nilus: Velikoe ν malom (s. Anm. 15), S. 395. 48 Ebd., S. 323. - Die Formulierung „falsch glaubend" (lozno verujuscij) entspricht dem lateinischen perfidi der tridentinischen Karfreitagsfürbitte um die Erleuchtung und Bekehrung der verblendeten Juden.

Trilogie der

Apokalypse

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die Auferstehung von den Toten. Es ist wichtig zu wissen und fest im Gedächtnis zu halten, dass Gott uns durch Israel für unseren Verrat an Ihm und den Überlieferungen unserer Väter straft. [...] Wenn wir aber Israel hinmetzeln und das Blut der Nachkommen der Erzväter vergießen, dann ziehen wir uns noch größeren Zorn Gottes zu. Nicht das Gottesvolk ist schuld an der satanischen Sünde des Gotteskampfes, schuld ist sein geheimer Sanhédrin [...]. 49 Sergej Nilus ist nicht nur der prominenteste Herausgeber und Kommentator der Protokolle, er ist auch - und hier schließt sich der Kreis - der angebliche Entdecker der apokalyptischen Prophezeiungen des Serafim von Sarov.50 Im Juni 1902 erhielt Nilus, wie er selbst berichtete, bei einem Besuch des Klosters von Diveevo im Gouvernement Niznij Novgorod51 ein Bündel vergilbter und verschmutzter Blätter, in dem er Aufzeichnungen frommer Belehrungen und Prophezeiungen Serafims entdeckte, darunter auch den apokalyptischen Text über den Antichrist und Russland. Dies geschah - vielleicht nicht zufällig - genau ein Jahr bevor Serafim auf Betreiben des Herrscherhauses in einer pompösen Zeremonie heiliggesprochen wurde. Die Aufzeichnungen, so Nilus, seien zunächst unlesbar gewesen, aber „auf wunderbare Weise" sei es ihm schließlich gelungen, sie zu entziffern und abzuschreiben. Die Originale sind seitdem verschollen. Wie im Falle der Protokolle, so ist auch der Ursprung der Prophezeiungen Serafims ungeklärt, doch liegen die trüben Quellen, denen beide entstammen, wohl nur allzu nahe beieinander. Die kirchliche Zensur - stets misstrauisch gegenüber individuellen Offenbarungen, vor allem wenn diese die „letzten Dinge" betrafen - verbot seinerzeit die Veröffentlichung der Prophezeiungen Serafims. 2 Nilus konnte sie lediglich zitieren, vor allem in seinem letzten Buch, das im Januar 1917, wenige Wochen vor dem Sturz der Zarenherrschaft, im Dreifaltigkeits-Kloster in Sergiev Posad erschien und den

49

Ebd., S.416f. Ausführlich hierzu Michael Hagemeister: Eine Apokalypse unserer Zeit. Die Prophezeiungen des heiligen Serafim von Sarov über das Kommen des Antichrist und das Ende der Welt, in: Finis mundi Endzeiten und Weltenden im östlichen Europa. Festschrift für Hans Lemberg zum 65. Geburtstag, hg. von Joachim Hosier und Wolfgang Kessler, Stuttgart 1998, S. 41-60. 51 Das unweit von Sarov gelegene Frauenkloster von Diveevo war aus einer von Serafim betreuten Schwesterngemeinschaft hervorgegangen. Serafim hatte um das Gelände einen tiefen Graben ziehen lassen, von dem es hieß, dass der Antichrist ihn nicht werde überwinden können. Nilus: Bliz grjaduscij antichrist (s. Anm. 5), S. 34f. Nach der Wiedereröffnung des Klosters in den 1990er Jahren wurde auch der berühmte Graben wiederhergestellt (die ausgehobene Erde gilt als wunderwirkend). 52 Handschriftlich verbreitet, fanden Serafims Prophezeiungen vor allem in den Jahren nach der Revolution starken Widerhall unter der Intelligenz und dienten einer heilsgeschichtlichen Deutung des aktuellen Geschehens. Zusammen mit anderen apokryphen Schriften, wie dem Traum des Ehrwürdigen Johann von Kronstadt (Son otea Ioanna Kronstadtskogo) und den Protokollen, wurden sie auch zur antibolschewistischen Agitation benutzt. Siehe hierzu Hagemeister: Eine Apokalypse (s. Anm. 50), S. 56-60. - Die 1990 erstmals veröffentlichte Fassung von Der Antichrist und Russland (s. Anm. 2) fand sich im Nachlass des Priesters, Universalgelehrten und Antisemiten Pavel Florenskij (1882-1937). Für den Theologen und Sektenspezialisten der Russischen Orthodoxen Kirche, Diakon Kuraev, ist allein dies schon Beweis dafür, dass der Text „aus der Welt der Okkultisten und Fälscher stammt". Andrej Kuraev: Okkul'tizm ν Pravoslavii, Moskva 1998, S. 202. 50

274

Michael Hagemeister

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Titelblatt der 1938 von der Zensur unterdrückten deutschen Übersetzung von Sergej Nilus' Ausgabe der Protokolle der Weisen von Zion.

endzeitlich-apokalyptischen Titel trägt „Es ist nahe vor der Tür. " Über das, was man nicht glauben will und was doch so nahe ist.53 Das Buch enthielt nicht nur visionäre Warnungen vor dem nahenden Antichrist, sondern auch den angeblichen Feldzugsplan seiner Wegbereiter - die Protokolle. Und es war dieses Buch, das nach der Oktoberrevolution im Gepäck russischer Emigranten nach Westen gelangte und die Protokolle weltweit bekanntmachen sollte.54

53

Sergej Nilus: „Bliz est', pri dverech." O torn, cemu ne zelajut verit' i cto tak blizko, Sergiev Posad

1917. 54 Eine deutsche Übersetzung von Nilus' letztem Buch sollte unter dem Titel Der jüdische Antichrist und die Protokolle der Weisen von Zion 1938 im Johannes Günther Verlag, Leipzig und Wien, er-

Trilogie der Apokalypse

275

Auch heute steht der Antichrist vor der Tür, droht ein Ende mit Schrecken. Wieder hat der Zerfall der alten Ordnung und das Scheitern des Fortschrittsglaubens in Russland Katastrophenfurcht geweckt und den Apokalyptikern und Konspirologen Zulauf beschert.55 Bücher wie Der Antichrist in Moskau, Der Weg zur Apokalypse, Die russische Idee in apokalyptischer Zeit und Russland vor der Wiederkunft Christi wurden zu Bestsellern, und die Protokolle werden ebenso wie die Prophezeiungen Serafims in immer neuen Ausgaben verbreitet. Wie zur Zeit ihrer Entstehung um die Wende zum 20. Jahrhundert befriedigen diese Schriften auch heute durch ihre eschatologischen Deutungen und Prognosen das Bedürfnis nach Sinnstiftung und Orientierung. Undurchschaubare Verhältnisse und anonyme Strukturen werden personifiziert zu anschaulichen, greifbaren Subjekten des Heils und des Verderbens: Der „Feind" - das sind die satanischen Agenten einer weltumspannenden Verschwörung, das ist der gut getarnte und verführerische Antichrist, den es zu entlarven und zu überwinden gilt. Gemeinsam ist allen diesen Werken, dass sie die Wirklichkeit radikal vereinfachen, indem sie sie auf ein endliches und damit überschaubares Schema reduzieren; gerade dadurch aber erweisen sie sich als Fiktion.

scheinen, doch verweigerte die NS-Zensurbehörde die Druckgenehmigung mit der Begründung, Nilus' „umfangreiche Ausführungen ... über religiöse Fragen" passten nicht „zur heutigen Weltanschauung". Zuvor hatte bereits der Zentralverlag der NSDAP eine Veröffentlichung abgelehnt. Das Typoskript der Übersetzung und ein Geisterexemplar befinden sich mit der dazugehörigen Korrespondenz im Freyenwald-Archiv der Wiener Library, Tel Aviv. 55 Zu den weitverbreiteten Antichrist- und Endzeiterwartungen im postsowjetischen Russland siehe Elena Levkievskaja: Russkaja ideja ν kontekste istoriceskich mifologiceskich modelej i mechanizmy ich obrazovanija, in: Sovremennaja rossijskaja mifologija, hg. von Marija Achmetova, Moskva 2005, S. 175-206; Marija Achmetova: Ozidanie konca sveta ν religioznych subkul'turach postsovetskoj Rossii, in: ebd., S. 207-238; Vardan Bagdasaijan: Apokalipsis - segodnja: èschatologiceskie poiski ν sovremennoj Rossii, in: Éschatologiceskij sbornik (s. Anrn. 9), S. 435-453.

Namen- und Sachverzeichnis

Abaelard 95 Abbasiden, abbasidisch, al-Abbas ("Abbäsids, Abbasid) XVI, 51, 53, 101103, 105-115 'Abd al-Malik b. Marwän, UmayyadenKalif (685-705) 22 'Abd al-Rahmän ibn al-Sabbägh 57 Abdarrahman I., Emir von Córdoba 115 Abdarrahman II., Emir von Córdoba 115 Abendland, christlich-lateinisches siehe Christentum, lateinisches Abraham 173 Abü Isä (Obadyä) al-Isfahânï 20 Abu Bakr, erster Kalif 101,113 Abu Dja'far, abbasidischer Kalif 112f. Abu Harb 111 Abu Hashim, Enkel des vierten Kalifen Ali 112 Abu 'l-Faradj (gest. 967) 108, 115 Abu Ί-Qäsim 'Umar al-Marâghï 56 Abu 'l-Qasim Muhammad ibn Abdallah 101, 113f. Abu Ί-Qasim Muhammad ibn al-Hanafiya, Sohn von Kalif Ali 102f. Abü Mansür Nizär al-'AzIz bi'lläh, fatimidischer Kalif 54,104,108,110114 Abu Muhammad Ziyad 110 AbuRakwa 115 Abu Sufyan, Vater Mu'awiyas 107 Abü Yüsuf Ya'qüb (580/1184-595/1199) 59 Adam 34, 154 Adria 136, 138 Adso von Montier-en-Der (gest. 992) VIII, 12, 82, 93, 96, 98, 105, 126,

129f., 132, 149, 159, 162, 167, 173, 179-182, 198, 267 Adversus-Judaeos-Literatur 19f., 20, 148, 158 Afghanistan 106 'Afîf al-DTn al-Tilimsäni (gest. 690/1291) 41-44, 55-59, 60f. Afrika, afrikanisch; Ifrïqiya (Africa, African) 19,41, 51f„ 81, 94, 106, 122,208, 227 Agdistis 28,30 Ägypten, Ägypter, ägyptisch (Egypt, Egyptian) 15, 19, 35, 41, 50f., 54, 59,81,94, 97 lOOf., 106-108, 111, 114f., 117f., 126f., 138, 144, 151, 208, 228, 232 Aimerich, Patriarch von Jerusalem 86 Akkon 17, 128 al-Mu'izz 54 al-Andalus 40, 114 al-Aqsä-Moschee 20 Albert von Aachen 71, 77, 80, 91 Albert von Stade 155 Albertus Magnus 228 al-Bukhari, muslimischer Traditionsgelehrter (gest. 870) 105, 108 Aleppo 89,100,111 Alexander der Große, Alexanderlied (Alessandro Magno) 10f., 97, 147, 172, 177, 198 Alexandria 83,115,141,144 al-Färäbl 40 al-Ghazäll (gest. 1111) 40, 48, 58, 105, 115 al-Hakim, Kalif 148 al-Halläj 52f. al-Hasa 51

278 Ali (Aliden) 112-114 Ali ibn Abdallah 11 'Ali ibn Muhammad 51 f. Ali, Kalif (gest. 661) 102,112 al-Ma'mün (624/1227-630/1232) 59 al-Mahdîya 112 al-Mansur siehe Abü Mansür Nizär alΆζϊζ bi'lläh al-Mas'udi (gest. 956) 114 Almohaden (Alomohads) XVI, 59, 106, 131 al-Mubarqa 111 al-Munâwï (952/1545-1031/1621) 56 al-Qädisiyya 41 al-Qantara 114 al-Qushayri 40,44 Altes Testament, alttestamentarisch (vetus testamentum) 73, 76, 83, 85, 88,97,120,126, 139-142, 146, 155f., 173, 179f., 180, 187, 227 Alvarus von Cordoba 121 Amazonen, Amazonien 172 Amoräer 34 Amulo, Erzbischof (gest. 852) 36 Anarchie, Anarchist, anarchisch 245, 257, 266f. Anatolien 28 Andalusien, andalusisch (Andalusia, Andalusian) XI, XVI, 3 9 ^ 1 , 52, 54f„ 100 Andreas von Brod 161 Andreas, byzantinischer Erzbischof von Bari 138 Andreas, Hl. 79 Anselm von Havelberg 94 Antichrist (anticristo), Entkrist, Widerchrist passim Antichristspiel 180, 182, 184-187, 189-191, 193-195 Antijudaismus, antijüdisch 27, 130, 138, 141, 143-146, 148, 180f., 183, 187, 197, 201, 204, 216, 263, 265f., 268f. Anti-Messias 22, 37, 197 Antiochia 16, 84, 88f„ 124, 131 Antiochus, Dux 144

Namen- und Sachverzeichnis Antisemitismus 197, 269 Aphrodite 30f., 242 Apokalypse, Apokalyptik, apokalyptisch X-XVI, 1-^1, 6-8, 10-13, 16f., 19f., 20, 22-26, 31 f., 39f., 45-50, 54, 5 6 59, 69f., 70-82, 84, 91-98, 199, 120, 122f., 126f., 130-133, 137, 139, 141146, 149,153-169, 171, 173, 177181, 184, 187, 189, 194f., 197-203, 207, 208-212, 216, 219, 221f„ 225230, 232, 253, 256, 258-260, 263, 266,268,271,273-275 siehe auch Johannesoffenbarung; Apocalypsis S. Johannis cum glossis et Vita S. Johannis (apocalypse, apocalyptic, apocalisse, apocalittico) Apokryphen, apokryph (apocrifi) 4, 7, 12, 97, 141, 179, 271,273 Apollonius, Magier 264 Apostel (apostoli) 9, 20, 82, 86, 88, 129, 139, 145,172, 244,269, 272 Aquila 145, 146, 166, 167 Arabien, Araber, arabisch (Arabia, Arab, Arabic, arabo) Χ, 8, 11, 18-22, 43, 52, 71, 84, 86f„ 90, 103f., 107f., 110, 144, 148 Aramäer, aramäisch 23 f. Arius, Arianer, arianisch (ariano) Χ, 2, 9, 122f., 131 Armenien, Armenier, armenisch XVI, 21 Armilos Xf., 15,23-32 Arnald von Villanova IX, 166 Arnobius der Jüngere (Arnobio il Giovane) 2 Arnobius der Ältere von Sicca 28f., 35 Arnost von Pardubice, Erzbischof von Prag 162 Arnulf, Patriarch von Jerusalem 86 Arsakios, Oberpriester Galatiens 31 Aschkenasen siehe Juden ash-Shafri (gest. 820) 105 Asien, Asiaten, asiatisch 15, 157, 198, 257 Askalon 85 as-Suyuti (gest. 1505) 105

Namen- und Sachverzeichnis Athanasios von Alexandria, Kirchenvater 144 Atheismus 238, 257 Äthiopien (etiopico) XVI, 7f., 81, 94, 228 Augsburg 203,205,21 Of.,214 Augustinus, Kirchenvater 28, 76, 92, 231 Avicenna siehe Ibn Sina Awaren 15,27 Ayyubiden (Ayyubids) XII, 51,117

279

Besançon 153, 184 Bethsaida 97f. Bibel, biblisch (Bible, Biblical, Bibbia, biblico) Xf., 5, 9f„ 48, 70, 72-74, 82, 88, 93f., 97f„ 127, 137, 139, 141f„ 144, 146, 164, 167, 169, 171-173, 177-179, 192, 200,210, 221, 223, 225-227, 233, 244, 264f, 267 Bilderstreit, byzantinischer VIII Bileam 24,271 Bismarck, Otto von 237 Bodin, Jean 220 Babylon, babylonisch (babilonese) 1, 36, Böhmen XIII, 159-178 Bon, Daniel Jakob 206 85, 94, 97f., 125f., 129, 131, 150f„ „böser Feind" 219,229 167, 179, 182f., 199, 256, 267 Brandenburg XIII, 160, 173 babylonisches Exil 23 Brethren of Purity 52 babylonius canis 125-127 Briefe des Johannes siehe JohannesBader, Augustin 210-216 briefe Bader, Sabina 211 Bulgakov, Sergij 269 Badr (624) 46,65,109 Bulgarien 78-80,86 Bagdad (Baghdad) 41,51-53,55, 99, Byzanz, byzantinisch(es Reich, bizantino) 109,111, 113 VIII, Xf., 1, 3, 10-12, 15, 17-20, 99, Bahrayn 51,53 115, 135-145 Baidawi (gest. 1286 oder später) 104 Baldric von Bourgueil 71 Balduin von Canterbury, Erzbischof 99 Caesarea 19 Balduin II., König von Jerusalem 87, 89 Caffaro, Genueser Patrizier 70f. Bale, John 191 Caligula, römischer Kaiser (Caligola) 7 Bar Kochba 205 Calvinismus, Calvinist, calvinistisch Basel 203 221, 227f. Cardano, Girolamo 221, 228 Basilicata 138 Celsus 35 Basra 52f., 108 Cerberus 128 Bauernkrieg 223 Bayern, bayerisch 219,225 Chiliasmus, chiliastisch 75, 150,213 Beelzebub 73,77 Chomeini/Khomeini/Khumaini, RuholBeirut 116 lah, schiitischer Ajatollah 106 Belial/Beliar 24, 77, 86f„ 89, 97, 198 Christentum, griechisches XVI, 87, 89, Benjamin von Tudela 139 91, 135-141, 181,261 Benzo von Alba 95 Christentum, lateinisches, christliches Berber, Berberreich, Berberstamm XI, Abendland (Latin Christianity etc.) 39, 59, 131 X-XVII, 16, 23-25, 28-34, 37, 57, Berdjaev, Nikolaj, Philosoph 266,269 69f., 72, 74-77, 80-92, 96, 98-107, Berengar von Tours 94 110,116-120, 124f„ 127-130, 133, Bernhard von Clairvaux 95, 98, 183, 137-159, 163, 166, 179-181, 183, 184 186-192, 197-217, 235-252, 256f., Berthar von Orléans 120, 123 259, 261,267, 269, 271f.

280 Christentum, orientalisches (cristianesimo orientale) Χ, XVI, 1, 15-22, 27, 30,35, 81, 86f., 89,91, 122, 181 Christus (Christ, Cristo) siehe Jesus Christus Chronik, Chronist Xlf., 20, 30, 69-72, 76-98, 117f., 120, 124, 126, 130f., 142, 147, 155, 165f., 208f., 214 Cîteaux 153 Clemens III., Gegenpapst (Wibert von Ravenna) 80,85 Clemens VIII., Papst 73 Clermont, Konzil von (1095) 80f„ 87, 92 Cluny 104,122,153 Coelestin IV., Papst 157 Commodian (Commodiano) 2, 8 Constantius 130f. Cordoba 121 Cornelius Agrippa 228 Cranach, Lucas 191f. Cyprian von Karthago (Cipriano) 2

Namen- und Sachverzeichnis Diktatur 257f., 264, 272 Dionysos 236 Dogma, Dogmatik, Dogmatisierung, dogmatisch 94, 145, 237,239,247, 251 f. Dominikaner 229 Dostoevskij, Fedor 245, 265 Drachenhaupt 130-133 Drei Könige, Hl. 147, 149, 157f. Dualismus, dualistisch XIII, 77, 125, 145, 180, 185, 190, 194, 260 Düsseldorf 222

Edom XI, 15, 19, 24, 31f„ 151, 199 Eichstätt 219 Eisleben 223 Ekkehard von Aura 71 Elias/Helias, Prophet 5, 8, 169, 177, 179, 183, 187, 221,228 Ellwangen 119 Endkaiser XV, 23,34,102,104,107, 116, 166, 193 Endzeit (tempi finali), Endzeiterwartung(en), Endzeitvorstellung(en), endzeitlich VII, X-XII, XIV, 2, 6-8, 13, Dadjdjal/Dajjäl XI, 49, 99-102, 10431, 74-76, 81 f., 85, 90, 92, 94f„ 97, 107, 109, 113, 116 100-103, 116, 118-120, 123, 130, Damaskus 16, 89, 100, 103, 109, 111, 142, 144, 147, 149, 150-158, 162f„ 145 165, 177-180, 184-186, 189, 191Daniel (Daniele), proph. Buch 3-6, 10194, 197-202, 206, 208, 210-213, 12, 22, 85, 94, 133, 141f., 144, 167, 216f., 220f., 227, 230, 232-235, 263, 226f. 271,274 Darwin, Charles 257 David, König 129, 147f., 209, 257, 263, Engel 35, 78f., 171, 173, 177, 179, 228 265 Engels, Friedrich 260 England, Engländer, englisch (English) David II., König von Georgien 89 43, 62, 99, 118, 123f„ 128-132, 147, Davidstern 263 155,191 Decius, römischer Kaiser 8 Delrio, Martin, SJ 224 Enoch/Henoch, Prophet 5, 169, 177, Deutschland, Deutscher, deutsch XVI, 179, 183, 187, 221,228 76, 95, 171f., 177, 182, 184, 191, 193, Entkrist siehe Antichrist 199-216, 220, 223, 230, 236, 258, 260 Erlöser, Erlösung 21, 27, 30, 34f., 146, Dhahabï, syrischer Gelehrter (673/1274— 179, 188f„ 197, 199f„ 202, 205-208, 216, 236, 242, 244, 248-251, 257, 748/1348) 54f. 259f„ 267 Dialektik, dialektisch XIV, 235, 237, Eros 242 252 Dietrich Holzschuh 150 Erzbischof von Köln 157 Dihya ibn Mus'ab, Marwanide 111 Erzbischof von Mainz 129,157

Namen- und Sachverzeichnis Esaù 32 Eschatologie, eschatologisch (eschatology, eschatological, escatologico) VII-XVI, 1-6, 8, 11-13,22, 39, 46, 48, 50, 56, 70, 73-80, 82, 84-86, 8998, 107, 120, 123, 127f„ 130, 136, 145,148,150, 153, 155-170, 173, 177-180, 184f„ 197, 202, 205, 212f„ 231, 233, 235f., 247, 260, 263, 267, 269, 271 f., 275 Esra, Prophet (Apocalisse di Esdra) 7, 23 Esther, bibl. Buch 156 Ethnographie XIII, 204f. Ethos 241 Eulogius von Cordoba (gest. 859) 121 Euphrat 126 Europa, europäisch XII-XVI, 28, 69f., 75, 98, 106f„ 143, 166, 171, 197, 201, 206, 208f.,212f.,224, 256 Eusebios 94 Eutychios von Alexandrien/Sa'id ibn Batriq (876/77-940) 17 Eva 34 Evangelium (vangelo), evangelisch lf., 5,20,74,81,88, 98, 129, 149, 169, 227,229, 235, 244, 246f„ 249-251 Exil 23, 106, 15lf. Ezechiel, proph. Buch 94, 166

281 Frankfurt an der Oder XIII, 171-177, 199 Frankreich, Franzose, französisch 80, 82,91,133,151,182-184, 266-268 Franziskaner XV, 146, 229 Freimaurer, Freimaurerei, freimaurerisch 256f., 263-267 Frieden, friedlich XV, 15, 18, 34, 86f., 104, 113,118, 137, 143,145,149, 164, 192, 209, 229, 246, 256, 258f., 264-269 Friedrich II., Kaiser XV, 135, 136,146, 153,158, 181 Friedrich III. 116 Friedrich, „falscher" 150 Fulcher von Chartres 70f., 77, 80, 82, 85,91,95,97, 126 Fünfzehn Zeichen vom Jüngsten Gericht 171, 178 Fustat 111,114

Gans, David 209 Gaza 142 Gematrie 151 Genesis, bibl. Buch 34, 227 Genezareth, See 114 Gengenbach, Pamphilius 203 Genie 245,246,266 Georgios Bardanes 136,138 Georgios Pisides (ca. 580 - ca. 635) 26 Georgios Synkellos (gest. 810) 27 Faiyum (1006) 115 Fastnacht, Fastnachtsspiel, fastnächtlich Gerhoh von Reichersberg 94 Gesalbter, gesalbt 20, 236, 243,272 181-190 Fatima, Tochter Mohammeds 102, 112 Gesta Treverorum 147,150,153,156158 Fatimiden, fatimidisch (Fatimids) 51, Gioia del Colle 135-137, 140, 143 53-55, 58f., 105f., 126 giudei siehe Juden Fedotov, Georgij 261,264, 266 Glaubenskampf XIII, 124, 180, 219, Felsendom 22, 90f. 222, 225, 233 Ferdinand I., Kaiser 213f. Goebbels, Joseph 260 Feuerbach, Anselm 240 Gog und Magog XI, 58, 73, 97, 101, Filastin 114 131,150, 172, 198 filius perditionis (figlio della perdizione) 2, 7-13, 73, 77, 81, 86, 125, 127, 129, Goj, Gojim 24,30,203 Goldenes Tor (Veitsdom, Prag) 162 130 Golgotha 164 Folz, Hans XIII, 186f., 201 f. Goten, gotisch (Goti) 6, 265 Frankfurt am Main VII, 152, 205

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Namen- und Sachverzeichnis

Hebron 19 Hedschra (622) 154 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 237, 240f. Heide, Heidentum, heidnisch XII, 24, 28, 32, 35, 76, 81f„ 88, 95, 117, 120, 122, 124-133, 149, 181, 183f.,202, 250 Heiland siehe Messias Heilige Stadt siehe Jerusalem Heiliges Kreuz, Kreuz Christi, Wahres Kreuz 16, 18, 20, 27, 85, 104, 119f., 125, 128, 163f., 235, 237, 248-251 Heiliges Land siehe Palästina Heilsgeschichte, heilsgeschichtlich 22, 96, 98, 122, 129, 139, 146, 159, 163, 165, 180, 188-190, 195, 227, 229, 232, 258-260, 268, 272f. Heinrich II., König von England 118, 124 Heinrich VI., Kaiser 128f. Heinrich Kramer (Institoris) 232 Heinrich von Hesler 177 Helios 31 Herakleios/Heraclius, Kaiser (610-641) 17f.,26f„ 86, 144 Heraklius, Patriarch von Jerusalem 118 Heredes 128, 130f. Herrad von Landsberg 172,177 Hexe Xlllf., 229-234 Hieronymus, Kirchenvater 85, 94, 149 Habsburger 256 Hilarius von Poitiers 122 Häjjl Khalïfa (1017/1609-1067/1657) Hildegard von Bingen 162 41 Himmel, Himmelreich, himmlisch (heaven) 47, 60, 65, 75, 84, 97f„ ha-Kohen, Josef 208 lOOf., 104, 109, 117, 142, 163-165, ha-Lewi, Abraham 211 168-173, 177, 191, 193, 207, 222, Haller, Karl Ludwig von 267 224, 228, 247f., 250f., 259 Häresie, Häretiker, häretisch (eresia, eresiologi«)) Χ, XVII, If., lOf, 83, 122, Hims, Himyariten 103, 108 Hippolyt/Hippolytos von Rom (Ippolito) 131, 184 (ca. 170-235) X, 1-7, 10, 13, 33f., Harun ar-Rashid 111 37 Hasan al-Sadr (1856-1935) 55 Haydlauf, Sebastian 225 Hisham II., spanischer Umaiyade 115 Hebräisch, Hebräer (ebraico, hebraicae) Hitler, Adolf 272 XIII, 7, 23f., 30, 138, 15If., 152, 156, Hölle, höllisch 75, 150, 177, 184, 188f„ 197, 204, 207, 209,215,269 194, 242 Gott, Götter, göttlich, widergöttlich, gottesfürchtig (God) VII, XVI, 19, 21f„ 24f., 28-32, 35, 39, 42, 44-50, 54, 56-66, 70-76, 83, 85, 89, 100109, 113, 118-132, 139, 142f., 149, 152, 156f., 161, 172, 181, 187-190, 193, 202f„ 209, 214, 219, 221, 224, 228-230, 237-260, 265-273 Götzen, Götzenbild, Götzendienst 25f., 28, 3Of., 78, 90f. Gougenot des Mousseaux, Henri-Roger 266 Grabeskirche 16, 18, 148 Graminaeus, Theodorus/Dietrich 220234 Gregentios von Taphar 145 Gregor der Große, Papst (gest. 604) 154 Gregor VII., Papst 95 Gregor VIII., Papst 119,125 Gregor IX., Papst 137, 153, 157, 181 Griechenland, Griechen, Griechentum, griechisch (greco) Xlf., XVI, 2f., 7 13, 19, 23, 87, 89, 91, 105, 120, 135141, 145, 182, 236f., 240, 245, 252, 272 Guibert von Nogent XI, 71, 77f., 8083, 92, 94 Guido von Lusignan, König von Jerusalem 128 Günzburg 214,216

Namen- und Sachverzeichnis Honorius Augustodunensis 94 Hugo von St. Viktor 94 Hugo Ripelin von Straßburg 169, 177 Humbert von Silva Candida 95 Hure Babylon 127, 256f„ 267 Husain, Sohn von Kalif Ali (gest. 680) 102 Hussiten XIII, 161 Hypatios von Ephesos, Bischof 26

283 Israel, Israeliten, israelisch 139f., 202, 257,268f. Israel, Volk, Erez Israel 17, 19,24, 26, 31,33,81, 127, 141-143, 145, 151, 268f., 272f. Italien, italienisch (Süditalien) XII, XVI, 85, 135-139, 143, 146, 165,207f.

Ja far al Sädiq 51 Jabal Amil 55 Jakob, Erzvater 34, 141 Iberische Halbinsel, Spanien XVII Jakob von Edessa (633-708) 3 2-35, 37 Ibn 'Arabi (gest. 1240) 39-43, 53-58 Jakob von Sarug (Giacomo di Sarug) Ibn al-Hadjdjadi, muslimischer Traditi10 onsgelehrter (gest. 875) 104, 108 Jakob von Vitry 148,154 Ibn Asakir (gest. 1176) 115 Jakob ben Ruben 139 ibn Jachja, Gedalja 208 Jakobe von Baden 222 Ibn Khaldün XI, 39^11, 52f„ 55, 57, 59 Jakobellus von Mies 167 Ibn Qasi (gest. 1151) 106 Jan Milic von Kremsier 166f., 169, 178 Ibn Sabin (614/1217-664/1270) 43, 53 Jansen Enikel (gest. nach 1302) 30 IbnSïnâ 40 Jemen/Yemen 51 Ibn Taymiyya (gest. 728/1328) 55, 57 Jenseits 243,251 Ibn Tümart 59,131 Jeremía, Prophet 152 Idiot 236, 245f. Jerusalem, Heilige Stadt X, 16-20, 22, 69, 80, 84, 86f„ 97, 99f., 102, 109, Imam, Imamat; zwölfter 46f., 49, 51, 53, 117-132, 139f., 144, 148f., 164-166, 104, 106f. 169-172, 179, 182, 198, 208, 227f„ Indien, indisch 106, 148,244 256, 268f. siehe auch Tempel, GolInnozenz III., Papst (1198-1216) 135, gotha, Ölberg, Hl. Grab 154,158 Jerusalem, Himmlisches (auch Neues Innsbruck 214 Jerusalem) 97, 126, 163, 165, 267 Investiturstreit VIII, 91,94-96 Irak, irakisch (Iraq, Iraqi) XI, XVI, 41, Jesaja 97 50-55, 97 Jesuiten 219,224,228 Iran, iranisch 20, 51, 103, 106 Jesus Christus, Jesus von Nazaret (Jesus Irenäus von Lyon (Ireneo) (ca. 135-202) Christ, Gesù Cristo, Isa) XII, XIV, X, 1-3,5, 13,33, 37, 261,267 If., 4, 6, 20, 32-37, 47^19, 59, 65, Isa siehe Jesus 73, 85, 88, 100-105, 113, 116, 140, Isaak 100 142,197, 202, 204, 235-238, 243Isaak Abravanel 211 257,267, 270 Islam, islamisch (islamic) siehe Muslime Joachim von Fiore (gest. 1202), joachiIslamische Expansion VIII, 19, 123, tisch XII, XlVf., 128, 130-133, 140, 144. 143, 146, 154-156, 166f.,223 Johannes der Täufer (Giovanni il Battista) Ismail ibn Sawdakin (gest. 640/1242) 5, 133 43 Johannes Chrysostomos/von Antiochia Ismaeliten (Ismailis) 51-55, 120, 157, (Giovanni Crisostomo) 6 214

284

Namen- und Sachverzeichnis

Kaspisches Gebirge, Kaspische Berge 147, 172 Katechon 6, 81, 92, 271 f. Katharina, Hl. 163f. Katholizismus, Katholik, katholisch XHIf, 75, 135, 161, 181, 192f, 219229, 248,266f. Kaukasus 28-30 Ketzer siehe Häresie Khalid ibn Yazid (gest. 704) 108f, 115 Khorasan 94,97,108,113 Kirchenvater 94, 141, 144f, 149, 154, 158,227 Kirchmaier, Thomas, gen. Naogeorgus XIII, 191 Kleinasien 15 Köln 147, 149, 157, 199, 221f. König von Babylon (Rex Babylonis) 85, 94, 126, 182f. Konrad I , Erzbischof von Mainz 129 Konrad III. 87,184 Konstantinopel (Fall 1453) XVI 15, 18, 24, 100, 102, 104, 110, 137,212, 256 Konvertit, Konversion, konvertiert (Converso) XII, 19, 122, 138, 143, 145f, 204,206-209, 223 Koran, koranisch (Qur an) 20 46-48, 56, 58, 88, 103f., 106, 108, 122 Korfii 138 Kreuzfahrer 17,69,71,78,83-87,91, 118,125 Kreuzfahrerstaaten siehe Palästina Kreuzzug/-züge VIII, X l f , 69-72, 7578, 82f, 85, 91-93, 95-97, 119, 122130, 132, 137f, 148, 152, 183f. Kaaba 51 Ktesiphon 16-18 Kairo 85, 2, 126f. Kufa 100, 108f. Kalender, jüdischer 147f., 150-157 Kunigunde, böhmische Prinzessin und Kalif, Kalifat (Caliph, Caliphate) 19-22, Äbtin 162 53f„ 59, 101-115, 126, 148 Kurie, päpstliche 124f, 135, 137 Kant, Immanuel 245 „Kurze Erzählung vom Antichrist" Karl der Große XV 256f. Karl IV, Kaiser 160, 162, 164-166, 173, Kybele, Magna Mater 28-31 177f. Kyrill von Jerusalem (Cirillo di GerusaKarl V., Kaiser 214f.,230 lemme) 3f. Karlstein, Burg 162-166, 173, 177f. Johannes Pinus 95 Johannes von Damaskus (Giovanni Damasceno) 11,123,145 Johannes von Jenstejn, Erzbischof von Prag 161 Johannes von Marignola, OFM 165f. Johannes von Rupescissa, OFM XV, 167 Johannes von Sacrobosco 222 Johannes von Würzburg 98 Johannesbriefe (epistole giovannee) X, lf., 73, 96, 127, 197, 235 Johannesoffenbarung (Book of Revelation, Apocalisse di Giovanni) XI, 1 10, 33, 37, 47f., 54, 69, 70, 73f., 82, 94, 121, 126f„ 130, 153, 164, 171, 198, 226f., 235, 258f. Johanniter 86, 124 Jordan, Fluss 114f, 118, 124 Judas Iskariot 73, 128, 270 Jude/-n, Judentumjüdisch, Aschkenasen, aschkenasisch, Sefarden, sefardisch (Jew, Giudei) X-XVII, 1 ^ , 6, 8f., 13, 15-37, 57, 73f., 81, 100, 103f., 120, 130f., 138-158, 167f., 172, 177, 179-183, 186f., 189, 195-217, 224, 227, 236, 243f., 247-250, 255-274 Judith, bibl. Buch 156 Julian Apostata, Kaiser 31, 88, 192f. Julian von Atramytion 26 Julius Aronius 156 Jüngstes Gericht, Weltgericht 75, lOlf., 162, 171, 173, 178-180, 184, 189f., 210, 224, 229, 232, 250, 257, 259

Namen- und Sachverzeichnis

Lactantius (Lattanzio) 2 Lambert von St. Omer, Liber Floridus 265 Leber, Oswald 211 Leont'ev, Konstantin, Philosoph 267 Leopold V. von Österreich, Herzog 128f. Lessing, Gotthold Ephraim XII, 117 Leviathan 73, 77 Libanios (314 - nach 393) 31 Libanon (Lebanon) 55 Libyen 228 Liegnitz (1241) 147 Liturgie, liturgisch 16, 136, 152, 159 Losev, Aleksej 269 Lucifero di Cagliari 2 Lucius III., Papst (1181-1185) 118f. Ludus de Antichristo IX, XIII, 182f., 195 Ludwig IV., der Bayer XV, 177 Lukasevangelium 73, 129 Luther, Martin XIV-XVI, 181, 190, 193,202,210, 213, 221, 223, 225229,249, 271 Lutherismus, Luthertum, Lutheraner, lutherisch 190, 219-225, 229, 233 Luxemburger, Luxemburg, luxemburgisch XIII, 159f„ 162, 165, 173, 178 Luzifer 77,79,91 Lyotard, Jean-François 260

285

Margaritha, Antonius 204f. Maria, Hl. Jungfrau, Mutter Gottes, Theotokos, auch Miryam (Mary) 25-27, 35f„ 246, 267 Marienkirche siehe Frankfurt an der Oder Markusevangelium 137 Marwan I., Kalif 108 Marwan II., Kalif 111 Marx, Karl 257,260 Matthaeus Parisiensis, englischer Chronist 147-150, 154, 156, 158 Matthäusevangelium 87f., 120, 149 Matthias von Janov 167 Maurikios 15 Mawäqif 39,41^16,54,56,61 Maximus Confessor 123 Medina lOOf., 109, 114 Mekka (Mecca) 42,46, 48f„ 65, 99f., 102, 107, 109, 114f. Melsemutus 130f. Ménestrel de Reims (um 1260) 133 Menius, Justus 191 Mesopotamien, mesopotamisch, Zweistromland 18f., 108, 126f. Messias ben Joseph, Nehemyä ben Husïël 24 Messias, falscher (falso messia) If., 8, 11, 100, 104, 186f., 198,205 Messias, messianisch; Messianismus; auch Heiland, jüdischer Messias, Pseudomessias (Messiah, messianic) Macarius Magnes (Macario di Magnesia) VII, XI-XIII, If., 8f„ 11, 17, 20-22, 2 24-26, 31-34, 37, 39, 46-50, 54-56, Maghreb XI, XVI, 40 77, 99, 104, 112, 130, 140-153, Magog siehe Gog 156f., 169, 172, 179, 181, 183, 186f„ Mahdawis 106 195, 197-217, 250, 257, 262, 266Mahdi, Mahdismus (Mahdism) XI, 39272 67, 99-116, 131 Messina 130, 155 Maistre, Joseph de 267 Metaphysik 240,252 Makkabäer 98 Meysenbug, Malwida von 236 Manuel I., byzantinischer Kaiser 99 Michael, Erzengel 24, 169, 173, 177, Manuel, Nikiaus 190,192 179, 228 Marbacher Annalen 99,147-150,156, Midrasch, Midraschim 25,31,33,36 158 miles christi 129 Marcion/Markion 2, 9 Milleniarismus, Millennium 156 Mardj Rahit (684) 103

286 Mittelmeer, Mittelmeerraum (Mediterranean) X, 15,39,41 Mohammed, Muhammad 19-21, 40f., 46,49-51,60,'83, 86,90-92,96, 101107, 112, 130f„ 144, 154 Molcho, Salomo 208f., 211,215 Mongolen XII, 147f., 150, 153f., 157f., 256 Monotheismus, monotheistisch (monotheism) Vllf., XVI, 22, 43, 120 Moral, moralisch (moral, morale) Χ, 3, 49, 77f., 86f., 92, 96, 98, 105, 118, 127, 143, 206, 240-243, 246, 250f., 257 Moses 145 Mu'awiya, fünfter Kalif 107 Mudjaddid 105 Muhammad ibn 'Abd al-Jabbär ibn alHasan al-Niffan XI, 39, 41-59, 61 Muhsin al-Amïn (1867-1952) 55 Mukhtära 52 Muqtadä al-Sadr 55 Murcia 39, 43 Murtadä al-Zabïdï (1145/1732-1205/ 1791) 54 Mus'ab ibn Abdallah (gest. 851) 108, 115 Muslime/Moslems, Islam, islamisch/muslimisch, islamische Welt (Muslim, Islamic) VIII, XI, XIV, XVI, XVII, 18-23, 39-41, 45-51, 58f., 69-124, 131, 148, 154, 208,212 Mythologie, mythologisch XIII, 163, 166, 178, 180 Mythos, mythisch 70, 72, 117, 144, 180f., 184f., 189f., 240, 259f. Naqshbandiyya, Sufí-Orden 54 Nebukadnezar, König 85, 98 Nero, römischer Kaiser 130f. Nestorianismus, Nestorianer (Nestoriani) 9,18 Neues Testament (Nuovo Testamento) X, XIV, 1,5,9, 32,35,73,75, 97, 126, 142, 155, 173, 179, 227, 272

Namen- und Sachverzeichnis Nicaea, Nizäa 84 Nietzsche, Friedrich XIV, 235-253, 257 Nikolaos-Nektarios, Abt von Casóle XII, 135-146 Nikolaus von Pilgram 167 Nikolaus Wurmser von Straßburg 164, 173 Nilus, Sergej (1862-1929) XIV, 255, 261-264, 270-275 Nippur 41 Noah 173 Nördlingen 214 Normannen, normannisch 135f. Nu'aim ibn Hammad (gest. 842/843) 105, 108f., 114f. Nubien 19 Nuraddin 100 Nürnberg 178, 186 Nusayriyya 55 Ochrana, zarische Geheimpolizei 265 Odo von Deuil 71 Offenbarung des Johannes siehe Johannesoffenbarung Ölberg 20,81,164,169 Oppido Lucano 138 Oria 136, 139 Orígenes (Origene) (ca. 185-253/254) Χ, 3, 35f., 141 Orvieto 265 Osbern 71 Osmanisches Reich 212 Ostjordanland siehe Palästina Otranto XII, XVI, 135f., 138-140 Otto von Freising 95 Palästina (Heiliges Land, Kreuzfahrerstaaten, Ostjordanland) XI, 16, 18, 36, 69f., 77,81-84, 97, 104, 111, 114, 116, 124, 127-130, 132, 141 Palatin 29 Pammachius XIII, 191-194 Pansofij, Mönch 264 Panthera, Pandera 35f. Papiskos 114

Namen- und Sachverzeichnis Papsttum XV, 116, 190-194 Paracelsus 228 Paradies (Paradise) 48,256, 267 Paris 152,256,262,267 Paschasius Radbertus, Abt von Corbie 120f. Paulus (Paolo), Apostel (2 Thess) XIV, 6, 89, 97, 105, 139, 145, 191-193, 244, 251 f., 269, 27lf. Pentateuch 151 Persien, Perser, persisch, Perserreich (Persia, Persian) 15-19,22,28, 31, 52,103, 126 Peter Binsfeld 230f. Peter Comestor 177,198 Peter Tudebodus 77f. Peter von Blois (ca. 1130/35-1211/12) XII, 123-130 Petrus, Apostel 191f. Petrus Venerabiiis, Abt von Cluny (gest. 1156) 104, 122f. Peutinger, Konrad 214 Pfefferkorn, Johannes 207 Philipp, Herzog von Burgund, Sohn von Kaiser Maximilian 201 Philister 120 Philo von Alexandria 141 Philon 144 Philostorgios (Filostorgio) 6 Phokas, Kaiser 15, 26 phrygisch 28f. Pilger 83, 85f„ 115, 128f., 139, 188f. Piraten 115 Pires, Diogo 208 Pogrom 152 Polykarp von Smyrna (Policarpo di Smirna) 2 Polytheismus 90,240 Portugal 208 Potenza 138 Prag (auch Karls-Universität) XIII, 161f., 166f., 169, 178, 209,213f. Praxiteles (4. Jh. v. Chr.) 30 Prodromus (Vorläufer) 133,223, 225f., 229-233 Prophet, falscher X, 19, 73, 96, 179

287 Prophet, Prophetie, Prophezeiung (prophet, prophecy) X-XII, XVf., 18-24, 39f., 47,49-56, 65-67,73, 81, 83, 86, 88,90,93-98,101-107, 112f„ 121,132f, 137, 139-141, 151f„ 154156, 159, 161, 165-167, 172f., 177179, 183, 186f., 194, 208,211,220, 224,226, 231, 255-261, 266-268, 273, 275 Protestantismus, Protestant, protestantisch 181, 221, 223, 225f., 232f„ 235, 239, 249, 269 Protokolle der Weisen von Zion XIV, 255,257,262, 274 Provence, provenzalisch 91 Pseudo-Hippolyt (pseudo Ippolito) 4f., 7, 12 Pseudo-Methodius/Pseudo-Methodios (Pseudo-Metodio) 1 lf., 22, 32-34, 37, 93, 102, 120, 140, 198f. Pseudo-Sebëo 21 Psychologie XIV, 244, 247, 252 Pyrenäen 121 Qädiriyya, Sufi-Orden 54 Qädisiya (636) 18 Qahtani 103f. QiliqArslan 84 Quodvultdeus, Bischof (ca. 385-ca. 453) 29f. Qutb al-Dïn al-Yûnïnï (gest. 726/1326) 55 Rab Hämä b. Hanmä 33 Rabbiner, rabbinisch 7, 24, 33, 35, 150f., 201, 207, 209 Radulf von Caen 78,90-92 Raimund von Saint-Gilles 79 Raimund von Aguilers 69, 77, 79, 91 Rainald von Châtillon XII, 86, 124f., 127 Rasch, Johann 225 Rav Acha b. Raba (um 400) 151 Rav Chanan b. Tachlipha 150 Rav Joseph (gest. 333) 150 Rawandiya-Sekte 113

288 Re'uvenis, David 208f., 215 Reformation Vili, XIII, XVI, 76, 190f„ 200,210,214, 224 Regensburg 21, 208f., 211, 215f. Ricardus de Sancta Trinitate 71 Richard Löwenherz, König 128,130, 155 Richard von St. Viktor 94 Robert der Mönch 84f. Robert von Auxerre 155 Roermond 222 Roger von Howden (gest. 1201/02) 71, 130-132 Rom 6f„ 11, 23f., 28-30, 34-37, 101104, 116, 120, 126f., 131, 136f., 157, 162, 164-166, 179, 205, 208, 221, 223f., 226-229, 235,251,271 Römisches Reich (auch Altes Reich, Imperium Romanum) Χ, XIII, 29, 82, 147, 153, 157, 163-165, 182, 205f„ 208, 215f„ 219f„ 226, 228, 241,256 Romulus 23 Rosenpliit, Hans 190 Rosheim, Josel von 209, 214, 216 Rote Juden 172, 177, 199-201, 213, 216 Rupert von Deutz (gest. 1129/30) 94, 149 Russland, Russen, russisch, Russisches Reich XIV, 75,246,255-258,261, 263, 265-269, 272-275 Said ibn Khalid, Umaiyade 112 Sachsen 223 Sahl al-Tustan (203/818-283/896) 53f. Sahrbaräz, General 15f. Saiyid Muhammad (gest. 1505) 106 Saladin XII, 51, 87, 99f., 116-120, 124134 Salmon b. Yerüham, Sulaimän b. Röhaim (885-960) 21 Salomo 21,69,90,129,272 Samariter 267 Sambari, Josef 208 Samson 141 f. Sankt Petersburg 255,261

Namen- und Sachverzeichnis Sarazenen, sarazenisch 20, 87, 118, 120-123, 154 Sarov, Serafim von (1754-1833) XIV, 255f., 259, 268, 273 Sassanidenreich, Sassaniden, sassanidisch X, 108 Satan (Satana) XI, 3, 6, 21, 24f., 29f., 73, 77, 79, 86, 90, 93, 97, 121, 127, 129, 144f., 179, 191-193,272, 231, 256, 260, 262, 266f., 272f„ 275 Scherer, Georg, SJ 228 Schiiten, schiitisch (Shiites, Shiite; siebener/ zwölfer) XVI, 39, 46f., 4 9 , 5 1 56, 59, 102f, 105f., 108, 112, 114f„ Schöpfung 150, 152, 165, 173, 223, 259 Schudt, Johann Jakob 205 Schwaben 21 Of. Schwäbischer Bund 214,216 Sefarden, sefardisch siehe Juden Semiotik, semiotisch 160, 247 Seneca 7 Senigallia 207 Sergiev Posad 261f., 273 Sergios I., Patriarch (610-638) 27 Serubbabel 24 Sharänl(897/1492-973/1565) 41 Shushtan 43 Sibylle, Sibylla, sibyllisch, Tiburtinische Sibylle 159, 162, 165, 167, 172, 177-179, 186, 197, 202 Siegel des Antichrist 262f. Signorelli, Luca 265 Simon Magus, Simonie (Simon Mago) 9,91,232 Simson 33 Sixtus V., Papst 230 Solov ev, Vladimir (1853-1900) XIV, 255-272 Sophronios, Patriarch (633/34-638) 22 Sozialismus, sozialistisch 258, 264, 266 Spanien siehe Iberische Halbinsel St. Gallen 171 Stämme Israels (verlorene; Dan; Juda) 32-34, 37, 120, 131, 140-145, 147, 149, 167, 172, 179, 198f„ 208f„ 227, 257,267

Namen- und Sachverzeichnis Staphylus, Friedrich (Stapelage) 223226 Starez Ioann 256 Stefaton 164 Sueton (Svetonio) 7 Sufi (Sufism) XI, 39-59, 106 Sufyänl XI, 49, 99-101, 107-116 Sunniten, sunnitisch (Sunni) XVI, 49, 51,53,55, 103-105 Symbol, Symbolismus 22, 76, 95, 113, 151, 153f„ 160, 163-167, 178, 189, 241,247-251,262 Syrien, Syrer, syrisch (Syria, Syrian, Siria, siriache) XVI, 2, 7-13, 15, 18f., 22f., 32, 34-37, 51, 54, 100, 102f„ 105, 107f., llOf., 114-120, 122,138 Tabor, Berg 101 Talmud 36, 150-152, 206, 267 Tamìn (Timinus) 122 Tankred von Edessa 90 Tankred Annibaldi 135,138 Tanner, Adam 219 Tarsus, Tarsenser 157 Tartaren siehe Mongolen Täufer 210f., 213, 216 Tegernsee 182 Tempel (tempio), Tempelberg XI, 17, 20-23,29,35, 169, 172, 179, 182, 228,271 Templer 124 Teufel, teuflisch (diavolo) XI, 2, 4, 13, 23, 30, 71, 73, 77-92, 97f., 119, 122f., 129, 137, 145, 169, 171f., 179f., 185, 189, 193, 220f., 226-233, 242, 257f., 267 Teutonen 87 Theodoret (Teodoreto di Cirro) 6 Theodorik, Meister 173 Theodoras Balsamon 137 Theophanes, Chronist (ca. 760-818) 18, 20, 22, 26 Theophilos, byzantinischer Kaiser 115 Thomas von Aquin 228 Thomaschristen 148

289 Thora/Tora 20,32,214 Tiberias 17 35,114 Timotheus 145 Tod, tödlich 75, 85, 102, 105f„ 108, 112f., 119, 127f„ 132, 135, 137, 142, 152, 154, 181, 189, 192, 194, 202, 208, 215, 222, 228, 231-233, 239, 241,244, 247-251, 261, 263, 267, 270,272 Toledo 36, 148 Trajan, römischer Kaiser 205 Trient, Konzil von (1545-1563) 224 Trier 151, 153, 156f., 160,230 Tripoli 19 Trithemius 228 Trubeckoj, Evgenij 266 Tschandala-Hass gegen Rom 251 tschechisch, Sprache 191 Türkei, Türke, türkisch, Turcomannen 78f„ 84, 87f., 97, 100, 200, 208f„ 212-215,256 Tustar 53 Tyconius 182 Tyrann, tyrannisch (tyranny, tyrannus) 61 77, 103, 117-119, 127-129, 169, 180f., 186, 226, 228 Ulm 211 Umaiyaden, umaiyadisch 102,116 'Umar b. al-Hattäb, erster Kalif (634644) 19f. 'Umar II., Kalif (gest. 720) 105 Urban II., Papst 80-82, 87, 92, 94 Vahräm Ööbln 15 Veit (Vitus), Hl. 162 169,178 Velislav (gest. 1367); Velislav-Bibel 167, 169, 171-173, 177f. Venus 30f. Vergil 30 Victorinus von Poetovio (Vittorino di Petovio) 2 Vinzenz Ferrer 225 Vorderösterreich 211, 213 f. Wallasser, Adam 225

290 Walter der Kanzler 77f., 89-92, 97 Weib Belials 24 Weltgericht siehe Jüngstes Gericht Weltverschwörung, Weltverschwörungsmythos 259, 263f. Wenzel, Hl. 169 Westerstetten, Johann Christoph von, Fürstbischof von Eichstätt 219 Westgotenreich 148 Weyer, Galenus 234 Weyer, Johann 234 Widerchrist siehe Antichrist Widmannstetter, Johann Albrecht (1506— 1557) 215 Wien 158, 212f., 225, 256 Wilhelm von Tyrus (gest. 1186) 71, 77, 85-88,90-92, 97, 117f., 124 Wilhelm V., Herzog von Jülich, Kleve und Berg 222,233

Namen- und Sachverzeichnis

Worms 207f., 211 Württemberg 214 Xusrö II. Parwiz (590-628)

15, 17

Yarmük (636) 18 Yazid I., Kalif 108f. Zacharias, Patriarch (609-632) 16 Zanj 51 f. Zarathustra 236 Zauberer 229-234 Zelantenpartei 219 Zen'kovskij, Vasilij 269 Zeus 28 Zîriden-Reich 122 Zürich 187, 190 Zvi, Schabtai 207 Zweistromland siehe Mesopotamien

Autorenverzeichnis

Dr. Anna Akasoy, Oriental Institute, Pusey Lane, Oxford 0X1 2LE, England [email protected] Ulrich Barton, M.A., Deutsches Seminar, Eberhard Karls Universität Tübingen, Wilhelmstraße 50, 72074 Tübingen [email protected] Prof. Dr. Wolfram Brandes, Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Hausener Weg 120, 60457 Frankfurt am Main [email protected] Prof. Dr. Hubertus Busche, Institut für Philosophie, FernUniversität in Hagen, Universitätsstraße 41, 58084 Hagen [email protected] Pavlina Cermanová, M.A., Centrum medievistickych studii, Akademie vëd Òeské republiky a Univerzity Karlovy, Jilská 1,110 000 Praha 1, Óeská republika [email protected] PD Dr. Ralf-Peter Fuchs, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München, Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München [email protected] Lutz Greisiger, M.A., Angerstraße 39, 04177 Leipzig [email protected] PD Dr. Michael Hagemeister, Gropiusweg 43, 44801 Bochum [email protected] Dr. Lars M. Hoffmann, Historisches Seminar V: Byzantinistik, Johannes GutenbergUniversität Mainz, Weiderweg 18, 55128 Mainz [email protected] Dr. Dirk Jäckel, Deutsche Kommission für die Bearbeitung der Regesta Imperii e.V. bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Arbeitsstelle Bochum/Köln, Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstraße 150, 44801 Bochum [email protected] Prof. Dr. Hannes Möhring, Historisches Seminar, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth [email protected] PD Dr. Michael Oberweis, Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Geschwister-Scholl-Straße 2, 55131 Mainz [email protected]

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Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Klaus Ridder, Deutsches Seminar, Eberhard Karls Universität Tübingen, Wilhelmstraße 50, 72074 Tübingen [email protected] Prof. Dr. Marco Rizzi, Università Cattolica del Sacro Cuore, Largo Gemelli 1, 20124 Milano, Italia marco .rizzi@unicatt. it Prof. Dr. Felicitas Schmieder, Historisches Institut, FernUniversität in Hagen, Universitätsstraße 11, 58084 Hagen [email protected] Kristin Skottki, M.A., Theologische Fakultät, Universität Rostock, Schwaansche Straße 5 (Palais), 18051 Rostock [email protected] Prof. Dr. Rebekka Voß, Seminar für Judaistik, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Mertonstraße 17, 60325 Frankfurt am Main [email protected]